Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn

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II. Jahrgang.

1891.

I— V. Heft.

ZUGLEICH

ANZEIGER DER GESELLSCHAFT .FÜR DIE VÖLKERKUNDE UNGARNS.

BEGRÜNDET UND HERAUSGEGEBEN VON

Prof. JJr. Atilon Ilermxaixn

REDIGIERT VON

ANTON HERRMANN und LUDWIG KATONA.

Jährlich W Hefte 20 Hogcn. Preis .v ß. Für Mitglieder eines Vereins für Volks- kunde 2 fl. .

Rcdnction und Administration Budapest, I. Attila-utcza 47.

KOLOZSVÄB.

ACTIENDRUCKEKEI l>KE GESELLSCHAFT „K< »ZMÜVELÖDES.*

1 8 9 1.

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Mitteilung des Herausgebers.

Nach verschiedenen PJiinen und Vorsuchen, deren Gelingen unsicher erschien, finde ich mich bewogen, auf den ersten, vor vier Jahren schüchtern betretenen Pfad zurückzukehren, und die „Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn4 in neuer Folge und veränderter, handlicherer Form, aber wesentlich irn Sinne des ersten, von Be- rufenen gutgeheissenen Programme« weiter zu fahren. Hand in Haud mit meinem alten Mitstreber Ludwig Katona, unterstützt von der Bereitwill!gkeit der Kolozs- -varer Actiendruckerei „Közmüvelodes". hoffe ich dies Unternehmen endlich in ein sicheres und regelmässiges Geleise zu bringen. Was im III. Hefte der Ethnologi- schen Mitteilungen, (*p. 413—416.) über die geplante Zeitschrift „Folklore", und im I. Hefte des hier eingebetteten Anzeigers (Seite 1.) Uber diesen gesagt wor- den, ist als gegenstandslos zu betrachten. Der Anzeiger ist von Heft II. an den „Mitteilungen" gänzlich einverleibt.

Die „Ethnologischen Mitteilungen" erscheinen jährlich in 10 Heften, etwa 20 Bogen. Preis 3 tl., für Mitglieder irgend eines Vereins für Volkskunde 2 H. Das IV. Heft des I. Jahrganges, im Format der ersten drei Hefte, den Schluss der dort begonnenen Aufsätze enthaltend, wird in kurzem erscheinen, und an diejenigen Besitzer der übrigen drei Hefte gratis abgegeben, die auf den II. Jahrgang praenumeriert haben.

Heft VI— VIII. des Jahrganges wird anfangs Oktober zur Ausgabe gelangen.

Curort Jegcnye bei Kolozsvär, August 1891. ^ aerrtna„„

Publicationen zur Volkskunde.

Herausgegeben von Anton Hert mann.

'„ .. I. Südost. Bibliothek zur Völkerkunde Ungarns und der Nachbarländer. Für die ersten 8erien sind in Vorbereitung: 1. 2. Bd. Comee Gtza Kuun: Relationes Hun- garorum cum Oriente gentibusque orieutalis orginis Historia antiquissima. (Unter der Presse.) 8 6. Bd Ludwig Katona u. Anton Herrntann: Die magyarischen Volks- märchen. Mit vergleichendem Apparat. 7. Bd. Adolf St rauas u. Anton Herr man : Bulgarische Volkpoesie. 8. Bd. Dr. Athana*. Marienescu u. A. Herrmann: Novak. Ein rumänisches Volksepos. Rumänisch u. deutsch, mit Abhandlungen. - 9. 10. Bd. Fr. S. Kuchai: Eigentümlichkeiten der magyarischen Volksmusik. 11. 12. Bd. Dr. Fr. S. Kraus«: Auf Ungarn bezügliche epiBche Gesänge der Südslaven.

II. Ural-Altai. Bibliothek zur Kunde der ural-altaiechen Völker. In Vorberei- tung: 1. Bd. Dr. Bernhard Munhicsi: Die Volkspoesie der Wotjaken. Deutsch von A. Herrmann u. H. v. Wlislocki. (Unter der Presse.) 2. Bd. Dr. B. Munkdcxi: Die Volkspoesie der "Wogulen. Deutsch von A. Herrmann, (Unter der Presse) 3. Bd. Dr. Ignaz Kunos: Osmanisch-türkische Volkspoesie. (Unter der Presse.; 4. Bd. J)r. Karl Pdpai: Ostjakisch-£amojediscbc9. 5. Bd. Beta Vikdr: Finnischo Stu- dien. - 6 Bd. Gabriel Bdlint: Mongolische Volkspoesie.

Je eine Serie „Südost" u. „Ural-Altai", zusammen 8 Bde, 80—100 Bogen, vom Herausgeber (Budapest, I. Attilautcza, 47.) oder von der litterarischen Anstalt „Kozmüvelödes" in Kolozsvär bezogen, kostet 10 H. Einzelne Bände 2-50.

III. Publicationen der „Ethnologischen .11 itteilungen ans Ungarn " 1. Heft. A. Herrmann Beiträgo zur Vcrgleichung der Volkspoesie. Mit Musiknoten. 150 kr. 2. Dr. H. v. Wlislocki: Zauber u. Besprechungsformeln der Zigeuner. 60 kr 3. Kranss, Asboth, Thallöczy: Südslavisches. 30 kr. - 4. A. Hertmann: Heimische Völkerstimmen. 60 kr. 5. Dr. Fr. S. Krauts: Das Burgfräulein von Pressburg; W. v. Schulenburg: Die Frau bei den Südslaven; J. v. Asboth: Das Lied von Gu- sinje. 90 kr. 6. Dr. II. v. Wlislocki: Uber den Zauber mit menschlichen Kör- perteilen bei den transilvaniseben Zigeunern. 60 kr.

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Ethnologische Mitteilungen

aus Ungarn. Zugleich Anzeiger der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns.

Begründet und herausgegeben von

Prof. Dr. Anton Herrmann.

Redigiert von

Anton Herrmann and Ludwig Eaton:

II. Baud.

Budapest, 1892

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Sem ticdttinniycn itcicczci

Szof. &z. Sofia

in München

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Inhaltsverzeichnis.

Seit*

Barvti L., Deutsche Volksballaden aus Südungarn 198

Czdmbel S., Zur Kritik der Editionen slovakischer Volksdichtungen . 18

Czink L., Italienische Sprüche und Lieder aus Fiume 226

H. A., Paul Hunfalvy 176

Sprachmonopol 184

Hoff mann- Wigand Maja, Deutsche Volkspoesie in Ungarn (Pancsova, . 207

Kaindl R. F., Baba-Jaudocha-Dokia 222

Kdlmdny L., Kosmogonische Spuren in der magyarischen Volks» ber-

Ueterung. I. Die Schöpfung. II. Der Sündenfall 3, 139

Katonn L., Recht und Unrecht. Ein magyarisches Märchen mit seinen

Varianten und Parallelen 38, 159

Ethnographie, Ethnologie. Folklore 13, 244

Kits« Ar., Siebenbürgische Kinderspiele (deutsche) 216

Klein &, Deutsche Wiegenlieder aus Dobsina 262

KBrösi Alex., Italienische Sprüche und Lieder aus Fiume 226

Krams F. 8., Mensch und Bär. Eine bosnische Tiersage 101

Sveta Nedeljica 242

Kuhdc Fr. S., Albanesen in Slavonien 25, 169

Kuun Giza Graf, Schatzgräber und Bergleute 60

Ueber uneigentliche Ausdrücke verschiedener Sprachen aus Khr-

lnrcht vor der Gottheit und vor den Machthabern 80

Kdnon Ig., Türkische Gedankenlieder aus Ada-Kaieh 51

Türkisches Puppentheater (Karagöz-Spiel) 148

Kurz S.t Hochzeitssprüche der Uienzen 211

Ldzdr B., Ueber den „Garabonczias diäk" 166

Uhoczky S., Deutsche Volkspoesie in Ungarn (Bereger Comitat) . . . 193 Island Ch. G., Begrüssungsschreiben an die ethnographische Gesellschaft

in Ungarn 2

Die alten Folkloristen 253

Marienescu A., Baba Dokia, eine volksmythologische Gestalt der Rumänen 12

Matirko B., Die Zipser Volkssage von Kasnarek 162

Menesviachean G., Ein chinesischer Brauch bei den Armeniern ... 56 Munkdcxi B., Kosmogonische Sagen der Wogulen (deutsch v. A, Ii.)

I. Die Sage von der Entstehung der Krde 63, 105

II. Die Sage von der Umgürtung der Krdo . 78

ITI. Das Lied von der Ueberschwemmung des Himmels und der Krde 109

IV. Die Sage von der heiligen Feuerflut. A. B. C 121

V. Heiliges Lied von der Herablassung der Erde aus dem Himmel 125

VI. Das Lied von der Erschaftung der Erde und des Himmels . 255

Pdpai K., Unter Wogulen und Ostjaken 65

ProluUzka Fr., Historische Sagen aus dem Barscher Comitat.

I. Die Kirche von St. Benedek. II. Die Katzenfähre .... 103

Ktthy Lad., Die Armenier in Ungarn 11

Trajan-Decebal-Sagen bei den Rumänen 58

Colonien der Spanier in Ungarn 168

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Srhicanfeldtr A.. Deutsche Be.-piechungsformeln aus Südungarn . . . 97

Deutsche Volkspoesie in Ungarn (Bresztovacz) 204

StratiHz Ad., Fremd zu Hause (aus Ungarn ausgewanderte Bulgaren) . 21 Szonyotl Kr., Armenische Volksmärchen aus Siebenbürgen.

Mutter. Sohn und Drache 21S

Veivss Audi:, Die Baba-DokiaSage und die mit ihr zusammenhangenden

Volksgebräuche in Rumänien ">6

Vikar B., Ueber meine Studienreise in Finnland Hl

Weber S., Die Kleidung der Zipser Sachsen 105

Wlislocki H.. Wesen und Wirkungskreis der Zauberfrauen l»t:i den

siebenbürgischen Zigeunei'n 33

Wanderzeichen der Zigeuner 133

Siebenbürgische Kinderspiele (sächsische) 213

Magyarische Volkspoesien (übersetzt von Handmann, Herrmann, Katona.

Weiss-Schrattenthal, Wlislocki) 88, !>8, 185, 263

Volkslied, bulgarisches (übersetzt von A. H.) PK)

italienisches, fiumaner (übersetzt von A. H.) 191

deutsches, aus Siebenbürgen 18!»

ruthenisches (übersetzt von A. H.) 191

Volkslieder der Spaniolen von Reich-Neuhaus (übersetzt von A. H.) . 192

Aus dem Munde der Ofner Schwaben von Josefine Weisz-Fin&czy 1S-» Volksballaden, deutsche aus Ungarn (M. Wigand, E. Pratscher) ... 1*4

* *

BQchrrhe&prechunyrn.

Paul Sebillot, Dovinettes de la Häute-Bretagne (Krau**) 17<»

M. ' Haberlandt, Der altindische Geist (Krams) 177

Ethnologische Litteratur Ungarns (Wlislocki) 17"»

Fr. v. Hellwald, Ethnogr. Rösselsprünge (Wlislocki, 18t»

Frd. v. Andrian, Der Höhenkultus ( Wlislocki) ISO

Wlislocki, Märchen und Sagen der Bukowinaer und Siebenbürger

Armenier (A. H.) 181

Wlislocki, Volksglaube und rel. Brauch der Zigeuner (A. H.) . 181

Wlislocki. Die Ungarn und Szekler in Siebenbürgen (A. Ii.) . I8i

Hunfalvy-Album (A. II.) 181

Strausz Ad., Bolgar uepköltesi gyüjtemeny (A. H.) 182

* >

Splitter und .>>'///. 104. 2»i4

Zu hemo km: Das 1. Heft dieses Bandes rührt den besondern Titel : Anzeiger der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns.

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I. Jahrgang. Budapest, Januar 1891. I. Heft.

ANZEIGER

DER GESELLSCHAFT FÜR DIE VÖLKERKUNDE UNGARNS.

REDIEGIERT VON ANTON HERRMANN LUDWIG KATONA

SecreUr d. Gesellschaft f. d. Völkerkunde Schriftführer d. Oeselisch, f. d. Völkerkunde

Ungarns. Ungarns.

Mitteilung der Redaction.

Die „Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns" ist aus den Be- wegungen hervorgegangen, zu denen die unmittelbare Anregung die im Jahre 1887 gegründete Zeitschrift „Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn" gegeben hat. Die statutenmiissige Aufgabe der Gesellschatt ist : das Erforschen der jetzigen und einstigen Völker des ungarischen Staates und des historischen Ungarns, ferner auf Grund gegenseitigen Kennen- lernens die Pflege der geschwisterlichen Eintracht und des Gefühles der Zusammengehörigkeit unter den im Vaterlande lebenden Völkern.

Die Gesellschaft, die ihre Tätigkeit im Herbst 1889 mit etwa oÖÖ Mitgliedern begonnen, hält monatliche Vortragssitzungen und gibt als Amtsorgan (gegen den Jahresbeitrag von 3 fl.) die Monatschrift „Eth~ nographia" heraus. (I. Jahrg. 1890. 31 Bogen, redigiert von Dr. La- dislaus Rethy; von 1891. an unter der Redaction der Gefertigten).

Um den Inhalt des Amtsorgans sowie diejenigen Verhandlungen der Gesellschaft, die ein allgemeineres Interesse beanspruchen dürfen, den Volks forschem auch weiterer Kreise zugänglich zu machen, haben wir die Herausgabe dieses Anzeigers beschlossen. Er erscheint mo- natlich (August u. September ausgenommen) wenigstens einen Bogen stark und wird an die auswärtigen Mitglieder der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns gratis abgegeben. Son3t kann der Anzeiger nur als regelmässiges Beiblatt der gleichfalls von den Gefertigten redigierten Monatschrift „Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn" bezogen werden.

Die beiden Zeitschriften (jährlich wenigstens 30 Bogen) kosten zusammen 4 fl ; für die Mitglieder der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns 2 fl; für die Mitglieder jedes andern Vereines für Völker- kunde 3 fl.

Alle Sendungen sind an Anton Herrmann, Budapest, I. Attilla- utcza 47 zu richten.

Budapest, am 20. Dezember 1890.

Prof. Dr. Anton Herrmann Prof. Dr. Ludwig Katona

SecreUr der Gm. f. d. Völkerkunde Ungarns. Schriftfahrer d. Ges. f, d. Volkerkunde Ungarns.

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BEGRÜSSUNQSSCHREIBEN VON CHARLES O. LEL AND.

Aus dem Begrüssungsschreiben an die Gesellschaft.

Von Charles G. Leland.

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(Vorgelesen in der Vortragssitzung am 7. Dezember 18 8'J.)

Es macht mir ein ausserordentliches Vergnügen, dass ich wenn auch nicht persönlich, so doch wenigstens brieflich die Gründung der Ungarischen Folk-Lore-Gesellschaft begrüssen kann. Dass es nötig, ja sogar eine Pflicht ist, eine solche Gesellschaft zu gründen, davon war ich schon längst aus zwei Ursachen überzeugt. Erstens aus dem Grunde, weil kein Land in der ganzen Welt so reichen, verschiedenen und so interessanten StolF für den Forscher bietet, als eben Ungarn. Im westlichen Europa existiert dieser Stoff meistens nur als ein trockener und todter Ueberrest vergangener Zeiten, hier in Ungarn aber Übt er, und kann vom Forscher frisch und lebendig studiert werden. Dass Ungarn sich rühmen kann einen der besten Roman- und Novellendichter der Welt nämlich Jökai zu besitzen, findet seine Begründung schon darin, dass der ethnologische und ethnographische StofT in der Ver- schiedenheit der Racen, in seinen wundervollsten Nuancen dem Dich- ter hier von allen Seiten in unzählbarer Abwechselung engegentritt. Wenn dies eben nicht der Fall wäre, so hätten Sie. meine Herren, wohl auf anderen Gebieten grosse Männer aufzuweisen, aber grosse Dichter vom Range eines Petöfi, Eötvös, Arany und Jökai wohl schwerlich.

Ein zweiter Grund für die Gründung dieser Gesellschaft ist der, dass Sie, Meine Herren, in den von Prof. Dr. Anton Herrmann redi- gierten „Ethnologischen Mitteilungen11 ein bahnbrechendes Folk- Lore- Journal besitzen, das wie ich dies in Englands erstem Journal be- tont habe das beste in Europa ist. Obgleich das Unternehmen_noch jung ist. so ist sein Wert im Ausland doch schon anerkannt. Auf dem Gebiete der Archaeologie und Ethnologie steht Ungarn keinem Lande nach, indem es Männer wie Pulszky. Hunfalvy, Vämb6ry, Török und manche andere aufweisen kann die auch in dieser Richtung ih- rem Volke zur Ehre gereichen. Und sehr charakteristisch und eh- rend für dies Land ist auch der Umstand, dass es in der Person Sr. k. u. k. Hoheit des Erzherzogs Josef nicht nur auf socialem und politi- schem, sondern auch auf strengwissenschaftlichem Gebiete einen berühm- ten Vertreter besitzt, der als erster Kenner der Zigeunersprache, zu den Forschern ersten Ranges gehört. Und diesen Titel hat er nicht geerbt, sondern durch Eigenfleiss erworben.

♦) Etbnographia, L, I. Heft. S. 38—41.

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BEQBÜSSUNGSSCHREIBEN VON CHARLES G. LELAND.

Mögen Sie, meine Herren, ja nicht denken, dass ich etwa als Praeses der englischen Zigeuner-Gesellschaft, der Gypsy-Lore-Society, ein solches Studium zu hoch anschlage. Vergessen Sie ja nicht, dass wir in erster Reihe Folkloristen sind und dass für uns die Entdeckung des Zigeunertums und dessen Erforschung eine wichtige und unerschöpf- liche Quelle bildet. Es gibt freilich gelehrte Philister, die uns nur mitlei- dig belächeln und die Rohemiens der Wissenschaft, eine colluvies gen- tium nennen; aber wir müssen bedenken, dass Folk-Lore als Wissen- schalt noch eine gar junge Erscheinung ist, und dass es noch genug Krämer auf dem Markte der Wissenschaft gibt, die noch nicht wissen, was für ein Artikel Folk-Lore ist. Die Folkloristik ist die allerletzte, aller- tiefste und schönste Entwicklung der Geschichte. In meiner Jugend lernte man. die Geschichte nur in monochromischen Skizzen, aber heute ist man schon bestrebt, nicht nur grosse Männer, sondern Ideen und bewegende Factoren in den Vordergrund der Geschichte zu rücken. Und hiebei ist eben der Folk-Lore berufen mitzuhelfen.

Jacta est alea. Wir haben den Anfang gemacht; jetzt heisst es nur vorwärts zu streben. Sie können, meine Herren, die schönsten Hoffnungen aus den vielen, sich Ihnen darbietenden Vorteilen schöpfen. Sie haben einen reichen Vorrat an Stoffen, ein vortreffliches Journal, viele grosse und strebsame Gelehrte, während Ihre Völkerschaften berufen sind, das schönste ethnologische Museum der Welt zu bilden, wobei Sie Alle vom edelsten Nationalgefühl begeistert sind, dem grosse Erfolge nie abgehen können. Und wenn die Gesellschaft ihre Pflicht erfüllt, so hat sie in grossem Masse Ungarns Cultur und die Kräfti- gung seines Staatslebens gefördert.

Kosmogonische Spuren in der magyarischen Volksüberlie- ferung.

Von Ludwig Kdlmdny. I. Die Schöpfung. (Vorgelesen in der Vortrags-Sitzung am 11. Januar 1890.)

Zweifelsohne spielte der Teufel (magyarisch : ördög) auch in den magyarischen Sagen ursprünglich eine demiurgische Rolle, die erst un- ter dem Einflüsse des Christentums in eine diabolische übergieng. Schon

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LUDWIG KALMANY.

Erman und Reguly ') wiesen auf den Örtik der sprach verwandten Ostjaken hin, der als ein dem Hauplgotte befreundetes, helfendes Wesen, als Demiurg also, dargestellt wird. Wir können uns im Folgenden gar leicht davon überzeugen, dass der örtik der Ostjaken nicht nur dem Laute nach, sondern auch betreu" seiner demiurgischen Rolle dem ma- gyarischen Ordög, dem türkisch-tatarischen Ärtik oder Ärlik und dem mongolischen Erlüng, Erlik-Kahn entspricht.

Als der wogulische Demiurg Elm-pi die Welt aus dem Wasser emporsteigen Hess, begann dieselbe sich auf demselben rasch im Kreise herumzudrehen. Damit nun die Erde für die Menschen bewohnbar werde, so wurde sie von Elm-pi mit einem Gebirge, dem Ural befe- stigt. So erzählt die wogulische Sage, der wir die folgende magyarische (aus Sägüjfalu) entgegenhalten : „Wo sich die Schleuse von Endrefalva befindet, dort wollte der Teufel die Welt absperren. Es gelang ihm auch zum guten Teile, aber den Knauf anzubringen, hatte er keine Zeit mehr, denn es erscholl der Hahnenruf und die Schleuse versank. Zur Ergänzung erzählte der Palovze von Sägüjfalu, dass die Schleuse von Endrefalva quer durch die ganze Welt gezogen ist, das kam aber so: Gott sprach einmal zum Teufel: Er soll auch sein Reich haben, wenn er's von Morgen bis Abend abzusperren im Stande ist, dahin wird die Sonne nicht scheinen. Der Teufel aber konnte den fabschlies- senden) Knauf nicht aufsetzen, der Hahn krähte, die Schleuse versank, der ganzen Länge nach ist noch ihre Spur sichtbar."

In dieser magyarischen Sage ist der Ausdruck tögdt (Schleuse, Schliesse, Verschluss) von besonderer Bedeutung, nachdem dies Wort in den magyarischen Chroniken in der Form Togata vorkommt und der Name eines Flusses ist, an dessen Ufern den Chroniken ge- mäss — sich die Urheimat der Magyaren befunden haben soll. Nicht nur dem Laute nach, sondern auch seiner Bedeutung nach entspricht es dem vogulischen tagat, taget und dem ostjakischen tangat (stecken, stecken bleiben a). Mit diesem Ausdrucke der Palovzen, nicht weniger mit der vogulisch-ostjakischen verwandten Bedeutung desselben, stimmt überein die Erklärung Simon Kizaih (circa 1 282) und die der Wiener Chronik, des sogenannten „Codex pictus" (circa 1 358), der gemäss die Togota oder Togata „in unbewohnten morastigen Gegenden und zwi-

») 8. Castrin% Vorlesungen über die finnische Mythologie S. 216 und Ipolyir Magyar Mythologia (magyar. Mythologie) S. 40.

») Hunfalvy, Magyarorszag ethnographiaja (Ethnographie Ungarns) S. 2B5

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KOSMOGONISCHBN SPÜREN IN DER MAGYARISCHEN VOLKSÜBERLIEKERUNG.

sehen schneebedeckten Bergen fliesst" ; *) ein Fluss, der durch solche tiegenden fliesst, verdient in der Tat den Namen eines abschliessenden, stecken bleibenden oder eines tögata. Um diese magyarische Sage in ihrer ursprünglichen Gestalt kennen zu lernen, müssen wir all das von ihr abschälen, womit sie fremde Religion bekleidet hat. Die ge- meinschaftliche Grundlage der wogulischen und auch der magyarischen Sage ist die Welterschaffung. Elm-pi erreicht sein Ziel, der Teufel nicht. Dass der Teufel grade dann fallen musste, als er das Ziel beinahe schon erreicht hatte, dass er sein Reich desshalb mit Bergen umgab, damit die Sonne nicht hineinscheine, dass er heute als ein Feind Got- tes erscheint, das sind alles Züge, die im christlichen Diabolus sich vorfinden; aber das, dass sich der Teufel eine Welt erschafft, und zwar nicht in der Unterwelt, sondern hier auf der Erde, dass er gleich Elm-pi eine Gebirgsspitze besitzt, dass endlich die Schleuse (tögdt) versinkt, gleich dem Berge Elm-pi's, das sind Züge, die wir im Chris- tentum nicht, wohl aber in der wogulischen Sage autreden.

Nach der Erschaffung der Erde verfertigt Elm-pi auf Numi Tarom's Rat aus Schnee einen Menschen, der jedoch in Stücke lällt. a) Ebenso erfolglos ist dies Beginnen für den magyarischen Demiurgen, den Örd$g. Die Sage erzählt: „Als Gott den Menschen erschaffen halte, sagte der Teufel, dass er sich auch einen erschaffen wolle. Gott sprach: ,Also erschaffe ihn!' Der Teufel formte auch einen Men- schen, und Gott sagte: .Mach1 ihn also gehen!' ,Das kann ich nicht', versetzte der Teufel. Da sprach Gott: ,Verleihe ihm eine Seele.' ,Das kann ich nicht ohne deine Hilfe,4 versetzte der Teufel ; Gott aber meinte : ,Das thue ich nicht ; dem Teufel gebe ich keine Seele /' Und daher kann der Teufel nicht mit der Seele schalten." (Majdän.) Der Einfluss des Christentums ist gleich am Anfang dieser Sage bemerk- bar, wo Gott den Menschen erschaffen, während nach der Sage ver- wandter Völker der Demiurg sich damit abplagt. Dass der Teufel keine Seele habe, drücken die magyarischen Redensarten aus: „Szöghiy az ördög, mert nincs neki lelke.u (Arm ist der Teufel, denn er hat keine Seele. [Szeged.] Wenn er also keine Seele hat, so ist er Demiurg, denn der christliche Diabolus ist ja selbst eine „böse Seele" (rossz Ulek), dem die Bösen angehören, daher die Redensart: „Az ördögnek adta a lelkdt* (Er gab dem Teufel seine Seele), oder „Annak mär

>> Derselbe, Ugor vagy török-tatar eredetü-c a magyar nemzet? (Ist das ma- gyarische Volk ugrischen oder ttlrkisch-tartariscben Ursprungs). S. 22. ») Derselbe, Reguly hagyomänyai (Rcguly's Nachlass) I. 126.

LUDWIG KALMANY

az ördögi a Ulke" (Dessen Seele gehört schon dem Teufel) [Szegedj. Der wogulische Elm-pi verzweifelt nicht über die Erlolglosigkeit seiner Unternehmens, sondern bittet Numi Tarom um Hilfe, der ihm rät, er möge Erde mit Schnee mischen und daraus einen Menschen formen. Hiezu haben wir auch ein magyarisches Bruchstück: „Als der Teufel den Menschen geformt hatte, konnte er ihn nicht aufrichten ; nachdem Gott ihn angehaucht hatte, sprach er: .Steh' auf, Elias!* Und er stand auf.* (Täp6). Eine, wenn auch nicht auf die Erschaffung, so doch auf die Vermehrung der Menschen bezügliche magyarische Sage erzählt: ,Gott segnete das erste Menschenpaar, damit es sich vermehrte, und Hess dieserwegen auf das Gesäss des impotenten Adam vom Him- mel glühende Kohlen herabfallen.' (Török-Kanissa). Das Feuer ent- spricht hier der Seele. (In Magyur-Kanizsa legt der Teufel die Koh- len auf.)

Gehen vir weiter. Der wogulische Elm-pi formt den Menschen und macht ihn auch gehen, in der magyarischen Sage stösst Gott dreimal an die Sohlen Adams, worauf er sich rührte, dann aufrichtete und endlich gehen konnte. (Egyhazasker.) Auf gleiche Weise wird der vom Teu- fel erschaffene Elias durch Jesus erweckt. (Teraesköz-Lörinczfalva.) Auch die sibirisch-türkische Sage von der Teilnahme des Hundes an der Erschaffung des Menschen finden wir im Magyarischen wieder. „Als Gott den Adam erschaffen hatte, nahm er ihm ans der linken Seite eine Rippe heraus, und legte sie auf die Erde. Hierauf entfernte sich Gott, um Kot zu holen, womit er das Loch in Adams Seite zu- stopfen wollte. Inzwischen raubte die Hippe der Hund, und wollte da- von laufen, aber (iott schnitt ihm den Schwanz ab und formte daraus die Eva ! Und so ist es denn auch : Ob du ein Geheimnis an die Zunge der Weiber bindest, oder an den Schwanz des Hundes es bleibt sich gleich!" (Majdän.) Hiebei wird freilich weniger auf die Er- schaffung, als eben auf die specielle Erschaffung des Weibes aus einem Hundeschwanz Bezug genommen, um dadurch die Frauen liicherlich zu machen. Es wird auch erzählt, dass die Frauen desshalb so llöhig sind, weil sie aus einem Hundeschwanz erschaffen worden sind. l) Auch sagt das Sprichwort: „Das Weib ist unbeständig wie der Hunde- schwanz. u (Sägüjfalu.)

In einer anderen Variante wird erzählt, Gott habe den Hund beim leblosen Körper als Wächter zurückgelassen, während er selbst

') Ikirna Fnl. A votjäkok pogany Tallaaaröl (Ueber die heidnische Religion der Wotjaken) S. 27.

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K0SMOG0NI8CHE SPÜREN IN DER MAGYARISCHEN VOLKSÜBERLIEFERUNO .

um Kot gieng; da habe der Teufel (hier also Diabolus) eine solche Külte entstehen lassen, die der Hund nicht im Stande war, zu ertra- gen. Der Teufel habe nun dem Hunde einen Pelz angeboten, wenn er ihm den Körper auf einen Augenblick überlasse. Der Hund nahm den Pelz, der Teufel aber spie den Körper an, und legte dadurch den Grund zu allen menschlichen Krankheiten.

Auch bei der Erschaffung der Tiere spielt der Teufel in den magyarischen Sagen eine Rolle. In zahlreichen Varianten wird erzählt: „Als Gott die Biene erschaffen hatte, sprach der Teufel : ,Auch ich will mir ein solches Tierchen erschaffen!' ,Also erschaffe dir!4 ver- setzte Gott. Der Teufel gieng von dannen und formte sich Bienen. Als er nun Gott rufen wollte, damit er sein Werk ansehe, sprach er zu den Bienen: ,Hier bleib' !' iungar. üt Ugy), Da verwandelten sich alle von ihm erschaffenen Bienen in Fliegen (ungarisch Ugy die Fliege) und flogen von dannen." (Csanäd-Apacza). Als ErschalTer der Fliege wird auch unter gleichen Umstünden Set. Petrus erwähnt. Nach einer anderen Sage soll Lucifer statt Bienen blutsaugende Bremsen erschaf- fen haben. (Egyhäzas-Ker.) Nach christlicher Autfassung zerstört Gott die Werke des Diabolus und lässt ihn nicht zum Ziel gelangen. Eine Sage erzählt: „Als Gott die Welt erschaffen hatte, kam der Teufel zu ihm und sprach : er würde auch eine erschaffen. Fragte ihn der Herr : „Was schaffst du Teufel?" Sprach dieser : „Fliegen, so gross, wie ein Pferd; wen sie stechen, der wird sterben!" „Nicht also," versetzte Gott, „ich selbst werde auch Fliegen erschaffen, aber nur so gross, dass sie die Schnitter nicht schlafen lassen. " (Szeged-Gajgonya). Die Benennung der einzelnen Tiere soll von Adam, oder wie andere Sa- gen erzählen, von Noe herrühren. Als Verbreiterin der Fliegen, gilt Margaretha ; daher heisst es im magyarischen Volksglauben : Vor dem Margarethentage ist keine Fliege im Hause zu finden ; an diesem Tage aber geht Margaretha herum und lässt aus ihrer Schürze in jede Küche eine Schaar Fliegen hienein schwärmen. Deshalb soll man an diesem Tage die Türen nicht offen halten.- (Torontäl-Monostor.) Eine andere Sage erzählt, dass eine alte Jungfrau stets über Langweile geklagt habe; da erschuf Gott ihr zuliebe die Fliegen und Flöhe, damit sie nun etwas zu tun habe. (Szeged-Madaräsztö). Auch die Laus soll der Teu- fel erschaffen haben : Gott hatte den Floh erschaffen, der Teufel bat, auch so etwas schaffen zu dürfen. rNun schaff, wenn du kannst !* sprach Gott. Der Teufel machte sich daran, konnte aber nur eine Laus zustande bringen. Und so ist es auch besser, denn wenn die Laus

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LUDWIG KALMAKY.

auch so springen könnte, wie der Floh, wärs arg gefehlt. (Szeged- Kirälyhalom).

Auch als Lehrer der Menschen spielt der Teufel eine Rolle in der magyarischen Volksüberlieferung. Er soll die Menschen das Rau- chen, Kartenspiel, Saufen gelehrt haben. Hier also tritt er wieder als Diabolus auf. In einer Sage aus Majdän lehrt er den Gebrauch der Schusswaffe und erscheint als Demiurg. Auch wird erzählt, der Teufel habe die Menschen das Mahlen gelehrt; er habe die erste Mühle ge- baut, doch konnte er keinen Beutler verfertigen ; diesen habe der Zi- geuner gemacht. (Majdan). An Stelle des Teufels in demiurgischer Rolle hat das Christentum in einigen magyarischen Sagen den heil. Petrus gesetzt, der, wie wir gesehen, auch die Fliege erschaffen hat. Kr soll auch die Raizen (ung. rdcz) erschaffen haben. Als nämlich Hott so erzählt die Sage mit der Zeit alle Völker erschaffen hatte blieb noch ein ungeformter Lehmhaufen zurück, aus dem ein Slovak hiilte geformt werden sollen. I)a bat der heilige Petrus. Gott möge ihm er- lauben, dass er auch ein Volk erschaffe. Die Bitte wurde ihm gewährt und er begann nun den Lehm zu formen und anzubohren, wobei der Bohrer im Lehm den Ton: Rar. Raf, Rae! hören Hess. „Also soll dies Volk Raizen heissen!" rief geärgert der heil. Petrus, und seil dieser Zeit gibt es auch Raizen auf der Welt. (Egyh&zas-Ker.) Nach ei- ner Variante aus Szöreg geschah dies später. Als nämlich Petrus mit Christus bei Pressburg an der Donau wandelte, fiel ihm auf. dass Gott allerlei Völker habe auf Erden, nur keine Raizen. Christus erlaubte ihm welche zu schaffen. Er bohrte sich einen aus einem Deutschen, der am Donauufer grade seine Notdurft verrichtete. Auch die zahlrei- chen Windungen der Theiss werden im Volksglauben dem heil. Petrus zugeschrieben. Er soll nämlich mit einem blinden Pferd die Furche für das Theissbelt gezogen haben. (Algyö) Nach einer Variante aus Magyar- Kanizsa soll es ein Esel gewesen sein, der nach Disteln suchend, den Pflug hin und her zerrte. Die Wirbel in der Theiss werden Christus zugeschrieben. Als er nämlich mit Petrus die Theiss aufwärts fuhr, hörte dieser die Schiffer wegen der Schwierigkeit der Fahrt gar oft fluchen. Da bat er Jesus, er möge bewirken, dass der Strom auf der einen Seite aufwärts, auf der anderen abwärts fliesse, damit dadurch die Fahrt erleichtert werde und die Schiffer nicht so viel fluchen soll- ten. Jesus gewährte seine Bitte, und die Folge davon war. dass nun die Schiffer bei erleichterter Fahrt erst recht Zeit hatten zum Flu- chen Da bat der heil. Petrus abermals Jesus, er möge den Strom

KOSMOOONISCHE SPUREN IN DEB MAGYARISCHEN VOLKSÜBERLIEFERUNO.

wieder so fliessen lassen, wie früher. Auch dieser Bitte willfahrte Je- sus, doch liess er im Strome Wirbel zurück, die auch heutigen Tages „das Wasser des heilig, Petrus" {Stent Piter vize) heissen. (Szeged). Nach einer Variante aus Magyar-Kanizsa erscheint Petrus als Fischer und Fischer treten an Stelle der Schiffer. Aehnlich erzählt man sich die Erschaffung der Knoten im Holze. l) Der heil. Petrus, mit Jesus auf Erden wandelnd, hörte die Zimmerleute fluchen. Da sprach er : „Siehe da, Herr, diese Leute haben eine gar leichte Arbeit und daher auch Zeit zum Fluchen! Wie könnte man dem abhelfen, damit sie mehr zu tun und weniger Zeit zum Fluchen haben?" Der heil. Petrus hatte den Mund grade voll -Kautabak und Jesus sprach zu ihm: „Speie auf diesen Balken! Gleich werden die Zimmerleute zu tun haben!" Petrus spie auf das Holz und aus seinem Speichel sind die Knoten entstanden Seither fluchen die Zimmerleute dem heiligen Petrus.

Es gibt magyarische Volksüberlieferungen, in denen Set. Peter bei der Schöpfung nur gegenwärtig ist, ohne daran Teil zu nehmen; höchstens fragt er nach dem Namen des Erschaffenen, wie z. B. in der Sage von der Erschaffung des Weizens:

„Als Ciott die Welt, die Pflanzen und auch den Weizen erschaf- fen hatte, kam Set. Petrus heran und fragte: „Was ist das für ein Gras, das den andern Gräsern gleicht?" Gott antwortete: „Es soll Weizen heissen." Hiebei segnete er den Weizen; dieser abar sprach: „Man wird mich aber aussäen." „Vermehre dich!" erwiderte Gott. „Ich werde Kälte und Hitze ertragen müssen!" „Vermehre dich!"

„Ich werde in die Höhe schiessen!" „Vermehre dich!" „Die Sonne wird mich versengen!" „Vermehre dich!" „Meine Körner werden verdorren'" „Vermehre dich!" „Man wird meine Füsse abschneiden!" „Vermehre dich!" „Man wird mich binden und auf den Wagen werfen!" „Vermehre dich!4 „Man wird mich durch Pferde zertreten lassen und in Säcke füllen!" „Vermehre dich!" „Man wird mich in der Mühle mahlen ! - „Vermehre dich!"

„Man wird mich sieben!" „Vermehre dich!* „Man wird mich kneten!" „Vermehre dich!" „Man wird mich backen!" „Vermehre dich!" „Man wird mich zweimal backen!" „Nimm ab!" (Szöreg). Zuweilen will Petrus, der Demiurgrolle entkleidet nicht erschaffen, sondern zerstören, wie in der folgende Sage vom

') S. mein Werk: Szeyed ntt* (Szegedin's Volk) II. 141.

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LUDWIG KÄLMANY.

Tabak: Als Petrus mit dem lieben Gott auf Erden wandelte, da gab es untern den andern Kräutern auch schon Tabak. Als sie unter Ta- bakpflanzen umhergiengen, ward der Mantel Petrus' mit dem Samen ganz belegt; da sprach er zu Gott: „Mein Herr und Schöpfer! Ver- tilge doch den Samen dieses Krautes! mein Gewand ist ganz damit belegt!" Gott aber versetzte: „Lassen wir es nur, Petrus! das ixt ein kostbares Kraut, davon wird ein grosser Teil der Welt leben!14 So ist dann der Tabak geblieben. (Temesköz-Lörinczfalva).

Den heiligen Petrus als Demiurgen stellt uns auch die magyari- sche Redensart dar, die bei grosser Hitze angewendet wird: „Nicht vergeblich war ein strenger Winte»; der heil. Petrus hat viel Holz fallen lassen, nun kann er auch tüchtig einheizen. (Torontäl-Csoka). ') (Netn hidba volt nagy tü; Szent PÜer sok fdt vdgatott, ugyancsak ra- katott it a tüzre). Hieraus ist ersichtlich, dass er dem Volksglauben gemäss Sorge für die Welt trägt, dieselbe regiert und dass die Wit- terung von ihm abhängt. Als Demiurg spielt dieser Heilige auch bei der Erschaffung der Plejaden (des Sternbildes : Gluckhenne) in der ma- gyarischen Sage eine Rolle. Es heisst nämlich : Als Christus und Set. Petrus auf Erden wandelten, erblickte der Heilige eine Henne und fragte Jesus: „Was ist das?tt „Eine Henne," antwortete der Herr. „Sollen wir sie nicht mit in den Himmel nehmen?" „Nimm sie!u versetzte Jesus. Und Petrus nahm die Henne mit sich in den Him- mel und lieRs sie brüten. Nun sieht man sie oft am Himmel mit ihren Küchlein scharren (Szöreg).

Mit der Himmelfahrt Christi ist in einer magyarischen (palöcz) Sage die Entstehung der Berge verbunden. Es wird nämlich erzählt: Als Christus sich in den Himmel erhob, folgte ihm die Erde nach; als er aber „Amen!" sprach, blieb sie zurück und so entstanden die Berge, so entstand auch der Karancs-Gipfel, auf dem die Engel dann eine Kirche erbauten. (Sägüjfalu) Kosmogonische Spuren und zwar mohamedanische, finden wir auch im magyarischen Rätsel. Als Gott den Adam aus Lehm geformt hatte, lehnte er ihn an einen Zaun, damit er an der Sonne trockne; wer hat aber den Zaun gemacht? - Der Islam lehrt, dass Gott den Menschen aus schwarzer Erde ge- formt und diese Form vierzig Jahre lang an der Sonne habe trock- nen lassen.

') Vgl. hiezu das siebenbürgisch-säcusische Kinderlieb, das die Kinder, den Schneemann umtanzend, zu singen pflegen.

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K08MOO0NISCHE SPUREN IN DER MAGYARISCHEN VOLKSÜBERLIEFERUNO.

Es scheint, als ob durch das zweimalige Formen des ersten Men- schen der Demiurg im Volksglauben unsere Zukunft gleichsam voraus- bestimmt habe, und uns schon damals an das Leid, an den Kampf ums Dasein habe gewöhnen wollen.

Die Armenier in Ungarn. ')

Von Dr. Ladislaus Bithj.

Unter denjenigen fremden Volkerschaften, die in Ungarn eine neue Heimat fanden, sind in erster Reihe die Armenier zu erwähnen, die obwohl sie die alte Benennung ihres Volkes beibehalten haben mit der magyarischen Nation so sehr verschmolzen sind, dass sie de- ren integrierenden Teil bilden, und von jeher an Freud und Leid der- selben Teil nahmen. Die Armenier sind den Magyaren schon in ihrer an der Wolga gelegenen Urheimat bekannt gewesen, da man in den erwähnten (legenden armenische Denkmäler «onstatiert hat, und es ist höchst wahrscheinlich, dass sie die Magyaren auf ihrem Zuge nach Mitteleuropa als Handwerker und Händler begleitet haben mögen. K6zai erwähnt in seiner Chronik, dass unter den fremden Familien auch ar- menische zu finden sind und in der Arpaden-Zeit soll ein Teil der Bevölkerung von Gran armenisch gewesen sein (Armenii Strigonii. Czi- nar 20). In späterer Zeit kommt in den Chroniken der Name „Arme- nier" (ungarisch: Örm6ny) auch als Familienname häufig vor. So hat z. B. im Jahre 1415 zu Ofen ein Bürger, namens Jakob sein Haus einem gewissen Martin, einem „Armenier" (Armenus) für 600 fl (nach heutigen Uelde circa 10,800 fl.) verkauft. Im Jahre 1432 finden wir unter den Vorstehern der Stadt Pest einen gewissen Aegidius Ör- meny als Geschworenen, und am Hof Mathias Hunyady's diente ein Stefan Ermeny als Burgkapitän. l) Armenier als Adelige werden in den Listen der Adeligen gar oft angeführt, so in den Archiven des Karlsburger Domkapitels und des Kolosmonostorer Convent's; und auch heutzutage gibt es ungarische Magnaten armenischer Abstam- mung, z. B die Grafen Kardesony i de Beodra.

») Ethnogmphia I. 4. Ha. S 197—202. Ein Kapitel ans des Verfassers dem- nächst zu erscheinendem, grösseren Werke: Mayijar Tdrmdnlom (die ungarische Gesellschaft).

J) F. Solomon, Budapest törtenete (^-- Geschichte der Stadt Budapest).

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DK. LADISLAUS KETHY

Was die spätere armenische Einwanderung im Mittelalter anbe- langt, so lässt sich dieselbe nur annähernd datieren. Einem aus dem Jahre 1453 stammenden Briefe des (iraner Erzbischofs Nicolaus zufolge be- stand zu Talmescb, in der Nähe des Rotenturm-Passes (Siebenbürgen) ein armenisches Bistum, als dessen Bischof ein gewisser Martin erwähnt wird : Venerabiiis in Christo Pater frater Martinus praedicta gratia Kpiscopus Armenorum de Tulmachy noster sufTraganeus. ') Die Tal- mescher Armenier wanderten aus der Walachei in Siebenbürgen ein und zwar aus Arges, wo nach dem Berichte des rumänischen Ge- schichtsforschers Hasdeu sich eine armenische Niederlassung belunden haben soll. Die Armenier in den siebenbürgischen Städten: Szamosuj- var, Elisabethstadt u. s. w. sind zur Zeit des siebenbürgischen Fürsten Michael Apaffy im Jahre 1684 eingewandert.

Auf dem Gebiete des Handels sowohl, als auch der Politik, Lit- teratur und Wissenschaft haben einzelne ungarischen Armenier von jeher eine hervorragende Stelle eingenommen. *) Die armenische Spra- che wird nur von der älteren Generation als Conversationssprache ge- hraucht, in den Schulen aber nur beim Religionsunterricht.

Baba Dokia. ')

(Eine volksmythologiscbe Gestalt der Rumänen.) Von Dr. Athanasius E. Marienescu. Vorgelesen in der Vortrags-Sitzung am 15 Februar 18i»t>.

I.

Festtage.

Der 1. März gr. K. ist Tür die Frauen der rumänischen Land- leute ein Festtag, den sie zu Ehren der Baba Dokia einhalten. An

») Jos. Cur. Kdtr, Exercitationes Diplomaticae. Fol. Lat. 2242 im Archiv dos ungarischen National -Museums.

») Die hervorragendsten Vertreter sind namentlich angeführt : ,. Ethnograph ia- I. Hft. 4. S. 199 ff. Im Anhang zu Dr. Ladislaus Rethy's obigem Aufsatz teilt Chri- stoph Szongott ein Ncujahrslied der siebenbürgischen Armenier im Originaltext und in ungarischer Uebersetzung nebst Melodie mit Dies Lied verfasste 1836 der Szamos- ujTarer Professor Zacharias Gäbrus, der unter dem Titel.- „Zänazän adanavor kirkh" seine gesammelten Gedichte im Manuscript bintcrliess.

») Ethnographia, I. 3. Hft. S 137—144.

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BABA DOKIA.

diesem Tage wird keine Arbeit vorgenommen, damit Baha Dokia die Saaten nicht abfrieren mache. Die 12 folgenden Tage sind aucli der Baba Ookia geweiht und werden „Babele* oder „Zilele babelor* d. h. „Alte Frauen" oder „Tage der alten Frauen* genannt. Die Witterung dieser Tage ist sehr wechselvoll ; bald schneit es, bald regnet es, bald scheint die Sonne; und manchmal zieht sich dies wechselvolle Wetter bis in den April hinein, und diese auf die 12 ersten Märztage folgende Zeit heisst: „imprumutnri" oder „zilele imprumutate11 d. h. „das Aus- leihen" oder „die ausgeliehenen Tage."

Der Kaba VoMa-Mytko».

Baba Dokia hatte einen Sohn, namens Nikodim, der sich ver- ehelichte : aber Baba Dokia lebte mit ihrer Schwiegertochter auf so schlechtem Fusse, dass ihr Sohn seine Frau vor seiner Mutter kaum genug schützen konnte. Einmal gab Baba Dokia ihrer Schwiegertoch- ter schwarze Wolle und schickte sie an den Bach, damit sie dort die- selbe so lange wasche, bis sie weiss werde. Die Schwiegertochter gieng an den Bach und wusch die schwarze Wolle so lange, bis die Haut sich von ihren Fingern ablöste und ihr Blut das Wasser des Baches ganz rot färbte ; aber die Wolle blieb noch immer schwarz, und da begann die Schwigertochter bitterlich zu weinen. Christus sah dies, verwandelte sich in einen Menschen und kam mit Set. Peter an den Bach und fragte die Schwiegertochter: „Warum weinst du?" Hierauf erzählte ihm die Schwiegertochter die Umtriebe ihrer Schwiegermutter. Christus tröstete sie und eiferte sie an, die schwarze Wolle zu wa- schen; hierauf band er aus Schneelilien einen Strauss, den er ihr gab, indem er sie aufforderte, bei ihrer Heimkehr von diesen Blumen auch ihrer Schwiegermutter zu geben, und hierauf entfernte sich Christus mit St. Feter

Die Schwiegertochter steckte die Blumen in ihr Haar und wusch die schwarze Wolle bis Sonnenuntergang ; dann gieng sie nach Hause, wo sie zu ihrer grössten Freude bemerkte, dass die Wolle ganz weiss geworden sei. Als aber Baba Dokia die weisse Wolle sah, zürnte sie gar sehr, weil sie nun ihre Schwiegertochter nicht sekieren konnte ; als sie nun gar die Blumen im Haare ihrer Schwiegertochter er- blickte, da verdächtigte sie dieselbe, indem sie ihr vorwarf, dass sie die Blumen von ihrem Buhlen erhalten habe. Die Schwiegertochter

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DR. ATHANASIUS E. MAR1ENESCU.

erklärte ihr nun, dass ihr die Blumen „Martzisoy gegeben habe und überreichte auch einige derselben, worauf diese den Martzitor zu höh- nen begann.

Baba Dokia glaubte, als sie die Blumen sah, dass es schon Früh- ling sei und dachte daran, mit ihren Schafen und Ziegen hinauf ins Gebirge auf die Weide zu ziehen, wesshalb sie ihrem Sohne aultrug, die Tonnen und Milchgefusse herzustellen. Sie sprach : „Gehen wir auf den Berg, denn die Weide grünt schon. nimm deine Flöte mit ; du wirst auf der Flöte spielen, ich aber werde tanzen." Der Sohn er- . klärte ihr vergeblich, dass ja der Februar kaum vergangen, dass noch der „Martzisor" zurück sei und sie solle sich nicht so beeilen; aber Baba Dokia höhnte abermals den „Martzisor4 und zog 12 Ledermän- tel an, und machte sich mit ihrem Sohne und ihrer Herde aut den Weg. Bei ibrem Aufbruch strahlte die Sonne, als sie aber oben auf dem Berge waren, regnete und schneite es und kalt blies der Wind. Baba Dokia's oberster Ledermantel wurde nass und überzog sich mit Eis, und da er ihr nun lästig war, so warf sie ihn weg und schritt weiter den Berg hinan, um für ihre Schafe und Ziegen einen Weide- platz zu suchen ; aber das Wetter blieb veränderlich, so dass Baba Dokia jeden Tag einen Ledermantel wegwarf, und nach 12 Tagen keinen mehr hatte. Die Kälte Hess indessen nicht nach und dauerte auch in den „geliehenen14 Tagen fort. Baba Dokia's Sohn erstarrte auf dem Berge und von seinem Munde und Barte hieng ein Eiszapfen he- rab, den seine Mutter für die Flöte hielt und also zu ihm sprach: „Ich kann die Kälte kaum ertragen und du bläsest noch immer die Flöte!" Der Sohn schwieg, es blies nur der Wind. Da erschien Martzi.sor und fragte höhnisch die alte Frau: .Nun, wie gefällt dir der Frühling, und warum tanzest du denn nicht beim Flötenspiel deines Sohnes? Nichtwahr, deine Schwiegertochter fror nicht, als du sie den ganzen Tag über die schwarze Wolle weiss waschen liesest?" Hierauf verschwand Martzi.sor. Baba Dokia und ihr Sohn, so wie auch ihre ganze Herde erfroren und wurden dann zu Stein. In Steine verwan- delt kann man sie auch noch heute auf dem Semenik-Berge sehen. Den Füssen Baba Dokia's entsprang eine Quelle, die auch heute noch fliesst. Martzi.sor brachte die Baba Dokia um, weil sie ihn gehöhnt hatte, doch dies hätte sie nicht getan, wenn die „geliehenen Tage" nicht gewesen wären *)

*) Varianten dieses Mythos erhielt ich von den Lehrern: E1U Jana in Ka- kasdia, Costa Ungurian in Szaszkabanya. Joh. Orza in Uoman Ciklova, Jak. Ocean

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HAHA D0K1A.

III.

Erläuterungen und Vergleiche mit der romischen Mythologie.

Den Namen Dokia brachte man mit dem Namen Daria in Ver- bindung, aber unrichtig; denn Dokia ist die verkürzte Form des Na- mens Eudokia, die als Heilige in der gr. or. Kirche am 1. März ge- feiert wird. Die Frauen der rumänischen Landleute feiern die Baba Dokia auch am 1. März, damit sie den Saaten nicht schade. Also repräsentiert Baba Dokia die Kälte und hat Einfluss auf das Frühlings- wetter, wesshalb sie in die Reihe der Dämonen oder Göttinnen der Kälte und des Ackerbaues zu reihen ist. Ihr alter mythologischer Name ist durch einen christlichen Namen einer Heiligen ersetzt worden. Die auf alte heidnische Götter bezüglichen Mythen und heidnische Festge- bräuche werden auch heute gewöhnlich zu der Zeit begangen, in wel- cher sie auch im heidnischen Altertum gefeiert werden; aber durch den Einfluss der christlichen Religion wird die dem alten Feiertage entsprechende Zeit gar oft mit dem in dieselbe Zeit fallenden Tage und Namen eines christlichen Heiligen in Verbindung gebracht; res- pective wird der christliche Heilige zu einer heidnischen, mythologi- schen Gestalt, wie in gegenwärtigem Falle, wo aus der heil Eudokia die Göttin Dokia entstanden ist. Beim rumänischen Volke ist dies kein einzeln dastehender Fall.

Untersuchen wir nun die heidnischen Elemente im Dokia-Mythus und vergleichen wir dieselben mit der römischen Mythologie: vor al- lem betrachten wir den Martziior. Baba Dokias Schwiegertochter sagte, dass sie die Blumen vom Martsisor erhalten habe, worauf Dokia ihn verhönt; Martzisor erscheint der Baba Dokia und verhöhnt sie auch. Hieraus ergibt sich, dass beide Wesen einander feindlich gesinnt sind. Den Monat März nennt das rumänische Volk Marth, oder auch Uar- tetsor, in welch letzterem Worte Joru eine Deminutiv-Endung ist ; da- her Martzisor kleinen März," Märzchen" bedeutet. Demzufolge reprä- sentiert MartziSor den jungen März, den Gott Mars und den Monat März.

Mars war der älteste italische und römische Nationalgott, der Gott des Frühlings und der schaffenden Kraft der Natur, weshalb auch sein Fest am 1. März gefeiert wurde. Wen aber repräsentiert Baba Dokia's Schwiegertochter. Der Mythos kennt ihren Namen zwar nicht,

in Petrilora, ferner vom Pfarrer Georg Pokrean in Resicza, dem Gefangenhausauf- geher G. Prugac in Oraviczabanya und dem Theologen N. Apostolescu. Vgl. Schott, Walachische Märchen S. 113.

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DR. ATHANASIUS E. MARIEXESCU.

aber die Blumen von Christus erhält und von ihrer Schwiegermutter eines Liebesverhältnisses verdächtigt wird, steht nicht mit Christus, sondern mit Martzisor in einem Verhältnis. Die römischen Mamuralien- Feste werden im Monate März begangen, wobei von den Jungfrauen eben auch Anna Perenna, die mit dem jungen Mars ein Liebesver- hältnis hatte, gefeiert wurde (S. Preller, Köm. Mythologie S. 316). Ovid (Fast. Lib. III. 523) erzählt nun, dass das Fest der Anna Pe- renna an den Iden des Märzes in dem an der Tiber gelegenen Haine der Göttin begangen wurde; in Lavini um wurde dies Fest am Xumi- cius-Flusse abgehalten und auch im Monat März, wenn eben die Quel- len zu fliessen beginnen. *) Preller (S. 306) leitet den Namen Anna aus dem griechischen ene (alt) und nea (neu) ab, was den neuen und alten Mond bedeuten soll, gibt aber zu, dass er auch von Anna^am- nis perennis d. i. „ewig fliessend" herrühren könne. Ich schliesse mich letzterer Erklärung an, doch leite ich den Namen Anna vom keltischen an oder ean = Wasser, Fluss ab. Anio und Anien (en ist die keltische Deminutiv-Endung) war der Name eines Baches, der in die Tiber mündete. Also bedeutet Anna Wasser, Fluss; in Perenna ist enna ebenfalls Anna, das per entstammt dem bar, was „Bergtf bedeutet, demgemäss der Name vordoppelt worden ist. **) Anna Per- enna ist also die Repräsentantin des Wassers, der Quelle und als solche die Geliebte des die schaffende Kraft der Natur darstellenden ,Mars.' Im Baba Dokia-Mythus gibt Christus die Blumen der Schwie- gertochter, die aber Baba Dokia erzählt, dass sie dieselben vom Mar- tzisor erhalten habe; somit vertritt hier Christus den Martzisor. Bei Schott (Walachische Märchen S. 117) erscheint vor der Baba Dokia statt dem Martzisor der „Frühling" (Prima vara); woraus eben er- sichtlich ist, dass Martzisor, Christus und der Frühling ein und die- selbe Rolle spielen.

In diesem Mythos spielt Baba Dokia die Hauptrolle. Als sie die Blumen erblickte, dachte sie, es sei schon Lenz und rüstet sich zur Abfahrt, weshalb sie 12 Ledermäntel sich umhängt. Sie musste von dannen, denn sie repräsentierte das alte Jahr und den Winter. In der

*j Ein ähnliches Fest wurde auch in Athen abgehalten (S. PrelUr, griech. Myth. I. S. 616).

**> Aus dem keltischen an, ean leite ich auch noch die folgenden Flussna- men ab: Aenus oder Oenus (heute; Inn); Anisus (heute: Ens). Von den heute ge- bräuchlichen Flussnamen gehören hieher: Ain, ein Bach, der in die Rhone mündet ; Abna oder Ane, der sich in die Fulda ergiesst.

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BABA DOKIA.

römischen Mythologie finden wir auch eine der Baba Dokia ähnliche Gestalt. Am Tage vor dem 15. März wurden in Horn die Mamuralien, oder das Fest des Mamurius Veturius begangen. An diesem Tage wurde ein in Felle gehüllter Mann, der den Mamurius Veturius darstellte, mit weissen Stöcken aus der Stadt hinaus getrieben. Dieser Mamurius Veturius ist eben der „alle Mars,* das alte Jahr. In wie viel Felle diese Gestalt gehüllt war, erwähnen die lateinischen Schriftsteller nicht. Den Mamurius Veturius hielt man aber für den Schmied, der zu dem vom Himmel gefallenen Schild (ancüia) noch 11 gleiche verfertigt ha- ben soll; also für denjenigen, den die 12 Salier, die bei der im März abgehaltenen Feierlichkeit mit 12 ancilia herumtanzenden Marsprister in ihren Gesängen erwähnten; dass aber die 12 Salier und 12 ancilia sich auf die vom König Numa eingesetzt en 12 Monate des Jahres be- zogen, ist bewiesen. Hieraus können wir folgern ; dass die in 12 Le- dermäntel gehüllte, alte Dokia dem alten Mamurius entspricht; dass die 12 Ledermäntel den 12 ancilia und den 12 Monaten des alten Jahres entsprechen.

Der Schauplatz des Mythos ist der Berg Senicnik, im Krassö- SzÖrenyer Comitat; nach Schott aber ein gegen Almas sich hin- ziehender Berg, während die Lehrer Orza und Ocean ihn als in der Gegend von Karänsebes befindlich sagen. Nach der Mitteilung Ge- org Asaki's (Culegeri de poesii, Jäsi 1854 S. 212) knüpft sich der Mythos auch an den Berg Pion in der Moldau ; Dionisius Miron (Co- lumna lui Trajan 1880. Nr. 4) erwähnt, dass das Steinbild der Dokia sich auf dem Öehlen, einem dem Pion benachbarten Berge befinde. Baba Dokia's Sohn repräsentiert ungefähr den Wind, was sich aus Do- kia's Worten ergibt: „Ich kann die Kälte kaum ertragen und du bläsest noch immer die Flöte!" Sie hielt das Sausen des Windes für Flöten- töne. Der Sohn gieng mit der Mutter auf den Berg; der Winter nahm also seinen Sohn, den Wind mit sich. Durch das viele Waschen schält sich die Haut von den Händen der Schwiegertochter, und das Blut färbt das Wasser; das Eis, die Haut des Baches löst sieh, Anna Pe- renna's Blut, d. i. das Wasser des Baches fliesst. Die schwarze Wolle ist das Sinnbild des Winters, der Dunkelheit; durchs Waschen wird sie weiss, sie wird zum Sinnbild des Lichtes.

DR. SAMUEL CZAMHEL.

Zur Kritik der Editionen slovakisoher Volksdichtungen. »)

Von Dr. Samuel Czambel. (Vorgelesen in der Vortrags-Sitzung 11. am Januar 1890.) Es ist eine bekannte Sache, dass die Stovaken einen grossen Reichium an Liedern, Märchen und volkstümlichen Erzählungen besit- zen, die für den Folkloristen um so interessanter sind, weil sie sowol der Form, als auch dem Inhalte nach wesentlich von der Volksdich- tung der übrigen Slaven abweichen. Wol dem Einflüsse ungarischer Volksdichtung ist es zuzuschreiben, dass die slovakische Volkspoesie den anderen slavischen gegenüber eine Sonderstellung einnimmt, wo- von man sich selbst bei flüchtiger Vergleichung gar leicht überzeugen kann. Johann Kolldr, slovakischer Pfarrer zu Budapest, später Pro- fessor an der Universität zu Wien, war der erste, der aut den grossen Schatz slovakischer Volksdichtung hinwies, indem er in zwei dicken Bünden unter dem Titel „Ndrodnie Zpieicanky* (Ofen, 1835) die erste slovakische Volksliedersammlung herausgab, die allgemeine Verwunde- rung in den gelehrten Kreisen hervorrief. 1866 gab die BKisfaludy- Gesellschaft" eine Auswal aus dieser Sammlung heraus, die das beste und nur echt volkstümliche enthält; denn Kolldr nahm in diese seine „Sammlung" auch solche Sachen auf, die mit der slovakichen Volks- dichtung gar nichts zu schaffen haben, sondern eigene oder fremde, auf- fällig tendentiös gehaltene Verseleien sind. Vom ethnographischen, so- wol, als auch vom philologischen Standpunkt sind h'ollär'a Sammlun- gen höchst unzuverlässig. Sein ganzes Leben hindurch schwärmte er von der cecho-slovakischen Spracheinheit und um auch durch diese seine „Sammlung" die durch ihn vertretene Ansicht : dass nämlich das Slovakische nur ein Dialekt der böhmischen Sprache sei, zu erhärten, nvercechisierte"er Sprache und Geist der von ihm mitgeteilten Lieder. Er erreichte auch sein Ziel, denn auf Grund seiner vielfach angestaun- ten Sammlung erklärten die namhaftesten Slavislen die slovakische Sprache für einen blossen Dialekt der böhmischen, welche Ansicht bis auf den heutigen Tag ihre Vertreter in Fachkreisen findet. Viele der von Kollär mitgeteilten Lieder sind bloss schwache üebersetzungen magyarischer Volkspoesien, so z. B. ist auch das historische Lied der Magyaren: ^Szildgyi und Hajtndsi* in einein schwachen Abklatsch unter dem Titel „Mkhal Siladi a Wtklaw Jfaäma»i* x) (I 45— 52) in

') Ethwyraphia I. 3. Hft. 8. 131-137.

») N. Herrmann'a Beitrüge zur Vergleichung der Volkspoeaic (im I. M. der „Ethnol. Mitteilungen aus Ungarn- S. 04.)

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ZUK KRITIK DEK EDITIONEN SLOVAKISCHEU VOLKSDICHTUNGEN.

Koll&r's Sammlung aufgenommen. Interessant ist das: „Die Verherrli- chung der Slovaken14 (Chwäla Slowdku) betitelte Lied, das auch als Volkslied gelten soll. Ich will hier nur einen Teil desselben in genauer Uebersetzung mitteilen :

n Unsere slovakische Nation ist uralt. Denn schon zu Homer* 8 Zeiten lebten Slovaken. Homer aber lebte zu Moses* Zeit, Also viele hundert Jahre vor Jesu Ankunft.

An Alter übertrifft also das slovakische Volk Alle lebenden Nationen; Vor den Slovaken blühten wol viele Nationen, Aber keine hielt sich so lange aufrecht.

Die Slovaken leben in Europa in grossen Massen, Dreiviertel davon nehmen sie ein; Nur im vierten Viertel wohnen andere, Zum Beispiel: Deutsche, Franzosen, Italiener!

Was sind die Mähren, Cechen, Ruthenen, Polen, Kroaten? Sie sind alle Slovaken. (Wtecko jsou jsou Slovdct!)a usw.

Wer das slovakische Volk kennt, der wird jeden bedauern, der Kolldr's Sammlung als Quelle benützt. Ein Licht auf Kollär's Denk- weise wirft übrigens auch einer seiner Briefe an ^aj/'arik, der neulich in der böhmischen Zeitschrift „Maticza" abgedruckt worden ist und in welchem es unter anderm heisst: „Mein Buch ist kein Evangelium, und das will ich auch nicht, dass alles wahr sei, was es enthält."

Die in neuerer Zeit herausgegebenen slovakischen Volkslieder- sammlungen sind vom ethnographischen Standpunkt schon brauchbar, aber der Philologe kann auch von diesen nur mit der grössten Vor- sicht nutzbringend Gebrauch machen. Die vom Verein „Slavia* 187!» in Prag herausgegebene Sammlung „Pisnt slovenski* leidet auch an dem Fehler, dass sie die Aussprache des Volkes mangelhaft wieder- gibt. Es wäre sehr zu bedauern, wenn jemand der diesbezüglichen Erklärung der Herausgeber Glauben schenken würde , dass alle in dieser Sammlung edierten Lieder der Aussprache nach aufgezeichnet worden sind, so wie dieselben in dieser oder jener Gegend gesprochen

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DK. SAMUEL CZAMItEL.

werden; und dieserwegen wurden überall die Eigentümlichkeiten der Dialekte genau hervorgehoben. „(VSechny pisnl ve sbirce podani psäny jsou foneticky, tak jako vijslovujl se v iom neb onom kraß ; proto pi tsnh setieno vsude zvldstnosti dialektick)ch.")

Sehen wir einige Beispiele. In den Volksliedern aus dem Zölyomer Comitat kommen daselbst nie gebrauchte Worte vor, wie svdzani, do- vim (im 81. Lied) statt: zviazanie, dovietn. In einem Liede (Nr. 271.) aus derselben Gegend lesen wir die daselbst ungebräuchlichen Wörter: milehOf iniho statt: miUho, iniho (= druh'ho!), oder: susedov, z voh- ladov, po polnoci, hlavka statt : susedou, z vohladou, po pounoci, hlduka usw.

Ich gehe nun auf die Sammlungen slovakischer Volksmärchen über. Die erste derartige Sammlung erschien im Jahre 1845 zu Leut- schau unter dem Titel „Slovenskje Pove&ti, usporjadau a vidau Janko Ramavski.* Der Herausgeber sieht in ihnen „die sonderbare Erschei- nung des ureigentümlichen slavischen Geistes" und nennt sie »die Vorboten der Zukunft der Slovaken."

1858-1861 veröffentlichten in Schemnitz A H. Skulttty und P. Dobsinsky in 6 Bünden eine Sammlung slovakischer Volksmärchen. Beide Sammlungen sind wertvoll, indem sich die Herausgeber eben bemüht haben, alles so wiederzugeben, wie es im Munde des Volkes lebt. Das Gegenteil davon gilt von der neuesten Sammlung slovakischer Volksmärchen, die DoHinsky 1880 1883 in Turöcz-Szent-Märton ver- ölTenl licht hat. Der Herausgeber hat seine Autgabe ganz und gar ver- kannt. Er hat nicht nur den Inhalt der Märchen „verschönert," son- dern auch die Sprache derselben „verfeinert", ihr eine „originellere," slavische Nuance verliehen. So setzt er z. B. das reflexive Wörtchen „sau nach russischem (nicht aber slovakischem) Gebrauch neben das Verbum. Eine Phrase wie: „Boli raz traja Synovia u jednoho otcau klingt ganz russisch ; der Slovake sagt : „mal razjcdon otec troch synovu ; und slavische Wörter wie: ostrostrelei, m'vy, znam«, kabonüa (celo), rüno (=vlna), okriat, hrud (=prsrf), krdVoviv, krdlic, küiabovic, fcnaiiö, zdhybeV, dvoränin usw. sind dem slovakischen Volke unbekannt, ebenso die Monat-Namen: Sebeb, Brezet\ usw. (II. 40—49).

Was nun den Inhalt dieser Märchensammlung anbelangt, so hat der Herausgeber z. B beim Märchen „Uubka a Kovavldd* (II. sosit), die Myslification bis zum Aeussersten getrieben, indem er eine ganze slovakische Mythologie geschaffen. Ein deutsches Märchen erzählt er slovakisch, aber so, dass er die im Volke lebenden, aus dem Deut-

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FREMD ZI HAUSE.

sehen herübergenommenen Wörter, wie: permonik = Bergmann durcli : L'udifc, hastnnan = Wassermann durch : Vodnik usw. ersetz». Auch eine ausführliche Studie über die slovakische Märchendichtung hat Paul Dobsimk)- unter dem Titel: „Üvahy o slorenskych pooest'ach* (Tur. Sv. Martin 1871) verbrochen; auch hier gönnt er seiner Phantasie einen weiten Spielraum. Nach dem Vorhergehenden ist es einleuchtend, dass von den Editionen slovakischer Volksdichtungen sowol der Ethnograph, als auch der Philologe leider nur mit der grössten Vorsicht nutzbringend Gebrauch machen kann. ')

Fremd zu Hause. 2)

Leber die aus Ungarn ausgewanderten Bulgaren.

(Vorgelesen in der Vortrag-Sitzung am 22. Milrz 1890.)

Von Adolf Strausz.

Verhältnismässig kennen nur wenige die ungarischen Bulgaren, die ein ethnographisch wichtiges Inselchen in der Umgebung von Te- mesvär bilden. Noch wenigem sind die bulgarischen Ungarn bekannt, die man in der Gegend von Sistova antreffen kann. Nicht in grossen Massen, wie z. B. die Serben, sondern nur in kleinen Truppen oder gar nur einzeln wanderten die Bulgaren bei uns ein. So ist ihr Haupt- sitz — Vinga 1722, 1723 und 1724 bevölkert worden. Zwar wan- derten um diese Zeit gar viele Bulgaren aus dem Tuna-Vilajet, dem nördlichen und westlichen Teile des heutigen Bulgariens, aus, aber die Hauptmasse derselben zog in die Walachei. Ich habe nicht die Ab- sicht, hier eine Geschichte der bulgarischen Einwanderung nach Un- garn zu geben und will nur die Hauptorte anführen, wo Bulgaren wohnen: Vinga, Bessenyö, Lukacsfalva, Mödos, Lovin, Bodrog, Dvo- rin, Ittvarnok, Zmrzsova, Teregova, Baraczhaza, Ivanova, Rsdna und in den sieben kraäovaner Dörfern. Ihre Gesammtzahl beträgt ungefähr 20—25 Tausend. Die sieben krasovaner Dörfer habe ich desshalb be- sonders erwähn», weil ihre Bewohner sich von ethnologischem Stand- punkt betrachtet, wesentlich von den übrigen Bulgaren unterscheiden

') Vgl. Ladisfuus C.sojtet/s Aufsatz: „Sammlung ruthenischer Volkslieder' (im I. Bd. der „Ethnol. Mitteilungen aus Ungarn" S. 49), wo derselben Klage Ausdruck verliehen wird.

») tohnoprajthi«, 1 4. Heft. 8. 187—193.

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ADOLF STKAUSZ.

Während jene ihre Nationalität mehr oder weniger rein bewahrt ha- ben, konnten diese dem Einflüsse der benachbarten fremden Völker- schaften nicht widerstehen. Sie wurden zwar nicht, gleich ihren in Siebenbürgen in Alvincz und Deva wohnenden Landsleuten zum gröss- ten Teil rumänisiert, aber man kann sie keinesfalls mehr für rechte Bulgaren halten. Ich will an dieser Stelle vielmehr der bulgarischen Ungarn, d. i. der aus Ungarn in das befreite Fürstentum zurückge- wanderten Bulgaren gedenken, die also heimkehrten, um in der Hei- mat — fremd zu sein.

Als Alexander von Battenberg auf Grund des Berliner Vertrages den bulgarischen Fürstenthron bestieg, überschätzte das bulgarische Volk im ersten Freiheitsrausche seine Kraft viel zu sehr und wollte sich mit einem Schlage auf das Niveau westeuropäischer Cultur erheben. Gar bald aber sahen sie ein, dass sie in ihrem eigenen Kreise keine „Fachleute" besässen und wandten sich daher um solche an ausländische Regierungen. Im Handumdrehen war das kleine Land mint „Fachmännern" jeder Art und Sorte überschwemmt, von denen jeder irgend einen himmelanstrebenden, betäubenden Plan und sinn- verrückende Memoranden mit sich brachte. Wie der Sturmwind, der den Mist vor sich herlreibt, stoben aus aller Herren Ländern die Schwindler, Vagabunden und Abenteuerer in das befreite Bulgarien. Gar bald sahen nun die Bulgaren ein, dass sie wahrlich aus dem Hegen in die Traufe geraten seien. Da erscholl auf einmal die Parole : „Die ungarischen Bulgaren!" Diese sind reicher und gebildeter als wir; wozu brauchen wir die Fremden.

Ein gewisser DecofT, der aus Ungarn gebürtig ist, überreichte der Regierung in dieser Angelegenheit ein sinnbestrickendes Memorandum, auf Grund dessen die Zurückwanderung der ungarischen Bulgaren in Scene gesetzt wurde. DeSofT wurde mit Orden, Aemtern und Wür- den überhäuft, aber Bulgaren kamen nur in spärlicher Anzahl, obwol die Regierung auf Grund des von DecofT überreichten Memorandums der irrigen Meinung war, dass in Ungarn wenigstens 100,000 Bulga- ren wohnen. Infolge der spärlichen Zurückwanderung sank auch gar bald DecofTs Stern. Als ich bei Gelegenheit der Vorarbeiten zur Bu dapester Landesausstellung nach Bulgarien entsendet wurde, um die dortige Regierung für die Errichtung eines bulgarischen Pavillons zu gewinnen, und auch DecofT besuchte, war er schon ein „abgemachter" Mann. Doch sehen wir das Loos der aus Ungarn zurückgewander- ten Bulgaren an. Das, was ihnen DecofT und seine Agenten verspro-

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FREMD ZU HAUSE.

chen hatten, fanden sie nicht im geringsten vor. Obwol die Regie- rung ihr gegebenes Versprechen in jeder Beziehung einlöste, so fühl- ten sie sich in ihrer Heimat fremd und verlassen. Denn das bulgari- sche Volk, dessen Sprache von türkischen und russischen Elementen zersetzt ist, verstand nur mit schwerer Mühe die Sprache seiner zurück- gewanderten Brüder, die sich obendrein noch zur römisch-katholischen Religion bekannten. Zänkereien, Schlägereien und Gehässigkeiten aller Art waren an der Tagesordnung, so dass die zurückgewanderten Bul- garen beim österreichisch-ungarischen Consul, Kvialkovsky Beschwerde führten, der selbst ein sehr bigotter Katholik, sich ihrer Sache annahm und bei Sr. Majestät eine Unterstützung von 2000 fl. erwirkte. Für dieses Hilfsgeld kaufte der Consul eine Unmasse von Bibeln und Ge- betbüchern ein, die er unter die zurückgewanderten Bulgaren verteilte. So dachte er in seinem Religionseifer dem Uebelstande abgeholfen zu haben.

Ich hatte selbst Gelegenheit den grossen Unterschied wahrzuneh- men, der zwischen der Sprache der ungarischen und der Süd -Bulga- ren herrscht. Als ich nämlich bei der Regierung in Sofia wegen der Budapester Ausstellung Verhandlungen pflog, übernahm der mir von der ungarischen Regierung zugeteilte Dolmetsch Michael Karagyena das Amt, den bulgarischen Minister des Aeussern in feierlicher Rede zu begrüssen und unser Ansuchen ihm vorzulegen. Karagyena hielt nun die Rede, von der wie uns später der Minister in französischer Sprache gestand, er sozusagen kein Wort verstanden hatte. Die Sprache nämlich, in der Karagyena seine Rede gehalten hatte, war die reine bulgarische, die alte Volkssprache, die die Bulgaren vor 160 Jahren gebrauchten. Seither ist die Sprache der Südbulgaren - wie schon bemerkt von türkischen und russischen Elementen ganz zersetzt. Auch der schriftliche Verkehr ist sehr erschwert, weil die ungarischen Bulgaren die cyriftlischen Buchslaben nicht kennen und nur die latei- nischen gebrauchen. Unter solchen Umständen ist es also kein Wun- der, dass mir die aus Ungarn zurückgewanderten Bulgaren klag- ten : Wir sind im Glauben an unsere bulgarische Abkunft nach Bul- garien heimgekehrt, und sind nun Fremde in der Heimat !

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NOTIZEN.

Notizen.

In diesem ersten Hefte des Anzeigers geben wir auf l'/s Bogen die Aus- züge einiger Aufsätze aus den ersten Heften des I. Jahrganges der „Etbnographia" und auderer Verhandlungen der Gesellschaft fOr die Völkerkunde Ungarns. Wir werden uns bestreben, die Mitteilungen Uber die wichtigsten bisherigen Verhandlan- gen der Gesellschaft in den nächsten Heften dos Anzeigers zum Abschluss zu brin- gen, um dann Uber die currenten Angelegenheiten eingehend und unverzögert be- richten zu können Über wichtige Vorträge des 1 Vereinsjahres die sich auf Ent- stehung und Geschichte der Gesellschaft bezlihen, werden wir im 2. u. 3. Hefte referieren. Herrn Dr. Heinrich v. Wüslocki, derzeit Professor in Zombor, sagen wir . hiemit Dank für seine Mitwirkung bei der Herstellung des Anzeigers. Die Red.

Die auswärtigen Mitglieder der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns werden ersucht, ihre Jahresbeitiäge an den Cassier der Gesellschaft, Dr. S. Bo- rovszky, (Budapest, Palast der Ung. Akademie der Wissenschaften ) gelangen zu lassen. Für die Mitgliedstaxe von 3 tl. erhalten sie das Amtsorgau der Gesellschaft („Ethnographia," 10 Hefte a 3 Bogen) und als Gratis Beigabe diesen Anzeiger. Der Anzeiger wird auch der Monatsschrift „Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn* beigegeben, welche au die Mitglieder d. Gcsellsch. f. d. Völkerk. Ungarns um den halben Preis, jährlich 2 11. abgegeben wird. (Andere Zeitschriften für Volkskunde von gleichen Umfange kosten das fünffache). Für jährlich 5 fl. werden also alle drei Zeitschriften, wenigstens 60 Bogen, geliefert. An Porto ins Ausland ist ein Auf- schlag von Mark 1 zu berechnen.

Beiträge für das Amteorgan der Ges. f. d. Völk U , welche auf - Ungarn Bezügliches enthalten, werden ergebenst erbeten und können in welcher Sprache im- mer an die Redaction (Budapest, I. Attila-utcza 47.) geschickt werden.

Der Inhalt des Anzeigers dar! bei genauer Angabc der Quelle beliebig

reproduciert werden. Dio Red.

Inhalt der „Ethnographia." II. Jahrgang. 1. Heft. Januar 1891. (3>/t Bo- gen). Mitteilung der Redaction. Dr. At. Maricnescu, Die Opfer in der rumäni- schen Volksmythologie. Dr. L. Katona, Parallelen zu magyarischen Märchen, I.

Anton Herrmann, Turistik u. Ethnographie. A. Kovics, Alte Bieneoregeln.

A Herrmann, Uber die Dislocation des ethnographischen Museums. Die Frage der Gesellschaft f. d. Völkerk. Ungarns und des ethnogr. Museums im ung. Reichs- tage (Otto lierman's Rede). Amtliches: Telegramm des Erzherzogs Josef. Verfü- gungen des Ministeriums lür Kultus u. Unterricht. Schreiben des serbischen Metro politen G. Brankovics. Sitzungsprotokoll Volkspoetische Überlieferungen : Dr. B. Munkacsi (B. Vikar) Gebet der Wogulen. Karl Papai, Abschied vom Jungfernkranz. Adolf Strauss, Bulgarisches Volkslied. L. Kälmäny, Magyar. Besprechungsformeln.

Litteratur: Jones Kropf, The folk talcs ot the Magyars, bespr. von L. Katona. G Istvänffy, Märchen der Palovcen, bespr. v. L. K. Sbornik, bulgarisches Sammel- werk, bespr. v. A Strauss Kirchhoff. Leutetnann, Bilder aus dem Leben der Menschenrassen. Inländische Zeitschriften - Ausländische Zeitschritten. Ver- schiedene Mitteilungen. Auf dem Umschlag: Vercinsnachrichten.

Inhalt des Anzeigers I. Jahrgang 1. Heft.

Mitteilung der Redaction 1

Charles G. Leland, Begrüßungsschreiben an die Gesellschaft 2.

Ludwig Kalniany, Kosmogonische Spuren in der magyarischen Volksüberlieferung 3.

Dr. Lad. Relhy, Die Armenier in Ungarn 11.

Dr. A. Marienescn, Baba Dokia, eine volksmythologische Gestalt der Rumänen. 12

Dr. S. Czambel, Zur Kritik der Editionen slovakischer Volksdichtungen. . . IS.

Adolf Strangs, Fremd zu Hause. (Aus Ungarn ausgewanderte Bulgaren . . 21.

Notizen 24.

Aus der Aetieiibuchdru.kcrei »Köim(iYe1«><J«i>" in Koloitvitr

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II. Jahrgang. Budapest, 1891. II.-V. Heft.

ANZEIGER DER GESELLSCHAFT FÜR DIE VÖLKERKUNDE UNGARNS.

BEGRÜNDET UND HERAUSGEGEBEN VON PROF- DR. ANTON HERRMANN.

REDIGIERT VON ANTON HERRMANN LUDWIG KATONA

SecreUr d Geaellechaft f. d. Volkerkunde Ungarne.

Schriftführer d. OeeelUck. f. d. Völkerkunde Ungarns.

Albanesen in Slavonien. l) Von Pro/. Fr. §. Kuhaa.

usser Serben und Kroaten finden wir in Slavo- nien auch deutsche und magyarische Ansied- lungen, und auch eine albanische Colonie. Die Mitglieder der letzteren nennen sich Kiemen- tiner, sind seit 1737 38 in Slavonien und wohnen in den Ortschaften Hrtkovci und Ni- ki nee unweit der Stadt Mitrovica in Syrmien.

Diese Klementiner erhielten ihren Stamm bis etwa zum Jahre 1848 rein und unver- mischt ; sie heirateten nur unter einander, und ein klementinisches Mädchen, das die Hand ei- nem Fremden gereicht hätte, würde die eigene Familie aufs ärgste beleidigt haben. Heutzutage krfind die Klementiner nicht mehr so skrupu- lös und machen keine Einwendung, weno ein klementinischer Jüngling ein kroatisches oder magyarisches Mädchen heiratet, weil sie wissen, dass sich diese recht bald albanisieren. Gegen die Wahl eines deutschen oder serbischen Mädchens lehnt sich jedoch die Familie auf, weil sie aus Erfahrung wissen, dass bei einer solchen Verbindung der Klementiner bald ver- loren geht So haben sich z. B. jene Klementiner, die nach Pantova übersiedelten und dort Serbinnen heirateten, in kurzer Zeit serbisiert. Ein klementinisches Mädchen jedoch darf auch heule noch keinen Frem- den heiraten. Die Mädchen heiraten gewöhnlich mit 14 15 Jahren, die Jünglinge mit 17—18 Jahren, so lange dies nämlich noch er- laubt war.

») Wir beginnen die Veröffentlichung dieses Aufsatzes mit der zweiten, mehr folkloristischen Hälfte und lassen darauf den ersten, mehr historischen Tei folgen.

Herrinann, Kthiologmche Mitteilungen.

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FR. 8. KÜHAC

Die alle Nationaltracht der syrmischen Kiemen! iner glich jener der heutigen Albanesen, Neugriechen, Bergsehotten, oder der alten Römer. Die Männer haben die alte Tracht schon langst aufgegeben, selbst bei festlichen Gelegenheiten kleiden sie sich nicht anders als das kroatische Volk, aber vor etwa fünfzig Jahren trugen sie bei Festlich- keiten noch ihre alte Nationaltracht. Das weibliche Geschlecht behielt indess von der alten Tracbt noch einiges bei.

Der Oberrock (dolama) des klementinischen Kriegers war aus rotem Tuche gemacht und sehr eng, die Weste weiss mit blauem Un- terfutter. Rock und Weste wurden offen getragen, und waren mit glänzenden Metallknöpfen völlig besäet. Der Kragen und die Aufschläge der Dolama waren vielfach und künstlich ausgenäht. Das Hemd (che- misa), das mehr einem Weiber-Unterrocke als einem Manneshemde ähnlich sah, war in Falten gebügelt, und reichte bis an die Kniee. Um die Lenden hatte er zwei Gürtel: einen breiten Untergürtel (pus- tat) aus roter Wolle und einen schmalen Obergürtel (bre*) aus Leder.

Die Strümpfe waren aüs Wolle und gestreift. Als Kopibedeckung hatte er eine rote Kappe, wie solche die Likaner tragen. Seine Be- waffnung bestand aus einer Handkeule (buzdovan), die er in der rech- ten Hand trug, und mit der er fürchterliche Hiebe austeilte, einem langen reich verziertem Gewehre (Sarkija), das auf der Schulter hieng, einem Säbel an der Seile und einem Handschar (hand/ar) und meh- rere Pistolen im Gürtel. Die einstige Kleidung der Weiber war färbi- ger und bunter als die Federn des Pfaues oder des Spechtes, wie Stjepan Marjanoviö sagt, der die Tracht der Klementiner in No. 9. der Zeitschrift PDanica Ilirska" vom Jahre 1839 ausführlich beschrieb. Das Oberkleid (lij me-tuff) war aus schönem roten Tuche mit Fran- sen, Pelzwerk und Stickereien geziert. Die Aermel reichten nur bis zu den Ellbogen, hatten einen dreifachen puffartigen Aufputz und kleine Schellen oder grosse Glasperlen. Das Hemd mit langen Aermeln reichte bis zu den Fussknöcheln, war aber so enge, dass die Klementinerin nur ganz kleine Schritte machen konnte, weshalb die Kroaten den Klementiner Mädchen den Schmeichelnamen „prepelice" (Wachteln) beilegten. Beim Absteigen von einem Wagen musste die Klementine- rin des engen Hemdes wegen mit geschlossenen Füssen herabspringen.

Wie unser Initiale zeigt, *) tragen die Klementinerinnen jetzt kein langes Hemd mehr, sondern einen Rock (fut-gunj), der von ausneh- mend schöner weisser Leinwand gemacht, künstlich ausgenäht und mit Schlingereien versehen ist. Dass die Schlingereiem mehr zur Gel- tung kommen, wird unter dieselben ein rotseidenes Band gegeben.

») Vrgl. das Werk Bretons «Illyrique et Dalmatie> auf Befehl Napoleons I., als er Dalmatien und einen Theil Kroatiens occupierte, vcrfasste, im Jahre 1816 in deutscher Uebersetznng in Pesth erschienen.

*) Das Portrait der Klementinerin Dolja (Dominika) Nikic, eines hübschen Mädchens aus Hrtkovci, gezeichnet von V. Bello^ica, nach einer Photographie, wel- che der Schreiber dieses durch die Vermittlung des GeraeiodeTorstaudea Herrn An- ton Kolic erhielt.

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ALBANESEM IN SLAVONIEN.

Das Leibchen ist mit Perlen, Münzen und sonstigem Klirrwerk derart geschmückt, dass sich das Herannahen mehrerer Klementinerinnen so anhört, als käme ein Schlitten mit Schabracken-Böllern angefahren. Statt der Schürze tragen die Klementinerinnen zwei kleine, meist schwarze Seidentücher, das vordere nennen sie pokci na a, das rückwärtige „ker- kadena". Um die Taille haben sie einen zwei- oder anch dreifachen Gürtel, der mit goldenen, silbernen oder gläsernen Füttern geziert ist. Die Mädchen tragen am obersten (ledernen) Gürtel einen an einem Metlalkettchen hängenden Schlüssel, die Frauen ein Klappmesserchen. Die wollenen Strümpfe (carab gjatana) sind bei Mädchen bunt gefleckt, bei Frauen gestreift, die ausgeschnittenen Schuhe entweder aus Wolle gestrickt (skurtana) oder aus Leder (kpuc). Als Kopfbedeckung tragen sie ein kleines rotes Käppchen (kunora'n kapic), von dem ein weisser Schleier auf den Bücken fällt. Die Kopfbedeckung der Bräute ist eine hohe Haube, geschmückt mit künstlichen Blumen, Bändchen, Fransen, Quastchen u. d gl., unter der die in zwei Zöpfe geflochtenen Haare berabwallen. Diese Brauthaube, oder richtiger gesagt Braut hut (chessule) wird nicht albanischen sondern kroatischen Ursprungs sein, da solche Kopfbedeckungen auch die Kroatinnen um Agram, Oedenburg und auch die Lausitzer Serbinnen tragen.

Die Hochzeitsgebräuche der syrmischen Klementiner sind fol- gende. Sobald das Mädchen das dreizehnte Jahr zurückgelegt hat, wird um dessen Hand geworben. Sagt es zu, so wird bald darauf die Ver- lobung, nach einem Jahr aber die Hochzeit (dasmor) gefeiert. Während des Brautjahres wird die Ausstattung des Mädchens besorgt, und das- selbe in der Hauswirtschaft unterwiesen. Beim Trauungszug zur Kirche wird grosser Pomp entwickelt, die Hochzeit selbst aber zwei Tage hindurch gefeiert. Nach der Trauung wird im Elternhause der Braut gespeist und gezecht. Abends wird die Braut in das Haus des Bräuti- gams gebracht. Sobald sie den Wagen des Beistandes (kuparem, kumtr) bestiegen hat, darf sie sich zum Zeichen der Treue nicht mehr umse- hen, und würde man ihr was immer zurufen. Um zu erproben, wie fest die Braut in Erfüllung dieses Gebrauches ist, wird hinter ihr ge- schossen, um Hilfe gerufen, oder es reitet ein junger Bursche in grösster Eile dem Wagen zu mit der Kunde, in dem rlause ihrer Eltern sei Feuer ausgebrochen oder sonst ein Unglück geschehen. Wenn die Braut, die stehend im Wagen fahren muss, im Hause des Bräutigams angelangt ist, wird ihr ein männliches Kind in die Arme geworfen, das sie einigemale herzlich küsst, und dann zurückgibt. Hierauf tritt ein Mann des Hauses zu und bittet den Beistand, die Braut vom Wa- gen herabheben zu dürfen. Der kumtr antwortet, dass er dies sehr gerne gestatten wolle, allein da nichts auf dieser Welt umsonst ist, insbesondere aber jede Ehre teuer bezahlt werden müsse, so verlange auch er für die Gewährung dieser Ehre einen Dukaten. Nun wird dem Beistand begreiflich gemacht, dass sein Preis viel zu hoch sei, bekommt ja doch ein Klementiner Soldat für die Ehre den Heldentod sterben zu können vom Kaiser täglich nur fünf Kreuzer. Nach vielem

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FB. 8. KUHAÖ

Handeln und Hin- und Herreden stellt sich der Beistand beleidig!, befiehlt dem Kutscher im barschen Tone umzukehren und aus dem Hause zu fahren, die Umgebenden versichernd, dass er für solch einen herzlichen Schatz, wie es die Braut ist, anderwärts sogar mehr als ei- nen Dukaten bekommen werde. Der Kutscher schickt sich nun an, den Befehl auszuführen, aber in dem Momente stürzt ein Manu aus der Küche hervor und droht, mit einem brennenden Stück Holze, das er in der Hand hält, den Wagen anzuzünden, wenn sich dieser vom Fleck rühren würde. Ueberrascht erhebt sich der kumtr und spricht zur Menge: „Nicht deshalb, weil ich mich vor dem Feuer fürchte, denn ein Klementiner kennt keine Furcht, begnüge ich mich mit dem mir zuletzt angebotenem Lösegelde, nämlich mit einem Kronenthaler von der grossen Kaiserin Maria Theresia, die unserem Stamme grosse Wohlthaten erwies und deren Name unter uns stets gefeiert sei : sondern weil ich ein guter Mann bin, wie es unser Held und Altva- ter Klement war, dessen Andenken geheiliget sei.u Nachdem auf diese Weise der Handel geschlossen und der Kronthaler überreicht wurde, springt die Braut vom Wagen. Einer der Hochzeitsgäste fangt sie im Fluge auf, und geleitet sie zum Eingange des Wuhnhauses. Dort er- wartet die Braut eine ältere Frau, die ihr eine Flasche Wein, einen Laib Brot und eine Düte Salz überreicht. Die Braut nimmt die Gaben in Empfang, trägt sie mit feierlicher Miene in das Wohnzimmer und legt sie auf den Tisch. Gleich darauf wird die Braut von derselben alten Frau in die Küche geführt, wo sie ihr die Feuerschaufel dar- reicht. Die Braut ergreift dieselbe, stiert damit im Herdfeuer und spricht : „So viel Funken sprühen, so viel Glück und Segen sei dem Hause beschieden."

Nach dieser Cereraonie setzt man sich zu dem bereits aufgetra- genen Nachtmahle und thut demselben „die gebührende Ehre" an. Am Schlüsse wird der kroatische Reigen „Kolo* getanzt, der gewöhn- lich bis nach Mitternacht dauert. Bei dieser Gelegenheit muss sich der Brautführer bemühen, die Braut dem Beistande zu stehlen und sie ins Brautgemach zu bringen. Da der kumtr mit Falkenaugen auf die Braut Acht gibt und jeden Versuch, sie zu entführen, nach Möglich- keit vereitelt, sucht einer der Hochzeitsgäste die Aufmerksamkeit des Beistandes von der Braut dadurch abzulenken, dass er etwas Wichti- ges erzählt, auf den kumtr eine Lobrede hält oder irgend ein Kunst- stück produciert. Gelingt ihm seine Aufgabe nicht, so werden auf ei- nen Wink sämmtliche Lichter im Zimmer ausgeblasen oder sonst ein Schabernak ausgeführt.

Am folgenden Morgen wird die Braut durch einen Gewehrschuss, der vor ihrer Kammer abgefeuert wird, aus dem Schlafe geweckt. Erschrocken öffnet dieselbe die Türe und fragt, was geschehen sei, ob Türken herannahen, oder ob Diebe oder Wölfe verfolgt werden. Nichts von dem, liebes Bräutchen," antworten die vor der Türe versammelten Weiber, sondern die Gäste (welche natürlicherweise die ganze Nacht hindurch zechten) wünschen dich zu sehen, und da sind

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ALHANESEN IN SLAVONiEN.

wir gekommen dir beim Ankleiden behilflich zu sein. „Das ist schön und lieb von Euch, meine Gefährtinnen" erwidert die Braut und heisst die Weiber eintreten. Bald darauf steht die Braut wieder im festlichen Anzüge da, begibt sich zu den Gästen, küsst dieselben der Reihe nach, und fordert sie zum Waschen des Gesichtes auf.

liegen Mittag bewegt sich der ganze Zug, begleitet von einem DudeLsackbläser in das Haus des Oberswat (Hochzeit svater, Bräutigams- Begleiter), woselbst die Braut Schmucksachen und Kuchen erwarten und wo auch zu Mittag gespeist wird. Nach dem Mahle beschenkt die Braut sämmt liehe Gäste mit feingearbeiteten Hand- oder Taschentü- chern, Bändern, künstlichen Blumen u. d gl., wofür sie von jedem Anwesenden einiges Geld bekömmt. Gegen Abend wird Kolo getanzt, der abermals bis Mitternacht dauert. Derjenige, der den Reigen mit der Braut eröffnen will, muss für diese Ehre beim kumtr einen Du- katen erlegen. Auch die späteren Tänzer, welche mit der Braut tan- zen, müssen etwas bezahlen.

Nachdem man sich voll getrunken und todmüde getanzt hat, wird die Braut nach Hause begleitet und hiemit die Hochzeits^eier ge- schlossen.

Am dritten Tage wird die Braut von dem Weibe des Hausober- hauptes in die Wirtschaft eingeführt und mit ihrem Wirkungskreise be- kannt gemacht In den klemenlinischen so wie in vielen kroatischen Bauernhäusern leben nämlich mehrere Familien in Gemeinschaft, wo- bei jedes Mitglied eine bestimmte Aufgabe hat. So hat sich einer blos um die Pferde zu kümmern, der andere blos um das Hornvieh, Schafe oder Schweine, der eine hat die Aufsicht über den Getreideboden, der andere über den Weinkeller u. s. w. Und so ist die Arbeit auch unter die weiblichen Mitglieder der Hauscommune verteilt.

Von sonstigen Gebräuchun oder abergläubischen Vorschriften, welche bei den Klementinern strenge befolgt werden, seien folgende erwähnt: 1) Am Freitag darf nicht gesponnen wenden. 2) Xach Son- nenuntergang darf keine Milch aus dem Hause gegeben, kein Essig aus dem Fasse gehoben werden. 3) Am Tage, an welcliem Getreide ge- säet wird, trage man kein Brot aus dem Hause. 4) Nur am Dienstag und Freitag angesetzter Essig wird sauer. 5) Die am Freitag angebau- ten Gurken werden bitter. 6) In der Palmwoche und an jenen Tagen, welche im Kalender das Zeichen der Jungfrau haben, darf gar nichts gesäet oder angebaut werden, weil die betreffenden Pflanzen blos Blü- ten, aber keine Früchte bringen. 7) In der Oster woche angebaute Erd- äplel werden wässerig. 8) An jenem Tage der Woche, auf welchen das Fest Johannes Enthauptung fällt, darf nicht geackert werden. Fällt also das Johannesfest z. B. auf einen Mittwoch, so ist jeder Mittwoch des ganzen Jahres Ackerfeiertag. Desgleichen darf auch an den ersten sieben Donnerstagen nach dem Gründonnerstage nicht ge- ackert werden, u. s. w

Dichterisch und musikalisch sind die Klementiner bei weitem nicht so begabt wie die Kroaten oder Ma-yaren. Die Klementiner hal-

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FR. S. KUBA ('

ten gleich den Spaniern mehr auf Tanz als auf Gesang. Es wird zwar behauptet, dass die Kiemen tiner in ihren Liedern den Held Skender- beg feiern, allein ich konnte keinen einzigen Klementiner finden, der ein solches Lied gekannt hätte. Die nachstehenden fünf Lieder hatte ich nur mit schwerer Mühe aus ihnen herausgebracht: die Melodien mögen albanischen Ursprunges sein, die Texte jedoch sind einfache Uebersetzungen oder Nachahmungen kroatischer Volkslieder. Dieselben sangen mir Martin und Marko Jvanic*; die Texte verdolmetschten mir kroatisch die Herrn Anton Kolic" und Marko Pepcic\ Den kroatischen Text hinweglassend, gebe ich hier eine deutsche Uebersetzung der- selben.

t

15 i lus gjon e ßjat, No te fuso gjon e gjat Is i pemo kubilite, Nar at pem kubilit H i strat struamit, Nat strat struamit Derdjej joj varuamit, Bedeo e ki bergjat, Bedroj i za zot vet : Cou ti, o zot, zoti era! Veno komen en skajj, PSeti vart pr salj, Anit skojim en zezifit ton. Dno ljgosim na fos kojim, En deksim na vajlojin: Ornat tona per gji$ mon, Motrat tona per djast vjet, VaSat tona per djast dit: Tri dit per mal stim, E kiuren diten mu martua.

Jekt kontk po va faljim, Ksaj sorfs 6po digojin.

War ein Feld lang und breit. Auf dem Felde lang und breit War ein Zwetschken-Obstbaum; Unter diesem Zwetschkenbaum War ein Bett gebettet, Auf dem Bett gebettet Lag ein Verwundeter; Ein Pferd hatte er neben sich, Das Pferd sprach zu seinem Herrn: Steh' auf, o Herr, mein Herr! Gib den Fuss in den Steigbügel, Lehne die Wunde an den Sattel, Und gehen wir in unser Land. Wenn wir erkranken, wird man uns heilen, Wenn wir sterben, wird man uns ] Unsere Mutter für immer, Unsere Schwester sechs Jahre lang, Unsere Weiber durch sechs Tage : Drei Tage für die Trauer, Drei Tage vor der Heirat.

Dieses Lied widme ich Der Gesellschaft, die da zuhört.

Auf dieselbe Melodie wird gesungen:

Dijeli e saroj malj,

Kopilji öeti fjalen,

Se ton Bosna jo robit;

Die Sonne beschien den F3erg, Ein Held brachte die Kunde, Ganz Bosnien sei geplündert:

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ALBAN E8EN IN SLAVONIEN.

Kur kn§ nuk na pet, Por dfi vaSa cit ne bar. Jora e Ijejü djal o zohn, Tjetra e Ijejü vaiz ne zohn. Djaljit ja citne Radic, Vaiz ja t-itne Janozensen. Kur erz redi mu martua, Citi Galjen Radiei, Me mar Janozensen, Byot dasmor e kuparen. Kur jon nis Sali pruv, Gjit bedevat jo Ijodruan, E i Janozenses moji forti. E irah ke£ Radicit, E dzuar djiden, Ma djuajt bedev, Bedevi i perciti, E e gjoji Janozensen. Jana kje vasa e Ivet, Kur kuj nuk i ftoji, Dzuar pamuk e zuh gjakun Dzuar mtas e Ijivi varen.

Dualj nona para dasmorme, E vo nona Janozenses: More, Jano, vajza eme, Pocem je vojt ke6? A tka ora uva e ljark? A tka ora Sujta e pak? Kur jon skua gjiv dasmort, Janozenseja o dek. E nebi oma djalje vet : nOj ti Radic djalji em, Po ti pse e vrave Janozensen? Bedevit pljast Salj pruv, E tu tpljast gjarpni."

Niemand blieb daselbst, Nur zwei schwang' re Weiber Eines gebar einen ruhmreichen Sohn, Das andere ein ruhmvolles Mädchen. Der Knabe erhielt den Namen Hilarius, Das Mädchen den Namen Agnes. Als die Zeit der Verheiratung kam, Gab Hilarius das Wort, Die Agnes zu nehmen, Lud Hochzeitsgäste und den Beistand. Als sie auf der Reise waren, Tanzten alle Pferde, Das der Agnes aber am meisten. Da kam Neid über Hilarius, Er schwang die Lanze, Um zu schlagen die Stute, Aber die Stute wich aus. Und er traf die Agnes. Agnes ein rechtschaffenes Mädchen Sagte niemandem etwas, Nahm Baumwolle und stillte das Blut, Nahm ein Seidentuch und verband die

Wunde.

Da kam die Mutter vor den Hochzeitszug,

Und die Mutter sprach zu Agnes :

Weh mir, Agnes, mein Kind,

Warum bist du so gebrochen?

Hat dicb der lange Weg ermüdet?

Oder die kleine Wunde dich ermattet ?

Als die Hochzeitsgäste fort waren,

War Agnes eine Leiche.

Die Mutter fluchte ihrem Sohn:

„0 Hilarius, mein Sohn,

Warum erschlugst du Agnes?

Es berste dir auf der Reise das Pferd,

Und dich zerreisse die Schlange!"

1 r r r I f ut r ir u f rir r Jm

Ej, Bukara, ßis kje prome, Cimo Skelje prom en kom, E mi dzuar a to gjom, Nar at hijet ta saj son, Nar at revet a saj hon, Tu e puv, tu e gron!

0, du Schöne, von gestern abends, Die mir den Fuss hat eingeklemmt, Und mich hat gebracht zum seufzen, In der Kühle jenes Schattens, In dem Schatten jenes Mondes, Die mich küsste und mich bissl

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FR S. KüilAC.

Inr/arU, 1*69

J ^ " ~ ~ ^ *

i u 1

Ej! rakije, rozolije! ljumi usö ci to pije; ut mar cesno barko , tim mer citne boljt.

. LenU i :S6

0! du Branntwein, du Hosoli, Wohl mir, der ich dich trinke; Dich giess ich in den Schlund, Du wirfst mich in den Kot.

3

Hej ! dimo zoto per sum moh te, 0 ! Gott hilf uns viele Jahre. medjiz ioko me vlaznije, Der Genossenschaft und den Brüdern, B hejo medjiz miöe kumtri ! Den Freunden und Gevattern!

Auf meine Frage, ob die syrmischen Klementiner die schonen albanesischen WafTent änze tanzen können, erhielt ich die Antwort, dass ihnen ihre AJten von diesen Nationaltänzen wol erzält hatten, aber dass kein einziger Klementiner dieselben tanzen könne. „Wozu auch*, fiel Marko Ivanic" ins Wort, „da es unmöglich einen schöneren Tanz geben könne, als der kroatische Kolo!K Bei diesem von Ivanic" und seinen Landsleuten so sehr geschätzten Kolo singen jedoch die Kle- mentiner nicht, wie die Kroaten und Serben, sondern der Dudelsack- bläser schreitet den inneren Raum des Kreises ab, bleibt bald bei diesem, bald bei jenem Tänzer oder Tänzerin stehen, und bläst ihm oder ihr ein Stückchen Melodie ins Ohr. Mir fiel dieser gesangslose Tanz auf, und ich erkundigte mich deshalb um den Grund dieses Schweigens. Da sagte man mir, dass dies der gemischten Bevölkerung wegen geschehe. So lange nämlich in Hrlkovci und Nikince blos Kle- mentiner und Kroaten wohnten, wurde beim Kolo. den man im Ge- meindewirtshause gemeinschaftlich tanzte, jederzeit gesungen, u. z. entweder in klementinischer oder in kroatischer Sprache; als jedoch Schwaben und Magyaren einwanderten, welche keine der beiden Spra- chen verstanden, gab es beim Kolo last jedesmal Schlägereien und blutige Köpfe, weil diese dachten (wahrscheinlich nicht ohne Grund), man mache sich über sie lustig. Um derartigen Zwistigkeiten auszu- weichen, wurde beschlossen beim gemeinschaftlichen Sonntagstanze nicht mehr zu singen. Und so tanzen nun Klementiner, Kroaten, Schwa- ben, Magyaran und Zigeuner in stummer Eintracht mit einander, und freuen sich des Lebens

Agram, am 10. Juni 1890.

(Schluss folgt.)

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WESEN UND WIRK. DER ZAUBERFRAUEN BEI DEN 8IEBENB. ZIGEUNERN.

Wesen und Wirkungskreis der Zauberfrauen bei den sieben-

bürgisehen Zigeunern.

Von Dr. Heinrich v. Wlislocki.

Man hat bisher die Zigeuner und unter diesen besonders die Wanderzigeuner zumeist als jedes religiösen Gefühles bare Horden dar- gestellt, indem man dabei nur die auf das Christentum bezüglichen, verschwommenen Begriffe derselben in Betracht zog, ohne dabei die in den verschiedensten Richtungen hinwuchernden heidnischen Schöss- linge des uralten indischen Religionsstammes zu beobachten. Als sol- ches uraltes Überlebsei sind auch die sogenannten ,Zauberfrauenu (Covölji) oder „guten Frauen" (lät e romhi, gute romhi) anzusehen, die gleichsam der letzte Nachhall altindischen Prieslertums sind.

Meistens aufs Geratewol hin wird von den Beobachtern der Zi- geuner nur erwähnt, dass „die alten Weiber bei dem Zigeunervolke Gegenstand besonderer Ehrfurcht sind," ohne dabei den Kern dieser, selbst Culturvölkern sozusagen ganz und gar abgehenden, in ihrer Art höchst eigentümlichen Sitte zu erforschen. Die Stellung des Weibes überhaupt ist bei den Zigeunern dem Manne gegenüber eine unabhän- gige. Als Besitzerin zigeunerischen Heirawesens, in das eben der Mann hineinheiratet, wobei er sogar seinen Beinamen, nämlich den Namen seiner Genossenschaft (gakkija) aufgeben und den Namen der Ge- nossenschaft seiner Frau annehmen muss, kurz, mehr oder weniger die Geburtsbande löst, steht das Zigeunerweib dem Gatten gegenüber ganz unabhängig da, der in den meisten Fällen die Ehe als eine Art Sinecure zu betrachten gewohnt ist. Diese Stellung der Zigeunerfrau erweist sich lür die ethnologische Forschung durchgängig als die ergeb- nissreichste, für ethnische Lehren sowol, als auch für mystische Ver- wirrung. Die Einzelstellung der „Zauberfrauen " hat sich in mancher Beziehung mehr oder weniger als eine Sonderstellung auf das gesamte weibliche Geschlecht dem männlichen gegenüber übertragen.

Ich habe schon an einem anderen Orte erwähnt, ') dass dem Glauben der Zigeuner gemäss es Frauen gibt, die im Besitze überna- türlicher Kräfle und Eigenschaften sind, welche sie teils auf überna- türlichem Wege erworben, teils aber ererbt haben. So bringt das sie- bente Mädchen einer durch keine Knaben unterbrochenen Kinderreihe Eigenschaften mit sich auf die Welt, die anderen Sterblichen abgehen, so z. B. sieht es Dinge (vergrabene Schätze, die Seelen Verstorbener u. dgl ), die andern unsichtbar sind. Die meisten Zauberfrauen wurden noch in ihrer zartesten Jugend von ihren Müttern in der Heil- und Zauberkunst unterrichtet und erben von ihnen zugleich den Ruf und das Ansehen. Nur ihre eigenen Töchter können die Zauberfrauen in

') Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn I. Bd. S. 51: „Zauber- und Bespre- chungsformeln der transsilvanischen und südungarischen Zigeuner" (auch als Son- derabdnick erschienen in Herrmann's „Publicationen d. ethn. Mitteilungen aus Un- garn" Hft II.

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DR. HEINRICH V. WLISLOCKI

ihrer Kunst unterrichten, nachdem dieselben die Anlagen dazu durch Blutvererbung mit sich auf die Welt bringen, also eine praedestinierte Zauberkraft schon a priori besitzen, die aber nur dann zum vollen Ausbruch kommt, sich zur Tätigkeit entfaltet, wenn das betreffende Weib selbst wenigstens schon drei Töchter zur Welt gebracht hat. Stirbt die Mutter, eine Schwester oder eine Tochter der „Zauberfrau", so muss sie das Wasser aus dem Napfe trinken, den man nach ein- getretenem Tode zu den Füssen der Leiche aufzustellen pflegt, damit rsich die Seele des Verblichenen darin bade." Trinkt sie es nicht, so nimmt die Todle ihre Weisheit mit und sie hat aufgehört zur Gilde der Zauberlrauen zu gehören; daher die Redensart: pijel sdr vovdlji (er trinkt wie eine Zauberfrau, d. h. er muss trinken, ob er will oder nicht). Um ihre „Weisheit". „Zauberkraft*1 (toodljiben) zu bewahren, steckt sie auch ein angebranntes Stückchen von den Kleidern der Ver- blichenen zu sich, die eben nach, allem Gebrauche gleich nach der Leichenbesiatlung verbrannt werden. Mit diesem Fetzen räuchert sie sich dann in der nächstfolgenden Johannisnacht oder Neujahrsnacht auf irgend einem Kreuzwege, um die noch immer herumflatternde Seele der Verblichenen zu bannen. Aus eben diesem Grunde muss sie neun Tage hindurch jedesmal zu Mittag das Grab der Verblichenen besu- chen und Mohnkörner auf den Weg bis zum Grabe fallen lassen, da- mit die ihr nachfolgende Seele dieselben auflese und keine Zeit habe, sie in ihrer Zauberkraft zu schwächen. Während dieser Zeit muss sie sich auch des Beischlafs enthalten, damit sie nicht etwa geschwängert, ein todtes Kind zur Welt bringe, aus dem ein Locholit&o (dämonisches Wesen) werden würde, das seine Eltein zu Tode quälen könnte. Gut ist es auch das Brustbein (aU Silz des Lebens) der Verblichenen mit einem Tuchlappen zu reiben und denselben die neun folgenden Tage am blossen Leibe zu tragen, dann ihn aber auf dem Grabe zu ver- brennen. Die dadurch entstandene Asche gilt für ein wichtiges Mittel bei Liebesangelegenheiten. Wer davon genossen, kann von der Person, die es ihm eingegeben, nimmer lassen. Häufige Schluckungen nach Verlauf der erwähnten neun Tage deuten an, dass die Zauberkraft der betreffenden Frau ungeschwächt, ja im Gegenteil gestärkt und ver- mehrt sich in ihr befinde. Um die Slammgenossen zu dieser Meinung zu bewegen, greifen die Zauberfrauen bei solchen Gelegenheiten frei- lich zu mancherlei künstlichen Mitteln, um recht arge und häufige Schluckungen hervorzubringen.

Ausser diesen „erbgesessenen * Zauberfrauen gibt es auch solche, die ihre Kunst nicht durch Blutvererbung erlangt, sondern von den Niva$i-( Wassergeistern) oder /'c^upus-Leuten (unterirdische Wesen) er- lernt haben, indem sie mit denselben geschlechtlichen Umgang pflogen. Der Act selbst geschieht ohne W ssen des Weibes, das erwachend erst die mit ihr vorgenommene Veränderung wahrnimmt und nur dadurch zum Schweigen gebracht wird, dass sie eben der Nica&i oder f'guvuS in den geheimen Künsten unierrichtet. Tut er es nicht oder schreit das Weib um Hilfe, so ist er verloren, denn er verliert auf einige

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WESEN UND WIRK. DER ZAUBERFRAUEN BEI DEN 8IEBENB. ZIGEUNERN.

Stunden seine Kraft post coitum triste omne animal und ist nicht im Stande sich von der Stelle zu rühren, so dass er leicht erschlagen ■werden kann. Ein weiter Spielraum für Betrug und Schwindel ist hie- bei selbstverständlich geöffnet. Ich kannte z. B. eine wunderschöne siebzehnjährige Zigeunermaid, die bereits drei uneheliche Kinder hatte, deren Väter jedem anderen, aber nur nicht dem Zigeunervolke ange- . hörten. Sie war desshalb die Zielscheibe des Spottes, ja selbst der Ver- achtung ausgesetzt und mit dem Schimpfworte parne lubHi < weisse Metze) benannt. Ich sagte ihr oft und oft : sie möge der Truppe den Rücken kehren und sich irgendwo niederlassen, um so diesen fortwäh- renden Gehässigkeiten zu entgehen. Bei einer solchen Gelegenheit ant- wortete sie mir: nMe nd dza, avava jeka iovdlji. Dikh tu akor mdn pirdnen romau (Ich gebe nicht, ich werde eine Zauberfrau. Sieh dann, (wie) mich die Leute lieben). Sie bat mich nun, der Truppe mit- zuteilen, dass ich die nächste Nacht im Dorfe zubringen wolle. Ich tat es, worauf sie mich ersuchte, die Nacht über midi in der Nähe der Zelte versteckt zu halten und von Ferne und unbemerkt den kom- menden Skandal anzusehen. In der Nacht nun erwachte die Horde auf ein ohrzerreissendes Geschrei. Alle rannten zum Zelte der parne lubHi, die am ganzen Leibe zitternd den Staramgenossen erklärte, ein Niva&i habe sie besucht, und dabei auf die am Boden sichtbaren zahl' reichen Hufspuren hinwies. Hierauf wari sie sich auf den Boden, mur- melte Zaubersprüche und verfiel scheinbar in Verzückungen. Am näca- sten Morgen wurde mir der nächtliche Vorfall mitgeteilt. Als ich die Leute frug: woher sie es wissen, dass auch in der Tat ein Niva&i die parne lubHi besucht habe, meinten sie: sie hätte es i nen bewie- sen und ich dürfe sie nicht mehr parne lubHi nennen, sonst könnte es mir schlecht ergehen. Wie sie den näheren Beweis für die Rich- tigkeit ihrer Angabe tührte, unterlasse ich hier zu erwähnen; kurz und gut, von dieser Zeit an geniesst sie ein grosses Ansehen unter ihren Stammgenossen und ist als Zauberfrau auch bei der siebenbür- gischen Landbevölkerung berühmt. Sie heist Ileana Darej.

Solche Zauberfrauen, die ihre Kunst von einem PchuvuS oder gar von einem Niva&i erhalten laben, werden von den Stamragenossen besonders gefürchtet, denn man glaub\ dass sie infolge ihres Umgangs mit dem PchnvuS oder NivaU eine Schlange im Leibe hätten, die den, der eine solche Zauberlrau beleidigt, zu Grunde richten kann. Um den Sei« windel zu vervollständigen, trinken auf solc ^e Weise zu Zauberfrauen gewordene Weiber die nächstfolgenden neun Tage bindurci Pferde- milch, um sich wie es heisst dadurch vor einer Wiederholung des Besuc5 es seitens des Niva&i oder Pchuvuk zu sc »ützen, ihn also von sie i abzuwehren. Wird nun eine Zauberfrau alt und gebrechlicD, so bereitet sie sich zur Fahrt ins „Todtenreich" vor, indem sie sich die Nägel wachsen lässt. Ks beisst nämlich im Volksglauben, dass eine Zaubertrau gar schwer ins „Todtenreich" gelangen, und sich nur mit ihren langen Nägeln an den Felsenwänden festhalten kann, die sie eben erklimmen muss, um ins Jenseits zu gelangen. Stirbt ein Weib, das

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DR. HEINRICH V. WUSLOCKI

I

durch Umgang mit einem NivaU oder PchuvuS Zauberfrau geworden ist, so fährt ein Blitz ins Wasser, der von den Nivasi- Leuten aufge- fangen wird.

Bei der Betrachtung der Zaubertrauen letzterwähnter Art müs- sen wir um zum mythologischen Kern dringen zu können die Schlange, deo Blitz und die Pferd'tnilch besonders hervorheben.

Wie erwähnt, sollen Zauberfrauen nach gepflogenem Umgange mit NivaSi Leuten eine Schlange im Leibe haben; lerner heiast es, dass beim Tode einer solchen Zauberfrau ein Blitz ins Wasser ("also in die Wohnung der Wassergeister) fährt der vom „Allsamenbaum" *), der am Himmel „blüht* und alle Kräuter der Welt trägt, kommend den A7iVas/-Leuten Heilkräuter mitbringt, auf deren Gebrauch sie dann die Weiber, mit denen sie Umgang geflogen, lehren und dieselben da- durch zu Zauberfraucn machen. Der die Heilkräuter enthaltende und von dem Niva&i aufgefangene Blitz wird also infolge geschlechtlichen Umgangs als Schlange in den Leib der Zaubertrau überfragen, ihr gleichsam die Zauberkunst eingeimpff. l)ass sich dieser, gegenwärtig zu reinem Schwindel herabgesunkene Glauben aus den sogenannten Na- turmythen entwickelt hat, unterliegt kaum einem Zweifel. **) Geben wir weiter. Uta na Varej zeigte ihren Stammgenossen die Hufspuren in ih- rem Zelte, als Reweis dafür, dass sie in der Tat ein AVpasi besucht habe. Dem Volksglauben der Zigeuner gemä** haben die Wassergei- ster, die Niva&i, Pferdefüsse und um diese Wesen von sich ferne zu halfen, trinkt die Zauberfrau neun Tage lang Pferdemilch. Hier finden wir also einen Nachhall der indogermanischen Naturmytbe vom Don- nerross, den rossgestalligen Kentauren (den Chiron an der Spitze), und von den indischen Acvinen. Hiebei müssen wir besonders zwei Mythen in Bcf rächt ziehen: die eine, nach der Poseidon und Demeter- Erinnys mit einander als Rosse buhlen und die Despoina und den Arion erzeugen; die andere, nach der Kronos mit der Philyra so den Cheiron zeugt ; diesen beiden entspricht der indische Mythos von der Vermählung des Vivasvat und der Saranyu in Pferdegestalt. Aus letzterer Verbindung entstammen „die himmlischen Heilärzte", das Zwillingspaar der Acvinen, welche davon „die Stutensöhne* heissen ; nach dem greichischen Mythos enstammt der Buhlschaft des Kro- nos mit der Philyra der „rossgestaltige" Kentaur Cheiron. der hilf- reiche .mythische Arzl" der Griechen, bei dem auch der Name des Tausendgüldenkrautes Kentaurion u noch speciell auf die ursprüngli- che Art seiner angeblichen ärztlichen Tätigkeit in ihrer Beziehung zu „heilbringenden Kräutern" hinweist. ***)

*) Ygl. meine Sammlung: „Märchen und Sagen der transsilvanischen Zigeu- ner" (Berlin. Nicolai'sche Verlagsbuchhandlung).

**) Vgl. W. Schwartz Die rossgestaltigen Himmeisärzte bei Indern und Grie- chen (in der Zeitschrift für Ethnologie, Berlin 1888, V Hft. S. 222.) Vgl. auch sein grundlegendes Werk: -Ursprung der Mythologie* S. 43. und Schrotder, Indi- ens Literatur und Cultur Leipzig 1887 S. 377.

***) Vgl. W. Schwärt« a. a. 0. S. 228.

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WESEN UND WIRK. DER ZAUBERFRAUEN BEI DEN SIEBENB. ZIGEUNERN.

Zu berücksichtigen sind noch die zigeunerischen Redensarten, die bei einem Gewitier angewendet werden: Romfn hl Nivaüi (Der Nivaäi heiratet) oder: Pujen Niva&ä (Die Niva&i begatten sich, vgl. die feurige Geburt des Asklepios.) Wie die phantasievolle Vorstellung der indogermanischen Urzeit den himmlischen Helfern eine rossartige Gestalt verleiht, um dann mit dem Fortschritt der Cultur, in mehr historisch werdender Zeit aus ihnen den indischen, menschlich göttli- chen Dhanvanlari oder den griechischen Asklepios zu schaffen, so spielt sich diese Wandlung im zigeunerischen Volksglauben gleichsam vor unseren Augen ab, indem der Blitz vom Allsamenbaum dem ross- füssigen Nivasi die Heilkräuter (Heilkraft) bringt, dieser durch geschlecht- lichen Umgang diese Eigenschaft zu heilen in Gestali einer Schlange (als Sinnbild des Blitzes) auf eine irdische Frau überträgt, somit gleich- sam einen Kreis schliesst, der mit dem Blitz beginnt und mit dem Blitz abschliesst. Wenn also im indogermanischen Mythos aus schöp- ferischem Reiz eine Anregung zur Umgestaltung jener himmlischen Helfer in mehr menschliche Wesen beginnt und zwar einem Notwen- digkeitedrange zur Befriedigung eines bei der Gebrechlichkeit der Men- schen gefühlten Bedürfnisses nach Heilkünstlern folgend, so sehen wir auch im zigeunerischen Volksglauben diese dem Himmel (dem AU- saraenbaum) entstammende Heilkraft notwendigerweise auf irdische, für den primitiven Menschen handgreifliche Wesen übertragen. Und dies sind für die Zigeuner eben die Zauberfrauen, und den Glauben an sie und ihre Heilkraft beseelt auch nur der Wunsch nach Heilung, das sehnende Hoffen auf ein übelbefreiendes Erlösungswort, das bei jedem Volke, sowol bei Naturstämmen, als auch bei Culturträgern, zu jeder Zeit die religiösen Ideale mehr oder weniger deutlich durchklingt. Wie der ganze mythische Bau dieses Glaubens bei den Zigeunern ursprüng- lich geformt war, können wir aus den jetzigen Trümmern nicht er- schliessen; so viel aber ist gewiss, dass es zunächst der körperliche Schmerz war, der seine Helfer verlangte und den Grund zu den phan- tasievollen Gebilden dieses Mythos legte.

So treten denn auch die Zauberfrauen der Zigeuner in erster Reihe als Helfer und zwar als Heilkünstler auf, sowohl für Mensch, als auch für Tiere. Sie können die Zauberformeln, durch welche der Misech (das Schlechte, der Krankheitsdämon) aus dem Körper des Siechenden vertrieben werden kann; sie haben die Macht und Kraft die Seele der Menschen zu .binden und zu lösen", Liebe und Hass zu entfa- chen und zu vernichten: und wie die physichen Angriffe, wissen also die Zauberfrauen auch psychische Störungen zu bekämpfen. Sie haben also noch immer dieselbe Rolle, die bei Naturvölkern die Priester hat- ten vor der Trennung der Seelsorge von der leiblichen. Im Bewusst- sein überirdischer Begabung oder im zuversichtlichen Vertrauen auf die helfende Kraft überirdischer Wesen wird durch Kenntnis zauber- kräftiger Formeln und Kräuter geheilt.

Wie bei der Heilung von Krankheiten, seien dieselben nun phy- sische oder psychische Angriffe, muss die Zauberfrau auch in an-

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DB. L. KATONA

deren Kenntnissen ihr Können beweisen, um wirksame Talismane und Fetische dem Volke verteilen zu können. Selbst für die täglichen Le- beosbedürfnisse muss sie ihre Macht bekunden, indem sie die Zukunft voraussagt, das Unglück abweist, überhaupt durch zauberkräflige Mit- tel das (ielingen eines Unternehmens befördert. Nicht nur die Todten zu bannen, sondern auch die Weiterung zu regeln, muss die Zauber- frau verstehen, um ihre Verbindung mit überirdisc en Wesen darzule- gen. Ihre Holle entspricht im Grossen und Ganzen der der Priester pri- mitiver Völker.

Recht und Unrecht.

Ein magyarisches Märchen mit seinen Varianten und Parallelen. Übersetzt und verglichen von Dr. L. Katona.

Ks gieng einmal ein Mann seines Weges. Am Kreuzwege traf er einen zweiten Mann; sie sagen sich gegenseitig guten lag, dann fragt der eine den andern: Wer bist du, Kamerad? Sagt darauf der andere: Ich bin der Träger der Wahrheit. Und wer bist denn du, Freund? Ich bin die Falschheit und der Träger der Falschheit. Nun. ent- gegnet darauf die Wahrheit, dann passen wir schlecht zusammen. Warum sollten wir nicht passen? versetzt die Falschheit. Kann man doch mit der Falschheit besser auskommen als mit der Wahrheit. Das will ich nicht glauben, meint die Wahrheit. Ist doch der fal- sche Mensch und eine falsche Seele stets in Ängsten. Das sollst du nicht glauben, entgegnet der Falsche, denn der Unlautere hat weniger zu türchten als der Redliche. Da streiten nun die beiden über diese Frage solange herum, bis sie recht hart an einander gerieten. Doch meinte endlich der Falsche, es wäre des unnützen Streites genug und weit besser, wenn sie sich nach einem Nachtlager umsehn würden, ehe es noch ganz finster geworden. Damit giengen sie auch weiter, beide in derselben Richtung, wo sie eine Stadt in der Nähe wahrnah- men. Ehe sie aber noch die Stadt erreichen konnten, wurde es späte Nacht, so dass der Träger der Wahrheit zum Falschen gewendet meinte, das beste, was sie nunmehr tun könnten, wäre hier auf dem Wege, unterm Kreuze zu übernachten, da sie zu so später Nachtzeit in der Stadt kein Obdach finden dürften. Dem Falschen war auch dies recht. Meinetwegen, so sprach er. können wir wo immer über- nachten und sei es in der tiefsten Hölle, denn ich fürchte mich vor gar nichts auf dieser Welt! Nun giengen sie richtig unter das Kreuz am Wegesrande und legten sich zum Schlafen. Warte nur, dachte der Falsche bei sich, du wirst es bald zu wissen bekommen, wer von uns beiden recht gehabt? Schlafe nur schön ruhig, ich werde dich schon Ichren. dass dir die Lust vom Wahrheittragen vergeht! Nach- dem sie noch eine Weile geplaudert, fiel der (iereehte bald in einen

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RECHT UND UNRECHT

tiefen Schlaf. Nun denkt der Falsche, die Zeit seiner Rache sei gekommen. Er nimmt sein Taschenmesser hervor und sticht damit dem Schlafen- den beide Augen aus. Nun kjnnst du gehn und mit deiner Wahrheit den Weg suchen, solange du willst spottete seines Opfers der Fal- sche. I)er Wahrhaftige aber entgegnete ruhig, dass er auch geblendet nur der Wahrheit nachhängen und sie nimmer aufgeben werde. Hie- rauf wurde er vom Träger der Falschheit verlassen. Wahrheit lag nun mit ausgeronnenen Augen unterm Kreuze und dachte darüber nach, was er fortan beginnen solle? Er gienge von dannen, doch wie soll er sich ohne Führer von der Stelle rühren? Ich bleibe noch eine Weile hier sitzen, so meinte er schliesslich, und warte getrost, da ich weiss, dass Gott den gerechten Menschen nicht verlässt Da sassen zur selben Stunde drei Raben auf dem Kreuze, die gerade aus ihrem Schlafe erwachten. Schläfst du noch, Kamerad? fragt der erste Rabe den anderen. Ich habe schon längst ausgeschlafen, entgegnet der an- dere. Nun denn, so spricht der erste, wenn du nicht mehr schlafen kannst, so könnten wir uns die Langweile der Nacht mit Gesprächen über den Weltlauf verkürzen. Was sollen wir aber besprechen? fragt der andere. Die nächste Stadt hier vor uns, meint der erste. Du weisst doch von der tiefen Trauer, die dort herrscht, und von der grossen Wassernot, der Ursache dieser Trauer? Und wie leicht wäre es ihnen dorf in der Stadt, der Not ein Ende zu machen, versetzt der zweite Rabe Wenn sie nur wüssten, wie es auzufangen! Vielleicht dass du darum weisst? fragt weiter der erste. Wie sollt' ich es nicht wis- sen, entgegnet der zweite. In der Mitte jener Stadt, auf dem mit Stei- nen gepflasterten Hauptplatze ist ein grosser viereckiger Stein. Nur diesen brauchten sie zu heben und darunter ein wenig zu graben, so hätten sie eine Quelle, die ihnen Wasser im Überflusse spenden könnte. Das hört der arme Blinde unterm Kreuze mit an, doch spricht darauf der andere Rabe : Nun will auch ich ein Märlein sagen. Zehn Schritte von diesem Kreuze befindet sich ein Brunnen, von dem nie- mand was weiss ; und doch ist sein Wasser so heilkräftig, dass der Blinde sich damit nur ein einzigesmal die Augen zu waschen hat, wenn er sein gesundes Gesicht znrückerhalten will. Da will zum Schlüsse auch der dritte Rabe was Neues erzählen. Des Königs Tochter, so spricht er, ist bereits seit drei Jahren todeskrank. Kein Arzt der Welt kann ihr helfen. Und doch ist nichts leichter als ihr Übel zu heilen, wenn man nur um das Mittel wüsste! Vor drei Jahren war nämlich das Mädchen bei der Communion. Nachhause gekehrt, war es ihr übel und sie musste sich übergeben. Die heil. Hostie kam dabei auf die Erde zu fallen, und eine Kröte, die unterm Bette verkrochen war, schnappte dieselbe auf und hält sie noch heute im Munde verborgen. Wenn man nun diese Hostie dem Tiere entreissen und sie der Kö- nigstochter eingeben würde, so wäre diese im selben Augenblicke ge- nesen. — Das Gespräch der Raben wurde aber, wie gesagt, vom Blin- den mitangehört.

Bei Tagesanbruch flogen die Raben davon. Der arme Blinde aber

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DR. L. KATONA

zerbrach sich den Kopf darüber, wie er den Brunnen finden könnte, von dem der zweite Vogel gesprochen hatte und der ihm nach seiner Überzeugung das Gesicht wiedergeben könnte. Das Kreuz will er auch nicht verlassen, in der Furcht, es nicht mehr finden zu können. Da fallt ihm auf einmal ein, dass er sich auszieh n, seine Kleidungs- stücke zu einem zehn Schritt langen Leitseil zusammenbinden und das eine Ende desselben ans Kreuz geknüpft, am andern sich festhaltend, den Brunnen aufsuchen wird. Gedacht, getan! Nachdem er den Brun- nen in der besagten Entfernung richtig angetroffen, wusch er sich in demselben und sieh da! er sah wieder eben so put wie vor seiner Blendung. Man kann sich seine Freude denken. Nun weiss ich. so sprach er bei sich, dass die Raben die Wahrheit geredet. Damit klei- dete er sich an, und gieng in die Stadt. Da sieht er die Einwohner in der grössten Bestürzung ; der eine passt nach dieser, der andere nach jener Seile auf. Was lauert ihr so ungeduldig, und worauf wartet ihr denn mit solcher Sehnsucht? so fragt er die Bürger, die er in den Gassen antrifft Wir warten auf ein Wasserfass, wird ihm zur Antwort, denn nicht einmal zum Waschen haben wir das nötige Wasser. Und könnt ihr denn keinen Brunnen graben ? so fragt wei- ter der Fremde. Der könnte sieb bei uns ein schweres Geld ver- dienen, entgegnen die Städter, der uns einen Brunnen graben könnte. Doch haben sich schon manche bei uns damit versucht, ohne auch nur auf einen Tropfen Wasser zu stossen. Was würdet ihr guten Leute mir wol geben, wenn ich euch einen Brunnen graben würde? fragt der Wahrhaftige. 0, Freund! Du könnlest kaum so viel for- dern, dass wir es dir nicht gerne gäben, wenn du wirklich einen zu graben vermöchtest ! Ihr sollt keine weitere Sorge haben, meint der Fremdling, und damit lässt er sich nach dem Stadl hause bringen, wo der Stadthauptmann ihn sofort ins Verhör nimmt. Wer bist du? so fragt ihn der gestrenge Herr. Ich bin nur ein armer Wanderer, doch rechtschaffenen und milden Herzens, erwidert ihm der Träger der Wahrheit. Und was ist hier dein Begehren? Ich will euch einen Brunnen graben, denn ich sehe, dass ihr kein Wasser habet, und infolge dessen die grösste Not leidet. Freund, sagt hierauf der Hauptmann, wenn du die Wahrheit sprichst und uns wirklich Wasser verschaffen kannst, so warst du die längste Zeit ein armer Teufel. Seid getrost, wenn ich einmal sage, dass euerer Not abgeholfen wer- den soll; gebet mir nur einige Männer zur Aushilfe, die mir beim Graben beistehn sollen. Du sollst so viele haben als du nur benö- tigst, versetzt der Hauptmann. Zehn Männer dürft' ich wohl brau- chen, sagt der Wahrhaftige, um mit der Arbeit rascher fertig zu wer- den. — Und wenn du deren hundert fordern würdest, so wären sie dir sofort zur Hand, wenn du nur einmal begonnen. Wo willst du aber den Brunnen graben? In der Mitte eures Hauptplatzes sollt ihr ihn haben, meint der gute Mann, damit ihn ein jeder gleich weit und gleich nahe habe. - Das wäre gerade das Hechte, wenn du ihn auf besagter Stelle graben könntest! Wenn ich euch einmal mein Wort gege-

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ÄfcCHT UND UNRECHT.

ben, meint der arme Fremdling, so könnt ihr euch darauf verlassen. Damit geht er auf den Platz und sucht die Stelle mit dem viereckigen Steine auf. Kaum war dieser emporgehoben, als bereits nach einigen Spatenhieben d*is Wasser in einem starken Stral hervorquoll und in alle Riehl ungen zu rinnen begann Nun könnt ihr so spricht der Wahrhaftige zu den Bürgern Kanüle für eine jede Gasse graben und ihr werdet fortan das Wasser nicht mehr für teures Geld kaufen müssen. Sein Hat wurde auch sofort befolgt, und das Wasser rann ganz lustig in allen Gassen der Stadt, wo eitel Freude über den rei- chen Segen herrschte. Der Hauptmann Hess nun den armen Mann zu sich bestellen, und fragte ibn, was er lür seinen guten Dienst for- dere? Ihr möget nur geben, was euch beliebt, war die Antwort des Wahrhaftigen. Nun, da hast du diesen Strumpf voll Geldes; dies sei dein Lohn ; und mit der Bedingung, dass du das Geld nur auf rechtem WTege verausgabest, sollst du von mir immer einen neuen bekommen, so oft er leer geworden. Der arme Mann steckt den Strumpf zu sich, und nachdem er sich beim Hauptmann schön bedankt, zieht er seines Weges. Nun, so denkt der Wahrhaftige bei sich, jetzt werd' ich noch die Königstochter auffinden, von der mein dritter Habe gesprochen. Vielleicht wird auch dieser Spruch sich bewähren.

Am Königshofe angekommen, spricht er beim Hofmeister vor, der ihn nach seinem Begehren fragt. Ich möchte die Tochter des Kö- nigs besuchen, antwortet der Fremde. Und wozu das? fragt ihn der Hofmeister weiter. Ich habe gehört, dass sie krank sein soll, und ich möchte sie heilen. Sagt darauf der Hrn.: Ja Freund, das meinst du, giengeso leicht! Waren doch andere und berühmtere Leute, die ersten Ärzte der Wrelt vor dir mit demselben Vorhaben da, und konn- ten alle miteinander nichts ausrichten. Doch hat man sie darum nicht gehenkt, wenn ich fragen darf? Da kannst du ohne Sorge sein, entgegnet der Hofmeister, kein Haar wurde ihnen gekrümmt, und man hat ihnen noch den doppelten Lohn ihrer Mühe ausbezalt. Nun, dann werden sie wol auch mich nicht henken, zumal ich gar keine Belohnung heische sondern, recht gern mit dem zufrieden bin, was man mir nach Belieben der königlichen Eltern zu spenden für gut finden wird. Wolan denn, so spricht der Hofmeister, hab' ich doch mehr als einmal gehört, dass mancher Bauer mehr weiss, als viele von den studierten Herrn Damit giengen sie zum König hin- ein. Der Hofmeister meldet der Majestät, es wäre ein Mann vor der Türe, der sich anheischig macht, die Königstochter zu kurieren Dem König wäre keine Nachricht willkommener gewesen, auch wurde der Fremde sofort hereinbestellt. Was bist du denn? guter Mann, so fragt ihn der König. Ich bin nur ein armer W'anderer, Herr, doch ohne Falschheit und guten Herzens. Was ist deines Kommens Zweck? - Ich möchte mit Ew. Majestät gnädiger Erlaubnis Ihre Tochter heilen. Wie sollte ich dies nicht erlauben? entgegnet der König, wenn du es nur fertig bringen könntest ! Kostet mich doch diese Krankheil meiner Tochter mehr als eine Million! Nun dann,

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Majestät und gnädiger Vater, - sagt der arme Mann, dann möge man mich zur Prinzessin hinein führen ; mit (ioltes Hilfe hoffe ich sie zu heilen. Man führt den armen Mann sofort zur Königstoch- ter. Er sieht die Kranke an, die schon so trocken und ausgezehrt im Bette aussah, wie das Bild des heil. Johannes in Suczawa. Der Fremd- ling schickt nun die HofTräulein aus dem Zimmer, und als sie fort waren, hob er unter dem Bette eine Diele auf, fand unter derselben die von den Raben besagte Kröte, und in deren Maule die Hostie. Kaum hatte die Königstochter die Hostie verschluckt, so reckte und streckte sie sich im Bette, dass ihr alle Glieder krachten, und wollte gleich aufstehn. Dies musste sie aber für eine Weile noch bleiben las- sen, da sie von der Krankheit sehr entkräftet war. Dann verlangte sie aber sofort etwas zu essen, was ihr auch ohne Aufschub gewährt wurde; und sie ass mit einem Appetit, der den König in gross tes Staunen versetzte. Nachdem sie etwas zu sich genommen, war sie schon soweit gestärkt, dass sie im Bette sitzen konnte. Auch sagte sie, dass ihr eigentlich gar nichts mehr fehle, nur dass sie noch zu schwach sei, um gehn zu können. Der König meinte, dies wäre kein so grosses Übel mehr, dass sich durch kräftige Nahrung nicht bald beseitigen Hesse. Darauf führte er den armen Mann mit sich, und fragte ihn, was er wol für seinen Dienst fordere? Dieser gab zur Anlwort, man möge ihm geben, was man eben will, ihm sei alles recht. Da gab ihm der König einen Strumpf voll Geldes, und sagte: er möge nur das (ield ruhig und unbekümmert ausgeben, und wenn es alle wäre, so kann er wann immer bei ihm vorsprechen ; für den Fall, dass seine Tochter ihre Gesundheit wirklich wiedererlangt, soll er für seine Le- benszeit reichlich versorgt sein. Der Fremde gieng mit bestem Danke aus dem Hause des Königs und zog weiter.

Draussen vor dem Staditore trifft er mit dem Falschen zu- sammen, der ihn seines Augenlichtes beraubt hatte. Sie erkannten ein- ander sofort, und nach gegenseitiger Begrüssung hub der Wahrhaf- tige zum Falschen gewendet an: Nun, siehst du, dass ich dennoch recht gehabt, und dass du falsche Seele mir umsonst die Augen aus- gestochen, da ich heute eben so gut sehe wie ehedem. Was hast du aber unterdessen mit deiner Falschheit gewonnen? Ich habe mir un- terdessen diese zwei Strümpfe voll Geldes verdient. Und wie denn? fragte ihn der Falsche. Da berichtet nun der Wahrhafiigc den ganzen Hergang von dem Gespräche der Haben und das Weilen». Warle nur, denkt sich der Falsche, wenn ich zum K reize gehe und den Haben erzähle, wie du ihrem Gespräche gelauscht, werden sie es dir schon heimzahlen. So tat er auch, und traf die drei Vögel ge- rade zur Zeit, wo sie aus ihrem Schlafe erwachend, ein Gespräch an- knüpfen wollten. Sagt der eine zum andern: Höre, mein Kamerad, neulich sprachen wir da über so manches, und wurden dabei belauscht, wie ich daraus entnehme dass man in der nahen Siadt bereits keine Not mehr am Wasser leidet. Jetzt wollen wir vorsichtig sein und schweigen, denn es könnte uns wieder ein unwillkommener Horcher

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RECIIT UND UNRECHT.

aufpassen. Daraufhin fliegt einer von den Raben vom Kreuze herab, und bemerkt unter demselben einen Menschen. Holla! Kameraden, so ruft er, da ist der Schuft, der uns neulich belauscht hat und jetzt wieder aushorchen möchte! Damit werfen sich die drei Raben wütend auf den Falschen, zersausen und zerfetzen ihn in so viele tausend kleine Stücke, dass man heute überall, wo man nur hinblickt, nichts als Falsches und Falschheit sieht. Wer es nicht glauben will, der kann sich davon überzeugen, wenn er nur die Augen aufmacht; überall wird ihm die Falschheit in der Welt entgegentreten.

(Aufgezeichnet von Dominik Zsid6 in Hertelendyfalva aus dem Munde von Csangö-Magyaren die aus der Bukowina in den 80-er Jahren nach Südungarn repatriiert worden sind. Herr Zsidö, königl. Zollamtscontrollor in Pancsova, hat sich als Betrauter der Regierungs- commission erhebliche Verdienste um die südungarischen Csängö-An- siedlungen erworben, und auf Anregung des Herausgebers dieser Zeit- schrift die günstige Gelegenheit zur Aufzeichnung wertvollen folkloris- tischen Materials fleissig benutzt, das er den Ethnol. Mitt zur Verfü- gung zu stellen die Güte hatte.)

(Schhws folgt.)

Ethnographie. Ethnologie. Folklore. *)

Von L. Katona.

(Auszug aus einem Vortrage, gehalten in der Sitzung der Gesellschaft für die Völ- kerkunde Ungarns am 11. Janaar 1890.)

Es ist eine in der Geschichte der Wissenschaften sich oftmals wiederholende, sozusagen reguläre Erscheinung, weil sie zugleich eine Folge das natürlichen Ganges der Entwickelung des menschlichen Gei- stes ist, dass neue Wissenschaftszweige gezwungen sind eine Zeit lang um ihre Existenz zu kämpfen. Oder, da es nach der sehr richtigen Bemerkung von Wundt, neue Wissenschaftsfächer im strengsten Sinne des Wortes nicht gibt, so können wir berechtigterweise nur sagen, dass die neuen Richtungen der wissenschaftlichen Untersuchung so lange als Schosslinge eines altern Stammes treiben und wachsen, bis sie genügende Kraft, und Lebensfähigkeit erlangt haben, um sich, von ihrem Stamme getrennt, selbständig fortzuentwickeln, und dann oft. wieder Stämme für neue Schosslinge abzugeben.

So sehen wir, dass teils schon im vorigen Jahrhunderte, teils erst in diesem die verschiedenen Philologien sich eine selbständige Existenz erobert haben. Und ehe diese Lehrsysteme auch nur halbwegs dazu gekommen sind, das auszubauen, wozu ihre in mancher Hin- sicht verfehlten, weil auf einer incohaerenten Grundlage aufgeführten Baugerüste dienen sollten, geraten sie bereits auf zwei verschiede- nen Seilen in Grenzstreitigkeiten: auf der einen Seite mit der von

*) S. Ethnograpbia, I. 8. 69. ff.

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DR L. KATONA

ihnen sich mehr und mehr loslösenden und immer selbstständiger wer- denden Sprachwissenschaft, auf der anderen Seite mit der Ethnologie. Die letztere entwickelte sich anfangs in einem engeren wechselseitigen Verhaltnisse mit der Geographie und Geschichtskunde, und trat dann auf halbem Wege zu der aus der Anatomie und Biologie erwachsenen Anthropologie in nähere Beziehung. So schwankte sie an der Grenze der Naturwissenschaften im engeren Sinne, und der sogenannten Gei steswissenschaften, und neigte sich bald der einen, bald der andern Seite zu, je nachdem ihre jeweiligen Pfleger der einen oder der ande- ren Schule angehörten.

Die Frage über die Zugehörigkeit der Ethnologie, über ihren eigentlichen Gegenstand und damit im Zusammenhange die Frage über die von ihr zu befolgende Methode ist umso verwickelter, je grösser die Meinungsverschiedenheiten sind über die Aufgabe und das Gebiet jener ßisciplinen, welche mit der selbst noch fraglichen Ethnologie teils eng benachbart sind, teils sogar den gleichen Gegenstand behan dein. Über Begriff und Zweck der Philologie hat von WolfT angefan- gen bis Gröber jeder wirklich beachtenswerte Philologe, den wir da- rüber befragen, seine eigene Meinung Es ist wieder eine Bemerkung Wundts, dass die Sprachforscher über das Verhältnis ihres Gegen- standes zu den übrigen Gegenständen der historischen Forschung durch- aus nicht im Klaren seien, so unzweifelhaft bestimmt auch der Gegen- stand ihrer Untersuchungen erscheinen möge Schuchardt *) glaubt, dass die Sprachwissenschaft überhaupt zu keinem scharf umrissenen und unzweideutigen Begriffe von ihrer Stellung im Kreise der übrigen Wissenschaften gelangen könne, ehe sie sich von den Namen der „Phi- lologie" befreit, der seiner Meinung nach die Verwirrung nur ver- grössert.

Wenngleich nun bezüglich ihres Gegenstandes die Anthropologie wenigstens in derselben glücklichen Lage ist, wie die Sprachwissen- schaft, insoweit an dieselbe keine Zweifel hinanreichen können. so sind schon darüber, ob die Gesammtheit der an diesem Geg 'nslandc beobachtbaren Ercheinungen, oder nur ein Teil derselben in ihr For- schungsgebiet gehöre, Meinungsverschiedenheiten möglich, und in Wirklichkeit auch vorhanden; sowie auch darüber, wie weit diese Wissenschaft den Mensehen auf dem Wege seiner historischen Ent- wicklung zu verfolgen habe. Hier stossen wir al^o schon wieder auf Controversen, welche jene bezüglich der Ethnologie von uns aufge- worfenen Fragen immer mehr verwickeln.

Unseren, auf eine Lösung dieser Fragen abzielenden Bestre- bungen verspricht nur ein Versach Erfolg. Er besteht darin, dass wir einerseits von dem gegenseitigen Verhältnisse ausgehen, welches zwischen den Gegenständen der hiseiplin und den Arten der Bei räch - hing derselben besteht, andererseits von den Merkmalen des allgemei- nen Begriffes der Wissenschaft, und so die Stelle der Ethnologie in

•) II. Schuchardt, Ühor dio LnutßCSftz-. Berlin 1885. S. 37.

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ETHNOGRAPHIE, ETHNOLOGIE. FOLKLORE.

dem Systeme der Wissenschaften zu bezeichnen trachten, wenn aus den eben angeführten Gesichtspunkten ihr Recht, als eine selbstständige Wissenschaft zu gelten, überhaupt erweislich ist.

Wir wollen aber keineswegs in den bei der Definition von Wis- senschaftszweigen oft begangenen Fehler verfallen, und werden uns des- halb wol hüten, den Begriff der Ethnologie einfach aus dem Namen derselben abzuleiten, so wie das ja mit der Philologie schon zu öfte- ren Malen geschehen ist. *) Wir werden das aber im gegenwärtigen Falle auch schon deshalb nicht tun, weil das den Gegenstand unserer Disciplin bezeichnende Wort., nämlich ethnos, selbst zu jenen Worten von Zeit zu Zeit und beinahe von Volk zu Volk wechselnden Sinnes und daher fortwährend schwankender Deutung gehört, und unsere De- finition somit auf sehr schlüpfrigem Boden sich befände, wenn wir die- selbe auf dieser Basis aufbauen würden. Nichtsdestoweniger dürfen wir bei der Feststellung dieses Begriffes den historischen Standpunkt neben dem rein logischen nicht vollständig ausser Acht lassen Und zwar des- halb nicht, weil, so wechselnd wir auch den Begriff dieses Wortes im Lpufe der Zeiten finden, wir dennoch sicherlich auf die Spur eines gemeinsamen Merkmales slossen werden, das sich gleichsam wie ein roter Faden durch all die wechselnden Bedeutungen hindurch- zieht, und das uns ein wertvoller Führer auf unserem weiteren Wrege sein kann. Das griechische Wort i &vn$ führt - nach der annehmbar- sten Etymologie desselben nach Wegnahme des darin klar erkenn- baren Suffixes vog zu der Wurzel i& (das ältere aFe£, die wir auch in den Worten os, ij&-og (Sitte, Gewohnheit), iH9eto-$ (traut), et-iod-a (bin gewohnt), f£-i£-w (gewöhne) leicht wiedererkennen. Diese Wurzel gehört gemäss den Zusammenstellungen von Curtius (Grundzüge der griech. Etymologie 251, 4. Auflage) in dieselbe Familie mit den fol- genden Worten : sanskrit svadhd (Wille, Kraft, anu svadhä-m nach Gewohnheit) gotisch sid-us, althochdeutsch sit-u (Sitte), gotisch sidön (üben), ferner lateinisch sue-sc-o, sue-tu-s, consuc-tu-do; das Sanskrit- wort sva-dhä weist aber nach der Annahme von Kuhn (Zeitschr. II, 134 u. ff.) auf die Grundbedeutung „eigenes Tun," durch eine Zerle- gung in seine Elemente sva {= griech. f , lat. se) dha (= griech. te, deutsch tu-n.). Curtius, der diese Hypothese Kuhn's aeeeptiert, und deren beste Bekräftigung in jenen lateinischen Worten findet., die hieher gehören und ohne Zuhilfenahme einer anderen Wurzel, direct von dem Pronomen suu-s abgeleitet werden können, - sagt im Zu- sammenhange mit der obigen etymologischen Zusammenstellung : Wie könnte die Sitte treffender bezeichnet werden, denn als eigenes Tun, eigenes Halten eines Volkes ?u Das griechische t-Sog entspricht demge- mäss dem Worte Sitte nicht nur der Bedeutung nach, sondern stammt auch von derselben Wurzel, oder um genauer zu sprechen von denselben zwei Wurzeln, wie das deutsche Wort, und auf dieser Ba-

•) Vgl. z. B. die Bestimmung des Begriffes der Philologie als „die Wissen- schaft vom iöyo?" bei Gröber. (Grundr. d. roman. Philol. I, 146. 8.)

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DR. L. RATÜNA

sis können wir auch als ursprüngliche Bedeutung des Wortes t&vog: „eine Anzahl von Menschen mit denselben Lebensgewohnheiten und einer Sitte14 annehmen. Jedenfalls ergibt sich aus diesem Worte ein tieferer und in unserer weiteren Betrachtung noch in Rechnung zu ziehender Begriff, der den wesentlichen Merkmalen des Begriffes Volk viel näher kömmt, als das lateinische populus und plebs und das alt- slavische pluku (turba, populus). und pleme (tribus). zu welcher Fa- milie auch das deutsche Wort Volk, (althochdeutsch fol, folo) gehört, und als deren Basis blos die Vorstellung „Menge, Viele" dient. (S. Curtius 1. c 277.). Die griechischen Worte laog. dt;u(K bedeuten eben- talls „FoffcV und ist die Verwandtschaft des ersteren mit dem Worte „Leute" (ahd. Hut, populus, pl. . liuti, Leute) und dem altslavischen ljudn in die Augen fallend, über die Grundbedeutung der Wurzel herrscht jedoch bisher Dunkel. (S. Curtius I. r. H64.) Bezüglich des Wortes d-üjuoc dürften die beiden, sich nahe berührenden Meinungen von Hugo Weber (Etymologische Untersuchungen, Halle 1861. I. 8.) und Fielet (Les Origines Indoeuropöennes ou los Aryas primitifs. Paris 1859, 1863; II. 390.) dennoch nicht ganz zu verwerfen sein, wenn auch Curtius (1. c 231.) sie für falsch hält, hauptsächlich wegen des häu- figen Gebrauches dieses Wortes bei Homer mit der Bedeutung „Land," „Continent" (also „das Zusammenhängende1'); denn mit dieser Bedeu- tung steht die auf die ursprüngliche Vorstellung „der enger Zusam- mengehörenden* zurückführende Etymologie des Wortes d?jiog durch- aus in keinem unversöhnlichem Widerspruche. Wenn das griechische Wort l\%'0(; auf eine der bedeutsamsten Folgen des Zusammenlebens hinweist, so weist auch das in seiner Herleitung ganz klare lat. gens und natio, auf den allerursprünglichsten Grund des Zusammen- haltens eines Volkes, nämlich auf die gemeinsame Abstammung. (Ebenso das gleichbedeutende magyarische Wort nemzet, welches offenbar nach dem Muster eines dieser beiden Worte, wahrscheinlicher nach dem des ersteren gebildet ist.) Wenn wir schliesslich an das ungarische Wort hSp erinnern, und uns einstweilen, in Ermangelung einer plausibleren, der Etymologie von Budenz anschliessen (Magyar-ugor összehasonlitö szötär 402.), so sehen wir in der Bedeutung desselben: „homines ut- riusque sexus" Menschen beiderlei Geschlechtes, - durchaus keinen characteristischeren Zug, als in den lat. Worten plebs und populus.

Aus unserer bisherigen Untersuchung können wir soviel ersehen, dass in den einzelnen, characteristischere Züge zeigenden Fällen zu- meist die Vorstellungen des Zusammengehörens, v der „gemeinsamen Abstammung", der „gemeinsamen Lebensgewohnheiten", der „gleichen Sitten" jene sind, welche auf einer gewissermassen schon entwickel- teren Kulturstufe als die bezeichnenden Merkmale des Begriffes „Volk", oder besser gesagt der „Zugehörigkeit zum Verbände eines Volkes" betrachtet werden; während die für eine niederere Stufe zeugenden Benennungen noch keine Spur einer eingehenderen Analyse zeigen, son- dern nur auf die Vorstellung der „Menge," „Masse," hinweisen, in- dem hier diese, eines jeden präciseren Merkmales entbehrende Vorstel-

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ETHNOGRAPHIE. KTHNOLOGIE. FOLKLORE.

lung noch genügend erscheint zur Bezeichnung desselben Begriffes, oder gar eines noch weiteren Begriffes, entsprechend der unbestimmte- ren Begrenzung des Ausdruckes.

Bevor wir an die genauere Feststellung des Begrifles .Volk", und aul Basis desselben an eine regelrechte Definition der Aufgabe und des Forschungsgebietes der Ethnologie herangehen, wollen wir we- nigstens in Kürze jene vereinzelten Versuche betrachten, die bis in die neueste Zeit getan wurden, um den noch dämmerigen Begriff des Volks- tums zum Gegenstande wissenschaftlicher Untersuchung zu machen, und im Anschluss an diesen Bückblick wollen wir des Weiteren auf jene bereits zielbewusslere und systematischere Bewegung in den letzten Üecennien unseres Jahrhunderies hinweisen, die sich zur Bezeichnung ihres Untersuchungsobjectes und zugleich mit Betonung ihrer, von mancher Seite noch immer bestrittenen Berechtigung zu selbständiger Existenz, bald des Namens der Ethnographie, oder der Ethnologie, bald auch des englischen, in jüngster Zeit gemeingiltig gewordenen Wortes folklore bedient.

Die beiden kultiviertesten Volker des Altertumes, die Griechen und die Kömer, denen doch hinreichende Gelegenheit geboten war, solche Völker beobachten zu können, die von ihnen an Stammescharacter, Sprache, Lebensgewohnheiten und Sitten verschieden waren, haben auf diesem Gebiete eine merkwürdige und höchst bedauernswerte Gleich- giltigkeit gezeigt. Als lobenswerte Ausnahme kann allenfalls nur Hero- dol erwähnt werden, dessen IV. Buch neben der im 10-ten Ab- schnitte der Genesis enthaltenen semitischen (?) Tradiiion, und den hierher gehörigen einzelnen Daten der aegyptischen und assyrisch- babylonischen Denkmäler, ferner neben den wenigen zerstreuten Be- merkungen des Ktesias, Hippokrates, Aristoteles, und aus späterer Zeit des Vilruv, Strabo, Julius Caesar und Tacitus, das Wertvollste ist, was das Altertum uns an ethnographischen Daten aulbewahrt hat. Bis zu den letzten zwei Jahrhunderten des Mittelalters kam man trotz der Kreuzzüge diesbezüglich nicht viel weiter über das hinaus, was man aus den zumeist missverstandenen, oder überhaupt unverstande- nen Angaben des biblischen Völkerstammbaumes herausbuchstabieren konnte. Plan Carpin (um die Mitte des XUI-ten Jahrhunderts) und ein wenig später Marco Polo brachten überraschende Nachrichten von dem mongolischen Stamme und dessen eigentümlicher Civilisation nach Westeuropa. Doch machte erst die grosse Bewegung der Kirchenreforma- lion, Hand in Hand mit der Wiedererweckung der Wissenschaften und Künste und in ihrem Gefolge die gesellschaftliche und ökonomische Umwälzung, welche die Entdeckungen und Erfindungen hervorriefen, in dem so plötzlich erweiterten Gesichtskreise unter anderem auch eine von neuen Gesichtspunkten ausgehende Untersuchung des Menschen und Menschlichen möglich.

Beim Wühlen nach alten Münzen und Meilensteinen stösst der Spaten hie und da aul riesige Knochen und Petrefacte; anfangs hält man die seltsamen Funde natürlich für Reliquien der biblischen Rie-

DR. L. KATONA

senvölker Gog und Magog. oder gar für launenhafte Naturspiele: aber was verschlägt es?... dem kindlichen Irrtume folgt die allmälig auf- dämmernde Ahnung des Richtigeren, und hierauf die Erkenntnis der Wahrheit. Aus der freiwilligen Berührung der Archaeologie mit den Naturwissenschaften entwickelt sich die Palaeontologie, die dem For- scher auch in das Dunkel der vorgeschichtlichen Zeiten hinein einen Leit- faden bietet, und die Vergangenheit der Menschheit weit zurück, bis in Zeiten, in welche die Gedenkbücher und Traditionen unseres Ge- schlechtes nicht mehr reichen, aus der Rinde der Erde herausbuch- stabiert. Die im Dienste der Medizin erst nur verborgen, dann aber immer freier sich entwickelnde Anatomie enthüllt den wunderbaren Organismus des menschlichen Leibes und findet auch die Fäden, ver- mittelst welcher der Mensch mit den Wesen niederer Gattung in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu bringen ist. Die Anthropologie im Verei- ne mit der innerhalb der Geographie sich heranbildenden Ethnographie gelangte endlich zu den ersten Versuchen einer Einteilung unserer Art in Rassen. (Blumenbach: De generis humani varietate nativa. Göttin- gen 1776.). Auch die Sprachwissenschaft, die es in der Zwischenzeil in dem Lehrsysteme der Philologie zu einer gewissen Selbständigkeit gebracht hatte, trägt dazu bei, jenes Gewölke zu verteilen, welches die Urzeit des Geisteslebens der Menschheit bedeckt. Der sich immer mehr vertiefenden geschichtsphilosophischen Auflassung kömmt auch die der französischen Revolution folgende Rcaction zu Gute: den auf den, als Übergangsstufe wol notwendigen, aber seichten und sterilen Ratio- nalismus folgt als ebenso notwendiger Rückschlag der Romanticismus, der bei den aul ihre nationale Selbstständigkeit eifersüchtig gewordenen Völkern ein wärmeres Interesse für ihre eigene Vergangenheit erweckt, dem die Wertschätzung ihres ursprünglichen Charakters und das Be- streben folgt, die Entwicklung dieses Charakters aufzuklären und zu verstehen.

In der Romantik wurzelt auch jenes allgemeinere Interesse für die älteren und neueren Äusserungen des Volksgeistes, welches in Deutsch- land hauptsächlich mit den Namen der Brüder Grimm, („Kinder und Hausmärchen1* I. 1812, II. 1815, III 1822. „Deutsche Sagen" 1816 1818. .Deutsche Rechtsalt crlümer' 1828., Deutsche Mythologie" 1835 ), in England aber mit dem mächtigen Einfluss Walter Scotts auf den Zeitgeist eng verllochlen ist. („Minstrelsy ol the Scoltish Border" 1802 3.). Den Brüdern Grimm gieng Herder voran („Stimmen der Völker in Liedern" mit dem ursprünglichen Titel „Volkslieder" 1778 —79 ), während Scott in Percy einen Vorgänger hatte, der in sei- nen rReliques of Ancient English Poctry" (1765.) zum eigentlichen Führer und Wegweiser für alle bald nachfolgenden Sammler und Ordner der populär antiquities" wurde. Es ist wol wahr, dass die- ses Interesse anfangs und auch später noch ziemlich lange grösstenteils ein rein belletristisches war, und sich besten Falles in philologischem Geiste äusserte. Deshalb zeigte sich anfangs zumeist nur in dem Sam- meln der mündlichen Volkstradition eine erfreuliche Geschäftigkeit, doch

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ETHNOGRAPHIE. ETHNOLOGIE. FOLKLORE.

war man vorläufig noch weit davon entfernt, die eigentlichen Quellen des Volksglaubens an richtiger Stelle zu suchen und die Bedeutung seiner Überreste nach Gebühr zu würdigen. Kein Wunder, wenn der litterarische und der romantisch angehauchte philologische Dilletanlis mus sich eine erstaunliche Menge von Fehlschlüssen zu Schulden kom- men lässt, und besonders in der Verwertung der Märchen und Sagen für die Reconstruclion der verwitterten Mythensysleme sowol der al- ten wie der neueren Völker einen beinahe noch grösseren Aulwand dichterischer Phantasie, als gediegener und von keiner Voreingenom- menheit bestochener Gelehrsamkeit geleistet hat. Hiezu kömmt noch die auf etymologische Kunstgriffe gestützte mythologische Theorie der Romantiker in der Sprachwissenschaft, wie ich sie alle nennen möchte, die bei der grossen Gefälligkeit und allgemeinen Beliebtheit ihrer My- thendeutungen nur zu oft den augenfälligen Fehler begehn, dass sie in ihren geistreichen Erklärungen mit ihrer eigenen dichterischen Divi- nation und manchmal sogar mit den unbewussten Folgerungsdisposi- tionen ihrer wissenschaftlichen Bildung den mythenbildenden Urmen- schen aufs verschwenderischeste bedenken. (Adalbert Kuhn, F. L. W. Schwartz, Max Müller, Georg Cox, A. Gubernatis u. s. w.) Die Richtigstellung dieses Irrtumes verdanken wir zum Teile Ben- fey und den mit wahrem Ameisenfleisse arbeitenden Forschern, die seiner Initiative gefolgt sind (Felix Liebrecht, Reinhold Köhler, H. Oesterley, D. Comparetti, A. Wesselofsky, E. Cosquin, u. s. w) Diese haben die Wanderung und den gegenseitigen Austausch der münd- lichen Volksüberlieferung von Schritt zu Schritt verfolgt, und ha- ben in ihren mühseligen und eine ausserordentliche Sachkenntnis erlordernden Werken nachgewiesen, dass die meisten als mythologische Quellen ausgebeuteten Märchen, ja selbst ein gut Teil der localisierten Sagen aus der Litteratur solcher Völker übernommen sind, die eine vollständig andere Weltanschauung haben oder hatten, und oft nicht einmal aus der volkstümlichen, sondern geradezu aus der KunstWi- teratur dieser Völker. Diese Sagen sind also in der Überlieferung des Volkes, das sie aufgenommen hat, ein Material ohne jeden organischen Zusammenhang, und können solchermassen kaum zur Aufklärung der Vorstellungen des Volksglaubens beitragen. Andererseits brachte das, aus den sich immer mehrenden Tatsachen der Anthropologie und Ethno- logie geschöpfte Räsonnement, bezüglich der Erforschung der volks- tümlichen Überlieferungen jene bessere Einsicht, die nicht eben ganz zufällig ebendort die Wendung zum Besseren inauguriert, wo die schon erwähnte einseitige Mythenerklärung ihre grössten Triumphe gefeiert hatte. In England bildete sich die sogenannte anthropologische Schule, (E. B. Taylor, A. Lang. u. s. w.), welche hauptsächlich durch die Pro- paganda der mit ihr auf gleicher Basis stehenden Londoner Folk-Lore Society den Stab ihrer Getreuen angeworben hat. Von dieser Gesell- schaft gieng auch der erste Versuch aus, die gesammten traditio- nistischen Forschungen in ein übersichtliches und möglichst einheitliches System zusammenzufassen. Diesem Versuche leistete auch das schon

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DR. L. KATONA

erwähnte Wort folklore gute Dienste, indem es ermöglichte, unter ei- nem bequemeren Terminus all das zu gruppieren, was bisher unter dem lange schwankenden Begriffe und dem nach Belieben dehnbaren Namen der „volkstümlichen Altertümer" gesammelt wurde. Dieser Terminus verdient, wegen der wichtigen Rolle, die er in der Geschichte der Ethnologie spielt, ein w*»nig eingehender besprochen zu werden.

Sein Schöpfer ist W. J. Thoms, der in einem am 22-len Au- gust 1846 im Londoner „Athenaeum" abgedruckten, mit dem Pseudonym Ambrose Merton gezeichneten Artikel die .Sammlung der volkstüm- lichen Überlieferungen („Populär Antiquities. Populär Literature") ur- giert. Dort empfiehlt er das Wort Folklore (oder Folk-Lore, wie es ihm folgend die meisten Engländer auch heute noch schreiben) als zusam- menfassenden Namen für alle jene Gegenstände, welche als wie im- mer geartete Aeusserungen des Volksgeistes, und als in welcher Bezieh- ung immer charakteristische Erscheinungen des Volkslebens zu dem Materiale der Ethnologie gehören, ohne dass in ihnen das ungemein weile Forschungsgebiet derselben vollständig abgegrenzt wäre. Dem genannten (.'.orrespondenten des englischen Wochenblattes sind die bei- den oben erwähnten, einander ergänzenden Ausdrücke ungefähr gleich- wertig mit der neuen Benennung: um aber den Begrillskreis des em- pfohlenen neuen Wortes genauer zu präcisieren, züli er die zum In- ventar des Kolklore gehörigen Gegenstände nach folgenden Kategorien auf: Gewohnheiten, Überlieferungen, Sitten, Aberglauben. Volkslieder, Sprichwörter (manners, customs, observances stiperstitions, ballads, proverbs). Er berührt also nur einen Teil jener Gegenstände, die wir nach dem in der wissenschaftlichen Welt allgemein aeeeplierten und sozusagen internationalen übereinkommen unter diesem Ausdrucke zusammenlassen, ich sage „international", weil das vor ungefähr einem halben Jahrhunderte in den Spalten des „Athenaeum* aufgetauchte Wort bald darauf gemeingiltig und auch beinahe überall heimisch wurde, wo man dem Studium des Volkslebens Wichtigkeit beilegte, und dessen unaufschiebbare Dringlichkeit und Notwendigkeit einsah.

Das Wort Folklore ist eine regelrichtig gebildete Zusammensetzung aus den angelsächsischen Worten folk (gens, Leute) und lore (science, savoir, doclrine; Lehre, Kunde, Kenntnis.) Nebst seiner Kürze und Weiterbildungsfähigkeit haben dem Worte besonders die folgenden Hauptvorzüge zur weilen Verbreitung verhüllen. Einerseits lässt sich dieser Terminus anderen Sprachen sehr leicht anpassen, andererseits weicht das Wort lore in einer charakteristischen Bedeutungsnuance ab von den Worten science und Uterature, welche verwandle Bezeichnun- gen sind. Das Wort lore hebt eben mit präciser Kürze jenen Unter- schied hervor, welcher die Kenntnis und die Wellansicht eines Volkes gegenüber der im eigentlichen Sinne des Wortes genommenen Wissen- schalt, in einer eigentümlichen und auf den ersten Blick aullallenden Weise qualifiziert, so wie es auf anderer Seite die vorwiegend in der mündlichen Überlieferung lebende Volksdichtung, die nur mit Vorbe- halt Litteratur genannt werden kann, der Kunstlitteratur gegenüberstellt.

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ETHNOGRAPHIE ETHNOLOGIE. FOLKLORE.

Wenn wir die Unterscheidung auf dieser Basis weiter führen, so können wir in dem Worte lore des weiteren noch eine sehr geeignete Bezeich- nung sehen für alle jene Äusserungen des Volksgeisles, welche in Folge der Vererbung gleichsam instinctmässig geworden sind, und eben deshalb in dem Entwicklungsgange des Seelenlebens unseres Geschlech- tes einstmals einen allgemeinen, heute aber nur mehr einen teils schon überwundenen Zustand und eine überschrittene Daseinsstufe darstel- len, gegenüber jener Denk-, Fühl- und Handlungsweise, welche auch heute nur Eigentum einer sich geistig stark hervorhebenden und sehr weit vorgeschrittenen Minorität ist, und selbst bei dieser Minorität noch fortwährend mit Gedanken, Gefühlen und Neigungen einer älte- ren Entwicklungsstufe durchsetzt erscheint.

Der Folklore muss also, wie wir dieses schon gesagt haben, mit der, weiter unten detaillierten Gesammtheit seiner Gegenstände in die Ethnologie eingefügt werden. Diese beiden Begriffe sind also durchaus nicht gleichwertig, wie man etwa durch das Zusammentreffen des Wortes folk (und noch mehr des formell vollkommen entsprechen- den, aber begrifflich ein wenig abweichendem deutschen Volk) mit dem griechischen ethnos und des Wortes lore (Lehre) mit dem griechischen logia verleitet glauben könnte. Das deutsche Wort Volkskunde, mit welchem bald das eine bald das andere bezeichnet wird, bezeichnet richtigerweise nur das Erstere, das Zweite können wir nur mit den Worten : Kunde vom Volke (und nicht Kunde des Volkes) übersetzen, wel- ches nach der Analogie solcher Zusammensetzungen wie : Erdkunde, Pflan- zenkunde u. s. w., gebildet ist. Am zweckmässigsten erscheint es, wenn wir die ausserordentliche Malerialmenge, welche zum Ganzen der Kunde vom Volke gehört, und die körperlichen so wie die seelischen Eigen- tümlichkeiten des Volkes, alle Äusserungen des Volksgeistes und sämmt- liche formelle und materielle Erscheinungen des Volkslebens umfasst, unter den hiemit schon umschriebenen Begritt der Ethnologie verweisen, und aus dieser Materialmenge in den engeren Kreis des Folklore (Volks- kunde im engere Sinne) nur jene Gestaltungen und Emanationen der Volksseele aufnehmen, die an die Überlieferung als an ihre Lebensvo- rausselzung geknüpft sind, und zwar wesentlich und in erster Linie nur an die mündliche Überlieferung.

(Schluss folgt.)

Türkisehe „Gedankenlieder* aus Ada-Kaie.

Von Dr. Ignaz Kunos.

Eine der reichsten Abteilungen der türkischen Volkspoesie ist die der Gedanken- oder M&ni-Lieder. Diese Lieder bestehen aus vier Zeilen und geben zumeist einen auf die Liebe Bezug habenden Ge- danken wieder. Mdni heisst „Bedeutung" und mdtti atmak „mäni

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DIU IONAZ KÜMOS

werfen" heisst ungefähr soviel, wie seiner Angebeteten ein bedeutungs- volles Wort zuwerfen; es geschieht dies selten direot, sondern fast Stets im Vorbeigehen oder Vorüberfahren. Jedes Mdni enthält auch ein nijet, eine Prophezeiung, und ernstlich Verlieble glauben an das ihnen zugeworfene nijet als n ein kräftiges Amulet.

Der Tag, an dem die meisten Mdni geworfen werden/ ist der erste Frühlingstag, Hidrellez, der ja auch bei den orientalischen Christen als heiliger Georgstag in grossen Ehren steht. Obwol diese Sitie von den Türken verspottet Und missbilligt wird, verfehlen trotzdem die türkischen Frauen nicht, sich am Vorabende des Hidrellez in dem geräumigen Hofe eines Hauses in einem der Siadivierlel zusammenzu- finden, um hier, vor männlichen Augen geschützt, aus Afdut-Liedern ihre Zukunft zu erforschen. Zu diesem Behufe wirft jede anwesende Frau irgend ein Pfand, einen Ring, einen Handschmuck oder derglei- chen in einen grossen Topf, der dann fest verbunden und unter ei- nem Rosenstrauch vergraben wird, nicht ohne vorher mit roten Tü- chern oder Bändern umwunden zu werden, da die rote Farbe bei Heiratsangelegenheiten glückverheissend ist. In Anatolien werden die Liebespfänder anstatt in einem Topf auch in einem Backofen versteckt.

Alles dies geschieht am Vorabende. Am Morgen des ersten Früh- lingstages versammeln sich die Frauen zum zweüenmale. Der Topf wird ausgegraben und von einem weissgekleideien, unschuldigen Mäd- chen geöffnet. Nach einem jedesmaligen Bismillah (Im Namen Goltes) greift die Jungfrau in den Topf und nimmt einen der darin geborge- nen Gegenstände in die Hand, jedoch so, dass ihn keine der anderen Frauen sehen kann, und nun singt der Reihe nach eine jede der Frauen ein bedeutungsvolles Mdni-Ued. Dann öffnet die Jungfrau ihre Hand, zeigt den darin verborgenen Gegenstand und gibt denselben ihrer Ei- gentümerin zurück, die natürlich sehr erfreut ist, wenn ihr Mdni eine günstige Zukunft prophezeit hat und tief belrübt ist, wenn ihr Böses bevorsteht. Junge Mädchen, welche trotz mehrmaliger Mitfeier des Hidrellez ihren Kismet noch nicht gefunden haben, binden sich am Vorabend auch ein grosses Vorhängeschloss in die Haare, welches sie dann am anderen Morgen vor Beginn der Feierlichkeit aufschliessen.

Eine andere Gelegenheit zum Singen der Jf/m'-Lieder bieten die langen Winterabende. Am LoJbna-Abend (lokma ist eine süsse, runde Mehlspeise) versammeln sich die Frauen mit ihren Mdni-torbasy, klei- nen Siickchen, angefüllt mit Papierstreifen, auf denen Üfdni-Lieder auf- geschrieben stehen. Dann wird je eines der Afdni-Lieder gezogon und derjenigen vorgesungen, welche einen Blick in ihre Zukunft machen will. Nicht selten erfolgt von Seite dieser letzteren eine gesungene Antwort, da viele der AMni-Lieder aus einem Paar, aus Apostrophe und Antwort, bestehen

Wie schon erwähnt, beschäftigt sich der Inhalt dieser Lieder am häufigsten mit Liebesangelegenheiten, doch enthalten sie auch manch- mal rätselhafte Fragen, auf welche dann mit Improvisationen geantwortet wird. So zum Beispiel wird von einem Burschen, um ihn zu probieren,

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TÜRKISCHE OEDANKENMEDER.

ob er wirklich ein guter 3/(in» -Sänger ist, verlangt, dass er sieben Früchte besinge, und als Antwort darauf erfolgt dann die (llorification dieser sieben Fruchte als Liebessymbole, der Aprikose als Kuss, der Orange als Brust u. s. w.

Was ihre Classifioalion anbelangt, bilden die Mdnf* mit den Türk&s zusammen die eigentlichen Volkslieder und sind nicht met risch, sondern rhylhmisch gebildet. Sie haben sieben oder acht Sil- ben (4 4 oder 4 -+- 3), welche durch eine Ciisur in vier und vier oder vier und drei Silben geordnet werden. Der Reim befindet sich am Schlüsse der ersten, zweiten und vierten Zeile und ist zumeist ein weiblicher Reim. Auch kommt es vor, dass Türkffa aus zusamraenge- reihten JASnt-Liedern. denen dann ein gemeinsamer Refrain beigege- ben wird, zusammengesetzt werden.

Folgende Mani-Lieder aus meiner reichen Sammlung, die ich auf Anregung des Herausgebers dieser Zeitschrill in Ada-Kaie, dieser Nie- mandsinsel der untern Donau angelegt habe, und die ich in einer grös- seren Monographie über Ada-Kaie veröfTeni liehen werde, sind auch aus einem der oben erwähnten Mani-Säckchen. Als Probe, wie ein Mani dein andern anworlel, diene das folgende:

Jaz gününde buz-me-sen. kare me-sen, kez-me-sen ? den j:edse geledsejim, hanende jalnez-me-sen?

Die Antwort lautet:

Jaz gününde buz-um ben, kare dejl-im kez-em ben; eger gelcdsek isen, erken gel jalnez-em ben.

Als Probe einer Rätselfrage

Manidsi mani gelir, manima mani gelir; pek ustad manidsi-sin. jedi türlü mejve gelir.

Die Antwort lautet:

Elma, armud, zordali, dalda biter äefluli , narle lurunc pek güzel, ejva dalen ejmeli.

Willst du Eis im Sommer sein? *) Bist du Frau, bist Mägdelein? Heute Nacht will ich zu dir: Bist du wol im Haus allein ?

Eis will ich im Sommer sein; Bin nicht Frau, bin Mägdelein! Wenn zu mir du kommeti willst, Zeitig komm, ich bin allein!

diene :

Mani-Sänger Mani sing"! Auf mein Lied ein Lied erkling' ! Bist ein Mani-Meister du, Früchte siebnerlei mir bring !

Apfel, Birne, kleine Pflaum', An dem Ast der Pfirsich Flaum; Schön Granate, Goldorange, Bieg' den Zweig vom Quiltenbaum.

•) Die Übersetc angen sind von A. H. improvisiert.

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DR. IGNAZ KÜNOS

Nun eine längere Reihe

Keten gömlek ela du*, gelin sevmek bela dir; severseniz kez sevin, alenmadek kala dir.

Keten gömlek dizde dir, jar bu gedse bizde dir; jedi je! gelin sevdim, Simdi gönlüm kezda dir.

Keien gömlek iki kat. gel birini bana sat; anan baban dujmadan, gel bu gedäe bizde jal.

Mani kitabcn aftem mani bilmedim saStem; bir ajagen üstüne binbir mani söjleölim.

Dere boju keslane, gülge vurmu§ üstüne; varen dejin dosluma, evlenraesin üstüme.

Ilana bak elana, indse bele dolana; bej jareme kajb eltim. jüz bin alten bulana.

Askerlikte talim var, bir gemidsi jarem var; §11 dsihanda gülmedim, ne talisiz basem var.

Kara kara kazannar, kara jazö jazannar; ejlik jüzü görmesin, arameze bozanlar.

GüverdSini ucurdum, konde dseviz dalena; bu dsanem kurban olsun, jaren selvi bojuna.

gewöhnlichen Mani-Vierzeilen :

Leinenhemd ist buntgefärbt, Frauenlieb macht Herzen krank ; Lieb' nur eine Maid, sie ist Eine Burg, die niemand zwang. Leinenhemd blinkt auf dem Knie. Bei uns schläft das Mädchen heut ; Sieben Jahr' liebt' ich 'ne Frau, Jetzt gehört mein Herz der Maid.

Leinenhemd zweifaltig ist: Komm, verkauf1 das eine mir; Vater, Mutter wissen's nicht, Nimm die Nacht bei uns Quartier.

Konnte keinen Mani-Spruch, Las umsonst im Mani-Buch, Sing' nun steh'nd auf einem Fuss Tausendeinen Mani-Spruch.

Die Kastanie steht im Tal, Dorfen ist es schattenvoll; Geht und saget meinem Schatz, Dass er nicht heiraten soll!

Sieh die Schlang', die Schlange an, Wie sie schlank sich windend schlingt ; Hunderttausend Goldstück' dem, Der' s verlorne Lieb mir bringt.

Habe Glück beim Militär, Mein Geliebter ist Matros; Nie lacht ich mein Leben lang, War stets glück- und freudenlos.

Kessel, Kessel, schwarzberusst; Schreiber schreiben schwarze Schrill; Der mich vom Geliebten schied, Den gewiss kein Glück mehr trifft!

Meine Taube Hess ich frei,

Flog in Nussbaums Zweige weit;

Meine Seel' ein Opfer sei

Dem Cypressonwuchs der Maid!

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TÜKKI8CHK OKDANKENUEDKR.

Bugün günlerde pazar. kjatibler okur jazar; senin gibi güzeli, evlija görse jazar.

Geminin basenda-jem. oniki jasenda-jcm; onikisinden berü jar senin pesinde-jim.

Kar jagar dolcib dolab, «•evrilir siSle kebab; baklern jaren jüzüne, sandcm dogmus mahilab.

Malimur mahinur bakarsen, jüregimi jakarscn ; ne kücük-sün ne büjük, tamam bana karar-sen.

Baklern jaren jüzüne. ujku gelmez gü/.üme; jar pesinde gezmekten, seze indi dizimc.

Hu baga bir gül gerek, gül üslüne bülbül gerek; sendsilejin sultima, bendsilejin kul gerek.

Dieser Tag ein Sonntag ist, Jeder Schreiber schreibt und liest ; Auch ein HeiTger schrieb1 dich aul, Sah' er dich, wie schön du bist.

Bin am Schiffe vorne ganz; Alt bin ich zwölf Jahre nur, Und seit meinem zwölften Jahr' Folge ich des Madchens Spur.

Sieh, der Schnee fällt dicht u. dicht; An dem Spiess der Braten brät; Sah dem Mädchen ins Gesicht, Glaubte, dass der Mond aufgeht.

Schläfrig schauest du auf mich, Und im Herzen brenne ich; Nicht zu klein und nicht zu gross, Passest du gerad für mich.

Sah dem Madchen ins Gesicht, Schlafen kann ich deshalb nicht; Lief so lang dem Mädchen nach, Dass es mich im Knie nun sticht.

Garten eine Bose braucht, Rose eine Nachtigall ; Einer Sultansmaid, wie du, Ziemt, wie ich bin, ein Vasall.

Ein chinesischer Gebrauch bei den Armeniern

Sehr viele Gebräuche haben die heuligen Armenier in ihrem Hauplsiize, in Ilocharmenien bewahrt, welche für den Forscher höchst interessant sind um so mehr, weil sie auf ein graues Altertum hin- weisen, dos in der Lebens- und Anschaungsweise der Bewohner Hoch- armeniens bis auf den heutigen Tag sich wenigstens teilweise erhalten hat. Im folgenden will ich eines sonderbaren Gebrauches der Armenier gedenken, der seinem Ursprünge nach sehr alt und von China aus nach Armenien eingewandert ist, wie ich dies durch altclassisehe ar- menische Schriftsteller bestätigt finde.

Heutzutage ist es an vielen Orlen, besonders aber in Khotord- j ur (Hoch- Armenien) gebräuchlich, kleinen Kindern das Haupthaar

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PATER O. MENE VISCH EAN

über der Stirne und am Hinterhaupte gänzlich abzuscheren, so dass mit der Zeit es bei vielen eine unbedingte Notwendigkeit ist, um die Stirne vom Haarwuchs frei zu halten, immer das Schermesser bei sich zu tragen. Eine sehr alte historische Erwähnung wird hiemit bestätigt. In der Geschichte Fausti von Byzas (V. Jahrh. n. Chr.) wird nämlich erzählt, dass der Stifter eines mächtigen Generalats (zorav arutheann sparapetuthiün) aus Lhina wegen des viel vergossenen Blutes (zi ariun metz ankeal c i vera) nach Armenien geflüchtet und wegen seiner Tapferkeit von den ar- schakänischen Königen freundlich aufgenommen sei ; von einem Nachkom- men desselben wird dabei erzählt, dass er gegen die Erlaubnis seines Generals und Hausherrn geheim in den Krieg mitziehen wollte; als dies der General erfuhr, nahm er eine Peitsche zur Hand, und fieng an auf den geschorenen Kopf des Ungehorsamen ordentlich loszuhauen; und „nach der Religions-Sitte der Armenier, wie es ge- bräuchlich war die Köpfe der Kinder (zu scheren), so war in jener Zeit auch der Kopf des Kindleins Artavasd gescho- ren, (und in der Mille) ein Haar zopf gelassen" est kronits ffawts' Orpis ortn fr' ezglüch manktvöjn söjnpes i iatnanakin gertzeal er üzgluch mankdnn Artavazdd jev tsetsuns *'r thöghedl ev gts ardzakeal. (Byz. IV. Buch, Cap 43. S. 253.) Der Gebrauch dieser eigentümlichen Haar- tracht der heuligen Armenier bestätigt die Erwähnung des Historikers, dass nämlich ein Chinese nach Armenien eingewandert sei, dessen Name Mamikonean (aus Mam-Kun) wol auf einen chinesischen Ur- sprung deutet. Von diesem mögen also die Armenier diese eigentüm- liche Sitte geerbt haben.

Wim.

Pater G. Menevischean.

Die Baba Dokia-Sage und die mit ihr zusammenhängenden

Volksgebräuche in Rumänien. x)

Von Andreas Veress.

Mit Bezug auf Dr. Athanasius Marienescu's Aufsatz: „Baba Do- li;»u a) teile ich hier alles das mit, was ich hier in Rumänien drauf be- züglich vernommen habe. Der Mythos selbst ist in Rumänien sozusa- gen ganz unbekannt. Es ist zwar richtig, dass der Volksglaube die versteinerten Gestalten dieser Sage in die Moldau auf den Pion und Calo-Berg versetzt, ja in der Moldau, gibt es sogar ein Dorf Lunca Dochiei, aber dies alles ist so lokal begrenzt, dass diese Sage kaum

«) Ethnotjrajihia I. 4. IM. S. 11)4—197. ») Vgl. Anzeiger der Gesellschaft für di* Völkerkunde Ungarns, I 1. Heft S. 12-17.

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DIE BABA DOKIA- SAGE.

über die Grenzen der nächsten Umgebung geschritten ist. Ich habe mehrere interessante Sammlungen rumänischer Volksdichtungen durch- gelesen, ohne dabei auch nur eine Spur von dieser mythischen Sage zu finden. Wenn auch dieser Mythos in Rumänien und selbst in Un- garn gar wenig und nur an einzelne.i Orten bekannt ist, so ist desto verbreiteter der mit ihm zusammenhangende Gebrauch. Am ersten März nämlich behängt sich die walachische Bevölkerung Rumäniens mit einem Talisman. Dieser heist martzisor, so genannt dem Monat März zuliebe, in dem er eben eine Rolle spielt, oder vielleicht nach dem Martzisor der Baba Dokia-Sage so benannt, in welch letzterem Falle dann das Volk doch noch eine Reminiscenz an den ihm nun unbekannten Mythos aulbewahrt hätte. In Rumänien besteht dieser „martzisor« genannte Talisman aus einer kleinen herz- oder kreisför- migen Medaille, auf deren einer Seite „erster März" geschrieben steht, während auf der andern Seite des Frühlings Ankunft bedeutende Schwalben und Rosen geprägt sind. Solche Medaillen werden jedes Jahr mit der betreffenden Jahreszahl aus Messing und auch aus Sil- ber und Gold gepresst. Ein Bukaresler Schmuckhiindler verkaufte heuer auch aus Glas geformte „martzisor", in deren convexer Mitte zu meiner Ueberraschung die Baba Dokia auf einem Berge neben einer Kapelle zu sehen war, angetan mit einem roten Ledermantel (kosok) und neben ihr 9 (im Banal und nach Marienescu's Mitteilung 12) erfrorene Schafe: alle mit greller Farbe gemalt. Schon Mitte Februar be- ginnen die Kinder in den Gassen die billigen Martzisore zu ver- kaufen, die sie an einen Stab zu 20—30 Stück gereiht mit den Wor- ten feilbieten :

Nationale Martzisore.

Schön von Herrn und Fraun getragen". Am ersten März hängen die Frauen aller Stände solche Martzi- sore an ihren Hals, während dieselben von den Männern an das Hand- gelenk gebunden werden. Der sie den ganzen Monat hindurch trägt, soll von der Sonne nicht gebräunt werden. Die auf den Martzisoren sicht- baren Schwalben erinnern uns an den Frühlingspruch der magyari- schen Maide. die sie beim Sehen der ersten Schwalbe herzusagen pfle- gen: „Schwalbe seh' ich, Sommersprossen !) wasch' ich" (Feeskit Id- tok. szeplöt mosok). Mit Ende März wird der Martzisor an einen Ro-

«) Dem siebenbürgisch-säcbsischcn Volksglauben gemäss ist das Scbneewasser im März gesammelt, ein «bewährtes« Schönheitsmittel und dient besonders zur Ver- treibung der Sommersprossen.

Herrmann, Ethnologische Mitteilungen. 57 Ö

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DR. L. KäTHY

senstrauch gebunden, damit der oder die betreffende Person schön wie eine Rose werde. Also auch hier ist Martzisor das Sinnbild de» Früh- lings, der erwachenden Natur and der Reinheit.

Die von Dr. Ath. Marienescu erwähnten „nabele "-Tage begin- nen in Rumänien am 1. März und dauern 9 volle Tage hindurch, die der hiesigen auf Baba Dokia bezüglichen Reminiscenz gemäss wohl ihren 9 Schafen entsprechen. Die Frauen bestimmen unter sich für jeden dieser Tage eine baba (alte Frau) und wie an diesem Tage das Wetter eben ist (trüb, klar, wolkig u. s. w.), so wird auch die Seele der betreffenden Person das ganze Jahr hindurch sein. Den neunten Tag nennt man mutenit (nach der Benennung der 40 Märtyrer, und stampft an diesem Tage die Erde mit Holzpflöcken, damit die Wärme herauskomme und die Kälte hineingetrieben werde. Was nun die Anna Perenna anbelangt, so schmückten die Römer an ihrem Feste, am 1. März oder eben an ihrem Neujahrstage, den Altar der Göttin und ihre eigenen Häuser mit Lorberzweigen. Diesem römischen Gebrauch soll nach Obodescu und Teodorescu's l) Bericht die rumänisehe Sitte entstammen, die Häuser am Palmsonntag und besonders am Georgitage mit Weidenzweigen zu schmücken. Ein Nachhall dieses römischen Festes und ein Ueberbleibsel des der Anna Perenna geweihten Lorbers soll auch die rumänische sorkova sein, eine mit Papierblumen und Silberfaden ge- schmückte Rute, mit welcher am Neujahrstage die Dortkinder der Ru- mänen von Haus zu Haus gehen und jedes Familienglied mit dersel- ben gelinde berührend, demselben Glück und Wohlergehen wünschen. *)

Trajan-Decebal-Traditionen bei den Rumänen. ') Von Dr. Ladislaus Rithy.

Dass zwischen der einstigen römischen Bevölkerung Daciens und den heutigen Rumänen diesseits der Donau weder ein geschichtlicher, noch ein sprachlicher Zusammenhang besteht, hat die Sprachwissen- schaft entgiltig bewiesen. Trotzdem hält die Sprach- und Geschichtsfor- schung der Rumänen zäh an dieser Lehre. Wie naiv bei der Erhär- tung derselben auch von Leuten wissenschaftlicher Kreise vorgegangen wird, dazu diene als kleiner Beitrag ein Aufsatz der von Hr. Corwc-

l) S. G. Dem. Teodorescn, Incercäri critice asupra unora crediote, duine si moravuri (Bucuresci 1874.) S. 64 mit einem Vorwort von Obodescu

*< Ein auch unter den siebenbflrgiscben Szeklern weitverbreiteter Gebrauch ; am 8 Christtag (Tiengen die Kinder mit der sogenannten «Davidsrute» (Aprd-Sxentek) von Haus zu Haus.

») Ethnograph in, I. 3. Hft. S. 144—150.

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TRA J AN- DEC'EHAL-TRADITIONEN BEI DEN RUMÄNEN.

Uus Diaconovich herausgegebenen „Romanischen Revue" (7. Heft, Jahrg. 1887), *o bei Gelegenheit einer Besprechung der unter dem Titel „Durch die Jahrhunderle" erschienenen Erzählungen von Carmen Sylva, der rumänischen Königin, erwähnt wird, dass neben vielen andern histori- schen Volksliedern, die Dichterin auch eine Volksballade: „Decebal's Tochter* in Prosa bearbeitet habe. Da heisst es denn nun in der r Romanischen Revue" (1887. VII. S. 344): „Diese im Volksmunde, im verstecktesten Dorfe lebende kleine Geschichte von Decebal's Tod und dem Falle Sarmizegetusa's hat heute nebst ihrer Schönheit auch noch einen besonderen historischen Wert, da sie allein schon hinreicht, die Errungenschaften der magyarischen Geschichtsforschung, welche auch jüngst wieder zwischen den Romänen und dem ehemaligen Da- cien jeden Zusammenhang leugnet, ins gehörige Licht zu stellen." Dies klingt nun gar hübsch, aber wie heisst denn dieses „versteckte0 Dorf? und wie lautet der Originaltext dieser Ballade? Wir glauben, dass die rumänische Akademie, wenn diese Ballade überhaupt existiert, dieselbe schon längst mit eingehendem Apparat publiciert hätte.

Wie nun solche Volksballaden 4 entstehen und » gesammelt" wer- den, darüber gibt Carmen Sylva selbst Auskunft, indem sie uns ein mit dem rumänischen Dichterkönig -, Alessand ri, dem vielbewunder- ten Sammler rumänischer Volksdichtungen, geführtes Gespräch mitteilt. Im Laufe dieses Gesprächs nun gibt Alessandri der Königin Auskunft über sein Verfahren beim Sammeln von Volksdichtungen, und erklärt rund heraus, dass er, wenn er nur ein Bruchstück vorfinde, dasselbe selbst ergänze, d. h. den fehlenden Teil hinzudichte. So habe er auch z. B. zur Ballade „Stefanicza Vodau die fehlenden zwölf Verse hinzu- gedichtet. Nun aber welch' Wunder geschah ! erzählt Alessandri weiter : Bei einer Gelegenheit habe er in der Ferne Soldaten singen gehört. Als er zu ihnen kam und sie nach dem Liede fragte, djs sie so- eben gesungen, haben sie auf sein Ansuchen eben die Ballade „Ste- fanicza Vodatf hergesagt und zwar mit den von ihm (Alessandri) hin- zugedichteten zwölf Versen. Der Dichter fragte sie nun, von wem sie dies Lied gelernt haben. „Von meinem Vater !• lautete die Antwort. „Kannst du lesen!" fragte der Dichter. „Nein", war die Antwort. „Und von wem hat dein Vater es gelernt!" forschte der Dichter weiter. „Von seinem Vater!" antwortete man ihm

Ich meinerseits werde nicht im Geringsten staunen, wenn es nun heute oder morgen heissen wird, dass die langgesuchte Ballade «Trajan und Decebal" im Volksmunde irgendwo in Rumänien lebt. Der glück- liche Entdecker kann dann den betreffenden Sänger ebenfalls fragen: .Von wem hast du dies Lied gelernt?" .Von meinem Vater!" wird auch er zur Antwort erhalten. Fragt er dann weiter: „Und von wem hat dein Vater es gelernt?" „Von seinem Vater!" wird er dann ebenfalls zur Antwort bekommen. Und dann wird freilich ein Nach- komme der „Romänischen Revue * der erstaunten Welt mitteilen, dass die berühmte Ballade ..Trajan und Decebal" entdeckt worden sei. die nun die ungarische Geschichtsforschung in „gehöriges Licht" stelle.

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GRAF GEZA KLTN

Schatzgräber und Bergleute. l)

Von Graf Giza Kuttn (Vergelegt der Vortrags-Sitiung am 22. März 1890.)

Aus der Astrologie ist die Astronomie, aus der Alchimie ist die Chemie entstanden, das Suchen nach edlen Metallen und Schätzen aber hat schon im Altertum die mineralogischen und geologischen Kennt- nisse vermehrt und auch auf die Geschichte der Archaeologie einen be- deutenden Einfluss ausgeübt, was sich seit dem Mittelaller bis auf unsere Tage herab durch unerwartete Resultate zahlreicher Forschun- gen beweisen lässt. Wahr ist es. dass die Archaeologie durch den Zu- fall mit neuen und immer neueren Funden bereichert wird ; aber auch die Schatzgräberei selbst ist mit Rücksicht auf ihren unerwarteten Erfolg, ein Zufall zu nennen. Die Geschichte des Forschens nach edlem Metall und nach Schätzen ist ebenso alt, wie die der Cullur unseres Geschlechtes, und ist auch in die Mythologie der meisten Völker einge- drungen. In der Heroenzeit des hellenischen Altertums spielen das gol- dene Vliess und die goldenen Aeplel der Hesperiden eine grosse Rolle; und nicht nur die Gothen und Römer vergruben ihre Schätze, wenn der Feind sich näherte, sondern dies geschah bei solcher Gelegenheit zu allen Zeiten. Diese Schätze brachte dann nur der Zufall oder die Forschungen der Schatzgiäber ans Tageslicht. Dass die Schatzgräber bei ihrem Geschäft gewisse abergläubische Formalitäten beobachten, ist selbstverständlich. In Steiermark und auch an anderen Orten nehmen sie eine Haselrute, die sie mit den beiden Enden an dem Orte, wo sie einen Schatz vermuten, halbkreisförmig in die Erde stecken ; schnellt nun die Rute mit beiden Enden empor, so ist an dem betreffenden Orte ein Schatz vergraben. In Ungarn sind die diesbezüglichen aber- gläubischen Gebräuche noch nicht gesammelt *) und Zweck dieser meiner Zeilen ist es, hierauf aufmerksam zu machen, obwol wir nur eine spärliche Lese haben werden.

Das magyarische Volk selbst hat sich zu keiner Zeit mit Vor- liebe mit dem Bergbau beschäftigt, und schon die Könige aus Arpäd's Hause verpachteten die Bergwerke an Fremde, die Deutsche beim Berg- bau verwendeten. Trotzdem standen die Magyaren nicht nur in den Karpaten und in Siebenbürgen, sondern schon in ihrer Urheimat am Altai-Gebirge und im Ural in fortwährender Berührung mit Bergleuten, und es ist denn kein Wunder, wenn Perceptionen der subterraneen Mythologie sich auch auf sie vererbten. Die magyarischen „bergdrehen- den", „bergrollenden" Riesen erinnern lebhaft an die Erzählung der Novgoroder Gjurgata Rogovir. welche uns Nestor aufbewahrt hat. Uebe- rau, wo Schütze verborgen sind, da denkt sich die Volksphantasie Wächter dazu, Greife, Schlangen, Chimaeren, Kentauren udgl. Völker,

') EthHoyraphin, I. 4. Heft. S. 179—183.

*) Ein Aufsatz Wieder« in „Kthnoeraphia" I. 247. ff. „Schatzgräber- Aber- glauben und BeschwuruDiren."

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SCHATZGRÄBER UND BERGLEUTE.

die solche Untiere erdacht haben, folgten hierin der Richtung des Samanismus, der die sich in irdischen Erscheinungen offenbarenden Kräfte mit göttlichen Attributen bekleidet. *)

Schatzgräber und Bergmann müssen Glück haben, wenn ihr Werk Erlolg haben soll, daher der Gruss: „Glück auf!" im Bergwerk ganz an seinem Platze ist. Im Hunyader Comitat forscht das Volk nicht nur nach Decebals Schätzen, sondern auch nach denen eines gewissen Franz Geszti, der kurz von seinem Tode seine Schätze irgendwo ver- graben haben soll, damit sie nicht in die Hände seiner von ihm unge- liebten Frau geraten. Und mancher dort aufgegrabene praehistorische, romische udgl. Fund wurde vom Volke dadurch ans Tageslicht geför- dert. Auf der Insel Lussin sollen der Sage nach die aus Bysanz flie- henden Griechen ihre Schätze in die Felsen des Monte Asina ver- borgen haben. Als nun im Jahre 1787 ein Lussin- Piccoloer Einwoh- ner nach diesen Schätzen grub, brachte er mehrere wichtige praehis- torische Funde ans Tageslicht.

Ueber meine Studienreise in Finnland. ')

Von Bela Vikar. (AttMOg aus einem Vortrage, gehalten jn der Sitzung vom i5. März 1 S9< ».)

Als ich mich enlschloss unsere finnischen Sprachverwandten zu besuchen, schwebte mir einerseits das Ziel vor : mich mit der Sprache der Kalevala an Ort und Stelle eingehend bekannt zu machen, ander- seits aber: einen liefern Einblick in die finnische Ethnographie zu tun. Aus diesem Grunde schien es mir zweckmässig, vor allem diejenigen Punkte der von Finnen bewohnten Gebiete aufzusuchen, wo ich noch Aussicht haben konnte, Ueberreste oder Nachklänge der epischen Dich- tung und somit noch einen gewissen Teil vom Sprachmaterial der Kalevala aufzufinden, und dann erst wollte ich in die Hauptstadt Finnlands reisen, um dort die vorzügliche ethnographische Sammlung der Universität zu der Kalevala und die finnische Volksmusik über- haupt und vom Standpunkt der Vergleichung mit der magyarischen Musik und der vergleichenden Metrik zu studieren.

Zu erstem Aufenthaltsort auf finnischem Gebiet erkor ich mir das am nördlichen Ufer des Ladoga liegende Städtchen Sortavala, des- sen Umgebung J. Krohn in seinem über die Kalevala geschriebe- nen Werke als besten Fundort erwähnt, und wo man auch eine an- nehmbare Existenz hat.

Ende Juli 1889. machte ich mich auf die Reise mit meiner Frau, die bei meinen Studienreisen stets mein bester Gehilfe war.

*) S. meine Abh;mdl«ng: „Adalekok az imädsag törteneltnehez" (Beiträge zur Gescl ichte des Gein tes) S. 7.

») Kthnographia, I. 251. ff.

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B£LA VIKAR

In St. Petersburg hielten wir uns einige Tage auf, und von dort die augenehmsten Erinnerungen mit uns nehmend, setzten wir unsere Reise über den Ladoga fort, und am 31. Juli brachte uns das finni- sche Dampfschiff nach Sortavala

Die ersten Wochen benützle ich dazu, um mich in der Iii l era- rischen Sprache so gut als möglich einzuüben. Die Intelligenz da-* Städt- chens, besonders Oskar Forsströtn, Seminarlector, einer der eifrigsten und tüchtigsten finnischen Ethnographen, der in Sortavala auch ein schönes kleines Museum gegründet hat und aufrechthält, war mir mit der grössten Bereitwilligkeit in allem behilflich. Nach Verlauf einiger Wochen, nachdem ich es so weit gebracht hatte, um nicht nur mich verständlich zu machen (was gleich im Anfang leicht war), sondern auch dass ich andere verstand (was anfangs sehr schwierig war), wandte ich meine Studien der Umgegend zu.

leb machte einen Ausflug nach der Stadt Pitkänta zum Volks- fest, das am 4. August abgehalten wird. Hier halte ich Gelegenheit Offenbarungen der Volksseele während der Lust barkeilen zu beobach- ten. Die Sprache der Umgegend ist grosser ßeachtungs wert. Mit der Sprache von Sortavala verglichen, spricht man hier eine der Kale- vala viel näher stehende Sprache ; hier herrseht schon sehr abweichen- der Dialekt, der einigermassen den Cebergang bildet in den ostfinni- schen Dialekt.

Ueber die Volkstracht dieser Gegend lässt sich nichts sagen. Sie bat gänzlich den nationalen Charakter verloren. Und dies ist der Fall im grössten Teile Finnlands. Die alten finnnischen Volkstrachten wer- den grösstenteils nur noch in finnischen Museen bewahrt.

Dann besuchte ich im Dorfe Rautlahii in Begleitung des Magis- ters Oskar Relander den 86-jährigen Ontrei Vanninen (mit seinem rus- sischen Namen Borissa). der dieses in alter Zeit berühmten Gesangs- gebietes letzter Sänger ist. Seine Zauber- und Gesangskunst erbte ßo- rissa von einem seiner Ahnen, der vor ungefähr sieben Menschenaltern als erster sich hier in Rautlab ti niedergelassen hatte. Nach ihm gab es in der Familie stets ein-zwei berühmte Sänger, auf die das Lie- dererbe der Ahnen fiel. Borissa ist der letzte Epigone; er hat in die- ser Beziehung keinen Nachkommen mehr. Auch sein Erinnerungs- vermögen - wol in Folge seines Alters ist lückenhaft und ver- wirrt. Gar oft wiederholt er einen epischen Teil, stets nehmen die Bruchstücke seiner Erinnerung andere Formen an. Am besten erinnert er sich noch der Zaubersprüche und Hochzeits-Runen, nachdem er einst weit und breit ein berühmter „tietäjätt (Kenner) gewesen ist und diese Gattungen besonders cultivierte ; nirgends kam eine Erkran- kung, Hochzeit udgl. vor. ohne dass er, selbstverständlich bei guter Belohnung, nicht zugegen gewesen wäre. Die Zaubersprüche trägt er stets recitierend, die Hocbzeilsrunen aber singend in einer einfachen, schlep- penden Tonart vor, die sich nur auf zwei Zeilen erstreckt. Solcher epischer Tonweisen gibt es gar viele und auch der grösste Teil der fin- nischen Volkslieder ist in solcher Form wie die Kalevala verfasst, und

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UEBEK MEINE STUDIENREISE IN FINNLAND

wird auf die Weise gesungen. Beim Hersagen der nach dem Gesang niedergeschriebenen Texte bemerken wir sogleich den Unterschied, der zwischen den gesungenen und hergesagten Texten vorherrscht. Bei jenen bleibt die alte Sprache und das genaue Metrum der Runen un- verändert; bei diesen biingt der Milteiler die Regeln seiner heutigen Sprache zur Geltung, wodurch die Versform gar oft verdorben wird. Also im Gesangsvortrag :

„Paasia pakotiamahon,

Kiviä kivistämähänu t4— 4 Trochaeen)

hergesagt aber:

„Poasii pakollama!', Kivü kivistämä i

wo also die Versform verdorben ist.

Mit Borissa konnte ich nicht so kurz, im Handumdrehen fertig werden; icli bestellte ihn daher mehrmals zu mir in die Stadt und schrieb das Wenige, was er noch wusste, auf.

Hiernach verlegte ich meine Excursionen in das (Jebiet von Su- istorae. Im Dorfe Latvasyrjä schrieb ich von einer alten Frau ein Hir- tenlied und einen Hochzeilsruno auf, im Dorfe Laitioiset von einem jungen Weibe Klageverse und Liebeslieder. Das Niederschreiben der Klagerverse (Todtenklagen) ist gar schwer, denn der Mitteiler stellt aus gewissen und bestimmten Phrasengebild^n improvisierend stets ein anderes Gan- ze her. das zu wiederholen er dann nicht mehr im Stande ist ; und weil er in der Tat weinend, oder im bestem Falle in weinerli- chem Tone diese Lieder vorträgt, bleiben bei einmaligem Hören gar viele Lücken zurück. Hier war ich also jedesmal* auf Hilfe angewie- sen, indem wir zwei-drei Personen zugleich schrieben und dann un- sere Aufzeichnungen verglichen.

Von bestem Erfolg war mein Aufenthalt zu Jalovaara. Varianten zur Kalevala. zahlreiche Volkslieder und Besprechungsformeln berei- cherten hier meine Sammlung. Besonders die Vollkommenheit der Be- sprechungsformeln, ihre künstlerische Form (die ganz der der Kalevala entspricht) und ihr reicher, mythischer Gehalt überraschten mich Mit Freuden überzeugte ich mich auch davon, dass die Erzeugnisse der finnischen Volkspoesie inhaltlich und formell in der Tat so klassisch sind, als wir sie aus den erschienenen Sammlungen kennen.

Von Jalovaara aus sandte ich Boten in das Dorf Kokkari, das einen ganzen Tag weit von hier liegt, nach den berühmtesten Sängern der Umgegend, nach den beiden Brüdern Schemejka; aber nur der jüngere, der 75-jährige Peter Schemejka konnte zu mir kommen. Sehr schöne Kalevala-Varianten, zahlreiche Zauberformeln und Jagdlieder citierte er mir, und fast jedes Stück in zwei Varianten : damit der zwischen dem gesungenen und hergesagten Text vorherrschende Unter- schied constatiert werden könne.

Eine höchst interessante Episode meines Aufenthaltes in Jalovaara

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B£LA V1KÄH

bildet mein Ausflug mit dem Wirte Kerksonen in das Dorf Uuksu. Dies Dorf ist der einzige Ort in dieser Gegend, wo man noch befestigte „savutupa" (Rauchhäuser) sehen kann; solcher Häuser gibt jetzt es in Finnland nur noch weiter in den nördlicheren Gebieten und in der russischen Karjala inmitten endloser Wälder. Auf diese Gebiete, die sowol ethnographisch, als auch wa-* ihren Reichtum an Runos betrifft, in erster Reihe dastehen konnte ich infolge meiner materiellen Be- schränktheit meine Studien nicht ausdehnen. Ich kehrte daher nach Sortavala zurück.

Gelegenheit zur Vermehrung meiner Sammlungen von volkstüm- lichem Sprachmaterial hatte ich auch hier, teils bei meinen aus der Umgebung hereinbeschiedenen Gewährsmännern, teils bei denen, die hier die Kirche besuchen. Einige Märchen bekam ich von den Zöglin- gen des Seminars. Ausserdem wurde ich mit dem grössten Teil der fin- nischen Volkslieder bekannt, die uns durch i'ire Ähnlichkeit in Be- zug auf Versform und Musik mit unsern magyarischen Liedern be- sonders interessieren. *)

Von Sortavala aus wandte ich mich in Sachen einer ethnogra- phischen Sammlung brieflich an den Secretär der ungarischen ethno- graphischen Gesellschaft, an Dr. Anton Herrmann; mit gewohntem Ei- fer u Fleiss betrieb er die Sache. Demzufolge machte ich Ausflüge im Sortavalaer Gebiet und sammelte in 2 Wochen so viel, als es meine geringen Mittel mir erlaubten. Später hat diese Sammlung das hohe königl. ungar. Cultus- und Unterrichtsministerium im Ankaufspreis von mir übernommen

Im Oktober zogen wir nach Helsingfors Hier verbrachte ich mit finnischen Sprachstudien und dem sehr eingehenden Studium des er- wähnten Universitätsmuseums geraume Zeit. Beim Director bewirkte ich es, dass sie uns die Dupla der ethnographischen Gegenstände im Ankaufspreis überliessen Auf diese Weise und mit Hinzufügung mei- ner eigenen Sammlungen gelangte ich in den Besitz einer recht rei- chen und für uns wichtigen schönen Collection zur finnischen Eth- nographie Zu besonderem Danke sind wir Herrn Cultusminister Grafen Albini Csäky verpflichtet, der durch Ankauf dieser Sammlung neuer- dings ein Zeichen seines warmen Interesses Tür die Ethnographie ge- geben hat. Unsere dankbare Anerkennung verdient ferner Mag. Theo- dor Swindt, der Intendant der oben erwähnten Sammlungen, dem in Rücksicht auf die Bewirkung der Ueberlassung der Dupla und auf seine mit der Auswahl und 1 ebergabe verbundene Mühewaltung das Haupl- verdienst zukommt. Dem ausgezeichneten Manne gegenüber spreche ich hiemit öffentlich unsern innigen Dank aus.

Als einen Erfolg muss ich auch noch das Versprechen genannter Direction erwähnen, demgemäss sie sich bereit erklärt hat, die Aus- füllung der Lücken unserer finnischen ethnographischen Sammlungen

*) Wir werden Gelegenheit haben, ans Vikars Sammlungen manches wert volle mitzuteilen Red.

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UEUER MEINE STUDIENREISE IN FINNLAND-

durch ihre eigenen Sachverständigen besorgen zu lassen. Es wäre an- gezeigt, wenn unsere tonangebenden Männer sobald als möglich dies Versprechen in Anspruch nennen, denn wenn irgendwo so mahnt auf diesem Gebiete die Zeit zur Eile an. Die Civilisation schreitet in Finn- land im Sturmschritt vorwärts, und mit ihr nimmt das Gebiet und das Material ethnographischen Sammeins immer mehr ab. Gar bald kommt die Zeit, wo wir die Fundorte finnischer Ethnographie nur noch in den Wüsteneien der russischen Karjala antreffen. Aber der grösste Grund zur Eile liegt bei den Finnen selbst im Eifer für ihre eigene Ethnographie. Das Museum zu Helsingsfors und die in der Provinz von Jahr zu .lahr sich mehrenden kleineren Museen breiten ihre Samm- lungen auf das ganze Gebiet finnischer Ethnographie aus. und im kur- zen haben sie alles zusammengetragen, was man auf diesem Gebiete heute noch Bedeutendes und Wichtiges finden kann. Das Beispiel un- serer finnischen Verwandten möge uns zu ähnlichem Bestreben an- eifern.

Unter Wogulen und Ostjaken. ')

Von Karl Pdpai. (Vorgelegen in der Vortrags Sitzung am 7. Dezember 1869.)

Ich will von den Erfolgen meiner Studienreise Rechenschaft able- gen, die ich im vergangenen und laufenden Jahr mit meinem Freunde, dem Philologen Dr Bernhard Munkdcsi ins Land unserer Sprachver- wandten, der Wogulen und Ostjaken unternommen habe. Anthropolo- gische und ethnologische Forschungen unter diesen Völkern zu ma- chen, war das Hauptziel meines Unternehmens, während mein Freund sich linguistische und folkl ristische Studien zur Aufgabe gestellt hatte. Den Verlauf unserer Reise habe ich schon an anderer Stelle eingehend beschrieben a), und »v»ll daher hier nur von den Ergebnissen meiner Studien sprechen.

Nachdem wir von der Ungarischen Geographischen Gesellschaft, der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, dem hohen k. ung. Mi- nisterium für Cultus und Unterricht eine materielle Unterstützung er- langt hatten, machten wir uns am 13. März 1888 mit einem Begleit- schreiben von Seiten der Akademie der Wissenschaften versehen, auf den Weg. Ich halte es für meine Pflicht der hohen russischen Regierung und allen ihren Beamten, besonders Herrn Troiucki, Gouver- neur von Tobolsk, meinen Dank auch an dieser Stelle auszusprechen,

«i Ethnttgraphia, I. 3 Hft. S. 117—130.

•) 8. FöUlrajzi kSzhminyek (Geographische Mitteilungen 1838 IX. u X. 1889 VIII. ff. Ausführlich beschrieben hat unsere Reise auch mein Geno-se Mun- kdcsi in der Zeitschrift Bwiapt»ti Szemh '188';», dessen Aufsatz auch deutsch in der Un- garischen Herrn- erschienen ist

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KARL PÄPA1

Tür die Zuvorkommenheit und tatkräftige ünterslützung, die s*ie unse- rem Unternehmen angedeihen Messen, und womit sie den Erfolg un- serer Studien sicherten. Zu besonderem Dank haben uns auch die Gelehrten verpflichtet, in Petersburg: die Herren Akademiker Radio ff und fchrenk, Prof. Petri und Pattcanow, in Moskau : Gondatti, in Ka- san : Smirnow und Weske, in Jekaterinenburg : Clerc, in Tobolsk : Ma- mew, Lytkin und Lugovski, in Tomsk : Florinski, Kusnecow und Adri- janows die uns alle wichtige Anleitungen zu unseren bevorstehenden Reisen und Studien gaben.

Am 6. Mai 1888 gelangten wir in die erste wogulische Ansiede- lung, in das Dorf Pelina, das am Sosva-Fluss gelegen ist. Beinahe einen ganzen Monat hindurch beschäftigte ich mich hier mit anthropolo- gischen Messungen, dem Sammeln von ethnographischen Gegenstän- den, Modellieren und photographischen Aufnahmen. Da bot sich mir unerwartet Gelegenheit zu einer Reise nach dem nördlichen Ural, wo noch nicht entnationalisierte, auf primitiver Culturstufe stehende Wogu- len wohnen. Diese Gegenden bereist nämlich seit einigen Jahren eine russische Commission, um den Reichtum des Ural an Erzen usw. zu durchforschen und topographische und geographische Aufnahmen zu machen. Der Zuvorkommenheit des Leiters der Expedition, des Berg- werkingenieur's Lebedsinsky kann ich es verdanken, dass ich mit die- ser Expedition das Stromgebiet der Sosva durchsch weifen konnte. Nach Verlauf eines Monates kehrte ich nach Peräina zurück, wo mein Freund noch seinen linguistischen Studien oblag, von dem ich am 20. Juli schied, um die südlosvaer, pelymer uud kondaer Wogulen aufzusuchen, nach deren Untersuchung ich mich in das Stromgebiet des Ob begab, wo ich in übdorsk bei na1 e einen ganzen Monat mit der Erforschung der Lebensweise und der Verhältnisse der Wogulen zubrachte. Ver- schiedene Umstände beschleunigten unsere Heimfahrt, die wir am 17. März antraten, indem wir Obdorsk verliessen und über Tobolsk, Je- katerinenburg, Kasan, Moskau, Petersburg, Helsingfors, Stockholm, Ko- penhagen und Berlin am 15. Juli in Budapest anlangten.

Dies wäre unsere Reisetour in flüchtigen Strichen dargestellt; ich will nun auf die Resultate dieser Reise übergehen.

Das Harptziel meiner Forschungen war der Mensch, das Volk. Die Untersuchung natürlicher Verhältnisse der bereisten Gegenden konnte ich aus Mangel an Instrumenten nicht vornehmen. Nur eine kleine botanische Sammlung (ungefähr 70 Exemplare) ist das Ergebnis in dieser Richtung. In den Kreis meiner Untersuchung gehörte vor allem die Anzahl der Bevölkerung, deren Verbreitung, der physische Typus, und die Lebensweise. Die statistischen Daten habe ich teils auf Grund von mir vorgenommener Zälung, teils auf Grund der weniger verläss- lichen Matrikeln und Steuerbücher gesammelt. Sorgfältig sammelte ich auch die auf die Verbreitung des Volkes bezüglichen Daten, die in einer ethnographischen Karte des durchforschten Gebietes zusammenge- stellt sein werden. Neben diesen demographischen Studien nahm ich in erster Reihe anthropologische Untersuchungen vor. In dieser Rich-

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UNTER WOGULEN UND OSTJAKKN

tung war die Bestimmung des physischen Typus der Wogulen und Ost- jaken meine Hauptaufgabe, wobei ich Hautfarbe, Augen, Haare. Ge- sicht, Schädelbildung usw. genau untersuchte Schädel konnte ich nur zwei mitbringen. Bei den Messungen gebrauchte ich den französischen Anthropomeier und folgte dabei dem kleineren Schema TopinorcTs, auf welche Weise ich an 40 Wogulen (darunter nur an einem Weibe) Messungen vornahmt Körper- und Schädelmessungen unterzog ich 100 Wogulen, 145 Ostjaken, 50 Syrjänen und 32 Samojeden. Meine an- thropologischen Beobachtungen werden, was besonders den Typus an- belangt, von meinen photographischen Autnahmen ergänzt. Dem Gesamrat- eindruck nach ist der Typus der Wogulen dem der Ostjaken gleich. Der Typus hat einen mongolischen Charakter, wenn auch in gering- rem Maasse wie bei den Somojeden. Der Schädel ist brachykefal ; Hautfarbe bräun- lio; Backenknochen breit, weniger hervorstehend und schmale Au- genschlitze, was besonders bei den Weibern und Kindern auffällt. Das Haar ist dicht und gleich der Hornhaut der Farbe nadi dunkel. Kör- per- und Gesicbtsbebaarung sehr schütter. Besonders charakteristisch ist die Form der Nase: an der Wurzel tiefeingedrückt, schmal und abwärts se'ir flach.

Meine ethnographischen Untersuchungen erstreckten sich auf alle Gebiete und nach allen Richtungen des Volkslebens Deshalb musste ich mich an mehreren Orten längere Zeit aufhalten, um das Volksleben in allen seinen Aeusserungen beobachten zu können. Diese Studien nahm ich stets in Begleitung eines Eingeborenen vor, der mir die auf Nahrung, Kleidung, Wohnung, Beschäftigung, Familie, Ver- wandtschaft udgl. bezüglichen Aufklärungen geben konnte, die ich mir dann genau aufzeichnete. Selbstverständlich bildete auch das geistige Leben einen Gegenstand meines Studiums, und wo ich nur konnte, sammelte ich Märchen und Heldenlieder, nebenbei auch lexikalisches Material. So habe ich von den vasjuganer Wotjaken, einem bislang unbekannten Dialekt, ein kleines Wörterverzeichnis angelegt.

Das Volksleben charakterisierende Gegenstände zu sammeln, war für mich ebenfalls eine der Hauptaufgaben. In dieser Richtung erstreckte sich mein Sammeln auf Kleider, Wirtschaftsgeräte, die beim Fischfang und der Jagd gebräuchlichen Geräte, ebenso auf die auf den Cultus bezüglichen Gegenstände, wobei ich die Fetische mit besonderer Vor- liebe sammelte. Auf diese Weise gelang es mir eine Sammlung von ungefähr 500 Gegenständen nach Hause zu bringen, die sich gegen- wärtig im ungarischen Nationalmuseum befinden, ebenso die photo- graphischen Aufnahmen von verschiedenen Gegenständen, deren Zahl ungefähr 200 Stück beträgt. Wenn nun einmal diese Sammlungen und Aufzeichnungen wie es meine Absicht ist in grösseren und kleineren Abhandlungen von verschiedenen Gesichtspunkten aus auf- gearbeitet sind so werden sie nicht nur auf die nahe Verwandtschaft des wogulischen und ostjakischen Volkes mit dem magyarischen ein neues Licht werfen, sondern auch vom allgemeinen anthropologischen und ethnologischen Standpunkte von einiger Bedeutung sein.

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DR. BKRNHARD MUNKÄCSI

Kosmogonische Sagen der Wogulen.

Aus dem Volksmunde aufgezeichnet von Dr. Bernhard Munkäcsi. *)

I.

Die heilige Sage von der Entstehung der Erde. (Mi. tülem jelpin mojt.)

1. Tundrahügels Frau und alter Mann leben. Sie haben einen schneeweissen Raben. Beiderseits des Hauses ist überall Wasser; Erde ist keine. Der Alte geht nicht aus dem Hause, die Aussenwelt wie sie gestaltet sei, er weiss es nicht. Wie sie so leben, einmal nur erschallt aus dem obern Himmel irgend ein Geräusch. Der Alte schaut zum Fenster hinaus, also von oben her, aus dem Himmel kommt ein ei- serner Tauchervogel, Erde zu suchen taucht er ins Wasser. Er gieng und gieng umher: er tauchte auf, er hatte keine Erde gefunden. Er schöpfte Atem und tauchte wieder ins Wasser. Er gieng und gieng um- her, er tauchte auf: wieder vergebens, Erde gibt's keine. Ein wenig atmete er und tauchte zum drittenmal unter. Als er auftauchte, holte er so stark Atem, dass ihm unten die Kehle barst; an der Schnabel- wurzel hat er ein Bröcklein Erde. Er schwang sich aul und stieg da- mit gen Himmel.

2. Die Frau und ihr Alter legten sich nieder. Morgens als sie aufstehen, erschallt wieder ein Geräusch aus dem Himmel. Als der Alte hinaus schaut, steigt ein eisernes Seehuhn vom Himmel, taucht ins Wasser. Es gieng und gieng herum, als es auftauchte, halte es nichts, ganz und gar nichts. Ein wenig holte es Atem und tauchte wieder ins Wasser. Wieder gieng und gieng es. als es auftauchte, hatte es wieder nichts. Ein wenig holte es Atem, und noch einmal, zum drittenmal tauchte es nieder. Als es auftauchte, holte es so stark Atem, dass ihm der Seheitel barst; an der Schnabelwurzel steht ein ziemli- ches Slückchen Erde. An die Ecke jenes Tundrahügel- Hauses rieb es den Schnabel, dann flog es gen Himmel.

3. Die Frau und ihr Alter legten sich nieder. Morgens, als sie aufstanden, war die Erde tussohlenbreit geworden. Andern Tages als sie aufstanden, reichte die Erde schon bis zum Gesichtskreis, so sehr hat sie sich vergrössert; am dritten Tage als die Frau und ihr Alter zum Fenster hinaus sehen, gibt's kein Wasser, überall hatte es sich in Erde verwandelt. Zu seinem schneeweissen Raben sprach der Alte : „Geh nur, sieh, wie gross die Erde geworden!" Der Rabe entfernte sich, blieb eine kleine Stunde weg, so gross war die Erde schon ge- worden. Die Frau und ihr Mann legten sich nieder, sie standen wie- der aul, sie schicken den schneeweisen Raben wieder aus, die Grösse der Erde anzusehen. Der schneeweise Rabe kam von seinem Fluge nur um Mittag heim; so gross war die Erde schon geworden. Am

•) Aus Munkäcsi's unedierten Sammlungen übersetzt von A. 11 - Noten und Erklärungen im nächsten Heft. Red.

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KOSMOGONISCHE SAGEN DER WOGULEN.

dritten Tage standen sie auf. sprachen wieder zum Raben : „Geh nur, sieh wie gross die Erde geworden ist!" Von seinem Fluge kehrte er gar nicht zurück, so wurde es Abend. Zur Zeit des Niederlegens kam auf einmal der schneeweisse Rabe nachhause, in schwarz verwan- delt. Der Alte spricht zu seinem Raben: .Du hast auf deinem Fluge was angestellt!" Der Rabe spricht: „Was hab' ich angestellt?! Ein Mensch ist gestorben, von dem habe ich gegessen, darum bin ich schwarz geworden." „Hast du Menschen gegessen, so fort mit dir von hinnen ! Beim Eintritt der Welt des Menschenzeitalters, beim Eintritt der Welt der Menschenepoche (d. h wenn Menschen leben werden) sollst du allein nicht vermögen, Tiere des Waldes zu lödten, sollst du nicht vermögen, Fische des Wassers zu tödlen; wo der Mensch irgend ein Waldtier getödtet, dort am blutigen Orte sollst du dein Herz (deinen Hunger) stillen ; an manchem Tage sollst du dich hungrig niederle- gen." Der Rabe gieng hierauf in den Wald, und lebt dort bis auf den heutigen Tag.

4. Jelzt tritt die Frau aus ihrem Hause auf dem Tundrahügel. Als sie hinein geht, spricht sie zu ihrem Alten: .Alter, hinterm Hause ist irgend eine Staude gewachsen." Der Alle spricht: „Die Wurzel, wie sie war, der Zweig, wie er war, bring's herein!- Seine Frau grub den Baum aus, brachte ihn herein, der Alte erkennt ihn: es ist halt ein Zirbelbaum. Er spricht zu seiner Frau : „Trag ihn hinaus, stelle ihn daselbst hin!« Der Alte selbst geht nie aus. Er legte sich mit seiner Frau nieder; als er aufsteht, ist seine Frau nirgends. Sie ist irgendwohin gegangen, oder was; der Alte geht nicht hinaus, er lebt auch weiter nur so. So lebend vergiengen ungefähr vier, fünf Wochen, da langweilte er sich. Obwol er nicht hinausgehen darf, geht er diesen Tag doch hinaus seine Frau zu suchen. Er gieni,' zur Türöffnung, seine Frau draussen redet ihn an und spricht: „Komm nicht heraus I ich habe ein Söhnchen, mein Söhnchen ist schon so gross geworden, dass es Eichhörnchen tödten kann; ich werde nach einer Woche nachhause kommen, du komm nicht heraus!" Eine Woche war sie noch drau?sen, dann gieng seine Frau mit ihrem Söhn- chen ins Haus. Ihr Söhnchen war so gross geworden, dase es schon zu laufen begann.

5. Der Mensch des Sanges, der Mensch der Sage, wächst er wol lange?! Die Frau und ihr Mann sind weiter glücklich, leben wei- ter. Ihr Söhnchen wird so gross, dass es Waldtiere tödten kann. Aus dem vom Holze der zum Abwischen bestimmten Hobelspäne gebliebe- nen Mittelstück machten sie ihm einen Bogen; was in Wassergegend ist, was in Waldesgegend ist, begann er zu jagen. Der Alte spricht: „Was für einen Namen geben wir unserem Sohne?" Seine Frau spricht: „Wär's ein Mädchen, benennete ich es; aber hat der Knabe nicht von seinem Vater den Namen zu erhalten?!" Der Alte spricht: „Was für einen Namen soll ich ihm geben?! Mag denn sein Name sein: Tari-pSs- %i-mäVä-saw. *

6. Tari-p. geht nun in den Wald. Viele Speisekammern der Ge-

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DR. BERNHARD MlTfKÄCSI

birgsgegend füllt er an, viele Speisekammern der Waldgegend füllt er an; Marder, Hirsche fallen nur so. Als er so wandelte, bekam er da* Verlangen Wasser zu trinken. Er kam zu irgend einem freifliessenden Fluss; er legte sich ans Wasser, um daraus zu trinken. Ein bärtiger Mann sieht ihm ins Gesicht. Erschrocken springt er auf. „Das ist ge- wiss irgend ein teuflischer Fluss!" sagt er, „der hat einen Teufel, hier ist es nicht erlaubt zu trinken." Damit gieng ervondan- nen, hieb Eis aus dem Teiche, und legte sich wieder bäuchlings, Was- ser zu trinken. Der bärtige Mann sieht ihm wieder ins Gesicht. „Das ist irgend ein teuflischer Teich!" sagt er wieder und damit gieng er zum Ob. Er kam bis in die Mitte des Ob, legte sich ans Wasser, der bärtige Mann sieht ihm wieder ins Gesicht. Da betastet er sich, also der Schatten seines eigenen Bartes sieht ihm ins Gesicht ; er trank vom Wasser des Ob, dann gieng er nachhause. Er trat ins Haus, Hess sich auf die Bank nieder, und liatte weder Mund noch Zunge. Sein Vater fragt ihn vergebens, er spricht fortwährend nichts. Seine Mutter spricht: „Wenn du nicht sprichst, und wenn du irgend einmal in Not gerätst, wirst du nicht aus können, weder nach unten, noch nach oben!" Sein Vater spricht: „Du hast dich wortlos niedergelassen, hast du vielleicht einen bösen Gedanken gegen uns?" Sein Sohn beginnt erst jetzt zu sprechen: „Bis mein Bart so lang geworden, hast du bis* her keine frauenbetretene frauige Gegend gekannt?" Sein Vater spricht: „Ich geh nicht aus, wo eine trauen betretene frauige Gegend ist, weiss ich nicht; du bist der erdumwandernde Mann, du bist der wasserum wandernde Mann, nur du selber kannst eine frauenbetretene frauige Gegend suchen."

7. Tari-p. senkte sein Haupt, wickelte seine Augen ein, und legte sich nieder. Am andern Morgen stand er auf : sein Vater sagt zu ihm : „Geh zu den Trümmern des zusammengestürzten Pferdestalles, grabe; wenn du zu etwas kommst, so kommst du ; wenn du nicht kommst, so kommst du nicht!" Damit gieng der Sohn hinaus, und gieng zur Ecke jenes zusammengestürzten Pferdestalles. Er begann im Pterdedünger zu graben, da kam ihm das Ende eines Leitseiles vor die Augen. Er fasste das Ende jenes Leitseiles und zog es nach aussen : es war ein solches Pferd, als wäre es eben im Begriffe sein Leben auszuhau- chen, es wankte nur so hin und her. Mit einem Nagelpfeil schoss er ihm zwischen die Augen (gab ihm einen Nasenstüber): aus einem Na- senloch sprühten Funken, aus dem andern Nasenloch qualmte Rauch. Es ward zu einem dreijährigen Pferde. Er schwang sich jetzt auf den Rücken seines Pferdes, plötzlich hob er sich in die Höhe, er mengte sich unter wandelnde Wolken, unter eilende Wolken.

8. Wie er auf dem Rücken seines Pferdes so geht, gelangt er zum Ob. Am Ufer des Ob an einer steilen Bergwand wandelnd: stehen auf dem Gipfel der Bergwand drei Pappeln. Ihrer Blätter eines scheint ein goldnes Blatt zu sein: es dreht sich beständig, dass das Auge nicht darauf zielen kann. Tari-p. denkt bei sich : Wie geschickt wol meine Händ sind? ich soll danach schiessen!" Mit seinem Panzerring-Pfeile

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KOSMOGON ISCHE SAGEN DER WOGULEN.

schiesst er danach, der bohrte sich mitten durch das Blatt. Nachdem er seinen Pfeil verschossen hatte, kam Schlaf über seine Augen. Er schlief ein, er (räumt. Das Schelten einer Frau lässt sich vernehmen: „Zeigen die Kinder also ihre Geschicklichkeit? sie durchwandeln die Erde, durchwandeln da<* Wasser und durchschiessen das Pelzfell, dem Menschen zum Siegen bestimmt!" Als er auf dem Rückeu seines Pfer- des erwachte, liegt er au der Öffnung der Türe eines Hauses. Er steigt herab und tritt ins Haus. Die Frau spricht: „Ei, Tari-p. erst jetzt bist du angekommen? Gar lange hast du deinen Schlaf geschla- fen! Tarem hal dir eine Frau bestimmt; aber diese deine Frau hat Paräpärsex geraubt." Tari-p. spricht: „Nach seinem Belieben, er mag sie rauben! Wer war denn auch bisher verheiralet? Ohne Frau zu leben ist gleichfalls gut !u Seine Frau Schwester tradierte ihn wol mit Speisen und Getränken, und dann gieng er wieder weiter. Seine Frau Schwester gab ihm ein zweischneidige-* Messer, einen Habichibilg aus Eisen, ein Hasenfell aus Eisen, ein Mausfell aus Eisen, eine kleine Hechthaut aus Eisen. „Bruder! sprach sie - jetzt gehst du weg. wenn du zurück kommst, trag diese meine Sachen nicht weiter! Ich brauche sie. Wann du in Not oder Gefahr gerätst, citiere mich nicht heftig, erwähne mich leise. Du gehst jetzt weg, sieh abwärts, dort ste- hen sieben Tuchzelte; allerlei Schafe, Schweine wie das Gewürm! Zu diesen Tuchzelten lassest du dich herab, aus den Tuchzelten wird ein- äugiges Volk hervorgehen; ein Auge ist ihm herausgt flössen, das an- dere Auge ist heil. Du frag sie dort: , Wessen Schafe, Schweine hü- tet ihr?! Sie werden antworten: ,Wir hüten Päräpärsex's Schafe, Schweine.4 Da sprich du also: .Saget nicht so, saget so: Tari-p.* s Schafe, Schweine hüten wir; hinten kommt der feurige Fürst, wenn ihr saget, dass ihr Päräp.'s Schafe, Schweine hütet, werdet ihr Feuer fangen; wenn ihr aber saget: ,Tarip.'s Schafe, Schweine hüten wir, wird euch gutes zu teil.4 Dann heile ihre Augen, hauche sie an, damit sie zweiäugig werden. Darauf gehst du wieder vorwärts, gelangst wieder zu sieben Tuchzelten: allerlei Kühe, wie das Gewürm (so wim- meln sie). Du lässest dich wieder hinab, gelangst hin, einarmiges Volk wird herauskommen. Du fragst sie: , Wessen Kühe hütet ihr?* Jene antworten: ,Wir hüten Päräp.'s Kühe/ Da sprich du also: , Saget nicht so; saget so: ,Wir hüten Ton-p's Kühe.' Wenn ihr nicht also sprechet, hinten kommt der feurige Fürst, ihr werdet Feuer fangen Dann hauche ihre Hände an, damit sie heilen. Darauf gehst du wieder, an einem Orte stehn abermals sieben Tuchzelte. Dort nur lauter Pfer- de. Nun wirst du dich hinablassen, du wirst hinab gelangen, aus dem Tuchzelte wird einfiissiges Volk hervorkriechen. Du frage sie: »Wessen Pferde hütet ihr?' Jene werden dann sagen: ,Wir hüten Paräp.'s Pferde.' Hierauf sprich du: ,Saget nicht so; saget, wir hüten Tari-p's Pferde; sonst hinten kommt der feurige Fürst werdet ihr Feuer fangen ; weder ihr werdet sein, noch die Pferde werden sein, alle verzehrt das Feuer.4 Wenn sie dir gut sein werden, hauche ihre Füsse an und heile sie. Nun aber gehl*

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DR. BERNHARD MUNKÄCSI

9. Nun setzte sich Tari-p. auf den Rücken seines Pferdes. Er nahm -eine siebenseilige (?) Peitsche hervor, er mengte sich wieder un- ter wandelnde Wolken, unter eilende Wolken An einem Orte, da er hinab sieht: stehen sieben Tuchzelte, allenthalben Schafe. Schweine, wie das Gewürm. Hierauf Hess sich sein Pferd hinab. Er fragt sie: „Wessen Schafe, Schweine hütet ihr?" „Wir hülen Päräp.'s Sc'-afe, Schweine!" „Nein, saget nicht so: Saget, wir hüten Tari- p.'s Schafe» Schweine; denn wenn ihr so sprechet, wir hüten Päräp.'s Schafe, Schweine, kommt hinten der Feuerfürst, er zehrt euch alle auf!* Sie neigen das Haupt, legen sich ihm zu Füssen. „Wie sollten wir nicht sagen, dass wir 7 aW-p.'s Schate, Schweine hüten'?!" Er hauchte sie an. alle wurden heilen Auges Wie sich sein Pferd rührt, mengte er sich wieder unter wandelnde Wolken, unter eilende Wolken. So ge- hend blickt er an einem Orte abwärts: sieben Tuchzelte stehn; die lieben Kühe allenthalben wie das Gewürm. Sein Pferd Hess sich hin- ab, es kam hinab. Das Zeltvolk kommt hervor, lauter einhändige. Er fragt sie: rWessen Kühe hütet ihr?" n Päräp.'s Kühe hüten wir.* „Saget nicht so; saget, wir hüten Tarip.'s Kühe ; hinten kommt der Feuerfürst, ihr fanget Feuer !w Er hauchte sie an, ihre Hände wurden heil. Sie legen sich zu seinen Füssen: „Wir sind heiler Hand gewor- den, wie sollten wir nicht sagen, dass wir Tari-p.'* Kühe hüten!" Darauf bestieg er sein Pferd, erhob sich plötzlich wieder in die Höhe. An einem Orte blickt er hinab: allerhand Pferde, wie das Gewürm, und sieben Tuchzelte stehen. Sein Pferd Hess sich wieder hinab, aus den Zelten kriecht einfüssiges Volk hervor. Er fragt sie: „Wessen Pferde hütet ihr?" „Päräp.'s Pferde hüten wir " „Saget nichso! Saget, wir hüten Tari-p 's Pferde; wenn ihr so sprechet, wird es euch gut ergehen!" „Wie sollten wir nicht so sprechen? I" entgegnen sie. Tari-p. hauchte ihre Füsse an, alle bekamen heile Füsse Nun gieng das Pferd wieder weiter; er mengte sich unter wandelnde Wolken, unter eilende Wolken.

10. Wie er so geht, blickt er auf einmal nur vorwärts: liegt halt ober einem siebenflügligen eisernen Pferde eine Burg. Da liess sich sein Pferd an die Schwelle des Tores jener Burg hinab. Er sprang herab, band sein Pferd dort an und trat ein. Ist halt eine für Tärdm bestimmte wunderschöne Fee im Hause. Das Mädchen spricht: „Ei Tari-p. ! gar lang hast du deinen Schlaf geschlafen ! Wie war' ich jetzt deine Gattin, jetzt bin ich Päräp.'s Gattin. u Tari-p. erwidert: „Was soll ich nun mit dir machen? auch ausser dir gibt's wol noch eine schöne Frau?!" Jene Frau schämte sich. Tari-p. sprach: „He, Frau! bring mir was zu essen, ich bin hungrig." „Zu essen soll dir bringen jene deine schöne Frau ausser mir, jene deine zierliche Frau ausser mir!" „Na, na, bring mir was zu essen, denn ich bin hungrig!" „Was hab' ich zu essen; jene deine schöne Frau aus- ser mir, die mag dir bringen ! " „Was für eine Zauberkraft hat Pä- räparscy?* „Deine ausser mir seiende, Zauberkraft kennende Frau mag es dir sagen; ich weiss von keiner Zauberkraft etwas!" „Na,

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KOSMOG ONISCHEN SAGEN DEK WOGULEN.

sag" es mir, sag' es mir schnell!" Hierauf brachte ihm die Frau zu essen. „Nun!" sagt er „sag' mir, was für Zauberkraft hat er?"

„Nun! was tür Zauberkraft hat er? gar keine Zauberkraft hat er. Später" sprach sie „wird er auf eine siebenwipflige Rottanne in Rabengestalt sich setzen, allerlei Gegenden von allerlei Städten betrach- tet er fortwährend ; wenn er dic;h wahrnimmt, fliegt er krächzend in den Wald.tt Tari-p. ass, wurde fertig, gieng hinaus. Sein Pferd verbarg die Frau ; er gieng zum Fusse jener Rottanne, grub sich in die Erde, nur sein Äuge liess er unbedeckt, um hinaufsehen zu können

11. Wie er so liegt, erschallt von der Gegend des obern Ural her Rabengekrächze Er schaut hin: sieh da, der alte Rabe kommt; seinen Rücken reibt er an den Himmel, so hoch kommt er. Er kam, er kam, er selzte sich dahin auf den Wipfel jener sieben wipfligen Roitanne. In allen Richtungen befindliche Städtegegenden besichtigt er, damit fliegt er krächzend weiter. Er hatte Tari-p. bemerkt. Dieser stand nun auf. schloff in den eisernen Habicht balg und verfolgte den Raben. Er verfolgt ihn verfolgt ihn, schon ist er ihm nahe, darauf verlor er ihn irgendwohin. Er schaut abwärts: dort hüpft er in Hasengestalt. Er schlieft in sein eisernes Hasenfell, verfolgt ihn wieder, hat sich schon genaht, hat ihn schon fast erreicht, wieder verlor er ihn. Er blickt ab- wärts: ein Mausloch ist da. Auch er schlieft in sein eisernes Mausfell und auf demselben Wege verfolgt er ihn weiter. Wieder hat er ihn beinahe erreicht, jener liess sich in Gestalt eines kleinen Hechtes ins Meer. Auch er schlieft in seine eiserne Hechthaut, und auf dem Wege jenes Menschen warf er sich ebenso ins Wasser des Meeres. Er war schon nahe daran, ihn zu erreichen, jener hechtgestaltige Mensch sprang durch das Eis des Meeres auf. Auf dem Lande fasste er ihn: wie Sandkörner, wie Staubkörner zerstückelte er ihn; im Feu- er verbrannte er ihn ; seine aufwärts steigenden Funken schlug er ab- wärts, seine abwärts steigenden Funken schlug er aufwärts. Nach sol- chem Herumschlagen flog Pärfiparse^ als Elster weg. Seinen Panzer- ring-Pfeil schiesst er nach ihm ab, die Elster liegt beinahe in zwei Stücken. Wieder warf er ihn ins Feuer; vergebens späht er bis zum Erlöschen des Funkens, nichts geht hinaus. Dort hat er den Mann getödtet, der seine Frau geraubt hatte.

12. Wie er ihn so verfolgte, gieng er einesteils auf Flügeln: in welche Gegend er gekommen, er weiss es nicht. Teils gieng er in Ha- sengestalt. teils in Mausgestalt, teils in Gestalt eines kleinen Karpfens; in welche Gegend er gekommen, er weiss es nicht. Er denkt eben nur daran, dass er stirbt: weinend geht er da herum. Auf einmal spricht ihn jemand hinter seinem Rücken an: „Mein Freind, was machst du? werde einmal fertig mit deinen Sachen, ich langweile mich schon!" Er schaut hin, steht halt sein Pferd da „Steig auf meinen Rücken!"

spricht es. Hierauf stieg er auf den Rücken seines Pferdes : gieng weiter, er mengte sich unter wandelnde Wolken, unter eilende Wolken.

13. Wie er so geht, erschallt nur auf einmal in der Ferne ein Getöse. Sein Pferd blieb hierauf stehen. Er spricht zu Tari-p. : „Weisst

Hermann, Ethnologische Mitteilungen.

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DR. BERNHARD MCNKÄC8I

du was, was für ein Getöse das in der Ferne ist?- „Wie soll ich's wissen; gewiss ist etwas dort, was tost!" »Nun das ist die heilige Feuerflut: ein Teil des göttlichen Feuers brennt oben im Himmel, ein anderer Teil brennt in den zwei Ecken des Himmels, Himmel und Er- de wird von ihm verzehrt ; auf welche Weise gehen wir durch dieses Feuer?" - Tari p. spricht : „Woher soll ich's denn wissen?- Das Pferd sprichl: „Kriech1 hinein in mein Nasenloch, kauf 30 Ellen weisse Lein- wand, kauf 30 Ellen Leinwand zu Taschen i flehen." Er kroch in das Nasenloch des Pferdes, war also im Nasenloch des Pferdes ein Kauf- laden. Dreissig Ellen weisse Leinwand kaufte er, dreissig Ellen Taschen- tücher kaufte er, gieng aus dem Gewölbe, umwickelte seines Pferdes Vorderfuss, Hinteriuss, auch sich wickelte er hinein. Nun hört man, dass das Pferd zu gehen begonnen. Ist er lange Zeit gegangen, oder ist er kurze Zeit gegangen: auf einmal bleibt das Pferd stehen .Komm heraus!" spricht es Von den Linnen, mit denen es umwickelt war, fielen nur die verkohlten Überreste herab: während jene durch das Feuer gegangen, waren sie verbrannt.

14. Wieder geht er auf seinem Pferde vorwärts. In der Ferne erschallt wieder ein Getöse. Sein Pferd spricht: „Weist du, was so ein Getöse macht?" „Woher soll ich's denn wissen?" Schau nur vorwärts, was geschieht dort?" Er sieht vor sich, da verflechten sich 30 Pappeln, dann gehen sie auseinander; was nur unlerm Himmel ist. alles heben sie empor, nichts kann da durchkommen. Sein Perd spricht: „Denke nicht her, denke nicht hin !a und schreitet vorwärts. Tari-p. denkt, was für eine Ungeheuerlichkeit haben wol diese Pappeln. Er gieng nach den Pappeln hin, diese schlugen auseinander. Tari-p. wur- de von ihnen berührt, fiel vom Rücken seines Pferdes herab; wohin sein Pferd gegangen, er weiss es nicht, wohin er selbst gekommen, er weis es nicht. Als er zu sich kam, hieng er mit seinem Kinn an einem Pappelasle; her und hin schankell er, hinab kann er nicht gelangen, hinauf kann er nicht gelangen. „Ei!* spricht er, „darum sagte meine Mutter : wenn du einmal in eine Gefahr geraten wirst, kannst du nicht abwärts kommen, kannst du nicht aufwärts kommen : sieh da, nun kann ich nicht abwärts kommen, kann ich nicht aufwärts kommen. Meine Frau Schwester sagte neulich: wenn du in Not, in Elend ge- rätst, dtiere mich nur ; wo ist sie denn hier? ich sterbe hier gleich!" Im selben Augenblicke erschallt irgend ein plötzliches Gepolter. Er sieht hin, also kommt auf dem Rücken eines dreiflüglichen Pferdes jene seine Frau Schwesler. „Wie ist dir geworden, Jungbruder?! Warum hast du mich so eilig citierl ; ich sass eben Thee trinkend und die Thee- schalen sind in Stücke zerbrochen : in welch' eine Not, ein Elend bist du geraten?* „Frau Schwester! mein Slerbort ist dies abwärts kann ich nicht kommen, aufwärts kann ich nicht kommen : mein Pferd, wer weiss in welche Gegend es verschleppt worden ist.u Seine Frau Schwester fasste die dreissig Pappeln zwischen ihre Nägel, brach sie entzwei: sie spricht: „Die Welt des Menschenzeitallars. die Welt der Menschenepoche wird beginnen: was für ein Mensch wir da im Stande

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KOSMOGONISCHEN SAGEN DER WOGULEN.

sein durch euch hindurchzudringen?!" Tari-p., als er um schaut: ist seine Frau Schwester nirgends, er selbst ist zur Erde gefallen, dort sieht er. Kein Pferd gibt's da, nichts gibt's da „Herr Gott!" spricht er „wohin ist mein Pferd gekommen? gleich sterbe ich hier!" Im selben Augenblicke spricht ihn sein Pferd hinler seinem Rücken an : „Sei schon lertig! es ist mir schon langweilig, steig auf meinen Rücken!" Froh stieg er auf den Rücken seines Pferdes. „Nimm deine siebensei- tige (?) Peitsche hervor sagt sein Pferd schlage mich!" Er nahm seine siebenseitige Peitsche hervor, er schlug einmal auf sein Pferd, plötzlich erhob es sich in die Höhe. Er mengte sich wieder unter wandelnde Wolken, unter eilende Wolken.

15. Wie er so geht, erschallt in der Ferne wieder ein Gelöse. Sein Pferd blieb stehen und sprach: „Weisst du was das für ein Ge- töse in der Ferne ist?" Tari-p. antwortet: „Woher soll ich 's wissen?" Wenn du s nicht weisst, also der quer-über-sieben-haarlos-gewordene- Bundschuhe-liegende Alte schnarcht; das ist der Endpunkt unseres Lebens, weiter können wir nicht mehr kommen, jetzt tödtet man uns ;

hat dir neulich deine Frau Schwester nicht etwas gegeben?* Tari-p. spricht: „Was hat sie mir gegeben?" Sein Pferd spricht: „Hat sie dir kein zweischneidiges Messer gegeben?" „So ist's!" denkt er

«ein zweischneidiges Messer hat sie mir gegeben." Sein Pferd spricht: „Geh, schliefe ins Mausfell, schneide dem Alten die Nasenflügel und Ohrlappen ab; wenn es dir bestimmt ist, dass du den Gesang vor- wärts bringest (d. i. dass über dich das Lied fortgesetzt werde) wenn es dir bestimmt ist, dass du die Sage vorwärts bringest: dann wirst du ihn bewältigen können ; wenn dir das nicht bestimmt ist, dann wirst du getödtet." Tari-p. schlofT ins Mausfell und gieng in Maus- gestalt zum quer-über-sieben-haarlos-gewordene-Bundschuhe-liegenden Alten. Sein Pferd blieb dort. Der Alte atmet aus: er wird irgend wo- hin rückwärts gehoben, jener atmet ein: beinahe wirbelt es ihn ins Nasenloch hinein ; er stemmt sich zurück, er zwingt es kaum. Er zog sein zweischneidiges Messer hervor, schnitt den Alten Nasenflügel und Ohrlappen ab und steckte sie in d'*e Tasche. Sein Pferd spricht : „komm schnell, besteige mich!- Er lief zu seinem Pferde, schwang sich schnell auf dessen Rücken. Das Pferd stieg aufwärts. Als ihm der quer-über- sieben-haarlos-gewordene-Bundschuhe-liegende Alte nachsetzte, stieg das Pferd plötzlich in die Höhe, jener konnte ihn nicht erreichen Der Alte sprach: „Hej Tari-p. in der Zukunft, bis der letzte eine Mann nicht umkommt, bis die letzte Frau nicht umkommt, wirst du als ein Gott leben; ich aber bin nun schon gestorben." Tari-p versetzt da- rauf: „Einst wird die Welt des Menschenzeitalters, die Well der Men- schenepoche beginnen; was für ein Mensch wird dich da bewältigen können; darum hab' ich dich getödtet." Sein Pferd gieng nun weiter; er mengte sich unter wandelnde Wolken, unter eilende Wolken.

[Hier folgt der eigentliche heilige Teil der Sage; die Frauen ge- hen aus der Jurte, auf den Tisch wird Silbergeld gelegt.]

Ib. Tari-p. Ross, wie es so weiterschreitet, bleibt einmal nur

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DR. BERNHARD MUNKiC'81

stehen, spricht :, „Auf meine Nase wirst du eine Birkenbast- Rolle stecken, auf meinen Vorderluss, auf meinen Hinterfuss wirst du eine Birken- bast-Kolle stecken, meinen Schweif winde aut dein Schwert." Auf Nase. Vordertuss, Hinterfuss steckte er eine Birkenbast-Rolle, den 8chweif wand er auf sein Schwert. Sein Ross spricht: „Jetzt besteige meinen Rücken !J Er bestieg den Rücken seines Rosses, dieses erhob sich hoch, sie mengten sich unter wandelnde Wolken, unter eilende Wol- ken Wie sie so gehen, Hess sich das Ross einmal nur nieder, gelangte herab. An dem Orte, da er herabgelangte, stand ein Haus und eine Vorratskammer. Das Ross spricht: „Steig hinab von mir; geh, ent führ' die Tochter der Fasanenten- nasigen Frau, ihre Mutter ist einge- schlafen!" Als er im Begriffe war ins Haus zu treten, sprach sein Ross: „Geh mir nicht, komm her! du wirst irgendwie an eine Torheit den- ken, die Frau erwacht, und dann ist's aus mit meinem Leben, schliefe in eine meiner Nüstern, dort ist eine Schenke, in der Schenke trinke drei Gläschen. Tari-p. schliefe in die Nüstern des Rosses. in der Nüster drin ist jene Schenke; er trank drei Gläser Branntwein und kam he- raus. Sein Ross spricht: „Nun jetzt geh, entführ die Tochter der Fa- sanenten-nasigen Frau!' Er gieng ins Haus, ergrifT das Mädchen und brachte sie heraus. Sein Ross spricht: „Steig schnell auf, sie kommt uns nach!" Kaum gelangte er zu seinem Rosse, erschien die Fasanen- ten-nasige Frau Das Ross spricht: „Wirf rasch das Weib von dir, sie kommt uns nach !u Er wart das Mädchen von sich, bestieg schnell den Rücken des Rosses, und vorwärts gieng er! Die Fasanenten-na- sige Frau erfasste die Nase des Rosses. Das Haupt des Rosses machte eine Bewegung, und die Birkenbast-Rolle löste sich ab. Sie machte sich an den Vorderfuss des Rosses, erfasste den Vorderfuss des Ros- ses : die Birkenbast- Rollen lösten sich ab. Nachher machte sie sich an den Hinterfuss des Rosses, als das Ross emporsprang, lösten sich wieder die Birkenbast- Rollen ab. Nun machte sie sich an den Schwei! des Rosses, beider Hände Finger schnitt sie sich am Schwert entzwei. Jetzt macht sie Jagd auf sie. Bald hascht sie hier nach ihnen, bald hascht sie dort nach ihnen. Das Ross spricht: „Was hast du in der Hand; gleich wird sie uns ja ergreifen!" Tari-p. antwortet: „Nicht? habe ich in der Hand. Die Fasanenten-nasige Frau hascht bald hier nach ihnen, hascht bald dort nach ihnen. Das Ross spricht: „Was wartest du, vas hast du in der Hand, weissl du's nicht?" Er blick? auf seine Hand : er hat ja seine siebenseitige (?) Geissei darin. Jetzt schlag' er auf sein Ross und nun mengt er sich unter wandelnde Wolken, un- ter eilende Wolken. Die Fasanenten -nasige Frau spricht : „Ei da, Tari-p du hast also das Mädchen geraubt; Tarem hat dich angenommen, du bist davongekommen.1'

17. Jetzt gieng's vorwärts. Einmal nur kamen sie in die Burg Päraparse/'s Sein Ross Hess sich zum Tore der Burg nieder, gelangte hinab. Seine Frau kam erst jetzt heraus, erst jetzt reichten sie sie l. die Hände. Seine Frau führte ihn ins Haus : „Ei wol, Sangesmann. Sagenmann! sprach sie da drinnen gar viel Drangsal magsi

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KOSMOGONJSCHEN SAGEN DER WOGULEN-

du erduldet haben!" Mit Bier und Honigspeisen ward ein Tisch be- reitet, sie begannen zu essen. Einmal nur sagt seine Frau : „Geh nur hinaus, dein Ross rutt dich hinaus!" Er geht hinaus, sein Ross hebt und hebt den Fuss. „Komm hertt sprach es „meinen Fuss hat ein Ast versehrt." Er geht hin: also, die Tochter der Fasanenten- nasigen Frau haftet daran." Jetzt gehn sie ntit der Tochter der Fasan - enten-na?igen Frau wieder hinein; er setzte sich zwischen die zwei Frauen; sie küssten sich, umarmten sich. Mit dem Essen waren sie fertig, er spricht zu seinen Frauen: „Ich lege mich jetzt nieder; wenn ihr mich nicht zum alten Mann und zur Frau am Tundrahügel, zu meinem Vater und meiner Mutter bringet, bis ich aufstehe: ist es aus mit eurem Leben, in haardünne Stücke zerhacke ich eure Hälse. Diese ganze Stadt sammt ihrem Volk und allen Dingen, ihren Schafen. Kü- hen, Pferden, alles schaffet in meine Heimat!- Er senkte sein Hanpt und seine Augen, und legte sich nieder. Im Liegen horcht er nur einmal auf, das Schelten einer Frau erschallt : r Ist das denn die Le- bensweise des jungen Volkes ? Soll denn hinfür die Frau des Menschen hingehen, der Mann aber soll herumliegen; meine teuern Kinder, wie er sie quält! Auch hab' ich ihm neulich ein zweischneidiges Mes- sergegeben; Eisenhabichtbalg Eisen hasenfell, Eisenmäuselell, Eisenhecht- haut hab' ich ihm gegeben ; jetzt macht er sich damit nur so davon!" Er liegt nur weiter, steht nicht auf. Einmal nur, wie er lie.t, ermun- tert ihn seine Frau : „Steh auf, sieh da, wir sind schon zuhause angekommen!" Er steht auf, wirklich ist er zu seinen Eltern gelangt. Wie seine Eltern zu ihm gelangt sind, wusste er nicht, und wie er zu seinen Eltern gelangt ist, wusste er auch nicht. Sie küssten und umarmten sich. Eine solche Burg entstand dort, dass die eilende Wolke entzwei geteii' sich darauf niederlässt dass die wandelnde Wolke entzwei ge- teilt sich darauf niederläßt. Ein silbernes Haus erstand, ein golde- nes Haus erstand. Sie leben weiter, sie sind weiter glücklich.

18. In seiner Tundrahügel-Burg ob er lange Zeit gelebt, ob er kurze Zeit gelebt, einmal nur spricht Tari-p zu seinen zwei Frauen : .Ich suche noch eine weiberbetretene, weiberbewohnte Gegend.» Sei ne Mutter spricht: „Ei ja! einst, wenn die Welt des Menschenzeit- alters, der Menschenepoche eintreten wird, wirst du das Herbst-Eich- hörnchen, das Frühjahrs- Eichhornchen eben so mit voller Gewandtheit suchen 1" Sie küssten und umarmten sich ; er gieng hinaus, bestieg den Rücken seines Resses und entfernte sich. Gieng er lange Zeit, oder gieng er kuize Zeit: einmal nur Hess sijh sein Ross in die Mitte des Meeres nieder. Durch jenes Meeres Wasser hindurch ist abwärts ein Silbertor, ein Goldlor Sein Ross lüsst er dort, selbst aber geht er hinab. Er langt unten an, dort des Wasserfürsten Burg, Silberburg, Goldhurg. Neben dem Hauptgebäude steht ein kleines Haus, da trat er hinein Im kleinen Hause sitzt wasserlockig gelocktes Weib, ein was- serschmuek-geschmücktes Weib. Diese Wasserfurstentochter spricht: „Ei Tari-p! Türem hat dich gewisslich mir bestimmt !" Sie küsste, um- arm'e ihn: mit Bier, mit Honigspeisen bewirtete sie ihn gut. Das

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DR. BERN 11 Ali D MLNKACSI

Weib spricht : „Geh zu meinen Brüdern ; geh ins grosse Haus ; zwingst du's, so zwingst du's, zwingst du's nicht, so zwingst du's nicht " Er stand aut und gieng hin Er trat ein, sieben Männer spielten Karten. Sie schauteu nach ihm hin, er fiel beinahe nieder, mit Mühe hält er sich. „Ej Tari-p* sagen sie „was Bringendes hat dich gebracht, was Tragendes hat dich getragen? wie gelangt ein lebender Mensch in diese Gegend? Willst du Fürsten weibes-Schwiegersohn, Fürsten- Schwiegersohn werden, setz dich her zum Tische!" Er setzte sich zum Tisch, sie spielen weiter Karten, Schach. Immer ist er der Meister, er versteht es besser, als die sieben Männer; er ist der Meisler im Spiel. Einmal spricht er zu den sieben Männern: „Auch ich selber habe ein Haus, auch ich habe Gewässer; meines Hauses, meiner Ge- wässer Gedanke überkam mich, ich geh jetzt fort." Schon schickte er sich an fortzugehen, als man seine Frau mit der Ausstattung auszu- rüsten begann. Die Wasserfürsten-Tochter spr'cht: „Was für eine Mit- gift brauchst du, Landtiere-Mitgift, oder Fisch- Mitgift?'' Tari-p. antwor- tet: .Natürlich, dass ich Fischmitgift brauche; wass wird die Welt des Menschenzeitalters, die Welt der Menschenepoche beginnen, was sonst wird dann der Mensch essen?!" Seine Frau spricht: „Geh voraus, bis du nach Hause gelangst, komm ich auch an!" Jetzt gieng Tari-p. durch jenes Wassertor zu seinem Boss hinaus. Sein Ross war ganz abgezehrt, sein Fleisch war weggesiecht, seine Knochen waren wegge- siecht. Tari-p. hauchte es mit seinem Atem an; was für ein Ross es vorher war, was für ein Tier es vorher war: jetzt wird es zu einem noch viel schöneren Ross; aus einem Nasenloch dringen Funken, aus dem andern Nasenloch dringt Rauch. Besteige spricht es mei- nen Rücken!" Er bestieg den Rücken des Rosses. gieng weiter; mengte sich unter wandelnde Wolken, unter eilende Wolken.

(Schluss folgt.)

II

Die Sage von der Umgürtung der Erde

(Mn fnteptane m.'.jt.)

1. Eine Frau und ein alter Mann leben. Auf einem Erdbühel, von ihres Hauses Grösse, hausen sie. Hat ihren Erdhügel ihr Vater Numi-Tfirem hernieder gesenkt, ist er untenher emporgetaucht? sie wissen es schlechterdings nicht. Wenn der Nordwind weht, weht er sie ins Südmeer, wenn der Südwind weht, weht er sie ins Nordmeer. Der Winter sieben, der Sommer sieben, da sie so leben, wuchs weder Gras, weder Kraut. Einmal aber, als die Frau hinausgeht, wuchs in der Hausecke der Gastnische ein gelbwipf liger Grasstengel. Sie geht ins Haus, spricht zu ihrem Alten: »Der Winter sieben, der Sommer sieben, dass wir hier leben: zeither ist nimmer ein so gestalles Kraut gewachsen, sieh's nur an!" Der Alte spricht: „Brings nur herein!"

K0SM000N1SCHEN SAGEN DER WOGULEN.

Die Frau trug in der Hand ihr Seidentuch hinaus, da» gelbwipflige kleine Kraut bede<-kte sie mit ihrem Seidentuch, sammt den Wurzeln zog sie's heraus; als sie's emporhob: begann ein Kind zu weinen. Das Kind trug sie freuender Hand, freuenden Fusses ins Hau* Der Alte spricht: , Wir sind ein seit sieben Wintern, seit sieben Som- mern kinderlos lebendes Par; wo denn hast du das gefunden?* Die Frau spricht: „Woher ich's habe? das ist das Kraut, das ich bemerkt halte.*

2. Der Sangesmann, der Sagenmann, wachst er etwa lange? Das heutigen Tags getragene Gewand wird ihm (im schnellen Wach- sen bald) überllüssig ; endlich hat er nicht Kaum im Hause. Weilen er so wachst, einmal nur zu seinem Vetter, zu seiner Muhme spricht er : „Ich möchl' ausgehen, meine Hand langweilt sich schon, mein Fuss langweilt sich schon?" Die Muhme lässt das Kind nicht allein hi- naus: sie spricht zu ihrem Alten: „Mit dem Kind geh du aus; wo- hin es geht, geh mit ihm, ins Wasser soll es nicht fallen!" Der Alte trug das Kind hinaus; wohin das Kind spielend läuft, geht er mit ihm. Giengen sie lange Zeit, oder giengen sie kurze Zeit : einmal nur wird der Alte kraftlos, er gehl ins Haus hinein. Seine Frau schilt ihn: „hu, warum bist herein gekommen? geh hinaus, das Kind fällt ins Meer!" Der Alte gieng wieder hinaus, er sucht und sucht das Kind vergebens; das ist nirgends! Wenn's also nicht ist, wohin soll er sich wenden ? Er gieng ins Haus. Seine Frau begann ihn weinend zu schel- ten : „Du, warum bist du herein gekommen ? ! Ich half es dir gesagt, dass du mit ihm gehest, dass du es auch nicht ein wenig weiter las- sest! sieh, jetzt ist's ins Meer gefallen!" Der Alte spricht: „Wie soll ich's denn anstellen; das Kind läuft viel herum, wie kann ein alter Mann meines Gleichen mit ihm aushalten?"

3. Wie sie so streiten, auf einmal nur tritt von aussen irgend ein Mann plötzlich ins Haus. Als sie hinschauen, sieh da. steckt das Kind dort. Es fragt: „Vetter, Muhme! was zanket ihr?' „Wro ich gewandelt? Ich war zu meinem Vater tiold-Ktcore's emporgestiegen.* Sein Vetter, seine Muhme sprechen: -Und weshalb bist du denn em- porgestiegen, was für eine Botschaft hast du gebracht?" „Die von meinem Vetter Gold-Äu?or*8 gebrachte Botschaft ist diese: sieben Nächte, sieben Tage sollt ihr eures getürten Hauses Türe, eures dachlukigen Hauses Dachluke gesperrt halten : was für Getöse auch draussen tose, geht nicht hinaus, mein Vater lio\d~ Kwores lässt die Erde himmelab!" Des getürten Hauses Türe versperrten sie, des dachlukigen Hauses Dachluke verdeckten sie Einmal nur entstand ein donnerndes, wet- terndes Getöse. Sieben Nächte, sieben Tage hindurch wettert es inei- nemfort, ihr Vater (iold-Kicores lässt die Erde herab. Nach Verlauf der anberaumten Woche hörte das wetternde Getöse auf. Das Kind gieng hinaus, bestieg den Rücken seines Tieres, nahm seine Mütze ab. In dem Augenblicke als er seine Mütze abnahm, gelangt er in sieben Gegenden, so Schnellerdings drehte sich die herabgelassene Erde seines Vater Gold- Ktrores. Zu seinem Vetter, seiner Muhme spricht er: „Ich

V.)

GRAF GfeZA KUUN

steige wieder zu meinem Vater Gold- Kwords empor; seine Erde mag er befestigen, mag er mit irgend einer Feste festsetzen; denn er wird die Welt des Menschenzeitalters erschaffen, er wird die Welt der Men- schenepoche erschaffen : „welcher Mensch abgeschniltenen Nabels wird es aushalten, wenn die Erde sich in einenfort dreht, und nicht an einem Orte festsitzt?14 Darauf stieg er empor. Zu seinem Vater Gold- Kwores spricht er: „Was das Hinablassen anbelangt, hast du die vom Menschen zu bewohnende Erde schon herabgelassen; wenn aber ein- stens die Well des Menschenalters, die Welt seiner Epoche da sein wird, welcher auf den Fusspitzen stehende Mensch wird das wol aus- halten?! Dieses dein Erdchen mögest du irgend welcher Weise befe- stigen!" Sein Väterchen (io\d-Kworti8 spricht: „Sieben Nächte, sieben Tage sollen die des getürten Hauses Türe wieder sperren, des dachlu- kigen Hauses Dachluke wieder verdecken, ich werde die Erde umgür- ten." Sieben Nächte, sieben Tage hindurch versperrten sie sich; was neulich für ein Getöse, ein Wettern war : jetzt entstand ein noch grös- seres Getöse, ein noch grösseres Wettern. Nach Ablauf der anberaum- ten Woche als sie hinausgehen: wenn sie aufwärts schauen, kann ihr Augensirahl nicht bis ans Ende des Uralgebirges dringen ; wenn sie abwärts schauen, kann ihr Augenstrahl gleichfalls nicht bis ans Ende des Uralgebirges dringen. So setzte sich die Erde in aufrechter Stel- lung fest, jetzt ward sie dann geeignet, dass der Mensch auf ihr wohne 4. Das seinem Vetter, seiner Muhme in gelbwipfligen Krautes Gestalt herniedergestiegene Kind thront jetzt unter dem Namen des Gottes Pole'm. An seiner heiligen Stätte, am Gestade des vom Flusse Poletn (Pelymka) gebildeten Sees, dort betet man ihn mit Verbeu- gungen an, dort bringt man ihm Opferspeisen dar bis an den heuti- gen Tag.

Ober uneigentliche Ausdrücke verschiedener Sprachen aus Ehr- furcht vor der Gottheit und vor den Maohthabern.

Es gibt dem Anschein nach zweierlei uneigentliche Ausdrücke : 1) die metaphorischen, welche der überreichen Phantasie der Volks- psyche entspringen : 2) solche, welche aus Ehrfurcht (nu-zia/s), Demut (Ttmuvjhip), Artigkeit (eiTga/rth'a) und Euphemismus (eirpi-uia) an die Stelle der eigentlichen treten. Dieser Unterschied ist jedoch nur ein scheinbarer, denn in allen diesen tropischen Ausdrücken offenbart sich eine regere Phantasie, als in dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, der auf einer einfachen Auffassung der Realien beruht. Die scheinbar zweierlei uneigentliohen Ausdrücke bilden vereinigt den Bereich des Tropus und die Antithese des eigentlichen Ausdruckes. Die zweite Gruppe der tropischen Ausdrücke mit allen ihren Abzweigungen ist eben nur eine Unterart der Metapher, welche uns eine nähere Re-

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ÜBER UN EIGENTLICHE AUSDRÜCKE VERSCHIEDENER SPRACHEN.

trachtung als einen wicStigen Baustein im Gebäude der menschlichen Sprache darstellt. Max Müller unterscheidet zwischen zwei Arten der Metapher, welche er die radikale und die poetische nennt

Wir beschränken uns in dieser kurzen Skizze auf jene uneigent- lichen Ausdrücke, welche aus Ehrfurcht vor der Gottheit und vor den Machthabern gebraucht werden. Von den übrigen Abzweigungen die- ser Gruppe werden wir nur einige Beispiele anfuhren.

In den Sprachen jener Völker, die auf der untersten Stufe der Bildung stehn, sowie in den Sprachen der gesitlenen Völker unterlau- fen in der gewöhnlichen Rede zahlreiche uneigentliche Ausdrücke die- ser Art. In allen diesen metaphorischen Ausdrücken regt sich ein so- cialer und ethisch religiöser Trieb, der auch den ungesittenen Völkern nicht abzusprechen ist, und der Unterschied zwischen den verschie- denen Stufen der Gesittung besieht hauptsächlich nur in der grösse- ren oder geringeren Entwickelung dieser Keime des Forlschrittes. Die Kahrfrauen vermeiden solche Wörter, welche eine den Namen ihrer nächsten männlichen Verwandten ähnlich klingende Silbe enthalten, und auch die Männer einiger Kafirstämme machen keinen Gebrauch von Wörtern, die im Klange dem Namen eines ihrer frühern Häupt- linge gleichen, so z. B. gebrauchen die Amambalu den allgemeinen Ausdruck Tür Sonne, ilanga, darum nicht, weil ihr erster Häuptling 1 Ulanga hiess, sie sagen dafür isota *) Diese Spracheigenheit entspringt der Ehrfurcht vor den nächsten männlichen Verwandten und vor den Häuptlingen. Auf einer hohen Stufe der Gesittung, bei den mo- notheistischen Semiten, so z. B. in der hebräischen Sprache, bemer- ken wir die Substitution des Gottesnamens, welche entweder in dem veränderten Vocalismus, oder in der Auswahl eines uneigentlichen Aus- druckes besteht. Der Gottesname Jehovä. welcher nicht seine ursprüng- lichen Vocale, sondern die von ddonai hat, nimmt auch die Praefixa diesen entsprechend an, als lajhovä usw., weil man lesen soll ladonai usw. Schon in den Büchern des „Alten Testaments" wird der Gottes- name Jehovä an einigen Stellen durch das Wort sem substituiert, wel- ches „Name" bedeutet Diese Substitution ist in der talmudischen u. rabbinischen Sprache eine sehr häufig vorkommende : so lesen wir bei Aben Esra hol halem „die Stimme des Namens" anstatt kol Jehovd „Donner.- Philo paraphrasiert diese Bezeichnung des Gottesbegriffes mit den Worten Krauet cor ow«s, n) siq\; ttlrj&tiav nv. Die Araber ver- meiden in einigen ihrer Schwurformeln den Gottesnamen A'Mh und ersetzen ihm mit hakkun „Wahrheit." Solche Substitutionen entsprin- gen der Ehrfurcht vor der Gottheit, die, wie das delphische Orakel treffend angab, unaussprechlich ist: oYvnua urjdf h'yym ynqnvitEvn^.

Ans dem lateinischen *enior sind im Französischen verschiedene Ausdrücke entstanden, wie sire, »eigneur% sienr usw.. deren ersterer im Verlauf der Zeit zur Betitelung der Herscher beschränkt wurde.

*) „Vorlesungen Uber die Wissenschaft der Sprache" von dr. Max Müller, für das deutsche Publikum bearbeitet von dr. Carl Böttger (Leipzg, 1866.), S. 34.

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GRAF G£ZA KUUN

Auch im Englischen wird sowohl in der Aussprache wie in der Schrei- bung ein Unterschied gemacht zwiehen Sire, womit die Könige ange- sprochen werden und rtr, welches letztere in der ümgangspache eine weitvei breitete Anwendung findet. Bei Homer bedeutet ytQtay, o\ yiQovttg die Vornehmsten, wo der Begriff des Alters zurücktritt. In der mon- golischen Sprache werden mehrere Handlungen der Götter und der Vornehmen mit besonderen Zeil Wörtern bezeichnet, die bei anderen nicht angewendet werden, so wird ihr Reden girlak bol-khu, ihr Essen üagnklakhu. Is. „Siddhi Kür" herausg. von .Jülg, S. 70), ihre Installation oalakhu genannt, (*. „Siddhi Kür* S. 71.) Das Sterben der Machthaber heisst 1) niroau holchu. (s. S. K., S. 81) 2) öngröqhü, (s. 8 K.. S. 78 wo Vikramäditja des Todes seines Vaters Gandharva Erwähnung tut). Etwas ähnliches sehen wir auch in anderen Spra- chen; so bedeutet das arabische tekrih (takribun) in der persischen und türkischen Sprache die Annäherung zu Gott, oder zu den Macht- habern, (s. „Scheibaniade" herausg. von Vämbcry, S. 22.)

Auch der „Pluralis excellentiae" wird in diesem Abschnitt füg- lich erwähnt werden können wie wir ihn im Hebräischen vorfinden, wo er sich auf .l acht und Gewalt bezieht, so namentlich Elohim „Gott", einigemal kt-loklm „der Heilige", adonim anstatt adon „Herr", z. B. adonim Arose „ein harter Herr" (Jes 19, 4.) usw. Im Persischen wird Wi „König" mitunter mit dem Plural des Verbums construiert, z. B. §«Ä ez iehr btrün te&rif miburdend .Der König hat sich aus der Stadt hinaus begeben." In diesem Satz wird das Wort se/ir „Stadt" in der Bedeutung der Hauptstadt des persischen Reiches Teheran genommen, wie urbs bekanntermassen bei den lateinischen Glassikern oft genug Roma bedeutet, vgl. die arabischen Städtenamen Mekka und Medfna* welche beide „Stadt" bedeuten, da Mekka wo'il mit der Endsilbe des Namens Baalbek (' Hkinv-unXi^) zu vergleichen ist.

Im Verlauf der Zeit sind manche Ausdrücke der Heiligkeit, Macht- vollkommenheit und Auszeichnung dieser ihrer Bedeutung verlustig geworden, so ist das sanskrit deva, devas bei den Ost-, und Westira- niern zur Bezeichnung eines bösen Geistes geworden (zend. daeva, neu- persisch d«v\. In der altern Geschichte Ungarns bedeutete jouiagiones die Vornehmen des Landes, welches Wort in späteren Zeiten zur Be- zeichnung der Untertanen gebraucht wurde, s. jobbdgyi s. v. a. colo- nical. Der zweite Theil dieses Compositum* bag ibagi) ist mit dem ost türkischen baj. alt. pai. ujg. und osm. ftey identisch, welches auch in den stidslavischen Sprachen vielfach in Anwendung kommt, (griech.

Mit der Ehrfurcht geht die Demütigung Hand in Hand. Der Araber nennt sich aus Demut 'ab<l „Knecht", und so wird auch der Freie genannt, denn auch er ist Gottes Knecht. Der Perser bedient sich oft des bende „Knecht14 anstatt des Pronomens der ersten Person und bezeichnet sein Heim mit dem Ausdruck bende chdne „das Haus des Dieners", z. B. in dem Satz: be bende chäne mtrevem .ich gehe nach Hause", wörtlich „ich gehe in das Haus des Dieners". Bende-i

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ÜBER UN El G ENTLICHE AUSDRÜCKE VERSCHIEDENER SPRACHEN.

dergdh Knecht der Schwelle" nennt sich der Perser, wenn er die Schwelle eines vornehmen Mannes betritt, und bezeichnet seinen Sohn in der Rede mit einem Vornehmen mit der Zusammensetzung: bende zdde „der Sohn (deines) Knechtes*. Uebrigens bedeutet bende im Fersischen den von G»tt erschaffenen Menschen, ganz so wie im Arabischen, ob frei oder unfrei, als Gottesknecht. Der Vornehme nennt sich in seiner Rede mit dem Geringem bende perven „der Ernährer des Dieners". Die Mongolen haben es gerne im Gespräch von sich selbst in den erniedrigendsten Ausdrücken, von den andern aber in solchen der Lo- beserhebung zu reden, so z B A: „Wie befindet sich mein erlauch- ter Freund, der erhabene und ruhmvolle Cang?u B: „Mein erbärmli- cher Leichnam befindet sich so gut, als den Umständen nach erwartet werden kann". *) Aus Achtung für die angesprochene Person, oder aus Ehrfurcht vor ihr, und aus Demütigung pflegt der Perser ihre Handlungen mit /ermüden „befehlen", „geruhen" zu bezeichnen, so z. B duae fermüdtd „was Ihr gesagt habet", eigentlich „was Ihr be- fohlen habet a. Der Türke bedient sich zu demselben Bedarf des Ver- bums bujurmak, /.. B filän ujujor. bach&i'S versengizde, bujumng „N N. schläft, hast du bachsiS gebracht, geruhe einzulrelen", wörtlich „be- fehle einzutreten". Auch im Ungarischen, namentlich in Siebenbür- gen, hört man oft die höfliche Aufforderung parancsoljon „befehlen Sie", z. B. parancsoljon leülni „Belieben Sie Platz zu nemen", wört- lich „Befehlen Sie sich zu setzen". Diesen Ausdruck haben die Ungarn gewiss von den Türken entlehnt, und er ist bei den Siebenbürgern in Gebrauch, deren Ahnen bekanntermassen viel mit den Türken ver- kehrten Das Wort parancsolni ist slavischen Ursprung, vgl. asl. poraeiti, rum. poruncenk. Das Wort te*stk „belieben" war in früheren Zeiten in Siebenbürgen ungebräuchlich, aber seit einigen Jahrzehnten ist es ziem- lich allgemein geworden.

Die Artigkeit passt gut zur Ehrfurcht und zur Demut.

Der Perser, wenn er jemanden zum hinaufsteigen, hinabgehen, oder ausgehen auffordert, bedient sich aus Höflichkeit der Ausdrücke: „die Ehre hinauf-, hinab-, oder hinauszuführen," z B. bald tekrtf biberid „bitte heraufkommen zu wollen", wörllich „bringet Eure Ehre herauf", pojin te&rif biberid „bitte, herabzukommen", wörtlich „bringet Eure Ehre herab", bintn te&rif biberid „bitte, herauszu- kommen" usw. Der oben angeführte Satz: Mh ez Sehr btrün te&rif mibürdend lautet wörtiich „der Regent hat seine Ehrfurcht aus der Stadt (Teheran) heraus getragen". Te&rifdt heisst das Ehrenkleid, oder ein vom König gegebenes Ehrengeschenk, arabisch hhiVattin. Im Itale- nischen heisst cortesia „Artigkeit" auch Freigebigkeit.

Mit der Artigkeit ist die Zucht und Ehrbarkeit innig verbunden. Das Wesen der ethischen Gefühle ist sich auf einer gleichen Stufe der Gesittung . gleich : nur die Tiefe, Kraft, Erhabenheil dieser Ge- fühle, und die Formen ihrer Äusserungen zeigen eine Verschiedenheit

*) S Frick's Rundschau, 1890. S 435.

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GRAF GfcZA KUUN

bei den auf derselben Stufe der Enlwickelung siehenden Völkern. So siud auch die Äusserungen der Zucht und Ehrbarkeit zu verschiede- nen Zeiten und bei verschiedenen Völkern ungleich. Die Stellung der Frau im Orient ist bekanntermassen eine ganz andere, wie im Omdent, und in dem Altertum wurden die Frauen ganz, anders behandelt, als seit der Zeit, wo sich das Christentum der Herzen bemächtigte. Die mystisch indirekte Erwähnung der orientalischen Frau passt gut zu ih- rer verschleierten Tracht und zu der Verschlossenheit des Harem, wo auch die Kinder erzogen wurden. Die Muhamedaner pflegen überhaupt nicht über das Wohlgehen ihrer Frauen nachzufragen, wenn sie es aber thun, so slellen sie ihre Frage indirekt z. B. arabisch: ktf kauet dehnet bttka oder krf käu sirr htika „wie befindet sich die Henne deines Hauses ?* oder „wie befindet sich das Geheimnis deines Hauses ?• Der Araber sagt anstatt nikäh „Ehe - auch sirr .(ieheimnis".

Das Grab wird im Griechischen euphemistisch auch *rW genannt, und die Furien (Erinnyen; wurden auch mit dem Wort EvtuviAij. xi, (toai) bezeichnet, welches die wohlwollenden, gütigen Göttinen bodeu- tet. EioQvt&iu heisst die gute Vorbedeutung, von „Vogel".

Vade boiiis avihu*.

Graf Oiza Kuun.

Bücherbesprechungen. 1.

1) II. Gaidoz et Paul Sibillot, Hlason populaire de la France. Paris, Leopold Cerf. XV. 382, (La France merveilleuse et legendaire par H. G. et P.S.) 2.) Hlason populaire de la Haute-Rretagne (C.ötes- du-Nord) par Paul SJbillot. Paris 1887.

Ein guter Ruf dringt weit, ein schlimmer noch weiter, sagt das deutsche Sprichwort. Vorliegende zwei Arbeiten sind so eigentlich nur Verbuchungen alles (inten und Rosen, was die franzosischen Provinz- ler einander und den Nachbarvölkern nachgetratscht haben, und noch nachtratschen Nicht jede aus dem Volke herrührende Remerkung ist gut oder richtig, aber die meisten sind witzig und heben die grotesk komischen Seiten, die Schwächen und zweifelhaften Vorzüge des Nach- barn hervor. Es unterlauft auch manch bissiges, vergrämtes, neiderfüll- tes Wort mit unter, wie es ja beim Tratsch anders nicht sein kann, der nie nach Gründen und nie nach der Wahrheit forscht, sondern nur aus fluch l igen Eindrücken sein Lrteil braut, „( est une sorte de caricalure en paroles" definieren zutreffend die Herausgeber, die ihren Ursprung häufig einem Wortspiel, einer lustigen Regebenheit o.ler ei- nem geschichtlichen Ereignis verdankt.

Die Herausgeber erinnern daran, dass bei allen Völkern zu al- len Zeiten gewisse Volksslamme. S;idte und Dörfer mit ihrer nngeb-

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liCCHKRBKSPRECHUNGEN

liehen Einfalt und Ungeschicklichkeit zur allgemeinen Erlustigung unfrei- willige Schärflein beitragen mussten. So z. B. Sie Boiotier, die Abderi- ten, die Schildbürger, die Pofcegaer in Slavonien, bei uns die biederen Stix-Neusiedler und die Jung-Bunzlauer, ja wer könnte sie alle im Nu aulzählen, selbst nur die in unserer Heimat? Was für derbe Witzworte setzt der Deutsche nicht auf Rechnung des deulsch radebrechenden Magyaren, und wie derb geisselt der Wiener Witz den harmlosen Chrowolen? Gaidoz und Sibillot beleuchten die Eigenartigkeiten der tranzös. Nachredesucht in einer Weise, die allgemeine Giltigkeit auch für andere Völker besitzt. Doch nein, wie beschleicht uns Scham, wie ergreift uns Neid, dass nicht auch wir so sprechen dürfen, wie die zwei Franzosen: „Noire pays, heureusement, ne connatt plus ces acces de frenesie populaire au simple nom de juif, comme nous en voyons eclater souvent encore dans l'Europe Orientale, ou du moins il ne les connatt que pour des causes poliliques ou sociales, ce qui est incontestablement un progr&s."

Viele, sehr viele von den hier angeführten bösen Nachreden fin- den bei anderen Völkern ihre Seitenstücke Ich will einige Beispiele herausgreifen. S. 299: „Trois .luifs font un Bälois, trois Bälois font un Genevois. tt Der Südslave sagt ähnlich : Fünf Juden gehen auf einen Serben, fünf Serben auf einen Cincar (Rumaenen) oder einen Griechen, des Armeniers wegen würde aber die Sonne nicht aufgehen". Der Serbe sagt: „Bugari su stare varalice" (Die Bulgaren sind aitersher Betrüger.) Der Bulgare spricht sich in gleicher Weise über den Serben aus. Der Katholike sagt vom Altgläubigen: nNit u tikri sudanitu vlaha druga" (Eine rbisf lasche ist kein Fass, und ein Altgläubiger kein Freund) ; auch etwas spöttisch derb: „Doso sokac prdno u lonac, doso vlah, pojio grah."

Ich könnte ohne viel Mühe ein halbes Tausend solcher dicta insipida der Südslaven zusammenstellen. Am Schlimmsten kommen bei den Franzosen die Deutschen weg. Schon ihre Redeweise missfällt, sich selber lobt aber der Franzose. S 322.: „Die Italiener plärren, die Deutschen kreischen, die Franzosen singen." Die Deutschen heissen B/i plus ireux" oder „couUrous" oder nquerelleursu oder „autourious" (hautain). sie sind Dampf nudelfresser* aber auch die besten Tänzer. Niehl übel ist der Elsässische Gassenhauer: „Wenn jede Festung in Frankreich umher Eine Pflutle oder ein Pfannkuche wär, So hät- ten's die Deutschen schon längst gewonnen, Hätten sie alle mit Sturm eingenommen.- Ganz wie unter den Magyaren, hat der Schwabe im Elsass seine Epitheta : elender, dummer, pfiffiger, hergeloflener Schwab. Der Jude hat dagegen keinen schlimmen Ruf, er gilt als got- tesfürchtig: Creire coumo un Jousiou ii la santo Biblo (Languedoc), als ehrlich: c'est im bon Israelite, als reich: riche coum' un Jusife, als verständig: prudent coumo un Jousiou, aber auch als geizig: avare cnmme un rabbin und als furchtsam: es esfraiat coumo un Jousiou. Der slavische Mahommedaner in Herceg-Bosna drückt sich genauer aus, wenn er einen plötzlichen, furchtbar ergreifenden Schrecken be-

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BÜCHERBESPRECHLNOKN

zeichnen will: spopala ga tifucka groznica - Es hat ihn ein jüdisches Fieber ergriffen. W ie ruft doch ein einziger Vergleich, wie mit einem Zauberschlag eine Zeit finsterer Religionsverfölgungen ins Gedächtnis zurück. Der Franzose und der Bosnier haben im Volke längst die ur- alte Bedeutung dieser Phrase vergessen; „les noms et les sobriquets qui expriment ces haines de race, de religion ou de provinces ont sur- vecu aux sentiments qui les inspiraient, et ceux-memes qu'ils devrai- ent irriter ont le bon sens de ne plus se senlir atteints," bemerken sachgemäss die Herausgeber, denen man für die grosse Mühe und kritische Sorgfalt beim Sammeln und Sichten der 1200 Tratschworte nicht genug Dank wissen kann.

Wien.

Dr. F. &. Krams.

II.

Altweiber-Medicin bei den Rumänen.

Wie aus ihren Annalen und Memoiren ersichtlich, hat die ru- mänische Akademie in Bukarest seit ihrem Bestände beinahe aul al- len Gebieten der Wissenschalt namhafte Fortschritte gemacht und sich bemüht, sich aul den Standpunkt der heutigen Wissenschaft zu erheben.

Was aber bei dieser Akademie die Aufmerksamkeit der forschen- den Welt besonders verdient, ist der tiefe prüfende Blick, den sie in das nationale Leben des rumänischen Volkes getan hat. Alles, was das Volk seit vielen Jahrhunderten geistig produciert und bewahrt hat. was bei ihm in seinem Alltagsleben bei jeder Gelegenheit als alter- tümlicher Brauch geübt wird, wird als nationaler Schatz aus dem Munde des Volkes gesammelt, und entweder in den Annalen der Akademie publicierl, oder praemiiert, oder dem Sammler auf eine andere Art Hilfe geleistet.

Ich will bei einer andern Gelegenheit registrieren, was die ru- mänische Akademie in dieser Hinsicht geleistet hat, und beschränke mich jel> t auf ein Materiale des täglichen Lebens des rumänischen Volkes, das von vielen als leerer Aberglaube, als unnützes Zeug betrach- tet worden ist, nämlich die Altweiber-Medicin.

Die Forschung hat auf diesem Gebiete ihre Arbeit noch nicht beendet, obwol Material auch bis jetzt in ziemlich grosser Masse ge- sammelt und puhliciert worden ist.

Ein Auszug aus den Annalen der Akademie. Serie II. Band XII. vom Jahre 1890 unter dem Titel „Medicina Babelor" (die Medicin der alten Weiber) gesammelt zumeist in der Gegend der Stadl Roman in Rumänien von Dimitrie V. Lujascu, hat zwei Teile. Im I-ten sind 54 „Descantece- carmina contra incanlationem, Gegenzauberlieder, um den Bezauberten d. i. den Kranken gesund zu machen, und jedem Liede ist auch das Recept, d. h. die Arznei und die Verfahrungsweise beigegeben. Im I l-ten Teile sind 109 Arzneien und Verfahrungsregeln enthalten, aber ohne Zauber- oder Gegenzauberlieder. Man könnte

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IU ('HERBESPRF( HUNGEN

fragen, warum bei den 109 Arzneien und Gebrauchsanweisungen keine Zauber- oder Gegenzauberlieder gegeben sind?

Die 109 Arzneien und Verfährungsregeln sind von solchen Haus- trauen gesammelt, die dieselben als Hausmittel kennen und nur für ihre Familien als Heilmittel verwenden, und dieselben gewöhnlich von ihren Müttern u. Grossmüttern gelernt haben. Im allgemeinen kümmern sie sich wenig um Zaubereien; wenn aber die versuchten Heilmittel nicht helfen, dann wenden sie sich an die Hilfe der Zauberinnen.

Die 54 Stüek Gegenzauberlieder rühren gewöhnlich von solchen alten Weibern her, die sozusagen als Dorfmediciner fungieren, und in die Häuser zu den Kranken gerufen werden. Und es wäre nicht ge nug und zu einfach, nur die Arzeneien zu machen und anzuwen- den, oder sie nur zu verschreiben; man muss auch auf den Ge- mütszustand und den Geist des Kranken wirken. Zu diesem Behufe dienen die Gegenzauberlieder, und der Inhalt und das Recitieren der- selben ist gerade das heilige oder schauerliche Geheimnis, das eine grosse Wirkung auf den Kranken ausübt.

Und diese alten Weiber haben viele nationale Traditionen bewahrt.

Gegenzauberlieder, die keine Bruchstücke sind, haben gewöhnlich drei Teile. Im ersten wird gewöhnlich metaphorisch erzählt, auf welche Art das Böse, das Übel gekommen, oder von welchen (mythologischen) Wesen oder Zauberinnen es über den Kranken geschickt worden ist, wie der Kranke an Kräften siecht, wie er leidet und wehklagt.

Im zweiten Teile sieht und hört gewöhnlich (Nro 2. 3. 6. 7. 13. 14. 16. 26. 33. 37. 46. 47.) die Mutter-Gottes aus dein Tore des Himmels den Kranken und fragt ihn, was ihm weh tut. Der Kranke erzählt dann durch den Mund des Weibes beinahe dasselbe, was im Anfange des Gegenzauberliedes ist, die Mutter des Herrn schickt dann den Kranken zum alten Weibe, oder verschreibt selbst die Heilmittel und etwas, was noch zu machen ist.

Im dritten Teile werden die über den Kranken geschickten oder geworfenen Zaubereien verjagt, das Böse, das Übel in das schwarze Meer geworfen, oder manchmal (Nro 6. '27, 37. 53.) nimmt die Mutter des Herrn den Kranken bei der Hand, führt ihn auf den Weg des Abra- ham, zu der Quelle des Jordan und hier wäscht sie ihn, und wirft alles Böse auf das Haupt desjenigen, der das übel verursacht hat ; zuletzt die Bitte, dass der Kranke gesund, rein und makellos bleibe, so wie Gott ihn geschaffen und in die Welt geschickt hat.

Von diesen Liedern haben wenige einen poetischen Wert, vie- les wiederholt sich in denselben: doch haben sie grosse Wichtigkeit fiir die rumänische Sprache, und weil einige auch mit Volksgebräu- chen in Zusammenhang stehen, auch für diese. Auch für den Arzt, den Chemiker, den Botaniker und den Mythologen sind diese Lieder, Arzneien und Verhall ungsregeln eine wahre Fundgrube der Forschung. Vom Standpunkt der Volkssprache will ich noc^i einige Be- merkungen zu dieser Sammlung machen.

Im Liede Nr. 1. ist das Wort »tescule-leu lat. testicula, fr. tes-

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Hl ( HKRHKSPRECIH NGEN

ticule, die in der alltäglichen Sprache einen anderen Namen haben. In Nro 13. ist die lateinische Form „*trigaa, während in der Volkssprache strigoia (die Hexe) ist. In Nr. 16. sqaul, die Grube der Ohren, wo qau aus den lateinischen cav-us cav-erna enstanden ist, und sehr selten gehört wird. In Nr. 24. prhnarie lat. primoria. hier in dem Ausdrucke rdie ersten Geschwisterkinder." In Nr. 43. lautör*, die Waschende, lat. lava- tor, während in der Volkssprache gewöhnlich spelare, waschen im Ge- brauche ist. In Nr. 52. amente-le die Liebhaberinnen, lat. amantes , was bis jetzt in der Volkssprache nicht gehört worden ist.

In diesen Gegenzauberliedern, Arzneien und Verfahrungsregeln gibt es noch eine Menge von Wörtern, die in den rumänischen Wör- terbüche n nicht auffindbar, und deren Sinn und Ethymologie noch nicht bestimmt ist. Diese Wörter aus den vergessenen Jahrhunderten als veraltet u. aus dem täglichen Gebrauche verschwunden, bereichern nun das Material der Sprache *)

Auch betreffs der grammatikalischen Formen sind die Lieder be- deutsam. Einige Diminutivsuffixe sind bemerkenswert. In Nr. 2(J sioparlaitia (sioparla Eidechse) gewöhnlich sioparlitia, wie in Nr. 23. merlositia (von merlusia, Amselchen), brandusitia (eine Blume); und in Nr. 36. sierpurel (sierpe Schlange) gewöhnlich sierpuletia. Auch betreff der Declination, der Conjugation und der Laut-Verwechslung wäre noch sehr vieles zu bemerken, doch ich glauoe. das gesagte genügt, um von der Bedeutung dieser Lieder für den rumänischen Folklore und die Linguistik einen Begriff zu geben

Budapest, Januar 1891. Dr. Athanasius E. Marienescu

Magyarische Volksballaden. l) J.

Anna. Anna.

„Kgszü'j man, käszü'j man Spute dich, spute dich.

Anna, te sz6p lejany! Anna, schönes Mädchen!

Nekünk adott apäd Uns gab dich dein Vater

Az anyäd mehibe,!,, Noch im Mutterleibe!

*) Auf Grund mannigfacher einschlägiger Erfahrungen glauben wir einen Teil dieser Bereicherung aul die Rechnung der Erfindungsgabe und Intention der Sammler schreiben zu dürfen. Die Redaction.

*) Aufgezeichnet von Ludwig Kälmany. Ubersetzt von A. H. Diese Ballade weist manchen bedeutungsvollen Zug auf. Märcbenmässig ist, dass die Hähne spre- chen (vgl. die Parallelen in Kälmany, Szeged m'pe, II. 171.) Nach dem Volksglau- ben zeigen sich die Seelen der Abgeschiedenen oft in Tiergestalt. In den Märchen hat das rechte Kind kein Mitleid mit Tieren, und geht darum zugrunde. Bei Ipolyi, Nr. 16., gibt die rechte Tochter der Katze und dem Hahne nicht zu essen, und wird darum von ihnen nicht gerettet, als der Teufel um sie kommt. (Ähnlich : Me« r6nyi, Dunamellöki nepmeseJc, II. 117. Eredeti nepmesek. II. 169. Arany, Ne>mesek, 176 Kälmäny, Szeged nepe I 187. Grün. Die drei Männlein im Walde; Karadschitsch, Volksmärchen der Serben 199. Waldau, Böhmisches Märchenbuch. 519 Das be- deutsamste Moment : Der Vater verkauft das, was er ohne Wissen zuhause hat; es ist die Leibesfrucht seiner Frau. Der Käufer ist wol der Teufel; denn Anna will

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MAGYARISCHE VOLKSBALLADF.N

.Keszülok, keszülok £dös l'anykerüjim! £gy' kicsit värjatok, Mozsdö vizem nines kesz!1*

„Spute mich, spute mich, Meine lieben Freier! Wartet nur ein wenig. Wasser fehlt zum Waschen!-

Kiszalad, kiszalad Kakasülö alä: „Kakasim, kakasim, Fekete kakasim!

£dös kakaskäjim Kukurekujjatok. Mer' elvisznek engöm Isten tugygya, huva!'

A feher feleli : „Szöjon a fekete!" Fekete feleli: „Van meg idö r'äja!a

„Keszü'j man, keszü'j man Anna, te szep lejäny! Nekünk adott apäd Az anyäd mehibe'!44

„Värjatok, värjatok, Edös I'änykeröjim! Hogy vögyem magamra A piros szoknyämat !

Szoknyajim, szoknyajim, Szep, piros szoknyajim! Szögrtt' lehujjatok, Gyäszba borujjatok !■

Akkor is kiszalad Kakasülö alä: „Kakasim, kakasim, Fekete kakasim!

Läuft hinaus, läuft hinaus, Hin zur Hühnersteige: .Hähne mein, Hähne mein, Meine schwarzen Hähne!

Meine lieben Hähnchen, Fangt doch an zu krähen, Fort will man mich führen, (ioit nur weiss es, wohin!"

Antwort gibt der weisse: „Mag der schwarze sprechen !' Antwort gibt der schwarze: „'s hat noch gute Weile!-

„Spute dich, spute dich, Anna, schönes Mädchen! Uns gab dich dein Vater Noch im Mutterleibe."

„Wartet doch, wartet doch, Meine lieben Freier, Möchte mir noch anziehn Meinen Rock, den roten.

Röcke mein, Röcke mein, Schöne roten Röcke! Fallt herab vom Nagel, Wendet euch in Trauer!"

Wieder läuft hinaus sie, Hin zur Hühnersteige: „Hähne mein, Hähne mein, Meine schwarzen Hähne?

ihre Freier mit dem Hahnenschrei vertreiben, und diese müssen vor dem Stunden- schlag zurück, wie die bösen Geister um ein Uhr nach Mitternacht. Auch in andern Überlieferungen verkauft dem Teufel der Mann, waa er ohne Wissen zuhause hat, gewöhnlich sein Kind, (vgl. Erd&yi, III. 329. Gyulai II. 214. III. 234. Kriza, 477. Ipolyi's, Sammlung, Märchen Nr. 13. 128 ) In andern magy. Märchen tritt ein Greis, ein Ungeheuer, udgl. an die Stelle des Teufels. Auch bei andern Völkern häufig, (Schreck, Finnische Märchen 116; Poeation, Lappländische Märchen, 247; Grimm, Das Mädchen ohre Hände; Schott, Walachiscbe Märchen, Waldau, Böhmisches Märchen- buch, 24. u. s. w.)

Herrraaon, Ethooloj Uche Mitteilungen.

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MAGYARISCHE VOLKSBALLADEN.

£dfts kakaskäiim Kukurekujjatok. Mer' elvisznek engöm Isten lugygya, huva!*

A feher feleli : „Szojon a (ekele!" Fekete feleli: „Van meg idö r'aja!-

„Sijes' man, sije.V man, iling) ä' üt az dra ! Nekü'nk adott apad Az anyad mehibe'!"

„Värjatok, värjatok, £dös Panykeröjim! Hogy bücsuzzak el meg A viragajimtul :

Virägim, virägim. Szep, piros virägim! Kör6va väjjatok, Gyäszba borujjatok!"

Akkor is kiszalad Kakasülö alä: „Kakasim, kakasim ! Szep feher kakasim!

Szep, feher kakasim Kukurekujjatok ! Mer1 elvisznek engöm Isten tugygya, huva!1*

„Nem kuktirekulunk, Mer' nem atta önni ! A többinek aua'. Mmket Ozavariä""

Meine liehen Hähnchen, Fangt doch az zu krähen, Fort will man mich führen, Gott nur weiss es. wohin.*

Antwort gibt der weisse: „Mag der schwarze sprechen!* Antwort gibt der schwarze: „'s hat noch *rute Weile!"

„Spute dich, spute dich, Denn gleich schlagt die Stun let I ns gab dich dein Vater Noch im Mutterleibe!"

„Wartet doch, wartet doch. Meine lieben Freier! Möchte Abschied nehmen Noch von meinen Blumen:

Blumen mein. Winnen mein, Schöne rote Ulumen ! Werdet dürre Stauden. Wandelt euch in Trauer !•

Wieder läuft hinaus sie, Hin zur Hühnersteige: „Hähne mein, Hähne mein, Schöne weisse Hähne!

Schöne weisse Hähne, Fangt doch an zu krähen! Fort will man mich führen, Gott nur weiss es. wohin!"

„Werden dir nicht krähen, (iahst uns nicht zu essen! Andern hast gegeben, Uns hast du verscheuchet!*

(A (ehfir kakasok

arva gyer'ökök T. tak ) <I»ir weise n Hiihne »arm Waisenkinder.)

(Szüre*.)

II.

Szödörv&ri Kata.

„L/änyom, edes l'Anyom, Szödörvari Katam !

Katchen SsödörvÄri.

„Tochter, liebe Tochter, Katchen Szödörväri!

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MAO YAKISCHE VOLKSBALLADEN.

Vajon mi dolog az: Kerek ajjü szoknyad Elül rövidödik, Hätal hoszsza'bodik?"

„Anyam, edös anyäm, Kedves szülö dajkam: Szabö oem szabta, Varo nem va'rta!- Szabö azt szabta, Va'rö azt va'rta!«

„Mi türes, tagadäs, Man ki köT vallanom : Kis kertömbe' järtam (iyöngyväri Jänossal, Kedves galamboramal, Szerelömbe estem.M

„Höherok, höherok, Fogjatok, vigyetök A siralomhäzba Szödörväri Katät!*

„Madarim, madarim, Hirhordö madarim, Vigyetök levelem (iyöngyväri Jänosnak!*

, Kocsisom , kocsisom , Le'kiseb' kocsisom : Fog' be csak, fog' be csak A legjob' hat lovam! Hagy mögyök Katahon, Kedves galambomhon."

Mikö oda ertek A sok soküsäg köszt, Akkö vesztöttek el Szödörväri Kalät ;

Sag. was soll das heissen : Rund war ja dein Röcklein, Ist zu kurz nun vorne, Ist zu lang nun hinten!"

„Mutter, liebe Mutter, Die mich hat geboren: Schneider schnitt es schlecht zu, Näh'rin nähte's nicht gut!" „Schneider schnitt es gut zu, Näh'rin nähte's sauber !-

„Wozu lügen, leugnen? Muss es wol gestehen : Gieng im kleinen Garten Mit Johann Gyöngyväri, Und mit meinem Liebsten Dort der Lieb' verfiel ich."

„Henker, hört ihr Henkerl Fasset, fangt und führet In die Seufzerkammer *) Kätchen Szödörväri!"

r Vögel, meine Vögel, Ihr beschwingte Boten, Traget meinen Brief hin Zu Johann Gyöngyväri !'

„Kutscher, du mein Kutscher, Du mein kleinster Kutscher, Schirr' nur an und spann ein Sechs der besten Pferde, Dass ich eil' zum Kätchen, Meinem lieben Täubeben !"

Eben als sie hin zur Grossen Menge kamen, Wurde hingerichtet Kätchen Szödörväri:

*) S. Ethnol. Mitt. I. Spalte 849. Anmerkung. Ans Ludwig Kilmany's un- gedruckten Sammlungen Ubersetzt und mitgeteilt von A. H. Varianten sehr zahl» reich; grösstenteils verzeichnet in Katminy L. Szeged nepe, II. Bd S. 172 ; aus- serdem hoi Arany Gyulai. III. 419. und in Abafi's Sammlung. Vielleicht auf Metern- psychosis bezüglich ist das Hervorgehen der Taube u. des Hahnes (vgl. die vorige Ballade« aus dem Grabe. Dass dem Grabe der Liehenden Pflanzen entwachsen, und •ich dann in einander schlingen, ist auch der magyarischen Poesie gelaufig. (Vgl. Melusine, 1890. Les deux arbres entrelaceY)

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MAGYARISCHE VOLKSli ALLADEN" .

Gyöngyväri Jänos mög Kivegezte magät

„Veröm a verö'del Egy' patakot mosson, Testöra a tesiö'del ßgy* sirba nyugogygyon, Lelköm a lelkö'del Egy' Istent imagygyön!"

Az egygyikön tämatt Fehe> galambocska, A legen von tämatt Feher kakasocska.

Feher galambocska Csak asz" turbekolja: „Atkozot», ätkozott Az az 6dös anya, A ki az ü l'änyät Ha kerik, nem agygya!**

Feher kakasocska Aszt kukurekulja: „Ätkozott az apa. Ätkozott az anya, A ki az ü kedvessinek Eszt nem tudösityiya!"

(Ha tudattak vöna vele. mög lött vöna a mönynyegzö.)

Und Johann Gyöngyväri Hat sich stracks entleibet

„Mög' mein Blut und deins im Selben Bache rinnen, Unser beider Leib im Selben Grabe ruhen. Meine Seel' und deine Einen Gott anbeten!"

Aus dem einem Grab stieg Eine weisse Taube, Aus dem Grab des Jünglings Flog ein weisses Hähnchen.

Und das weisse Tiiubchen Girrt ununterbrochen: „Sei verflucht, verflucht sei Jede rechte Mutter, Welche ihre Tochter, Freit man sie, nicht hingibt !tt

Und das weisse Hühnchen Kräht ununterbrochen : „Sei verflucht der Vater, Sei verflucht die Mutter, Welche dem Geliebten Dies nicht tun zu wissen!"

(Wenn man es ihm zu wissen getan hätte, hätt' er Hochzeit gemacht )

(Ö-Szent-Ivän )

III.

Reveszök ndtaja.

(Vot egy' kiräjne, ügy bittak hogy Marija Tör^zjja, az ellenseg elill szabadult, oszt' at akart mönni a Dunau, hi'tta a revö- szöket:)

Röveszök, röveszök, szivü revöszök,

Fergenlied. *)

(Es war eine Königin, die hiess M aria Theresia, sie flüchtete sich vor dem Feinde, wollte über die Donau setzen, und rief die Fährleute:)

Fährleut\ oh ihr Fergen, Herzensgute Fergen,

*) Aus Ludwig KAlm&ny's ungedruckten Sammlungen übersetzt und mitgeteilt von A. H. Ähnliches bei Erd&vi, Nepdalok es mondäk I. 40«— 410, als Kinder- spiel. (Auch in magyarischen Kinderspielen finden sich viele Balladenfragmente.) Bei Erd^lyi 1. 408. sind einige Zeilen mit Bruchstücken des Jahrhunderte alten Liedes von Lengyel Laszlö vermischt (vgl. Kölcsey Fer. Munkäi, 1866. IH. 28 ) Kalmany

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MAGYARISCHE VOLKSBALLADEN.

Vigyetök ät a Dunan, A Duoän!

Van en nagy zsäk aranyom, Aszt is nektök ajällom!

„Nem löhet csillagom. Nem löhet galambom. Nem viszlek angyalom, Angyalom !

Mer' nagy zaj men a Dunan, Kicsike az en csajkäm: Kicsi a csajkam szele. Nagy a viz ereje!'

(Viszszanezött, az ellensegöt hogy lätta, asz' gondoha, hogy surö erdd":)

Istenöm, Istenöm. Abba1 az erdöbe' De szepen turbekolnak Azok az vad galambok!

(MögeV viszszanezött, akkor ijett mög, hogy nem erdö az, banem ellensegök:)

Reveszök. reveszök, Szent nevü re>6szök. Vigyetök ät a Dunan. A Dunan!

Van kök^ny szömü I anyora. Aszt is nektök ajällom; Van en nagy zsäk aranyom, Asztat is nöklök adom! Vigyetök ät a Dunan, A Dunän !

„A l'änyod szeretnenk, Az aran't kedvelnenk; Nem löhet galambom. Galambom!

Setzt mich übern Donaustrom, Donaustrom !

Einen Sack hab' ich voll Gold, Das sei euer Fergensold!

„Oh mein Stern, es kann nicht sein, Kann nicht sein, du Täubehen fein, Führ' dich nu;ht. du Engel mein, Engel mein!

Mächtig ist des Eises Gang Und mein Kahn ist klein und schwank, Meines Kahnes Bord ist schmal. Heftig ist der Wasserschwall \u

(Sie blickt zurück, als sieden Feind sah, glaubte sie, es wär' ein dichter Wald:)

Gott, du lieber Herrgott. Dort in jenem Walde Ach wie lieblich girren Dort die Turteltauben!

(Blickt wieder zurück, und erschrickt, dass es kein Wald ist. sondern die Feinde:)

FährleutV oh ihr Fergen. Mit der Heiligen Namen, Setzt mich übern Donaustrom, Donaustrom ?

Mein blauäugig Töchterlein Soll auch euer eigen sein : Meinen grossen Sack voll Gold Geb1 ich euch als Fergensold ! Setzt mich übern Donau*trora, Donaustrom !

.Hätten deine Tochter Lieb und gern dein Gold auch ; 's kann nicht sein, Täubchen fein, Täubchen fein!

bemerkt, dass es bald e n König, bald eine Königin ist, die über die Donau oder Th*iss setzen will. In Prosaerzählungen fehlt der Selbstanbot der Königin Zumeist wird Maria Theresia genannt, die in der Temesgegend auch sonst noch häufig er- wähnt wird. Die altern Sänger und Erzähler geben an. in ihrer Kindheit eine viel längere Fassung dieses Liedes gekannt zu haben. Ähnliches in der slovakischen Volks- poesie (vgl. Szeherenvi, Tot nepdalok, S. 194. u. 260 )

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MAGYARISCHE VOLKSBALLADEN

Mer' nagy zaj men a Dunan, Kicsike az 6n csajkam: Kicsi a csajkam szele, Nagy a viz ereje!-

(Mikor mögen1 viszszanezött, min az ellenseg fegy vereit is latta :)

R6vöszöm, röveszöm. Csillagom, kedvesöm. Vigyel ä'tal a Dunan, A Dunan!

Van kökeny szörnü l'änyom, Aszt is neköd ajällom; Van en nagy zsäk aranyom, Asztat is neköd adom ; Magamat is oda'adom, Magamat is oda'adom: Vigyel ä'lal a Dunan, A Dunan !

„Atviszlek, atviszlek Csillagom, mönyöcskem. Galambom, kedvesöm, Kedvesöm.

Mer' nem men zaj a Dunan, Mer1 nem m6n zaj a Dunan, A Dunan!«4

Mächtig ist des Eises Gang. Und mein Kahn ist klein und schwank, Meines Kahnes Bord ist schmal, Heftig ist der Wasserschwall!*

(Als sie wieder zurückblickte, sah sie schon die Waffen dar Feinde:)

Fährmann, du mein Ferge, Du mein Stern, mein Liebster, Setz' mich über'n Donaustrora, Donaustrom I

Mein blauäugig Töchlerlein, Das soll auch dein eigen sein, Meinen grossen Sack voll Gold Geb' ich dir als Fergensold, Geb' mich dir auch selber hin, Geb' mich dir auch selber hin, Setz' mich übern Donaustrom, Donaustrom !

.Will dich übersetzen'

Du mein Stern, mein Weibchen,

Liebchen du, mein Täubrhen.

Täubchen mein.

Frei vom Eis der Donaustrom,

Frei vom Eis der Donaustrom,

Donausirom!a

(Szöreg.)

Deutsohe Volksballaden aus Ungarn. *)

i.

Sttdongarn.

„Du sagst, du willst mich nehmen, Sobald der Sommer kommt. Der Sommer ist gekommen, Du hast mich nicht genommen, Die wahre Lieb' ist aus!"

*' (Aus den Sammlungen der Frau Maja Wigand, Pancsova.)

Vgl. Simrock, Nr. 22. 23. Unland Nr. 216. Wunderhorn, (Reclam) S. 60. u. sonst.

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DEUTSCHE VOLKSBALLADEN AUS SÜDUNQARN

„Was soll ich dich denn nehmen, Wenn ich dich ja nicht mag! Du bist mir viel zu arm, Du bist mir viel zu arm, Du bist mir viel zu schlecht' " "

„Ei, bin ich dir zu arm, Ei, bin ich dir zu schlecht, In's Kloster will ich gehen. Will werden eine Nonn."

„„ Willst du ins Kloster gehen, Willst werden eine Nonn'; Die Welt will ich durchreisen, Bis ich an's Kloster komm,!ttu -

Und als ich an das Kloster komm', Da klopr ich an die Tür: „Die allerjüngsie Nonn' Soll treten da her für !-

Die Nonne kam getreten Mit ihrem blauen Kleid; Ihr Haar war abgeschnitten, Zur Nonn' war sie bereit.

Der Ritter dreht sich um und um Und weinte bitterlich: rIn einer halben Stunde Ist mir mein Herz zersprungen Vor lauter Lieb' und Leid!'

„„Ist dir dein Herz zersprungen Vor lauter Lieb' und Leid: Ein' Mess' lass' ich dir lesen, Weil du mein Schatz gewesen, Für deine Seligkeit

II.

Westungarn.

Es gierig ein Knab spazieren aus,

Wol in dem grünen Wald

Da begegnet ihm ein adeliges Mädchen,

Von achtzehn Jahre alt,

Sehr schön war ihr' Gestalt

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DEUTSCHE VOLKSBALLADEN AUS UNGARN.

Er nahm's wohl hei der Mitte, Wo sie am schwächsten war, Er legt's vor seiner nieder Auf's Laub und grüne Gras. Mein Schatz, was nützt dir das?

Zu Augsburg in dem Wirtshaus,

Wo er's gut ass und trank.

Da kam das adelige Mädchen,

Und reicht ihm ihre Hand,

Liess ihn sohliessen in Eisen und in Band

Zu Augsburg in dem Turme,

Wo er gefangen lag,

Da kommt seine Frau Mutter

Und wünscht ihm ein schön gut'n Tag:

Mein Sohn was machst du da?

Was ich allhier tu' machen, Das will ich Euch sagen bald. Hab' geliebt ein adeliges Mädchen, Hab's geliebt allso sehr, Hab 's gebracht um ihre Ehr!

Ei ! bist Du so ein reicher Kaufmanssohn, Musst sterben ein solchen Tod, Ach weh', was Schand und Spott !

Ist der Briet schon kommen an,

Dass ich nun slerben muss?

So schickt mir's nur kein Wagen,

Ich gehe viel lieber zu Fuss,

Weil ich weiss, dass ich sterben muss.

Ihr Lieben, meine Herrn zu Augsburg!

Um eins bitt ich Euch noch :

Schenkt mir's den kühlen Friedhof,

Dazu ein seidenes Kiss'n,

Worauf gut zu rasten ist.

Ach Sohne, liebster Sohne mein!

Das kann ja gar nicht sein.

Dein Haupt kommt auf den Galgen,

Dein Leib kommt auf das Rad,

So wie er's verschuldet hat.

(Aufgezeichnet in Vas-Surany, Eisenburger Comitat, vom Piof. E. Pratscher, der auf Anregung »eines Lehrer«, des Herausgebers dieser Zeitschrift, eine wertvolle Sammlung von Volkstraditionen seiner Heimat angelegt hat. Der fleissige und talen- tierte Sammler ist diesen Frühling leider verstorben )

Vgl. Simrock, Nr. 62. (u. 53. III.) Wunderhorn II. 189. Hoffmanu Schi. 63. Erk. III. 1. »50. Kretrschmer II. 117. u. s. w.

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DEUTSCHE BESPRECHUNGSFORMELN AUS SÜDUNGARN.

Deutsche Besprechungsformeln aus Südungarn.

/. Fürs Verrencken eines menschlichen Gliedes.

Hast du deine Hand verrengt. Wie die Juden unsern Herrgott ham ghengt. Hat ihm das Hengen nicht geschaden, So soll dir das Verengen nicht schaden, Hilft Gott, der Vater, Gott der Sohn Und Gott der heilige Geist.

2 Für das Verrencken eines Fuszes.

Hast du den Fuss verrengt dein. Oder versprengt die Flaxen dein, Nerven und Bein, Fleisch und Blut. Wie Jesus Christus am Kreuz hängen tut, Hilft Gott Vater, Sohn und heiliger Geist.

S. Für Gebärmutterschmerzen

Gebärmutter, und Kolika.

Ich hab dich, und dreh dich,

(üb keine Ruh. bis die liebe Mutter Gottes,

Ein Kind gebären tut,

Das Jesus heissen tut.

Hilft dir Gott Vater usw usw.

4. Für die Schuss- Blattern am Auge.

Schuss-Blatter ich druck dich.

Die liebe Mutter Gottes duckt sich.

Mit ihrem heiligsten Daumen wird

Sich der Fleck aus dem Aug wegräumen.

Hilft dir Gott Vater usw.

5 Für Pferde, die die Mauskrankheit haben.

Fanny. du sollst dein Bändl nicht länger tragen,

Als wieder Esel die Jungfrau Maria von Bethlehem hat g' tragen.

Hilfi dir G^tt Vater usw. usw

6. Em Diebs-Segen. *)

Ein wirksames Gebet, einen Nachtdieb, Nacklräuber, - es sei in was für ei ner Ab- sicht immer, so fest zu halten, dass er von der Stelle sich nicht bewegen und auch nicht fortgehen kann Es lautet wörtlich und getreu der Schreibweise :

*) Dieser Diebs Segen wird im Votksmunde allgemein: .Banmtttl" genannt, soll eine wunderbare Kraft besitzen und wird in rieten Familien als eine Reliquie bewahrt u. mancher Teufelsbeschwörer oder alte Brauchbar Frauen, die im Besitze von Geheimmitteln sind) trägt diesen Zettl als unfehlbares Schutzmittel am blossen Bu*en oder in einem kleinen Säkclchen auf blossem Leib gehängt.

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DEUTSCHE RE8PRECHUN0SF0RMKLN AUS SCüUNQAKN.

Im Namen der allerheiligst en Dreifaltigkeit, Gott den Vater f Schöpfer aller Dinge; - Gott der Sohn, f Erlöser der Well; Gott heiliger Geist f: du heiliger, du aller menschlichen Kreaturen sey und bleihe du allerzeit bey uns, sorge, und behüte mir all dasjenige, was ich von deiner Valerhand empfangen habe, dass es mir kein Dieb, Mörder, Räuber, oder sonst Niemand nicht entwenden kann. Bind, hei- liger Petrus, bind durch das Band der Gottes Hand, bind durch das Band der Christen Hand, bind alle Dieb, Mörder u. Käuber, sie mögen seyn grosz oder klein, jung oder alt, auf meinem Guih, es sei gleich in meinem Haus, Küchen, Keller u Stall, auch in meinem Garten, und Land, so sollen sie von Gott dem Vater gestellet seyn, von Gott dem Sohn gebunden und von Gott dem heil. Geist gehalten seyn, und 24 Stunden weder vorwärts noch rückwärts in Schuhen, noch in Strümpfen noch barfüssig können, es sey dann; er zähle mir zuvor alle Sterne am Himmel, alle Sandkörner im Meer, und alles Laub, und Gras auf der Erden wächst, oder bis ich ihn mit meinen Augen sehe, oder mit meiner Zunge los gebe, dazu helfe mir die allerheiligste Dreifaltigkeit, die Jungfrau Maria, und alle allen Heiligen im Himmel, Amen

(Nun bete 3 Vater unser u. den Glauben.) (Niederschrift des Originales am 8. Febr. 1863.) Brestovatz, Torontaler Komitat.

Anton Schwanfei der.

Magyarische Volkslieder.

i.

Mein Liebster zog ins lerne Land, Mir Ärmsten Hess er sagen, Dass ich ihm folgen soll, doch kann Den Weg ich nicht erfragen.

Ach, wenn ich's könnte, gerne möchf Mit einem gold nen Pfluge Ich pflügen jenen weiten Weg. Den er durcheilt im Fluge.

Und kleine Perlen möchf* ich n : Im nimmermüden Sehnen Wollt' ich durcheggen jenen WTeg Mit meinen heissen Tränen!

Karl Weiss-Schratttnthal.

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MAGYARISCHE VOLKSLIEDER.

Ich hätr fürwahr als Rose Ein gar zu traurig Los; Von allen unbeachtet Verwelkt" ich liebelos

Will keine Rose heissen. Will auch kein Veilchen sein, Müsst* kaum erblüht verdorren Im heissen Sonuenschein.

Hätt' ich die Wahl, so lauscht' ich Nur mit der Taube gern, Mit Sehnsuchts-Eile flog' ich Zum Liebsten, der so fern!

Doch lieber als Veilchen und Rose, Viel lieber als Täubchen fein Klingt's mir im treuen Herzen, Du nennst mich : ewig dein.

(Original bei: Erdtlyi. Nepd. es M. I 43.)

L. Kaiona.

3.

„Schwarzes Band an meinem Hut Flattert hin und her im Wind; Dtnk dir! dass du mich bislang Hast geliebt, du schönes Kind.

Tausend Dank dir! dass du oft Mir das Leben hast versüsst, Dass du mich, du Röslein rot. Hast so oll und oft geküsst!

Siehst du jene Pappel dort, Dürr und kahl, entblättert stehn? Wenn sie wieder Knospen treibt, Werden wir uns wiedersehn u . . .

Gott! es grünt die Pappel schon, Hat schon längst manch' grünen Trieb, Doch es kehrt noch immer nicht Heim mein Schatz, mein süsses Lieb!

(Original bei: Erdfiyi, Nepd I. 81.)

H. v. Wlizlocki.

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MAGYARISCHE VOLKSLIEDER.

4.

Das verwaiste Turteltaubchen.

Traurig girrend Turteltäubchen. Ach verlor sein liebes Weibchen. Flog es da vom Neste fort Fern an grünen Waldesort. Doch nicht flog's auf grünen Ast, Hielt auf dürrem Zweig nur Rast; Hämmert an des Zweigleins Rinde, Stöhnt, und stöhnt's in alle Winde : „Weibchen, Weibchen, liebes Weibchen, Werd' nie haben solch ein Weibchen. Wie du warst, mein liebes Weibchen !"

Flog das Taubchen wieder fort Fern an grünen Saatenort. Doch nicht in die Saatenflur, Auf ein dürres Hecklein nur; Hämmert an des Heckleins Rinde. Stöhnt, und stöhnt's in alle Winde: „Weibchen. Weibchen, liebes Weibchen, Werd' nie haben solch ein Weibchen, Wie du warst, mein liebes Weibchen!"

Flog das Täubchen wieder fori Fern an stillen, wüsten Ort. Hin zu eines Baches Quelle: hoch nicht trinkt's die Flut, die helle Trübt sie, dass ihr Glanz erst schwinde, Stöhnt, und stöhnt's in alle Winde: -Weibchen, Weibchen, liebes Weibchen. Werd' nie haben solch ein Weibchen. Wie du warst, mein liebes Weibchen!

Adolf Handmann.

r>.

Kisgörgenyi Miklös Tochter.

„Meines Herzens Herre, süsser, frommer Herre! Lasst mich heut von hinnen. Hin zur teuren Tochter, unserer kleinern Tochter, Kam mir zu die künde, dass sie krank, die arme.*

Legt sie an den Leib da lose Rettellappen; Kam so auch zum Tore ihrer teuern Tochter : Lehnte dort ihr Leibknecht lässig vor dem Tore.

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MAGYARISCHE VOLKSLIEDER.

Wandt' das Bettelweib an ihn »ich mit den Worten: „Sage deiner Frauen : soll es sie nicht reuen, Send sie ein Glas Wasser, send' ein Bröcklein Brot mir." Brauste auf die Herrin, rief mit rauher Rede: „„Sag" dem Wanderweib dort:

Brauch mein Brunnenwasser selbst zur eignen Haushalt, Zehrt mein eigner Haushund selbst den Brocken Brotes."

Stürmt* da von der Strasse stracks ins Haus die Arme : „Hohe Herren Irauc!

Wann du warst ein Mädchen, wessen Tochter warst du ?a „Was denn mag dich also kümmern meine Maidschaft V

Hei, weil ich gewesen

Weiland Kisgörgenyi Miklös kleinste Tochter?" u „Wahrlich! .... aber ich bin seine eigne Ehlrau. .

Wandte sich da ab die arme, alte Fraue,

Wollte heimwärts wandern.

„„Geht nichl, liebe, liebsie Mutter,

Lasst mich hier nicht ohne Liebe !uU

„Kind, ich kehre heimwärts. kanntest nicht die Mutter!*

„„Meine Mutter, liebste Mutter, will euch kochen

Milde Kümmelsuppe,

Will hinein euch schneiden schmale Semmelschnitten,

Lass' mich fert'gen, liebe Mutter.

Schönes Leibhemd, licht aus Linnen.

Nur wollt nicht verleugnen, mich nur nicht verleugnen !

Geb" euch, Mutter, gerne meine lichte (iastburg,

Auch die schöne Kutsche mit sechs schmucken Schecken,

Und auch meine Mühle, mahlend mit zwei Steinen . .Utt

„Feuers Flamme fasse deine lichte Gastburg, Hast so leicht verleugnet du die liebe Mutter: Höstes Zahn verzehre deine Zierkarosse. Rüden sollen deine Rosse all zerreissen. So du erst verleugnet deine eignen Kitern; Dammflut spüle dir weg deine Doppelmühle, So du hast verleugnet deine holde Heimat!"

Adolf Handmann.

Mensch und Bär.

Eine bosnische Tiersage.

Aufgezeichnet inder Treskavica planina im Winter des J. 1886. nach der Mittei- lung eines alteu slavischen MahoramedHners.

Tako su se sastali u staro vrime rovjek i medved u äumi. Onda- kare su znali ljudi njemucki a fcivotinja razumjevala ljucki razgovor.

MENSCH UND HÄR.

se, da ti kazem, pobralise raedved i covjek te su vec bili vazda za- jedno. Medved bi ugrabio a covjek cevap nattnivte podjelio Eh, baS im dobro bilo! Svega su iraali .1 nista ne ieljeli.

Onda bilo nekako, udrila kisa krupna inepogodna a oni ti se, dzanane moj, uvukose bogme u näkvu rupetinu u peiUni stini. Tu se zakloni&e pa legose da umor povrate. Lezi striku u/. insana ko majka uz naranle cedo svoje. Istom ce Covjek: .Ajde se ti striko okreni na drugu stranu!' ,A ja rasta?4 kazace medved. ,Ajde okreni se, borati, smrdis iz ustiju!' Okrene se medved pa nikom ni mukajet.

Kad u jutru grassu sunce a medved re probudit pobratima t-ovjeka : ,Ustaj zurno pa uzmi onu sikiru pa mi razlupaj glavu !' ,Bog ti po- mogo, da te nijesu sejtani spopanuli, man se toga, gje tfu ja tebi glavu razlupat?' ,Ama rekoh, pa ako te nije volja a ja cu te zagnjavit.4

Kut ce jadan insan vec" uze Sjekiru te udri medonju poglavurini. I komadmu lubanje osiko. Sat 6e medved: ,Ajde ti mirno pobratime svojim putom a ja du svojim. Danas na godinu. da si doSo ope vamo, da se ope sastanemo.1

I ta godina dosla pa prosla ti se pobra ope sastala. Kazaöe medved: .Glegji de pobro je 1 mi veczarazlona glavi?' ,Jest bogami, istom se vidi ama ti nije vec nisia.' ,Eto vidis fovjet^e. ta mi je rana zarasla a ona ne moze nikako sto si me rijerju posiko. Idizurno otolem jer ce§ krv platiti.'

Odanda veö se ne paze nikako covjek i medved.

In alter Zeit begegneten einmal einander im Walde der Mensch und der Bär. Damals verstanden die Menschen die stumme (Tier)- Sprache, die Tiere aber die menschliche Rede Nun, was soll ich dir sagen. Bär und Mensch schlössen Wahlbruderschaft und blieben von da ab immer beisammen. Der Bär pflegte eine Beute zu erjagen, der Mensch den Braten zuzubereiten und zu verteilen. Ei, ihnen gieng es warhaftig ganz gut! Sie hatten alles im Überflins und nichts mehr zu wünschen.

Da traf es sich zufällig, dass ein dicker Gewitterregen fiel und sie, meine liebe Seele, krochen, bei Gott, in so eine unheimliche Höhle in einer Felsenwand hinein. Hier bargen sie sich und legten sich nieder, um die Ermüdung zu bannen. Es liegt der Veiter neben dem Menschen wie eine Mutler neben ihrem Säugling. Plötzlich rult der Mensch aus: ,(ieh Vetter, kehr dich auf die andere Seite um!' ,.Ia warum denn?; trägt der Bär. ,Geh, kehr dich um, so dir Gott helfe, du stinkst aus dem Munde!4 Der Bär kehrle sich um. und muckste sich nicht mehr.

Als am Morgen die Sonne aufgieng, weckte der Bär seinen Wahl- bruder, den Menschen auf: ,Steh schleunig auf und nimm jene Axt und zerschlage mir den Schädel!' ,Gott soll dir beistehen, haben dich etwa die bösen Geister erfasst ! lass das sein, wie sollte ich dir den Schädel zerschlagen!' ,Ioh hab' es gesagt, und tust du es nicht, so erwürge ich dich.1

Was soll der ärmste Mensch anfangen ? Gezwungen nimmt er den

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HISTORISCHE SAGEN AUS DEM BARSCHEtt COMITAT.

Axt und schlägt mitder Axt den Brummbär auf seinen Dickschädel. Hat ihm auch ein Stück vom Schädel abgeschlagen. Jetzt sagt de - Bär: ,Greh du ru- hig, Wahlbruder, deines Weges, ich gehe meinen Weg. Heule über ein Jahr sollst du wieder herkommen, damit wir uns wieder treffen.'

Auch dieses Jahr kam und vergieng. und die Wahlbrüder trafen einan- der. Sprach der Bär:, Schau mal Wahlbruder, ob das auf dem Kopfe schon zugewachsen ist?' ,Ja, bei Gott, kaum merkt man noch etwas, es fehlt dir schon nichts mehr ' ,Da siehst du Mensch, diese Wunde ist mir vernarbt, doch jene, so du mir mit deinem Worte geschlagen, noch immer nicht. Pack dich schleunigst von hinnen, sonst zalst du Blutgeld1.

Seit jener Zeit vertragen sich auf keine Weise Mensch und Bär.

Wien. Friedrich S. Kraus».

Historische Sagen aus dem Barscher Comitat.

i.

Sage von der Kirche zu St. Benedek.

Von der Kirche zu St. Benedek, einem kleinen Städtchen im Barscher Combat erzält die Sage folgendes : Des Fürsten Gejsas Sohn, Vojk, der spätere König Stefan der Heilige, verirrte sich in seinem Kindesalter aus Gran. Gejsa setzte 600 Dukaten als Belohnung für den aus, der ihm Kunde von seinem Sohne bringe. Da meldeten sich einige Slovaken, und erzählten dem betrübten Vater, dass sie auf dem Garam-Fluss mit Flössen nach Gran fahrend, als sie sich am Ufer eben das Essen bereiteten, mit einem Knaben zu-ammengetrofTen seien, der seiner Aussage nach sich von Gran verirrt habe, und sich gegen- wärtig im kleinen Kloster zu St. Benedek aufhalte. Sie hätten ihn be- reitwillig nach Gran zurückgebracht, aber der Knabe wollte das Klos- ter nicht verlassen, wo es ihm wie er sagte sehr gut gienge. Fürst (iejsa machte sich sogleich nach dem Kloster St. Benedek auf, und als er daselbst seinen Sohn wolbehalten antraf, fragte er ihn in der er- sten Freude des Wiedersehens: „Was wünschest du dir, mein Sohn!" Da soll der Knabe seinen Vater gebeten haben, er möge dem Kloster eine schöne, grosse Kirche bauen lassen. Fürst (iejsa Hess nun auch die schöne monumentale Kirche in golhischem Stil erbauen, die auch noch heuligen Tages die Hauptzierde des Städtchens St. Benedek bildet.

II.

Die Kaizeniahre.

Die Türken wollten einst das Städtchen St. Benedek einnehmen, konnten aber nicht über den durch andauernde Regengüsse angeschwol- lenen Garam-Fluss setzen. Am rechtem Ufer des Flusses lagerten die Ungarn, während am linken Ufer sich das türkische Heer befand. Tage vergiengen, ohne dass es zum Kampfe kam. Voll Ungeduld sann

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SPLITTER UND SPÄNE.

der Führer der Ungarn, namens Kohäry, auf ein Mittel, um au das jenseitige Ufer zu gelangen. Da lief aus dem ungarischen Lager eine Katze hervor und eilte an den Garam-Fluss, wo sie über eine bis dahin unbekannte seichte Stelle das jenseitige Ufer erreichte. Die Un- garn merkten sich diese Fähre und setzten in der nächsten Nacht über den Gar -m, überraschten die Türken und schlugen sie in die Flucht. Seit dieser Zeit ist diese Fähre über den Garam in ganz Nord- ungarn unter dem Namen „Katzenfähre* (ungar. macskarh) bekannt.

Franz Prohdszka.

Splitter und Späne

Zur lttdetmirt : *Eteetera Bumtechuh.»

Unser Altmeister der Volkskunde, FelU Liebrecht, stellt in seinem Werke: ,Zur Volkskunde' (Heilbronn 1879 p. 495.) das Vorkommen der Redensart ,h'tcetera Bundschuh' in der Litteratnr fest, ohne aber die Entstehung des .Bundschuh' in die- ser Verbindung erklären zu können. .Bundschuh1 ist hier nur ein absichtlich enstell- t*s lateinisches Wort, um einen scherzhaften Effect hervorzubringen. In den latei- nischen Klosterschulen pflegten die Lehrer am Schluss eines Dictates gewöhnlich ein ,et cetera, et cetera. Punctum* anzubringen. Ein zum Spass aufgelegter Mönch brachte wol den ,Bundschuoch' auf. Seltener ist die Variante: et Zeter mordjoh! Einer meiner ehemaligen Gymnasiallehrer zu Slavonien plegte, wenn er gut aufge- legt war, für ,»' tako daije' (u. s. w.) ,i tako u Dalj'i u Keökemet' (und so nach Dalja und nach Kecskem6t zu sagen. Eine weitere Verbreitung scheint die Wen- dung nicht gefunden zu haben.

Wien. Dr F. S. Krau**

Der ilitntl ah Portemonnaie.

In den bei Brockhaus 1688 erschienenen Sprichwörtlichen Redensarten von dem im Mai oder Juni 1889 verstorbenen Wilhelm Borcbardt lese ich als Anmer- kung zu der Redensart: «In jemandes Hand stehen» eine Abhandlung über «Mor- genstunde hat Gold im Munde»: zuerst eine Anmerkung zu Laura Conzenbach's Si- cilianischen Märchen (1870) II 2*26. Dass man aber früher auch wirklich Geld in den Mund nahm etc. Vg). noch M. Müller Vorlesungen II. 356. Zu den dort an- geführten Stellen (jüngere Edda Grjlfaginning 56. Mon Germ. bist. 11.84. Haupt's Zeitschrift VI. 290. u. Rückert Hariri's Makamen I. 22, 23. kann ich aus eigener Erfahrung hinzufügen, dass die Sitte, den unter der Zunge gelegenen Teil des Mundes als Portemonnaie zu benützen, noch heute bei den rumänischen Kindern in dem Galgweiher- Viertel der Kronstädter Vorstadt Blumenau besteht, ohne dass diese vom Obolus an den Schiffer Charon oder von der chinesischen Abfertigung der to- ten Hand etwas wissen. Ich habe vor 2 o 3 Jahren durch die Galgweiher Kinder die Herbstzeitlosen auf meiner Wiese abpflücken lassen; wenn ich nun für einen Korb einige Kreuzer zahlen wollte, aber nur Sechserl hatte, so gaben die walachi- schen Buben mir das Kupfer aus obig geschildertem Portemonnaie zurück. Ich hatte nicht gewnsst, wohin sie da» Geld taten, da ich keine Taschen an ihren Röcken u. Hosen hemerkte Auf diese Art erfuhr ich es. wo sie das Kupfer- u Silbergeld hielten.

Bransö, ' , 1890. Jo»ef Trauten. •)

*) Ich kann den Wunsch nicht unterdrücken, dass sich mei-i geehrter Lands- mann eingehender mit der Volkskunde unserer Heimat beschäftigen möchte! Er hätte Sinn und Geschick. Gelegenheit und Kenntnisse, materielle und litterarische Mittel dazu und könnte auf diesem Gebiete etwas Erkleckliches und Dankenswertes lei- sten A. H.

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Inhalt der „Ethnographia." (Sieh Anzeiger, I. 1. Heft, S. 24). II. Jahr- gang. 2. Heft. Februar 1891. (3 Bogen). Dr. At. Marienescu, Dio Opfor in der rumänischen Volksmythologie (Schluss). Dr. L. Katona, Parallelen zu ma- gyar. Märchen II. J. Märton, Ethnogr. Skizze von Sorki-T6tfalu. L. KaM- manjv Magy. Besprochungsformeln. L. Kalmany, Volkssagen aus Südun- garn. — Amtliches: Dotation dos Ministers. Erste Sitzung der Ungvärer Fili- ale. Sitzungsprotokolle. Volkspoetische Ueberlieferungen : P. Kiräly, Die Richterin. J. Körody, Weihnachtsvers. E. Veros, Siebenbürgische Märchen-Variante. .1. Nagy, Volksbräuche der Slovaken im Arvaer Co- mitat. Ungarische Ethnographen: Dr. A. M. Marienescu; Dr. G. Versßnyi.

Inländische Litteratur. Ausländische Litteratur. Inländischo Zeit- schriften. — Ausländische Zeitschriften. Verschiedene Mitteilungen. Vereins- nachrichten.

3. und 4. Heft März-April 1891. (5 Bogen). Alex. Pintcr, Geburt-Heirat- Tod des Palovzcn. J. Istvänffy, Palovzer Rätsel. J. Marton, Ethnogr Skizzo von Sorki-Tötfalu (Schluss). B. Vikar, Ueber meine Somogyer Stu- dienreise. — Lad. Esztegär, Woinachtsspiel aus Szamosüjvär. Dr. L. Gop- csa, Klagelied der Siebenbürger Armenier. O. Mailand, Rumänische Rätsel.

J. Nagy, Volkszauber der Arvaer Slovaken. Dr. Ig. Kunos, Helva-Fest in Ada-Kaleh, I. Gabr. Bälint, Proben mongolischer Volksdichtung. A. Herr- mann, Sintflutsagon der finnisch-ugrischen Völker. Ungarische Ethnogra- phen: Josef Huszka. Ämtliches: Constitution ethnogr. Provinz vereine. Zuschrift des Bistercze-Naszddor Comitatsausschusses an die Kirchen- und Schulbehörden : Sitzungsprotokoll. Ethnol. Litteratur. Inländische Zeitschriften. Ausländische Zeitschriften. Vermischte Mitteilungen. Vereinsnachrichten. Bad Jegenye (Som- merfrische ung. Ethnographen.)

5. Heft. Mai 1891. (4 Bogen). P. Hunfalvy, Praosidial-Eröffnungsredo. L. R6thy, Gestaltung der magyar. Nation. A. Herrmann, Secretarialbericht.

Cassa-Ausweiss. St. Ivänyi, Die Bunyevaczen zu Szabadka und ihro Ge- bräuche. — Mart Balazs, Ethnogr. Beiträge aus der Szilagysag. S. Dorner, Hochzeitsgebräuche aus dem Komorner Comitat Dr Ig. Kunos, Helva-Fest in Ada-Kaleh II. Ethnographie des magyarischen Kindes. Jul. Istvänffy, Rätsel dor Palovzen. Alex. Pinter, Alte Palovzer Tanzweisen. B. Vikär, Volkspoetische Ueberlieferungen. Ämtliches: Sitzungsprotokoll. Inländi- sche Litteratur Inländische Zeitschriften. Verschiedene Mitteilungen. Voreinsnachrichten.

6. Heft. Juni 1801. (3 Bogen). Dr. Lad. Rethy, Franzosen und Elsass- Lothringer im Magyarentum. B. Läzär, Einfluss der „Gcsta Romanorum" auf die magyar. Volksdichtung. P. Kiräly, Spruch der „Regesek4 -- Dr. lg. Künos, Meldung über meine 3 Reise nach Ada-Kaleh. Alex Borblly, Tanz dor Aranyosszöker. Dr. Ar. Kiss, Alte Hochzeitsgebräuche aus Tokaj-Hegy- alja. Ar. Kiss, Volksglauben aus Toroyos-Palcza. B. Szivös, Volksglau- ben aus Hajduszoboszlö. Alex. Farkas, Volkspootische Ueberlioferungen. Amtliches: Sitzungsprotokoll über die am 2. Mai 189J abgehaltene II. ord. Generalversammlung. Meldung der Controlcommission. Sitzungsprotokoll. Inländischo Zeitschriften. Ausländische Zeitschriften. Inländische Littera- tur. — Ausländische Litteratur. Verschiedene Mitteilungen. Vereinsnach- richten.

Inhalt der Ethnologischen Mitteilungen ans Ungarn, zugleich Anzeiger der Ge- sellschaft für die Völkerkunde Ungarns. II. Jahrgang I.— V. Heft.

Mitteilung der Rqdaction 1.

Charles G. Leland, Begrüssungsschreiben an die Gesellschaft .... 2.

Ludwig Käimany, Kosmogonische Spuren in .der magyarischen Volksüber-

lieferung 3.

Dr. Lad. Retby, Die Armenier in Ungarn 11.

Dr. A. Marienescu, Baba Dokia, eine volksmythologische Gestalt der Ru- mänen ■ . . 12.

Dr. S. Czambe), Zur Kritik der Editionen slovakischer Volksdichtungen 18.

Adolf Strauss, Fremd zu Hauso. (Aus Ungarn ausgewanderte Bulgaren) . 21.

Xotizen 24

Prof. Kr. S. Knhac. Albanesen in Slavonien 1 25.

Dr. Heinrich v. Wlislocki, Wesen und Wirkungskreis der Zauberfrauen

bei den siebenbürgischen Zigeunern 33.

Dr. L. Katona, Recht und Unrecht. Ein magyarisches Märchen mit seinen

Varianten und Parallelen I. . . 38.

L. Katona, Ethnographie. Etlinologic. Folklore 1 43.

Dr. Ignaz Kunos, Türkische „(Jedankenlioder* aus Ada-Kaie 51.

Pater G. Menesvi.«>chean, Ein chinesischer Gebrauch bei den Armeniern 55.

Andreas Veress, Die Baba Dokia-Sago und dio mit ihr zusammenhängen- den Volksgebräuche in Rumänion 56.

Dr. Ladislaus Rethy, Trajan-Decebal-Tradiüonen bei den Rumänen . . 58.

Graf Geza Kuun, Schatzgräbor u. Bergloute 60.

Bela Vikar, Ueber meine Studienreise in Finnland 61.

Karl Papni, Unter Wogulen und Ostjaken 65.

Dr. Bernhard Munkacsi, Kosmogonische Sagen der Wogulen (Deutsch

von A. H.< 68.

I. Die heilige Sage von der Entstehung der Erde.

II. Die Sage von der Umgürtung der Erde.

Graf Geza Knun, Über uneigentliche Ausdrücke verschiedener Sprachen

aus Ehrfurcht vor der Gottheit und vor den Maehthabern .... 80.

I. Dr. F. S. Krauss, II. Gaidoz. P. Sebillot, Blason populairo Btuhtrbe- sprechungen . . . 84.

II. Dr. Athanasius Marienescn, Altweiber-Medicin bei don Rumänen 86.

Magyarische Volksballaden (I III. Kulmäny-Herrmann) 88.

Deutsche VolksbaUaden aus Ungarn. (I. M. Wigand. D. E. Pratscher). . . 94.

Deutsche Ueaprcchitngsformeln aus Südungarn (I VI. A. Schwanfelder.) . . 97.

Ma<iyari»che Volkslieder (I. Weiss-Schrattenthal, II. Katona, in. Wlis- locki, IV— V. A. Handmann 98.

friedlich S. Kraasa. Mensch und Bär. Eine bosnische Tiersago. . . . 101.

Franz Prohascka, Historische Sagen aus dem Barscher Comitat . . . 103.

Splitter und Späne (Dr F. S Krauss, Josef Trausch) 104.

Auf dem Umschlage : Mitteilung des Herausgebers. Publioationen zur Volks- kunde. Inhalt der „Ethnographia." 1891. II— VI.

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II. Band.

1S91 i8g2.

VI— VIII. Heft.

ZUGLEICH

ANZEIGER DER GESELLSCHAFT FÜR DIE VÖLKERKUNDE UNGARNS.

BEGRÜNDET UND HERAUSGEGEBEN VON

JPt of. Ur\ Autor 1 Ilerrmcinri.

REDIGIERT VON

ANTON HERRMANN und LUDWIG KATONA.

Ein Band 10 Hefte 20 fingen. Preis 3 ß. Für Mitglieder eines Vereins für Volks- \

künde 2 ß. (und ratio.)

Kedaction unJ Administration Budapest, I. Attila'-utcza 47.

KOLOZSVÄR.

ACTIENDRUCKEKEI DER GESELLSCHAFT „KÖZMCVELÖDE8.U

1892.

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"Wo liegt Budapest?

Unsere geehrten Corresj)ondenten in allen Weltteilen bitten wir ergebenste zur gef. Kenntnis nehmen zu wollen, dass Budapest weder in Österreich-Ungarn, noch weniger in Österreich liegt, sondern das* es die Hauptstadt des selbständigen, unabhängi- gen Königreich s f'ngarn ist. Wir netzen soviel primitive geo- graphische Kenntnisse bei allen Postämtern des Auslandes voraus, dass sie die Direction der correct und einfach nach Ungarn a- dressierttn Postsendungen nicht verfehlen werden. Die Redetet ion.

Die „Ethnologischen Mitteilungen* 1891 1892. bilden zusammen ein Band von etwa 20 Bogen. Preis 3 rl ., für Mitglieder irgend eines Vereins für Volkskunde 2 fl. und Porto. Das IV. Heft des I. Bandes, im Format der ersten drei Hefte, den Schluss der dort begonnenen Aufsatze ent- haltend, wird in kurzem erscheinen, und an diejenigen Be- sitzer der übrigen drei Hefte gratis abgegeben, die auf den II. Band praenumeriert haben

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An die Redacteure and Verleger Ton Zeitschriften zur Volkskunde.

Da es mehrere Zeitschriften gibt, welche die Erscheinungen der Litteratur zur Volkshunde, auch den einschlägigen Inhalt von Zeitschriften u. dgl. detailliert registrieren, halten uir es. besonders bei der Erscheinungsweise unsere}' Mitteilungen, nicht für nötig, dasselbe zu tun. . Wir betonen aber, dass jeder ein- zelne auf Volkskunde bezügliche Aufsatz der mit uns im Tausch- verhä'ltnis befindlichen Zeitschriften regelmässig monatlich regis- triert, und jedes uns zugeschickte einschlägige Buch (auch ältere Publicationeu) unbedingt augezeigt wird in dem von uns gelei- teten Organ der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns: „Ethnographia eventuell auch in andern ungarischen Zeit- schriften.

Die Redtiction.

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II. Jahrgang. Budapest, 1891. VI.— VIII. Heft.

ZUGLEICH

ANZEIGER DER GESELLSCHAFT FÜR DIE VÖLKERKUNDE UNGARNS.

BEGRÜNDET UND HERAUSGEGEBEN VON PROF- DR. ANTON HERRMANN*

REDIGIERT VON

ANTON HERRMANN LUDWIG KATONA

Secretir d. Ge«ell«chtft f. d. Völkerkunde Schriftfobrer d. Geeellech. f. d. Völkerkunde

Uogarni. Ungarns.

Kosmogonische Sagen der Wogulen.

Aus dem Volksmunde aufgezeichnet von Dr. Bernhard Munkäcsi.

I.

Die heilige Sage von der Entstehung der Erde.

Schluss*.

19. Wie er so geht, gelangt er auf einmal herab (auf die Erde.) An dem Orte, wo er herab gelangte, ist eine Leiter, ihr oberes Ende geht aufwärts gen Himmel. Sein Ross an eine in diesem Sommer ge- wachsene Rute band er, an in diesem Sommer gewachsenes Gras band er. Er selbst stieg die Länge dieser Leiter entlang aufwärts. Hierauf gelangte er in den Himmel. Mondschein-Alter hetzt mit seinen Hun- den herum Tari-p. läuft vergeblich ihnen nach, er erreicht sie nicht. Sie laufen und laufen herum, (bis sie endlich) wieder an dem Orte vorbei gehen, an dem sie früher gegangen. Tari-p. an einem Orte (stehend) wartete. Da kam der Mondschein-Alte. „Eh, Tari-p. !" sagt er, „du bist also hier?! Auf welche Weise bist du her gelangt ; leben- der Mensch, wie kommt er in solch unbekanntes Gebiet?" Am Orte ihrer Begegnung steht ein Haus. Der Mondschein- Alte spricht: „Tari-p. geh' her hinein, ich komme später!" Seiner im Hause sitzenden Toch- ter sagt er: „Fremden Menschen nicht quäle!" Jetzt geht der Mond- schein-Alte weg, er aber geht in das Haus. Das Weib sitzt in einer tapetenbedeckten Nische. (Der Jüngling) setzte sich. Lange, oder kur- ze Zeit sass er, auf einmal beginnt die tapetenverhüllte Zimmerniscbe sich zu bewegen, er aber zu frieren. Er friert, er friert nun in der Kälte, als der Mondschein-Alte eintritt und seine Tochter tadelt : „Ist das die Lebensgewohnheit des jungen Volkes V" Nun ist gar keine Kälte mehr. (Den Jüngling) versah der Mondschein-Alte wie seinen Schwie- gersohn, führte ihn in den tapetenverdeckten Raum. Nachts (dort) lag er, morgens stand er auf und gieng allein weg.

20. Lange gieng er, oder kurze Zeit gieng er, auf einmal ge-

HerrmanD, Ethnologische Mitteilungen. 105 b

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DR. BEKNHAKD MUKKÄCSI

langte er nur zur Sonnenfrau. Vergeblich lauf er, läuft ei* ihr nach, er erreicht sie nicht, so schreitet die Sonnenfrau mit ihren drei Rossen. Dann wartete er an einem Orte, die Sonnenfrau gelangte dort zu ihm. Eben dort steht ein Haus. Die Sonnenfrau spricht : „Eh, Tari-p. ! was hat dich denn hergeführt ; lebender Mensch, wie gelangt er in diese Ge- gend? — Geh' hinein, ich komme später!" Zu ihrer Tochter (aber) sagt sie: „Fremden Mann nicht quäle'" (Der Jüngling) tritt ein: da hieng denn vor einer Zimmernische Raum eine Tapete. Lange, oder kurze Zeit sitzt er dort, (da auf einmal) beginnt die Tapete sich zu bewegen. Nun brennt ihn, nun brennt ihn die Hitze, schon ist er ganz zu Wasser geworden (vor vielem Schweiss). Heim kommt die Sonnen- frau, tadelt ihre Tochter: „Ist das denn die Lebensgewohnheit des jungen Volkes?" Nun ist keiue Hitze mehr. Mit grossartigen Speisen bewirte- ten sie. Als er mit dem Essen fertig geworden, spricht er zur Son- uenfrau: „Lass mich die Sonne tragen ! u Die Sonnenfrau spricht : rI)u wirst sie vielleicht gut tragen?" „Warum sollte ich sie schlecht tra- gen, ich trage sie grade so gut, wie du.u Die Sonnenfrau spricht: „Dein Vergnügen, wenn du sie gut tragen wirst, also trage sie !** Ta- ri-p. packte die Sonne an und begann sie zu tragen. Er sieht hinab : auf der Erde (im untern Himmel) ist all das liebe Volk einäugig, krumm - mäulig. An einem Orte raufen sich zwei Menschen, sie schlagen sich blutig. Tari-p. denkt: „Eh, wenn ich dort wäre, diese Nichtsnutzigen (Lochkinder) und ihre Rauferei würde ich bald in Ordnung bringen." Wie er dies dachte, brachen jene Dinger zusammen und starben. Dann setzt er wieder seinen Weg fort. Da blickt er wieder einmal abwärts : (da sieht er dass) zwei Frauen einander herumzerren, beschimpfen. „Eh, wenn ich dort wäre ihrer Mutter Schöpfung! ich würde sie schon Ordnung lehren.- Diese Teufel brachen zusammen und starben. Er setzte seinen Weg fort. Lange, oder kurze Zeit geht er. auf einmal gelangte er zur Sonnenfrau. Die Sonnenfrau sagte ihm : „Also ist es dir gut gegangen?" „Es ist mir gut gegangen. „Hast du nicnts schlechtes gemacht?" „Ich habe nichts gemacht." Die Son- nenfrau spricht: „Tari-p., wenn du die Sonne tragen würdest, dann gäbe es keinen aufrechtstehenden Menschen, du würdest sie alle töd- ten ; warum hast du diese vier Menschen getödtet?" Tari-p. ant- wortet: „sie raufen, beschimpfen sich; ich habe nur an sie gedacht und sie brachen zusammen." Die Sonnenfrau spricht: .Einmal, beim Anbruch der Menschenalter- Welt, der Menschenzeit -Welt, auf diese Weise tödtest du alle die Menschen." Sie gehen hinein zu ihrer Toch- ter, die Sonnenfrau machte Tari-p. zu ihrem lieben Schwiegersohn. Der Schwiegersohn spricht : „Dies auf der Erde (am unteren Himmel) lebende Volk „warum Ist das einäugig, krummmäulig?" Die Sonnenfrau antwortet: „Das ist gerade so ein zweiäugiges Volk, wie du; es ist grade so ein geradmäuliges Volk, wie du; aber wenn sie dich (d. h. die Sonne) anblicken, wie sollen das ihre Augen ertragen?1* Tari-p. wollte schon gehen. Die Sonnenfrau spricht : „Wenn du meine Toch- ter und die Mondscheintochler, während du heimwärts gehst, dort am

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K0SM0G0XI8CHE SAGEN DER WOGULEN.

Fusse der Leiter triffst : dann triffst du sie dort ; wenn du sie aber nicht triffst: so triffst du sie nicht." Seine Frau blieb dort, er aber stieg die Leiter herab, gelangte herab. Sein Ross magerte hungernd ab; es hat keine Knochen, kein Fleisch. Mit seinem Atem hauchte er es an: was tür ein Ross es neulich war, es wird ein noch schöneres Ross; aus einem Nasenloch sprühen Funken hervor, aus seinem andern Nasenloch bricht Rauch hervor. Er stieg auf den Rücken seines Rosses, er geht wieder weiter; er mengte sich unter wandeln- de Wolken, unter eilende Wolken.

21. Lange gieng er, oder kurze Zeit gieng er, auf einmal gelangte er an den Ort, wo der Himmel auf die Erde herabhängt, zu einem ausgehöhlten Felsen. Der ausgehöhlte Felsen ist mit einem siebenfachen, eisernen Vogelnetz überzogen. Er schlieft in einen eisernen Habicht- balg. Der dieses Vogelnetz hütende Alte sagt: „Eh, Tari-p., auf dieser weiten Welt hast du überall deine Geschicklichkeit gezeigt; at>er hier, wenn du durch mein eisernes Vogelnetz auch hindurch dringst, wirst du in meinem eisernen Fischnetz liegen." Tari-p. sieht es an: (das Vogelnetz) hat nur eine Masche aus gebrechlichem Eisen, die übrigen sind alle aus hartem Eisen verfertigt. Jetzt warf er sich daran, durch die gebrechliche Eisenmasche hindurch konnte er kaum auf die jen- seitige Seite gelangen ; seine Flügelarme wurden ihm abgeschnitten und dann fiel er ins Wasser. Jener Alte spricht: „Ich habe auch noch eiserne Fischnetze; du bist durch mein eisernes Vogelnelz hindurch gedrungen, in meinem eisernen Fischnetz werde ich dich doch fan- gen." Tarip. sieht diese eisernen Fischnetze an: nur eine ihrer Ma- schen ist aus gebrechlichem Eisen, die übrigen alle sind aus hartem Eisen verfertigt. Als er ins Wasser gefallen, schwamm er in Gestalt ei- nes eisernen kleinen Hechtes weiter. Er gieng. er gieng, als er sich dran warf, konnte er nicht durch jene weiche Eisenmasche auf die drübige Seile gelangen, dort fieng er sich. Der Alte spricht: „Ich schlage ihn (todt)!tt Seine Frau spricht: „Ich schlage ihn (todt) u Die Frau ergreift den kleinen Hecht und ihr Alter beginnt ihn mit einem eisernen Hammer zu schlagen. Der Alte spricht: „Pack' ihn fest an!- Wie er mit dem Eisenhammer hinschlügt, gleitet jener kleine Hecht weiter und das Armbein der Frau wurde entzwei geschlagen. Die Frau schimpft : „Sagt' ich dir zuvor, dass ich ihn erschlage ; jetzt pack' du ihn an, ich werde ihn schlagen." Der Alte packte ihn an, die Frau schlügt ihn mit ihrer heilen Hand. Der kleine Hecht warf sich weiter, die Mitte der Hand des Alten traf (der Hammer). Der kleine Hecht, wie er sich weiter warf, gieng weg. gelangte auf die jenseitige Seite (des Netzes).

22. Jetzt flog Tari-p. in der Gestalt einer kleinen Gans gegen die südliche Heimat der Zugvögel. Er gelangte in das Haus des dorti- gen alten Mannes und der Frau. Er warf seine Ganshaut ab, geht in das Haus. Der alte Mann und die Frau sitzen und sprechen (also) : „Tari-p. was hat dich hergebracht; lebender Mensch, wie gelangt er in diese Gegend?!" Die Frau gieng hinaus, fieng zwei lebendige Kricken-

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DR. BKRNHARD MLNKÄCSI

ten (anas cricca), trug sie ins Haus, schlachtete sie und warf sie in den siedenden Kessel. Tari-p. ass die Enten; als er fertig war, trug jene Frau die Knochenstücke hinaus, streute sie in das Becken des Sees mit lebendigem Wasser : die beiden Enten Iiiegen schreiend wei- ter. Der alte Mann und die Frau der Heimat der Wandervögel spre- chen: „Tari-p. geh' nur hinaus, Lieber; wenn du was antriffst : triffst du was an; wenn du nichts antriffst: ist es deine Sache." Tari-p. gieng hinaus, er blickt neben das Haus: (dort also) ist ein kleines Häus- chen ; er geht hinein. Im kleinen Hause sitzt ein Weib mit freiem (un- bedecktem) Haupte; ihre Haarzöpfe hängen frei herab, nur jetzt flicht sie dieselben von neuem; ihre Kniee sind mit Seide bedeckt; der Saum dieser Seide wogt nur so hin und her. Tari-p. spricht: «Viel Länder durchwandernd kam ich her; ich bilde mir ein, dass ich ir- gend ein treffliches Weib finde; ich erwähne eine in ihre Haarzopfe sieben schwarze Enten (anas nigra), sieben Eisenten (anas hiemalis) flechtende, und ich sehe: es sind da keine schwarzen Enten, es sind da keine Eisenten, ihr Knie schlottert nur mit ihrem Bastard." Jetzt reisst (das Weib) die Seide bei Seite, sieben schwarze Enten, sieben Eisenten flogen hervor; seine Augen, Ohren zerkratzen sie hin, zer- kratzen sie her. Tari-p. spricht zum Weibe : „Jetzt ist genug ! fang sie ein ! meine Augen, meine Ohren zerfleischen sie!" Sie setzten sich neben einander, küssten sich, umarmten sich. Die Maid sprach zum Manne: „Geh' zu meinen Eltern, sie mögen dir eine goldene Gänsehaut und eine goldene Schwanenhaut geben !" Tari-p. gieng zu den Alten und spricht: „Gebt mir eine goldene Schwanenhaut"'

Ihre Köpfe hängen lassend sitzen sie da. (Auf einmal nur) erhob der alte Mann sein Haupt, gab seinem Schwiegersohn eine goldene Gänsehaut und eine goldene Schwanenhaut. Tari-p. schloff in die gol- dene Gänsehaut, seine Gattin schloff in die goldene J?ch\vanenhaut. Die Alten aus der Heimat der Wandervögel sprechen : „Meine Toch- ter, mein Schwiegersohn! Die Welt des Menschenalters, die Welt der Menschenzeit beginnt; diese Wasservögel (Gänse, Enten) geben wir euch mit als Mitgift unserer Tochter; in Zukunft, bis nicht der lelzte Mann zu Grunde geht, bis nicht das letzte Weib zu Grunde geht, sol- len sie zur Nahrung dienen, sollen sie nicht aussterben!14 Jetzt küss- ten (die Alten das junge Paar), umarmten es und dann flogen diese weiter. Die Wasservögel schaarten sich ihnen nach. Durch den hoh- len Felsen hindurch gelangten sie auf die diesseitige Welt Tari-p. fand hier sein Ross, es war ganz abgemagert, hatte nicht Knochen, nicht Fleisch. Er hauchte es mit seinem Atem an; was für ein Pferd es vordem gewesen, jetzt wurde es ein noch schöneres Ross.

23. Jetzt stieg Tari-p. in Gänsegestalt auf den Rücken seines Rosses, seine Frau geht auf Flügeln. Sie gelangen an den Fuss der Leiter, die Sonnenfrau-Tochter und die Mondschein-Tochter schritten dort mit Rossherden, mit Kuhherden vorwärts. Sie giengen lange, oder sie giengen kurze Zeit, das Burgtor des Wasserfürsien der Meeres- mitte öffnete sich, von da kam heraus die Wasser fürsten-Tochter. Vor-

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KOSMOGONISCHE SAGEN DER WOGULEN.

wärt» schritten sie; neben ihnen Fische, Wasservögel, beinahe wie fliessendes Gewässer fliesset, beinahe wimmelt es. Sie giengen lange, oder sie giengen kurze Zeit, sie gelangten in seine Burg. Mit seiner Mutter und mit seinem Vater fielen sie sich in die Arme, küssten sich, umarmten sich. Eine solche Burg entstand dort, dass die wandelnde Wolke entzwei gespalten auf ihr sich niederlässt, die eilende Wolke ent- zwei gespalten auf ihr sich niederlässt. Mit strahlendem lebendigem Golde fliessendes Haus entstand (dort), mit strahlendem Cioide fliessende Burg entstand (dort). Kein Nagel ist darin, an dem nicht ein Marderfell hienge; kein Nagel ist darin, an dem nicht ein Bärenfell hienge. Aus Bier, aus Honigspeisen bereitete sich eine Gasterei ; sie assen, sie tran- ken. Während ihres Essens, ihres Trinkens spricht seine Mutter: „Von nun an wird die Menschenalter- Welt beginnen, die Menschenzeil- Welt beginnen; von elendlich bepelzten vielen Weibern, von elendlich bepelzten vielen Männern bewohnte wo immer befindliche Herrentrauen- Gegend, wo immer befindliche Herren-Gegend wird die hörnige Stiere als Opfer stellen, wird dir hufige Stiere als Opfer stellen." Jetzt liess er in ihrem Hause sein Haupt, seine Augen sinken, und legte sich mit seinen sechs Frauen zusammen nieder. Am andern Tag morgens wachte er auf, er streckte seine Hand aus: er berührte eine warme Stelle, er streckte seinen Fuss aus: er berührte eine warme Stelle. Seine Eltern traten an ihn heran, seine Mutter spricht: „Du Söhnchen, jetzt bleibst du hier am unteren Himmel (auf der Erde), auf den oberen Himmel gehen wir. Von nunan beginnt die Menschenalter- Welt, die Menschenzeit-Welt; am unteren Himmel werde du der Welt-beaufsichtigende-Mann, dein Vater wird am oberen Himmel der Ober-Gott (Numi-Tärem), ich werde die Kaltes. Hiemit giengen sie in drei Gegenden auseinander In jenem ihrem Reichtum, in je- nem ihrem Wohlstand leben sie auch jetzt noch, sind sie auch jetzt noch selig.

III. *)

Das Lied von der Ueberschwemmnng des Himmels und der Erde.

1. In ihrer von selbst entstandenen moosigen Burg,

in ihrer von selbst entstandenen Tundrahügel-Burg

Gold-SiS, Gold Ktc ore£.

Frau und alter Mann leben, ö. Gold-Üfaiftä, Gold-fffoV

ihre Tochter und ihr Sohn sind.

Sonnenlichte sieben Rosse sind in ihrem Stalle.

schoeeweisse sieben Rosse sind in ihrem Stalle.

Neben ihrem Hause

*) II. s. Ethn. Mitt. II. s. 68-80.

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DR. BERNHARD MUNKÄCSI

10. goldblältrige Birke erwuchs.

(Jold-Äa/fe6, seine (Gold-<7ter's) Schwester

kommt hervor (aus dem Hause), ihre Haarflechten löst sie auf,

sieben einmündige Ob-Flüsse ergiessen sich, 15. sieben einmündige Meere tauchen empor;

ihren Haarflechten entwindet sich die Sonne,

ihren Haarflechten entsteigt der Mondschein.

Auf den neben dem Hause stehenden

goldblättrigen, goldästigen Birkenbaum 20. goldbeschwingte, goldbeschwänzte

sieben Kuckucke lassen sich nieder;

sieben Nächte hindurch singen sie,

sieben Tage hindurch singen sie;

ihre nächtliche Unterhaltung vergeht nicht. 25. ihre tägliche Unterhaltung vergeht nicht.

Herzu sie singen: ihre Schnäbel,

weil sie aus reinem Silber, nur so überströmen;

dahin zu sie singen : ihre Schnäbel,

weil sie goldsilbern sind, nur so überströmen. 30. Auf dieser weiten Welt lebende,

elendlich bebundschuhte, elendlich bepelzte

Menschen dieses (Liedes) durch seine Macht

leben ja bis auf den heutigen Tag.

Gold-c7fe'r, ihr Brüderchen 35. kommt hervor (aus dem Hause), seine Haarflechten löst er auf:

sieben einmündige Ob-Flüsse ergiessen sich,

sieben einmündige Meere tauchen hervor;

auf seinen Haarflechten, dort, steht die Sonne,

auf seinen Haarflechten, dort steht der Mondschein 40. Dem Grunde der sieben Ob-Flüsse, der sieben Meere

goldrückige sieben Kolben wasserkäfer (Hydrophilu*)

entsteigen,

an seinen Haarflechten (Sonnenstrahlen) wärmen sie ihre Rücken. Kraft seiner Haarflechten ist Sommer, ist Winter. 45. Auf dieser weiten Welt lebeude,

elendlich bebundschuhte, elendlich bepelzte Menschen dieses (Liedes) durch seine Macht leben ja bis auf den heutigen Tag.

Lange lebten sie. oder kurze Zeit lebten sie, 50. einmal nur Gold-SVft, ihre Mutter starb.

Gold- Kalte'*}, ihre Tochter gieng hinaus iaus dem Hause),

von ihren gold beschwingten, goldgeschwänzten

sieben Kuckucken fieng sieeinen,

seinen Bauch schlitzte sie auf, 55 ihre Mutter in des Kuckucks Innere hinlegte sie.

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KOSMOGONISCHE SAGEN DER WOGULEN.

Lange lebten sie, oder kurze Zeit lebten sie. einmal nur Gold- KtcoreS, ihr Vater starb. Gold-fffc'r, sein Sohn gieng hinaus (aus dem Hause), von seinen goldrüekigen sieben Kolbenkäfern 60. einen fieng er.

seinen Bauch schlitzte er auf,

seinen Vater in des Kolbenkälers Innere hinlegte er

In ihrer von selbst entstandenen moosigen Burg, in ihrer von selbst entstandenen Tundrahügel-Burg 65. lange sie lebten, oder kurze Zeit sie lebten,

einmal nur spricht Gold-A'aftes (also) zu ihrem Bruder : „Brüderchen, in unserer von selbst entstandenen moosigen Tun- drahügel-Burg

werden wir beide ohne Menschen lange, oder kurze Zeit sitzen? In irgend eine von Herrinnen bewohnte Gegend, von Herren

bewohnte Gegend

70. lass uns jetzt gehen !a

Zu seiner Schwester spricht der Bruder :

„Mit welcher Krall sollen wir gehen V"

Gold-A'af/es, seine Schwester versetzt:

„Ehemals, als unsere Mutter und unser Vater lebten, 75. hatten sie Sonnenlichte sieben Bosse in ihrem Stalle.

Sieh', Süsser, zu den Buinen jener Ställe ;

einstens, als die Bosse lebten, kam ein Fohlen zur Welt,

jenes Fohlen verstampflen seine Gefährten (unter die Erde); 80. du, Süsser, grabe auf die Erde der Buine des Stalles,

nachdem du bis auf eine Elle Tiefe die Erde gegraben, findest

du das Fohlen!"

Zu den Buinen des Stalles mit den sieben Bossen

geht also hin Gold-<7*eV und gräbt

Nachdem er bis auf eine Elle Tiefe die Erde gegraben, 85. findet er richtig jenes Fohlen.

In irgend einer alten Zeit, als es zur Welt kam,

war seine Hüfte bunt, sein Schulterblatt gefleckt.

war es ein kleines Fohlen gewesen nichts anders war es :

jetzt aber seinen ganzen Körper angeklebte Erde bedeckt. 90. Das krepierte Fohlen trägt er also nach Hause.

Gold-£Vift<&, seine Schwester nahm es jetzt hervor;

seine eine Seite mit Seewasser sie wusch,

seine andere Seite mit Ob-Wasser sie wusch,

zu neuem Leben sie es brachte. 95. Es war nicht anders, ein solches Tier war es :

aus seinem einen Nasenloch

feurige Funken springen

aus seinem andern Nasenloch

Bauch strömt.

in

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DR. BERNHARD MUKKACSI

100. Auf beiden Seiten seiner Hand, da sind seine Flügel. Es war nicht anders, ein solches Tier war es : seine Schulter war gefleckt, seine Hüfte gefleckt, geflügeltes Ross so wie es steht,

wohin es sich wendet, Sonne (strahlend) auf diese weite Erde, 105 sein Oehrchen alles hört:

wenn zwei Grashalme aneinander reichen:

alles in sein Ohr driogt;

wenn zwei Zweiglein aneinander reichen :

alles in sein Ohr dringt. 110. Von sieben Schellen schellenden Sattel

breiten sie jetzt auf den Rücken ihres Rosses,

und beide setzen sich auf ihn.

Zwischen zwei Himmel, zwei Himmelreiche <d. h. zwischen Him- mel und Erde)

erheben sie sich nun. 115. Während sie ihrer geflügelten Pelze Flügel (d h. Säume) (unter sich) drücken,

von anderem Volk bewohnte Gegend der Herrinnen erreichten sie. von anderem Volk bewohnte Gegend der Herren erlangten sie.

Lange giengen sie jetzt, oder kurze Zeit giengen sie, 120. an einem Orte, wie sie hinunter blicken :

ist ihr reifartig rollendes rundes Erdchen

von feurigem Wasser bedeckt,

auf eine Höhe von sieben gestempelten Klaftern

springt hinauf des Feuers Flamme. 125. Jetzt giengen sie wieder lange, oder kurze Zeit gingen sie,

einmal nur, als sie hinunter blicken,

sind ihren gold-vorderfüssigen heiligen Tierchen

die Klauen der Vorderfüsse, die Klauen der Hinterfüsse

von der heiligen Feuerflut ganz versengt. 130. Gold-«/«V seine Mütze abhob,

seine Haarflechten breitete er aus

und somit sie gehen weiter.

Einmal nur, als sie hinunter blicken :

ist nichts anders (als was geschah, dass) kein Waldbaum geblie- ben ist,

135. ja sogar die Erde erblickt man nicht (verschwindet ganz spurlos).

Jetzt giengen sie auf dieselbe Weise weiter.

An einem Orte s'ch denkt Gold «/er:

„Ohne Menschen wie kann so bestehen die Erde?

Auf irgend eine Weise sollten doch entstehen Menschen !" 140, Jetzt seine Mutter und seinen Vater aus ihrem Grabe

weinend er heraufbeschwört :

„(\o\d- KicoreS mein Väterchen. (JoW-SVk mein Mütterchen, ohne Menschen wie soll ich denn leben?"

Iii

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K0SMOGON1SCHE SAGEN DER WOGULEN

Go\d-Kalte&, seine Schwester spricht : 145. »Brüderchen, was ist dir geschehen, warum weinst du ?''

.„Ich nun, mein Schwesterchen, weine darum :

auf der stehenden heiligen Erde

siehe ! ist heilige Feuerflut entstanden :

nicht blieb der letzte Waldbaum : 160. nicht blieb ein Mensch:

ohne die Menschlein wie soll ich leben!*"

„Brüderchen, blick' nur hinunter !•

Wie er hinunter blickt:

in einem siebenfachen PappelholzschifT 155. eine alte Frau und ein alter Mann sind.

Auf dem heiligen Wasser schwebend, gelangen sie (jetzt) auf's

Trockene :

sie erheben sich nun jetzt, sieh da! hinauszu sie nun schreiten, XuUäter entsteigt dem Bauche der Frau, jener nabelgeschnittene Mensch, ltX). ihre Töchter and ihre Söhne,

ja wir, Russen und Maiwi im Verein leben alle bislang. . . .

Gold-A'alAä, Gold-ä?«V

mit ihrem an Hüften gefleckten, an Schultern gelleckten, 166. geflügelten Tiere also wieder gehen.

Lange gehen sie, oder kurze Zeit gehen sie,

an einem Orte vorwärts sie blicken:

also ein um Dort es zu nennen, ist es zu gross,

Stadt es zu nennen noch zu klein, 170. solch grosses Dorf zeigt sich.

Dahin gelangen sie;

ein von Menschen bewohnbares Haus ist (dort ), Boss ist, Kuh ist, Lamm ist,

Fruchtbehälter ist, Scheune ist, Kaufladen ist (dort); 175. aber der Mensch fehlt ganz und gar.

Die Schwester spricht zu ihrem Bruder: .Du, mein Lieber, gehe hinein;

wenn du irgend einen Menschen wahrnimmst, verrate mich nicht

(zeige mich nicht); so wie ich bin, lass mich sein, mich verletze du nicht !u 180. Gold-äteV tritt ein, Mensch ist nirgends; Bier, Honigspeisen,

so wie man sie einstens bereitet hatte, (unberührt) ad sind. Geräuschlos unter die Bank er kriecht, 185. er versteckt sich.

Einmal nur ein gebrechlicher Vielfrass- Alter *) tritt ein,

*) Gulo horealis.

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DR. BERNHARD MUNKÄCSI

das Haus seinem ganzen Umfang nach brummend durchhüpft er. Gold-tffcr denkt :

(irgendwie) soll er mich nicht packen mit seinen Zähnen, 190. (wenn) er einmal nur seine VielfrassHaut abgelegt hat.

Wie er dann zu ihm aufblickt:

von welch einer Herrin stammender Mann ist aus ihm geworden, von welch einem Herren stammender Mann ist aus ihm ge- worden !

195. Der Held setzte sich nieder,

seinen Sch weiss er sich wischt.

Unterdes seine Türen man wieder öflhete;

also ein schrecklicher Wolfsalter stürzt herein,

das Haus seinem ganzen Umfang nach brummend durchhüpft er. 200. Einmal nur seine Wolfshaut

legte er ab: von welch einer Herrin stammender Mann ist aus

ihm geworden,

von welch einem Herren stammender Mann i>t aus ihm geworden ! Wieder ein Held setzte sich nieder (auf die Bank), 205. seinen Schweiss er sich wischt.

Unterdes die Türe man wieder öfTnete: also ein Bär-Alter stürzt herein,

das Haus seinem ganzen Umfang nach brummend, rasend durch-

hüpfl er.

Einmal nur sein Bärenfell 210. legte er ab :

von welch einer Herrin stammender Mann ist aus ihm geworden, von welch einem Herrn stammender Mann ist aus ihm geworden? Wieder ein Held setzte sich nieder (auf die Bank). Lange sitzen sie, oder kurze Zeit sitzen sie, auf einmal nur sa- gen sie:

215. „Eh, es scheint, in diesem unserem Hause ist ein Mensch : also wo ist er? er komme her!" Jetzt (lold-üleV erhob sich; den drei Helden grüssend er die Hand drückte und an den mit Bier und Honigspeisen (bedeckten) Tisch sie sich

setzten.

220. Lange oder kurze Zeit sie assen, tranken,

auf einmal nur Gold-üfcr in den Sinn es kam : „Herr, mein Gott, ich esse, trinke, und meine Schwester jetzt draussen, sie hungert." Die Helden dann sagen :

225. ^Also du hast auch eine Schwester? rufe sie herein !u

Gold-<7<e> die Lidld-Kültes, seine Schwester also hereinrief;

an den mit Bier und Honigspeisen (bedeckten) Tisch sie sich setzten,

t

f

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KOSMOGONISCHE SAGEN DER WOGULEN.

230. sie assen. tranken und dann legten sich nieder.

Eine namhafte Woche hindurch lagen sie.

eine berühmte Woche hindurch lagen sie,

einmal nur dem Gold-'/frV

der Schlaf zu schwinden begann. 235. Jetzt stand er auf, gieng hinaus,

wozu sein Kopf war,

wozu seine Nase war,

zu Fuss dahin zu getit er;

seine Schwester und sein Pferd blieben zurück. 240. Weite Weltgegenden weil durchwandert er.

kurze Weltgegenden kurz durchwandert er,

an einem Ort sonnbeschienener Tannenwaldrand.

dahin legte er sich nieder.

Lange lag er, kurze Zeit lag er, 245. gen Frühling begann zu gehen (die Zeit),

im Süden wohnende viele Vöglein

in diese von Herrinnen (bewohnte) Gegend, in diese von Herren

(bewohnte) Gegend

schon zu kommen begannen. Er also liegend sieht ihnen zu : 250. auf einmal nur eine einsame Gans geht dort oben.

Go d-äh:r seine Flügelknochen, (seine Hände) rührte,

und als Gänserich flog er weiter.

Mit jener Gans als Mann und Frau 256. begatteten sie sich.

Im Herbste, als (Numi-Türem Vater) kurze Tage machte,

nach Süden sie giengen.

Goldwässerige sieben Teiche,

goldwässerige sieben Meere, 260. jene südlichen (Zug)- Vögel dort leben.

Sieben Nächte hindurch singen sie,

sieben Tage hindurch singen sie;

aufs Ufer goldwässiger sieben Teiche, sieben Meere

geh'n sie hinauf: ihr goldener Weg liegt dort, 265. sie steigen herab: ihr goldener Weg zieht sich dort hin.

Gold-äfe'r mit jener seiner Gans

in jener Gegend leben,

Tochter, Sohn ward ihnen,

Numi-Tärem ihr Vater, 270. Numi-Tärem ihr Vater (d h. die Zeit)

Frühling ward

Im Süden wohnende viele Vöglein

auf die in diesen Gegenden von Frauen (begangenen) Wasser, auf die in diesen Gegenden von Männern (begangenen,) Wasser,

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DB. BERNHARD MUNKACSI

275. ihr kluger Tieres-Sinn ganz hin sich richtete. Also auch sie kamen an.

Wie sie in diese von Herrinnen (bewohnte) Gegend gelangten, wie sie in diese von Herren (bewohnte) Gegend gelangten, 280 erinnerte er sich seines Rosses,

Sein überallhin gehendes Koss fehlt ihm.

Im Herbst, als [Numi-Tärem Vater] kurzen Tag machte,

im Süden wohnende viele Vöglein

auf die von südlichen Männern (begangenen) männlichen Wasser 285. auf die von südlichen Frauen (begangenen) weiblichen Wasser hingiengen

Gold-a<eV, wo er im vorigen Jahre gelegen, an jenen sonnbeschienenen Tannenwaldrand gelangte. Dort legte er sich nieder, dort blieb er auch ; 290. seine Gansfrau mit ihrer Tochter und ihrem Sohne weiter flogen

Jetzt (Gold-äter) sieben Nächte lang liegt, sieben Tage hindurch liegt er. Am sonnbescbienenen Tannenwaldrand. 295. nachdem er lange Zeit hindurch gelebt, Lenz zu werden begann (die Zeit) Im Süden wohnende viele Vöglein

wieder in diese von Herrinnen (bewohnte) Gegend zu kommen

begannen,

300. wieder in diese von Herren (bewohnte) Gegend zu kommen

begannen.

Die südlichen Vögel vergebens gehen, seine Gattin, seine Kinder wie immer er wartet: seine Gattin, seine Kinder sind nicht darunter Einmal nur begann (der Zug) der entenartigen Tiere ein Ende

zu nehmen,

305. begann (der Zug) der gänseartigen Tiere ein Ende zu nehmen, zuletzt auch seine Gansfrau erschien weinend.

Es fehlt ihr ihr Alter (Gatte), es fehlen ihr ihre Kinder:

ihren Alten beweint sie, ihre Kinder beweint sie. 310. Während ihres Weineos sagt sie:

„Auf den von südlichen Weibern (begangenen) weiblichen Wassern,

auf den von südlichen Männern (begangenen) männlichen Wassern,

goldenes Weib, des Südens Tochter lebt.

Voriges Jahr im Winter, in mittwinterlicher Kälte 315. wohin immer gehende südliche Vögel,

alle auf ihre Knie giengen (sich zu wärmen) :

(aber) meine kleine Kinder in mittwinterlicher Kälte

wurden von ihren Knien herabgestossen,

und giengen in der Kälte zu Grunde.

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KOSMOGONISCHE SAGEN DER WOGULEN.

320. Wenn ich nun keine kleinen Kinder habe:

möchte ich doch (wenigstens) finden meinen Alten.

möchte ich doch (wenigstens) finden meinen Herren!"

Diese seine Gansfrau kam dann in diese Gegend.

Im Herbste, als (Numi-Tärem Vater) kurze Tage machte, 325. im Süden wohnende viele Vöglein

auf ihre von südlichen Weibern (begangenen) weiblichen Wasser,

auf ihre von südlichen Männern (begangenen) männlichen Wasser

dachten sie wieder.

CJold-fffcr's Gatlin geht weinend wieder. 330. Als sie an den sonnbeschienenen Tannenwaldrand gelangte,

sprach sie weinend:

„Einstens, mein Herrchen,

von dem meine Tochter, mein Sohn waren,

mein gutes Herrchen, 335. an diesem Orte brach er sich die Knochen,

an diesem Orte fault sein Fleisch!"

Hiemit gieng sie denn wieder weiter.

Nachdem seine Gattin weggegangen,

(Golt-üfc'r) sich zu argem begann. 340. Er dachte: neulich das hatte gesagt (meine Gansfrau),

dass meine Tochter und mein Sohn in der Kälte zu Grunde ge- gangen sind;

nun also, wenn ich bald von unten, oder von oben dahin gelange, dein goldenes Weibstum wird grade so hin sein. 345. Go\<\-äter läuft nur, läuft nur.

Lange Zeit lief er, oder kurze Zeit lief er,

bis er dahin gelangte (in die Heimat der Wandervögel) ? !

An einem Orte wurde er kraftlos.

„Nun. genug! ich lege mich wieder nieder" (sprach er). 350. Auf einen himmelerstrebenden Felsen hinlegte er sich.

Lange Zeit lag er, oder kurze Zeit lag er, er dachte: „eh, ich hatte neulich ein Ross! Eh ! aus den Ruinen des Stalles der von Gold-S'w. meinem

Mütterchen berittenen

355. sonnenstrahlenden sieben Rosse,

aus den von Gold- Kwo res, meinem Väterchen erbauten

schneeweisser sieben Rosse Stallruinen

einstens an Schultern geflecktes,

einstens an Hüften geflecktes, 360. geflügelles Ross wuchs auf.

Von welchem lieben Orte immer,

wenn mein Gesang vorwärts schritte,

wenn meine Sage vorwärts schritte,

wie von oben herabschlagender Regentropfen,

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DR. BERNHARD MUNKACSI

365. wie von oben herabschlagender Windhauch,

schlag' her herab !"

Dann fiel er in Ohnmacht.

Lange Zeit lag er. oder kurze Zeit lag er,

einmalt fühlt er (hört er), 370 dass seine Wange irgendwas streichelt

Er öftnet seine Augen,

sein Ross also schmiegt sich an ihn.

Nun hierauf erwachte er.

und stieg hinauf auf den Rücken des Bosses. 375. Wie er den auf der einen Seite befindlichen Halflerriemen bewegt :

die auf der einen Seite befindliche Himmelsgegend singt mit Sil- berstimme,

wie er den aul der anderen Seite befindlichen Halflerriemen be- wegt :

an der auf der anderen Seite befindlichen Himmelsgegend tau- chen aul Sonne und Mond.

Die reifringartig rollende runde Erde ringsum geht er. 380. in jene von südlichen Weibern (begangene) Gegend gelangt er,

in jene von südlichen Männern (begangene) Gegend gelangt er.

(Hier) also sind jener gold wässerigen sieben Meere

südliche Vogel so viele,

dass die Erde nur so bebt. 386. das Meer (davon) nur so anschwillt.

Wie er denn näher geht.

mit seinem Ohre er sie beobachtet :

flutender Ocean zur Flut sich schwellt,

wogender Ocean zu Wogen sich schwellt. 31)0. Seine Unterhaltung sieben Nächte hindurch kein Ende erreicht.

seine Unterhaltung sieben Tage hindurch kein Ende erreicht.

Er sieht : jenes Süd -Mädchen, das goldene Weib sitzt ;

nach seiner Seite es hinblickt :

sein Ganstöchterehen, sein Ganssöhnchen, 395. so wie sie starben, so liegen sie (dort).

Seine über geflügelten Sieben sitzende.

über füssigen Sieben sitzende

von Tiirrm herabgelassene heilige Mütze

rutscht jetzt ganz auf seine Auge herab. 400. Zu seinem Hosse er spricht:

„Auf dem vom südlichen Weibe bewohnten Orte.

mein Ross, jetzt dort gehe hindurch !

Dein Vorderfuss (deine Hand), wie du ihn trügst:

jenes goldenen Weibes Knochen 405. auf jene Gegend hingestreut sein mögen ;

dein rlinterfuss, wie du ihn trägst :

jenes goldenen Weibes Fleisch

auf jene Gegend hingestreut sein möge!"'

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V

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KOSMOGONISCHE SAGEN DER WOGULEN

Da nimmt ihn jene Frau wahr; 410. zu ihren sieben Kammerfrauen sie spricht : «Dorthin sehet !

aus der Ferne zweier Himmel, zweier Himmelreiche eine" Herren Kommen ist sichtbar; den ich als Gatten besitzen werde, der herrliche Mann, 415. wohin verschwindet er?!" Holdster kommt.

Jene goldene Frau spricht zu ihren K ammer trauen : „Wohin jenes Ross seine Vorder- und Hinterfüsse hinstellt, auf

jenen Ort

legt hin vier Silberschalen !tt 420. Holdster gelangte hin.

Des Bosses Vorder- und Hinterfüsse in jene Silberschalen, dahin stiegen hinein.

Jene Silberschalen an die Platte der Hufe

sich anklebten. 425. Wie es lief, jenem goldenen Weibe

vom Rande seiner eigenen Silberschalen

wurden nach sieben Richtungen hin zerrissen die Knochen,

wurde nach sieben Richtungen hin zerrissen das Fleisch.

Holdster gieng also (dort ) hindurch ; 430. jenes sein Trtchterlein und Söhnlein aber

in Gansgestalt weiter flogen.

Jetzt von den goldwässerigen sieben Meeren Goldstar sich zurückwendet. Seine Schwester kam ihm nur jetzt in den Sinn. 435. Als er in die Burg gelangte, wo er seine Schwester gelassen, sind jene langschwünzigcn Helden bis auf den letzten zu Grunde

geganden.

In jener leeren Burg nur seine Schwester allein lebt. Auf ihr an Schultern geflecktes, an Hüften geflecktes, geflügel- tes Ross

jetzt alle beide wieder hinaufsteigen. 440 Während sie ihrer geflügelten Pelze Flügel (unter sich) drücken, zwischen die zwei Himmel (d h. Himmel und Erde) erhoben

sie sich,

zwischen beide Himmelreiche erhoben sie sich. An einem Orte wie sie in die Ferne blicken : eh, ihre von selbst entstandene moosige Burg 445. ihre von selbst entstandene Tundrahügel-Burg ward nun sichtbar.

In ihre Burg gelangten, dahin giengen sie hinein ; aus Bier und Honigspeisen bestehendes Mahl assen sie, tranken sie. 460. Die Schwester geht hinaus (aus dem Hause),

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DR HERNHARD MUNKÄCSI

breitet ihre Haarflechten aus:

einmündige sieben Meere tauchen auf.

einmündige sieben Ob-Flüsse strömen hervor.

Auf den goldblättrigen, goldästjgen Birkenbaum 455. goldschwänzige. goldbeschwingte

sieben Kuckucke lassen sich nieder ;

sieben Nächte hindurch singen sie,

sieben Tage hindurch singen sie,

ihre nächtliche Unterhaltung endigt nicht, 460. ihre tägliche Unterhaltung endigt nicht.

Einen Kuckuck schlitzte sie auf.

ihre (dahin begrabene) Mutler Gold-S'ig setzt sich auf (erhebt sich).

Jetzt mil ihrer Mutler Gold-S'iS giengen sie hinein (in das Haus).

Hierauf ihr Bruder geht hinaus (aus dem Hause), 465. seine Haarflechten lässt er los:

einmündige sieben Meere tauchen aut,

einmündige sieben Ob-Flüsse strömen hervor.

Aus dem Grunde der sieben Ob-Flüsse, der sieben Meere

goldrückige sieben Kolbenkäfer 470. tauchen empor.

Einen Kolbenkäfer schlitzt er auf;

sein (dahin begrabener) Vater Gold- ÄtroreS setzt sich auf, Jetzt mit seinem Vater (jo\d-Kworr& giengen sie hinein in das Haus, an den goldfüssigen Tisch setzten sie sich, 475. Bier, Honigspeisen assen sie, tranken sie.

Jetzt die Gold-Kalte^ und den ilo\d-ater Gold-SVs ihre Mutter und Gold-Äiroreö ihr Vater in goldreifige zwei Wiegen sie legten, 480. sieben quastige Silberketten schlössen sie an

und an der Hessen sie dieselben auf diese unten befindliche

Erde herab.

Auf diese unten befindliche Erde also gelangten sie : nirgends ein Mensch. Auf einmal nur spricht die Schwester: »Brüderchen, dahin sieh ! neulich, als die heilige Feuerflut geschah, die auf dem sieben- fachen PappelholzschifT aufs Trockene gelangte Frau und der alte Mann sind jene dort, sieh !' Sie begannen dahin zu gehen. Ob sie nun auf Flügeln gehen, oder auf Füssen gehen, oder wie immer es ist, sie gelangten hin. Die Frau und der alte Mann hatten ein Haus erbaut. Die Waldbäume waren nach dem Entfernender heiligen Feuerflut schon so gross geworden, dass sie hin und her zusammen- stückelnd (die Bäume) erbauen konnten (ihr Haus). Die von jener Frau und vom alten Mann stammenden Töchter und Söhne leben bis auf den heutigen Tag und sind glücklich.

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K0SM0G0NISCI1E SAGEN DER WOGULEN.

IV.

Die Sage von der heiligen Feuerflnt. A.

1. Nwni-Türem unser Vater dachte darüber nach, wie er den XuV -äter tödlen könne. Die von XuV-äte'r bewohnte Erde mit heiliger Feuerflut zu überschwemmen beabsichtigt er Für sein eigenes Volk ein eisernes Schiff verfertigt er; für seine Leute ein siebenfaches Bir- kenfloss verfertigt er, aus siebenfacher Störhaut ein Deckzelt verfer- tigt er. Nachdem er fertig geworden, Hess er sein eigenes Volk in das eiserne Schill steigen, sein mafisi-artiges Volk aber kroch in das üher dem Birkenfloss errichtete Deckzelt. Numi- Tärem gieng jetzt hin- auf in seinen Himmel und liess dann herab die heilige Feuerflut. Feu- riges Wasser, lebendige /«r-Würmer, lebendige soss«i-Würmer liess er von oben herab. Wo immer befindlicher Bergbaum. Waldbaum wurde sammt Erde, sammt allem vernichtet. Sechs Schichten des Flosses der Menschen verkohlten im Feuer, eine Schichte blieb übrig. Welcher Mensch über das Floss hinaus stürzte, der starb; ein anderer blieb unversehrt, sein Leben (Seele) rettete sich

2. Den XuV-ater brachte die Feuerflut nicht um. Während Nu- mi-Türem das eiserne Schiff zu verfertigen gieng, kam er zu Numi- Tärem 's Gattin ; sprach zu ihr : „Wohin geht dein Gatte stets Die Frau sprach : „Woher denn soll ich es wissen?!" Xul'-Rter sprach : „Tränke ihn mit dem in diesem Fasse befindlichen Wasser, er berauscht sich, dann sagt er es dir, wohin er geht." Numi- 'I\rhm kehrte heim, mit solchem Wasser sie [seine Frau] ihn tränkte, er berauschte sich, seine Frau fragte ihn und er sagte ihr seine Ab- sicht, dass er heilige Feuerflut mache. Den XuV-yJter legte [die Frau] heimlich in ein Nähzeug-Lädchen, trug ihn dann hinauf in das eiserne Schiff, über die heilige Feuerflut hob sie ihn. Obgleich die Erde zer- trümmert ward, Xul'-äter ward doch nicht getödtet Dies war die Art der Rettung seines Lebens.

B.

1. Sieben Winter und Sommer brennt das Feuer. Sieben Winter und Sommer verzehrt das Feuer die Erde. Sieben Winter und Som- mer sagt altes (grosses) Weib, alter Mann: unsere Welt, sieh! über- schwemmt verändert sich in eine andere, wie könnten wir fernerhin retten unser Leben (unsere Seelen)? Ein alter Mensch, ein anderer alter Mensch, viele, wenige Menschen versammeln sich. In einem Dorfe versammelten sie sich, begannen Rat zu halten: auf welche Weise werden wir nun leben ?

2. Ein bejahrter Mensch, ein bejahrter Mann spricht: „Aufwei- che Weise wir von nun an unser Leben reiten ? ! Wie ich gehört habe, soll man marklose Birkenbäume entzwei spalten, Flösse soll man ma- cheu. Wenn dadurch unser Leben gerettci wird, so [nur dadurch];

Hcrrmann, Ethnologische Mitteilungen. 121 9

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DK. BERNHARD MUNKÄCSI

übrigens wird sich auf keinerlei Weise unser Leben retten. Wenn wir auf dieser unserer bewohnten Erde leben wollen : muss man ein fünfhundert Klafter langes Seil flechten aus Weidenbaumwurzeln. Wenn dann dieses unser Seil fertig ist: soll man ein Ende (desselben) in eine Tiefe von einer Klafter in die Erde versenken, das Ende an unser Birkenbaum-Floss binden. Auf dieses unser Flossmöge der viele Toch- ter, viele Kinder besitzende Mann steigen. An das eine Ende dieses Flosses soll man einen Eimer mit reinem Fischtran hinstellen, den vier Ecken gemäss soll man vier Eimer hinstellen Dann soll man über die Kinder aus Störhaut einen Baldachin nähen. Nach Verfertigung des Baldachins soll man ihn über die Kinder halten. Für den Ver- lauf von sieben Nächten, sieben Tagen [hinreichende] Speis Vorräte, be- tränke soll man bereiten ; im Störhaut-Baldachin sei viel zum Essen und Trinken. Wenn dann auf solche Wreise sich unser Leben rettet: so rettet es sich auf diese Weise.

3. Dann gieng jeder heim in sein Dorf. Dann als sie schon heim gelangt waren, floss-verfertigende Männer aus marklosem Birkenbaum Flösse machten, seil-verfertigende Männer Seile flochten. Sieben Näch- te, sieben Tage mühten sie sich also ab. Welcher der Männer Flösse nicht verfertigen kann, er erfrägt es vom alten Menschen. Der alte Mensch lehrt ihn : dies auf diese Weise mach', jenes auf jene Wei- se mach' ! Nun mancher Mensch Flösse zu machen nicht verste- hend, einen hohen Ort zu suchen beginnt. Vergebens geht er herum, bewohnbaren Ort findet er nicht. Dann fragen sie vom allen Menschen : „du erwuchsest vor uns (früher als wir), vielleicht weisst du irgendwo irgendeinen [geeigneten] Ort?- Der Alte antwortet : „Wenn wir auch wüssten, wie habt ihr dort alle Platz; alle habt ihr doch nicht Platz ?! Siehe da ist schon die heilige Feuerflut über uns gekommen, ihres Kom- mens Geräusch, Brausen ist schon seit zwei Tagen hörbar ; so schnell wohin sollen wir gehen, sie hat uns schon eingeholt?!"

4. Dann eilte jener Mensch, dessen FIoss ferlig war, darauf mit seiner Tochter und seinem Sohne. Welcher Mensch aber kein Floss hatte, den vernichtete das feurige Wasser, so wie er war, so wie er war, ver- brannte es ihn. Dann an welches Menschen Flosse das Seil [infolge des Steigens der Wasseroberfläche] das Ende erreichte (d. h. nicht lang genug war): der schnitt entzwei [das Seil]; er sank beinahe unter: wie er das Seil entzwei schnitt, so trug ihn [f»rt die Flut]. Welches Menschen Slrick lang war: der so wie er war, schaukelt [auf dem Wasser]. Wenn das Ende des Flosses sich entzündet [vom feuri- gen Wasser]: begiesst er es mit reinem Fischtran und loscht [das Feuer]. Dann nach Verlauf von diesen sieben Nächten, sieben Ta- gen demjenigen Menschen, der [die Not] zu überstehen vermochte, dem sank (vertrocknete) das Wasser ; demjenigen, der sie nicht zu überstehen vermochte, dessen Seil zerriss und ihn trug die Flui weg. Welcher Mensch es überstand, der gelangte auf seinem eigenen Landstück aufs Trockene. Die übrigen Menschen wohin sie gelanglen, dort erreichten sie das Trockene. Welcher Mensch [die Drangsal J nicht

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R08M0G0NISCHE SAGEN DER WOOÜLEN.

überstehen konnte, ward sammt Töchtern. sammL Söhnen, so wie er war, vernichtet, ihr Leben entschwand ihnen so (ihre Seele gieng so weg). Dann begannen die übriggebliebenen Menschen, d.h. diejenigen, die auf ihrem Landstück geblieben waren, dort zu wohnen.

5. Dann suchten sie Holz zum Hausbau. Nirgends ein Baum, nirgends ein Gras ; so wie sie waren, wurden sie vernichtet, verbrann- ten sie. Die Erde [des Pflanzenreiches] ist auf eine Klafter Tiefe ausge- brannt, ist [durch das Feuer] ausgemuldet; daher ist weder Baum, noch Gras. Sie fanden nichts, womit man Häuser hätte bauen können. Erdhütten begannen sie also zu graben. Nachdem sie ihre Erdhütten fertig hatten, begannen sie darin zu wohnen. Ueberall kann man hö- ren, dass jenes Volk, das [nach der Sintflut] übrig blieb und in den nahe gelegenen Dörfern gelebt hat, sich dort Erdhütten gegraben hat. Dann kann man auch das überall hören, dass wo sie sich nie- dergelassen hatten, dort [nach der Sintflut] sie aufs Trockene gelangten.

6\ Dann versammelten sich nun die übriggeblieben Alten und zu 7'ärem sie [also] flehten : wO, auf, welche Weise stillt sich unserer Tochter Hunger (Herz), unseres Sohnes Hunger? Nun gibt es keinen Wasserfisch, kein Waldtier. Nun also Numi-Tärem unser Vater, lass herab wenigstens Wasserfische, lass herab Waldtiere ! Wir deine neu- lich übriggelassenen Menschensöhne würden den Hunger unserer Toch ter daher stillen, würden das stillende Mittel für den Hunger unseres Sohnes dort suchen Wenn er sich auf das Wasser herablässt [dein Menschensohn]: lass [für ihn] Wasserfische herab! Den Wasserfisch tödtenden Menschen segne mit Wasserfisches Glück, den in den Wald gehenden Menschen segne mit Waldtieres Glück! seiner Tochter Hunger würde er von da stillen, seines Sohnes Hunger würde er von da stillen. Erschaffe dann durch dein Wort Waldbäume, Waldgräser! Dein auf welchem Erdteile immer übriggebliebener Mensch möge dann für be- ständig Wurzel fassen, sein sich vermehrender Sohn möge sich vermeh- ren, seine sich vermehrende Tochter möge sich vermehren !u

C.

1. Weltbeobachtender Mann traf einmal während seines Ausrei- tens einen maiist-Menschen an. „Komm' her !a sprach er. Der waüs7-Mensch gelangle hin. Wellbeobachtender Mann riss ihn an die Hüfte seines Rosses, der mahät-Mensch klebte an die Hüfte des Ros- ses hin. Zu Gold-Äwores seinem Vater gieng er dann hinauf Als er oben anlangte, sprach er zu seinem maris* Menschen : „Kennst du mich ?a Er antwortet: „Woher sollte ich dich kennen?!"4 „[Nun also], bedenke, der weltbeobachtende Mann bin ich, den du siehst !" In seines Vaters Göld-Kwores' silberstangiges Stangenhaus giengen sie also hinein. Wellbeobachlender Mann sprach zu seinem man&i- Menschen : „Wenn du innerhalb der Türe gelangst, bleibe an einem Orte im Hause stehen!" Als sie ins Haus treten, ist dort viel Volk versammelt. Weltbeobachtender Mann von seinem Hausvolke fragt : „So vieles Volk, warum habt ihr euch versammelt ?" Das Volk ant-

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DR. BERNHARD MTNKACSJ

wortet : „Warum wir uns alle versammelt haben, wir haben uns ver- sammelt: unser Vater Gold-Ktrores macht heilige Feuerflut. " YVellbeob- achtender Mann spricht : „Noch ist die Zeit nicht gekommen." Das Volk spricht: .Unser alter Oheim aus Jeli's Sladt ist noch nicht ge- kommen, man soll auch ihn fragen!" Weltbeobachtender Mann zu seinem Volke spricht: „Zitieret ihn her." Ihr alter Onkel aus Jeli's Stadt wird herzitiert. Auf einmal nur slürzte eine Schneesturm wölke herab, ein schneesoh liger Mann trat mit seinen Schneesohlen (in das Haus) ein. Der Alte aus Jeli's Stadt spricht zum Volke: „Was habt ihr mich mit so gewaltiger Krad herzitiert ; beinahe hätte ich meine alten Knochen gebrochen! was lür einer Sache wegen habt ihr euch versammelt?!" „Was für einer Sache wegen wir uns also versam- melt haben: unser Vater Gold-AVor*£s macht heilige Feuerflut." Ihr Onkel, der Alte aus Jeli's Stadt spricht: „Noch ist die Zeit nicht da; doch wo ist die Schrift, sehen wir sie an!" „In unseres Vaters Gold- Kxcores gastsitzendem Stubenverschlag liegen die Schriften. Der Alte aus Jeli's Stadt gieng in den gastsitzenden Stubenverschlag, welche Schrift er suchte, die fand er, öffnete sie, zum Volk spricht er : „Seht her, wahrlich noch ist die Zeit nicht da!-

2. Dann trat von draussen ein Mann herein, zum Väterchen des Go\d-Kworts er spricht: „Sieh da, bereitet ist die warme Hadestube!* Sein Väterchen (io\d-Kwore$ hob er empor und trug es in die Bad- stube. Nachdem er sein Väterchen Gold- Kwo res in die Badstube ge- tragen hatte, kam der weltbeobachtende Mann [aus dem Hause] heraus. Seinen wari&i'-Menschen rief er mit sich: „Komm!" so sprach er. In des weltbeobachtenden Mannes eigenes Haus giengen sie hinein. In dem Hause standen (sassen) drei Kessel. Die Kessel so wie sie siede- ten, sprudelten über und heransfloss das Wasser. Wie sie auf die unten befindliche Erde sehen, hat von da eine beträchtliche An- zal Volkes das herausgeströmte Wasser weggetragen. Weltbeobach- tender Mann berührte die Bäuche der Kessel mit einem Tuch, ihr Sieden Hess nach. Ein wenig hielten sie inne, die Kessel begannen zum zweitenmal zu sieden und überliefen wieder. Wieder eine beträchtliche Anzal Volkes trug fort (das überlaufene Wasser). Weltbeobachtender Mann berührte die Bäuche der Kessel mit einem Tuche, das Sieden derselben mässigte sich. Sie hielten wieder inne; die Kessel begannen auch zum drittenmal zu sieden. Weltbeobachtender Mann berührte sie wieder mit einem Tuche, ihr Sieden mässigte, mässigte sich, zuletzt mässigte es sich ganz, sie sieden nun nicht mehr. Weltbeohachtender Mann spricht nun zu seinem wiatis/'-Menschen : „Komm, gehen wir!" Hierauf giengen sie in das Haus des Vaters Hold- Kuore's

3. Vater Go\d-Kirores kam aus jener Badstube herein. Er spricht zu seinem Sohne: „Söhnchen, warum hast du vereitelt (niedergetreten) mein Streben?" Weltbeobachtender Mann spricht: „0 Vater, wie sollte ich es nicht vereiteln; ich bedauerte meine vielen Menschen !- Weiss- gekleidete sieben Männer traten jetzt von aussen herein: ihren Vater Go\d-Kicorfo setzten sie über die oberste Leiter von sieben Leitern.

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KOSMOP.ONISCHE SAGEN DER WOGULEN.

i

Welfbeobachlender Mann gicng mit jenem seinem marisi-Menschen hinaus [aus dem Hause]. Weltbeobachtender Mann stieg auf den Rücken seines Tieres hinauf, seinen waiW-Menschen klebte er an die Hüfte seines Rosses und so giengen sie weg. Wo er früher seinen marisi- Menschen gefunden hatte, dort (Hess er ihn frei).

V.

Heiliges Lied von der Herablassung der Erde ans dem Himmel.

1. (\o\d-Kwores (Gold-Himmel) Väterchen, Gold-Kwores Papachen hat sich in eines silbernen Spindelringes Grösse geschaffen. 5'o/>er-Frau, Äa/m'-Frau Mutter hat er herabgelassen, Xul'&ter-Tochior (Teufelslürsten Tochter) hat er erschaffen,

5. Oben-gehenden-geflügelten-Äa/m hat er erschaffen.

Lange lebten sie oder kurze Zeit lebten sie, einmal nur

spricht A'«r-a/«r-Tochter zum Oben-gehenden-geflügelten-lTalw :

„Zu Go\d-Kwore», deinem Vater geh' hinauf!

Von Gold- Kwores, deinem Väterchen erfrage dies: 10. „Die ö'oper-Frau Mutter hat er herabgelassen,

die JTawi-Frau Mutter hat er erschaffen;

an einem kommenden Tag wird Go\d-Kwords Väterchen

des Menschenzeitalters Welt erschaffen,

der Manschenperiode Welt erschaffen; 15. diese S'oper-Frau Mutter, ÜTatwi-Frau Mutter

mit irgend welcher seiner Fesseln möge er fesseln,

mit irgend welchem seiner Gürtel möge er umgürten ;

(dann) der auf seinen Fusspitzen stehende Mensch kann es bald

nicht mehr aushalten,

6'op/r-Frau, Kami-Fr&u Mutter ineinemfort dreht sich."

20. Jetzt der Oben-gehende-geflügelte-iTaim

zu Gold'Kwores seinem Väterchen also hinaufgeht. Lange gieng er, oder kurze Zeit gieng er, woher soll er dies

wissen ? !

Einmal nur zu Go\d-Kwores\ seines Väterchens Wohnort

er also hinaulgelangte. 25. Silberan gelige sechs Türen sechs er öffnete,

dlberan gelige siebente Türe zum siebenten er öffnete.

In des türversehenen Hauses innern Raum er jetzt hineingeht,

auf die Mitte der Dielen des gedielten Hauses blickt er hin:

goldrändige sieben Tische sieben dort stehen, 30. neben goldrändigen sieben Tischen

Gold- Kwores Väterchen

auf goldfüssigem heiligem Trone (Slule) sitzt ;

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DK. BERNHARD MUNKÄCSI

sein goldknüpfiger heiliger Stab

ist an seine rechte Wange geschmiegt. 35. Auf die Mitte des gedielten Hauses als er hingelangte,

Go\d-Kwores Väterchen seinen goldknöpfigen heiligen Stab

von seiner Wange weghob,

auf ihn er blickt, fragt ibn:

Oben-gehender-geflügelter-lTttZm, 40. welche Boten-Tier [getragene] Botschaft, hast du gebracht?41

Oben-gehender geflügelter-ÄaJm zu Gold-Ätoores, seinem Vater

spricht :

„Welche boten Tier [getragene] Botschaft ich bringe? Die Boten-Tier [getragene] Botschaft, welche ich bringe, ist diese : i\old-%icores Väterchen! -XwZ'-äter-Maid [so] sprich: 45. „Diese 6"o/>er-Frau Mutter hast du also herabgelassen, diese Äawi -Frau Mutter hast du also erschaffen; an einem kommenden Tage wirst du des Menschenzeitalters Welt

erschaffen,

wirst du der Menschenperiode Welt erschaffen : was für einer auf seinen Fussspitzen stehender Mensch wird es

bald aushallen,

50. [denn] diese S'oper-Frau, ifamt-Frou Mutter in einem fort sich

dreht?!

Du mit irgend welcher deiner Fesseln fessele sie, mit irgend welchem deiner Gürtel umgürte sie!"

Uold-JCtvore* Väterchen sein Haupt herabsenkle, bis ein eisiger Fisch, bis ein schneeiger Fisch kochen kanu, 55. [so lange Zeit] wortlos (ohne mündige Zunge) so sitzt er. Als er sein Haupt erhob, [so] spricht er: „Ich erschaffe Sieben -Berg Mutter, lasse Paräp-Frau Mutter herab ; auf meine rechtseitige Schulter 60. meine lebendige Schlangen-Peitsche ich schwinge: strom-laufende zahlreiche Bäche in grosser Zahl strömen von dort; auf meine linkseitige Schulter meine lebendige Schlangen- Peitsche ich schwinge: 65. schnell fliessende viele kleine Flüsse

in grosser Zahl fliessen heraus von dort." Von ilo\d-%wores\ des Väterchens Wohnhause silberangeligen sieben Türen Oben-gehender-geflügelter-Äa/w 70. nun /.um siebenten öffnet, hinaus geht,

zur XuV-zter-Tochler er hierait herabsteigt.

Nachdem er herabgelangt,

X«r-ä/cr-Tochter ihn fragt:

Oben-gehender-geflügelter- Kalm,

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KOSMOGONISCIIE SAGEN DER WOGULEN.

75. was für eine Boten-Tier [getragene] Botschaft bringst du?" Oben-gehender-geflügelter-Kalm spricht : „Was für eine Boten Tier [getragene] Botschaft ich bringe?! Die Boten-Tier [getragene] Botschaft, welche ich gebracht habe,

ist diese:

(iold-'Kwores Väterchen, Gold ■<Ktcor9s Papachen [so] spricht: 80. S'opir-Frm Mutter, Äami-Frau Mutter zu umgürten habe ich schon umgürtet ; Sieben-Berg Mutter habe ich erschaffen, Paräp-Frm Mutter habe ich herabgelassen."

Nachdem sie lange [so] gelebt haben, 85. oder kurze Zeit [so] gelebt haben,

„Y'w/-äter-Tochter wenn sie sich niedersetzt,

auf ihrem Sitzplatz hat sie keine Ruhe;

Awr-äter-Tochter wenn sie aufsteht,

auf ihrem Stehplatz hat sie kein Bleiben. 90. Zum Oben gehenden-geflügelten-ifafm sie spricht:

»Zu Gold-3Ctrom, deinem Väterchen geh' hinauf wieder!

Von Gold-Hwores, deinem Väterchen erfrage du dies:

des Menscbenzeiialters Welt wie soll man erschaffen,

der Menschenperiode Welt wie soll man erschaffen?" 95 Oben-gehender-gefiugelter-iTa&n hiemit hinaufgeht.

Lange gieng er, oder kurze Zeit gieng er, woher weiss er es?!

Einmal nur an des Gold-Hwores Väterchen bewohnten

silberangeligen siebentürigen Hauses Aussenseite gelangte er.

Die silberangeligen sechs Türen zu sechsen er öffnete, 100. die süberangelige siebente Türe zum siebenten er öffnete.

In des türversehenen Hauses Inneres er jetzt hineingeht.

Auf die Mitte der Dielen des gedielten Hauses er hinblickt:

dort also goldrändige sieben Tische stehen ;

neben goldrändigen sieben Tischen 105. Gold -üwores Väterchen

auf goldfüssigem heiligem Trone sitzt ;

sein goldknöpflger heiliger Stab

ist an seine rechte Wange geschmiegt

Auf Oben-gehenden -geflügelten- Kahn blickend, ]so] spricht er: 110. „Oben-gehender-geflügelter-üfalro,

was für eine Boten-Tier [getragene] Botschaft hast du gebracht?"

Oben-gehender geflügelter- Kalm [so] spricht:

„Gold-'TCwore* Väterchen, Go\dJ%wore8 Fapachen!

Die Boten-Tiere [getragene] Botschaft, die ich gebracht habe, ist diese : 115. Des Menschenzeitalters Welt wie soll man erschaffen?

der Menschen periode Welt wie soll man erschaffen?8

{lo\d-%worest Väterchen

bis ein eisiger Fisch, bis ein schneeiger Fisch kochen kann.

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DR. BERNHARD ML'NKÄCSI

[so lange Zeit] seinen Nacken er herabbeugte. 120. Als er seinen Nacken erhob, [so] spricht er:

„Des unbeweglich stehenden Waldbaumes Stamm

wenn ihn Ruten bewachsen: lass sie seine Ruten zerlretcn,

wenn ihn Gras bewächst: lass sie sein Gras zertreten,

sieben Söhne aus einer Gebärmutter mögen daraus erwachsen. 125. sieben Töchter aus einer Gebährmütler mögen daraus erwachsen!"

Oben-gehender-geflügelier-^Caim

Gold-3Cwores, seines Väterchens

silberangelige sieben Türen zu sieben er öffnete,

zu seiner S'oper-Fr&u, Aam»-Frau Mutter 130. also er herabstieg.

Als er herabgelangte,

TuZ'-ä/er-Tochter ihn fragt:

r Oben-gehender-geflügelter-Äai»i /

(lold-Hwores, dein Väterchen, 1.'15. was für eine Boten-Tier [getragene] Roischaft hat er dir gesagt?"

Oben-gehender-geflügelter-Äa/w spricht :

„Von Go\d-%wores deinem Vater, GoU\-Kwores deinem l'apa, gesagte Roten-Tier [getragene] Rotschaft ist diese : „Des unbeweglich stehenden Waldbaumes Stamm,

140. wenn ihn Ruten bewachsen: zertritt seine Ruten, wenn ihn Gras bewächst: zertritt sein Gras! Sieben Söhne aus einer Gebärmutter daraus erwachsen werden, sieben Töchter aus einer Gebärmutter daraus erwachsen werden. Hierauf J^-a/er-Tochter

1-15. des unbeweglich stehenden Waldbaumes Stamm,

wenn Ruten ihn bewuchsen: seine Ruten sie zertrat, wenn Gras ihn bewuchs: sein Gras sie zertrat; sieben Söhne aus einer Gebärmutter erwuchsen daraus, sieben Töchter aus einer Gebärmutter erwuchsen daraus.

150. Ihre aus einer Gebärmutter stammenden sieben Söhne, ihre aus einer Gebärmutter stammenden sieben Töchter, nachdem sie lange gelebt haben, oder nachdem sie kurze Zeit gelebt haben, können schon mit spitzen Holzpfeilen schiessen, so gross sind sie

geworden

155. Oben gehenden geflügelten Tieres

Herz zum Beben sie bringen :

unten wandelnden füssigen Tieres

Herz in Verzweiflung sie stürzen.

jr«r«/er-Tochter ihre Mutter 160. zu Oben-gebendem-geflügeltem-tfafm wieder spricht:

„Oben-gehender-geflügelter-Jftib/i /

Zu Go\d-Kwor&, deinem Väterchen

geh' hinauf du wieder! Trage ihn dies:

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KOSMOGONISCIIE SAGEN DER WOGULEN.

„Meine sieben Söhne au« einer Gebärmutter sind sieh! erwachsen. 166. meine sieben Töchter aus einer Gebärmutter sind sieh! erwachsen;

aber jetzt die essbaren Uutcnknospen (d. h. die tägliche Nahrung.»

woher sollen sie hernehmen,

die essbaren G rasknospen (wo) sollen sie suchen,

auf Herzspitze gehörigen (d h Hunger stillenden) schmackhaf- ten Bissen (wo) sollen sie suchen?"

Oben-gehender-geflügelter-ftafm 170. zu Gold Ktcores. seinem Vater wieder hinaufgeht.

Lange gieng er, oder kurze Zeit gieng er, woher weiss er es?!

An des Gold-ÄfroiVs-Väterehen bewohnten

silbei angeligen siebenlürigen Hauses Aussenseite

er wieder gelangte. 175 Die silberangeligen sechs Türen zu sechsen er öffnete,

die silberangelige siebente Iure zum siebenten er öffnete.

In des türversehenen Hauses Inneres er jetzt gelangte.

Goldrändige sieben Tische sieben stehen [dort| ;

neben goldrändigen sieben T sehen 180. (lo\d- Ktcores, sein Väterchen

auf goldfüssigem heiligem Trone sitzt;

sein goldknöpfiger heiliger Stab

ist an .»eine rechlseitige Wange geschmiegt.

Als Oben-gehender-geflügelter-'3\ alm 185. auf die Mitte der Diele des gedielten Hauses gelangte,

Gold Ktcores Väterchen sein Haupt erhob.

B0ben-gehender-geflügeller-7\alm,

was für eine Bolen Tier [gelragene] Botschaft hast du gebracht? .Was für eine Boten-Tier [getragene] Botschaft ich bringe? 190. Gold-ÄVom Väterchen, Gold- Ktcores Papachen?

Die Boten-Tier [getragene] Botschaft, welche ich gebracht habe.

ist diese:

XuV-äter-TochteT hat sieben Söhne aus einer Gebärmutier geboren, sie hat sieben Töchter aus einer Gebärmutter geboren; schon können sie mit spitzen Holzpfeilen schiessen, so gross sind

sie geworden;

195. oben gehenden geflügelten Tieres

Herz zum Beben sie bringen.

unten wandelnden nissigen Tieres

Herz in Verzweiflung sie stürzen :

jetzt die essbaren Rutenknospen wo sollen sie suchen, 200. die essbaren Grasknospen wo sollen sie suchen,

auf Herzspitze gehörigen schmackhaften Bissen wo sollen sie

finden ?B

Gold-Ktcores- Väterchen spricht :

„An das Gelände dichlbeholzten schwarzen Gestrüppes sieben Elentierkühe lasse ich herab, 205, sieben Elentierstiere lasse ich herab.

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DR. BERNHARD MUNKACSI

Wenn ich lenzigen langen Tag erschaffe, von bergenden Ruten her, von bergendem Gras her,

die essbaren Rutenknospen von da mögen sie suchen, 210. die essbaren Grasknospen von da mögen sie suchen,

auf Herzspitze gehörigen schmackhaften Bissen dort mögen sie

finden !

Ein Teil meines Landgebietes, ein Teil meines Wassergebietes, ist baumarmes armes Moor, ist grasarmes armes Moor, 215. grauhaarige viele Hischkälber lasse ich dahin herab. Wenn ich lenzigen langen Tag erschaffe, von bergenden Ruten her, von bergendem Gras her,

die essbaren Rutenknospen van da mögen sie suchen, 220. die essbaren Grasknospen von da mögen sie suchen.

auf Herzspitze gehörigen schmackhaften Rissen dort mögen sie

finden !

Ein anderer Teil meines Landgebietes, ein anderer Teil meines

Wassergebietes

ist an Nahrüng reiches Todten-Land, ist an Wasser reiches Todten-Land. 225. Die essbaren Rutenknospen von da mögen sie sucnen, die essbaren Grasknospen von da mögen sie suchen, auf Herzspitze gehörigen schmackhaflen Rissen dort mögen sie

finden!»

Jetzt Oben-gehender-geflügelter-'Kafrn zur seiner S'oper-Frau, %ami-Fr&\* Mutter 230. also herabsteigt.

XuV-äter-Tochter fragt ihn : «Oben-gehender-geflügelter-'Kafrw,

was für eine Boten-Tier [getragene] Rotschaft hast du gebracht ?" Oben-gehender-geflügelter-'JiaZm spricht : 235. „Die Boten-Tier [getragene] Botschaft, die ich gebracht habe,

ist diese :

Go\d-Kwores Väterchen, Gold- Kwores Papachen

an das Gelände dichtbeholzten schwarzen Gestrüppes

sieben Elentierkühe, sieben Elentierstiere,

sagte er, dass er herablassen wird, 240. auf baumarmes armes Moor,

auf grasarmes armes Moor,

grauhaarige viele Hirschkälber,

sagte er, dass er herablässt;

an Nahrung reiches Todten-Land 245. an Wasser reiches Todten-Land,

sagte er, dass er herablässt.

Wenn er lenzigen langen Tag erschaffen wird,

ISO

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K08M0G0N ISCHE SAGEN DER WOGULEN.

von bergenden Ruten her, von bergendem Gras her, 250, die essbaren Rutenknospen von1 da mögen sie suchen, die essbaren Grasknospen von da mögen sie suchen, auf Herzspitze gehörigen schmackhaften Bissen dort mögen sie

finden!-

Nun die von einer Mutter seienden sieben Söhne sieh, in das Gelände dicht beholzten schwarzen Gestrüppes

gehen,

255. sieben Elentierkühe, sieben Elentierstiere sie dort finden.

Hinter bergendem Gestrüppe [schleichend] nähern sie sich den- selben,

hinter bergendem Gras [schleichend] nähern sie sich denselben.

Der älteste Mann von ihnen mit dem Bogen schiesst :

die sieben Elentierkühe, die sieben Elentierstiere 260. mit einem abgeschossenen Pfeile [alle] er traf.

Gefrorenen Fettes Fülle fanden sie dort,

gekühlten Fettes Fülle fanden sie dort.

Aus rohem Felle Zwischenziehriemen sie dann machten,

auf zweiggekinnten kinnigen Schlitten luden sie auf. 265. und zu ihrer Mutter, der XuV~äter-]LOch\er kamen sie heim.

Nachdem sie [dort] lange gelebt haben,

oder nachdem sie [dort] kurze Zeit gelebt haben,

sieh, auf baumarmes armes Moor sie gehen,

sieh, auf grasarmes armes Moor sie gehen, 270. grauhaarige viele Hirschkälber sie dort finden.

Der älteste Mann unter ihnen

hinter bergendem Gestrüpp [schleichend] nähert sich ihnen, hinter bergendem Gras [schleichend] nähert sich ihnen. Sein einmal abgeschossener Pfeil 275. grauhaarige viele Hirschkälber in grosser Anzahl trifft. Gefrorenen Fettes Fülle sie wieder fanden, gekühlten Fettes Fülle sie wieder fanden; auf zweigkinnigen gekinnten Schlitten sie es wieder aufluden, zur A'wZ'-äter-Tochter, ihrer Mutter heim sie es schleppten.

280. Lange lebten sie, oder kurze Zeit lebten sie [dort],

einmal nur die von einer Mutter geborenen sieben Söhne

zur Xul'-äter- Tochter, ihrer Mutter sie sprechen:

„Gold- Kwor es . unser Väterchen

an Nahrung reiches Todten-Land erwähnt, 285. an Wasser reiches Todten-Land erwähnt;

dies an Nahrung reiche, an Wasser reiche Todten-Land

zu suchen gehen wir weg.

Bis wir zurückgehen,

einspündige sieben Kessel [Hirsebier] braue (rühre) I 290. Wir lassen unsere Hände ruhen, lassen unsere Füsse ruhen."

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DR. BERNHARD MUNKÄCSI

Die von einer Mutier geborenen sieben Männer

jetzt das Todten-Land aufzusuchen gehen.

Lange giengen sie, oder kurze Zeit giengen sie,

in eine baumarme arme Gegend gelangten sie hinaus. 295. in eine grasarme arme (legend gelangten sie hinaus,

an des Jä/utmen [Sees] Ufer gelangten sie hinaus.

Auf den Jäx-uttnen-See sie blickten:

eisenbrüstige sieben Taucherenten

zu sieben sich wiegen [auf den Wogen], 300. eisenbrüstige sieben Taucherhühner

zu sieben sich wiegen [auf den Wogen].

Der älteste Mann unter ihnen spricht :

»Hinter bergendem Gesträuch werde ich selbst mich an sie her- anschleichen.

hinter bergendem Gras werde ich selbst müh an sie heran- schleichen ;

305. bis ich meinen Pfeil nicht loslasse, Pfeile nicht lasset ihr los, bis ich meinen Hogen nicht abspanne, ihr euere Bogen nicht

spannet ab!"

Hinter bergendem Strauche schleicht er sich jetzt an sie heran,

hinter bergendem Grase schleicht er sich jetzt an sie heran

Auf bugigen (gekinnten) Bogens Bug kaum legt er seinen Pfeil : 310. hinter ihm des jüngsten Mannes

seidener Sehne zitternder Ton erklingt.

Der eisenbrüstigen sieben Taucherenten

Brüste hat er nur blutig gestreift ;

der eisenbrüstigen sieben Taucherhühner 315. Brüste hat er nur blutig gestreift.

Mit blutigen Brüsten die sieben Taucherenlen

kranichfüssige (viel mündige) viele Flüsse

in grosser Anzahl entlang laufen ;

mit blutigen Brüsten die sieben Taucherhühner 320 kranichfüssige viele Flüsse

in grosser Anzahl entlang laufen;

der siechtumlosen Erde Gebiet

mit Siechtum überschwemmten sie also;

der krankheitlosen Erde Gebiet 325. mit Krankheiten überschwemmten sie also.

Der älteste Mann schilt [ihn];

„Wenn ich geschossen hätte auf sie,

diese eisenbrüstigen sieben Taucherenten,

diese eisenbrüstigen sieben Taucherhühner. 330 wie Frühjahrsfische auf einen guten Birkenstab,

so hätte ich sie aufgespiesst alle [auf meinen Pfeil];

wie Herbstfische auf einen guten Birkenstab,

so hätte ich sie aufgespiesst alle [auf* meinen Pfeil]

Jetzt hast du der siechtumlosen Erde Gebiet

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KOSMOGONISCHE SAGEN DER WOGULEN.

335. mit Siechtum, sieh! überschwemmt, ihr krankheitsloses Gebiet mit Krankheiten, sieh! überschwemmt

Zur A'ur-afcV-Tochter, ihrer Mutter

jetzt zurück sie sich wenden. 34-0 Lange giengen sie, oder kurze Zeit giengen sie,

Zur ATu r-ä/er-Tochter, ihrer Mutter heim sie gelangten.

Die einspundigen sieben Kessel Hirsenbier waren bereifet.

Die von einer Mutter geborenen sieben Söhne nun zechten.

Lange zechten sie, oder kurze Zeit zechten sie, sie wissen es nicht. 345 Als sie [aus ihrem Schlafe] erwachten,

war der älteste Mann im Rausche wahnsinnig geworden.

Sein selbst getragenes dichtringiges Ringpanzerkleid

in kleine Stückchen zernagte er;

Huf seine eigenen Füsse. auf seine eigenen Hände spie er sie hin. 350. Des Wiesentieres (Bären) haariger Pelz ist daraus entstanden. Den mit sieben Pfeilen versehenen Ring -Köcher in kleine Stückchen zerbiss er;

aut seine eigenen Füsse, auf seine eigenen Hände spie er sie hin. Des Wiesentieres fünfhackige Hackenpfolen (fünfkrallige Vorder-

füsse) sind daraus entstanden, 355 des Wiesentieres fünfhackige Hackenstiefel (fünfkrallige Hinter-

füsse) sind daraus entstanden.

Sein goldquastiges Schwert

in kleine Stückchen er zerbrach;

des Wiesentieres zehnzähniger gezähnter vielastiger Pfeiler (Mürtd)

ist daraus entstanden. In unwegsamen Waldes, dunklen Waldes Versteck entfernte er sich.

Wanderzeichen der Zigeuner.

Von Dr. Heinrich v. Mlislocki.

Indem die Milglieder ein und desselben Zigeunerstammes wäh- rend der Zeit ihrer sommerlichen Wanderfahrt nur in den seltensten Fällen alle zusammen bleiben können, sondern in einzelne Familien- sippen (gakkija) getrennt unter der Führung eines Sippen Vorstandes (gakko) ihre Wandergebiete durchziehen, so ist es beinahe selbstver- ständlich, dass die Wanderzigeuner sich gewisser geheimer Zeichen bedienen, die sie an den Wegen, welche sie zurücklegen, aufstecken, um ihre nachfolgenden Stammesgeno^sen von diesem oder jenem Vor- fall, Freignis oder von irgend einer Absicht, irgend einem Plane be- nachrichtigen, verständigen zu können. Dies? Wanderzeiehen mögen aus aller Zeit herstammen, als die Zigeuner noch ein ganzes, zusara-

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DR. HEINRICH V. WL1SL0CKI

menhängendes Volk bildeten, wenigstens mögen sie noch aus der Zeit herrühren, wo die Zigeuner Mitteleuropa noch nicht überschwemmt hatten und noch diesseits der Donau herumschweiften Dafür spricht schon der Umstand, dass fast alle Wanderzigeunerstiimme Europa's mit wenigen Abweichungen dieselben Wanderzeichen gehrauchen. We- nigstens gilt dies für die Zelt/igeuner Ungarns. Siebenbürgens, Polens, Serbiens, Rumäniens, der Türkei. Damit eben keine Verwirrung statt- finden kann, wenn zufälligerweise Mitglieder verschiedener Stämme ein und dasselbe Gebiet durchwandern, so hat jeder Stamm noch beson- dere Abzeichen, die von seinen Mitgliedern den betreuenden Wander- zeichen beigefügt werden, damit die Vorüberziehenden jedesmal wissen sollen, ob diese Zeichen ihnen, oder Mitgliedern eines anderen Stam- mes gelten. Ausser diesen Stammeszeichen hat noch jedes hervorra- gende Mitglied ein besonderes Zeichen, das in dem Kalle dem Wan- derzeichen beigefügt wird, wenn der Bet reffende allein wandert, wenn er z. B. als Kundschafter der Sippe vorausgeschickt worden ist. Der Vorstand jeder Sippe und der Wojvode jedes Stammes haben oben- drein noch ihre besonderen Zeichen

Das allereinfachste Wanderzeichen besteht demgemäss: 1. aus dem Wanlerzeichen selbst, 2 aus deru Stammesabzeichen, 3. aus dem Abzeichen des Sippenvorstandes, eventuell des Wojvoden, und in be- sonderen Fällen 4. aus dem Ab/.eichen des eventuell allein irgendwo- hin voraus-entsendelen Mitgliedes. Diese einzelnen Zeichen bilden zu- sammen das Wanderzeichen, dessen jedem einzelnen Bestandteile noch 5. ein besonderes Zeitrechnungszeichen, Kalenderzeichen beigefügt ist, um die Zeit anzugeben, wann das Wanderzeichen aufgesteckt worden ist. Ich nenne diese Zeichen blos aus dem Grunde Wanderzeichen u, weil dieselben von den Zigeunern eben nur in den milderen Jahres- zeiten, während ihrer Wanderfahrten gebraucht weiden. Im Winter, wo gewöhnlich der ganze Stamm sich vereinigt oder auf einem enger begrenzten Terrain in den „Winterquartieren*, die gewöhnlich Krdhöh- len sind, sich befindet, werden diese Zeichen höchst selten gebraucht. Die Zigeuner Ungarns. Siebenbürgens und Rumäniens nennen diese Wanderzeichen : sikajimako, die serbischen und türkischen Zigeuner hc'ssen sie : ciWtfr/je»=Erwartung, die deutschen dagegen : sikerpas- kero— Zeichen.

Solche Wanderzeichen, wenn sie auch von Mitgliedern eines fremden und öder befeindeten Stammes herrühren, darf kein Zigeuner zerstören. Sie sind durch den Volksglauben geheiligt, denn wer solche Zeichen zerstört, den trifft all' das Unglück, welches denjenigen be- stimmt war, denen das Zeichen galt. Nur diejenigen dürfen die betref- fenden Wanderzeichen zerstören, denen sie eben gelten. Wer aus Uebermul sie vernichtet, wird wenn Fein Vergehen bekannt wird für „beschimpft" (melales) erklärt und aus dem Stamme ausgegossen. Wird er nach getaner Busse und nach Zahlung einer zigeunerischen Vermögensverhällnissen angemessen bedeutenden Geldsumme in den Stamm wieder aufgenommen, so verliert er doch für immer sein eige-

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WANDERZEICHEN DER ZIGEUNER.

nes Abzeichen, sobald er ein solches besitzt ; eine Strafe, die un- ter die moralisch empfindlichsten gehört, welche einen Wanderzigeu- ner treffen können Ein eigenes, vom Wojvoden verliehenes Abzeichen zu besitzen, ist vielleicht der höchste Wunsch jedes Zigeuners. Es schmeichelt eben seiner Eitelkeit, zum Chor der Auserwähten zu ge- hören. Merkwürdig, diese Abzeichen entsprechen ihrer Natur nach im zigeunerischen Staatwesen si licet verbum unseren Orden und anderweitigen Auszeichnungen, w*nn sie auch mit einem recht prakti- schen Zweck verbunden sind. Nur der Wojwode des Stammes kann solche Abzeichen verleihen. In öffentlicher Sitzung, die gewöhnlich nur zur Winterzeit abgehalten wird, wo eben alle Mitglieder des Stammes beisammen sind, oder sich wenigstens nahe zu einander befinden, erklärt der Wojvode : dieser oder jener habe seiner Familie oder Sippe, oder diesem und jenem Stammesmitgliede, somit auch dem gan- zen Stamme, diesen oder jenen wichtigen Dienst erwiesen, wodurch er (der Wojvode) sich bemüssigt fühle, ihm ein besonderes Abzeichen zu verleihen. Der Wojvode erklärt nun die Form des verliehenen Abzei- chens, worauf eine allgemeine Zecherei auf Kosten des Ausgezeichne- ten folgt. Sobald der Wojwode bei einem seiner noch nicht „beab- zeichneten* Untergebenen eine bedeutendere Geldsumme spürt, die eben für eine etwas anhaltende, allgemeine Zecherei genügt, so ver- leiht er dem oder der Betreffenden nolens volens ein „Abzei- chen." --. r Früher war es anders," meinte ein serbischer Wanderzi- geuner, namens Milivoj Raöicic, „da hatten nur wenige besondere Abzeichen ; denn der Wojvode durlte nur auf Verlangen des ganzen Stammes einem seiner Zigeuner ein solches Abzeichen verleihen. Heut- zutage tut er es nach eigenem Willen und gibt wem immer Abzeichen, ohne den Stamm zu fragen. Wir haben jetzt so viele Leute im Stam- me, die Abzeichen besitzen, dass wir uns bald einen Pfarrer halten müssen, der uns alle diese Abzeichen aufschreibt, damit wir nicht vergessen, wer dieses Abzeichen hat und wer jenes !tt

Bezüglich der unerlaubten Zerstörung der Wanderzeichen er- zähle mir Herr Franz Sulok, damals Fleischer in Hezdan (Südungarn) folgenden Fall : Zur Zeit des russisch-türkischen Krieges kamen Wan- derzigeuner aus Serbien und Bosnien schaarenweise über die Donau nach Südungarn. Kein Tag vergieng einige Wochen lang, wo nicht 20 30 Zigeuner durch Bezdan gezogen waren. Anlangs waren den Ein- wohnern diese durchwandernden Zigeuner, die sich von da nach Sla- vonien zu verstreuten, höchst unlieb: die Gensdarmcn halten vollauf zu tun ; später aber waren sie willkommen, denn sie Hessen durch ihre Einkäufe ziemlich viel Geld in Bezdan. Da Iraf es sich einmal, dass zwei Sippen verschiedener Stämme sich in dieser Ortschaft an- trafen. Es kam zu einem mörderischen Gemetzel. Ein Teil wurde ar- retiert, ein Teil aber entkam. Die Verhafteten gaben an, dass ihre Geg- ner die Wanderzeichen vernichtet oder verstellt hüllen, um sie auf unrichtige Fährte zu führen.

Die von deo Wojvoden den Sippenvorständen und einzelnen

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DR. HEINRICH V. WLISLOCKI

Stammesmitgliedern verliehenen Abzeichen bestehen : aus einer ge- wissen Anzahl von Längs- oder Quer- oder Kreuzschnitten in Holz ; einer gewissen Anzahl von Pferdehaaren, Schweineborsten, Bohnen, Kürbisskernen, Stechapfelsamen, Strohhalmen, einer gewissen Anzahl von Rissen in Tuch- oder Leinwandlappen; ferner in besonderer Art zugespitzten, abgeschälten, oder aufgeschlitzten und gespaltenen oder geflochtenen Ruten und H >lzern ; in mit Kohle angebrachten Zeichen und Figuren

Die Wojvoden wühlen sich gewöhnlich Farben zu ihrem Abzei- chen, während das des ganzen Stammes gewöhnlich aus der Lage und Stiuetur überhaupt des ganzen Wanderzeichens erkenntlich wird.

An jedem Kreuzwege, jedem einzeln stehenden Räume oder Strauche, an allen bedeuienderen Krücken und Hohlwegen, ebenso an den Lagerstätten wird von den Wanderzigeunern ein Wanderzeichen zurückgelassen. Gewöhnlich wird ein Zweiglein mit drei Nebenzweigen in die Erde gesteckt, so dass der mittlere die Richtung anzeigt, welche die betreffenden Zigeuner genommen. Oder es werden in die Seite eines Raumes, welche der genommenen Richtung zugekehrt ist, eine bestimmte Anzahl von Schnitten gemacht; oder an einen Ast Fetzen gehängt; Steine, mit Strohhalmen umwickelt und übereinander geschich- tet, werden auch als Wanderzeichen benutzt, wobei drei, sich den übereinander geschichteten Steinen anschliessende Steinchen die ge- nommene Richtung anzeigen. Gewöhnlich wird in die nächste Nähe duser Zeichen Mist und dergleichen geworfen, damit sie von Unein- geweihten nicht so leicht vernichtet werden können. Am gebräuchlich- sten sind die Fetzen und man mag sich nicht im Geringsten darüber wundern, wenn man Zigeuner auch den allerwertloseslen Lappen auf- klauben und autbewahren sieht ; sie verwenden ihn eben zu Wander- zeichen.

Was die an diese Wanderzeichen angefügten Zeilrechnungs- oder Kalenderzeichen anbelangt, so müssen wir vorausschicken, dass alle christlichen Zigeunerstämme der oben erwähnten Länder die Zeit nach den drei Haupt festen der Kirche und dem Set. Michaelstag rechnen und zwar das Jahr in vier Teile teilen und die Zeit nach den ver- flossenen Sonntagen bestimmen ; z. H der siebente S nntag nach Weihnachten der zweite Sonntag nach Set-Michaeli usw , denn nach Verlauf eines der obigen Feierlage beginnt man stets die Zeit mit dem ersten Sonnlag zu rechnen. Beispiele werden dies Verfahren der Wan- derzigeuner am besten erläutern.

Wenn z. R. der Wojvode des oberungarischen (marmaroscher) Wanderzigeuncrslammes, der sogenannten „Renate", seinen nachfol- genden Genossen kund geben will, dass er da und da am Mittwoch nach dem fünften Sonnlag nach Pfingsten gewesen sei, so mucht er folgendes Zeichen : ein Fetten wird in der genommenen Richtung an einen Baum gehängt : in den Fetzen sind mit roter Wolle (dem Ab- zeichen des Wojvoden) lünt Nähstiche (die lünl Sonntage) der Länge nach und drei Niihsiiche mitten durch die lünfe dor Quere nach ge-

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WANDERZEICHEN DER ZIGEUNER.

macht (die drei Wochentage). Solche Fetzen fand man Ende Juli die- ses Jahres vom erwähnten Wojvoden herrührend, auch in A. Herr- manns Badorte Jegenye. Die Fetzen waren mit 10 Nahstichen der Länge nach und mit vier Nähstichen der Quere nach versehen und obendrein mit Menschenkot eingeschmiert. Diese Fetzen sollten den nachfolgenden Genossen die Nachricht geben, dass der Wojvode den Badeort Donnerstag nach dem zehnten Sonntag nach Pfingsten (also am 30. Juli) passiert habe, und der Menscheakot sollte Kunde vom Erfolg seines Unternehmens geben, d. h. dass er die Schweine des Stammes auf dem Jahrmarkt zu Bänffy-Hunyad verkauft habe.

Um nicht our die genommene Richtung den nachfolgenden Stamm- genossen anzugeben, sondern ihnen auch gewisse Nachrichten von all- gemeinem Interesse zukommen zu lassen, werden diesen Wanderzei- chen in letzterem Falle auch noch bestimmte Gegenstände beigefügt. Sind die Zeichen zum Teil mit Kuhdünger eingeschmiert, so bedeutet dies, dass man sich in dieser Gegend vor den Behörden in acht zu nehmen habe; ganz mit Kuhdünger eingeschmierte Zeichen zeigen an dass man. wegen Diebstahl u. dgl. verfolgt werde, daher jeder auf der Hut sein soll. Mit Menschenkot eingeschmierte Zeichen bedeuten Erfolg in den Unternehmungen, überhaupt etwas Gutes von allgemei- nem Interesse. Ein Fliederzweig an das Wanderzeichen geheftet, be- deutet: dass jemand der betreffenden Sippe erkrankt sei. Je mehr so- genannte „ Äuglein- (jakhort) d. h. Blattknospen oder Blattstellen der Zweig hat, desto schwerer oder gefahrlicher ist die Krankheit. Um mitzuteilen, wer erkrankt ist, wird an den Zweig das Abzeichen des betreffenden kranken Mitgliedes angeheftet; wenn dies Mitglied aber selbst kein Abzeichen besitzt, so wird das seines nächststehenden Ver- wandten angeheftet, indem man dasselbe doppelt, dreifach, vierfach an den Zweig neben einander bindet. Zwei Abzeichen bedeuten den Sohn, drei das Enkelkind usw. Ist ein Weib, das kein Abzeichen hat, er- krankt, so werden die Abzeichen des nächsten Verwandten oder wenn sie verheiratet ist, des Gatten. nicht nebeneinander, sondern aufeinander gelegt und so am Zweige befestigt. Auf gleiche Weise wird in solchen Fällen auch bei anderen Nachrichten verfahren.

Ein Birkenzweig bedeutet, dass der oder jener von der Behörde abgefangen worden ist ; ein Weidenzweig dagegen zeigt Familienver- mehrung an. Wenn das Kind ein Knabe ist, so bindet man an den Weidenzweig einen roten, wenn es ein Mädchen ist einen weissen Wollfaden. Ein Tannenzweiglein zeigt Vei lobung und ein Eichenzweig die Rückkehr eines Mitgliedes der betreffenden Truppe den nachfol- genden Genossen an. Fell- und Lederstücke bedeuten, die Zusammen- kunft in wichtiger Angelegenheit beschleunigen zu wollen. Wann und wo diese Zusammenkunft stattfinden solle, wird den Nachfolgenden auf folgende Weise bekannt gegeben : Man zeigt die Zeit der beabsichtig- ten Zusammenkunft durch Nähstiche in das Fell- oder Lederstück an, indem dabei jeder Stich der Länge nach einen der oben erwähnten Sonntage, jeder Querstich aber einen der Wochentage angibt. Der Ort

n«rrqiann. BthoologiHche Mitteilungen, IL 137 10

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Uli. HEINRICH V. WLISLOCKJ

wird also angegeben: Es werden in das Fell- oder Lederst ück qua- drat- oder kreisförmige Löcher geschnitten. Ein quadratförmiges Loch bedeutet die dem Wanderzeichen zunächst liegende Stadt ; zwei drei solcher Löcher die zweit-, drittnächste Stadt. Die kreisförmigen Löcher zeigen Dörfer an. Liegt zwischen dem Platze, wo das Wanderzeichen sich befindet, und dem Dorfe, wo die Zusammenkunft staufinden soll, eine Stadt, so wird dies durch ein an bei reffender Stelle zwischen die kreisförmigen Löcher angebrachtes, quadratförmiges Loch angezeigt ; z. B. drei kreisförmige Löcher, dann ein quadratförmiges Loch und wieder zwei kreisförmige Löcher zeigen an, dass in dieser Richtung drei Dörfer, eine Stadt und dann noch zwei Dörfer, respective ein Dorf passiert werden muss, um an den Ort der beabsichtigten Zusam- menkunft zu gelangen. Das letzte Loch zeigt immer den Zusammen- kunftsort an. Sobald ein Dorf passiert worden ist, so wird in das Wan- derzeichen immer ein Loch weniger eingeschnitten.

Ein Büschel Schweinehorsten an die Wanderzeichen gebunden, bedeutet r grosses Glück" (baro ba^t), das der Truppe bevorsteht (vgl. die deutsche Redensart: „Er hat ein Schweinsglück "); ein Büschel Hundehaare aber mahnen die Nachfolgenden, die Richtung ihrer Reise schleunigst abzuändern. Jede Sippe (gakkya) hat ausser ihrem Sippen- namen auch noch eine Nummer, erste, zweite, dritte usw. Sippe. Will nun z. B. die erste Sippe der dritten mitteilen, dass ihr Gefahr drohe und sie die Wanderroute abändern solle, so werden in die Hunde- haare drei krepierte Käter gewickelt. Kommt nun an das Wanderzeichen z. B. die vierte Sippe, so weiss dieselbe, das nicht ihr, sondern der dritten Gefahr drohe und lässt das Zeichen unberührt. Glasscherben neben den Wanderzeichen zeigen den Verlust eines Tieres an; sind dieselben winzig klein, so bedeutet das, dass das Tier krepiert, wenn sie aber gross sind, so zeigt dies an, dass das Tier gestohlen worden sei oder sich verirrt habe. Sind die Glasscherben rein, so ist das Tier ein Ross; sind sie aber mit Kuhmist beschmiert, so ist das betreffende Tier ein Schwein.

Graphische Zeichen mit Kohle gemacht, bringen die Zigeuner nur an den Gebäuden derjenigen Ortschaften an, welche sie passieren. All- gemein gebräuchliche Zeichen sind: 1. ein Kreuz, bedeutet: dass hier nichts zu holen sei; 2. ein Doppelkreuz=Niderträchtixkeit (diungiben) d. h. unmenschliche Behandlung ; 3. ein Kreis— Geschenk ; 4. ein Dop- pelkreis=sehr gute Leute; 5. zwei Längstriche und zwei Querstriche^ hier wohnt der Richter oder eine Amtsperson; 6. zwei Kreuze und zwei Striche unter dieselben-=hier werden die Zigeuner eines Dieb- stahls beschuldigt; 7. mehrere vertikale Linien=hier haben wir gefun- den (kathe hadsiljami, d. h. hier haben wir etwas gestohlen ; 8. ein Dreieck— hier kann man durch Kartenaufschlagen usw. (ield verdienen ; 9. ein Kreis und in der Kreisfläche ein Kreuz=machet hier (aus Ra- che) Schaden! (keren paguba!); 10. zwei schlangenförmige Linien=» die Frau mochte Kinder haben: 11. zwei vertikale Linien «vt einer schlangenförmigen verbunden = die Frau möchte keine Kin-

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WANDKRZEICHEN DER ZIGEUNER,

der mehr gebären; 12. zwei schlangenförmige Linien durch einen Kreis zogen«=hier starb eine alle Frau ; durch zwei Kreise gezogen «hier starb ein alter Mann; sind in den Kreisen Punkte angebracht, so heisst es: infolge Todesfall Zwist wegen Erbschaft; 13. eine schlan- genformige Linie, die ein Dreieck durchschneidet = Tod des Hausherrn ; 14. zwei solcher Linien durch ein Dreieck Tod der Hausfrau ; 15. zwei Kreuze und dazwischen eine schlangen förmige Linie Treulosig- keit der Frau; t6. zwei schlangen form ige Linien und dazwischen ein Kreuz=Treulosigkeit des Gatten; 17. eine vertikale Linie darunter eine horizontale Linie und unter dieser ein Kreuz=Heiratsprojecte.

Diese Zeichen werden an solchen Stellen der Hauswände, der Einfriedigung, der Tore nsw. angebracht, wo sie Uneingeweihten we- niger auffallen. Diese Zeichen bewirken z. B., dass die Aussagen ver- schiedener Zigeunerinnen beim Kartenaufschlagen in den meisten Fäl- len im Grossen und Ganzen übereinstimmen.

Curort Jegenye (Siebenbürgen), August 189:.

Kosmogonische Spuren in der magyarischen Volksüberliefe- rung.

Von Ludwig Kdlnuiny. II.

Vom Sündeniall.

Der Sündenfall ist den Traditionen gemäss nichts anderes, als die Umwandlung der Geschöple in weniger vollkommene Wesen. Eine ungarische Sage erzählt:

Der Teufel betrog den armen Menschen auf jede Art und Weise; darüber beklagte sich der arme Mensch. .Na, ich helP dir aus der Klemme!0 meinte der Teufel, „beklag' dich nicht, armer Mensch; komm1, gehen wir stehlen!" Sie giengen in den Stall einer Herrschaft. Der arme Mensch getraute sich nicht zuzugreifen, damit das Schwein nicht schreie. „Fürchte dich nicht, ich halte ihm das Maul zu!- Es schrie auch kein einziges. Sie warfen die Schweine aus dem Stalle heraus, wobei der Teufel einem jeden Tiere den Schwanz nach rechts drehte. Der arme Mann konnte kaum ein einziges hinaus werfen, als der Teufel bereits alle hinaus geworfen hatte. Als schon alle draussen waren, sprach der Teufel: „Nun, armer Mann, hast du sie bezeich- net?" — „Ja!" rWas für ein Zeichen hast du ihnen gegeben?" „Ich habe ihren Schwanz nach rechts gedreht!* und dies hatte nicht er, sondern der Teufel getan. Sie begannen nun nachzusehen, und da war nur ein einziges, dem der Schwanz nicht nach rechts gedreht war. Der Teufel packte dies Schwein an, und warf es so gewaltig in die Theiss, das es zu Nichts ward. Seit der Zeit ist der Schwanz eines jeden Schweines nach rechts gedreht " (Majdän.)

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LUDWIG KALMlNY

Eine andere unserer Daten erzählt, dass früher die Rinder die Fliegen von ihrem Leibe nicht abzuschütteln brauchten, sondern die Mittagsruhe geniessen konnten ; der Hirte konnte auch rasten. Christus kam einmal herbei und bat den Hirten um Milch, doch dieser war zu faul aufzustehen. Weil der Hirte bösherzig war, müssen die Rin- der, obwol sie nichts verschuldet, die Fliegen von sich treiben. l) Eine andere Sage berichtet:

„Der heilige Erzengel Michael warf auf Befehl Gottes alle Bösen aus dem Himmel herab. Der Erzengel tat dies so lange, bis unser Herrgott nicht .Amen !' sagte. Als unser Herrgott das ,Amen !' aus- sprach, konnte keiner weiter fallen : der eine hängt an den Füssen in der Hohe, dem anderen ragt noch der halbe Kopf aus der Erde, in die er versunken. Darum soll der Mensch, wenn er strauchelt, nicht lästern, denn es kann eben ein solcher Teufelsscheitel sein, der ihn straucheln machte, und wenn er dann flucht, kann er am Fuss ein ernstes Übel bekommen " (Ö.-Szent-Ivän.)

In den Altajer Schöpfungssagen besiegt Mandi-Sire den Ärlik und dessen Schar, von denen jeder da blieb, wohin er eben fiel. a) In der Variante der Bukovinaer Ungarn gibt Gott dem heil. Elias den Auttrag 40 Tage und 40 Nächte hindurch zu donnern und zu blitzen, und 40 Tage und Nächte hindurch fiel der Regen, und alle Teufel „fielen herab u Als auch die Engel schon begannen herabzufallen, stellte (Jott Elias1 Werk ein, und wo in dem Augenblick die Teufel sich eben befanden, in derselben Stel'ung blieben sie bis auf den heuti- gen Tag. Von daher kommt es, dass man nachts .Funken* sehen kann, die jetzt hie und da zur Erde herabfallen. (Sternschuppen). *)

In anderen Sagen erscheinen die gefallenen Wesen* als sich „schüttelnd-rüttelnd". demzufolge auch die Luft erzittert :B

p Nachdem auf Befehl Gottes alle stolzen Engel aus dem Himmel her- abgestürzt waren, sprach er sein „Amen!" Dann war einer oder der an- dere in der Luft, der andere wieder in der Erde, der dritte wieder auf der Erde. LTnd als unser Herrgott das „Amen!" sprach: blieb jeder dort, wo er war. Und aus diesen wurden die Gespenster. Dann, wenn sich die Luft wie die Espenblätter bewegt dann spielen sie einmal frei im Jahre miteinander." (Szöreg).

Ferner heisst es: .Als unser Herrgott noch auf Erden war, be- stürmten ihn die Engel gar sehr. Als Gott wieder in den Himmel stieg, so Hess er sie herabwerfen. Im Fallen hielt sich Lucifer am Monde fest, und seither kann man ihn dort sehen. (Temesköz-Lörinczfalva). Die Osselen erblicken gleichfalls ein .höheres" Wesen, einen Dämon im Monde »i

Beim Fall der höheren Wesen gedenken die Traditionen auch der „Feen", „die so lange sie mit sterblichen Menschen noch keinen

»1 In des Verf. ungarischem Werke: „Szeged nepe" (Szeged's Volk) II. 140. >) Radioff a. a. 0. I 181.

»j Wolf, Zeitschrift t. deutsche Mythologie I. 180 *) Ausland 1884. S. 884.

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KOSMOGONISCHEK SPUREN IN DER MAGYARISCHEN VOLKSCHERLIEFERUNG.

Umgang gepflogen, in der Luft schweben." (Szeged-Kirälyhalom). Aehn- lich der Fall des ersten Menschenpaares in der Ueberlieferung der Neger. J) Die ungarische Tradition erzählt: „Als Ad im und Eva noch im Paradiese waren, sprach die Schlange aus dem Waaser zur Eva: sie solle sich vom verbotenen Baum eine Frucht pflücken. Als sie beide schon gegessen hatten, Hess sie Gott durch Engel mit Schwer- tern hinaustreiben. Vordem hatten die Menschen Flügel und konnten fliegen ; nachdem sie aber gesündigt hatten, konnten sie nicht mehr fliegen." (Magyar-Kanizsa). a)

Ueber die Unersättlichkeit des ersten Menschen erzählt die un- garische Ueberlieferung: „Als Gott den Adam aus dem Paradiese ver- trieb, befahl er ihm, sein Brot sich im Schweisse seines Angesichtes zu verdienen. Er gab ihm eine Haue, damit er um sich herum einen Kreis haue, aus dem er nicht heraustreten dürfe; die Früchte, (die im Kreise gedeihen) werden ihm für ein Jahr genug Nahrung bieten. Sie hätten auch ausgereicht, denn damals wuchsen nicht solche Aehren wie jetzt, sondern der ganze Halm war eine Aehre. Da aber Adam unersättlich war, machte er sich einen langen Stiel in die Haue, da- mit er weiter reiche. Auch das sah ihm unser Herrgott nach; im nächsten Jahre aber wollte Adam noch mehr, und trat aus dem Kreise. Als er heraustrat und mit der Haue rodete, sprach Gott: „Nun also Adam, du begnügst dich nicht mit dem, was iqh dir gegeben habe; auch deine Nachkommenschaft soll ungenügsam sein!" Seit der Zeit gedeiht der Weizen nicht mehr so gut, wie er früher gediehen ; jetzt kann der Mensch die ganze Erde bebauen, kann sich plagen und ab- quälen wie ein Pferd, und doch hat er nie genug." (Szöreg.) Nach einer Tradition aus Magyar-Kanizsa beredet der Teufel den Adam dazu, dass er um eine Furche mehr anbaue, als ihm Gott gestattet hatte, worauf nicht der ganze Halm Aehren gedieh, wie früher, son- dern nur bis zur Hälfte. Auch dann noch gab sich der Teufel keine Ruhe, und beredete den Menschen, dass er noch mehr sae, was zur Folge hatte, dass nur so kleine Aehren gediehen, wie sie eben auch heutigen Tages zu sehen sind. Der Weizen kommt in den ungari- schen Traditionen häufig vor. „Auf dem Weizen heisst es sieht man nur seit der Zeit Christi Bild, seitdem er sein Antlitz in das Tuch der Veronika gewischt hat. Damals sagte er : damit ihr es ewig im Herzen behalten möget, so lasse ich es auch an euerem Brote (am Weizen) zurück; desshalb darf man auf das Brot nicht treten." (Szöreg). Eine Tradition aus dem Borsoder Comitat erzählt, dass Gott sein Antlitz deshalb auf den Weizen abgedrückt habe, damit die Menschen desto leichter die ihnen verliehene Nahrung erkennen mö-

') Ausland 1859. S. 1132.

») S. Weil, Bibl. Legenden der Muselmänner S. 22—28. Pallas, Samml. hi- storischer Nachrichten über die mongolischen Völkerschaften II. 27 ; Schanang Sche- uen, Geschichte der Ostmongolen (Ibers, von Schmidt 5—7; Radioff, das Schama- nentmn u. sein Kuhns 3.

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LUDWIG KÄLMANT

gen. Nach anderen Ueberlieferungen kann man am Weizen Maria'» Bild sehen, (s. Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn I. S. 173). Die deutschen Einwohner von Nagy-Szent-Miklös sehen am Weizen Maria mit dem Jesuskindlein auf ihrem linken Arm, und erklären sich dies so, dass als Christus auf Maria's Bitten auch dann noch für Hun- de und Katzen Weizen übrig liess, trotzdem er ein Weib den Weizen verschwenden sah, er zum Andenken daran sein Bildnis dem Weizen aufdrückte. Mit Bezug auf den Missbrauch, den eine Frau mit dem aus Weizenmehl gebackenen Kuchen (längos) trieb, heisst es: .Ab Christus auf Erden wandelte, waren reichliche Weizenernlen, da war aber eine Frau, die hatte ein kleines Kind, das weinte in der Wiege, als die Frau grade buk. Sie formte die Kuchen, schob sie (in den Ofen): einen schob sie hinein, den anderen zog sie heraus. Das Kind hörte nicht auf zu weinen; sie hob das Kind auf; das Kind hatte sich besudelt. Was soll sie in der Eile tun; sie wischt das Kind mit ei- nem Kuchen ab. Gott hatte den Weizen so geschaffen, dass er drei Finger breite Aehren hatte, und solche Triebe besass, wie .der Lein. Damals verfluchte Gott das Kind und die Frau, und liess nur eine (einfache) Aebre zurück; auch die erhaschte eben nur die Katze und hielt sie zurück. Da sprach Gott: „Mit dem sollt ihr euch begnügen, was die Katze zurückgerafTt hat." (Szöreg) In einer Variante aus Ö-Szent-Ivan heisst es, dass eine Frau mit Weizen, und nicht mit Ku- chen also getan habe worauf jeder Halm, der früher drei Aehren ge- tragen, ') nur eine Aehre trieb. In Szeged, in der Kirälyhalomer Ge- gend erzählt man, dass Gott „nach der Tat der Frau nichts vom Wei- zen zurücklassen wollte; darauf habe Set. Peter eine Handvoll Wei- zen für die Hunde und Katzen zurückbehalten; davon leben wir." Tn einer Variante aus Felegyhäza tut dies die heil. Maria. In Sagüj- falu glaubt man, dass „als Gott die Weizenähre nach aufwärts zog (streifte), Maria die Spitze derselben ergriffen habe, damit für die Hunde etwas übrig bleibe. *) Mit Bezug auf das Vergehen der Frau erzählt eine Sage der Voljaken: „In Urzeiten warf ein 3 Frau die schmutzigen Windeln des Kindes auf den früher tief herab hängenden Himmel, auf dem der Gott herumgieng Seitdem ist der Himmel unendlich hoch em- porgerückt und der Kornhalm, der früher von der Wurzel bis zur Spitze mit Aehren dicht besetzt war, treibt jetzt nur an der Spitze eine magere Aehre, und auch die nur nach schwerer Mühe." *) In einer Sage der Neger heisst es, dass ein Weib den tief herabhängen- den Himmel, von dem bis dahin Fische reichlich herabfielen, beleidigt habe, indem sie ihn hiess, sich höher hinauf zu heben. ')

In ungarischen Traditionen ist die verbotene Frucht des Paradie- ses mit der biblischen Überlieferung übereinstimmend der Apfel, der

•) Vgl. Weil a. a. 0 S. 26.

') Vgl. Grimm, Kinder- and Haasmärchen: „Die Kornähre." •) Munkdcsi, Votjak nepkölt£szeti r-ajrvomanyok. (Votkspoetisehe Traditionen der Wotjaken.) S. 58.

*) Petermann, Mitteil, aas Justus Perthes geogr. Anstalt Jahrg 1856. S. 465.

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K0SM0G0NI8CHEN SPUREN IN DER MAGYARISCHEN VOLKSÜBERUEFEKUNG.

in der ungarischen Volksdichtung Sinnbild der Liebe ist. Eva hat mit ihrem , namenlosen * (nevetlen) Finger den Apfel gepflückt; deshalb blieb der Finger „namenlos" (Szöreg). Adam verschlang gie- rig den Sirunk des Apfels, der ihm in der Kehle stecken blieb: seit der Zeit haben wir den .Adamsstrunk" an der Kehle (Enyhäzas-Ker). In Magyar-Kanizsa und Egyhäzas-Ker sagt man: »Als Adam und Eva im Paradiese waren, ward sie schwanger, worauf sie Gott aus dem Paradiese trieb." - In den Traditionen gibt es auch noch andere verbotene Früchte So erzählt eine Sage der Voljaken: „Inmar. der Hauptgott gebot dem ersten Menschenpaare, den KumySka nicht zu gemessen, weil denselben Keremet, der Diabolus besudelt habe. Aber als Inmar die Ureltern ins Paradies führte, stellte Keremet in einer zugedeckten Schüssel vergifteten KumVSka hin. Die erste Frau, von Neugierde getrieben, deckte dem Gebote Inmar's zuwider die zugedekte Schüssel auf. trank daraus und bot davon auch ihrem Gemahl an, wovon die Folge Tod und Sünde war. Keremet hatte nämlich auch den Tod in die Schüssel hinein getan. Gott trieb sie dann aus dem Paradiese. Inmar erschuf dann an einem anderen Orte weil er den ersten Menschen auch das Vermehrungsvermögen genommen hatte einige Menschen, und damit diese von Keremet verschont bleiben, gab er neben jedes Menschenpaar einen Hund als Wächter.* l) Hiezu ver- gleiche man die ungarische Sage: „Als Frau Eva den Apfel gegessen hatte, kam Gott in den Garten und frug: wo sie sind? Adam und Eva wolten nicht hervortreten: „Herr, wir schämen uns!" Sie hülllen sich in Feigenblätter. Als sie auf Gottes Befehl hervortraten gab Gott unserer Mutter Eva eine Schüssel; in diese Schüssel war weil un- sere Mutter Eva die Frucht gekostet hatte damit sie dem Manne folgsam sei, die Folgsamkeit hineingelegt. Dann gab ihnen Gott Sa- men, damit sie denselben aussäen. Und dann öffneten sie die Schüs- sel, in welcher das war, dass das Weib dem Manne folgen solle, denn wenn das Weib unter dem Manne gestanden wäre, so halte es vom Apfel nicht gegessen." (Temesköz-Lörinczfalva). In Lörinczfalva, Magyar-Kanizsa (und vor ungefähr drei Decennien auch in Szegedj herrschte der Brauch, dass man an Hochzeilen und bei Gelegenheit des Schweineschlachtens dem angesehensten Gaste eine zugedeckte Schüs- sel, in der sich ein Sperling befindet, vorsetzte.

Eine andere ungarische Ueberlieferung erzählt : »Gott trug dem Adam und der Eva auf, dass sie von jedem Obste essen dürften, nur eine Frucht sollten sie nicht anrühren. Da aber Mutter Eva wankel- mütig war, so konnte sie nicht umhin, danach zu greifen und Gottes Gebot zu übertreten. Als sie in den verbotenen Apfel biss, fiel ihr Got- tes Gebot ein. Sie errötete und sie schämten sich, sie hülllen sich in Feigenblätter ein und begannen herumzuirren, konnten sich aber nir- gends vor Gottes Zorn verbergen; sie verbargen sich unter den Fei-

») Borna, A votjakok pogäny vallasär61 (Ueber die heidnische Religion der Wotjaken) s>. 6

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LUDWIG KALMÄNY

genbaum. Unter dem Feigenbaum war eine Schüssel, die war zuge- deckt. Mutter Eva konnte sich ihrer sträflichen Neugier auch jetzt nicht erwehren, denn die Schlange war da und zeigte ihr die Schüssel, da- mit sie dieselbe aufdecke, was sie denn auch tat. In dieser Schüssel befand sich der Weltspiegel, in welchem Eva das Los der zukünftigen Welt erblickte. Als dies Mutter Eva gesehen hatte, trat Qolt in das Paradies ein und trieb sie von dannen. Aber Mutter Eva hatte ihr zukünftiges Schicksal schon gesehen und wollte nicht gleich von dan- nen, sondern irrte herum. Dann sandte Gott einen Engel aus, der aus der unter dem Feigenbaum befindlichen Schüssel ein feuriges Schwert hervorzog, dann gieng auch Mutter Eva aus dem Paradiese." (Szöreg). l) Das Paradies befindet sich nach ungarischem Volksglauben am Himmel. Es heisst: „Das Paradies befindet sich am Himmel und kann auch gesehen werden; die Sterne glänzen nach der Art, wie die Bäu- me des Paradieses sich hin und her neigen." (Szöreg). Mit Bezug auf die Unfolgsamkeit des Weibes heisst es: „Eva wollte sich nicht fürchten, sie fürchtete sich auch nicht vor Adam Dieser gieng nun zu Gott und sagte ihm, dass Eva sich vor ihm nicht fürchten wolle. Sprach da Gott: „Geh' und wasche dich im Flusse Tigris!" Adam wusch sich, und es wuchs ihm ein Bart. Als ihn nun Eva erblickte, erschrak sie: wer das wol sei? Seit der Zeit fürchtet sich das Weib vordem Manne, aber nicht ein jedes; manches ist so wie ein Pferd, man kann es schlagen, stossen es folgt dennoch nicht. Eva wollte dann, dass auch sie einen Bart bekomme ; sie gieng also auch zum Tigris um sich da- rin zu waschen. Aber da stach eine Fliege ihren Bauch. Eva schlug auf ihren Bauch, und dort wuchs ihr ein Bart." *) (Egyhäzas-Ker). Ferner heisst es: „Adam hatte bei der Schöpfung keinen Schnurbart ; an der Stelle des Schnurbartes stach ihn eine Fliege ; Adam schlug nach ihr, da wuchsen ihm sofort Haare unter der Nase " (Szöreg). In der Ueberlieferung der Wotjaken sagt Inmar dem Menschen, dass er sterben werde, wenn er sich den Tieren unterwirft. Vor den grösseren Tieren hütete sich der Mensch, auf den Sperling aber gab er nichts, und diesem gelang es ihn zu zwicken. So kam der Tod und der Kampf ums Dasein in die Welt. a) Nach dem Sündenfall wandten sich die Tiere gegen Adam. So heisst es in den ungarischen Ueberlieferungen : „Die Katze ist ein schlaues Tier; am Tage brummte sie stets der anderen zu, dass sie in der Nacht ihren Herren oder ihre Frau verscharre. Doch Gott strafte die Katze, dass sie, wenn der Abend kommt, das vergisst, was sie am Tage gebrummt hat. Jetzt brummt sie nun der anderen vergebens etwas zu, denn sie vergisst es (Szöreg). „Frü- her war die Biene besser als jetzt. Einmal sagte sie zu Christus, dass der sterben solle den sie sticht!" „Stirb auch du!" versetzte Christus.

>) Vgl. Mütter, Geschichte der amerikantscbon Urreligioneo S t>24 »j Vgl. Mayer, Allgem. Mvth. Lexikon 1. 31; 0. S. 19. 29. •) Munkdcjti Bernb., Votjak nepkölteweti hagvomanvok (Volkspoetische Tra- ditionen der Wotjaken) 52

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K08MOQONI8CHEN SPÜREN IN DER MAGYARISCHEN VOLKSÜBERUEFERÜNO.

Seit der Zeit stirbt auch die Biene. Auch die Schlange sagte, dass der sterben solle, den sie sticht. „Gut, den du stichst, soll sterben! Aber dich soll die Erde nicht in sich aufnehmen!" sprach Christus. Die Erde nimmt sie auch nicht auf, denn wenn die Zeit kommt, dass sie sterben soll, dann legt sie sich auf den Fahrweg, damit man sie zer- trete* (Csanad-Apacza). In Egyhazas-K6r erzählt man sich, dass : „die Schlanze früher, als sie noch im Paradiese war, nicht gestochen habe ; nur seither sticht sie." Von den Strafen in Folge des Sündenfalls heisst es weiter in der ungarischen Ueber lieferung: Damals, als unser Vater Adam noch nicht gesündigt hatte, war sein ganzer Körper so wie jetzt unsere Fingernägel; da er aber sündigte, verschwand dies. Nur die Nägel blieben als Andenken daran zurück.14 (Magyar-Kanizsa). Was die Bestrafung der Schlange anbelangt, so heisst es in ungari- scher Tradition: „Wer eine Schlange sieht und sie nicht todt schlägt, der sündigt, die heil. Maria wende! sich von ihm ab, denn die Schlange ist ein von Gott verfluchtes Geschöpf, seit dem der Teufel in (iestalt einer Schlange den Menschen betrogen hat." (Temesköz-Lörinczfalva). Ferner heisst es: „Als Gott den Adam in das Paradies führte, gebot er ihm: „Hier sei! Paradies wachse! Menschengeschlecht vermehre dich!" Dies kränkte den Teufel, weil er daraus keinen Nutzen hatte. In der Gestalt einer Schlange verführte er die Eva zur Sünde. Dann verfluchte Gott die Schlange. Vordem war die Schlange ein schönes Tier; Eva spielte mit ihr." (Egyhäzas Ker). ') Auch der Pfau wird in der ungar. Ueberlieferung bestraft: „Der Teufel hat ausser dem Pfau keinen anderen Vogel, denn dieser hat dem Teufel sein Fleisch ver- kauft und auch seine Füsse, damit er schöne Federn erhalte ; er hat nun auch kein Fleisch, nur Knochen und Haut Damit er nicht über- mütig werde, bekam er hässliche Füsse Der Pfau getraut sich nicht seine Füsse. anzublicken, denn wenn er seine Füsse msä'ie, würde er krepieren.* (Temesköz-Lörinczfalva) a) Zur Bestrafung der Unzufriede- nen gehört die ungarische Sage: „Das Kind konnte gleich nach sei- ner Geburt gehen; wenn es fiel, erhob es sich und gieng weiter. Als eine Frau sah, dass ihr Kind fallen wollte, haschte sie nach ihm Da sprach Gott: „Wenn es so nicht gut war, wie ich es erschaffen, so trage du jetzt ein Jahre lang oder noch länger die Sorge für das Kind!-* Seilher muss man Sorge für das Kind tragen und dennoch fällt es, sobald es zu gehen beginnt 8 (Egyhazas-Ke>). *) Vom Kuckuck erzählt die ungar. Ueberlieferung: „Der Kuckuck erbat sich von Gott das allerschönste Gewand; er war mit dem seinigen nicht zufrieden. Da ward Gott zornig auf ihn, und setzte ihm den Teutelskamm auf. Seither bereut der Kuckuck stets seine Tat und ruft traurig, denn es lastet ein Fluch auf ihm." (Majdän). •)

») Vgl. Weil a. a. 0. 8. 22, 28. 0 Vgl. Weil a a. 0. S. 20.

*) Vgl. MilUer SiebenbUrgische Sagen: „Strafe des Ungehorsams. " «) Vgl. Pallas a. a. 0. IL 32; Borna, a Mordvinok pogany istenei (Die heid- nischen Götter der Mordwinen) 36; Kalevala IV Runo 500; Weil a. a. 0. 30.

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LUDWIG KÄLMÄNY

Wir wollen noch einige, mehr oder weniger hieher gehörige un- garische Ueberlieferungen mitteilen

„Als Christus auf Erden wandelte, ward er müde und rief das Pferd, damit es ihn über den Morast frage. „Warte, bis ich satt wer- de !u sagte das Pferd. „Gut, iss denn auch dann, wenn du nicht willst !• sprach Christus den Fluch über das Pferd aus, während er den Esel, der auf seinen Rul selbst das schon zwischen seinen Zähne» befindliche Schilfrohr fahren liess, segnete, damit er auch auf einem Mistbaulen überwintern könne Aehnlich ergieng es auch dem Kuh- und Schafhirten. Früher rasteten die Rinder zur Mittagszeit, wahrend die Schafe von den Fliegen geplagt wurden. Christus änderte an der Sache. Denn als er einmal Milch vom Kuhhirten verlangte, wollte die- ser aus seiner Mittagsruhe nicht aufstehen, während der Schafhirt ihn bereitwillig bediente. ') In den Kreis der Belohnung und Strategehört auch die folgende ungar. Sage: .Christus gieng an den Schnittern vorbei und verlangle Wasser. Eine heiratsfähige Maid brachte ihm so- gleich frisches Wasser. Als er nun mit Petrus weiter gieng. trafen sie einen faulen Hirten an. der unter einem Birnbäume den Mund offen haltend lag und wartete, dass ihm die Birnen in den Mund fallen mögen. Set. Petnw wollte die Maid belohnen und den Burschen be- strafen, Christus aber verheiratete sie mit einander, damit der Faule neben der Fleissigen leben könne und nicht zu Grunde gehe.u *)

Einer Verwandlung wird nach ungarischer L'eberlieferung auch das Pferd unterzogen u. zw. durch den Teufel. Es heisst: „Das Pferd hat der Teufel erschaffen; da es aber gar zu schnell lief, nahm er ihm einen Gelenksknochen heraus. Auch jetzt noch lief das Pferd zu schnell und nun band er ihm eine Fessel (fesseiförmige Muskel) an das Bein Seither läuft es nicht so schnell. Hätte- dies der Teufel nicht ge- tan, so wäre das Pferd rascher gelaufen, als der Teufel. u (Ö.-Szent-lvän). In einer Variante heisst es: «Als Gott das Pferd erschaffen hatte, lief es so schnell, dass ihm auf der weiten Welt an Geschwindigkeit kein Tier nahe kam. Dies grämte den Teufel und er schnitt ihm in alle vier Beine, damit es ihn im Laufen nicht übertreffe. Seit der Zeit kann das Pferd nicht so laufen, wie der Teufel" (Egyhäzas-Ke>). Hie- her gehört die folgende ungar. Variante: .Gott erschuf für den Adam ein Pferd. Adam hatte keine Not mit dem Pferde, aber als ihn Gott aus dem Paradiese trieb, ward das Pferd gar zu schnell fussig. Er klagte Gott, dass er mit dem Pferde nicht mehr umgehen könne. Da sagte ihm Gott, er solle dem Pferde in die Beine schneiden ; so wuchs demselben das Oberbein. Adam ward dann ein Ackersmann. * (Temes- köz-Lorinczfalva). a) Hier spielt Adam die Rolle eines Demiurgen. Wo- raus nun das Pferd erschaffen ward, darüber erzählen uns auch die ungarischen Uberlieferungen: „Pferde hatte Gott nicht erschaffen; es

') Szeged oepe (Szeged's Volk) II. 140. » Eben da II. 143.

»> Vgl. Weil a ». 0. 8. 27. 40; Zeitschr. d. deutsch, morgenl. Geaellschaft

XXX. 189.

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K0SM0G0NISCIIEN SPÜREN IN OER MAGYARISCHEN VOLKSÜBERLIEFEKl NO.

gab nur Esel, Pferde aber keine Die Teufel aber vermehrten sich so sehr, dass wohin immer Chrislus gieng, er Überall lauier Teufel sab. Die Teufel foppten nun Chrislus und er machte aus ihnen Pferde. Manche Plerde sind auch wie die Teufel. Damals war das Pferd gar schnelllaufend; es lief so schnell, dass man es kaum zum Stehen brin- gen konnte. Da schleuderte Christus ein Beil an das Pferd, das in dessen Bein eindrang. Seit der Zeit sieht man den Beilschnitt an den Beinen der Pferde. Das Pferd ergab sich hierauf und ist nicht mehr so schnelllaufend. B (Ö-Szent-Ivän). Vgl. hie/u die mongolische Sage über Sigemuni. ') Auf welche Weise aus Teufeln das Pferd erschaffen wurde, darüber berichtet die ungarische Tradition also: „Als Gott den Adam ins Paradies berief, erklärte er ihm, dass er darin leben könne, wie er wolle, nur das solle er einhalten, was er ihm befehle. Der Pflug ackerte von selbst, denn damals gab es noch keine Pferde. Der Teufel trat hinzu, damit er an sein Wort glaube und nicht an das Gottes; aber der Pflug ackerte weiter. Da glaubte ihm Adam und der Pflug blieb stehen. Da gieng Adam zu Gott und sprach: .Herr, meins Schöpfer, der Pflug ackert nicht weiter !' Hierauf versetzte Gott : , Wa- rum hast du dem Satan geglaubt? Wenn du dahin zurückgehst, so schleudere den, der neben dem Pfluge steht, an den Pflug!* Als Adam zurückkehrte, schleuderte er den Teufel so an den Pflug, dass er gleich in ein Pferd verwandelt wurde. Da sprach Gott: ,Spann' ihn ein, da- mit er den Pflug ziehe! »Seither zieht das Pferd den Pflug." (Egyhazas- Ke>). *) Eine andere ungar. Ueberlielerung erzählt : Als Gott den Men- schen pflügen lehrte, kam auch der Teufel hinzu und disputierte mit Gott, dass auch er zu pflügen verstünde. Der Teufel sagte, dass er noch vor Hahnruf den Berg aufackere Als er die Mitte des Berges pflügte, schrie der Hahn. Der Teufel liess sogar seine Bundschuhe zu- rück. Der Teufel hat gerippte Bundschuhe." (Szeged-Madar&sztö). In einer anderen ungar. Ueberlielerung wieder heisst es: „Als Gott dem Menschen das Pflügen gebot, gab er ihm einen solchen Pflug, der von selbst gieng; man benötigte kein Pferd dazu. Gott sagte dem Men- schen: er solle den Pflug nur gehen lassen, wohin er (von selbst) geht und ihn nicht anrühren. Der Teufel kam hinzu und sah. dass der Mensch pflügt; er sprach zu ihm: „Es geht nicht gut, es geht nicht grade! kehr' dich herzu! dann wird die Furche grade sein.' Der Mensch wendete den Pflug, berührte ihn ; der Pflug blieb stehen, er gieng nicht weiter. ,Nun!' sprach der Teufel, ,ich bringe dir schon vier Pferde, dass er gehen wird !' Der Teufel brachte auch solche vier Pferde, dass der Mensch mit ihnen nicht umgehen konnte: es waren Teufel und nicht Pferde. Gott kam nun zum Menschen und sah, dass er mit den Pferden nicht umgehen kann, und da schlitzte er alle vier Beine der Pferde auf, worauf diese alle langsamer gi engen. Damals wurden aus den Teufeln Pferde; man darf auch den Pferden nicht

t, Sfqjer a I 0. I, 641. ») Vgl. Weil a. ». 0. 40.

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LUDWIG KALMÄNY

recht trauen, denn sie sind aus Teufeln entstanden!" (Szeged-Gajgo- nya). In Egybazas-Ke> sagt man noch: «Den Teufel schleuderte der heil. Petrus an die Pflugschar; so wurde er ein Pferd."

Zum Schluss noch eine ungarische Tradition zu diesem Thema: „Als Gott den Menschen erschaffen hatte, gab er ihm einen Pflug. Dieser Pflug ackerte von selbst. Gott sprach : „Aber schlag' ihn nicht in die Seite!" Kam hinzu der Teufel und zwang den Menschen, da ss er den Pflug in die Seite schlage. Aber Adam schlug ihn nicht. Nun kam Gott und frug : rGeht der Pflug gut?" Adam antwortet: „Nicht besonders gut! Kam her ein roter Mann und sagte, ich möge den Pflug in die Seite schlagen * „Nun gut. Adam,- sprach Gott, „ich gebe dir einen Zaun, mit. dem schlage dem roten Manne an den Kopf, in dieses Geschirr spanne ihn ein, lass ihn auf die Weide gehen; dann kannst du den Pflug schlagen!" Gott gieng weg und es kam der Teufel und sagte wieder, der arme Mensch möge den Pflug in die Seite schlagen. Adam schlug den Zaun dem Teufel an den Kopf, spannte ihn ein und schlug auf den Pflug. Seit der Zeit geht der Pflug nicht mehr von selbst. Der Teufel verwandelte sich in ein fuchs- rotes Pferd, Adam spannte es ein und seither zieht das Pferd den Pflug." (Szeged-Kirälyhalom).

Türkisches Puppentheater. *)

Karag öz-Schaokelspiel.

Aufgezeichnet u. übersetzt von Dr. Ignaz Kunos.

Hadsciwat (trägt hinter der Bühne folgenden Achtzeiler vor):

Ist jede Schöne so voll Liebreiz und Schelmerei, Hat sie so schöngefärbte blaue Augen? Ist die Liebe der Schönen eben so heimlich? Schatz meines Lebens, komm und lass dich nur einmal umarmen. Wo weilst du, o Holde, wohin soll ich kommen, Was für Leute fragen, wie's dir geht und wic's mit dir steht > Einmal im Monat möcht' ich dein Antlitz schaun. Schatz meines Lebens, komm, lass dich doch umarmen.

(Nach Beendigung dieses Achtzeilers betritt Hadseiwat die Bühne und hebt mit den Worten ,0 Du Geruhterl" das folgende Bühnen-Ghasel an eu singen:

Ohne dass die Kerze meines Glückes brennte,

Strahlt unser Vorhang im Licht;

Für die, welche Aufmerksamkeit haben,

*) Einleitung, türkischer Originaltext und Anmerkungen im nächsten Hefte.

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TÜRKISCHES PUPPENTHEATER

Ist unser Vorhang reich an Reiz :

Den Vorhang zieh' vom Auge weg

Und nimm Anteil an dieser Rede!

Glaube nicht, der Vorhang sei von Leinwand,

Vollkommenheit ist unser Vorhang.

Der ich hinter dem Vorhang hervorkomme,

Ilad&eiwat bin ich, der für Euch betet;

Wenu dies Schwarzauge kommt,

Macht es diesen unseren Vorbang erbeben.

(Nach Beendigung des Ghasels redet er folgendermasseu zum Publikum :> Zuerst habe ich ein Schattenspiel arrangiert, habe ein Zelt aufgeschla- gen, eiue Kerze angezündet ; zeigen möchte ich ein Schattenbild ; der Scheich Küäteri, unser Altmeister hat es mit dem Bemerken gelehrt, dass Leute von Empfindung es verstehen sollten ; wer nun Empfindung hat, versteht es, den andern ist das Verständnis nicht möglich, Gegenwart der Anwesenden, Versammlung von Kennern: das ist hier eine Glttckszeit für Männer! Ver- flucht ist ein Heuchler, ein Betrüger ist der Satan. Für des Satans Gottlo- sigkeit, für des Allerbarmers Einheit, für Tage und Augenblicke und Glück Sr. Majestät unseres Grossherrn, des mächtigen, gnädigen, hochherzigen Kai- sers, der Zuflucht (Stütze) des Weltgeistes, insbesondere aber für das Wohl- sein der Freunde, die uns Bewunderung zollen ! Das heisst, davon will ich nicht sprechen, wenn froh ich, euer Diener, ich euer Fürbitter, ich der Staub, ich der Staubbedeckte, eine Kurzweil hatte, das für mich ein Freund wäre, dessen Hand und Gesicht gewaschen, dessen Worte wohlgeordnet, dessen Umgang angenehm wäre, und der so gut wäre, und zu dem viereckigen Zelte käme ! Versteht er Verse und Gedichte, versteht er arabische und türkische Ausdrücke, ist er auch mit der Musik etwas vertraut, höre ich, wenn er redet, und hört er, wenn ich rede, so möchte ich sagen, die an- wesenden Liebhaber sollen ihr Glück finden! Was war unsere Aufgabe! Un- ser Werk möge unser Herr richtigstellen!

„Einen Freund mir her, einen lustigen Freund! Einen Freund mir her, einen lustigen Freund!"

(So ruft er und sieht, dass von Karagöz kein Laut kommt. Darauf fährt er so fort :)

Ach mein Karagöz, mein Schneeberg, mein Hyazinthengarten, mein kameradschaftlicher Freund, mein in der Fremde mir brüderlicher Karagöz ! Ob er wohl zu Hause ist oder in der Wildnis? Ich will doch hingehen, an seine Thüre klopfen und ihn einladen.

Hadöeiwat (an des K. Türe pochend) : Karagöz, he, Karagöz !

Karagöz (sieht aus dem Fenster): Was gibt's, o Hadseiwat?

H. Du bist geboren wie ein Mond zwischen zwei Wolken ; ein Giess- bach ist gekommen und hat die Traufe überströmt.

K. Mache dich fort, du ersäufst.

H. 0 weh, Bruder, wodurch?

K. Durch den Giessbach.

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DR. IONÄZ KÜN08

H. Komm, Karagöz, Karagöz!

K. Hast du eioe schwarze Traube in der Hand? Machst du ein Lamm von Mali* *) zahm?

H. Komm, mein holder Freund!

K. Ich kann nicht kommen, mein alter Vater.

U. Komm, meine Herzenswonne !

K. Ich kann nicht kommen, Markt-Kaldaune !

H. Komm, raein herumstreichender Wandrer!

K. Pack dich fort; wenn ich herunterspringe, bei Gott, so zerquet- sche ich dir das Gehirn!

H. Versteht Ihr Armenisch, Herr? K. Ja wohl.

H. Egörnajym, egörnajym. **)

K. Stell s Horten hin, ich nehra's dann hin und drück's auf deines Vaters Schnurbart.

H. Könnt Ihr Griechisch, Herr? K. 0 ja.

H. Elado, Elado!

K. Hältst du so die Hand voll, so lege die Hälfte davon dorthin. H. Versteht Ihr Bulgarisch, Herr? K. Gewiss.

H. l'edi suda, pedi suda!

K Fällt die Kuh da ins Wasser, so pack sie am Schwänze und zieh' sie heraus !

H. Könnt Ihr Jüdisch, ') Herr ?

K. Ja wohl.

H. HYnaitf, wcnaki!

K. Spende viel *), so kriegst du Schnapps. II. Könnt Ihr Italienisch, Herr? K. Ja wohl.

H. Veni quä, veni quä !

K. „Fehlt Dir was", so flick das Loch 8), was geht's mich an? H. Versteht Ihr Zigeunerisch Herr? K. Ja wohl. H. Udtldn!

K. Sorarolu ') (mit diesem Worte kommt er herunter). H. Was bedeutet das denn, Bruder \

K. Was schert dich's! sag (Irap.) „sos körös" *) und damit gut. H. Man kann auf das, was man nicht versteht, keine Antwort ge- ben; was bedeutet das und was für eine Nation bat diesen Gruss?

*) eine Stalt unweit lirussa.

**) dies wie alle folgenden fremden Ausdrücke bedeuten BK»»mm her!*

') nähralich da« spanische Jüdisch.

9 eig. -Her mit dem Geld, so kriegst Du Schnaps."

») eig. „Gib .'s ein Loch, so flick' na !"

*) zigeunerisch: rHicr bin ich." Karagöz versteht Zigeunerisch, eine Bestä- tigung der Vermutung, dass er ursprünglich als Zigeuner gedacht wurde. f) Zigeunerisch iso keres): „was machst du?

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TCRKISCHES PUPPENTHEATER

K. Die Zigeaner.

H. Ich hab's nicht verstehen können, Herr. K. Die Zigeaner, sag' ich, mein Herr. H. Öengel l) sagt nicht, Herr.

K. Nein, nach FFan/-köi ist er gegangen. Warum sagst da das, fierl? Die T Zigeuner", sag' ich.

H. Ich kann's nicht verstehen, Herr.

K. Wir machen Kohlenbecken und Feuerzangen.

H. Seit Ihr das Kohlenbecken- und Feuerzangen- Volk ?

K. Nein, das Fcuerschaufelvolk ; Leute von Aiwän-Serai, von „Aiinin- Äroi.-

H. Die Quitte ist gelb geworden? *)

K. Ha gleich wird der Apfel in deinem Gesicht rot werden; Zelt- insassen sind wir, Zeltinsassen. H Gelbes Leder, Herr?

K. Nein, rotes Saffian; aus Sulu-Kule sind wir, aus Sulu-%uU. H. Sohle gibt's in der Kahle?

K. Da gibt's für deinen Schädel einen Faustschlag, nimmst da den An? Zigeuner! (mit diesen Worten gibt er ihm eine Ohrfeige). H. Kann nicht verstehn, Herr.

K. Zigeuner! (nachdem er dies laut gerufen, gibt er dem HadSeiwat -eine Backpfeife, der macht sich fort). Zu welcher mich berührenden Ange- legenheit ist das nötig, (zieht sich ins Haus zurück, klopft an das Tor)?

Seine Frau. Wer da? iruft).

K. Mach auf, Alte! ich bin gekommen.

Frau: Wer bist du?

K. Der Mann, der die Abende Licht und Brot bringt. Frau. Ein Krämer bist du?

K Nein, ein Grünhändler bin ich Weshalb fragst du, mein Herrchen, dein Mann bin ich?

Frau: Was für* ein Mann von mir bist da?

K. Wieviel Männer hast du denn ? Der Haasherr bin ich, der Hausherr. Frau: Der Hausherr seid Ihr, Herr? K. Ei ja.

Frau : Ach Herr, verzeiht, gestern abends habe ich dort mit dem Agha sogar noch eine Unterredung gehabt, wir haben die Miete nicht auf- bringen können; will's Gott, so bringen wir sie in 1, 2 Tagen zusammen und zahlen sie.

K. Mensch, *) so ein Hausherr ist's nicht; ach, wie soll man der sich verständlich machen (mit Mühe macht er ihr's klar and lässt sie die Tür öffnen).

Frau : Du bist es?

•) an „Cingane" (Zigeuner) anklingend, die Bedeutung ist „Haken." Cengel- fcöi und Wani-köi Bind zwei Dörfer am asiatischen Bospornsufer, dieses Arnautköi, jenes Ortaköi gegenüber.

f) Dies, narnl. aiwa sarardy bat er statt aiwan S. verstanden.

*) Ulan Bursch -- werden in dieser Weise auch Frauenangeredet

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DR. IGNAZ KÜNOS

K. Ja wohl, ich.

Frau: Wieder bist da gekommen, indem da deine Hand so hin nnd her schlenkerst? *)

K. Nein, ich habe, beide Hände in meine Tasche gesteckt und bin so gekommen.

Frau : Was habe ich um dich aushalten müssen : Das Fleisch sehe ich O beim Metzger, das Obst beim Fruchthändler. K. Sei doch dankbar 1

Frau: Dafür, dass ich Hungers sterbe, soll ich Dank sagen?

K. Und wenn nun deine Augeu bliud wären, und du keins von bei- den sehen würdest P

Frou: Marsch, geh wenigstens und hole ein bischen Reis, für die Kinder will ich etwas kochen, dass sie essen.

K. Gib nur das Geld dafür her, ich will's schon holen

Frau: Und hernach wenn ich das Geld hergegeben habe, wovon bist du denn der Geraahl?

K. Gib das Geld, dann bist du mein Gemahl.

Frau : Was habe ich von deiner Hand zu leiden gehabt ? (Über diese Worte gibt's mit Karagöz Zank und Lärm, sie wirft den K. hinaus, und der fängt draussen zu weinen an).

HadSeiwat (kommt und sieht den K. weinen): 0 je, Bruder, warum hältst du dich um Mitternacht hier auf?

K. Frage nicht, Had§eiwat, frage nicht, ich kam nach Hause, ereiferte mich gegen die Frau, prügelte sie gehörig und warf sie hinaus.

H. Warum hältst du dich (denn) hier auf?

K. Da misch dich nicht hinein, ich habe den Stock zu schmecken bekommen.

H. Bruder, sage mir, was für eine Sache der Grund davon war.

K. Ich kam heim, und da ich sagte: „Was habe ich von dir auszu- stehen !u hat sie mich hinausgeworfen.

H. Bruder, die Schuld liegt an uns, wir tun keine Arbeit noch Verrichtung.

K. Was sollen wir tun, welche Arbeit und Verrichtung sollen wir besorgen ?

H Ich besitze eine Schaukel : (Sallynd&ak) wenn ich die hieher (eig. an den Platz dieses Ortes) brächte, und wenn du ein ordentlicher Kerl bist, können wir etwas Geld verdienen.

K. Kerl, was habe ich in Salad&ak a) zu thun? werde ich in Sa- lad&ak Geld verdienen?

H. Nein, mein Bruder, das ist nicht gemeint, sieh nur einmal (bi- kerre) her, du missverstehst (mich), eine Bairamtviege.

K. Eine Bairameiege, •) was für eine ist das?

>) Beschreibung der mechanischen GebKrd<*n des Karagöz. *) ohne Geld zum Einkauf zu haben. ») ein Dorf nahe Ismid.

*) eig. Bairam- Esel, in dem K eseji für beiyi verstanden haben will. Weil am Beiram auf dem Moscheehofe eine Schaukel aufgestellt wird, so nennt man diese auch Bairamwiege.

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TÜRKISCHES PUPPENTHEATER.

H. Bruder, das nicht, eine Schaaken

K. Bring sie her, wollen sehn, was das für ein Ding ist (Er bringt die Schaukel und stellt sie auf den Platz). Eine Bairamwiege ist das? Gut, Hadseiwat. sehr gut.

H. Sieh, Bruder, ich werde nun Kunden kommen lassen; so viel Piaster du (dann) erhandelst; sind z. B 100 Piaster zusammengekommen, diese 1 00 Piaster teilen wir in 3 Teile, einen für dich, einen fttr mich, und einen für die Schaukel.

E. Hadseiwat, hat die Schaukel auch eine Seele ? Ich ja, du ja, die Schaukel, von welcher Art ist die denn?

H. Bruder, daran gibt's Reparaturen, daran gibt's Farbe, deswe- gen teilen wir in drei Teile.

K. Je. meinetwegen.

H. Vorwärts, jetzt steige auf die Schaukel, und ich will dich leh- ren, wie du die Kunden schaukeln wirst.

K. (steigt auf die höchste Spitze der Schaukel) Vorwärts, Hadseiwat, schaukele.

H. (sieht nach, und wird gewahr, dass Karagöz nicht in der Schau- kel sitzt, sondern bis auf die Höhe des Gerüstes gestiegen ist). Steige he- runter, du wirst die Schaukel zerbrechen.

K. Kerl, hast du nicht gesagt, ich sollte hinaufsteigen, sieh, nach deinem Wort bin ich hinaufgeklettert.

H. Nein, wenn ich sagte, du solltest hinaufsteigen, so meinte ich nicht hinauf, sondern dass du dich unten auf die Sckaukel setzen solltest.

K. Stelle dich hinter, dass ich nicht falle, schaffe mich hinunter. (Er tritt auf Hadseiwats Schulter und hebt an denselben zu fragen). Hadseiwat, gehört diese Schaukel dir oder deinem Vater?

H. Kerl, schnell steige ab, die Schulter thut mir weh.

K. Nein die Schaukel ist schön, deshalb frage ich.

H. (wirft bei diesen Worten den Karagöz von seiner Schulter auf die Erde).

K. 0 weh! (zu Boden fallend).

H. Schurke, ich habe dir gesagt, du sollst unten hingehn, ich wollte dich schaukeln; habe ich otwa gesagt, du solltest oben hinauf gehn?

K. (legt sich der Länge nach unter die Schaukel). Schaukele Hadseiwat.

H. (sieht, wie er unter der Schaukel liegt). Steh von da auf, Schurke (bei diesen Worten erhebt sich Karagöz und stosst gleichzeitig mit dem Kopfe an den Schaukelstuhl).

K. 0 je (erhebt sich): Kerl, ich bin hinaufgestiegen und du hast ge- sagt, ich sollte nicht hinaufsteigen, dann habe ich mich darunter gelegt, und du hast meinen Kopf daranstossen lassen (damit gibt er dem Hadseiwat eine Ohrfeige).

H. (lehrt ihn etwas sich schaukeln). Bleibe du hier, ich will . dir jetzt einen Kunden schicken (damit geht Had§. fort).

K. Schicke du nur den Kunden; Geld Dir? l) Geld? Nicht einmal einen Heller gebe ich.

») ich soll dir Geld geben ? HerrratoD, Ethnologisch« Mittoilangra, II. 158

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DR. 1GKAZ KUNOS

11. (Kehrt wieder um). Was, Karagöz. Geld Dir? Geld? so etwas sagtest du; was war das?

K. Ich sagte: Wenn wir hoffentlich Geld gewinnen und Frau Hahbe kommt zu uns zu Gast, so wollte ich einen Honigkuchen machen

H. Hoffentlich Karagöz (geht ab).

K. Geld? Dir? Gold? Einen Knüppel möchte ich dir nachwerfen, dass du das nehmen konutest und weggiengest.

H (Kommt wieder). Wieder hast du da Worte gesprochen, was war das?

K. Ich sagte : Wenn wir Geld verdienten und man aus dem Hause „Holz!" riefe, wollte ich Holz kaufen.

H Jetzt kommen Kunden (sagt's und geht fort. Mit folgendem Liede tritt nun eiu Bej auf :)

„Liebe ergriff mich zu dir, o du mit dem Knospenmunde Mit unauslöschlichen Flammen branntest du mir ins Herz die Wunde, Was sollte werden, hätt' ich dich nicht erschaut, zur Stunde ! Mit unlöschbaren Flammen branntest du ins Herz mir die Wunde."

Bej. Ich grüsse Euch, Schaukelvater! Die Schaukel des Herrn Had&ei- wat soll hier sein ; ist dies eine Schaukel ?

K Marsch, geh an deine Arbeit, wer ist HadSeiwat. wer ist Schau- kel? Die Schaukel ist mein; sieh mal was der da für Geschwätz macht.

Bej. Was geht mich das an? Mag sie dir oder dem Had&eiwat gehö- ren! Esel von einem Menschen, was fährst du mich so an?

K. Nein, mein Sohn, du bist auf einmal gekommen und hast gesagt, hier sei des Had$eiwat Schaukel. Aber woher sollte ein so blutarmer Tropf wie Hadseiwat eine Schaukel baben?

Bej. Ich bin gekommen, um mich zu schaukeln, wieviel habe ich zu zahlen ?

K Gib tOOO Piaster, mein Sohn

Bej. Väterchen, will ich denn die Schaukel kaufen?

K. Mein Sohn, ich habe die Schaukel für 600 Piaster machen lassen.

Bej. 100 Piaster will ich geben, nun schaukele mich.

K. Mein Sohn, für weniger als 6 Para schaukele ich nicht.

Bej. Sind 100 Piaster mehr oder 6 Para?

K. Hast du „100 Piaster" gesagt, so ist's damit Ende; 6 Para - sieh, wie viele Para das sind: 1 2 3 4 5 6, wie viel ist das?

Bej. Du scheinst ein dummer Mensch zu sein. Ich gebe dir 100 Piaster und (noch) 6 Para. dann schaffe imich) die Schaukel hinauf!

K. Kannst du nicht von selber daraufsteigen?

Bej 0 du Esel von Kerl du, spricht man so zu einem Kunden?

K. Ich will (dich) hiuaufschaffen.

Bej. Väterchen, drücke mir das Bein nicht!

K. Da sagst du aber die Unwahrheit, nicht einmal meine Hand habe ich (darüber) gestrichen

Bej. Vorwärts, Väterchen, schaukele, »ollen sehn!

. i:>l

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TÜRKISCHES PUPPENTHEATER

K. (schaukelt 1, 2-mal) Du stösst deineu einen Schuh an meine Nase (sagt's und schaukelt nicht mehr).

Bej. Ich will mich nur wenigstens seiher schaukeln (der Bej schau- kelt sich).

K Es brennt (schreit).

Bej. 0 je, Vaterchen, brennt eine Stelle an dir?

K. Kein, mein Sohn, dir Schaukel macht eine Pause.

Bej. Kimm die 100 Piaster da und die 6 Para!

K. Sakyn? Hüte dich, mein Sohu wenn du dem Hadseiwat begegnest, so sage ihm nicht, dass du dich auf der Schaukel geschaukelt und Geld gege- ben hast.

t i

Bej Was schert das mich! [geht ab. Hadseiwat kommt von der ande- ren Seite her. Als Karag. den Hads kommen sieht, legt er sich nieder und schläft.]

H. Nun sieh einmal den da, die Schaukel hat er rubn lassen und schläft. Karagöz, be Karagöz !

K. Hurr . . poff . . . (schnarcht). H. (weckt den Kar.) Was schläfst du?

K. Was soll ich tun, kein Kunde ist gekommen, das wurde mir lang- weilig, nun schlafe ich.

H. Ist nicht jetzt eben ein Bej zu dir gekommen und hat sich ge- schaukelt ?

K. Kiemand ist gekommen, da bin ich vor Langweile eingeschlafen. H Hat er nicht sich geschaukelt und dir 100 Piaster und 6 Para gezahlt?

K. Kiemand ist zu mir gekommen (fängt an zu weinen). H Ich werde den Kerl schon später drankriegen (Geht ab. Mit einem Liede kommt eine Dame).

Dame Guten Abend, Väterchen mit der Schaukel! K. Danke schön, meine junge Spielzeug-Verkäuferin! Dame. Weisst du, weshalb ich hiehcr gekommen bin? K. Weshalb bist du gekommen?

Dame. Hier soll des Herrn Hadseiwat Schaukel sein ; ich bin gekom- men mich zu schaukeln

K. Jetzt sei böse auf da* Mädchen wenn du kann-t.

Dame Soeben ist mein Bruder gekommen, hat sich hirr geschaukelt uud 100 Piaster 6 P gegeben, ich will mich nun auch schaukeln.

K. Eben habe ich ihn ermahnt, es nicht zu sagen, und nun hat er es doch jedermann gesagt

Dame. Vorwärts, schaukle, aber allein kann ich mich nicht schaukeln ; marsch, mit dir will ich den Gurt, schlagen. l)

K. (steigt mit der Dame auf die Schaukel, schaukelt sich, kann sich aber nicht halten und fällt herunter). Au!

Dame. Weshalb bist du gefallen?

K. Mir wurde Obel, (eig. meine Galle erhob sich), da fiel ich.

•) = uns vii-Ä-via darauf setzen und die B^iue umeinander s.ht.gen.

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DR. 1GNAZ KÜNOS

Dame. Wenn das so ist, will ich mich allein schaukeln, (tut es). K. Es brennt! (schreit).

Dame. Eins Stelle an dir brennt? (steigt herunter).

K. Nein, mein Töchterchen, die Schaukel hat eine Pause gemacht.

Dame. Nimm das Geld da, ebenso viel als mein Bruder gegeben.

K. Wenn du dem Hadseiwat begegnest, sage nichts

Dame. Was schert mich das? (ab).

K. (fängt an das Geld zu zählen, Hadgeiwat kommt, macht an einem Kopfende halt und sieht zu).

H. Karagöz, was machst du (da)?

K. iwird verdutzt und fängt an „Fünf Steine'' ') zu spielen). Fünf und fünf sind 2 X 5, 5 kam aus 5, der Mieter zog aus dem Hause.

H. Karagöz, was hast du denn gemacht?

K. Ich langweilte mich, da habe ich, „Fünf Steine" gespielt.

H. Jetzt (eben) kam doch ein Bej und eine Dame, nicht wahr, alle beide? Gaben sie nicht 200 Piaster und 12 Para?

K. Nein, mir nicht, sprichst du Verleumdungen aus ? Seit kurzem lang - weile ich mich, Geld habe ich nicht verdienen können (fängt an zu weinen) .

H. Ich ertappe dich sofort! (geht in sein Haus, zu seiner Tochter). Mein Mädchen, gib mir da das Kleid deiner Grossmutter (sagt's und kommt dann verkleidet mit einem Liede zur Schaukel; zu Karagöz). Guten Tag, Schaukeldirector.

K. Guten Tag, Hexe.

H. Dass dir die Knochen knacken, woher soll ich eine Hexe sein? Ich bin hieher gekommen, um mich zu schaukeln.

K. Geh du und mag dich der Totengräber schaukeln!

H. A, was soll das heissen? Mein Sohn da und meine Tochter sind gekommen und haben sich hier geschaukelt, nun möchte ich mich auch schaukeln.

K. Was geht das dich an? Hier kannst du dich nicht schaukeln. Auf dieser Schaukel wird nur für viel Geld geschaukelt, wie viel Geld kannst du zahlen?

H. Das soll wol heissen, das hier ist immer im Betriebe.

K. Freilich, es ist im Betriebe

H. Ist nicht Hadäeiwat dein Teilhaber?

K. Was kümmert das dich?

H. Gehört ihm nicht von dem Gelde, das du verdienst, die Hälfte? K. Woher gehörte dies ihm?

H. Was heisst das? ist er nicht dein Associä? Schändlich, das ist Unrecht.

K. Als wäre er mein Associe, fragt er von mir die Rechnung H. Karagöz! (entschleiert sein Gesicht).

K. Je Hadfieiwat, ich erkannte dich und habe es absichtlich so ge- macht, (sein Gesicht auf die andere Seite wendend). Man soll's glauben, ich kannte ihn nicht, (schämt sich vor sich selbst).

») Tric-trac.

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TCRK18CHE8 PUPl'KNTHEATER

H. Sieh, ich fasse den Kerl, Gaunerei treibe nicht! (ab) (Mit einem Liede tritt laut schreiend Deli Bekir auf)

Bekir. Höre, Weinwirt, gib doch nur eins her!

K. Je, der Mensch meinte, hier wäre eine Weinwirtschaft; hier ist eine Schaukel, Väterchen.

Bekir. Wenn's nicht eins sein kann, dann gib zwei her!

K. Wahrhaftig, der Kerl hat das hier für eine Weinschenke gehal- ten. Höre, hier ist die Bairamwiege, die Bairamwiege.

Bekir. He, man soll mich schaukeln, aber sowol einschläfern als auch aufwecken, zum Weinen wie zum Lachen bringen!

K. Du schaukelst dich ja von selbst, was willst du noch mit diesem Schaukeln machen?

Bekir. Was habe ich denn alles zusammen genommen, 10 Mass Schnaps, 9 Mass Wein.

K. Da hast du wenig getrunken, du hättest Onkel Dimitris Weinhaus in deine Tasche stecken sollen.

Bekir. Lass (mich) auf die Schaukel steigen. (Kar. lässt ihn hinauf- steigen und fängt an zu schaukeln, Bekir schläft ein, es wird ihm übel und er steigt herunter). Halt, ich werde dir Geld geben (speit in die Schaukel).

K. Jetzt verweigere dem HadSeiwat sein Recht! (ruft den Had§.).

H. Karagöz, soll ich Gewicht und Wage (terazy) bringen?

K. Nein, bring 2 Kimer Wasser und einen Schwamm! Sieh, HadS., ich dein Recht, in der Schaukel, da (hast du's).

H. (sieht sogleich in die Schaukel). Pu (fährt zurück).

K. Pfui! (fährt gleichfalls zurück).

H. Den Hund lässt man zu dem schleppen, der ihn getötet hat (ab). Kar (reinigt das Innere der Schaukel ein bischen).

Mit folgenden Liede kommt ein Jude:

Durch das Tor von Balat kam ich herein ;

Da sassen die spanischen Jüdinnen in zwei Reihen:

Ist es lange hur, dass raein Liebchen hier vorbeikam?

Am Tore von Balat hab' ich es gesehn. Blau ist seine Hose, weiss seine Unterhose, (iar schön ist mein Lieb, zierlich seine Art.

Jude. Guten Abend, Schaukelvater „Kara-ujaz". *) Kar. Dein Hinterer soll leben, Schacherjude !

Jude. Vorwärts an deine Arbeit. Roton -Wasser, Lotterbubensohn und Lümmel; sieh nur die Fratze in Kartoffelform, ein Abtritt der Muselmän- ner! Vorwärts, ich bin schaukeln gekommen: für wieviel Piaster leckst du mir den

Kar. Schacherer, mach nicht, dass ich anfange zu schimpfen!

Jude Wenn du nun für so und so viel Geld mir den leckst,

wirst du mich dann schaukeln?

*) schwarzer rnn<liger.

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DR IGNAZ Kt'XOS

Kar Kerl, wie viel kannst du zahlen?

Jude. Vorwärts, 2 Fünfer will ich geben, schaukele mich!

Kar Geht nicht!

Jude. Vorwärts, 4 Hunderter sollen's sein! Kar Geht nicht !

Jude Vorwärts, 8 Fünfziger möj;en\s sein! K. Geht nicht!

Jude Vorwärts, 16 Fünfundzwanziger !

K. Vorwäits, her mit den Geld. Schacherjud!

Jude. Da hast du 2 Fünfer!

K. Kerl, das sind ja 10 Piaster.

Jude. Fängt das Handeln immer wieder von neuem au? K Du wolltest doch 16 Fünfundzwanziger geben Jude. Sind das nicht genau 10 Piaster?

K. (rechnet und sieht, dass es genau 10 P sind) Er hat mich be- schwatzt, es ist ein Jude (lässt ihn in die Schaukel steigen).

Jude. Sieh dich mal an, Kara-ujaz: wenn ich sage „Schaukele", so tust du's nicht, und wenn ich sage „Schaukele nicht", so tust du'a.

Kar. 0 du verdrehter Kerl du!

Jude. Schaukle nicht!

K. Ich schaukle ja nicht.

Jude. Willst du nicht schaukeln?

K. Nein!

Jude. Schaukle!

K. (fängt an zu schaukeln).

Jude Schaukle nicht! (bei diesem Wort lässt er ihn von der Schau- kel fallen, und der Jude wird ohnmächtig. Als Karagöz das sieht, läuft er in sein Haus).

H. (Kommt, sieht, dass der Jude gefallen und bewusstlos geworden ist, nimmt die Schaukel zusammen und geht (wieder fort).

K. (sieht, dass der Jude da liegt, und legt sich selbst neben ihn. Der Jude kommt wieder zu sich, sieht den Karagöz neben sich liegeu, gibt ihm ein paar Packpfeifen und legt sich wieder hin).

H. (Kommt und sieht den Karagöz da). Junge, Karagöz, du hast den da von der Schaukel und in Ohnmacht fallen lassen, wir wollen nun sei- nen Gesellen Nachricht geben, und die sollen ihn in sein Haus schaffen. (Sie melden es, die nehmen den Juden und bringen ihn nach Hause. Zn Karagöz): Was für Sachen hast du gemacht?

K. Deine Mutter sollen die Christenpfaffeo und- Mönche ins Gerede bringen !

II Guten Erfolg ! Du hast die Bühne vernichtet und zerschlagen (?) ; ich will gehn und dem Besitzer Nachricht geben.

K. Alle Redefehler, die wir gemacht haben, möge man verzeihen ! (macht die Grussgebärde und geht ab)

1.M

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RECHT UND UNRKCH.

Recht und Unrecht.

Ein magyariaches Märchen mit seiuen Varianten und Parallelen.

Von Dr. L. Katona.

II. Varianten und Parallelen:

Magyarisch : 1. Kriza, Vadrözsdk 403 : Az Iga/säg es Hamissäg üiazäsa »Reise der Wahrheit und Falschheit). W. u. F. begegnen sich auf der Reise. F. fordert W. zur Kameradschalt und Teilung des Rei- sevorrales aul. W. willigt ein. Zuerst wird die Barschaft der W. auf- gezehrt. Als nun die Reihe an das Reisegeld der F. kommen sollte, fordert diese (eigentlich dieser, denn die personü. Vertreter der W. u. F. sind männlich gedacht) den Genossen auf. sich ein Auge aus- siechen zu lassen, um dafür etwas von der Wegzehrung einhandeln zu können. W. verlier! auf diese Art das zweile Auge, dann einen Arm nach dem andern. W. kommt nun also verslümmelt unter einen Galgen. Das Gespräch wird von Teufeln geführt. Der älteste rühmt sich, einen gelehrten Arzt getndtet zu haben, der eben die Erfindung gemacht hatte, wie die vom Teufel verkrüppelten und geblendeten ge- heilt werden könnten. Der jüngere erzählt, dass in dieser Nacht alle Lahmen und Blinden Heilung ihrer Gebrechen finden, wenn sie ihre kranken Glieder mit dem Taue netzen, der zur besagten Zeit fällt; der dritte gibt das Brunnengeheimnis kund Mit der Zeit kommt F. verarmt zur W. Jus talionis. F. will ebendaselbst Heilung suchen, wo W. sie gefunden, fährt aber dabei Übel, da die über ihr Belauschtwer- den erbosten Teufel ihn zerreissen Lehrhafter Schluss wie oben. Epi- sode der kranken Königstochter fehlt. Für den Stadthauptmann in der wasserlosen Stadt ist bei Kriza ein König eingeführt. W. bleibt reich be- lohnt in der Sladt, die er von ihrer Not befreit. Fundort : Hdromsztk. •)

11 Hyelvör, XI II, 378: A ket testver (Die beiden Brüder.) Zwei Br., von denen der eine reich, der andere arm, gehn eine Wette über die Frag« ein, was vorteilhafter sei: gerecht, oder ungerechi zu han- deln? Als Schiedsrichter werden zuerst ein Gutsherr, dann das Ge- richt selbst angerufen. Beide entscheiden sich zu Gunsten des reichen Bruders, der den Armen seiner Ochsen beraubt und dann gehlendet unter einen Galgen führt. Zwei Raben verraten, wie die Blinden durch das Wasser, welches auf der Galgenwiese emporquillt, zu heilen sind. Der arme Blinde erlangt zuerst sein eignes Augenlicht zurück und heilt dann die Blinden der nächsten Stadt, wodurch er reich wird. Cr misst sein Geld mit einem Scheffel, den er von seinem reichen Bruder entliehn. Der ältere fragt nach der Herkunft seines Reichtums. Will es dem jüngeren nachmachen und wird beim Horchen unterm Galgen von den beiden Raben getödtet. Die Erzählung ist sehr confus. Fundort: Domokos.

•) Eine Var. aus Udvarhelysztt hat Kriza im nS»epirodalmi Figyelö' mit- geteilt.

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DR. L. KATONA

HL Paul Gyulafs Bearbeitung: „Wahrheit und Lüge" (ins Deut- sche übersetzt von Ad. Dux). Die Geschwister Wahrheit und Lüge gien- gen auf die Wanderschaft. Ihre Mutter gab ihnen je 20 Brötchen. Un- terwegs beredet die Lüge die Wahrheit, gemeinsam zuerst deren Vor- rat aufzuzehren. Als der alle war, wollte die Wahrheit vom Vorrate der Lüge essen. Sie musste aber hiefür der Reihe nach ihre Ohren, Hände, Füsse und Augen hergeben. Und so wandern Beide in der Welt herum, indem die taube, blinde und verstümmelte Wahrheit von der Lüge geführt wird.

IV. Goal Oyörgy. Magyar N6pmese-gyüjtemenye. . . 111.(1860.) S. 176 = No. 47 : A szerencseilenscg jöl esett. Bereits in Gaal's Märchen der Magyaren (1822) erschienen. (S. 175.) Registriert von Reinh. Köhler und Cosquin (S. weiter unlen) Der letztere führt bei ders. Gelegenheit noch Erdilyi-Stier No. 10 an. Beide stehn mit Grimm No. 107 (ältere Ausg.) im nächsten Zusammenhange.

V. Cosquin und Oesterley erwähnen a a. 0. noch eines hieher- gehörigen Märchens der Majldth'schen Sammlung (Brünn 1825, 2 Aufl Stuttgart u. Tübingen 1837), welches in der „Semaine des fä- milles'1 1866—67, p. 4. auch in frz. Übers, erschienen ist.

Vi. Die dieser Zusammenstellung zugrunde gelegte Fassung. fi*hn\. MM. a. Ungarn 11. S. 38.

Für die nicht-magyarischen Parallelen vgl. Reinhold Köhlens An- merkung zu Widter und Wolf No. 1 im Jahrbuch für roman. und engl. Lit. VII, 3 fT. und Cosquin, Contes pop. de Lorraine (Paris 1886) I, 87 ff.

Von den europäischen Versionen sind besonders zu erwähnen: die bisher älteste Aufzeichnung des Märchens im cap. 28 des Libro de los Gatos (Katzenbuch), einer spanischen Fabelsammlung vom Anf. des XIV. Jh. (Vgl. Jahrb. f. rom. u. engl. Lit. VI, S. 18.) Nach Oes- terley (Germania 1864, S 126 u. 1871, S. 129) ist aber dieses span. Werk nur eine Übers, der im letzten Drittel des XII. Jh. verfasslen Narrationes des engl. Cistercienser-Mönches Odo de Ciringtonia Dann die ebenfalls litterarische Variante in Paulis Schimpf und Ernst (1519) Kap. 464 (Vgl. die Ausg. von Oesterley in der Bibliothek des Litter. Vereines in Stuttgart. Kap. 489—90: Von falschheit vnd be- trügnis. S. auch die reichhaltigen Nachweise daselbst.) Von den obi- gen magyarischen Varianten steht die II. (Nyelvör XIII, 378) der Ver- sion Pauli's am nächsten. Hier wäre noch anzuführen; Pelbartus de Themesvar (Pomerium sermon. de sanetis. 1. 2. Hagenow. 1662. fol ) pasc. 8, Y. (Angef. bei Oesterley, a. a. 0.)

Von sonstigen Varianten sind zu erwähnen :

1. deutsch bei Grimm No. 107 (dazu III. 188 und vgl. No. 97 mit III, 176 u. 342); Proehle, Märchen f. die Jugend No. 1 (Halle 1854); Ey. Harzmärchenbuch (Stade, 1862) 8. 183; Zingerle, Tiroler Kinder- u. Hausm. I. No. 20 (Innsbruck. 1852); Suterraeister, Kinder- u. Hausm. aus d. Schweiz (Aarau. 1869) No. 43 u. 47: aiebenbürgisch- sächsisch bei Haltrich, Volksmärchen, der goldne Vogel; bei Wolf, Deutsche Märchen u. Sagen (Leipzig 1845) No. 4.

1G0

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RECHT I NI) UNKECHT.

2. dänisch in Molbech, Udvalgte Eventyr, No. 6. und Grundt- vig, Gamle danske Minder III. 118.

3. norwegisch bei Asbjörnsen og Moe, Norske Folkeventyr No 49 (= deutsche Ausg. von Bresemann in Berlin 1847, II. S. 166.)

4. finnisch bei Eero Salmelainen (Erik Rudbeck), II. 172 E. Beauvois, Contes pop. de la Norvege, de la Finlande et de la Bour- gogne (Paris 1862) p. 139 ; die ehstnische in »Wiron Satuja" (Ehst- land's Märchen) St. Michael 1849, 2. Ausg. S. 5.

5. russisch bei Goldschmidt, Russ. Märchen (Leipzig 1883) S. 61. 6 wendisch in Haupt u. Schmaleres Volkslieder der Wenden

(Grimma, 1843) II. S. 181.

7. böhmisch bei Gerle, Volksm. d. Böhmen, I. S. 347; Waldau, Böhm. Märchenbuch (Prag, 1860) S. 271.

8. serbisch bei Wuk, Volksm. der Serben (Berlin, 1854) No. 16 und bei Jagid, im Archiv f. slav. Phil, „aus dem slidl. Märchen- schatz* No. 55; kroatisch bei Fr. S. Krauss, Sagen u. Märchen d. Südslaven, I. No. 74o

9. neugriechisch bei Hahn, Griech. u. alb. Märchen (Leipzig, 1864) No 30

10. rumänisch (aus Siebenbürgen) im „Ausland' 1857, S. 1028.

1 1 . zigeunerisch aus der Bukowina, bei M iklosich, Üb. die Mund- arten und Wanderungen der Zigeuner Europa's, (in den Mitteil, der Wiener Akademie d. Wiss. XXIII, 1874» No 12. und aus den unga- rischen Karpaten, mitgeteilt von J. Kluch, bei Miklosich, Beiträge zur Kenntnis der Zigeunermundarten, IV. Wien 1878. S. 3 7.

12. italienisch bei Widter und Wolf, Volksmärchen aus Vene- tien, im Jahrb f. roman. u. engl. Litteratur, VII No 1 (S. 3.) Dann aus Toscana, bei Nerucci, Sessania Novelle pop. Montalesi (Firenze 1880), No. 23; aus Wälschlirol, bei Schneller. Märchen u. Sagen au* Wt. (Innsbruck 1867), No 9, 10 u. 11.

13. französisch bei Cosquin a. a. 0. No. 7 (S. 84 ff. mit den oben erw. Anmerkungen.) Bei Luzel, Legendes chretiennes de la Basse- Bretogne (Paris, 1881) p. III. und in dess Veilles brelonnes (Morlaix, 1879) p. 258 Ferner die baskischen bei Cerquand, Legendes et Re- cits pop. du pays basque (Pau, 1875—76) 1. S. 61 und bei Vinson, Le Folk-Iore du pays basque (Paris 1883) 8. 17 und .1. M. de (ioi- zueta, Leyendas vascongadas 3. ed. (Madrid 18)6) S. 9.

14. katalanisch im Rondallayre von Maspon y Labros (Barcelo- na. 1875) I. S. 68.

15. portugiesisch, bei Coelho, Contos pop. portuguezes (Lisboa, 1879; No. 20.

16. irländisch bei K. v. K.(illinger), Sagen u. Märchen (aus Irland) II. S. 2:4.

17. albanesisch, Der Gerechte und der Ungerechte, deutsch von J. U. Jarnik in Zeitschrift für Volkskunde, II. B. 7. H S. 264 -265.

Von aussereuropäischen Versionen sind bei Cosquin und Oester- ley (zu Pauli a. a. 0.) die folgenden verzeichnet:

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HKKTALAN MATIKKO JtN.

Tausend und eine Nacht (Aus?, des Pantheon litterniie S. 717. - Ein kirgisisches M. bei RadlofT, Proben der Volksiii der türkischen Stämme Süd Sibiriens, Hl. S. 343. - Ein snrikoli M (aus den westl. Tälern des Pamir-Plateau's), im Journal ol the Asiatic Soc. of Ben- gal. vol. 45, part. I. No. 2. p 180 Eine Version au« Bental im Indian Antiquary, 1874. p. 9. Zwei kamaoni*che (vom Fusse des Him.daya-Gebirges), bei Minaef. Indiiskia Skaski y Legendy (St. Peters- burg 1 877 1. No 42 u. 16 In Süd-Indien: Ind. Antiquary, octobre 1884. p 285. Vgl. auch Benfey's Pantschatanlra I S. 13 ff. Ein KnhyUn-MHrchen bei Rivifere, Recup.il des contes pop. de la Ka- bylie de Djurdjura (Paris 1882t. S 35.

Die Zipser Volkssage von Kasparek. l)

Von Berialan Matirko jun. (Vorgelesen in der Vortragssitznng vom 10. Mai 181)0.)

Um die Auslagen des Feldzuges gegen die Venetianer zu decken, verpfändete König Sigismund 1412 die 13 Städte der Zips. sowie die Besitzungen Lublo und Podolin dem polnischen Könige Ladislaus. Lublo ward der Sitz der Starosten, welche über diese Städte eingesetzt wur- den Der Eintluss dieser 400 jährigen polnischen Oberhoheit ist heut- zutage in der Zips nur noch an Lublo bemerkbar, das die einzige polnische Stadt in Ungarn ist. Reich ist diese Gegend an Sagen, die alle ein mystisches Motiv haben, und von denen die „Kasparek-Snge" in vieltacher Beziehung für den Volksforscher von bedeutendem Inte- resse ist.

Kasparek, so erzählt das Volk, war ein Bürger zu Lublo, der mit Wein nach Polen, nach Warschau handelte. Auf Flössen führte er auf dem Poprad- Flusse die weingefülllen Fässer nach Polen und brachte auf diesem Wege leere nach Hau-o Einmal kam er nach Warschau als sein Handelsfreund abwesend war; die Gattin dessel- ben übergab dem Kasparek die Kellersehlü«sel, damit er so vorgehe wie früher, d. h. die weingefülllen Fässer einlagere und die leeren mit sich nehme. Kasparek, den Keller durchforschend, fand ein Fäss- chen mit Gold gefüllt. Er nahm es mit seinen leeren Fässern unbe- merkt mit sich nach Lublo, wo er nun in Ruhe lebte. Der Warschauer Kaufmann bemerkte den Diebstahl, und erschien unverhofft in Lublo. Kasparek leugnete und schwor auf die heil. Dreifaltigkeit: Seinen Kör- per möge die Erde ausspeien, der Himmel seine Seele nicht aufneh- men so er falsch schwöre! Am dritten Tage starb er. Nachdem man ihn beerdigt begann er als Gespenst herumzuwandeln. Er halte weder in der Erde, noch im Himmel Ruhe. In der Nacht besuchte er die

•) Siebe „Ethnograph!«" 1. Jahrg. S. 261 ff.

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DIE Zll'SEK V0LKSSA0E VON KaSPEKK

Schlafenden und sog ihr Blut. Auch seine Gattin besuchte er; bat und flehte, man solle sein Vergehen wieder gut inachen, denn er habe weder in der Erde, noch im Himmel Ruhe Mau öffnete also sein Grab. Sein Körper schien der eines Schlafenden zu sein; vom ausge- sogenen Men-chen bluie ward er von Tag zu Tag fetter, schöner. In seinen Händen fand man ausgeraufte Haare, an seinem Gewände Bluts- * tropfen. Seinen Leichnam trug man auf den Marl platz, sein Haupt schlug man mit einer Grabschaufel auf dem nördlichen Eckstein der Kirche ab. Der Kopf fiel vom Rumpfe, Blut strömte aus der Wunde. Aber Kasparek irieb sein Unwesen weifer; am helllichten Tage biss und würgie er die Reisenden, die Feldarbeiter usw. Wo man ihn er- wähnte, da erschien er blitzschnell. Die Reichen beraubte er, die Ar- men beschenkte er

Der Stadtmagistrat beschloss, die Leiche ausgraben und verbren- nen zu lassen. Millen auf dem Marktplätze wurde die Leiche verbrannt. Die Leiche lachte inmitten der Flammen, quackle wie ein Frosch, hob bald das rechte, bald das linke Bein empor; Kasparek aber sah seiner eigenen Verbrennung vom nächstgelegenen Hausdache zu. Wo er von nun an erschien, dort fieng alles Verb ennbare Feuer ; sobald aber Menschen erschienen, um den Brand zu löschen, flogen weisse Tauben aus den Flammen empor und keine Spur de** Feuers war sichtbar. Bisweilen tauschte er nur das Volk, bisweilen aber wütete das Feuer in mehreren Stadlvierteln zu gleicher Zeit Ungarns und Polens Bischöfe kamen in Lublo zusammen, um das Unheil zu ban- nen, sprachen den Exorcismus über die böse Seele aus und verfluch- ten den Kasparek in die Säroser Burg, die ausserhalb der Zips liegt. In eiiiem Turm dieser Burg harrt Kasparek, an den Schweif eines weissen Bosses gebunden, seiner Erlösungsslunde Nach jedem Jahr- hundert reisst ein Rosshaar und wenn alle Haare des Rosschweifes zerrissen sind, dann erst kann K. vor Gottes Richterstuhl treten

Dies der Inhalt der Sage, so wie sich dieselbe die Lubloer Ein- wohner erzählen. Kasparek lebte in der Tat und ist keine fingierte Gestalt. Er trieb nach seinem Tode sein Unwesen im Frühjahr 1718 unter dem Starosten Theodor Lubomirsky (1702—1754). Der ungari- sche Historiker Mathias Bil hat diese Geschiebte auch verzeichnet (Hungariae antiq et novae Prodromus .... etc. . . auetor Math. Be- Hus Pannonius. Norinbergae 1723. Li b II. p 103). Samuel Weher schreibt in seinem Werke: „Zipser Geschichls- und Zeitbilder" (Leut- schau, 1880) S. 63 u. A. über Kasparek also: „Man grub hierauf den Leichnam aus, und Hess ihn verbrennen, weshalb die Stadt, die den Aberglauben zu nähren schien, bestraft trurd«." Dies ist ein Missver- ständnis des Originals, wo es heisst: „Cadavere, haud sine superstitio- nis crimine exusto, novo iterum incendio a nefando isthoc spectro op- pidum muletalum feit." Abgesehen von Bil, spricht schon der dama- lige Zeitgeist dagegen. Solche Verbrennungen gehörten ja zu den da- maligen Hexenprocessen und waren an der Tagesordnung.

Im S mmer 1889 fand ich im städtischen Archiv zu Lublo

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UKKTALAN MATIKKO JÜN.

einen Codex in Qart unter dem Titel 9Liber Actorum*, auf dessen 178—197. Seite ein städtischer Notarius, Franz Wilcinsky 1718 die Historie des Kasparek teils in polnischer, teils in lateinischer Sprache erzählt. Michael Kasparek starb diesem Berichte gemäss am 28 . Febr. 1718; erschien am 1. März dem Diener Hertely ; an 26 März erschienen schon viele Leute beim Verhör, die alle mit Eid bekräftig- ten, dass K. ihnen ein Leid zugefügt habe. Am 15. April abermaliges Verhör. Zawadsky sagt aus, dass er von K. auf dem Wege angefallen worden sei. Noch am selben Tage wird sein Grab geöffnet und sein Körper so befunden, wie ihn auch die Sage beschreibt. Hierauf wer- den zwei Bürger: Jakob Maczko und Jo1-. Joseffi an den Krakauer Bischof Mich. Szembeck mit einem Bittschreiben ') abgesendet, damit dieser dem Lubloer Pfarrer die Exhumierung der Leiche erlaube. Am 26 April wurde die Leiche verbrannt, wobei dieselbe die Beine öfter in die Höhe hob und quackte. Das Herz wurde in einem hölzernen Gefässe den Brüdern K.'s übergeben. Von einer Köpfung der Leiche erwähnt dieser Bericht nichts. Aber K. erschien auch jetzt noch vie- len Leuten Nun folgt die Beschreibung der Feuerbrände, besonders der vom 6. und 25. Mai, 6. 8. 9. 12. und 14. Juni Die Brüder und die Witwe K.s werden beeidet und sagen aus, dass K. nie einen Zau- berring besessen habe und ihres Wissens keinen Teufelsspuck im Le- ben getrieben habe- Am 27. Juni nehmen 2 Pfarrer den Exorcismus vor. K. aber treibt seinen Spuck weiter. Nun wird auch das Herz des K. verbrannt. Nun erschien K nimmer wieder! Dies der Inhalt des Codex. *) Das Motiv dieser Sage, nämlich : der Sieg des Glau- bens über die Macht des Bösen, findet sich auch in einer anderen Sage der Lubloer vor, die der ungar. Dichter Michael Tompa unter dem Titel „Hegyeskö" (Spitzstein) genau nach der Volksüberlieferung bearbeitet hat. Der Ritter Lublo baut die Burg. Der Bau schreitet langsam vorwärts. Er schliesst daher einen Bund mit dem Bosen. Die Burg wird nun fertig, aber der Ritter hat keine Ruhe mehr und zieht sich in ein Kloster zurück. Der Teufel will ihn nun bestrafen und die Burg mit riesigen Felsenstücken zersiören. Da erklingt die Kloster- glocke und die Macht der Teufels ist gebrochen

Die K.-snge hat auch Baron Nikolaus Jösika in seinen 1852. verfassten Roman „Räkoczy II a aufgenommen, aber von der Volks- tradition in manchen Punkten abweichend.

') Der Originalbrief ist dem Codex angeheftet; der Text ist in der , Ethno- graph ia" I. Jahrg. S 266 mitgeteilt.

') Im Archiv der Stadt Gneada, einer Nacbbaratadt von Lublo war auch ein deutsches Manuscript der Kaspareksage, das aber öfter ausgeliehen, verloren gegan- gen ist.

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DIE KLEIDl'NOJ DKH ZIl'SKK SACHSEN

Die Kleidung der Zipser Sachsen.')

Von Samuel Weber. (Vorgelesen in der Vortragssitzug vom 10. Mai. 1890.)

Die Volkstracht der Zipser Sachsen war in den frühesten Zeilen echt deutsch. Noch 1690 schrieb Andr. Siübel: „Die Weiber gehen auf! alt sächsisch gekleidet." ') Die Männer trugen früher dreieckige Hüte : noch 1830 sah solche Sydow*) in Kesmärk. Diese Hüte, ge- wöhnlich am Rande mit Leder eingefasst, vererbten sich von Vater auf Sohn ; ebenso die Hauben, aus Seide, Gold- oder Silber-Spitzen ver- fertigt, von Mutter auf Tochter. Die Mädchen trugen Kopfbinden, Kränze aus Blumen und Perlen, deren Bänder auf den Rücken herabhiengen. Solche Kopfbindon trägt man in einigen Dörfern auch heutigen Tages.

In früheren Zeiten war der Männerrock sehr einfach. Aus Wolle verfertigten sich die Sachsen selbst das grobe weisse oder graue Tuch zum Alltagsgewand. Der lange, bis auf die Fersen reichende „Gehrock", der Sonntagsrock, war aus blauem Tuch verfertigt und bei reichen Leuten mit Silberknöpfen versehen. In der Hand trug der Mann einen Stock, mit einem Gold- oder Silberknopf. Bei dem grossen Leinanbau ist es selbstverständlich, dass die Weiber ihre Kleidung aus selbst verfertigter, blauer, geblümter Leinwand herstellten. Das Alltagsgewand unterschied sich nicht vom Sonntagsstaat. Als Schmuck wurden weisse Perlen oder rote Granatsträusse und Ringe getragen, die wie David Fröhlich 1644 in seiner „Cynosura* erwähnt, oft auch den Verstorbe- nen ins Grab mit gegeben wurden. Die Hauptrolle in der Weiber- kleidung spielte das Brustleibchen (Brustlatz), „Wisst" genannt, das aus Sammt oder Seide verfertigt, mit goldenen oder silbernen Spitzen und Schnallen versehen war. Dies „Wisst* vererbte sich auch auf Kindeskinder und es gibt kaum ein Testamenf aus alter Zeit in der Zips, worin unter den vererbten Sachen dies Kleidungsstück nicht er- wähnt wäre. Zum Festschmuck gehörte auch der Gürtel, den beide Geschlechter trugen. Er war eine Spanne breit und aus Samt oder Seide verfertigt, bisweilen aus Silber- oder Goldstoff und mit goldenen oder silbernen Schnallen versehen, bei ärmeren Leuten aus billigeren Stoffen gemacht. Auch dieser Gürtel wird als Erbstück in den .Markt- büchern" häufig erwähnt; heutzutage tragen ihn die Bursche bei Hoch- zeitsfeierlichkeiten.

Ausser dem langen Rock trugen die Männer bis zur Hüfte rei- chende, mit Silberknöpfen und Schnüren versehene Westen. In früheren Zeiten trug man Kniehosen und Strümpfe, später Stiefelhosen, die auch verschnürt waren : daher das Sprichwort : „Hosen mit Tressen und

») Siehe : „Etnographia" I. Jahrg. 8. 291 ff.

') HuDgaria, oder vollständige Beschreibung des Königreichs Ungarn von Mart. Zeiler, ergänzt durch Andr. Stübel ... Frankfurt und Leipzig 1690.

Albrecht von Sydow, Die Beskiden u. die Central-Karpathen. Berlin, Dumm-

ler 1830 S. 348.

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BELA LÄZAK

nichts zu fressen!" Noch 1*05 beleidigte mit diesem Sprichwort ein Bürger die Belaer Behörde und ward dieserwegen mit Gefängnis be- straft. Später wurden die Weiberkiltel auch aus feineren Sloffen ver- fertigt, mit Schnüren und goldenen und silbernen Schnallen verziert. Früher trugen Männer und Weiber mit Schnallen versehene Schuhe und Strümpfe, später Stiefel von verschiedener Farbe. Die Schürze, aus teueren Stoffen oder nur aus einfacher Leinwand verfertigt, ver- vollständigte den Anzug der Weiber. Ein eigentümliches, manlelartiges Kleidungsstück war die „Schauhe" oder „Kotsch», in der die Weiber ihre Säuglinge trugen. Der weite sächsische Mantel war auch das Erbstück des Zipsers So heisst es im Markt buch zu Szepes-Szombat (1587) in einer testament Tischen Aufnahme: „Eine braune Schau be mit lauter Fuchsaugen gefüttert ; eine grüne Schaube mit Fuc isklauen samt einer guten Schlangen (Schnalle) ; ein schwarz-grüner Keppenik (Mantel) mit rothen Gewand gefüttert; ein Mantel mit gelben Horten." Pelze, mit Marder- oder Fuchsfell gefüttert, trugen Weiber und Män- ner; die Pelze der Weiber waren hinten reichgefaltell und aus den Falten hiengen (Joldquasten herab. Die hellen, schreienden Farben wa- ren stets beliebt: rot (Weste;, grün, blau (Kock und Hose); selbst bei Leichenbegängnissen vermied man die schwarze Farbe. So berich- tet schon 1644 Fröhlich in seiner „Cynosura" ; ja selbst die Todten begrub man in so gefärbten Kleidern und mit ihren Ringen, damit die verstorbene Ehehälfte der Hinterbliebenen bei einer etwaigen neuen Heirat keinen Anstand mache.

Später griff der Luxus um sich, so dass die städtischen Behör- den gar oft dagegen auftraten. Bis 1848 erhielt sich noch diese alte Kleidung, dann wich sie der ungarischen Nationaltracht, später der allgemeinen Mode und kann heutigen Tages nur hie und da noch ver- einzelt gefunden werden.

Ueber den „Garabonezias diäk." ')

Von Bila J^tizär. (Vorgelesen in der Vortragssitzung von 10 Mai. 1800.)

Die Volksphantasie beschreibt den sog. Garabonczid» (Hak also: Der (1 1). kommt mit Zähnen auf die Welt, absolvirt 13 Schu- len, zieht sich dann in eine Höhle zurück, wo er sammt 13 bisweilen 12 Genossen vom Teufel Unterricht erhält. Dann setzen sie sich auts Glücksrad, bei dessen Drehen einer herab- fällt und 12 werden Garalonczids diäk. Als Zauberer in bau- schige Mäntel ge üllt. durchzieht er dann als Bettelsludent (lahrender Schüler) das Land. Wehe dem, der ihm kein Almosen gibt. Stürme

»y S. „EtnographiV I. S 277. ff.

m»;

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ÜBER DEN rGARUONCZlAS DIÄK a

und Hagel bringt er hervor, verrenkt die Beine der Kinder, melkt die Brunnensc wegel usw. Stürmt es^ so reitet er auf einem Drachen durch die Lüfte und liest aus einem Buche, dessen Schrift nur er versteht. Die Palovzen in Ungarn glauben, dass dieser Drache den Sturm auf Wunsch des G. I). erzeuge.

Diese Gestalt gieng auch in die ungar. Litterai ur über. Schon der Bibelübersetzer liomjdthi gebraucht in .«-einer Uebersetzung der Briefe Pauli das Wort : garaboncziäs mit Bezug auf Zauberbücher und in Peter Melius' BrIiobM (S. 93) lesen wir schon 1565 etwas über den G. D Mathias (Nolitia Hung. vol. IV. p. 6*2 ITi erzählt ein Abenteuer des 1712 verstorbenen Gellyo, den die Bauern G. I). nannten. 1782 schreibt der Jesuit Joh. lllei ein Fastnachtsspiel „Peter Tornyos-, das auf der Sage vom G. D. hasin, Veniifax heisst im Stücke der G. I) , der alle Züge die-er Gestalt des un;? u\ Volksglau- bens in sich vereinigt. 1799 beschreibt der Dichter Mich, ('sokonai in seinem komischen Epos „Dorottya" (Dorothea) als Episode die Wirkung der Taten des G. D. IS07 erwähnt auch Atäon tizirmay in seiner „Hungaria in Parabolis* den G. D als eine Gestalt des ung. Volksglau- bens und 1834 schrieb Joh. Munkdcsy eine Posse : „Garaboncziäs diakM, die sich lange Zeit auf den Bühnen Ungarns hielt. 1864 be- schreibt Vas G ereben in seinem Werke „Dixi" den G. D. so, wie er eben im Volksglauben lebt, nur ist sein G. D zu sentimental gefärbt. Seither hat niemand in Ungarn den Stoff bearbeitet, nur noch Joh. Arany erwähnt an einer Stelle (I. Gesang) seines Epos: „Buda ha- lala- (Buda's Tod) den G. D.

Dem Kern dieses Volksglaubens forschten schon mehrere nach. Arnold lpolyi führt in seiner „Magyar Mythologia" (Ungar Mythologie S. 454 (T) in das ungar. Heidentum zurück und sieht im G. D. den letzten Rest heidnischen Priesterlums. Die heidnischen Priester segne- ten die Saaten, sie waren Auguren, Propheten. Etymologisch erklärt lpolyi den Namen G. D. aus gara = ung. alt und boncz = ung. Seeierer (der den Cadaver aufschlitzt). Dieser Ansicht scliloss sich auch Jökai an (in der „Oesterreich.- Ungar. Monarchie in Wort u. Bild" I S. 330 der ung Ausg.) und in neuester Zeit auch Jul. lstednffy in der Zeilschrift „Turistäk Lanja- 1H90. 3. Heft (Touristen-Blälter.) Der vergleichenden Mythologie gegenüber ist diese Ansicht unhaltbar. Die G. D. waren einfach wandernde Studenten, die entweder auf ihrem Wege nach den Universitäten, oder von da auf ihrem Heimwege von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadl sich durch das Land bei leiten und auf ihren Wanderfahrten, um zu einem Imbiss zu gelangen, durch ihre dem Volke unbekannten physikalischen Productionen usw. in den Ruf <ler Zauberkünstler gelangten.

Nicht nur bei den Ungarn, Croaten, Rumänen, Slovaken, Polen, ■und Deutschen, aber auch in der Schweiz und in der Bretagne linden wir den G. D. Jagit hat über den G D. der Croaten einen Aufsatz {Archiv f. slav. Phil. 11. 437) veröffentlicht. Bei den Südslaven werden pem G. D. dieselben Eigenschaften und Kenntnisse zugeschrieben, wie

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DR. LADISLAUS R&TIIY

bei den Ungarn, nur ist er hier Pfarramtscandidat. Bei den Rumänen ist der G. D. Solomonari sächsischer Abstammung und wie Oaster (Archiv f. slav. Phil. VII. 281-291) ihn uns beschreibt, so stimmt auch dieser rumänische G. D. mit dem der Ungarn und Croa- ten betreffs seiner äusseren Gestalt und seiner Eigenschaften überein. Auch der „schwarze Student" der Slovaken ist im Grossen und Gan- zen der G D. der Ungarn, lpolyi teilt a. a. 0. auch eine polnische Volkssage mit, die betreff des G. D nur den neuen Zug enthält, dass er seine Ausbildung im Lysei gora Gebirge erhält. Auch bei Henne (Volkssagen S. 147) finden wir in einer schweizerischen Sage unseren G. D. vor. De Riese (Histoire et traitg des Sciences occultes p. 356) teilt auch eine Volkssage aus der Bretagne mit, in der von einem zaubernden Studenten die Rede ist. Aus dem von Orimm (Altdeutsche Wälder II. S. 49) mitgeteiltem Gedicht, in welchem ein fahrender Schüler, namens Johann Nürnberg auftritt, aus dem Anfang des XIV. Jahrhunderts ersehen wir am deutlichsten, dass der ungarische G. D. der deutsche fahrende Schüler ist (Vgl. auch Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit II. S. 456). Solche Gestalten wie der G. D. finden wir also auch im Volksglauben anderer Völker vor. Dass im Mittelalter italienische Zaubermeister Ungarn oft und oft besuchten, ist eine bewiesene Tatsache. Ihre Kunst hiess Negromanzia oder, nach Valentini's Lexikon Gramanzia. Hieraus leitet öabr. Szarvas (Nyelvör = Sprach wart VI. 99) die Benennung Garabonczids ab; und wohl richtig, während Jagfö dies für ein aus dem Slavischen entlehntes Wort erklärt. Was nun das Wort didk = Student anbelangt, so stammt dies vom lateinischen diakonus ab. Katholiken sandten im Mittelaltes zahl- reiche Jünglinge auf theologische Anstalten, während die protestanti- schen Magnaten ebenfalls viele Schüler auf ausländische Universitäten sandten. Aus diesen wurden dann die Geistlichen, die Diakone. Hieraus ist ersichtlich, dass der Garaboncziäs diäk des ungar. Volksglaubens ein „fahrender Schüler" gewesen ist, der durch Zauberkünste sein Leben fristete, bis er eben das Ziel seiner Wanderfahrt erreicht hatte.

Colonien der Spanier in Ungarn.1)

Von Dr. Ladislaus Rithy.

Nach der Vertreibung der Türken aus Ungarn waren die süd- lichen Landesteile beinahe ganz entvölkert, wo früher Ungarn gewohnt hatten und wo wahrscheinlich zu Böszörmeny ein reformiertes Bistum bestanden hat. Her, in diese Gegenden wurden Süddeutsche, Italiener, Elsässer und Spanier angesiedelt. Adolf Erkbvy bietet uns in seinem Werke : „A telepites" (Die Colonisation) einen grossen Ueberblick über

•) Vgl. »Ethnographi»" I. Jahrg. 8. 300 ft

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COLONIKN DER SPANIER IN UNGARN

diese Bewegung, während L. Hecht (Nancy 1879) ausführlich über die Ansiedelung der Elsässer und Lothringer schreibt (Les colontes Lorrains et Alsaciens en Hongrie.) Ober die spanischen Niederlassun- gen berichtet Joh. Miletz: „Adatok a delmagyarorszägi spanyol tele- pek tört6net6hezu (Beiträge zur Geschichte der spanischen Niederlas- sungen in Südungarn) in der Zeitschrift : Delmagyarorszägi tört. es rög. erl. 1878. Miletz hat die auf die Verhältnisse der vom Generalen Mercy circa 1733 in Werschetz und Temesvär, besonders ab^r in Gross- Becskerek angesiedelten Spanier bezüglichen Daten sorgfältig gesam- melt. Diese Spanier wanderten aus Murcia, Arragonien, Byscaja ein und wohnten zum grössten Teil in Gross-Becskerek, so dass diese Stadt auch Neu-Barcellona genannt wurde. Einzelne spanische Namen waren: Donna Anna Novarra (aus Murcia) Josef Novarra's Witwe, Anna Maria Abbadia (aus Arragonien), Josef Calon, Don Alfons En- tero, Don Johann Kristof Garcia Donna Maria Serra y Laguna, Don Joannes Galcagin de Toledo, Fernandez, Alvarez Lopez, Donna Ger- trud Ximenez, Don Josephus a Castro et Gongora u. s. w. Ihre Pfarrer waren: Valdoriola Franz, VUlatersana Josef, Brihuega Alfons, Cuttie Salzedo Anton. Auf königlichen Befehl wie dies Ludwig Nimethy Eslergomer Kaplan, der gründlichste Kenner der Geschicite Budapest'*, so freundlich war uns mitzuteilen, wurden diese Spanier aus Südun- garn 1738 nach Budapest übersiedelt, wo laut den Matrikeln schon 1717 spanische Colonisten waren. Am 14. April 1715 wurde in der Festungskirche in der Set. Stefans-Capelle der Pfarrer der Spanier Mi- chael Guadancara begraben. Sie hatten hier ihre eigene spanische Kirchengemeinde, deren Pfarrer (Capellani curati inelytae nationis His- panicae) eben Antonius Cuttie a Salcedo und Alfonsus de Brihuega waren. Was aus dieser spanischen Colonie geworden, wissen wir nicht. Solche Namen in Budapest, wie : Rodriguez, Las Torres, Valduaga, Villas, können die letzten Nachkommen dieser Colonisten sein.

Die Klementiner in Slavonien.

Von Prof. Fr, Ö. Kuhal

(Fortsetzung u. Schlags).

Das Stammland der Klementiner ist Albanien welches von Kastriolid 1433—1457 gegen die Türken tapfer vertheidigt, schliesslich der Uebermaehl unterlag. Die grausamen Verfolgungen unter Sultan Mu- rat II. veranlassten viele der römisch-katholischen Albanesen den mu- hamedanischen Glauben anzunehmen ; diese fielen nun über ihre christ- lichen Brüder her, und überboten die Türken an Grausamkeit und Treulosigkeit. Da entschloss sich ein grosser Theil der christlichen Al- banesen, (die Türken nennen sie Arnauten, sie sich selbst aber Ski-

HerrmMD, Ethnologische HilUiloogeo, II. 169 12

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FH. Ö. KDHAC.

patari oder Skipitari. *) sich ein neues Heim zu gründen. Im Jahre 1465 sammelte K leinen t gegen zweitausend Krieger, und führie siesammt ihren Angehörigen aus dem Lande ihrer Väler. Nach vielen Hindernissen und Angriffen seitens der Türken und der albanesischen Renegaten gelangten sie in eine damals unbewohnte Gebirgslandschaft zwischen Albanien und Serbien, eine kleine Hochebene von ungefähr einer hal- ben Stunde im Umfange in der prokleitischen Bergkette, von allen Seiten von unzugänglichen Abgründen umgeben, mit einem einzigen sehr beschwerlichen aber leicht zu vertheidigenden Zugang.

Zum Oberhaupte ihres kleinen Freistaates wählten sie ihren An- führer Klement, nannten ihre Völkerschaft „Klemenlinci" oder „Bru- derschaft des Klement tt, und richteten ihr Staatswesen nach patriarcha- lischer Art, nach Bruderschaften ein. Diese Bruderschaften der Alba- nesen dürften den Serben, Montenegrinern und Kroaten als Muster gedient haben, da solche bratovstine (Bruderschaften) nur bei den Süd-, nicht aber auch bei den West- oder Nordslaven anzutreffen sind.

Hier lebten die Klementiner fünfzig Jahre frei und unabhängig, und schlugen jeden Angriff der Türken tapfer zurück. Allein als im Jphre 1526 nach der Mohäcser Schlacht ein Theil Ungarns, Slavo- ni* us und der ganze Balkan unter türkische Herrschaft gelangte, muss- ten sich die Klementiner wenn auch nicht ergeben, so doch bequemen, einen jährlichen Tribut von 4.000 Dukaten dem Sultan zu geben, wo- für ihnen von Seile der Türken Ruhe und Friede garantiert wurde.

In diesem Verhältnisse lebten die Klementiner in ihrer kleinen Republik gegen zweihundert Jahre ganz unbehelligt, vermehrten sich ausserordentlich, und gelangten sogar zu einem gewissen Wohlstande. Der Friede, welcher während dieser Zeit zwischen Türken und Kle- mentinern herrschte, hatte zur Folge, dass das kleine Volk ganz in Vergessenheit geriet. Selbst die einheimischen Volksdichter erzählen aus dieser Periode gar nichts, was insofern begreiflich ist, da keine Heldenthaten, Raufereien, Verrätereien u. d. gl. stattfanden. Wo aber nichts geschieht, kann auch nichts erzählt werden.

Erst in den Jahren 1737—1739 geschah der Klementiner wieder Erwähnung. Es war dies zur Zeit, als Kaiser Carl VI. im Bunde mit Russland gegen die Türkei Krieg führte, und Oesterreich die katholi- schen Albanesen, besonders aber den Stamm der Klementiner für einen Aufstand gegen die Türkei gewann. Die Albanesen hielten treu zu Oesterreich. Aber leider hat sich Oesterreich durch übertriebene Stren- ge und allzugrosse Härte des Obersten Strasser die Sympathien der Albanesen derart verwirkt, dass diese sich in den darauf folgenden Kämpfen ganz passiv verhielten. Dies ihr Schmollen wird viel beige-

* Adelung sagt (Mithridates II. pag. 792), das Wort Hkipatar oder skipitar sei unbekannter Bedeutung, Anton und andere legen ihm die Bedeutung „Bergbe- wohner" bei, uJihrend die syrmischen Klementiner meinen: Skipet oder Skit bedeute einen Wanderer, Skipitari daher ein Wandervolk. Hauptmann Baki6 (ein geborener Nikincer) sagte mir jedoch, das in der alten albanischen Sprache „sci-pe(r)-tar" so viel bedeute, als ..ein Unsriger, Einer, der das Unsrige versteht."

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DIE KLEMENTINER IN SLAVONIEN

tragen haben, dass das österr. Heer, das auf Novi Bazar gieng, bei Nis eine fürchterliche Niederlage erlitt. Gleich nach der Schlacht trenn- ten sich die Albanesen von den Trümmern des österr. Heeres, und wanderten als Flüchtlinge mit Sack und Pack, Weib und Kind über Usica nach Serbien. Als sie am Fusse des Berges Alava lagerten, wur- den sie von den Türken überfallen und zum grössten Theile nieder- gemacht. Die Wenigen, welche diesem Blutbade entkamen, trachteten den Sammelplatz des österr. Heeres : §abac, zu erreichen, von wo ans sie die Save überschritten, und sich mit Erlaubnis Kaiser Carls in Syrmien niederliessen.

Dies ist im Kurzen die Vorgeschichte unserer Klementiner, die ich teils den „Albanesischen Studien" von Dr. Joh. Georg von Hahn (Jena 1854), teils anderen Quellen und vielfachen mündlichen Mit- teilungen entnommen habe. Für die neuere Geschichte der syrmi- schen Klementiner lieferten mir, als ich im Jahre 1875 Hrlkovci und Nikinci besuchte, der damalige Hrtkovcer Gemeindevorstand Herr An- ton Kolie" und der Gemeindenotär Herr Markus Pepcic, beide geborene Klementiner, wie auch der k. u k. Hauptmann in Pension Herr Mar- kus Bakie, der gegenwärtig in Agram lebt, schätzenswerte Beiträge, iür die ich ihnen hier meinen Dank ausspreche.

Als sich die Klementiner im Jahre 1737 oder 1738 in Slavonien niederliessen, wohnten sie lange Zeit hindurch in Wäldern, in zerstreu- ten Einzelngehöften, in Familien oder Bruderschaften geteilt. Doch bauten sie bald nach ihrer Ankunft zwei Kirchen, und gründeten im Jahre 1785 zwei Pfarren. Im Jahre 18<>5, als das Grenz-Grundgesetz ins Leben trat, wurden die Klementiner aufgefordert, ihre isolierten Gehöfte zu räumen und in geschlossenen Dörlern zu wohnen. Da sie sich dieser kaiserlichen Anordnung widersetzten, so wurden sie mit Waffengewalt, wobei nicht wenig Blut floss, gezwungen, Gehorsam zu leisten. Nun rotteten sie grosse Strecken Wälder aus, und legten um ihre Kirchen die zwei grossen Ortschaften Hrtkovci und Nikinci an.

Im Plarrhofe zu Nikinci befindet sich jetzt noch « in hölzernes Kreuz, welches die Klementiner bei ihrem Auszuge aus der alten Hei- mat vorantrugen, und unter dessen Schutz sie nach Slavonien ge- langten. Früher befand sich das Kreuz, das die Klementiner als ein Heiligtum verehren, in der Kirche zu Nikinci, da aber die Hrtkovcer Insassen drohten, das Kreuz mit Gewalt zu nehmen, so musste das- selbe der Sicherheit wegen, in das Wohnzimmer des Nikincer Pfar- rers gebracht werden.

Kaum einige Jahre später, als sich die Klementiner in Slavonien festsetzten, erhielten sie neuen Zuwachs^ aus Italien, wohin sich viele albanesische Familien nach dem Falle Skender beg's geflüchtet hat- ten, und wo sie wie nomadisierende Zigeuner lebten. Diese italieni- schen Albanesen führte ihr Erzbischof Summa nach Slavonien unter dem Schutze eines Marienbildes, das sich heute noch in der Hrtkovcer Kirche befindet, und welches Bischof Strossmayer vor etwa zwanzig Jahren renovieren Hess. Kaiser Carl VI. wies dem albanesischen Erz-

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FR Ö KUHiC-

bischof die innere Stadt Eszek (Festung) als Silz an, und gab ihm einen Jahresgehalt von zweitausend Gulden. Summa starb zu Eszek am 20. November 1777, und wurde dort im Sanctuarium der Fran- ziskaner-Kirche beigesetzt.

Mit den Brüdern der alten Heimat stehen die syrmischen Kle- mentiner in gar keiner Verbindung. Das was sie von dem weiteren Schicksale ihrer alten Stammesgenossen wissen, teilte ihnen ein vor- nehmer Albanese mit, der die beiden Ortschatten Hrikovci und Nikinci im Jahre 1840 besuchte. Die Klemenliner in Albanien gedenken über- haupt stets der syrmischen Colonien, während sich diese um das alte Vaterland nicht im mindesten kümmern, wie dies bei Auswanderern gewöhnlich der Fall ist. So kam in dem stürmischen Jahr 1849 ein Abgesandter Albaniens zu unseren Klementinern, um nachzusehen, ob diese irgend welchen Heistand von Seite Albaniens benötigen; im Jahre 1865 kam wieder ein albanesischer Mönch aas Constantinopel, der sie aufmunterte ihrer Sprache und ihrer Keligion treu zu bleiben, und ihnen zu diesem /wecke ein gedrucktes Psallir, ein Evangelium und ein Gebetbuch in albanischer Sprache brachte.

Die Sprache der Klementiner ist der albanesische Gegedialekt, der in Nordalbanien gesprochen wird, und sich von dem toskischen, der in Mittelalbanien zu Hause und voll Gräcismen ist, dadurch un- terscheidet, dass er trotz vieler slavischen und türkischen Wörter älter und urwüchsiger ist.

Das Vater Unser und der Englische Gruss lautet in der Sprache der syrmischen Klementiner nach Aufzeichnung des Herrn Marko Pepcie' folgendermassen :

Ati ün ci je n cijel, sejinfia kjost, emnit tat, a rodjenija jote. botst volundedeja jote, si kur sen cijel, a stu egsen ze. Bnken ton per dicmen nepol v mazi zot nep ena dije, si kursem diem na fajtorsit tan, mosna Ije o zot me ra ne kec po Ijargona pre casitkecit. Amen: Astu kjost.

Valjemi Mri ilji pljota, zoti uhn me tüh bekua je pigji; (pigjirslr)

grah, e bekua fürte barkut tit Jesus: sentnuame Mri, oma e tim zot, ljutu perne patnuamit tasen fil mors san Amen : Astu kjost.

Diese Sprache sprechen die syrmischen Klementiner heute noch unter sich, doch kann jeder iMann auch kroatisch. Anfangs gieng es ihnen mit der richtigen Betonung der kroatischen Wörter schlecht, und sie accen'uierlen jedes zwei- oder mehrsilbige Wort derart, dass sie die erste Silbe über die Massen dehnten z. B. nisam blo tämo; moja je mäti zdräva Heute sprechen sie jedoch so correct, dass man der Aussprache nach den Klementiner vom Kroaten nicht unterschei- den kann. Die Klementiner bedienen sich des lateinischen Alphabetes, dem sie noch drei eigene Schriftzeichen beirügen: £, H und £. Der Laut des ersten Zeichens wird wie das kroatische z oder dass deut- sche s in „Rose" ausgesprochen («ot = zot, der Herr; ifane «= izane, der Sklave), der zweite wie das deutsche ü (s88 = süü, das Auge) und der dritte wie ein lispelndes aber etwas schnarrendes r (£re = rlsree, die Erde ; her£e = herrslre, das Nest).

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DIE KLEMENTINER IN 8LAV0NIEN.

Jene Albanesen (in Albanien), welche den toskischen Dialekt sprechen, und grösstenteils der griechisch-orthodoxen Kirche angehö- ren, bedienen sich des griechischen Alphabetes.

Bis zum Jahre 1785 erhielten die syrmischen Klementiner ihre Priester aus Rom von der „Propoganda fide", da kein Priester der Diakovarer Diocese (zu der die beiden Ortschaften Hrtkovci und Ni- kinci gehören) albanesisch zu sprechen verstand. Um diesem abzuhel- fen verordnete Kaiser Joseph II. im Jahre 177.1, dass je zwei kle- mentinische Jünglinge, welche sich dem geistlichen Stande widmen wollen, und vom Haus aus die Sprache der Klementiner kennen, aut Staatskosten erzogen werden mögen. Infolge dessen erhielten unseie Klementiner bereits im Jahre 1786 zwei Pfarrer aus ihrem Stamme, und hatten solche bis zum Jahre 1855 Die letzten zwei Pfarrer, wel- che Klementiner von Geburt waren, und dem Volke in dessen Sprache predigen konnten, hiessen Paul Gjolic und Peter Malja. *)

Als im Jahre 1822 die früher erwähnte Verordnung Kaiser Jo- sephs ausser Kraft gesetzt wurde, die Klementiner aber ihre Söhne auf eigene Kosten nicht studieren lassen wollten gab es auch keinen geistlichen Nachwuchs mehr, und so mussten sie schliesslich solche Pfarrer annehmen, die der albanesischen Sprache gänzlich unkundig waren. **) Immerhin wird auch jetzt noch in ihren Kirchen, wenn auch nicht in ihrer Sprache gepredigt, so doch albanesisch das Gebet ver- richtet.

Erwähnenswert ist, dass die Kleinem iner, als sie sich in Slavo- nien niederliessen, keine eigentlichen Zunamen hatten, sondern ihrem Taufiiamen die Taufnamen des Allvaters, Urgrossvatcrs, Grossvalcrs und Vaters beifügten. Hiess z. B einer Mras (d. i. Markus), so nannte er sich: Mras Gjot-Gig Nik-Prek. d. h. Markus vom Johann, Georg, Nikolaus der Sohn Peters In den dreissiger Jahren, als in der Mili- tärgrenze Conscriplionslisten angelegt wurden, mussten sich auch die Klementiner eines Zunamens bedienen. Diesem Befehle nachkommend wählten sie den Taufnamen des Vaters oder Grossvaters, und fügten demselben nach kroatischer Art die Silbe *icu bei, z. B. Gjolic (von Gjot), Kolic (v. Kolja), Bakic (v. Bakai), Malie" (v. Malja) u. s. w.

Das Klima des gesegneten Flachlandes an der Save wirkte auf die Klementiner, die an trockene Bergluft gewohnt waren, sehr un- günstig; deshalb verminderte sich auch ihre Zahl von Jahr zu Jahr. Nach der Volkszählung vom Jahre 1870 gab es in Hrtkovci nur mehr 9o* männliche und 94 weibliche, in Nikinci aber 94 männliche, und 103 weibliche Klementiner, im Ganzen also 387 Seelen. Manche glau-

*) Malja, Dr. der Theologie und Dechant, hatte eine wertvolle Bibliothek mit vielen albanesischen Schriften, welche nach seinem Tode jedoch verschwand. Möglich, dass sich ein Teil dieser Bücher in der Diakovarer bisehöfl. Bibliothek befindet.

*♦» Vom ethnographischen Standpunkt ist es gewiss recht schade, dass diese so überaus interessante - pracheninsel auf diese Weise der baldigen gänzlichen Überflutung ausgesetzt i*t. Red.

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FB. Ö. KUHAC-

ben zwar, dass die Kleraentiuer durch die in den Jahren 1809—1812 eingewanderten Kroaten aus der ehemaligen Karlstädter Grenze, durch die im Jahre 1839 eingewanderten Schwaben, und durch die in den Jahren 1865—1870 eingewanderten Magyaren verdrängt wur- den ; aber dem ist nicht so, da sich der Klementiner aus seinem syr- mischen Stammsitz durchaus nicht verdrängen lässt; sondern sie wur- den, wie gesagt, durch Epidemien, zumeist aber durch das Fieber, welches in diesen Gegenden herrscht, hinweg gerafft. Indess forderte auch das Jahr 1848 viele Opfer; damals war .nämlich die Aufregung unter den Klementinern so gross, dass sie mit den dortigen Schwaben und Serben im buchstäblichen Sinne des Wortes Krieg führten, wo- bei viele, sowol von den ersteren als von den letzteren ums Leben kamen. Denn es muss gesagt werden, dass die Klementiner mit den Kroaten, so wie auch mit den später eingewanderten Magyaren stets sympathisierten, die Schwaben aber ihrer Habsucht, und die Serben ih- res spöttischen Wesens wegen nicht leiden mögen. Das Benehmen der Serben entspringt übrigens nicht aus Spott, sondern aus Hass und Verachtung, da sich die Klementiner rühmen, bei der für die Serben unglücklichen Schlacht am Kosovopolje (1389) den Ausschlag gegeben zu haben. Der Kampf, so erzählt die Tradition der Klementiner. währte sehr lange ohne Entscheidung, und da sämmtliche türkische Kräfte be- reits aufgebraucht waren, so beschloss der Sultan den Rückzug. In diesem entscheidenden Momente bot sich der Anführer des kleinen albanesischen Hilfscorps dem Sultan an. auf die Serben einen Sturm zu wagen. Der Sultan lehnte anfangs dies Anerbieten mit den Worten ab: „Wie wird eine handvoll Leute, eine so grosse Schlacht zur Ent- scheidung bringen?" Als jedoch der verwegene Albanese erwiderte: PHerr, der Feind ist erschöpft, die Siegeszuversicht geschwunden, der Gehorsam und die Eintracht gelockert, lass mich daher den Ver- such machen!" so antwortete der Sultan: „Also handle, wie du sagst !* Als die Albanesen den Stoss mit dem ihnen eigenen Elan wagten, fieng der Gegner an zu weichen, das türkische Heer aber lebte neu auf, rückte vor und - siegte Nach vollbrachter Tat ritt der Sultan auf den albanesischen Führer zu und dankte ihm mit dem Ausrufe: „mir dit!tt d. h. wol geraten, oder auch: „guten Tag, Segenstag. - Diese Worte des Sultans sollen Veranlassung gegeben haben, dass sich ein Stamm der Albanesen Mirditen nannte, den Serben aber, dass sie die Albanesen bis auf den heutigen Tage hassen.

Die Klementiner wurden, als sie sich in Slavonien niederliessen, als ein sehr emsiges und fleissiges Volk gerühmt, das wie Taube sagt seine faulen Nachbaren heimlich auslachte. Sie bebauten ihre Felder („bastinene me punuera"), hatten vortrefflichen Tabak, dessen Samen sie aus Albanien gebracht, hielten Bienen („mialzate") und be- trieben Viehzucht. Sie hatten schönes Hornvieh („brij delleia"). Schweine (;rjrlsrij) besonders aber schöne Schafe („grigi"), die sie ebenfalls aus der alten Heimat mitgebracht haben, und die eine vorzügliche, seidenartige Wolle geben. Die Weiber waren nicht minder fleissig und

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DIE KLEMENTINER IN SLAVONIEN.

geschickt, sie spönnen, webten und verfertigten sowol ihre Kleidung als auch die ihrer Männer. Die Schafwolle, welche sie gewannen, färb- ten sie. mit dem Safte gewisser Kräuter, welche Farbe besonders schön und dauerhaft war. Ihre Teppiche, die sie fabrizierten waren von ganz besonderer Schönheit und Güte. Heute kümmert sich der Kle- mentiner bei weitem nicht mehr so viel um Wirtschaft und Erwerb, weiss er ja doch, dass einst fremde Leute Erben seiner Habe sein werden.

Die Gestalt der Klementiner ist gross und schlank, Augen und Haare sind gewöhnlich dunkelbraun oder schwarz, die Gesichtzüge sehr regelmässig. Cretins gab es weder früher unter ihnen, noch gibt es jetzt solche, doch sind die Weiber gegenwärtig nicht mehr so gross und schlank wie ehedem. Immerhin findet man aber auch heute noch klementinische Mädchen, die gerade von entzückender Schönheit sind.

Dem Temparamente und Charakter nach sind die Klementiner hitzig und roh. aber nicht wild; sie sind ehrlich, treu, verschwiegen, tapfer, voll des Nationalstolzes und dem Herscher und der Kirche bis zum Aussersten ergeben Anderseit aber sind sie wieder rachsüchtig, un- versöhnlich und über alle Massen eifersüchtig. Darum ist es nicht ratsam mit einer klementinischen Braut oder einer jungen Frau ohne Zeugen zu sprechen, wenn auch auf offener Strasse und bei hellem Tage, denn wenn der Klementiner von einem derartigen Zwiegespräche Kunde erhält, so ist der Betreffende, sei er ein Klementiner oder ein Fremder, seines Lebens nicht sicher. Lobenswert ist dagegen ihre Gast- freundschaft und Zuvorkommenheit. Tritt man in ein klementinisches Haus, so kommen sie einem mit dem Grusse: „Miresete giaagn!" („Willkommen, mein Herr!") oder mit: „Miresete giaagn mich!" („ Will- kommen, Freund!") entgegen, heissen einen in ihrem schönsten mit kostbaren Teppichen belegten Zimmer Platz nehmen, und bringen so- gleich Erfrischungen : Wein, Mehlspeisen, Obst u d. gl.

Geistig sind die Klementiner sehr begabt und aufgeweckt Jene Jünglinge ihres Stammes, welche die Königin Maria Theresia studieren Hess, gelangten zu hohen Aemiern und Würden, jene aber, die als Hussaren in dem slavonischen Reiterregimente dienten, zeichneten sich jederzeit durch Tapferkeit, gutes Verhalten und Ritterlichkeit aus.

Paul Hunfalvy f

lf*10 1891.

Paul Hunfalvy, der Begründer der wissenschaftlichen Ethnologie in Ungarn, der Praesident der Gesellschaft für die Völkerkunde Un- garns, unser Vorbild und Meister, ist am 30. November 1891 in

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BÜCIIEBBESPRECHUNGEN.

Budapest gestorben. Am 28. hat er noch an der zu seinem 50- jährigen akademischen Jubilaeum von jener Gesellschaft veranstalteten Gedenksitzung in ungeschwächter geistiger Kraft teilgenommen und sehr bedeutsame Äusserungen getan, und noch am letzten Abend an seinem grossen Werke über die Geschichte der Rumänen gearbeitet. Sein Beispiel objectiven Forschens möge der heimischen Volkskunde den Weg zur Wahrheit weisen! Unsere „Mitteilungen" werden dem An- denken ihres illustren Mitarbeiters einen längeren Nekrolog widmen.

Bückerbesprechungen.

Sebillot Paul. Devinettes de la Haute- Bretagne. Paris, p. 26. gr. 8. Maisonneuve & Leclerc.

Zu den am Wenigsten beachteten und immer weniger gepflegten Volksüberlieferungen gehört das Rätsel. Es is* das Erzeugnis kind- lich scherzenden Scharfsinns, eine zuweilen sehr geistreiche Abart des Witzes, der den Rätselaufgeber sowie den glücklichen Löser des Rät- sels erfreut und erheitert. Die Zeit, wo ein RULscIaufgeber beim Volke hochgeehrt wurde, ist Ireilich für die Cullurvölker längst vorüber. Bei uns pflegen nur mehr Kinder und Frauen im Volke das Rätsel. Frank- reich ist sehr reich an Rätseln. Rälselbücher, bemerkt Sebillot, sind seit Jahrhunderten ein guter Artikel der Colportage-Buchhändler. Am interessantesten sind aber, fährt S. zutreffend fort, die internationalen Rätsel. Solcher Rätsel bietet gerade diese Sammlung nicht wenige. Auf- fällig erscheint es auf den ersten Blick, dass die Literalbewohner we- nig Gefallen den Rätseln abgewinnen. Die charakteristische Einleitungs- formel zu Rätseln lautet: „Devine devinaille". der Serbe sagt: „da sto mi da sto? (was denn mir. was denn?i Wie der Serbe die vPdalicau (vergl. Sitte u. Brauch der Südslaven p. XIX ) hat der Franzose die demande facitieuse. Das deutsche Fragespiel ist doch etwas Anderes. (Man vergl. Frischbier 's Sammlung) Wie sich doch in der Beantwortung eines einzigen Rätsels zwei Volksseelen abzeichnen können, will ich an einem Beispiel zeigen Nr. 96 lautet : Qui vale plus vite du monde ? Antwort: U'ezprit. Lessing sagt in seinem Faustfragment analog: der Gedanke, der Südslave aber das Wort wird dem greisen Cejvanaga zugesprochen meint : oko (das Auge, der Blick.) Lesprit und Gedanke, der augenblickliche geistvolle Einfall ist eben nicht das Schnellste beim Südslaven. Das liegt aber nicht an dem Individuum, sondern an den uralten communistischen gesellschaftlichen Einrichtun- gen, nach welchen nie ein einzelner, sondern nur eine Versammlung Esprit besitzen kann. Der Franzose kennt auch : choses ä dire tres vite, so z. B. Cossulu, Pissulu, Coquentra, Pinosa (Coq sur l'hu [la porte], pie sur Thu ; le coq entra, la pie n'osa.) Auch dem Deutschen muss das Wälsche (Italienische) zu solchen Dingen herhalten, so z. B. Di cw- rante bizi /S/. (Die Kuh rannte, bis sie fiel.) Die „Rätselhaften Inschrif-

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bCciikrresprechüngen.

.. . . - 1 .

ten" in den Scherzwinkeln unserer illustrierten Blatter sind nur Nach- bildungen solcher uralt volkstümlicher Scher/reden

Wien. Dr. F. S. Krause.

Haberlandt Michael: Der altindische Geist. In Aufsätzen und Skizzen von , Leipzig, 1887. Bei A. (J. Liebeskind. VIII. -f- 348, 8°.

Haberlandt ist eine eigenartige und etwas befremdende Erschei- nung unter den österreichischen Gelehrten. Ein stiller Zug von Li eb- lichkeit und Frauenhaftigkeit spricht uns aus seinen Arbeiten an. Er ist ein dichterisch, ein lyrisch veranlagter Gelehrter; zwei Naturen streiten in ihm um den Vortritt, doch beide weiss er sich dienstbar zu machen, und so schafft er eine neue Welt aus sich heraus. Dieser indische Geist ist vielfach sein eigener Geist. Ich möchte Haberlandt's Verhältnis zum Indischen Wesen mit seinen eigenen Worten begrün- den, die er in Bezug auf die Nichtbeachtung von Naturschönheiten gebraucht bei den Kömern. (S. 173.) .Auch das mächtigste Object kann dem Geist nicht mitteilen, was er nicht schon innerlic i hat, wir sehen, dass die Dinge nichts in uns hinein bringen, sondern Al- les aus uns hervorlocken. u Und auf seine Darstellung passt die Be- merkung, die er über die Namen der Lotosblume macht (S. 49 ). „Sprache und Poesie sind hier nicht mehr geschieden, sie spielen in einander über und sich gegenseitig in die Hände. u Von der Art sind seine Aufsätze: Bei den indischen Göttern, Die Mütter, Der Mann im Brunnen und am meisten: Die indische Frau.

Haberlandt^ Grundfehler vom Standpunkte des Ethnographen glaube ich darin zu linden, dass er zu häufig verallgemeinert und Äus- serungen des Volksgeistes von den Auffassungen der Kunslliteraten nicht immer genau unterscheidet. Was soll man z. B. zu der Be- hauptung (S. 3) sagen: „In der Abgeschlossenheit des Gangeslandes hat das indische Volk nun immer aus eigenem und aus ganzem ge- schnitten, ist es aus sich allein zu dem geworden, wozu es sich ge- bildet hat; zum geistvollen Sonderling, zum Grillenfänger unier den Völkern, für dessen Grundstimmung, Denkgewohnheiten und Lebens- formen wir Eur-'päer in den eigenen nicht immer Gleichungsformeln zu finden vermögen." Wo in der Welt findet man noch so ein bun- tes Gemisch von Völkerschalten wie in Indien, und wo ist etwas > krau- ser in eines zusammengeschmolzen als es indisches Wesen ist? Nur von einem Naturvölkchen, das seit Aeonen auf einem weltvergessenen Eilande haust, kann man sagen, es habe aus eigenem und aus gan- zem Holze geschnitten. Bei der Deutung der Vielköpfigkeit der Götter missversteht er die aetiologischen Mythen und sagt : (S. 9 ) „So ist alles indische Wesen : dem Lieblichsten und Tiefsten immer ein Gran von Aberwitz zugesetz." Nein. Aberwitz, das ist ein wissenschaftlich unzulässiges Wort an dieser Stelle. Die vielköpfige Gottheit hat nicht ursprünglich nur einen Kopf gehabt, sie ist schon vom Anfang an vielköpfig gewesen : denn sie ist einem ihrer Ursprünge nach aus anthropomorphisierlen Blumen und Blüten hervorgegangen. Diese auf den ersten Blick ungeheuerliche Form hat mit gesteigerter Cultur alle

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BÜ( HKRHESPRECHUNGEN

anderen Nebenformen in sich aufgesogen, doch dem Volke entschwand das Verständnis für den urältesten, religössymbolischen Gedanken, der natürlich nicht spezifisch indisch genannt werden kann. Wie zu- treffend bemerkt doch H. an einer anderen Stelle: »Mythologie ist nicht Kunst. Wir sind durch die Griechen gewöhnt, die beiden für eins zu nehmen. Aber das ist ein unzweifelhafter Irrtum und verdirbt uns jede rechte Erkenntnis in unserer Sache."

Eine recht hübsche folkloristische Silhouette ist der Aufsatz über den indischen Fridolin. Die 57 Skizzen im Anhange zu dem Buche bieten eine gelungene Auswahl trefflicher ethnographischer Seltsam- keiten, die meistens keine Seltsamkeiten eigentlich sind. Das „Liebes- spier, bei welchem der Geliebte den Speichel der Geliebten schluckt, das ist nicht weniger als besonders indisch, in manchen Gegenden Deutschlands pflegt der Bursche beim Tanz ein Stück Apfel zu zer- kauen und seiner Tänzerin in den Mund zu schieben. Sie schluckt das Gekaute hinunter zum Zeichen, dass sie den Burschen liebt. Daneben kommt das „Züngerln" vor, die Griechen nannten es yhoitiUiv, und bei den Serben heisst es jeziiati se. Sehr lieb wäre es mir gewesen, wenn uns H. die indische Festfrau (S. 127.) die menschenschädel-ge- zierte Kdli, die so viel Verwandtes mit der südslavischen Frau Kuga aufweist, eingehender beschrieben hätte. Das Buch ist übervoll solcher schöner Andeutungen, vielleicht bietet uns H. bald neben duftigen Blu- mensträusschen auch einen ganzen Stamm, ich will sagen ein zusam- menhängendes Werk über indisches Volkstum. Er wäre der Mann dazu.

Wien, 1888. Krauss.

Ethnologische Litteratur Ungarn* im J, 1891. Seit die ethnographische Gesellschaft Ungarns vor 2 Jahren ins Leben getreten ist, hat sich um die „alte Garde" der Volksforscher Ungarns eine Schaar von Folkloristen herangebildet und Zeichen ihres Eifers, ihrer For- schung auf dem saatenreichen Boden pannonischen Volkslebens auch heuer ausser den in Zeitschriften erschienenen Aufsätzen, durch meh- rere namhafte folkloristische Werke gegeben.

Unzweifelhaft das grösste und wichtigste Werk ist die 33 Druck- bogen starke „Sammlung ungarischer Kinderspiele" (Magyar gyermek- jätekgyüjtemeny) von unserem hochverdienten Mitarbeiter Dr. Aron Kiss, das sich an RochhoWs deutsche Sammlung würdig anreiht, ja dieselbe in mancher Beziehung sogar übertrifft. Ks ist dies ein Werk, das mit Hilfe der Volksschullehrer des Landes zustande gekommen, in der foklorislischen Litteratur nicht nur Ungarns, sondern wir kön- nen mit gutem Gewissen sagen, auf dem Gesammtgebiefe des Folklore als Sammlung von Kinderspielen den ersten Platz einnimmt. Für den Volksforscher welchen Specialgebietes immer bietet dies Werk ein unschätzbares Materiale. Sollte es Unterfertigtem irgendwie vergönnt sein, dies Werk im Auszuge in deutscher Uebersetzung grösseren Krei- sen zugänglich zu machen, so wird dies gewiss ehebaldigst geschehen.

Eine „Classificierung und Charakteristik der ungar. Dialekte" (A magyar nyelvjäräsok osztälyozäsa es jellemzese) hat Josef Halassa.

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HÜCHEHHKSPRECHUNOEN.

der tüchtigste Phonetiker und Lautphysiologe Ungarns, herausgegeben und damit den Sammlern von Volksliedern u. dgl. einen recht brauch- baren Leitfaden zum genau phonetischen Aufzeichnen der Dialekt- Lieder usw. gegeben. Dies Werk sollte der Verf. wenigstens im Aus- zuge deutsch erscheinen lassen.

Unser verdienstvoller Mitarbeiter Ludwig Kdl.mdny hat heuer den fünften Band seiner unschätzbaren Sammlung magyarischer Volksdich- tungen unter dem Titel: „Szeged's Volk. Volksdichtungen aus Szege- din's Umgebung. III.- (Szeged nepe. Szeged vid6ke Nepköltese) veröffent- licht. In diesem Bande, aus dem wir demnächst Stücke in deutscher Uebertragung mitteilen wollen, sind 30 Balladen, 80 Liebes-, 60 Sol- daten-, 20 Hirten-, 20 Spottlieder, 250 Kinderlieder und Spiele, 20 Weihnachtsspiele, 50 Gebete und Besprechungsformeln , 40 Märchen und Sagen und 40 Rätsel mitgeteilt. Es ist eine fleissige. fachmässige Sammlung, zu deren Fortsetzung wir unserem Herrn Mitarbeiter ein freudiges r Glück auf!* zurufen.

Alexander /Yn/^r, der beste Kenner der Palowzen, hat „für Freunde in 50 Exemplaren* 13 Märchen dieses interessanten ungari- schen Volksstammes veröffentlicht, von dem bereits voriges Jahr Prof. J. lstvdnffy eine Sammlung: „Palowzische Märchen aus der Spinn- stube" (Palöcz mes6k a fonöböl) herausgegeben. Gelegentlich werden wir etwas aus diesen Sammlungen in deutscher Uebersetzung mitteilen.

Mit den Slövaken hat sich Josef Nagy befasst, der heuer auf eigene Unkosten als mittelloser Landlehrer ein Werk: „Aus der Hei- mat der Slovaken im Arväer Comilatea (A tötok otthonäröl Arvame- gyeben) herausgab. Das gegebene Material hat bleibenden Wert, wenn auch dem Verfasser und Herausgeber des Werkes folkloristische Schu- lung abgeht. Sollte uns über die Volksgruppen jedes Comitates des Landes ein solches Werk zu Gebote stehen, wir müssten dem Land- lehrerstande dann zum grössten Danke verpflichtet sein.

Unser tüchtiger Turkologe Ign. Kunos, ein Schüler Vdtnbiry^ hat uns heuer mit einem Bande: .Bilder aus Anatolien" (Anatoliai K6- pek) beschenkt, die für den Literaturhistoriker, Volksforscher und für jeden gebildeten Leser eine anziehende Lecture bilden. Die deutsche Ausgabe dieses Werke« gibt Unterfertigter demnächst heraus

Im Erscheinen begriffen sind noch die finnisch-ugrischen Studien von Bernh. Mnnkdcai und K. Pdpai, die längere Zeit in Sibirien unter den Wogulen, Wotjaken und Osljaken {reweilt haben und aus deren reich- haltigen und unschätzbaren Sammlungen unsere Zeitschrift schon ei- nige wichtige Stücke mitgeteilt hat. Von lUla Vikdr haben wir finni- sche, von Gabr. Bdlint mongolische und von Ign. Haldsz lappische Studien in nächster Zukunft zu erwarten, von Joh. Janko, dem Er- forscher des Nildelta's (s. „Globus- 1891. Bd. LX. Hft. 18), aber er- scheint demnächst eine umfangreiche, illustrierte Monographie über den Kalotaszeger Bezirk Siebenbürgens, wo auch Prof. Herrmann's Curort Jegenye, der romantische Aufenthalt des Unterfertigten liegt.

Dr. Heinrich v. Wlislocki.

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BÜCHEKBESRECHUNGEN.

Helwald Frd. v., Ethnographische Rösselsprünge. Kul- tur- und volksgeschichtliche Bilder und Skizzen. Leipzig 1891. C. Heissner. 416. S Der bekannte Kulturhistoriker bietet uns in 27 Abschniiten in klarer und leichter Darstellung einzelne Kapitel zur vergleichenden Volkskunde, in denen er eben für den alten Satz, den schon Peschel ausgesprochen hat, neue Belege herbeizieht, dass nämlich bei der Ueber- einstimmung einzelner Erscheinungen im Volksleben uns fast die trost- lose Vorstellung überfalle, als sei das menschliche Denkvermögen ein Mechanismus, der bei der Einwirkung gleicher Reize immer zu den gleichen Rösselsprüngen genötigt werde Hiezu bieten R. Andrejs, Ethnographische Parallelen ein grosses Material genug, zu dessen treuli- chem Werke Hellwald's Sammlung sozusagen ein „volkstümliches Pen- dant* bildet, denn jeder Laie, der nur einigen Anspruch auf allge- meine Bildung erheben kann, wird diese Sammlung mit (ienuss lesen und Belehrung daraus schöpfen. Sie liest sich wie eine Reihe recht anmutiger Feuilletons. Dr. H. v. Wlislocki.

Andrian Ferd, Freiherr v*, Der Höhencultus asiatischer und europäischer Völker, Wien 1891, K. Konegen. XXXIV. u. 385 S.

Dies Werk gehört unzweifelhaft zu den treulichsten Beitragen, welche im letzten Jahrzehnt uu( dem Gebiete der Ethnographie erschie- nen sind. In der Einleitung gibt uns der Verfasser die Ergebnisse, die er aus dem reichen Material der Arbeit gewann und teilt uns auch seine Methode mit, die er bei der 8ichtung des riesigen Materiales be- folgt hat. Er glaubt, im Bergcult zwei Vorslellungsgruppen zu erken- nen. Die eine beruht auf dein Animismus. auf der Beseelung und Be- lebung der Natur. Der Berg wird als Dämon oder als die Wohnung eines solchen gedacht. Die andere Vorstellung, „die kosmische Auflas- sung der Berge" findet sich nicht überall vor. S. 1—366 wird nun ein umfassendes Material lür den Höhencult zahlreicher Völker beige- bracht, wobei die heiligen Höhen der alten Griechen und Römer nicht behandelt werden, sondern im Anschluss an dies Werk von R. / eer in einer besonderen Schrift der Untersuchung unterzogen worden sind. Es ist begreiflich, was auch der Verfasser oft genug betont, dass eine auch nur halbwegs erschöpfende Bearbeitung dieses Thema'« nicht gegeben werden konnte. Eine grosse Lücke bildet in diesem Werke u. a. auch der missliche Umstand, dass der Höhencult der Magyaren nicht in Betracht gezogen worden ist, wo doch der Verf. hiezu nur in den bislang deutsch veröffentlichten Märchen und Sagen der Ungarn bedeutend mehr Material gefunden hätte, als er z. B. für den Höhencult der Rumänen aus Müller's Siehenbürgischen Sagen und aus Mailands kleinem Aufsatze (im Ausland" 1887 Nr. 52) hat schöpfen können. Dies Werk bleibt für kommende Korscher auf diesem Gebiete ein Quellenwerk, auf dessen Basis der Höhencult jedes Volkes in Einzelndarstellungen geschrieben werden kann, wie dies Un- terfertigter bezüglich der Zigeuner, angeregt durch dies treffliche Werk, bereits getan hat (s. „Journal of the Gvpsy Lore Society" 1802. Vol. III. No 3. S. 161 - 169)

Dr. H v. Wlislocki.

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BÜCHERBK8PRECHUNG KS.

Dr. Heinrich v. Wlislocki, der fruchtbarste ungarische Folk- lorist, hat in jüngster Zeit wieder einige sehr wichtige, interessante grössere Werke veröffentlicht, die wir hier nur kurz anzeigen wollen. /. Märchen und Sagen der Bukowinaer (richtiger: Bukowiner) und Siebenbürger Armenier. Aus eigenen und fremden Sammlungen über- setzt. Hamburg, Verlagsanstall, 1892. 12 Bogen, gr. 8°. 60 Märchen und an 100 Sprichwörter. Mit kurzer Einleitung und einigen wen vol- len Noten von Wl. und Hanusch; ohne Quellenangabe, und Unter- scheiden des Bukowiner und Siebenbürger Ursprungs. Eine Beurtei- lung des wissenschaftlichen Wertes der Sammlung muss daher in Schwebe bleiben, bis die Urtexte in der kritischen Ausgabe des gali- zischen Armenologen Munzath erscheinen werden

/l. Volksglaube und religiöser Brauch der Zigeuner. (Darstel- lungen aus dem Gebiete der nicht christlichen Rcligionsgeschichte IV. Bd.) Münster, 1891. XVI. +■ 184. gr. 8°. 3 Mark. Die Fülle des ganz neuen Stoffes verblüfft auch den Fachmann. Der unerschöpfliche Reichtum an Zigeuner-Analogien für alle möglichen bekannten Erschei- nungen des Volkslebens lässl fast den gelinden Zweifel aufkeimen, ob der so viel gelesene und noch mehr erfahrene Verfasser nicht mitun- ter mehr wahrgenommen hat, als wirklich vorhanden.

III Die Szekler und Ungarn in Siebenbürgen. (Sammlung ge- meinverständlicher, wissenschaftlicher Vorträge. Herausg. v. B. Vir- ehow u W. Wattenbach. Neue Folge. Heft 137. Hamburg, 1891. 40 Seiten, 50 Pfennig.) Wl. ergänzt nun seine in dieser hochangesehenen weitverbreiteten Sammlung über die Zigeuner, Sachsen und Rumänen veröffentlichten Arbeiten mit dieser netten und liebevollen, lebendigen uud sachlichen Darstellung der Eigenschaften, des Lebens und Webens des Hauptvolkes dieses ethnographisch unvergleichlich interessanten Landesteiles, und hat sich dadurch ein neues bedeutendes Verdienst um die heimische Volkskunde erworben. A. H.

Hunfalvy- Alb um. XXIV. + 208 Seiten gr. 8". Mit Hun- falvy's Porträt u. einem Facsimile. Budapest, 1891. V. Hornyänszk's Verlag. Preis 3 11. Dieses prächtige Gedenkbuch haben die Vereh- rer Paul Hunfalvy \s aus dem Anlasse herausgegeben, dass 50 Jahre um sind, seit die Ungarische Akademie der Wissenschaften Hunfalvy zum Mitgliede gewählt hat. Der Jubilar ist kurz vor Erscheinen des Albums verblichen, und die Jubelschritt ist zum Epitaphium geworden! Ein prächtiges Trauerdenkmal, womit 33 hervorragende ungarische Gelehrte in 30 Aufsätzen aus den verschiedenen, von Hunfalvy culti- vierten Disziplinen dem hochverdienten Jubilar den Zoll ihrer Vereh- rung abgetragen.

Der biographische Abschnitt ist etwas karg bemessen ; in unser Gebiet gehört A. Herrmanns Aufsatz: Hunfalvy als Ethnograph. Der zweite Abschnitt zur ungarischen Philologie enthält in 11 Artikeln manches Interessante, aber wenig Hervorragendesund ganz Neues. Durch- wegs bedeutend sind die 5 Aufsätze zur finnisch-ugrischen Philolo- gie im dritten Abschnitt, von denen wir anführen: B. Vikar, Kalevala,

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BÜCHERBESPRECHUNGEN.

IX. runo, mit Einleitung. B. Munkäcsi, Der wogulische Brauch des Bäreneides; u. K. Päpai, Heirat, bei den Wogulen. (Wol die beiden für uns bedeutendsten Arbeiten.) Der vierte Abschnitt enthält 14 Artikel aus verschiedenen Gebieten und von verschiedenem Werte. Näher interessieren uns: L. R6thy, Die ungarische Liiteratur u. d. Ru- mänen. — A. Szilägyi, Die sieben bürgische Gesetzgebung und die Ru- mänen. — .1. Goldziher, Die Dichter in der Auffassung der allen Ara- ber, mit einen schätzbaren Nachtrag von B. Munkäcsi. J. Kunos, Aus dem Epos Köroglu. G. Alexi, Der Rabe in der rumänischen Volkspoesie. L. Katona, Die nächsten Aufgaben der Märchenfor- schung. — A. Strausz, Bulgarische Volkslieder. Recht verdienstvoll ist A. Hellebrandt's chronologische Zusammenstellung derlitt. Arbeiten Hunfalry's in 284 Nrn, (Redactionen. selbständige Werke und Aulsätze). Die erste Arbeit sind Dresdener Briefe, 1839, die letzte eine Recension über A. Herrmann's, Alternativen zur rumänischen Ethnologie, 1890. Wir vermissen einige nicht unwesentliche Nummern, so die sehr bedeutende Re cension über 0. Herman's Buch der ungarischen Fischerei in den Ethnolo- gischen Mitteilungen aus Ungarn, I. 1888. 2. Hell. Sp. 152—160, und die bedeutsame Eröffnungsrede in der Volkversammlung der Ges. f. d. Völ- ker*. Ungarn. (Ethnographia, II. 169—171.) A. H.

Erdäly. (= Siebenbürgen.) Von dem illustrierten Organ des un- garisch-sieben bürgischen Karpaten- Vereins ist soeben das erste Heft (1892. Januar) in einem Umfange von 31/* Bogen erschienen. Von grosser Wichtigkeit für die Volkskunde ist diese neue Zeitschrift da- rum, weil sie neben der besonderen Berücksichtigung der für Siebenbür- gen so bedeutsamen Balneologie im Hauptrahmen der Turistik der Eth- nographie dieses Landesleiles (Fachreferent A. Herrmann) den ihn gebührenden hervorragenden Platz anweist. Als volkskundliche Auf- sätze führen wir an: Graf Geza Kuun, Über die Brodnik (rumänische Nomaden). Dr. J. Jankö. Über das magyarische Volk von Kalota- szeg. H. v. Wlislocki, Wanderzeichen der siebenbürgischen Zigeu- ner. (Auszug aus dem Artikel in den Elhn. Mitt.) Diese höchst beachtenswerte Zeitschrift erscheint monatlich einmal, im Sommer zwei- mal, und wird den Mitgliedern des Vereins gegen den Jahresbeitrag von 2 fl. gratis geliefert. Redacfeur 1). Radnöti. A. H.

Bolgdr n&pköltesl gyiijtemtny. (Sammlung bulgarischer Volks- poesien). Mit unedierten bulgarischen Originaltexten. Übersetzt und mit Unterstützung der bulgarischen Regierung herausgegeben von Adolf 8trausz. Mit bulgarischer Vorrede von Dr. I). Ivan Öiämanov. Buda- pest, 1892. 2. Bd. XVI. + 334 und 393 Seiten. Preis 6 fl

Es erscheint uns seitens der Führer des bulgarischen Volkes als e*a bedeutsames Zeichen politischer Reife und klaren Einblickes in die Tiefen des Völkergedankens, dass sie jetzt, am Beginn der zweiten Epo- che der nationalen Selbständigkeit das Studium ihres Volkstums so sehr m den Vordergrund treten lassen. Sie scheinen es gar wol zu wis- sßn, dass das der sichere Ausgangspunkt, die feste Grundlage für die or- ganische Entwickelung der nationalen Kultur ist, die Vergangenheit

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BCCUEKKK8PRECHUNOEN.

ein verlässlicher Wegweiser in die Zukunft, der im Ethnischen sich offenbarende Volksgeist ein tiefeingreifender Factor der nationalen Politik. Die bulgarische Regierung selbst lässt durch einen der hervor- ragendsten Vertreier der modernen Kultur, den Sectionsschef i.n Kul- tusministerum, Dr. Ivan D. Sismanov den Sbornik redigieren, eine gross- artige wissenschaftliche Sammlung zur bulgarischen Landes- und Volks- kunde, mit eminent ethnographischer Färbung.

Aus dieser Sammlung ist das hier angezeigte ungarische Werk ge- schöpft. Ungarn, das sonst so sehr berufen wäre, zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd geistige und materielle Kultur zu vermitteln, lässt sich zwar diese Mission nicht sehr angelegen sein, und aus der vorliegenden Publication wird der Westen nicht viel Kenntnis des bulgarischen Volks- geisles schöpfen Umsomehr aber die ungarische Nation, deren aufrichtige Sympathie für alle wahren und edlen Freiheitsbestrebungen die Leiter des bulgarischen Volkes wol zu würdigen wissen, die dessen bewusst sind, dass das Eindringen in die bulgarische Volkspsyche nur geeignet ist, diese Sym- pathien zu stärken. Auch war aut Grund der ungarischen Edition das Zu- standekommen einer deutschen Ausgabe (welche der Referent mit dem He- rausgeber der ungarischen vorbereitet) gleichfalls in Aussicht genommen. Und es bot die bulgarische Regierung in lieberalster Weise die Hand zur Schaffung dieses Buches, des grössten in der ungarischen Litteratur, das sich mit dem Folklore eines fremden Volkes befasst.

Wir wollen hier nicht aut eine genauere Beurteilung des Werkes ein- gehen, sondern nur kurz seinen Inhalt besprechen. Der erste Band enthält auf Seite I XVI. das sehwung und taktvolle Vorwort Sismanovs sammt ungarischer Übersetzung. S?ite 1 löl die Einleitung des Übersetzers, in- teressante Aufsätze über Volkspoesie und deren Editionen, über Volks- glauben. Sitte und Brauch der Bulgaren mit Musikproben; aus denen be- sonders die eingehende Schilderung der Eheschliessung hervorgehoben zu werden verdient. Diese ziemlich breit angelegte Einleitung erhebt zwar kei- nen Anspruch auf fachgemiisse Wissenschaftlichkeit, ist aber genug geeig- net, den ungarischen Lesern weiterer Kreise in anziehender Weise ein an- schauliches Bild des Volkslebens in seinen Hauptzügen zu geben, und sie in den Stand zu setzen, die Sammlung selbst zu verstehen. Nun folgen unter 70 Titeln verschiedene Kategorien von Volkspoesien, und auf S. 321—331. Anmerkungen. Der zweite Band enthält aut S. 1 eine wertvolle Sammlung von ungedruckten bulgarischen Originaltexten, denen dann die ungarischen Übersetzungen folgen, weiters wieder Übersetzungen aus schon veröffentlichten Quellen, im ganzen 1 09 Titel: endlich Anmerkungen S. 376- 390. Die Übersetzungen nnd nett und flott, mitunter etwas flüch- tig, aber immer verständig und recht gut zu geniessen. Mit übertriebener Genauigkeit sind bei den meisten Dichtungen die Gewährsleutea ngegeben, was wir bei Übersetzungen nicht suchen, wol aber den Hinweis darauf, wo das schon veröffentlichte Original zu finden ist. Die Anmerkungen bieten manches Belehrende und zum Verständnis der Dichtungen Erwünschte. Strausz hat sich durch diese grosse, mühselige Arbeit sowol um die bul- garische Volkspoesie. als auch um die ungarische Litteratur grosse Ver- dienste erworben. A. H.

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Sl'RACHMONOI'OL.

Sprachmonopol.

Der Anlass, dass wir in diesem Heft die Übersetzung eines unge- druckten Karagöz-Spieles von Ignaz Kunos veröfTeni liehen, erinnert uns an eine Expectoralion des Herrn Dr. Luschan, der im höchst verdienstvollen „Internationalen Archiv für Ethnographie" 1889. einem schönen Artikel über „Das türkische Schattenspiel" eine Nachschrift anhängt, die uns nahe interessierende wichtige prinzipielle Fragen be- rührt, die wir daher reproducieren, und uns dabei einige Bemerkun- gen erlauben. Hr. Luschan schreibt:

„Während der Drucklegung des Schlusses dieser Arbeit wird mir die Schrift von Dr. Kunos Ignäcz zugänglich, in der Form eines Son- derabdruckes — aus einer Zeitschrift, unter dem Titel : ,Härom karagöz- jatek 1886, in Budapest erschienen. Sie enthält drei vollständige Texte in Transcription und in ungarischer Üeberselzung, ausserdem ein Vor- wort von 5, und einen Schluss von 15 Seiten, meist mit Noten, wie es scheint, sprachlichen Inhalts auch diese leider in ungarischer Spra- che. Erscheint es schon eigentümlich türkische Texte gerade nur in ungarischer Üeberselzung zu veröffentlichen, so wäre es um so mehr zu erwarten gewesen, dass wenigstens der Titel und die wenigen Blät- ter, welche die Texte einleiten und abschlissen, auch in einer euro- päischen Sprache mitgeteilt würden. Die Schrift wäre mit dieser ge- ringen Concession an die ausserhalb des Globus von Ungarn woh- nende Menschheit sofort einem grossen Leserkreise näher gerückt, und zunächst auch allen Orientalisten, denen die türkische Transcription den ursprünglichen Text ersetzt, ohne weiteres verständlich. Vielleicht veranlassen diese Zeilen den Herrn Verfasser, wenigstens Anfang und Schluss seiner Schrift auch in einer allgemeiner verständlichen Sprache zu veröffentlichen; einstweilen kann ich nicht einmal darüber klug werden, ob die iranscribirlen Texte dem Herausgeber gedruckt vorge- legen haben, oder nur in Handschrift oder mündlicher Überlieferung jedenfalls aber sind dieselben von grosser Wichtigkeit, so dass ich nicht verfehlen darf, die Aufmerksamkeit der Fachleute auf dieselben zu lenken".

Es gereicht uns, die wir stolz darauf sind, uns die Anerkennung strenger Unbefangenheit verdient zu haben, und die wir uns ja bei unsern Mitteilungen der deutschen Sprache bedienen, also es ge- reicht uns zu grosser Freude und Genugtuung, wenn wir ähnlichen Vorwürfen bezüglich der ungarischen Sprache begegnen, und wir wünsch- ten, das derlei litterarische Delicte je öfters und an je ansehnlicherer Stelle (wie z. H. in Mommsen's Corpus Inscr.) uns solche Vorwürfe zuziehen mögen. Würden nur die ungarischen Schriftsteller und Ge- lehrten einige hundert solche Werke schaffen, bei denen es den Eu- ropäern recht leid täte, dass dieselben in ungarischer Sprache verfasst sind, dann kämen wir allmählich dahin, dass es der Mühe wert wäre, ungarisch zu verstehen, was für hoch Civilisierte nicht so gar un- möglich sein kann, wenn man bedenkt, dass wir Halbbarbaren in Un-

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SPRACHM ONOPOL.

garn neben melireren Landessprachen so viele ..Cultursprachen" er- lernen, wie kein westliches Volk. Wenn man unserer Sprache bedürfte, wenn sie eine unentbehrliche Litteratur hätte, würde man sie schon erlernen, und sie würde wol auc i in die Vorzugsciasse „europäischer" Sprachen rangiert werden. Dass ungarische Schriftsteller nach diesem hohen Ziele streben, darf man ihnen wol nicht verargen.

Wir müssen noch aufrichtig gestehen, dass es uns keineswegs so ganz u gar eigentümlich erscheint, türkische Texte gerade nur in ungarischer Übersetzung zu veröffentlichen. Die Herrn „europäischen" Turkologen mögen es gnädiglich zur Kenntnis nehmen, dass (da die türkischen Studien zu den Grundlagen magyarischer Ethnologie u. Philologie gehören) ausser dem hier inkriminierten Buche in ungari- scher Sprache auch noch andere wichtige osmanische Studien erschie- nen sind und erscheinen werden, deren der Fachmann füglich nicht wird entraten können

Noch ein Wort zum ungarischen „Globus." Einem jeden Volke ist sein Land sein Kosmos, und so soll es auch sein. Die Ungarn ha- ben sich »las ihrige genug sauer verdient: dieser „Globus" war lange das Hollwerk abendländischer Kultur, und es geziemt den Monopolis- ten der Civilisalion. besonders den Orientalisten, nicht im mindesten, über das Desireben der Ungarn, des Reiches und Volkstums der Vä- ter hier im Halborient gelreu zu warten, vornehm „europäisch" zu spötteln. ■« A. H,

Magyarische Volks bailaden.

i.

MolnAr Ann». •)

Machte auf sich Ajgö Martin Aul gar weilen Weg zur Waldschlucht, Traf am Weg er Molnar Anna: „Komme mit mir. MolnAr Anna, Mit auf weiten Weg zur Waldschlucht. M „„Kann nicht kommen, Ajgö Martin, Hab mein Heim, mein liebes, holdes, Säug' am Düsen süsses Söhnlein." Rief und rief er sie, sie säumte, Raubte rasch sie aus der Sölde

Wallten sie zu zwein nun weiter

Auf dem Wildsteg, hin zur Waldschluchl ;

Stund am Weg ein stämm'ger Richbaura,

•) Vgl. Ethnol. Mitt. I. 1. Heft, Spalte 80.

10

ADOLF HAHDMANN

Setzten sich in seinen Schatten. „Blick' mich an doch, weis' dein Antlitz:' Fiel aus Anna's Aug' ein Tropfen. ,Was denn weinst du, Molnar Anna?* ,„Wein' ja gar nicht, Ajgö Martin ; Tauestropfen träuft der Baum nur, Traun, im Mittag steht die Sonne."" Stieg hinan am Stamm des Baumes, Umschau halten, Ajgö Martin, Glitt zur Erd' sein prlcht'ger Pallasch. .Reich' mir, reich* mir meinen Pallasch!" Warf sie jäh empor den Pallasch, Bohrt1 der prall in seine Brust sich.

Mummte sich nun Molnar Anna Ein in Ajgö Martins Kleider. Kehrte heim zu ihrem Hausherd, Stund dort vor der Solde stille.

»Stiller Hauswirt, frommer Hauswirt, Gibst mir Herberg für die Nacht heut ? .Hoher Herr ! kann keine geben, Hab' ein kläglich schreiend Söhnlein." * Bat sie ihn da, bis er nachgab.

»Stiller Hauswirt, guter Hauswirt, Gibt's wol guten Wein im Weiler? Wollt1 zum Nachtimbiss ein Krüglein. * Gieng um Wein der gute Gatte, Knöpfte sie sich auf den Dolman, Säugte satt ihr schreiend Söhnlein.

Übersetzt von Adolf Handmann II.

Die drei Waisen.

, Wohin geht ihr, ihr drei Waisen?' „Gehn in Frohndienst weithin reisen!" , Bleibet, bleibt doch, ihr drei Waisen ! (Jehl in Dienst nicht, geht nicht reisen!'

,Geb' euch Hut lein drei vom Herde, Schlagt damit die Friedhofserde!4 „Mutter lieb! entsteig' dem Grabe, Näh' das Kleid uns, gib uns Label"

IM

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MAGYARISCHE VOLKSBALLADEN

„Kann ja rühren nicht die Hände, Drücken rings mich Bretterwände ; Nennt doch neue Mutter euer, Näht das Kleid euch, schürt euch's Feuer.«

«Kämmt sie uns und wäscht die Glieder, Trieft das Blut am Leib uns nieder; Gibt sie Brot aus Hirsenkorne, Schilt sie uns und flucht im Zorne.*

Übersetzt von Adolf Handmann.

in.

(Originaltext in Abafi'B ZfacLr „Figyalo* 1876.)

Einstens hau' ein König eine schöne Tochter, Golden war ihr Haar und sternenlicht ihr Auge; Reich mit Diamanten, Perlen, Silber, Golde Schmückte man die Königsmaid, die holde.

Einstens hatt' ein König einen schönen Sohn, Golden war sein Schwert und silbern war sein Ross

Einstens hatt1 ein König einen schönen Sohn, Und ein and'rer König eine Tochter schön.

Von sechs stolzen Rossen kam der Prinz gefahren, Freile bei dem König um die Königstochter; Königssohn erhielt zum Weib die Königstochter, Eine ganze Woche dauerte die Hochzeit.

Königssohn fuhr mit der Gattin draut von dannen Auf dem schönen Wagen mit den goldnen Radern. Als sie in den tiefen Waid, den dunklen, kamen. Vier Haiducken hielten grimmig an den Wagen.

„Einen P guten Morgen" wünschen wir dir Prinzlein, Noch zu dieser Stund' musst du dein Leben lassen I*

Tut mir nichtz zu Leide, lasst mir nur das Leben, All mein Gold und Silber will ich gern euch geben!

Bat die Königstochter: .Räuber, ihr vier Räuber, Lasst uns, lasst uns leben; wollet uns nicht tödten!"

Hör' uns schöne Königstochter, hör* uns an, Du allein kannst retten deinen Ehemann; Wenn bei unsrem Hauptmann du drei Nächte schläfst, Unverletzt könnt ihr dann beide

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fl. WLULOCKI

Eingewilligt in den Vorschlag hatten beide, Königstochter schlief beim Hauptmann drei dor Nächte: Doch am vierten Morgen fiel durchs Schwert der Riiube- Ihres Gatten Haupt, das Haupt des Königssohnes.

„Gott sei deiner Seele gnädig, Gatte mein, In dem Jenseits werden wir uns wiedersehn !*

„„Gott beschütz1 dich süsse, teure Ganin mein, In dem Jenseits werden wir uns wiedersehn !uu

11 o. Wlhlocki.

IV.

Magyarisches Volkslied.

(Originaltext in Kdlmäny' Koszoru.f etc. LS 11 )

Dort, aus jenem dunklen, tiefen Moor Wächst die Lilie, wächst die IW empor; Schlanke Lilie, weisse Kose, Du betrogst mich, du Herzlose!

Eine Blume war ich auch einmal, Doch jetzt bin ich welk, verblüht und fahl: Dich, du Falsche, will ich meiden, Will auf immer von dir scheiden!

In die Welt, die weite, will ich ziehn. Weil in öde Fernen will ich lliehn, Namenloses Leid und Schmerzen Im gebrochnen, kranken Herzen.

Nur das bittre Leid folgt meiner Spur Und begleitet mich durch Wald und Flur, Flüstert mir: dass du geb. ochen Hast die Treu, die du versprochen!

H. v. Wlhlocki.

Aus dem Munde i.

Ene, bene, Ekate, pekate, Schliri, potsche, Quinqua, quinqua, Semelepa.

Atscheine, tatscheine, Schopf

ier Ofner Sehwaben.

2.

Der Heidi Pupeidl steht draussen, Er wüll ma mei Kinderl mausen, her Heidi Pupeidl steht hinter der

Tür,

Wann'st nit glei einschläfst , so kommt

er herfür

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AÜ8 DEM MÜNDE DER OFNER SCHWABEN.

3.

Ziserlbaum, Ziserlbaum Wachs in mein Garten, Wann a schens Maderl kommt, Sag, sie soll warten. Wann sie nil warten will, Sag, i bin gsturm; Wann's driber traurig wird, Sag, i kum morgn.

4.

Ei ei ei

Sagt mei Weib, Knederln soll i kochen, Hab ka Salz, Hab ka Schmalz, 's Heferl is ma brochen. Wie i wüll zum Hafner laufen, Wüll a anders Heferl kauten. Kommt a klana Mann doher, Kennt mi übern Haufen.

5.

Guter Freund, ich frage dich, Sag mir, was ist eins? Eins und eins ist Gott der Herr, Der da lebt und der da schwebt Am Himmel und auf Erden

Mitgeteilt

Guter Freund, ich frage dich,

Sag mir, was ist zwei?

Zwei Tafel Moses,

Eins und eins ist Gottder Herr u. s. w.

Guter Freund ich frage dich, Sag mir, was ist drei? Drei Patriarchen, Zwei Tafel Moses, Eins und eins u. s. w.

Guter Freund, u. s. w. Vier Evangelisten, u s. w.

Fünf Gebote der Kirche, u. s. w.

Sechs steinerne Wasserkrüg, Die der Herr hat angefüllt, Zu Kanaa in Galilea u. s. w.

Sieben Sakramenten. Acht Seligkeiten. Neun Chöre der Engel. Zehn Gebote Gottes. Elftausend Jungfrauen. Zwölf Eigenschaften.

von Frau Josefine Weisz-Findczy.

Deutsches Volkslied aus Siebenbürgen.

Die Schwalben, sie fliegen Hoch über das Dach: Meine Seele möcht' fliegen So gern ihnen nach.

Möcht fliegen so gerne O Liebchen zu dir, Doch hat sie ka Flügel, - 0 wehe, weh mir!

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DEUTSCHES VOLKSLIED AU8 SIEBENBÜRGEN.

0 Schwalbe, o fliege Aus da'm Nest hinaus, Meine Grüsse, o bringe Zu Liebchens Haus!

Schaust du sie in der Küche, Sag': ich lass sie küssen; Schaust du sie im Hofe, Sag': ich lass sie grüssen; Schaust du sie vor'm Tore, Sag*, das« auseinander, Auseinander wir müssen!

(Aus Grosspold). Mitgeteilt von H. v. Wlisloeh.

Bulgarisches Volkslied.

(Original in Strausz, Bolgär n6pköH6si gyttjtemäny, II. Bd. S. 14.)

Sprach der Sultan so zur Penka:

„Penka, du mein f-üsses Täubchen,

Wenn du werden willst mein Weibchen,

Kauf ich, Penka, zum Talare

Dir die schönste Seidenware,

Eine Atlas-Öalavare.

Eine HalsketV geh, ich, Holde,

Dir aus meiner Mutter Golde."

Sprach die Penka so zum Sultan:

„Sultan, nicht mag ich dich leiden,

Bist ein garstger, wüster Heide;

All dein Walten Fluch und Schand ist,

Schnöd dein Glauben, öd dein Land ist.

Wisst vom Mittwoch nichts, noch Freitag,

Und der Werktag ist nicht euer,

Habt am Sonntag keine Feier;

Wollt das Bairamfest begehen,

Könnt es aber nicht erspähen;

Suchet es nach allen Winden,

Könnt mit Flinten nur es finden."

Sprach der Sultan so zur Penka: »Penka. du mein süsses Täubchen, Alle deine Schwägerinnen Sind schon in Idriu Kadinnen; Deine Dever all zusammen Sind in Isirlin.sk Sultane. u

190

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BULGABISCHE8 VOLKSLIED.

Sprach die Penka so zum Sultan: „Sultan, nicht mag ich dich haben; Nehm' mir einen meines Glaubens, Nimm dir eine deines Glaubens!'

Übersetzt v. A. H.

Fiumaner italienissches Volkslied.

Te go deto tante volte, Che nun voio fior in testa, Ne de giorno de festo, Ne de giorno de lavor.

Mi go fatlo lutto questo Per maridarmi presto, presto, Mi go fetto camisola Col brindulin Celeste.

Muss ich dir so oft es sagen, Sollst am Kopf nicht Blumen tragen. Weder an den Feiertagen, Noch an einem Werkeltag.

All das tat' ich zu dem Ende, Einen Mann zu fah'n behende, Machte mir drum auch ein Hemde Wol mit einem blauen Band.

Aufgezeichnet von Prof. M. Storzina, übers v. A. H.

Kolomyjka (ruthenisohes Volkslied.)

Nu haju zelenenkij, nu haju, nu

haju,

Na mene sja buky lamjjut, ja nie

ne hadaju.

Na mene sja buky lanujut, a palidi

tefiut,

Bo za mene molodejku soäidicM

breöut.

Aj breäite soSidici, za kym me2i

vami,

Jak ja pijdu /. mefci vas, bijte

holovami !

Aj pospivaj, poScebeci, sivoj holu-

boöku,

Po nad moi vißka öorni, po nad

holovodku !

Aj pospivaj, poäcebeci, jaznoje

potjatko,

In dem Hain, dem grünen Haine, in dem Hain, im Haine, Zweige brechen auf mich nieder, werd' darum nicht greinen. Zweige brechen auf mich nieder, werden wol zu Stecken Mich die junge Maid bebelfernd Nachbarinnen necken. Belfert Nachbarinnen, bis ich nicht von hinnen wander', Wenn ich fort gewandert, schlagt die Köpfe aneinander! Singe mir, oh graue Taube, girre mir mit Munkeln Über meinem Haupte, über meinem Aug', dem dunkeln. Singe mir, oh Frühlingsvogel, zwit- schre nach Belieben. . .

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KOLOMYJKA.

Pan Bin znaje, sco dilajc moje so- liott der Herr nur mag es wissen, wo

koljatko. mein Falk' geblieben.

Oj §co moje sokoljatko dilaje, dt- Oh mein kleiner Falk, was für ein

laje, Leben mag er führen?

Pizno Ijihat, rano vstaje, na strungu Legi sich spät, erwacht früh, setzt

öidaje. sich auf die CJattertüre.

In Alsö-Hidegpatak, Marmarosvr Oomitat, aufgezeichnet von Prof. A. Petrow ans St.-Petersburg.

Ubersetzt von A. H

Lieder der Spaniolen. *)

Cantica al vino. Lied an das Wein.

Bendieo el que te cria Ich preise den, der dich ersehnt en la vifia, In dem Weinslock;

Siempre te topes Du bist willkommen stets en mi tripa. Mir im Hauche.

Bendieo el que te cria Ich preise den der dich erschul en el campo. Auf dem Felde;

Siempre te topes Du bist willkommen stets en mi papo. Mir im Munde.

A una novia

Ai novia, eslrella muy alta, Vuestra hermosura me arla, Non veamos vuestra talla, Para que goze lo amor.

Ai novia de grande rijo, Bienes tengas como el mijo. AI afio vos nasca hijo, Para que gozö lo amor

An eine Braut

Oh Braut, du Stern mit hehrem Prangen, Dein Beiz hält unsern Sinn gefangen. Dass alle Sehelsucht uns vergangen; Weil wir gefröhnt der Lieb',

Oh Braut, du herrlich Lustbegehren, Hast Schätze, wie die Weizenäliren, Wirst einen Sohn aufs .lahr gebären Weil wir gefröhnt der Lieb'.

*) Terte durcii gutige Vermittlung der Fran Wcisz-Neuhaus in Pancsova; Uber*, o es. H.

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Vom Journal of Ute Gypsy Loi^e Society, diesem so vortrefflich redigierten, gehaltreichen Organ der Zigeunerkunde, wird im April. 1. J. das letzte Heft erscheinen. Um diesen von allen Fachgenossen schwer empfundenen Abgang einigermassen zu decken, wird unsere Zeitschrift, die im klassischen Lande des Zigeunertums erscheint und auf dieses Fach auch bisher grosses Gewicht gelegt hat, fürderhin die Zigeunerkunde ganz besonders cultivieren und 9ich als internationales Organ des Gypsy-Lore betrachten. Wir ersuchen alle Mitstrebenden um ihre werte Mitwirkung.

Der Herausgeber. Von den Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn"

ist Bd. II. Heft 1 •*> als Festgabe an die Mitglieder des II. internationalen Folklore-Cougresses, London, 1891, verteilt wor- den. Denjenigen unserer geehrten Interessenten, von denen wir voraus gesetzt haben, dass sie auf diese Weise in den Besitz jener Lieferung gelangt sind, haben wir dieselbe nicht zuge- schickt. Wir ersuchen hiemit diejenigen Volks forscher, denen das gegenwärtige Heft zugegangen ist, die aber Heft 1 5 nicht erhalten haben, uns hierüber gefälligst zu verständigen.

Die Administration der £ M. a. U.

Inhalt der .Ethnograpnia." 1891 II Bd VII -VIII. Heft. (8 Bogen): Jankö J , Kalotaszeger Volksglaube. Weber S., Wohnung und Zimmereinrichtung der Zipser Sachsen. Balassa J.. Visontaer Volkslieder und Kinderspiele Hinter AI., Das „Aasgeigen." Istränfly Jul , Rätsel der Palowzen. Szivös B, Mar chen u. Volksl. aus Hajdu-Szoboszlö. Kiss Ar., Volksglauben aus Porcsalma. Juhäsz Mor., Der Wassergeist im Hern Ad. P. K. Ethnographie auf der Prager Ausstellung. Vereinsnaclirichlen (Ch. Leland's Bericht Über den Londoner Kolk- lore-Congress. Sitzungsprotokoll.) Inländ. Litteratur. Ausländ. Litteratur. Inländische Zeitschriften. Ausländische Zeitschriften Verschiedene Mitteilungen.

IX. Heft. November 1891. (3 Bogen): Herman Otto, Qlo^kenstimmen und noch etwas. Herrmann Ant., Die Millennium-Ausstellung u. die Ethnographie. Lehoczky Th.. Aus dem Hirtenleben der Russen in Ungarn. - Vräbely Mich., Die Ruthenen im Bacskaer Comiut. Wlislocki H , Feuerbesprechungen d. Zigeuner. Jllesy J., Beitrüge zum einheimischen Volksglauben. Benkö Andr., Volksglauben aus Häromszek. Srötb P., Rumänischer Volksglauben a der Marmaros. Ki- raly P, .PalazubU4; Volkagl a. ügocsa. - Inl. Litteratur. -Ausländische Littera- tur. — Inländi-sche Zeitschriften. Ausländ. Zeitschriften. Vereinsnachrichten. Verschiedene Mitteilungen.

X. Heft. Dezember 1891. (3 Bogen): Paul HunfaUy f. Hunfalvj-Jubilaeum (1. Xantus Joh., Begrfissung; 2. Hunfalvy's Erwiderung; 3. Herrmann A., Hunfalvy als Ethnograph; 4. Rethy Ladislaus, H's Stellung in der Litteratur.) Istvänffy Jul., Weinachtsspiel der Palowzen. Wlislocki H., Diebszauber d. Zigeuner. Nagy Jos., Regöles. Hannath Luise, Volksglauben am Nyarad. Bartha Jul., Ethn. Beiträge a. d. Ermellek (Eierwerfen. Soldatenlied, Volksglauben) Göncxi K, Croatische Ballade a. d. Muraköz. Ausländ Litteratur. Inländ. Litt Ausl. Zeitschriften. Inl. Zeitschriften. Vereinsnachrichten. Verschiedene Mittei- lungen.

Inhalt der Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn, sogleich Aazeiger der Gesellschaft fiir die Völkerkunde Ungarn-«. II. Band VI VIII. Heft

Dr. Bernhard Munkacsi. Kosmogonischo Sagen der Wogulen

I. Die heilige Sago von der Entstehung der Erde (Schluss). 105.

III. DasLied von der Überschwemmung des Himmels und der Erde 109.

IV. Die Sage von der heiligen Feuerflut A. B. C 121.

V. Heiliges Lied von der Herablassung der Erde aus dem Himmel 126.

Dr. Heinrich v. Wlislocki, Wanderzeichen der Zigeuner 133.

Ludwig Kalmany, Kosmogonische Spuren in der magyarischen Volksüber-

lieferung. II. Vom Siindenfall 139.

Dr. lgnaz Kuno«, Türkisches Puppentheater (Karagöz-Schaukelspiel) 148. Dr. Lndwig Katona, Recht und Unrecht Ein magyarisches Märchen. II.

Varianten und Parallelen 159.

Bertalan Matirko. Dio Zipser Volkssage von Kasparek 1B2.

Samuel Weber, Die Kleidung der Zipser-Suchsen 165.

Heia Lasar, Über don „Gavaboncziäs diik" i66.

Dr. Ladislaus Rethy, Oolonien der Spanier in Ungarn 168.

Fr. S. Kahne. Die Klementiner in Slavonien . . 169.

Paul Hunfalvy f 175.

BOcherbesprechungen 176.

Paul Sebillot, Devinettes de la Haute-Bretagne (l<run**i .... 176.

M. Haberlandt, Der altindische Geist (Kram») ... .... 177.

Ethnologische Litteratur Ungarns (Wlislocki) ......... 178.

Frd. v. Hellwald, Ethnographische Rösselsprünge Wlislocki) . . 180.

Frd. v. Andrian-Werburg, Der Höhencultus (Wti»h«ki) 180.

Wlislocki, Märchen und Sagen der Bukowinaer und Siebenbürgor

Armenier \A. II) 181.

Wlislocki, Volksglaube und religiöser Brauch der Zigeuner (A. H.) 181.

Wlislocki, Die Ungarn und Szekler in Siebenbürgen [A. II) . . 181.

Strausz Adolf, Bolgar nepköltesi gyüjtemeny (A. H.) 182-

A. H. Sprachmonopol 184.

Volspoe$icn

Magyarische Volksballaden

Molnar Anna (Adolf Handmann) 185.

Die drei Waisen (Handmtrnnj .... 186.

Königssohn und Königstochter (Wlishvki) 187.

Magyarisches Volkslied (W7iV«*i) 188.

Aus dem Munde der Ofner Schwaben (Jose/ine W'eisz-Findczy) . . 188.

Deutsches Volkslied aus Siebenbürgen (Wli»locki\ . . . . . . 189

Bulgarisches Volkslied (Stroits: A. H ) . . ] 90-

Fiumaner italienisches Volkslied (Sforzlna A. II.) ... 1 91.

Kolomyjka (ruthenisches Volkslied) (Prtrou- A H.) 191.

Lieder der Spaniolen (Weisz-Netthau* - A. H.) 192.

Auf dem Umochliige :

Mitteilungen der Redaction, des Herausgeber und der Administration.

Vom Gypay Lore Journal

Inhalt der „Ethnographia" 1891. VII-X

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IL Band.

1891— 1892.

IX— X. Heft.

-*3

ZUGLEICH

ANZEIGER DER GESELLSCHAFT FÜR DIE VÖLKERKUNDE UNGARNS.

BEGRÜNDET UND HERAUSGEGEBEN VON

JProf. Dr. Anton, J^errrnanri.

REDIGIERT VON

ANTON HERRMANN und LUDWIG KATONA.

Der II. Band besteht aus 10 Heften in 3 Lieferungen. Preis 3 fl. Für Mitglieder irgend eines Vereins für Volkskunde 2 fl. Wird auch im Tausch gegen Publica- tionen zur Volkskunde abgegeben. (Direct vom Herausgeber zu beziehen).

Redactton und Administration Budapest, I. AttUa-utcza 47.

KOLOZSVÄR

DRUCKEREI OER ACTXEHQE8ELL8CELAFT „KÖZJIÜVRLÖDES.-

189a.

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Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns.

Das am 30. Nor. v. J. erfolgte Hinscheiden Paul Hunfalvg's, ihre." ersten Prä- sidenten, hotte den Organismus der Gesellschaft erschüttert Die directe Activität des hochbetagten Verewigt n beschränkt sich zwar im Vtr< iusleben grösstenteils au f den Vorsitz bei Versammlungen die er run seinem lohen Stand punkte nut f,ri>s*ter Um- sicht und Weisheit leitete. Aber seine unbestrittene Autorität, sehte n:e beirrte Objec- tieitäl sicherte der Gesellschaft den glücklich angebahnten H eg hastlosen, zi> Ibrir Hus- ten, unangefochtenen Fortschrittes lUe neue iJiscijilm der Volkskunde hat überall grosse Schwierigkeiten zu bew illige», auch in Ländern, wo sie nicht o jung ist, wie hier. Und doch konnte unser Verein, dank d> m Eifer seiner Begrüw'er, seine Tätig- keit mit 600 Mitgliedern beginnen deren Anzahl mit Ausgang des zweiten .Jahres >>l)0 überstieg, eine Zahl, wie sie keiner der gleichst rebenden, mitunter mit D,cennien bestehenden Vereine des Auslandes aufweisen kam,. Hei der Jieurteilung der Tat- sache, dass ein Teil der Mitglieder in der Erfüllung der Vereiuspflichten saumselig war, wäre zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft für Völkerkunde keine energische- ren Mas.-, regeln zur Anwendung brachte, wie solche im Vereinzelten h;> rzu'ande üblich sind Hieeon und rom Verhalten der höchsten wissenschaftlichen un<l ojlicielien h reise abgesehen, a ar das Interesse, das den redlichen Ptstrcbunyen d- r G> Seilschaft ent- gegen gebracht wurde, ein befriedigendes. In den monatlich abgehaltenen Vortrngs- und Ausschasssitzungen entfaltete der Verein eine stolut> nmäs<ig, nspriessliche Tä- tigkeil. Das mit Ausnahme einiger Dopprf hefte regelmässig monatlich zur Aasgabe gelangle Vereinsorgan (jährlich äOBogtn) brachte gor manchen werteaHen Beitrag zur heimischen I VA*/, unde

Mit dem Tode Hunfulnfs brach, ohne zwingende innere Xotwendigki it, eine Krise über den Verein tu r< in. Die Art und H eise, n ie diese beigt legt win de, führte ben ähe zur Katastrophe die nur dank dem inusscollen, »clhstcntäussernden Ge- bähten der tatsächlichen Begründe'- und bisherigen Verwalter des )'ereines und dem tateifri'/en Ein /reifen ei»iwer anderer berufener Kräfte verum den u erdi n kannte.

Die durch das Hinscheiden des ersten Präsidenten entstandene mäch/ige Leere eröffnete nämlich solchen Strömungen den Zugang, die rom Stechen nwh radicalrr Unn/estaltung geleilet wurden Reformhastend wurde dii grutu legende Organisation gänzlich verworfen, die erreichten Resultate wurden negiert Such einem uncreptick- lichen Larieren nötigten endlich die unleidlichen Verhältnisse die Fuuctionäre, welche seinerzeit den »n isten Anteil an dem Zustandekamnn n des Vt.re 'ns gehabt hoJtcn, sich von der Administration zurückzuziehen. Gänzliche Auflösung schien zu drohen.

Die unsst forden fliehe Generuf rersau nduug rom Oktober brachte a>cr den- Verein glücklich wieder ins rechte Geleise. Besonder die W ahl d<r Fuuetionlire scheint uns -in dauerndes gedeihliches Fort « i> K en zu verbürgen. Zum Präsidenten wurde Graf Ge'ca Kuun, der weltberühmte Herausgeber des kanonischen ( »-Ii der hervorragende Fartor auf allen Gebieten heimischer f'ultur gewühlt. I 'ieeprüsidenten sind Dr. Aurel v Torök, der allbekannte verdienstrolle Anthropolog, und Dr, Bern- hard Muukdcsi, der hochverdiente Siberienreisende und Erforscher van Sprache und Volkstum ural-altaischer Stämme So ist durch die l>t iden d e phgsische utd psechische Richtuno der Volkskunde auf das glücklichste vertreten Zum Secretär uunlc Bela Vikar gewonnen, der Redacteur der modernen Revue „Elet", einer der vielseitigeren Litteraten und liebenswürdigsten Persönlichkeiten im ungarischen Geistesleben. Das hochwichtige Amt des Redart lui's des Amtsorgans errang sich der junge, elf rige Volks- forscher Dr. Johann Jankö, der als Custos-adjanct der ethnographischen Sammlungen zugleich die Bibliothek des Vereines zu venealten haben wird. Auch Schriftführer und Ausschuss entsprechen ulhn gei echten Anforderungen. Wenn es noch ge- lingt, an Stelle des hochverdienten ('assiers Dr. Samuel Bororszkg, der sein Amt schon am Eingang der Reformperiode niederlegen wollte, und den hiezu jetzt Ge- sundheitsrücksichten zwingen Dr. Josef Särmag zu gewinnen, so wird sich die Ad- ministration in den besten Händen befinden. Möge der zu wichtigen Dingen berufen* Verein wieder kräftig gedeihen und unentwegt und ungestört seine hohen Ziele verfolgetu

Zum Beitritt meldet man sich beim Secretär Bf In Vikar, (Budapest, IV. Ma- gyar uteza 'Jd. III ) Die Mttglicdgebiihr beträgt jährlich 3 fi. und w>rd hiefür die Quartalschrift „Ethnographia* geliefert. (Redaction : Budapest, Csengery-utcza 12)

I

II. Jahrgang. Budapest, 1892. IX. X. Heft.

milOffll 11IWI 1 UNGARN

ZUGLEICH

ANZEIGER DER GESELLSCHAFT FÜR DIE VÖLKERKUNDE UNGARNS.

BEGRÜNDET UND HERAUSGEGEBEN VON PROF- DR. ANTON HERRMANN.

REDIGIERT VON

ANTON HERRMANN LUDWIG KATONA

B«cr«tir d. Get«Uichaft f. d. Völkerkunde Schriftfoarer d. GeeelUcn. f. d. Völkerkunde

Ungarn«. Ungern».

Deutsche Volkspoesie in Ungarn. *)

A) Xordostungarn, Bereger Comitat. Gegend von Bardhdz. Aufgezeichnet von Theodor Uhoczky, Munkäcs.

Ich weiss nicht, was mir fehlet, Ich sterb von Ungeduld, Mein Herz ist zum Zergehen, Das ist die Liebe schuld.

Du Tochter, willst du heiraten? Ja, Mutter, ja.

Willst du einen Schneider haben? Nein. Mutter, nein. Hosen flicken werd ich nicht. Einen Sehneider will ich nicht.

Zu Strassburich, zu Strassburich, Ein wunderschöne Stadt. Darin da liegt begraben Ein manicher Soldat.

Ihr Mutter, die gieng Yoren Hauptmann sein Haus. Ei Hauptmann, mein liebster Haupt- Gibt mir mein Sohn heraus [mann,

I.

0 ja, ja, ja, du Liebe, Du hast mich krank gemacht, Du hast mich armes Mädchen Ins Todtenbett gebracht.

II.

Du Tochter, willst du heiraten? Ja, Mutter, ja.

Willst du einen Bauer haben? Ja, Mutter, ja.

Ochsen hüten kann ich schon, Erdäpfel graben werd ich schon.

III.

Ich geb Euch, ich geb Euch Für ihn so viel Geld. Euer Sohn, Euer Sohn muss sterben Im weiten, breiten Feld. . .

Dort vor dem Feind, dort stand ein Schwarzbraunes Mädelein, Sie trauert, trübt und weint, Sie kränkelt sich so sehr. . . Ei grüsst dich Gott, schönes Schätz- ich sehe dich nie mehr. [chen,

*) Vgl. Ethnographia, 1892. Januarheft.

*•) In Bardbiz wohnen an 230 Deutsehe mit Rathenen vermischt 1728— 17<>8 wurden hier etwa 22 Familien aus Kleinberg und Kleinzwedl, dann aus Österreich und Böhmen angesiedelt.

Hermann, Etk:,t>logUcne Mitteilungen. II. 193

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THEODOR LEHOc ZKY

IV

Ich hab ein Schatz,

Und den soll ich meiden.

Soll vor ihn vorbeigehn

Und kein Wort nicht auf ihn reden.

Wie soll denn nicht mein Herzchen

Im Leib zergehn' . . .

Ei liebet nicht so sehr, Als ich geliebet hab' Sonst stürzet euch die Liebe Vor Zeiten ins Grab.

Ihr Jungfräulein Alle insgemein, Sollt bei meinem Begräbnisse sein.

In Pressburg auf der Brücke,

Ihr sollt mir helfen

Legen ins kühle Grab

Und weil ich euch von Herzen

Treu geliebet hab',

Seht wol an den

Zweiten, dritten Tag,

Da wuchsen zwei Veilchen

Aus ihrem kühlen Grab.

Darauf da steht geschrieben : Verborgen war die Liebe, Gott hat sie schon hier Genommen in sein Quartier. Das Feuer auf der Erde Das brennt nicht so heiss. Als die verborgene Liebe. Die niemand weiss. . .

v.

Bei Frau Meisterin zu schlafen,

Schreibt mir mein Schatz ein Brief, Ist kein Gesellenbrauch. Darauf da steht geschrieben, Viel lieber bei der Tochter

Der Winter steht vor Thür. . . In ihrem rothen Bett. . .

Gesellen, wollt ihr hier Zehn Thaler leih ich euch, Und wenn ihr gut arbeitet, Da fünfe schenk ich euch.

Herr Meister, jetzt wollen wir wan- Jetzt ist die Wanderzeit, ^ [dem, Denn ihr habt uns diesen Winter Mit sauren Kraut gespeist. .

Wenn euch das Brod zu hart ist, Sie nehmen Stock in Hände,

So laset euch backen weich, Verlassen das Quartier,

Und wenn euch das Bett zu hart ist, LTnd ziehen fröhlich weiter

So schlafts bei meinem Weib. Weiter vors Meisters Thür. .

vi.

Es waren Schwestern dreie, Die jüngste unter ihnen war Schwarzbraunes Mädelein, Die lasst den Herrn herein.

Von Bodenloch schmeisst sie ihn

heraus.

Er fallt, das war zu hoch, o wei, Erbricht sich alle Rippen inzwei, Schwarzbraunes Mädelein.

Sie führet ihn in alle Winkel aus, Sogar das linke Bein.

194

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DEUTSCHE VOLKSPOESIE IN UNGARN.

VII

i {

I

Ein Mädel wehlt (V) wohl wohi

In dem grünen Klee,

Da begegnet ihr ein Kitter.

Ja Ritter, ja Ritter,

Er breit' sein Mantel auf:

Liebstes Mädchen, liebstes Mein,

Komm, ruhe wenig aus.

Warum soll ich denn schon ruhen,

Ja ruhen, ja ruhen?

Ich hab noch wenig Gras.

Ich habe zuhaus eine schlimme Mut-

Die haut mich alle Tag. [ter,

So sag, du hast geschnitten,

Geschnitten, ja geschnitten

Zwei halbe Finger ab.

Warum soll ich mit Lügen

Meine Mutter betrügen,

So möcht mir übel gehen.

Viel lieber sag ich die Wahrheit, Ja Wahrheit, ja Wahrheit. Der Ritter ist mein Mann.

Mutter, liebste Mutter mein. Schenk mir zweihundert Thaler, Dann kauf ich, was ich will. Mädchen, liebstes Mädchen raein, Thaler hab ich nicht viel. Dein Vater hat verrauschet, Rauschet, ja rauschet. Bei Würfel und Kartenspiel . . So pack dir deine Kleider zam, Zam, Kleider zam, Und maschier mit Reiter fort. So klag ich Gott im Himmel, Ja Himmel, ja Himmel, Ein armes Mädchen ich bin!

VIII.

^»AVirtshaus w ird man hoch geehrt, Trink einmal, trink einmal. Dort braucht man nichts nur Geld ; So lebe ich und du, Liebster Bruder, trink einmal. So lebe ich und du.

IX.

Der Wächter auf,

Der Wächter auf der Ziele stand,

Die Buben auf zu wecken,

Ja wecken, ja wecken.

Das Madel soll früh aufstehen,

Frisch Wasser geht sie holen,

Da begegnet ihr derselbe Knab,

Der, der bei ihr geschlafen hat

Er wünscht ihr ein guten Morgen,

Ja Morgen, ja Morgen.

Gut Morgen, gut Morgen. . .

Herztreuester Schatz,

Wie hast du heut geschlafen.

Ja schlafen, geschlafen ?

Ich habe geschlafen auf einen Arm,

Und habe mein Ehre verschlafen,

Mein Ehre verlassen. . .

Ich hab gemeint, ich lasse dich

Zur Kirche führen.

Mit Pfeifen und Trommel

Und Musizieren.

Und daweil lass ich es bleiben, Lass ich es bleiben. . .

195

14*

TTTEOPOR LEHOCZKY

X.

.Geistlicher will ich weiden, Ein Geistlicher will ich sein. Wenn ich das Gloria patri sing, So kommt mir mein herzgeliebtes Schätzerl in Sinn. . . Oh Himmel, was hab ich gethan! Die Liebe ist schuld daran; Gehe ich im Gasserl auf und ab, Da sehe ich zwei Lieben beisammen

stehen;

Undichmussin mein Kloster gehen.

Stehe ich am hohen Berge, (Thal, Schau ich hinunter ins tiefe tiefe Da sieh ich Schitilein fahren, Darinnen viel Reiter waren. Der allerjüngste Reiter, Den ich im Schifflein sah, Er gab einmal zu trinken Aus einem venedischen Glas. Warum gibst es mir zu trinken Warum schenkst du mir den Wein ? Ins Klosterlein will ich gehen, Will die Gottesdienerin sein. Bei der Nacht um Mitte, Der Schleier trennet schwer. . . Pferdeknecht, liebster Pferdeknecht

mein,

Sattel mir und dir ein Pferd, Ins Kloster wollen wir reiten, Das Reiten ist schon wert

O Himmel, was habe ich gethanf Da kommt meine Mutter und Vater

daheim,

Sie kommen und suchen mich heim. Da kommt mein Bruder und Schwes-

terr

Sie kommen und schauen mich an. 0 Himmel, was habe ich gethan! Die Liebe ist schuld daran. Und ich muss in der Kutte nach harn !

XI.

Wie sie zum Kloster hin kommen, Ganz traurig klopft er an:

Ist mein Herzenslieb darinnen, Soll ein wenig ausergehen. Sie darf nicht ausergehen, Ihre Haare sind abgeschnitten, Zu einer Nonne ist sie bereit. Er setzt sich auf sein Pferd Und reit ein wenig dahin, Sein Herz zersprang in Stücke, Vom Sattel fällt er herab. . . Mit ihrem kleinen Messer Sie macht ihm das Grab, Mit ihren schwarzbraunen Äugeln Sie ihm das Weichwasser gab. Bist dus wegen meiner gestorben Und hast gelitten den Tod, So denk an Jesum Christi, Der selig machen kann.

XII.

Kleine Rose, grüne Blätter, Streichelt mir mit leiser Hand,

Und mit Bändlein umgegeben

Tröste mich Mädchensgesang

Was nützte mir mein junges Leben,

Wenn ich nichts zu lieben hab. Einzeln gehe ich in Garten, Schneid die schönste Rose ab, Trag sie vor den grossen Spiegel, Sie gefreut ihr Wunderkeit.

1%

k

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l> KITSCHE VOLKSPOESIE IN UNGARN.

Vater Mutter will's nicht haben, Schönster Schatz das weisst du wohl, Thu mir nur die Wahrheit sagen, Wenn ich wieder kommen soll.

Wenn die Berglein sieh werden nei-

[gen,

Und die Donau neiget sich, Und die Distel tragen Feigein, So lang werd ich lieben dich.

XIII.

Jetzt fängt sich schon das Früh-

[jahr an, Und alles fängt zu grünen an, Das Vöglein singt, das hört man

[schon,

Bei der Nacht, bei Sonnenschein,

Und alle Sternlein leuchten fein, Jezt geh ich zu mein Schätzerlein. Da seh ich schon ein andern drin, Jetzt geh ich Uber Berg und Thal Dort singen schön die Nachtigal.

XIV.

Dort oben auf dem Berge,

Dort stehen zwei Rosesträuchlein;

Gebogen bis zu der Erde,

Dort lege ich mich darunter.

Da träumet mich ein Träumelein,

Als wenn ich schlaf bei der Junge

Bardhäz, Bardhäz muss ich meiden, O du wunderschöne Stadt; Darin, darin muss ich verlassen Meinen auserwählten Schatz. Wrenn ich über die Gasse gehe, Alle Leute schauen auf mich; Aus meinen Äugelein fliesst Wasser Als der grösste Donaufluss. . . Spielet auf, ihr Musikanten, Spielet auf ein Seitengespiel, Meiner Herzliebsten zu gefallen Siehe dich heut und nimmermehr. Rosmarin, du grüner Stengel,

Wie ich früh erwache. So steht das alte Kammerweib Bei meinem Bett und lachte fein Für ein Stüklein weisses Brod Und für ein Gläslein Wein.

XV.

Wünsch mein Schatz ein gute Nacht, Weil ich sie verlassen muss. . . Wie ich über die Brücke gehe, Wend' ich mein Äugelein hin und

her,

Stadt Bardhäz, Bardhäz Zeiget mir den Rückenkehr. Schönster Schatz, du kannst ja

schreiben, Schreibe mir ein Briefelein, Und schick zu mir mit die kleinen

Waldvögelein Sieh dich heut und nimmermehr.

197

LUDWIG BARÖTI

XVI.«)

Aus, und aus, und aus und aus, Ein, und ein, und ein, und ein,

Bei den Rezis Tor hinaus. In Hansel' sein Tor hinein,

Ob sie werden gliiklich sein, Ob sie werden glüklich sein,

Das weiss der liebe Gott allein. Das weiss der lirfbe Gott allein.

Maschieren, maschieren.

B) Deutsche Volksballaden aus Sudungarn. (Aus Orczyfalva u. Merczyfalva.**) Aufgezeichnet ton Karl Grünn. Mitgeteilt durch Ludtcig Baröti 1. Der Schmiedage8ell. *••)

Es war einmal ein Schmiedsgesell, l)

Ein gar ein wunderschönes Blut,

Der beschlaget dem jungen Markgrafen seinen Wagen,

Und der war schön und gut.

Und als der Wagen verfertiget war,

So legt er sich nieder und schlief,

Da kam dem jungen Markgrafen seine Frau,

Mit heller Stimme und rief:

»Ach Schmiedsgesell fein, Schmiedsgesell mein, Steh' auf und lass mich hinein ! Bei nander wollen wir schlafen, Mein eigener sollest du sein a

Und wie sie geglaubt han, sie wären allein, So führet der Teufel das Kuehlmensch *) nein.

ntAch Herr, ach Herr, ach strengster Herr, Gross Wunder um unserer Frau: Sie schlaft beim schwarzbraunen Schmiedsgesell, Ja Schmiedsgeselle allein!4"4

* ) Wird gesungen, wenn die Braut vom Elternbaus w eg, und naoh der Trauung, wenn sie ins BräutigamshauR eingeführt wird

**) In Merczyfalva (Merczydorf) wurden 1734 Italiener, 1752 Franzosen an- gesiedelt; diese verschmolzen aber mt den 1765 u. 1770 zumeist aus Trier, Loth- ringen u. Luxemburg eingewanderten Deutschen. Orczyfalva ist eine Niederlassung von Schwarzwäldern aus dem Jahre 1785.

***) Vgl. Wunde rhom, (R.) S. 455— 466. Simrock, 102—104 S 4«?.

') Im Wunderhorn und bei Simrock: ein Zimmergesell.

») Im Wundernhorn und bei Simrock: das älteste Kammerweib.

1<»8

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DEUTSCHE VOLKSPOESIE IN UNGARN.

Und als der junge Markgraf es erfuhr, Ein'n Galgen Hess er bau'n, Von rothen Gold und Edelgestein, FüYn Schmiedsgeselle allein.

Und als der Galgen verfertiget war, So Hess man ihn führen hinaus. Da kommet Pardon vom Kaiser: Man soll ihn lassen aus.

Was zog dem jungen Markgrafen seine Frau Aus ihrer riechenden Tasche? Fünfhundert Stück von rothem Gold. Für'n Schmiedsgeselle allein.

„Ach Schmiedsgesell fein, Schmiedsgesell raein, Wo reis't denn du es jetzt hin?" „„In Pesth und Ofen bin ich es gewesen, Jetzt reis' ich wieder nach Wien.""

..Wenn du es das Geld verzehret hast, So kommst und schläfst wieder bei mir. Wenn dir s der Wein zu sauer ist, So lass dir einschenken ein Bier."

2. Das Lied vom Ringe. *)

Es waren drei Soldaten, Spazieren woll'n sie gehn. Spazieren sein sie gegangen, Am Rheinstrom sein sie gefangen, Gefangen wohl an dem Rhein.

Was thut man ihnen rüsten? Ein'n Wagen mit sechs Ross', Darauf soll man sie führen, Vom Rheinstrom bis nach Triren, ') Zu Triren wohl in die Stadt

*) Vgl. Wunderhorn, 35—87. S. Erk, 30-34. S. {12, 12a, 12b, 12c; Sim- rock, 12«— 127. S.

») Triren = Trier; bei Simrock: Strasburg; bei Erk: Strasburg und Düring .

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LUDWIG BABÖTJ

Was thut man ihnen bauen ? Ein' Thurm und der war hoch, Darin müssen sie's verbleiben, Kurzweil müssen sie sich vertreiben. Kurzweil dauert ihnen gar lang.

Es war ein Mädchen von achtzehn Jahr, Dem sein Schätzchen war auch dabei. Sie sprang wol über die Gassen, Wo Schreiber und Kaufleut sassen, Dem Gefangenen wohl vor die Thür.

Was zog sie aus ihrem Fürtüchlein? Ein Hemd war weiss gewasch' : „Da hast, du Hübscher, du Feiner. Du schon Herzliebster meiner, Das soll dein Todtenhemd sein !u

Was zog er von seinem Fingerlein? Ein'n Ring, von Gold so roth: „Da hast, du Hübsche, du Feine, Du schon Herzliebste meine, Das soll dein Trauring sein!"

„Was soll ich mit diesem Goldsringlein thunf

Den ich nicht tragen kann?"

,Leg du's hin in Kisten und Kasten.

Lass du's Goldringlein rasten,

Bis an den jüngsten Tag !a

rUnd wenn ich über Kisten und Kasten komm"

Und schau's Goldringlein an,

Ich mein', mein Herz müsste brechen,

Ich möcht' mich selber erstechen,

Gross Unglück fang' ich an.*

Der Grossmajor *) steht an der Wand

Und höret dem Reden zu:

„Den jüngsten Soldat will ich dir schenken,

Dass du an mich sollst denken,

Wenn ich schon lieg im Grab "

') Bei Erk, oimrock and Wanderhorn: Commandant; bei Erk noch : Haupt- mann, Amtmann, Graf.

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DEUTSCHE VOLKSPOESIE IN UNGARN.

!

Das Mädchen fiel auf seine Knie Und küsst ihm Händ' and Fuss' : „Gott wird Euch schon belohnen, Im Himmel und da droben, Wenn Ihr schon liegt im Grab !tt

(Orczyfalva.)

3 Der todte Freier. *)

„Ach Gott, ich mach keinem die Thür nicht auf, Ich habe versprochen die Eh'.a „„Und hast du versprochen die Eh', Vielleicht werd' ich der sein!""

„Reich herein, reich herein deine Händlein, Wenn du er sollst sein! Ach Gott, du schmeckst l) ja nach Erde, Als wenn es der wahre Tod wär'!-4

„„Wie soll ich denn nicht schmecken nach der Erde?

Acht halbe Jahr schon bin ich todt.

Zünd nur an, zünd' nur an ein Kerzenlicht,

Weck nur auf, weck nur auf deine Hausleut';

Weck nur auf dein1 Vater und Mutter, Der Bräutigam ist bereit. Schneeweiss musst dich ankleiden, Grün's Kränzlein musst aufhaben.

Und wenn es das Erste läutet, Empfängst du das Sakrament, Und wenn's das Dritte läutet, Nehm' ich mir dein seliges End!"J

(Merczyfalva.)

i

4. Die Kindesmörderin. **)

Es treibt ein Schäfer die Schäflein 'naus, Er höret schreien ein Kindelein klein.

•) Vgl. Erk, 74 76. S. (24, 24a, 24b.) Ethnol. Mitt. a. Ungarn, I. 841—342. *) 8chmeckst = riechst.

**) Vgl Wunderhorn, (K), 432. S. Erk, 140-146. S. (41,41a,4lb, 41c, 41d.) Simrock, 86-88. 1. (37, 87a.)

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LUDWIG ÜARÖTI

.Ach Kindelein klein und wo du bist,

Ich hör' dich schreien und sieh dich nicht.»

„.Ach Schäfer, herzliebster Schäfer raein,

Komm' her und hole mich heraus,

Weil raeine Mutter hat Hochzeit zuhaus!"*

,Wie kann denn die Braut deine Mutter sein, Sie tragt ja noch grün Kränzelein?4

„nUnd sie mag tragen grün oder roth, Sie hat ja schon drei Kinder todt :

Das erste hat sie in'n Mist begrab'n,

Das zweite hat sie's in'n Brunnen 'nein geworf,

Und mich hat sie in einen hohlen Baum versteckt Mu

Und wie das Kind nach Haus ist komm'n, Die Hochzeitleut' verstaunen sich bald.

„„Ach Hochzeitleut', verstaunet euch nicht, Nun weil die Braut meine Mutter ist!utt

„Wie kann denn die Braut deine Mutter sein, Sie tragt ja noch grün Kränzelein ?"

„„Und sie mag tragen grün oder roth, Sie hat ja schon drei Kinder todt:

Das erste hat sie in'n Mist begrab'n,

Das zweite hat sie's in'n Brunnen 'nein geworf,

Und mich hat sie in einen hohlen Baum versteckt. a*

Und wenn das Wort nicht wahr soll sein, So kommt der Teufel zum Fenster herein.

Er nahm die Braut an ihrer schneeweissen Hand Und führt sie in das hindrische Land.

Ins hindrische Land, in die höllische Pein, Da soll der Braut ihre Hochzeit sein.

(Orezyfalva.)

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DEUTSCHE V 0 LK SPOESIE IN UNGARN.

5 Ritter St. -Georg •)

Der Ritter Sankt Georg, der heilige Mann, Hilf Maria!

Er reitet für eine sehr prächtige Stadt, So helfe uns Gott und Maria! Allein da liegt ein gewaltiger Drach, Hilf Maria! **)

Der Drach hegehrt alle Tage ein Kind,

Und dazu ein ganzes Rind.

So helfe uns Gott und Maria! **)

Die Herrn die führen ein' heimlichen Rath, Welcher denn sein Kind hergab?

Der Rath der fallt aufm König sein Kind, Dem König sein Kind muss selber dahin.

Jungfräule steigt auf den Berg hinauf, Sie kniet sich auf 'nen Marmelstein, Und dorten bet' sie ganz allein.

Und als sie kniet wol auf dem Stein,

Da kommt der Ritter Sankt Georg geritten.

„Jungfräule was thut ihr denn ganz allein?' „Hier wart1 ich auf das wilde Thier, Und dass es mich gleich verzehren thut K

Jungfräule geht ihr es nur nach Haus, Der Drach wird bald getödtet sein!'

„Mein Kind, wer hat denn dieses gethan?" „Dies hat der Ritter Sankt Georg gethan."

„Hat dieses der Ritter Sankt Georg gethan, So woll'n wir ihm geben das halbe Königreich, Und dazu meine Tochter zugleich "

„Das halbe Königreich, das will er nicht Das braucht ein grosses Dienstgeschicht."

•) Vgl. Wtmderhurn, 103-lOfi. S. *•) Refrain in jeder Strofe.

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A. SCHWAN FELDER

,Baut ihr's nur ein Kirchlein klein Darinnen bin ich mit Maria allein.'

(Merczyfalva.)

Als Probe des eigentlichen Dialektes diene folgendes Lied :

„Heut Nacht is Samschtachnacht, Der Bü, den ich nicht mag,

Das Herz em Leib mir lacht, Der kommt sonscht alli Tach,

Heut Nacht gehts luschtich zu, Doch der mei Herz erfreut,

Do kommt mei BÖ! Kommt endlich heut.4*

C) Aus Bresztovdcz, Südungarn.

(Mitgetelt vom Lehrer A. Schuanfelder.)

L Zahlenlied.*)

Bist du die Sängerin in unseren Haus,

Gib den Pfarrer Sängerin aus (?)

Sag mir, was ist eins?

Eins allein ist Gott allein,

Der da lebt und der da schwebt

Im Himmel und auf Erden.

Bist du die Sängerin, u. s. w. Sag mir, was ist zwei? Zwei tapfer (d. i. Tafeln) Moises. Eins allein ist Gott allein, u. s. w.

Bist du die Sängerin, u. s. w.

Sag mir, was ist drei, u. s. w. (bis neun)

Bist du die Sängerin in unseren Haus,

Gib den Pfarrer Sängerin aus (?)

Sag mir, was ist zehn ?

Zehn Gebote Gottes,

Neun kehrt (Chöre » der Engel,

Acht zu der (?) Seligkeit.

Sieben Sakramente,

•) Beliebtes GesellschaOslied bei Familienfesten.

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DEUTSCHE VOI.KSl'OESIE IN UNGARN.

Sechs Kandel kühlen Wein

Schenkt der Herr seine Jünger ein,

Fünf guie Kristen,

Vier Evangelisten,

Drei Patriarchen,

Zwei tapfer (!) Moises,

Eins allein ist Gott der Herr

Der da lebt und der da schwebt

Im Himmel und auf Erden.

II. Scherzlieder.

1. Ich schwör auf meiner Seel, Ich esse nichts von Mehl, Als Xudl und Strudl,

Und heurigen Köhl.

2. Drei Duzend alte Weiber, Gott verzeih mir meine Sünd, Bei der Arbeit sind sie langsam, Beim Fressen und Saufen aber flink.

3. Schöne Mariandl,

Mit dem kurzen Gwandl,

Bild' sich a noch ein Fleck ein,

Sie hat die Strumpf gebunden

Mit dem Schürzelbandl,

Und die Haube mit dem Strick.

Voll mit Schneckenhäusl,

Und den Küttl gfranzt ein,

Das Gsicht hat sie voller Rupa-Tupa,

Und das Gnack voller Gnnt.

III. Strolchpoesie.

In verrufenen Dorfspelunken schlemmt nächtlicher Weise verlot- tertes Gesindel, die Hefe der Dorfjugend beiderlei Geschlechtes. Schwel- gend werden da rohe Gassenhauer und unflätige Knittelverse geschmie- det, Bubenstücke, Diebereien werden geplant und ausgeführte begungcn .

205

A. 8C1IWANFELDKR

Einige Proben dieser ländlichen Galgenpoesie will ich in den nachfol- genden Diebssprüchen mitteilen.

1.

Gänse und Enten gebraten im Nest

Schmecken viel besser, als Fasanen verzuckert in Pest.

2.

Dem Lehrer und Pfarrer ihre Trauben sind gar so süss, Sie schmecken so wolfeil, nun merke dir dies. Dem Spitz-Michl tut aber weh dann der Kopf, Wenn der Lehrer ihm packt und beutelt den Schopf.

3.

Äpfelstehlen ist nur a Bubenstück,

So denkt und spricht stets Nachbars Nick.

4.

Der Nachbar hat a schöne Gans, Die g'hört schon halb dem Spitzl-Franz ; Verkauft sie schon, er hat's noch nicht, Er lügt sich an, der dumme Wicht.

5.

Dem Pfarrer sei Gans'l Schrein gick, gack. Wir haben sie schon halber in unser m Sack. Wir rupfen sie schon, wir braten sie aus, Und machen uns lustig beim fetten Schmaus.

6.

Gestohr n bin ich aus dem Haus, Wenn ich mal aus dem Stall bin draus: Dann kräht gewiss ka Hahn nach mir, Ich komm gewiss nie mehr vor eure Thür. Sie hab'n mich g'steckt in 'n grossen Topf. Und g'fressen dann mit Haut und Schopf.

7.

Eins, zwei, drei,

Der Nazi ist dabei,

Äpfelstehl'n ist ka Sünd,

Denn man wird dabei nit blind ;

Nur muss man sein dabei recht flink,

Dass sie uns nicht fangen,

Und durchprügeln mit Stangen ;

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DEUTSCHE VOLKSl'OESIE IN UNGARN.

Denn das tut weh, weh, weh,

Wenn man geledert wird and kriegt Schläh.

8.

Schuster lied') Schuster Johann steht wol auf, Geht zum Garten, macht das Thirl auf, Da kommt auch seine Abolonia (Apollonia) raus; Johann, lass den Räuber nicht aus! Ja Abolonia, ich hab ihm beim Kopf, Er hat mich an meinen Kurkelknopf (Gurgel). Schau Johann, dass du ihm bekommst beim Frack, Er steckt uns ein Finwer in Sack. Er nimmt den Donnadi bei der Hand, Und fiert ihn ins Zimmer zum Ofen an die Wand, Dann zieht er seine Zieger an Und fangt mit Donnadi zu sprechen an :

„Wennstduuns nicht sagst, was das andere fi er (für) ein Bu (Bub), So wirst du eingesperrt bis morgen in der früh!" Der Bartmann**) kommt auf die Ortswacht ; „Jefta***) hab du auf den kerl mir acht, Denn es ist nicht Tag, sondern es ist Nacht." „Gedichtet in 1887. Dichter waren Donnadi Nowak und Karich Franz

in Brestowacz."

D) Aus Pancsova. (Aus den wertvollen reichen Sammlungen der Frau Maja Hoffmann-Wigand in

Pancsova.)

I. Lieder.

i.

Stets in Trauerheit muss ich leben, Sag, warum hab' ich's verschuldt? Weil mein Schatz ist untreu worden, Muss ich leiden mit Geduld. Treue Liebe geht von Herzen,

•) Nach dem Originalnunuscript. Die genannten zwei Strolche wurden beim Apfeldiebstahl im Garten des Schosterm eiste rs ertappt, Karch entkam, Donadi wurde festgenommen; beide mussten je 5 fl. Strafe zahlen. Sie dichteten d>es Lied und producierten es des Nachts auf der Gasse.

*') So hies der Ortsricbter

••♦> Der Ortswäcbter.

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MAJA HOFFMANN- WIGAND

Falsche Liebe brennet heiss ;

Oh wie glücklich ist der Jüngling,

Der von keiner Lieb nichts weiss

Lieben sind zwei schöne Sachen, (?)

Wenn man keiner Falschheit spürt,

Täglich thut das Herze lachen,

Wenn man Stillstand kürasiert. (?)

Spielet auf ihr Musikanten,

Spielet auf ein schönes Gspiel;

Mir und meinen Schätzchen zu Gefallen,

Weil sie ist die schönste unter allen.

2.

Fraget nicht, warum ich weine, Warum ich so traurig bin? Ei, mein Schatz hat mich verlassen, Darum weine ich so sehr.

In den späten Abendstunden, Wro ein jedes Vöglein ruht, Sitz ich armes Kind und weine, Brennt mein Licht so traurich zu.

Hau' ich Tinte, hau' ich Feder, Und ein wenig Schreibpapir, Möcht' ich mir die Zeit aufschreiben, Die du gwesen bist bei mir.

Meine Thräne ist die Tinte, Meine Wange das Papier, Meine Schmerzen ist die Feder, Schönster Schatz, das schreib ich dir.

Wenn mein Herz ein Fenster hätte, Dass du schauen könnst hinein, Fels und Berg möcht' sich erbarmen Über meine Leidenspein.

Gieng' ich auf der Strass' spazieren , Alle Leute schaun auf mich ; Aus meinen Augen fliessen Thränen, Dass ich gar nicht sehen kann.

Ist das nicht die Friedhofsstrasse? Ist das nicht das Kirchhofsthor? Ist das nicht meins Liebchens Grabe, Das ich nicht vergessen soll.

Ja das ist die Friedhofsstrasse, Ja das ist das Kirch hofsthor, Ja das ist meins Liebchens Grabe, Das ich nicht vergessen soll.

3.

Der Kukuk auf dem Zaune sass,

Es regnete und er war nass;

Da flog er auf des Goldschmieds Haus

„Du mein lieber Goldschmied mein,

Schmied mir und dir ein Ringelein,

Schmied's mir und dir an die rechte Hand,

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DEUTSCHE VOLKSPOESIE IN UNGARN.

Damit ich flieg' ins Ungarland, In Ungarland dort ist gut sein, Dort sind die Mädel hübsch und fein, Und die Burschen wie die Schw.ein'. In Ungarland dort gibt's gut Brot, Dort sind die Mädel hübsch und roth, Und die Burschen wie der Tod. In Ungarland dort gibt's gut Bier, Dort sind die Mädel hübsch und für, (?) Und die Knaben wie die Stier.' In Ungarland dort gibt's gut Speck, Dort sind die Mädel hübsch und keck, Und die Knaben wie der D

II Hochzeitsprüche.

Nun wollen wir holen den Herrn Hochzeiter und seine Braut

Die ihm zur Seite war vertraut,

Die wollen wir zur Kirche führen

Und ihren Kirchengang helfen schmücken und zieren.

Gott sorgt für alle Dinge.

So wird uns viel Glück und Segen bringen.

„Bringt mir die Jungfer Braut heraus!*

Da bring ich eine, die hat Verstand,

Wem sie gehört, ist sie bekannt,

Sie hat auch schon vieles erfahren,

Das zeigen die grauen Haaren.

„Die will ich nicht, die mag ich nicht,

Die sieht gar sauer im Gesicht.

Was soll ich mit der Grauen machen,

Da möchte mich mein Herr auslachen.

Bringt mir die Jungfer Braut heraus."

Da bring ich eine, die ist schön fein,

Allein sie hat ein krummes Bein,

Die schläft gar lang und frisst gar viel,

Keine andre hab' ich nicht mehr hier.

„Wass soll ich mit der Krummen machen,

Da möchte mich mein Herr auslachen,

Die Siebenschläfrin braucht kein Mann,

Der Herr will eine frische hab'n.

Hernnann Ethnologischen Mitteilungen. 209

15

MAJA HOFFMANN- WIGAND

Bringt mir die Jungfer Braut heraus.*

Da bring' ich eine, jung von Jahren,

Wenig hat sie auch erfahren,

Sie will nichts thun als müssig gehn,

Beständig vor dem Spiegel stehn.

Der Herr ist mir ja gar so karjos, (kurjos)

Er schaut nur auf die Jugend blos.

„Warum sollt* ich nicht karjose sein,

Schaut nur den jungen Herren an,

Der will eine solche Jungfrau haben,

Die wohlgeziert in allen Gaben.

Bringt mir die Jungfer Braut heraus."

Da bring ich eine, die ist recht schön,

Ich mein, Ihr könnt't mit ihr bestehn.

„Das mag ja wohl die rechte sein,

Weil ihre Augen stehn zum Wein'n

Und ihre Haare so schön geschmückt.

Nun wollen wir sie zur Kirche führen,

Und ihren Kirchengang helfen zieren,

Seid nur getrost, in kurzer Zeit

Wird sich befinden Lust und Leid Viffat!"

Fresse mich die Würmerschwein Hans hinterm Ofen,

HI Kinderreime.

1.

Saft, Saft, Seide. Hör in die Weide, Hör in die Grabe, Fresse mich die Rabe,

Was willst mit de Stanche? Spätzche werfe. Was willst mit de Spätzche? Sode, brate.

(Wildschwein.)

Hans hinterm Dach, Lässt mei Pfeifche e helle,

Mutter, geb mer Nägelcher. Was willst mit de Nägelcher? Säkelche machn. Was willst mit de Säkelche? Stanche lese.

Helle licbtiche Krach, Geht mei Pfeifche los.

(Beim Schälen der Weidenast pfeifen.)

2

Heitschi popeitschi, .Nach Spilrak zu,

Dort tanzen die Bauern, Dort klappern die Schuh'.

210

HOCHZEITSPRÜCHE der hienzen.

Mei Mutler backt Kräpl, Sie backt sie so hart, Sie sperrt sie im Kasten, Und gebt mer net satt. Drei Brocke zum locke, Komm bi, komm bi !

Ich hab selber net mi. Ach Mutter, ach Mutter, Wenn Ihr mir's noch einmal so

[macht, So nemm ich mein Bündel, Und sag gute Nacht.

3.

Ans, zwa, drei,

Bika Bohne brei.

Bika Bohne Pfefferkern,

Mei Vater will a Schnitzer wem ;

Schnitz zwei Taube,

Wer will's glaube? Ich oder du, Hamle, hamle muh ! Was die alte Kuh s Das frisst du ! !

•t,

(Auszählereim ) 4.

Herrgottskäferche, tlieg fort. Flieg fort auf Szegszärd, Bring mer a neue Rocksack. (Marienkäfer.)

5.

Heio popole.

Zukerche wolle mer hole.

Zuker und süsse Mandelkern Essen die klanen Kindercher gern.

Hochzeitssprüche der Hienzen.*)

Mitgeteilt von Samuel Kurz.**) Gästeladen.

Gelobtzei Jesus Christus. Meine lieben Herrn Vetter und Frau Mam, Sie derfen uns nicht in übel aufnehmen, dass wir Ihnen so spät überlaufen sind Wir sind zwei ausgeschickte Botten von unsern jungen Herrn Breitigam samt seiner versprochenen Jungfrau Braut. Indem sie sich besonnen haben, den ledigen Stand zu ändern, und den heili- gen Ehestand anzutreten, so lassens in Herrn Vetter und der Frau

*) Vorungarische deutsche Colonien im Com i tat Vas tEisenburg) and Sopron (ödenburg.)

*•) Ethnographia 1892. Januar.

211

16*

SAMUEL KURZ

Mam einen guten Abend winsehen und auch bitten, dass Sie megen begleiden helfen auf alle Gassen und Strassen, auf alle Wege und Stege, zu Wasser und zu Lande, und endlich zu des Priesters Hand, dort wird ein neuer Bund geschlossen werden, welchen niemand auf- lesen kann, als nur Gott und der Tot. Von Gottes Haus wird sie führen der Breitigara in sein Vaters Haus, dort wird ihnen vorgetra- gen werden Wein und Brot und andere Gottesgaben; auch wird Mu- sig sein. Wenn's im Herrn Vetter oder die Frau Mam beliebt einige Stück Ehrentanz zu raachen, somit bitten wir um einen guten Bericht nach Hause zu bringen. Mit diesen schliessen wir unsern schönen Gruss. Gelobtzei Jesus Christus. (Neuthal.)

Brauttanz.

Gelobtzei Jesus Christus. Ich wolde wünschen, dass wir auf der himmlischen Hochzeit auch so frölich beisamen sein, wie auf der weltlichen. Musiganten vivat!

Meine lieben Herrn Bettleute und Ausgeber, Junggesellen und Kranzljungfrauen und alle eingeladene Hochzeitgäste; ich täte bitten, wenn ich einen Verlaub hätte, die Jungfrau Braut aufzufordern Ist das nicht schön, wenn Eltern ihre Kinder so gross auferziehen, dass sie können zum allerheiligsten Altare gehen, um dort ehrbar und christ- lich kupliert zu werden.

Musiganten vivat!

Jungfrau Braut, Jungfrau Braut, schau an diesen grünen Ehren kränz, wie schön er geziert ist, zum erstenmal, zum zweitenmal, zum drittenmal, und zum letzten: jetzt hast du ihm auf deinen Haupt ge- habt, und dein Lebtag nimmer, bevor du ihm auf dein Haupt wirst setzen, werden alle Distel und Dornen rothe Rosen tragen.

Musiganten vivat.

Meine lieben Herrn Bettleute und Ausgeber, Junggesellen und Kranzeljungfrauen und alle eingeladene Hochzeitsgiiste, ich täte bitten, wenn ich Verlaub hätt, die Jungfrau Braut aufzufordern, oder ihr mit einen Glas Wein aufzuwarten, welcher gewachsen zwischen Köln und Rhein, und ist er nicht gewachsen zwischen Köln und Rhein, so ist er doch gewachsen zwischen Sonn- und Mondesschein. Ist die Jungfrau Braut gesund oder krank, so geht sie herüber über Tafel und Bank. Ist sie frisch und wohl in Muth, so springt sie über mein Buschen und Hut.

Musiganten vivat!

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SIKHENnCRGLSCHK KINDERSPIELE.

Kranzl- Abtanzen.

i

1 . Herr Vetter Ausgeber, wenn ich die Erlaubnis hätte, der Jung- frau Braut ihren grünen Kranz von ihrem Haupt zu nehmen u. den- selben ihr nimmermehr aufzusetzen. Vivat!

2. Nun Jungfrau Braut! Siehe an deinen schönen grünen Kranz, den du dir in deiner Jugend so schön gezieret u. gepflanzet hast. Ist das nicht ein schöner Kranz, den man in der Jugend zieren u. pflan- zen kann? Denn nicht jede Braut kann einen solchen grünen Kranz auf ihrem Haupte tragen! Vivat!

3. So wenig soll die Jungfrau Braut einen grünen Kranz auf ihrem Haupte tragen, als dürre Distel rothe Rosen tragen; eher werden dürre Distel rothe Hosen tragen, als die Jungfrau Braut einen grünen Kranz auf ihrem Haupte trägt. Vivat!

4. Jetzt Jungfrau Braut musst du alle Burschen meiden u. bei deinem Mann verbleiben, u. du Jungherr Bräutigam musst alle Mädchen meiden u. bei deinem Weib verbleiben. Vivat!

5. Jetzt heisst's Kranzerl weg und's Häuberl her, Jungfrau g'west u. nimmermehr. Und wenn sie gleich keine Jungfrau ist, so ist sie doch a Weiberl, u. trägt sie gleich kein Kranzerl nicht, so trägt sie doch a Häuberl. Vivat!

6. Nun Herr Vetter Ausgeber! Ich möchte mir untertänigst ausbitten, wenn ich die Erlaubnis hätte, die Jungfrau Braut auf drei christliche Ehren- tänze aufzufordern, u. zwar den 1. für mich; den 2. fürn Jungherrn Bräu- tigam, u. den 3. für alle ehrsamen Hochzeitsgäste. Vivat! (Hier: Viva!)

Siebenbürgische Kinderspiele. /. Sächsisch. *) Mitgeteilt tob Dr. H. v. Wlislocki. 1. Jakobel wo baat da?

Fangspiel. Sie fassen sich an den Händen und bilden einen Kreis .

In der Mitte hält eines mit verbundenen Augen zwei Schlüssel. Sie

singen im Chor:

Bas menj Husen blein Kam Jakobel, kam!

Hej am hischen Gorten, Kost da et na fen,

Det Jakobel mausz Dön kost da der uch

Noch gor lange wörten! E hisch Risken nen!

•) S. Ethnograpbia, III. 24-28.

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DR. H. V. WLI8L0CKI

Das Kind mit den verbundenen Augen wirft einen Schlüssel in den Kreis ; ein Mitspieler hebt ihn auf, tritt in den Kreis und berührt damit den Schlüssel des im Kreis stehenden. Dieser ruft: „Jakobel, wo bast da?" Nun schlägt der andere mit dem aufgehobenen Schlüssel wieder auf den des Blinden ; wenn dieser, an einem Platz stehend, den Jakobel fangen kann, tritt dieser an seine Stelle.

2. De old Waderhex.

Ein durch das Los bestimmtes Kind, die Wetterhexe, setzt sich auf den Boden, sein Kopf wird mit Laub oder Stroh umbunden. Auch die Mitspielenden, Katzen genannt, haben Laub- oder Strohbüschel am Oberarm, und singen im Kreis hüpfend :

Do satzt de old Waderhex Walst da Katzen hun, Am Rän uch am Sehne, Mauszt ze as da kun

Wat gen mer ar zu essen ? An aller £1 Zacker uch Kafe! Af dem Besestel,

Zipfel, zapfel, Baterkrappel, Hopp, hopp, hopp!

Die Wetterhexe, auf einem Besen oder Stecken reitend, sucht die Katzen zu haschen ; jede hat eine bestimmte Freistätte. Gefangen st die Katze, wenn die Hexe ihr das Büschel wegrafft. Die Gefange- nen setzen sich abseits und bei jedem Fang singen sie:

Miau, miau, miau! Ar Suhlen mauszen mer kratzen,

Ach Breiderchen, ach Breiderchen, Miau, miau, miau!

Miau, miau, miau! Mat aserm Schmolz

Da bast en Hexen kaderchen. Schmert sej sech zam Donz,

Miau, miau, miau! Miau, miau, miau!

Mer mauszen hei na satzen,

Unterdessen heftet die Hexe das Büschel des Letztgefangenen sich an (als Sinnbild von Fett und Schmeer). Wenn alle Katzen gefangen sind, stellen sich die Spielenden in zwei Reihen einander gegenüber, reichen sich vis a vis die Hände, nehmen die Hexe auf die Arme und wiegen sie. Dies soll das Verbrennen derselben bedeuten.

3. Vogelsteller.

Dem durchs Los bestimmten Kinde, dem Vogelsteller, werden die Augen verbunden. Die übrigen singen:

De Vijeljen am granen Bäsch, Se spranj'n, se spranj'n. Se sanj'n, se sanj'n, Do kit en older, groer Mon,

De Vijeljen am granen Bäsch, Wal Vijeljen sech fen,

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SIEBENBÜRGISCHE KINDERSPIELE .

Den Vijeljen am granen Bäsch, Zipi, zipi, zip! Den Hols wal he ösdren! Zipi, zipi, zip!

Nun läuft eines zum Vogelsteller, berührt dessen Hand, dieser ruft: „ting." Nun singt es ein beliebiges Lied ; darauf wieder im Chor,

Geschwanjd, geschwanjd Wer frojen as, wer frojen as,

So as det Vijeljen, Won et der na wechflecht.

Det da as, host verschecht.

Wenn der Vogelsteller den Namen dessen, der allein gesungen: nicht errät, singen sie wieder im Chor:

Vijel walst da fen, Schura dech, schum dech!

Da older, groer Mon, Schum dech, schum dech!

Doch wej det Vijeljen hiszt, Zipi, zipi, zip!

Det kost da as nedj son! Zipi, zipi, zip!

Nun beginnt das Spiel von neuem. Wenn aber der Vogelsteller den Namen des Singenden errät, wird dieser zum Vogelsteller.

4. Trudefausz.

Ein durchs Los bestimmtes Kind wird in ein weisses Linnen ge- hüllt und reitet auf einem Stecken im Kreise herum. In einer Hand hält es ein Strohbüschel. Die übrigen Spielenden dürfen nur auf dem rechten Fusse hüpfend ihr „Haus- verlassen. Der Reihe nach hüpfen sie dem Verhüllten nach und suchen aus dem Strohbüschel einige Hal- me zu zupfen. Je eher es einem gelingt, desto später hat er wieder im Kreise zu humpeln. Wer den linken Fuss auf den Boden setzt, wird bestraft, das heisst der Trudenfuss.

5. Teufelsschwanz.

Die Kinder stellen sich hinter einander; jedes fasst das vor ihm stehende am Kleide. Das erste und das letzte in der Reihe, Teufels- kopf und Teufelsschwanz, wird durch das Los bestimmt. Aufgabe des Teufelskopfes ist den Teufelsschwanz zu fangen, ohne die Kette zu lösen. In immer schnellerem Tempo wird gesungen:

Der Tivel as gearjert, Hopphopp, hopphopp, Haar Tivel!

De Macken patschen sen jen Schwonz ! An den Schwonz der beisz, Der Tivel as gearjert, Schnapp mat denjen Zandjen

He mocht en Tivelstonz! No Macken uch no Leisz!

» 4

Wenn der Kopf den Schwanz haschen kann, tritt dieser aus dem Spiele. Wenn dem erstem während des dt eimaligen Absingens das Ab-

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DB. H. V. WLISLOCKI

fangen nicht gelingt, so tritt der zweite in der Reihe an die Stelle des Teufelskopfes

6. Uhuspiel.

Ein Kind, der Uhu oder Todtenvogel, sitzt auf der Erde. Vor ihm ist ein Lappen ausgebreitet, davon einen halben Meter entfernt ist ein 4—5 Meter langer Strick gezogen, der „Bach" genannt wird und die Grenze zwichen dem Uhu und den übrigen Spielern bildet. Jenseits des Strickes hat jeder eine kleine Grube, das Ziel. Die Spie- lenden singen:

Uhu, Uhu, Uhu; Iwern Boch da spranj!

Tudevogel, Uhu; Uhu, Uhu!

Am Hemel schent de San ; Meisker ech der branj ! Uhu, Uhu!

Unterdessen verlässt irgend ein Mitspieler sein Ziel, und ver- sucht den Lappen an sich zu reissen, ohne den Strick zu übertreten. Jeder Mitspieler darf nur einmal nach dem Lappen greifen, und dann zu seinen Ziele zurückgekehrt warten, bis die übrigen alle den Ver- such gemacht. Wenn es dem Uhu gelingt, dem nach dem Lappen Grei- fenden auf die Hand zu klopfen, ohne seinen Sitz zu verlassen, ist der Betreffende „gestorben" und nimmt keinen Teil am Spiel. Wenn aber jemand den Lappen wegraffen kann, ohne vom Uhu berührt zu werden, nimmt er die Stelle des Uhu ein, dieser aber tritt unter die übrigen Spielenden, worauf das Spiel fortgesetzt wird.

11. Deutsch*)

Aua den Sammlungen toü Dr. Aron Riss. Kacb Aufzeichnungen der Lehrerin Araiüea

Valent in Borgö-Prund.

1. Grünes Gras.

Die Kinder bilden einen Kreis, eines steht in der Mitte. Sich drehend singen sie:

Grünes Gras, grünes Gras Unter meinen Füssen, Welche wird die Schönste sein, (oder: Welche du am liebsten hast,) Diese sollst du küssen.

•) f». Ethnographie III. S. 88.

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SIEBENBÜRGISCUE KINDERSPIELE

Das Kind in der Mitte küsst eines im Kreis. Nun wechseln sie die Plätze und setzen das Spiel fort

2 Muachketelein.

Die Kinder singen im Kreise:

Muschketelein, Muschketelein ! Ich bin ein armes Waiselein. Dreimal um und um und um Dreht sich die schöne N. um.

(Die Genannte wendet sich um )

N. hat sich umgedreht,

Hat den schönen Kranz verdreht.

Florian, Florian,

Hat geschlafen sieben Jahr,

Sieben Jahr Sind um

Und es dreht sich A. um.

Das Spiel ist aus, wenn alle Kinder mit dem Gesicht nach aus- wärts gekehrt sind.

3. Im Sommer.

Die Kinder stehn im Kreis, das geschickteste in der Mitte. Sie drehen sich und s»ngen:

Im Sommer, im Sommer, Da ist die schönste Zeit, Da freuen sich die alten Und auch die jungen Leut! Nun bleiben sie stehen; das in der Mitte klatscht, hüpft, geigt, u. 8. w.; die übrigen ahmen ihm nach.

4. Der Musikant.

Die Kinder sitzen oder stehen im Halbkreise; das geschickteste, der Musikant, stellt sich vor sie hin:

Der Musikant:

Ich bin ein Musikant

Aus schönem fremden Land.

Die Übrigen:

Du bist ein Musikant

Aus schönem fremden Land.

Der Musikant:

Ieh kann wol spielen.

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KKISTOF SZONGOTT

Die Übrigen:

Du kannst wol spielen.

Der Musikant:

Auf der Violine Vio, violine, tralala !

Die Übrigen: Auf der Violine (tralala ) Hierauf wird Ciavier, Zither u. s. w. nachgeahmt. Am Ende wer- den die Töne zusammenfassend wiederholt: Vio, violine, tralala, Pimpirim pim, pim pim pim, Tra ra, tra ra, Drum dum dum.

5. Paradieshüpien.

Die Kinder zeichnen eine 3 4 Meter lange und l Meter breite Figur in den Boden:

4 1 5

oder :

\ 3 /

1 / \

1

6

7

8

1

9

2

Dann wird ein flacher Stein ins erste, zweite u. s. w. Feld geworfen, und auf einem Fusse hüpfend, mit diesem hinaus geschupft. Der Fuss darf den Strich nicht berühren, der Stein muss ins rechte Feld fallen, und darf nicht auf dem Strich bleiben. Darauf folgt der nächste nach. Zum zweitenmal u. 8. w. wird bei dem Feld begonnen, wo man aufgehört hat. Wer zuerst den Stein aus dem letzten Feld geschafft, ist Sieger. (Vgl. Wlislocki, Vom wandernden Zigeunervolke. S. 136. Haltrich-Wolff, Zur Volksk. der Siebenbürger Sachsen. S. 207 )

Armenische Volksmärchen aus Siebenbürgen.

Mitgeteilt von Krvtof Szongott in Szamosujvar. L Majre, ▼ertin jev uaapS.*)

Orpoväri menäöhile genige, vov-or zämen hujsß meghädig vor- tun meö cekile. U Öhi chäpvi; zeräm deghän medznalov ez därde* unäöhile more. Märe ikhmäl bägsuthiun 6hi desi.

*) Etbnographia, III. 86

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ARMEXiarHF VOLKMiABCMMf Al'8 8IKHKNBCROKN <

Wirtin jerp äzad timänäg uner, na gerthär morin verMlu. M**g änkämm« morin meg «rind Aen m<- gi deSnu ; ne* gi mt-dnu, ugh uaipnu'i hcd gi händtbi ('hi ärhnvi irem1 nie, hüte iu> gi khäae ez Iren thure jev gäAe: .Thür gt*dre !■ Thune gi pertärde ez u&apnert; paje jedkine gi chentivvi, or irj»*n marmnun v. ni kone m*»g kelurhme t hoi? hu Vi'TiatfhojtW gi gädüre ez ch.-ndirkh.' je> voghe thoghelov meg kt'lurhmft. gl koee ez unap«"« meg ne*i t-hurhim*' me<«.

Khir zamängi vora njs *en(kh>in me<\ voK* Uftäpnun«' eghile, gl geni hed morö. W-rtin äAkir äl gerthär vörAälu; paj« tnore aiiler. the, ehelät* ro.dnu n*»Ai rhuehe, zeräm v^niA gilä häAnelu uvn. iKorov poile, or heränä vertin, u meguraö näile. tht? ine rhuehin mes I^növorvile hed usäpin u äjnbe* häAtadvilin, the iftovme «>pänin fz vrrtin. Mäjn- gi t.'rvi the hivänt e .Orti— gäÄe— zor hivänt im; päio äjnbeA guthvi, the theor chozigi rai* udei, bi lävnäi. K. na die* hon, uch tareiv meraegi gi zärnevin : hon g4 meg choz mfi, ehern ängie meg chozigm* u pier zan dun ' Sügheaile, the hon bi gon jev ängie älä )M thi bi Urna Deghän gi thämbe £x ein. veräii gi tfne fit ärtmeehner.* u diämphä geie.

ÄrikagO pärrgüm.* e^hiK« ; ünorhäroar deghän dsämphove gi gäuni Ärikegun dan<- t»raäc ,l>h g erthäA V A.-iile. .Hedew H zim rhträdtt: Jerp daaverifu; ellä Aehätö. änfcumÄ raud tirerun mi- ' eore; eboze c-hi belä punin me<- u tun hesd bi gärnas me« cho itgme rluMeln ltfghan |»arev gudä u alind&n gertha DäAvrrguiin gi modnu tün-run mu <»r«', gl ch.'-le meg chozig rat* u jed gi tirnä AlvC- gi ganni Arik^gun dan- t>mdc. .MMig ärn, zeräm mämäd «z kelwhOd guze udelu.# Ittgfcin dun gertha Üi rhonin rhozige u gud*> mar«- mrohen. tOrti «1 ä«heg im!" Khu- tämdnagi v.-ri ihf« hivänt e. .Orti keni dAire. Ajnbe. guka indzig, tl.e theor chemei ajn rmforen, vorin mer vogheerun u meradznuti vun> gä, bi Uvnäi * iN-ghän älv^ thämhile (>i vm, ärile fit artmAi-hnft* äl jev d>«mpha elik. (iänntlr änkt^gun timiir mkhH chtrxilc fit khex um hia« mäm»d V AM* Ihr urh «,-rthä. .M.^ig äri, zeräm miäjn däAvergu- Am gelü; oz ämrnnenVi lenrlu Wj^m jerp jed UmäA, im ganne dämS tiiiuir - iVk'hnn konarilo, Kvhih» äro« nneiv. jev j,»d Ur- i4le Arikwt^ udelvov pojile zinkh* I.u-hun inkhö genh« nä, Anküg* barbechm hiJ« fit ämennere u änon£ mer häaaräg cur ^rile

••) Ht< : llrot. uudHu d. Ii Mhta«%mal , ha^ Mrht oft far dUt.

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KRISTOP SZONGOTT

BKhid zamängi v6ra ägheg bi perne äjS cur6" äsav inkhen irj6n u nieä m6dile. Döghän 6snähägän egile häctn»*) u älindän kenäöile. Dun6 häfinelov gudä more ceren raeg kävtovm6. Gi cheme u gi tärnä hiväntuthiune.

Deghän vär gi t6ne 6z thur6 u gerthä vörsälu. Mär6 tus g'äble ez u§äp6 chuehen ; jöv vorovhedev uch-äl chörgilin ez deghän, na chi gor§6vi; änor hämär or azädvin irmen, äjnbes hästädvilin, the theor dun ikä, dunö thoghädz therove bi spänin 6z Deghän dun gukä, thurß usäpin cerön e. Himä deSnelov, the verc e iren gi chentr6vi, or ez pert6rdädz märmin6 tenin ärtmechnun med u äblin 6z 6in or erthä ärtnu'chnerove vortin äcvenicre dänin. Äjn beä ärilin, päjc ez Sirde" bähilin. Cin Arik6gun däne timäö gännile. „Ääilim, the mämäd gude ez k61och6d!u U tus perelov öz merädznun- jev voghöerun bähädz eur6, gi khe^e ez p6rt6rdädz märmine u ähä voghchechuchile 6z d6ghän. „lnc sad khun eghilim." JÖS voghöheöhuchilim 6z khiez" bädäSchänile Ariikäge. Himbig amen pänc ägheg eghädz b'öllär, bäjö dhunächi sird. „Ar thuchi ger- bäränk gase Ärikäge u k6nä Si läußhove dun; hon ädeSä härgnikh e. Bi tenin or phöchis. Khicme bi pheehis, änor edevänö b'äsis, the dan ikbme. inöhov kh6sis 6z äghikhe; bidän ez khu sirded u tun zän gul bidäs.14 D6ghän hedevile 6z ch6räd6. Dun6 6hin dsäncheczhi zinkh6. Phechile; änor edevänö öer6 terilin 6z äird6; inkh6 jed tärcile, äkeste chorter 6z läuöhin u gul duvile 6z sird6. Himbig säd 6rind phedhile. Härs6 u phesän gi chäghär. „Tir vär 6z di thure, m'äni ädehä huk- gäse härse phesin. Vär gi töne. Thuch6 khickhicene gi modignä th6rin, gi chele zäjn jev ärä£h6 6z mär6 u änor devänd 6z usäpe gi pertörde. Edjem hon thoghile zäjä ändolväth degh6 u Ärikegun mod könädile pönägelu.

Mutter, Sohn und Drache. *)

Witwe ward die Frau, die alle ihre Hoffnung in ihren einzigen Sohn gesetzt hatte. Und sie täuschte sich nicht; denn der Knabe wuchs heran und sorgte für seine Mutter. Seine Mutter hatte keine Not zu leiden

Der Sohn, wenn er treie Zeit hatte, pflegte in den Wald auf

*) Unter den vielen Parallelen xu diesem bekannten Märclienthema ist wol am interessantesten das Zigeunermärchen in Dr. B. Constantinescu, Probe de liroba *i litteratura figanilor din Romania, S. 65—72.

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ARMENISCHE VOLKSMÄRCHEN AlS SIKHENHCRGKN

die Jagd zu gehen. Einmal sieht er im Walde ein schönes Gebäude; er geht hinein, dort trifft er Drachen. Er erschrickt nicht vor ihnen, sondern zieht seinen Säbel und spricht: Säbel, hau!" der Säbel haut die Drachen in Stücke; doch der letzte bittet ihn, er möge we- nigstens einen Kopf auf seinem Rumpfe lassen. Der Jäger gewährt die Bitte, belässt einen Kopf und sperrt den Drachen in ein inneres Zimmer.

In kurzer Zeit übersiedelte er mit seiner Mutter in das Gebäude, das den Drachen gehört hatte. Der Sohn gieng auch hier jagen; er hatte es seiner Mutter untersagt, ins innere Zimmer zu treten, da es ihr übel ergeben könnte. Sie konnte es aber kaum erwarten, das ihr 8ohn ausgehe, und sah gleich nach, was im innern Zimmer sei. Sie machte mit dem Drachen Bekanntschaft, und sie kamen über- ein, den Sohn auf irgend eine Weise umzubringen. Die Mutter stellt sich krank. „Sohn, » spricht sit ich bin sehr krank; es däucht mir aber, wenn ich Ferkelfleisch ässe, würde ich genesen. Geh also hin. wo die Berge zusammenschlagen, dort ist eine Sau, entrafle ihr ein Ferkel und bring es heim." Sie glaubte, er werde dort umkom- men und nicht mehr zurückkehren. Der Sohn sattelt sein Pferd, wirft ihm den Zwerchsack um, und macht sich auf den Weg.

Die Sonne war ihm befreundet; unterwegs hielt er also vor dem Haus der Sonne an. „Wohin gehst du?* Er sagt es ihr. „Befolge meinen Rat : Wenn es zwölf Uhr ist, dann geh zwischen die Berge : die Sau ist dann nicht im Lager, und du kannst leicht ein Ferkel errpffen." 'Der Sohn grüsst und geht weiter. Um zwölf Uhr geht er zwischen die Berge, errafTt ein Ferkel und kehrt zurück. Wieder macht er vorm Haus der Sonne halt. „Gib acht, deine Mutter will dir den Kopf verzehren." Der Sohn geht nach Hause. Das Ferkel wird ge- braten, die Mutter isst davon. „Sohn, mir ist besser." In kurzem ist sie wieder krank. „Sohn, geh, hol' Arznei. Es dünkt mich, wenn ich von dem Brunnen trinken könnte, in dem das Wasser der Lebenden und Todten ist, würde ich genesen." Der Sohn sattelte wieder sein Ross, nahm den Zwerchsack vor, und machte sich aul den Weg. Vor der Sonne blieb er stehen. „Wieder hat dich deine Mutter wohin ge- schickt?"— Er sagte ihr, wohin er gienge. „Gib acht, denn du kannst dein Geläss nur um 12 Uhr füllen. Wenn du dann zurückkehrst, mach vor meinem Hause halt." Der Sohn gieng hin, füllte seine Gelasse und kam zurück. Die Sonne wartete mit Speise auf ihn. Während er assj leerte die Sonne sein Gefässe, und gab gewöhnliches Wasser hin- ein. „In kurzem wird dies Wassar uns gut zustatten kommen," sprach sie bei sich und gieng hinein. Der Sohn bedankte sich fürs Es- sen, und gieng weiter. Zuhause angekommen, reicht er seiner Mut- ter ein Glas vom Wasser. Ihre Krankheit wendete sich. (D. h. sie genas).

Der Sohn legt seinen Säbel ab und geht auf die Jagd. Die Mut- ter lässt den Drachen aus dem Zimmer, und da der Sohn, wohin immer sie ihn auch geschickt hatten, nicht umgekommen war, kamen

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DR. RAIMUND FRIED. KAINDL

sie überein, ihn, wenn er heimkehrt, mit seinem zu Hause gelassenen Säbel zu tödten. Der Sohn kommt nach Hause; der Säbel ist in der Hand des Drachen. Als er nun sieht, dass es mit ihm aus ist, bittet er sie, seinen zusammengehauenen Körper in den Zwerchsack zu ge- ben, und seinem Rosse zu gestatten, es möge mit dem Sacke gehen, wohin es seine Augen führen. Sie taten also, aber sie verbargen sein Herz. Das Pferd blieb vor dem Hause der Sonne stehen. BHab' ich 's gesagt, dass deine Mutter dir den Kopf verzehren wird. . . " Und sie bringt das aufbewahrte Wasser der Lebenden und Todten hervor, bestreicht den zerstückelten Körper und sieh da, der Sohn wird wie- der belebt. „Wie lang ich geschlafen hab'!u „Ich hab' dich wieder zum Leben erweckt- entgegnete die Sonne. Nun wäre alles gut gewesen, aber er hatte kein Herz. „Nimm die Gestalt eines Zigeuners an sprach die Sonne und geh' mit der Geige nach Hause; dort gibt es eben Hochzeit. Sie werden dich musizieren lassen. Du wirst ein wenig spielen, dann sagst du, sie sollen dir etwas geben, womit du den Bogen bestreichen könnest; sie werden dir dein Herz geben, und du verschluck1 es.- Der Sohn befolgte den Rat. Im Hause ward er nicht erkannt. Er musizierte, dann gab man ihm sein Herz in die Hand: er wandte sich um, als wollte er was an der Geige richten, und verschluckte das Herz. Hierauf spielte er sehr schön auf. Die Braut und der Bräutigam tanzten. „Leg' doch deinen Säbel ab und mach' keinen solchen Lärm" spricht die Braut zum Bräutigam. Er legt ihn ab. Der Zigeuner nähert sich langsam dem Säbel, ergreift ihn. und haut erst seine Mutter, dann den Drachen in Slüeke. Da- rauf verliess er den unglückseligen Ort, und gieng zur Sonne wohnen.

Baba-Jaudooha-Dokia.

Von Dr. Raimund Fried. Kaindl {Czernomtz),

Über die „Baba" ist in diesen Mitteilungen bereits zweimal, S. 12 ff. u. 56 ff. gehandelt worden. So weit ich sehe, ist aber dort auf die hierher gehörigen rutenischen (slawischen) Überlieferungen keine Rück- sicht genommen worden. Dies veranlasst mich das Folgende zum Ab- drucke zu bringen. Es wird übrigens interessant sein, mit den diesbe- züglichen Mitteilungen aus Ungarn und Rumänien die folgenden aus der Bukowina zu vergleichen.

I.

Die Überlieferung. *) 1. In der Bukowina wird es anfangs März wärmer, um die Mitte

*) No. 1-9 sind von mir gesammelt und im Urquell, II. Bd., 9. Heft, aus- führlich mitgeteilt. Nr. 10 ist nach Wickenhauser : Molda I. 1881. S. 4 u. 236, Nr. II nach Sinti finowicz: Volksagen aas Her Bukowina. 1885. S. 136 f. erzählt Die Versionen mit „Jaudocha" sind rutenisch, „Jewdocha* huzulisch, „Dokia" rumänisch.

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BABA-JAUDOCHA-DOKIA.

wird es gewöhnlich wieder rauh; das thut die Baba Jaudocha, Jew- docha oder Dokia (Dochia), (l. März a. St. = 13. März n. St. Eudo- xia). 2. Wenn Baba Dokia ihre zwölf Pelze schüttelt, schneit es. 3. Wenn es schneit, sitzt Jaudocha in zwölf (vierzig) Pelzen am Dach. Kommt Sonnenschein, so wirft sie die Pelze ab. 4. Jaudocha hat neun Pelze. 5. Baba Jewdoch i geht in zwölf Pelzen mit der Spin- del aus. Sie wirft die vom Schnee nassen Pelze ab und erfriert. 6. Baba Jaudocha will den jungen März zum Manne. Aul sein Begehr bringt sie eine Nacht am Dache zu; er bläst und stürmt, bis sie er- friert. — 7. Baba Dokia schickt ihre Nichte Schafe weiden. Es ist sehr kalt, das Mädchen kehrt heim. Erzürnt geht Dokia selber auf die Weide ; am zu zeigen, dass sie die Kälte nicht fürchte, wirft sie die Pelze ab und erfriert. 8. Als es März wurde, zog Baba Jaudocha zwölf Pelze an und stieg aufs Dach. Es schneite regnete und fror, dass auf dem Pelz fünf Finger dick das Eis stand. Da warf sie den obersten Pelz ab; am zweiten Tage den zweiten durchnässten Pelz u. s. w. ; am zwölf- ten Tage war es so warm, dass die Baba ihren letzten Pelz abwarf; um Mitternacht aber ward es sehr kalt, und die Baba erfror. Seither kehrt sie alljährlich um dieselbe Zeit den Leuten den Schnee in die Augen. 9. Jaudocha lästerte Gott; sie fürchte Sturm und Schnee nicht. Sie zog zwölf Pelze an. nahm ihren Spinnrocken und trieb die Schafe auf die Weide. Gott schickte Regen und Schnee, sie durch- nässten den obersten Pelz, Jaudocha warf ihn ab, dann den zweiten, dritten, u. s. w. Als sie den zwölften abgeworfen hatte, erfror sie, Seit der Zeit herrscht um Eudoxia alljährlich veränderliches Wetter mit Schnee, Regen und Sonnenschein. Nähert sich der Eudoxiatag, so sagen die Leute: „Jaudocha zieht ihre zwölf Pelze an. Ist sie da- mit fertig, so beginnt das „Märzwetter.- Dieses währt zwölf Tage.

10. Auf dem Frauenfels, der sich westlich von dem Humorabache, dort wo die Docila ihren Ursprung nimmt, erhebt, erbhckt man ein Felsbild der Doka (sie!). Sie war, als der Frühling zeitlich anbrach, mit ihren Schafen auf die Berge gezogen, und das Wetter war so mild und schön, dass sie mit ihrer Spindel beschäftigt, allmälig alle Oberkleider ablegte. Da begann es aber plötzlich wieder zu stürmen, und die Schneeflocken tanzten dicht umher. Vergebens zog nun Doka wieder ihre zwölf Pelze an. Gelehnt an den Felsen erfror sie und wurde ein Bild aus Stein. Auch ihre Schafe versteinerten. Man sieht sie noch jetzt im Bette des Docilabache* liegen, das sich nach kur- zem Laufe in die Moldawa ergie«st.

11. Baba Dokia trieb ihre Schafe auf die Weide. Während diese grasten, suchte Dokia Erdbeeren. Sie fand wol noch keine Erdbeeren, aber glühende Kohlen. Diese sammelte sie, denn sie wusste, dass dieselbe sich gar bald in Beeren verwandeln würden. Dokia hatte zwölf Pelze an. täglich warf sie einen derselben ab. Als sie den letzten ab- gelegt hatte, trat schönes Wetter ein. Dessen freute sich die Baba und sagte: „Dies ist der erste Frühlingstag;* und dann fügte sie hinzu:

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DR RAIMUND FRIED. KA1NDL

„Erdbeeren fand ich; herrliches Wetter gab mir Gott; jetzt möchte ich noch einen schönen Mann haben.8

Kaum hatte Dokia diesen Wunsch geäussert, so wurde sie zu Stein. Aus diesem Steine aber, der Menschengestalt hat und in der Nähe von Kimpolung steht, fliesst ein klarer Quell.

IL

Dentungsversuch.

Die Baba d. i. die Alte ist offenbar gleichzustellen mit der sla- wischen Jaga-Baba, welche nach der Volksüberlieferung auf einem Mörser reitet, und mit einem Besen hinler sich die Spuren verwischt. l) Beide versinnbilden den Winter, und sind wie Je£i-Baba oder auch Baba kurzwegs gleichen Wesens mit der Todesgöttin Morana. Mit dem Verbrennen oder Ersäufen dieser Göttin in Gestalt einer Stroh- puppe hat offenbar der Untergang der Baba-Jaudocha-Dokia dieselbe Bedeutung; es wird der Sieg des Sommers über den Winter versinn- bildet. 2) Und wenn nach einer Version der Sage, die Baba den jugendli- chen Mart unterliegt, so kann man bei dem Namen desselben an St.-Martin 1 13. Feb a. St. = 25. Feb. n. St.) 3; und zugleich an den Monat März (Mart, Marot) denken ; seinem Wesen nach ist aber die- ser Mart sicher der Sommergott. Daran darf man keinen Anstoss neh- men, dass die Sage, welche am Erfrieren der Baba festhält, den Mart durch Wind und Sturm siegen litsst. Unterstützt wird unsere Ansicht ganz trelflich durch den Umstand, dass die Butenen auch sonst von einer Begegnung des Winters mit dem Sommer erzählen. ') Dieselbe findet am Feste Christi Darstellung statt (2. Feb. a. St. = 14. Feb. n. St.); in die nächsten Wochen fällt sodann der Kampf, zwischen bei- den, bis die Baba, der Winter, unterliegt Dieses geschieht nach der gewöhnlichen Überlieferung zwölf Tage nach dem Eudoxiatage, also am 13. März a. St. =25. März n. St.

Neben der Baba wird in der rutenischen Volksüberlieferung auch Did d. i. der Alte genannt. *) Er ist, wie dieses aus der Überlieferung

li Lau-rtHcski : Die mythische Bedeutung einiger Sagen (angeführt bei Bes- tusbew Rjuroin: Gesch. Russlanda, Mirau 1874. s. 13) Bemerkenswert ist, dass bei den Ratenen die Bezeichnung „baba" sowol für d e Ramme (Werkzeug zum Stam- pfen) als auch für den Schneemann üblich ist. Zelechowsski: Huf. deutsches Wörter- buch 188« I. Vergl. auch Stern: Fürst Wladimirs Tafelrunde. 1892 S 91 ff.

■) Über Morana (Baba, Jeii-Baba = Jaga-Baba) vergl. Hanw/ch: Die Wissen« senachaft des slaw. Mythus, Lemberg, 1812. S. 140 ff. 160 ff 198, 412 f. Über das Ersäufen, Verbrennen und Verscharren des Todes in Böhmen bandfit ausführlich Reinsberg-Düring» feld: Festkalender aus Böhmen, Prag, 1864. S. 88. ff

*< Bemerkenswert ist folgende (polnische) Wetterregel: Marci (Martin) ver- nichtet den Winter, oder macht ihn roich (d h. lang). Krsteres findet statt, wenn am Martinstag trübes Wetter herrscht; letzteres wenn es schön ist Dieselbe Regel gilt vom Feste Christi Darstellung. Vergl Kaindl u. Manastyrski : Die Rutenen in der Bukowina II, Czernowiu, 1890. S. 95.

*) Vergl. „Die Rutenen" a a. 0.

«) Vergl. ebenda S. 7—12, 24 f. 90 ff.

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BABA-JAUDOCHA-DOKIA.

klar hervorgeht, ebenfalls ein Wesen des Verderbens, des Winters, er ist geradezu der Teufel (Czort, Czornoboh). Wie Baba wird auch es von einem jugendlichen Helden, dem lichten sommerlichen Gott, besiegt; aber er wird auch wie Morana = Baba in Gestalt von Stroh verbrannt. Es geschieht dieses zweimal; zum ersten Mal am Feste Mariä Ver- kündigung (25. Marz a. St. 6. April n. St.), also zwölf Tage nach dem Untergange der Baba; das zweite Mal am Gründonnerstag. Es ist also klar, dass Did und Baba gleichen Wesens sind. Darauf deu- ten übrigens noch die einander entsprechenden Namen. Bemerkenswert ist es auch, dass wie Jaga-Baba auf einem Mörser reitet, so Did nach der rutenischen Volksüberlieferung auf einer Getreidestampfe fahrt. l)

Woher die Sage die Namen Jaudocha-Dokia und Mart für ihre mythischen Gestalten nahm, ist klar; es sind Namengebungen aus der Zeit. Erwähnt soll noch werden, dass ähnliche Steinbilder, wie sie in den letzten zwei Versionen der Sage genannt werden, auch in Russ- land unter der Bezeichnung „Kamennaja baba" (Steinweib) vorkom- men. Die Abbildung einer solchen findet man bei Schiemann: Russ- land, Polen und Livland (Allg. Gesch. in Einzeldarstellungen) 1. B. S. 31. Das Bezeichnende ist, dass diese Colossalfigure.j meist aut Grab- hügeln aufgestellt sind. Es entspricht dieses dem Charakter, den wir für die Baba in Anspruch nehmen.

Dieses ist meine bescheidene Ansicht, wie ich sie in Kürze be- reits bei anderer Gelegenheit entwickelt habe. ') Aus meinen Ausfüh- rungen dürfte es zum mindestens hervorgehen, dass man Unrecht thut, den Mythos von der Baba als ausschliesslich rumänischen zu behan- deln. Ich glaube, dass derselbe im Zusammenhange mit der, slawi- schen Überlieferung sich leicht und natürlich erklären lässt. a)

l) Vergl. das in Anmerk. 2. Angeführte. ') „Die Rutenen« II. S. 63 L

*> über die Jaudocha-Dokia Sage handeln noch: Dr. At. Marienescu, Ethno- graphia, 180(). III. u. „Transilvania" 1890. A. Vereas, Ethnographia, 1890. IV. L. Saineana. »Conrorbiri liter&re" 1888. Scheantt ^Saineauu) soll 1889. eine zn- »amtueiifasseode Arbeit veröffentlicht haben. Vergl. am Urquell, IL Bd. S U9— 151.

Elhcologiioh. UitUiiang.o. Ii. 325 16

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Italienische Sprüche und Lieder aus Fiume.*)

Mitgeteilt von Ludwig Csink u. AUxander Körösi.

L

Sprichwörter und Redensarten.

(L. Czink.)

I. Se Jenajo nojeniza, se Febrajo no febriza, Marzo jenisa, febriza e marzissa.

2. Febrajo carto pejo d'an turco.

3. Marzo matto.

4. Aprile dolze dormire.

5. Aprile non ti scoprire.

6. Majo va adajo.

7. Majo grata formajo.

8. Giugno cava el co de gugno.

9. La piova de Agosto, rinfresca mar e bosco.

10. San Sabastian cola viola in man ; viola o rton viola, de l'invemo semo fora.

II. San Yinzenzo gran fredura, San Lorenzo gran caldura, e i'uno e l'altro poco i dura.

12. Madonna Gandelora, se Iavien con vento e piova, de l'inverno semo fora; se la vien con piova e vento, nell' inverno semo drento.

13. Se piove per San Urban, piove quaranta jorni drio man.

14. San Vito, le zerese col ma- rito.')

15. Vado pregar S. Vito, che mi dia marito.

16. Legge fiomana dura una set- timana.

17. Se piove sule Palme, bei tem- po sui ovi*) e se bei tempo sule Palme, piove sui ovi.

18. Santa Barbara San Simon,3) libereme de sto ton, de sto ton, de sta sajeta, Santa Bar- bara benedeta. Santa Ciara Cia- riza, Santa Barbara Barbariza, Ora pro nobis.

19. San Miciel porta la marenda in ziel e San Jorjo la porta de ritorno.1)

20. Da santa Luzia al Nadal, cresce '1 jomo un pas de gal ; dal Nadal al Epi£ania, cresse el jorno mesa mia.

21. Dal Nadal al primo del anno se slunga i jorni un pie de galo.

22. Epifania porta tutte le feste via, poi vien el mato de Car- neval, che le fa ritornar.

23. Jovedi grasso, poi jovedi te lasse»)

*) 8. Ethnographia 1892. 8. 141-207. >) Wurmig. *) Zu Ostern.

•) Vgl. Ethnol. Mitt. aus Ungarn. I. 198. 1. (Gewittersegen.) *) Von Georgi an wird die Arbeit morgens 8 Uhr unterbrochen, um zu früh- stücken, von Michaeli an wird vor der Arbeit zuhause gefrühstückt. •) Der vorletzte u. letzte Faschings-Donnerstag.

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ITALIENISCHE SPRÜCHE UND LIEDER AUS FTUME.

24. Nissun sabo senza sol,') nissu- na fia senz' amor.

25. No xe april senza fior, come puta senz' amor.

20. Lungo come la quaresima.

27. Voja de lavorar saltime ados- so, lavora ti per mi, che mi no po8so.

28. Poca voja saltime adosso, fa- me lavorar meno (piü) che posso.*)

29. Sol e piova, le strighe se spo- sa (s'innamora) ; sol e vento, le strighe va in convento.

30. Rosso de matina, la piova xe vizina ; rosso de sera, bon tera- po se spera.

31. Cio' an dove?

Cior un goto.

Ti ga bori?

Per cossa?

Ma ghe vol . . .

Cossa? muso roto e bareia fraeada})

32. El fero se bäte, quando xe rosso.

33. Dona che pianje, omo che jura, caval che suda no bi- sogna crederghe.

34. Scarpe larghe, goto pien, ci- orle come le vien.

35. In bocca serada non gh'entra le mosche.

3G. Tavola e leto non porta ris- petto.

37. Lontan dai oci lontan dal cor.

38. La salata vol el sal de un sapiente, l'asedo de un avaro, l'oio de un splendido, missiada da un mato e magnada da un afamü.

39. Fioi e colombi sporca la casa.

40. La galina dela vizina par sempre un' oca.

41. Ovo de un jorno, vin de un ano, dona de venti, amico de trenta.

42. A dona sbeletada voltighe le spale.

43. Gata coi guanti no ciapa sorzi.*)

44. De quel che no ghe xe, se fa senza.

45. Cola pazienza el gobo va in montagna.

46. Cola pazienza se vinze ogni cossa.

47. Chi vol bona vendeta, in Dio la rimeta.

48. Dal mal vien el ben.

49. Chi ga bezzi, no ga cor.

50. Se te ga bisogno, va prima dal povero, poi dal rico.

51. Dove ghe xe pastizi, ghe xe anca amizi.

52. Chi xe busiardo xe ladro.

53. 0 drita o storta, o bona o trista fräse, co parla 4 rico, tuti quanti i tase.

54. I soldi xe '1 secondo sangue.

Dem Volksglauben gemäss muss die Sonne Samstag wenn auch nur auf einen Moment scheinen.

') Wenn jemand keine Lust hat etwas zu tun.

3) Wenn man nicht zahlen kann, wird man hinaus geworfen Wird gesagt, wenn jemand ohne Geld eine Speculation unternimmt. «) Bei

227

15»

L. CZINK

55. L'omo piübruto xe quel, ghe ga le scarsele roveree.

56. La poverta xe la mare dela

57. La salote no se paga con valote.

58. Bezzi e sanita i se gode de ogni eta.

59. Per star ben, ghe vol bro- coli, gnocoli e cocoli.

60. Chi ga bon apetito, no ga bi- sogno de salsa.

61. Pirole de galina, Siropo de cantina, Bareta in testa,

E manda el medico a far festa. 62 Pindolin che pindolava, Muatacin che lo guardava; Se pindolin ga pindolä, Mustacin lo vardä.1,

63. Vame comprar diexe soldi de fugapressa e zinque de pefö- mels bone*)

64. Galina vecia fa bon brodo.

65. Chi oji se fida del onesto, perde '1 manigo col cesto.

66. Chi va pian, va san c riva Ion tan.

67. Chi va forte, lo ciapa la morte.

68. Chi xe pigro a magnar, xe pigro a lavorar.

69. La boca ga le gambe.

70. I gali ga le gambe. (I ligä le gambe.)

71. La fame xe 1 mejo cogo

72. Chi magna in pie, magna per sie; chi magna sentä, magna da disperä.

73. Chi va in leto senza zena, tuta la note se remena ; e quan- do che xe dl, no '1 ga magnä, ne dorml.

74. Minestra riscaldada no xe bona gnanca per el mala.

75. Meza luna pan in cuna, mezodi pan rosti, mezojorno pan in forno, meza ora '1 pan xe fora.3)

76. Ovo apena fato val un ducato.

77. Ovo senza sal no fa ne ben ne mal.

78. Quando '1 gato xe sul fogo, la fa magra anca '1 cogo.1)

GL La scorza fa bela la castagna.

80. El bever senza misura molto tempo no se dura.

81. Done jovane e vin vecio.

82. Do diti de vin prima de la minestra la xe per el dotor una tempesta.

83. El vin ala matina xe piombo, a mezojorno arjento, ala sera uro.

84. El vin fa gambe.

85. El vin fabon sangue.

86. El vin fa morbin.

87. L'acqua smarzisse i pali, la fa vignir i omini jali, la fa sbiaiu bir la pele

e la fa le done bele.

») Wenn »twaB anders ausfällt, als erwartet worden. ') Um unbequeme Kinder wegzukriegen. ■) Wenn man Kindern vor Mittag kein Brot geben will. «) Denn sie stiehlt alles weg.

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ITALIENISCHE SPRÜCHE ü. LIEDER AUS FTÜME.

88. £1 pejo fior xe quel del vin.

89. El vin coi fiori fa dolori

90. Un bei sentar fa una bela dona.1)

91. Se ti vol veder una dona bela, vardila ala matma, co la se leva.

92. Val piü una moretina inVuna gamba, che una biancolina grossa e granda.

93. Debiti fe debiti.

94. Debiti e pecai quanti isia no

95. Se no se paga co se pol, bi- sogna pagar, quando che dol.

96. Pecä Sora peca, roto sora sbrega.

97. La dona bisogna praticarla un jorno, un mese e un istä per saver che odor che la ga.

98. Ogni mato ga la sua stajon.

99. Spende piü ei misero,che'l liberal. 100 Val piü un soldo sparagnado,

che un zech in rubado.

101. Cossa trovada nonxerubada. Gossa trovada e non consegna- da xe meza rubada.

102. Chi sguazza in joventü, stenta in veciaia.

103. Un mato sa piü domandar, che sete furbi risponder.

104. Per saver la verita, bisogna sentir do bujardi.*)

105. La verita sta de sora, come Pojo.

') Beim schminken. ») Widersprechen sich «) Denn so lang was drin ist, trinkt sie. V Die Eltern eines schlechten Schalers sagen todschlagen, denn besser u. s. w.

•) Protection. Die Firmlinge werden yon ihren ') Taufpate.

106. No se vede un cristian.3)

107. Xe mejo un bon perdio, che un falso Jesumio.

108. Pejo de l'amico Pinvidia, che del nemico Pinsidia.

109 Impossibile aver la botte piena e la serva ubriaga.')

110. Chi ga la rogna, se la grata.

111. Se la va, la va; se nolava, la se impianta.

112. Mejo un aseno vivo, che un fllosofo morto.')

113. Ne donna ne tela non se compra alla candela.

114. Chi lava ei mattone, perde Pacqua e savone.

115. Chi fa la barba all' asino, perde Pacqua e '1 savon.

11-6. A lavar la testa all' asino, se perde '1 tempo e 1 savon.

117. Una picola piera ribalta un caro.

118. Rider (far una cossa) per forza non val una scorza.

119. Chi basa '1 bambin, diventa compare.

120. Se la merda monta 'n scagno, la spuzza e la fa dano.

121. Chi ga santoli, magna bu- zolai.6)

122. Dai segnadi da Dio zento passi indrio; da un zotto e orbo zento e quarantoto.

123. Compare d'anelo xe pare1) del primo putelo.

») Keine Seele. Ich kann ihn doch nicht

mit Backwerk traktiert.

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L. CZINK

124. Dale scarpe strazadet fratV) guarda fora.

125. Che brodi lunghi !')

126. Caval donä no se guarda in boca.

127. Paria quando Ia galina pissa.

128. Meti la ligua in cal,

129. El caval non ga cortel, ma ga denti.

1 30. No se ghe mette la sela all* asino.

131. Avocato non chiaraado colla merda vien pagado.

132. Xe andä '1 manigo con tutta la manera.

133. Saluda a casa e no sta dir gnente.

134. 0 rosega sto osso, o salta sto foßso.

135. 0 magnardc sta minestra, o saltar da sta tinestra.

136. Chi trata colle man, trata da vilan.

137. Trato de man xe trato de vilan.

138. A bon intenditor poche pa- role.

139. Levante ciaro, tramontana scura, buttate in mar senza paura.

140. Loda el mar e tiente a tera.

141. Mcjo oji un ovo, che doman una galina.

142. Son turco in prediga.*)

143. Parente con parente, povero quel che non ga gnente.

144. Xe piü vizin el dente, che nessun parente.

145. El leto xe una rosa: se non sedorme, seriposa.

146. Una man laval' altra e tutte do '1 viso.

147. Dove ti va?

Vado far la monaca.

In convento di San Benedet- to,1) dove i dorme due per leto.

148. Ugyan arra a kerdesre:

148. Eti sarä monaca de San Ber- nardin, che i dorme due percuscio.

149. La xe brutta, come l affitto de casa (come la fame.)

150. La serva xe V nemico pagado de casa; guarda, che la scova no sia in stanza.*)

151. Vardite dai parenti, come dal dolor de denti.

152. Ne dona ne sopressa no se impresta.

153. Come ti sta?

Come '1 vechio podestä.

154. Mosche e rompieoioni no manca mai.

155. Dimentica dal naso alla bocca.

156. Ogni groppo vien al petine.

157. Chi ga creanza, campa ben, chi no, ancor mejo.

158. Ogni bei balo stufa.

159. El tropo rompe '1 gropo.

160. Aspetta mus,che V erbacresce.

161. Chi sparagna per la Spina spande pel cocon.

') Langes GesclmiUa. '/ Wenn jemand ein in fremder Sprache geführtes Gespräch nicht versteht. <) Anspielung darauf, dass der H. Benedict mit seiner Schwester in der

') Die Zehen.

Wüste wohnte.

*) Wenn was geheim gehalten werden soll.

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ITALI HTtttSCHE SPRÜCHE C LIEDER ADS FIÜME

1 62. Sa do careghe no se pol sentar.

163. Ocio che te sbocio,1)

164. Ol d'un can.

165. Fiol d'una tecia.

166. Ma ti xe imbotonä.

167. Che busolo! che flocion!

168. Fogo Luvyi!!*)

169. Daghel Blau, daghel Blau, daghel vecio Blau . . .8)

170. Cio ti conosci sto oquä? Eh come meso soldo sbusa.

171. Va comprarme quatro soldi ombra de campanil.t)

172. A cht stima, no ghe dol la

182. Chi la fe, se la speti.

188 A dir la verita non se fadiga.

184. L' acqua ciara no fa depo- sito.Ä)

185. A esser sinzeri no se fala mai.

186. Piü la se missia, piü la

187. Chi ga sanita, xe rico e no lo sa.

188. El ben fato per paura no val gnente e poco dura.

189. Magna renghe e sardeloni che ti conserverä sani i polmoni.

190. Coi mati non se fe pati.

191. Ai mati ghe se da sempre rajon.

192. Chi rompe, ta paga.

193. Nissun xe sempre savio.

194. Ariade drio la schena,') in leto la ve mena; aria de fes- sura manda 1'omo in sepoltura.

195. De matina Paria fresca tien la vita sana e lesta.

196. Un pasto magro e bon man- tien l'omo in ton.

197. Boso de pel, zento diavoli per cavel.

198. A chi sparagna, lagata magna.

199. Buon d'indio!s)

200. Dopo morto se pesa el porco.

201. Negoziante e porco damelo morto.t)

') Boccia eiu Kegels piel.

») Gassenkinderschrei, wenn sie ungewöhnliches sehen. ») In der Arena wird in Boccaccio im Milaneser Dialekt gesungen: Dag he P dau, paron Miciel . . . Dies wandten die Gassenbuben auf den Optiker Blau am Corsoan. 4) Aprilscherz.

») Beim Wortwechsel wird man warm.

*} Wenn sich etwas in der Folge als Lüge erweist

') Zugluft.

•J Vor Feiertagen. Der Indian ist das herkömmliche Festgericht. •J Nur dann weiss man, was sie wiegen.

173. 1 bezi i va via, perche i xetondi.

174. Per la boca se scalda el forno.*)

175. Chi magna solo, crepa solo, e chi magna in compagnia, il dia- volo lo porta via.

176. Dal acqua mi guardo io, dai ebrei mi guardi Idio.

177. Se de giovine ti bevi vin, de vecio ti bevera acqua.

178. Chi vive sperando, more ca- gando.

179. A ognidun ghe piaze el suo.

180. La bugya xe in ogni buso, e la verita xe fori de uso.

181. La bugija core su per el muso.

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l. cznre

202. Oji in figura, domani in se- poltura.

203. Lunedi ne Matte Da casa non se parte; Mercoldi e Giove Pepi non se move ; Venerdi e Sabo Giorni dimaliconia,

Pepi non vavia, E domenica xe festa E Pepi resta.1) 204. 0 anima Serena Che pecä te mena? Disimelo a mi, Che farö pregar per ü.a)

Prima i era morosi, Adesso viva i sposi!

II. Trinksprüche.

(Brindisi.) {A. KSrösi.)

Questo vin xe de Malvasia Eviva tuta la compagnia!

In sto orto xe3) del zaferano, Eviva il nostro äior capelano.

Din, din din Eviva el Jovanin!

Viva el vin, viva el pan, Viva el Sior Sacristan!

Le calze in tedesco se tjama*)

[8trinfe,

Eviva le signorine nimfe!

m. Rätsel.

(L. Czink.)

1. La rasa la frasa, la core per la easa, nisun la vede, tutti la Bente . cosa e?

2. Ve la, ve las) ripeto, Ve la torno dire,

Se non la capirete, Di legname duro siete.

'S. Su quel monte sta Carleto Con quel viso benedeto. Co la coda verdolina, Ca valier chi la indovina.

4. La pelosa che go avanti, La ghe piaxe a tuti quanti; La ghe piaxe a zinquezento, Tuti tica la man dentro.

1. La mia mama poverina La m'ä dato un po' de dota,

III. Volkslieder.

A. (L. Czink *

Una pignata tuta rota E una tola per lavar.

■) So werden Gäste zum bleiben genötigt *) Wenn man ein Gespenst erblickt

•) Lies das x, wie das * in Wesen.

*) Wortspiel: vela Segel, ve-la = a voi la ... euch.

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ITALIENISCHE SPRÜCHE D. LIEDER AUS FIUMK.

•neu

2. Mama mia go visto Torso, Che balava sule scale, Mama mia, xe carnevale

E me vojo divertir.

Mama mia go venti ani, Vado per ventiun; Se ritardo maridarme. No me vol piü nissun

3. Se passi per di qua, Tu passi invano;

Se frugherai i stivai, Sara tuo dano.

Ti frugherä i stivai £ anca le siole, De la mia boca No scampara parole.

Se ti frugara stivai E anca i taeheti, De la mia boca No sara baseti.

Ti frugara i stivai, E anca i riboti, De la mia boca No sara piü moti.

4. CoBsa me importa a mi, Se no 8on bela;

Co go V amante, Che me fa '1 pitor, Lu' mi dipingercomeunastela, Gossa me importa a mi, se no

[son bela.

5. Tuti Ii amanti passano El mio no passa mai ; Ghe vojo ben assai

E lui non pensa a me.

E voga e rivoga, Voga la mia barcheta, Voga Nineta

Che semo in mexo al mar.

In mexo al mar, che mormora, Se pesca le sardele Adio Humane bele No ve vedremo piü.

6. In mexo al mar xe un camin

[che fuma, Dentro xe '1 mio ben, che se '

[consuma. Se consuma i'anima anca

['1 corpo

E no so se '1 xe vivo o se

['1 xe morto. Ghe se consuma '1 cor e

[midolete E mi per guarirlo no go

[rizete

7. tabachine (sartorele)

[lavore

trcnta soldi ciapare. ventiquatro per la sala e sie per el cafe

8. La barcheta pendere, No sta me dar intendere, Che m' ami solo me,

E däme la matricola, Che vado navigar.

<J. E T albero piangente, Le folie casca giü, Abasso i croati, Che no i comanda piü. Ta-rata, ta-ra-ta, tarataratara.

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A . KÖRÖ8I

10. Va lä, va IäPepin, Che tuti te vol ben; Ti ga la molie bela £ i siori la mantien.

B. (A.

11. Viva Fiume, un bei pajese, Che inamora, azende el core' [Viva 1' animo cortese D'ogni singulo fiuman!]

Le discordie e i jorni amari Alontana Idio da noi [E ritorna coi Majari La primiera liberta]1)

12. Viva Fiume un bei pajese, Dove cresce le zeriese!

la bela ungarese

Sara sempre el mio tesor.)

Ma cossa fosse de sta Fiume, Se no fosser i majari? [Se podiia au quatro cari Trasportare la zita]J)

13. Dal' albero piandjente Le foje casca djü; iL'albero piandjente Le foje le van, van;) Abasso i croati!

Che no i comanda piü.3)

14. E chi sarä che piandje? (Sara la mamma mia) Sarä le tre ragasse

Su le finestre bäase Col fazoleto in man.

Se la fussi una rejina, La portaria la Corona, Ma la xe una tabachina Che ghe tocca lavorar.

KörÖai.)

Col fazoleto bianco Se se forbisse i otji Veder sti jovanoti, Vestii da militar.

15. Adesso vado via, Parto per P Ungaria; die mesi stago via Servir V imperadör.

L' Imperadör me tjama L' Imperadör me vole: Una ferida al core, Mai piü parlar d'amor.

Se me toca soldato, No me toca la morte; Se Dio me da la sorte, Spero de ritornar.')

16 Cole teste, cole teste dei taliani Jogheremo ale borele, De Vitorio, de Vitorio Emanuele Meteremo per bulin.

17. Vitorio Emanuele Che leca le pignate E cola man politica Se pestava le culate, Kirie, kirie, kirije leison Kirie, kirie eleison. *)

») EntsUnd wol in den 50-er Jahren, «ir Zeit des Absolutismus. ») Wird nach der Arie „In KWeii» non ha rosa- aus La Sonnambula gesungen.

•) Nach der absolutistischen Aera.

♦) 14. u. 15 Rekrutenlieder. Fiume stellt sein Contingent zur oder zur ung. Ijandwehr. (Eanizsa )

•) 16. u IV. erstanden wol in Tirol.

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ITALIENISCHE SPRÜCHE U. LIEDER ADS FIÜME.

18. Se ti brami di vedermi Fa la ronda al mio castelo, Poi ti donarö l'anelo,

El anelo del'amor.

[Senza di te, mio bei tesor,

No posso vivere, no, no !]

>

Se la mamma te domanda: „Chi t'ha dato sto noreto?« ,Me Tha dato el signoreto, Che fazeva Pamor con me.' [Senza di te, mio bei tesor, No posso vivere, no, no!]

„Te go deto tante volte,1) Che no vojo fior' in testa, Ne de jorno, ne de festa, Ne de jorno de lavor!* [Senza di te . . . etc.

19. Fazo Pamor, xe vero: Cossa ghe xe de mal? Vole che a quindez' anni Stio come un cueal?*) Se tuto el santo jorno Sfadigo a lavorar,

Xe justo, che ala sera Me fazo acompagnar.

Son jovane, son bela, Cossa ghe xe de mal ? Vole che a quindez' ani Stio la come un cucal? etc.

Se vado al vejon stasera,

Cossa ghe xe de mal? Son jovane, son bela, Eeemo in carneval. Se tuto el santo jorno Sfadigo a lavorar, Xe justo che ala sera Me fazo acompagnar.

Son vetja, son in tochi E questo ghe xe de mal! Me tocarä, capisso, Fini'r in ospedal. E tuto el santo jorno, Che mi svogo a tabacar, E poi, ala fine . . . Cossa ghe xe de mal?

20. Se ga roto la pignata,

Se ga spanto i macaroni: Magna Pepi, magna Toni, Macaroni ä la Pompadur

21. Per andar in foiba Ghe vol la corda lunga, Per far l'amofe

Ghe vol la riza e bionda

Per far i bigoli3) Ghe vol dele sardele, Per far l'amore Ghe vol le sartorele. ')

22. Ziribiribim paghe una bira!

non ze moneda. domani sera la pagarä.

1

») Verg. Ethnol. Mitt. a. Ungarn 11. S. 191. ') Cucal Möwe, Maalaffe.

s) Bigoli (Würmer) dünnere Macaroni; die dünnste Sorte hewat capelini n.

«) Soll dem bekannten „Gigerl '-Lied entsprechen/

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A. KÖRÖSI

23. La dis, la dis, la die che xc malada

Per no, per no, per no magnar polenta: Bißogna, bisogna, bisogn'aver pazienza, Lassarla, lassarla, lassarla maridar.

(6 Takte) Trallala

(3 , (4 .

24. Tute le mule passano, La mia no passa mai. Te vojo bene assai,

£ ti no pensi mai a me. Voga, rfvoga La mia barcheta! Voga Nineta,

Che scmo in mezo al mar.

Nel mezo al mar che mormora

Se pescan le sardele.

Adio finmane bele,

Me tocara partir.

Voga, rivoga

La mia barcheta t

Voga Nineta,

Che scmo in mezo al mar.

25. Pescador che va ala pesca Vien a casa ben bagnado: „Bela, son asasinado,

Che ala pesca no vado piü -

Quando el mar fa la burasca E le onde salta fora, Teresina se inamora D' un bei jovin pescador.

„La mia mare poverina Me ga dado poca dote: Do teciete tote rote E 'na tola*) per lavar."

)

) ,

26.Zezilia ariva a Padova La vede un cameron, La vede el suo mar) Sera f una prijon.

„Cos ti ga, marito mio? Cos' ti ga? Cos' ti ga?« ,Va dal capitano 'Na grajia a rijercarl'

„Bon dl, sior capitano! Go una grajia a sercar," 'La grajia sara fata Verai dormir con me'.

,Stanote a me^anote Zezilia verä qua: Pronta i lenyoli bianchi, El leto ben fornl.'

Quando era rae^anote Zezilia un sospir. ,Cos' ti ga Zezilia mia, Che no ti pol dormir?' „M'ha da una bota al core Che credeo de morir."

,Tasi, tasi, Zezilia Che presto fara el di, Ti andrä a la fmestra Veder el tuo marl1

Apena spunta l'alba, Zezilia va al balcon,

•) tola IotoIä: Brett.

ITALIENISCHE SPRÜCHE U. LIEDES AUS FIUME

La vede el marfo Pendente pindolon,

„Mostro de un capitano, Come el me ga tradi ! Ga preso el mio onore, La vita al mio marl!"

,Tasi, tasi Zezilia, Che mi ti sposarö!1 „No vojo capitani, Ma vojo el mio mar) !'

La storia de Zezilia La va rinir cosl.

V. Kinderlieder, Reime und Spiele.

Ä. (L. Czink.)

1. Cordon cordon de San Francesco, la bela stela in mezo,

la peta un salto,

la peta un altro,

la fa la riverenza,

la fa la penitenza,

chiude i oci,

la basa chi che la vol.1)

2. Siora Maria gaveva una gata, Tuta la note fazevala mata La ghe fazeva de panadela*) „Bigoli, bigoli siora Micela."

3. Una volta jera un re, che fazeva pan de tre, che fazeva pan de quatro, e ti ti xe un raacaco. Una volta jera un re, che fazeva pan de tre, una volta jera un gato, che fazeva pan de quatro; levighe la coda e lechighe el mandolato, leveghela piü in e lecheghelo vü.

4. Mädchen stellen sich, Hand in Hand, in eine Reihe, zwei Mädchen gehen singend auf sie zu:

Noi siamo le zingarelle Ognuna per la mano

Venute da lontano ; Allegre d' avvenir.

Die Reihe antwortet und es entspinnt sich folgender Wechsel- gesang:

Che cosa mai volete

OgfoogfogelHIa

Che cosa mai volete

Ogi'o d' un cavalier.

Vogliamo una ragazza

Ogfogiogellila

Vogliamo una ragazza

Ogi'o d' un cavalier. E quäl' e sta ragazza etc. Noi vogliamo la piü bella etc. E qual e sta piü bella etc. La Teresa e la piü bella etc.

Su venite a prenderla

') Ringel -Reihen.

*) Kinderbrei aus Brot, Öl, Petersilie und Knoblauch.

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L. CZINK

Sie nehmen die genannte zu sich, der Chor singt :

E adessn 1* avete pre&a etc. Die Zigeunerinnen kommen aber bald zurück und singen : E questa non la vogliamo etc. per questo vi affannate etc. Perehe non la volete stb. Su faciam la pace etc.

Perche la mi ha detto zotta Faciam un baletto etc.

(gobba, orba . . .) etc.

Alle tanzen.

La pace e gia fatta La pace e gia fatta

Ogfögfogellila Ogfo d' un cavalier.

5. Fangspiel mit Auszählereim: Uccelin che va per mare Puol portare una sola,

Quante pene puö portare? Chi e dentro, chi e fora?

Die Kinder bilden einen Kreis; in der Mitte ist die Mutter, stellt sich schlafend ; nach dem Gespräch läuft der Kreis auseinander ; wen die Mutter erhascht, tritt in ihre Stelle.

Zitto zitto che la mamma dorme, Mamma xe un povero, Oh che mamma indormenzona. Cossa ghe darö?

xe un povero, Deghe quella scudella de cafe

Cossa ghe darö? (tocco de pan . . .)

Lasseme dormir Mamma go rotto la scudella

Oh che mamma indormenzona. (go magna el pan . . .)

Die Kinder bilden einen Kreis; eins ist innerhalb, eins ausser- halb desselben; das äussere beginnt das Zwiegespräch, dann jagen sie sieb.

Ti me da un poco?

Sorso sorsetto, cos ti fa _ Mi nö. E se te ciapo?

in quel busetto? _ E se te scampo? - Femo la

Magno pan e frumento. [prova.

B. (A. Ktrfoi.) Auuählereime.*)

8. Ujelin che va per mar, (Chi va drento, chi va fora.

Quante pene pol portar? Chi xe drento, chi xe fora.

Pol portare una sola, Un, dö, tre,

Chi va drento, chi va fora. Ti xe el mio r6.)

*) 8—14. rein italienisch, 10 -26. fremde Einwii

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I

JTAIJENWCBB^PBÜCHE UND LIEDER AÜ8 PIUME.

9. Corda, corda grossa, Quanto la me eosta! La me costa an carantan Sole porte de Milan. Sule porte de Verona, Dove che i bala E dove che i sona,

10. Din, don, campanon, Tre sorele sul balcon ; Una stira e lava,

L' altra fa ei pupin de pasta: L' altra va a San Vito, A trovar un bei marito, Com' el late, com' el vin Come la foja de V armnlin.

11. La neve xe bianca, La val jentojinquanta ; La val uno, la val dd, La val tre, la val quatro, La val zinqae,

La val Sie,

La val sete, la val oto,

Pan, vin, biscoto,

Salta fora dal mio casoto.

1 2. Gobo, gobo tondo,

Cos ti fa in questo mondo? Fa^o cos che posso, Cola mia goba adosso. Gobo fa i jimbali, Zimbali de carta, Gobo salta in barca, Barca piena de fregola,

Fregole de pan, Gobo, hol d' un can.

13. Ghirin, ghirin, gaja, Martin soto la paja, paja, paju3a, Fregola, fregoluja.

14. Ai, bai,

Ti mi stai, Tie, mie Compagnie, Ai, bai, buf.

15. An, tan, Tini. Sora Catüii, Sora Caticheta, Ana, Pia, puf.

16. An, tan, Tini Sora Catini Aja, baja, buf.

17. In nome del padre Tanta nana, Croje d'Ebrei, Fiüstei,

Dum, dum, dum, Starababa na kantun*)

1 8. Zinjiri, bin^iri panpanela, Oto, nove, bagatela,

Per un toco de biscoto Che si tjama galeoto.**) Smoqua, loqua, kapitan, Daiga nutra, daiga van***)

♦) Kantun = ital. cantonr, Winkel. Die letzte Zeile kroatisch : Altes Weib im Winkel.

**) Venezianisch galeta de biscotto, ein barter, runder, flacher Seezwieback

•**) Die zwei letzten Zeilen kroatisch. Feige, Teich, Kapitän, gib'« herein, gib's heraus.

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A. KÖRÖ8I

19. Zinziri, bin^iri, campanele, Fekete, tekete,1) tarantele, Dondolon, dondolon*), birimbele, Ziripiripin, ziripiripele

20. Di drei manumchesse Di vasta, vasta flon Di flon machelsmesse Un si, sa, so.8)

21. „Elena (Franca) du mein

Pibestin,

Di Btaia tekete Di forma un tridon, Tridon vachelsmesse Und si, sa, so*)

22. Enchete, penchete, Zucar di me,

Avoli, favoli Bene per te.

23. Engele, bengele, Zucar di me

Fave, fave, Domine, Ex, pux, traus, Marsch hinaus.

24. Andjol, banjol Tertanjol, Pilim, milim Cumpagnol Taca, raca, Zip, zip.

25. Einz, zvei, drei, Pica, poca, pai, Pica, poca, hamerlai, Anen, firzen, drei.

B. Kinderspiele.

26. Pomo cotogno, che taja fetine, Con queste manine no posso

[tajar.

El galo canta, jomo fa.

La povera vecia dove la va?

Essa la va da San Miciele.

San Miciele era morto

La Madona era in orto 28. Die Mädchen tanzen in Cordon, cordon di San Franzesco, La bela stela in mejo; La peta un salto,

(Springt.)

Cola sua compagnia

Del rosario e de Maria.*)

27. San Andrea, pescador

Che pescava el nostro Sior. Pesca, raulesca! In quala man? In questa.0)

Reichen. Eins steht in der Mitte. La peta un altro,

(Springt wieder.)

La fa la riverenja,

(Verbeugt *ich.)

') Ungarisch fekete = schwarz.

') Vielleicht nng. gondolom = ich denke.

») Dentsch klingend. Un si = einer js; wol: und sie.

*) Variante des Vorigea als Auszühlereim.

s) Beim Kniereiten.

•) Erraten, in welcher Hand wss verborgen ist.

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ITALIENISCHE SPRÜCHE DND LIEDER AU8 FIÜME.

La fa la peniten^a, La basa chi che la vol.

(Schlägt an die Brust.) (Küsst eine Qespielin.)

29. Bockspringen (Colona) Eins ist der Bock, die übrigen über- springen es; bei jedem Sprung wird eine Yerszeile hergesagt:

Tasi, tasi, Momolo, Ire ossi di armulini,

Te daro luganiga, Tie sechi d'acqua dol$e,

Luganiga de porco, Tre sechi d'acqua amara.

Porco, porcajo, Cos ti vol: bareta in schena?

Ladron del mio pala^o, Bareta de forner?

Ladron dei miej zechini, 0 culata o lejer?

Wenn der Bock antwortet: Bareta in schena,

so legt jeder Springer sein Taschentuch auf den Rücken des Bockes und springt so hinüber, sprechend :

Bareta in schena te darerao, Bareta in schena te go dä,

Sto altro viajo che torneremo ; Bareta in schena te go preso.

Welcher Springer das Taschentuch hinabwirft, oder es im Sprung nicht mitnehmen kann, wird zum Bock.

Wenn der Bock antwortet Bareta de forner

hat der Springer sein Taschentuch jenseits des Bockes auf die Erde zu werfen und darauf zu springen; wenn der Bock Culata

wünscht, ist mit aller Kraft, auf die Ordre Lejer

aber ganz leicht zu springen; wer gegen eine Regel verstosst, wird zum Bock.

30. Mädchen bilden einen Kreis. Eines in der Mitte ist die Mutter»)

„Zito, zito, che la mamma dorme ! ,E1 gato la ga magna/ 0 che mamma indormen^ona ! »0 cn^ mamma bujarda!

0 che mamma indormenaona ! 0 che mamma bujarda ! Mamma eossagavemopermarenda?" ~ (Dte Mutter sucht die Jause.)

T) « » O che mamma orba!

- ,ran e nga. 0 che mamma orba!

»0 che mamma bona! (jWe Mutter 8Ucht das MeMer)

0 che mamma bona! La mamma ne majaräl

Mamma, dove xe la marenda?" La mamma ne majarä!"

Sie laufen auseinander. Wen die Mutter erhascht, tritt an ihre Stelle.

•) Verg. Nr. ^. 8. 238. Hertmann, Ethnologische Mitteilungen II. 241 17

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a

31. Minolo, minelo, Bon per anelo, Piü grande de tuti. Frega i otji, Ma^a pedotji.*)

32. La piova piovisina, La gata va in cusina, La va soter leto,

Der Gefragte sagt „no.tf No sedise „no", perche Lafiaba de Sior Intento,

La trova un confeto;

La dise, che xe bon,

La bäte sul tamburo,

La mamma ghe per culo.

33. La fiaba de Sior Inten\o,

Che dura molto tempo E mai no la se distriga, La vol che ghe la diga? Der Erzähler fährt fort: Che dura molto tempo E mai no la se distriga etc **)

Sveta Nedeljica.

Nachtrag zo Ethnol. Mitt. 1. Jahrg. S. 130 ff. Eine hübsche Variante zu dem von Lukas Mb veröffentlichten Liede von der hl. Nedeljica finde ich im I. Hfte der „Hrvatske na- rodne pjesme sakupljene stranom po primorju a stranom po granici" von Stijepan Maiuranit, Zengg 1880 S. 1—6. Der Sonntagentheilige, bzw. der wilde Jäger, dem sich die hl. Sonntag als Schlange mit sechs Flügeln um den Hals gewunden, führt hier den Namen Kraljevhl Marko, des typischen serbischen Helden, der dem Volkdichtet' bei so vielen passenden und unpassenden Gelegenheiien herhalten muss. Die Frau des Frevlers heisst folgerichtig wie Markows Frau Angelija, und statt des labud in meiner Fassung tritt Marko's karac (der Schecke) auf. So ist aus der ursprünglich religiösen Legende eine historische Sage geworden und der Säuger beansprucht daraufhin für sich eine grössere Glaubwürdigkeit Der Schluss lautet :

o liebste Schwiegertochter, Marko ruft dich, du mögst hinaus ihm deine Söhne bringen,

damit er sie zum letztenmal noch sehe.

Kaum hat dies Angelika rasch vernommen, so nimmt sie ihre zwei noch kleinen Knaben und trägt sie vor den Vater, Prinzen Marko, damit er sie nochmals im Leben sehe.

Aufs blosse Knie lässt sich das Frauchen nieder, die kleinen Söhnchen in den Armen hakend, und sie beschwört die Schlange von sechs Flügeln :

Wahlschwester sei mir, Schlange von sechs Flügeln, sei mir verschwistert. bei der jungen Sonnlag,

sei Mutter mir bei einer Mutter Gottes,*)

^ o_gib mir meinen Kämpen frei, denMarko!

*) Die 5 Fingernamea. •*) Vexier-Märchen. ***) Im Texte: Posestrimo zmjjo sestokrilal

poaefltriui tc mladom nedeljicom,

materim tn a

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-

SVETA NEDELJICA

Die Schlange ward um Gotteswillen milde, sie Hess sich in das grüne Gras herab und sprach zur Ehewirtin Angelika :

Wahlschwester, Ehewirtin Angelika! Ermahn du künftig deinen Kämpen Marko, er soll am Sonntag nimmer pürschen gehen, am Sonntag und dazu am jungen Sonntag so ungewaschen, ohn' Gebetverrichtung.

Ich bin durchaus kein Schlangentier geflügelt, ich bin vielmehr die junge Sonntag selber und bin von Gott als Botin ausgesandt, um eine Lehr' dem Prinzlein zu erteilen, dass ohne Gott kein Anfang und kein Ende, damit kein Unheil fürderhin ihn treffe.

So bleib mit Gott, o Wahlgenossin, Frauchen, o Schwester meiner Wahl, Frau Angelika!

Mlada nedelja ist der erate Sonntag nach dem Neumond. Er ist dem Volkglauben besonders heilig. In einer jüngst im Letopis matice srpske, Hft 152. von 1887. Seite 82 f. veröffentlichten Sage aus der oberen Grenze, haust die Sveta Nedeljica in einem Berge eines unheimlichen Gebirges als Schlange mit sechs Flügeln und vier Köpfen. Der Sonntagfrevler ist diesmal ein ganz armer Holzbauer, der holzlallen geht. Die Schlange will ihn vernichten, doch zu seinem Glücke ruft er sie noch rechtzeitig bei Gott als seine Wahlschwester (po Bogu sesiro! Bogom te sestrimim!) an. Nun ist er gerettet. Zum Überfluss beschenkt ihn die Wahlschwester überreich mit Gold und Silber, doch untersagt sie es ihm strengstens, die Herkunft des Schatzes irgend jemand zu verraten. Sein Weib aber entlockt ihm das Ge- heimnis Darauf verwandeln sich die Schätze in Kohlen Hier ist also die Legende mit einer Episode der Eckhard's-Sage in eins ver- schmolzen. Über die zu Kohlen verwandelten Schätze vrgl. F. 8. Krauts: Südslavische Hexensagen, Wien, 1884. S. 46.

In einer Beschwörungformel, die ich erst jüngst von meiner Mutter aus Pleternica in Slavonien erhalten, wird neben Gott und der hl. Jungfrau auch die Mlada Nedilja angerufen. Die Frau stellt Zaubereien und Beschwörungen an, um von ihrem Manne geliebt, nicht aber misshandelt zu werden. Ich citiere hier nur die für uns jetzt in Betracht kommenden Stellen :

„Pomozi Boze i Gojspo i danasnja mlada nediljo !u „treba kleknit na gola kolina, okrenit sczarkomu suncu i izgo- vorit tri oöena&a i tri zdrave Marije mladofj Nedilji, da joj mlada Nedilja se smiluje nje carkama, koje ona ot svoje teöke muke (öini), da joj bude u pumoci, da ju covek ne bye i ne tuce.a (Hilf Gott und du (liebe) Frau und du heutige junge (Frau) Sonntag! . . .u (ferner) „muss sie auf die nackten Knie niederknien und zur jungen (Frau) Sonntag drei Vaterunser uud drei Mariengrüsse beten, es möge

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L. KATONA.

sich die junge (Frau) Sonnlag ihrer Zaubereien erbarmen, <1ie jene durch ihren schweren Gram und ihr Leid bemüssigt. anstelle, auf dass sie hilfreich beistehe, damit jene von dem (iatten nicht geprügeil und nicht geschlagen werd\u Die altgläubigen Serben im Mostarer Bezirk hegen den Glauben, Sveta Petka sei die Mutter der Sr.e.tn Xedilja Nach einer bulgarischen Legende (bei D. N. Popov im Sbornik <>t blgarski narodni pjesni. Varna 18*i. Nr 8. ö. 14 f.) sitzt die Solln Nidjelja in der Zelle eines Klosters als Klostertrau, die Haare un- gekämmt und wirr, die Kleider beschmutzt und bestaubt. Jung S:ojan ( frägt sie: .Wenn du eine so grosse Heilige bist, warum schaust du gar so verwarlost aus?" Antwortet sie ihm: „D.iran seid nur Ihr Menschen schuld. So oft Ihr am Sonntag das Haus auskehrt und die Kleider ausklopft, fällt aller Schmutz auf mich." Über die Hersoni- fication von Kalenderlagen vrgl. W. Mannhardt in: Der Baumkuli us der Germanen und ihrer Nacnbarslamme, Berlin. 1S7Ö. 5. 273. 327 u. öfters, und in Hezug auf die Verwandlung einer Frau in eine- Schlange Mannhardt, in: Antike Wald- und Feldkulte. Berlin, 1877. S. 64. fl.

Wien, im Oktober 1888. Dr. Friedrich S. Kraus*.

Ethnographie. Ethnologie. FolkJore.

Von L. Katona. Scbluss. *)

Der Folklore umfasst demnach nur einen Teil, und bei weitem nicht die Gesammtheit der Gegenstände, die in das Forschungsgebiet der Volkskunde gehören. Zur Bezeichnung der letzteren wenn wir darunter die Kunde vom Volke, und nicht die Kunde den Volkes ver- stehn, also das Volk darin als Gegenstand, und nicht als besitzendes Subject der Kunde betrachten wird wol der consequente und stän- dig festgehaltene Terminus der Ethnologie schon deshalb zweckmässig erscheinen, da in der zweiten Hälfte dieser Zusammensetzung ein deut- licher Hinweis auf den Charakter einer systematischen, auf die Erschlies- sung von Causalzusammenhii ngen sowie aus diesen abstrahierbaren Gesetzen und Princzipien au gehenden Wissenschaft enthalten ist, und somit ein scharf hervortretendes Unterscheidungsmerkmal die pragma- tische und erklärende, oder wenigstens für jede Erscheinung ihren Ge bietes eine Erklärung suchende Disciplin, zu ihrer rein beschreibenden und sich mit der Zusammenstellung von Beobachtungen und Tat- sachen begnügenden Schwester, der Ethnographie, in gegenseitig klä- renden Gegensatz stellt.

Die Aufgabe der Ethuo}ogie wäre also dem Bisherigen entspre- chend, auf ein einzelnes Volk bezogen : rfas pragmatisch-historische Studium der gesummten materiellen und geistigen Lehenserscheinungen einer durch gemeinsame Abstammung, Sprache und Schicksale zu

•) 8. Ethnol. Mitt. II, 4:>

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ETHNOGRAPHIE. ETHNOLOGIE. FOLKLORE.

einem höheren socialen Organismus verknüpften Menschengruppe. Als letztes Ziel dieses Studiums ergäbe sieh aus dem Vorausgeschickten : die klare Einsicht in den Causalzusammenhang <ler aufgehellten Le- benserscheinungen, und auf Basis dieser Einsicht eine aus derselben resultierende Erkenntnis von Gesetzen und bestimmenden Pn'ncipien, deren ständiges Walten sowol in den gleichzeitig zu Tage tretenden Manifestationen, als auch in den aufeinander folgenden Vorgängen ein- mal richtig erkannt und begriffen, notwendigerweise zu -einer Voraus- sicht und vernunftmäss'gen Voraushestimmung dieser Manifestationen und Vorgänge führen muss Aus dieser Umschreibung des Problems der Ethnologie ergibt sich zu allererst, dass das Studium jeglichen Volkes notwendigerweise zu einer Mechanik des Lebens anderer Völ- ker, und schliesslich zur Mechanik des Lebens der Universalität der ganzen Menschheit führt. Andererseits ist es klar, dass wenn wir nach den Gesetzen des Lebens einer Menschengruppe höherer socialen Ord- nung forschen, wir die eingehende Analyse der niedereren Organismen nicht umgehen dürfen, welche trotz ihrer Gleichzeitigkeit auch eine frühere Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung repräsentieren. Hie- her gehört im Kähmen eines Volkes, und zugleich auch vor seine Entstellung fallend : der Stamm, innerhalb desselben und dennoch auch vor demselben: die Familie, und in letzter Analyse das Individuum selbst Das Individuum kann allerdings im llahinen der Ethnologie nur als Bestandteil des Ganzen und als Componente der innerhalb einer Gruppe sich entwickelnden Kräfte, oder aber als eine Function dieser wirkenden Kräfte in Betracht kommen.

Zu den Hilfswissenschaften der Ethnologie gehört demnach in erster Linie die Anthropologie, welche im engsten Sinne genommen die Beschreibung des menschlichen Körpers ist, in einer etwas weiteren Bedeutung zur Kunde wird von den Lebenserscheinungen des mensch- lichen Körpers und von den Bedingungen dieser Erscheinungen. Wenn man schliesslich die Anthropologie auf einen noch weiteren Kreis aus- dehnt, so ist ihr Ziel das Studium der sclbstbewussten Facten des gan- zen Menschen, und indem sie nebst dem Gegenstande ihrer Kunde, den von ihm in der Kette der organischen Wesen eingenommenen l'latz bezeichnet, wirft sie auch die Frage nach seinem Ursprünge auf, und begleitet den Menschen in seiner Entwicklung schildernd von seinem ersten Erscheinen bis an die Schwelle der geschichtlichen Zeiten, hie Anthropologie, welche sich so einerseits mit der ver- gleichenden Anatomie und der Entwicklungslehre berührt, ander- seits aber mit. der Palaeontologie und der Archaeologie, bedarf auch der Geographie, zunächst der Anthropogeographie. welche die geogra- phisrhe Verbreitung unseres Geschlechtes untersucht, und den Einfluss der Wohnorte auf den Stammescharakter des Menschen nachzuweisen bestrebt ist. Sie bedarf aber auch, mit Hinblick auf die Fragen nach der Nahrung des Menschen, der Beihilfe der Biologie, so wie der Kennt- nis der für den Menschen besonders wichtigen Tiere, IHanzen und Mineralien, die sie aus der Naturgeschichte schöpft. Die Tatsachen

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L. KATONA

des menschlichen Bewusstseins analysiert sie aber nur insoweit, als ihr Verhältnis zu den körperlichen Vorbedingungen geklärt werden muss, und nur bis zu jener Entwicklungsstufe, wo die wesentliche Verschie- denheit des menschlichen Bewusstseins voti dem tierischen sich in je nen Erscheinungen des gesellschaftlichen Geisteslebens kundzugeben beginnt, zu deren Zustandebringen den einzelnen Menschen schon der Umstand unfähig macht, dass diese Erscheinungen für ihn als solchen vollkommen Uberflüssig, oder doch entbehrlich sind. Wir verstehen dar- unter vor allem die Sprache, und das in der Sprache als in seinem Organ lebende und sich entwickelnde begriffliche Denken, ferner die durch Vererbung zur zweiten Natur werdende Sitte (t&os), dann die Überlieferung (Tradition), und schliesslich jene anfangs mit der Ent- wickelung der Sprache parallel laufende urmenschliche Weltanschauung, welche wir mit dem Mythos in seiner allerweitesten Bedeutung identi- ficieren können. All dieses gehört aber schon zum Bereiche der im weitesten Sinne genommenen Ethnologie, und bildet das ungemein weite Forschungsgebiet der Völkerpsychologie.

Indem wir die Sprache, die Überlieferung, die Sitte und den Mythos erwähnen, sind wir zu jenen Äusserungen des menschlichen Geisteslebens gekommen, welche nur in dem entwickelnden und erzie- henden Elemente des geselligen Zusammenlebens denkbar sind, und wir haben mit ihnen drei, in enger Ineinandergehörigkeit befindliche und auf einander gegenseitig wirkende Bestandteile des ethnologischen Kenntnismateriales bezeichnet.

Sprache, Mythos und Ethos (Sitte) sind jene Dreieinigkeit, in welche die Lebensäusserungen niederer und vorbedingender Ordnung sich zu Tatsachen des menschlichen Bewusstseins sublimieren, und in der fortwährenden Wechselwirkung ihrer Elemente, die Gcsammt- heit jener Erscheinungen zu Tage fördern, deren Complex wir in ei- nem zeitlich und räumlich begränzten Durchschnittsprofil mit dem zu- sammenfassenden Namen der „Volksseele" bezeichnen.

Aus dem erst in unserm Jahrhunderte durch Vertiefung und Er- weiterung der philologischen Forschungsgebiete gewonnenen Begriffe der Volksseele können wir am Besten jenes Wissenssystem ableiten, welches im weitesten Sinne genommen am zweckmässigsten unter dem Terminus der Ethnologie zusammengefasst werden kann Wenn wir die Lehren derselben auf Principien reducieren, so gehören dieselben, auf das Volk als gesellschaftlichen Organismus von einheitlichem Cha- rakter bezogen, in dieselbe phaenomenologische Reihe, deren Übrige Glieder sind: in erster Reihe die Physik, die die allgemeinen Eigen- schaften der Materie, so wie die molaren und molecularen Bewegungs- erscheinungen derselben behandelt; dann die Chemie, welche sich schon auf einen viel engeren Kreis beschränkt und die Materie weiter ana- lysiert ; des weiteren die Biologie, welche die allgemeinen Gesetze des organischen Lehens erforscht; und schliesslich die Psychologie, die in das Gewebe und Getriebe des individuellen Bewusstseins einzudringen versucht. Unter der letzteren verstehen wir natürlich jene Richtungen

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ETHNOGRAPHIE. ETHNOLOGIE. FOLKLORE.

derselben, die an keine, sei es spiritualistische, sei es monadische, sei es atomistische, aber stets substantielle Vorstellung der Seele anknüp- fen, sondern jene Erfahrungs-, Versuchs-, und sagen wir es unum- wunden heraus AVimvissenschaft, die mit dem Worte „Seele" nichts anderes bezeichnet, als .die Summe der psychologischen Erfah- rungen, und psychologische Gesetze nichts anderses nennt, als die an diesen Erfahrungen wahrnehmbare Regelmässigkeit. u *) Eine Psychologie, die auf so positiver Basis steht, wie sie Wundt im Zusammenhange mit den soeben citierten Worten nachweist, steht dem Begriff der Volksteele durchaus nicht fremd gegenüber, während die metaphysische Richtung denselben auf keine Weise in den Rahmen ihrer Lehren ein- fügen konnte; während Lazarus und Steinthal mit ihren von Herbart übernommenen psychologischen Begriffen in die offenbarsten Widersprüche geratend, sich nur mit harter Mühe bis zu dem höchst unklaren Programme der von ihnen erdachten „Völkerpsycho- logie" durchgearbeitet haben. Diese Widersprüche nachweisend, hatte Hermann Paul, der consequent auf Herbart schwört, ein leichtes Spiel, die in dem Plane von Lazarus und Steinthal verborgene Zu- sammenhanglosigkeit aufzudecken. (S. die Einleitung zu dem Werke „Principien der Sprachgeschichte"). Auch das ist leicht begreiflich, dass Paul, der unentwegt festhält au dem atomistischen Seelen- begriffe seines Meisters, mit demselben die Idee einer Volksseele auf keine Weise in Einklang bringen kann. Die Lösung dieser Aufgabe kann nur eine solche Auffassung der Erscheinungen des Seelenlebens geben, welche die psychologischen Erscheinungen nicht als die Wirke samkeit eines fertigen Mechanismus ansieht, sondern als die Summ- ier unter der Wechselwirkung des gesellschaftlichen Zusammenlebens entwickelten und sich ununterbrochen weiter entwickelnden Kraftäusse- rungen. Auf Basis einer solchen Auffassung ist, entgegen den Bemer- kungen Paul's, der den Gegenstand der Völkerpsychologie in Zweifel zieht, eher die Haltbarkeit der Vorstellung einer isolierten individuellen Seele problematisch; besonders wenn wir bedenken, auf welch engen Kreis die Tätigkeit derselben beschränkt wäre, so wie sie sich nach der althergebrachten Einteilung in sinnlichen Wahrnehmungen, im Denken, in sensuellen und Willenstätigkeiten äussert, wenn wir auch nur auf einen Augenblick von dem entwickelnden Einflüsse des gesell- schaftlichen Zusammenlebens absehen würden. Wo bliebe dann die Sprache, die wir mit vollem Recht das Organ des begrifflichen Den- kens nennen können, wo die in der Sprache als in ihrem Organe lebende Vorstellungsabstraction, das Urteilen und Folgern, ohne das Leben in der Gesellschaft, das doch der Sprach fähigkeit als Grund- vorraussetzung dient? Wo und wie sollte sich der Mythos bilden, der ja zum Teile eine wesentliche Rolle im Denkgehalte spielt, wobei wir unter Mythos sowol hier, als auch später die gesammte primitive Weltanschauung verstehen : jene Weltanschauung, die übrigens, nach dem

' ♦) Wundt. Über Ziele und Wege der Völkerpsychologie (Phüos. Stadien IV, 1 7.)

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L. KATONA.

natürlichen Gange der Entwickelung die Vorgängerin jener wissen- schaftlichen Erscheinungserklärung ist, die den Spuren ihrer Bahnbreche- rin folgend, in letzter Instanz ebenso mythisch ausklingende Erklärun- gen, wie ihre primitive Schwester gibt. Wo bliebe der die Willensäus- serungen regulierende Ethos, der von Zeit zu Zeit und Ort zu Ort wech- selnde Schnitt des moralischen Gewandes der Menschheit, wenn jene gesellschaftlichen Wechselwirkungen fehlen würden? Kurzum, wir müs- sen jenes alte Sprichwort: Einer ist Keiner (unus homo nullit* homo) als eine unbezweifelbare Wahrheit anerkennen ; oder wir können auch sagen, dass jeder ausserhalb des Verbandes der Gesellschaft stehende Mensch in einem Sinne, der jedes wesentliche Merkmal des mit die- sem Worte bezeichneten Begriffes in sich schliesst nicht nur ein non-ens, sondern gleichzeitig ein non sens ist.

Aus dem Obigen ergibt sich ganz klar, dass die Psychologie und diese musste sich, wenn sie eine wirklich exacte Wissenschaft werden will, unbedingt zur Völkerpsychologie erweitern, in demselben Verhältnisse steht zu der Beschreibung des Menschen als gesellschaft- lichen Wesens (Anthropologie und Ethnographie) und der diese prag- matisch ergänzenden Geschichte desselben (Ethnologie), wie die Bio- logie zu der Beschreibung der übrigen organischen Wesen (Zoologie und Botanik) und zu deren vorläufig noch sehr lückenhaften Geschichte ; oder in demselben Verhältnisse, wie die Physik und Chemie zu der Kosmographie und Kosmologie, und der aus dem Kreise jener heraus- getreten selbstständig gewordenen Geographie und Geologie. Eine Psy- chologie in diesem Sinne ist also berufen, die auf dem Wege der uni- versalhistorischen Forschung aufgeklärten Tatsachen der Entwick- lung des menschlichen Geistes in der Reihe der drei Kategorien: Spra- che, Mythos, Ethos aufzuarbeiten. In die erste Gruppe gehören ausser der Sprache als solcher, also ausser dem rein linguistischen Substrate an derselben, noch die Litteratur- und Wissenschaftsgeschichte. Diese leitet auf ihre letzten Principien zurückgeführt, zur Methodik ; die erste aber zu jenem Teile der Aesthetik, der auf Spvachwerke anwendbar ist. Der letzteren wird übrigens ausserdem vonseiten der Geschichte der bildenden Kunst, welche aus dem Mythos einen wesentlichen Be- standteil ihrer Nahrung zieht, reichliches Material zugeführt, während der Mythos und die aus demselben sich krystaUisierende Religion die Mythologie, beziehentlich die Theologie als Prineipienwissenschaft supponieren. Die Geschichte der gesellschaftlichen Ordnung, der Regie- rung und jener Arbeit, die auf die Beschaffung der materiellen Lebens- bedürfnisse abzielt, diese Geschichte, die sich in ihren Zweigen als Rechts-, Staats- und Wirtschaftsgeschichte gliedert, hilft die Principien- systeme der Rechtsphilosophie, der Staatslehre (Politik) und der Volks- wirtschaftslehre aufbauen. Diese, so wie auch zum Teile schon der My- thos zusammengenommen mit dem Religionsgehalte, integrieren all mählig den ethischen Teil der Volksseele, deren in Verbindung mit der intellectuellen Entwirkelung analysierte Gesetzmässigkeit inso- weit nämlich die wissenschaftliche Einsicht die Spuren einer solchen

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ETHNOGRAPHIE. ETHNOLOGIE. FOLKLORE.

herausfindet, eine gewisse Voraussicht gestattet und dem entspre- chend auch gewisse Vorkehrungen im Interesse des socialen Organis- mus anzuraten geeignet ist. Diese Folgerungen endlich, welche aus der in Statik und Dynamik sich teilenden Mechanik des gesellschaftlichen Lebens abstrahierbar sind, fasst die jüngste der Wissenschaften, die Sociologie in ihr System. Dass derart endlich, nach mehrtausendjäh- rigem Heruratappen, auch die Analyse der Erscheinungen des gesell- schaftlichen Lebens sich in den Rahmen der cxacten Wissenschaft ein- zufügen verspricht, ist das Hauptverdienst der dominierenden philo- sophischen Richtung unseres Jahrhundertes des hauptsächlich an die Namen Comte und Spencer anknüpfenden) Positivismus.

Wenn man uns nun fragt, wie wir uns auf Grundlage des Obi- gen die Aufgabe der Ethnologie eines Volkes denken, so möge als Antwort auf diese Frage der hier folgende Plan dienen A. Auf ein (relativ) autochthones Volk bezogen: I. Geographischer (eigentl- chorograt.hischer) Teil.

a) Oro- hydrographische, klimatologische u. geologische Beschrei- bung des Wohnsitzes.

b) Flora und Fauna desselben.

c) Kulturgeographie.

IL AttthropologiscJier Teil.

1. Reschreibender Abschnitt:

a) Somatolcgische Anthropologie.

b) Demographie.

2. Pragmatischer Abschnitt: EinHuss der unter I beschriebenen Bedingungen auf den Körperbau, und Bedingtheit der demographischen Daten durch die äusseren Lebensverhältnisse.

Hl. Ethnographischer Teil : 1. Beschr Abschnitt: o) Wohnung.

b) Nahrung.

c) Kleidung, Waffen und Schmuck.

d) Pflege des gesunden und kranken Körpers.

e) Lebensunterhalt:

er) Jagd und Fischerei ß) Viehzucht.

y) Feld- und Bergbau, Forstwirtschaft S) Industrie. t) Handel.

C) Raub- und Kriegszüge.

f) Sitten und Bräuche:

ß) Nach der Reihe der cyklischen Erscheinungen des Men- schenlebens.

ß)\m Anschluss an die natürlichen und festlichen Jahreszeiten.

v) Sonstige Bräuche. (Traditionelles in der Ausübung poli- tischer Rechte und Pflichten, in der Rechtspflege und Regierung, u. s. w.)

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h. KATONA.

g) Volkstümliche Kunstfertigkeit mit Beziehung und im Anschluss auf die unter a), 6), c), rf), e) und /) angeführten.

2. Pragmatischer Abschn : Einfluss von I. u. II auf III.

3. Vergleichender Abschn.

IV. Ethnologischer Teil iim engeren Sinne dieses Wortes). 1 Beschr. Abschn :

a) Sprache und mündliche Überlieferung (also Folklore im oben näher begrenzten Sinne dieses W.)

f>) Mythos (Volksglaube) und Religion (positiver od eonfessionel- ler Glaube) und die gegenseitigen Beziehungen der beiden auf einander.

c) Sitte und Brauch im engeren Zusammenhange mit dem Volks- und Kirchenglauben; zu einem Teile schon weiter oben berücksichtigt. (S. III. 1. f.)

</) Geistiger Niederschlag der historischen Erlebnisse des Volkes.

2. Pragmatischer Abschnitt:

fr) Wiederspiegelung der vorstellungsbildenden Elemente sämmt- lichcr unter I II. und III. angeführten Bedingungen und Bedingthei- ten in der Sprache, der mündl. Tradition, dem (ilauben, Meinen und Wähnen, so wie in den Sitten des Volkes.

M Folgerungen aus II. 1 , III., IV. 1. oj. ') und c\ auf den Ur- sprung und die verwandschaftlichen Verhältnisse des Volkes (Spceulative Ethnogonie) Zusammenhalten dieser Folgerungen mit den historischen Daten und Ergebnisse dieser sich gegenseitig ergänzenden Aufschlüsse

3. Vergleichender Abschnitt.

V. Völkerpsycholoytscher Teil.

Bedingtheit dessen, was wir unter Volksseele versteht!, von den unter I , II und III angeführten Lebensverhältnissen und Erscheinun- gen Charakteristik dieser Volksseele an der Hand der unter IV. auf- gezählten Äusserungen derselben

VI. Sociologischer Teil.

Die von dem betreffenden Volke auf der Stufenleiter der gesell- schaftlichen Entwickelung eingenommene Stelle, der absolute Wert sei- ner gesellschaftlichen Institutionen (in Hinsicht auf den Fortschritt der gesummten Menschheit»; der relative Wert derselben (gemessen an dem Interesse der Erhaltung des eigenen Volkstumesi. Das System der aus diesen Wertschätzungen abstrahierbaren Folgerungen und allgemeinen Principien Die nach der wissenschaftlichen Einsicht feststellbare Pro gnosis für die Zukunft des Volkes, und die daraus eventuell abzuleiten- den Vorsichtsmassregeln «gesetzgeberische Prophylaxis)

B) Bei einem nicht nu'ochthonen Volke erweitern sich die Punkte unter A) um Folgende:

I. 2. Im Falle der positiven Kenntnis der Urheimat, beziehentlich der älteren Wohnsitze, ein (womöglich der resp. Zeit entsprechendes) Bild derselben; falls aber die positiven Daten dafür fehlen, muss eine Beeonstruetion durch Folgerungen aus dem jetzigen Zustande versucht werden.

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ETHNOGRAPHIE. ETHNOLOGIE. KOLKLOHE

II. 3. Die aus dem anthropologischen Bilde ableitbaren Folge- rungen auf die Urheimat, bez den älteren Wohnsitz

III. 4. Folgerungen hinsichtlich des eben Erwiihnten aus den eth- nographischen Daten

IV. 4. o) Positive gesc hichtliche Dat^n über die Urheimat, bez. die älteren Wohnsitze, über Wanderungen und den Einzug in das jetzige Vaterland, so wie über die Besitznahme desselben

b) a) Die Belehrung, die man aus dem unter IV. 1. Erwähnten (Sprache, Mythos, Ethos.) hinsichtlich der Urheimat bez der alteren Wohnsitze schöpfen kann.

ti) Der Einfluss der älteren Wohnsitze und Berührungen auf das unter II. 1., III. 1. und IV. 1. Aufgezählte.

c) Positive geschichtliche und palaeethnologiscbe Daten über die früheren Besitzer des gegenwärtigen Wohnortes, der Einfluss dersel- ben auf die nach ihnen gekommenen Volksschichten, in anthropologi- scher (II. 1 ), ethnographischer (III 1 ) und ethnologischer (IV 1.) Hinsicht.

V. Die nachweisbaren Erinnerungen an die älteren Wohnsitze, früheren Wanderungen und Berührungen in den gestaltenden Elementen der Volksseele.

Innerhalb dieses Planes kann der von uns soeben zu seiner eng- sten Bedeutung umgrenzte Folklore, als ein in die Kategorie der Spra- che einzureihender Bestandteil der Volksseele, folgendermassen ge- gliedert werden

I. Angaben, die aus dem Wortschatze geschöpft werden können, und zwar solche, die

a) den Vorstellungsgehalt der Volksseele aufklären,

b) ihr eigentümliches Vorgehen bei der Begrittsabstraction be- leuchten, und zwar: 1) In Bezug auf die materielle Welt und die mo- ralische Lebensordnung.

2) In Bezug auf die hinter der materiellen Welt verborgenen personifizierten Kräfte, und in Bezug auf die, das moralische Betragen regulierende transeendentale Auflassung.

II Sprichwörter und stereotype Redensarten, entsprechend der Einteilung unter Punkt I.

III. Die mündlichen Überlieferungen, erzählenden Inhaltes, d h. der epische Teil der Volkslitteratur u. z.

1 ) Märchen : a) sogenannte Feenmärchen lim engeren Sinne des Wortes),

b) Tiermärchen ;

c) launige und übermütige Erzählungen, Anekdoten.

2) Sagen: a) an einen Ort geknüpfte.

b) von den Gestalten des Volksglaubens handelnde,

c) anknüpfend an die Gestalten der positiven Religion,

d) erklärende, od aetiologische Sagen (Legenden und

Erzählungen).

3) Epische Gelänge ( Heldengedichte, Romanzen, Balladen u. s. w.|

261

L. KATONA.

IV. Der lyrische Teil der. mündlichen Volksüberlieferung, u. z.

1) Lieder, Tanzlieder und Tanzsprüche;

2) Wiegenreime und Kinderverschen (insoweit dieselben Bruch- stücke oder Kern von 1 sind).

V. ' Die satirischen, didaktischen und gemischten Elemente der mündlichen Volksüberliefenuig. u. z.

1 ) Spottverse, Spott- und Neckreime.

2) Gereimte Sprüche, die sich an Festtagsgebräuche knüpfen (z. Ii. Hochzeitssprüdie u s. w )

8) Gedenkverslein, Spielreime und Lieder, Auszähleverse. 4) Rätsel.

VI. Der dramatische Teil der mündlichen Volksüberlieferung :

1) Mysterien und Verwandtes (geistliches Volksdrama).

2) Weltliche Volksdramen.

3) Volksunterhaltungen und Spiele dramatischer Form

Es ist selbstverständlich, dass der grösste Teil des hier Aufgezählten sich von den anderen Teilen des Studiums der Volksseele kaum trennen lässt, und in fortwährender Beziehung steht einerseits zum Mythos, ander- seits zu dem Volkahrauch und zu den Erscheinungen des Volkxlbens überhaupt. Nichtsdestoweniger ist eine Prüfung derselben nach ver- schiedenen Gruppen und in einem engeren Zusammenhang» innerhalb dieser Gruppe1 nicht blos wünschenswert, sondern geradezu unerliiss- lich; vorerst mit Hinblick auf die Metho le, welche bezüglich der hierher- gehörigen Elemente und deren Natur entsprechend überwiegend litterar- h isto r/scA, oder sagen wir: philoloyUch ist; in zweiter L'nie aber weil, wie schon erwähnt, die Gegenstände des Folklorr in der directen oder indirecten Berührung der Völker von den ältesten Zeiten bis zum heu- tigen Tage fortwährend wandern, und somit auch Gegenstände einer der wichtigsten Hilfswissenschaften der Ethnologie sind, nämlich der im Übrigen auch selbständig existenzberechtigten vergleichenden Lit- leraturforschung.

Bihliofjraphie. Topinuni, 1/ Anthropologie, 4. Aull. P.iris, 1HH4. ./. Iinnke, Der Mensch. Stuttgart, 1887. Waitz, Anthropologie <ler Naturvölker, Leipzig 1859 »»4. 4 B. ; der ö. u. 6. von Gerland 1870—71. H'tstian, Der Mensch in der Geschichte. Leipzig 18GÜ. Oers. Das Beständige in den Menschenrassen. . . . Berlin 1868. Oers. Ethnologische Forschungen, Jona 1871. />«•#•»•. Geographische u. ethnologische Bilder, das. 1873. Fr. M HUr, Allgemeine Ethnogruphio, 2 Aufl. Wien. 1879. TescM, Völkerkunde, •">. Aufl. Leipz. 1881. liat~,l, Völkerkunde, Stuttgart 1887. Tutor, Researchos into tho early history of mankind and the de- velopment of civilization. 2. Aull. London 187U. Ihrs. Primitive culture : resear- ches into the developruent of mythology, philosophy, religion. language. .tri, and custom. 2. Aufl. London 1H73. Her*. Anthropoiogy. Introduction to the study of man and civilization, London IKtfl. Hoychot, Der Ursprung der Nationen. Leipz. 1874. Haation, Allgemeine Gruud/.üge der Ethnologie. Berlin 1884. Vir- choii-BiUtian-H'.irtm tnn, Zeitschrift fiir Ethnologie, Berlin seit 1869. H txtian, Beitrage zur vergleichenden Psychologie, Berlin 1868, L'unrux-Steinthnl, Zeitschr. für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, Berlin u. Loipz. seit 1859. S.

362

by CoOgt

DIE ALTEN FOLKLORISTEN.

besonders 1. B. 1—73. Vgl. Herrn. Paul, Principien der Sprachgeschichte, 2. Autl. Halle 188P, Einleitung. Ferner: H'. Hundt, Über Ziele und Wege der Völkerpsychologie (Philos. Studien IV, 1t— 27.) Bastian, Der Volkorgodanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen, 1881. A. Lany, La Mythologie. Trad. par L. Parnientier. Avce une preface par Ch. Michel. Paris 1886. Bastian, Das Religiöse in ethnolog. Auffassung, Jena 1871. A. Lanu. Custom and Myth. London 1884. Drrs. Myth', Ritual and Religion, London i887. F. Liebrecht. Zur Volkskunde, Heilbronn 1879. Chamber« Encyclopnedia : »Folklore" (Thoraas Davidson). Pui/maii/re, Folk-lore, Paris 1885. P. Sibillot, Le Folk-lore (Revue d'Anthropologio XV, 290—302, Paris 188G). Gustar Meyer, Essays und Studien zur Sprachgeschichte und Volkskunde. Berlin 1885. („Folklore" 145—162.) L. Kulotui, Zur Litteratur und Charakteristik des magyarischen Folklore: I. Allgemeine Char. des Folklore. (Zeitschr. f. vgl. Littoraturgesch. u. Renaißsance- Litteratur, Neue Folge Band I, Heft i. Berlin 1887.) Folk Lore Journal Vol. 11: Folk-Lore Terminology. Id. by Alfr. Kult Vol. Iii: The Science of Folk-Lore by Charlotte S. But ne. Id. by G L. Gor.ime Id. by IC Sidney Hnrtland. Id. by A. Machado y Alrarez. Vol. IV: Classification of Folk-Lore by Charlotte S Bunte. Principles of the Classification of Folk-Lore by J S. Stuart Glennie. Folklore as the Cumplemeut of Culture-Loro in the Study of History by J. S Stuart Glennie The Scienco of Folk-Lore, with Table* of Spirit Basis of Brlief and Custom by Captain <' T, mjdc. The Journal oi Amerian Folk-Lore. Vol I, p. 79: Notes and Queries (on the term „folk-lore"). Boston and New- York 1888. Herbert Spencer, The Classification of the seionecs, 3. Aufl. London 1871. Hers. Principles of Sociology, London. (D. Übers. Stuttgart 1877.) Dets. Ein- leitung in das Studium der Sociologie, Leipz. 1875. Gumjdotritz, Grundriss der Sociologie, Wien 1885. A Hemnann, Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn 1887-92. '

Die alten Folkloristen.

Von Ch. G. Leland.

Es kommt oft vor, dass ein Folklore-Sammler, wenn er sich unter Hauern, Zigcun rn oder dergleichen befindet, wo allerlei Märchen, Aberglauben, oder traditionelle Materialien im reichsten Überflusse vor- handen sind, nicht weiss, wie er anfangen soll etwas abzuschreiben. Ich möchte andeuten, dass in solchen Fallen manche nützliche Winke in gewissen alten Büchern zu finden sind. Wie der englische Dichter Chaucer sagt: „aus alten Feldern schaßt man alle Jahre neues Korn." So zum Beispiel habe ich erfahren, dass wenn man einen Zigeuner fragt: „Wie heisst in deiner Sprache?* der Mann sich des Wortes nicht erinnern kann. Aber wenn wir z B. ein Wörterbuch der hindostanischen oder gujeratischen Sprache vornehmen und die Wör ter nach einander vorlesen, wird er bald sagen : „Ja, Herr, ich kenne jenes Wort' und wenn er es nicht genau kennt, wird es ihm ein- fallen, dass er ein ähnliches kennt.

Nehmen wir z B. so ein Buch, wie der „Glücks Topf, welcher in 118 beschriebenen abergläubischen Zetteln besteht, von M. Johan- nes l'raetorius. 1609." Dann nehmen wir die einzelnen Capitel vor und fragen z. B. „Hast du gehört von Reichtum durch Hahnrei- schaft V Von Kobold-Glück? Von Maurer- und Hunde-Glück? Von Reichtum durch Finden ? Von Stillschweigen beim Schatzgraben ?u u. s. w.

258

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CH. O. LELAKD

So kann man in allen Werken von Praetorius z. B. sein Anthro- podemus Plutonicus. 1666. sein IHocksberge Bericlxtung. etc. hunderte von dergleichen Beispielen finden.

Nicht weniger nützlich ist der „Tractatus de Fascinatione* von Johann Christian Fromann. Nürnberg 1675. In diesem Buche findet man 1060 Seiten, und gewiss auf jeder Seite einen Aberglauben, der dem Folkloristen nützlich ist. Fromann gibt viele interessante Zauber- oder Besprechungs-Formeln der Bauern, doch immer unvollständig, z. B. Ad dolorem dentium hanc,

„Gott uud das heilig Klüt

Sey iür meine Zahne gut!

\v( ich Zähne hoer klagen,

Will ich einem von Ualgenblat sagen, etc.

Das sey dir eine wahre ßuss im Nahmen" etc.

net quae al a ohnervanda praeeipiuntur. Sed ea nos supprt'mimus." So bei Praetorius und vielen anderen alten Schriftstellern. Die guten ehrlichen Leute scheinen Angst zu haben, dass sündige Leute die ver- dammten Zauber-Formeln benützen werden Es ist zu wünschen, dass soweit möglich, die Folkloristen von heute diese Formeln vervollständigen . Denn wie Karl Blind bewiesen hat, manche von diesen Formeln sind uralt. Es existieren noch heute in Nord-Italien hunderte dergleichen, welche ursprünglich lateinisch waren, und sogar etruskisch.

Noch reicher ist der Curiosus Amuletorum Scrutator, von Julius Ueiehelt, Frankfurt 161)2, ein Buch von 688 grossen Seiten, wo man auf jeder Seite mehrere Aberglauben findet. Mit solchen Handbüchern kann man schnelle Fortschritte machen Es ist nicht lange her, seit ich hier in Florenz anfieng, zu fragen von r Hexen" und alten Leuten, ob sie etwas wüssten von Zaubermitteln gegen Krankheiten. Es gieng sehr lamgsam. Da nahm ich die hundert Recepte von Marcellus Burdiglensis vom vierten Jahrhundert, und fand, dass fünfzig von diesen unter den Leuten noch bekannt sind

Hier in Italien sind auch die christlichen Zauber-Formeln, welche an Gott, die Dreieinigkeit und die Heiligen gerichtet sind, vielleicht alle ursprünglich heidnisch gewesen So zum Beispiel will man glück- liche Träume habun, so wendet man sich an Santo Simeone, der früher gewiss Somnone und Soranus war Wer erkennt nicht in Santa Anna oder Lu San'Na. die Kinder gibt, die Lucina?

Ich habe dies geschrieben, weil ich merke, dass sehr viele talent- volle und tüchtige Sammler, hauptsächlich in England und America, diese alten Quellen nicht besonders in Acht zu nehmen scheinen. Nach ihrer Art und Weise waren Männer wie Heinrich Fromann, Grosius und Praetorius sehr eifrige Folkloristen, und sie verdienen, dass man ihre Bücher benützt, um Neues zu sammeln.

Florenz, 2 März 181)2.

264

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KOSMOGONISCHE SAGEN DER WOOTTLEN

Kosmogonisehe Sagen der Wogulen.

Aus dem Volkskunde aufgezeichnet von Dr. liernhard Munkäcxi

VI

Das Lied von der Erschaffung der Erde und des Himmels.

1. Die Erde und der Himmel, sie formen sich, sie werden erschaffen,

Nach XuV-äters kleinsten Sohnes zum Pfeilfahnekleben gebrauchten silbernen Leimkessels Grösse 5. wird erschaffen der Ober-Himmel {Numi- 7W»i), unser Vater. Nach XuV-äter* kleinster Tochter silbernen Spindelring» Grösse wird erschallen [die Krustige-Erde, uusere Mutter.]

*

Krustige-Erde, unsere Mutter 10. füssigeischaffenen nissigen Kahn

hinaufsendet [in den Himmel, lässt sagen:] „Erschaffen sind wir also erschallen; [aber] ohne von Speisen sich nährenden Menschen kann ich nicht leben (zu sitzen reicht meine Kraft nicht aus.)"

*

15. Dieser fiissigerschaffene lässige Kulm gelangt oben an, [sagt dies :J „Krustige-Erde. unsere Mutter ohne von Speisen sich nährenden Menschen kann nicht leben."

*

IXumi-Ttirdm Vater antwortet :| 20. „Du, wenn du bald hinabgelangst.

mit lebendiger Schlangengerte,

drei Mal geschehend,

peitsche die Mutter, Krustige-Erde !

Auf zwei Klaftern des weitklafternden*) Menschen 25. wird sich ausbreiten (entfalten) das Erdchen:

ihr von Speisen sich nährender Mensch wird von dort erschaffen

\\ erden,

Äamt'-Frau, die Mutter wird von da erschallen werden,

aus einem Mutterleibe wird sie sieben Sprossen gebären (schütten)."

*

Jahre zählend, sieben Jahre hindurch, HO. Jahre zählend, drei Jahre dindurch schaukelt die Jungen der Wind. Obengehenden geflügelten Kahn

♦) Mit ausgespannten Armen.

255

DR BERNHARD MUNKAC8I

[Krustige-Erde Mutter mit der Botschaft) hinaufsendet: ..Den von Speisen sich nährenden Menschen 35. haben wir also ersehaffen ; aber jetzt einen essbaren,

seinen Herzzipfel [füllenden] schmackhaften Bissen woher wird er nehmen?"

Der Mann (d. h. Numi-Türem), nachdem er lange Zeit gesessen,

[also] spricht: 40. rBald an des unten sich ausbreitenden (sitzenden)

dichten Rottannwaldes Gelände

werde ich die sieben kalbige Rentierkuh herablassen,

das Kuhkalb und das Stierkalb werde ich [dorthin] herablassen,

das gescheckte Rentierkalb mit seiner Mutter 45. auf die dort sich ausbreitende stierzungenbreite Moorfläche

werde ich herablassen

Ihr von Speiden sich nährender Mensch

auf seinen Herzzipfel den schmackhaften Bissen

von da sich verschaffen möge!"

*

50 Der Aeimi-Frau Mutter unserer, Sieben Söhne eines Mutterleibes, die Männer wachsen.

Nach des unten gehenden füssigen Tieres Herzen sie streben, 55. nach des oben fliegenden geflügelten Tieres Herzen sie jagen. Unten gehendes füssiges Tier blieb nicht,

oben gehendes geflügeltes Tier 60. blieb nicht.

Krustige-Erde, unsere Mutter mit Schwingen erschaffenen beschwingten Boten hinauf [in den Himmel] wieder sendet. Mumi-Tärem mein Vater lange Zeit sitzend,

65 später [dies] spricht:

„Wenn irgend welche Männer entstanden sind: auf dieser von Männern betretenen Männer-Gegend was machen sie?

Auf dieser von Weibern betretenen Weiber-Gegend

70. was machen sie?

Wenn irgend welche Männer entstanden sind : in männererzeugender Männer-Gegend hügligen Wandel-Wald, in weibererzeugender Weiber-Gegend

2&Ö

-

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KOSMOGONISCHE SAGEN DER WOGULEN.

75. hügligen Wandel- Wald,

dahin mögen sie gehen zu suchen (das Wild)!a

*

Die Männer hören dies Wort,

halsriemige viele Felleisen

sie verfertigen; 80. mit gutem Glückvertrauen

auf den Weg sie sich machen.

Lange gehen sie, kurze Zeit gehen sie,

sie setzen sich nieder.

Der beiden jüngsten Männer 85. jähzornigen Wesens wegen

der Seidensehne zitternder Ton erscholl.

Der älteste Mann blickt nach rückwärts,

spricht: „He, Männer, was macht ihr?!

der grimmlosen Erde Grimm ihr macht!" 90. Sie gehen weiter.

Lange oder kurze Zeit gehen sie:

die beiden jüngsten Männer

ein dort liegendes Baumwurzelstück

von hier beschiessen: [der Pfeil] dringt durch dasselbe, 95. von da sie beschiessen: [der PfeilJ dringt durch dasselbe.

Der älteste Mann wieder spricht:

„Was macht ihr?!

der grimmlosen Erde Grimm ihr macht!"

Die Männer gehen weiter; da einmal 100. in ein spärlich bewaldetes Wassergebiet sie gelangen (gehen) in ein bewaldetes Landgebiet sie gelangen (erscheinen).

Sie gehen binab zu des Lous-Gebietes Flussteich ;

105. eisenbrüstige sieben Taucherenten

schlagen dort mit ihren Hügeln [auf dem Wasser], eisenbrüstige sieben Taucherhühner seh lagen dort mit ihren Flügeln [auf dem Wasser]. Sie tauchen unter;

110. bis ein eisiger Fisch im Kessel [kocht1, so lange Zeit verweilen sie unten [und dann] tauchen sie empor. Bis ein eisiger Fisch im Kessel [kocht], so lange Zeit schlagen sie oben [auf dem WasserJ mit ihren Flägeln. Sie (die Männer) zwischen bergendem Gras schleichend nähern sich

ihnen.

115. Der älteste Mann spricht:

„Bis ich meinen Bogen nicht herablasse, bis ich meinen Pfeil nicht loslasse,

S67 it

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DB. BERNHARD MÜNKAC8I

kein Mensch sei [der seinen Pfeil abschiesse] !u

Der älteste Mann auf die Mitte (den Bog) seines Bogens 120. seinen dreikantigen, silbernen Angelpfeil legt.

Den Bogen spannt er. Bis ein eisiger Fisch im Kessel [kocht],

richtet er den Bogen.

Der beiden jüngsten Männer

jähzornigen Wesens wegen 125. der Seidensehne zitternder Ton erscholl.

Die eisenbrüstigen sieben Wasserhühner

von des silbernen Angelpfeiles Spitze

werden nur gestreift

Dir älteste Mann spricht: 130. „Was macht ihr?!

auf die seuchenlose Erde habt ihr Seuche gelassen,

auf die krankheitslose Erde habt ihr Krankheit gelassen !*

Wasserreich mündende sieben Flüsse

die blutigen sieben Wasserhühner 135. entlang eilen.

*

Die Männer gehen weiter.

Lange oder kurze Zeit sie gehen,

in ihre «/tfx-tomew-benachbarte Burg

sie zurückkehren, sie gelangen heim. 140. Kamt'-Frau, ihre Mutter

einen für eine Stadt selbst nicht sich erschöpfenden grossen Kessel

hinstellt [zum HirsenbierkochenJ.

Drei Nächte, drei Tage hindurch

zecht das Volk. 145. Dem ältesten Manne

berauschtes Menschen Rausch

nicht konnte kommen

betrunkenes Menschen Trunkenheit

nicht konnte kommen. 150. Zu Teich-Fürsten Tochter,

seiner Gattin heim er geht, tritt zu ihr ein,

spricht: „Betrunkenes Menschen Trunkenheit

konnte [mir] nicht kommen;

höre Frau, geh nur hinaus, 155. an der Sonne gedörrte drei giftige Blätterschwämme

bring herein!" Sie antwortet:

„In deiner Verrücktheit vielleicht deines Vaters Blut

begehrtest du zu trinken,

in deiner Verrücktheit vielleicht verwandtes Blut 1 60. begehrtest du zu trinken?!"

Jener spricht: „Mich, den mit zwei Gürteln umgürteten Mann, bis ich nicht in Zorn kam, warum hast gereizt?!

366

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KOSMOOONISCHE SAGEN DER WOGULEN.

Wenn ich in meiner Verrücktheit meines Vaters Blut begehrt habe zu trinken, frage ich dich?! 1 65. Dich frage ich nicht.

Jetzt an der Sonne gedörrte drei giftige Blätterschwämme Frau, bring herein!"

[Die Frau die Blätterschwämme] vor ihn hinwirft; in seinen Mund mit dem Zwischenraum von zehn Bärenzähnen [tuend] 1 70. kaut er dieselben,

und berauschten Mannes Rausch kommt [ihm.]

*

Die rottannhölzerne grosse Türe bricht jemand ein.

n He, Onkel, des berauschten Menschen Rausch I 75. auf später lass!

Von nordischer Gegend her, von da hervorflog rotsteissiger Amseln [Schaar];

die zur Zeit deines wachsenden Mannes- Wachstums (d. h. Kinderzeit) von dir aufgestellten 180. silberköpfigen sieben Säulen hat sie ganz bedeckt.* .Mit des berauschten Mannes Rausch habe ich dazu keine Kraft ;

meines Vaters zwei lieben Sprossen (meinen zwei Brüdern) Kunde

hievon bringet!"

*

185. Die rottannhölzerne grosse Türe wieder man öffnet,

»He, Onkel, des berauschten Mannes Rausch lass* auf später!

Die zur Zeit deines wachsenden Mannes-Wachstums 1 90. von dir aufgestellten

silberköpfigen sieben Säulen

hat rotsteissiger Amseln [Schaar]

ganz bedeckt, ganz im Kreise umringt.'

*

Der Mann spricht : «Meinen zum Kampf bestimmten, 1 95. mit Kinnstück versehenen, feinem Haare undurchdringlichen [klein- ringigen] Panzer

bringt her!*

Seine Rede hat er noch nicht geendigt, und [den Panzer] brachte man ihm

Seinen Rentierhaaren undurchdringlichen, feinen Haaren undurch- dringlichen

200. mit Kinnstück versehenen Panzer zieht er an (giesst er sich an). Den einen Stiefel

in des töchterreichen Hauses Mitte, drinnen zieht er an,

2*9 lft»

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DR BERNHARD MÜNKACBI

den anderen Stiefel

in des söhnereichen Dorfes Räume, draussen zieht er an. 205. Sein kleinspitziges Stahlschwert

reiset er mit sich.

Auf sein Ross schwingt er sich ;

dem abgezogenen Heere

eilt verfolgend der Mann nach. 210. An den Rand dichten Gelsenschwarmes

gerfit der Mann.

Sein Ross [wie einen] dort liegenden modrigen Baumstrunk

hin stösst er;

dies abgezogene Heer 215. untergehendem Monde gleich

taucht er unter sich,

aufgehendem Monde gleich

lässt er vor sich aufgehen.

Über das aufgehende Heer (als Haupt) 220. stellt sich der Mann.

Über das aufsteigende Heer

gerät der Mann.

Wohin er sich wendet: dürres Gras wie er zerknittert, so zerknittert er sie; 225. wohin er sich wendet: [in den Reihen der Feinde] eine Gasse

hauend schreitet er vor.

Einmal an seinem rechten Bein etwas sich hinschleppt. Als er hinblickt :

so ist es der Teich-Fürsten-Mann, sein Schwiegervater,

230. der ist es, der sich an sein rechtes Rein hingeklammert hat.

„Schwiegersohn, lebendiges Menschen Gut ist alles dein: nur deine Wut (Taumel) auf das erstandene Heer besänftige! Blick' hinab, 235. in Männer Blut bis ans Knie watest du, Mann, bis zur Männerhüften Höhe schwimmst du, Mann.

Deine Wut über das sich erhobene Heer besänftige, 240. totes Menschen Gut ist alles dein."

Er besänftigte ihn; dem Teich-Fürsten, seinem Schwiegervater

folgte er.

Er gieng zurück, stiess ansein Ross;

[dies] erhob sich, er bestieg es, und gieng heim.

In seine Burg zu Jäx-tumen gelangte er heim.

*

860

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KOSMOGONISCHK SA« EN DER WOGULEN.

245. Kami'Fr&Uy seine Mutter geht draussen herum.

„Söhnchen, als ich dich gebar,

gleich zwei soeben sich rötenden Espenblättern

waren deine beiden Wangen:

jetzt aber wie sich häutende Birkenrinde 250. wie wurdest du so bleich?"

„Aber Mutter, woher weisst du es,

dass ich bis ans Knie

in Männerblut watete?"

*

Er kommt heim, tritt ins Haus, spricht [soj: 255. „Auf eine Woche des Monats

in die sieben Dickichte des bereiften Waldes lasset mich!

Bei Menschen habe ich einen mir gleichen Helden nicht gefunden."

260. Seinen für Rentierhaare undurchdringlichen, für feine Haare un- durchdringlichen,

mit Kinnstiick versehenen Panzer zieht er an :

sein dem Menschen furchtbares, harzbrand färbiges (schwarzbraunes)

Bärenhaar, daraus entsteht es.

Sein kleinspitziges Stahlschwert 265. in vier Stücke bricht er:

in seinen Mund mit dem Zwischenraum von zehn Bärenzähnen

steckt er es, zerkaut es:

seine dem Menschen furchtbaren, den Tieren furchtbaren rötlichen vier Bärenaugzähne daraus entstehen. 270. Seinen schwarzeisernen Pfeil(?)köcher zertrümmert er,

in seinen Mund mit dem Zwischenraum von zehn Bfirenzähnen (tuend) zerkaut er ihn :

seine dem Menschen furchtbaren harzbrandfärbigen (schwarzbraunen)

275. zehn Krallen daraus entstehen.

*

Als er in des bereiften Waldes Dickicht gieng, spricht er [so]:

.Falschen Eides halber man mich nicht citiere (herschleppe), wahren Eides halber man mich citiere! 280. Wenn man falschen Eides halber mich citiert:

[den Schwörenden] wie eine Mütze reisse ich in Fetzen, wie einen Handschuh reisse ich in Fetzen."

261

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DEUT8CHE WIEGENLIEDER AUS DOBSINA.

Deutsohe Wiegenlieder aus Dobsina*)

OberuDgarn, Gömörer Comitat.

L

Schlof, Sasel, schlof!

Dai Vöter hitt di Schöf,

Dai Motter es a präva Diern,

Di muss en Bloch») di Kiapel'j schraiern.

U.

Schlof, Süsel, schlof!

En Goaten Wft») a Schöf,

As hot zwa beisza1) Fissel

Mandelkeaner, Nessel,4)

A Holbchen Bain6) und Zucker drain,

Dos bit1) Süsels Papchen sein

III.

Schlof, Suael, long, Der Tod setzt af der Stong,*) Ear hot an beiszen Kittel ön, Ear bell9) unser Süsel hon.

IV

Haja, bubaja!

Übers Joar draia,

Übers Joar noch a Poar,

Geht di Big10) hear und doar.u)

V.

Haja, bubaja! Geh heg1*) von der Thir, Mai Mön es schond komroan, Er schläft schond pai mir.

Aufgezeichnet von Samuel Klein.**)

*) Die Bewohner dieser alteu deutschen Bergstadt, in deren Weichbild «ich die unvergleichliche wundervolle Eishöhle befindet, sprechen einen eigent am) icheti Dia- lekt, den besonders das b für gemeindeutsches w charakterisiert.

«I Walach beiBst der gewöhnlich slovakisebe Schuferknecht (Auch^bei den Siebenburger Sachsen : Bloch.)Woldchy nennen sich die gr. orientalischen Rutbenen in der Bukovina. Die Dobsinaer nennen die Slovaken „binduseba Lait" als Reminis- cenz uraller Berührung mit den Wenden.

») Bundschuh slav. krpei. ») läuft. *, weisze •) Haselnüsse •) Wein. ') wird.

•) Die Stange hängt gewöhnlich , überm Kachelofen von 'den Tragebalken beiab und ist zum Aufhtingm von Gespinst, Kleidern udgl. bestimmt.

•) will. Wiege •», her u. hin. »») weg.

*•) Prof. Klein in Dobsina ist ein eifriger Sammler auf dem Gebiete Dob- sebauer Volkttums, und selbst ein berufener Dichter im lokalen Dialekte, mit gros- sem Geschicke besonders die Grubensagen jener Gegend bearbeitend.

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ADOLF HANDMANN.

Der todte Reiterbursche.*)

Magyarische Volksromanze.

Schmucken Reiter warfen Wilde Mordgesellen Seines Gelds und Pferdes halber In den Strom, den schnellen.

Nicht doch litt's die Welle, Warf ans Land ihn schnelle; Kam ein Schifferknecht und breitet1 Ihn aufs Kahngestelle

Kommt die Mutter gangen,

Ruft ihn, ruft voll Bangen:

„Sohn, mein Sohn 1 steh' auf, komm deiner

Mutter Herz umfangen. tf

„„Kann mich nicht erheben, Hab' kein Fünkcheu Leben: Eisstarr mir die schwarzen Locken An dem Nacken kleben.8"

Kommt der Vater gangen,

Ruft ihn, ruft voll Bangen :

„Sohn, mein Sohn! steh' auf, komm deines

Vaters Hals umfangen."

„„Kann mich nicht erheben, Hab* kein FUnkchen Leben : Eisstarr mir die Sporenstiefel An den Füssen kleben.""

Kommt sein Täubchen gangen,

Ruft voll Glutverlangen:

.Lieb, mein Lieb! steh' auf, komm deines

Rösleins Herz umfangen.'

„„Will mich gleich erheben, Röslein, fühl' noch Leben: Liebe, treue, hat mir neue Lebenskraft gegeben!*"

Adolf Handmann. *) Aua der Bakonygegend. Vgl. Ethnol. Mitt. I. Sp. 48—49.

SPLITTER UND SPÄNE.

Splitter und Späne.

Ethnographische Ausstellung. Bei Gelegenheit der Nationalausstellung 1895. wird in Budapest auch eine ethnographische Ausstellung in grösseren Masstabc veranstaltet, deren Objecto hoffentlich in einem Landesmuzeum für Volkskunde dauernd beisamen bleiben und nicht verzettelt werden, wie die ethnographischen Gegenstände früherer Ausstellungen.

Der Bdrtfaer Roland. In der archäologischen Sammlung der Zipser Stadt Bärtfa (Bartfeld) befindet sich eine geharnischte Figur, mit Panzer und Helm, ein entblösstes Schwert in der Hand; am Helme ist ein Loch sichtbar. Keine Chronik der Stadt weiss etwas über dieses Museumstück zu berichten, doch haben sich aus späterervZeit"8agen erhalten, welche Bezug auf diese offenbare Rolands-Säule haben Roman, ein groser Räuber soll vom Könige amnestiert die Stadt erbaut haben. Der damals in Gebrauch gekommenen Feuerwaffen spottend, zog Roman seine Eisenrüstung an, und Hess die Feuerrohre auf sich richten. Eine Kugel, die den Helm durchlö- cherte, strafte diese Verwegenheit mit dem Tode. Die Bärtfaer werdeu von ihren Nachbarn in Szeben und Eperjes Rimini gespottet. Rimanow ist der Name eines jener Spiessgesellen Axamiths, welche Bärtfa zur Zeit Giskras brandschatzten. AU in den Wirren und Drangsalen der Thronfolge-Kriege die Bärtfaer von den Hussiten viel zu leiden hatten, tauchte vielleicht das Andenken des ursprünglichen Roland in Vergessenheit, und der Giskraische Roman trat an die Stelle desselben. Auf diese Weise Messe Bich die Sage des „Roman* und der .Spottnamen „Rimini" der Bartfelder erklären. (Vgl. Ethnographia, 1892, 1. Heft ) Mitgeteilt von Dr. Albert Szildgyi.

Der Mund als Portemonnaie. Zur Mitteilung auf S. 104. Die Somali-Kinder in Aden springen scharenweise ins Meer, um ein Penny-stück herauszuholen. Der es erhascht, weist es triumphierend auf und steckt es dann in seine natürliche Börse : den Mund. (Statt Conzeubach ist Gonzenbach zu lesen.)

Von der Türken Zauber ey gegen die flüchtigen Schiaren. Sie haben eine Art der Zaubcrey. dadurch sie die fliehenden Schlaven wider ihren Willen zurücke bringen. Sie schreiben des Schlaven Nahmen auff ein Z»ttelchen, und h engen da« auff in seiner Wohnung: darnach fahren sie heraus mit greulichen Worten und Flüchen auff seinen Kopff: Worauff es geschieht durch Wirkung des Satans, dasz der flüchtige Schlave nicht anders vermeynet, als ob ihm ein Löwe oder Drache entgegen komme, oder ob die Wellen und Ströme des Meeres sich sehr erheben, oder ob es gantz finster werde; wofür er dermassen erschrickt, dasz er durch den Schrick zurück getrieben, wieder zu seinem Herren kompt.

Joban Sommers Wasser und Landreise. Gethan nach der Levante (1641 42.) Aus dem Niederländischen. Amsterdam, 1664, S 96.

Druckfehler-Berichtigung.

Ethnologische Mitteil. a. Ung. II. Jahrg. 1891. I V. Heft.

Seite 100, 4. Zeile von unten, statt : „dass sio krank, die arme"

zu lesen: „dass sie kränk' die Armen.u 101, 23. Zeile von oben, statt: „Lass' mich fert'gen"

zu lesen: „Lass' euch fert'gen." i, 34. Zeilo von oben, statt : „Dammflut spüle dir weg"

zu lesen: „Dammflut spül7 von dannen." VI— I UI. Heft

Seite 182. Zeile 19. statt Volkversammlung 1. Vollversammlung. 192. 11. statt an das 1. an den. 192. 32. statt SeheUucht I. Schelsucht

192. 38. lies: . Texte durch gütige Vermittluung der Frau Reich-Neu- haus in Pancsova. (ibersetzt von A. H

264

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Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn.

Mit dieser Lb-fexuag schüesst der IL Bd. Ich werde mich bestreben, auch Tom ersten Band (1387—89) das abschliessende vierte Heft (in 4°) in Balde her- auszugeben Bezüglich der Weiterführung dieser Zeitschrift kann ich gegenwärtig keine Zusage machen. Meine Kräfte sind erschöpft Das gänzliche Fehlschlagen eines gemeinnützigen socialen Unternehmens hat mich schwer geschadig:. Die einziee materielle Unterstützung, die meiuer Zeitschrift zugesagt worden, (einmalige)" :JOO fl., welchen Betrat die Gesellschaft: für die Völkerkunde Ungarns auf Grund der Statu- ten in Otters wiederholten rechtskraftigen Beschlüssen an Subvention für die Kthno- lojrischen Mitteilungen hIs Anzeiger der Gesellschaft vot ert hatte, ist unter den nichtigsten Vorwiinden strittig gemacht worden. Dio Kveoruaütiit eint-s Arrangements mit dieser Gesellschaft erscheint also für die Zukunft ausgeschlossen, nbwol im Falle den Weitererseheinons dieser Zeitschrift selbstverständlich die Tätigkeit des genann- ten Vereines auch fürderhin in erster Reihe Berücksichtigung rinden wird.

Doch ist Aussicht vorbanden, dass das Zusammentn tf'en einiger n cht unbe- rechtigt erhoffter günstiger Umstände das Forterscheinen dieser Zeitsehnlt ermögli- chen wird. Sie "ird in diesem Kalle zweimal monatlich je einen Bogen stark aasge- geben, jährlich 2 fl kosten und die Zigeunerkunde besonders berücksichtigen.

Budapest, 20. Dezember, 1S92. Der Herausgeber.

Publicationen zur Völkerkunde Ungarns u. b. w. Ethnologische Mitteilun- gen aus Ungarn, 1. Bd. A Hefte. 4" 80 Bogen Preis 4 fl. Ii. Bd. lo Hefte H°, 17'/, Bogen, 2 fl. Cornea Ge'za Kuun, Rclationum Hnngaroium cum Oriente genti- busque orientalis originis bistoria antiqnissin ». Bde, ;>«• Bogen, fl A. Herr- mann, Beiträge zur Vergleichung der Volkspoesie, Mit Musiknoten. 1 11. -- H, v. Wlislockii Zauber- u. Besprechuogsformeln der Zigoune , ?>i) kr. Über d-n Zaube mit Körperteilen bei den transsilvanischen Zigeunern, 30 kr. Dr. Fr. S. Kraust, Das Burgfräulcin von Pressburg. Hr. t*. Schulenburg. Die Frau bei den Südslaven. J. t\ Asboth, l>as Lied von Gusinje. 50 kr. - Krauss, Asboth, Thalloczy, Küd- slavipches, i<> kr Zu beziehen direkt vom Herausgeber, Anton Herrmann, Budapest^ I. Aitila-uUza, 47. oder von der Buchdr uckerei- Actiengesellschaft „Közinüveljdcs" in Kolozsvdr.

Inhalt der „Ethnographia* 1892 III. Jahrgang l. Heft. Januar. Theodor Lehoczky, Deutsche Colonion im Bereger Comitat. Dr. Albert Szilagyi, Her Bärtfaer Roland. Samuel Kurz, Hochzeit der HienzMi Dr. Heinrich v. Wlislocki, Siebenbürgis h-shchsischo Kinderspiele. Ludwig Barö'i, Deutsche Volks-' bailaden am Südungarn Dr Äron Kiss, Deutsche Kinderspiele aus Siebenbür- gen. — Julius Kirczäk's Brief. Sforzina. Fiumaner ttalieniscbes Volkslied. Inländische und ausl. Litteratur. In- u. ausländische Zeitschrüton. Fragen und Antworten. Aus Zeitungen Vermischte Mitteilungen

II— HI. Heft, Februar, März Dr. H. Wlisloeki, Orakelticre im Kalotaszeger Volksglauben. Josef Mar ton, Pflanzennamen in der Volkssprache. Dr. Samuel Veres, Alte Volksarzneikundo Josef Nagy, Volkstümliche:» v tn Hogyhat. Dr. Johan S. Koväcs, Volksbrauch in der Repczegegend. Ludwig Kalmanv, Ma- gyarische Sindflutsagen. Valentin Bellosics, Beitrüge zur magyarischen Volks« pot-sie. Wendische Volkslieder. Kristot Szongott, Siehenbürgiaeh armenische Volks- märchen. — Paul Kiraly, Becs. Dr. Johan Janko, Unter den Wotjaken. A. IL Slovakische ethnographische Ausstellung. - Wolfgang Farkas, Beiträge aus Gerichts- akten zum Aberglauben im Altöld. Dr. A. Kiss, Besprechung. Vereinsange- legenbeiten. In- und ausländische Litteratur - Io-u auslrindi «che Zeitschriften. - Verschiedene Mitteilungen. Programm des am 27. März 1892 von Julius Käldy . veranstalteten historischen Konzertes, mit den Texten alter magyarischer Volkslieder aus dem 17-18. Jahrhundert.

IV--V. Heft. April-Mai. Alexander Körösi und Ludwig Czink, Beiträge zur Ethnographie Frames. - Vereinsawgelegenheiten. - In- u. ausländische Litteratur In- u. ausländische Zeitschriften.

VI. Heft. Juni. Aufruf an die Anhänger und Freunde der Volkskunde. - Otto Herman, Die Fischerei als UrbeBchäftigung und ihr Verhältnis zur Ethnographie. - Dr. Aurel Török, Die Anthropologie in der Ethnographie. Bela Vikär. läger- traditionen der Finnen. Engen Binder, Bemerkungen zum Aufsatz „Übei den Einfluss der Gest» Romanorum auf die ungarische Volksdichtung." IV. General- versammlung der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns. In- u ausländische Litteratur. In- u. ausländische Zeitschriften. Vermochte Mitteilungen.

ngen.

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\

Inhalt der Ethnologischen Mitteilungen au» Ungarn, zugleich Anzeiger der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns. II. Band. IX— X. Heft

(Sellins».)

Deutsche Volkspoesie in Ungarn

A. Norduntfarn, Hor-egor Comitat, 1— 16, vonTheodorLehoczky S. 103.

B. V o 1 k s b a 1 1 a d e n aus S ü d u n g a r n, voa Ludwig Baröti

1. Der Schmicdgesell

2. Das Lied vom Ringe I99-

3. Der todto Freier 201.

4. Dio Kindesmörderin .201.

5. Bitter St. Georg 203.

C. Aus Dresztoväcz, Südungarn, von A. Schwanfelder.

I. Zahlenliod 204.

II. Scherzlieder 1—3 205.

III. Strolchpoosie 1—8 205

D. Aus Pancsova, Süduntfarn, von Frau Maja Hoffmann-Wiganri

I. Lieder 1—3 207.

II. Hochzeitsprüehe 2<>9.

III. Kindorreimo 1—5 J10.

Hochzeitsprüche der Hienzen, vpn Samuel Kurz 211.

Siebenbürgische Kinderspiele

I. Sächsisch 1— (5, von H. v. Wlialocki 213.

II. Deutsch 1— f>, von Dr. Aron v. Kies 2 6

Armenische Volksmärchen ans Siebenbürgen, im Urtext mit Übersetzung

von Kristof Szongott

1. Mutter, Sohn uud Drache 218.

Bnha Jaudocha Dokia, von Dr. R. Fr. Kaindl 222.

Italienische Sprüche n. Lieder ans Finme, von Ludwig Czink u. Alexander

Korösi

I. Sprichwörter u Redensarten 1 204 226.

II. Trinksprüche 1—6 232.

III. Rätsel 1—4 232.

IV. Volkslieder l-~26 232.

V. Kinderlioder, Reime u. Spiele 1 33 237.

Sveta Nedeljica, von Dr. Friedrich S. Krauss , 242.

Ethnographie, Ethnologie, Folklore, (Schluss) von L. Katona .... 244.

Die alten Folkloristen, von Ch G. Loland 258.

Kosmogonische Sagen der Wogulen, von Dr. Bernhard Munkäcsi

VI. Das Lied von dor Erschaffung der Erde und des

Himmels 255.

Deutsche Wiegenlieder ans Dobsina, 1—5, von Samuol Kloin .... 262. Der todte Reiterbursche. Magyarische Volksballade, übers, von Adolf

Handrnann 263

Splitter u. Späne.

(Ethnographische Ausstellung Der Birtfaer Roland, v. Dr. Alb. Szi- lagyi. —Von der Türken Zauberey. - Der Mund als Portemonnaie ) 264 - Druckfehler. Auf dem Umschlage :

Gosellschaft für die Völkerkunde Ungarns. Mitteilung des Heraus gebers. Publikationen zur Völkerkunde Ungarns. Inhalt der „Eth- nographia" III. 1—6.

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III. BAND.

1893. JUNI.

1-2 HEFT.

Ethnologische Mitteilungen

aus Ungarn.

Zeitschrift fQr die Völkerkunde Ungarns

und

der damit In ethnographischen BeilehungeD stehenden Länder.

JUnter dam Protectorate und der Mitwirkung Seiner kaia. und königl. Hoheit dea Herrn Sraheraoga Joaef

redigiert und herausgegeben von

Prof. Dr. Anton Herrmann.

Monatlich 1—2 Hefte, 2—4 Bogen. Preis jährlich 8 Kronen o. 8 Mark ; für Mitglieder irgend eines Vereins für Volkskunde 6 Kronen oder 6 Mark. Wird auch im Tausch gegen Publicationen zur Volkskunde abgegeben. Nur direct vorn Herausgeber zu beziehen

HftdaotJon und Administration : ludapeat, I„ Szont«GyÜrgy utoza 2.

Expedition : I., Sa«nt Gy0rgy-u«c2a 5. i

Budapest, 1893.

BuohdrucUerei. Mezcl AntHl.

-~ »i.

An die g. Mitglieder der „Gypsy Lore Society."

Nachdem das Journal unserer Gesellschaft nach dreijährigem Wirken vor einem Jahre eingehen musste, ist die Zigeunerkunde wieder ohne eigenes Organ geblieben, und diese Lücke wird von den Zigeunerforschern ausserordentlich lebhaft empfunden. Um diesem fühlbaren Mangel im Wesentlichen abzuhelfen, geruhte der erlauchte und höchstverdiente Förderer und Pfleger der Zigeunerkunde, Seine kaiserl. und königl. Hoheit, Herr Erzherzog Josef der von Anton Herrtnann gegründeten Fachzeitschrift „Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn," wßlche Jahre hindurch der Wissenschaft von den Zigeunern eine hervorhebende Beachtung angedeihen Hess, aber bisher der Ungunst der Verhältnisse wegen nicht crwünschter- maassen erstarken konnte, die materiellen und moralischen Bedin- gungen des erspriesslichen Gedeihens endgiltig zu sichern. Die ge- nannte Zeitschrift erscheint unter dem Protectorate und der Mit- wirkung Sr. Hoheit auch ferner unter der Redaction von Anton Hemnann, dem der Zigeunerforscher H, r. Wlhlncki als ständiger interner Hauptmitarbeiter zur Seite steht, vom Juni 1. Jahres an in Budapest regelmässig in halbmonatlichen Heften. Die „Ethnolo- gischen Mitteilungen" wollen den Gypsy-Lore von nun an in noch hervorragenderer Weise pflegen und sich zum Organ internationaler Zigeunerkunde gestalten, wofür die Namen der erwähnten drei Forscher die sicherste Bürgschaft bieten.

Wir Unterfertigte ersuchen alle Mitglieder der »Gypsy Lore Society", die genannte Zeitschrift bestellen und ihr je häufiger Ar- beiten aus dem Gebiete der Ciganologie zuwenden zu wollen. Die Mitglieder unserer Gesellschaft können diese ausserordentlich reich- haltige Zeitschrift zum ausnehmend billigen Preise von 3 Ü. ö. W. (6 Kronen, 6 Mark, 5 Sh, 7 Frcs) jedoch nur direct vom Heraus- geber Anton Hertmann (Budapest, I. Szent-György-utcza 2.) beziehen.

David MacRitchie Charles G. Le.land

Hon. Secret&r. Prä«, der G/psy Lore SocW'tv.

Bureau der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns.

»

Vorstand: Grai G6za Kuun. Voratandstellvertveter: A. Hwrmann um! B. Munkacsi. Secretär: B. Vikar (Budapest, 1., Gellertutoza, Villa VikÄr. früher Reichard). Schriftführer : G. Nagy. C'asafar: ~JI. Papp. Bibliothekar : J. Jankö. Kedactuure de» Vereinsorgnns : A. Herruiann und J. .Tankö.

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Ethnologische Mitteilungen

ans Ungarn.

Zeitschrift für die Völkerkunde Ungarns

und der damit In ethnographischen Beziehungen stehenden Länder.

(Zugleich Organ für allgemeine Zigeunerkunde.)

Unter dem Protectorate und der Mitwirkung Seiner kais. und königl. Hoheit des Herrn Erzherzogs Josef

redigiert und herausgegeben von

Prof. Dr. Anton Herrmann.

III. BAND 189M-H4. 1-12. M K FT. Kcdaction nnd Ailuiinistrittion :

Budapest, I., Szent-György-utcza 2

BUDAPEST, 1894.

BUCHOKUC^RKKI K. BORUTH,

Dem Herrn

Franz Pulszky

iMivetor i\t!H ungarisc.lien National museums u. s. w.

in Budapest

weiht diesen Band zu .seinem

LXXX. Creburtatage

/;. September 1S94

in innig-dankbarer Verehrung

der HerauxtjflMW.

by Googl

Inhalt des III. Bandes.

Saite

Barüti L., Beiträge zur Geschichte des Vampyiismus in Südungarn . . 219

Bünker J. R., Heanzische Sprichwörter 287

Fuchs K., Eine alte Beschwörungsformel 240

Jlerrmunn A., Als Vorwort 1

- Aua dem Dobsinaer Volksglauben 106

Kartenspielerglauben aus Ungarn 154

Kroatische Volkslieder aus Cirkvenica 252

Jannsen H., Estnische Volksmärchen: Die bunten Kühe. Des Teufels

Haus. Die Fahrt des Herrn von Torgel 97, 200

Kdlmdny L., Nachlese zu den kosmogonischen Spuren in der magyari- schen Volksüberlieferung 78

Kinderschrecker und Kinderräuber in der magyarischen Volks- überlieferung 171, 188, 213

Kolumban L., Magyarischer Aberglauben aus Lozsad 296

Kraus» Fr. S., König Mathias und Peter Gereb. Ein bulgarisches Gus- larenlied aus Bosnien 46, 71, 129, 197, 234, 276

Das grosse Sammelwerk für bulgarischen Folklore 147, 205, 247. 294

Mdiyds L., Aus dem Volksglauben der Schwaben von Solymar, Szent-Ivin

und Hidegküt 162, 244

Munkdcsi Ii., Ueber die heidnische Religion der Wogulen . . . 61. 124. 191

Pdpai K., Eine Heldensage der Süd-Ostjaken 82

Der Holzbau der Palovzen (9 Illustrationen) 141. 283

Der Typus der Ugrier 257. 261

Strands A.t Bulgarisches Georgslied 167

Zur Volksmedizin der Bulgaren 223

Szongott Kr., Märchen der Siebenbürger Armenier (Die Kuh. Das Beil) 88

Sztankö B., bammeln ungarischer Volksweisen 99

Tör k A., Der palaeolithische Fund aus Miskolcz und die Frage des di-

lu vischen Menschen in Ungaru (6 Illustrationen) 8. 91, 117

Versinyi G., Deutsche Kinderreime aus der Gegend von Kömiuczbänya 101

Deutsche Volkslieder 255

Wlislocki H., Neue Beiträge zur Volkskunde der Siebenbürger Sachsen. IS Parallelen und Bemerkungen von IL Carsten*, O Fchclt, Frau .7 r. Findest.

A. Treiehrl, Dr. M. Itößrr 29::

Splitter und Späne: Besprechungsformeln aus dem XVI. Jahrhundert,

A. H. Kerbholz aus Lemnek, A. H. Das graue Mandl, A.

Schicanfelder ICH

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Seite

Ungarische Nationalausstellung, H. v. WIMocki. Die Gesellschaft für die V ölkerkunde Ungarns. Kröten und Schlangensteine.

Zum Fingerabschneiden der Witwe 179

Zipser Beschwörungsformeln, & Weber. Die Wunder- und Heil- kraft des Frosches in der Zip«, S. Wrber 297

Litteratur: Bastian A., Ideale Welten (H. t. Wlislocki) 66

Bartels M., Die Medicin der Naturvölker (H. v. Wlislocki) .... 212

Erdely ; 179

Krzherzog Josef, Zigeunergrammatik 178

E'hnographia < 178

Jankö J., Torda, Amnyosszek, Toroczkö {//. v. Wl.) 177

Kalmany L., Vilagunk alakulasai (A. H.) 60

Kraus. Fr. A., Böhmische Korallen (II. v. Wl.) 17«

Leland Ch. G., Etruscan Roman Remains (L. Kalona) 58

Szinnyey J., Magyar tajszötär (A. H.) 69

8zoi:go't Kr., Szamosujvar (//. f. Wl.) 177

Ungarisches Convcrsationslexikon 178

Westermarck Kd., Geschichte der menschlichen Ehe (//. v. Wlitlocki) 256

Anzeigen und Bibliographie auf dem Umschlage eines jeden Heftes.

Zur Zigeunerkunde.

Erzherzog J»* f, Mitteilung' n über die in Alcsüth angesiedelten Zelt- zigeuner 3

Herrmann A., I -Kiiiiu-nt <• zur Geschichte der Zigeuner (I. Opinio. De

don)iciliHfi<vi . < r, Uegulatione Zingarorum). . . 55, 114, 168, 210, 221

Zigeuners»-, r, ii. über Erzherzog Josef:

I. Curko ti t den grossen Zähnen 112

11. Der NYl-.-'fcönig 165

III. Obristei .losef 1^6

IV. Dan umlaiittsne Land 204

V. Wie Joset König wurde 254

Kerbhölzer der Wanderzigeuner (4 Illustrationen) 157

Volkslieder bosnisch-türkischer Wanderzigeuner I. XII. . . 106, 209

Kolonisierung der Zigeuner in Ungarn 179

Wlislocki IL v , Das Vehuigericht der bosnischen und bulgarischen Zi- geuner 178

Seelenloskauf bei den mohammedanischen Zigeunern der Balkanländer 194

Zidinski Vlmlhlnr h'orntl Kitter row, Die Abstammung der polnischen Zi-

geunet- nach ihrer Tradition 250

Die Reconsf irmeHing der „Gypsy Lore Society'* 10»>

An die Mitglie.vi- {\vr „Gypsy Lore Society" (Umschlag von Heft 1-8)

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Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn.

UNTER DEM PROTECTORATE UND DER MITWIRKUNG

S>r. Unis», n. königl. Horieit «les Herrn Erzherzogs Jos»ef REDIGIKRT U. HERAUSGEGEBEN VON J^.NTOM J^ERRMANN.

III. Band. Budapest, 1893. Juni. 1—2. Heft.

Als Vorwort.

Durch unverhält massige Opfer erschöpft, durch viele Misslich- jfi entmutigt, war ich schon im Begriff, diese vor seclis Jahren «. findete, von den Fachkreisen des Auslandes einstimmig gewürdigte, N&ulande kaum beachtete Zeitschrift eingehen zu lassen, jf Der erhabene, hochherzige Förderer alles Edlen und Schönen Vaterlande, selbst einer der gediegensten Forscher auf dem '•biete heimischen Volkstums, Seine kaiserl. und königl. Hoheit, i;v durchlauchtigste Herr Erzherzog Josef, in gerechter Würdigung !er hohen Aufgaben der «Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn", sollte es nicht zulassen, dass ein so bedeutsames Unternehmen zu wirken aufhöre. Mit fürstlicher Munihcenz geruhte Seine Hoheit, die materiellen und moralischen Bedingungen des Gedeihens und Auf- schwunges dieser Zeitschrift allergnädigst zu sichern. Die Wissen- sehaft ist Seiner Hoheit hiefür zu tiefstem Danke verpflichtet

Die „Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn" erseheinen nun unter dem Protectorat und der Mitwirkung Seiner kaiserl. und königl. Hoheit und unter der Kedaction des Gefertigten. Der be- kannte Volksforscher Dr. Heinrich von Wlislocki wird als ständiger interner Mitarbeiter fürderhin seine volle Kraft für die Zeitschrift einsetzen. Unser als Mitredacteur hochverdienter Mitstreiter Prof. Dr. Ludirig Katowi wird uns auch ferner als Hauptmitarbeiter im folkloristischen Fache unterstützen, während das bislang unberück- sichtigt gebliebene Gebiet der Anthropologie in Prof. Dr. Aurel v. Török, (lern gelehrten Director des anthropologischen Museums zu Budapest, einen würdigen, in Ungarn gegenwärtig einzigen Vertreter gefunden hat. Ausser diesen werden uns fast alle namhaften heimischen Fachgenossen und auch einige hervorragende Forscher des Auslandes zur Seite stehen.

Wir dürfen es wol als einen Fortschritt in der Entwickelung unserer Zeitschrift bezeichnen, dass wir ihren Kreis sowol in Bezug auf die zu behandelnden Disciplinen, als auch hinsichtlich des Forschungsgebietes erweitern, ohne dabei die uns ursprünglich gesteckten Ziele im Wesentlichen zu überschreiten. Wir werden neben Ethnologie, Ethnographie und Folklore, auch die verwandten Zweige: die Anthropologie, Fraehistorie und Demographie in den Bereich unserer Mitteilungen ziehen. Wir haben auch bislang das Volkstum der südöstlichen Nachbarländer Ungarns und der ural- altaischen Verwandten der Magyaren berücksichtigt. Dies werden

Ethnol. Mitteil k. i;nKRrn III. 1

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wir in Zukunft in erhöhtem Maasse tun. Zufolge seiner geographischen und ethnographischen Verhältnisse ist Ungarn in erster Reihe berufen, zwischen Orient und Oecident zu vermitteln, besonders in Bezug auf die Kunde des Volkstums, das eben hier die instruetivsten Berührungen und Wechselwirkungen zeigt. Die Ergebnisse der eth- nischen Untersuchungen auf ural-altaischem Gebiete den westlichen Forschern zu erschliessen. erscheint auch als eine Aufgabe ungarischer Wissenschaft. Wir werden besonders H. Vdmberys und W. Kunos* türkiseh-tartarische. sowie B. Munkdcxi*. K. Pdpnin und Ii. Vikar* finnisch-ugrische Studien veröffentlichen. Die orientalischen Beziehun- gen werden in Gr. G. Kuun und J. Gohiziher ihre Vertretung finden.

Für das Gebiet südslavischer Volksforschung wird auch in Zukunft Dr. £>'. Kraus* unser Fachreferent sein. Von andern Hauptmitarbeitern nennen wir hier noch L. Kdlmdn, für magyarische Volksüberlieferung; J. Janku, für das Magyarentum Siebenbürgens; A. M. Marienescu, für rumänischen Folklore; L. Patrubdn. für die Kunde der ungarischen Armenier: Bischof P. Firczäk, für die Ruthenen; S. Czambel, für die Slovaken ; L. Rtthy für ungarische Ethnologie.

Das ausgezeichnete Organ der Gypsy-Lore-Society ist nach kurzem, doch höchst erspriesslichem und anregendem Wirken einge- gangen. In Ungarn aber hat mit Hinsieht auf die Regelung der Zigeuner- angelegenheit. die Zigeunerkunde eine hohe aktuelle praktische Be- deutung erlangt. Ungarn ist das klassische Land des Ziegeunertums. das hier von hervorragenden Forschern, an deren Spitze unser erlauchter Proteetor, Herr Erzherzog Josef steht, eingehend studiert wird. Wir halten daher unsere Zeitschrift für berufen, auch als Organ der allgemeinen Zigeunerkunde zu wirken. Wir können uns hiebei auf die Mitwirkung sämmtlicher heimischer und der her- vorragendsten ausländischen Fachgenossen stützen ; auch die Vor- stehung der internationalen Gesellschaft für Zigeunerkunde hat sich in diesem Sinn erklärt, wie aus dem betreffenden Ersuchen zu ersehen.

Unser weites Arbeitsfeld, unsere zahlreichen Mitarbeiter und unser eigenes Material sichern unserer Zeitschrift die reichste Fülle ganz originaler, vollständig neuer Mitteilungen. Doch wollen wir uns durchaus nicht ausschliessend auf solche beschränken. Wir erachten es im Gegenteil für eine ganz specielle und besonder.^ dankenswerte Aufgabe unserer Zeitschrift, von den unahnbar reichen ethnischen Schätzen, die in magyarischer Sprache und in minder be- kannten Idiomen heimischer und benachbarter Völkerschaften fast ohne jeglichen Nutzen für die allgemeine Fachwissenschaft aufge- speichert liegen, das Wichtigste in Uebersetzungen und Auszügen allen Mitforschern zugänglich zu machen. In erster Reihe werden wir auch fortan die Wirksamkeit der, zu erspriesslichem Gedeihen sich eben aufschwingenden Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns berücksichtigen. Im übrigen erlaube ich mir auf das Programm im allerersten Heft (1887) dieser Zeitschrift hinzuweisen.

Und nun in LielV und Treu ans Werk!

Budapest, am 1. Juni 1893. Anton Herrmann.

1

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Mitteilungen über die in Alcsüth angesiedelten Zelt- Zigeuner.

Von Erzherznj Jone f.

Als einige Komitate jenseits der Donau den wandernden Zelt- Zigeunern das Halten von Pferden untersagt hatten, und ihnen, wo sie immer betroffen wurden, Wagen und Pferde confiscierten, ohne früher für ihren anderweitigen l7nterhalt Sorge getragen zu haben, war es nur natürlich, dass sie zu mir kamen, wol wissend, dass sie bei mir stets Aufnahme linden.

Alle Familien kannten mich. Sie hatten schon so manche rauhe Winterzeit, die sie auf ihren Wanderungen überraschte, auf meinen Meierhöfen zugebracht und dort Unterstand und Verköstigung gefunden. Sobald aber das Schneegestöber vorüber, waren auch sie verschwunden. Nun aber waren sie gezwungen zu bleiben.

Ihre Wanderungen erstreckten sich diesseits der Donau bis ins Turöczer und Heveser Komitat und jenseits der Donau bis Kroatien. Slavonien und selbst bis Fiume. Amtlich waren sie in die Ortschaften der Komitate Pest, Esztergom, Fejervär, Komarom und Veszprem eingeschrieben und besassen Regierungspässe für ganz Europa auf 1—3 .Jahre.

Ihr erlaubter Erwerb bestand bei den Männern in Pferdehandel, Schmiede- und Kesselllickerarbeiten; die Frauen übten hauptsächlich Wahrsagerei und erwarben sieh hiedurch selbst in höheren Kreisen, wo man solchen Aberglauben kaum suchen würde, ein erkleckliches Geld. Geduldeter Erwerb war das Betteln und nicht erlaubter hie und da das Stehlen. Ich muss aber hiebei bemerken, dass sie bei mir weder im Hause, das ihnen stets offen stand, noch in der Wirtschaft je etwas entwendeten.

Wenn sie durch die (legend von Alcsüth zogen und in der Nähe des Schlosses lagerten, suchten sie mich stets sogleich auf, und wenn ich im Garten nicht zu finden war, setzten sie sich auf die Stufen vor meiner ebenerdigen Wohnung nieder und harrten da meiner Rückkunft.

Ihre Kleidung bestand stets aus sehr mangelhaften zerrissenen Stücken; die Kinder entbehrten meistens auch dieser. Der ihnen eigen- tümliche Rauchgeruch war nicht zu verkennen. Typisch schwarz mit dunkler Hautfarbe ist ungefähr nur ein Dritteil. die andern zeigen Schattierungen bis ins Hellblonde mit weisser Haut, doch hatten alle sehr krauses, struppiges Haar. Sowol unter den Männern, als auch unter den Frauen gibt es nur sehr wenige, die wirklich schön genannt werden können.

Ausser der Horn-Sprache im rumänischen Zeltzigeuner-DnuVk' sprachen die Erwachsenen alle ungarisch mit zigeunerischem Aeeent. die meisten slovakisch, einige kroatisch und eine junge Frau, »he uw andern Stämmen in Böhmen und Deutschland gewandert war. s[»ra<\ nehen dem zigeunerischen ungarisch, slovakisch, böhmisch und deutsdi.

Sie lebten in Zelten und hatten eine besondere Abscheu v.i andern Wohnungen, seihst im strengsten Winter.

Aufs Brotbacken verstanden sie sich durchaus nicht und lernt« :, es auch bei mir nicht. Ihre hokhdVi bereiteten sie aus feinem Me" zu hartem Teig geknetet und in heisser Asche gebacken sehr gut. IN- liebste Nahrung war ihnen das Fleisch, und sie scheuten selbst \n altem Aasfleisch nicht zurück, das womöglich mit Essig gekokt wurde. Als die Koloihe schon mehrere Monate bei mir ansässig war stand eine Kuh an Antrax um, wurde tief verscharrt und da wir mv-en Leute kannten dabei drei Tage und Nächte lang Wache gehalten. I;i der vierten Nacht, als die Wache eingezogen war, gruben sie die Köl- aus und hielten frohe Mahlzeit. Ein Knabe wurde hiebei von eint" Fliege gestochen und erkrankte an Nase und Hals an Antrax, wnni-- jedoch auf der Budapester Klinik operiert und genas vollkommen.

Der Heiltrieb ist überhaupt bei allen Verwundungen sehr rasdt. was bei den häufigen, oft der geringsten Kleinigkeiten wegen entstan- denen blutigen Schlägereien leicht beobachtet werden kann. Fh> Rauferei entstand einst zwischen zwei neben einander schmieden- den Männern, weil des einen Feuer besser brannte und sein Blase balg kräftiger funetionierte. Da ich eben in der Nähe war, eilte i< . auf den Lärm herbei und machte Ordnung. Der eine Mann hatte w. einem dicken Baumaste am obern Hinterhaupte eine Sehlagwuml- erhalten, dass der Knochen blosgelegt war. Ich legte einen antibio- tischen Verband an und nach 48 Stunden war die Heilung vollkommen Zu meinem Arzte hatten sie kein Vertrauen, aber meine antiseptisch*5:! Mittel (dieselben, wie jene des Arztes) erkannten sie als gut au un<: besonders die .galbano dran* (gelbe Wurzel), das Jodoformpulv» r hatte ihr volles Vertrauen.

Ihre ausserordentliche Findigkeit im Gelderpressen legten sie b»'i mir glänzend an den Tag. als ich das Betteln verboten hatte mnl ihnen prinzipiell kein Geld gab, welches nicht durch Arbeit erworben war. In diesen Arbeitslohn wurde auch die Kost eingerechnet, tto sie mit baarem Gelde absolut nicht umzugehen wissen. Bald verlang- ten sie ein Kleidungsstück, welches dann verkauft wurde, bald baten sie nach Budapest ins Bad gehen zu dürfen, um sich schröpfen lassen. Einige giengen hin, andere verwendeten das Badegeld Branntwein.

Intelligenz und rasche Auffassung kann ihnen durchaus nidit abgesprochen werden. Diese zu beobachten hatte ich Gelegenheit audi in meiner kurze Zeit bestandenen Zigeunerschule, welche von alle* Kindern beiden Geschlechtes von f> -15 Jahren besucht wurde. l*e* röm. kath. Kaplan Andreas Häcz, der in kurzer Zeit ziemlich geläufig zigeunerisch sprechen gelernt hat. leitete den l-ntcrricht mit gn*sei..

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Erfolg. Besonders Gesang und Deklamieren gieng recht gut; selbst lange Gedichte und Ansprachen waren in kürzester Zeit auswendig gelernt. Hierin ragte besonders Kolompär Bangö. ein 10 jähriger Knabe hervor. Dieser hatte einmal als Vorhut seiner Familie den Weg von Miskolcz nach Alcsüth allein zurückgelegt.

Das Arbeiten konnte bei den Erwachsenen nur mit vielen Schwie- rigkeiten eingeführt werden. Das Ausnehmen der Rüben. Düngerauf- laden und Steineaulsammeln, wobei gross und klein beider Geschlech- ter mitwirkten, gieng ziemlich gut von statten. Erdarbeiten hingegen giengen einige Tage mit grosser Mühe und mit viel Klagen über Kreuz- weh. Einmal wollten sie im Akkord, bald wieder im Taglohn arbeiten. Bei der Schmiedearbeit bewährte sich auch hier ihre tradizionelle und bezeichnende Fertigkeit in der Metallbehandlung. Je drei Mann erhielten einen Amboss. einen Blasebalg und die übrigen nötigen W erkzeuge. Aus alten Werkzeugen erzeugten sie vorzügliche Hohrer ; aus allerhand altem Eisen machten sie Ketten. Spangen, Hacken, Nägel und dgl. für die ganze Wirtschaft

Nun aber kam die militärische Nachstellung dazwischen, da man jetzt wusste, wo sie sich befanden. Sie verharrten aber bei ihrer vorgefassten Meinung, wonach sie laut alten Privilegien vom Militär- dienst von jeher frei gewesen ; es giengen die meisten Familien ohne meine Zustimmung durch, und trotz der Verbote des Komitates kauften sie sich in Szekesfehervär Wagen und Pferde und wanderten Iiis Miskolcz. Ihr Wojwode, der. weil er sie von Arbeit und Schul- besuch abhalten wollte, schon früher entlassen worden und in Sze- kesfehervär interniert war, sehloss sich ihnen an und führte sie wei- ter. Er war 18 Jahre alt; seine Frau, eine 24 jährige Schönheit, geistig gut begabt, führte tatsächlich das Kommando. Die Truppe ward aber dieser Fürsorge bald überdrüssig und kehrte nach 1—2 Monaten wieder zu mir zurück. Ich liess sie nun alle der Nachstel- lungskommission vorführen, sie wurden aber sämmtlich als untauglich entlassen, was ich ungefähr voraussehen konnte, da allen die vor- geschriebenen Maasse fehlten.

Als nun wieder das Verlangen des Radebesuches auftauchte, und ich dies der in Rudapest damals aufgetretenen Kolera halber abschlug, wurde mir erklärt, dass Zeltzigeuner (eerhüri) koleraimmun seien, und wurde dies mit folgender Erzählung bekräftigt: _Als die Zigeuner vor langer Zeit ihre Frheimat in den hohen Bergen ver- lassen hatten, um in die weite Welt zu wandern, herrschte in der grossen Ebene die böse l'rme der Kolera. welche jeden Menschen umbrachte, dem sie nahe kam. Da flüchteten die Zigeuner au! ihren schnellen Pferden und setzten über einen grossen Fluss (Ganges?); die böse l'rme, die kein Pferd hatte und zu Fuss lief, konnte im grossen Wasser nicht weit kommen und musste umkehren, ohne einen Zigeuner zu tödten. Seither naht die Kolera nie mehr den Zigeunern, denn sie befürchtet, dass sie wieder in den grossen Fluss gelockt werde."

Die ansässigen Zigeuner wurden im Jahre 1S72— 73. wie ich

erfahren, von der Koleia sehr stark hergenommen, die Zeltzigeuner dagegen im allgemeinen nicht, vielleicht weil sie zufolge ihrer Lebens- weise stark abgehärtet sind, mit der übrigen Bevölkerung wenig in Berührung kommen und ausserhalb der Ortschaften in gesunder, frischer Luft lagern. Wer nicht fähig ist die grössten Strapatzen zu ertragen, stirbt schon als Kind.

Krankheiten kamen während ihres einjährigen Aufenthaltes bei mir kaum vor. Eine Frau, welche bei schwerer Entbindung innerliche Beschädigungen erlitten hatte, genas in einigen Wochen ohne beson- dere Pflege. Ein einjähriger Knabe erkrankte an Pneumia, wurde aber in einigen Tagen gesund. Als sie die für sie erbauten Hütten bezogen hatten, bekamen sie fast alle die damals herrschende Intluenza, aber in milderer Form : als ich sie sogleich wieder mit Zelten beschenkte, war das Uebel wie angeschnitten.

Während die ansässigen Zigeuner meistens eine sehr dunkle Hautfarbe besitzen und blonde unter ihnen sehr selten vorkommen, sind die Zeltzigeuuer meistens viel lichter und genug häufig blond. Abgesehen von der Bassenmisehung. die gewiss bei beiden hie und da vorkommt, könnte dieser Umstand vielleicht mit ein Beleg für die LJeberlieferung der Zeltzigeuner sein, wonach sie aus einer höhein Kaste stammen, die nie arbeitete; denn auch in Indien sind die höheren Kasten von hellerer Farbe und arbeiten nicht. Dies stimmt auch zur Aussage des von mir hochgeehrten Gelehrten und Zigeu- nerkenners Ch. G. Lela ml..

Während ihres Aufenthaltes bei mir hatte ich Gelegenheit, manche jener Erscheinungen des Volksglaubens zu beobachten, die Dr. Hein- rich r. Wlialocki so eingehend und interessant schildert. Einige von ihm nicht erwähnte, sowie einige Varianten der seinigou lasse ich hier folgen.

Vor dem Wiesel (Hermelin) fürchten sie sich ^ehr, besonders wenn es sich vor ihnen bäumt und pfaucht: sie meinen, das Blasen dieses Tieres verursache Krankheiten aller Art und Unglück in den Unternehmungen; auch sein Xame : phurdini stammt von phunld = blasen. Das Ziesel, Erdzeisel (peketiHca, aus dem serbischen lelcunir«) dagegen ist eine beliebte Speise und sein Fang eine Specialität un- serer Zigeuner.

Als die für meine Kolonie erbauten Erdhütten bezogen wurden, wollte niemand ins letzte Haus einziehen, da alle fest und steif be- haupteten, es giengen darin nachts die bösen Geister, die UuvinuA um ; auf ihr Bitten wurde dies Haus zur Schmiedewerkstätte her- gerichtet. Dies geschah auf der Puszta Dobos ; noch ärger gieng's in Göböljäräs zu.

Dort wurden in einem ehemaligen Ziegelschlag, wo vor 40 Jahren noch ansässige Zigeuner arbeiteten, an der Lehne eines Hügels, am Bande eines schönen Waldes, nahe einem Bache die früher bestandenen Wohnungen neu erbaut. Die erste Beschwerde war, dass ein ehemaliger Keller, jetzt eine Lehmgrube, von einem Phuvui bewohnt sei, der ihnen keine Buhe lasse. Ich liess diese

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Grube zuschütten. Nun waren es die Frösche und Schlangen, die aus dem Bache hervorsteigend die (legend unsicher machten, hinter denen jedoch die Xivn+i steckten. Umsonst wies ich auf die sie be- schützenden Khesal'i am Berge ober dem Walde ; endlich musste ich ihnen doch erlauben, in Zelten nächst dem Wirtschaftsgebäude zu wohnen.

Obwol alle römisch-katholisch getauft, und dieser Konfession angehörig, glauben sie absolut nicht an die kristliche Religion. Zum Gelderwerb tragen sie zu Weihnachten mit Beleuchtung und Ge- klingel Krippenspiele und Bethlehemgesänge* vor. was sie der Bevöl- kerung abgelauscht hatten. Wol lernten sie in Alcsüth auch heilige Lieder und besuchten Sonn- und Feiertag die Kirche, aber in ihre Seele war der (Haube nicht gedrungen, dieses könnte nur die plan- mässige Erziehung der jungen Generazion bewirken.

Hochzeiten waren nur zwei aus Kigennutz, doch mehrere nach Zigeunerritus. Dabei gab's Musik und Tanz, Essen und Trinken von Früh bis Abends. Nachmittag gegen drei Uhr wird dem Brautpaar in Wasser aufgeweichtes Brot mit Salz durch der» Wojwoden in den Mund gestopft: andern Tags, wenn das junge Paar erwacht, wird der jungen Frau das Kopftuch durch die beiderseitigen Eltern aufgebun- den. Dies tragen nur Frauen und gefallene Mädchen.

Die Taufscheine behufs Feststellung ihres Alters konnte ich nur für einige erhalten, da viele den Ort ihrer Geburt nicht wussten, und den eventuell nächst gelegenen ihrer Taufe noch weniger. Die meisten wissen nur, dass sie ,«/>re %droineste" auf dem Wege das Licht der Welt erblickt haben.

Neugeborne Kinder, für die auch sonst tunlichst vermögende Paten gesucht werden, wurden auch bei 18° Kälte möglichst bald zu mir, ihrem Oberhaupte gebracht, nebst der Vorstellung wol auch um irgend ein Geschenk zu erhalten. Ich wurde und werde auch vor der Ansiedlung und nach der teilweisen Aufhebung derselben, trotz aller meiner Proteste, stets <tmaro kraj betitelt, da sie den Titel ^Vajdir oder ^MujuUr zu gering fanden.

So wenig meine Zigeuner als Wanderer sonst auf Äusserlich- keiteu hielten, so eitel wurden sie als Ansiedler. Die Männer wollten nunmehr nur feine kurze gestickte Hemden, breite Gatyen und ver- schnürte blaue Tuchkleider mit grossen silbernen Knöpfen, sowie Pelzmützen tragen. Die Frauen und Mädchen brauchten feinen Chifon zur Wäsche, bunt gestickte rote Perkai- und gelbe Seidenröcke, buntseidene Kopf- und Brusttücher, mit buntem Leder verzierte enge Knöpfschuhe, in denen sie ihre Füsse meist wund giengen. Manche kauften sogar Handschuhe und Begenschirrne. Silberne und goldene Hinge, Ohrgehänge. Halsketten aus Münzen und Muscheln waren ihnen schon last unentbehrlich, wanderten aber oft in Versatz. Im geselligen Benehmen entstand ein komisches Gemisch von Wildheit

■'■ V-l. Ktbnographia. II. 125.

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und feinen Manieren, welch letztere jedoch einige junge Mädchen sieh wahrhaft bewunderungswürdig schnell aneigneten.

Die noch zurückgebliebenen Männer arbeiten jetzt als Herr- schaftskutscher ganz gut und schicken sich in das Loos der fixen Bezahlung und Deputate.

Jenen aber, die auf Wunsch der Komitatsbehörde entfernt wur- den, erwirkte, ich ihr altes Recht. Pferd und Wagen zu halten, und bin daher ihrer künftigen häufigen Besuche bei mir gewiss.

Der palaeolithische Fund aus Miskolcz und die Frage des diluvischen Menschen in Ungarn.

Von Prof. Dr. Aurel r. Tirök; Direktor des anthropologischen Museums zu

Budapest.

(Mit (> Fi ff u mi.)

Es ist gewiss ein interressanter Zufall, dass der erste Nachweis von palaeolithischen Steinäxten (Chelles-srher Typus) in Ungarn gerade in diejenige Phase der praehistorischen Forschung fällt, wo sich ein tiefeingreifender Umschwung in den Anschauungen über das Alter der Menschheit vollzieht.

Ich sehe mich daher veranlasst, die Gelegenheit zu ergreifen, um bei der Besprechung di.eser für Ungarns Palaeethnographie wich- tigen Entdeckung, die wir dem durch sein über die ungarische Fischerei („A magyar haläszat könyve'" l. II. k. Budapest 1887) ge- schriebenes Prachtwerk verdienstvollen Gelehrten Otto Ikrmnn ver- danken, der dieselbe am Anfang dieses Jahres in ungarischer Sprache unter dem Titel: »A miskolczi palaeolith lelet" („Der Miskolczer palaeolithische Fund") in der Zeitschrift: „Archaeologiai ßrtesitö" (XIII. Bd. No. 1. Budapest 1893. S. 1—25) veröffentlichte, auch die Frage des diluvischen Menschen in Ungarn näher zu beleuchten ; und zwar umsomehr, als ich den Schlussfolgerungen O. Hermwa, y.w welchen er auf Grundlage dieses Fundes in Bezug auf den Beweis der Kxistenz des diluvischen Menschen in Ungarn kommt, nicht bei- pflichten kann.

Ks ist eine der Analogieen zwischen den Krscheinungen der physischen und psychischen Welt, dass wenn gewisse Hindernisse in der Richtung der wirkenden Kräfte sich entgegenstellen, hier wie dort ein gewaltsamer Durchbruch erfolgt, wobei wie bei den strö menden Gewässern die normalen Ufer weit überflutet werden, um dann schliesslich doch wieder zum regelmässigen Kurs zurückzu- kehren.

Die Hindernisse, die sich einer stetigen und ruhigen Strömung der geistigen Aufklärung entgegenstellen, bilden unsere vorgefassten Meinungen, unsere angeerbten und deshalb liebgewonnenen Tradi- tionen in der Auffassung von wissenschaftlichen Problemen, dem zu Folge von Zeit zu Zeit grössere Ucbertlutungen im Gebiet der gei-

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stigen Strömung eintreten müssen. Welch lange Zeit und wie viele fehlgeschlagene Versuche kostete es, his endlich die auf die alten Traditionen sich stützende Auffassung von der Stabilität der „Kassen" durch Darwins „Origin of the species" überwunden werden konnte! Kaum hatte aber die darwinische Lehre obsiegt, als sich schon Speeulationen regten, die den wissenschaftlichen Tatsachen weit vor- auseilend, die biologische Forschung mit einer solchen Menge von Hypothesen überfluteten, dass eine Katarhsis der Ansichten sich wie eine natürliche Notwendigkeit herausstellte. Und heute nach beiden Richtungen hin eines Besseren belehrt, betrachten wir einerseits die alten Traditionen ebenso nüchtern, wie wir dies andererseits in Be- zug auf die voreiligen neuen Hypothesen über die nächste Abstam- mung (Phylogcnie) des Menschen tun. Kben die neueren und genau- eren Kenntnisse der Anthropoiden mussten uns von den kühnen Hypothesen bekehren und unser Denken wieder in die ruhige Strö- mung zwischen die engeren Grenzen der wissenschaftlichen Tat- sachen zurückbringen, bei welcher wir ganz leidenschaftslos der Dinge harren, die da kommen sollen. l'nd so sehen wir uns ge- nötigt, das den Hypothesen nach als bereits aufgefunden vermeinte „fehlende Glied" (missing link) in der Kette der Organismen-Reihe auch noch fernerhin zu suchen, wie ehedem. Die Hindernisse muss- ten mit einem Aufwand von grösserer Energie des stets strömungs- hedürftigeu Geistes durchbrochen werden ; hierauf folgte die Ucber- flutung der Hypothesen, um dann wieder in die normale ruhige Strömung des streng wissenschaftlichen Denkens einzulenken. Das- selbe Schauspiel bietet uns die bisherige Geschichte des Problems des Alters der Menschheit. Musste nicht Boucher de Perthes lange Jahre hindurch gegen die traditionelle Auffassung des biblischen Alters der Menschheit kämpfen, bis es ihm endlich gelingen konnte, mit der Idee eines prähistorischen Alters der Menschheit durchzu- dringen? l'nd namentlich waren es seine eigenen Landsleute, die französischen Gelehrten, von deren Seite er den hartnäckigsten Wider- stand erfahren musste; kaum hatten aber fremdländische Forscher sich den Ideen von Boucher d? J'erthes angeschlossen, so waren es wieder seine Landsleute, die zu den begeistertesten Proselyten der neuen Lehre geworden, sich nicht mehr mit dem diluvialen Aller begnügten, sondern sogar auch noch die tertiäre Zeit für die Mensch- heit in Anspruch nahmen.

Der Process der geistigen Retorsion musste auch hier eintreten; und dieser Process vollzieht sich jetzt vor unseren Augen, da wir in Folge der ganz neuen genialen Auslegung der praehistorischen Fiunie durch den allverehrten Nestor der Wissenschaft Justus Steen- Htrujj in Kopenhagen, sowie durch den penthallischen Heros der Wis- senschaft Rudolf l'irchntr in Berlin, genötigt sind auch die Frage des diluvischen Menschen mit ganz anderen Augen zu betrachten, als wir dies bisher gewohnt waren. Es mussten auch hier die ungestümen hypothetischen Speeulationen über die vermeintlichen Beweise der praehistorischen Funde, einer ruhigeren und nüchterneren Aulfassung

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den Platz räumen, so dass wir schon jetzt genötigt sind zu erklären : dass auf Grundlage der bisherigen Tatsachen der Mensch mit dem Mammut nicht zusammenleben konnte und dass das Alter der Mensch- heit nicht Uber die sog. Bentierzeit hinaus sicher verfolgt werden kann.

Die grosse Tragweite dieses Umschwunges in den Anschauun- gen des praehistorischen Problems wird man sofort einsehen müssen, wenn ich hervorhebe, dass man bisher der Meinung war: dass in der ersten Epoche der palaeolithischen Zeitperiode, nämlich in der Chelles-schen Epoche der Mensch in Europa sowol noch das Mammut wie auch Hippopotamus, Uhinoceros Merkii und den Elephas antiouus unter den lebenden Tieren antraf (s. G. d. MortilleVs: „Lp prehis- torique antiquite de I homme" Paris 1883. S. 131).

Ich musste diese Bemerkungen meinem Referate über den Miskolczer palaeolithischen Fund eben deshalb vorausschicken, da dieser Fund nach dem Typus der Bearbeitung der Steinäxte der Chelles-schen Epoche zugehörig erscheint : somit dieser Fund nach der älteren Auffassung schon an und für sich als sicherer Beweis der Exis- tenz des diluvischen Menschen in Ungarn gelten könnte, wie auch in der Tat Otto Herman mittels dieses Fundes den diluvischen Menschen in Ungarn für schon erwiesen erklärt. Dass dem aber nicht so ist, soll im Folgenden des Näheren auseinandergesetzt und gemeinverständlich erklärt werden.

Zunächst wollen wir uns mit den Daten der Auffindung der Mis- kolczer palaeolithischen (zugeschlagenen) Steinäxte naher vertraut machen.

Wie Otto Herman berichtet, hatte er das Glück in den letzten Tagen des vorigen Jahres (26. Dez. 181)2) von Herrn Johann Bdrsony Rechtsanwalt in Miskolcz ein Steingerät zu bekommen, welches mit zwei anderen solchen Geräten bei der Fundamentierung des Hauses des eben genannten Rechtsanwaltes von den Bauleuten etwa 3 M. tief in der gelblichen Lehmschichte des Erdbodens aufgefunden wurde. Der Hausbesitzer, ein Amateur von Altertümern erkannte sofort den Wert dieser Steingerätc. Das eine behielt er für sich, das zweite verehrte er dem Gerichtssenats-Präsidenten in Debreczen Herrn Wolfgang Szelf. ebenfalls einem Altertumsfreund, dem wir einerseits mehrere sehr inter- essante Forschungen, sowie Geschenke für das Budapester anthropo- logische Museum verdanken und das dritte - das schönste Exemplar erhielt eben O. Herman.

Wir entnehmen aus dem Berichte, dass die hier in Rede stehenden drei Steingeräte nach der Ueberzeugung 0. Hermans ganz zweifel- los unterhalb der alluvialen Erdschichte lagen ; hingegen dass nach dem Ausspruche des Landes-Hauptgeologen Herrn v. Rath (der die geo- logische Aufnahme von Miskolcz ausführte), die betreffende Lehm- schichte „nur irahrtcheinlich eine diluviale ist."

Wenn also nach der Aussage des für diesen Fall einzig compe- tenten Fachmannes, das geologische Alter der Lehmschichte, worin sich die palaeolithischen Steinäxte befanden, nicht ganz sicher zu ent-

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scheiden war : .so musste hierdurch auch das diluviale Alter dieser Steinäxte ebenfalls fraglich werden.

Da die Frage einmal aufgeworfen ist, so müssen wir dieselbe wegen ihrer grossen Wichtigkeit hier noch weiter analysieren.

Wir fragen: dass auch im Falle als die betreffende gelbliche Lehmsehiehte ausser allem Zweifel eine diluviale Schichte wäre, könnte man dies für den Beweis des diluvialen Alters der nach dem Chelles- schen Typus zugeschlagenen Steinäxte schon als vollkommen genü- gend erachten? Mit nichten. Nicht in der etwaigen Sicherheit der Be- stimmung des geologischen Zeitalters der Schichten, sondern einzig und allein in der Sicherheit des Nachweises: dass die betreffenden Artefacte oder menschlichen Knochen in einem jungfräulichen, unberührten Zustande der Schichte sich befinden, d. h. dass die Entstehung der betreffenden Erdschichte mit den eingeschlossenen Artefacten oder Knochen in dieselbe Zeit fällt liegt das einzig entscheidende Moment des ganzen Problems.

Da dieses Moment bisher zumeist nicht genügend gewürdigt wurde, denn eben wegen Vernachlässigung desselben hat man nur zu oft praehistorische Funde für viel älter gehalten, als sie es wirklich sind, (wie dies weiter unten noch an für die Prähistorie bisher klas- sisch geltenden Funden näher demonstriert werden soll), so will ich hierüber auf (irundlage meiner eigenen Erfahrungen eingehender ver- handeln.

Ich stelle an die Spitze meiner Erörterungen die Tatsache, dass die nähere Entscheidung dessen : ob die praehistorischen Objekte mit der betreffenden Erdschichte gleichalterig sind oder nicht, in allen Fällen höchst schwierig, in vielen aber geradezu unmöglich ist.

Finden wir nämlich die Objekte in der betreffenden Eriteehiehte derart eingeschlossen, dass sie mit dieser eine Breccie bilden und wo wir mit dem freien Auge und mittelst des Tastgefühles weder in Bezug auf die Farbe, noch in Bezug auf die Konsistenz. Gefüge, mineralische Zusammensetzung, irgend einen Unterschied bemerken können und wo wir auch sonst keine Unordnung in der Lagerung der Schichte beobachten können, so venneinen wir hierin schon einen sicheren Beweis dessen aufgefunden zu haben: dass hier eine nach- trägliche Störung der betreffenden Erdschichte auszuschliessen sei, d. Ii. dass die Objekte mit der Erdschichte gleichalterig sind. Dass dem nicht so ist. fand ich bei meinen Ausgrabungen am Dolmenfelde in Boknia (Algirien). In einigen dieser Dolmen fand ich die tiefer begrabenen Knochen und Beilagen (roh gebrannte Urnen, Bronzringe) sowie bereits ausgestorbene Schnecken (von Delix aspersa Bokniaca) mit der Erdschichte eine feste Breccie bildend, so dass die nachherige Ausschälung der Knochen und Objekte nur teilweise gelang; ich habe die Skelete deshalb in grossen Erdklumpen herausbefördert und einen Teil der Ausgrabung auf diese Weise »en hloc" aufbewahrt. Da in den oberen Schichten der Breccie die Schalen von recenten Schnecken (Delix pomatia) vorkamen, so interessierte es mich zu erfahren: ob nicht etwa ein Unterschied der oberflächlicheren und tieferen Schichten der Dolmenerde zu bemerken <ei. was ich nicht auffinden konnte.

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Ich habe diese Erde auch von den Geologen besichtigen lassen, auch diese konnten keinen Unterschied zwischen den tieferen und oberfläch- licheren Schichten bemerken ; somit boten diese Klumpen eine dem Augenscheine nach ganz gleichinässigc Erdschichtc dar. wiewol darin Objekte von verschiedener Zeit enthalten waren. Was das Zeitalter der Dolmen-Skelete anbelangt, so kann man hierauf bezüglich Fol- gendes anführen. Climttjtollion („Lettre* sur l'Egypte et la Nubie etc." p. 248) fand an den ägyptischen Monumenten unter der XVII. und XVIII. Dynastie den Typus der sog. Tnmhu oder Tamnhu abgebildet, von welchen der berühmte altägyptische Geschichtsschreiber Maneth > (ein Priester von Heliopolis unter Ptolemeus Philadelphus) aussagt, dass sie von Nordafrika Egypten mit einem Heere überzogen. Der Zeitpunkt dieses Einfalles der Tamahu fällt nach den Berechnungen zwischen 1591 2135 v. Chr. Nach den einschlägigen Daten der aegyptologischen. praehistorischen und anthropologischen Forschungen schreiben die Gelehrten das Dolmenfeld von Roknia den Tamahu-s zu.

Aber auch bei viel recenteren Gräbern und Tumuli „aus den eisten Jahrhunderten unseres .lahrtausend (bei Alpär und Orkeny in Ungarn) fand ich die Kidschichte um die Skelete herum vollkommen kompakt und gleichmässig im Gefüge, sowie ganz gleichmässig ge- färbt; so dass die Stelle der Aulwühiung in Folge des stattgehabten Begräbnisses dem freien Augenscheine mich nicht im mindesten zu erkennen war und eine Unterscheidung der aufgewühlten Partie von den nicht aufgewühlten Partieen der Krdschichte (zwischen den Grä- bern) einfach unmöglich war. Hingegen fand ich bei 400 500 jährigen Gräbern (bei Duna-Földvär. in Pankota) immer mehr weniger deutliche Spuren "der Aufwühlung der Erde und zwar zumeist durch eine ver- schiedene Färbung und verschiedene Konsistenz der Leichenerde : die sich entweder schon von der Kulturschichte angefangen, oder gleich unterhalb derselben teils kontinuierlich, teils mit Unterbrechungen bis zum Skelet verfolgen liessen : es kam auch das vor. dass der Farbenunterschied erst unmittelbar rings um die Knochen in der Erd- schichte aufzufinden war. so dass die oberhalb liegende Schichte mit den übrigen zwischen den Gräbern liegenden Schichten nicht mir eine vollkommen ungestörte Kontinuität bildete, sondern auch ganz gleichmässig gefärbt war.

Ich habe diese sehr lehrreichen Fälle von Fundorten aus ver- hältnissmässig viel recenterer Zeit deshalb hier angeführt, damit die Fachgenossen künftighin dieser speziellen Frage eine viel grössere Aufmerksamkeit schenken mögen ; denn es ist einleuchtend, dass die Entscheidung einer Intaktheit der Erdschichten für einen jeden ein- zelnen Fall eine ganz spezielle Frage bildet, weshalb man immer die speziellen Terrainverhältnisse, die geologische, physikalische und chemische Beschaffenheit der betreuenden Lokalität in Erwägung brin- gen muss. Aber eben deshalb muss auch das einleuchtend sein, dass man für derartige Lokalitäten keine bestimmten Zeitgrenzen angeben kann, wo die Möglichkeit eines Nachweises der Intaktheit der Erd- schichte aufhört. Ich habe bei meinen speziellen Fällen eben diese

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Tafel zu: Der palaeolithische Fund aus Miskolcz und die Frage

des diluvialen Menschen in Ungarn.

Die drei Silexflxt* ran Miskolcz und drei französische Chflles'sch* Silexä.rtc.

a h c

St. Acheul St. Acheul Brive

Mas. St. Qeraiain Mui. St. Gennain Coli. Haii«n»t Nr. 7001. Nr. 15U82. ft Brive

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Beobachtungen gemacht, die ich anführte, und andere werden wieder andere Beobachtungen machen. Betreffs des Zeitpunktes kann somit im Allgemeinen nur das behauptet werden : dass „ceteris paribus" die Schwierigkeit der Entscheidung einer Intaktheit der Lokalität umso grös- ser wird, um je ältere Zeitepochen es sich handelt, wie ich hierfür weiter unten bei Besprechung der vermeintlichen diluvialen Menschen- schädel, einen höchst instruktiven, man könnte sagen, einen klassi- schen Fall anführen werde. Xach meinem Dafürhalten wird es also fürderhin nötig sein, die Erdschichten der praehistorischen Funde ganz systematisch einer physikalischen, chemischen und sogar auch mikrosko- pischen Analyse zu unterziehen, denn zur sicheren Entscheidung der hier in Rede stehenden Frage reicht in vielen Fällen auch das geübteste Auge eines Geologen nicht aus.

Wenn schon in solchen Fällen, wo man selbst die Ausgrabungen macht, so grosse Schwierigkeiten obwalten, wie könnte man den Nachweis der Intaktheit der Erdschichte erbringen wollen, wo die Ausgrabung der Funde durch unkundige Mände geschah, und wo es überhaupt erst dann möglich ist, sich mit dieser Frage zu beschäfti- gen, wenn die betreffenden Partieen der Krdschichte schon ausgehoben wurden? Auch bei der Ausgrabung des Miskolczer Fundes waren keine Sachverständigen Kugegen, weshalb der von O. Hermnn behufs der Beweisführung erwähnten Aussage des Hausbesitzers, dass er den Bau auf dem bisher ungestörten Teil seines Grundstückes aufführen Hess, auch nicht der mindeste Wert beigemessen werden kann : da es sich hier nicht um die Intaktheit der zur Baustelle verwende- ten Partie als solcher, sondern um die Intaktheit jener eng begrenz- ten Lokalität handelt, wo die drei Äxte aufgefunden wurden. Es ist ja doch einzusehen, dass an einer engern begrenzten Stelle die Erdschichte aufgewühlt werden konnte, ohne dass die Umge- bung in ihrem ursprünglichen Zustande gestört wurde. Ich will aber damit nicht behaupten, als wären die fraglichen drei Äxte ein- gegraben worden ; sie konnten einfach in eine damalige Vertiefung. Riss, Loch der Erdoberfläche zufällig hineingefallen sein, welche Öffnung oder Vertiefung des Niveau mit der Zeit auch ohne Zutun des Menschen wieder ausgefüllt wurde - ohne irgend eine Spur dieser Ausfüllung zurück zu lassen. Wie wir auch hier sehen können, gibt es der Möglichkeiten und folglich der Schwierigkeiten so viele, dass „a posteriori" eine jede Beweisführung höchst problematisch" blei- ben muss.

Aus allen diesen hier erwähnten Momenten geht ganz unwiderleg- lich hervor, dass das diluviale Alter der drei Steinäxte gar nicht erwiesen wurde und auch nicht mehr erwiesen werden kann: da wenn auch die betreffende Lehmschichte ganz bestimmt eine diluviale wäre was aber der hierfür einzig competente Fachmann nicht behauptet hat, indem er dieselbe nur wahrscheinlich für eine diluviale erklärte, betreffs des einzig entscheidenden Momentes, nämlich der wirklichen Intaktheit der betreffen- den Lokalität jeder Beweis fehlt; denn dass die primitive Zubereitung der Steinäxte an und für sich noch keinen sicheren Bend* für das diluviale

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Zeitalter derselben liefern kann ist für jeden in der prähistorischen Forschung bewanderten Menschen einfach klar.

Nun wollen wir sehen, wie die Steinäxte selbst beschaffen sind. Wir entnehmen der Beschreibung folgende Daten. Das Material, aus welchem diese Steinäxte mittels Zuschlagens verfertigt wurden, besteht, wie 0. Her man sich ausdrückt, aus „Feuerstein1" (Silex), eine spezielle Determination dieses Silex gibt der Autor nicht. Er erwähnt zwar, dass es kein „Klint" sei und dass solche Silexe auch in Ungarn vorkommen.

Die eine Steinaxt (im Besitze des Herrn Otto Her man in Buda- pest, wollen wir sie fürderhin 1 nennen, s. Fig. A. auf der Tafel), weist sozusagen ein klassisches Exemplar des Chelles-schen Typus auf. Sie zeigt die typische Mandelform, von aulTalend schönen Con- touren, mit den deutlich conchoid ausgeprägten Schlagmarken auf beiden Seiten und den Retouchen an den zugeschärften Kanten ; von Polierung ist an ihr keine Spur zu sehen. Diese Steinaxt gehört zu jenen Formen der Chelles'sehen Industrieperiode, welche sich durch eine längliche Form auszeichnen. Die Länge beträgt nämlich = 23'8 cm., die Breite = 110 cm., die Dicke = 23 cm. Die Dicke der Axt nimmt von der Mitte gegen die Seitenkanten allmälig, gegen das zuge- spitzte Ende stärker ab. An diesem Ende ist beiderseits an dem breiteren Ende der Mandelform nur auf einer Seite eine eisenhäl- tige Kruste des Gesteins zu bemerken. Die Färbung ist dunkel, horn- schwarz mit rötlichen Einsprengungen. Eine Patina ist an ihr nicht nachzuweisen, ihr Lustre ist von gleichmässigem Seidenglanz. Eine durch den Gebrauch entstandene Abwetzung sowie eine Reibung von Gerollen ist an ihr nicht vorhanden; dieselbe ist mit Ausnahme einer bei der Ausgrabung erfolgten kleinen Scharte an dem spitzigen Ende vollkommen unverletzt.

Die zweite Axt (No. 2, im Besitze des Herrn W. Szell in Deb- reczen. s. Fig. B. auf der Tafel) weist dieselbe Zubereitung durch Zuschlagen auf, auch an ihr ist keine Spur einer Polierung zu ent- decken, auch die Färbung ist dieselbe. Ihre Form ist noch immer eine Mandelfor, maber von grösserer Breite im Verhältnis zur Länge. Diese beträgt nämlich = 19*5 cm., die Breite = 11*1 cm. und die Dicke 2*3 cm. Auch diese Axt ist ringsum mit zugeschärften Kanten versehen, die beiden Enden aber abgestutzt und zwar an dem einen mehr als am anderen. Die beiderseitigen Contouren ver- laufen in schiefer Krümmung, in Folge davon auch die Längsaxe der Axt eine schief verlaufende ist. Auch an ihr ist keine Patina zu ent- decken, ihr Lustre ist ein gleichmässiger aber weniger glänzend als bei der vorigen. Eine Abwetzung oder Reibung ist auch an ihr nicht vorhanden, die Axt ist vollkommen unverletzt.

Die dritte Axt (Nro 3, im Besitze des Herrn Bärsony in M^s- kolcz, s. Fig. C auf der Tafel) hat eine dreieckige Form, ihr Gestein ist lignitartig schichtig, von gelblich hellgrauer Färbung. Ihre Länge = U'O cm., Breite an der Basis = 8'0 cm., Dicke = 30 cm., diese letztere bleibt im Grossen und Ganzen überall dieselbe. Die eine .Seite ist flach, an welcher die Spuren einer schwach eisenhaltigen

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Kruste zu bemerken sind, welche Kruste auf der anderen Seite eine beträchtliche ist. Dass diese Kruste eine originäre ist, beweist ihre " stellenweise Abschürfung in Folge des Gebrauches; eine Reibung von Gerollen ist auch an ihr nicht zu entdecken. Eine Patina besitzt auch sie nicht, der Lustre ist an den Schlagmarken von Fettglanz. Auch diese Axt ist unverletzt. Nach der Ansicht des Autors hat der praehistorische Mensch dieses schon ursprünglich dreieckige Stück nur im Groben ausgearbeitet Da die zwei ersteren Äxte keine Spur des Gebrauches aufweisen, so gibt der Autor jener Vermutung Ausdruck, dass diese Äxte ,loc<>' verfertigt werden konnten; eine nähere Aufklärung erwartet Autor übrigens von der Entscheidung: ob die landläufige Benennung ,Tüzköves" (d. h. der Feuerstein-häl- tige), mit welcher ein Teil des angrenzenden Herges Avas bezeichnet wird, wirklich daher rührt, dass hier Feuerstein vorkommt V Ks muss hierzu ergänzungshalber erwähnt werden, dass das berühmte Hegy- alja (Tokajer Weingebirge) zu Miskolcz nahe liegt, in welchem der Feuerstein wirklich vorgefunden wird. Zum Schluss vergleicht der Autor die zwei typisch geformten Äxte mit ähnlichen aus England und Mähren, welchen gegenüber er die namhafte Grösse der Mis- kolczer Äxte hervorhebt (denn während die Länge der englischen in Evans' Werk: The ancient impiements etc. London 1872 abge- bildeten — Äxte zwischen 180 208 mm. schwankt, beträgt die Länge der Miskolczer Axt No. 1 = 288 mm. und No. 2 = 195 mm.)

Ks sei nun erlaubt, an die hier erwähnten Daten des Autors folgende ergänzende Hemerkungen anzuknüpfen :

1. Was den Typus der Form und der Ausarbeitung der Mis- kolczer Äxte anbelangt, so müssen wir nach den Photograplneen (die der Autor in Fig. 4, 5, o, 7 seiner Beschreibung a. a. 0. mit- teilt) die Axt No. 1. ihrer schönen Form nach als ein Kabinetstück der palaeolithischen Steinindustrie erklären, das auch unter den bis- her bekannten fremdländischen Exemplaren einen vornehmeren Rang beanspruchen kann. Verhältnismässig entspricht sie am meisten jener Saint-Acheuler Silexaxt, die sich im Musee de St.-Germain unter No. 7001 befindet, von welcher Herr G. de Mortillet hervorhebt : „instru- ment chelleen,en silex,parfaitementamygdaloide"(„ Musee prehistorique." Paris 1881. PI. VI. No. 29, siehe die Fig. « der Tafel.)

(Behufs einer Vergleichung der drei Miskolczer Silexäxte mit den St.-Acheuler Silexäxten habe ich dieselben auf der beistehenden Tafel in V* der Naturgrösse photographisch copiert. Die Bezeich- nung: A =■ die Miskolczer Steinaxt No. 1, B = die Miskolczer Steinaxt No. 2, C = die Miskolczer Steinaxt No. 3, a = St.-Acheuler Silexaxt No. 7001 Musee de St. -Germain, h = St.-Acheuler Silexaxt No> 15232 Musee de St.-Germain, c = Briveer Silexaxt, Sammlung des Herrn Massenat in Brive).

Die zweite Miskolczer Axt (s. Fig B) würde nach der Analogie mit der St.-Acheuler Axt (s. Fig. b der Tafel) einem sog. „eoup de poing*, hingegen die Miskolczer Axt (s. Fig. C der Tafel) einem .triangulaire en silex" entsprechen. Ich brauche hier wol nicht näher

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es auseinandersetzen, dass es sich zwischen den Miskolczer und den französischen Steinäxten nur um eine allgemeine und nur auf die Configuration sich beschränkende Ähnlichkeit handelt. Denn was die specielle Technik des Zuschlagens (die Charaktere der Schlag- marken und der Retouchen) anbelangt, so ist hier ein auffallender Unterschied zu verzeichnen. Die praehistorischen Menschen von Mis- kolcz haben ihre Äxte nur im Groben ausgearbeitet, so dass die Miskolczer Äxte (No. 1 und 2) nur der Mandelform wegen dem Chelles-schen Typus anzureihen sind. Es wäre gewiss sehr erwünscht, dass die Miskolczer Axte überhaupt fachgemäss studiert werden f damit wir Näheres über den Unterschied der praehistorischen Industrie in Ungarn und in Frankreich erfahren können. Da ich die Miskolczer Äxte selbst nicht sah, so kann ich hierüber keine weitern Betrach- tungen anstellen es wird vorläufig genügen, wenn ich auf die noch unerforschten Momente des Miskolczer Fundes hiermit hinge- wiesen habe.

2. Was die (Konfiguration der liier miteinander verglichenen sechs Steinäxte abgelangt, will ich Folgendes hervorheben. Da es sich hier um das Verhältnis zwischen der Längen- und Breitenaxc handelt, so will ich dieses Verhältnis dieser beiden Axen von den 6 Steinäxten in der Formel eines sog. Index mitteilen ( nr°^,*c 1<V = Längen-Breiten- index).* In der folgenden Tabelle stelle ich die Wertgrössen dieses Index nach meinen an den Original-Figuren der Autoren gemachten Messun- gen zusammen.

Längen-Breitenindex.

I. A., Bei der Miskolczer Axt No. 1 = ,,:,*,lli0 = 4S Ü8. , <*., bei der St.-Acheuler No. 7001 = 9, 0 * m = 48*99.

Differenz der Breite = 113— 916 = 214 mm.

Länge = 225-187 = 48'0 - des Index = 4S99-48 0S = Ulli -

II. B. Bei der Miskolczer Axt No. 2 = n\* ,ü° = 5625.

. b., bei der St.-Acheuler No. 15232 = *\*JW =62 98.

| Differenz der Breite = 117—81 = 36*0 mm. { Länge = 208-128-6 = 794 I des Index = 629S-56'25 = 673 m

III. C. Bei der Miskolczer Axt No. 3 = !°° = 73 59.

1 lo r>

c, bei der Brive-er = 1,6 * 100 = 8169.

| Differenz der Breite = 1 16—85 = 31 mm. ; , Länge = 142— 1155 = 265 . I , des Index = 8169-73 59 = 810 B (Fortsetzung folgt.)

* Bei der Beschreibung derlei praehistorischer Artefacte bediene ich mich der in der Kraniometrie üblichen Indices, die eine genauere Ver- gleichung der Form erleichtern. Es wäre wünschenswert, wenn die Prähi- storiker sich diese Methode aneignen würden.

Bthno]. Mitteil. a. I n^arn. ILI. 2

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Neue Beiträge zur Volkskunde der Siebenbürger Sachsen.

Von Dr. Heinrich r. Wlislocki.

Auf dem von unseren einheimischen Forschern woldurehpflüg- ten Fehle der siebenbürgiseh-sächsisehen Volkskunde liegen noch innner zahlreiche Bausteinchen von grösserem und geringerem Werte verstreut umher, die ruhloser Sammler bedürfen, um der Wissenschaft gerettet und vor dem gänzlichen l'ntergange bewahrt zu werden. Wir dürfen kein einziges solcher Steinchen bei Seite schieben, es auf unseren Wanderfahrten am Wege liegen lassen ; wir müssen es auf- heben und in die Schatzkammer der Volkskunde niederlegen, damit wir den im Entstehen begriffenen Bau einer Geschichte des mensch- lichen Geistes fördern helfen. Auf meinen jahrelangen Wanderfahrten durch mein wunderdurehrauschtes Heimatland, Siebenbürgen, . habe ich auch vom Felde der siebenbürgisch-sächsischen Volkskunde so manche Körnlein eingeheimst, die ich hier niederlegen will. Für den Dombau unserer Wissenschaft werden auch diese zerstreuten, nun aber wenigstens in losen Zusammenhang mit einander gebrachten Körnlein wol das Ihrige beitragen. Vor allem sind es die Heil- und Zaubermittel, die unsere Aufmerksamkeit in so mancher Richtung in Anspruch nehmen besonders nachdem dieselben noch nirgends im Druck erschienen sind ; dieselben stammen zum grössten Teil aus der handschriftlichen Sammlung des Andrea« Jioth, meines Gross- vaters mütterlicherseits, zum geringen Teil aber aus meinen eigenen Sammlungen.

Die Behandlung der Krankheiten von Mensch und Tier durch Kultmittel fristet auch bei den Siebenbürger Sachsen nur an beson- ders gehegten Plätzen eine üppige Existenz, eine üppigere wol, als man dies aus den bislang veröffentlichten Berichten der einheimischen Volksforscher erschliessen könnte. Vor den Augen der Lehrer und Geistlichen ziehen sich diese volkstümlichen Niederschläge ebenso scheu zurück, wie bei jedem anderen Volke.

Die Art, wie diese Segen und Heilkräfte bei den Siebenbürger Sachsen -fortgepflanzt werden, ist verschieden", schreibt der verdienst- volle Siebenbürger Gelehrte Frinl. Willi. Srhusfer (Siebenb.-sächs. Volkslieder S. 481), ^sie sind Geheimnis und dürfen nicht ohne weiteres mitgeteilt werden. Entweder der Jutirr' oder ,ßeszer (Büsser) oder .Kundige' murmelt seine Worte leise für sich hin, wer sie ver- steht und behält, ist glücklich, er mag sie mit gleichem Erfolg gebrau- chen, ohne Nachteil für den eisten Besitzer: oder der Kundige teilt sie zwar ohne weiters mit, aber nur einem Jüngern, weil sie sonst für ihn selbst die Wirkung verlieren würden : oder endlich die Formel muss dem, der sie erwerben will, .von einem alten Weibe zur //«-

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fon Hand eingeimpft und nachher behutsam gebraucht werden/ In welcher Weise die Einimpfung geschieht, habe ich nicht ermitteln können.*

Betreffs dieser Einimpfung habe ich zwei Berichte erhalten. Die Kellinger Magd Marie Klusch diente im J. 1884 in meiner Familie. Ihre Mutter war in der Umgegend zwar als „Hexe*" gefürchtet, aber nichtsdestoweniger als Heilkünstlerin für das Fieber berühmt. Als sie einmal schwerkrank wurde, impfte sie nach Aussage ihrer Tochter --- die Kunst: das Fieber zu „büssen" (besen), derselben auf folgende Weise ein: Die Mutter ritzte sich mit einer neuen, nie gebrauchten Nadel die linke ^rust und liess einige Tropfen ihres Blutes auf eine Hostie rinnen, welche sie dann in die linke Handfläche ihrer Tochter legte, indem sie dabei durch die Hostie hindurch mit der Xadel in die Hand der Magd stach, wobei sie sprach:

..Im Xamen des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes! Was mir gegeben haben die drei Wenken, das geb' ich dir, mein Blut mit deinem Blut, damit dir Herr Satan auf dem Hoprichberg nie schade!" Die Tochter verschluckte nun die Hostie, worauf ihr die Mutter Mittel gegen das Fieber verkündete. Die Wenken oder Wäjnken, welche die Mutter in der obigen Formel erwähnt, sind dem dortigen Volks- glauben gemäss, „kleine schwarz? Frauen, die gar klug sind.1* In anderen Gegenden werden sie neben Wenken auch noch „misse Frauen" genannt und in Heilsprüchen angerufen (s. Schuster a. a. 0. S. 489 fT.) Ihr Wohnort ist der „dunkle4* oder ..grüne" Wald. Sie sind also Baum- geister, die vorzugsweise ausserhalb der Bäume als eigentliche Krank- heitsgeister auftreten. Auch als Schicksalsspinnerinnen und Schicksals- bestiinmerinnen mögen sie ursprünglich im Volksglauben der Sieben- bürger Sachsen eine Holle gespielt haben. Darüber habe ich mich an mehreren Stellen meines demnächst erscheinenden Werkes : rVolks- glaube u. Volksbrauch der Siebenb. Sachsen** (Berlin, Felber) aus- gesprochen. Auch in einer Besprechungsformel bei Schuster (a. a. 0. S. 4(.)0) kommt der oben erwähnte Hoprichberg in der Form von ..Huiprichberg** vor. Ob dieser Berg nicht etwa die Bedeutung eines Hexenversammlungsortes, eines Teufelsberges hat? Im Magyarischen hat der Teufel (ördög) auch den Beinamen hopeiher (s. lpolyi, Magyar Mythologia = Magyarische Mythol. bei „ördög"). Bezüglich dieser oben erwähnten Wenken teile ich hier eine interessante Formel aus der Handschrift meines Grossvaters, Andreas Jioth mit, der in ein Heft Lieder, Hausmittel und Besprechungsformeln während seiner Wander- schaft in Siebenbürgen (zu Anfang dieses Jahrhunderts eingeschrieben hatte.) Es heisst nämlich hei ihm: Man schreibe mit dem Blute des Fieberkranken dies ..Gebetchen** auf ein Blatt Papier:

Drei weisse Wenken giengeu durchs Lan«l. Begegnet ihnen der Heiliand: „Ihr Wenken, wohin wollt ihr gehn?u „Wir wollen zum N. N. gehn, Wir wollen sein Herz schütteln. Wir wollen sein Gedärm rütteln,

2*

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Wir wollen sein Blut lecken.

Wir wollen seine Glieder strecken."

„Weisse Wenken, das dürft ihr nicht tun,

Ihr sollt hier im Brunnen ruhn,

Bis ich schreib' ein neues Evangelium u

Diesen Zettel reisst der Fieberkranke in drei Teile und wirft dieselben vor Sonnenaufgang einzeln in einen Brunnen mit den Worten :

(Jeht in den schwarzen Wald, Da springen drei Brunnen kalt, Der ein ist der mW, Der ändert der »mW, a Der dritt der phri! ^ Da sollt ihr drei Wenken ruhen !

Hei Schuber (a. a. 0. S. 302) findet sieh eine ähnliche Formel gegen das Fieber vor, in der aber nur zwei Hrunnen genannt wer- den, horujif und Werth, wobei Schuster (S. 489) an den germanischen „Mimirsbrunn" denkt. Wie die Namen dieser Hrunnen ursprünglich gelautet haben mögen, das wird wohl für immer unentschieden blei- ben. Ich erwähne hier nur noch, dass pisri vielleicht auf ~pisen~ zurückgeführt werden könnte, weil nach Roth'* Angabe der Fieber- kranke auch in den Hrunnen uriniert und neun Tage hindurch jedes Mal vor Sonnenaufgang Wasser aus demselben Hrunnen trinkt. Wie den germanischen Schicksulsbestimmerinnen, so werden auch den siebcnbürgisch-sächsischen Wenken, Hrunnen oder wenigstens die Nähe derselben zum Aufenthaltsorte angewiesen, obwol diese Wesen im Volksglauben beinahe ganz und gar zu Krankheitsgeistern herab- gesunken sind.

Hoch keinen wir zur Einimpfung der Heilkraft zurück.

Meiner seligen Mutter berichtete man 1887 von einer Frau M. in Mühlbach, welHie im Hufe stand, die .Kunst gegen das „schlagende Feuer" (Blitz) von ihrer Mutter ererbt zu haben, hie Tochter tnusste sich, als die Mutter ihr baldiges Lebensende voraussah, in der Set. Laurentiusnacht (10. August) ganz entkleidet im Freien rücklings niederlegen, worauf die Mutter mit glühenden Kohlen rings um sie einen Kreis zog. Lorenzi-Kohlen bewahren beim bayerischen Volk vor Feuersbrunst (s. M. Horfler in d. „Zcitschr. d. Vor. f. Volksk." L S. 300). Dann schritt die Alte drei Mal über ihre Tochter hinweg und träufelte ihr drei Tropfen ihres Hintes in die linke Handfläche. Wenn nun bei schlagendem Feuer, oder bei einer Feuersbrunst überhaupt ein Kleidungsstück, selbst nur ein Kleiderlappen der Frau M. rings um die Feuerstätte getragen wird, oder sie selbst und zwar nackt, die Hrandstätte umkreist, so muss das Feuer sogleich gelöscht und ge- dämpft werden können. Auch bei der rumänischen Landbevölkerung Siebenbürgens herrscht der Glaube, dass es gewisse Personen gibt, die nicht verbrennen können, und wenn man von solchen Leuten einen Kleiderlappen in die Hrandstätte wirft, so erlischt das Feuer sofort.

Aber nicht nur einzelne Eingeweihte, Männer und Weiber, diu mit Eifersucht und gläubischem Sinn ihre Kunst und ihr Wissen

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hüten, wenden Segen und Heilmittel an, sondern fast jeder sieben- bürgisch-sächsische Bauer und jede Häuerin kennt mehrere solcher Formeln und Mittel; der eine für dies, der andere für jenes Leid und Uebel ; ist aber in irgend einem Falle die Gefahr gross, da muss der Büsser oder die Büsserin helfen, von denen es fasst in jedem sächsi- sischen Dorfe zwei, drei gibt. Der eine kann von diesem Leiden befreien, jener jene Arten von Krankheiten bannen ; dieser kann gegen Böses und Ueldes in der Zukunft feien, oder das wankende Glück befestigen, jener hingegen von gegenwärtigem Leid und Uebel, von gegenwärtiger Krankheit befreien. Unlängst brac hten die Tagesblätter die Nachricht, dass in Tartlau (neben Kronstadt) ein sächsischer .Wunderdoktor", Job. Teutsch genannt, wohne und nun habe die Bewohnerschaft dieses Ortes und der Umgebung eine Bittschrift an die Behörde eingereicht, man möge ämthch gestatten, dass dieser „Wunderdoktor" frei und öffentlich die ärztliche Praxis ausübe (s. die Zeitung „Brassö" Nr. 36 vom 28. März 1893, S. 143).

Dass auch bei den Zauber- und Besprechungsformeln der Sie- benbürger Sachsen die verschiedensten Quellen, wie Beligion, Zau- berei und frühere Perioden der Medizin, zusammenfliessen, braucht nicht noch besonders erwähnt zu werden. Heil- und Zauberkundc gehört, ja, wie dies unser Altmeister K. Weinhold sagt, einem nie- deren Vorstellungs- und Glaubenskreise an, der weder kristlich noch heidnisch ist, sondern eine Wucherbildung. Im germanischen Heiden- tum gab es einen Aberglauben und ein Zauberwesen, abgesondert und feindlich gegen die eigentliche Volksreligion und den anerkann- ten Gottesdienst. So ist es überall gewesen und so ist es noch heute. Aberglaube ist an keine Nation und keine bestimmte Beligion gebun- den, sondern ein allgemein Menschliches. Wie viel uralte Kiemente so manche Heilformeln des siebenbürgisch-sächsischen Volkes ent- halten, wird eine kleine Auswahl aus meiner Sammlung und der Handschrift meines Grossvaters bezeugen. Gegen Augensfaur teilt z. B. diese Handschrift folgendes Mittel mit: Man lege neun Tage hin- durch täglich einmal wanne Tierleber auf das kranke Auge und spreche heim Auflegen derselben :

Ihtdrla, die heilige Frau,

Ward blind geboren,

Ward blind aut'erzoeen;

Sie sass im wilden Wald allein

Und weinte auf marmelnem Stein,

Kam einher der schimrze Mann.

Schlug sie ins Aue mit grünem Ast :

Jesus Christ, der uu gekreuzigt bist,

Mach' rot, was rot ist; grün, was grün ist;

Mach' weiss, was weiss ist; nimm das

Schwarze weg, im Namen Gottes. Amen !

Wer unter Dndela (Tutela?) zu verstehen ist, oder besser ge- sagt : ursprünglich verstanden worden sei, mag und kann ich nicht entscheiden. In Schuster'^ Sammlung (a. a. 0. S. 311 u. 491) kommt eine halbwegs ähnliche Besprechungsfonuel gegen Flecken im Auge

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vor, wobei eine „Duidelglr erwähnt wird, deren Bedeutung der Herausgeber nicht erklären kann. Ich glaube hinter beiden, selbst- verständlich ganz und gar verwischten Namen, mag wohl ein Wald- geist, beziehungsweise ein Krankheitsdämon stecken. Hiefür spricht teilweise die Erwähnung des „wilden Waldes* und des „schwarzen Mannes." Letzterer ist entschieden ein Waldgeist, wie solche Geister im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen noch immer verhältnissig zahlreich vorhanden sind, wenn auch dieselben weniger zum eigent- lichen Zwerg- oder Albengeschlecht zu gehören scheinen (s. mein erwähntes Werk S. 21 IT.) In der Hermannstädter Gegend erzählt man, dass der schwarze Mann den Leuten im Walde beim Holz- fällen anfangs geholfen habe : dann aber seien die Leute ihm gegen- über undankbar gewesen, und er sei nun in die Erde verschwunden, woher man oft sein Bellen vernehme. Eine Bäuerin aus der ( )rt- schaft Neppendorf erzählte mir, dass die kleinen Kinder deshalb so oft zu Boden fallen und Beulen davontragen, weil sie den schwarzen Mann in der Erde bellen hören. Fällt ein Kind zu Boden, so besänf- tigt man es dadurch, dass man dem Erdboden Schläge versetzt und ruft: „Na, wart' nur, du böser schwarzer Mann !* Und gegen Beulen, die man durch einen Schlag auf einen Knochen davongetragen hat, nehme man ein Messer und drücke mit demselben kreuzweise die Beule, wobei man die Worte zu sprechen hat: -Beule, eile: Eil' in den Grund; Fress' dich der Hund; Fress" dich der schwarze Mann, Damit er nicht mehr bellen kann!"

Ich glaube, dass dieser schwarze Mann und das Hulzmantchen (Holzmandel), von dem Müller (Siebenb. Sagen ; 2. Aufl. S. VA) be- richtet, ursprünglich ein und dasselbe Wesen, und zwar ein Wald- geist gewesen ist. Wo jetzt das Dorf Holzmengen, sächsieh Hulz- mängden, steht, wohnte ein kleines Männchen, welches auf jeden Wochenmarkt eine Fuhre Holz nach Hermannstadt brachte. Niemand kannte den eigentlichen Namen dieses Männchens. Man nannte es das Holzmandel. Bald siedelten sich in seiner waldreichen (legend Leute an, die man alle Holzmandel nannte, weil sie Holzhandel trieben. Das Holzmandel aber verschwand und ward nicht mehr ge- sehen. Sein Name ward auf das Dorf übertragen . . . Dies der kurze Inhalt der Sage bei Müller. Der Schluss von einer Variante dieser Sage, die mir Herr Ad. Adh>ß' mitteilte, ist für die verglei- chende Sagenkunde von Bedeutung. Es heisst nämlich, dass das Holzmandel nicht gleich nach der Ansiedelung der Leute in seinem Waldrevier verschwand, sondern im Gegenteil den Leuten hilfreich beistand, ihnen guten Bat erteilte, ja selbst das Baumfällen für sie ganz allein verrichtete. Aber die Leute bewiesen sich ihm gegenüber undankbar, spotteten ihn wegen seiner winzigen Gestalt und Hiis»- lichkeit. Einmal waren < lie Leute mit dem Holzmandel draussen im Walde und bliesen sich in die Hände, um sie zu erwärmen, denn es war ein bitterkalter Wintermorgen. Da fragte das Holzmandel : „Warum bläst ihr?" Die Leute versetzten: „Um uns die Hände zu erwärmen !u Zu Mittag kochten sie eine Suppe, und während *ie

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assen, bliesen sie in den Lötfei. Da fragte das Holzmandel: „Warum bläst ihr in den Löffel ?a Die Leute antworteten: „Damit wir die heisse Suppe abkühlen!" Da ärgerte sich das Holzmandel und rief: „Mit solchen Betrügern will ich nichts mehr zu schaffen haben. Ihr bläst einmal, damit es wann werde: dann bläst ihr, damit es kalt werde: ihr wollt mich nur betrügen!" l ud das Holzmandel ver- schwand und ward nicht mehr gesehen. Ihm zu Khren nannten die Leute ihr Dorf Hülzmängen, aber er kehrte nicht mehr zu ihnen zurück. . . .

Vor allem müssen wir bemerken, dass diese Sage, mir von Adlelf viermal erzählt, auch den Schluss einmal enthält: „Das Holz- mandel verschwand in die Krde und kam nicht mehr zum Vorschein. Bisweilen, wenn viele Leute im Walde Holz fällen, hört man es unter der Erde schreien und poltern ..." Wie sich nun immer die Sache um die Identität des schwarzen Mannes, der „unter der Krde bellt," und des Holzmandels verhält, so viel ist aus den oben mit- geteilten Formeln und obiger Sage ersichtlich, dass wir es hier im schlechtesten Falle mit verwandten Gestalten zu tun haben. Was aber die letzthin mitgeteilte Sage anbelangt, so findet sich dieselbe als Sage oder Märchen ausser bei den Kalotaszeger Magyaren,1 auch bei Aesop, bei Avianus (Satyrus et Viator), bei Krasmus, bei La Fontaine, ferner in alten toskanischeu Versen, im Dittainondo von Fazio degli Uberti, im Verliebten Roland, in den Dreizehn Nächten Straparolas u. s. w.2

Dieser schwarze Mann scheint auch unter dem Namen „Alter" in den Besprechungsformeln vorzukommen, (legen das Grhi-rch (= Katarrh oder Brustbeklemmung bei Kindern) - führt Roth u. a. folgendes Mittel an : Man lege dem kranken Kinde einen in Lamm- talg eingetauchten Lappen allabendlich auf die Brust. In der Frühe reisse man jedesmal ein winzig kleines Stückchen vom Lappen herab und werfe es in die Hühnersfeige, wobei man zu sprechen hat :

Es waren drei weisse Frauen. Die giengen morgens im Taue l'nd hatten ein Liebesgespriich : Kam da der Alte mit dem Gebrech Und macht« sie stumm. O Alter, Alter, o kumm. Nimm meines Kindes Gebrech. Im Namen Gottes usw.

In Heltau habe ich folgendes Mittel gegen das (iebrech aufge- zeichnet: Hat das Kind das (iebrech, so reibe mau ihm die Brust

') Wahrscheinlich wurde es liier aus den Sagenschatz der Sachsen herübergenommen, die auch in dieser Gegend einst gewohnt haben. S. mein Werk: „Aus dem Volksleben der Magyaren" S. 17 if.

J) S. (iinnnini. L'Uorao Selvaggio < ' Lucca. ISMO, Giustij und Mar. Mmgh- ini in der rZtschr. d. \ er. t. Volkskunde" I. S. 10:;.

») S. das treffliche Werk von llaltrkh- Hr«ljr. Zur Volkskunde der Siebenb. Sachsen S. 'J'i-4.

J4

häufig mit Talg ein und forme am dritten Tage der Einreibung aus einem Teil desselben Talges eine menschliche Figur und binde die- selbe an den Hals eines Hahnes. Dem davoneilenden Hahne rufe man einige Mal nach :

Alter Mann, alter Mann,

Meines Kindes Gebrech mitnahm.

„Der Kokesch (Hahn) soll die Krankheit zum Alten in deu Husch tragen," gab mir die Uäuerin Hellwig die Erklärung. Bei allen bislang bekannten Formeln gegen das Gebrech (s. Haltrich- Wolff S. 264; Schuster S. 493) spielen die Hühner eine Holle. Hühner sollen das Uebel wegführen. Schuster (S. 493) meint diesbezüglich : „Hühner waren Woden und Hei, vielleicht auch anderen Gottheiten heilig. In Märchen und Kinderspielen hat sich Woden selbst in Gestalt eines Hahnes erhalten." Ohne mich in diesbezügliche Erörterungen einzu- lassen, bemerke ich nur, dass der Hahn bekanntermaassen nächst Hund und Katze für einen Verscheucher feindlich gesinnter Wesen gilt. «In der Symbolik des Rechtes sind Hund und Hahn verbunden," s&gt Laistner (Das Rätsel der Sphinx H, 85). „gerade wie in der zoro- astrischen Religion Hund und Hahn zusammen genannt werden als Streiter wider lurische Wesen. u Der Alp entweicht beim Hahnen- schrei, elbische Wesen fliehen vor ihm ; dies bestätigen uns Märchen und Sagen, die in Latetner's Werk nachgelesen werden können. Wir haben es also auch bei diesen siebenbürgisch-sächsischen Formeln gegen das Gebrech mit elbischen Wesen, Waldgeistern, Kraukheits- geistern zu tun. welche von den Hühnern vertrieben werden sollen. Bezüglich des Hundes und Hahnes als elbverscheuchende Wesen erwähne ich nur noch Folgendes aus dem Volksglauben der Sieben- bürger Sachsen: Die Darre oder das Hundsalter (d. h. wenn das Kind nicht wachsen will) schreibt die erwähnte Handschrift h'oth'* dem I nistande zu, dass dem Kinde Katzenhaare in den Magen kom- men;1) das Gebrech aber bekommt das Kind, wenn es Hundehaare schluckt. «Ks bellt und keucht, wie ain Hundlein" (lioth.) Bezüglich des Ausdrucks „Hundsalter* erwähne ich hier nebenbei den ma- gyarischen Volksglauben, demzufolge jeder junge Hund auffällig ab- magern muss, und erst dann gedeiht und wächst. Diese Krankheit nennt man magyarisch: Zsigora. Wir sehen also aus diesen flüchtigen Andeutungen, wie der uralte Glaube bei den einzelnen Völkern verblasst, hei einem früher, beim anderen später zu blosen, oft unverständlichen Rudimenten herabsinkt.

F. S. Krauts hat in seinem Werke „Volksglaube und rel. Brauch der Südslaven" bezüglich dieses Volkes gar trefflich nach- gewiesen, dass die Krankheitsgeister Waldgeister sind. Für die Rich- tigkeit dieses, sozusagen allgemein giltigen Satzes, haben wir eben auch aus dem Volksglauben der Siebenbürger Sachsen einige Belege herangezogen. Dass diese Geister als im Baume lebend gedacht

') Vgl. Toppen, Abergl. aus Masuren S.

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wurden, dafür spricht folgendes Mittel gegen Anschwellung der Hals- drüsen, das ich in Mühlbach erfahren: Man stehle ein Stückchen Speck, binde es mit einem Fusslappen über Nacht um den Hals und hänge den Verband am nächsten Tag an einen Baum und spreche : „Baum, du hast viele Knoten, nimm mir weg auch meine Knoten" ; oder man spreche beim Abnehmen dieses Verbandes, den man ins Feuer zu werfen hat, die Formel : „Oer Knotenmann hatte sieben Söhne, das Knotenweib hatte sieben Töchter; sie heirateten sich, lebten miteinander, vertrugen sich nicht. Sie schieden von ein- ander und verschwanden, wie deF Speck im Feuer. So mögen im Namen Gottes dem N. NT. die Knoten am Halse verschwinden, damit er beim heiligen Abendmahl rein den Leib und das Blut unseres Herrn gemessen kann. Amen!" Der Knotenmann und seine Sippe weisen als personifizierte Knoten am Baume geradezu auf Baum- oder Waldgeister als Krankheitsgeister hin.

Aber nicht nur als krankheitspendende Wesen treten diese Wald-, beziehungsweise Krankheitsgeister in den Formeln der Sieben- bürger Sachsen auf, sondern auch als heilspendend, übelabwendend erscheinen sie. Eine Verquickung beider Eigenschaften enthält das Verfahren gegen Blutungen der Beermutter (Gebärmutter) oder all- zustarke menses, das ich in Urwegen aufgezeichnet habe: Man wasche den leidenden Teil mit Bosenwasser, dem pulverisierte Eichenrinde beigemengt ist : während man das gebrauchte Wasser an einen Bauin giesst, spricht man die Formel:

Beermutter sass auf marmeiuem Stein, Kam ein alter Mann zu ihr herein. ,,Beermutter, wohin willst du gehn?" Ich will zur N. N. gehn, Ich will ihr Blut sehn, Ich will ihr Herz verzehren, Ich will ihr Leben nehmen. ,.Beermutter, dag sollst du nicht, tun, Du sollst im marmelnem Stein ruhn. Die Waldfrau soll dich fressen, Als wäret du nie gewesen! Im Namen Gottes usw.u

Hier tritt nun der alte Mann nicht als Schädiger auf; im Ge- genteil, ein anderer Waldgeist, die Waldfrau, „frisst" das Uebel. Dass diese Waldgeister auch im Besitze von Heilmitteln sind, ergibt sich aus einer Sage, welche erzählt, dass einst zwei Waldmaide ge- fangen und ins Dorf gebracht wurden. Zuerst entfloh die eine, später die andere. Die zuerst entfliehende rief der noch zurückbleibenden zu: «Lea, Lea, alles sage, nur wozu der Dillsame und der vier- blättrige Klee ist, das sage nicht!" Beide Kräuter haben im Volks- glauben der Siebenbürger Sachsen eine zauberabwehrende und zau- bererstickende Kraft.1)

M Vgl. Auf. Hemnanm Aufsatz: „Ueber den Höhencult der siebenb. Völker" im diesjährigen Bande der ungarischen Zeitschrift für Touristik und Volkskunde von Siebenbürgen: „Erdely" s. 27.

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Als helfende Wesen treten uns auch die drei weissen Frauen in einer inedierten Formel aus Ratsch entgegen. Gegen Ausschläge am Leibe wird ein Baumstamm so entzwei gespalten, dass das eine Ende desselben noch lose zusammenhängt; durch die also entstan- dene Spalte muss sich der Kranke hindurchzwängen. Nach dem Hin- durchzwängen sagt man ihm die Formel vor:

Heüige drei Frauen Sollen die Wunden schauen, Sollen bei mir weilen, Bis die Wunden heilen.

Sollen die Wunden im wilden Wald verstecken.

Damit sie dort verrecken.

Im Namen Gottes usw. Amen !

In einer Formel (hei Roth) zum Blutstillen tritt nur die dritte der drei (sündigen) Frauen als Helferin auf. Es heisst:

Ks waren drei sündige Frauen.

Die giengen Blut zu schauen :

Die eine sagt: es soll gehn.

Die andre sagt: es soll stehn.

Die dritte sagt: Blut steh still,

Das ist Gottes Will1,

Blut mit Blut. Bein mit Bein,

Halt' fest wie Stein ;

Sollt nicht bluten, sollt nicht schwären,

Bis Mutter Gottes wird ein Kind gebären.

Dann soll man die Wunde mit der Schürze einer feilen Dirne verbinden.

Ganz in derselben Weise wie die Waldgeister, d. h. teils übel- spendend, teils übelbenehmend, treten auch die Wassergeister in den Formeln der Siebenbürger Sachsen auf. So heisst es in einem Mittel zum Blutstillen bei Roth also: Man schreibe mit dem Blute die Buch- staben I N B 1 auf ein Stückchen Holz und werfe dies in den Brun- nen, wobei man spricht :

Drei Brunnent'rauen

Wollen Blut schauen.

Sie sprechen : Blut steh* stille.

Das ist Gottes Wille!

Aus diesetn Holz war das Kreuz.

Daran .Jesus hieng. Amen!

Gegen die Epilepsie, welche Roth die „schedelnde Gottesstrat*" (schüttelnde Gottesstrafe) nennt, teilt er das folgende .Mittel mit: Man gebe dem Kranken jeden Tag vor Sonnenaufgang pulverisierte Mäuse- gedärme ein und spreche jedesmal die Worte: „Drei Brunnenfrauen wollen dich Mäuschen fangen ; kriech* zu einem Loch hinein, zum andern hinaus und nimm die sehedelnde Gottesstraf mit dir: trag sie in einen Baum, dort soll sie wachsen und grünen, sich schütteln und verdorren !"

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27

Gegen die Gelbsucht wird in eine ausgehöhlte Gelbmöhre uri- niert und dann dieselbe in den Rauchfang aufgehängt. Als ich 1886 an der Gelbsucht litt, sprach eine „Büsserin" aus Ratsch beim Auf- hängen der Gelbmöhre in den Rauchfang folgende Formel: „Drei gelbe Frauen nahmen ihre gelben Aexte; sie nahmen sie in ihre gelben Hände; sie legten sie auf ihre gelben Schultern; sie giengen auf drei gelben Wegen; sie kamen in drei gelbe Wälder; sie hackten drei gelbe Bäume: siegiengen auf drei gelben Wogen und kamen zum gelben Hofe; aus dem gelben Hofe kamen sie in die gelbe Stube; sie kamen zum gelben N. N. ; sie schlugen mit den drei gelben Bäumen die gelbe Gelbsucht tot; sie schlugen sie im Namen Gottes also tot." Nun warf die Frau drei Holzstücke unversehens über mein Haupt hinweg. Erschrickt dabei der Patient, so heisst es: die Gelbsucht fliehe aus dem Leibe. Die Gelbmöhre ward am dritten Tage in einen Brun- nen geworfen, damit „die Brunnenfrau sie fresse."

Hat man eine Eiterbeule am Fusse, so stelle man sich berich- tete man mir in Mühlbach so in ein fliessendes Wasser, dass der wehe Fuss im Wasser, der gesunde aber am Ufer sich befinde, und spreche nun die Formel: „Unser Herr Jesus gieng über die Brück", da kam der böse Ohm und biss ihn in den Fuss. Böser Ohm, geh' in den Fluss; Jesus, mein Herr, heil' meinen Fuss!" In Girelsau erfuhr ich, dass es gut sei, eiternde Geschwüre (z. B. am Finger) in einem Pferdeschädel zu baden und diesen dann der „Bachfrau" in ein fliessendes Wasser zu werfen. Wären wir zu gewagten Deuteleien geneigt, so könnten wir dies Verfahren mit dem Glauben mancher Völker (z. B. unserer Zigeuner) an pferdefüssige Wassergeister in einigen Zusammenhang bringen. Interessant, obwol auf Waldgeister Bezug nehmend, ist das Mittel, welches Roth gegen eiternde Geschwüre (= Ohm) mitteilt: Man nehme eine Trompete, halte sie über das Geschwür und lasse in das Instrument hineinblasen. Der Leidende spreche unter- dessen: „Heiliger Blasius, du frommer Knecht, tu mir Recht, erhör" mein Gebet, treib' in den Wald meinen Ohm!" Ist der Leidende eine Mannsperson, so blase ein Weib in die Trompete und umgekehrt. Nach dem Hersagen des Spruches aber blase die betreffende Person (nicht die leidende), mit der Trompete gegen einen Wald gekehrt, einige Stösse.

Mit der Heilkraft des Wassers hängt auch das Verfahren zusam- men, welches Roth gegen „böse" (= wehe) Augen mitteilt : Man wasche das kranke Auge am Ostermorgen mit dem Wasser, das man aus zwei sieh kreuzenden Gräben schöpft. Wäjirend des Schöpfens spricht man: „Der heilige Tobias ist blind geworden und er bat Gott, dass er ihn sehend mache; und Gott machte ihn sehend. Da bat der Heilige zu Gott: „Gib mir die Kraft, böse Augen zu heilen, Blindheit zu bre- chen!" Und Gott sprach: „Wer böse Augen hat, der blicke auf eine Schwalbe und spreche deinen Namen aus!" Wer an Augenweh leidet, heisst es ferner, der rufe beim Anblick der ersten Schwalbe im Lenze den Namen „Tobias" oder „Thomas" aus und wische sich

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dabei das Auge mit einem Kleidungsstück, das einer Tobias oder Thomas genannten Person gehört1

Die Brunnenfrau spielt auch eine Rolle im Verfahren bei Herz- klopfen und Herzkrämpfen, welche man erhält, wenn man mit aus- gespreizten Armen in der ofTenen Tür steht. „Trist (du) auf Judengrab oder ungetauftes Kindlein sein Grab, bekomst Hcrzgramp", schreibt Roth und empfiehlt als Mittel dagegen folgendes Verfahren: Man lege sich der Länge nach rücklings auf den Hasen, lasse die Körperlänge und Breite am Hasen bezeichnen und dann denselben fingerdick, wo möglich in einem Stück, mit dem Spaten abgraben. Diesen von seiner Stelle gehobenen Rasen werfe man vor Sonnenaufgang in einen Bach und spreche: Brunnenfrau, Brunneufrau, nimm mir das Wasser vom Herzen; ich gebe dir, was mir unter dem Herzen lag." Es scheint also auch bei den Siebenbürger Sachsen, wie bei den Magyaren, be- züglich der Herzkrärnpfe und auch des Schluchzens der Glaube zu herrschen, dass diese dann entstehen, wenn ein Tropfen Wasser oder Blut sich aufs Herz lässt und dort hängen bleibt. Im Burzenland, weiss ich, glauben die sächsischen Bäuerinnen, dass eine Schwan- gere Blut nicht sehen darf, sonst bekommt sie Herz- und Magen- krämpfe. Was den oben erwähnten Wassertropfen anbelangt, so wäre damit zu vergleichen der deutsche Glaube: „Geht man zwischen den abgesetzten Eimern einer Tracht Wasser hindurch, so bekommt die Trägerin oder der Träger des Wassers den Hartspann = Herzspan- nung" (Fri<chbier, Hexenspruch u. Zauberbann, S. 66).

Spuren von Opfern, dargebracht den Wassergeistern, um sie günstig zu stimmen, finden' wir auch bei den Siebenbürger Sachsen. ..De irscht Hangt wirft em än de Bach*" (die ersten Hunde wirft man in den Bach), sagt ein allgemein verbreitetes Sprichwort der Sieben- bürger Sachsen. Man glaubt, dass eben die ersten Jungen einer Hün- din rasend werden. Eine Sage aus Kelling berichtet, dass man zu Zeiten, wann viele Hunde wütend wurden, ein kleines weisses, zottiges Hündchen dem Buch entsteigen sah, das alle anderen Hunde biss. Schlug man nach ihm. so war es auf der Stelle verschwunden und wurde oft schon in demselben Augenblick im nächsten Dorfe gesehen. Das Hündchen ist hier also gleichsam der ausgeschickte Rächer der Wassergeister. Indirect spricht hiefür ein wichtiges Heilverfahren bei Hundswut. welches Roth mitteilt und das nebenbei auch auf den siebenbürgisch-sächsischen Namen eines Wassergeistes einiges Licht wirft. Vorerst aber, der Vollständigkeit halber, ein anderes Verfahren. Gegen den Biss des tollen Hundes soll man Mensch oder Vieh, be- richtet Roth, neun Tage hindurch spanische Fliegen (Canthariden) eingeben und zwar am ersten eine, am zweiten zwei, am dritten drei usw. Diese spanischen Fliegen wickele man jedesmal in einen Zettel und verschlinge sie sammt dem Papier. Auf diese Zettel schreibe man: „Heiliger Kristof, hilf meiner Not! Pater, fili, spiritus!*. . .

') Teber die Macht des Namens vgl. Kr. Xyrop, Navnets Magt; Separat- abzug aus ,.Mindre Af handlinger" : Kopenhagen 18H7.

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•2J»

Auch heutigen Tages ist diese Formel den Besprechen! in der Her- mannstädter Gegend bekannt ; nur geben sie den von einem tollen Hunde Gebissenen die Canthariden mit gedörrtem Wieselfleisch ein. Und dies teilt auch Roth im zweiten, für uns bedeutsameren Verfah- ren mit. Gedörrtes Wieselfleisch, pulverisierte Canthariden und Hanf- samenblüten werden zu gleichen Teilen zu einem Brei gekocht, dem Gebissenen dreimal täglich neun Tage hindurch eingegeben. Sobald der Kranke urinieren will, muss er dies in fliessendem Wasser vor- nehmen und im Bache stehend, die Worte sagen: ,Gräsnaku, nimm meine Hund ; geb' sie dir zurück, mach' mich gesund. Im Namen Gottes usw. Amen!" ... Es herrscht auch bei den Siebenbürger Sachsen bezüglich der Hundswut die in meinem Heimatlande, Sieben- bürgen, unter allen Völkerschaften verbreitete Ansicht, dass der Ge- bissene unter der Zunge winzig kleine Hunde bekomme und sobald diese die Augen aufsperren, er sterben müsse: man kann diese Hünd- chen aber mit dem Urin abtreiben, Roth schreibt auch am Schluss der mitgeteilten Heilmittel: „Dann gehnd die Hündchen mit dem Bisch weg ..."

her in oben mitgeteilter Formel erwähnte Grtimnht ist eine vielumstrittene Gestalt der siebenbürgisch-sächsischen Volkskunde gewesen. Das Volk selbst kann über diese Gestalt keine genügende Auskunft mehr geben. Jlränzäinjdich Gräsnaku!*" (grünzähniger Gr.) ist eine beliebte Schelte. Ich habe mich hierüber in meinem eingangs erwähnten, im Druck befindlichen Werke ausgesprochen (S. IM ff.) und erwähne hier nur kurz, dass das Wort eine Zusammensetzung aus yrds oder yrasz (grass, finster) und n<ikn ist, worin - wie schon Schuster erklärt der Begriff des Wassergeistes stecken muss. Zu naku vgl. das detitsche: nikel, nix usw. Dies Wort kommt aber auch in der Form Grasznikd vor. Td yränzünijtlich G raszniekrt ! war eben das Lieblingsschimpfwort meines seligen Grossvaters, mit dem er mich zu beehren pflegte. Im Gräsnaku, Grasnikel, Grassnaku usw. steckt entschieden also der Begrilf eines Wassergeistes, der auch im fol- genden Beim aus meiner Kinderzeit eine verkappte Bolle spielt:

Grassnaku. Grassnaku, Hu, hu, hu!

Ali «ler Büch platscli. platsch!

An den Orsch niech matsch, matsch!

Gr. Gr.. Hu, hu, hu!

Im Bache platsche, plätschere! In den mich küsse!

*

Mit diesem Beim neckten "wir die Lumpensammler, die in den damals noch unbedeckten Kanälen von Kronstadt ihrem Geschäfte oblagen.

Welche Bolle Baum und Wald in den Heilmitteln und Heil- sprüchen der Siebenbürger Sachsen spielen, zeigen z. B. die fol- genden Verfahren :

Geyen Hmlmanschirelluny, Syphilis („schlechte Krankheit, Fran- zosen44 genannt) gebraucht man innerlich Steinöl, äusserlich Queck- silbereinreibungen. Roth'* Becept besteht im Folgenden : Der Kranke lege sich auf eine Totenbahre (Totenbrett) und lasse sich mit Pferdc-

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mist . 1 ) drm Oel beigemengt ist, den Körper einreiben. Dies nehmt' er an einem Freitag vor; enthalte sich aller Speisen und Ge- tränke, und trinke nur Terpentinöl. Vor Sonnenaufgang lege er sich auf die Mahre und erhebe sich davon erst nach Sonnenuntergang : dabei spreche er das „Gebetehen" : .Der hl. Lazarus lag am Kreuz weg, kam da eine schwarze Frau und spie ihn an; ward da wundi; sein Leib: kam da eine weisse Frau und kiisste ihn; ward da glatt sein Leib. Heiliger Lazarus bete für mich, damit mich die weis*»' Fiau küsse und mein wundiger Leib glatt werde; im Namen Gottes. de> Sohnes und hl. Geistes also geschehe es! Amen!" Drei Freilagr hindurch hat der Kranke diese Kur vorzunehmen, deren zireiter Tai »in für die Volkskunde bedeutsames Heilverfahren bildet, das mit der Macht des Xamens zusammenhängt (vgl. Kristoffer Xurop, Xavneb Magt. Seperatabdr. aus ..Mindre Afhandlinger" herausg. v. d. ph. bist. Ges. in Kopenhagen 1887). Der Kranke muss nämlich an einem jeden der drei Sonntage während des Kirchengeläutes auf seinr l'ntcrhose mit seinem eigenen Rlute seinen Namen schreiben (.ist dies a in teilTlisch Krankhait" bemerkt hiebei Roth) und diese lrnter- hose an einen Raum hängen und sie daselbst für immer zurü«'k lassen (s : It. Andrer, Kthn. Raralellen und Vergleiche S. 58 üt»er Lappenhäume : und Syrop Dania 1, 2 IT.): seinen Namen aber dar* er während dieser ganzen Kurzeit nicht anderweitig schreiben.

Eine Formel gegen die linse oder den Rotlauf aus der Her mann<tädter Gegend lautet :

Ks sitzen drei Jungfern auf einem Marmelstein.

Die eine heisset „Weisse", die andere „Grüne", die dritt1 „Röselein ~

Sie gierigen über die grüne Brück",

I)ie Rose blieb bei N. N. zurück.

Nun weinen die anderen beiden

Und klagen in ihrem Leiden.

Komm Kose, ich führ' dich zu ihnen zurück!

hn Namen Gottes usw

Heim Hersagen «lieser Formel verneigt man sich vor einem Rosenstrauch, nachdem man vorher den leidenden Körperteil mit einem Fuchsschwanz einige Mal abgerieben und einige Fuchshaare an den Strauch gebunden hat.

Oder man soll dem Kranken eine getrocknete Fuchszuuge ai: einem roten Hände um den Ha^ hängen (vgl. die Ztsehr. .Am l'i(juell* 1. S. 34) und spreche dabei. Heute rot. morgen tot. »lies i-t Gottes heilig Gebot, für mich, für dich, für uns alle, und auch für dich. Ro»e. Ris morgen sei du tot! sonst dörre ich dich, mahle ich dich, backe ich dich und gebe ich dich den Hunden zu fressen.* Nach drei Tagen gebe man diese Fuchszunge einem Hunde zu fressen (Roth).

S. mein Werk: „Aus dem innern Leben der Zigeuner44 (Berlin. 1&1 Feiher) S. 25; und mein Werk: ..Aus dem Volksleben der Magyaren" Mün ehen, lSi« . Huttier; 8.

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Oder man haucht die Rose des Leidenden kreuzweise an und spricht dabei die Formel :

Die Rose und die Weide(n), Sie kämpfen und streiten ; Die Weide gewann. Und die Rose verschwand!

(vgl. Frhrhhier S. 83; Prahn u. a. 0. S. 193.) Nachfolgende For- mel scheint mir unter magyarischem Kiufluss entstanden oder gar aus dem Magyarischen entlehnt zu sein, weil eben von den Magyaren die Rose „Szent Antal tüze" = Feuer des heiligen An- tonius genannt wird :

Reiliger Antonius in deinem brennenden Kleid.

Helte du mir in meinem Leid !

Bei Christi heiligen fünf Wunden

Iass' mich von deiner Krankheit gesunden!

Im Namen usw.

mit diesen Worten bestreut man allabendlich die kranke Stelle mit feinem Mehl. In der Kronstädter Gegend legt man dies Mehl in ein Säckchen und gibt dasselbe über Nacht auf den leidenden Körper- teil : am nächsten Tage aber bindet man heimlich das Säckchen an einen solchen Wagen, der um Holz in den Wald fährt, damit er „die Krankheit in den Wald nehme." Der „Wald" wird auch in einer anderen Formel aus Zeiden erwähnt: „Ich gieng durch einen roten Wald. Und in dem roten Wald fand ieh eine rote Kirche. Und in der roten Kirche stand ein roter Altar. I nd auf dem ro- ten Altar lag ein rotes Brot. Neben dem roten Brot lag ein rotes Messer. Nimm das rote Messer und schneide das rote Brot. Im Namen Gottes. Nun ist der Rotlauf tot." Iliebei berührt der Kranke mit einem neuen Messer die leidende Körperstelle und sticht dann das Messer einige Mal in den Erdboden, gleichsam als wollte er sein Leid der Knie übergeben." (vgl. die Ztschr. „Am Urquell" 1. S. 154: ..Ztschr. d. Ver. f. Volkskunde", I. S. 207).

(injtn die tichöl, weisse Blasen am Munde. Wenn Kinder die School bekommen, führt sie die Mutter entweder drei Morgen oder morgens, mittags und abends um einen Holunderstrauch dreimal herum und spricht dreimal :

Holunderstrauch, du elender Hund, Mein Kind hat die School am Mund: Nimmst du sie ihm his morgen nicht weg. So verreck'! Im Namen etc.

(aus Zeiden: vgl. Haltrich-WolJ) ' S. 2ti7. Was den Ausdruck »//(/«/an- belangt, wäre die im Böhmerwald gebräuchliche Benennung Srhäl = Drü- sengeschwulst damit verwandt ; s. „Zeitschr. d. Ver. f. Volksk.M. S. 205, Die Formeln gegen Zahnschmerzen hängen auch mit dem „Baum" zusammen. Hoth führt folgende Formel an; ..Herr Petrus sass auf einem Stein und hielt sich die Backe in der Hand. Kam da Maria und fragte ihn: „Petrus, was tuet dir weh?" „0 Mutter Gottes,

:-i2

der Wurm grabt in meinem Zahn !** Sprach da Maria lieb : „Wurm, ich beschwöre dich bei Gott Vater, Gott Sohn, Gott heiligen Geist, du sollst von hinnen weichen und dem Petrus und dem X. N. im Zahne nicht graben! Dies ist mein Wille! Amen!*" (vgl. Zingerle a. a. 0. S. 175). Dabei soll man fügt Roth hinzu „ain neu Nagel in ain Baum schlagen, hilft sicher." Der Vollständigkeit halber mögen hier noch einige Heilverfahren bei Zahnschmerz stehen :

Um von anhaltenden Zahnschmerzen für immer frei zu wer- den, beisse man während des Geläutes in den Strang der Kirchen- glocken und spreche:

Die frei (?) Messen siud gesungen,

Die Glocken haben geklungen,

Das Evangelium ist gelesen,

Der Wurm in meinen Zähnen soll verwesen.

(Roth; vgl. Schuster S. 301, Nr. 153; Frischbier S. 101.) Hei Neumond spreche man, den Zahn anpackend : „Tu ich dich Mond wieder ansehn, Soll mein Zahnweh vergehn!" d. h. bis ich morgen dich wiedersehe, soll mein Zahnschmerz vergangen sein. Man bohre ein Loch in einen Haum, stelle sich hin. kaue mit dem wehen Zahn ein Brotstück, die Hälfte schlucke man. die andere Hälfte aber speie man ins Bohrloch und spreche : „Baum, ich gebe dir die Hälfte von dem, was ich habe; nimm mir ab den ganzen Schmerz und führe ihn zur Knie nieder!" (Aus Agnethlen.)

Einen grossen Teil der Krankheiten schreibt auch der sieben- bürgiseh-sächsischc Volksglauben den Würmern zu. Man gibt den Kindern gegen die Würmer eine Abendmahlhostie zu essen und spricht dabei :

•lerusalem, du heilige Stadt. Darinnen Jesus gekreuzigt ward: Er vergoss für uns sein heilig Blut, Das ist auch für Würmer gut !

(Roth ; vgl. Prahn a. a. 0. S. 195.) In Grossan spricht man den Segen: „Hieb lag auf dem Mist, kam da Jesus Christ. Hiob sprach: Gott hat mich vergessen, die bösen Würmer wollen mich fressen ! Jesus sprach : Sie seien alle tot, ob schwarz, ob weiss, ob rot. Im Namen Gottes, Amen!" Oder man vergräbt den Auswurf der betref- fenden Person oder des Tieres unter einen Holunderstrauch und spricht dabei:

X. X. hat ein grosses Kreuz,

Würmer fressen ihm Blut und Schweis»!

O, du lieber Jesus Christ,

Der du im Himmel bist!

Hast dem Lazarus geholfen im Leid,

Sei dem N. N. zur Hilfe bereit!

(aus Neppendorf.) In meiner Kinderzeit band man in Kronstadt dem Kinde gegen die Würmer über Nacht ein Stückchen Speck auf

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den Kürzel, um die Würmer hervorzuloeken. Am näehsten Tage warf man den Speck in ein Gestrüpp und sprach dabei die Worte: „Würmer weiss oder rot, Seid bis Abend tot ! Im Namen Gottes . usw!" In Kronstadt wohnte damals in unserer Nachbarschaft eine gewisse Elisabeth Heiner, die für eine grosse ..Büsserhr gegen die Würmer galt, so dass selbst die angesehensten Familien der Stadt ihre Kinder zu ihr hinführten, wenn dieselben der Meinung der Kitern gemäss an Würmern litten. Selbst Krämpfe aller Art werden den Würmern zugeschrieben.

(Segen Krämpfe ritze man sieh mit einer neuen Nadel ein Kreuz auf die Brust und rufe: „Du verfluchter Teufelsirurm, geh' heim, deine Mutter liegt im Sterben" (Mühlbach ; vgl. Frischbier S. 73.) Roth schreibt: „Hat dain Vieh oder Mensch di Gräm f. so tu auf ein Zedel schreiben: Hoinines ä jument Sul av bis Domine quaemad modum multiplizicasti miseri cordiam Deus . . . Die Zedel . gib ein zu essen . . ." 1

Auch der Firrich, Fiäricht, bisweilen auch Firdgel {Feuerigel) genannt, ist ein Wurm, der im Leibe Hitze und die Kolik verur- sacht. Bei diesem Lehel soll man Knie mit Kssig wärmen, und die- selbe dann und in einem Säekchen dein Kranken auf den Bauch legen. Nach seiner Heilung hat der Kranke dies Säckehen in den Erd- boden einzugraben und die Formel zu sprechen :

Fierich, tierich #eh" in die Erd'

Zu einem Donnerstein werd:

Beim Teufel seh' das Sonnenlicht,

Wenn seine Grossmutter -lieh t'risst. diothj

Nach dem Urteil des sächsischen Volkes fährt bei jedem einschla- genden und nicht zündenden Blitz ein sog. Doiinerstein dermassen tief in die Erde, dass er erst im neunten .Jahre nach dem Einschla- gen wieder auf der Erde zum Vorschein kommt. „In den Augendes gewöhnlichen Mannes sind die Donnersteine nicht Erzeugnisse von Menschenhand, sie sind ihm Boten des Himmels, l ud darum kön- nen sie nicht in der Erde Sehoss bleiben ; als Boten des Lichts rücken sie, nach oben strebend, jedes Jahr eine gewisse Strecke aufwärts" {Haltrich-Woljf S. 2(55)). Eine Formel aus Grossau lautet:

Alte Frau alte Katz', Trink dies («laschen Schnaps! Barmutter, lassr dein Gekratz!

(vgl. Ammann a. a. 0. S. 206). Oder es streichelt Jemand des Lei- denden Unterleib und spricht dabei :

1 Ist, wie ich soeben bemerke, eine Entstellung der Psalmenworte 85. 7 8: homines et jumenta salvabis Domine: quemadmodum multiplicasti misericordiam tuam, Deus . . . S. K. Köhler in F. S. Kraus*' Ztschr. „Am Ur-Quell" II. S. 27.

Ethnol. Mittoil. «. Ungarn III. 3

t

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Wehmutter, Bermutter. Du willst Blut lecken. Das Herz abstossen. Die Glieder recken. Die Haut strecken! Darfst es nicht tun. Du musst ruhn Im Namen Gottes usw.

(aus Kronstadt: vgl. Frischhier S. 70. Nr. 2).

Kommt bei einer Wöchnerin die Nachgeburt nicht zum Vor- schein, so heisst es. „die Würmer lassen sie nicht heraus," und man räuchert die Krau mit einem Stückchen Hasenfell. Oder man reibt den Wöchnerin den Leib mit Olivenöl und spricht dabei die Formel :

Bürmutter, du bist leer, Bärmutter geh' von her (hier), Geh' in den schwarzen Berg, Geh' in den weissen Berg. Geh' in den kalten Berg. Geh' in den heimsen Borg. Bärmutter, geh' von her!

In Keps ist es Hrauch. dass man eine solche Wöchnerin auf die kahle Krde legt, mit einem Messer über ihren Unterleib das Zeichen des Kreuzes macht und dann obige Formel hersagend, das Messer drei Mal in den Erdboden sticht und zwar ein Mal vor der Tür- schwelle, das zweite Mal vor dem Tore und das dritte Mal aal einem Kreuzwege. Hei der Heimkehr, spreche man vor dem Hause die Worte: „Donner und Hlitz sollen euch Würmer, im Wald trocknen, dörren und mahlen ! Im Xatnen Gottes usw.44 In manchen (legenden des Sachsenlandes steckt man noch vor der Geburt den» Weibe einen Stengel vom Donnerkraut (Hauswurz, sempervivum tec- torum) ins Lager, damit die „Härmutter nicht von Würmern leide.4* Cieffen Ohrenschmerz stecke man ein Blatt vom Donnerkraut (Hauswurz, sempervivum tectorum) ins Ohr und spreche:

Christus fuhr über das Meer, Da kam der Sturm daher. Dich Kraut, steckte er ins Ohr Und war unversehrt ! Im Namen usw.

Der Ohrenschmerz entsteht auch durch einen Wurm, der in diesem Körperteil „wühlt."

Gegen Kopfschmerz uriniere man in einen IMerdeschüdel (His- trizer liegend). In Sächsisch-Kegen und Tekendorf spricht man da- bei die Worte :

Würmer, aus meinem Hirn.

Hier sollt ihr tanzen und spielen.

Hier sollt ihr krepieren.

80 will es mein Herr. .Jesus Clni-t! Amen.

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Oder man lasse sich den Kopf mit Essig einreiben und die Formel sprechen : „Jesus sass an marmernem Stein, Er war traurig und allein. Kam da Maria gegangen, hielt ihren Sohn umfangen. „Ich will dich umgreifen, ich will dein Weh abschleifen, ich will dir büssen, ich will dich bessern, ich will dein Weh zerschmettern! Vater, im Himmel erhöre mich!" (Roth, vgl. Schuster S. 308).

Interessant ist die Formel, welche Roth gegen Schlanyenbis* mitteilt, weil darin der Leind (Lindwurm) vorkommt. Sie lautet: „Der Leind kam und hiss in die Haut; durch die Haut ins Fleisch; durch das Fleisch ins Blut ; durch das Blut in die Lunge ; durch die Lunge ins Herz; durch das Herz in die Lunge; durch die Lunge ins Blut ; durch das Blut ins Fleisch : durch das Fleisch in die Haut : durch die Haut in sich selbst und also verreckte er, der N. N. ward heil durch Christi Gnade ! Amen !" (vgl. „Am Urquell" II, S. 75). Eine Formel aus Klein-Kopiseh lautet:

Die Schlange sticht.

Christus spricht;

Christus hat dies gesprochen :

„Diese Schlange hat nicht giftig gestochen!-'

(vgl. Frischbier S. 88.)

Welche bedeutsame Bolle auch im Heilverfahren der Sieben- bürger Sachsen menschliche Körperteile (Nägel, Haare, Blut usw.) spielen, können wir aus Folgendem .ersehen :

Geyen starken Nasenhluten schreibe man auf einen Baum die Buchstaben: u P u L u (Roth; vgl. die Ztschr. „Am Ur-QuelT II. S. 177). Allgemein bekannt ist das Mittel, dass man starkes Nasen- bluten durch festes Umwickeln des linken kleinen Fingers mit einem Zwirnfaden stillen kann. Oder man grabe ein Loch in die Erde, lasse einige Tropfen Blut aus der Nase hineinrinnen, und das Loch dann zuscharrend spreche man: „Dir geh' ich Erde, mein Leiden!**

Geyen den Schlayßuss w ird der vom Schlage Getroffene auf die Erde hingelegt und die Besprecherin giesst aus der Höhe je einen Wasserstrahl auf sein Haupt, seinen Bücken, seine Beine und Arme und spricht dabei jedesmal:

Der Schlag und der Mord. Die gingen an einen dunklen Ort: Der Schlag und iler Mord fiel nieder, Jesus kommt und hilft uns wieder.

(Aus Grosspold; vgl. Frischbier S. 87). Ein anderes Mittel besteht aus folgendem Verfahren : Man schreibe mit dem Blute des Kranken auf einen Zettel: „O crux admirabilis," auf den anderen : „evacuatio corporis," auf den dritten „restauratio vigoris" (vgl. Ostr. r. Zinyerle a. a. O. S. 175); diese drei Zettel lege man auf den gelähmten Körperteil des Kranken und schlage mit einem „groben Linnen" so lange drauf los, bis die Zettel in Stin ke zerreissen: während des Schlagens rufe man beständig die Worte: „Jehovnh, grosser Gott.

3'

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hast Zions Mauern gestürzt; hast den N. N. gestürzt: die Mauern kann man erbauen, den N. N. kannst nur du heilen! Jehovah !" Dies wiederhole man von einem Neumond bis zum anderen tag- täglich abends und in der Frühe (Roth),

Auch bei der Wassersucht kommen Körperteile in Anwendung: man sehneidet von jedem Nagel der Hand und des Fusses ein Stückeheil ab, nimmt dazu einige Haupthaare des Kranken, bindet dies Alles in ein Söckchen und wirft es in ein Iiiessendes Wasser, wobei man spricht: „Nimm meine Krankheit mit lieber Christ, darum ich bitt!" (Mediaseher Gegend, vgl. ..Arn Urquell" I, S. III). -- Wachholderbeeren mit pulverisierten Krebsschalen gekocht, soll man dem Kranken eingeben, den Urin desselben aber stets in flies - sendes Wasser giesscn und dabei sprechen : „Christus fuhr mit Petrus übers Meer, versanken im Wasser beide: kam ein grosser Fisch, verschlang das grosse Wasser und beide waren heil ! Kleiner Fisch, komm' und verschling* dies kleine Wässerlein und mache den N. N. heil! Im Namen Gottes usw.!" (Roth).

Bevor wir zu den Formeln gegen Feind, Neid und Wetter, und den sogenannten Reisesegen und dem Flnf'hann übergehen, wollen wir hier noch einiges, bislang unbekannte aus dem Heilverfahren der Siebenbürger Sachsen mitteilen.

Geyen Sommersprossen. Siebt man im Frühjahr die eiste Schwalbe, so soll man sich schnell waschen oder wenigstens das Waschen nachahmend, das Gesicht mit den Händen reiben und rufen :

Sprossen. Sprossen, Sommersprossen, Sind in mein Gesicht geschossen ! Schwalbe ist gekommen, Hat sie weggenommen.

Oefteres Waschen des Gesichtes mit dem Saft der Gurken, gilt für ein unfehlbares Mittel; ebenso das Verschlucken von einigen Linsen und zwar täglich auf .nüchternen" Magen.

Geyen Impotenz trinke man Wein, in den man Fischlaich ge- kocht hat (Burzenland).

Geyen Unfruchtbarkeit soll man dem Weibe die getrockneten und zu Pulver geriebenen Genitalien eines Fuchses in Eselsmileh zu trinken geben (vgl. .Am Urquell" I. S.

Fast allgemein verbreitet ist das Mittel gegen die Trunksucht : Man soll eine Kröte zu Pulver verbrennen und dies Pulver dem Betreffenden ins Getränk mischen (vgl. „Am Urquell" l, S. 136) ; oder man brennt Haselnusswurzeln und Kürbissblüten zu Asche und mischt diese ins Getränk (Kronstadt).

Geyen die Pest wird in Roth's Handschrift der Bat erteilt ein kupfernes Täfelchen am blossen Leibe zu tragen, auf welches man die Worte zu ritzen hat: Wate, du nakfe mir nit nahe. Den Leib soll man oft mit Dachsfett einsalben. Wer diese Wate ist. kann ich nicht bestimmen; was ,ynakt<" (nackte) als Beiwort anbelangt, so verweist es auf den unter siebenbürgischen Völkerschaften all-

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gemein verbreiteten Gluuben, dass die Pest (beziehungsweise Cholera) in der Gestalt eines schwarzen Weibes oder nackten Kindes durchs Land zieht (s. Müller Fr., Siebenb. Sagen S. 37).

Christus, Set. Peter und Mathias spielen eine besondere Holle in den Formeln gegen die Yerrenkumj. Den leidenden Körperteil streichelnd, spricht die „Hüsserin" :

Christus, der Herr und «1er hl. Mathias Kamen miteinander über die Brück', rirach das Bein des hl. Mathias zu »Stück! ,,Was tuet deinem Bein so weh?" Mein Bein ist krank, ich bin lahm! „Nimm Schmeer und Salz Schmier dein Gebein, Schmier deine Adern! Bein an Bein, Ader an Ader, Fleisch an Fleisch.

So soll's sein, wie Christus, der Herr Es haben will! Amen!

{Holl; vgl. Schuster S. 3H5.) Eine Formel aus der Ortschaft Peters- dorf lautet :

Jesus kam mit Set. Peter geritten,

Vom vergleichenden Standpunkt sind auch die Mittel gegen die Warzen wichtig. Die meisten derselben sind in Deutschland allge- mein verbreitet, aber auch im Volksglauben anderer Völkerschaften anzutreffen. Will man sich die Warzen vertreiben, so reibe man sie mit Brotteig ein und werfe denselben rücklings in den glühenden Hackofen (vgl. „Am Urquell* I. S. 34). Man blickt den Neumond an und die Warze streichelnd spreche man: ..Was ich sehe, soll zunehmen: was ich fühle, soll abnehmen!" Oder man nimmt ein Gliedstroh, bestreicht damit kreuzweise die Warze, vergräbt dann das Stroh unter die Dachtraufe und wenn das Stroh verfault ist, so verschwinden auch die Warzen. In einen Zwirnfaden werden so viele Knoten gebunden, als Warzen vorhanden sind, indem man über jeder Warze eine Schlinge zuzieht ; den Faden vergrabe man unter die Dachtraufe. Sieht man einen Schimmel, so streichele man

Da brach sich Set. Peter das Bein ! ..Wein' nicht, Genosse mein! Nimm Schmeer und Salz Schmier dein (iebein. Schmier dein Fleisch !

Ich hauch' es an mit meinem heilenden Mund, t'nd du wirst wieder gesund Zur Ehre Gottes; Amen!

Kine andere Formel ans Mühlbach lautet :

Hast dein Bein verrenkt,

Christus am Kreuze hängt;

Hat ihm das Hängen nicht geschadet,

Bald der Schmerz dich nicht plaget!

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die Warzen und rufe : „Schimmel nimm sie mit, ich brauch" sie nicht!" (vgl. H. Volksmann in der Ztschr. „Am Urquell" III. S. 229). Oder man reibt die Warzen mit Brotteig und gibt diesen den Hühnern zu fressen, indem man spricht: „Fresst, meine Warzen versteckt, aber nicht verreckt!~ Es heisst nämlich, wenn man sich im Trinkwasser der Hühner wäscht, so bekommt man Warzen.

Auch die hier mitgeteilten Segen zeigen, dass die ältesten, schöns- ten Formeln bei allen Völkern in Gebete überlaufen, die ursprünglich vielleicht bei Opferhandlungen gesprochen wurden. Sie stammen ihrem innersten Kern nach aus Zeiten, wo das Volk noch an seinen selbst- geschaffenen Göttern hing. Erst mit dem Christentum erstarrten diese Segen zu einfachen Formel», in denen die heidnischen Götter beinahe ganz ausgemerzt und durch Gott, Christus, Maria, die Apostel und Heiligen ersetzt wurden. Roth teiltauch unter dem Namen «Gebetchen" eine Segensformel gegen allerlei Krankheit mit. Es lautet: „Herr im Himmel mit deinen zwölf Aposteln blick' gnädig auf mich herab. Kommt eine Krankheit von rechts, so -sende sie in die untere Hölle ; kommt sie links, sende sie in mittlere Hölle; kommt sie von vorne, schicke sie in die oberste Hölle; kommt sie von rückwärts aber, so schicke sie in die allertiefste Hölle ! Nicht lass' sie sich auf meinen schwachen Rücken setzen! Im Namen deines Willens ! Amen!" dabei ist dreimal auszuspeien fügt er in der Handschrift dem Gebete bei. Solche Gebete sind in den meisten sächsischen Dörfern Sieben- bürgens unter den Bewohnern allgemein bekannt; es sind einfache, volkstümliche Gebete, die jeder in welcher Drangsal immer hersagt, im Glauben, dadurch das bevorstehende Leid und Unglück abzuwen- den, oder das bereits eingetroffene entfernen zu können.

Haben wir im Vorhergehenden die Segenssprüche und Heilfor- meln für gegenwärtiges Uebel mitgeteilt, so müssen wir nun einer Reihe solcher Segen gedenken, die gegen kommendes Leid und Uebel gerichtet sind, die angewendet werden, um einer etwaigen Gefahr zu entgehen, einem wahrscheinlich eintreffenden Unheil vorzubeugen. Solche Segen sind dem Volksbewusstsein der Siebenbürger Sachsen bereits zum allergrössten Teil entschwunden. Nur hie und da linden wir noch einen Hof bann. Reisesegen , Formeln gegen den Feind, X**id und das Wetter vor.

Um ein neuerrichtetes Gebäude gegen die Macht der Feinde und der Elemente zu schützen, ist es gut, durch einen Besprecher einen Pferdeschädel oder Tierknochen in den Grund des Gebäudes vergraben und einen Segen, den „Ilofbann", sprechen zu lassen.

Aus dem Nösnergelände teilte mir Herr Feldwebel K. Ohwlter folgenden kurzen, aber wichtigen Hofbami mit:

Die drei Mareien sollen .spinnen aus Seide Kin festes Seil gen jedes Leide, Gott soll bauen ein gut Mauer Gen Krankheit, Tod und Trauer ; Christus wohne in diesem Haus Und treibe die Teufel daraus!

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Die drei Mareien sind wohl die germanischen Schicksalsspinne- rinnen. Ans dem Bnrzenlande stammt folgender llofbann:

Jesus ritt in Jerusalem allein,

Schmiessen ihn Judenkinder mit Steinten).

Sprach der Herr: „Nie tu' ich euch ein Leid,

Von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Aber eure Freud' wird aufhören.

Man wird eure Stadt zerstören !"

Herr Jesus, der du im Himmel bist.

Du mein lieber guter Christ.

"Wolle dies Gebau nicht zerstören,

Wolle alle Bösen beschwören.

Zu diesem Gebäu komme nicht her,

I >ie Satansbrut übers feurige Meer:

Nicht nah' her ein Feind mit Feuer und Schwert,

Nicht komm' her Hexenbrut und Satansknecht :

Schlagendes Feuer (Blitz* reit' in die Erd,

Komme nicht her Krankheit und Pest.

Sie sollen reiten in den grünen Wald,

Dort büssen und sich bessern.

Dort fliessen drei Brünulein der Gnad'

Dort sollen sie sitzen bis zum jüngsten Tag!

Dies (Jebäu umspanne Christi Blut.

Damit es wie Christus in Marias Armen.

Sicher und feste ruht!

Das wolle Gott, der Herr bewirken

Von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen!

Dies wird je dreimal an den vier Ecken des Gebäudes gespro- chen. Ans Heitau teilte mir Herr Apotheker Chr. Wohch folgenden Hofham! ~ mit:

Vier heilige Jungfrauen sollen kommen, Von den reinen und frommen, Die sollen von den vier Enden Pest, Unglück. Feuer wenden ! In des allmächtigen Hand

Soll ruhen in Ewigkeit dies Land (der Grund ! Der liebe Jesus Christus tiuf dorn Dach Schütz' dies Gebäu Tag und Nacht!

Dann (mögen) kommen die Bösen aus grünen Wäldern.

Aus dürren Feldern, aus kalten Brunnen,

Aus heissen Steinen, wir fürchten uns nicht!

Kine feste Burg ist unser Gott,

Christus ist unser Schutz und Nutz!

Im Namen usw.

Ein merkwürdiger «Hofbann" steht hei Roth. „Hast du ain neu Gebäu crbauvet, so spuck auf die vier Enden (Ecken) des Gehaus, sprich dies Gebetchen hai jedem End und dann küss das End und geh dann zum zweiten End, tu so. geh zum dritten End. tu auch so, und baim vierten End tu auch so. Dann ponir (entleere dich) vor die Gebäusait, die gen Sonnenuntergang liegt ..." Der llofbann selbst, den man bei den vier Ecken zu sprechen hat, lautet: „Dies Gebäu ist erbaut aus grünem Holz aus grünem Wald: aus weissem Stein

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«ms weissem Gestein; aus schwarzer Eni aus schwarzer Erd"; aus kaltem Wasser aus kaltem Brunnen ! Krankheit aus grünem Wald, komm' nicht her, hast Holz noch genug: Wehfrau aus weissem Gestein, komm nicht her, hast Steine noch genug; Teufel aus schwarzer Erd* komm' nicht her, hast Eni' noch genug! Brunnenfrau, komm' nicht her, hast Wasser noch genug; die Toten lass ruhn, die Lebendigen verschon vor Wassernot, Feuergefahr. Hungertod, Blitzesstrahl; schick* ihnen Kinderchen, die weiterbauen, dich lohen und gen Himmel zu Christus, den Herrn selig schauen ! Im Xamcn usw. Amen/

Die Worte ..schick* ihnen Kinderchen" bezieht sich wohl auf den nunmehr entschwundenen Volksglauben, dass die Kinder vor ihrer Geburt in Gewässern, bei der Brunnenfrau leben. Nach der Ent- leerung spreche man :

Beschtitz' das Gebüu vor Dieb und Feind, Schlag' ihn ums Maul, der mir greint!

An dieser Stelle muss ich bemerken, dass die meisten sieben- bürgischen Völkerschatten für tfrvmu* imnlae auch den Ausdruck Hirtr gebrauchen und bei ihnen der Glaube herrscht, dass so lange der .Haufen', welchen der Dieb auf dem Schauplatz seiner Tätigkeit errichtet, warm ist, er vor jeder Störung gesichert bleibt. In Sieben- bürgen findet man dergleichen , Haufen* in Gebäuden, die von Dieben erbrochen und geplündert worden, gar häufig vor.1 Der rumänische Ausdruck C*obiin (Hirte) seheint auch auf diesen allgemein verbrei- teten Glauben hinzuspielen (vgl. Liebrecht. Zur Volkskunde S. 853).

Die sogenannten Beisesegen sind heutigen Tages dem Volks- bewusstsein ganz und gar entschwunden). In früheren Zeiten sprachen diese Segen die Fuhrleute, wenn sie auf weite Wege Frachten führ- ten, freilich in Zeiten, wo noch keine Eisenbahn im Lande war, oder Handwerksburscheu, wenn sie ihre Wanderschaft antraten. ItotU hat einen solchen Beisesegen. den früher die Kronstädter Tschismen- machergcsellen mit auf ihre Wanderschaft nahmen, in sein Tagbuch im Jahre 183fi aus einem Processakt der dortigen Tschismenmacher- zunft contra G. Orendi aufgezeichnet. Dieser Beisesegen lautet also:

Der Herr im Himmel l'nd ich aut der Erd' Er mache mich seiner l'nd Christi wert !

Geh' wieder heint (heuti auf Wanderfahrt.

Hab Schutz und Segen bei mir gepaart !

Mein erstes ist Gott der Vater.

Mein zweites ist Gott der Sohn,

Mein drittes ist der hl. Geist,

Der mit mir reist,

Mir meine Wege weist.

1 S. meine „Zauber- und Besprechung formeln der siebenb. Zigeuner* '■ Verlag „der Ethnol. Mitteilungen aus t'nganr" löSS. Budapest) S. .'3:1.

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Ich trete über fremde Schwellen,

Jesus, Maria, Josef, die hl. H Könige

Kasper, Melchior, Balthasar

Seid meine Wandergesellen,

Die wollen mich im fremden Land

Bewahren mit starker Hand,

Mich führen zu aller Zeit

Zu Glück, Freud, Brot und Seligkeit. Amen.

Ein IteiseMgen aus der Hermannstädter dopend, den die dortigen Fuhrleute zu beten pflegten, lautet:

Jetzt t.ret' ich über meine Schwelle,

Herr Jesus sei mein Wegselle!

Lass alle meine Feinde ruhn,

Steh' mir bei in allem Tun.

Zu Wasser und zu Land

Sei meine starke Hand!

Im Wald vor Geistern und Käubern,

Im (ebnen) Land vor Schleichern.

Am Tag vor Unsichtbaren (?),

Der Nachts vor Teufeln,

Allzeit bis in die Ewigkeit.

Behüt mein Blut und Fleisch. Amen!

(Von) Fuhrmann Andrms Wohmrt.)

Im Volke leiten wenn auch spärlich noch immer Formeln gegen einen Fvind oder gegen Neid fort. In früheren Zeiten mögen diese Sprüche eine stattliche Anzahl auch im Kreise des siebenbür- gisch-sächsischen Landvolkes abgegeben haben. Ich konnte nur einen einzigen Spruch erlangen.

.Sielist du deinen Faind", schreibt Hoth. „sprich in dir heimblich : '

Das Gute in mir, Das Böse in dir.

Gott, der Vater über uns beiden.

Er wolle gnädig und im (Juten scheiden!

oder man spreche:

Der Teufel zeigte dem Gottessohn

Die schöne Stadt Babylon;

Christus stiess ihn vom Kirchenturin:

So wolle Gott dich von mir stossen.

Du elendiger Höllenwurm!

Nicht frisst du mir Mark und Bein,

Gott muss beim Gerechten sein ! Amen !

In Kelling spricht man:

Kannst kommen und kannst gehen. Drei Schlösser um mich gehen. Das eine ist Gott der Vater, Das andre der Sohn.

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Das dritte ist «lex* heilige (ieist. Die beschützen mein Gut and Blut! Spinnen um mich einen roten Faden, Dass du mir nicht kannst schaden!

(Vgl. zum Eingang Schuster S. 290). Unter »rotem Faden" ist wohl das Glücksseil, Glüeksstriemchen zu verstehen. Kinder, die mit einem roten Striemehen am Halse auf die Welt kommen, werden vom Glück besonders begünstigt.

Um sein Hab und Gut vor Neid zu bewahren, muss man oft gegen „geheimen Neid" einen Spruch hersagen. Der Neid wendet sich eben nicht nur gegen Leben und Gesundheit des Menschen, sondern auch gegen seinen Hausstand, sein Vieh, seine Gebäude usw. In manchen Dörfern heisst es daher, dass man morgens beim ersten Uebertreten der Schwelle dreimal ausspucken und den Spruch hermurmeln solle :

Krstens für Neid,

Zweitens tur böse Leut,

Drittens für Krankheit nah und weit

Im Namen (Jottes usw. Amen!

(aus der Mediascher Gegend; vgl. Ammann a. a. 0. S. 311). Oder man spreche :

Jeder, den ich seh', Tu mir kein Weh'. Alles, was ich seh'. Rechter Wege geh1!

Im Namen Gottes, des Herrn des Himmels und der Erde, also Alles geschehe, Amen!

(aus Klein-Kopisch). Oder man spreche: .Neid schadet neunmal ; nein, nur 8-mal: nein, nur 7-mal; nein, nur 6-mal : nein, nur 5-mal ; nein, nur 4-mal: nein, nur 3-mal; nein, nur 2-mal: nein, nur 1-mal ; nein, er schadet keinmal, denn der hl. Georg durchsticht ihn mit der Lanze im Namen des ewigen Vaters, Amen!" (aus Aynethlen). Ein anderer Spruch gegen Neid, den man bei Kindern anzuwenden ptlegt und der sich auf die Nornen zu beziehen scheint, lautet :

Drei Frauen wir au dir laden, Sollen dich am Arm tragen, Sollen dir spinnen und weben, Den Neidern Krankheit geben, Dir Gesundheit schenken Und ewiges Leben. Amen!

Verwandt mit den Formeln gegen Neid sind die Diebssegen und die Formeln gegen Feuer und Wetter. „Gewöhnlich geschieht das Segnen, was man auch , versprechen' oder .binden1 heisst, um 12 Uhr in der Nacht oder vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang oder zu allen diesen Zeiten nach einander. Manche dieser Sprüche dürfen nur von einer Frau auf einen Mann und von diesem wieder auf eine Frau insgeheim übertragen werden, wenn sie ihre Wirksam- keit nicht verlieren sollen, (vgl. Ifaltrich-Wol/I r S. 274.)

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Roth teilt folgende wichtige Diebssetjen mit:

Maria ging in den grünen (»arten, Drei Englein das Jesukindlein warten,

Der eine heisst Michael, der andere Gabriel, der dritt' Zachariel ;

Kamen her drei Diebe, wollten Jesum stehlen,

Spi-ach da Michael zu Gabriel:

Nicht lass' sie weitergehen !

Bind' sie mit des Evangeliums Wort,

Sollen sich nicht rühren vom Ort ;

Sollen die Sterne zählen am Himmel,

Den Saud auf der Erden,

Bis ich sie lösen werd' durch Gottes Wort. Amen !

(vgl. Frischbier S. 113). Bevor man aber diesen Segen spricht, muss man eine schwarze Katze nehmen, ihr die vier Füsse zusammenbin- den, und wenn man dann ein Feuer rings um sie herum anmacht, so wird sie „ihr Wasser lliessen lassen." In diesen Urin tauche man eine Rabenfeder ein und während man obige Formel hersagt, streiche man damit Tür und Schloss ein. Nie wird ein Dieb diese Schwelle überteten können. In dem von Teutsch im Vereinsarchiv N. F. 3, 1 ff. auszugsweise veröffentlichten Visitationsprotokolle heisst es unter anderm S. 30: De pastore (in Schönau) fassa est quaedam mulier Seydensis, quod ab illo didicerit formulam incantationis pro assecu- ratione curiae contra fures nocturnos, punitur fl. 5."

Wichtiger noch ist der zweite Diebssegen, den Roth mitteilt. Kr lautet:

Dieb, ich bind' dich mit Gottes Wort,

Nicht rühr' dich von diesem Ort,

Werde starr wie Lothens Weib,

Zu Asche werde dein sündiger Leib.

Bleibst du nicht hier stehn,

Bis dich meine Augen ansehn.

Im Namen usw Amen.

Dabei geht man um die Sache, die man , binden' will, drei Mal herum. Zur Erklärung dieses Volksglaubens heisst es in der siebenbür- gisch-säehsisehen Uebcrlieferung : „Nun kann der Dieb zwar in den umgangenen Kreis hinein, aber nicht mehr aus ihm herausgehen. Daher muss man sich noch vor Aufgang der Sonne am folgenden Morgen hinbegeben und falls der Dieb da ist, denselben anstossen und heimlich bei sich sprechen: „Geh" hin in Teufels Namen !u Denn wenn der Dieb an dem versprochenen Ort von der Sonne beschienen wird, so muss er in Staub zerfallen" (s. Ualtrirh- II o///' S. 274.) Fei - ner schreibt Roth : „Vergrap diesen Zedel unter die Türschwell, kann kain Dieb rüberkommen." Der zu vergrabende Zettel wird mit fol- genden Worten beschrieben: „Dieb, ich binde dich mit drei Ketten; die erste ist Gottes Wort, das er uns gab auf dem Sinai; die zweite ist Christi Blut, das er vergoss auf Golgatha; die dritte ist der grüne Rit (Fieber), das dich schütteln soll, wenn du herkommst, dass du hier bleibst, bis ich dich löse von Gottes Wort, von Ghristi Blut, von grünen Riten Kraft, im Namen Gottes. Amen."

Der Rit ist das personifizierte Fieber, das mit seinem Beiwort

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.grün" auf uYn Wald und den Baum zurückweist und eben auefc einen Beweis dafür liefert, dass ja die Krankheitsgeister ursprünglich Wald- und Baumgeister waren. Deutlieh zeigt sich auch in den Wörter, des mitgeteilten Zettels die Verschmelzung von christlichen und heid nixdien Kiementen.

Im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen heisst es ferner :

I m «las gestohlene Gut wiederzubekommen, verschaffe man sich eine Hostie, lege dieselbe auf etwas vom gestohlenen (inte und ste he mit einer Nadel in die Hostie. Heim ersten Stich sagt man: .hieb, ich steche dein (iehirn: du sollst deinen Verstand verlier'n!" Heim zweiten Stich sagt man: „Dieb, ich steche deine Hände, damit ieh dich zum Guten wende!" Heim dritten Stich wird gesagt: «hieb, ich steche in deine Küssen, damit sie erlahmen müssen!" beim vierten und letzten Stich sagt man: «Dieb, ich steche in dein Herz, du ster- best in Oual. Klend. Not und Schmerz!" Will der hieb nicht sterben, so bringt er da«» gestohlene Gut zurück (Hennannstädter Gegend |

Seine Gebäude gegen Gewitter und Fnicr zu schützen, ist eine der Hauptsorgen des Landmannes. Kin Gebäude, auf dem ein Ston.h «»der an «lern eine Schwalbe nistet, ist vor dem Blitz gesichert, hei«*: c~ im siebenb.-sächsischeii Volksglauben. I'm sein Gebäude vor dem Blitz zu sichern, pflanze man auf »las Dach das Donnerkraut (senv pervivum tectorum) und grabe in den Grund desselben Schwalben federn ein. die man in Zettel wickelt, auf die man die Worte schreibt Fax. Lux. Nor in manu hei (ttoth\.

Manche glauben, dass wenn man .. Donnersteine" (Helemniter.. >. olienf in das (iebäude einmauere, dasselbe vor <lem Blitzschlag gesichert <ei. Bricht Feuer aus, so stelle man sich .dem Wind cd' gegen", schreibt Hnth, und spreche dreimal:

Sancr Martin mit deinem Feuerbrand. Samt .Johannes mit deiner Wass erkürt". Komm uns zu Hilf. Amen!

(»der es soll, wenn ein Brand ausbricht, eine -reine Jungfer' um die Brand>tätte herumlaufen und sprechen:

Maria giftig übers Land. Trat' sie wilden Brand !

..Brand, ich büsse beschwöre- dich mit meiner hl. Harni' ieh' zunick in den wilden Wald, «ieh" zurück in den Brunnen kalt. <«eh* in die Wolken, I »ie dich erzogen !"

Im Namen Cottas usw. Amen! [Roth )

In früheren Zeiten schrieb man sich sogar zujrun frischt Formeln gegen Feuer-brunst auf und hob das Schriftstück sorgfältig auf. um es hei Gelegenheit in das brennende (iebäude zu werfen, dadurch «las Weitergreifen des Feuers zu verhindern.1

Zum Schlüsse teilen wir nur noch einige inedierte Verwahntn>j<-

1 S. mein Werk: „Aus dem innern I^el>en der Zigeuner" (BerÜu. l?i*2 FtiKer S ITH.

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mittel mit, die sich auf die Haustiere beziehen. Die meisten solcher Verwahrungsmittel sind bereits von einheimischen Forsehern gesam- melt und veröffentlicht worden, so dass unsere Nachlese hier nun gar spärlich ausfallen wird, besonders nachdem auch Roth nur einige wenige dieser Mittel anführt.

Kauft man eine Kuh, schreibt Roth, so soll ihr die Hausfrau das erste Futter aus ihrer Schürze geben und sprechen: „Der hl. Sylvester stand vor dem Tor, krochen unter der Brück' die Hexen hervor! Hexen, ihr sollt weichen von diesem Tier: Krankheit bleibe daheim : Neid, mach' ihm kein Leid, im Namen Gottes! Amen!" Den ersten Urin der Kuh soll man auffangen und ins Feuer giessen; dadurch verbrennt man alles Böse, das die neue Kuh mitgebracht hat. Wenn die Kuh beim Melken nicht stehen will, so prügelt man sie mit um- gekehrten Besen. Diese Schläge spürt die Hexe und verschont von min an die Kuh. Harnt die Kuh beim Melken, so fängt man ihren Harn in einen Frauenschuch auf und hängt ihn in den Bauchfang, wobei man spricht: „Der Neid soll Kohle werden, die Krankheit soll Asche werden, die Bösen sollen Bauch werden, damit Friede sei im Himmel und auf Erden! Amen!" Nach drei Tagen verbrennt man den Schuh und streut die Asche in fliessendes Wasser (Roth . Cm das Kalben der Kuh zu erleichtern, zerlegt man eine Axt und legt den Stiel auf die eine, das Beil selbst auf die andere Seite der Kuh und spricht: „Heilige Anna, über diesen Leib spreif (leinen Mantel : aus dem Leibe treib' die Frucht; zwei sind bei einand'. teil' sie in zwei mit deiner seligen Hand. Amen!" {Aus Grossati, Schärkäny). Um störrige Pferde zu zähmen, schreibt Roth} schlage man sie mit einer Kute, deren Spitze verkohlt ist, kreuzweise über dem Kücken und spreche die Worte: „Der hl. Elias gebot seinen Pferden: Stehet stille, das ist Gottes Wille! Und die Pferde standen still! Ich gebiete dir im Namen des hl. Elias, du stehest; wann ich will, du gehest, wann ich will; ich bin dein Herr und du sollst keinen anderen Herrn haben ausser mir! Amen !"

Schwärmen die Bienen, so soll man ihnen den blanken Hintern zeigen und der Schwärm wird sich in der Nähe niederlassen oder man ziehe sich das Hemd rasch aus und blicke dem Schwärm durch den Aermel nach (Roth i. vgl. F. S. Kraus.* in seiner Ztschr. .Am Urquell" III. S. 1)7). Einen einzigen Bienensegen teilt Roth mit, der um so bedeutungsvoller ist, weil er darunter die Worte gesetzt hat : „von main selig Vater erlernt." Der Segen, den man beim ersten Ausflug der Bienen im Frühjahr zu sprechen hat, lautet :

In nomine patris, tilii und aller sauetorum!

Maria gen Sonnenaufgang hebt die rechte Hand,

Maria gen Sonnenuntergang hebt ihre linke Hand,

Damit ihr teure Bienen sollet fliegen,

Damit ihr viel Honig sollet kriegen,

Honig fürs Jesukindlein,

Wachs für den hl. Altar,

Deshalb beschützt euch die hl. Margaret

Im Namen Gottes, des Vaters! Amen!

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Kili anderer Bienensegen ist mir aus Mühlbach und Agnethlen bekannt. Beim ersten Ausflug der Bienen im Frühjahr lasse man die- selben durch eine Wolfskehle und über den Hausschlüssel Iiiegen, dann weiden sie arbeitsam und keine fremden Bienen werden den Stock des Honigs berauben können. Beim Erscheinen der ersten Bienen vor dem Flugloch spreche man: „Gott sprach: Es werde Licht! Gott sprach: Es werde die Biene! Gott sprach: Es werde Wachs! Gott spricht: Gesegnet sei euer Auszug! Gott wird sprechen : Ge- segnet sei euer Einzug: Amen!" Oder man spricht hei dieser Gele- genheit :

Bienchen. Kienchen, Bienchen, Reise in« grüne Land. Speise vod Blumen und (Iras-, Fülle mir Korb und Fass!

(vgl. Frischbier S. 131.)

Wir haben somit eine Nachlese zu den von Andern bislang ver- öffentlichten Segenssprüchen und Heilmitteln des siebenbürgisch-säch- sischen Volkes liier mitgeteilt, die einst vielleicht auch einen nicht zu verachtenden Bestandteil für eine zukünftige Sammlung aller deutscher Bcsegnungsformeln. Gebräuchen und Meinungen bilden wird.

König Mathias und Peter Gereb.

(Hin 1j\ »lg.'i risse moss Ovissl.nrerüiecl miss Bosnien.) Von /)/•. Friedrich S. Kram».

Manchen wird auf den ersten Blick die Angabe: .ein bulgar- isches Guslarenlied aus Bosnien" überraschen; denn bekanntlich sind bulgarische Niederlassungen in Bosnien und im Herzogtum nicht vorhanden und. wie auch aus dem Titel dieses Aufsatzes hervorgeht, handelt es sich nicht einmal um einen nationalbulgarischen Stoff. Bei einem lyrischen Volklied, einem Märchen oder einer Sage wäre die Bemerkung, dass eine Entlehnung vorliege, so gut wie unauf- fällig, bei Gnslarenliedern wird man jedoch stutzig.

Mit l'nrecht : denn Guslarenlieder und epische Vorwürfe über- haupt finden in gleicher Weise wie andere Volküberlieferungen in den ihnen zugänglichen Kreisen Verbreitung. Für alle derartige Erzeugnisse des Volkgeistes besteht nur ein Gesetz mit dem Unter- schiede, dass Guslarenlieder mehr als andere I Überlieferungen in der Form örtlich nationalisiert werden und aus ihnen selbst heraus, äusserst selten und nur schwer die Provenienz herausgefunden wer- den kann. Das spezifisch Nationale des l'rhcbers verflüchtigt sich bis zur l'nkenntlichkeit.

Das epische Lied nimmt auch sofern einigennassen eine Son- derstellung ein. dass es den l 'ebergang von der Volkdichtung zu einer Kuustdichtung bildet. Das lyrische Lied und die Sage ist sozu-

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sagen autorlos. nicht so das epische, mag sich auch der Dichter des stereotypen Redebilderschatzes der Liedergattung bedienen. Jede dichterische Gattung ist an gewisse konvenzionelle Redearten wie gebunden und jede Literaturepoche zeichnet sich durch charakter- istische Stilarten aus. Trotz den schablonenhaften Wendungen, die das Festhalten eines epischen Liedes erleichtern, muss der Recitator bestrebt sein, die Individualität des Autors nicht zu verwischen ; denn der epische Bericht ist von einem Augen- und Ohrenzeugen der erfahrenen und dargestellten Begebenheit, der Guslar dessen Stell- vertreter. Daher kommt auch das tiefere, zuweilen freundschaftliche Interesse, das ein Guslar jenen gegenüber bewahrt, von denen er Lieder erlernt hat. Hierin liegen schon die keimenden Ansätze zu einem Begriffe vom Autorrechte und die Vorstellung dämmert auf, dass man an dem geistigen Eigentum eines anderen nicht willkühr- liche und beliebige Änderungen vornehmen dürfe. So erklärt es sich, dass epische, von Augenzeugen herrührende Berichte noch nach Jahr- hunderten in den wesenlichsten Punkten unangetastet überliefert werden und die Phantasie der Guslaren mehr oder weniger sich mit der Ausschmückung durch bestimmte Scenen oder Episoden begnügt. Selbst die in epische Versform eingekleidete Sage und Legende wird auf diese Weise ihrem Inhalte nach stabiler.

Guslarcnlieder wandern etwas langsamer als andere Ueberliefer- ungen von Ort zu Ort im Süden und bürgern sich weniger leicht ein, weil es doch einige Anstrengung mehr als sonst kostet, ein längeres Gedicht seinem Gedächtnisse einzuprägen. Es ist eine trivi- ale Erfahrung, die aber ausdrücklich ausgesprochen werden muss. weil sie zu häufig übersehen wird, dass nämlich nicht die Lieder, sondern die Menschen Beine haben und wandern. Es ist eine von oberflächlichen Beobachtern in der Literatur verbreitete Meinung, dass blinde Bettler und Vaganten die Hauptträger der epischen l'eberlieferung im Süden seien. Das ist ein entschiedener Irrtum. Mit gleicher Berechtigung könnte man behaupten, die von Haus zu Haus in Wien herumziehenden Werkelmänner wären die Repraesent- anten der Wiener Musik. So wie der Werkelmann auf seiner Walze einige (meist verstimmte) Arien herumführt und sie überall gleich- massig ableiert, so erlernt auch im Süden der bettelnde Landstrei- cher einige Guslarenlieder und schlägt sich damit durch seine Welt.

Die wahre und echte Epik trifft man bei ansässigen Bauern an. In Bosnien und im Herzogtum findet man fast in jedem Dorfe epenkundige Leute. Sinn und Verständnis für derlei Sachen sind wieder nur bei wenigen, fast möchte man sagen, auserlesenen Men- schen vorhanden. Lieder müssen erlernt werden. Dazu gehört Zeit und Gelegenheit.

Der Südslave ist von Haus aus ein wanderfroher Geselle, zu- mal jener, der wenig und vollends der, der nichst besitzt. Bei seiner Bedürfnislosigkeit kostet es ihm geringe L'eberwindung, seinen stän- digen Wohnort aus der einen in der anderen Provinz zu nehmen. Als die Türken Bulgarien erobert hatten, zog ein guter Teil der

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christliehen Bevölkerung westwärts nach Serbien, Bosnien und Dal- matien und nahm mit sich bulgarische Ueberliefernngen. So kam es, dass eine Beihe echtbulgarischer Nationalhelden in die Epik der Serben und sogar der Kroaten und Slovenen übcrgiengen. Das mag der nationalen Eitelkeit nurserbischer und nurkroatischer Patrioten nicht schmeicheln, doch die in den acht Bänden des von der fürstlich bulgarischen Begierung veröffentlichen Sammelwerkes von Volküberlieferungen erschienenen Epen lassen keinen Zweifel mehr an der Bichtigkeit der Wanderung aufkommen. Auch in unseren Tagen findet ein solcher Austausch statt. Ein Beweis dafür ist das Epos, das ich hier mitteile.

Mein Guslar und Beisebegleiter Milovan Uija Crljic Martinovi«'- aus Brgovi, dessen ich wiederholt schon rühmend gedacht, sang mir am 19. Oktober 1885 das Lied, von dem hier die Bede sein soll. Auf meine übliche Krage, von wem er das Lied übernommen, gab er mir zur Auskunft, er hätte es etwa zehn Jahre früher vom einem Katholiken Namens Peter, einem Zimmermann (dundzer) aus ( skiib in Altserbien gelernt. Dieser Mensch habe in Grada'ar bei einem Beg einen Hausbau (aus Holz) aufgeführt, und er, Milovan, sei bei ihm als Lohndiener beschäftigt gewesen. Peter war stets bei guter Laune und aufgelegt zu den Guslen vorzutragen. Zwar mochten zu Grada<"ac die Leute seinem Gesänge nicht gerne zuhören, weil seine Bede mehr bulgarisch als serbisch und darum minder Iiiessend ver- ständlich war. Milovan jedoch fand wenigstens au einem Liede Ge- fallen und bat den Zimmermann, es ihm öfters vorzusingen. So hat er es sich gemerkt und es sich zurechtgelegt.

Milovan ist kein Dichter, sondern einzig und allein ein Ge- dächtnismensch, wie ich dies durch Beibringung der Aufzeichnung des Liedes von der Burg zu Tevanj, wie er es sich gemerkt, zu dem Originale in meiner Studie über das Bauopfer bei den Südslaven ausreichend nachgewiesen. Dieser Umstand ist darum von Bedeutung für uns, weil wir dadurch zur Annahme berechtigt werden, dass Milovan an dem Liede Peters des Bulgaren keine wesentliche Än- derung vorgenommen. Bisher ist mir zu dem Liede keine serbische und auch keine bulgarische Variante bekannt geworden, so dass. allem Anscheine nach, das Lied ein Lnicum ist.

Das Lied handelt von König Mathias von Ungarn und seinem General Peter Gereb, von einer der populärsten und von einer kaum bekannten Gestalt der ungarischen Geschichte. Im Liede kommt aber weder der Name des Königs noch der andere Zuname (Gereb) vor. Ich habe die wahren Namen der Hauptpersonen des Liedes als Hist- oriker aus den dargestellten Ereignissen erschlossen, wozu frei- lich nicht viel Scharfsinn gehörte, nachdem der Inhalt des Liedes genug deutlich auf die gedachten Männer hinweist.

Den Kern des Liedes muss ich nun kurz skizzieren:

Ein türkischer Sultan beschliesst, ungehalten über die Lnbot- mässigkeit des Herrschers von Ungarn, des Gebieters von Gran, mit einem riesigen Heere Donau aufwärts bis Gran zu ziehen, um das

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ganze Reich sich zu unterwerfen. Der Herr von Gran berät sieh mit seinem Vertrauten, dem Geistlichen Johannes und bestellt zum Feldherrn wider den Feind den Helden Peter (Duea Peter), dessen Kit- terburg angeblich auch in Gran sich beiludet. Duea Peter besiegt das Türkenheer am Rabflusse und jagt den Rest bis gen Relgrad. Dann gibt er auf Geheiss seines Gebieteis die Verfolgung des Fein- des auf. Kurz nach seiner Heimkehr stirbt der Sultan.

('bliche Ausschmückung: Charakterisierung Duea Peters als eines gewaltigen Weinvertilgers vor dem Herrn, Zweikämpfe unter freundlicher Mitwirkung zweier Vilen, ein treuer Eilbote, eine treu- lose Ehegattin, Thräncnegrüsse des Gebieters von l'ugarn so wie des Sultans; zu guter Letzt: Heirat Duca Peters mit der Tochter seines Gebieters.

Die angegebenen Personen und der Gang der Handlung lassen uns erkennen:

den Sultan Mohamed II. (1451 1481).

Konig Mathias Corvinus (1458-1491)),

dessen Feldherrn Peter Gereb. Sieger in der Schlacht an der Rab (1478 oder 1470) und den Prior von Vräna, Johann Szekcly, den Helden von Jajce.

Nähere Ausführungen gehören nicht in diese folkloristische Studie hinein und können hier um so eher entfallen, als die polit- ischen und kriegerischen Ereignisse jener Epoche in der ausge- zeichnetsten und erschöpfendsten Weise von Dr. Wilhelm Frahini (Mathias Corvinus, König von Fngarn. Auf Grund archivalischer Forsch- ungen bearbeitet. Freiburg i. Hr. 1801, S. 89 f.) und von Fnm: Su lammt (ITngarn im Zeitalter der Türkenherrschaft. Ins Deutsche übertr. v. Gustav Jurany, Leipz. 1887, S. 39 ff.) erörtert worden sind.

Aus Salamons Buche sei eine Stelle hier angeführt. Auf S. 41 heisst es: „1478 und 79 geschehen neue, grosse Raubeinfälle. Im erstoren Jahre werden Krain, Friaul, ja die Fmgebung von Venedig geplündert, im letzteren verheeren die Türken die Comitale Vas und Zala. Eine türkische Abteilung wird aber an der Rab von Stephan S/.apolyai und Peter Gereb vernichtet und Mathias Truppen streifen als Ersatz bis nach Jajce. Ein zweitesmal dringt Mathias selbst bis zu der genannten Festung vor."

Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass der südslavischc Guslar aus dem Reinamen Corvin(us) erst aus Missverständnis den .Stadtnamen Krojan gebildet hat. Ich als l'ebei>et/.er musste ihn jedenfalls mit Gran wiedergeben. Ist jedoch meine Vermutung zu- heilend, worüber ich in Ermanglung weiterer ähnlicher Relege mich nicht auslassen will, so würde sich daraus zwanglos der Wegfall des Namens Mathias erklären.

König Mathias ist sowohl im slavischen Süden als auch unter den Polen noch immer ein populärer Held. Fnter seiner Oberleitung sollte sich die gesammte mitteleuropäische Christenheit zu einem Kreuz zugv gegen die vordringenden Türken vereinigen: lausende und aber-

Kt.bm.l Mitteil. u. I nRiirn. III. *

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tausende Serben und Bulgaren, Kroaten und Slovenen dienten unter seinen Fahnen gegen den Halbmond. In ihm vereinigten sieb fast alle jene glänzenden Eigenschaften, die einen Horrweiler volktümlicli und bei den kommenden Geschlechtern unvergesslich machen.

Die ungarische Geschichte berichtet, soviel ich mich überzeugen konnte, nichts näheres über Peter Goreb und die Schlacht an der Hab. Für die weiten Kreise des Reiches blieb jener Sieg ohne nach- haltige Bedeutung. Anders dagegen mussten diejenigen darüber urteilen, die selber im Schlachtgetümmel mitgekämpft. Ks ist daran wohl kaum ernstlich zu zweifeln, dass der erste Guslar und Dichtet unseres Liedes mit dabei gewesen. Vielleicht ist er bald darauf sel- ber mit den Truppen nach dem Balkan ausgezogen, in türkische Gefangenschaft geraten und in Bulgarien oder Altsorbion geblieben, wo er seine Erlebnisse weiter überlieferte. Wieso das Lied nach Bosnien gelangt ist, weiss nun auch der Leser. Für uns Ungarn hat es abgesehen von seinein ethnographischen (und nach Geschmack poetischen) Worte, auch noch die Bedeutung eines seltenen histo- rischen Dokumentes, einer guten Beglaubigung über eine sonst fast unbeachtet gebliebene kriegerische Wallentat eines der glorreichsten Herrseher unseres Vaterlandes.

Gewisse Nurphilologen sowie Nurhistoriker pllegen häutig in ge- ringschätzigster und wegwerfendster Weise über solche Funde oder wenn man will, Entdeckungen der Folkloristen abzuurteilen. Das i>t ein Vorgehen, das in keiner Weise und unter keiner Bedingung gul- goheisson werden kann, wenn man in Erwägung zieht, wie wenig z. U. die Berichte eines Livius über den punischen Krieg oder die eine- Tacitus über Christen und Juden der historischen Kritik Stich hal- ten. So mancher Fikundenforscher möchte sich glücklich schätzen, immer so treffliche Zeugnisse von der Art unseres Guslarenliedes zu Gebote zu haben.

Für den Ethnographen ist der Inhalt des Poems aus mehreren Gründen von Belang, und zwar nicht zum geringsten wegen der Episode, in der zuletzt die treulose Ehegattin gevierteilt wird. Eine alte, furchtbare Strafe tritt in Erinnerung vor uns als ein lTeber- lobsol des ursprünglichen slavischen .Mundschaftrechtes des Mannes über seine Frau. Auf Einzelheiten kommt übrigens unser Kommentar zurück.

Nach beendigter Forsehungreise nahm ich meinen Guslaren Milovan mit nach Wien. Wir fuhren mit der Bahn. In Kab stiegen wir aus. Ich zeigte ihm den Fluss und rochierte mit Anspielung anl eine Stelle des Liedes :

Eto Baba, eto voda hladna,

al no tece mutna ni krvava.

Das ist die Bab, das ist das kalte Wasser,

doch fliesst sie weder trüb noch blutig bin.

Milovan machte ein urdummes, verblüfftes Gesicht, und noch verdutzter klang mir seine Frage : Gospodaru, zur moro bil, zar iuiu

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Ol

Raba? (Herr, ist es dorm möglich, gibt es denn wirklich einen Rab- flussV) Da tliesst er. Frag die Leute. Nun stützte er das Kinn in die (Jabel des Zeigefingers und Daumens der rechten Hand, be- trachtete tief in Gedanken versunken bald das lehmig gefärbt«1 Wasser, bald die Umgebung. His knapp vor Wien sprachen wir kein Wort mehr miteinander, dann unterbrach er das Schweigen : „Da sieh, Herr, der Sänger lügt nicht, doch wer sollte glauben !" Kaltblütig und kurz antwortete* ich zu seiner Beruhigung: „Was der Sänger sagt, ist alles wahr!"

Als Ethnograph behaupte ich dies jeder gegenteiligen Meinung gegenüber. Der Guslar schildert fern von jeder Tendenz mit aller möglichen Treue Sitten und Bräuche, (ilauben und Sprache, kurz fast alle Verhältnisse des Lebens, das seine Gewährmänner und er kennen gelernt. In solchen Dingen lügt er und erfindet er nicht, weil es sinn- und zwecklos wäre und er auch bei seinen Zuhörern durch unrichtige Angaben über Sachen, die ihnen auch sonst be- kannt und geläutig sind, überllüssiger Weise Anstoss und .Missfallen erregen rnüsslc. So erscheinen auch dem Ethnographen gute Nieder- schriften von Guslarenliedern als äusserst wertvolle Dokumente. Zu «lieser Art zählt auch nachfolgendes Lied.

Divan cini care u Stambolu zn tri petka i tri pouediljka; svu gospodu sebi pokupio, okupio pase i vezire:

Laie rnoje, pa.se i ve/.irü- sedam kralja ot sedam zcmalja svi mi daju arae i porezu, i daju mi kljuce od gradova, sain mi ne da jedna jogunica. wim mi ne da ot Krojana baue.

Kvo ima dvanajes godina, |10 ritt »rafci. nit poreza dade, nit mi kljuea ot Krojana dade.

K iinem um se, tvrdu vjeru dajem, kupic vojsku tri godinc dana, sakupicu tri sta iljad vojske, potjeracu stotinu galija i 11 njima ubojne topove, svescu mu je niz l'ngjurgjevinu robit, palit, grdne jade radit ! 20 Sve knezove i prve kmetove zive cu mu na kolje nabijat; sve njegove pratre i popove zive cu ji na kolje nabijat!

I»a cu snijei Rani vodi ladnoj, kod Habe cu zastaviti vojsku. Ongjer cu um sitnu knjigu pisat.

nek trijebi bijela Krojana, nek trijebi za petnajes dana ; dovescu mu u Krojana vojsku, 80 Krojana mu pot sablju uzeti a l>ana cu ziva ujititi, na svakc ga pate udariti ; a njegova pra Ivana |)ratra, fciva cu ga na kolac nahiti ! u cikvn cu rnetrut mujezine. tursku djecu nek nee u erkvam!

Sve govori, Boga nespominje! Ako Bog da, ui pornoc mu ne ee!

Kupi vojsku za godinu dana : 4t > sakupio tri sta iljad vojske; podize je ot Stambola grada, i potjera stotinu galija i u njima ubojni topovi.

Svede mu je niz rngjnrgjevinu, robi, pali grdne jade radi. Sve knezove i prve kmetove, zive njija na kolje nabija i njegove pratre i popove, zive njija na kolje nabija! 50

l'a od sni jgje Rubi vodi ladnoj, Rabi vodi ni e Biograda.

r

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I tude je zastavio vojskn

pa on sjede, sitnu knjigu pi«e,

knjigu i>i§e ot Krojana bann :

Trijebi mi bijela Krojana, trijebi ga za petnajes dann ! eto mene s trista iljad vojske!

Jesam Ii ti baue govorio da so svogajogunluka projgjes? (>0

Krojana cn pot sablju uzeli a tebc cu ziva ujititi, na svake te pate udariti; tvoga sveea pra Ivana pratra, fciva 6u ga na kolac nabiti ! u erkvu i-u metrnt mujezine tnrsku djecu da uee u erkvam!"

Knjiga odr n Krojana grada.

Kada dojgje ot Krojana bann na njoj haue peent prilomio ; 70 knjigc glcda suy.e prolijeva, poncse je erkvi namastiru, da je vidi pra Ivane pratar.

On nkobi pra Ivana pratra pa mu darin knjigu i jazijn.

Ja gleda je pra Ivane pratar ; Kada vidje sta mn knjiga kaza a i njemn mila ne bijase

Znns Ii bane, zemen gospo-

dare,

kolik iniaS na tefteru vojske? SU

Znadem brate, pra Ivane Sedamdeset i sedam iljada jpratre. viSc brate nijednoga nejmam !

Kolik imas svojib kapetana?

Ja stotinn iniam kapetana. vise brate nijednoga nejmam.

Ot stotinn svojib kapetana koga imas najboljeg junaka?

Najboljega Dojcin kapetana ! Kvo ima tri godine dana, '.MI kaku sam ga ozenio nilada.

s ljubom ciglu prinoeio nojeu pa otiso n turskn tureiju, da nvodi zemlje i gradove: nit je doso dvorn ni Krojnnu.

Skoro mi je knjiga dolazila. dolazila is turske tureije. Eno pijc po tnn'iji vino a turaka na megdan pozivlje. 011

Divän beruft der Kaiser ein in Stambol dreimal je Freitags und dreimal je Montags : berief zu sieb die Herren allzumal, berief die l'nschen und Vezieren ein :

() meine Laien, Paseben und Veziere! Von sieben Ländern sieben Könige, sie geben alle mir Tribut und Steuern und geben mir die Schlüssel zu den Städten, nur einer nicht, ein ungeberdig Frücht!, nur einer gibt sie nicht, der Hau von Gran! 10

Zwölf Jahre sind nun schon dalüngellossen. er gab nur weder Steuern, noch Tribut, noch übergab er mir zu Gran den Schlüssel!

Ich schwör' es ihm, bei meines Glaubens Treue! drei Jahre lang werd' ich ein Heer versammeln, drei hundert tausend Mannen werd' ich sammeln, ein hundert Mcergaleeren mach" ich Holt, bewehr' sie mit Kanonen. Todvcrbreitein. ich führ' sie hin entlang dem rugarland. zu rauben, sengen, grauses Leid bereiten; 20

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die Schulzen und die reichsten Lehensbauern. lebend'gen Leibes lass' ich ihm sie pfählen, und alle seine Fratres sammt den Pfarrern, die lass' ich bei lebend'gem Leibe pfählen !

Dann steig' ich zu dein kalten Rabfluss nieder, am Rabfluss halt' ich mit dem Heere Rast. Von dorten schreib' ich ihm ein zierlich Rrieflcin. er säub're mir die weisse Veste Gran, er säub're sie im Lauf von fünfzehn Tagen, sonst führ ich ihm das Heer hinein nach fJran. MO das Volk von Gran muss über Klingen springen, und ihn, den Ran, den fang' ich ein lebendig und lass' ihn Folter jeder Art erfahren: doch sein Johannes, dieser Franziskaner, der muss hinauf lebendig auf den Pfahl: ich setz' ihm in die Kirche Mujezine, zu lehren Türkenkinder in den Kirchen!

Kr spricht und spricht, gedenkt hiebei nicht Gölte-! So (iott es gibt, er wird ihm auch nicht helfen!

Kr sammelt an dem Heer ein ganzes Jahr: -40 drei hundert tausend Mannen zählt sein Heer! rückt aus mit ihm von Stnmbol. von der Stadt, und machte llott ein hundert Meergaleeren, bewehret mit Kanonen. Todverbreitern.

Kr führt das Heer entlang dem l'ngarland. er raubt, er sengt, bereitet grauses Leid : die Schulzen und die reichsten Lehensbauern. die lässl er bei lebend'gem Leibe pfählen, lind alle seine Fratres sammt den Pfarrern lebend'gen Leibes kommen auf den Pfahl ! o<>

Und zu dem kalten Rablluss stieg er nieder, zum Rablluss tiefcrwärls von Meograd und machte dort mit seinem Heere Rast.

Pud setzt sich hin und schreibt ein zierlich Rrietlein. er schreibt das Rriellcin an den Ran von (iran:

Du sauber' mir die weisse Veste (iran, du sauber1 sie im Lauf von fünfzehn Tagen ! Drei hundert tausend Mannen führ' ich mit! () Ran. hab' ich dich nicht genug beraten, yon deiner kecken Trotzheit abzulassen? tili Nun wird dein Gran wohl über Klingen springen, dich krieg' ich. dich lebendig in die Hand und lass' dich Folter jeder Al t erfahren : doch deinen lleil gen, den Johannes Krater, der muss lebend'gen Leibes auf den Pfahl! . . .

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I

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In seine Kirche setz' ich Mujezine

zu lehren Türkenkinder in den Kirchen !

So gieng der Brief mu h (hau. Her Veste ah.

Als er heim Hau von (iran war angelangt, so hraeh von ihm der Hau das Sigel auf: 71) er liest den Brief, es Iiiesst ihm Thrän' auf Timme, er trägt ihn hin ins Kloster an der Kirche, damit Johannes ihn. der Krater, sehe.

Kr trilft dort an den Krater, Herrn Johannes und ühergah ilnn's Brieflein mit der Schrift.

Kr schaut ihn durch, der Krater, Herr Johannes, und als er merkte, was das Briellein spricht, da war auch ihm die Kunde gar nicht lieh:

- Ist dir bekannt, o Beichbeherrscher Bau, welch Zahl die Liste deines Heers verzeichnet? SO

Wohl weiss ich's, Bruder Krater, Herr Johannes, es sind just siebnundsiebzig tausend Streiter, nicht einen Mann, o Bruder, hab' ich weiter!

Wie gross ist deiner Kapitäne Zahl ?

Wohl zähl' ich just ein hundert Kapitäne, nicht einen Mann, o Bruder, hab' ich mehr!

Von allen deinen hundert Kapitänen wen hältst du für den allerkühusten Helden?

Den allerkühnsten mein' ich Hauptmann Dojcin! Drei Jahre sind erst kürzlich hingeschwunden. (.I0 seitdem den jungen Bitter ich beweiht. Nur eine Nacht verblieb er bei der Liebsten, dann zog er in das türk'sche Türkenland. um Land und Stadt des Keiudes auszukiuiden. und kam nicht mehr auf seinen Hof nach (iran.

Ohnlängst kam mir ein Schreibebrief zu Händen, er kam mir aus dem türk'schen Tiirkeulande. Dort sauft er in dem Türkenlande Wein und fordert auch die Türken auf zum Zweikampf. \M

(Kortsüt/.un« t'ol^t.i

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Dokumente sur Geschichte der Zigeuner.

i.

O p i n i o.

|)«; domiciliatione, et Regulatione Zingarorum.1

Zingari non pridein ordinante I )iva <|Uoudam Imperatrice Maria Theresia Neo-Rustiei vocari caopti, <]ua<|iia versum velut Haholicac Confusionis, et dis- persionis iudiees dirt'usi Transylvaniam <|iio<.|Uc Aranearum instar perreptabant erant'jiie alii illorum DotHiymm' «jui tarn in Pagis, et cumprimis <|uiileni in Civitatum. et Oppidornm stenjuiliniis sive Locis ignobilioribus Tuguria inco lebanf. et perpetna mallcorum tunsione Vulcanum cireuinsndent.es non male l'abros imitando, multi symphonicos agendo vi tum sustentabant, alii trutoricohw vocitati, sive <|uibus sui> Pnpiliouibus dcgcie, et sub umbra portatilium Domo- runi aestivalium o rarioris texturac panno coulici solitarum, aut ad Incudeni desudare, aut faeere torno fusos, ( 'oeJilearia, et excavare pelviui, vel aptare Cribrum Frumentarium, vel deni.jue cantu Fidium dinun taniem pidlere pro- prium tuit. Erant etiam complures boriun, 4111 ad Ripas Fluviorum, aurive- lioruui dclabendo fulvam auri arenam legeudo, unde aurileguli dicti susten- tandae Vitae adinin'u ula »|Uaesitabant. In moro bis otnnibus positum erat, in seruin nutumnnm Tentoria observaro, t um vero defossam in Terra Domunculum aliquot palis, et straiuine tectam, ad cujus Fores eijuus aestivae Domus e loco in locuin vector indefessus sub nubiliario stramento, fimoijue obsepto stabulatur. ineolere. at baue primo vere liberiorum Hospitioruin desiderio deserero. Quemadinodum autem erant mortalium ignorantissimi, »tu nullam leriue nonuullis Cultioribus exeoptis tenebant Religionoin, ac inter ignotas ipsis Connubii Leges promiseuos Concubitus, asvetannjue, et a toneris exer- ritani occasione nuditatis, vel inter ejusdem sexus puoros taeditatem. et «juod ob vagam baue instabilemque Conditionem nemo Pastoivm illis intendere posset, v itam agebant vix non Rclluinam. Successu temporis genshaee paululuin ad strietores «|Uidem vitae social is

regulas revocari caepit, et alii >;ui elueiiilo e diversis fluviis auro operara loea- bant in certos caerus divisi vi articuü VIII. anni 1747. immunitate i'rbururiis coneessa donati Jurisdiction! Montanae subjecti sunt, corta<jue «(uotannis ad Officium Auri Cambioratus administrauda auri «juantitas ipsis imposita est, alii in Vajvodatus distributi sub peculiari Zingarorum Inspeetore .Jurisdiction! t < iimerali subditi annuain ad Aerarium Cainerale Taxam persolvero obstricti biijue Zingari Fiscales Taxalistae nuneupati sunt, alii deni«.|Ue duribus priva- torum Dominorum Terrestriuin ( 'omiiiunitatumipie semet subjicientes sta- tum<|iie aut Jobhagionalem, aut Imjuilinalein amplexi utiliter illis ijuaudo«|Ui! <jua arte Mcchanica, <|ua falee messoria famulabantnr, induci tarnen non pot.e- rant, <|iiin postmodum etiam letonto Tentorioruin usu, aestivo cumprimis tempore de loco in locum opihViorum suoruin arte Mechanica produetorum di-trahendorum causa «outinuo non oberrarent, c' sub boc <[uandoi|ue prau- ti-xtu cum ab artis autolycae notitia celeberrimi itaijue gnan sint, ut vix non oculos füren tur, furtis quo^uo et rapinis non <piam überalissime indulgerent.

Inde ad meliorem tandem gentis hujus vagae, et dispersae regulatio- noin tarn l'iva Imperatrix Maria Theresia, quam et Augustissimus '|UOndam linnerator Josephus Secundus editis iteratis. anteriores praetereundo, sub :». Felnuarii 2«; Mensis Julii, er 2!». Novembris anno 1780. sub Xumeris Guber-

' KltO ortit iiii<) .l.-m .1. scitous (l. r .lurth <|(>ii l.XIV. ii A. v. .!. 17m .•nts««»-

dct.-n a lmini-trativcn Commission I». noksrln itr o|in<- Ort un-l -lalir. 17 S. Koli«. I,i»n- dfsan l.jv tu niul»|u-it Nr. U0l/l7Jh\

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5»;

nialibus 834. UJ82. et b'GOO. nec non sab 2S. Mensis Martii Anno ITSI. Nro 27">!l. 14. Augusti anni 17S2. Sro U525 et 27. Augusti anno 1783. Nro 1712. salutaribus Ordinationibus jussit i|uam strietissime, ut Göns haee ad certa et Üxa Domieilia revocetnr, ac per Domie.iliationem tarn ad vestitmn eultiorom, quam vol maxiine ad politiorem vitae moduin, moresque honestos tradueatur. Principiisque keligionis ac vitae soeialis imhuatur.

Qualemnam Benignae hae Ordinationes habuerint efteetum, et quid adhuc ad plenarie assequendam salutareni Iutentionom Rogiam quoad melio- rein dictae gentis regulationein constituero neeosso sit, in sequentibus tribus Titulis quorum.

1-inus Do Zingaris Fiscalibus Aurilotoribus.

2 dus De Zingaris Fiscalibus Taxalistis.

3-tius Di? Zingaris ad Privatos, vid < ommunitates spectantibus agit. perh'artabitur. Mitgeteilt von A. H

( Fortsetzung folgt.)

LITTERATUR.

linst in h All., Ideale Welten in Wort und Bild. Ethnologische Zeit- und Streitfragen nach Gesichtspunkten der indischen Völkerkunde. Drei Bände mit 22 Tafeln. Bd. I. 28!» S. ; Bd. II. 270 S. ; Bd. III. 232 Seiten: gr. Ber- lin is;t)2, Kmil Feiher.

Das Kvsi heinen eines Werkes aus der Feder dos hochverdienten For- schers B.stian, bedeutet stets einen Festtag in unserer Wissenschaft der Völkerkunde: eine neue Arbeit von unserem Altmeister bedeutet immer eine neue Sprosse nach aufwärts auf der Leiter im Wissen vom Völkergedanken. Dies gros-e Werk, das so lange Völkerkunde und Religionsphilosophie be- trieben wird, stets ein (Quellen werk ersten Ranges bleiben wird, enthält die wissenschaftlichen Resultate der letzton Reise (1889— Ml), die Bastian in In- dien unternommen hat. Der Titel „Idealo Welten'4 zeigt uns bereits an, welches Gebiet menschlicher Gedankensphäre diesmal der Verfasser behan- delt. „Den gemeinsamen Umbegrift der Erörterungen," sagt der Verfasser (Vorwort I. Bd.), „bilden ethnologische Zeitfragen, die in das Geschichtliche verlaufen (mit der „Lehre vom Menschen"). Was wir diesem grossen Werke in erster Reihe verdanken, ist, dass es uns mit den Vorstellungswelten des alten und neuen Indiens, besonders der jainistischen so eingehend, wie kein anderes Werk, bekannt macht, Wir haben zwar über die religiösen Sekten Indiens zahlreiche Werke zu verzeichnen, aber einen klaren, sicheren Ueber- blick haben wir bislang doch nicht gewinnen können. Mit Recht sagt daher Bastian (I, 2t: „lieber den wunderlich grotesken Mummenschanz, not _*r welchem der Buddhismus, zumal wenn mit (phantasieloser) Phantastik, oder der Bomb.istik einos (kraft theosophischen Arcanum) wiederbelebten „Bom- bastes" aufgeputzt, in populärer Literatur vorgeführt zu werden pllegt (i:n wohl oder übel verstandenen Kifer), bedarf das mehrfach darüber Ges.ngte keiner Wiederholung, und auch philosophirende Buddha-philen, die von pessimistischer Verwandtschaftlichkeit sich angeheimelt fühlen, können ihrem. S( Ibstvernichtung anstrebenden, Zuge überlassen bleiben, da sie in den vier Wänden der Studirstube nur das Bild der eignen Augenlinse nachzuzeichnen sieb befleissigon, das als umgekehrtes bekanntlich auf dem Kopf steht und in einem Querkopf erst recht, weil doppelt verschroben (schief und schielende." Tin die Wissenschaft bei den noch ungeklärt durcheinander fahrenden An- sichten nicht noch in fernere Irrgänge hineinzuführen, bedarf es eben eines Mannes, wie Bastinn, der schon so manche tiefe Furche im Felde der Wis- senschaft gezogen hat,

Der erste Band ist zwar unter dem Sondertitel : „It'isrn auf dir rn»-- derimlischrn llaUtimtl im Jahn- Isuo für rth>i»!<></i<rh< Studien und Sannitln/nj<- zirrch " erschienen, aber man würde sich ausserordentlich täuschen, wenn

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man in diesem Bande eine Reisebetschreibung suchen wollte. Bastian berichtet uns darin ausführlich, wie noch niemand vor ihm, über die religiösen Sekten Indiens, über ihre Entstehungsgeschichte, ihre Verbreitung, über ihre Heilig- tümer. Ein klares Bild gewinnen wir nach Lesung dieses ersten Bandes über die mehr oder weniger auffallenden Abweichungen der einzelnen Sekten von einander und über ihre besonderen Eigentümlichkeiten. Durch das Labyrinth indischen Sektenwesens führt uns Bastian mit sicherem Blick und mit sicherer Hand, so dass wir, anfangs eingeschüchtert vor der mühseligen Fahrt, am Ende derselben mit ihm sagen können (I. 268): „So schiebt sich Allerlei in seine naturgemass selbstverständliche Stellung ein, wenn unter controllirenden Prüfungen (geduldigen Geduldspiels) dahin passend (mit nachträglichen Rectifi cationen, wo nottuend), um die räumlich und zeitlich zerrissenen Fetzen des Völkergedankens in ein einheitlich zusammenhän- gendes Bild zu vereinigen für die „Geschichte des Menschengeschlechts" (in der „Lehre vom Menschen"), und aus Eingewobenheit in die Gesellschafte- wesenheit hätte sich dann das eigene Selbst des Einzelnen (und „Einzigen") daraus zu integriren, soweit das Wissen reicht bei fortschreitender Durch» bildung des logischen Rechnens (auf Unendlichkeitsreihen hinaus)."

Der zweite Band führt den Sondertitel : „Ethnologie und Genchirhte in ihren Berührungspunkten. Unter Bezugnahme auf Indien." Hier gibt uns B. gleich- sam das Grundgerippe einer Entwickelungsgeschichte der Geschichtswissen- schaft, wobei eben der schlagende Beweis geliefert wird, wie die Ethnologie vicarierend für dieselbe einzutreten gezwungen ist. „Dem Menschen ist eben, als nächstes Forschungsobjekt, sein Eigenes, eigentlichst, hingestellt, der Mensch als Studium des Menschen, und der Schwerpunkt alles Wissens hat in diejenige Lehre zu fallen, die sich als die „Lehre vom Menschen" kenn- zeichnet. „Und dennoch fehlt gerade sie in der von den Wissenszweigen geschlungenen Corona.4* Sie hat die „Rassen<tualität mit ihrem typischen Sondergepräge zu berücksichtigen, „das von der umkreisenden Peripherie der geographischen Provinz im mikrokosmischen Centrum gespiegelt, " die Welt- anschauung jedesmal im Völkergedanken projiciert, Dabei ist nicht ausser Acht zu lassen, dass die Weltanschauung des Culturvolkes eine niessende ist die Gegenwart eilt rasch dahin, die Zukunft ist unbekannt, nur die Vergangenheit steht fest, und ihrerseits entschwindend (im historischeu Fluss). Die des Wildstainines dagegen ist stabil, einkrystallisirt in seine Umgebungs- welt. Ihr Studium gleicht deshalb dem des Krystalles, in scharfen Messun- gen unterscheid bar zu zerlegen, während im Geschichtsleben sich die For- schung einer Entwickelung zuwendet, im Zellenschwellen organischen Wachstums, um die Früchte der Civilisation zu zeitigen (nach Zeittgungs- phasen periodicirt) (II. 1<>)." Und weil eben die indischen Religionssysteme „dastehen als abgerundete Kunstwerke, wie aus einem Guss. Religion und Philosophie vereinend, mit Antwort auf all' die Fragen, welche das beküm- merte Herz zu bedrängen pflegen in dieser Welt des Leidens," so sind *ic in erster Reihe berufen, um abgerundete Reffexbilder der ethnischen Welt- anschauung zu projiciren, nach Religion und Kirnst, nach socialen Institu- tionen hin. Unter steter Heranziehung psychologischer Parallelen aus ethi- schen und rituellen Lehren, aus der Glaubenswelt anderer, sowohl wilder, als auch civilisierter Völkerschaften behandelt Bastian in diesem zweiten Bande auf breitester Grundlage die Vorstellungswelten des neuen und alten Indiens. Auch Geschichtsforscher werden den Inhalt dieses Bandes beher- zigen müssen, besonders was den so oft betonten und bis zum Lächerlichen herausgestrichenen objektiven und subjektiven Standpunkt der Geschichts- schreibung anbelangt (IL 21 ff.) Auch die „genealogische" und „analogische Schule" geht dabei nicht leer aus, und bei dem mythoplastischen Uebereifer unserer Tage können wir uns die Worte wol zu Herzen nehmen (II, HÜ) : „Allerdings ist (bei der überraschenden Uebereinstinimung von Mythen, Sit- ten und Ueberlieferungen bei räumlich und zeitlich einander ganz fernste- henden Völkern, die kein verwandtschaftliches, kein genealogisches oder sprachliches Band zusammenhält, die civilisirt und uncivilisirt, alt oder neu sein können) das Studium, obwohl ein anziehendes, ein getährliches,

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so lange die Gesetze des organischen IVach&tutnsjtrocesses noch nicht festgestellt sind, »us denen sich indess das psgchiche Lehen der Menschheit zu entfalten hat, statis- tischer Unterlage (bei streng methodischer Forschung sorgsamster Controlle). Nicht Vermutungen üher mythologische Grundltegriffe (wie in der „analogischen"' Schule) genügen, da sonst in jedem roten Hahn ein Wodan krähen mag, son- dern tatsächlich gesicherter Betreisstilcke l>edarf es (wie aus psychologischen Ver- gleichungen sich ergebend.)"

Der dritte Band hat den besonderen Titel : „Kosmogonien und Theogo- nien indischer Religionsphil osophitn (vornehmlich der jainist i sehen) ; zur Beantwor- tung ethnologischer Fragestellungen." Es ist dieser Band eine unerschöpfliche Schatzkammer für die religionsphilosophische Forschung. Nicht nur die dies- bezüglichen Anschauungen der Inder, sondern aller bekannten Völkerschatten des Erdballs, ob lebend, ob ausgestorben, sind hier in entsprechenden Fächern in übersichtlichster Weise für weitere Forschung aufgespeichert. Bei wei- terer Forschung aber heisst es muss ein einheitliches Zusammengehen von Ethnologie und Geschichte involvirt vorliegen (unter gegenseitiger Cont- rolle mit einander). „Im Uebrigen," sagt Bastian im Vorwort, „kann die Eth- nologie, wenn aus der ihr ethnographisch zugehörigen Domaine schriftloser Wildstiimme, in das Bereich der (Kulturvölker übertretend, dort zunächst nur das in dem Völkergedanken gelieferte Material vorbereiten, für sachkun- dige Behandlung durch die zuständigen Fachgelehrten jedesmaliger Special- forschung — jenes ethnologische Material, das zum Aufbau einer „Lehre vom Menschen" verwertet werden mag, nachdem die unter den Principien einer induetiven Methode (und deren Verwendungsweise auf die Völkerge- danken) in Durchbildung genommene Psychologie an die naturgeschichilichen Wissenschaften (zur Ueberführung in culturgesch ich fliehe) angereiht sein wird, zur Abrundung einer einheitlichen Weltanschauung, wie deren „natur- wissenschaftlichem Zeitalter" entsprechend (und den Fragen, die unsere Zeit bewegen)." Der Schwerpunkt des ganzen Werkes ist es eben, zu beweisen, dass sowohl in der Ethnologie, als auch auf dem religionsphilosophischem Gebiete im Geistesleben der Völker einzig allein die naturwissenschaftliche Methode der Forschung beobachtet werden kann und muss, weil sie allein uns zu den erstrebten Resultaten sicher hinzuführen imstande ist.

Von den 22 Tafeln der höchst wichtigen und gelungenen Abbildungen sind jedem Bande mehrere beigegeben. Die Abbildungen sind auf 46 Seiten von Albert Grilnwedel in trefflichster Weise erklärt worden. Kurz, es ist ein Werk, das der Wissenschaft unseres Jahrhundert für immerwährende Zeiten zur Ehre gereichen wird.

Budapest. //. r. Wlislochi.

*

Charles Godfrey Leland: Etruscan Koman Remains. London, Fisher Unwin, 181*2. VLn-f-HSo* S. 4°. (Mit zahlreichen, teilweise vom Verfasser selbst gezeichneten Illustrationen.)

Altmeister Leland, dem Folklore viel mehr ist, als Gegenstand wissen- schaftlich kühler Forschung, ja mehr noch als Stoff künstlerischer Gestaltung, weil eben die reichste Fülle äusserer und innerer Erlebnisse hat uns wieder mit einem ungeahnten Zauberhort überrascht. Der grosse Charmeur braucht nur seine Wünschelrute zu nehmen, und seit Jahrtausenden versiegte, oder doch versiegt geglaubte (Quellen der Ueberlieferung rieseln aus todtem Ge- steine, und versunkene Wälder mitsammt ihrem Feengevölk und Geister- spuk entsteigen der seit undenkbaren Zeiten über denselben lastenden Ver- gessenheit. Wer könnte da unter dem bestrickenden Banne hinreissender Darstellung, die durchdrungen von der suggestiven Wärme ehrlichster Ueberzeugung, auf Jeden, der nur ein Fünkchen vom höherem Zigeunertum des Verfassers mit ihm gemein hat, fascinierend wirkt, wer möchte da, solang jener Bann nicht nachgelassen, mit kleinlich nörgelnder Skepsis an diesen Zauberhort herantreten und das geisterverscheuchende Wort mit unbeirrter Härte aussprechen, von dessen entnüchterndem Klange vielleicht die gesammte Herrlichkeit der heraufbeschwörten etrusko-römischen Ueher-

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lieferung in einen schönen Kün>tlertraum zertliessen würde ? Am wenigsten fühlen wir uns hiezu berufen, die im schier unentwirrbaren Knäuel der etraskischen Fragen auch nicht ein einziges Knötchen dieser für ewig rätsel- hatten Wampumschrift zu lösen fähig wären ; am wenigsten drängt es uns, die wir von der beträchtlichen Menge über jeden Zweifel erhabenen folkloristischen Schatzes, der im Buche enthalten, mehr als befriedigt, weil freudig überrascht sind. in allerletzter Reihe drängt es uns zu solchem kritisch sichtenden Verfuhren einem Werke gegenüber, das auch dann eine dankbar aufzunehmende Bereicherung überlieferter Kunde bieten würde, wenn es vor einem hiezu befugten Urteil seinem Titel nur in weit geringerem Maa.sse entsprechen sollte, als sein Verfasser es in ehrlichster Absicht und mit hingebungsvollem Eifer für seinen Lebenszweck meint. Und ist es denn wirklich so undenkbar und schwer glaublich, dass hier in diesem uralten Zauberlande, das von Irlands Springwurzel berührt, seine mit sieben Siegeln verschlossenen Türen auf einmal vor unseren geblendeten Augen auttut, ist es denn gar so unerhört, dass hier Jahrtausende alt« Ueoerlieferungen durch Schichten mannigfachster Art und Herkunft, die sich über sie gelagert, Kraft ihrer angeborenen Zähigkeit hindurchgewachsen sind und dort wieder zu Boden treten, wo der kundige Schürfer sie ahnend sucht?

Wir wollen uns diesmal gar nicht auf die Erörterung jener Frage ein- lassen, ob Tiniu, Trramo, Aplu, Faflnn, Cupra, Turanna, Alpena und wie sie Alle heissen, die von den Aesar und den ihnen untergeordneten „dii con- sentes" der alten Rasener oder Etrusker bei Leland als in dem Volksglauben der weiteren Umgebung von Firenze, näher bestimmt der Gegend zwischen Forli und Ravenna noch lebend dargestellt werden, ob alle diese Götter- gestalten wirklich die Bestandteile einer seit vorrömischer Zeit bis auf den heutigen Tag on/anmh fortgeerbten Kunde des an seiner Scholle haftenden Volkstums sind. Diese, in mancher Beziehving auch irrelevante Frage ganz beiseite gelassen, können wir unsere ungeschmälerte Freude haben an den reichlichen Angaben, die Leland zur Bekräftigung jener unbestreitbaren Behauptung beibringt, dass wie in Italien überhaupt und überall so auch im toskanischen Gebiet „la vecchia religione," d. h. das alte Heidentum noch mit starken und lebenskräftigen Wurzeln in der Volksseele haftet und tortwährend neue Schösslinge zu treiben befähigt ist. Dies mit unwiderleg- baren Zeugnissen bewiesen zu haben ist das über jedo nachträgliche Berich- tigung im Einzelnen erhabene V erdienst des neuesten Leland'schen Werkes ich hätte beinahe gesagt: des ittngsten und vielleicht schönsten Kindes der Leland'schen Muse. Das Buch liest sich nämlich durchweg wie die von olympischer Heiterkeit und stellenweise vom Sonnenschein göttlichen Humors beleuchtete Schöpfung einer echten Künstlernatur. Denn eine solche ist unser liebenswürdiger Hexenmeister, Ehrenzigeuner und Poet, der den Dichter in seinen wissenschaftlichen Untersuchungen solchen Erscheinungen gegenüber, die ein congeniales künstlerisches Erfassen fordern, stets hervor- zukehren versteht. Bedauernswert sind dabei nur diejenigen, weit prosaischer gearteten Naturen, die solchen Blüten des mit seinem Objekte sich ganz verwebenden und von ihm durchdrungenen Subjektes den eisigen Hauch ihres grundverschiedenen Wesens und die schonungslose Klarheit engerer Gesichtskreise entgegenbringen. Solchen ist die ergötzliche Abfertigung ge- widmet, welche der Verfasser in seiner Einleitung jenen Kritikern seiner Algonkin-Legenden erteilt, die in denselben eine peinlichere Genauigkeit der Wiedergabe erwünscht hätten. Beurteiler dieses Schlages dürften auch im neuesten Buche Lelands Manches zu beanstanden haben.

laSIi. Mai. L. Katmia.

$zinn\j*i Ji':."f, Magyar Tajsz6tar (= Wörterbuch der magyarischen Dialekte). Unter diesem litel gibt im Verlage der budapester Buchhandlung V. Hornvänszky der klausenburger Universitätsprofessor Szinnyei ein magya- risches f)ialektwüvttrbuch heraus, das berufen i>t, in der magj-arischen Phi-

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lologie, wie auch in der Volkskunde eine * bedeutende Lücke auszufüllen. Der über 80000 Artikel umfassende Inhalt gliedert sich nach folgenden Gesichtspunkten: 1. eigentliche Dialekt worte, die in der Umgangs- und Schriftsprache nicjjt vorkommen und nur im betreffenden Dialekte existieren : 2 Dialektworte der Bedeutung nach, d. h. Worte, die in der gewöhnlichen Sprache wohl vorkommen, aber im Dialekt« eine ganz abweichende Bedeutung haben, 3. Dialektworte der Form nach. d. h. Worte, welche im Dialekte eine phonetisch abweichende Form aber dieselbe Bedeutung wie in der Bücher- Sprache haben. Nebenbei wird die Ammensprache (Kindersprache) Berücksichtigung linden, ebenso die dialektischen Formen der Taufnamen, die Eigennamen der Tiere, die Lock- und Schenchrufe für Tiere. Wir Volk- forscher freuen uns im Vorhinein auf dies für uns so wichtige Werk, be- dauern abei-, dass wir ungefähr 5 Jahre lang warten müssen, bis dies Buch uns complet vorliegt, nachdem es in jährlich circa 3 Heften zu 10 Bogen (a 2 Kronen per Heft) in zwanglosen Zeiträumen erscheinen wird. Wir kön- nen dies bedeutsame Werk eines der tüchtigsten magyarischen Sprachkenner allen Volksforschern aufs Wärmste anempfehlen. A. H.

Kiihiidin/ LajoH. Vilagnnk alakulasai nyelvhagyomanyainkban. Mytholo- giai tanulmany. (Die Gestaltungen unserer Welt in unsern Sprachüberlie- terungen. Eine mythologische Studie) Szeged, i«!»3. 75 S. gr. Preis 1 Krone. A csillagok nyelvhagyomanyainkban. Neprajzi tanulmany (Die Sterne in unsern Sprachüberlieferungen, Eine ethnographische Studie). Szeged. 1893. 2(>S. 8". Preis 10 Heller.— Wir hatten Gelegenheit, den wesentlichen Inhalt dieser eine reiche Fülle überraschender neuer Daten enthaltenden wichtigen Studien noch vor der Verötf'entlicnung im Original auch denjenigen Volks- t'orschern zugänglich zu machen, die der magyarischen Sprache nicht mächtig sind. (S. ,. Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn14 II. 3—11, 13!» 14«. Mit- theilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. 181*3. Sitzungs- berichte. 10—12. Globus. 18! »3. 333—388. Am Cr<|uell. 1893.) Indem wir hiemit das Erscheinen dieser für die noch immer wenig gepflegte Kenntnis magyarischen Volkstums so bedeutsamen Specialstudien einfach registrieren, können wir nicht umhin, zu bemerken, dass der Verfasser, der eifrigste und glücklichste Sammler und Bearbeiter magyarischer Volkstiberlieferungen, •>eit Jahren als armer Dorfkaplan in verschiedenen Gemeinden Südungarns (gegenwärtig in Nemet-Elemer, Torontaler Komitat) dem nicht nur schwie- rigen, sondern auch ziemlich kostspieligen Berufe der Volkserforschung in erspriesslichster Weise obliegt. Noch tüchtigeres könnte Kaiman leisten, wenn er in sorgenloser Stellung noch mehr Müsse und Geld auf seine Stu- dien verwenden könnte. Eine grosse Stadt, der Kaiman das geistige Erbe ihrer Vorzeit, die köstlichsten Schätze der Volksüberlieferung gerettet und in mehreren Bänden zum Gemeingut heimischer Wissenschaft gemacht hat, hätte unlängst Gelegenheit gehabt, Kaiman zum Seelsorger zu gewinnen. Aber Abderitismus und persönliche Nebeninteressen vereitelten das hierauf gerichtete Streben der Besten, hie Masse hat dort eben noch keine Ahnung von der hohen Bedeutung des Volkstümlichen, noch davon, wie ausseror- dentlich wichtig die Volkspsychologie, das verständnisinnige, tiefe Kingehen auf die Volksseele für alle ist, welche leitend, bildend, vervollkommnend, trö- stend auf das Volk einzuwirken berufen sind, in allererster Reihe für den Seelsorger. A. U.

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Magyarische Zeitschriften aur Volkskunde.

Ethnographia.' Organ der Gesellachalt für die Völkerkunde Ungarns und des ungarischen Nationalmuseums. Vierteljahrlich ein Heft, 5 Bogen, mit Illustrationen. Mitgliedtaxe jährlich 3 fl. m. Jahrgang, 1892. September- Dezember. 7—10. Heft. (Den Inhalt der Hefte 1—6. s. Ethnol. Mitt. II. 3. Heft, Umschlag). Redacteur Dr. J. Jankö. Xantus J., Geschichte der ethnogr. Abteilung des ung. Nat. Museums und Vorschlag bezüglich der Zukunft derselben. S. 298. Herman Otto, Meisterwerke ungarischer Hirten, S. 310. Jankö J., Mitteilungen aus. dem ung. ethnogr. Museum. I. FischereigerÄte aus Neu-Seeland, S. 321. Beledi P. M. Orientalische Motive iu einem westlichen Märchen, S. 326. Goldziher I., Die ethno- graphischen Beziehungen der vergleichenden Mythologie. S. 335. Istvanfty Oy., Beilage zum Aberglauben der Palovzen. S. 351. Wlislocki-Dörfler A., Kalotaszeger Volksglauben, S. 302. Besprechungen: A. R. Hein, Die bil- denden Künste bei den Dayak, von J. Jankö. S. 367. Vereinsangele- genheiten. — IV. Jahrgang. 1893. Jan.— März. Papai K., Der Holzbau der Palovzen. S. 1. Munkacsi B., Die Urreligion der heidnischen Wogulen. S. 32. Jankö J., Finnische Fischereigeräte, S. 55. Popovioh M. Gy., Ivanyt und die Ethnographie der Bunyevaczen, S. 60. Lazar B., Entgeg nung, S. 66. Wl. H. Die ethnographische Abteilung der Millen» ialaus- stellung, S. 68. Litteratur : Bogdanov A., Die älteste Menschenrasse Mittel- vusslands, von Jankö J. S. 70. Repertorium von Herrmann A. S. 76. Verein sangel egen h eiten .

ErSly. (Siebenbürgen). Zeitschrift für Turistik, Balneologie und Eth- nographie (von Siebenbürgen). Organ des Siebenbttrgischen Karpathen- Vereins (in Kolosvar.) Illustrierte Monatsschrift. Mitgliedgebühr .jährlich 2 fl. Fach- referent fftr Volkskunde: A. Herrmann. Der I. Jahrgang (Redacteur D. Rad- nöti) 1892. enthält, an ethnographischen Mitteilungen : Czirbusz G., Ethnogra- phische Sonderbarkeit. S. 203. (Der Szolcsvaer Rumäne nimmt den Namen seiner Frau an, wenn er in deren Besitz hineinheiratet). Hiezu Beitrag von Jankö J. S. 300. (Ahnliches aus Kalotaszeg.) Jankö .1. Über das Ungarntum in Kalotaszeg und in Siebenbürgen, S. 21, 63. 116. Hierüber noch S. o4. Gr. Kuun G., Über die Brodnik. (Rumänen in Siebenbürgen). S. 8. Hiezu noch Veress G. S. 382. Wlislocki H. Die Wanderzeichen der siebenbürgischen Zeltzigeuner. S. 3H. (Aus Ethnol. Mitt. II. 133.) Bericht über Herrmanns ethnographische Studienreisen und Vorträge in Sieben- bürgen, S. 53, 102. Anzeige und Besprechung von PubTicationen zur Volkskunde Siebenbürgens. - II. Jahrgang (Redacteur Veress Endre) 1898. 1—5. Heft. Hemnann A., Der Höhenkult bei den Völkern Siebenbürgens. I. Sachsen, S. 24. II. Zigeuner, S. 100. IDT. Magyaren. S. 137. Veress E., Die Rumänenfrage in Ungarn, S. 41. Rosenberger Fani, Die Sage von Leanyvar, S. 149. Litterarische Anzeigen. Dieser sehr reichhhaltigen Zeitschrift gebührt das Verdienst, die grosse Bedeutung der Volkskunde für die Turistik nachdrücklich betont zu haben und zielbewnsst zur Geltung zu bringen.

tipittezeti Szemle. (Revue für Bauwesen). Herausgegeben von J. Bobula in Budapest. Illustrierte Monatsschrift. Jährlich 8 fl. I. Jahrgang, 1892. Herrinann A. Die Architekten im Dienste der Volkskunde, S. 15. H. A. Hausbau in der Provinz S. 121. (empfiehlt die Anwendung volkstümlicher Stile und Motive) H. A. zum Studium des Gewohnheitsbaues, S. 216. Der zweite Jahrgang wurde bisher vom Hilfsredacteur A. Herrraann geleitet,' der diese Zeitschrift zu einem bedeutsamen und in seiner Art einzigen Organ für das Studium des volkstümlichen Baues in Ungarn gestaltete und mit sehr instructiven Abbildungen, hauptsächlich von interessanten Holzkirchen in Ungarn versaK I V.Heft. Papai K. Der Holzbau der Palovzen und die Ent- wicklung des ungarischen Hauses, S. 13. H. A. Die Gebäude der ethno- graphischen Ausstellung in Budapest 1896. S. 18. Huszka J., Szekler Kunst. S. 20. Lehoczky T., Holzkirchen in Oberungarn, S. 45. Wlislocki H. Die Bauart unserer Zigeuner, S. 68. Arrivederci, Hausbau am Karst, S. 75. H. A. Zur Geschichte unseres volkstümlichen Bauwesens, S. 85. Jankö J. Dur Gewohnheitsbau in Torda, Aranyosszek u. Toroczkö, S. 9(i. T. K. Beiträge zur Geschichte des ungarischen Bauwesen« im Mittelalter, S. 107. Papai K. Der Holzbau der Palovzen. S. lltf.

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In dem Verlage von Emil Felber, Berlin, 8. W. 4*», Halleache-Strasse 4. ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen :

IDEALE WELTEN

NACH UllANOGRAPHISCHEN PROVINZEN IN WORT UND BILD. ETHNOLOGISCHE ZEIT- UND STREITFRAGEN. NACH GESICHTSPUNKTEN DER INDISCHEN VÖLKERKUNDE

von

A. BASTIAN.

Drei Bftnde, grösstes mit 22 Tafeln. Ladenpreis 45 Mark.

Band I.

Reisen auf der Vorder-indischen Halbinsel im Jahre 18f0 für ethnolo- gische Studien und Sammlungszwecke. Mit *J Tafeln.

Band II.

Ethnologie und Geschichte in ihren Berührungspunkten unter Bezug- nahme auf Indien. Mit 9 Tafeln.

Band. in.

Kosmogonien und Tbeogonien indischer Religionsphilosophien (vor- nehmlich derjainistischen). Zur Beantwortung ethnologischer Fragestellungen. Mit 4 Tafeln.

Am Urquell. Monatschrift für Volkkundr. Herausgegeben von Friedrich S. Kraus«. (Wien, VII. Neustiitgasse 12) Preis ganzjährig 1 Mark oder 5 Kronen. Diese billigste und interessanteste Zeitschrift tür Volkskunde sei allen Volks- forschern und allen Freunden des Volkstümlichen aufs angelegentlichste empfohlen.

INHALT.

Anton Ilnrmann. Als Vorwort I

Erzherzog Josef, Mitteilungen über die in Alcsüth angesiedelten Zelt- zigeuner ii

Pmf, J>r. Aurtl r. Torölr, Der palaeolitbische Fund aus Miskolcx und die

Frage des diluvischen Menschen in Ungarn (Mit Figuren) ... 8

Dr. Heinrich r. Wlitlocki, Neue Beiträge zur Volkskunde der Siebenbürger

Sachsen 10

Dr. Fr. S. Kraus*, König Mathias und Peter Gereb. Ein bulgarisches

Guslarenlied aus Bosnien 46

.-!. If., Dokumente zur Geschichte der Zigeuner. 1 55

Litteratur : Ad. Bastion, Ideale Welten, von H. v. Wlislocki

t'/i. (i. Lelantl, Etruscan Roman Reinains, von L. ^-Jonu .... 58

Szinnt/ry ./., Magyar Tajsz6tai% von A. H 6W

h'uhiulny Lajnn, Vilagunk alakuiasai, und: A esillagok nyeivhagyo-

manyainkban, von A. H. . (!Ü

Auf dein Umschlag: An die Mitglieder der «Jypsy Lore Soeiety. Mngvarische Zeitschriften zur Volkskunde. Annoncen,

IIJ. BAND.

1893. Juli.

3-4 HEFT.

Ethnologische Mitteilungen

aus Iii lgarn.

Zeitschrift für die Völkerkunde Ungarns

der damit in ettnograpiilsenen Belebungen stehenden linder.

Unter dem Protektorate und der Mitwirkung Beiner kaia. und kOnigl. Hoheit des Herrn Erzherzogs Jcsef

redigierr uml herausgegeben, von

Prof. Dr. Anton Herrmann.

Monatlich 1 2 Hefte. 2-4 Bogen. Pres des III. Bandes (1893) 8 Kronen o. 3 Mark; für Mitglieder irgend eines Vereins für Volkskunde 6 Kronen - oder 6 Mark. Wird auch irn Tausch ß-egen Publikationen zur Volks- kunde ab^e^eben. Nur direot vom Herausgeber zu beziehen

H.'.lsriion un.l A.lmiiiNTrjttinu :

huclnpost, I., S / n 1 1 C >• (i r « y - u t c / n 2.

i

i.

Budapest, 1893.

Riit;liclrticfUc*roi Me/ei Aufil.

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An die g. Mitglieder der „Gypey Lore Society."

Nachdem das Journal unserer Gesellschaft nach dreijährigem Wirken vor einem Jahre eingehen musste, ist die Zigcunerkuudc wieder ohne eigenes Organ geblieben, und diese Lücke wird von den Zigeunerforschern ausserordentlich lebhaft empfunden, Um diesem fühlbaren Mangel im Wesentlichen abzuhelfen, geruhte c^et* erlauchte und höchstverdiente Förderer und Pfleger der Zigeunerkunde, Seuie kaiserl. und königl. Hoheit, Herr Erzherzog Josef der von AnUm Hertmann gegründeten Fachzeitschrift Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn, " welche Jahre hindurch der Wissenschaft von den Zigeunern eine hervorhebende Beachtung angedeihen liess, aber bisher der Ungunst der Verhältnisse wegen nicht erwünsehter- maassen erstarken konnte, die materiellen und moralischen Bedin- gungen des erspriesslichen Gedeihens endgiltig zu sichern. Die ge- nannte Zeitschrift erscheint unter dem Protectorate und der Mit- wirkung Sr. Hoheit auch femer unter der Redaction von Anton Herrmann, dem der Zigeunerforscher //. r. Wlislocki als ständiger interner Hauptmitarbeiter zur Seite steht, vom Juni I. Jahres au in Budapest regelmässig in halbmonatlichen Heften. Die »Ethnolo- gischen Mitteilungen * wollen den Gypsy-Lore von nun an in noch hervorragenderer Weise pflegen und sich zum Organ internationaler ' Zigeunerkunde gextalten, wofür die Namen der erwähnten drei Forscher die sicherste Bürgschaft bieten.

Wir Unterfertigte ersuchen alle Mitglieder der ^Gypsy Lore Society", die genannte Zeitschrift bestellen und ihr je häufiger Ar- beiten aus dem Gebiete der Ciganologie zuwenden zu wollen. Die Mitglieder unserer Gesellschaft können diese ausserordentlich reieb-, haltige Zeitschrift zum ausnehmend billigen Preise von 3 II. Ö. W. (h* Kronen, 6 Mark, 5 Sh, 7 Frcs) jedoch nur direct vom Heraus- geber Anton Hert mann (Budapest, I. Szent-György-utcza 2.) beziehen.

David MacRitehie Charles G. Leland

Hon. Secretttr. Präs. «ler Gypsy Lore Society.

1 \

Bureau der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns. *

Vorstand: Graf Geza Kuun. \ orstandstell Vertreter: A. Herrm&nu und B. Munkacsi. Secretitr: B. Vikar (Budapest, I., Gelltithfgy lO.HJs, Villa Vikir). Sclirii'tfiihrer: G. Nagy. Cassier: A. Papp. Bibliothekar: .1. Jankö. Hedactt-tire des Vnri'insorgjiitB „Ethnographia": A. Horrinann und J. Janku.

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Ethnologische Mitteilungen ans Ungarn.

UNTER OEM PROTECTORATE UNO DER MITWIRKUNG

iSr. kais. 1 1. Icönigl. Holneit de® Herrn Erzherzogs Josef REDIGIERT U. HERAU$GEGEBEN VON &NTON J^ERRMANN.

m. Band. Budapest, 1893. Juli. 3—4. Heft.

Ueber die heidnisohe Religion der Wogulen.1

Von Dr. B. Munkdcsi.

Nach den amtlichen Ausweisen sind die Wogulen heute schon Kristen. Die Anfange ihrer Bekehrung greifen in jene Zeit zu- rück, wo sie zum erstenmal mit den Russen in Berührung kamen. Schon in jenen Raubzügen, welche die Nwogoroder im 12. Jahr- hundert ins Land der Juguren unternahmen, kann man Spuren der Beteiligung von Priestern nachweisen, die dort wohl nicht nuV den Lagerdienst zur Aufgabe hatten, sondern auch, dass sie die Kirchen welche nach Brauch jener Zeitperiode auf erorberten Gebieten als Zeichen der Unterwerfung erbaut zu wei den ptlegten einweihen und der Kirche Anhänger verschaffen.2 Aber der religiöse Einflnss der Nowgoroder, konnte hier ebenso wenig erstarken, als ihre äussere Herrschaft; und auch der Bekehrungseifer des hl. Gerasim, den er in dieser Sache als Bischof zu Perm im An- fang des 15. Jahrh. bei den Wogulen entfaltete, scheint von keinem grossen Erfolge gewesen zu sein. Voj# intensiverer Wir- kung auf das geistige Leben der Wogulen ^^^T)stjaken waren die Tataren des sibirischen Khanats, durch derc^^ ermittlung die Lehren des Islam in der Weise sich zu verbreiten begannen, dass man Spuren davon auch in Brauch und Sprache der Wogulen nach- weisen kann (z. B. im Konda-Wognlisehen Kuoreü Buch, arab. Koran. Buch, Koran : oyer-sameu Tag des jüngsten Gerichts, arabisch : dyer zemän Ende der Zeit : asraj Teufel : azrdit Todesdämon ; ogSel Tod : ar. e el Tod, Todesstunde usw.) Aber die formalen Bekehrun-

1 S. Ethnographia. 1SÖ3. S. 32. ft'.

2 Quellen: Kratkoje opiaanjije o narodje astjackoin, socinjennoje Grigorijetn Novickim t> 1715 godu. (Kurze Beschreibung des Ostjaken- Volkes, welche Gr. Novicki im Jahre 1715 verfasst hat.) Herausgegeben von L. Majkov, Peters- burg 1884. Opisanjije ' Berjozorskavo Kraja (Beschreibung des Gebietes von Berezov). Verfasser N. A. Abramov. Erschienen 1858 im XII. Bd. der „Za- piski" der Geograph. Gesellsch. zu Petersburg. Materialy dlja jittoriji yristi Anskato prosvjescenija Sibirji so vremenji pokorenija ejo v 15*1 godu do nacala XIX. stoljetjija. (Beiträge zur Geschichte der kristl. Aufklärung in Sibirien seit dessen Eroberung im J. 1581 bis zu Anfang des XIX. Jahrh.) Von N. Abramov. 1854. Snosenjija Novgoroda Veljikavo 8 jugorskoj zjemljej. ( Das Ver- hältnis Gross-Nowgorod's zum ugrischen Lande. Iiistor. -geogr. Skizze zur ältesten Geschichte Sibiriens.; Von A. Oksenov. Erschienen in dem von N. M. Jadrincev herausgegebenen: Ljitjrraturnyj Sbornjik, Petersburg, 1885.

Ethnol. Mitteil. a. Ungarn III. 5

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gen. welche -eitens des Mohamedanisinus um die Mitte de- 15. Jahr- hunderts Ahmet Girej, der Bruder des letzten sibirix ln 11 Khan's, Köcüih. begonnen hatte, erreichten gar hald ein Knde durch das Vordringen der Hussen. 15S1 eroberte Jermak Tinmfejer, Anführer einer Kosaken-Häuberbande die am Zusammcntluss des Tobol und Litis erbaute tatarische Hauptstadt, Sibir. worauf ein Teil der wu- gulischeu und ostjakisehen Häuptlinge sich freiwillig ergab, ein an- derer Teil aber gezwungen war der vordringenden Waflenmacht nachzugeben. Die Küssen vernic hteten nicht, sofort die kleinen ug- rischen Fürstentümer, deren Herren ihnen unter den bestehenden Verhältnissen gute Dienste leisten konnten in der Verwaltung der Gegend und beim Eintreiben der Kellsteuer (jazak.) Als Gegendienst für genossene Schonung, und um die Gunst ihrer Beherrscher auch fernerhin für sieh zu erhalten, zeigten sich die ugrischen Fürsten allmälig auch zur Annahme des Kristentums geneigt. Schon zur Zeit der Regierung Feodnr lianovic'x trat der obdorsker Fürst, mit späterem Namen Vasilij in den Schoss der orientalischen Kirche über, der aus Moskau in sein Vaterland heimkehrend, da- selbst auch eine Kirche zu Ehren des gleichnamigen Heiligen er- bauen liess. Seinem Heispiel folgten die Mutter und der eine Sohn des Fürsten am Mittel-Ob (Kondin) Jiyi'tj. des Sohnes Alai's. nach deren Heimkehr der Fürst selbst nach Moskau reiste und sieh taufen Hess. Heimgekehrt liess auch er 1602 eine Kirche baucn.und sandte auch noch seinen anderen Sohn in die russische llesidenz- stadt, der dort eine Hofwürde erhielt. Aehnüche Fälle wiederholten sieh im Laufe des 17. Jahrhunderts mehrmals, aber sie waren schliesslich doch nur isolierte Ausnahmserscheinuiigeu ; in der Volks- masse selbst aber erwachte die Neigung zur neuen Keligion nicht im Geringsten, ja selbst Nachkommen der bereits Getauften fielen ins Heidentum zurück, z. \i. die der erwähnten obdorsker Fürsten, nach dessen Nachfolgern Maninil:, MoVuk, Gynda* Turnhaida nur Tajsa, der Ahne, der später unter dem Namen Tajsin berühmten Fürstenfamilie, 1714 wieder das Kristentum annahm.

Krnster nahm sich der Kekehrungssache erst Peter der Grosse an, der mit seinem politischen Scharfsinn wahrnahm, dass es zum Gedeihen seiner Nation unendlich viel beitragen würde, wenn die Kristianisierung der sibirischen Heiden durchgeführt werden könnte. 1706 sandte er daher eine Verordnung an den berjozover Militär- kommandanten, damit dieser den an den ( fern der Sigva regieren- den nordwogulischen Fürsten. Sek na und den obdorsker Fürsten Tuvahalda vor sich lade und sie frage: ob sie geneigt sind sich zum Kristentum zu bekehren. Diesem Befehle folgten bald Missio- näre nach, welche der sibirische Metropolite Fl/ofej Jss inskij unter die Wogulen und Ostjaken aussaudte. Aber wie das seit 1657 be- stehende kondiner Kloster, so hatten auch diese neueren Vorkeh- rungen gar wenig Krfnlg bezüglich der religiös»Mi Aufklärung des

' y = tiet'lauteu'les i.

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Volke* aufzuu ei*cn. bis schliesslich Lescinskij selbst seine Metropole verliess und die Sache selbsl in die Hand nahm. Ln der Hand den kaiserlichen lTkas. welcher die Ausrottung der ostjakischen und \vo- guliscbcn Götzenbilder anordnet, macht er sich 1712 zu Schiff, von zahlreicher Mannschaft begleitet, auf seinen apostolischen Weg und zwar den litis abwärts zum Ob-Fluss. Ungeheuerer Schrecken be- mächtigte sich der Ostjaken. als sie die grosse Gefahr bemerkton, die ihrer alten Kcligion drohte, und ihre Aufregung steigerte sich beinah«' zu einer Empörung, als sie wahrnahmen, dass die Hussen ihre heiligen Stätten und Gegenstände zum Kaub der Flammen ma- chen. An mehreren Orten schaarten sie sich zu bewaffnetem Wider- stand zusammen und waren bereit selbst auf Kosten ihres Lebens ihre Götzen zu verteidigen ; indessen sahen sie noch bei Zeiten ein, dass dem ausgesprochenen Willen des Garen gegenüber jeder Wider- stand fruchtlos sei. ja vielleicht zum verhängnisvollen Untergang des ganzen Volkes führe, und sie ergaben sich allmächtig in ihr Loos. Viele jedoch, deren Gewissen sich mit den neuen Zuständen nicht befreunden konnte, flüchteten in das Gebiet von Obdorsk, wo sie mit vielen tausend Ostjaken und Samojeden zusammen auch noch heutigen Tages einen starren Hamm gegen die Ausbreitung des Kristentums nach dem Norden hin bilden. 1714 bekehrte LesÖinskij und seine Priester die pelimer, unterlosvaer. tavdaer. sowie die in den Gebieten der Sosva und Sigva Flüsse wohnenden nördlichen Wogulen : und schliesslich 1715 nach schweren Kämpfen die kon- <laer Wogulen. Auf welche Weise diese Bekehrungen geschahen, das stellt uns ein von Itoiuhj aufgezeichnetes wogulisches historisches Lied recht charakteristisch dar, dessen Held wahrscheinlich kein an- derer ist. als der bekannte, letzte kondaer Fürst .Sr//>X.1 Wir teilen hier die t'ebersetzung dieses Liedes mit:

Lied beim Taufgang.

iPernün tum «ry').

Auf der vielgegendigen Erde überall, so höre ich, Mann :

viereckige eckige Kreuze erwähnt man.

Auf vielgegendiger Frde Gegenden überall, so hör' ich :

1 Ueber den energischen "Widerstand Salik's, oder wie ihn die Rus- sen nennen Satiga's, schreibt ausführlich Novicky, woher wir erfahren, dass derselbe auf Aneiferung eines tobolsker Tataren ungefähr 000 bewaffnete Männer um sich geschaart habe, um wie es heisst den Missionär, den Erzbischof. samt seiner Begleitung niederzumetzeln. Diesen Plan verriet ein Wogule den Missionären, die erschreckt vom angetretenen Wege zurückzu kehren beabsichtigten; aber sie führten ihre Absicht in der Furcht davor doch nicht aus, dass sie nämlich durch das unter-kondaer. bereits getaufte Volk, vernichtet werden, sobald man ihre Flucht bemerkt. Als sie am Fürstensitze einlangten, so wagte der Fürst und sein Volk doch nicht den Kampf zu beginnen, sich vor der bevorstehenden Todesstrafe fürchtend. „I)u,w sprachen sie, laut Novicky. zum Fürsten. „du tobst und willst mit dem Kaiser hadern: du selbst wirst deshalb sterben und wirst dadurch auch uns zu Grunde richten!"

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viereckige eckige Kreuze 5 hängt man jedem an :

In meinem von meinem Mann-Vater gezimmerten, aus einem Zimmer bestehenden Balken-Hause sass ich, Mann. (Da auf einmal nur) irgendwoher erhebt sich, mächtig schallender, schalliger donnernder Lärm erhebt sich. 10 Auf den Marktplatz meiner marktplatzversehenen Stadt geh' ich hinaus ;

mit meinen schwarzen Johannisbeeren gleichenden beiden (Augen)

zu meinem Erhabenen-Himmel-Vater blick* ich empor :

wie gross eines Leuciscus-Fisches Aug' ist, nicht so viel YY'olken-

15 Dasein erblick' ich. [stückleins Ans Ende der unteren Stormwendung, dahin seh" ich : dem Schnabel einer Henne ähnliches, schnabligcs ausgezeichnetes ist von dorther erschienen. [Schiff Starke Flinten mit eisernem Innern

20 lässt man erdröhnen von dorther: Viele Kanonen mit eisernem Innern lässt man erdröhnen von dorther: unsere Mutter Schwarz-Erde erzittert nur so darob. Meinen seh wareisernen pfeilbesetzten Köcher

25 in meine beiden zehnfingrigen Hände nehmend.

stell' ich Mann mich an die Spitze der sich erhobenen Schaar, und wende das huhnschnablige ausgezeichnete Schiff zurück.

Dann ein aus zwei Stuben bestehendes Balken-Haus erbaue ich, Mann ; 30 in diesem aus zwei Stuben bestehendem Balken-Haus lieg' müssig ich, Mann. (Auf einmal) irgendwoher erhebt sich,

mächtig schallender, schalliger donnernder Lärm erhebt sich. Ich gehe abermals hinaus : 35 im blossen aus russischer Leinwand bestehenden Hemde ans dorthin blick" ich: [Ende der unteren Stromwendimg,

sieh da! viele Kanonen mit eisernem hinein erdröhnen dorten.

Als ich die Geistesgegenwart verloren hatte : 40 gestutzt-schössige zwei Kosaken ergriffen mich irgendwie,

wie eine in diesem Sommer ausgebrütete. sich zu erheben un- ergriffen sie mich irgend wie. [fähige Kriechente Als ich genauer umblickte : 45 den verdammten Bischof, ihn selber brachte mau. Was man meinem Vater nie anlegte, FussM-hellen legte man mir an. dem Manne an ; an hundlngerglcichc, unflätige Stätte warf man mich, den Mann.

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*5

50 Lange oder kurze Zeit trug man mich.

v<m meines Mann-Vaters 7 (Sehatz) Kisten das letzte (übrigge-

Kistchen nehm' ich mit mir. [bliebene)

(Einmal nur) ins Innere jener vielerwähnten.

dem strahlenden Morgenstern gleichenden Stadt Tobolsk 55 gelange ich, Mann.

Was mein Vater nie gesehen,

ins Innere irgendeines lausigen Hauses

wirft man mich, den Mann.

Eine sich erneuernde Mondwoche hindurch 60 ernähre ich, Mann, dort die Läuse.

Die mein Vater gefüllt hat,

der viereckigen Schatzkiste Ecken

leere ich aus. Dann

ein seidenknöpfiger mächtiger Herr tritt zu mir herein. 05 Wie ein zungenhängendes zungiges Tier.

so fleht er dort zu mir, dem Mann.1

Die mein Mann-Vater gefüllt hat,

der viereckigen Schatzkiste Oeffnung

ward weiträumig (d. h. das Geld verschwand). 70 Womit mein seidenknöpfiger mächtige Herr

sich unten am Halse zu knöpfen pflegt.

mit solchem brotförmigen Knopfe

knöpfelte ich mich.2

Viereckiges goldenes Kreuz 75 hängte ich dort mir um, mir dem Manne.

Die mein Vater (als Opfer vor die Götzen) zu stellen pflegte, die

[an Füllenfett reiche Schüssel

ist nun bis zum tausendsten Tage des Gottes (für immer) wegge- blieben.

Nach Leseiuskij's Tode schickte dessen Nachfolger, der Metro- polite Anton Sfachocxkij der hl. Synode den Bericht: „In Sibirien wurden ungefähr 40,000 Andersgläubige getauft und unter ihnen 37 Kirchen erbaut. Die Andersgläubigen wurden weder durch Ge- walt, noch durch Furchteinjagen oder sonstige Androhungen zum Kristentum bekehrt, sondern einzig und allein durch des Evan- geliums Verkündigung und infolge seiner eigenen Bemühungen * (Abramov).

Seither sind nahezu 180 Jahre verflossen, in welcher Zeit im Interesse der Kultur der Wogulen nichts anderes geschehen ist, als dass man in die volkreicheren Gegenden Pfaffen mit gehörigem Per- sonal aussandte, die wie alle Reisenden im allgemeinen erfahren haben überall, wo sich nur Gelegenheit bot, wahrhafte Tyrannen des Volkes wurden. Auf dem ganzen riesigen Gebiete, welches die Wogulen bewohnen, gibt es heutzutage weder eine Schule, noch

1 <1. h. er überredet mich zur Taute.

'-' <1. h. zur Taufe gab man mir prächtige Kleider.

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66

Landstrassen, noch einen Arzt oder auch nur (»inen Chirurgen, noch einen Gewerbtreibenden, ja selbst einen Schmied findet man nicht vor, obwohl die Wogulen des ganzen südlichen Gebietes Pferdezucht betreiben. Wo unter die Wogulen sich Russen niedergelassen haben, dort verschwanden jene entweder. spurlos bis auf den letzten Mann, wie z. B. im Gebiete der Flüsse Cusovaja und Tura. der südlichen Sosva und im Gebiete der oberen Tavda (wo ja doch an letzteren Orten noch Ifajult/ wogulische Gesänge aufzeichnen konnte), oder sie sind dem Aussterben gar nahe, wie z. B. an den Flüssen Losva und Pelim, im Gebiete der unteren Tavda, wo ungefähr nach einein Halbjahrhundert kaum mehr als anthropologische Spuren und geo- graphische Namen Zeugen der einstigen ethnographischen Zustände sein werden. In Anbetracht solcher Verhältnisse ist es gar leicht verständlich, dass das Wogulentum dort, wo es sich in grösseren Gruppen aufrecht erhalten hat wie z. B. am Oberlaufe des Konda- und am Laufe des nördlichen Sosva-Flusses mit Selbstbewußt- sein an seinen volkstümlichen Eigenheiten hängt, un,d dass beson- ders in der zuletzt erwähnten Gegend auch das uralte religiöse Leben und Anschauung in vollkommener Unversehrtheit fortbesteht. Das einzige Anzeichen des Kristenturns in diesen Gegenden bestellt sozusagen nur darin, dass gegen Neujahr mit den Steuereintreibern zugleich auch der Priester des Bezirkes erscheint, die ihm gebüh- renden Abgaben und freiwilligen Geschenke einsammelt und dann durch den wogulischen Unter-Richter, den jasewolä die noch unge- tauften, oft 10 13 jährigen Kinder zusammentreiben lässt und die- selben auf einmal tauft. Irgend eine Bekräftigung seitens der Kirche hält man für überflüssig, selbst bei Ehebündnissen, denn au die Kirche wenden sich Eheleute gewöhnlich nur im Falle der Braut- entführung, d. h. wenn gegen das eventuelle Auftreten der Braut- eltern das Eingreifen und der Schutz der Behörde gerade bequem und erwünscht erscheint.

Grundstock und bedeutsamster Bestandteil der Ur-Religion der Wogulen ist, wie ursprünglich bei allen altaier Völkerschaften, der Naturcult. Im Kreise desselben nimmt den höchsten mythischen Rang der Himmel ein, dessen Gemeinname taarem, torem, zugleich einen Ausdruck für den BegrilT der Gottheit bildet, wie das ostjak. töremy tärem, sürjenisch jen, wotjak. inmar, mordwin. skaj, osttürk. und mon- gol. taFlri, tschuwas. tür»1 „coelum* und zugleich auch „deus" bedeuten. Neben dem Himmel war Gegenstand besonderer Verehrung auch die Erde, die nach wogujischer Weltanschauung eigentlich nur ein ergän- zender Teil des Himmels ist, d. h. der „untere Himmel" (joli taare'im dem Himmelreiche, dem „oberen Himmel" (numi taarem) gegenüber. In der mythischen Rangordnung und Genealogie nehmen den zweiten, aber in der religiösen Praxis wohl den vornehmsten Platz die Manen ihr Xationalhelden ein und von diesen stehen in erster Reihe die sogenannten ,Himmelssöhne*" (taarem-pytfiet). Diese Heroeninanen,

1 9 tietVs e.

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von denen ein Teil gewiss reininythischeii und von diesen der eine oder andere solarischen Ursprungs ist, wohnen der Vorstellung ihrer Verehrer nach, an der Stätte ihrer einstigen Tätigkeit, wo man sie sieh in Götzengestalten darstellt. Diese Götzenbilder heissen: pupg\ während der durch sie dargestellte innewohnende lebendige Geist, der auf den Zauber „gottbeschwörender Sprüche** wo immer mit Blitzes- schnelle erscheint, aater „Fürstenheld**, oder wenn er weiblich, ndj ..Fürstenfrau** heisst. Die Götzenbilder werden oft durch natürliche Stein- oder Felsengebilde (jelpiil naan ersetzt, die dem Volksglauben gemäss zauberhafte Verwandlungen der Helden sind. Das den Sitz der Heldenmanen bildende Revier ist «vom Weibe unberührbare (d. h. unverletzbare), vom Manne unberührbare heilige Krde" (ne rautal, xum rautnl jelpiil md). wo unheilige Sachen zu treiben, unnötiger Weise oder iti unreinem Zustande zu gehen, Gras zu klauben. Zweige zu brechen oder aus dort befindlichem Wasser zu fischen, kochen, trin- ken, ebenda das Ufer mit dem linder zu beschädigen, für eine mit Verdamnis verbundene Sünde (nak) gilt. Mythische Wesen niederen Ranges, aber deshalb auch hervorragende Objekte des Cultes sind die heiligen Tiere (jelpiil uj), besonders der Bär, das Elentier und an manchen Orten der Hecht und die Schlange ; ferner einzelne Fetisch- gegenstände, von denen am häufigsten das Schwert ist : schliesslich die unterirdischen, Wasser-, Feuer-, Berg- und Walddämonen, beziehungs- weise Feen und auch die Seelen der Toten geben die Hausgötzen ab.

Alle diese grösseren und kleineren Mächte haben einen gewissen, bestimmten Wirkungskreis, innerhalb dessen des Menschen Lebensloos und der Lauf der Welt von ihrer Gnade abhängt. Daher ist die Siche- rung ihrer Gunst sehr wichtig, was durch strenges Ein halten der religiösen Vorschriften und besonders durch häufige Opfer bewirkt werden kann. Die Arten dieser Opfer sind: 1. das Blutopfer (jir). wozu man am liebsten Pferde verwendet, besonders weisshaarige. Diese Tiere können sich die Nordwogulen nur mit schwerer Mühe und grossen Kosten von den diesseitigen Abhängen des Ural oder aus dem Ob- gebiete verschaffen, weshalb sie auch verhältnismässig selten und nur bei wichtigen Vorkommnissen den Göttern damit gefällig zu sein pflegen. Die gewöhnlichen Opfertiere sind das Rentier und bei den Südwogulen der Hahn. 2. Die Speiseopfer (puri), die aus gekochten oder gebratenen Speisen, besonders aus Fleisch, Fett, ferner Mehl- speisen und Getränken (heutzutage regelmässig Branntwein ; in alten Zeiten, wie wir es aus den Liedern ersehen, Bier und Hirsemet, auf wogul. sur u. pusä (magy. sör u. hoza). 3. Opfergegenstände, besonders wert- volle Tierfelle, Seiden- und Tuchstücke, oder Kleiderstücke; Pfeile. Speere ; Silber-, Gold- und Kupfergeldmünzen, ebenso verschieden gestaltige Gussarbeiten aus diesen Metallen.

Diese Opfer sind nicht an bestimmte Zeiten gebunden, sondern an Gelegenheiten, welche die gesammten wichtigeren Vorkomnisse im Leben darbieten, z. B. Anfang und Schluss der Fischerei- und Jagd- zeit, ferner persönliche Wünsche. Geburt, Hochzeit und besonders Krankheit, Todesfall oder sonst ein Unglücksfall. Bezüglich der Art

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uimI Meng»* «Irr von der ( iottheit gewünschten < »pfer gilt als Krkeimer -owie als Vermittler zwischen der Gottheit und dem Menschen über haupt. der Schamane (üajt). der sich für seinen Beruf von zartest»- .lugend an vorbereitet und zwar nicht nur dadurch, dass er die reji giÖsen Satzungen pünktlich einhält und an den gemeinschaftlich* (Zeremonien teilnimmt, sondern auch dadurch, dass er ernstlich be strebt ist. die religiösen (Gesäuge und Sagen, sowie die Kenntnis der gottheitbeschwöreiiden Sprüche sich anzueignen.1 Wenn der Sch.v mane von der Gottheit Willen Kenntnis erhalten hat. so muss der- selbe sogleich erfüllt werden: „mein am Abend begehrtes Opferen^ verschiebet nicht auf den Morgen: mein am Morgen begehrtes Opfercher verschiebet nicht bis zum Abend". pflegt die Mahnung der <iöttrr in den Hc-chwüruiigsliedem rler Schamanen zu >ein. Wenn die rasch« Krfüllung unmöglich ist. so wird ein aus Birkenrinde geschnitzt»*- Bildm> des Opfergegenstandes |pl. ein Boss oder Bentier aus Bir kenrinde l gleichsam als Schuldschein neben da.> Götzenbild gelegt, welcher dann nach Krlangung des begehrten Opfergegenstandes ver- nichtet wird. Ines ist das sogenannte Gelöbnis-Bild (kastne yuri/

Der Verlauf eines blutigen Opfers, wie ich ihn im Gebiete de» oberen Losva-Flusses. in der Nähe von Pay uefl-tit-paul zu beobach- ten Gelegenheit hatte, \A der folgende: Vor allem wird die Opfer Stätte taarewkan oder jir-yafne-kan eiligst hergestellt, d. h. auf dem Schnee oder Basen wird ein gutes Stück kreisförmig nieder gestampft und in dessen vorderen Teil stellen sie den als Ruhplatr für das herabzubeschwörende Götzchen dienende heilige Birken setzling y'H'-py'-tiri, welcher wenn sie dem Herrn der Dämonen, den» kul'-ater opfern, durch einen Gypressensetzling (ur-fnl-tirf ersetz: wird. Dann bringen sie den Hausgötzen heraus, und zwar nicht zur Türe, sondern so wie die Leiche und am Schluss des Totenmahl> den Bärenkopf. zum Fmttrr heraus, und mit ihm zugleich werdet* die ihm zu Khren dargebrachten Opfergegenstände herausgeschafft Felle. Kleider. Silberzeug udgl.: das letztere wird auf zu diesem Zwecke eigens hergerichtete Stangen gehängt. Dann fuhrt der Schamane die an einen Strick gebundenen Opfertiere hervor um! ruft dann, vor dem tir stehend mit eine besondere Aufregung an- drückender, gebrochener Vortragsweise au> voller Kehle zum Himme hinauf die beschwörenden Sprüche und Flehungen. Nach Beendigung derselben töten auf den Wink de- Schamanen seine Gehilfeu <i\>- Tiere (indem sie hinter denselben >tehen) mit einem Beilhieb utic stechen sie durchs Herz : in manchen Gegenden werden die Tiere mit f'feilen und Spiessen getötet. Das ihnen entströmende Blut wiri

1 Bfi jeder wichtigeren religiÖM-n Handlung und dahin ffelwrt lr Prophezeiung. Zaubere» und Heilkumle i>t er der Leiter und Führer. :«e. welchen (ielegenheit^n er die Werk/enge bei sich hat.- Zaubertrommel den mit Tierhaut überzogenen Zauber.« lab 'su jihk .Schwerter. Pfeile uc-i andere Gewath-n. Zu seinen »i ersten Autgaben gehört die Gotth»'itbe$cbvf- rang /aätth. .leren ^rschk-dene Formen au> h bei den wirksamsten «piriti»'.- stlieu AurtÜhrungeu am Flatz>- wären.

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6!>

in Gefässe aufgefangen und nach Zerlegung des Tieres essen sie einen Teil des Fleisches in dieses Blut getaucht, roh. der andere Teil aber wird auf dem Opferplatz in Kesseln gekocht und später, oder erst am nächsten Tage verzehrt. Einen Teil des Blutes, des Fleisches und anderer Opferspeisen stellt der Schamane vor den tir hin, damit der Duft und Geruch derselben hinaufdringe zu dem den tir umschwebenden Geiste des Götzchens. Obendrein schmiert wie es heisst der Schamaue mit dem Blute und dem Fleische der Opfertiere auch das Antlitz des Götzenbildes ein, es dadurch zum essen nötigend. Nach Schluss des Opfermahles werden die Felle. Geweihe und Schädel der Opfertiere auf hohe Bäume ge- hängt, die übrigen Knochenreste aber bleiben auf dem Opferplatze liegen.

Speiseopfer werden gewöhnlich nur untergeordneten, kleineren Gottheiten dargebracht: diese Opfer werden gar oft erwähnt in den Bärenliedern und in den die Götzen behandelnden Schauspielen, in denen gewöhnlich die Opferspender Füllenschenkel und „an Fett reiche Schüsseln" vor das angebetete Götzenbild hinstellen. Zeuge einer anderen Art von Speiseopferspendung hatte ich Gelegenheit in Satr-fxivl zu sein, im oberen Gebiete des Loswa-Flusses, als nämlich meine Leute vom Heiligen des Losva- Wassers i Lusmoit-jelpu) ) sich verabschiedend, auf das Eis des Flusses einen Napf voll Branntwein und rings um denselben herum brezelförmige Kuchen legten, dann gen Süden sich wendend unter Beugungen die Beschwörungsformel der Gottheit hersagten, nach deren Beendigung sie ein wenig vom Branntwein auf den Schnee gössen, den Best aber samt den Bietzen selbst verzehrten.

Die Darbringung der Opfergegenstände geschieht auf die Weise, dass man dieselben neben das Götzenbild der im Gelübde erwähnten Gottheit hinstellt (dem Wassergotte wirft man sie ins Wasser), oder man verfertigt, wenn diese Gegenstände dazu geeignet sind, Kleider und Zierrat für die Gottheit daraus. Im Gebiete des Ob-Flusses werden diese Gegenstände von besonders dazu Betrauten von Dorf zu Dorf eingesammelt, die heimgekehrt, mit den gebrachten Kleidern und anderen Gegenständen ihren Götzen so sehr behängen, dass derselbe dadurch überaus dick wird ; trotzdem bleiben noch viele Gegenstände übrig, die man dann an den Wänden, auf Stangen und sonstwie unterbringen muss. Zwischen den Opfergegenständen spielt eine sehr wichtige Rolle das Geld und Silberzeug, dass von altersher Jahrhunderte hindurch neben den Götzen aufgehäuft, oft zu sehr grossem Werte angewachsen ist und dem Volke oft bedeutende Dienste geleistet hat, inwieweit nämlich dasselbe in Notjahren wie aus einer Sparkasse von dem Gelde der Götter sich Anleihen machte, die es dann, sobald es nur möglich war, gewissenhaft zurückerstattete. Im Zusammenhang mit der Bekehrung ward die Aufmerksamkeit auch auf diese Schätze hingelenkt, welche von den Ostjaken und Wogulen samt ihren Götzen in die verborgensten Schlupfwinkel der Wälder versteckt wurden, aber von den sich unter sie angesiedelten

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Zbogom <>.-taj draga poses- Ti alali meni i gjogatu, |trime! ja >e vi>e vidjet, ja ne vidjet.

Oto re'e. skoci iz inejane ; prid mex'nnm uzjasi gjogata !

*

l)oj< in igje kako gjogat more, pa u akAam u livade dojgje. u liva<iarn <"-ador razapeo. 180 pa prid njime priveza gjogata.

Malo vrinif za (Ingo ne bilo, al eto ti singe Mijovila snese njemu piva i jediva.

Dojriri, sio, ladno pije vino, do po nori ladno pijo vino,

Kada bjefc> oko pola nori ondar sjede. sitnu knjigu pi*e:

„Eto knjiga rare ot Stambola! ajde rare na rnegdan izijgji pot Krojana u moje livade!

Ako rare ne smijes izijtfi, eto mene ni je Biograda ja do Habe, do vode studene; svn cu tvojn rastferati vojsku i na Nabu vodw nagoniti a tebe < u ziva u jititi : svu cu tvoju bradu poguliti, na svake te pate udariti!"

Pa na knjigu pe 'atudario: 200

0 Mijate, moje drago djete ! Ajde sine Habi vodi ladnoj. knjigu nosi caru restitome !

Kako dojgjes. u vojsku unigji, lijest knjigu nosi u rukama ; kad opazis earova radora. na njeniii su tri jabuke zlatne pravo ajde carovu radoru ; pa ti sine pot eador nnijgji, poljubi inu nogu i nanulu. pa tnu knjigu na krilu osüivi. Pa se vrati u Krojana grada. Meni ajde u rusne livade !

Kada Mijat r-uo lakrdiju. on proljeva suze niz obraze :

0 Dojeine, mili gospodine! Evo danas devet godin dana. kako dvorim tebe go^podara,

nijesam ti (nie u iniu.

ni ot sad je uriniti ne du! 22»»

Ne Salji me uize Biograda !

Tko c toliku silu pruditiV

tko ee earu knjigu donijeti.

kaee tnrci nioju osjee glavu?

Ti ni osjcci u tvojoj livadi.

svoju ru ti krfcu aialiti! [mija: Na njeg s Doj«un grovotoin za^- O Mijate, moje drago djete!

I'zmi knjigu, k Rabi vodi ajde.

u po noci ko kad u po daua:

knjigonosi nitko ni*ta ne «V. Valja ii'i pa da, ee ne do«'-i.

l'ze knjigu, na/e niz livade.

Kada snijgje Habi vodi ladnoj, kat rare vu opazio vojsku, \Utii* mili «Hida golemoga! nije sala tri sta iljad vojske. pod Mijatom noge pokleruju. iri valja, da ee poginuti ! Kako dojgje, u vojsku unijgje. 240 Sitru knjigu nosi u rukama. Knjigonosi s mjesta uklonjaju; Nitko njemu ni inukajet nije.

On opazi rarova radora: Kako dojgje, pot eador unijgje. Poljubi mu nogu i nanulu. pa mu knjigu na krilu ostavi. Pa izijgje Mijat is radora. Odr Mijat pot Krojana grada.

Xa njoj rare peCat prilomio. Knjige gleda a jazije ne zna. Dade knjigu do sehe prvome: nitko knjige prouöit ne moze; dokle dojgje Cuprilie vezim, jer on znade knjigu svakojaku. Pa on vidje, sta mu knjiga kaza. pa on raru naustice kaze :

Sultan rare, sunce ogrejano ! Tebe vlase na megdan saziva; ta njekakav Dojrin kapetane. 26» > da izijgjes pot Krojana grada u njegove zelene livade. Ako rare ne smijeA izijei. da « r k nama k Habi vodi snij«-j

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Iii

i svu tvoju rastjerati vojsku, tobe care ziva ujititi, na svake te pate udariti i svu tvoju bradu poguliti !

A kat rare < un lakrdiju. on proljeva suze niz obraze, pa on pusca tri telara mlada.

Oni vieu ljetni dan do podne, svu carovu prolazi:o vojsku:

Nije 1 majka rodila junaka, tko b za eara na megdan iziso pot Krojana Dojein kapetanu?

Car in 11 daje dvore kot svojije i ako je junak neozenjen, svojom «V ga eeri ozeniti, |280 svojom eeri sultanijom mlariom !

Dok se najgje Susic Mehmedaga, is Stambola bijeloga grada. jer s lakome o<"i pri poga- i

i turciuu za carsku rijevojku, za carovu sultaniju niladu.

Pa debela istjera dorata ; pa on ode pot Krojana grada da eadora Dojein kapetana ; natjera mu konja na eadora.

Dojein sio. pije pot cadorom :

Lako, lako, carov rnegdan- uinorna si mene prikobio! [dzija !

Ondar skoei, uzjasi gjogata. Natjerase jedan na rirugoga, al je Dojein junak na mejdanu. pa Memeda prije izvadio, izvadio sablju ot pojasa i Memoria prije ujagruio. Osjece mu sa ramena glavu, pa zatjera konja niz livarie. 3(X)

Ode riorat Kabi vodi larinoj, brez Memeda u vojsku unijgje.

Ach geh, mein Hau, Gebieter dieses Boichs 100 verfass doch einen feinen Brief an Doj-in und übergib den Brief dem Diener Dojeins, er soll von Stadt zu Stadt auf Wander ziehen, wo immer sieh er seinen Herren finde, er küss ihm gleich den Fuss und den Pantoffel und leg ihm auf den Schoss das Briefchen hin. die Arme kreuzend zieh er sich zunicke und eile sclileunigst heim zurück nach Gran !

Kin hundert Meergaleeren rüste, Bau, bewehr sie mit Kanonen. Todverbreitern, und zu den Waffen ruf das Heer, o Bau !

Man eil herbei zum Kloster und zur Kirche, ich will dein ganzes Heer in Beichte nehmen: ich stell mich an des Heeres Spitze, Bau, und trag voran das Banner mit dem Kreuz und auf dem Banner stellen grosse Zeichen !

Wir ziehen niederwärts von Beograri, wir lassen uns am kalten Babiluss nieder, erwarten da des türkischen Kaisers Ankunft !

Entweder retten wir die Veste (Iran. 120 oder wir sterben, Bruderherz, vereint!

So sprach er und zur Kirche kehrt er wieder.

*.

Ks setzt der Bau sich hin den Brief zu schreiben und übergab den Brief dem Diener I ins :

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74

O Mirhai'I. o du mein trauter Knabe! mach auf die Suche dich nach deinem lierrn. mein Sülm, zieh aus ins türkische Tiirkenland: wo immer du den Hauptmann hoj -in findest, küss ihm den Tu>s und kiiss ihm den Pantoffel und leg ihm auf den Schoss das Briefchen hin. die Anne kreuzend zieh dich dann zurück !

W er l'ntertan. gehorcht otin Widerrede. Von (irau flussabwärts reiste Michael, durchzog die Städte in dem Tiirkenland. «loch jenen könnt an keinem Oj-t er finden und keine Kunde über ihn erkunden.

So kehrt er heim zurück zur Ve>te <oan. Als Michael zur Schenke angelangt, zur Scheukenwirtin Angelikus Schenke, erblickt er einen feistgenährten Schimmel. 1-44 *

erkannte leicht allda den Renner hojcins.

l ud Michael hielt Einkehr in die Schenke.

Herr Uojcin sitzt und labt sich in der Schenke. Kr küsste ihm den Kuss und den Pantoffel, die Arme kreuzend zog er sich zurück, als er den Brief ihm auf den Schoss gelegt.

Herr Dojcin sah. was ihm der Brief besagt, und sprach ein leises Wort zu Michael:

<> Michael, o du mein trauter Knabe! Geh in die Veste (iran, mein Sohn, hinauf! Sobald die Abenddämmerung beginnt, bring mir herab zum Abendmahl die Speisung auf ineine Wiesenfluren unter (Iran. Fürs Nachtmahl reicht der erste beste Hissen, nur schmälre mir den kargen Schoppen nicht! ich aber mag nicht in die Veste Uran, ich geh vielmehr auf meine grünen Wiesen und spanne mirs (iezelte dorten auf!

So kehrte Michael zurück nach (»ran.

Herr Dojcin setzte sich zum kühlen Weintrunk. ItfO Nachdem sich Doj.-in mit dem Wein vereinigt, da rief die Schenkin Angja er herbei :

Komm her zu mir, o meine Herzensschwester! Ks tlog zu ihm die Schenkenwirtin Angja.

Wie viel beträgt, o teure Heizeusschwester, die Schenkenscliuld von mir und meinem Schimmel V wieviel im Lauf von einem Jahr und Tag?

0 llerzensbruder. Dojcin Kapitän.

die Schuld von dir beträgt und deinem Schimmel in einem Jahr zwei hundert tJolddukaten.

ha mochte Dojcin gar nicht Antwort geben, er reich! ihr hin drei hundert (iolddukateu :

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Verbleib mil * iott. n teure Herzenv>r!i weiter ! Vergib mir jede Schuld und meinem Schimmel : wir sehn uns jemals «»der niemals wieder!

Kr sprach also und sprang hinaus zur Schenke und seliwaujr sich auf den Schimmel vor der Schenke.

Herr Hojcin reitet mit verhängten Zügeln und trilft zur Däminrung auf den Wiesen ein. Nun spannt er auf den Wiesen das Gezelt auf... ISO und bindet vor dem Zelt den Schimmel an.

Nach kurzer Krist. es währte nicht zu lange, da nahte schon der Diener Michael, er bracht ihm Speisen und Getränk herab.

Herr Doj 'in setzte sich zum kühlen Weintrunk und trank vom Kühlwein bis gen Mitternacht.

So um die Zeit der Mitternacht herum, setzt er sich hin und sehrieb ein zierlich Briefcheu : -Ein Fordrungsbrief, o Kaiser von Istatubol! -Wohlan, o Kaiser, rück heraus zum Zweikampf ..auf meine Wiesen unterhalb von Gran!

»Hast du den Mut nicht. Kaiser, dich zu stellen. _so komm ich dir wohl unterhalb von Heigrad, „wohl hin zum Rabtluss, zu dem kalten Wasser! -leb werde dein gesammtes Heer vertreiben .und in die Hab hinein, ins Wasser treiben, -doch dich, dich krieg ich in die Hand lebendig ..und werd dir deinen ganzen Hart zerschinden ..und Folter jeder Art dir auferlegen!"

I >rauf drückt er auf das Schreiben auf das Sigel. 2< K »

0 Michael, o du mein trauter Knabe! <> zeuch, mein Sohn, zum kalten P'Iuss. der Hab. und überbring den Hrief dem edlen Kaiser.

Sobald du in des Heeres Lager kommst, so trag das Schreiben sichtbar in den Händen. Fnd wann du das Gezelt erschaust des Kaisers

drei goldne Apfel zieren wohl das Zelt schreit gradenwegs aufs Zelt des Kaisers zu. und dann, mein Sohn, tritt unter das Gezelte. küss ihm den Fuss und küss ihm den Pantoffel und leg ihm auf den Schoss das Schreiben nieder und kehre zu der Yeste Gran zurück.

zu mir hieher auf tauigfrische Wiesen!

Als Michael die Weisung wohl vernommen, vergoss er Thränen übers Angesicht:

0 du mein Hojcin, teuerster Gebieter! neun Jahre -ind wohl heilt dahingeflossen, seit deiner ich, Gebieter, treulich warte.

doch niemals dient ich hinterlistig dir,

und derlei möeht ich nun und nimmer tun! 220

0 schick mich nicht dort tieferwärts gen Belgrad ! Wer soll durch solche tibermacht durchdringen, wer soll dem Kaiser dieses Schreiben bringen,

wenn mir vom Kumpf das Haupt die Türken schlagen?

Schlags lieber ab auf deiner Wiese mir,

Vergebung dir für mein vergossen Blut!

Drauf lacht ihm Dojcin schallend ins Gesicht : 0 Michael, o du mein teurer Knabe!

da nimm den Brief und eil getrost zur Rab!

Hm Mitternacht als wärs zur Mittagstunde,

wer Briefe trägt, vor jedem ist gefeit!

Da gilt es gehn und gab es keinen Bückweg!

Kr nahm den Brief und lief die Wiesen abwärts.

Als er zur Bab, dem kalten Fluss gelangte, als er allda des Kaisers Heer gewahrte, du lieber Gott, ein gar gewaltig Wunder ! drei hundert tausend Mannen sind kein Spass ! erfasst die Füsse Michaels Gezitter.

1 >a gilt es gehn und gieng es in den Tod !

Sobald er kam, begab er sich ins Heer 240 das zierlich Schreiben in den Händen tragend; man macht dem Träger eines Briefes Platz, mit keiner Silbe tritt ihm jemand nahe.

So sah er letzt das kaiserlich Gezelte. (rat ohne Zaudern unter das Gezelte; küsst ihm den Fuss und küsst ihm den Pantoffel, er legt ihm auf den Schoss das Schreiben nieder. Pnd Michael gieng aus dem Zelt hinaus, zur Veste Gran zog Michael zurück.

Der Kaiser brach das Sigel auf vom Schreiben, er schaut den Brief, doch kennt er nicht die Schriftart, trat ab den Brief dem ersten Nebenmanne, doch niemand ist im Stand den Brief zu lesen, bis endlich Küprülii der Vezier nahte, der kennt sich aus in Schriften jeder Art. und als er sah. was ihm das Schreiben meldet, da sprach er Wort für Wort zum Kaiser also:

O Sultan, Kaiser, Sonnenglanz und Leuchte! zum Zweikampf fordert dich ein Kristel auf. halt ein gewisser Dojciu Kapitän: 2*10 du sollst ihm unterhalb der Veste Gran auf seiner grünen Wiesenflur erscheinen. Fehlts dir an Mut, o Kaiser, zu erscheinen, so werd er uns am Flusse Bab besuchen

und samt und sonders dir «lein Meer verjagen, dich, Kaiser, bei lebendigem Leibe fangen, mit Foltern jeder Art dich martern lassen, dazu dir deinen ganzen Bart zerschinden!

Als nun der Kaiser solche Red vernommen, vergoss er Thränen übers Angesicht. Drei junge Heeresrufer sandt er aus ; die schrein den Sommertag hindurch bis Mittag, die schritten durch des Kaisers ganzes Heer :

Gebar denn keine Mutter solchen Helden, der für den Kaiser auf dem Plan erschiene

gen Hauptmann Dojcin unterhalb von Gran?

Dem schenkt den Hof er nächst dem Kaiserhofe, und falls der Held ein Ohneweib geblieben, mit seiner Tochter ihn beweibt der Kaiser, mit seiner Tochter, mit dem Jung-Prinzesschen ! 28<)

Letzt trat hervor Herr Sustf Mehmedaga, ein Bitter aus der weissen Stadt Istambol ; auf frischen Fladen macht man grosse Augen, und sehr begehrt der Türk die Kaisertochter, die Kaisertochter wohl, das Jung-Prinzesschen.

Er jagt hinaus auf seinem feisten Braunen und zog dort unterhalb der Veste Gran bis zum Gezelte Dojcin Kapitäns, er spornt ihm aufs Gezelt das Boss hinauf.

Es sitzt Herr Doj('in unterm Zelte trinkend:

Gemach, gemach, du kaiserlicher Kämpe!

du trafst mich an, dieweil ich müde bin. [mel, Dann sprang er auf und schwang sich auf den Schim- sie stürmten gen einander hoch zu Bosse, doch ist ein Held Herr Dojcin auf dem Plane, er zog heraus viel flinker noch als Mehmed, er zog heraus den Säbel aus dem Gürtel, viel flinker griff er an den Partner Mehmed, er hieb ihm von den Schultern ab das Haupt und jagt entlang den Wiesen fort das Pferd. 3ÜJ

Zum kalten Babtluss rannte fort der Braune, ohn Mchemed ins Heer zurück er kam.

(Fortsetzung lol^t.)

Ethnol. Mitteil. a. Injtani III

TB

Nachlese zu den kosmogonischen Spuren in der magyarischen Volksüberlieferung.1

Von Ludwig Kdlmdny.

1. Schöpfungssagen.

Als Gott die Welt erschallen hatte, verlangte der Teufel von Gott die Seele des besoffenen Menschen; er sagte, dass die Seele desjenigen Menschen, der sich einmal berausche, ihm gehören solle. Gott sah, dass der besoffene Mensch auf dem Totenbette sich bekehrt, und er willigte nicht ein, sondern sagte, dass wenn er (der Teufel) vom Meeresgrunde Sand mit einem Stricke heraufbringe, er ihm dann die Seele des besoffenen Menschen übergeben werde. Der Teufel gieng auch auf den Meeresgrund hinab, aber er konnte keinen Sand heraufbringen; so bekam er denn die Seele des besoffenen Menschen nicht. (Aus Magyar-Szent-Mihäly) - In einer anderen Sage wird erzählt: War auf der Welt ein Mann, der hatte einen Lidvercz; die eine Woche war der Lidvircz bei ihm und was er (der Mann) ihm auf der Welt sagte, das alles brachte er ihm ; die andere Woche war der L. bei dem Sohne (des Mannes): und der L. sagte immer nur: „Was, was, was (soll ich bringen)?* Er sagte ihm: „Bring mir jetzt Mais!*- Der L. brachte nun soviel, dass der Hof damit voll wurde; dann sagte er: „Bringe Geld!" Er brachte (ihm) soviel, dass er ein gar reicher Mann wurde. Als er nun ein reicher Mann geworden war, war es ihm eine Last, den L. zu halten ; er gieng in die Nachbarschaft (nachfragend), was er mit dem L. machen solle, denn stets hält er sich ihm unter der Achsel auf? (Man antwortete ihm), er möge ihn in die Mitte des Meeres senden, damit er mit einen Strick Sand bringe. Gieng der Mann nach Hause, sprach der Lidvercz: „Was, was, was?* „Geh', bring' aus des Meeres Mitte mit einem Strick Sand!" Der L. gieng fort, kam nimmer- mehr zurück. (Aus Magyar-Szent-Mihäly).3

1 S. Hand IL, S. 3—11: S. 139—148.

- Vgl. dazu Munkacsi, Vogul nepköltesi gytijtemeny L 160.

* Der Lidvercz oder Lidercz, auch Ludvercz genannt, ist ein Buhlgeist, gewöhnlich in der Gestalt eines struppigen Hühnleins; s. darüber ausführlich Wlislocki, Aus d. Volksleb. d. Magyaren, sub. Lidercz. Die Erschaffung der Erde aut ähnliche Weise kommt noch vor: in Munkdcsi's o. a. Werke 139: bei den Mordwinen s. Bttrna, A mordvaiak pogany istenei 8 ; bei den Tschere- missen s. Bartta, A Votjakok pogany vallasarol 20: Ertnan: Archiv für wissonsch. Kunde von Russland XVII. 389: bei den Wotjaken s. Munkdcsi, Votjak nepkölteszeti hagyomanyok 50: vgl. noch die Ueberlieferung^ der Bukowiner: Zeitschrift f. deut. Myth. u. Sittenkunde I. 179. In der Leber lieferung der Siebeubürger Rumänen sendet Gott den Krzengel Gabriel nach Erde, s. Müller. Siebenbürg. Sagen : Die Schöpf, d. Welt ; bei den Burjaten und Russen, s. Ausland 1866. §. 534: 1872, S. 1178; bei den Zigeunern, s. Wlislocki, Sag. u. Märchen d. transsilv. Zigeuner (Berlin 1887) Nr. I. Vgl. noch Andrej Die Flutsagen S. 78-82.

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Bezüglich der Erde lieisst es in der magyarischen Volksüber- lieferung : Die ganze Welt wird von drei Walfischen gehalten ; in jedem dritten Jahre drehen sie sich auf die andere Seite, dann erbebt die Erde. (Aus Temesköz-Lörinczfalva). In Magyar-Szent-Mihäly berichtet man von 4 Walfischen.

Aehnlich wie der wogulische Elmpi auf Numi Tarom's Rat rAus Schnee einen Menschen macht, knetet, denselben in Bewegung setzt, er in Stücke fällt*,1 heisst es in der magyarischen Ueber- lieferung: „Der Teufel konnte Menschen, Pferde formen, aber wenn sie sich bewegten, zerfielen sie zu Staub*4 (aus Jäszova).2 Der Teufel kann zwar Menschen formen, aber ist nicht imstande, ihnen eine Seele zu geben (vgl. diese Zeitschr. Ii. 5 ff). So heisst es in Temes- köz-Lörinczfalva: „Den Elias und Enoch formte der Lucifer, aber er konnte ihnen keine Seele geben, da gab ihnen denn eine Gott, aber er nahm sie auch in den Himmel hinauf, woher sie aber auf die Bösen schiessen.'' Eine Sage aus Magyar-Szent-Märton berichtet: .Als Gott den Menschen erschallen hatte, wollte auch der Teufel einen erschaffen. Aus Kot war schon die Menschengestalt geformt, aber eine Seele war nicht darin. Also Gott segnete sie, gab eine Seele in sie (aber es war kein Loch an der Form); da sagte er dem Teufel, dass er eines bohren solle. Als es der Teufel bohrte, sagte das Knarren des Bohrers stets: Cro-at, Cro-at! Fragte Gott den Teufel, was der Bohrer sage? Sagte der Teufel: Cro-at! So ward der Croate (erschaffen)." In einer Variante dieser Ueberlieferung tritt Set. Peter als Demiurg auf: „Als Gott das Weib erschaffen hatte, bohrte Set. Peter das slovakische Kind an (denn es hatte kein Loch) : daraus ward der Raize : denn als er es anbohrte, sprach sein Bohrer ineinemfort: Raz, raz, raz ! Set. Peter sagte dann, dass dies also der Raize werde : seither sind Raizen (Serben) auf der Welt" (aus Egyhäzas-Ker). Nach einer Ueberlieferung aus Szöreg bohrt Set. Peter den Raizen aus einem Deutschen.3

Eine Sage aus Magyar-Szent-Mihäly erzählt: „Als die ersten Menschen erschaffen worden waren, hielten die drei göttlichen Personen Rat, welche (von den in verschiedenen Zeiten lebenden Menschen) die schlechtesten werden sollten? Die eine göttliche Person sagte, die zu Anfang (lebenden), die andere göttliche Person aber sagte, die in der Mitte (lebenden); Gott-Vater sagte, die zu allerletzt (lebenden) sollten die schlechtesten sein, dann bedauere Gott nicht, die Welt zu vernichten."

Nach magyarischer L'eberlieferung gibt Noe den einzelnen Tieren die Namen, aber nicht bei ihiem Herauslassen aus der Arche, sondern schon bei der Aufnahme in dieselbe. In Torontäl-Monostor heisst es: „Als Noe die Tiere in die Arche aufnahm, wollte auch die Fliege hinein, aber Noe sprach zu ihr: ^Fliege, hier soi!u

1 Ilun/alvtf, Reguly hagyomanyai (Rrs Nachlass) I. 126.

2 Vgl. dazu die Sage aus Majdan in dieser Zeitschrift IL 8. 5. J S. diese Zeitschrift II. S. 8.

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so

(Legy, itt legy ! ttgy heisst magyarisch : Fliege und auch : sei, bleib' !) Seither heisst man sie Fliege (legy)u. In Magyar-Szent-Mihäly gibt Set. Peter dem Esel den Namen. Als die Tiere ihre Namen erhalten hatten, mussten sie am folgenden Tage erscheinen, damit jedes einzelne seinen eigenen Namen hersage. Jedes konnte seinen Namen sagen, nur der Esel hatte den seinen vergessen ; da zupfte ihn Set. Peter am Ohre und sprach zu ihm: „Esel bist du. nicht einmal deinen Namen weisst du!" Seither heisst man ihn Esel und seither hat er lange Ohren . . .

Eine demigursche Rolle1 hat der Teufel beim Branntwein- brennen, das er den Menschen gelehrt hat: -Früher fluchten die Menschen nicht ; als aber dem Landwirt soviel Korn gedieh, dass er nicht imstande war es zu verkaufen, lehrte der Teufel die Menschen das Branntweinbrennen ; darüber verzankten sich die Menschen ; da bekam der Teufel Seelen, denn einer erschlug den andern" (aus Magyar-Szent-Mihäly). Die Mordwinen lehrt der Saitan das Bierbrauen, die Wotjaken werden vom Diabolus Keremet im Kumyska-Kochen unterrichtet; die Finnen lernen das Bierbrauen ebenfalls vom Demiurgen Osmatar . . .

Den ursprünglichen Zustand des Feuers verderbte der Teufel also: „Dem Teufel starb die Mutter; die Menschen sassen rings um das Feuer herum; kam hin der Teufel, sprach: „Meine Mutter ist gestorben, beweinet sie!" Die Menschen sagten: „Wir beweinen sie nicht !** „Nun, wenn ihr sie jetzt nicht beweinen wollt, so werdet ihr sie bald euer Leben lang beweinen!" Der Teufel sprang nun über das Feuer hinweg u. Hess einen Wind hinein ; sogleich begann grosser Rauch zu werden ; seither beweint man stets seine Mutter, besonders wenn das Brennholz nass ist*4 (aus Szeged-Gajgonya).-

Bei der Schöpfung des Weibes läuft nach Berichten aus xMagyar- Szent-Mihäly ein grosser, weisser Hund mit Adams Rippe davon.* In Magyar-Szent-Märton erzählt die Ueberlieferung : „Als Gott den Menschen erschaffen hatte, nahm er ihm eine Rippe heraus, aus der er die Eva formte ; aber als er die Rippe (auf die Erde) nieder- legte, stahl dieselbe die Katze; Gott haschte nach ihr, riss den Schweif der Katze ab, daraus schuf er die Eva ; deshalb ist das Weib so aufpassend und unbeständig*4.

2. Vom Sündenfiall.

Eine Sage aus Magyar-Szent-Mihäly erzählt: „Als der alte Gott das Paradies anpflanzte, war auch Lucifer dabei ; Gott gab ihm die Samen, damit er sie aussäe. Lucifer säte jeden Samen aus, nur den Samen der verbotenen Frucht säte er nicht aus : den steckte er sich

' S. ebenda II. Bd. S. 8 oben.

-' Andere Werke der Verschlechterung s. in dieser Zeit sehr. II. S. 5*. J S. ebenda S. 6.

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unter die Zunge. Gott hatte dem L. aufgetragen, wohin er die (einzelnen) Samen setzen «olle; an jedem Orte war ein Samen, nur an einem Orte fehlte er. »Wo ist von hier der Same?" fragte Gott. .Er ist da, mein Herr und Schöpfer!" „Er ist nicht da! Streck' deine Zunge heraus!" Er streckte sie heraus und da war der Same. „Steck' ihn in die Erde!" (sprach Gott). L. steckte den Samen in die Erde, er keimte, aber er wuchs nicht. „Herr, mein Schöpfer, er wächst nicht; segne ihn, dann wächst er!4" (sprach L.) Gott segnete ihn dann, es wuchs auch der Baum, aber er (Gott) sagte dem Adam, dass er von dessen Früchten nicht essen dürfe. I.. aber sprach so lange, sagte so lange: „Esset davon!" bis sie assen. da trien (Gott) den Adam aus dem Paradiese.

Einen EinfUiss des Islam finden wir in der Ueberlieferung aus Magyar-Szent-Märton: „Als Gott den Menschen erschuf, kam auch der Teufel hinzu, sah zu, wie Gott es beim Schaffen anstelle, damit er bald es auch so mache : er fieng auch an, machte bereits die Form aus Lehm, damit er (also einen) erschaffe, aber er konnte ihm eine Seele nicht erschaffen. Gott sprach, dass er ihn auf die Füsse stellen solle : aber wie er sie immer stellte, seine Form fiel immer um ; was sollte er machen ? als Gott einmal anderswohin hinblickte, so lehnte er (seine Form) an den Zaun, aber wer hat den Zaun geflochten?" 1

An gnostische Lehren erinnernde Züge enthalt folgende Ueber- lieferung aus Magyar-Szent-Märton: „Als die stolzen Engel sagten, dass sie mehr können, als Gott der Vater, denn sie können auch so einen Menschen formen, wie er einen aus Sand und Lehm geformt hat, da sagte Gott, sie mögen ihn denn lebendig machen ! Sie sprachen, sie könnten das nicht tun. Da hauchte Gott hin, sprach : .Steh' auf, verfolge deine Schöpfer!" Da warf sie Elias so lange hinab, bis Gott nicht sagte: ..Amen!" Wo einen jeden das Amen antraf, dort blieb er und wird von Elias mit Blitzen beschleudert, manchmal aber trifft er auch einen andern (einen Menschen), denn der böse Engel zieht sich (oft) hinter den guten Menschen zurück".2

In einer Variante der Bukowiner Magyaren wirft auch der hl. Elias die bösen Engel herab. Eine Ueberlieferung aus Magyar- Szent-Mihäly lautet: „Als Gott den Elias erschaffen hatte, sprach Lueifer zum Erzengel Set. Michael: „Wohin ist Gott-Vater gegangen? Wir sind schon genug vorhanden, wozu (noch) dies Menschen- geschlecht?" Ein Wort gab das andere, einen grossen Streit begann Lueifer. Da stieg der Erzengel Set. Michael Gott-Vater nach herab : .Mein Herr, mein Schöpfer, Lueifer hat einen grossen Streit gegen die Engel begonnen!" Da kam Gott, da kam auch der Prophete Elias hinauf zum Streit. Sprach Gott : „So lange fallet, bis ich mein Amen sage!" Elias warf sie sofort hinab. Als Gott sein Amen aussprach, da blieb jetler dort, wo ihn das Amen antraf. Als da Jesus in die

1 S. eb. S. 10. " S. eb. S. 140.

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Hölle stieg, sprach ein Engel zum Propheten Elias: „Was suchst du hier mit Leib und Seele, hier ist kein Platz für dich?" Sprach der Prophete Elias: „Bis zum jüngsten Gericht werde ich in diesem Zustande hier bleiben.* Dann muss er auch herabkommen, dann muss er auch sterben. "

Eine Heldensage der Süd-Ostjaken.

Mitgeteilt von Dr. Karl Päpal.

Während wir aus dem Schatze wogulischer Volksüberlieferung namhafte und zahlreiche Aufzeichnungen von Bernhard Munkdcsi besitzen,1 so haben wir aus der Volkspoesie der an Zahl und Aus- breitung bedeutenderen Ostjaken bislang kaum eine nennenswerte litterarische Mitteilung. Neben seinen handschriftlichen Aufzeichnun- gen wogulischer Volksdichtungen bewahrt die ungarische Akademie der Wissenschaften von Reguly auch das Manuscript einiger ost- jakischer Heldenlieder und zwar in der Originalsprache, aber bislang haben dieselben noch keinen Erklärer gefunden. Nach Reguly hat sich Ahlquist mit der Sprache der Nord-Ostjaken befasst und in seiner „Chresthomatie" einige ostjakische volkspoetische Texte und zwar so gehaltlose Märchen und Lieder veröffentlicht, dass wir daraus nicht einmal eine Ahnung von der reichen Sagen- und Heldendichtung der Ostjaken gewinnen. In neuerer Zeit hat der russische Forscher S. Patkanov drei Heldenlieder und zwei Sagen der Ostjaken am Irtis-Fluss in ostjakischer Sprache und 15 kurze Märchen in russischer Ueberzetzung mitgeteilt.2 Ein anderer russischer Reisende, Herr Adrijanov aus Tomsk hat vor mir die vas-juganer Ostjaken besucht und wie er mir mündlich mitteilte, mehrere ost- jakische Volksdichtungen aufgezeichnet. Ob er dieselben im Druck veröffentlicht hat, weiss ich nicht.

Ich selbst habe während meiner Studienreise in Sibirien mehrere ostjakische und ostjakisch-samojedische Heldenmären, Sagen und Märchen nach in russischer Sprache gehaltener Mitteilung auf- gezeichnet, — zu dem Zwecke blos, um mich mit der Volksseele näher bekannt zu machen und die Aufmerksamkeit der Volksforscher, besonders meines Freundes Munkdcsi, der sich nach Beendigung seiner wogulischen Studien auch hiemit befassen wollte, auf dies sozusagen unbekannte Gebiet hinzulenken. Meine Sammlung umfasst ungefähr Druckbogen und mag besonders für den vergleichenden Folklore von Wert sein.

1 Aus Munkdctfs wogulischer Sammlung ist bislang im Verlag der nngar. Akademie der Wissenschaft, vom I. III. Bande je ein Heft erschienen, wogulische Originaltexte nebst magyarischer Uebersetzung enthaltend. Herrmann hat im 11. Band dieser Zeitschrift mehrere Stücke in deutscher Uebersetzung veröffentlicht.

8 S. Patkanov, Tip. ostjackav bogatyrja (Typus ostj. Heldenlieder). Petersburg 1891. 71 S. (Sonderabdruck aus ..Zivoi Starina" III. -IV. Band).

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Im Folgenden will ich eine Heldensage der Süd-Ostjaken mitteilen, die ich in der Jurte Kalümskij (Kalem-puchel) am Ob oberhalb Surgut nach der Mitteilung des als Liederkenner ** berühmten Vasüij Öerdakov genau aufgezeichnet habe. In ihrer gegenwärtigen Gestalt ist die Sage sehr zusammengezogen, bruchstückartig: trotzdem bildet sie ein zusammengehöriges Ganze. In mythologische Aus- einandersetzungen mich hier einzulassen, habe ich nicht die Absicht, und will hier nur einige Bemerkungen über die in der Sage auf- tretenden Gestalten mir erlauben.

Der Held der Sage ist Üljunky was Unter-Götzchen ** bedeutet; junk im nordostjakischen tonx = Götze, Götzenbild (Ahlquht), im irtiser ostj. tonx = 1. Tschude. 2. Götterbild (Castr6n)\ im ostj. oberhalb Surgut und im vasjuganisch-ostj. bedeutet junk in den Heldenliedern auch „Götzchen", daneben aber bezeichnet es auch die aus Holz udgl. geformten Götzenbilder. Die Zahl der junk wäre sehr gross, wenn sie sich nicht wie es in den Sagen heisst gegenseitig vernichtet hätten.

Ül-junk's Aufenthaltsort wird unter die Erde verlegt, weshalb wir das in seinem Namen vorkommende «Unter*4 wohl für „Unterirdisch*1 nehmen können. Seine Farbe ist schwarz, und schwarze Tücher oder Kleider werden ihm geopfert. Seinen einstigen Wohnort versetzt man auf den bei , Samarova, an der Mündung des Irtis gelegenen hohen Berg" (il-junge-vac) „wohin kein Schiff hinfahrt und woher kein Rauch sich erhebt". Im Dörfchen Salagaei, am Vas-jugan-Fluss gelegen, sah ich eine kleine aus Holz geschnitzte Menschengestalt, deren Besitzer sie für das Bildnis des VI- junk ausgab.

Noch zwei Gestalten treten in der mitgeteilten Sage auf; die eine ist Jak-kolte-junk's Sohn, die andere Terön-junk.

Jak-kolte-junk bedeutet : Volk - sterbenmachendes - Götzchen" (jax-Volk). Der Erklärung meines Gewährsmannes gemäss ist das der Teufel, der den Tod der Menschen verursacht. Ob diese Gestalt mit der des Jay-vtnt-junk („ Volk-nehmendes [vernichtendesj-Götzchen") gleich ist, weiss ich nicht. Von Letzterem hörte ich, dass er in der Erde wohne und man ihm schwarze Tücher und Kleider opfere. Die Bedeutung des im Namen Teren-junk vorkommenden teren können heute selbst die Ostjaken nicht mehr geben. Patkanoo glaubt, dass es Feuer bedeute.1 Diese Deutung bestätigen auch meine Erhebungen, denen gemäss Teren-junk's Farbe rot ist und Gegenstände von roter Farbe werden ihm geopfert; und von einem vas-juganer Ostjaken hörte ich, dass sein Haus deshalb abgebrannt sei, weil er dem Teren-junk kein Opfer dargebracht habe. Auch wird ein Unterschied zwischen Möghe-teren-junk (mögh = Erde) und Num-teren-junk (num = oberer) gemacht; letzterer verursacht mehr das Glück, ersterer das Unglück des Menschen. Nach süd-ostjakischer Auffassung hat die Erde sieben Schichten, in deren Mitte wir leben, während in den

1 a. a. 0. S. 9.

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unter uns befindlichen Schichten die Teufel hausen, die unser Unheil verursachen.

In unserer Sage wird auch ein grosses Feuermeer erwähnt, über das ich nur soviel erfahren konnte, dass sich dasselbe dort befinde, wohin alle fliessenden Gewässer hintliessen. und welches \ Feuermeer bewirkt, dass sich die Gewässer auf Erden nicht noch mehr ausbreiten können.

Üljunk.

Üljunk war mich klein, er lag in der Wiege und dachte hei sich, dass er allein sei. Ein Mütterchen schaukelte ihn. Da auf einmal von der Strasse her ward Lärm vernehmbar : hin und her geht man. «Was für ein Volk geht da draussen herum?" fragte Cljunk. „Kleine Kinder spielen," versetzte das Mütterchen, das sich nicht getraute ihn» zu sagen, er möge nicht hinausgehen ; denn es wusste, dass aus ihm ein Held wird.

Indessen fängt das Volk dort draussen Wild und Fische. Cljunk spricht: „Lass mich hinausgehen, lass mich sie ansehen!" Er geht hinaus und sieht, dass dort kleine Kinder mit verschiedenen Tiereu spielen, die nur von erwachsenen Menschen erlegt werden. Er sieht, dass ihm gegenüber hohes Ufer sich befindet, und wie er in des Flusses Richtung auf und ab blickt, eine grosse, unübersehbare s Stadt breitet sich vor ihm aus. Auch er bekommt Lust zum Fisch- fang und auch zur Jagd, aber er hat nicht die dazu nötigen Geräte. Er geht hinein ins Haus und spricht: ...Mütterchen, das städtische Volk fängt allerlei Fische und Wild, so müssig vermag ich nicht fortzuleben!'' Wieder geht er hinaus auf die Strasse, betet zum Gott, Tannenfackel bringt er ihm dar, dann legt er den Panzer an und ohne Bogen macht er sich auf der» Weg.

Da war es schon Nacht. Vljunk geht hinab zum Wasser, setzt sich in einen grossen Kahn, stösst ihn hinaus aufs Wasser und fahrt ab. Deshalb gieng er, damit er die Schnappfallen besichtige, ob er nicht etwa aus denselben Birkenhühner stehlen köunte. Wie er nun die Schnappfallen besichtigt, sieht er. dass in jeder sich ein Birkhuhn befindet ; eines von diesen nahm er mit sich. Dann gieng i er zurück zu seinem Kahne, zog denselben aufs Ufer und machte dich zu Fuss auf den Weg. Wie er so lange oder kurze Zeit gieng, da erhob sich nächtlicher Sturmwind, so dass er vor sich gar nichts sah ; aber er schritt dennoch vorwärts. Er gelangte an eine mit Rottannen bewachsene Stelle, aber auch da gefiel es ihm nicht, und er bedachte bei sich, wie besser es wäre, jetzt daheim zu sein. Dämmerung brach an und er gelangte zuerst an ein bäum- bewachsenes, bald aber an ein baumloses Moor. Auf einmal nur begann er sich aufwärts zu erheben, er stieg ineinemfort höher über die Erde empor, und wie er sich so erhob, gelangte er bis zum Himmel . . . Dort oben traf er eine grosse Stadt an. Er kam an eine waldige Stelle, woher er auf Flügeln in die Stadt sich schwang.

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So

Wie er dort auf seine Kleider blickt, sieht er. dass dieselben ganz aus Binsenmatten (gemacht) sind.

In der Stadt war allerlei Volk versammelt, denn um die Tochter des dortigen Fürsten war man gekommen zu werben. Vljunk fragt: „Was für ein Volk ist dies?* „Man ist um des Fürsten Tochter gekommen," antwortet der eine, „ein Fürst ist gekommen, dem gibt man die Maid: komm' auch du mit uns." „Wie sollte ich gehen ! da ich ein Bettler bin?" „Wir bekommen wenigstens etwas zu essen!" Hierauf brachen sie auf und gelangten zum Hause des Fürsten. Dort tanzten einige, andere spielten und tranken Branntwein. Hervor- kam der Bruder der Braut, der so stark war, dass man mit ihm nicht auskommen konnte, und sie begannen mit ihm Branntwein zu trinken. Ein Mensch von den sich Unterhaltenden spricht: „Ihr trinkt nur selbst; diesem Armen da, warum gebt ihr nicht auch?** Der Bruder der Braut antwortet hierauf: „Einem solchen da warum sollten wir denn geben !" Sie begannen zu tanzen und langsam sanken sie alle vom Getränk zu Boden, die Jünglinge sowohl, als auch die Helden. Nur unsere beiden Leute blieben nüchtern, ihnen konnte der Branntwein nichts anhaben.

Wie sie also lange oder kurze Zeit dort verweilten, blieb l'ljnnk allein. Er gieng auf die südliche Seite des Hauses; dort fand er die Braut: er ergriff sie und steckte sie wie einen Handschuh in seine Tasche. Er selbst verwandelte sich dann in irgend eine Schlange, kroch in die Erde hinein und gieng fort. Er gelangte zum Ob und kroch am Rande desselben aus der Erde hervor. Lange, oder kurze Zeit war er dort, auf einmal nur stand er auf (und nahm seine menschliche Gestalt an).

Inzwischen erhob sich in der Stadt auf einmal ein solcher Lärm, dass es grässlich war: sie haben die Braut verloren. Einige sagten, dass man die Braut gestohlen habe. Auf denn, suchen wir sie ! Der Bräutigam machte sich denn auf die Suche ; in seinen Kahn stellte er auch einen Mast ein, damit der Wind seine Fahrt beschleunige. Lange oder kurze Zeit fuhren sie, da auf einmal nur begann der Himmel zu donnern und ein solcher Regen entstand, als ob man ihn aus Eimern giessen würde. Der Blitz fuhr herab, zertrümmerte alles und das Volk ertrank im Wasser.

Vljunk ging inzwischen an das Ufer des Wassers, wo er eine Stadt erblickte. Da verwandelte er sich wieder in irgend ein Tier, gieng an des Meeres Küste und gelangte in eine Stadt. Dort gieng eine Maid um Wasser zu holen zum Fluss und fand ihn. „Welch ein schönes Tier ist dies!" dachte bei sich die Maid; dann ergriff sie ihn und hob ihn ans Ufer. Als sie ihn ins Haus hineintrug, begannen sie dort zu fragen: „Was kann dies wohl sein?"

Vljunk steckte auch die wasserholende Maid in seine Tasche ; diese dachte er seinem Bruder als Frau zu. Dann gieng er aus zu jagen, und erlegte ein Elentier. Er zog dem Elentiere das Fell ab, aus dem Fleische kochte er einen Kessel voll, er ass auch das Herz : dann gieng er weiter. Wie er so geht, hört er Lärm und

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zurückblickend sieht er, dass zahlreiches Volk ihm nachfolgt, t* geht aber weiter und denkt bei sich : Diese wollen mich töten, er so hinblickt, sieht er, dass das Volk, dessen Kahn zertrümmert ward, ihm nachfolgt, damit es mit ihm kämpfe. Hierauf betete e- zum Gott: Gib mir Kraft ! Wie er so dastand, auf einmal nur hört er eine grosse, hellklingende Schelle und ein Hund, mit goldenem Vlie-«?. kommt zu ihm, am Halse mit einem eisernen Seil. Uljunk <tutzV und suchte, den Hund zu fangen. Nachdem er ihn denn jrefanjreij hatte, sah er auf dessen Rücken die Schrift: Gott habe ihm gestattet, dass der Hund sein Gefährte werde. Da verwandelten sich auf einma. auch alle seine Kleider: goldene Kleider erhielt er. die von allen Seiten wie Feuer glänzten. Er gürtete sich den Gürtel um und jfieng weiter.

Lange oder kurze Zeit gieng er : er gelangte ans Meer, u «# grosses Feuer brennt. Das Heer folgte ihm einfach auch dahin na. h. Der Bräutigam, dessen Braut er fortgetragen hatte, ruft ihm zu: „Du hast meine Braut fortgetragen, aber ich habe dich ja schon gefunden ; ich werde dir schon deinen Panzer abnehmen!" Hierauf begannen sie zu kämpfen. Als sie den Kampf begannen. Heng Vljunk'* Hund an das feindliche Heer in die Füsse zu beissen und erwürgte vierzig Mann desselben. „Wie? du kämpfst also mit einem Hunde gegen uns? Das ist deiner nicht würdig! So wie wir kämpfen, also

niederzustrecken. Binde deinen Hund an. und kämpfe so wie wir." rufen sie ihm zu: worauf er den Hund bei dem am Halse desselben befindlichen eisernen Seil an eine Steinsäule anband. Da begann der Kampf von neuem.

Lange oder kurze Zeit kämpften sie also, da auf einmal befreite sich der Hund und begann von neuem das Heer in die Füsm» zu beissen. Wieder rufen sie: .Binde deinen Hund an, wozu bei*-t er uns denn! Wer hat's gehört, dass Menschen mit Hunden kämpfen?" „Mein Schwert ist gebrochen, was kann ich damit machen? Gott hat mir einen Hund verliehen," sagt Cljunk, und seinen Hund wieder anbindend, kämpfte er mit seiner Lanze weiter.

Auf einmal nur kam Jak-koUe-junk's Sohn auf einem schwarzen Bosse zu ihm (dies ist der Sohn desjenigen Teufels, der den Tod der Menschen bewirkt). -Ich bin zu dir gekommen," ruft er ihm zu. -der du, seitdem du auf die Welt gekommen bist, so viele Menschen durch deinen Hund getötet hast. Ich werde dir nun die Haut vom Schädel herabschinden ; mir kannst du mit deinem Hunde nicht« anhaben!'' Sie begannen zu kämpfen und gelangten (kämpfend) dahin, wo das grosse Feuer brennt. „Du tötest schon wieder -o viele Menschen mit deinem Hunde!" „Nicht mein ist dieser Hund; Gott schickte ihn (mir)." „Bind' ihn also an!" Kr band den Hund aufs neue an und sie kämpften weiter.

Cljunk'* Kleider brennen wie das Feuer. Herausgeschlagen aus seiner Hand hatte man sein Schwert und seine Lanze, so das* diese eine Klafter weit vom grossen Feuer zu Boden fiel. Da nef

kämpf auch du!" Hierauf

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er seinem Hunde und dieser reisst sich wieder los, stürzt sich auf das Heer und würgt es. Neues Heer langt an und der Hund beisst ineinemfort die Menschen, während er selbst wie das Feuer brennt. Zuerst tötete er vierzig Menschen, dann sechzig. Er machte dem ganzen Volke den Garaus, nur Jak-kolte-junk's Sohn und Teren-junk blieben am Leben.

Ihrer drei waren sie nur. Üljunk band aufs neue seinen Hund an, denn er selbst begann sich nun vor ihm zu fürchten: golden war dessen Vliess, seine Augen, sein Seil. „Wir waren auch in der jenseitigen Welt." sprachen sie zu Üljunk, „aber wir fanden nie- manden, der geriebener als du gewesen wäre. Schliessen wir Frieden, denn sonst gehen wir alle zugrunde und dann nimmt die Sage von uns ein Ende. Auch in der jenseitigen Welt gibt es keinen Grösseren als du bist; Üljunk, dir bringen wir ein Opfer dar." Der Gott hatte die Botschaft gesandt, dass sie Frieden schliessen sollten, nachdem 1700 Menschen zugrunde gegangen waren : viele waren im Kampfe umgekommen, viele im Wasser ertrunken.

Alle drei giengen sie von dannen, lasen des Gottes Botschaft, tranken Branntwein und versöhnten sich. Jak-kulte-junk's Sohn setzte sich aufs Ross, auf sein braunes Ross, und wie er denn weiterzog, folgte Feuer und Rauch seiner Spur. Auch Teren-junk zog auf braunem Rosse, das wie Feuer brannte, ab in sein Gebiet.

Da besah sich Üljunk und bemerkte, dass seine ganze Kleidung aus glänzendem Golde bestehe. „Gott hat mir geholfen," dachte er bei sich (denn früher war er arm gewesen). Er beugte sich Gott (dem Himmel) zu, dann beugte er sich nach allen Seiten hin. Wie er auf seinen Hund blickt, so sieht er, dass demselben Flügel gewachsen sind und dass derselbe in einen glänzenden Goldschlitten eingespannt ist. Seine Frau nahm er aus seiner Tasche heraus und stellte sie auf einen Tisch, worauf auch diese solche Kleider bekam, wie er anhatte. Dann spricht er zum Hunde: „Mein Hund, lass uns in unsere Gegend ziehen!" Er setzte sich in den Schlitten und fuhr davon. Des Hundes Vliess und Zähne brannten wie das Feuer ; er gieng aufwärts und ward wie ein Stern ; er brannte, wie das Feuer.

Wie also lange oder kurze Zeit Üljunk fuhr, erreichte er seine eigene Gegend. Hinter ihm kam so zahlreiches Volk einher, dass es schrecklich war. Es waren die Verwandten der in seiner Tasche befindlichen Frau, die ihm nachfolgten und ihn einholten.

Wie er nun lange oder kurze Zeit fuhr, erhob er sich auf einmal aufwärts. Wie er also einherfuhr, belud er sich immer mehr, wurde immer reicher, und sein Hund ward immer grösser. Glänzendes Feuer brennt; und sichtbar wird der Irtis und der weisse Ob. Seine Stadt war so gross geworden, dass man ihre Grenzen nicht über- sehen konnte. Während er bei seiner Geburt arm gewesen, und als er aus seiner Stadt fortgieng, daselbst nur 1500 Menschen waren, hat er jetzt dort 3000.

Üljunk begann in seiner Stadt zu leben. Sein Volk spricht zu ihm: „Während du, Üljunk, fort warst, haben wir inzwischen auch

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mehr Fische und mehr Wild gefangen. ~ Das Haus seiner Eltern gefiel ihm nicht mehr. Seine Frau spricht zu ihm: -So gross ist deine Stadt, deine Wohnung aber so elend." Da nahm die Frau irgend etwas von der Wand herab und blies das nach aufwärt*. Lange oder kurze Zeit gieng dies aufwärts, da auf einmal konnte man sehen, dass ein Haus herankommt, ein so grosses. wie ein Hügel, und nicderlässt es sieh in die Mitte der Stadt. Das Hau.-, welches der Gott geschickt hatte, hesass zwei Stockwerke und allerlei Tiere: Hären, Füchse, Wildgänse waren darauf gemalt. Heide verbeugten sich, beteten zum Gott und gierigen hinein ins Hiius.

Im Hause landen sie Fische und mit Speisen gefüllte Schüsseln. Sie setzten sich neben einander. \Yrar dort allerlei Branntwein ; und sie schmausten nun. Alle die HOHO Menschen versammelten sich und riefen: „Seitdem du. unser Herr, fortgiengst. begann unsere Stadt zuzunehmen, zahlreiches Volk wuchs heran und es stirbt auch nioht.- Sie setzten sich im Kreise um den Tisch herum und begannen zu essen. Weisse Silberschüsseln, Feuer- und Goldlichter waren dort. Ganz im Glänze war alles. Sie beteten zum Gott, küssten einander, dann sprach l^ljunk also: „Was nur Volk auf der Welt ist. soll anerkennen, dass meine Kraft die grösste ist. Alle sollen an den Gott glauben und nicht, an den Teufel!"

Märchen der Siebenbürger Armenier.

I. Gove.

Zargile uzem gienach£s vienhi sehate gase hokevark hajre ergu ortun. Im edevanc miajn tuk gimenak. In« polor gienaches nie hargivoruthiamp khaghilim, cezi githoghum. Abrechek miamid. bantard u meg degh ; <'hi päinevik mcgA inegalen, zeram pa nevadz garogh chi bi ellak miedz arudur anelu : in ''hu meg£ inda* vastege, na megal£ ankhove bikene. Ez eiere mi thoghuk. ezozgaine mi gamenak. Ganueh elechek: arache zäm kenacek badarak leselu. anor edevanc pacecek chanut. Theor meg ore dase gro* vastegik. na miajn uthe ehardsechek. .lerp «okodol erthak, darechek cier hed ezpatere u amare ham bunda. Dsamphove hed odar martikac mi paregemvik: chanchaz mart ella, um timac ez-serdieröd pauak. Sirechek ez-Astvadz, pernechek ezirjen badvirankniere, eghechek voghormadzasird ; bahechek ez im anune u hisadag^, u Deni mier, um timace himbig g'ertham. na bi orthne ezeiez . . .

Dsorov thaghilin ezrneradze, miedz achpare rnorchevile voghor- madzhoki bore « hoskerun verajen, u varile danen ezbizdige ; chi duvi iren jkhmal. miajn meg govme. Khic iamangi vera zan al jed uzile. Chi duvi. na tadestAnov arile. Himbig aghkhad achpare aphA g'arnu ezn^eharhe u dsampha g'elle. Giertha «ad u khi«\ Giganni u

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meg dzari dag gihankii. Guka ergu akrav u nujn dzarine ginestin. Gigechin zurucelu.

Inc nor pan ga cier ergire?

Kone gi mernin martike dzarvun.

Hiest b'ellar adore acoghelu. Theor bazar£ meg phes me phorein u meg davor martme zan polorer, na bol cur bi el'er.

U cier mod chika ikhmal nor pan?

Thakavor£ zor hivant e, u öhide mart al zinkhe lavchönelu.

Ga harnin siemin dage meg kordmä, theor anor jeghove khesein zinkhe, na bi lavnar.

Aghkhade, ov dzarin dagen amen chosk agheg lesile, alindan g'ertha. Gihasni ajn khaghakhe, ur ceri bagsuthiun unachilin. G'ane meg eisvor me, vorin med ancha cur khaghvile, or tus al vothile. Entunadz thang baschesove g ertha majrakhaghakhe, ur thakavore penagile. Gilavchenu zinkhe. Ancha kandz g'udan iren, or dsorov gßüa dun danelu. 9

Dune miedz achpare leselov, the inc hedzemadz ban perile ajc g arnu zinkhe.

Uch is kendevi zad sad mal u kandze?

G'ase. Anore inkhen al dsampha g'elle Sagheäelov, the inkhen al ajnbes bi khale. Giganni dzarin dage inkhen al ; pajc khiö iamangi vera kogher g'ukan u gisbannin zinkhe.

Ov ezozgajine g'arnu, Na zirjenön al gigorsenu.

Die Kuh.

Meines Lebens letzte Stunde hat schon geschlagen, sprach der sterbende Vater zu seinen beiden Söhnen ; nur ihr bleibt nach mir. Was ich in meinem ganzen Leben mit Redlichkeit gesammelt habe, lasse ich euch zurück. Lebet einträchtig, ruhig und an einem Orte, trennet euch nicht von einander, denn getrennt von einander werdet ihr nicht im Stande sein den Handel in Grossem zu betreiben ; während der eine hier gewinnt, kauft dort jener ein. Das Eurige lasset nicht, das des anderen begehret nicht. Stehet zeitig auf ; geht vorerst in die Kirche, die Messe zu hören und nur dann öffnet eueren Laden. Wenn ihr an einem Tage zehn Groschen gewonnen habt, so ver- ausgabt davon nur acht. Wenn ihr auf den Jahrmarkt fahret, nehmt mit euch den Rosenkranz und im Sommer auch den Pelz. Auf dem Wege befreundet euch nicht mit fremden Leuten ; ein seltener Mann sei es, dem ihr euere Herzen öffnet. Liebet Gott, haltet seine Gebote ; seid barmherzig ; bewahret meinen Namen und mein Andenken . . . und unser Herr, dem ich entgegengehe, wird euch segnen . . .

Kaum hatte man den Toten beerdigt, und der ältere Bruder vergass schon des seligen Vaters Worte : er vertrieb den jüngeren Bruder vom Hause ; er gab ihm nichts anderes, ausser einer Kuh. Aber nach kurzer Zeit verlangte er auch diese zurück. Dieser gab

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sie nicht her, deshalb nahm sie jener auf gerichtlichem Wege zurück. Nun machte sich der arme Bruder auf den Weg und zog in die Welt hinaus und er gierig und gieng. Er bleibt unter einem grossen Baum stehen und rastete. Kamen herbei zwei Raben und setzten sich auf denselben. Sie begannen mit einander zu reden.

Was neues gibt es in euerer Gegend?

Vor Durst sterben beinahe alle Menschen.

Da könnte man leicht helfen. Wenn sie auf dem Markt- platz eine Grube grüben und dieselbe ein Reiter umkreisete, so würd«* Wasser reichlich hervorsprudeln.

l ud bei euch gibt es nichts neues?

Der König ist schwer krank und niemand kann ihn heilen, l'iiter der Schwelle seines Stalles ist ein Frosch, wenn

man ihn mit dieses Frosches Fett einriebe, so würde er gesunden.

Der Arme, der unter dem Baume her jedes Wort gehört hatte, geht weiter. Ei" gelangt in die Stadt, wo man an Wasser Not litt. Er macht einen Brunnen, in dem sich so viel Wasser sammelte, dass es iibertloss. Mit den erhaltenen kostbaren Geschenken geht er in die Hauptstadt, wo der König wohnte. Er heilte ihn. Dafür gibt man ihm so viel Schätze, dass er sie kaum nach Hause tragen kann.

Als sein Bruder daheim hörte, wie unendlich viel Geld er gebracht besucht er ihn.

Wo hast du diese vielen Schätze bekommen?

Er sagt es ihm. Hierauf macht er sich auch auf den Weg ; denn er glaubte, dass es ihm auch so gehen werde. Er bleibt unter demselben Baume stehen; aber nach kurzer Zeit kommen Räuber und töten ihn.

Wer wegnimmt eines andern Gut. Das eigne auch verlieren tut.

(Vgl. Hecht und Furecht. Ethnol. Mitteil, aus 1/ngarn II. Jahrg. 38. u. 150.)

II. Gachine.

Hcdcvag g'etha haje sokodol, barab cerokh, haje elinkhe kondsugov. Dsamphan uzem moriin mec. gidani, jerph timace. g'ele meg characht'hi nie, um cere miedz gachin gab. Haje, ansarä e; ou gimodigna, g'arnu moden ezbnnc u guze heranaiu. Poje nie paregam. gase haje. Theor jes aranc bau ertham dun, na adsap im h base geniges? Kide the karta «him chagha, oe «hurug deghrankh chirn khali : zun al kide, the suduruv ch'im ; paje theor zan asiiu jes iren. the mart arile mode> ezbanes, na «Iii bihavada. Asor seb«1 dur ikhme ni-an. Dada hos e si butuke, veran gitenim ezmade*. gedre /.an var: ajs bela ni>anc.

Ghara'hin giverehenu czgachinc. haje angardzagi gikha^e eznuule : gachine hntiikiu mec gimednu. Himbig haje vezen gichek' ezcharachehin. kedine gizarne zinkhe. jed ganiu moden ezbane, tu« gikha*e butuken ezgachine. cere garnu zan u alisdan g'etha . . .

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Hl

Das Beil.

Zu Fuss geht der Armenier auf den Jahrmarkt, mit leerer Hand, aber voller Tasche. Sein Weg führt ihn nun in den Wald, als ihm ein Räuber entgegentritt, der in der Hand ein grosses Beil hat. Der Armenier ist unbeweglich; aber der Räuber nähert sich ihm, nimmt ihm das Geld ab und will sich entfernen. Warte nur, mein Freund, sagt der Armenier, wenn ich ohne Geld nach Hause gehe, was wird dazu meine Frau sagen? Sie weiss, dass ich nicht Karten spiele, noch an verrufene Orte gehe; auch das weiss sie, dass ich nicht verlogen bin; aber wenn ich ihr sagen werde, dass mir jemand das Geld abgenommen hat, wird sie mir's nicht glauben. Deshalb mach mir irgend ein Zeichen. Sieh, da ist ein Baum Strunk, ich lege meinen Finger darauf, schlag' ihn ab : das wird das Zeichen sein.

Der Räuber hebt sein Beil, worauf der Armenier seinen Finger plötzlich wegzieht ; das Beil dringt in den Baumstrunk ein. Nun packt der Armenier den Räuber an der Kehle, wirft ihn zu Boden, nimmt von ihm sein Geld zurück, zieht aus dem Baumstrunk das Beil heraus, nimmt es in die Hand und geht weiter . . .

Sznmosujvär. Mitgeteilt von Kristof Szongott.

(Zur Vergleichung Hesse sich das Fingereinzwängen im Thema vom Meisterdieb heranziehen.)

Der palaeolithische Fund aus Miskolcz und die Frage des diluvischen Menschen in Ungarn.

Von Prof. Dr. Aurel v. Török, Director des anthropologischen Museums zu

Budapest.

II.

Aus den Ergebnissen dieser Messungen ist die Ähnlichkeit und Verschiedenheit dieser 6 Silexinstrumente ohne Weiteres zu ersehen. Die grösste Ähnlichkeit ist demzufolge zwischen Miskolcz Nr. 1 und St. Ächeul Nr. 7001 vorhanden, da ihre Indices nur um 0*91 ver- schieden sind; ferner ersehen wir aus den Indices, dass die Form der drei Miskolczer Äxte im Verhältnis breiter wird wie 48'08 : 56 25 : 73'59 oder wie 1:117: 153.

3. Da der Autor die bedeutende Grösse der zwei ersten Mis- kolczer Äxte hervorhebt, so will ich behufs der Vergleichung die mir bekannten prössten Exemplare vom Chelles'schen Typus hier in einer Tabelle in abnehmender Reihenfolge zusammenstellen :

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Steinäxte vom Chelles'schen Typus

i

2 1

8 4

5

6 7

8 9

10 1 11

I

12 13

14 15

t

17 18

19

I,

Shrub hill (hngl.) Samml. Christy

Beauvais (Dep. Oise) Samml. Caix de

St. Aymour

Acton (England)

Mautord (Musee de St.-Germain

Nr. 18,915)

Saint Aeheul (Collection de Caix de

St. Aymour)

Thennes (Somme, Collection d'Acy) . . .

Saint Achetd (Collection d'Acy)

Vaudrirourt (Pas de Calais, Collection

de Beaulaincourt) die Silex-Spitze

abgebrochen

Miskolcz Nr. 1 (Sammlung des Herrn

Otto Herman, Budapest)

St. Acheul (Collection d'Acy)

Salisbury (Mus. Blackraore, Engl.).... Thuison-Menchecourt (M. de St. Germain

Nr. 18,891)

•SV. Acheul (Mus. de St. Germain, Nr.

11,908)

Montquillain (Oiset M. de St. Germain

Nr. 22.GI6

Redhill Thet/ord (Engl.) Sammlung des

Herrn Evans

Abberille (Somme) Musee de St. Ger- maine, Nr. 18,916

Porte- Mercadt (Somme) Musee de St.

Germaine, Nr. 18,890

St.-Acheul (Somme) Collection d'Acy . Hendignenl (Pas de Calais) Musee de

St.-Germaine, Nr. 23,488

Miskolcz Nr. 2 (Sammlung des Herrn

Woltgang Szell, Debreczen)

Länge

Breite Gewicht

mm.

mm.

Kilogr.

300

130

nicht bestimmt

288 280

146

1-966

265

130

1-640

258 247 246

155 122 114

2 040 l 1-778 1-430

245

108

238 236 230

110 91

| 110

nicht bestimmt 1-005

1 -

222

92

i

1155

219

94

0-870

218

132

0-945

210

i

205

92

0-885

204 201

102 131

1005 1-270

199

93

0-915

» ;

Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich, dass die Miskolczer Steinaxt Nr. 1 der Grösse nach den 8-ten, die Miskolczer Steinaxt Nr. 2 aber erst den 19-ten Platz einnimmt. Schade, dass Herr Otto Herman weder von der einen noch von der anderen Steinaxt das Gewicht bestimmt hat.

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4. Ein wichtiges und einer weiteren Untersuchung bedürftiges Moment bildet hier der auch vom Autor hervorgehobene Mangel einer Patina, sowie der anderen vom Autor nicht erwähnten Auten- ticitäts-Charaktere (caracteres d'authenticite) derartiger Artefacte, was umso auffallender ist, da es sich hier um diluvial sein sollende Artefacte handelt. Die Frage nach derlei Autenticitäts-Oharakteren spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Untersuchung von prähi- storischen Funden, und zwar nicht nur wegen Fälschungen, (welchen Fall wir hier einfach für ausgeschlossen betrachten), sondern viel- mehr wegen einer sichereren Beurteilung, beziehungsweise Reeti- tication des Altertums der Funde.

Die durchsickernden Regenniederschläge führen Salzlösungen mit sich, von welchen der sich auf die Objeete niederschlagende kohlensaure Kalk, sowie Eisenverbindungen in den meisten Fällen eine eminente Rolle spielen. Eisenincrustationen kommen auch, wie oben hervorgehoben wurde, bei allen drei Miskolczer Steinäxten vor, ob aber Niederschläge (Krusten) von kohlensaurem Kalke vorhanden sind oder nicht, ist nicht erwähnt; gewiss könnte es sich hier höchstens nur um Spuren handeln, denn sonst hätte der Autor ihrer Erwähnung getan. Es wäre gewiss interessant, die Miskolczer Steinäxte hierauf nochmals einer genauen fachkundigen Untersuchung zu unter- ziehen, sowie darauf : ob nicht Dendriten auf der Oberfläche mittels einer Loupe wahrzunehmen sind, deren Vorkommen hier vermutet werden kann, da stellenweise eine eisenhältigc Incrustation in der Tat vorhanden ist und Mangan (aus welchem sich die Dendriten bilden) mit Eisen in Gemeinschaft vorzukommen pflegt. Solche Dendriten sind ganz gewöhnliche Charaktere bei in Löss gelagerten Objecten, wie auch solche und namentlich die spiegelnden Dendrit- Krystallisationen (cristallisations miroitantes) bei den Chelles schen Artefacten von Abbeville und Saint-Acheul vorkommen. Ein jeder frische Bruch verursacht an einem Gestein eine mehrminder glanz- lose, also mehr matte Oberfläche; mit der Zeit bekommt diese Oberfläche einen Glanz oder Glasur (lustre, vernis); wodurch man einen alten Bruch von einem frischen sofort unterscheiden kann. Dieser Glanz wird teils den chemischen Agenden (minimalen Auf- lösungen der Oberfläche), teils den langwährenden Reibungen der Oberfläche mit der Umgebung zugeschrieben, (diese Reibungen sind oft minimal den einzelnen Zeitpunkten nach, aber ihre Wirkung summiert sich durch den langen Lauf der Zeiten). Die Miskolczer Steinäxte weisen in der Tat, wie erwähnt wurde, einen solchen Glanz (lustre) auf was unbedingt ein Zeichen ihres Altertumes ist (woraus aber noch nicht gefolgert werden kann, dass sie aus der Diluvial-Periode herstammen, da auch die neolithischen Steinai tefacte - das Lustre auf ihrer Oberfläche ebenso aufweisen). Der Grad der Entwickelung der Glasur und des Glanzes hängt also von mehreren Momenten ab; am mächtigsten aber bildet sich die Glasur bei Silexäxten, wenn die Reibung durch Sand hervorgebracht wird. Endlich die Patina besteht in einer Veränderung der oberflächlichen

Ethnol. Mitteil. a. Ungarn III. 7

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Schichte der Objeete, welche oft 1 2 mm. tief eindringt; es gibt aber Fälle, wo diese (physikalische, chemische) Veränderung durch die ganze Dicke hindurch dringt, was die Franzosen mit dem Aus- druck „cacholong* bezeichnen, z. B. wenn der Silex ganz weiss geworden ist. Es geht der Patinabildung immer ein gewisser Substanz- verlust an der Oberfläche voraus, diesem folgt die ätzende Ein- wirkung gewisser chemischer Bestandteile der umgebenden Schichten : und von der Beschaffenheit dieser letzteren hängen auch die physi- kalischen und chemischen Eigenschaften der entstehenden Patina ab weshalb es so wichtig ist, die chemischen und physikalischen Eigenschaften der umgebenden Schichten der Funde zu kennen, wie ich dies schon weiter oben hervorgehoben habe und worauf bezüglich wir leider keine Daten für die iMiskolczer Steinäxte zur Verfügung haben.

Wie wir aus den Erörterungen in diesen 4 Funkten ersehen können, wäre es sehr erwünscht, wenn dieser für die Palaecthnologie Ungarns so eminent wichtige Miskolczer Fund einer abermaligen und zwar minutiösen Untersuchung unterzogen würde, da die wissen- schaftliche Frage desselben als noch nicht erschöpft betrachtet werden kann.

Das, was wir aus den uns zu Gebote stehenden Daten mit ganzer Bestimmtheit über diesen Fund aussagen können, beschränkt sieh lediglich darauf: dass auch wir die zwei ersteren mandelförmigen Steinäxte (Ar. 1 und 2) als dem Chelles' sehen Tifptis angehörig erkläret, . wobei wir gerne die Gelegenheit ergreifen, um die Wichtigkeit dient r Entdeckung des Herrn 0. Herman herrorzuheben, da mittels diese> Entdeckung die palaeolithische Industrie (wenigsten* der Form nach) für Ungarn zum ersten Male sicher eonstatiert wurde. Ob aber diese Steinartefacte unbedingt aus der diluvialen Zeit herstammen: diese Frage müssen wir aus den sachlich wissenschaftlichen Gründen, di> wir angeführt haben, auch weiterhin für eine vollkommen off ene erklären . d. h. wir müssen behaupten dass die Existenz des diluvialen Menschen in Ungarn auch mittel* der Miskolczer Steinartefacte bisher noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Es ist wol richtig, dass für Frankreich die nach dem Chelles' sehen Typus zugeschlagenen Steinäxte bisher als die ältesten Artefaete gelten und dieselben in zweifellos diluvialen Schichten aufgefunden wurden; daraus folgt aber weder dass der Chelles' sehe Typus für alle übrigen Länder gerade die älteste Industrie repräsentirt, 1 noch ah r, dass derartig typische Steinäxte in späteren Epochen nie wieder verfertigt worden wären.

Es würde hier zu weit abseits führen, wollte ich hierauf bezüg- lich ausführliche Vergleiche der bisher bekannten Funde Europa's.

1 Ich kann nicht umhin hervorzuheben, «las» die ( helles'.schen so regel massig und schön „mandelförmig*1 zugeschlagenen Silexäste, schon eine gross« Gewandtheit, Ünung in der Zubereitung des Materials aufweisen, weshalb die von der Mem-chenhand wirklich im allerersten Anfang zubereiteten Stein- äxte nicht diese Chellesrschen Typen sein können, wie auch in der Tat bei mehreren echt diluvialen Steinartefacten viel gröbere Formen vorkommen.

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Asieivs, Amerikas machen; ich will hier nur so viel betonen, dass die Epocheneinteilung von Herrn de Mortület (age de la pierre taillee : 1. epoque chelleenne, 2. e. mousterienne, 3. e. soluträenne, 4. e. magdalenienne), wenn überhaupt ihre Richtigkeit definitiv über alle Zweifel steht, nur für Frankreich eine wissenschaftliche Giltigkeit haben kann ; und es ist für die übrigen Länder Europa's geschweige die übrigen Continente eine solche Einteilung nicht gelungen. Um nicht viele Worte zu verlieren, will ich hier nur kurz darauf hinweisen, dass man in echt diluvialer Schichte auch solclie Artefacte aufgefunden hat, die man streng genommen schon der neolithischen Epoche zuschreiben müsste, wie z. B. fein polierte knöcherne Werkzeuge (ein Lasso), wovon weiter unten bei Besprechung des berühmten Mammutfeldes in Predmost (bei Prerau) noch die Rede sein wird.

Man darf also einer solchen Zeiteinteilung nur eine allgemein orientierende, d. h. eine schematische Bedeutung zuschreiben. Es wäre ja doch zu naiv, dem bequemen Schema zu Liebe die Tat- sachen der Theorie und nicht diese den Tatsachen zu unterordnen.

Ausserdem muss hervorgehoben werden, dass bisher der Syn- chronismus der einzelnen Steinindustrie- Epochen für die einzelnen Länder Europa's oder der übrigen Continente streng wissenschaftlich d. h. mit Sicherheit nicht im Mindesten nachgewiesen werden konnte. Wie es noch vor Kurzem wilde Völker gab, die sich in der vollen Steinzeit-Cultur befanden, so gab es gewiss auch im längst ver- gangenem Altertum Länder, wo eine gewisse Cultur-Periode viel länger dauerte oder viel später begann als anderswo. Wir können uns deshalb nicht der Argumentation des Autors anschliessen : dass weil die die palaeolithische Zeit charakterisierenden speziellen Stein- instrumente überall aus derselben geologischen Schichte (?) her- stammen und diese Schichte älter ist als diejenige, worin sich die neolithischeo Artefacte befinden, hieraus unbedingt der Schluss gezogen werden müsste: dass eine in irgend einem Lande zum ersten Male aufgefundene, der Form und der Bearbeitung nach palaeolithische Steinaxt an und für sich schon als ein aus der diluvialen ' Zeit her- stammendes Artefact betrachtet werden könnte. Für uns genügt nicht ein solch allgemein gehaltenes Argument, wir fordern einfach: dass für einen jeden einzelnen Fall nicht nur das geologische Alter der betreffenden Schichte zweifellos bestimmt werde, sondern dass zugleich auch die Intactheit, die Ungestörtheit dieser Schichte, d. h. die Gleich- alterigkeit der Objecte und der einschliessrnden Erdschichte zweißeüos nachgewiesen werde. Kann diesen zwei unerlässlichen Bedingungen aus welcher Ursache immer nicht Geniige geleistet Herden, dann ist auch die chronologische Frage, d. h. das Alter des Fundes nicht lösbar. Der Typus der Industrie oder auch das Material selbst kann an und für sich nichts entscheiden. So z. B. wären bei den Skeleten, die ich aus den Hügeln und Grabfeldern Ungarns ausgrub, keine Münzen vorgefunden norden, so hätte ich diese wegen der Bronzgegenstände viel älter also aus der Bronzperiode stammend halten müssen ; so aber ergab sich das Alter dieser Funde als ein viel recenteres, nämlich aus dem 11-ten

7*

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-

und 12-ten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die Industrie an und für sich kann also für die Zeitbestimmung der Einzelfälle nicht den Ausschlag geben, und so ist zum Mindesten auch jene Möglichkeit nicht ausgeschlossen: dass die der Industrie nach der palaeolithischen Periode zugehörigen Miskolczer Steinäxte irgend wann in der jetzigen geologischen Zeit von der neolithischen Epoche angefangen verfertigt wurden.

Also nun soweit wäre die Frage des Miskolczer Fundes bisher gelöst.

Da von einzelnen vaterländischen Altertumsforschern schon öfters die Existenz des diluvialen Menschen in Ungarn behauptet wurde und da auch Otto Rerman dieser Funde erwähnt, so will ich hier über dieselben einige sehr wichtige Momente hervorheben.

Herr Otto Herman stellt folgende Funde (nach dem sehr sorg- fältigen Sammelwerk des tüchtigen Gelehrten Herrn Dr. Th. Ort vag' : Összehasonlitö vizsgalatok etc. A magv. tud. Akadämia ertekezesei a törtenelmi tudom. köreböl, XII. Bd.; Nr. VIII., Budapest, 1885) aus Ungarn zusammen:

1. Den Fund in Alvincz: Steinaxt mit Mammutzahn;

2. Den Fund in Kolozsmonostor : Topfscherben, Knochen vom Rhinoceros ;

3. Den Fund in der Höhle bei O-Ruzsin: Objecte aus der Steinzeit ;

4. Den Fund in der Höhle Nandor : menschlicher Knochen, Cervus megaceros;

5. Den Fund in Zimony : Topfscherben in Löss ;

ß. Den Fund in Xagy-Sap : Menschenschädel in Löss : zu diesen reiht Otto Herman noch den folgenden Fund :

7. Den Fund aus der Höhle Baräthegy: menschliche Schädel- knochen und Steinartefacte.

Behufs einer vorläufigen Orientierung über diese Funde muss ich vorwegs hervorheben: dass mit Ausnahme des Nagy-Säp-er Fundes, wo sich zwei Geologen von der echt diluvialen Lössschichte des Fun'des überzeugen konnten, und des Ö-Ruzsiner Fundes von verkohlten Höhlenbärenknochen, alle übrigen für den Nachweis des diluvialen Menschen in Ungarn wegen Mangels der elementarsten nötigen Beweise als nicht geeignet erklärt werden müssen : wie dies namentlich für den Fund in der Höhle Baräthegy auch von Otto Herman hervorgehoben wurde.

(Fortsetzung folgt.)

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07

Estnische Volksmärchen.*

I. Kirjud lehmad.

Kui Jmnal Iza maailma oli loonud, siiz loos tema ka elajaid oma meeleheaks ja inimeste kazuks. Kurat tahtis temale kohe järele teha ja tegi niisamuti lambaid, kitsezi ja topraid, aga köik hoopis iihekaivalized, valged, punazed ja mustad. Need ajas ta nüüd ka karjainaale, sai aga scal keskpäeva palavuzest varzi väzinuks ja heitis magama. Need temast enezest maailma vaevaks loodud parmud, erilazed ja muud vereimejad tegivad nüüd lehmad nii rahutumaks, et nad vihazelt senna ja tänna jooksivad, sabadega peksivad ja takka ülesse löivad. Haleda meele pärast nende vaeste loomade vasta tegi Jumal neile ühe lauda ukse lahti, kuhu nad palavuze ja parmude nöelamize eest pögenezivad. Siiz käiz ta seal ümber ja puutus iga Iooma külge ühe toore pajukepikezega, mille küljest koor jaolt ära oli kooritud, nii et see valgekriipsuline oli. Niikohe muntsivad elajad oma karva ja saivad kirjuks : möned saivad valge selja, moned valge pea ja valged jalad. Seile vahel oli kurat ülesse ärganud ja hakka- nud oma elajaid taga otsima. Jumal laskis neid välja, aga kurat ei tunnud omatehtud loomi mitte enam ja ei vöinud neid sellpärast mitte omale nöuda, vaid tahtis aga oma ühekarvalizi loomi tagazi. Et ta rahule pidi jääma, jättis Jumal koik toprad temale, mis hoopis üht karva, nimelt mustad, ilma ühe ainza teist värvi karvata sünnivad, mis aga väga harva ette tuleb. Kui aga möni hoopis punane, valge ehk must vazikas ilma tuleb, siiz ei kozu see mitte, vaid sureb varsti ära, sest et see kuradi jagu olevat, mbpärast seda niipea kui voimalik, tapetakse ehk raüüakse.

Die bunten Kühe.

Als Gott der Herr die Welt erschaffen hatte, da schuf er auch die Tiere sich zum Wohlgefallen und den Menschen zum Nutzen. Der Teufel wollte es ihm gleich nachtun und machte ebenfalls Schafe, Geise und Rinder, aber alle ganz einfarbig, weisse, rote und schwarze. Diese trieb er nun auch auf die Weide, ward aber da in der Schwüle des Mittags balde matt und legte sich schlafen. Die Bremsen, Wespen und die anderen Blutsauger, die er der Welt zur Fein selber erschaffen, machten nun die Kühe so unruhig, dass sie wütend umherrannten, sich mit den Schwänzen peitschten und hinten ausschlugen. Aus

* Ich folge gern dein Wunsche des Herausgebers dieser Zeitschrift, indem ich aus den Stoffen, die für den III. Band meiner „Märchen und Sagen des estnischen Volkes" bestimmt sind, die folgenden an dieser Stelle veröffentliche. Die handschriftlichen Originaltexte sind unmittelbar im Volke aufgezeichnet.

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9b

Barmherzigkeit gegen die armen Tiere öffnete ihnen der Herr das Tor von einem Stall, wohin sie sich vor der Hitze und den Bremsen- stichen retteten. Dann gieng er da umher und berührte jedes Tier mit einer frischen Weidengerte, der man die Rinde zum Teil abgeschält hatte, so dass sie weissstreifig war. Alsbald wandelten die Tiere ihre Farbe und wurden bunt: etliche bekamen einen weissen Rücken, andere einen weissen Kopf und weisse Füsse. Derweil war der Teufel erwacht und hatte angefangen sein Vieh zu suchen. Der Herr Hess es hinaus (aus dem Stall), aber der Teufel erkannte sein selbstgemachtes Getier nicht wieder und durfte es also nicht zurückfordern, sondern verlangte nur sein einfarbig Vieh. Damit er sich zufrieden gäbe, teilte ihm der Herr alle Rinder zu, die völlig einfarbig, ohne ein einziges Haar von anderer Farbe, geboren werden, insonderheit die schwarzen, was aber gar selten vorkommt. Wenn aber ein gänzlich rotes, weisses oder schwarzes Kalb zur Welt kommt, so gedeiht es nicht, sondern geht über kurz auf den Lauf, weil ein solches des Teufels Anteil wäre. Darum schlachtet oder verkauft man es sobald als möglich.

2. Vanapagana maja.

Kui inimezed endile hakkazivad majazid ehitama, tuli kurat Jumala juure ja ütles : Köik inimezed ehitavad endile nüüd majazid, siis mina tahaksin enezele ka ühte teha. Kas Sa ei luba mulle, et ma enezele ühe maja ehitan? Jumal vastas: Mine metsa. ja kui Sa sealt puid leiad, mis ei ole oiged ega koverad, ei suured ega väiksed, siis void Sa need maha raiuda ja neist oma tahtmize järele maja ehitada.

Vanakurat läks nüüd metsa. aga ta ei leidnud kuzagilt niisugust puud, mis ta oleks vötta tohtinud ; alles öhtul leidis ta ühe ainza, mis temal mitte öige ega köver, ei suur ega väike ei paistnud olema. Paha meelega ja väzinud läks ta Jumala juure, jutustas temale oma azjata vaeva, mis ta päeva otsa näinud, ning palus tema käest ühte teist am, sest seilest ühest puust ei voida tema ju kedagi maja ehitada. Jumal aga vastas: Sa näed, et Sinu tarvis mitte puid ei ole kasvanud ja et Sa ilma majata maa peal alati hulkumas ja pögenemas pead olema !

Des Teufels Haus.

Als die Menschen anfiengen sich Häuser zu bauen, kam der Teufel zu Gott und sprach : Alle Menschen bauen sich jetzt Häuser, da wollt' ich mir auch eins machen. Erlaubst du wohl, dass ich mir ein Haus baue? Gott antwortete: Geh hin in den Wald, und findest du Bäume allda, die nicht grad und nicht krumm, nicht gross noch klein sind, so magst du sie schlagen und dir daraus ein Haus bauen nach deinem Gefallen.

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Der Teufel gieng nun ins Holz, traf aber nirgends auf einen Baum von der Art, dass er ihn hätte nehmen dürfen : erst am Abend fand er einen einzigen, der ihm nicht grade und nicht krumm, nicht gross noch klein zu sein schien. Mürrisch und müde kam er zu Gott, gab ihm Bericht von der vergeblichen Mühe, die er den ganzen Tag gehabt, und bat ihn um einen anderen Bescheid, denn mit dem alleinigen Stamm könne er sich kein Haus bauen. Gott aber antwortete: Du siehst, dass für dich keine Bäume gewachsen sind und dass du auf Erden ohne Heim immerdar in Flucht und Wander- schaft verbleiben musst!

Mitgeteilt von Harry Jannsen.

Sammeln ungarischer Volksweisen.

Von Btta Sztanku.

Der kgl. ung. Minister für Cultus und Unterricht hat sich entschlossen die Schöpfungen der volkstümlichen magyarischen Musik sammeln zu lassen, ans welchem Grunde er am 10. Oktober vorigen Jahres an den Präsidenten der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns einen Erlass tibersandte, der ditse Sache um einen mächtigen Schritt vorwärts zu bringen berufen ist.

Der Erlass geht von dem Umstände aus. dass unter den zur Schaffung magyarischer Kunstmusik nötigen Vorbedingungen gleich die erste, nämlich eine Sammlung volkstümlicher Schöpfungen und historischer Ueberliet'erun- gen der Musik, fehlt. Der Minister fordert nun die genannte Gesellschaft auf, dahin zu wirken, dass die betr. Fachreterenten der Gesellschaft sich mit dem Sammeln dieser Schöpfungen magyarischer Musik befassen, indem er ohnehin die Absicht habe auch bei der Ausarbeitung der übrigen Teile des geplanten Werkes ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der Ausschuss der Gesellschaft übergab diesen Erlass behufs Begut- achtung den Mitgliedern Stefan Bartalus, Julius Käldy und HHa Sztank6, Nach eingehendem Studium der Sache wurde ein ausführliches Memorandum vertagst, welches der Präsident der Gesellschaft Graf Gizn Kuun dem Minister Graf Albin Csdky im Monate Februar übergab. Letzterer versprach, das Me- morandum eingehend zu studieren und demgemäss dann seine Verfügungen treffen zu wollen.

Das von mir verfassto Memorandum teile ich hier in seinen wesent- lichsten Momenten mit.

Der Erfolg einer Sammlung der Schöpfungen magyarischer Musik wird an drei Vorbedingungen geknüpft: 1. Allgemeinheit, 2. Ständigkeit, ;). Ver- öffentlichung der Sammlung. Um diese leitenden Gedanken gruppieren die im Memorandum enthaltenen Reflexionen, die wieder in zwei Gruppen zerfallen.

Im I. Abschnitt wird die Ansicht der Referenten mitgeteilt : in wie weit und auf welche Weise die Mitglieder am Sammeln sich beteiligen kön- nen; im II. Abschnitt wird ausgeführt: auf welche Weise die Referentenden Erfolg des Sammeins gesichert glauben.

I. In Anbetracht dessen, dass jede freie Gesellschaft auf die Richtung der Tätigkeit ihrer Mitglieder nur innerhalb gewisser Schranken einen Ein- fluss ausüben kann ; ferner, dass die meisten der Mitglieder in Knotenpunk- ten der Kultur wohnen, wo sich bekanntermaassen nicht das geeignete Gebiet für dergleichen Sammlungen vorfindet, so kann daher die Sammlung unter den Mitgliedern zu keiner Allgemeinheit erhoben werden, wenigstens mit dorn erwünschten Erfolg nicht.

Auch können nicht einzelne Mitglieder speziell mit einem systemati- schen Sammeln betraut werden, denn niemand wird dies für einen eigenen

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Lebensberuf erachten können: und somit wird jedes Sammeln nur ein gele- gentliches sein. Von einer Stfindigkeit des Sammeins kann daher keine Rede sein. Und wenn anch solche ständige Sammler hie und da ein tradi- tionelles Stück finden, so kennen sie doch als Fremde an dem betreffenden Fundort nicht des Stückes äussere und innere ethnische Züge, auch haben sie nicht Zeit, das Stück an seinem Fundorte nach jeder Richtung hin zu studieren, indem sie ja einen bestimmten Reiseplan verfolgend, weitergehen müssen und nicht einem Stücke zuliebe lange an einem Orte verweilen können.

Ii. Referenten glauben die Sache auf folgende Weise lösen zu können:

1. Eine Allgemeinheit im Sammeln kann nur dann erreicht werden, wenn im ganzen Lande leicht verständlich geschriebene, orientierende Flugschriften (Fragebogen) verbreitet werden, welche die Aufmerksamkeit der ganzen Ge- sellschaft auf diese Sache hinlenken, so dass jeder, der sich dazu berufen fühlt, die betreffenden Gewährsmänner seiner engeren Heimat aufsucht und von ihnen die diesbezüglichen Ueberlieierungen übernimmt. Im kleinsten Dörfchen sollte wenigstens ein solcher Mann sein, der sich dieser schöner; Aufgabe unterzieht. Wenn auch der Erfolg dieser Flugschriften kein durch- schlagender sein sollte, so würde doch ein Teil der Bevölkerung an dieser Sammlung sich beteiligen, und wenigstens könnte man auf Grund dieser Sammlungen bestimmen, in welchem Teile des Landes die meisten und wert- vollsten der diesbezüglichen Traditionen sich noch erhalten haben. Dann könnte an solchen Orten ein entsendeter Fachmann gar leicht eine reich«? Nachlese halten.

2. Was nun die Ständigkeit anbelangt, so möge die Regierung aus Fachmännern ein stehendes < 'omite ernennen, dessen Autgabe es wäre:

a) Das Interesse für das Sammeln beständig wach zu halten.

b) Das eingelaufene Material aufzubewahren.

c) Dasselbe zu prüfen, nach Art und Gattung zusammenzustellen und für den Druck vorzubereiten.

d) Wo der Impuls dazu von den auswärtigen Sammlern gegeben wird, oder wo eine Controlle oder neue Aufzeichnung eines Stückes sich für nötig ergibt, mögen Mitglieder dieses Oomite's auch auf Sammlerfahrten siel, begeben.

e) Die Bibliotheken sowol der Hauptstadt, als auch der Provinz sollen von diesem Comite durchforscht werden.

ß Ueberhaupt soll dies Comite ein lebendiges Band zwischen den Sammlern und allen denen sein, die ein Interesse au der Sache haben. Bei diesem Punkte wurde auch die Errichtung einer Fachbibliothek und die Zu sammenstellung eines Volkslieder-Repertoriums anempfohlen.

i>. In Bezug auf die Veröffentlichung der Sammlungen wurde seitens der Referenten die Herausgabe einer Monatsschrift, 3—4 Bogen stark, vor geschlagen, und zwar sollen die Stücke genau so. wie sie sich in der Ueberliefe- rung erhalten haben, samt Text und Melodie veröffentlicht werden. Anmer- kungen, Erläuterungen und wissenschaftliche oder populäre Abhandlungen sollten den Inhalt abgesonderter Bände oder Hefte bilden.

Die Sammler sollten ein Honorar für die von ihnen gesammelten und im Druck veröffentlichten Stücke erhalten.

Bis die diesbezüglichen Arbeiten in Fluss kommen, wurde im Memo- randum die Herausgabe der Sammlung Adam r. IlorrtUh's, des ersten Samm- lers von dergleichen Ueberlieierungen : „ötüd-fil szäz tnekek" <= 4% hundert Lieder); ferner der handschriftlichen Sammlung von Liederweisen des gros- sen verstorbenen Dichters Johann Arany angeraten.

Die Weltgeschichte zeigt uns, dass einzelne grosse Zeitperioden von gros- sen Sammelwerken eröffnet und abgeschlossen wurden. Die ungarische Nation wird in einigen Jahren ihr erstes Millennium abschliessen, damit sie da> zweite Jahrtausend ei'öffne. In allen Zweigen des Culturlebens werden aus mächtigen Abrechnungen nun die Bilanzen gezogen. Sollten wir mit den Melodien wegbleiben? Wir glauben, nein! . . .

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Deutsohe Einderreime aus der Gegend von Eörmöczbanya.

Von Dr. Georg Verae'ntfi.

Körmöczbanya (Kremnitz) ist eine uralte oberungarische Bergstadt Ueber ihre Gründung berichtet die Sage, das» hier ein endloser Wald sich ehemals ausbreitete, in dem ein Jäger ein Rebhuhn erlegt, und im Kröpfe desselben Goldpliittchen gefunden habe. Er begann nun die Gegend zu durch - forschen und entdeckte das reiche Goldlager. So ward die Stadt Körmöcz- banva gegründet, die in 1850 2210 deutsche, 1485 slovakische und 488 magya- rische Einwohner hatte. In der Umgegend befinden sich folgende Dörfer mit deutscher Bewohnerschaft, (die sogenannten Krickeheuer): Johannisberg oder Berg (700 Kinwohner). Honeshaj (878 E.), Blautusz (556 E.) und Koneshaj (10211 E.), welche mit noch 3 kleinen slovakischen Dörfern zur Jurisdiction von Körmöczbanya gehören. Im Folgenden will ich einige deutsche Kinder- reime aus genannter Gegend mitteilen.

Handeklatschreim :

Zibu, zap-zap, zibu, zap, Um ein Kreutzer Schnupftabak!

oder :

Schrekn, Schrekn, der Tata kommt. Wird er was mitbringen : Butterkipfel, Hajnal («. eine Art Gebäck*.

Fingerzählreim :

Dieser ist der Daumen, Der trägt sie hinein,

Der schüttelt die Pflaumen, Der schluckt sie gar' ein.1

Der klaubt sie auf,

Zum Laohen :

Strizala, Mizala unter dem Dachal! Wer da wird lachen, wird Pfand hergeben. Aubi-aubi, das ist a krummi Nasi, a schlutziges Gesicht.

Wiegenlieder :

Schlaf SepalTs Schlaf! Die schwarzen und die weissen,

Im Garten weiden die Schaf, Werden den Sepal beissen.1

oder :

Haja Pupeda, du grosskopfetes Kind! Wenn gleich du nicht einschläfst, So hauy ich dich hin !

Ferner :

Kommt's Pechmandel mit da Schnua, Druckt dem Kindl d' Aug'n zua.1

Beim, um Kinder zu beruhigen:

Pischketelein, Pischketelein. Rote Schuh' und weisse Strümpf,

Was wird der Tati bringen? Wird die Madi springen.

1 Varianten bei Simroek, IX Ü. Kinderbuch, b-te Ann. Basel, 27, 2&. ; Frischbier, Preus- sisclie Volksreime und Volksspiele (Berlin, 1887) 128.

5 Sepp = .loset'. ' Die swei letstnn Strophen lauten auch so: Haja Bubaja, hnju mein Bub. die Peitschen (Pflaumen) sind teuer, die Peitschen sind gut. Verl- Simroek 236; Frischtür 1.

» Vgl. in Andersen s Märchen Ole Luk-Oie; ferner .1. N. Alpenburg. Deutsche Alpen - BiiKt u (Wien, 1881); Th. Vertuxltken u. Fr. Branky, Spiele n. Keime der Kinder in Oesterreich (Wien. W76).

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oder :

Krault im «.»Arten. Kr aar im «rarTe-n. Sitzt a Babi drinnen.

Sacht die Mutter, sucht Ii* Matter. Kann sie nimmer rinden.

Geh' nicht "naur. gen' nich? 'naur. <reh' nur arrad hin i ha. Wo die -ücken Baume Wirst die Mutta rinden.

Beim Stehen -Lernen :

Lani. Lani. Sdöne Babi!

Kniereiter

Hot. hot Sepal! In die Mühl' geht ein freszai. Weiz' werd'n wir mahlen. Knchal werd'n wir backen.

Zieh' Schimmel, zieh'.

l>as Waaaer bis zum Knie!

Morgen werd n wir Haler dreschen.

Kuchat werd'n wir den Zipai Zipai wird uns Koical geb~n. K^jcal werd'n wir dem PfarF geben. Pfatf wird uns a Tasch geben.'

Werd'n wir den Scriimm»rl besser iness'n Zieh" Schimmel, zieh". mästen?! I>aa Wasser bis zam

Beim Sehen der ersten Schwalbe im Frühling

Wann ich zurückkommen,

Hab' ich ihm wieder schon verloren.

Mein lieber Wirt, mein lieber Wirt. I ;h bitte dich um einen Sporn."

Beim Hören de* Kuckuckrufes:

Heute gehen wir nicht nach heim. Bis nicht der Kuckuck -.hreit

Hab'n wir denn alleweil schöne Zeit.

Beim Anblick eine.-. Stieres :

Bike-bake. Serohfrea»er !

I>as Marien käfwrchen. Herrgottskäferchen oc inella -Tptempunctata' legen »ich die Kinder auf den Handrücken und sprechen :

Herrgott*kalh<:her., Herrgott.-kälhchen. nimm deine Truhe und geh' in Himmel, wirst deine Mutter dort finden.7

oder:

Herrgottskälbchen, Herrgottskäl beben, wo wirst inline Truhe hintrügen? in den Himmel oder in die Hölle?

Tragen sie meine Truhe hinauf, hinunter, hinüber und herüber? Wenn das Käferchen tortfliegt, wird rKrnhn. kruhn !a gerufen.

Für den Maikäfer.

Maikäfer, fliege! Deine Mutter ist im Pommerland.

Dein Vater ist im Kriege. Pommerland ist abgebrannt.

Maikäfer, fliege!"

Der Schnecke wird gesagt : Schneck', Schnede, Schnierer, Wirst du sie mir nicht zeigen,

Zeig' mir deine Vierer! Fühler?, Schlag* ich dir dein Häusel ein!1

Wirft das Kind den ausgefallenen Zahn ins Mausloch, so spricht es:

Müuschen, Mäuschen, gib mir nen eisernen Zahn, ich gib dir einen beinernen !

* Retial Rödichen. Zepal Hahn. Koka! Ei.

* Sparren.

7 Vgl. Busch, Kleine Kinder n. klein« Tiere, in d< r Neuen Illustr Ztg. 1881. II. 2.

* Vgl. Stmrock M6: Fritchbier 2«. - Simrock. 571 S. V3. Fritchbier 5».

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Der sog. Knackkäfer (sieb, sächsisch: Kirschenknatseher) wird aut' den Rücken gelegt und dabei gesprochen :

Schusterlinko, Schusterlein, Nicht zu gross und nicht zu klein,

Mach' mir schöne Schuerlein. Schusterlinko, du bist mein!

Bei Regenwetter wird die Sonne also hervorgelockt:

Sunal, Sunal, komm herüber, Redal, Redal10 hinter die Tür,

Monal, Monal, bleib' darüber. Lass' mir mein herzige« Sunal für!

Basti ösereim :

Wirst nicht saftig werden, Werd* ich dich ins Bachal werfen, Werd'n dich die Fröschal fressen.11

Das Kind zieht im Sand 32 Striche und spricht dabei :

Ein Kuckuck auf dem Baum sass, Es kommt ein warmer Sonnenschein, Es kommt ein Regen, er wird nass, Es müssen zweiundreissig sein.12

Auszählreime :

Eins, zwei, Neun, zehn,

Polizei ; Lass' mich gehn ;

Drei, vier, Elf, zwölf,

Granadier ; Ins Gewölb ;

Fünf, sechs, Dreizehn,

Alte Hex' ; Komm' mit mir nach Waitzen,

Sieben, acht, Komm' mit mir nach Polen,

Gute Nacht ; Dort soll dich der Kuckuck holen. 11

Wenn in den letzten Tagen des Faschings die Hirten mit Musik von Haus zu Haus ziehen, so rufen ihnen die Kinder nach :

Hätt' der Vetter Michel nicht gegaidet, Hej, Vetter Michel, spielt ja noch a mul, Hätt' ich mir die Stiefel nicht zerteufelt, Mul, mul,

, Zerteufelt, zerteufelt. Hab' ja noch a Stick 1 von die Suhl,

Suhl, Suhl, Suhl!

Wird jemand von den Kindern zum Märchenerzählen genötigt, so beginnt er mit der Frage: „Soll ich von der grünen Sau erzählen?-* Wenn die Kinder antworten: „Ja!*4, so spricht er: „Nicht das hab' ich gesagt, son- dern: soll ich von der grünen Sau erzählen?" Und damit neckt er die Kin- der. Oder er beginnt: „Es war einmal ein Jemand und Niemand. Der Jemand ist bei der Tür Hinausgegangen, der Niemand beim Fenster : wer ist drinnen geblieben ?" Das Kind antwortet darauf gewöhnlich : ,,Niemand !M die Antwort aber lautet: „und !**

Spottreim auf den Namen Jakob :

Jakob hier, Jakob her, Jakob macht sich nichts daraus,

Jakob ist ein Strudelbär ; Hat kein Branntwein nicht zuhaus.

Auszählreime :

Ich und du, Müllners Esel,

Müllners Kuh; Der bist du."

oder:

Eutentinus, Saraka-tikitaka, Sarakatinus, Ene-bene, bumbus."

m Reif, Ring. " Vgl Simrock 705. " Simrock. 6%; Rochholz, Alemannisches Kinderlied 225; Frischbier 216: Vernaleken-Br., S. 119. " Vernaleken-Br. 101. 106. Frisch- bier 667.

«♦ Vgl. Simrock 810; Rochholz 214; 221. - 11 Vgl. Vc rnaleken- B r. 104.

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Ex Brot in der Not. Wija. waja. von!17

oder :

Ene-wene, witi-wene, Zine. zang,

Kommen wir aus Ungarland. In der langen Gasse

Ungarland ist zugeschlossen, Liegt a volle Flasche.

Goldener Schlüssel abgebrochen. Trink' aus, sauf aus.

Du bist recht wohl aus.1*

oder :

Enkeri. penketi, zukuti ine. Abri, fabri domine,

oder :

Karl ist in Garten gangen, Eins, zwei, drei,

Wie viel Vögel hat er fangen? Du bist recht wohl frei!

oder :

Messer, Bandl, Fingerhut, Stita (= Stadt . Bauer, ist kein gut. Kommt der Engel mit dem Licht, Abraham, du gehst ganz hinaus.

oder :

Einzahl, zweizahl, dreizahl, vierzahl, fünfzahl, sechszahl, siebenzahl, achtzahl, neunzahl, zehnzahl! (Beim letzten Wort bricht die Kinderschaar in grosses Gelächter aus, weil in Körmöczbanya ein Idiote Zenzal heisst.)

Ein beliebtes Spiel ist: Ein an beiden Enden zugespitzter kurzer Holz- cilinder wird über eine kleine Höhlung gelegt, und von da mit einem Stabe hinausgeschnellt. Der Stab wird dann quer auf den Boden gelegt. Die Gegen- partei ist bestrebt, das Holzstück im Fluge aufzufangen oder mit ihm den Stab zu treffen. Um dies letztere zu verhüten, gilt die Besprechungsformel: „Du wachst Zwiefal, da wachst Knofal."

Die Kinder, einander die Hände reichend, singen:

Grünes Grass, grünes Grass, Welche wird die schönste sein,

Unter meinen Füssen; Diese werd' ich küssen."

oder sie singen :

Blauer, blauer Fingerhut, Schäflein. Schäilein kniee dich,

Steht der Jungfrau all zu gut. Kniee dich zu Füssen!

Jungfrau, die muss tanzen Gestern hab' ich Zeit gehabt,

In den grünen Kränzen. Einen Knaben küssen,

Küsse, wem du willst.»»

Im Kreise sich drehend, wird während ein Kind im Kreise kniet, gesungen ;

Hier liegt die alte Jungfrau Kipfel und Kaffee.

Im Regen und im Schnee, Zipfen. Zapfen, alte Krapfen,

Wass geben wir ihr zu essen? Alte Jungfrau knie dich."

Die Kinder bilden einen Kreis, eines kniet mitten im Kreise, während die auderen mit beiden Händen sein Gewand angreifen ; ein Kind geht um den Kreis herum, während gesungen wird:

Hier kniet die junge Königstochter, Mauer muss man brechen. Sie ist ganz vermauert. Ziegel muss man stechen

Eine Hand herab !

Beim letzten Wort schlägt das ausserhalb des Kreises stehende Kind einem der Mitspielenden den Arm vom Gewände des knienden Mitspielers

•* Vgl. Simrock 822-928; Frischbier 546. '; Vgl. Vera. 107.

" Vgl. Vera. 50; Kits A. in der Ztschr. „Ethnographia" III. 88. '* Vera. 48; Simr 832. Vgl. Korrespondemblatt d. Ver. f. »iebenb. Landeskunde. XII. Jahrg. 1898. Nr. 4. S. 57. - » Vgl. Veraal. 52. Wligloeki in der .Kthnographia» in. 25.

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weg ; wessen beide Arme schon weggeschlagen sind, der ergreift das Gewand des im Kreise herumlaufenden und singt dabei:

Alte Hex', häng' dich an,

An den schönen W andersmann !

Wenn beide Arme aller Mitspielenden weggeschlagen sind, ist das Spiel zu Ende.21

Im Kreise sich drehend, singt einer in der Mitte :

Jakob hatte 12 Söhne, heisassa! Machten alle so, so, so!

Eva hatte das kleinste am liebsten, hopsassa! Machten alle so, so, so!8*

Nun macht der im Kreise Stehende etwas (z. B. er hebt die Arme oder einen Fuss in die Höhe, reckt die Zunge heraus) und alle müssen ihm dies nachmachen.

Im Kreise sich drehend singen die Kinder:

Dort und da, dort und da Steht ein Fleckel Tannen, Wenn die alten Weiber sterben, Kriegen die Madeln die Männer.

Oder es wird, während ein Kind mitten im Kreise steht, gesungen:

Pischketelein, Pischketelein, Einmal um, zweimal um.

Ich bin ein armes Mägdelein. Liebe Anna, dreh' dich um !**

Dessen Namen nun ausgesprochen wird, der dreht sich vom Kreise nach auswärts. Wenn alle nach auswärts gekehrt sind, hat das Spiel ein Ende. Bei diesem Spiele wird auch gesungen :

Gloria, Gloria, hat gedient 7 Jahre;

Sieben Jahre um, dreht sich schön die Anna um :

Die A. hat sich umgedreht,

Hat den goldenen Kranz verdreht.

Die Kinder stellen sich in eine Reihe auf und während eines auf und abgeht, singt es mit der Reihe abwechselnd :

A. Es kommt ein Mann aus Linafe, B. Was will der Mann aus Linafe,

Kaiser von Pilatus. [Linafe ! Kaiser von Pilatus. [Linafe ?

A. Er will die jüngste Tochter haben, B. Wirgebendie jüngste Tochternicht,

Kaiser von Pilatus. (Tochter haben! Kaiser von Pilatus. (Tochternicht!

A. So schlagen wir die Fenster ein, B. So legen wir die Bretter vor, die

Kaiser von Pilatus. [Fenster ein! Kaiser von Pilatus. [Bretter vor!

A. So stecken wir das Haus in Brand, B. So rufen wir die Polizei, Polizei!

Kaiser von Pilatus. [Haus in Brand ! Kaiser von Pilatus.

A. Die Polizei die hilft auch nicht, hilft B. So nimmt Euch die jüngste Tochter

Kaiser von Pilatus. [auch nicht! Kaiser v. Pilatus. [Inn, Tochter hin! Dann tritt das zweite Kind vor das erste der Reihe hin u. s. f.24

Bei einem anderen Spiel stellen sich die Kinder hintereinander der Reihe nach auf, während vor der Reihe 2 Kinder mit emporgehobenen Armen ein „Tor' bilden: letztere stellen die Fragen, worauf die übrigen im Chor antworten :

A. Von wo kommt Ihr her? B. Vom schwarzen Meer.

A. Was habt Ihr dort gemacht ? B. Weisse Wäsche gewaschen.

A. Ihr seid ja kohleuschwarz. B. Wir haben keine Seife gehabt.

A. Habt sollen kaufen. B. Wir haben kein Gold gehabt.

A. Habt sollen stehlen. B. Stehlen ist verboten.

A. Was gebt zum Pfand? B. Das letzte Kind zu Eurer Hand.

» Vgl. Voraal. S. 52. - » Vgl. Vernal. «». Simrock Hut». - a Vgl. Ki>« in der Ztscbr. .Ethnograph!«« III. ». - « Vgl. Verna). S. 56: Simr. 803; Frischbier TO>.

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Die Kinder gehen nun durch das ,,Tor" hindurch, das letzte wird ab- gefangen und genagt, wohin es gehen wolle: zur Lilie oder Narcisse? Eine Blume is nämlich der Engel, die andere der Teufel, und nur zu Ende des Spieles erfahrt jedes, welche von den beiden Blumen Teufel oder Engel gewesen."*

Die Kinder setzen sich in einer Reihe nieder: eines von ihnen gibt jedem einen Blumennamen. Dann kommt der Engel und folgender Dialog entspinnt sich:

Wer ist draussen? Der Engel.

Was will er ? Eine Blume.

Was für eine? Eine Pelargonie.'*

Errat der Engel ein Kind mit solchem Blumennamen, so führt er es mit sich. Nun kommt der Teufel und derselbe Dialog wird abgehalten.

Folgende zwü Reime werden bei keiner besonderen Gelegenheit, son- dern nur scherzweise hergesagt:

Kann nicht bindisch*7, kann nichtdeutsch, Kommt der Vater mit dem Stecken. Kommt die Mutter mit der Peitsch. Schlägt der Mutter blaue Flecken.

oder :

Kaschamster Diener! Sie legen Eier.

Was machen denn die Hühner? Wie teuer?

Zwei Kreutzer. Hol' sie der Geier!

Aus dem Dobsioaer Volksglauben.9"

Das Volksleben der alten oberungarischen Bergstadt Dobsina (Dobschau) bietet noch manches Ursprüngliche und Eigentümliche ; viel slavisches hat sich eingemengt. Ein System des Volksglaubens Hesse sich aber nicht zusammenstellen. Die meisten Ueberlieferungen haften natürlich am Berg- werksleben.

Man glaubt, das» die Kuh Erzlager in den Bergen entdecken könne. Die Zwerge, welche „steenalt" genannt werden, helfen den Bergleuten; sie arbeiten für sie ..in der Mittagsruh'4: bei Nacht aber schärfen sie den Bohrer und Meissel der Bergleute: zünden das Grubenlicht an, zeigen Erzlager und halten das Wildwasser auf. Schlechte Bergleute töten sie durch ein zufällig seheinendes Grubenunglück. I>as Kobalterz (dobschauerisch : der Kobold) hat seinen Namen vom Kobold erhalten ; da es beim Schmelzen kein Metall gab, wurde es früher als boshaftes Spiel feindlich gesinnter Zwerge angesehn. Auch das Nickel hat seinen Nau en vom neckenden Berggeist. Im Stollen und Schacht darf man nicht pfeifen, sonst verschwindet der Gang.

In der Volksüberlieferung tritt der Hund als Hüter vergrabener Schätze auf: auch die Dobschauer nennen den Stollenkarren ,Hund4. Der Frosch wird auch als Schatzhtiter betrachtet. Er ,,schiesst Gift" und bezaubert mit dem Blick. In seiner Gestalt erscheint auch die Trud, ein weibliches Ungeheuer, das der Mahr entspricht. Der pulverisierte Frosch ist ein Heil- mittel bei Epidemien. Menschen können sich oft auch in Kröten und Frösche verwandeln. Wenn man einen Fros-ch im Stalle antrifft, soll man ihm ein Bein abschlagen, denn dadurch wird auch der betreffende Mensch, der sich eben in einen Frosch verwandelt hat, einbeinig. Besonders nehmen die Hexen (Strigen) die Gestalt von Fröschen und Katzen an. Eine Hausfrau, erzählt die Sage, knetete den Brotteig. Ihre Kinder waren dabei unartig. Da sagte

M Vgl. Vernal. S. 54. * Vgl. Vernal. t>2; i . Rollan<l, Kimes et jenx de l'enfanoe. Parii IWSi. S. I3ö. Francisco MaspouB Y Labros S. «Jl. ** windisch.

* Vgl. Szojka Gyula: A tenneszet. a nepbitben, tokintettel a dobsinai babonAkra es nepmondahra. Debroczen, 1W*4. 3ö. 1. (Enthalt, trotz viel vorsprechendem Titel, wenig bieher Gehörigem Hnndfichriftliche Aufzeichnungen von J. Mikulik und lgn. Nagy. ■- Ethnol. Mitteilungen aus Ungarn. 11. B., S. iB*. Eigene Aufzeichnungen au Ort und Stelle.

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die Mutter zu einer Katze, die eben auf der Türschwelle sass: „Katze, nimm die Kinder beg. die beinen (weinend!" Die Katze fragte: „Bolenes ?" (welches). Darüber erschrak die Mutter, versetzte der Katze einen tüchtigen Schlag mit der teigigen Hand, worauf das Tier verschwand. Die Frau wusch sich die Hände und gieng hinüber zur Nachbarin, um ihr das Wunder zu erzählen: diese aber reinigte sich eben das Gesicht vom Teige. Sie war nämlich die Katze gewesen.

Besonders die Kühe können von den Hexen bezaubert werden. Deshalb ist es gut, Knoblauch im Stalle aufzuhängen. In der Krist nacht kann das Gespräch der Kühe belauscht werden. Wenn die Kühe zuerst aufgetrieben werden, so wird ein Küchenmesser über die Stalltür gestochen, und über die Schwelle legt man eine Kette, über welche hinweg die Kuh schreiten mu&s. Dies beschützt sie vor jedwedem Unglück. Zu gleichem Zwecke werden auch die Eierschalen nach dem Ausbrüten zu Pulver gestossen und damit die Küchlein geräuchert. Eine tote Schlange im Frühling am Wege bedeutet einen Todesfall im Hause.

Eine alte Frau warnte ernstlich davor, mit dem Finger in die Sonne zu weisen. Eine schwarze Kuh an der Spitze der heimkehrenden Heerde bedeutet schlechtes, eine weisse aber gutes Wetter. Bei einer Feuersbrun* t wird der Tisch umgestürzt, die Füsse nach oben. Ein im Ofen vergessenes, ,überbackenes' Brot wird auch gegen Feuersgefahr aufbewahrt.

Die Gänseblume oder das Maasliebchen wird als Liebesorakel gebraucht. Beim Abzupfen der Blätter sagt man : „Farra Rekter Bidmon Knecht" (Pfarrer, Rektor-Schulmeister, Witwer, Knecht); daher heisst die Blume „Farrarekter." Beim Erdbeerensamnieln werden die erstgepflückten hoch über den Kopf hinweg nach rückwärts geworfen, sonst ist kein ergiebige- Sammeln im Jahre zu erhoffen.

Folgender Diebzauber wird geübt: Wenn was gestohlen wird, geht vom Gesinde jemand auf einen Kreuzweg, schüttelt dort tüchtig einen Zaun und spricht dabei: „Ich schüttel dich Zaun; und du Zaun den Lucifer; und du Lucifer den, der meines Meisters gestohlen hat."

In der Mitternachtsstunde geht es um. „Die Toten kömman anhöm " Das Unglück kommt selten ohne „Onzechen". Mancher Leute Blick macht krank. „Es kimmt oin von Hep. von Agen: man ethid öm 6nw = bezaubert ihn. Allenthalben gibt's „vörbonnte" Geister, „Peagtuännln" u. dgl.

Ein Herg bei Dobsina heisst „Teiblsköp". Im „Steengaresch", einem felsigen Wald, soll eine höhlenarti^e Bergschlucht die Wohnung von Drachen oder Räubern gewesen sein und labelhafte Schätze enthalten.

Von der Gläsernen Frau in der dritten Maron. einem Waldteil bei Dobsina folgt hier eine Sage im lokalen Dialekt:1

Die gleserna fraa.'

Beit nbu3 dien en der drettn Maron enderan glesernan steen es a gleserna truh, en der glesernan truh a gleserna fraa. Die leit dat öw-an schotz und dear es vörbönschn. Olla siebn joar öm sieb'ntn tog vön sieb'ntn möneit hebt sich der steen, die truh mecht sich öf und die gleserna fraa kimmt raus. Benn abear* z6 dear zeit doar kimmt und dat net derschreckt, hebt die gleserna fraa ihra hont und binkt-öm beg. Hod-er sich emgadret uml leeft-er beg, heart-er öw-eemöl, dos abos& hender-öm kault.* Benn er zoreckschaat, gasied-er a kuf tuet gölt gafellt, die hebt ober gleich on sich zöreck kauln und es öw-eemöl beg. Schaad-er sich ober net em, pis er aheem kimmt. kault die kuf kuntanier7 hender-öm hear und gaheart denn ihm und aus-öm bif a strenreieher moon. En die dretta Maron tarr-er* ober net gehn und ooch ollas ondera muss-er vörgess'n. Benn net, es der gonza schotz bieder beg. Mitgeteilt von A. H.

1 S. Sjiojha Cyula. a. a. 0. S. 32.

1 « knrzu» geschlossenes e. 6 langes geschlossenes«. 6 zwischen <> u. u. b gemein- deutsch \v. —VrI. die Bearbeitung von J. Klein. Die Jungfer aus der Maron. 'wo, irgendwo. « wer, irgendwer. '• t-twas. * kollert. : fortwährend. - "wird. darf er.

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Splitter und Späne.

Besprechingsformeln aus dem XVI. Jahrhundert.

Der Ot'ner Buchhändler Jakob Schaller liess 1512 das 1475 zu Augsburg erschienene Werk : „Postilla Guillermi super Epistolas et Evangelia etc.'1 zu Venedig neu drucken. Ein Exemplar dieses Werkes war im Besitz des Blasius literatus de Serench, später kam es in den Besitz der Pauliner zu Szent- Lörincz und befindet sich nun in der Universitätsbibliothek zu Budapest. Auf dem Vorblatte und der Rückseite des Titelblattes befinden sich ungarisch und lateinisch geschriebene Besprechungsformeln aus dem Beginne des XVI. Jahrhunderts, die wir hier (die ungarischen in Uebersetzung) mitteilen. (S. Irodalomtörteneti közlemenyek III. S. 122—123.)

„Mein Herr, allmächtiger Herr und Gott, mir ist am heutigen Tag in meinem Munde dein teuerer heiliger Leib, dein heiliges Blut: ich nehme es heraus aus meinem Munde, ich teile es in zwei: die Hälfte lasse ich mir, die Hälfte gebe ich meinem Herrn und meinem Feinde, damit ich vor ihnen so lieb, so erfreulich sei, wie der lieben Mutter ihr Sprössling wäre.1'

„Mein Herr, allmächtiger Herr und Gott; allem Volke, klein und gross dieser Welt binde ich mäuniglich ihre Zungen, ihre sehenden Augen, ihre sinnenden Herzen, mit unerbittlichen Banden, mit Samson's Ring, dass nie- mand über mich reden kann, nicht verleumden kann, mit Gottes Wort sage ich es, mit der Macht der lieben Frau. (Annis 1B10.)U

Nota. Que mulier non potest parere masculum vel feminara. debet scribere istas Hteras et debet ligare ad ventrem parientis et statim pariet sine dolore, si quis quum ligat tunc unum Pr nr et unum Ave et Credo ligat. Sequitur -f- Elizabet -f- peperit -f- Sanctum ~\- Joannem -j- Baptistam 4 Anna1 -|- peperit -\- matrem domini 4- nostri 4" J^su 4~ Cristi sme 4" dolore -\- conjuro -f- te -f- Intans 4- per patrem 4~ et filiura 4- et spiritum -\- sanctum 4- ut ~\- sive -\- sis -j- masculus 4- sive 4- femina 4- sive 4- sis 4- vivens 4* 8*ve 4~ mortuus -j~ venias -\- ad lucem -J- Xpi -\- Infans -|~ veni 4* foras -j~ locum -j- aperu . . et eduxit -f- eum.

Alia. Domini est terra etc. Hunc Psalmum debet scribi et poni sub pede dextra et s tat im pariet.

Sequitur alia de morbo raduco. -j- Ebrum ~\~ Intebrum 4- Critio 4- merit 4- Pal 4~ Pater 4- ventus 4" rtl« ~h remedium -}- spiritus 4" sanctus 4~ custodi 4~ fftmulum 4~ tuum N. vel anc

Contra morbum kaducum. Ecce vidimus eum non hab. . . requiem In cena domini In matutino etc. Oratio. O Jesu crisfee salu. mundi propter hec verba et per tuam amarissimam passionem Üb . . . me famulum tuum X. de morbo caduco et ab alijs intirmitatibus ut dign ... ti. laudare in Omnibus diebus et noctibus vite mee. O sancte Valentine episcope inartir et pontiiex ora pro me famulo tuo N.

Contra renenum kaducum. Stetit unda fluxus congregate sunt abissi in medio matris.

Contra mundum morbum, Elim, melim zelim, unum pr. nr. Ave. . credo. Item in lingua groka: Inola iarus Ibas Ibol -j- gargary 4" gargalay 4" I" 4- nomine -f- patris 4" et n'y 4" et spiritus s. . .

Contra rundem morbum. Herrgott, was sagte er, was befahl er, als Herr- gott ans hohe Kreuze gehaltet war, und man sein Herz durchstach und blieben in ihm drei Tropteu Blut: stieg hinauf der hl. Apostel Johannes. . .

1 Ueber <lie hl. Anna als Geburtshelferin s. Kälmätty. BoldosfnasEony üsv«UÄsunk UtenMszouvii, und Wlislocki, Ana <1. Volksleben «ler Magyaren 15Ö n~.

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gab ihn unter die Arme unserer Jungfrau, der Jungfrau Maria, ihn vom hohen Kreuze herabnehniond, wie damals der Schiloh (bach) stockte, mit Gottes Gebot, sage ich und mit der Macht der seligen Frau, damit in dir N. stehen bleibe die Krankheit. Adait. . . -f- guet 4- guttau ry -f" habet -f-

Contnt eundem morbum. . . factus Jesus In agonia prolixus orabat et factus est sanctor. . (?) sicut gutte sanguinis deaureatis (?) In v. um p. . .

Contra mormm rabidi canim ad oblatam vel ad panem. Sequitur: zaro zarahia zarabista zarabuntur alem. . Palera In alenti es.

A. II.

*

Kerbholz aus Lemnek. In dem siebenbürgisch-sächsischen Dörfchen Lemnek (Leblang, früher Löbling) wurden vor einigen Jahren beim Abtragen der alten romanischen Kirche in einer seit einem Jahrhundert verschlossenen Nische vier ineinander gehörige, zusammen etwa 5 m. lange, achteckig roh geschnitzte Holzstäbe mit X u. I förmigen Kerbeinschnitten gefunden. An den Stäben hiengen in verschiedenen Abständen zusammen 23 viereckige Holzstückchen, welche ausser mit Kerbeinschnitten noch mit Namen, Jahres- zahlen (älteste 1501) und andern (Haus?) Nuramern und verwischten Bibel- sprüchen (in lateinischen, deutschen und auch gemischten Lettern) versehen waren. Nach der Ansicht des dortigen evang. Pfarrers Pildner, welche auch Stefan Teglas teilt, der diese Daten zuerst publiciert hat*, entspricht die Vierzahl der Stäbe den 4 Nachbarschaften des Ortes und wurden auf dem Holze die von den Bewohnern an Gemeinde und Kirche geleisteten Abgaben und Öffentlichen Arbeiten (Zehnten, Fuhren, Tagwerke) mittelst Kerbeinschnitte durch den Pfarrer angemerkt; dies Holzprotokoll aber wurde zur allgemeinen Evidenz in der Kirche aufbewahrt. A. II.

*

Das graue Mandl. In den Colonien Südungarns mit gemischter deutsch- serbischer Bevölkerung tiiesst Volksglaube und Brauch beider Stämme man- nigfach ineinander. Das graue Mandl in Bresztovaez nächst Pancsova scheint aber ein rein deutsches Gebilde zu sein. Dieses Gespenst ist im Orte an ein einzelnes Haus gebannt, wo es im Keller haust, beim Rauchfang heraus- schaut, auf dem Dach oftmals lustwandelt. Manchmal erschreckt es in Hundsgestalt auf der Gasse die Nachtschwärmer, begleitet sie auch stre- ckenweise. In dem Hause, wo es seinen ständigen Sitz hat, ist es als Glücks- bote und Schätzesammler bekannt, in wichtigen Familienfällen steht es mit Rat und Tat aber immer nur dem Herrn im Hause bei. Im ganzen Dorfe ist diese Gestalt wol bekannt und mit Scheu und Furcht wird das Haus gemieden, verspöttelt und bewitzelt. Auch meidet man mit dem Hausherrn freundschaftlichem Verkehr anzuknüpfen, weil niemand mit dem grauen Mandl zu tun haben will, das nach dem Volksglauben ein Schüler des Teufels ist und der Hölle entstammt.

Mitgeteilt von A. Schwan/dder.

ArchaeoloKiai Ürteaitß. Üj folyam. X. kfitet. i960, lflft.

Ethnol. Mitteil. a. Ungarn. III.

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Anzeigen.

Berührungen zwischen den westflnnischen und slavischen Sprachen.

Von Joos. J. Mikkola, Heisingtors 181 »3.

In dem als akademische Abhandlung Heulings erschienenen ersten Teile (iH. S.) dieses Werkes wird der slavisehe Eintluss auf die westfiuuischcn Sprachen behandelt. Der junge Verfasser hat sich eingehend mit den slavi- schen »Sprachen beschäftigt, ist auch aut dem Gebiete der finnisch-ugrischen Sprachforschung heimisch und zeichnet sich durch seine korrekte, dein jetzigen »Standpunkte der Sprachwissenschaft durchaus entsprechende Methode aus. Besonders dieser letztere Umstand gibt ihm einen entschie- denen Vorrang vor W(*kt\ der dasselbe Thema in einem umfassenden Werke: „Slavjano-fingkija kulturnyja otnoschenyja po dannym jazyka, Kasan 18!K)," behandelt hat. Weske wird auch vielfach vom Verf. korrigiert, so auch be- züglich der Frage nach dem Alter des respektiven slavi sehen Einflusses. Nach der Darstellung Mikkola's ist dieser Einfiuss jüngeren Datums als der (ältere) germanische bezw. gotische, welcher seinerseits, wie Thomsen gezeigt hat, dem litauischen am Alter nachsteht, während Weske, indem er gewisse lautgeschichtlicho Kriterien übersah, den slavischen Eintluss von dem litau- ischen gebührend zu sondern nicht vermocht hat. Zur Stüt/.e seiner Behaup- tung von dem zeitlichen Verhältnis des slavischen Einflusses zum germani- schen weist der Verf. auf folgende Umstände hin. Erstens werden Goten au den süd-östlichen Küsten der Ostsee schon vor Kr. genannt und am Ende des zweiten Jahrhunderts erzählt Ptolemaeus, dass sie in der Nähe der Weichsel und wahrscheinlich östlich von derselben wohnten, während die Einwanderung der Slaven nach Norden hin unzweifelhaft, wie Thomsen, „Beroringer mellein de tinske og de baltiske Sprog*4 S. 1H bemerkt, in Zu- sammenhang mit den anderen Wanderungen der Slaven zu stellen ist.. Zwei- tens ist besonders zu bemerken, das«, während wir in allen westtinnischen »Sprachen für alle gemeinsame, zu allen Gebieten des Lebens gehörende gotische Lehnwörter antreffen, in denselben Sprachen nur verhältnismässig wenige gemeinsame slavisehe Lehnwörter vorkommen, ein Umstand, der deutlich darauf hinweist, dass die westfinnischen Völker in der Zeit, wo sie mit den nach Norden vordringenden Slaven in Berührung kamen, schon, und zwar wahrscheinlich zufolge dieses Druckes von Süden her, im Begriff waren, sich nach verschiedenen »Seiten nach ihren jetzigen Wohnsitzen hin zu trennen. Jedenfalls sind die ältesten slavischen Lennwörter nach dem Verf. schon vor der Einwanderung der Finnen in Finnland aufgenommen, welche wenigstens schon um das Jahr 800 n. Kr. beendet war ; aber wahr- scheinlich hatte die Bewegung schon früher begonnen.

Abgesehen von der ältesten slavischen Lehnschicht, giebt es in allen westfinnischen Sprachen parallele und einzelne Entlehnungen aus dem Russi- schen aus früherer und späterer Zeit. Am wenigstens sind sie in den auch geographisch meist entlegenen westlichen Dialekten des Finnischen zu ge- wahren. Besonders in k\ilturhistorischer Hinsicht interessant sind einige auch im Finnischen und Estnischen vorkommende kirchliche Termini, die auf einen ziemlich alten, vor der Einführung des katholischen Kristentums stattgefun- denen Bekehrungsversxich zur griechisch-katholischen Lehre hindeuten. .Solche sind: kuoma 'Pate', pakana 'Heide', pappi 'Priester', raamattu 'die heil. Schrift', risli 'Kreuz', estn. nodal 'Woche'.

Für die Sprachforscher, sowohl für die finnisch-ugrischen als auch für die Slavisten bietet das Buch viel Interessantes. Die Ungenauigkeiten im Einzelnen können den Wert der verdienstvollen Arbeit in erheblicherem Grade nicht verringern: die Hauptergebnisse werden jedenfalls von ihnen nicht beeinträchtigt.

Heinrich Paasonen.

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Zeitschriften zur Völkerkunde Ungarns.

Archaeologiai Ertesitö. (Archaeologischer Anzeiger). Organ der archaeo- logischen Kommission der ung. Akademie der Wissenschaften und des Landesvereins für Archaeologie und Anthropologie. Redigiert von Josef Hampel. Es gibt wol keine Zeitschrift in Ungarn, welche besser redigiert und reicher ausgestattet wäre, als dieser Anzeiger, der jährlich "vniat in vortrefflich illustrierten, 6 Bogen starken Heften in grösstcm erscheint (Preis ff.) Der gediegene Inhalt dieser Zeitschrift verdient in erster Reihe der allgemeinen Fachwissenschaft bekannt zu werden. Die Ungarische Revue veröffentlicht auch seit Jahren die Hauptaufsätze mit den Original-Illustrationen. Die Mitteilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft bringen in neuerer Zeit einen (allen Fachkreisen gewiss will- kommenen) Auszug aus den letzteren Jahrgängen. Wir werden es uns auch angelegen sein lassen, den Inhalt der das Gebiet der ,,Ethnologischen Mit- teilungen aus Ungarn" berührenden Aufsätze dem Auslande unverweilt zu vermitteln. Die Zeitschrift ist tatsächlich das Organ des Ungarischen Nationalmuseums, und die überaus bedeutenden prachistorischen Schätze desselben zu publicieren, ist wol ihre wichtigste Aufgabe. Daneben findet die auf den Umfang des jetzigen Ungarns bezügliche, mit barbarischen Elementen sich manigfach berührende Antike, sowie die ungarische Altertums- kunde ergibige Berücksichtigung. Die eigentliche Anthropologie jedoch ist fast ganz ohne Vertretung. Aus den 3 Heften des laufenden Jahrganges (Neue Folge, XIII.) wollen wir hervorheben: I. H., Herman O.. Der palaeolithische Fund von Miskolcz (im Auszüge in den Mitt. d. Wiener Anthrop. Gesellsch. XXIII. 2—3. H. ; vgl. Ethnol. Mitt. a. U. III. 8. 91. usw.) Zwei Purgstaller Geffisse. Die Kumanenhügel bei Als6-Szt-Iväny. Die Erdburg Hradek im Saroser Komitat. Neue Funde von Csab-Rendek. Praehistorische Ansiedlung von Szamosudvarhely. Grabfund von Nagy-Kürü. 2. H. Gab es im Neusiedlersee Pfahlbauten ? Die Bestattungsweise der alten Kumanen Horn- und Beingerate von Lengyel. Die praehistorischen Kupferfunde der Gegend zwischen Donau, Theiss und Maros. Bronzfund von Nagy-Dem. Nagyvärader Fund. Deckengemälde der Szmrecsanyer Kirche (volkstümliche Motive) Alt« Wappentafeln als Totenmale. Funde von Tiszazügh, von „Hamvas part" (Szabolcser Komitat), von Galainbok, von BoMog usw. -- Halavats und Herman, Zum Miskole/.er Fund. 3. Heft. Die polierten Steingeräto von Lengyel. Die Schale von Gundestrup und die J>ilberplatte von Csora. Grabfeld aus der Völkerwanderungszeit bei Bezenye (Piecen mit germanischen Runen, über die wir eingehender berichten werden.) Reitergräber in Ungarn. Die Kirche von Topporcz (volks- tümliche Ornamente). Erdschanzo von Muutjana ; Funde von Tisza-Szt- Marton, aus dem Beregher Komitat. in Dunakeszi. bei Sze'kesfehervar.

Armenla. Ungarisch-armenische Revue. Redigiert und herausgegeben von Kristof Szongott in Szamosujvar. Jährlich I ff. Aus dem reichen Inhalt des VI. Jahrganges (1H92) heben wir folgende, auf Volkskunde bezüg- liche Aufsätze hervor: EH*ahrth Abraham, Das Salzen des neugeborenen Kindes (S. 113). fxid. Etztegdr, (,'hinesicher Brauch bei den Armeniern (aus den „Ethnol. Mitt. aus Ungarn") (S. Iii)). Lad. Oopcsa, Anzahl der einheimischen Arm. (S. 281, 334). Ani. ilerrmann, Arm. Märchen (über Wlislocki's Märchen handelnd (S. 21), und : Pflegen wir die arm. Ueberliefe- rungen (S. 27). Aut. Molndr, Aus d. Reiseskizzen eines arm. Schriftstellers (S. 39). -- Jos. Xnricmi», Chemie arm. Küche (S. 139, 170). Luk. f'atrttbdny, Das Armenische als indogermanische Sprache (S. 283, 306). Krintof Szon- yott. Arm. und Türken (S. 82). Hochzeit in Arabgir (S. 121), Aus arm. Volks- tiberlieferung (S. 144). Hochzeit in Van (S. 177). Aus dem laufenden VII. .lahrgang merken wir an: Abrahdmnf Gdmdn Erzsi, Armenische Märchen und Sagen (Nach Wlislocki's Buche). (1. H.) Herrmann A., Zur Ethnologie der Armenier (2. H.) Wlislotkint Dnrfler F., Das armenische Kind (2-3. H.) Sz. M., Die Armenier in Oesterreich (3 4. H.) Dr. Molndr Antal, Ararat und Quanivatha (6. H.) Dr. Wlisloclci ff . Die Arm. in der Bukovina (5—7. H.).

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Zur Z i »• u ne r kund e

Zigeuner-Sagen udgl. über Erzherzog Josef.

L

Der durch seine Studien, humane Colonisationsbestrebung und liebevolle Behandlung der Zigeuner diesem Volke nicht nur in Ungarn, sondern auch im Auslande weit und breit bekannte Erzherzog Josef ist bei einzelnen Ziegeunerstämmen sozusagen zu einer mythischen Gestalt geworden. Wol jeder, der sich mit Zigeunerkunde eingehend und Jahre lang befasst hat, wird dergleichen Anekdoten und Legenden im Kreise der Zigeuner gehört haben, die sich auf Seine Hoheit, unseren Protector beziehen.

Mein Freund und Gefährte H. Wlislocki hatte vor 2 Jahren zu Bürger's allbekanntem Gedicht „Der Kaiser und der Abt" folklori- stische Beiträge in der von Prof. Max Koch herausgegebenen , Zeit- schrift für vergleichende Literaturgeschichte* veröffentlicht und fand dabei die folgende zigeunerische sagenhafte Erzählung, die er aber in seinen Aufsatz aufzunehmen für ungeeignet fand, weil ihm der Inhalt derselben damals noch unklar war. Die hier mitgeteilte Sage, die sich wol auf Seine Hoheit, den Erzherzog Josef bezieht, hat Wlislocki am 24. Mai 1891 in der südungarischen Ortschaft Bezdän nach mündlicher Mitteilung eines bosnischen Wanderzigeuners, namens Peter Karrte" genau und wörtlich aufgezeichnet. Der im mit- geteilten Stücke vorkommende Name Josipo ist eben die slavische Form von Josef und Kuiel'a dürfte vielleicht der Wohnsitz Seiner Hoheit, die magyarische Ortschaft Alcsüth sein. Seine Hoheit, über dieses Wort befragt, meinte, foros kucel'a könnte die billige Stadt, bedeuten, d. h. einen Ort, wo man umsonst leben kann. In gram- matikalischer Beziehung ist der zigeunerische Originaltext auch von Bedeutung, weil er u. a. die Formen des Hilfzeitwortes bald nach ungarischem (avlas), bald nach türkisch-zigeunerischem (iai, isus) Idiom gebraucht. Es bleibe dahingestellt ob jiiipo them* vielleicht eine Reminiseenz an das bei ihrer Einwanderung in Mitteleuropa erdachte Aegypten (Klein-Aegypten) der Zigeuner ist, wie Wlislocki (alles andere nur nicht „Philologe") vermutet.

Curko bare dadenm.

Avlas jekvar jek < ore gakkija, te o saibidäo penelas romenge : „INn, dzas amen andro romengre thein, dzas amen kija Josipo. amare kraj.u Phure daj penelas : .Oh cave, na dzas amen kija Josipo kraj, uva andro foros Kucel'a, taisa the kerel, taisa the kapalel hum; penav turnen, na isi amenge!" Roma na asimas te gele dures, dures andro foros Kucel'a. Odoj sinjaki romengre them. Odoj penelas Josipo kraj : „Gule rome! andro miro them isine jeka bari romnji, maj bari romnji, sare kalt andro ve . Ada bare romujake isi -ov singa, te chal e romnji *ov iingensa dzives jek manu«es. Mire manusen, mirc

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gule manusen; chal'as joj saven. Te me rovav, . rovav, oh gule roma, nasci mange manuSa !" Te penelas soralo Curko: „Oh najbareder kalc krajeja! Me na darav; me dsav asonalis kija bari romnji te me la chav. Isan mange bare danda!" Ternechar gel'as andro rupuni bari foros, odoj be*elas romengre coro Josipo kraj te e kali romnji sov Singensa. Siges isas odoj te penelas kija ternechareske te penelas: „Ac tu kija mange; me na chav tut, kana tu, mange penes: sode bala upro sero isine Josipeske, krajeske ?* Curko penelas : .Mange tu pen, sode cerchena isi upro eero, adji bala isi upro sero Josipeske kraleske." „Laces*, penel romnji, „uva pen tu mange, sode bara isi upre lime?" 0 coro ternechar dikhelas upro rupune foros te penelas: „Adji kera isi andro rupune Kutel'a, sode bara isi upre lime, tu kale romnjije!" „Laces", penelas kale romnji, „pen tu mange akana, sode Singa isi mange ?* Ternechar asunelas, the lake th'isi sov singa, jov penelas: „Tute isi sov singa!" Kale romnji penelas: „Dikh, mange isi panö Singa. Tut me chav!" „Chal'as core ternechares. Te avelas beng andral dzipothem(?), te chal'as core krajes .losipes. Amenge akana avl'ahas them, te kana nasci, amen kurelas(?) te dias, te amenge nasci buter gule them. . .

Curko mit dm grossen Zähnen.

«War einmal ein armer (Zigeuner)-Stamm, und der Saibidso (Führer) sprach zu den Leuten : „Auf, gehen wir in das Land der Zigeuner, gehen wir zu unserem König Josipo/ Die alte Mutter sagte : „0 Kinder, gehen wir nicht zum König Josipo, denn in der Stadt KureVa muss man immer arbeiten, immer mit der Haue arbeiten; ich sage euch, nicht ist es für uns!" Die Männer (Zigeuner) hörten nicht (drauf) und sind gegangen weit, weit in die Stadt Ku'-eVa. Dort ist gewesen das Land der Zigeuner. Dort sprach (zu ihnen) der König Josipo: „Liebe (süsse) Zigeuner! in meinem Land ist eine grosse Zigeunerin, eine sehr grosse Zigeunerin, wie der Raum im Wald (so gross). Diese grosse Zigeunerin hat sechs Hörner1 und frisst mit ihren 6 Hörnern täglich einen Mann. Meine Männer, meine süssen Männer, sie frisst euch alle. Und ich weine, weine, o süsse Zigeuner, icli habe keine Männer (mehr)!" Und es sprach der starke Curko : „0 grösster schwarzer König! ich fürchte mich nicht; ich gehe sogleich zur grossen Frau und ich fresse sie. Ich habe grosse Zähne!" Der Bursche ist gegangen in die silberne grosse Stadt, wo wohnte der arme Josipo, der König der Zigeuner und die schwarze Frau mit den sechs Hörnern. Schnell war er da und (sie) sprach zum Burschen und sagte: „Bleib' du bei mir: ich fresse dich nicht, wenn du mir sagst: wie viel Haare auf dem Haupte sind des Josipo, des Königs?" Curko sprach: „Mir du sag', wie viel Sterne sind am Himmel, so viel Haare sind auf dem Haupte des Königs Josipo." .Gut", sprach die Zigeunerin, „aber sag' mir,

' Dem Volksglauben bosnischer Zigeuner gemäss hat auch die Königin der Krsal'i, dor Gebirgsfeen, die sogenannte Ana 6 Hörner am Kopfe.

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wie viel Berge sind auf der Welt?" Der arme Jüngling blickte auf die silberne Stadt und sprach: „Wie viel Häuser sind im sil- bernen Kuöer<t, so viel Berge sind auf der Welt, du schwarze Frau!" „Gut," sagte die schwarze Frau, „sag' du mir jetzt, wie viel Hörner habe ich ?" Der Jüngling hatte gehört, dass sie sechs Hörner habe, er sagte: .Du hast sechs Hörner!" Die schwarze Zigeunerin sprach: „Siehe, ich habe fünf Hörner. Ich fresse dich!" „Sie hat den armen Burschen gefressen. I'nd kam der Teufel aus Egypten1 und hat gefressen den armen König Josipo. Wir hatten damals ein Land, jetzt haben wir keins, wir plagen uns (?) und gehen, und wir haben kein süsses Land. .

Mitgeteilt von A. IL

Dokumente zur Geschichte der Zigeuner.

[.

OPZNIO.

De domiciliationo, et Regalationo Zingarorum. (Fortsetzung.)

Titulm Z.

De Zingaris Aurilotoribus.

Articulus Novellaris VIII. Anuo 1747. conditus, Zingaris qui ad Auri- loturani exercendam privilegiatos in Transilvania caetus obtinuerunt nti superius liiemorarum est, eariem addicit Privilegia, quao caetoris Urburariis coucessa sunt, reliquis Zingaris ab Aui'iloturae exercitio penitus exclusis.

Hos Aurilotores Zingaros qui juxta conscriptionem anno 1781. pcractam 1291. Familias numerabant, Aerario, Publicoque utile« esse, vel inde patet,

?|Uod teste Repraesontatione Thesaurariali sub 8-va Fehmarn anno 1781. tegio Gubernio exhibita illi vernali, et aestivali tempore praeter id, quod ipsi pro auro supra (Quantum 800 circiter Pisetarum administrato in 2000 flor. sibi acquirunt, et praeter Taxam Contributionalem quam referente auuo 1781. sub Hi-ta Maji Exactoratu Provinciali ipsis a Capito in 1. RH. a facultatilms ad instar aliorum ordinarioruin Oontrihuentiiiru iinpositam pendunt. purum adhuc lucrum in 3802. H. Aerario Regio interant, praeterea autem tabricata lignea, quae ipsi sub Hybernio, quo soilicet ab aurilotura vacant, Ovitatum Oppidorum, et Pagoruui Incolis pro variis necessitatibus, et usibus Domosticis accomodata exiguo pvetio subministrent, et opera quam ruricolis tempore messis in demetendis eornm frugibus praestant, laboribusque tarn Aerario Regio, quam Publieo utilibus oeeupentur.

Illos proinde ab exereenda aurilotura arcere cum manifeste» amittendi aunui exinde provenientis Lucri. quod eo praeeipue nomine consideratione dignum est, quia novam metalli nobiiissimi quautitatem <|UOtaiuüs proereando universam massam communis rerum pretii äuget, talitcrque in hac praesertim Provincia externo commercio destituta DivitiU tain Aerarii Regii quam certo respectu publici incrementum addit, periculo conjunetum foret.

1 l):ipo heisst im Dialekt der südungarischen Zigeuner = Knirps. Aut WH.slocki'H Frage, was (/:»'/«> tem sei, sagte ihm sein Gewährsmann, das .sei ein Land weit, weit, wo ein „stolzer König" wohne.

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Ex hac Aurilotoruin conditione, et vivendi ratione videbatur quidein 1. Thesau rariatui in Montanisticis in praet'ata sua Repraesentatione de 8-va Febr. a. 1781. Regio Gubernio exhibita Domiciliationem Zingatorum auriloto- ruin, et ad fixa habitacula revocationem inpracticabiieni esse, bis, praeter alia in praecitata sua Repraesentatione adducta momenta, ex rationibus, quod ipsi stante eorundem, ut praemissum est, vitae gunere, et stante quae vigebat, actuque viget auriloturae manipulatione in uno fixo Domicilio per- mancre uequcant : nun tempore vernali, et aestivali, ab experientia euim coguitum esse, quod aurum <}iiod ipsi omni anno ad Aerariutn a<I in in ist rare obligantur, non in uno loco semper eluatur, verum quod illud ex ara quam Fluvii, Amnes, et Hivuli aurivehi per totam Provinciam difussi vel maxime exundationum tempore diversis. et ab invicem valde dissitiis locis deponunt, quamque ipsi aurilotores pluribus saepc tcntaminibus incassum factis ad <listantiam plurium inilliarium indagare solent, extrahatur, consequenter auriloturae tempore continuo migrare cum tota Familia debeant, ast nec tempore •Hyemali continuo in uno lixo domicilio permanere queant. <)uia certum esset, praefatos aurilotores ex sola auri eluitione vi tarn sustentare non posse, verum depurato per aestatem auri quanto aunuatim ad Aerarium Regium administrando Hyemalem praecipue subsistentiam ex fabricatione vasorum ligneorum sibi procurare, hac proinde ex ratione eosdem appro- pinquante tempore brumali loca subalpestria fagis praesertim abundantiora quaerere, Ligna pro fabricatione vasorum necessaria a territoriorum ubi bveinalem suam raansionem h'xerunt Dominis Tei*restribus, aut Communita- tibus solnta moderata aliqua Taxa ipsis assignari, ipsos vero Zingaros pro qualitate emporii ad distractionera fabricatorum suorum necessario in uno loco diutius, quam in altero permanere, ac ad sedes suas hybernales pro ratione tarn Lignorum, quam propriae subsistentiae ex uno loco in aliuin transterendas necessitate adigi.

His tarnen Thesaurariatus Regii in Mouetariis, et Montanisticis factis ReÜexionibus non obstantibus ad praehabitam fotamque inter Regium Guber- nimn, et I. Thesaurariatum Regium sub 17-a X-bris. a. 1781. mutuam concer- tationem Sacratissimae suae Majestati sub 10-ina Junii a. 1782, Numeroque 48, et 187. substratam approbata medio Deereti sub 14-ta Augusti ejusdem anni Nro. Guberniali 6525. siguati illius opinione, et factarum in illius conformitate sub 12-ma 7- bris dispositionum cautum t'uit.

1- mo : Ut cum e praeexistentibus tunc juxta suhmissam L'onsignationem 1291. Familiis Aurilotorum 261». Familiarum hybernales mansioncs explorari nequiverint, genuina singulorum Auriolotorum praescripta certiori modalitate instituatur consi-iptio.

2- do : Comperiundis ex hac Conscriptione Auriolotorum Familiis decla- retur in praesentia Provincialium, et Cameralium Officialium eam esse Sacratissitnae Suae Majestatis determinationem, ut illae ad terta, et tixa Domieilia reducantur, ita tarnen; ut tarn auriloturae per menses vernales, et aestivales, quam fabricandis vasis ligneis per reliquum, quod auriloturae non impenditur tempus pro futuro quoqiie sedulo incumbere possint quidein, cum tarnen antea nulli Pagorum Comniunitati adscriptae pro arbitrio per totam Provinciam vagari consveverint imposterum Communitatibus in quas

Fro exigentia Circumstantiarum, quantitate Tcrrenorum, et numero reliquoruin ncolarum auditis Possessovatibus, et Communitatibus illocabuntur adscri- bendae, earumque Tabtdlis Contributionalibus sub titulo illocatorum Fiscalium int'erendae erunt, teneantui'que quolibet anno absoluta Aurilotura ad Terri- torium ejusdem Cominunitatis cui praevio modo adscripta sunt redire, apud .Judicem Loci semet insinuare, praesertim vero tempore Rectificationis coram Rectificatoribus Commissariis pro connotatione e vivis decedentium vel natorum comparare, tacultatem quidem ligna pro fabricandis vasis necessaria ex aliis etiam locis procurandi, fabricataque sua in majori bus etiam Emporiis, distrahendi liberam eis relinquendam esse, ea tarnen cum restrictione, ut id ipsum semper cum praescitu Judicum Pagensium facere obligenrur contra- venientes raox ad loci Magistrat um deferendi, et 12. baculorum ictibus pulsandi erunt.

llfi

3- tio: Communitates. et Domini Terrestres in quoram quarumve Terri- toriis domiciliandi erunt, terram pro erigende Tuguriolo, aut Casula neces- sariam erga pendendain annuatim moderatam taxam pro tundo Dotnus, sen Tugurii, libera item in eommuui Pascuutione, et ex Silvia non vetitis lignatione, et pro extruendo Tugurio, aut casula neeessariis Lingnis pro prima saltem illocatione succurere teneantur. ^Pi-ivilegiis caeterum, et iramunitatibus Zingaris aurilotoribus tenore articuli Novellaris VIII -vi Anni 1747. indultis in salvo remanentibus.

4- to : Quemadmodum Zingaris Equi pro rurali aeconomia deserviente? etiain in Regno Hungariae adraissi sunt, ita et Zingaris aurilotoribus equi pro devehendis auriloturae Instrumentis aulmittendi sint, de quoruiu pabulo tarnen tarn hybernali, quam aestivali tempore ipsimet providebunt. Denique

6-to : Siquis Aurilotoruin Zingarorum praeter locum habitationis externas etiam appertinentias pro tractanda rurali aeconomia a Possessoribus locorum, vel l-espective Communitatibus peteret, et obtineret, talis in eo casu id praestet, quod quivis alter Inquilinus praestare tenetur.

Benignae huic ordinationi Regiae de domiciliandis praedictis Zingaris aurilotoribus in parte satistactum etiam esse perhibent Consignationes, ad diversa ad quae praevie conscripti erant Principatus hujus loca magno numero illocatorum hujusmodi Zingarorum. per Indium Thesaurar iatum in Monetariis, et Montanisticis sub 17-ma 8-tris A. 17HB, sub Nro Ouberniali 8502. Regio Gubernio transpositae, qua occasione una adhuc ordinatum exstitit, ut cum hujusmodi Zingari jam illocati, elapsis altissime a pendenda Contri- hutione ad triennium indultae immunitatis annis in supportandis etiam communibus oneribus reliquis Contribuentibus auxilio futuri sint, usus ille sicubi viguisset, nt Carnincibus taxa aliqua solvatur rospectu illocatorum similium Zingarorum, penitus abrogetur, Negotio pendendae per hos Zingaros Communitatibus, aut Possessoribus Pagorum, ubi illocati sunt, pro beneiicio soli, pascuationis, et lignationis taxae ad eventum sub incude existentis tunc urbarialis regulationis relegato. (Fortsetzung folgt.)

Die Reconstituierung der „Gypsy Lore Society"

ist von einigen der hervorragendsten Mitglieder dieser Gesellschaft angeregt worden. Der reactivierte Verein würde als Hauptaulgabe auch fernerhin die wissenschaftliche Erforschung des Zigeunert ums betrachten, sich aber auch die praktischen Fragen ihrer Ansiedlung und Kultur, überhaupt der Ver- besserung ihrer Luge angelegen sein lassen. Ausserdem würde der Verein in den Bereich seiner Wirksamkeit ziehen: das Studium der mit den Zigeunern in mannigfacher Beziehung stehenden Vaganten aller Art, überhaupt all jener Volkselemente, die sich durch weitgehende besondere Eigenheiten in Lebens- weise und Sprache von der übrigen Bevölkerung auffällig abheben. Eingehende und vergleichende Forschungen solcher Art würden gewiss sehr lehrreiche und interessante, für Volkskunde und Sociologie wichtige Resultate liefern.

Zum Protector der Gesellschaft ist Se. k. u. k Hoheit, Herr Erzherzog Josef ausersehen; Präsident wäre Charles G. Leland, der Vorsteher der Gypsy Lore Society, Honorarsecretär MacRitchio. Die administrativen Agen- den hätte der Redacteur der „Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn" zu versehen. Diese Zeitschrift wäre auch das Organ der Gesellschaft für inter- nationale Zigeuner- und Vagantenkunde. Ausser dein Pränumerationsbetrage für diese Zeitschrift (für Mitglieder 3 fl.) wäre keine Mitgliedstaxe zu be- zahlen. Die genannten vier Herren wären mit der Ausarbeitung der Statuten udgl. zu betrauen.

Wir ersuchen die Mitglieder der Gypsy Lore Society, sowie alle die- jenigen, die sich für diese Angelegenheit interessieren, ihre diesbezüglichen Meinungsäusserungen der Redcation der „Ethnologischen Mitteilungen" ge- fälligst ehestens zukommen zu lassen.

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In dem Verlage von Emil Felbel-, Berlin, S. W. 46, Hallesche-Strasee 4. Ist erschienen and durch alle Buchhandlungen zu beziehen :

IDEALE WELTEN

NACH URANOGR APHISCHEN PROVINZEN IN WORT UND BILD. ETHNOLOGISCHE ZEIT- UND STREITFRAGEN, NACH GESICHTSPUNKTEN DER INDISCHEN VÖLKERKUNDE

VON

A. BASTIAN.

Drei Bände, gro.sst.es mit 22 Tafeln. Ladenpreis 45 Mark.

Band I.

Reisen auf der Vorder-indischen Halbinsel im Jahre 1890 für ethnolo- gische Studien und Sammlungszwecke. Mit 9 Tafeln.

Band II.

Ethnologie und Geschichte in ihren Berührungspunkten unter Bezug- nahme auf Indien. Mit 9 Tafeln.

Kosmogonien und Theogonien indischer Religionsphilosophien (vor- nehmlich derjainistisrhen). Zur Beantwortung ethnologischer Fragestellungen. Mit 1 Tafeln.

* «

Beiträge

/UV

Volks- und Völkerkunde.

Von diesem in zwanglosen Bänden erscheinenden Sammelwerk Rind bis jetzt zur Ausgabe gelangt: \ '

Band I.

Volkiglauba und Volkabrauoh dar Siebenbürger Baohaan.

V on Hr. Ilnnrirk von Wtialorki. - Preis 5,- Mark.

Band II.

Dia Entwicklung dar Ehra. Von Tk. AeMi». - Preis 2,G0 M.

Im Herbst 1893 wird erscheinen:

Lieder und Oeiohiohtan der Suaheli.

Von C CS. Büttner.

Am Urquell. Monatschrift für Volkkunde. Herausgegeben von Friedrich S. Kmwm. (Wien, VII. Neustiftgasse 12) Preis ganzjährig 4 Mark oder 5 Kronen. Diese billigste und interessanteste Zeitschrift für Volkskunde sei allen Volks- torschern und allen Freunden des Volkstümlichen aufs angelegentlichste empfohlen.

Publicationen zur Völkerkunde Ungarns.

Von «len vom Herausgeber der „Ethnologischen Mitteilungen"* edierten, früher angezeigten Puolioatiouen sind erschienen : Coiuen Gfza Kuun, ßelatio- nuin Huugarovum cum Oriente gentihnsque Orientalin originis historia anti- iiuissima, l. Bd. (Zu beziehen von der Verlagsanstalt Kihnn'hrlödrM in Kolossrdr.

A. Hrvrmnm». Beitrage zur Vergleich ung der Volkspoesie. Mit Musiknoten 1 fl. //. r. WHslorki, Zauber- un«l Bobprcchungsforraeln der Ziegeuner ÜÄ3 kr , Ober den Zauber mit* Körperteilen bei den traussilvanischen Zigeunern 30 kr.

Ih\ S. Fr. Ki-mw, Das Burgfrnulein von Pressburg. II', v. Srhultnbur(tf Die Frau bei den Sudslaven. ./. r. A»b6t/i, Das Lied von Gusinje, 50 kr. AV«n/*», A.il'olh, Thalhkzjfy Südslavisches, 150 kr. Zu beziehen nur von der Administration der „Ethnologischen Mitteilungen aus Dngam."

Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn. I. Bd. 4 Hefte, 5 fl. (Das noch rückständige 4. Heft wird in kurzem erscheinen, und denjenigen Besitzern der !l ersten Hefte, die den III. Bd. bestellt haben« kostenfrei nachgeliefert werden.) - IT. Bd. 10 Hefte, !; tl. III. Bd. (1KK-J) Monatlieh 2 Hefte, 4 fl. - - ."Cur diree.t vom HeratisgeW zu beziehen, t Budapest, I. Szent György-uteza 2.

'

Dienern Hefte der „Ethnologischen Mitteilungen11 liegt Titel und Inht. 'tu- vrsrfrhm* dt» II. Ta »dm bei, von dem etwa 60 Exemplare noch zum Ver- kaufe* bestimmt sind. Preis H fl.

INHALT.

th\ lt. Munkthny, Ueber die heidnische Religion der Wogulen ... 01 /*/•. Fr. S\ Krüns», König Mathias und Peter Gereb. Ein bulgarisches

Guslarenlied aus Bosnien 71

l.it<luig KiUtndmj, Nachlese zu «len kosmogonischen Spuren in der

magyarischen Volkauberlieterung 78

Dr. Karl hipai. Eine Hcldeusago der SUd-Ostjaken H2

Kri*U\f ^ionjfttti, Mttichen der »Siebeubürger Armenier . . . 88 l'i'of. Dr. Aurtl r. Tonil,; Der palacolithisehe Fund aus Miskolcz und die

Krug« des diluvischeu Menschen in l'ngarn .' i!>1

Harry Jitim*4H, Ktduische Volksmärchen !»7

IKhi SttanfaS. Sammeln ungarischer Volksweisen .tfl

t>r. iieorjf Vn*'mji, Deutsche Kinderreime ans der Gegend von Körmöcz-

banya 101

A. 7/., Aus dein Dobsinaer Volksglauben 10«

Splitter und Spfine * . 108

Anzeigen .... 110

Zur Zutriitorkttiulr.

A. II.. Zigeuner-Sagen udgi über Erzherzog dosef 1 12

Dokumente zur Geschichte der Zi#« nner IM

Die Reconstituieiung der „liypsy Lore Society' | Ii;

Auf dem l/mschla«?: An die K. Mitglieder der*,,« iv|.sy Lore Society". Annoncen. Publicationen zur Völkerkunde l'ngarn».

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III.

I. AUGUST.

5-6. HEFT.

ETHNOLOGISCHE MITTEILUNGEN

aus Ungarn.

Zeitschrift für die Völkerkunde Ungarns

und

der damit in ethnographischen Beziehungen stehenden Länder.

(Zugleich Organ für allgemeine Zigeunerkunde

Unter dorn Protortoi-utu und dm- Mitwirkung Seiner kais. und königl. Hoheit des Herrn Erzherzogs Josef

tvuiiri»

Prof. Dr. ANTON HERRMANN.

Mi

8 Kv<

l'uhll

Budapest, I.. Szent-György-utcza 8.

AmilNISTUATION :

Budapest, V.. Bälväny-utcza 8. < ..Nemzeti kcriyvnyomda - )

BUDAPEST, 1893.

ßnehdruckerui ..NKMZK TI KÖN Y VNYOMDA" HulvAnv-utczß 2.

An die (/. Mitglieder der Gypsy Lore Society.

Nachdem das Journal unserer Gesellschaft nach dreijährigem Wirken vor Ylt Jahren eingehen mussfe, ist die Zigeunerkunde toieder •>hrw, eigenen Organ geblieben) und diese Lücke wird, von den Ztgen- nerforschern ausst rordentiuh lebhaft empfunden. Um diesem fühlbar*'» Mangel im Wesentlichen abzuhelfen, geruht» der erlauchte und Höchst- rerdiente Förderer und Pfleger der Zigeunerkunde, Seine kaiserl. und königt. Hoheit, Herr Erzherzog Josef fer cmi Antmi Ibrmmnx gtsgrüiiäe^n Fachzeitschrift ^Bknolofieehe Mitteilungen aus Ungarn,* welche Jahn- Hindu rrh der Wissenschuft ron den Zif/eunern eine her* eorh'lietid'- Beachtung migedeihen Hess. tih>-r bisher der Ungunst der Verhältnisse wegen n'wht erwünschtermussen erstarken konnte, »IC materiellen und moralischen Bedingungen des erspriessUchen Gedeihen» end(/ilti(f zu sichern. Die genannt*' Zeitschrift erscheint unter dem Protedorate und der Mitwirkung 8r. Hoheit auch ferner unhr der ffadactum von Anton Herrmann, dem der Zigeunerforscher II. >: Wlislocki als ständiger interner Uaupttnüarbeiter zur Seite steht, com dum l. Jahres un in Budapest regelmässig in hallimonntuchen

nun an in noch hervorragenderer Weise pflegen und sich zum Orr/an internationaler Zigeunerknnde gestalten, wofür die Nanum der erwähnten drei Forscher die sicherste Bürgschaft bieten*

Wir FnterfertigU < rsachen alle Mitglieder der ^Ogpsg Lote Socic'u", du qenannle Zeitschrift bestellen und ihr jV 'hänfner Arbeiten

zum uus)n fimcna oitiiucn t reist con •> p. ti. m . (*> t\ruuen, rj .'/"jat, $ Sh. 7 Frcs) icAoch nur direct vom Hcmusm-her And lon Herr mann

David Mao Ritohle Charles 6. Leland

Hon. Socretür. Prä*, der Gypay Lore fl

Bureau der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns.

Vorstund ' Graf Crttu Kutui Vorntitndxtrllrerfrrtrr ' A HcrrnMUH

des

Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn.

l'NTKK DEM PKOTECTOKATK CXI) DHU MITtt liJKL NO

Sr. kais. und königliche Hoheit des Herrn Erzherzogs Josef

ivditfim-t und heniusgoffolmn von Anton Hernnann. IIL Band. Budapest, 1893. August. 5—6. Heft.

Der palaeolithische Fund aus Miskolcz und die Frage des diluvi-

schen Menschen in Ungarn.

Von Prof. Dr. Aurd v. T>iriik, I>in<ctor dos anthropologischen Museums

zu Budapest.

III.

Der Hinweis auf den sich jetzt vollziehenden l'mschwimg in der Auffassung des Alters der Menschheit in meinem ersten Aufsatz, auf S. 9—10, Heft 12 : dass nämlich auf Grund- lage der bisherigen Tatsachen der Mensch mit dem Mammut nicht zusammen leben konnte (Jap. Stt'nt.<(rnp) und dass das Alter der Menschheit nicht über die sog. Kentierzeit hinaus sicher verfolgt werden kann f Virrlton-j: hat, , wie ich mit Freude hervorheben mnss, die Veranlassung zu einer Äusserung von Seite eines der allercompetentesten Forscher, des Herrn Prof. Dr. Alfnil Xt'hriv'/ (Herlin): ..I ber die Gleichzeitigkeit des Menschen mit Hyaena spelaea." (Mittheilungen der Anthropologischen Gesell- schaft in Wien. Bd. XXIII. der neuen Folge Bd. XIII - 304 -311 Wien 1893) gegeben, worin der hochverehte Forscher mittels seiner Ausgrabungen im Thwhr (t'ipshruch (zwischen Braun- schweig und Wollenbüttel) den zweifellosen Nachweis über das Zusammenleben des Menschen mit Hyaena spelaea - einein charakteristischen Mitgliede der Fauna der Mammutzeit liefert, womit also auch das Zusammenleben des Menschen mit dem Mammut für erwiesen betrachtet werden muss. Wenn ich also meinen in Rede stehenden Hinweis hiermit gerne berichtige, so ändert dies nichts an der Sache selbst: dass man nämlich seit den letzten Jahren viel an Sanguinismus verloren hat. Denn jetzt begnügt man sich nicht mehr einfach mit dem Argument, dass Menschenreste oder menschliche Werkzeuge mit irgend einem fossilen Tierknochen zusammen aufgefunden wurden da man auch den strengen Beweis der Contemporaneitüt derselben fordert und dies gewiss im Interesse der Wissenschaft nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Dass ich mich der Ansicht des hoch- verehrten Nestors, Jap. $twisfrnjt anschloss. rührt daher, dass ich der freundlichen Einladung Herren Dr. HV/w/v/V (im Sommer 1887) folgend, mit ihm das Mammutfeld in Przedmost besuchte ; und ich inuss jetzt noch auch nach der Äusserung AV//W////V meine

Kthn. Mitt. a. Ungarn. III. 9

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Überzeugung aussprechen, dass für Przedmost die Auffassung St*n- strup'n dir plausiblere ist. Die auffallend vielen Mammute könnt** der diluviale Mensch nicht selbst dort anhäufen, sie waren so umge- kommen, wie z. B. in den Tundren Sibiriens, wo sie dann im erfrorenen Zustande lange .Jahrhunderte hindurch conserviert Mir ben, und wo sie die Jäger in der diluvialen Zeit ebenso unversehrt antreffen konnten, wie jetzt noch die Tungusen in Sibirien.

Nun können wir auf diejenigen Funde übergehen, welche zum Nachweis des diluvialen Menschen in l'ngarn bisher auge- führt worden sind.

Wenn wir die bisherigen Ansichten über die Frage des diluvialen Menschen in Ungarn gegenseitig abwägen, so können wir uns weder denjenigen Forschem ansehliessen, die gewissermassen auch schon die Möglichkeit der Existenz des diluvischen Menschen in Ungarn leugneten, noch aber denjenigen, die die Existenz desselben schon über alle Zweifel bewiesen erachten.

Nach der Ansicht der um die Geologie Ungarns hoch ver- dienten Gelehrten Prof. v. Szahti und Prof. Koch war die pontisehe Depression während der Zeitperiode der Lössablagerung von einein Süsswasser See bedeckt, und Ungarn bildete einen Husen des- selben, weshalb weder der quaternäre Mensch noch die quatcr- niiren Landtiere im grössten Teile Ungarns existieren konnten. Wir brauchen auf die Discussion der damaligen geologischen Ver- hältnisse Ungarns hier nicht einzugehen, wozu wir uns nicht für berufen halten, und können doch aus den zahlreichen Knochen des diluvialen Höhlenhären, die in den Höhlen und Grotten ent- lang der Karpaten und ihrer Ausläufer aufgefunden wurden, den untrüglichen Beweis für die Existenz der quaternären Landfauna schöpfen: ein grosser Teil Oberungarns und ein noch grösserer Teil Siebenbürgens musste auch während der quaternären politi- schen Depression für die Existenz der Landtiere geeignet gewesen sein. Dass aber noch vor der grossen Eiszeit Europa's in Niederun- gen lebende Tiere in l'ngarn existierten, beweisen die ziemlich vielen Knochenreste des Mammuts und die weniger zahlreichen Uberreste des Khinoceros. die man im Stromgebiet der Donau. Theiss und Save aufgefunden hat.

Da also l'ngarn eine ziemlich verbreitete quaternäre Fauna aufweist, so war die Möglichkeit der Existenz des quaternären Menschen gewiss vorhanden, und da schon in der unmittelbaren Nachbarschaft, nähmlich in Mähren der diluviale Mensch bereits nachgewiesen ist, so müssen wir es sogar für wahrscheinlich halten, dass der diluviale Mensch auch in Ungarn vorkam, wenn es auch bisher nicht gelungen ist, den Beweis für seine Existenz sicher zu erbringen.

Diejenigen, die die Existenz des diluvialen Menschen Ungarns für schon bewiesen halten, gehen entweder von der geologischen Be- stimmung derjenigen Erdschichtc aus. in welcher die betreffenden Monschenknochen oder Artefacte gefunden worden, oder aber von

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der Coexistenz der Menschenknoehcn mit diluvialen Tierknochen aber ohne auf das einzig entscheidende Moment einzudringen : ob auch etwa die Gleichalterigkeit der betreffenden Erdschichte und der darin aufgefundenen Menschenknochen und Artcfacte schon als sicher angenommen werden könnte.

Unter den hier bereits weiter oben angeführten Funden aus der angeblichen diluvialen Zeit verdienen hier nur die folgenden zwei in Betracht gezogen zu werden : der Schädel aus Nagy-Säp und die angebrannten (verkohlten) Knochen des Höhlenbären aus der Höhle bei O-Ruzsin.

Der Schädel von Nagy-Säp ist auch in die Weltliteratur eingeführt worden und spielt noch bis zum heutigen Tage die

Auffindung dieses Schädels wollen wir den Bericht dos durch seine bahnbrechenden Untersuchungen der Foraminiferen Ugarnns berühmten Palaeontologen Herrn Prof. Hantken mitteilen, welchen derselbe im Jahre 1872 an Herrn Dr. Felix v. Luschan (damals in Wien) brieflich gerichtet hat: ..Durch Herrn Brzoräd, Gutsbe- sitzer in Mogyorös bei Gran brachte ich im verflossenen »Jahre in Erfahrung, dass in einem Wasserrisse bei Nagy-Säp Knochen vorkommen. Die mir damals von Herrn Brzoräd gezeigten Stücke (Oberarm- und Schenkelknochen), die er selbst von der Fund- stelle gebracht, erkannte ich sogleich als menschliche und bat ihn daher, mich an Ort und Stelle zu führen. Dort angelangt, gelang es uns nach längerem (traben einen vollständigen Men- schenschädel zu erlangen, ausserdem fanden wir noch Teile eines zweiten Schädels und eine Reihe anderer Knochen. Vor allein lag es mir nun daran, zu constatieren, ob die Knochen nicht etwa später in den Löss, in welchem sie vorkommen, eingegraben worden sein konnten. Die f/enauesten Untvrsuchtuujen Hessen nicht das min- deste Zeichen wahrnehmen, aus dem nvin zu der Folf/erunj yelannen konnte, dass die Knochen mit dem Löss nicht t/leichalteriy wären. Hier- auf sind in einer Sitzung der ung. genlog. Gesellschaft einige Herrn mit der Mission betraut worden, an Ort und Stelle weitere Erhebungen zu pflegen, besonders aber zu constatieren, ob die Knochen gleichalterig mit dem Löss seien, oder nicht, da ich immer- hin die Möglichkeit annahm, dass ich und Herr Brzoräd uns doch täuschen konnten. Mit dieser Mission wurde unter Anderen auch Herr Prof. Dr. Szabö betraut, der dann auch im Laufe des Som- mers den Fundort besuchte und yanz ausser allem Zweifel findet, dass die Knochen der Lösszeit anyehören. Die Fundstelle befindet sich in dem Gebiete der Ortschaft Nagy-Säp, doch näher zu dem Dorfe Epöly. Durch den Wasserriss, in dem die Knochen vorge- kommen, wird der Löss auf eine Tiefe von 1' * Klafter entblösst. Etwa 5 bis b Fuss von der Oberfläche sind die Knochen vorgekom- men, wie es aus der beigefügten Skizze ersichtlich ist. Der Löss ist typisch, wie in der ganzen Umgebung, in welcher man an vielen Stellen schon Mammutreste gefunden. Die Knochen lagen

der diluvialen Zeit. Über die

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Il>()

wirr durch einander und rüluvn von mindestens zwei Individuen her da zwei Schädel gefunden wurden. Die nähere anato- mische l'ntcrsuchuitg wird in dem hiesigen anntomischen Insti- tute vorgenommen werden. Sollten Sie es wünschen, so hin ich Iiereit, den vollständigen Schädel zur Vorlegung in einer Sitzung

der anthrop. < iesellschaft einzusenden ** (s. Die Funde \on

Xagv-Säp, v. Felix Luschan, stud. med., in den Mittheilun^eu der anthrop. (iesellschaft. 1872. II. 801- 3Mi.)

Der Schädel summt einer rechtsseitigen Elle ( l'lna) ist durch Schenkung von Seite meines ('olleren Herrn Prof. v. H«utk<u in die Sammlung des anthropologischen Museums übergegangen. Da mich «lieser Fund ausserordentlich interessierte, Iiahe ich über die Einzelheiten der Auffindung öfters mit meinem Collogvu Rücksprache genommen. Die Erdschicht, worin die Knochen lagen, ist in der Tat eine diluviale Dössschicht und ein (Jestört- sein derselhen konnte v. Hantken nicht im mindesten entdecken ; so dass nach der älteren Anschauungsweise dieser Fund als der diluvialen Zeitperiode angehörig betrachtet werden miisste. Ich habe schon weiter oben auseinandergesetzt, dass man bei knochenlageni .ms alteren Zeiten (H()0 HH!0 Jahren ), die Spuren einer Störung mit freiem Auge in den meisten Fällen gar nicht oder nur in schwachen Spuren entdecken kann. Die bei der Störung, Auiwühlung und dem Begraben hervorgebrachte Lockerung des Krdbodens wird durch den continuierlicb wirkenden Seitendruck und egalisierende Vor- teilung der Erde im Verlaufe von mehreren Jahrhunderten voll- kommen ausgeglichen, so dass in Bezug auf die Compact heit gar kein rmerschied zwischen der aufgewühlten Stelle und der rmgebung beobachtet werden kann, folglich auch zur Erkennung der einstmaligen Störung nur geringe Spuren von verschieden ge- färbten Streiten, Flecken übrigbleiben und auch diese nicht immer. Ich habe weiter oben bereits angegeben, dass in den •inen Fallen diese farbigen Spuren nur oberhalb der begrabenen Knochen, in den anderen wieder nur ganz unmittelbar um die Knochen herum aufzufinden sind. Da Herr v. llnntkvn bei der Ausgrabung der oberflächlicheren Schichten nicht zugegen war, so konnten hier die farbigen Spuren von den Arbeitern sehr leicht übersehen werden, somit die Aufwühlung des diluvialen Lüsshodens gänzlich unbemerkt bleiben. Dass Herr v. Ilautkni in der unmittelbaren rmgebung der Lossschichte keine Spuren einer Aufwühlung sah. ist also noch kein sicherer Beweis dessen, dass die menschlichen Knochen mit der Bildung der Lösschichte gleichalterig sein müssten. Das Sonderbarste dieses Fundes be- steht aber darin, dass. wie v. ffinith-n mir bei den wiederholten Besprechungen öfters \ orsicherto, bei dem weitereu (traben der Lossschichic in der Nahe der Knochen ,-in*- eiWw* Schnalir auf- gefunden w urde. Kin ilihi>i>tl>r Mritscln n»rhi'iii*'l ttn>l >iu>' rifTtir Sihn<ilt< ! Diese zwei Dinge müssen sich doch gegenseitig aus- schliesseti. r. Il>utlk>n versicherte mir auch, dass mit der AiriTui-

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dung dieser Schnalle ihm der ganze Fund vollends rätselhalt erschien. Weder der Schädel noch der Ellenknochen unterscheidet sich von den recenten Menschenknochen, und zwar weder in Hinsicht der KnochenbeschafTenheit (Erhaltungszustand), noch in Hinsicht der Formation. Die Farbe der Knochen ist hellbraun, die Rindenschichte (tabula ossea) ist mit Ausnahme der vielen verzweigten oberflächlichen Furchen, die schon Lusehan mit den Gängen des Bostrichus chalcographus verglich, erhalten geblieben. Auf dem ganzen Scheitel (im Intervall der beiderseitigen oberrii Schläfenlinien) bemerkt man die Knochenoberfläche wie mit feinen Punktierunifen besäet. Diese feinen, punktförmigen, seichten Vertiefungen haben dieselbe Anordnung wie die Haare auf der Kopfschwarte, ich hnlte sie auch für die Abdrücke der Haarzwiebeln. Ich habe schon riete solche Gräberschädel gesammelt, wo noch das Kopfhaar in Form einer Perrücke lose am Schädel lag, und beim Abheben dieser Perrückr fand ich den einzelnen Haarzwiebel-Gruppen entsprechende Punkt- Gruppen in die tela ossca der Schädelknochen wie eingestichelt. Diese gestichelten Punkt-Gruppen kommen immer nur in der mittleren Partie des Schädeldaches vor also in der von den Muskeln nicht bedeckten Schädelregion ; während sie an der Schläfengegend nie zu sehen sind, wie dies auch beim Nagy-Saper Schädel der Fall ist. (Schon dieses einzige Charakteristikum zeugt gegen ein sehr hohes Alter allenfalls muss der Schädel schon über mehr als 100 Jahre unter der Erde gelegen haben, wie dies auch die erwähnten Umstände bei seiner Auffindung beweisen.) Was seine Form anbelangt, ist es ein : kurzer (brachycephal, Cephalin- dex = 82*02), hoher (hypsicephal, Längenhöhenindex = 79-13), schmalgeskhÜger (leptoprosop Index nach Virchow 12b'* 14), lyreitgaumiger (brachystaphylin, Gaumenindex 9U'74), schmal- nasiger (leptorrhin, Nasenindex 41 '81), hoch (lang) angenhöhliger (hypsikonch, Aiigenhöhlenindex = 85*51 ) Schädel, dessen Gesiehts- profil nur mittelmässig vorspringt (mesognath, deutscher Profil- winkel = 89*1"). Wir tiaben also hier einen Schädeltypus vor uns, welcher mit den bisher bekannten ScJiädeln aus der Diluvial-Zeit nichts gemein hat ja sogar zu diesen einen gegensätzlichen Typus aufweist. Bs ist ein alter Schädel aus der recenten geologischen Zeit, nach seiner charakteristischen Form imd namentlich wegen seiner seichten Wangengruben (fossae caninae) weist er einen Typus auf, welcher im Osten Europa's auch heute vorkommt. Carl %Vog< nannte halb scherzweise diesen Schädel einen echt sarma- tisehen Schädel.

Dieser recente Schädel wurde von den Gelehrten bisher als ein zur sogenannten Cannstadt-Rasse gehöriger Schädel an- geführt. Nun diese sog. Cannstadt-Rasse wurde im vorigen Jahre in der deutschen Anthropologen- Versammlung in Ulm, auf Grund- lage der Aufdockung des bisherigen Irrtums in Bezug auf das angebliche diluviale Alter des Cannstädter Schädels (welcher sich als Reihengräberschädel* entpuppte, wenngleich in dem be-

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treffenden Gräberfeld auch Mammutknoehen gefunden worden sind) feierlich zur ewigen Ruhe bestattet. Nachdem < rrundsatze: «De mortuis nihil nisi bene", wollen wir auch den Nagy-Saper Schädel zum Andenken in die Gruft der Cannstadt 'sehen Kasv beilegen.

Nicht minder interessant ist die Frage der verkohlten Hohlen- biirenknochen aus der Höhle hei Ö-Ruzsin.

Der durch seine geologischen Forschungen bekannte und in seiner vollen Tätigkeit vom Tode dahingeraffte Loutscliau r Professor Dr. Stnnw-I Hüih gelangte im Jahre 1S81 auf <jrun<i der in der Höhle von O-Ruzsin hei Leutschau gefundenen ver- kohlten Knochen des Höhlenbären zu dem Schluss: dass der diluviale Mensch auch in l'ngarn lebte. Diese Kunde hat in den wissenschaftlichen Kreisen rngarns eine sehr grosse Sensation erregt, weil die eingesendeten verkohlten Härenknochen in der Tat von Itsus spelaeus herrührten, so dass die k. n. Natur wissenschaftliche Gesellschaft in Budapest sich veranlasst sah. eine Kommission damit zu betrauen, um an Ort und Stelle den Fund einer controlierenden Forschung zu unterziehen. Dies«- Kommission bestand aus meiner Person und aus Herrn v. Lrn'sij und dem schon Hingangs hier erwähnten Landes-Haupt geologen Herrn L. v. h'otii. Wir begaben uns tun 2ö. Mai noch O-Ruzsin, um unter Führung des weil. Prof. Sutmttl Koth die Stelle zu besichtigen, wo die verkohlten Hühlenbärenknociien von ihm aufgefunden wurden. Da Prof. S. h'dtlt im Höhlenlehui eine Kohlenschichte entdeckte, so war für uns die Aufgabe bei der Controle präzis voryezeiclinet, denn es handelte sich um die Kntscheidung : ob die Kohlenschicht«' des Höhlenlehms und ob das Anbrennen der Knochen des t'rsus spelaeus in der Tat vom diluvialen Menschen herrührt ? Wir haben teils an der bezeichneten Stelle, teils an den bisher ungestörten Partieen der Höhlenerde Nachgrabungen ausgeführt. Auch w ir fanden ange- brannte, verkohlte Höhlenbärenkiiochen. auch wir constatierten eine (von Asche herrührende) graulichte mit schwarzen Striemen durchzogene Kohlenschichte, wir fanden ausserdem noch zwei Stück«' von Thongeschirren, die mit wellenförmigen, im Bogen zusammenlaufenden Strichen verziert waren. Ja wir haben an einer der aufgegrabenen Stellen sogar zwei Kohlenschiehten nachgewiesen. Die obere Kohlenschiehte latr von der Krdober- flache in einer Tiefe von 10 cm., deren durebsehuittljehe Dicke ebenfalls 10. cm. war: hierunter folgte eine mit Gerollen gemengte l.cluiischichtc. in welcher die zweite Kohlen- schichte <in einer Tiefe von 1 m. von der . KrdobeHlm he) lag. Sowol in der oberen wie auch in der unteren KohJeiischichte fanden wir angebrannte Knochen von l'rsus speliums - o\»r ho h Knoi hrn iati twalnt H nmn »n>»l ( '< rt i<ht-Art<'n. Insgesamt haben w ir die Hohlenerde an fünf Stelleu aufgegraben. ti'iJ.H'i im iiuch tf* i>)!lt> nicht nntj* drntnif tnr/,t r,;knhit« Kn'H.hru r/etf

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lTrsus spelaeus antrafen, aber nirgends fanden wir Menschen knochrn and Steinartefacte vor.

Infolge der von uns ausgeführten Ausgrabungen, an welchen Prof. S. Roth ebenfalls teilgenommen hat, mussten wir zu fol- genden Resultaten gelangen: 1. Ks ist richtig, dass in der O-Ruzsiner Höhle verkohlte Knochen von Ursus spelaeus vor- kommen, wie dies Prof. S. Roth zuerst entdeckt hat. 2. Die ver- kohlten Knochen dieses diluvialen Tieres landen sich aber immer nur in einer schon früher aufgewühlten Schichte des Höhlenlehms in Gemeinschaft mit Aschenresten, Thonscherben und Knochen von reconten Tieren vor. 3. Hingegen war unter den in der tief- sten, bisher unaufgewühlt gebliebenen Schichte des Höhlen- lehms — aulgefundenen Knochen des Höhlenbären kein einziges Stück angebrannt, verkohlt, und hier waren auch weder Aschen- reste noch Thonscherben oder Knochen von recenten Tieren vor- handen. — Aug diesen Resultaten mussteii wir also den Schlaf* ziehen: dass der diluviale Mensch in der 6-Ruzsiner Höhle, trotz der durch Menschenhand verkohlten Knochen des Ursus spelaeus, nicht nachgewiesen werden konnte.

Da aber in der O-Ruzsiner Höhle verkohlte Knochen eines echt diluvialen Tieres in dor Tat vorkommen, so musste die Kom- mission sich auch mit jener Frage beschäftigen: wann diese diluvialen Knochen vom Menschen verkohlt wurden. Ob in prä- historischer oder in historischer Zeit V In Bezug auf diese Frage kamen wir zum folgenden Resultat. Ks ist anzunehmen, dass die Verkohlung- im selben Zeitalter stattfand, welchem die Thon- geschirre selbst angehören. Man ist also hier nur auf die Thon- scherben angewiesen ; denn ausser ihnen wurde kein anderes Kunstproduet oder Werkzeug vorgefunden, Da aber die Thon- scherben gut gebrannt und mit den erwähnten Verzierungen ver- sehen waren, welche Verzierungen wir der sogenannten slavischen Ornamentik zuschreiben, müsste man, - - wenn es berechtigt wäre, aus einem einzigen Zeichen eine chronologische Bestim- mung mit Sicherheit machen zu können die Verkohlung der Slavenzeit zuschreiben. (Unser Bericht erschien in der „Terme- szettudomänyi Közlöny" Budapest 1883. März.)

Wie wir also sehen, konnte der diluviale Mensch in Ungarn auch durch den O-Ruzsiner Fund nicht bestätigt werden, und somit muss auch dieser Fund fortan aus der Liste des diluvialen Zeitalters gestrichen werden.

Wen7{ wir also alle bisherigen angeblich aus der diluvialen Zeit 'herstammenden Funde Ungarns eines such ge müssen Kritik unterziehen so müssen wir (janz offen gestehen >: dass die Ejistnz des dilw inten Meteehen in l ngarn sichher nachzuweisen bisher noch . nicht gelungen ist, somit auch die Miskolczer zugeschlagene Sile.re.rte eben wegen Ermangelung , eines prüzisen Xachweises der diluvialen Schichte*)

*) KbenaU ich diese Zeilen schrieb erhielt ich die neueste Nummer »los Arrhaeol. Krtesitö (IHS'A No. 2. 15. April), in weit her ein energischer Protzt

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sowie des Xach weises der Intactheit dieser Schichte nicht mehr als Beweis des diluvialen Menschen in Ungarn angeführt werden dürfen. Andererseits müssen wir aber in Anbetracht dessen, dass der diluvial*- Mensch in dem benachbarte)) Mähren bereits nachgewiesen wurde dir Wahrscheinlichkeit der Existenz des diluvialen Menschen auch für Ungarn voraussehen es kann kein emsiges Moment angeführt werden, welches eine solche Annahme auszuschliessen vermöchte. Di*' höchst interessante Entdeckung der Miskolczer S'dexäxte, sollte ein Sporn zu neueren Forschungen sein ; und in Eigenschaft als Professor der Anthropologie trachte ich es einfach für meine Pflicht der hohen Regierung und der ungarischen Akademie der Wissenschaften, denen es obliegt die wissenschaftliche Cultur Ungarns auf das Niveau der europäischen Wissenschaftlichkeit zu heften, zur Reherzigung zu em- pfehlen: dass es schon die höchste Zeit wäre, in geeigneter Weise dafür zu sorgen, um die anthropologischen Ausgrabungen systematisch d. h. mit den nötigen Mitteln, ausführen zu können. Bisher waren wir wegen der geringen Hülfsmittel immer auf die Zufälligkeiten folglich auch auf die sog. Raubwirtschaft" angewiesen und in den meisten Fället* war dns Eingreifen von Seite der Sachverständigen schon zu spät. Ehen bei derartigen Forschungen kann mann sagen, dass: was man der Minute ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit zurück.

Budapest, den 17. April 1893. (Anthropologisches Musem).

Ueber die heidnische Religion der Wogulen.

Von Dr. R. Munhivst.

IL

Nach wogulischer Auffassung gibt es auch ein Leben nach dem Tode. Auf einer Insel des nördlichen Eismeeres befindet sich der Wohnort der Verstorbenen, wohin sie aber nicht gleich nach ihrem Tode gelangen, sondern erst nach 40 Tagen, während welcher Zeit die Seele oft heimkehrt. Deshalb darf man das Feuer, welches der Tote zurückgelassen hat, 40 Tage lang nicht erlöschen lassen ; wenn aber dies doch geschieht, so kann man auf ver- derbliche Folgen rechnen. Die Gewogenheit der Seele des Toten sichert man sich durch Speiseopfer, die, solange er noch un- beerdigt ist, jeden Tag, dann aber nach Ablauf seiner „heiligen Woche" (jelpih sät) und im Lauf des ersten Jahres 3 l mal dargebracht werden. Die Opferdarbringung geschieht im Fried- hofe auf die Weise, dass vor dem Grabe ein Feuer angezündet und Wasser ins Sieden gebracht wird, in das man Lebensmittel wirft, die man dann in ein besonderes Gefäss giesst und unter

gegon die diluvial*? Deutung derjenigen Schichte, worin die Miskolczer Silex- äxt»? aufgefunden wurden, von dem kön. Sectionsgeologen Herrn J. HnlavaU veröffentlicht ist (a. a. O. S.

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Hersagen von Gebeten neben den das Grab bezeichnenden, um- gestürzten Schlitten oder den daselbst wachsenden Baum stellt.

Mit bestimmten Jahrestagen wiederkehrende twUu/e Tnge kennen die Wogulen nicht, was eben zur Folge hat, dass bei ihnen die Zeitrechnung noch sehr unentwickelt ist. Das .Jahr, welches bei ihnen den Namen .Winter" (tat) oder „Winter-Sommer" (taüuso) hat, teilen sie in Monate ein, und zwar nach dem Mond- wechsel in 18; aber das Zählen der Tage und Wochen innerhalb der Monate ist bei ihnen nicht in Brauch. Das Wort sät „Sieben : Woche"' ist zwar als Ausdruck der Zeiteinheit in Gebrauch, aber nur von einem eventuellen Ereignisse, oder von irgend einem bestimmten Tage an gerechnet. Nur dort, wo das Wogulentiun sich russische Gebräuche angeeignet hat, sind Tagenamen in Anwen- dimg gekommen, wie: süt-puhk Sonntag (eigentlich ..Wochen- Haupt"), sät-aulyatm yatel Montag (eigentl. „Woche beginnender Tag% kitit yatei Dienstag (eigentl. ..zweiter Tag"), yurmit yattl Mittwoch (eigentl. „dritter Tag"), usw.; oder wie im Gebiete des Konda-Flussos: soäten tum kliotrt Sonntag (eigentl. „in die Woche hineinreichender Tag"), soäten tum möt khotä Montag (eigentl. „in die Woche hineinreichender zweiter Tag" ) soät jät khottl Donnerstag (eigentl. „der Woche mittlerer Tag"). Wenn indessen die Wogulen auch keine an bestimmte Zeitpunkte gebundenen Feste haben, so haben bei ihnen doch alle namhafteren Opfer eine festliche Bedeutung, zu denen auch das mit zahlreichen wichtigen (Zere- monien verbundene Bärentotmmnhl gehört.

Der treueste Spiegel und die charakteristischeste Form aller dieser in religiösen Ceremonien und Gebräuchen ausgedrückten Grundideen, sowie des geistigen Lebens des Wogulenvolkes über- haupt, ist die reiche relvfiöso Dichtung, die von undenkbar alten Zeiten her von Geschlecht auf Geschlecht sich traditionell ver- erbend, auch noch heutzutage im Munde des Volkes fortlebt und fürdie Wissenschaft der ugrischen Völker eine fast ebenso grosse Bedeutung hat, wie auf indogermanischem Gebiete die homerischen Gesänge und die vedischen Hymnen. Ein womöglichst reichhaltiges Sammeln dieser religiösen Dichtungen war eine der Hauptbestre- bungen meiner sibirischon Studienreise. Schon bei den Bericht- erstattern des vorigen Jahrhunderts über die ugrischen Völ- ker des Uralgebietes finden wir Spuren des Vorhandenseins dieser Producte des Volksgoistes ; diese Berichterstatter wissen %. R: dass bei den Bärenfesten das Lob dieses Tieres in Liedern ausgedrückt wird; ferner, dass über die wundervollen Taten ihrer Götzen allerlei „unglaubliche Mären" von Mimd zu Mund kreisen. Die erste bestimmte Nachricht über diesen Gegenstand indessen und daneben auch zahlreiche Proben verdanken wir Rwfuli/s von dem auch der Teil, welchen Hunfalvy herausge- geben hat mit Ausnahme des einen Märchens Väta-yum (Kauf- mann), nur zu dieser Haltung gehörige Stücke enthält. Nach Rejuly besuchte Ahlquist dreimal die Wogulen ; aber bei allen

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diesen seinen Reisen konnte er zu keinem noch so geringen IVi- trage zu der wogulisch religiösen Dichtung gelangen, was zur Verbreitung der Ansicht Veranlassung gab, dass diese 1 >icrhtiin^ dem Volksbewusstsein ganz und gar entschwunden und AV'/n/r, der letzte gewesen sei, dem es vergönnt war, die letzten Host.- noch aufzuzeichnen. ') Desto mehr steigerte sich daher in mir der Wunsch, wenigstens die in ttryulij* Nachlass vortindliohen und selbst in ihrer Unklarheit sich als sehr wertvoll erweisenden Sammlungen vollständig verstehen und der Wissenschaft zugüji£rli«h machen zu können. Aber schon in den ersten Wochen mein'" Forschens ward es mir klar, dass der Dialekt, in welchem K*yjni*j > südwogulisehe Texte verfasst sind, ausgestorben ist, und wenn e* mir auch gelingt, mit Hille benachbarter Dialekte dieselben im <i rossen und Plauzen zu verstehen, so ist doch eine Erklärung der in der religiösen Dichtung vorkommenden, seltenen und archai- stischen Ausdrücke, besonders der mythischen Anspielungen, auf (.■rund des jedweder alten Eigentümlichkeit nunmehr baren süd- lichen Wogulentums nicht zu erhoffen. Und diese nieine Hefürch- t ungen rechtfertigten mein«' im .Jahre 1888 im ( Jebicte des unteren Loswa-Flusses. des Konda- und Tawda-Flusses. sowie im polymer (ielüete unternoinnienen Studienreisen, in welcher Zeit ich trotz aller meiner Hcmühungcn nicht imstande war, einen namhaften Erfolg aufzuweisen, durch welchen ich das Material der bisdahin bekannten religiösen Dichtung mit neuen Heitragen vermehrt und dadurch gleichsam einen Schlüssel zu 7rVyi////'s unklaren Samm- lungen hätte liefern können. Heinahe ganz verzagt, kehrte am Schluss des Jahres auf meine erste Station am Mittellaufe des Loswa-Flusses in der Absicht zurück, mit Zuhilfenahme meiner dort wohnenden intelligenten < iewährsmanncr und mit Hilfe meiner nunmehr erweiterten Sprachkenn Uns AV^i/f/s süd wogu- lischen Nechlass von neuem vorzunehmen und darin diejenigen Teile festzustellen, deren Sinn mir irgendwie deutlich erscheint. Nacli solchen Prämissen war es für mich eine erfreuliche Uel>er- raschung, als ich zu Anfang des Jahres ins Uebiet der

Nordwogulen gelangend, bemerkte, dass dies Volk nicht nur in seinen äusseren <*chrüuchcu. sondern auch in seiner religiösen Denkungsart und in seinem religiösen Leben den Traditionell

') Ifunfalvtj /'. uiifilt danün r in mummi Work«- : .. \'<urul f<dd nt'«|»~ (Land und Volk <I«t \V<»uu|fH( S. t;t> alsn : „l'nstr Ibus-iuh-r H. i. Uuifu!j> Uraihu« von senior •stimrdlu lnm K»«is»' rihht nur \\'«>i fi -•»ammlunip'u. irramiu»- tikalisch«* Aur/.cichuuutf'i-u, kf»'«doi<i«Mdu' und » thn>>;r rajdiis* hi* hatfii In-nu, ifh'M'b andttvn H»-iH.'n.|i t). sondern au« h soli h.- I i. rikin di r. wir s..|rh<- v..r ihm imch nii-mand jH»rarht hat und mu-h ihm nu-mand l»rinir*Mi wird, denn innti wird Kolrhi» srhon nn ht m»-hr vorfinden. Audi dort ist das nrsitriinulirhi1 ••U2,«,ntiim- lUdn- I.oImmi und d«\ss«m C'i-litft' \V«d1 im Krlos» ln-n h^jfritt'.'n. K.'^ulv hrarfito vuii dort das heim, was w.tin <-s d<r Knun>run^ d«r M«-n.»< lum ••nNcli wiudfl, für immer verloren v 'ht. 1 > Natur und ihre W.-rk-- ld.-ii.- ii, >ln> Nb-nm-Iien ändern sich und v«tl"'*-«'!» die alten Zustand«, ihr-n «.l;iul»'ii, dire ifei-ttiifefi l'piitu« to.-

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seiner Ahnen treu geblieben, und dass hier noch zahlreiche Ver- treter der religiösen Sang- und Märenkunde vorhanden sind, die sieh mir mit Vertrauen und Bereitwilligkeit zur Verfügung stellten. Auf Grund der Mitteilungen dieser war ich vor allem bestrebt, die Varianten der Reguly'schen Texte aufzuzeichnen, die nicht nur das auf diesen lagernde Dunkel lichteten, sondern auch noch obendrein wertvolle Ergänzungen zu ihnen sownl in inhaltlicher, als auch in formeller Beziehung enthalten. Zu beträchtlicher Menge vermehrte sich das ganz und gar neue Material, das sich mit dem vorigen zusammen zu einer solchen Sammlung wogn- lischer religiöser Dichtung entfaltete, wie eine gleiche auf Grund mündlicher Ueberlieferung auf primitiver Stufe der Kultur imd Religion stehender Völker man aufzuzeichnen kaum imstande war, und welche demzufolge aus verschiedenen Rücksichten die Aufmerksamkeit europäischer Wissenschaft auf sich lenken wird. Nur jotzt hatte ich Gelegenheit zu einem Urteil über den wahren Wert dieser volksdichterischen Schöpfungen, sowie zu einer lT eber- sieht ihrer verschiedenen Arten und der sich in ihnen zeigenden Entwickelungsschichten.

Kurz dargelegt: den Gegenstand wogulischer religiöser Dichtimg bildet die Gestaltung der gegenwärtigen Weltordnung oder wie der wogulische technische Ausdruck lautet : „Der Welt des Menschenzeitalters, der Menschenepoche" ehm-yale? jittin üuirmH, Hem-yales natin taarem) ; -- sowie diejenigen Mittel, durch welche sich der Mensch mit den Lenkern dieser Welt- ordnung in Berührung setzen kann. Hingehender angeführt, bildet ihren Gegenstand : 1. die Koumwpmie ; besonders die Erschaffung des Himmels, der Erde, der Beige, ebenso des Menschen und der Tiere, die Entstehimg der Krankheit und des Todes,, die die Welt in ihrem ersten Stadium zerstörende Feucrilut, und die Ent- wicklung der Kultur; -- 2. die Theoyonie die Abstammung der Götter, ihre herrlichen Taten, die Einweihung ihrer heiligen Orte, ihr Wirkungskreis> sowie die Begründung der bei ihrer Verehrung gebräuchlichen Cercmonien; 3. //////mc«, beziehungsweise götter- beschwörende Sprüche Die Form des Vortrags ist teils sagen- mässig (tnöjt), die, im Falle sie vollkommen, in einer eigen- tümlichen, künstlerischen Prosa erscheint, teils (icmncj (cri)% den die Saiten der sähweltep- Harfe begleiten und den äusserlich formelle Regelmässigkeit, Gedanken und Tonrhythmus charak- terisieren. In sprachlicher und rhythmischer Beziehung gleicht Letzteren die Form der beschwörenden Sprüche (mtmil): das kaj-sow, welche diese Benennung von dem interjectionförmigen Zwischen- ruf (knj!) erhalten hat. Die religiöse Dichtung kosmogonischen Inhalts liebt mehr die Form der Sage, die theogonischen Inhalts aber mehr die des Gesanges; ja man kann sogar voraussetzen, dass sich neben den aus letzterer Gruppe aufgezeichneten prosaischen Texten auch noch liedförmige \ arianten vorfinden, beziehungsweise einmal vorhanden waren. Aus der Gruppe reli-

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giöser Mythen sondern sich inhaltlieh die heilir/m Mytlum (jelpin

möjt) aus, die mit Berücksichtigung besonderer Ceremonien her- gesagt werden. Unterarten religiöser Gesänge sind: 1. Heldenliwler

(ifonifi oder %nantlnxtne erfet), welche die Kämpfe und Heldentaten der Götter behandeln; - 2. IMrenlieder (uj-enet), bei denen eine besondere Gruppe [die das Herabsteigen vom Himmel (numel ra'ilem cr(ä), behandelnden Lieder, die Weck- oder Morgenlieder (yoli, oder uj-äiis ketiseltene erret), die Hinausbegleitungslieder (sayjväsane (irret), ferner dio Geschehnisse des ..Herabsteigenlassens" d. h. „Niederstreckens" behandelnden Lieder, schliesslich dieje- nigen, welche don Bärenschwur und die Bärenrache zum Inhalte

: haben ; 3. Elentierlie.dm ; 4. Schauspiele der Götter und Geister.

Der Volksglaube verleiht der religiösen Dichtung einen gött- lichen LTrsprung und mutet besonders den götterbeschwörenden Sprüchon und Heldenliedern eine Heiligkeit zu. Bezüglich der Entstehung Letzterer berichtet mir einer meiner Gewährsleute, dass im kriegerischen Zeitalter {y fintierte jidt) die Heldenfürsten, aus denen nämlich beim Eintritt des Menschenzeitalters die Götzchen entstanden, einander umbrachten, Pfeil und Bogen handhabten sie, das Volk tödteten sie, auch von den Helden blieben nur 1 2 übrig ; sein Klagegesang ist termin-eri : bald seinen Vater, bald seinen Bruder bringt man um ; darum weint er ; sein Klagewort ist das. Und da das termin-eri die Klage der Gottheit selber ist, beziehungsweise im allgemeinen ihre poetische Schaffimg, darum spricht sie in erster Person von sich selber, „sie besingt ihre eigenem Taten, ihre Grösse und Macht, sie schildert

* im Moment ihrer eigenen Seelenwelt, ja auch die seitens der Menschen ihr bezeugte Verehrung und die hieraus folgenden Handlungen. Die Person des Sängers verliert sich ganz im Vor- trage, höchstens, dass ihrer in dritter Person erwähnt wird, als Objectes, nicht aber als Subjectes des Gesanges" (s. hierüber ausführlicher meinen Aufsatz im Hunfalvy-Album S. 182—188.) Dieselbe Vortragsweise beobachten auch die Bärengesänge, durch den Mund d^s Menschen spricht das Götzchentier selber und singt seinen Zuhörern:

_In d«m vom hehren Himmel, meinem Vater hewohnten. Silberstangigen, Stangen versehenen Hause Wuchs das Glied meiner wachsenden Hand heran. Wuchs das Glied meines wachsenden Fusses heran."

(Fortsetzung folgt.

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König Mathias und Peter Gergb. (Ein boU&risohes Gaslarenlied aus Bosnien.)

Von Dr. Frinlruh S. Km ums. III.

Herr Dojcin setzt sich, schreibt ein zweitos Schreiben : „Knipfnng dies Schreiben, Kaiser von Istambol ! ..Erscheine mir als Partner auf dem Plan, 305 ..sonst komm' ich dir zur Rah, dem kalten Flusse ; „ich werde dir dein ganzes Heer verjagen ..und in die Hab hinein, ins Wasser treiben, ..doch dich, dich fang' ich bei lehend'gem Leibe, „dir werd' ich deinen ganzen Bart zerschinden, 310 ..mit Foltern jeder Art dich martern lassen!

Kr gab ihn wieder Michael, dem Diener:

Trag fort das Schreiben hin zum edlen Kaiser. Trittst Michael, du unter das Gezelto, küss ihm den Fuss und küss ihm den Pantoffel 315 und leg das Schreiben auf dem Schoss ihm nieder, gekreuzt die Arme zieh dich dann zurück, bis dass du siehst, was ihm der Brief verkündet.

Olm' Antwort zog von dannen Michael. Sobald er kam, begab er sich ins Heer; 320 und als er zu des Kaisers Zelt gekommen, so trat er gleich zum Kaiser unters Zelt, küsst' ihm den Fuss und küsst' ihm den Pantoffel und legt' das Schreiben auf den Schoss ihm nieder.

Gekreuzt die Arme harrte Michael. 325 Ks schaut den Brief der Kaiser von Istambol, er schaut den Brief, doch kennt er nicht die Schriftart.

Von Hand zu Hand so geht das Schreiben weiter, doch niemand ist im Stand den Brief zu lesen.

Als ihn der Vezier Köprülü bekam, 330 da sah er gleich, was ihm der Brief vermeldet :

Auch dieser Brief ist wiederum von Dojcin. I)u sollst ihm auf den Plan zum Kampf erscheinen, sonst sucht er heim uns an dem Flusse Hab, er werde dir dein ganzes Heer verjagen 335 und in die Hab hinein, ins Wasser treiben, dich aber bei lebend'gem Leibe fangen; er will dir deinen ganzen Bart zerschinden, mit Foltern jeder Art dich martern lassen.

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IM)

Als da der Kaiser solche1 Red' vernommen, .4J4H vergoss er Thrünen übers Angesicht, drei junge Rufer sandt' er wieder aus:

Wer für den Kaiser auf dem Plan erscheint, dem schenkt den Hof er nächst dem Kaiserhofe und schenkt zur Frau ihm die Prinzess die Tochter! 1)4-"» Letzt aus dem Heere flog herbei ein Türke, Herr Zezderlic Halile von dem (Jrenzland, zu Rappen wie auf einer Alpenvila. ein Rürschlein jung, cssprosst ihm erst der Flaumbart : Den Helden hier die Mutter hat geboren, 3~>U der für dem Kaiser auf dein Plan erscheint!

Fr jagt den Rappen aus dem Heer heraus und legt sich an die Rüstung eines Spaniers. Fr mocht nicht nach den tauigen Wiesen ziehen, er wandte lieber sich zur Veste (Jran, «l.V, gerad zu Dojcins weiss getünchtem Hofe. Fr trieb den Rappen hart bis an das Hoftor und pochte mit dem Schlager an das Tor, indem er Dojcin bei dem Namen rief.

Da meldet sieh die Fheliebstc Dojcins: IM»

- Wer pocht da mit dem Schlager an das Tor? wenn ihn der Hauptmann Dojcin überrascht, bezahlt er mit dem Haupte seine Kühnheit!

Durchs Fenster hatte sie den Kopf gesteckt. Drauf sprach Halile zu der Fdclfrau: oVw

- 0 edle Frau, des Dojcins Fheliebstc, wo mag dein Dojcin Kapitän dir weilen?

Der Kerl, der lagert dort auf tauiger Wiese!

O gab' es (Jott und (ilück von (iott besehieden,

dass ihn ein türkisch Schwert ums Haupt verkürze! Ü70 Sobald Halile solche Red' vernommen: - () Fdelfrau, des Dojcins Fheliebstc,

geh, ofTnc mir die Tore des (ielioftes!

Zur Antwort gibt des Dojcins Fhelieb:

Künd' früher, werdubist, von wannen kommst du? 37ö

Leicht bist dn einer von der Türkengrenze,

da scliliess' ieh gern«- auf das Tor zum Hofe!

Hin wohl ein Kämpe von der Türkengrenze,

vom Haupt zu Kusse Zezderlic Halile,

tun einen Strauss mit Dojcin auszufechten ! «JH) -- Halile, dn mein liebster Fdelmann !

Du kannst den Dojcin nicht ums Leben bringen,

neun Flügel selbst wenn dir zu eigen waren!

Doch sag mir frei heraus die lautre Wahrheit,

hast du, ein Held, ein Weib dir schon genommen? :JS."> Drei Zaubetstüeke sind dein Dojcin eigen:

das eine sind die Flügel seines Schimmels,

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das andre wohl ein heilig Amulct.

als drittes noch das Schwert, das an dein Gürtel.

Wofern du Held dich noch nicht hast beweibt, 390 ist härter denn ein Fels dein Wort der Treue, dass du mich in das Grenzgebiet entführen und mich zum treuen Eh'lieb trauen wirst ? da wirst du leicht ums Leben Dojcin bringen !

O Edelfrau, des DojcJns Eheliebste! 3t>ö Icli Held, nah' keine Frau mir noch genommen, und härter denn ein Fels ist meine Treue ! Ich werd' dich in das Türkengrenzland führen, du wirst mein Lieb sein bis ans Lebensende, in Seide wandeln und auf Seide ruhen, 400 vier Kammermädchen werden deiner warten !

Sie eilte hurtig ins Gehöft zum Tore, sie schloss ihm auf das Eingangtor zum Hofe, sie führt' ihm weg den Rappen in die Keller und schloss das Eingangstor vom Hofe zu 40ö und führt' ihn in die weisse Burg hinauf.

Als in der Früh der Morgen ungebrochen, Halile lag im weichen Pfühl gelagert, sprang auf von seiner Seite Dojein's Ehlieb, und leid ihr's tat Haiden aufzuwecken. 410 Zwei Flaschen füllte sie mit Rrantwein an, zwei Flaschen wohl mit überbranntem Braut wein imd gab dazu hinein Betäubungsmittel.

So gieng das Ehlieb aus der Veste (Iran, und beide Flaschen trug sie in den Händen 41 5

imd Thränen ihrem Angesicht entströmten.

Als sie hinabkam in die tauigen Wiesen, als Dojcin hier sein Ehelich erblickte, flog aus dem Zelt der Liebsten er entgegen :

Was führt dich her zu mir, o Sophrosyne? 420 Warum begiessen Thränen deine Wangen ?

ja, was für Not hat dich denn hingemacht V

und warum ist dein Angesicht so blass?

und warum sind die Augen dir so trüb?

wie so sind dir die Haare so verworren i 425

O Dojcin, du mein teuerster Gebieter! Wie soll mir nicht mein Angesicht verdunkeln und meine Augen trüben GJanz erlangen, dieweil bei Tag und Nacht ich jammerklage i

Drei Jahre sind am heutigen Tag verflossen, 430 seitdem mich junges Ding du heimgeführt : mir schenktest du nur eine einzige Nacht und dann verliesst du Gran und dein Gehöfte, mich liesest du allein darein zurücke.

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allein mit uns'rem Diener Michael ! 43ö Ich jamm're Tag und Nacht ohn' Unterlans!

Nun würtT ich seihst auch solches leicht verwinden, doch weisst du nicht, mein teuerster Gebieter, der Kaiser mit drei hundert tausend Mann, der naht, um unser Gran uns auszuplündern, 440 um einzulangen uns'ren Hau lebendig und umzubringen uns'ren Fra Johannes!

Darauf entgegnet, Dojein seinem Kh'lieb :

Zurück, du Laff, ich hau' dir sonst den Kopf ab! Ist's deine Sorg' um den Bestand von Gran 445 und um das Wohl von uns'rem Bau von Gran?

Kntriss ihr schon die beiden Flaschen Brantwein und jagt die Frau in die betauten Wiesen, dann kehrte Dojein ins Gczelt zurück. -

So will es Gott und 's Glück von Gott gegeben, 4-~>0 er hub zu leeren an die Brantweinfiaschen, bis mit dem Haupt er nicht auf Polster schlug.

Herr Dojein sank besinnungslos darnieder, und aus den Wiesen sah ihm zu sein Kh'lieb.

Als Dojein unterm Zelte niedersank, 4ö.r> zum Zelte kehrte wohl sein Lieb zurück, von seinem Schimmel nahm sie weg die Flügel, sie raubte ihm sein heilig Amulet, sie inachte beide Kleingewehre feucht, auch seine blanko Damaszeuerflinte, 4<i0 und brach ihm auch den Säbel an dem Griff, dann gieng das Kh'lieb hin zur Veste Gran.

Die zweite Nacht verbracht' sie mit Haiden. Bei Mnrgcnanbrueh und bei Sonnenaufgang, Haide schlief noch tiefen, festen Schlaf, 4(m als ihn des Dojcins Kheliebste weckte:

Frwache, Xarrchen, Zezderlic Halile! .Jetzt ist es Zeit, zum Zweikampf aufzubrechen, noch hat ihn das Getränk nicht losgelassen!

Sie legt' ihm an den Braunen an die Flügel 470 und gab das heilige Amulet dem Buhlen und führt' ihm ins Gehöft das Koss heraus.

Halile stieg zu seinem Braunen nieder und schwang sich auf den feist genährten Braunen, er jagt' auf ihm hinaus zur Veste Gran 47ö und lenkt' ihn abwärts nach den tauigen Wiesen.

Herr Dojein liegt und weiss von nichts zu sagen. Zwei Herzensschwestern hat Herr Dojein eigen. Zu Dojein kamen beide hingeflogen, sie heben ihn empor auf ihren Händen 4H0 ein Leib, wie leblos, kann sich nicht, erheben. Da fühlten sie darob ein innig Mitleid,

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sie hoben ihn hinauf auf seinen Schimmel,

sie gaben ihm das Schwert entzweigebrochen,

bis Dojcin halb und halb zu Sinnen kam. . 485

0 Dojcin, unser liebster Herzensbruder! Schon hat der Türke fast das Zelt erreicht,

er kommt hieher zu dir zimi Heldenzweikampf.

Dein Lieb hat einen Trug dir angetan, die Flügel deinem Schimmel weggetragen, 490 auch weggetragen dir dein Amulot und alle deine Flinten feucht gemacht, das Schwert dir an dem Griff entzweigebrochen.

Doch fürchte nichts, o teurer Horzensbruder ! wir werden dir zu Hilf und Beistand sein ! 495 Sobald der Türke hoch zu Braunem ankommt, wird unverzüglich dich heraus er fordern :

„Willst du verfolgen oder fliehen, Hure?" Schau, ihm entgegnen wirst du solcher Art :

„Ich werde fliehen, du verfolge, Hure ! 500 Behalt getrost dir meines Schimmels Flügel, behalt dir auch mein heilig Ainulet!"

Zur Stell' indes kam Zezderliö Halile und spornte bis an ihn hinan den Braunen :

willst du verfolgen oder fliehen, Hure 505

Ich werde fliehen, du verfolge, Hure ! Behalt getrost dir meines Schimmels Flügel, behalt dir auch mein heilig Amulet!

Ereilst mich wo, so schlag mir ab das Haupt !

Zu fliehn begann Herr Dojcin Kapitän, 610 Darnach verfolgt ihn Zezderli6 Halile! Beim ersten Anlauf hat er ihn ereilt, er zückt das Schwert, um ihn ums Haupt zu kürzen ; es wehrten ab die beiden Herzensschwestern, das Schwert entwanden sie ihni seinen Händen 515 und übergaben's Dojcin Kapitän.

Da riss heraus er beide Kleingewehre ; es wehrten ab die beiden Herzensschwestern, entwanden die Gewehre seinen Händen und reichten sie dem Dojcin Kapitän. 520

Da nahm das helle Langrohr er herab; es wehrten ab die beiden Herzensschwestern, entwanden auch das Langrohr seinen Händen und reichten 's hin dem Dojcm Kapitän.

Der Türke sah vor sich sein Lebensende .525 und wandte sich zur Flucht auf grüner Flur, doch ihn verfolgt mm Dojcin Kapitän. Die Vilen hoben ihn und seinen Schimmel, im schnellen Flug hat er ereilt Hahlen, im schnellen Flug das Haupt er ab ihm schlug 530

10

1H4

Drauf nahm herab vom Braunen er die Flügel und legt' sie wieder seinem Schimmel an, er nahm an sieh sein heilig Amulet und zog geradenwegs zur Veste Gran.

Vom Tor aus ruft den Diener er herbei : 5:V»

O Michael, eröffne mir das Tor!

Der Diener flog herab, ersehloss das Tor. Der stieg vom müdgehetzten Schimmel ab.

(ich, führ* mein Sohn, den Renner in die Keller, den Futtersack mit Gerste steck ihm auf 54t >

und komm darauf mir nach in das Gehöfte.

Der Diener führte gleich den Kenner ab und steckt' ihm auf den Futtersack mit Gerste, darauf verfugt' er sich zu seinem Herrn.

() Michael, o du mein teurer Knabe, ."Vlö geli. schaff hieher mir eine Flasche Wein !

Gleich war behend zu Fussen Michael, er bracht' ihm eine volle Flasche Wein.

Das Khelicb verbirgt sich in Gemächern und traut sich nicht vors Angesicht des Herrn. 5öO

Die volle Flasche trank Herr Dojcin aus. O Michael, o du mein teurer Knabe, ei, sueli mir auf doch mein getreues Kh'lieb und bei den Haaren schleif sie mir herbei !

Hei Michael ist nimmer Widerrede. Kr fand sie in der vierten Kemenate und schleifte bei dem Haar sie hin zu Dojcin.

Da sprach Herr Dojcin so zu seinem Khlieb: () du mein Lieb, o du mein L ieb verrat ! In meinem stolzen, weissgctümchten Schlosse wie viel es ungezählter Schatze gibt, und lebtest du ein volles tausend Jahre, noch konntest du mein Lieb, sie nicht verbrauchen!

Li meinem stolzen, weissgetnnchten Schlosse wie viel an Seiden und an Sammt vorhanden, 5ft5 in Seidenkleidern und auf Seide ruhend, und lebtest du ein volles tausend .Jahre, das konntest du doch nicht, mein Lieb, verreissen !

In meinem stolzen, weissgetünehten Schlösse wie vicl s da Speisen und «tetrank«' gibt, und lebtest tili ein volles tausend Jahre, die könntest du. mein Lieb, doch nicht verbrauchen!

<> warum übtest Treubruch du an mir? weleh schwere Not ist dir zu Last geworden ? Leicht, weil u-l i nieht mit dir in Gran verweile? .">7.%

Hatt' irh mit dir zu Gran die Zeit verbracht, gewann ich nimmer solches Heldentum, noch hätt' ich uns're \Y<te Gran bewahrt.

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bewahrt die Annsten. uns're Schutz befohl' neu,

und uns'ren Reichsgebieter, uns'ren Herrn. 580

Drauf rief er zu dem Diener Michael, doch zog das Schwert heraus er aus der Scheide, es ist das Schwert des Zezderlic Halile, ein besser Schwert als das dem Dojci n eigen :

O Michael, o du mein teurer Knabe, 586 ei schleif sie nach mir in den Hof hinab !

Und Michael, der zerrt sie an den Haaren. Gleich wilder Viper winselt die Geliebte, sie schaut vor sich ihr unvermeidlich Ende:

O Dojcin, du mein teuerster Gebieter! 590 Ich war zu töricht und bin irr gegangen,

du könntest selber auch einmal dieh irren !

Des achtet Dojcin viel, so viel wie garnicht. Ks schleift ihm nach die Liebste Michael, er zerrte fort das Ehliob aus dem Hofe. 595 er führt sie hin, wo sich die Wege kreuzen, zerhieb sie dort in vier zerteilte Stücke, auf dass, wann ihre Freundinnen vorbeigeh'n, sie sich an ihr ein Heispiel nehmen mögen.

Zum Ban von Gran verfügte sieh Her Dojiöin : 600

O du mein Ban, Gebieter dieses Reiches, hast zu den Waffen du das Heer gerufen?

Wohl tat ioh's, Sohn, mein Dojcin Kapitän !

O du mein Ban, Gebieter dieses Reiches, steh'n schon bereit die hundert Meergaleeren 605 und steh'n bereit Kanonen, Todverbreiter?

Bereit und fertig ist schon alles, Sohn, nur deiner harrt' ich noch in Vrestc Gran!

Wird Fra Johannes mit im Zuge sein

und vor dem Heer voran das Banner tragen? 610

Ja wohl, mein Söhnchen, Doj6in Kapitän !

Wohlan, o Ban, macht marschbereit das Heer, indes ich geh »u meinem weissen Hofe

und führe meinen Schimmel mir heraus

und zünde meinen Hof und Lehen an; 615

mein Eheheb hat meinen Hof vergiftet

mit einem Türken aus der Türkengrenze.

Da kam der Ban auf einen sehön'ren Einfall, da gab der Ban dem Dojcin bessVen Rat:

0 du mein Sohn, mein Dojcin Kapitän! ßiiO Steck dein Gehöfte nicht in Brand, o Sohn!

Vor Gottes Thron ist's eine grosse Sünde

und vor den Menschen eine mächtige Schande,

sein weiss Gehöfte seliger anzuzünden.

Verschenk's zum Wohl von Witwen und von Waisen 625

10*

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Wenn (iott es gibt, dazu «las Glück von Gott,

und wir zurück den Türkenkaiser schlafen

und Gran die Veste von dem Fall bewahren,

erbau' ich dir ein stattlicher Gehöfte,

vermähle dich mit meiner eignen Tochter. »>;30

Kr gab dem Rate seines Herrschers Folge, mocht' nicht in Brand sohl weiss Gehöfte stecken, sehwang sich vielmehr auf seinen feisten Schimmel; sie machten marschbereit von Gran das Heer und vor dem Heer Johannes Franziskaner, 635 der trägt voran das lianner mit dem Kreuz, auf welchem grosso Zeichen Angebracht.

Zum kalten Habiluss führten sie das Heer und stellten an der Kab die Truppen auf. Sie warfen nieder hundert Stück Kanonen, *>40 des Kaisers Meergaleeren sanken unter.

Du lieber Gott, welch mächtig grosses Wunderl Als Glaub' und l'nglaub' hier zusammenstiessen, die Hab so trüb und blutig kam zu fiiessen, Hei, welch ein wirr Gedräng am Hand der Kab! 64ö Kin Dunkel fiel vom Himmel bis zur Erden ! Sie drängen alle Türken in die Hab, Die springen in die Hab gesunderheit. Die rufen an den heiligen Mohammed: „Wo weilst du heute, heiliger Mohammed ? *w0. »wo weilst du heut und beutst uns keine Hilfe?' .was treibt man für ein Spiel mit deinem Volke? l'nnülz den Heiligen da herbeizurufen! Drei helle Tage währte hier die Schlacht, drei Tage und drei dunkle Nächte lang, ft55. ohn' l'nterlass hei Tage und bei Nacht.

Die Hab. sie trägt die abgeschlagenen Köpfe, die Hab so trüb und blutig kam zu lliessen!

Als dann der vierte Morgen angebrochen, und um. die Hab das Dunkel sich zerschlagen, b*>0 war von den Türken keiner mehr zu sehen, doch auch das Heer des Hans war mitgenommen, mehr als die Hälfte fehlte bei der Zahlung. Der Sultan kehrte wieder heim nach Stambol. Du nahm das Wort Herr Dojein Kapitän: t>*M> <> mein Gebieter, Herr der Veste Gran! Der Kai>er nach Jstamhnl mir entwich, ich werd" ihn bis zur Stadt Istambol jagen, ich werd" ihn noch lebendig fangen ein und werd' ihm seinen ganzen Hart zerschinden, 07Ö wo nicht, den meinen in Istambol hissen.

Lass gelTn, mein Sohn. «. Dojciu Kapitän! Der Kaiser zieh»- ruhig nach Istamhol.

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noch kennst du nicht das Leid des Kaiserseins,

Er gab dem Rate seines Herrschers Folge. ($75 Was noch vom auserlesenen Heer verblichen,

das kehrte in die Veste Gran zurück. Sobald der Kaiser angelangt zu Stambol,

der Abend sah ihn frisch, der Morgen tod.

Nachdem sie in die Veste Gran gekommen, (>80

liess ein Gehöft der Ban dem Dojcin bauen

und tat mit seiner Tochter ihn vermählen.

Dojcin sjede drugu knjigu pisc:

Eto knjiga, care ot Stanibola ! Ajde meni na megdan izijgji, 305 eto me Rabi vodi ladnoj ! svu 6u tvoju vojsku rastjorati i na Rabu vodu nagoniti a tebe 6u ziva ujititi, svu 6u tvoju poguliti bradu. 810 na svake te päte udariti !~

Opet dade Mijojilu slugi:

Nosi knjigu caru cestitoine ! Kad Mijate pot cador unijgjcs poljubimu nogu i nanulu, 8 1 pa si skuci pa podavi ruke a knjigu mu na krilu ostavi, doka vidi, sta mu knjiga kaze.

Ode Mijat, odgovora nejma. Kakodojgjeu vojsku unijgje 320

Kada dojgje carovu cadoru. odma caru pot cador unijgje, poljubi mu nogu i nanulu pa mu knjigu na krilu ostavi.

Mijat stade a podavi ruke. 325 Knjige gleda care ot Stambola, knjige gleda a jazije ne zna. Oda knjiga od ruke do ruke, nitko knjige prouöit ne more.

Kada dojgje Oiprili«"* veziru 330 odma vidje sta mu knjii/a kaza:

Ova knjiga opet od Dojcina. da mu igjes na megdan izijci, eto ga k narna vodi Rabi : svu ce tvoju vojsku rastjorati 335 1 na Rabu vodu nagoniti a tebe ce ziva ujititi. svu ce tvoju bradu poguliti, na svake te päto udariti!

Kada care cuo lakrdiju 340 on proljeva suze niz obraze. Opet pusca tri telara mlada,

-Tkoe zacara na megdan izijöi. car mu daje dvore kot svojije \ daje mu sultaniju oereu ! 345

Dok iz vojske turein izletio is krajine Zezderlic Alile na vrancieu ko na gorskoj vili, mlado momee, istor nausniee :

Evo majka rodila junaka,350 t > c za cara na megdan izijci 1

Pa iz vojske istjera vranjuga. On obucc spanjulske aljino, on ne cede u rnsne livade vie on ode u Krojana grada, 355 bijelu dvoru Dojcinovu.

Do avlije dotjera vranjuga pa on alkom na avliji zveknu a Dojcina po imenu viknu. Oziva se Dojcinova ljuba: 3ti0

Tkotozvekcealkomna avliji? ako dojgje Dojcin kapetane, sat ce svoju izgubiti glavu!

A krospcndzor promolila glavu. Ondar Alil ljubi bjosjedio : ,%5 0 gospojo, Dojcinova ljubo ! ja gje ti je Dojcin kapetane V

Ta ono ga u rosnoj livadi. Da bog dade i sreca bozija, turskasabl ja osjeklamu glavu! 370

Kada Alil cuo lakrdiju: O gospojo. Dojcinova ljubo 1 otvori mi na avliji vrata ! Odgovara Dojcinova ljuba: - Kazi nii se ko sii otkle siV375 Njesi 1 kogod is turske krajine,

!3H

pa t otvorit im avliji vrata!

Jeaam j unak is tnrske krajine, jesam glavom Zozderlie Alilc daz hojeinom megdan podijelim.

(') Alile, dragi gospodiue ! ti ne moros pogubit hojcina, da s u tobe devotem krüa ; vec se pravo po istini kazi, jesi Ii se juimk ozcnio? 3K>

V Dojcina tri zlanionja ima : jedno inu je u gjogata krila adrugo je sveta aniajlija a treo-e je sablja ot pojasa.

Ako h jiuiak 11 jesi ozonio MO. je Ii tvrgja vjera ot kaincna ? da cos mene vodit na krajinu i vjoncati zu vijernn Ijubii ? pa cx»s lako pogubit hojcina.

Ogospojo. ljubo hojciuova ! ja *m* n jesam junak ozonio;

a tvrgja j<- vjera ot kamma \odicu to na tursku krajinu, bices moja do viji'ka Ijuba. svilu dornt, u svili lezati, 400. dvorice to öotiri iiioinkiiij«' !

Ona skoei k vratina i k avliji, otvori inu na avliji vrata, odvode inu u podiumo vranea, pa catvori na avliji vrata, 40Ö. odvede ga u bijelo dvore.

Kad ii jutrii jutro osvanulo, Alil l«*zi n nieku siltetu : od njog skiH?i Dojcinova Ijuba a zao joj probudit Alila. 410.

( >na nali dvi boeo rakije. ona u nju metrii bcitdziluk«'.

Odo Ijuba nis Kmjann grada. I>vije booc nosi ti rnkaina. 415. a laoljt-va suz<* niz obruzo.

Kada bjcso u rosm« Iivad<\ kada hojoin Ijubu opazio 18 cadora k ljubi izb-tio : |gino ?

Kuei'H kmcni ji-dna Sopbru- slo pndjex assuze niz obrazr v ja kakva ti imzda <iojadila v a sto ti j«' priblidilo Ii«*«« - a sto su ti <»ei pomm viir y n\ sto ti jekosurazbnuijana r4m2~*.

( ) Dojeine, inili goapodine ! kako m ne 6o poatavniti lioe. i moje ae <ku poiuutiti jii oviloci i danoni i noci?

Kvu dauas tri godiue dana, kako si me dovodio roladu. 4:*». sa innoin ciglu priau6io iukVu. pa odusto dvora i Krojana, samu mene u njem oatavio i nasega Mijojila slugu ! 43»r>.

Sveja eviliin i danom inoci! I'a i t<i bi lako priboljela a zar ne znas mili gospodare, care igjo sirista iljad vojake, da porobi ua.sega Knijana 4*40. a da ujti nascg iivog bana. i pogubi pra lvana pratra?

Ondar I>ojcin Ijubi odguvara : Natrag more, oajeo cu ti glavu! zar je tvoja briga za Krojana 445 i nasega ot Krojana bana Tf

Odnje ote dvi laieo rakije. zatjera je uz rosne livade. A hojcin sc» pol c>adora vmti.

Tak Bogooe i sicca bofcija! 470. Stade piti ix bot-ji rakijiu <lok udari zglavom brezuzgiavlja.

hojcin padnni za 8to neznad<* a sve Ijuba ^leda iz livada.

Kada hojcin padepot cadonaii. Ijuba inu sc do cadora vrati. paskide tun sa gjogata knlu. ndih'se inu svetu aiuajliju. zakvasi um dvijc puskr male, i njrgova bintra d^vnlaiia: -MWI. lialomi mu sablju u balcaku.

< ><lc Ijuba ii Krojana grada.

hrugu Mujrii prinoci s Alilotn. Istor svanu i huiioc izij^e. Alilspava ni zaslo ia> zimde 44Wi. a budi ga hujcinova Ijuba:

l sian bnlau Zezderlic Aide! sad je vakat in na mediana: jos «ja 1 1 i j «* pivo popustilo. I 'a iih't ni mu na vranjn^a krila 47* ) i dade um sv»*tu amajliju i/.v«'dr tun kmija na a\ lijn.

Alil <ni.|LrJ«'dH vranjuvra syu^i,

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pa uzjasi debela vraiijuga, istjeraga is Krojana grada, 475. okrenu ga niz rosne livade.

Dojßin lezi ni za sto ne znade. Dojcina dvijo posestrime, pa Dojcinu oblje «Joletise, diio njoga na rukam podizu, 480. mrtvo tilo dignut so no more.

Ja njlma se sazalilo bilo, digose ga ua konja gjogata, dadose mu sablju nalomljenu, dok s Dojcniu malo razabralo. 485.

( ) Dojcine mili pobratime! gotov turcin stigo do cadora, tebi igjo na mogdan junacki ! Ljuba ti je in lu ueinila. odnijela sa gjogata krila, 490. odnijela tvoju amajliju a sve tvoje puske zakvasila, nalomüa sablju u balcaku !

AI no boj so mili pobratimo mi oemo ti biti u pomoci. 495.

Kakotiu'üinnavraujugudojgje, an oo tebi nama bjesjediti :

II oos gonit il ces bjezat kurvo !

Kvako oos njomu odgovarat : a ja eubjezatatigoni kurvo! 50t). pa nek su ti m»g gjogata krila a i moja svota amajlija !

V to doba Zezderlic Alilo, i do njoga dotjera vranjuga :

II oos gonit il Cos bjezat kurvo.

Ja cu bjezat a ti goni kurvo! pa nok su ti mog gjogata krila, i nok ti je moja auiajlia Gjegod stignos osijoci glavu !

Naie bjezat. Dojcin kapotano a goni ga Zozdorlio Alilo. Na prvom ga skoku sastignuo, trzo sablju da inu sjece glavu,

No dadoso dvije posostrimo, Iz ruku mu sablju otimase 515 pa dadoso Dojcin kapotanu.

l*a on trzo dvijo puske malo. No dadoso dvijo posostrimo. Iz ruku mu puske izmakose, dodadoso Dojcin kapotanu. 5^0

.lal on skido bistra dzevrdana.

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No dadoso dvije posostrimo, a i njeg mu iz ruku oteäe, dodadoso Dojcin kapotanu.

Vidje turcin gje6e poginuti. naze bjezat poljom zelenijom a goni ga Dojcin kapotano

Vilo digle njoga i gjogata ; letociva sastize Alila loteeJvu osjeäc mu glavu. 530

Pa on skido sa vranjuga krila, opet metru na gjogata svoga ; uze svoju svetu amajliju pa on ode u Krojana grada.

Sa kapijo slugo dovikujo :

O Afijate otvori mi vrata. Sluga sletjo, otvori mu vrata. On odjasi umorna gjogata.

Vodi sine konja u podrume; ustakni mu arpu ogruvanu 540 pa ti za mnoni u dvor unijigji !

Odma sluga konja odvodila : ustaee mu arpu ogruvanu. pa unijgjo svomu gospodaru.

O Mijate mojo drago djete ! Donosi mi jodnu bocu vina.

Mijat nama na nogo skoöio, doneso mu punu bocu vina. Ljuba mu so krijo po odajam a no smije svome gospodaru. 550

Dojcin popi punu bocu vina : O Mijate mojo drago djete, dora najgji moju vjornu ljubu, do mene je za kose dovuei !

V Mijata odgovora nejma. IJ cetvrtoj najgje je odaji, do Dojcina za kose dovueo.

Ondar Dojcin ljubi bjesjodio: I.J ubo moja, moja nevjernieo! a u inDiiii1 dvoru bijolome, 5H0 sto imade nobrojena blaga, da si ziva iljadu godina a no bi ga potrosila ljubo !

A u mome dvoru bijolome sto imade svile i kadif'o, 5H5. svilu doros a u svili lozis, da si ziva iljadu godina a no bi je podorala ljubo!

A u mome bijolome dvoru

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sto imade piva i jediva ">70. da si ziva iljadu godina a ne hi ga potrosila. Ijulx !

Sasta meni nevjem ueini ? kakva ti je nuzda dojadila ? zasto n jesam stobam u Krojaim ?

Da sam stobam u Krojaim bin, 110 bevakog dobin junastva, ni Krojana grada uruvavo, ucuvavo nas<» sjerntinje i nasega zomskoggospodara !580

Ondar viknu Mijojila singe, a is k«»m sablju izvadio a saldja j»' Zezderlir Alila, bolja sablja neka Dojeinova:

O Mijate mojc drago djete ! der jr za iniioin na avliju svuei !

A Mijat je za kose poteze. Ljuba evili kann Ijuta imja, vece vidi da ec pngimiti: ."><M> ( ) I Jnjcine Illlll gospudilie ! Lada bila pa sc privarila, i ti bi sc mogo privariti !

A tu I >ujoin nje pa ne aje,

Mijat ljubu za DojciiHan \ iirc 1z avlije ljubu izvodio, izvede je na raskrslje puta rasjei-e je na ceteri trupa, kada prnde druirarirc njene. neka od nj#» ibivt uziinaju.

I >ojein Milrot Krojana bauu: b(HI A m»»j bam'zemljt'n gospodn- jesi 1 diLr<» na oruZje vojsku? | re ! .lesam sin»\ ! >»»jcin kupctauc!

- A in«»j bau ♦• znnljeii g»»spn- je 1 gotnvu stotinu yalija jdare! i L'Otovi 1 1 ) > * » J 1 1 i topnvi ?

- S\ je sine sp nun im i Lfotnvo. vir t»' cfkaiii u Kmjanu gradu.

- ( )»•»• I pojci pra Ivane pratur i prid v«»j»koui barjak ponijeti?

( >«'••• sin»-. I >ojrin kap»«tane!

D"'ia baue ukr»'< it<' vnj^ku, dokle »>d«'iu bijflomc dvoru i izvedein svojcira trj<»Lrata i zapalini dvore i tiuiare: < i 1 ljuba itn je dvor»' otr«»vala

sa turcinom is turske krajine,

Ondabanu kodov na um dojgje »mda bann bjesjedi Dojciiiu :

O moj sino.Dojein kapetane '. nemoj sine zapaliti dvora ! od bosra je velika grijota a od ljudi golema sramota, svoje bjele dvore zapaliti : pokloni ji kakvoj sjerotinji.

Ako Bot? da i sreea bozija pa turskogn eara povratimu i Krojana grada ueuvamo, bolje en ti dvor»' naciniti svojom cu le 6eri ozeniti,

On poslusa svoga gospodara. Ne tje l)jela zapalili dvora, vie uzjasi debela gjogata pa digose ot Krojana vojsku a prid vojskom pra Ivan»« pratar i on nosi barjaka krstasa, na kome su velika zlanienja.

Svedose je Habi vodi ladnoj pa kod Kala« zastavise vojsku. Oborise stotinu topova *>40 potopise earove galije.

Koze mili euda goleuioga ! Kad udari vjera na nevjeru, Kaba dojgje inutna i krvava. st«» s»' radi oko vode Habe! Taina päd»' od neba do tala a na Kabu sve nagoin1 Türk»', pra vi zdravi sve u Kabu skaeu.

Turei vieu sveea Muam»»da : L'j»' si danas sveee Muaun'de ? Lrj»' si danas. sta nam ne imuiui- sto s«> radi od >uneta tvnga *[gn«»s

Nejma fajde sveea dovikivat 1 l^(»j einise tri eijela dana, ja Iii dana i tri noei tavne »»ö"> bivs prisianka i danoni i not*!.

I'aba n<>si osjecen»' glave ; «l'>ji:.i<' Kaba inutna i krvava!

Kat »-eivrto jutn» usvanulo. razliila *e luina (tko Kabe. >t Turaka wiiz'y nik»>tr nejma : i bain»\a izirimda vojska, visa pol i na t » ' t"t r Hin le'jina.

rar >»• \'rati >:radu rariirradu.

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a bjosjedi Dojcin kapetane : 0H5 jos ti ne znas sto je earovanje !

Gospodine ot Krojana baue! On poslusa svoga gosDodara. lzmace mi eare ka Stambolu ! Sto ostalo iza braue vojskc,

ji?oni6u ga do Stambola grada, vratise so u Krojana grada. ja 6u njega ziva ujititi. Kako eare doso do Stambola,

svti njegovu bradu poguliti, o70 zdrav onirce a mrtnv osvane. ostavit svoju u Stambolu. Kad dojgose u Krojana grada,

Projgj se sine, Dojcin kapeta- Bau Dojcinu dvore sagradio

Neka igje eare ka Stambolu, | ne ! 1 svojom ga ceri ozenio. ti&2

(Fortsetzung folgt.)

Der Holzbau der Palovzen.

Von Jh: Karl Fripai. *

Der magyarische Stamm der Palovzen, welcher sich am nörd- lichen Rande der grossen ungarischen Tiefebene ausbreitet, hat manches Eigen- und Altertümliche in Sprache und Sitten bewahrt. Im Folgenden will ich den Gewohnheitsbau skizzieren, besonders wie er sich vom Tale der Eipel bis zu dem des Sajö darstellt, mit besonderer Berücksichtigung des Marktfleckens Apatfalu im Nordwesten des Bikk-Gebirgs.

Einzelhöfe sind selten, die Gemeinden nahe zu einander. Das mittelgrosso Langdorf lagert sich am geschützten Ufer eines Flusses oder an beiden eines Baches hin. Diesem zumeist paralle l läuft die breite Hauptstrasse, von der oft unregelmässige Seiten- gassen sich den Unebenheiten des Bodens anpassen. Die Häuser stehen dicht mit der Giebelfront gegen die Gasse, hinten wenige Nebengebäude, der Hof umzäunt. Vor den Häusern mitunter Baumreihen und Schöpfbrunnen. In der Kegel kein Marktplatz. Die älteren Kirchen aus Stein und Ziegeln, ohno Turm, mit kleinen Fenstern, angeblich zumeist von den Hussiten erbaut, zur Verteidigung geeignet, selten in der Mitte des Dorfes, stehn auf einer Anhöhe, zum Schutz gegen Überschwemmung, wol auch als Survival des Höhencultus.

Die zu einem Hausgrund gehörige Session besteht aus 4 Vierteln ifertri), ein Viertel in Apatfalva aus 10 Joch, u. zw. (> Joch Acker, wovon 2 in der Ebene, 4 Stück zu ein .loch auf den Anhöhen; 1 , Joch Hanffeld, 's Joch Krautfeld, 3 Joch Wiese. Dann Weide für 3 Stück Grossvieh und 3 Schweine, endlich 4 mtr Brennholz aus dem Walde. Dem Grundbesitzer gegenüber hat der Käthner nur einen Hausgrund und ein kleines Kartoffel- feld ; dann Weide für ein Vieh und einen Wagen Brennholz. Der Grundbesitz zerteilt sich immer mehr und auch der Haus- grund ist durch Teilungen oft bis zur Unkenntlichkeit der Grund- form zerstückt.

* Der lleissige junge Volksforsch»«!* ist im N'uvomber d. J. in CJ-örz an Phthysis gestorben. Wir werden unserem verdienten Mitarbeiter nächstens einen Nachruf widmen. (Vgl. Kthnogi aphia. IV. I— :i Heft.i Die Red.

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Der Hausgrund ist um friedet, den Hof scheidet «'in Zaun, mitunter zwei, vom inneren und äusseren Garten. Der Zaun weist drei anfänglichere Formen auf: l. eine Art von Palllsaden, mit kleinen Lücken, neben einander gesteckte oben spitze Eiohenseheite zur Befestigung oben mit einem Rutenband verbunden; diese Zaunform, früher hersehend, wird bei zunehmender Holzknapphoit seltener. 2. Flechtzaun : Dünne Stangen mit einem Kutengoflecht zumeist aus Birkenzweigen, mitunter Weiden. 3. Ein Dornhag; statt* des Geflechtes worden Dornenäste zwischen die Stangen gelegt. In Rimöcz gibt's auch Lelnnwäudc, mit einem Sehutzdache wus Stroh oder Rebenzweigen.

Die Lage des Wohnhauses und der Nebengebäude ist aus dem Plane ersichtlich. Eine Scheune findet sich nur bei Wolhabenderen, an ihrer Stelle ist mitunter ein an den Seiten offener oder mit Bretterwänden geschlossener Schuppen, bisweilen nur eine

Geflügel. Bei den meisten Wohnungen fehlen die Nebengebäude.

Das Wohnhaus wird aus verschiedenen Stoffen gebaut. Auch hier mag die in Niederungarn allgemeine Form, das Haus aus gestampfter Erde, von Alters her gebräuchlich gewesen sein. Parallele Bretterwände, bis 20 Zoll von einander, werden aussen mit je # Stangen befestigt, diese oben mit Ketten verbunden, zwischen diesen Bretterwänden werden Lagen von Erde mit Keulen lest gestampft.

Fitf. I. Hauphof in Apatfalu. An der « iasMcnscitc (Af Kind: a) Tor, bf TWi\ c) .Sitzbank. Teile des Hannos (Ii): d) Wohnstube, >■) Flur, /> Küche, y) Kammer, h) Viehstall. Im Hofe (V): I>) Schweinstall, R) Düngerhaufen, F7 Scheune. Teilt' der letztern: i) Tonne, j) Tennenhals, k) Xebenscheune. I) Scheu« nenlade. G) Garten, H) Hintertor.

Wo Stein reichlich vorhanden, wird daraus gebaut, ohne Lehm und (' 'ement, nur mit Kot gebunden und mit Mörtel ver- schmiert. Tür- und Kensterwölbung wird mitunter aus Ziegeln hergestellt. Der Ziegelbau greift nur bei wolhabenderen Platz. Stein- und Ziegelhäuser baut gewöhnlich der Maurer.

In neuerer Zeit wird viel aus Lehmziegeln gebaut, auf ein Stcinfundainent.

Früher mag wol der Holzbau der gebräuchlichste gewesen s«'in. Findura erwähnt (Földrajzi Közlemenyek, 18SH. S. 2(H).), dass einigt» Häuser noch aus jener Zeit stammen, da man im Wald stehende .Baumstämme in den Kau einbezog. Auch soll in Mnczonka 1S7S noch ein 1587. gebautes Haus gestanden sein.

offene Tenne. Der obere Teil

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Das Fundament ausgenommen wurde das ganze Haus aus Holz gebaut, ohne Stein und Eisenbestandteile. Besonders in den entlegenen Dörfern kann man noch 100 Jahre alte Holzhäuser finden, welche manche Vorteile vor den Steinbauten haben, doch infolge des Holzmangels und der Feuersbrünste immer seltener werden. Das Holzhaus wird vom Volke selbst in herkömmlicher Weise gebaut ; dieser gegenüber zeigen die neuem Steinbauten nur im einzelnen eine Entwickehmg.

Heim Bau gibt's noch manchen überlieferten Brauch. In Lapujtö helfen 10—12 Bekannte bei der Herbeischaffung des Materials und werden dann vom Bauherrn bewirtet. Ärmeres Volk sammelt zum Decken Gaben an Stroh ein. Bei der Grundlegung wird ein Kind ..gemustert*, d. h. es erhält massige Schläge, damit es sich der Zeit des Baues erinnere ; als Schmerzensgeld bekommt es einige Kreuzer. Bei der Grundlegung wie bei der Fertigstellung gibt's einen Gedenktrunk für die Arbeiter, wobei der Hauswirt einen Spruch ausbringt, den ein Teilnehmer erwidert. In Apätfalva wird nur bei der Fertigstellung getrunken, und der kurze Spruch gesagt: „Gott bewahre das Haus vor Feuer und Wasser!" Ebenda deutet ein Brauch auf Baüopfer hin. Vor der iunern Einrich- tung wird das Haus von einem der Arbeiter (nicht vom Bauherrn i geheizt, ein Hund oder eine Katze hineingebracht, und die Türe geschlossen, so dass das Tier nur beim Fenster entrinnen kann. Dies geschieht, um Unglück, z. B. den Tod des Hauswirtes oder der Wirtin in selbem Jahre zu verhüten. Die Wirtin besprengt das neugebaute Haus mit Weihwasser in allen Winkeln, den Boden, den »Stall, u. s. w. in den drei heiligen Namen, um dem Bösen zu wehren.

Bei der Grundlegung wird ein Graben gezogen und darein Bruchsteine gestampft, und als Grundmauer etwas über das Bodenniveau gehoben. Keller gibt es keine, doch wird z. B. in Pilis unter der Wohnstube eine Kammer aus Stein, aber ganz oberirdisch gebaut, wie sie in den slovakisehen Häusern häufig vorkommt.

Das Holzwerk ist zumeist Eichen, dem Holzwurm weniger aus- gesetzt als Buchen; in Kelenye werden auch Pappeln verwendet. Auf die Steinlage kommt die Grundschwelle, aus starken ver- kerbten Balken. In diese werden die Ständer und Pfosten einge- zapft. Zwischen diese kommen die Blockwände aus etwas roh behaltenen Stämmen mit Lücken für Türe und Fenster. Die Wand wird oben von der Dachbalkenlage, (Mauerbank: mujor- jHiwf) abgeschlossen. Auf den Mittelständern der Schmalseiten ruht der Haupthaiken {»wuteryvrendfi), ein massiver Tram, in Lapujtö durch eine aufgelegte Spreitze (pmjc*), sonst mitunter durch einen Pfosten in der Mitte der Stube (/w/w/-/ih//»i ^selige Mutter) gestützt. Auf der Mauerbank und dein Hauptbalken ruhen die Deckenbalken, Kreuzbalken; aufgelegte Dielen werden mit Lehm geglättet. Die Fug zum Wohlnd werden mit Lehm gedichtet,

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beiderseits mit Kot (oft mit Spreu gemengt) verpatzt und mit Kalk oder einem weissen Ton geweisst.

Herrschend ist das Strohdach. Der Dachstuhl besteht ge- wöhnlich aus Eichen-Sparren, auf die Kreuzbalken (zumeist auf jeden zweiten) aufgekämmt und oben mittelst Schlitzzapfen verbunden, mitunter in der Mitte durch Hahnenbalken unterstützt. Die Sparren haben etwa */, der Kreuzbalkenlänge. Beim Walm- dach werden auch die Giebelseiten von Sparren getragen. Auf die Sparren kommt die Lattung. Die Latten waren ehedem nicht ge- zimmert, stehen etwa 18 Zoll von einander ab, auf eine Dachfläche .entfallen ungefähr 12. Auf diese kommen die Strohschauben. Am Grat sitzen oft zwei sich kreuzende Lattenpaare auf.

Früher gab es eine primitivere Form des Dachstuhles. Auf drei Gabelpfosten, an den beiden Firstenden und in der Mitte des Hauses wurde ein fussdicker Gratbalken (Eichen) gelegt, sein Kopf ragte an beiden Enden hervor. Abgerindete dünne Stämme wurden dann in einander gezapft und in der Entfernung von je 2 3 Fuss auf den Gratbalken gelegt, dass sie über die Mauer- bank überhiengen. Hierauf kam dann der Lattenrost.

An diesen werden die Getreidestroh-Schauben mittelst Stroh- bänder gebunden. Hinsichtlich der Herrichtung und Anbringung der Schauben unterscheidet man drei Hauptformen: 1. die flache oder glatte Schaube am Fussende gebunden, hängt mit dem Kopf- ende abwärts, liegt also glatt auf. Erfordert das Minimum an Stoff und Arbeit, ist aber auch am wenigsten dauerhaft. 2. Die Schwalbenschwanz- oder Winkelschaube wird an dem Ährenende gebunden und an den Kanten verwendet. 3. Bei der Kopfschaube wird das zurückgedrehte Ahrenende gebunden und dies kommt nach oben; es gibt ein- und zweiköpfige Schauben, letztere kön- nen nur wenige machen. Auch diese Form findet meist an den Kanten Anwendung; wenn die ganze Dachfläche so hergestellt ist, heisst's ein Schichten- oder Staffeldach; ein solches soll 50 Jahre dauern.

Gegen die Hoflangseite zeigt die Dachfläche eine grössere Ausladung der Dachtraufe über die Wand, und schützt diese, wie auch Türen pnd,Fenster vor Schlagregen. Unter der Traufe läuft spannenhoher Efrdatafwurf, dessen Böschung eine Holz- oder Stein- bekleidung schützt. Unter dem Dachüberhang hängt auf oft ge- schnitzten Holzliakcn die Gewandstange. Von da führt die Leiter auf den Aufboden; ein schräger Balkencilinder mit treppenförmigen Einschnitten ist die Stiege fürs Geflügel. Sommers steht oft eine Bettstätte hier. Bei vollkommeneren Häusern wird dieser Ort zum Gange (ambitus), indem die Dachkante auf eckigen Pfosten oder ge- weissten Backsteinsäulen aufliegt, welche zuweilen auf einer Mauer ruhen. Auch an der Gassen front au der Giebelseite ragt ein Vordach über oine Vi Schritt breite Eid- oder Steinbank, deren Kante meist von einem Balken gebildet wird. Hier sitzt es sich im Frühling und Sommer, besonders an Festtagen gar behäbig.

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Fig. III.

Weiterbildungen des Strohwalmdaches: 1. Geschlossener Giebel, 2. Gie- bel mit Rauchlooh, 3. Giebel, statt des Rauchloches vertikal verschallt. 4. Aua- breitung der vertikalen Wand (bei Schindeldeckung), 6. Vom Wahndach bleibt nur ein ornamentäres Rudiment (bei Ziegeldeckung), 6. Entwicklung in andrer Richtung, wobei vom Walmdaoh nur ein Schopf übrig bleibt. (In Dedes).

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Manchmal (doch immer seltener) reicht der hintere Wahn des* Daches bis zum Erdboden hinab und dient dann als Remise.

Nach der ober der Vorderwand, an der Oasaenfront befind- liehen (tiebelseite des Daches (Fig. HM.) lassen sich mehrere Ty- pen unterscheiden. Die primitivste Form findet sieh bei den alten Häusern ohne Rauch fang: unterm Giebelfirst des Strohwalmes ist ein Rauchloch drei- oder viereckig:, oder auch andrer Form. (No. 2.) Wo der Rauchfang auftritt, wird das Rauchloch als überflüs- sig mit Brettern verschlagen und durch ein kleines Luftloch er- setzt. Die Bretterwand ist aber nicht schräg, sondern vertikal. (Nr. 8.) Besonders wenn das Material des Hauses und Daches ein anderes wird, zieht sich diese Bretterwand immer mehr hinab (Nr. 4.), um endlich als ornamentales Rudiment am Gesims zu erscheinen (Nr. 5.); zugleich tritt ein zweites, meist viereckiges Luft- und Lichtloch auf. Das Ziegeldach ist niedriger, der First- winkol stumpfer. Bei einer andern Entwicklung der primitiven Form bleibt am First ein kleines Stück Walmdach mit Stroh gedeckt, (Schopf) während den grösseren unteren Teil eine trapezförmige vertikale Bretterverschallung mit Luftlöchern bildet. (Nr. ft.)

Bei einer andern Form des vertikalen Abschlusses der Schmal- seiten des Daches (auch bei Schweineställen gebräuchlich) wird an den Fuss der Kantonsparren ein (ortbrettförmiges) flaches Holz genagelt und darein je einen Fuss weit Haselruten gestellt, welche dann horizontal durchflochten werden. Wenn kein Rauchfang vorhanden, ist am First ein Rauchloch, bei dem im Sommer oft ein Zwiebelkranz, im Herbst rote Maiskolben hinausgehängt werden. Bei neuem Häusern wird die GiebelÜäche von einer Bretter-, Lehm-, Stein- oder Ziegelwand gebildet; rückwärts aber findet sich auch bei diesen noch häufig die Flechtwand.

An der Giebelwand befinden sich Luft- und Liohtöfthungen in verschiedener Zahl und Form. Zwischen zwei Öffnungen ist mit- unter ein Kreuzrelief oder eine Bogennische, in dieser mir in der Gegend von Nyek bisweilen ein Heiligenbild. Nur bei neuern Bauten wird das Baujahr am Giebel aufgezeichnet, an seine Stelle tritt das Jahr der Renovierung. Reichere, bunte Ornamentik findet sich nur an der Grenze des Slovakentums oder in den sporadi- schen slovakischen Siedlungen.

(Fortsetirons folgt.) Das grosse Sammelwerk für bulgarischen Folklore.

Ein Berieht von Friedrich S. Kraut».

Seit dem J. lrtHfl bis zxun Frühling IKJHJ sind zu Hotija unter der Aegido dos fürstlichen Ministerium» für Volkaufklärung acht dicke Quartbände einen „Sammelwerkes für Volktum, Wissenschaft und Literatur" erschienen (Sbornik za narodni umotvotonija. nauka i kniznina izdava miniaterstvoto na nurodnoto prosvjeatenio). Abgesehen von kurzen Anzeigen im .Urquell" und wiederhol- ten Verweisungen in meinen Studien aus den jüngsten drei Jahren habe ich über dieses Unternehmen nichts geschrieben, obgleich ich von mehreren Seiten

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um ausführliche Berichte angegangen wurde, indem man mir's nahelegte, da- durch gewisserniassen meiner Berichterstattorpllicht den westlichen Fachgv- nossen gegenüber zu erfüllen. Es ist jedoch nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine Ehrensache, die Leistungen unserer l>ulgarischen Mitarbeiter am Ausbau dos Völkergedankens gebührend zu würdigen. Nur der riesigt» Umfang und die grosso wissenschaftliche Bedeutung des vorliegenden achtbändigen Werkes schreckten mich ab, die Verantwortung für eine Rezension zu über- nehmen ; denn ich fürchtete, dass ich nicht im Stande sei, den Herausgebern und den deutschen Lesern gerecht werden zu können. Der eindringliche Wunsch meines Freundes, des Herrn Dr. Herrmann besiegte alle meine Bedenken. Was ich in Kürze tun kann, ist allein, eine Ubersicht über das (Gebotene darzubieten. In diesem Falle ist dies auch nicht wenig, und das Wenige nicht ohne Nutzen.

Man findet es als eine nahezu aus Wunderbare grenzende Erscheinung, dass die Bulgaren, die vor kaum zwei Jahrzehnten noch sozusagen „leibeigene Hörige*' waren, in einer so kurzen Spanne Zeit auf allen Gebieten der Volk- wirtschaft und Kultur so herrlich sich emporgearbeitet haben. Bewuudern ist recht und billig, doch wer sich verwundert, stellt sich da selber ein Armut- zeugnis betreffs der Ethnographie aus. Die heutigen Bewohner Bulgariens sind sowohl körperlich als geistig ebenso gut oder schlecht veranlagt, wie irgend welches Volk Europas. Unter der fünfhundertjährigen türkischeu Herrschaft gieng es ihnen auch niemals schlecht, und selbst zur Zeit des allerhärtesten Druckes nicht im Entferntesten so, wie. um ein allgemein bekanntos Beispie, zu wählen, den Juden und polischen Katholiken Russlands in der Gegenwart

Jahrhunderte laug standen die Bulgaren unter dem Einflüsse byzanti- nisch-griechischer und dann türkisch-arabischer Kultur. Man ist in christlich- klerikalen Kreisen noch immer allzuleicht geneigt, den Wert und die Bedeutung dieser Kulturen arg zu unterschätzen. Nur zu sehr mit Voreingenommenheit, die dem Hass und der Bosheit gegen Andersgläubige entspringt. Der Ethno- graph geht nicht zu weit, wenn er der Meinung Ausdruck gibt, dass die Bul- garen mit ihrem Volktum, ihrer eigentlichen Kraft, in jenen Kulturen wurzeln, ähnlich, wie die altgriorhische Kultur auf die aegyptische und semitische zu- rückgeht.

Seit den dreissiger .Jahren begannen die Bulgaren auch die abendlan- dische Kultur näher kennen zu lernen. Ums J. IH41 entstand zu Salonichi die erste bulgarische Buchdruckerei und eines der allerersten, oder vielleicht das erste Büchlein, das die neue Aera eröffnete, war ein Sprachführer, dessen er- stes Kapitel vom Blutrituale der Juden handelt (tajna kriena ninje ze otkriena radi evreite). Siehe Sbornik HL S. 55 ff. Es ist freilich nur eine Ubersetzung aus dem Neugriechischen. Das Original war wohl deutsch. Die neue tienera- tion wuchs sonst unter günstigen Auspizien heran. Bulgarische Gemeinde- und Privatschulen wurden an allen Ecken und Enden ins Leben gerufen. Bemit- telte Leute sandten ihre Kinder nach Österreich-Ungarn, Deutschland Russ- land und Frankreich zum Besuch der Mittel- und Hochschulen. Als vollends Bulgarien von der Türkei sich loslöste, war eine der Kauptaufgaben der jun- gen Regierung die Errichtung von Schulen und. Hebung der literarischen Bil- dung des Volkes.

Nach meiner beiläufigen Schätzung haben in den jüngsten vierzig Jahren .sechstausend Bulgaren an abendländischen Hochschulen ihre Ausbildung er- langt. Hochgerechnet haben darunter fünfzig Leute über das alltägliche Mass der Durchschnitlbildung sich erhoben. Dreissig hievon zählen zu den Mitarbei- tern des Sbornik. und von den eigentlichen Kapazitäten darf man ruhig sagen, dass es ahandlündischo Gelehrte sind, die sieh der bulgarischen Sprache als Ausdruckmitt«'ls in ihren Arbeiten bedienen.

Kür uns liegt der Hauptwert nicht darin, zu wissen, wer im Sbornik schreibt, sondern was uns dargereicht wird. Und da Werden unsere Erwartun- gen fast übertreffen. Ein Volktum. das bei uns in deutschen und romanischen Landen zum Teil sagenhaft verblasst ist, tritt uns hier in eohtmittolalterlicher Frische entgegen. Kiu äusserst ergiebiges und lohnendes Korschunggebiet für den Ethnographen. In keinem Kulturlaude des Welt, soweit das Christentum siegreich vorgedrungen, ausser in Mexiko, wo noc h vor fünf Jahren eine Hexe

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zum Tod auf dorn Scheiterhaufen vorurteilt wurde, wäre ein Process, wie der seit drei Jahren in Vraea geführte, <lenkbar und möglich, ein von der fürstli- chen Staatanwaltschaft geleiteter Process wegen Blutzauberei ! Vor einigen Mo- naten hatte ich aus Paris eine wörtliche Abschrift des Anklageaktes erhalten und meine blauen Wunder dann gelesen. Das ist unverfälschter, brutaler Volkglaube, wofür uns auch der Sbornik praehvolle Belege darbietet. Ich bin überzeugt, dass der Herausgeber dieser Zeitschrift, ebenso, wie ich in meinem Urquell, mit Vergnügen jenen Akt zum Abdruck bringen würde.

Wir wollen uns dabei nicht weiter aufhalten, sondern mit Hinweis auf den Sbornik feststellen, dass die Voraussetzungen für einen kulturellen Fort- schritt des bulgarischen Volkes, für dessen Emanzipierung von wüsten und unheilvollen sozialen Wahnvorstellungen glücklicherweise vorhanden sind. Man sagt : „soviel Köpfe soviel Sinne", doch trifft dieser Spruch der W eisheit, die auf der Gasse predigt, nicht auf ein Volk, und auf ein im Werden begriffenes schon gar nicht zu. Es hat niemals ein Volk von Denkern gegeben. Immer haben nur einige wenige als Vordenker für die Masse gedacht und gearbeitet. Der Volkshaufe ist die Herde, die Leithammeln folgt. Viel helles Licht und Zufuhr gesunder Luft ist bei allen Organismen die Grundbeilingung für eine gedeihliche Entwicklung. Die kurze Geschichte des jungen bulgarischen Staa- tes lehrt uns zwingend, dass zu einem Fortschritt im Handel und Wandel, namentlich in der Wissenschaft nur ein bescheidenes Mass individueller Frei- heit notwendig sei, dass schon die blosse Freimachung vom Fatalismus und die Abschüttlung des durch eine Herrscherkaste ausgeübten geistigen Druckes einen ungeheueren Kulturgewinn bedeute.

Der Sbornik ist kein fertiges, sondern, wie jede Zeitschrift für wissen- schaftliche Interessen, ein sich entwickelndes Werk. Es ist ein Werk zur Ver- anstaltung von Umfragen und daher auch von volkserziehliehem Gesichtspunkte aus von grossem Belang. Wer irgend etwas Wissenswertes aus der Vergan- genheit oder Gegenwart des bulgarischen Volkes inne hat, was immer einer Treflliches und Brauchbares vorfindet, entdeckt oder erfindet, im Sbornik mag er sich darüber aussprechen. Der Sbornik ist nach russischen Vorbildern an- gelegt, und gerne stellt man der Redaction das Zeugnis aus, dass sie es ver- steht, mit ausserordentlicher kritischer Umsicht ihrer schweren Aufgabe gerecht zu werden. Abgesehen von einigen ärgerlichen Missgriffen, die man sich im Vertrauen auf die Echtheit böhmischer Korallen aus der Götterwelt des ordentl. Grazer Univ. Prof. Krek zu Schulden kommen liess, ist der Sbor- nik die vollendeteste Leistung in der gesamten ethnographischen Literatur der Südslaven. Für die Bulgaren ist er noch etwas mehr, nämlich die Grundlage einer unverfälschten nationalen Literaturentwicklung, eine Emanzipation von fremdländischer Tagströmung in der Literatur. Der neue bulgarische Literat wird hoffentlich auch noch die letzten Lappen der kirehenslavischen Kloster- zellensprache und die überflüssigen Schnörkel der russischen Schule abstreifen ; einen allen Ansprüchen genügenden nationalen Wortschatz bietet ihm zum Er- satz der Sbornik dar und dazu an Stoffen aus dem echten Volksleben eine für Generationen ausreichende Auswahl. Weder der Gelehrte, noch der schaffende Künstler, noch der Dichter, und auch nicht der Staatsmann, vermissen hier aus- giebige Bolehrung und Anregung.

Noch einen, zum mindesten in meinen Augen ungemein hohen Vorzug besitzt der Sbornik vor verwandten südslavischen älteren und neueren Sammel- büchern, den, dass die üblichen exaltierten nationalen Expoctorationen, das Ge- winsel und Geflenne um eine grosse? Vergangenheit, die gewohnheitmässige Verunglimpfung fremdsprachiger Völker, das ockolhafte Gebelfer gegen An- dersgläubige, mit einem Worte, dass das sozialpolitisioronde und wissenschafi- elnde Sumsenbachertum hier sogut wie ausgeschlossen ist. Im Sbornik sprechen sich tatkräftige, besonnene Männer aus, die wirklich etwas zu sagen haben.

Allen anderen voran, in seiner Spezialität, der vorgloichonden Sagenkunde, einer der vorzüglichsten Forscher in Mitteleuropa, ist Michael Drogomanov, der in Bulgarien zum Bulgaren gewordene Kleinrusae, mit gebührender Hochach- tung zu nennen. Seine Beiträge erheischten eine besondere Besprochung. Er lieferte für den Sbornik folgende Arbeiten :

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Di»» slavisoh.m Lobenden von clor Hitiopferuni? de* eigenen Kinde* l «5— «7. - Slavischo Lebenden von der Gehurt Konstantins des (irossen. Ii 1»2 1S4. III. LMM»- -24t». Slavischo Varianton einer evangelischen Legend- IV. 257 -270 Kiott, tl.-r Herr, als Holzhauer, verwandelt zwei Popen, iwi s. g. Allesbesserwisser zu Ksoln un«l liisst sie schwere Laaton Holz au* dem Gebirge einem Kaufmann«» zuführen). Slavischo Fassungen der Oedipua- sago V. 2«7 .U0; VI. »j:i!!--:UÜ («»im« methodisch mustergiltige Leistung und stofflich reichhaltig). - Bemerkungen über slavischo religiöse und ethische Legenden VII. 245—1110 (Gottes Gerechtigkeit; Vom Engel, der nasi'Wf is ge- wisi'ii, weshalb ihn < i«»tt vorbannt; Was Gott tut, ist wohlgetan > ; VIII. 257— :U4 (Dualistische Woltschopfung ; Erschaffung und Segnung der Weh durch ti-»lt ti mf Sataniol).

Dragomanov kouir»'nial ist der in Paris lebende Kleinrusse Th. K. \ olkor, der itn Soornik vorderhand nur mit einer, zu dem nicht einmal noch abge- schlossene) Arbeit debütiert, die aber schon jetzt als die vortrefllichste oller bisher veröffentlichten Studien über »Die Hochzoilgehräucho der Slavischen Volk, i- dasteht (III. 1:57 178; IV. 194 -2.M) -240 ; V. 205—232 ; VIII. 21Ü 25«i». Das W»«rk ist in des Verfassers eigener Bearbeitung auch teilweise französisch in „I." Anihopologio. II. Bio -184. 408-4:17, 5d7 587 und III. 541— 58H z\i Pa- ris unter dem Titel .Kites et usagos nuptiaux en Ukraine" erschienen. VolkoY berücksichtigt hauptsächlich die Nordslaven und bezieht mehr der Parallelen halber die anderen Slaven sowie sonst Volker in die Betrachtung mit ein. Kr meint auch, dass in Fülle, wie bei den Kleinrnssen, bei keinem anderen ab» vi- schen Volk.' Hochzeitgohi-auch-Mannigfaltigkcit vorkäme. Daa ist selbstver- ständlich eine irrige Annahme, insbesondere mit Hinblick auf die kaum üb*-r- nfhl"ire Monire einschlägiger serbischer und bulgarischer Brauche. Ich möchte bei dieser i ielogenhoit zugleich bemerken, das* man in jüngsten .lahren. wie erscheint, eine denn doch zu hohe Bedeutung den grossenteils auf eine verklä- rende, phantasievulle Symbolik zariick/ufuhrenden Hochzoitgebi auchen beizu- legen anfange. Den Ethnographen interessiert aber vor allein die Ehcfonn und das Kechtverh.dtnis. Man übersieht nur zu leicht, dass eine Anzahl von „lloch- zeitbrain hen" in de« gleich,. Katey..rio mit Liebezauber und verwandten An- schauumren zu stellen ist. Wenn man in diesen Dingen der Anschaulichkeit halber die we-entlu-heii Momente von den Begleiterscheinungen nicht sorgfäl- tigst sondert, kann es leicht geschehen, dass auch unsereiner in den Fehler »ltjüdiseher oder strenggläubig jüdischer Ausleser des Talmuds verfalle, <iie vor lauter minhagim (Brauchen) den minhag (Brauch», auf den es eigentlich jeweilig ankommt, nicht mehr heraustinden.

Ivan I>. Stimm»-!', der Kidam Dragonianovs und Sectionchef im fiirstL bulgar. rnteirichtmmisienum lieferte gewissei-maasen «|s eine Einleitung in den Sbomik eine »!4 Seiten umfassen,!,. Betrachtung über „Die Bedeutung und Aufgabe unserer Ethnographie.- Der Aufsatz zeugt von einem achtunggohioton- den bibli.lirraphiM-henWisst.n und einer schönen Klarheit der Disposition eines riesigen Materiales. Befremden muss freilich, dass der ( iottcrerzouger Professor Dr. Gregor Kiek zu Gra.-/. unter den slavischen Folkloristen als einer der er- sten aus fuhrt wird. Für den Foklore hat doch de ser Mann tue irgendwas g*>- leistet. Seine „Einleitung m de« slavischo Literaturgeschichte- kann füglich nur als ein absehre. ke,id< > B-isp^d denen, wie man sich am Folklore nicht ver- p.h.'ii dürfe. Auf bleiMMirev-ehichtlicheiu (i. -biete beweist sich auch die zweit« Abhandlung Si«manovs : Alte Ib-isen durch Bulgarien im Verfolg der römi- schen Militartitrass,. von Itelirrad bis Konstmitinoj.el- | V. H21 4S:t , VI. 172 I7ti,

die schon «larain äusserst \ erdi-msthch ist, weil so« uns lehrt, wie j««ncn Wan- derern sozusagen da«, geistige Auge für ethnographisch.« Ei schoimmgon UUnd war. Die Noti/en sind von einer klaglichen l »urfiej-koit und <> bei 11 Lieblichkeit. Die Mehrzahl der Bei--, id. m waren in .iM,l ., malisch. -r Mission und derart von ih;er eigenen weltiren. ductuli« li. ti Bedeutung erfüllt, dass sie m,m,,r nur sich gelber sahen uml M»"h m .b-r fremden FmiMuiinr bewunderten. Die Folklore- sammlunK'»'" •'•'1,*!4 sb..nukb.indeH uewahron uns neununduounzigmal

mehr Kinbbcke m de- ethuoci apnis. n,n \ erhuitms,,, der Sadslaveti. als ^Umtliche älU»re HeisebcschreibunK'. 'i zusummeiureuommeu. Si>m»noT hat es trotzdem

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über sich gebracht, die langwierige und langweilige Arbeit zu machen, um vielen anderen Forschern ein zeitraubendes und zweckloses Nachstöbern in al- ten Schmöekern zu ersparen. Dankenswerte Ergänzungen zur Studie Sismanovs bieten noch dar L. Miktic : Alte Roisen durch Bulgarien I. und II. im VI. B. 113 1B6 und Dr. Ch. Kesjakov : III. VI. 107— 171, dazu von demselben: Die Lage Bulgariens zum Endo dos XV. Jahrh. VI. 177 181, VII. 438 --447. Letz- tere Arbeit streift nur nebenbei das Gebiet der Ethnographie, ist jedoch aus anderen Gründen auch lesenswert.

Im speciell bulgarischen Folkloro versucht sich G. I'opov mit seinen Charakteristiken der Hauptgestalten bulgarischer Volkepen HL 247—282 und IV. 271—279. Er behandelt hier: Das Kindlein Sekula ; d. Kind Dukadineo ; das Kind Golomjose ; Gruica das Kindlein ; das Kind Maloökovo ; den Prinzen Marko ; den kranken Dojein ; den Helden Mi los, den Helden Momcilo und Helja mit den Flügeln, sowie zum Schluss die Lieder von der Schlacht zu Leitengeben. Ich will nicht leugnen, dass sich diese Serie Hott geschriebener Aufsätze angenehm lese, doch meine ich, dass damit die wissenschaftliche Erkenntnis kaum gefördert worden sei und auf diese Weise auch nicht rich- tig gefördert werden könne. Der Verfasser stellt sich alle Epen zusammen, in denen der eine Hold N. N. genannt wird und sucht aus den verschiedenartigen Taten des Betreffenden ein einheitliches Bild zu entwerfen. Dreht os sich um eine s. g. historische Persönlichkeit, die in der Welt irgendwo einmal eine Rolle gespielt hat, so ist os klar, dass der Biograph den Briefwechsel, sonstige Schriften und die Handlungen seines Helden und die Stimmen der Zeitgenoa- sen über ihn aufs Gewissenhafteste zu Rate ziehen muss. Volkepen sind jedoch keine archivalischen Urkunden in diesem Sinnes, sondern vorwiegend Schöpfunr gen dor Volkpsyche, die sich nach eigenem (ieschmacke Charaktere zurocht legt ohne jede Rücksicht auf historische Pragmatik. Was ist Prinz Marko ? was Dukadince, was Momcilo? Doch keine historischen Gestalten? 1 Füllsel sind es, weiter nichts ; denn auch im Epos, das eine Sago, oder ein Märchen in Versen ist, muss das Kind, der Träger der ersten Rolle, einen Namen haben. Beliebte Namen dringen mit der Zeit in Stoffe ein, die mit den ursprünglichen Inhabern der betreffenden Namen nicht das allergeringste zu tun hatten. Mein Postulat gienge also dahin, dass uns in Hinkunft statt der das Wesen der Sache nur flüchtig streifenden Charakteristiken der Helden, lieber Charakteristiken der Stoffe, die in epischer Verarbeitung ühorhaupt vorkommen, vorgelegt wer- den. Die Helden sind, wenn ich mich ausdrücken darf, das Zufällige, die Stoffe das Bleibende im Wechsel der epischen Entwicklungen. Nicht die Helden, son- dern die Stoffe, die Fabeln sind international. Vergleiche zwischen den „Helden" der Epik verschiedener Völker gezogen, sind so gut wie unfruchtbar, dagegen die zwischon epischen Stoffen lehrreich und gewinnbringend. Es wäre eine be- deutende Erleichterung für das Studium des bulgarischen Folklore, unterzöge sich einer dor Mühe alle Sagenstoffe, die vorkommen, zu skizzieren und dazu alle in Zeitschriften und sonst für den Abendländer unzugänglichen Büchern abgedruckton Varianten im Auszüge mitzuteilen. So eine Arbeit könnte gerade im Sbornik durch fortwährende Zusätze und Ergänzungen aus allen bulgari- schen und vielleicht auch serbischen Gegenden vervollständigt werden.

A. T. Hiev stellt sich im 1. B. »7— 13a mit einem Rückblick auf die bul- garische Numismatik ein. Die hiozu gohörigen Tafeln entbehren auch für den FolJdoristen eines regeren Interesses nicht, wie auch die Studie Iliovs gegen- über dem weniger kritischen numismatischen Sammelwerk Simeon Ljubics einen ernsten Fortschritt bedeutet. In eine den übrigen Südslaven nur wenig bekannte Vorstell ungwelt versetzt uns Hiev'* Abhandlung über bulgarische Volküberlioferungon betreffs der Riesen, die Hellenen (clini), Juden (zidove) und Lateiner (latini) genannt worden. III. 179—205. IV. 231—256. Das sind relativ junge, durh die mönchische Klosterliteratur importierte Sagen und Märchen, die durch die türkische Sagen litoratur, bekaimllich einor sehr reichon, wenr- gleich wenig originellen, viele Zufuhr erfahren hat. Vorzüglich in ihrer Art ist Uiovs dritte Studie (VII. 311—412) über die Flora in der Volkpoesie, den Ge- wohnheiten, religiösen Bräuchen und im Glauben der Bulgaren. Es wird sich noch Gelegenheit findon darauf zurückzukommen.

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Recht nützlich ist Ephrnn Ktinmor's. eines alten Mitarbeiters des Perio- dik osko spisanic, Zusammenstellung «ler in den bis zum J. 1889 gedruckten Sammelwerken für Folklore vorkommenden Varianten zu den Liedern der Samm- hing der Gebrüder Milndinov 1. 157— 175. Von ihm ist auch im IV. B. 280 -31» eine kritische Auseinandersetzung über -Ethnographisch»' Materialien bezüg- lich einiger Örtlichkeiten in Nordmazedonion" (Unter Hinblick auf die Streit- frage, ob das Gebiet von Bulgaren oder Serben bevölkert sei.) Karanov teilt scharfe Hiebe gegen die nationalserbischen Tendenzen Jastrebovs und Draga- novs aus.

Eine ungemein schätzbare Sammlung von 1H7 Originalmitteilungon zur Vulkmedizin der Bulgaren rührt von C (ii.r'rr im III. B. 70 136 her. Obwohl der Sbornik sonst noch sechsmal soviel verwandter Materialien enthält und auch frühere Sammler (Balm Jaga) treffliches zu Tage gefördert hnben. so bleibt es doch wenn ich nicht irre - Gincevs Verdienst, dass nun an eine zusammen- fassende Darstellung der bulgarischen Volktnediein geschritten werden kann.

Hin Buch in vier Bruchstücken und nicht eine Abhandlung sind Dr. Vtutil T. ßaldziec's „Studien über das Personalehorecht bei den Bulgaren-, in denen er das Gowohnheitrecht eingehend und sachverständig mit berücksich- tig. Hald'ziev zeichnet sich auch durch eine nicht gewöhnliche Beherrschung des Kirchenrechtes aus und hat ein feines Verständnis für die historische Kechtentwichlung.

Das Bild von der bulgarischen communistischen Wirtschaft, das uns lv. Elf. Uchov im Period. Spisanic (XXXII X X XII 1) gegeben und worüber ich dem deutschen Publikum im „Ausland** seinerzeit ausführlich berichtet, vervollstän- digt in erwünschter Weise die kurze Studie l). Vsta-Crrnvnv's : „Schnittergenos- senschaften im Ti-novo-Bezirke.** VII. +84— 4515, Nicht minder schätzbar ist X. Xa- cor's daran sich anschliessender Aufsatz über bulgarische Kerbhölzer und Kerb- zeichen VII. 59«> -605. Die Zeichen gehen auf römische Ziffern und das alt- slavische Alphabet zurück. Man kann angesichts der Dürftigkeit der Mitteilungen nur lebhaft bedauern, dass uns keine Kerbhölzer aus älteren Zeiten aufbewahrt geblieben sind.

Einen gut lesbaren Beitrag zur Frage über den Ursprung der Trojasage verfassto Ii. Conev, VII. 224—244.

Damit ist die Reihe der eigentlich folkloristischen Abhandlungen der VIU Bände des Sbornik aufgezählt. Von den übrigen Studien und Aufsätzen, die mehr oder weniger auch in unser Fach einschlagen oder an und für sich geeignet erscheinen, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln, sind noch anzuführen : vom berühmten und hochverdienten Historiographon der Bulgaren, Prof. Dr. Kotifff. Jirecek: Ethnographische Wandlungen in Bulgarien seit der Gründung des Fürstentums, V. 500 517. von den Gebrüdern Skorpilnr: Mittelalterliche Kirchen und Grabstätten in Sonja II. 46 00 ; Archaeologische Untersuchungen an den Gestaden des Schwarzen Meeres und den benachbarten Teilen der al- kanausläufer in Südbulgarien, III. 3 40 ; IV. 102—255 ; Nordostbulgarien in geographischer und archaeologischer Beziehung. VII. 3—83, VIII. 3—58 ; und alt«? Inschriften aus verschiedenen Teilen Bulgariens VII. 84— 110. VIII. 59—81. Von V. Dobruski : Archaeologische Forschungen in Westbulgarien II. 1 45; und Einige historiseh-arehaeologiseho Notizen (Burg Batil an der Bojana. In- schriftenfunde) III. 41 47. Von P. R. Slavejkov : Ein Auszug aus der Chro- nik des Priesters Jovca von Trjevno II. 310 -310 ; III. 381—394 : IV. 001— 609. Über einige alte Heerführer (Pavel Bakie, Cavdar vojvoda und Lalus, Levent Koreo, Ceko vojvoda und Ivan vojvoda.) 11. 317 327. Von .1. Sopov : Eine Urkunde (aus dem St. Johannes Vladimir-Kloster bei Durazzo) zur bulgarischen Geschichte II. 115—132. Von P. Cemovjezd: Eine Chronik aus dem Anfang dieses Jahrhunderts VI. 379 425. Von Tran 8larov: Die Ausdehnung des Fürstentums Bulgarien I. 312 315. D. Matov. Probe eines bulgar. Wörter- buchos VII. 448—483. Wäre ein ausgezeichnetes modernes Seitenstück zu Wolf Karadzics serb. Wörth. Von Ch. P. Konstantinov : Materialien zur Erfor- schung der Rhodopeer Mundart I. 134—156 ; II. 269—284. Cepino. Ein bulg. Landstrich in der nordwestlichen Senkung der Rhodopealpen. (Nur teilweise ethnogr. Mitteilungen enthaltend) III. 355—380, IV. 586—595. Von einem Un-

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genannten : Bitolsko, Prjesna und Ochrida. Reiseskizzen IV. 3—101. Die Mit- teilungen zeigen den scharfen Beobachter, sind reich und wertvoll. Von Dr. J. Bassanovic : Der Lomor Bezirk V. 3— 185. Von K. A. Sapkarev : Einige Bemerkungen über die Aufsätze (Böhmische Korallen aus Mazedonien !) dea Herrn F. Draganov in den Berichten der St. Petersburger Slav. Wohltätigkeit- Gesellschaft II. 326—352. Ein Seitenstück einer gründlichen kräftig satirischen Abfuhr eines Korallenfabrikanten ist Dr. Iv. D. Si&manovs Referat über das „Geographische Wörterbuch der westslavischen Länder und angränzender Gebiete" des Jakob Holovuckij (Wilna 1884» II.". S. 178—198. Etwas spät hat sich Sismanow besonnen, aber doch : dann aber ausgiebig ! Von .V. Jurinic : Die Höhle Policki beim Drjenovacer Kloster des Erzengels Michael VI. 362—378.

Jeder Band des Sbornik gliedert sich in drei Teile ; der erste enthält wissenschaftliche Aufsätze, der zweite Belletristik und Kritiken, der dritte aus- schliessüch Folklore. Von den nicht in unser Fach einschlägigen, gewiss auch tüchtigen Arbeiten will ich nicht sprechen und überlasse das Urteil den hiezu berufenen Sachverständigen. Der zweite Teil mehrerer Bände enthält in Fort- setzungen einen ausgedehnten sozialpolitischen Roman aus Bulgariens junge f Vergangenheit : »Unterm Joche" von Johanne* Vazov. Ich habe nur ein Bruch- stück davon gelesen und mit Vergnügen wahrgenommen, dass der Verfasser es vorsteht, den Folklore auch im Romane zu verwerten, trotzdem hatte ich nicht die Zeit und Ausdauer, schon jetzt alles zu lesen. Die Kritiken sind im allgemeinen sachlich und ausführlich gehalten, doch inuss es befremden, dass z. B. einer miserablen bulgarischen Ubersetzung von V. Hngn'n „Les Miserables" volle acht, und einem Lesebüchlein für die 3. Klasse der Elementarschule vier Seiten gewidmet werden. Ähnlichen, breitspurigen Auseinandersetzungen, die mitunter für die betroffenen Verfassor eine Katastropho bodeuten mögen, be- gegnet man zu öfterem in der ersten Serie der Arbeiten der Agramer Südslav- ischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Mehr Wohlwollen Anfängern gegenüber wäre allenfals am Platze. Auch Schweigen ist zuweilen Wohlwollen.

Die dritte Abteilung ich möchte sie die Fundgrube für bulgarisches Volktum benennen ist für uus wieder ausserordentlich wichtig. Soviel wert- volles und gediegenes ältere und jüngere Sammlungen auch darbieten mögon, man kann sie nahezu entbehren angesichts des hier aufgestappolten, gediege- nen und wohl übersichtlich geordneten Reichtums an Stoffen. Hier kommt der Charakter des Sbornik als eines Umfragenwerkes am prägnantesten zun» Aus- druck. .Jeder neuo Band ergänzt und vervollständigt die in den vorhergehenden Bänden angeschlagenen Themen. Einem Leser, der sich mit Folklore nicht wissenschaftlich beschäftigt, muss die dritte Abteilung natürlich etwas monoton vorkommen. Ihn halten dafür die ersten zwei Abteilungen reichlich schadlos.

Es drängt sich einem bei der Lektüre dieser riesigen Sammlungen bald die Frage auf, wiefern sie uns Neues für die Volkkunde der Südslaven ins- besondere als für die Wissenschaft vom Menschen im Allgemeinen bringen. Es kann darauf nur eine Antwort gelten : der Sbornik fördert nicht eine einzige neuo Gestalt des Volkglaubens, keine einzige neue Volkanschauung zu Tage, die nicht auch anderweitig durch bulgarischen, serbischem, chrowotischen und slo- venischen Volkglaubon und Brauch zu belegen wäre. Natürlich kommen ent- sprechende Parallelen auch aus dem Folklore nichtslavischer Völker in Be- tracht. Ich wüsste kein sichereres Kriterium für die Zuverlässigkeit und Echtheit der Sbornik«-Mitteilungen anzuführen. Ihr wahrer uad über jedem Zweifel er- habener Wert gipfelt darin, dass sie das Bekannte nach allen Richtungen ver- tiefen, sicher stellen und aufklaren. Die bisher nur mehr gemutmassteti Über- gänge und Verbindungen zwischen asiatischen und europäischen geistigen Strömungen werden deutlicher, sozusagen in nrmchea Fallen greifbar. Sitten und Gebräuche und Volküberliefeningen, die mitunter weiter westwärts bloss als Rudimente oder Uberlebsel bekannt waren, sind zum Teil in Bulgarien in einer ursprünglichen Frische bewahrt, so gut wie andere in ihrer Verblassthoit kaum zu erkennen wären ohne serbisches Volktum. Man muss sich selbst- verständlich immer vor Augen halten, dass wir werler die Serben noch die Bulgaren gleichsam als Raven- oder Naturvölker betrachten dürfen. Die Ver- schmelzung dieser Spraehvölker ist unter der türkischen Herrschaft hinsichtlich

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dos Volktums derart fortgeschritten, dass man im Ernste noch nicht daran denken kann, spezifisch bulgarisches und spezifisch serbisches Volktum zu son- dern. I)i»> Unterschiede betreffen im Grunde genommen gewöhnlich üusserlieh« Nebenumstände und vorzugweise sprachliche Besonderheiten. Mögen daraus bulgarische und serbische Zeitungschreiber, wie bisher, auch fernerhin poli- tisches Kapital zur Begeisterung oder Verhetzung der Massen schlagen, ihren Spuren zu folgen verbietet uns Ethnographen unsere wissenschaftliche Über- zeugung. Aus politischen Gründen, d. h. Abonnentenfanges halber, oder, wenn es hochgeht, um ein Mandat fürs Parlament zu ergattern, zupft man aus ethno- graphischen Sammelwerken lose Brocken heraus und knetet sich daraus nach Belieben einen patriotischen Teig, mit dem man einfaltigen Wählern die Ver- standporen verkleistert. Ein solches Schicksal hat z. B. auch Jastrebov'a im übrigen äusserst verdienstvolles Sammelwerk aus Altserbien erfahren. Es ist leichter Ethnograph zu sein, als kein Satiriker zu werden.

(Fortsetzung folgt.)

Kartenspielerglauben aus Ungarn.

Von -4. Herr mann.

Der Kartenspielorglauben ist meines Wissens von der Volks- kunde bislang noch nicht in den Kreis ihrer Betrachtung gezo- gen worden, obwol er, wie alles Volkstümliche, auch die Aufmerk- samkeit der Forscher und Sammler verdient. Indem sich unsere Zeitschrift (s. S. 116) als Organ der JJynsy Lore Society" von mm an auch mit Sitte und Brauch der Vaganten aller Art befassen wird, so halte ich es für angezeigt, all den Karten- spielerglauben des gemeinen Volkes in Ungarn hier mitzuteilen, der mir eben bislang bekannt geworden ist.

Heinahe unter allen Völkerschaften Ungarns ist der Glaube verbreitet, dass beim Aus- oder Verteilen der Karten der betref- fende Austeiler ausspeien muss, damit er dadurch das „Glück an sieh binde." Hei den Bunjewazen in Südungarn berührt jeder, bevor er die ihm zugeteilten Karten in die Hand nimmt, diesel- ben vorerst mit dem Mittelfinger seiner linken Hand und speit dann aus. Siebonbürgisch-süchsische Landleute glauben, dass man die Karten mit der linken Hand vom Tische aufheben muss, um Glück zu haben. Die Wanderzigeimer Ungarns suchen einander bei jedem Kartenausteilen im Ausspeien zu übertreffen. „The dav leske the pijol, hoj kija mange th'avel" (damit ich ihm zu trinken gebe, damit es | nämlich das Glück | zu mir komme!), sagt ausspeiend der Wanderzigenner, wenn er eine Tour verloren hat, und wechselt zugleich die Lage seiner Heine; legt» z. B. das rechte Bein über das linke, wenn letzteres vordem sich auf dem rechten befand. Siebenbürger Walachen speien auf ihren Sitz- platz, bevor sie sich zum Kartenspiel hinsetzen. Magyarische Kartenspieler setzen sich, wenn sie verlieren, verkehrt auf den Stuhl oder tauschen denselben ein.

Auch aus gewissen „Vorzeichen" wird auf Glück oder Un- glück geschlossen. Allgemein glaubt man, dass kein Zuschauer denjenigen, der gewinnt, auf seinen Gewinst aufmerksam ma- chen darf, sonst verscheucht er vom Betreffenden das Glüek. Bei den

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Magyaren verscheucht besonders der „Kibitz" (Zuschauer) durch sein Schwatzen das Glück. Derselbe muss stets schweigen, höch- stens darf er demjenigen, dem er beim Spiel zusieht, die Zigarre anbrennen, ihm Geld leihen, ihm Getränk einschenken. Die Ver- haltungsmassregeln der „Kibitze" sind magyarisch auch im Druck erschienen. Kriecht eine Spinne auf dem Kartentisch herum, so wird nach magyarischem Volksglauben derjenige gewinnen, in dessen Richtung sie hinkriecht. Nach rumänischem und sächsi- schem Glauben verliert derjenige, welcher schluckst, niest, öfter hustet, oder dem ein ..Wind" entschlüpft, denn dadurch schreckt er das Glück von sich. Allgemein glaubt man, dass derjenige gewinnen wird, der in der rechten Handfläche ein Jucken spürt. Wanderzi- geuner glauben, dass derjenige, welcher beim Spiel in den Fusszehon einen juckenden, stechenden Schmerz spürt, sofort aufhören muss, denn die bösen Dämonen umkreisen ihn und er wird verhören; desgleichen verliert ihrem Glauben gemäss auch derjenige, wel- cher an dem Tage Fische oder Krebse gegessen hat, denn das Glück „schwimmt von ihm weg". Siebenbürger Rumänen meinen, dass derjenige gewinnt, der die vorgeschriebenen Fasten nicht einhält. Fast allgemein verbreitet aber ist der Glauben, dass wenn der Mensch auf dem Wege zum Kartenspiel zuerst einem Manne begegnet, er verlieren, wenn er aber zuerst einem Weibe oder Melktioro begegnet, gewinnen wird. Siebenbürgisch-sächsisehe Landleute glauben, dass derjenige, welcher eine Katze totschlägt, 7 Jahre lang kein Glück habe, also auch im Kartenspiel nicht gewinne. Unsere Wanderzigeuner meinen, man dürfe nicht Kar- ten spielen, wenn man nachts vorher von einem Toten geträumt, oder kurz vorher einen Kadaver abgeschunden hat ; ferner glau- ben sie, dass sich das „Glück wendet", d. h. wer bis dahin ge- wonnen, nun verlieron werde und umgekehrt, sobald sich eine Schwangere den Spielern nähere. In manchen Ortschaften herrscht bei Sachsen und Rumänen der Brauch, dass man aus der Stube, wo gespielt wird, die Katze hinauswirft ; denn man glaubt, dass sie durch ihre Gegenwart Streit unter den Spielern verursache, der mit Schlägerei, ja mit Totschlag endigt. 1881) wurde in Mühlbach ein Kliman c ven seinen Spielgenossen erschlagen ; seine Mutter klagte, dass dies deshalb geschehen sei, weil sie vergessen hätten, die Katze aus der Stube zu jagen. Die Slovaken hin- gegen halten die Katze für glückbringend ; an den sie sich beim Kartenspiele schmiegt, der gewinnt, und das Kind, welches gerne mit Katzen spielt, wird ein grosser Kartenspieler wer- den. Die magyarische Bevölkerung des Kalotaszeger Bezir- kes glaubt, dass der, zu dessen Füssen sich während des Kartenspiels ein Hund niederlegt, verlieren, den er beleckt, ge- winnen wird. In ebendemselben Bezirk ..dreht" der Spieler, der nacheinander verloren hat, seinen Hut oder die Mütze, d. Ii. setzt den vorderen Teil nach rückwärts, speit rechts und links aus und spricht : ..Dreh' sich das Glück!" (Forduljun a szerenese.)

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Magyaren und Sachsen glauben, dass derjenige gewinnt, der an dem Tage sein Hemd oder seine Unterhose unabsichtlich auf der verkehrten Seite angezogen hat.

Es gibt aber auch Mittel, durch deren Anwendung der Mensch fortwahrend gewinnen muss. Slovaken und Szekler glau- ben, dass wer die Nabelschnur eines ungetauft verstorbenen Kindes isst, im Kartonspiel stets gewinnt. Nach magyarischem Volksglauben soll man zu diesem Zwecke etwas Blut von einem Enthaupteten oder ein Charfreitagsei bei sich tragen. Kalota- szeger Magyaren glauben, dass wer stets gewinnen wolle, sich mit einem neuen Messer um Mitternacht ein liegendes Kreuz in die linke Handfläche zu schneiden habe; das entströmende Blut sauge er auf und speie es auf ein Kartenspiel aus, welches er dann in den Grabhügel eines als berühmter Kartenspieler bekannten Mannes vergrabt. Erscheint ihm dabei der Teufel, so soll er nicht davonlaufen, sonst wird er von demselben zerrissen. Nach magyarischem Volksglauben gewinnt auch derjenige stets, welcher die berühmte ..nagyfügyöker" ( - (1 rossgras wurzel, Atropa belladonna) am nackten Leibe bei sich trägt, Diese Wurzel kann man in der Georgsnacht auf einem Berge graben, auf welchem sich die Hexen der Umgegend bisweilen zu ver- sammeln pflegen. Auf die Stelle der ausgegrabenen Wurzel muss man ein Brotstückehen legen, in welches man ein Pfefferkorn, etwas Gewürz und Salz hineingokuetet hat, sonst wird man vom Teufel getödtet. Nach siebenbürgisch-sächsischem Volks- glauben ist es die „Springwurzel", die zu Gewinn verhilft. Wer sie findet, schneide sich in die linke Handfläche und stecke die Wurzel in den Schnitt. l)io Wurzel wächst schnell in das Fleisch hinein und mit dieser Hand kann man die stärksten Schlösser erbrechen ; teilt der Spieler mit dieser Hand Karten aus, so gewinnt er. In Südungarn glaubt man, wer d e Pflanze ,.szarka- läb" (= Elsterfuss, astragalus glyciphillus) hei sich trägt, stets gewinnt. Dem Volksglauben der Bunjewazen gemäss gewinnt derjenige stets, welcher eine Schnur am blossen linken Ober- arm trägt, die aus Eselshaaren und den Haaren einer im Kind- bett verstorbenen Frau geflochten ist. In Zombor (Südungarn) erzählt man sieh von einem berüchtigten Kartenspieler, er trage am Leibe ein Hemd, das aus Eselshaaren und den Haaren seiner beiden, im Kindbett, verstorbenen Gattinnen gewirkt sei; deshalb gewinne er stets und kein Bekannter wolle mit ihm spielen. Siebenbürger Humanen glauben, dass mnn stets gewinne, wenn man am hl. Droikonigstage die Schwimmhäute einer Ente sich in das Innere der Stiefel näht: oder wenn man ein Iltisfell als Fusslappen in den Stiefel anzieht. Die Wanderzigeuner gebrau- chen dazu aus gleichem Grunde das Fell der Zieselmaus. l) Wenn nach zigeunerischem Glauben jemand seine Hände mit

l Wi. F. Ii. Kain'U in <l"i- Berlin. t „Z.-its;-hr. f. Ktlm .i -.srj,. 1S!);S. 1. H.-ft.

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dem zu Staub getrockneten Blute einer im Kindbett verstorbenen Frau bestreut, wird er unbedingt gewinnen. *)

Schliesslich einige Mittel gegen die Kartenspielsucht. Das magyarische Volk nennt die Karten auch „dos Teufels Bibel" und glaubt, dass die Seelen leidenschaftlicher Kartenspieler dem Teufel verfallen. Siebenbürger Rumänen tauchen ein Spiel Karten in Weihwasser imd verbrennen sie auf Kohlen, die aus dem Weihrauchbockon der Kirche gestohlen wurden; die Asche wird dann dorn Manne in Speise und Trank gemischt, um ihm das Kartenspielen zu verleiden; oder man tröpfelt ihm, während er schläft, auf die Herzgegend einen Tropfen Wachs von einer Kerze, welche in der Kirche gebrannt hat. Nach rumänischem Glauben treibt dies aus dem Leibe des Mensehen den ..Teufels- haueh" (fiune dracului), der ihn zum Kartonspiel antreibt. Sächsinnen mischen zu gl Mühein Zwecke pulverisierte Krebs- schalen in die Speisen der Männer, während die Magyarin ein Haar von ihrem Kopfe in 2 Teile schneidet, den einen Teil dem Manne in die Hose, den anderen aber ins Ehebett einnäht, damit der (iatte beim Kartenspiele „keine Ruhe habe und heimkehren müsse." Oder sie formt aus mehreren Karten ein Kreuz, indem sie dieselben zusammennäht, und legt dies Kreuz unter das Kopfpolster des Mannes. Schläft er nun auf diesorn Polster, so „träumt er so schreckliche Dinge, dass ihm die Lust zum Kartenspiel vergeht/4

Kerbhölzer der Wanderzigeuner.

Von Anton Herrmann.

Auf die Wanderzigeuner passt ganz und gar das lateinische „Omnia mea mecum porto.u Charakteristisch genug drücken dies die Schmiedzigeuner also aus : „Kalapncaha andro rast" (mit dem Hammer in der Hand). Ihr Hab und Gut macht ihnen nicht viel Sorge und ihre finanziellen Operationen können der doppelten Buchhaltung entraten. Deshalb aber können sie im allgemeinen gar gut rechnen und viele von ihnen leben vom Handel ; insge- sarnmt lieben sie das Handeln und Feilschen und hausieren mit ihren Erzeugnissen im Lande herum ; in Ungarn sind sie als Pferdernäkler allgemein bekannt und selbst als Trödler kommen sie hie und da vor. Im Handel mit Nichtzigeunern sind gewöhn- lich nicht sie die Betrogenen.

Aber auch unter sich liegen sie Geld- und Kreditgeschäf- ten ob, sie kennen die daraus sich ergebenden Verhältnisse und haben in ihrer Art auch Handelsgehräuche und Urkunden ; sie wissen, was Einnahme und Ausgabe ist ; sie kennen den Gläu- biger (iuisoljo), den Wechsel (rinitori), ja selbst den Wucherer-Begriff.

*) Vgl. den Diobsglauben in Wlislocki's Werk: „Aus dorn inneren Leben der Zigouner- (Berlin 1HH2, Fulbor) S. »0.

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Letzterer wird bezeichnend ,.nägligcrtt (karfino) genannt. de!::, wer mit Wucherern zu tun hat, ruht Tag und Nacht \vi<- Nägeln (dvirw racijp pre knrfine pasijol).

Die Zigeuner können weder lesen noch schreiben: vi» von ihnen sind nicht imstande bis KM) zu zählen ; aber diejerjii". welche von ihnen Handel betreiben : die Schweine- und l*ftrv händler, die Wucherer und die sich mit Kreditgeschäften }; fassenden führen über ihre Geschäfte ein genaues Yerzeirhr. suwol bezüglich des Namens des Schuldners, als aucli beziurli'. der Simnne, der Fälligkeilszeit und der Interessen. Hiebei k»»u;. das Kirhholz (cinipr) in Verwendung. Dies Wort bedeutet: Sehn." Kitz, Schrift ; von ciuvl ~ er schneidet, schreibt, was mit kiwl - er kauft, zusammenhängt: ..Kr hat, viel auf dem Kerbbolz"* her- zigeunerisch : Hut*' hin L'tke. pro vinipv.

Zum Kerbholz wird ein 1 4 Spannen langer, 12 Firn.- breiter, vierkantiger, glattgeschnittener Birken- oder Buchen*- benützt. Form und Zahlenwert der Kerbzeichen entspricht \- 1 10 (mit Ausschluss der Coinbinationen IV. und IX. ) betreffenden römischen Zahlzeichen. Für Werte über 10 -s: keine besonderen Zeichen in (ichrauch. Das Korben geschi»" ' der Stabbreite nach in horizontaler Richtung.

Fi*. IV.

Aber nicht nur die Summe, sondern auch der Fälliirk-'i- tennin wird durch Einschnitte in das Kerbholz ausgedrückt. Zigeunerstämme Mitteleuropa'* rechnen die Zeit nach den dr- Hauptfesten der kristlichen Kirche und dem St. Michaelsu^ * Das .Jahr zerfällt demnach in vier Abschnitte, indem es .:. Weihnachten beginnt. Der betreffende Tag wird auf die W.-i- näher bestimmt, dass die seit Heginn eines .laliresabsclmi:*- verflossenen Sonntage und «Ii** auf den betreffenden Sniur;: folgenden Wochentage durcli je einen Einschnitt ins Kerl»!.- bezeichnet werden. Hat jemand z. B. I*J (iulden zu zahlen ist diese Summe am Mittwoch nach dem vierten Sonntag iw Bfinirsten fälliir, dann wird auf dem Kerbholz folgendes ein- schnitten : das Zahlenzeichen X Villi, dann das Zeichen des 'i<-'u Hauptfestes ( l\'im:sien ) : drei nach rechts liegende Einschnitt, ferner die von Pfingsten an zu zahlenden vier Sonntage; \ -' eckig«' Einschnitte in eine Kante des Kerbholzes, und scMii«1»-

•l Wlitlorki im II. IM. <!ir-<»r Z>iNrhrift S. 1:»:{„ und „Au* d-rn in:v Lehen <l«-r Zitf.'Uu.T- (H. i-!in lss-j, F.«1!>.t| S. 10.", IT.

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lieh dor Mittwoch als dritter Tag der Woche : drei nach links liegende Einschnitte (s. Figur IV.)

Dies ist die Form des zigeunerischen Wechsels, der in zwei Exemplaren ausgestellt wird, und zwar so, dass zwei gleich lange und womöglich gleich breite Kerbhölzer so aneinander ge- passt werden, dass beim Einschneiden der Zeichen dieselben gleichzeitig und in entsprechender Lage und Form auf beiden Hölzern (gleichsam mit einander korrespondierend) erscheinen. Die Hölzer haben an einem Ende ein Loch, in welches das per- sönliche Abzeichen des Aecoptanten d. h. Schuldners gesteckt wird, im Falle der Betrettende ein solches besitzt. Ein eigenes Abzeichen zu besitzen, ist eine besondere Ambition des Wander- zigeuners. Zu Winterszeit, wenn eben die Mitglieder des Stammes beisammen sind, oder sich wenigstens nahe zu einander befinden, pflegt dor Wojwodo in öffentlicher Sitzung dem verdienstvollen Mitglied«? des Stammes ein solches Abzeichen zu verleihen; er erklärt die Form des verliehenen Abzeichens, worauf dann eino allgemeine Zecherei auf Kosten des Ausgezeichneten folgt. Hin-

/ Kig. V.

X V--XIII-XX -Vm-

1

X— A-XlU-XX-Aw.

L...

Zigeunorkonto.

länglichen Grund für eine solche Auszeichnung liefert auch schon der Umstand, wenn der Wojwode bei irgend einem seiner Mit- glieder eine bedeutendere Geldsumme spürt, die eben für ein etwas ausgibiges, allgemeines Zechgelage genügt. Solche per- sönliche Abzeichen können bestehen : aus einer gewissen Anzahl von Längs-, Quer- oder Kreuzschnitten auf einem Stückchen Holz, einer gewissen Anzahl von Ruten, Pferdehaaren, Schweine- borsten, Kürbiskernen, udgl. m.

Das persönliche Abzeichen des Schuldners wird in Gegen- wart zweier Zeugen in ein Säckclien gelegt und so durch das erwähnte Loch hindurch an dasjenige Kerbholz gebunden, das beim Gläubiger zurückbleibt. Wird die Schuld getilgt, so werden beide Kerbhölzer in Gegenwart der beiden Zeugen vernichtet. Das Ableugnen der Giltigkeit eines solchen Wechsels, die Fäl- schung oder unrechtmässige Vernichtung desselben wird für ein grosses Vergehen gehalten, wofür der Wojwode den Betreffenden gewöhnlich für ehrlos, beschimpft (melales) erklärt und aus dem Verband des Stammes ausstösst. Nur wenn der Betreffende eine bestimmte Zeit lang allein gewandert ist, den Schaden ersetzt und die Kosten eines allgemeinen Gelages gezahlt hat, kann er wieder in den Stamm aufgenommen werden.

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Auf ein und denselben Stab können auch zu verschieden!-:. Zeiten geliehene Simulien eingekerbt werden, in welchem Kali- die einzelnen Summen durch bohrlochartige eingekerbte Vertie- fungen von einander getrennt werden. Die Zinsen werden auf <l> andere Fläche des Kerbholzes, wohin gewöhnlich auch die W fallszeit kommt, verzeichnet.

Aber es treten im Lehen der Wanderzigeuner auch solch»- Fälle ein, wo nicht blos ( leldsummen, sondern auch andere l^- liehene (legenstünde auf dem Kerbholz verzeichnet werden mii- sen. Die Zeltzigeuner leihen einander nicht nur i Seid, senden: auch verschiedene Lebensmittel und andere Sachen, für welch- es allgemein gebräuchliche Kerbzeichen gibt. So z. K. bedeute: 1 (in Figur VII.) - Höhnen, 2 Frbsen, <\ Linsen, 4 - Mm*, ö Maismehl, 6 = Brotmehl, 7 Brot, 8 Kuchen. II - Weizen. 10 Haler, 11 (leiste, 12 - Kürbis, Vi Kehl. 14 = (Wirken, 15 Kürbiskerne, 16 -= Speck, 17 -= Fleisch. 1H Salz, V) - Pfeifer, 20 Tabak. Diese Zeichen stehm unmittelbar nach den Zeichen, welche die Quantität, bezielmiurs weise den Wert der betreffenden (legenstände angehen.

Die Zauber-Frauen der Zeltzigeuner, die durch Wahrsag und I Ieilkünstlerei udgl. von ihren Stammesgenossen uml »l^n Dorfbewohnern sieh (leid und Victualien oft in Menge erwerbe

Fiir. VI.

A* |h^»|-6-»{ ED

Ziiffunoi-ti'Ktaint'nt.

sind zugleich die Kapitalisten und (Ireisler ihres Stammes un-i vermehren ihr Vermögen durch Wucher und andere Kredit- geschäfte. Ihren Stammesgenossen leihen sie nicht nur ( leid, son- dern auch Lebensmittel, und führen darüber besondere Kerl- hölzer, welche die (Sattung und den Geldwert des betreffend-a Gegenstandes aufweisen. Im; einzelnen Posten werden auch in diesem Falle durch loehförmige Finkerbungcn von einander schieden. Ist für die Rückzahlung ein Tennin vereinbart worden, so wird dieser so wie beim Wechsel durch die angegebenen KerN- Zeichen auf dem Kerhholze angeführt. Hat ein (legenstaml kc;ü allgemein bekanntes Zeichen, so wird nur sein (Seidwert »-mitt- kerbt. Auch diese Konti werden in zwei Fxempluren auslest«'!!:, wobei das persönliche Abzeichen des Schuldners ebenfalls Anwenduiur kouiiut.

Dem in Figur V. abgebildeten Konto gemäss wurden .'üf Kredit folgende ( regcnstündc eingekauft: für "> Kreuzer 1 5> ri i - für ö Kr. Frbsen, für 10 Kr. Maismehl, für »> Kr. Hafer, für Kr. Kohl, für 20 Kr. Fleisrh und für ö Kr. Tabak.

Futer den Wanderzigeunern in Südungaru gibt es vi<v wohlhal)ende. Viele \ ou ihnen befassen sieh mit Sehweine- u: :

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Pferdehandel; in den Balkanländorn kauten sio ganze? Schweine- herden auf und treiben dieselben an die ungarische Grenze, wo sie sie mit Gewinn verkaufen. Diese Zigeuner pflogen testamen- tarisch über ihren Nachlass zu verfügen ; solche Testamente wer- den ebenfalls auf Stäbe eingekerbt und in Gegenwart von Zeugen vom Erblasser den Erben übergeben. Nach dem Tode des Erb- lassers weist der betreffende Erbe das Testament dem Wojwoden seines Stammes vor, worauf dieser nach Zahlung einer Taxe seine Erbschaft anerkennt und ihn im Besitze derselben bestätigt. Im Testamente werden die im zigeunerischen Heimwesen gebräuch- lichen Sachen durch besondere, allgemein bekannte Kerbzeichen ausgedrückt. Die in Figur Vit. vorgeführten bezüglichen Zeichen bedeuten : 21 - Schwein, 22 = Pferd, 23 = Wagen, 24 - Zelt. Die im Jahre 1880 verstorbene Zigeunerin Garie stellte für ihre beiden Söhne das in Figur VI. hier mitgeteilte Testament aus, demzufolge jeder ihrer beiden Söhne je 8 Schweine, 1 Pford, 1 Wagen imd 1 Zelt erbte; den übrigen Nachlass bekam ihre Tochter.

Fig. vir.

X V-A WA 11 « *> %\ z% ii

Kerbzoichon der Wanderzigeunor.

14

Die hier mitgeteilten Kerbzeichon sind bei den südimga- rischen und syrmischen Wanderzigeunern allgemein in Gebrauch; für andere Gegenstände gebrauchen die einzelnen Stämme von ein- ander abweichende Zeichen, zu deren Kenntnis wir aber bisher noch nicht gelangt sind. Von einer alten Zeltzigeunerin, namens Marie Gernako, die Sommers im Bäckaor Komitat herumzusehwei- fen pflegt, hörte 1890 Wlislocki, dass in ihrer Jugendzeit die Zi- geuner viele solcher Zeichen gebraucht hätten, die aber mm in Ver- gessenheit geraten sind. Sie selbst habe in ihrer Jugendzeit ihrem Gatten, der im Kerker zu Baja gefangen sass, mit solchen Kerb- zoichen Nachrichten ins Gefängnis hineingeschmuggelt; ihr Gatte habe dieselben verstanden, aber zufällig verraten, worauf auch sie eingesperrt wurde. Als 1883 drei Wanderzigeuner im Kerker zu Hermannstadt verhaftet sassen, suchten sie sich während der Zeit, da sie im Gefängnishof Bewegung machten, durch in den

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Sand gemachte Zeichen zu verständigen; ihr Vorhuben aber wurde durch die Wachsamkeit dos Gefangenaufsehers vereitelt.

Nachdem nun die Ziffern und die allgemeineren Zeichen beinahe jeder Stamm der Wanderzigeuner Ungarns kennt und gebraucht, so kann vielleicht vorausgesetzt werden, dass diese Kerbzeichen oin uraltes Erbe aller Zigeuner bilden. Zur Bestä- tigung der Richtigkeit dieser Vermutung müssten freilich diesbe- zügliche Forschungen auch im Kreise der Zigeuner andrer Länder gemacht werden.

Aus dem Volksglauben der Schwaben von Solymar u. Szent-Ivän

I. Besprechungsformeln (Ansp rochungen *))

1. Für Jicschreia.

a) Bist du beschrieen '■

Hot di beschriec Weib oder Mann.

Mogd oder Knecht,

So komm du zurück

In dein voriges Gesehlocht.

Hilf Gott Vater, Gott Sohn und

|Gott hl. Geist !

c) Hot di b'schrieen an Mädchen, Hilf dir Gott, der Vater ; Hot di b'schrieen an Knäblein,

b) Bistdu boschrioen und Horzgospier') Und unterwachsen zwischen deine

| Hippen,

Lnser lieber Horr Jesus Christus Liegt in seiner Grippen. *) Hilf Gott Vater usw.

(Solymar)

Hilf dir Gott, der Sohn ; Hot di b'schrieen alti Person, Hilf dir Gott, der heilige Geist !

V. Für Jihahtüllim.

a) Blud rinn

Und rinn nimmer ; Christus ist gestorben Und stirbt ober nimmer. Hilf (»ott Vater usw.

c) T stülle dir dein Gohliet,

So wahr Jesus Christus am Kreize

[hängen tut,

So wahr Jesus Christus in Betelheim Im Fluss .Tordan getauft, (geboren,

d) Blud du rinnst,

Du rinnst ober nimmer l Christus is g'storben, Er stirbt ober nimmer !

b) (Man nennt den Namen der betref- fenden Person und spricht dann :) Er bot si g'hackt1) bis auf das Ban r'), Es soll net g'schwirich wem, wie der Hilf Gott usw. |Stan.

Und in Jerusalem gekreizigt ist

[worden,

Soll dir dein Gebliet bleiben stehn. Hilf dir Gott Vater usw.

Hopf ! Stopf ! Stull ! Sei in Gottes WiüT ! Hilf Gott Vater usw.

(Solymar.)

3. Für Fieber.

a) Jesus Christus fahrt auf das Acker- Und der dritte war rod, Er ackert 3 Dornen aus ; [feld, Und des macht alle 77

Der erste war schwarz, Fieber und Gedirmon ;) tod.

Und der zweite war weiss, (5 Vaterunser.)

l> Xachburdorfor, doutsch« Kolonien in der NAhe von Hu<l»|>ett, in dnr Odwr Uortrtreireud. 2i Nach oiner Angabe sollen »ich <lie «ose h lochtet- nur (fetfenseititf besprechen kontiert. 3) H<)«ifOHchwUr(?) 4) Krippe. 5l Gonchnittan. ü) Bein. 7) Getrrubol Grimmen.

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b) (Man sted früh auf, und man kniet gegen Sonnenaufgang und sagt :)

Griesst Gott, hellichter Tog, Von aller siobensiebezigerlnt Fieber

Hilf mein' Kind (Mann. Weib) Hilf Gott usw.

(Dann sagt man den Orangen s^in Nomen.)

[ab. (Solymar)

4. Für Hmuwirrm (Ausschlag.)

Der Bauer fahrt am Acker, Was ackert er 'raus ? An' Wurm, Was für an' V An' grienen V

Keinen grienen. An' roden ? Koinen roden, An' toden ! Hilf Gott Vater usw.

(Solymar)

5. Für Kopfrchmi, Kopfschmerz.

a) Unser Herr Jesus fahrt aus, Und der war von n'and ;

Kr fahrt aufs Feld hinaus, Er nimmt das güldene Band

Er fahrt aus mit güldenem Pflug, Und kiüpft ihm zam'.

Er ackert aus einen Kopf, Hilf Gott Vater usw.

b) Die Maria geht übers Land,

Sie find't an Kopf, dor is von' nand : Sie hobt 'n auf,

Und druckt'n zam. Hilf Gott Vater usw.

(Solymar.)

ß. Für Rodlauf.

Maria geht über das Land,

Sie steckt aus ihre rechte Hand,

Sie tnt(?) den Hodlauf und den Brand, Hilf Gott usw.

7. Für Verränyen, FustsrmnUwvhm (Flochsen.)

a| Host du dir dein Gliede verrückt oder verrängt, So wahr wie Jesus Christus am Kreiz is g'hängt ; Kospar, Molchen und Haidhäuser gehn über den Wald, Da steht ein Brindlein Wasser so kalt, Sie wollten daraus trinken; So ihnen das Trinken net schadt, So dir das Vorrängen not schadt. Hilf Gott Vater usw.

b) Es hupft ein Hirschlein aus, c) (Z'allerorst den Nomen ansagon).

Es hupft in Wald hinaus, [Stein, Hast du dir dein Fuss überstaucht Es hupft über Stock und Stauen und oder verrängt,

Das Boinlein soll net verstauet sein ! Hilf Gott usw.

Wie Jesus Christus ist an den Kreiz Hilf Gott usw. [gehängt.

(Solymar.)

IL Alltagsglauben.

1. Wenn der Dachs vor dorn 2. Februar aus seinem Verstecke hervor- kriocht, so tritt lindes Wetter ein ; kriecht er nicht heraus, so bestimmt das Wetter dos 2. Februar die kommende Witterung ; ist nämlich das Wetter an diesem Tage angenehm, so ist linde Witterung zu erwarten ; ist es aber un- angenehm, so dauert dor Winter noch 40 Tage an. 2. Die Witterung des kommendon Jahres kann man aus dem Wetter der Zeit von 19. 31. März bestimmen. Ist das Wetter am 19. März (als am erston Tage des erwähnten Zeitraumes) schön, so ist es auch im ersten Monat (also Januar) des kom- menden Jahres ; ist es am 20. März (also am zweiten Tage des erwähnten Zeitraumes) rauh, so ist der zweite Monat (also Februar) rauh usw. 3. Um wie viel Tage die Frösche vor dem Georgstago quackun, so viele Tage werden sie nach diesem Tago schweigen, d. h. so viele rauhe Tage werdon auf Goorgi unmittelbar folgen. 4. Die Schlange, welche sich vor dorn Michaelstag nicht

li>4

für den, Winter verkriecht, wird vom Wagen überfahren werden (d. h. sie erfriert). 5. Wie das Wetter am Sonntag1 vor der Mosso ist, so wird es auch die ganze Woche hindurch sein. (>. Wer zu Pfingsten näht, der wird in dem Jahre vom Blitze erschlagen werden. 7. Trocknet man in den vier Fasten- wochen des Quatembers nach Fasching auf dem Aufhoden Wäsche, so wird man im Laufe des Jahres ebenda das Fell irgend eines seiner Haustiere aus- breiten. — 8. Begegnet man am Morgen im ersten Ausgang ein Weib, so wird man am Tage Unglück haben. 0. Frisst der Hund Gras, so sagt man: „Jetz krieg'n mar an Regen". 10. Legt sich die Katze im Winter auf den Herd hinauf, so sagt man : ..Jetz krieg'n mar no gressoro Kalt". 11. Brennt ein Haus, so nimmt man von dort einen verkohlten Holzspan und schreibt damit auf die nächstliegenden Häuser die Worte : „Hilf Gott Vater, Gott Sohn. Gott hl. Geist", damit diese Gebäude nicht auch Feuer fangen. 12. Die erste Frucht eines Obstbaumes gibt man einer Schwangeren zu essen ; so wie diese gebiert (ob leicht, schwer, ob ein starkes oder schwaches Kind) so wird auch der Baum tragen. 13. Beim Brotbacken bäckt man auch einen dünnen Fladen für die Kinder, der aber mit dem Messer nicht geschnitten werden darf, sonst verdirbt das Brot.

III. Schätze.

Auf der neben Solymar befindlichen, „Sehlossberg" genannten Anhöhe stand einst eine Burg des Königs Mathias. Die Steine der verfallenen Mauern benützton die Dorfleute zum Bau ihrer Häuser. Vor ungofähr 10 Jahren war ein gewisser Josef Schmied (recte Lang) mit dem Auslösen der Bausteine aus den Burgmauern beschäftigt, als ihm gerade beim Mittagsläuten die soir. „Schlossfrau* oder „Schlüsselfrau" erschien, die man seither zu dieser Zeit oft gesehen hat, wie sie mit zahlreichen Schlüsseln am Leibgürtel auf einige Augenblicke auf der Anhöhe erscheint,

Als eines Tages Schmied wieder auf dieser Anhöhe Steine löste, schlu- gen neben ihm Flammen auf. Er wollte nun den sichtbar gewordenen Schatz heben, aber da kam ein Bauer daher, und weil er mit diesem redete, ver- schwand der Schatz.

Bei einer anderen Gelegenheit, als er wieder Flammen emporzüngeln sah, warf er Brotkrumen und Rosen in dieselben; als er aber die Schätze an- rühren wollte, da schlugen ihm Teufelsgestalten, die in den Flammen sassen. auf die Hand. Er lief erschrocken von dannen.

Den -Anfechtungen böser Geister" sind die Leute in der Nähe dieser Anhöhe oft ausgesetzt. Einmal kam in der Abenddämmerung ein Solymarer Bauer mit seiner Frau auf dem Wege, der sich unter der Anhöhe hinzieht. Auf einer Brücke fanden sie einen Korb voll Kirschen, welchen der Mann aufheben wollte; da bekam er aber 2 so tüchtige Ohrfeigen, dass selbst seine Frau über den lauten Schall erschrak. Hierauf verschwand der Korb, aber niemanden konnte man in der Umgegend erldicken. Einmal sah man auch bei der neben der Brücko befindlichen Rochus-Kapelle einen Soldaten sitzen. Als man ihn ansprach, verschwand er.

Dem Volksglauben der dortigen Einwohner gemäss kann nur ein solcher Mensch einen Schatz heben, der an einem Sonntag zu Neumond geboren ist. „Brennt der Schatz", so ist dies ein Zeichen, dass dort eine unschuldige Seele von bösen Geistern gequält wird. Sie kann nur von einem solchen Menschen, wie oben erwähnt, auf die Weise erlöst werden, dass der Betreffende Brot- krumen und Rosen in die Flammen wirft, worauf der Schatz sichtbar wird und er denselben heben kann. Tut es aber ein zu anderer Zeit geborener Mensch, so ergeht es ihm, wie dem oben erwähnten Schmied.

Einmal gieng ein am Sonntag zu Neulicht geborener Mann im Walde der Gemeinde spazieren und sah an einer Stolle Flammen emporzüngeln. Er hob eine Kohle auf und steckto sie in soine Tabackspfeife. Dann trat er die Flammen aus und gieng weiter. Seine Pfeife wollte aber nicht brennen, und als er den Inhalt derselben in seine Handfläche leerte, fand er statt der Kohle ein Goldstück vor.

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11)5

Ein Waldhütor gienjr fast allnächtlich in den Wald, um auf das Auf- flackern der bläulichen Flamme zu lauern, aber das Glück war ihm nicht hold.

Jobannes Friedl, mit dem Übernamen Daunor Jobann, war als Schatz- gräber bekannt. Einst kam ein Mann aus dem nahen Dorfe Pomaz zu ihm und forderte ihn auf, gemeinschaftlich einen Schatz zu heben. Sie giengen auf den Kalvarienberg; der Pömäzer legte die Wünschelrute (Glücksrute ) auf den Boden ; die Rute soll eirien Winkel beschrieben haben. In der so gewie- senen Richtung begannen sie iu graben, nachdem sie übereingekommen waren, kein Wort zu reden. Als sie etwa 1 M. tief gegraben hatten, trieb der Kuhhirt, der sie nicht bemerkt hatte, seine Herde auf die Grabenden zu. Friedl riof erschrocken: „Gib Olbocht, die Kih kumra'n!" Nun war das Schweigen gebrochen und das Graben vergeblich.

In der Dorfkirche befindet sich die Gruft der Familie Majthenvi, deren dort ruhertde Mitglieder dem Volksglauben gemäss auch „erlöst" werden müssen, denn schon oft sah man in der Nähe der Gruft Flammen emporzüngeln.

Mitgeteilt vou Ludwig Mdtyds.

Zigeunersagen u. dgl. über Erzherzog Josef.

//. Der Xebrlkönitj.

Im Zigeunerstammo Tekau, der im Herbst 1886 bei Arad Jiorumwaridcrto, befand sich der etwa 40-jährige Saufbold Danku Cutak. Von Wlislocki über den Nobelkönig befragt, erzählte er: „Erzherzog Josef wohnt auch dort im Reich des nebulo kraj (Nobelkönigs); or hat an der Stirne einen Mond, aber an der Brust die Sonne. Niemand kann kommen, der ihm den Mond und die Sonne wegnehmen kann. Das kann tun nur ein 199 Jahre alter Zigeuner aus Aegypten ( Dsipto dromengro aegypt. Wanderer ). Der nimmt den Mond und die Sonne . . "* Diese Erzählung hörte Wlislocki mit wenig Abweichungen auch im Stamme Gajdake, der in demselben Jahre aus Bulgarien her kommend in der Gegend von Orsova sich herumtrieb.

///. Ohrister Josef.

In der Umgebung von Ofen hoisst es bei der schwäbischen Landbevölkenmg, der Erzherzog Josef sei ein so grosser Freund der Zigeuner, dass er mit ihnen als Zigeuner verkleidet oft wochenlang das Land durchschweift Einm»! kam ci mit den Zigeunern hungrig und durstig zu einem Schwaben und bat um ein Stückchen Brot. Der Schwab warf ihm ein Stück hartes Brot hin und bei sich denkend, er werde das nicht beissen können, rief er: „Ob isst er solches?" Da liefen die Zigeuner mit Erz- herzog Josef davon, und sprachen zu ihm : -Herr, man hat dtrh erkannt, denn der Schwabe rief dir zu: Obrister Josef !u Da- mals war Erzherzog Josef noch Oberst in einem Regiment. (Mündlieh vom Ofner Sehwaben Franz Krainer)

Mitgeteilt von Anton Hrrrmann. VAhn. Mitt. a. Ungarn. III. 12

im

Volkslieder bosnisch-türkischer Wanderzigeuner.

Nikada kam tu luludja, Kaua the üj sukar isi, Au leskori sukaripon, Sar o bar bidsipo isi. Me kamjom govlo luludja, Javer cinas sukaripen Corolas ov mango dsipen, Isom akana barensa.

I.

Trag nach keiner Blum' Verlangen, Wenn sie noch so schön und zart ist, Da doch ihrer Schönheit Prangen Leblos wie der Stein und hart ist. Zarte Blume war so lieb mir; Andrer hat sie abgerissen, Hat das Leben mir zersplisson: Nur des Steines Härte blieb mir.

Upre mara barval phurdel, Posik andre sile pangel; Upre tire guc hatav Bigado kam ta bachta.

Kana rovav, na asa, Cumidjom tut ta rovav; Dsandsir mand' isi pharo-?, Ka taja tu man kames: Mande n'ehi katuna. Tute olii bare kher, Avalesk' isi javer, T' avokja mange dukhal!

Lokipe isi dsipe, An lova isi mange; Ani isom me phures, Len e romna man caces!

II.

Auf dem Meere Sturmgebraus, Erde bebt in Frostes Graus; Doch ich find' in deinem Schoss Glück und Stern auch hemdelos.

HL

Wenn ich wein', nicht lach dein Mund, Küsst' ihn und ich wein' jetzund; Liebtest du mich noch so sehr, War' mir meine Kette schwer: Nicht ein kleines Zelt ist mein, Dein jedoch ein grosses Haus; Andrer geht drin ein und aus.... Und das macht mir schwere Pein.

IV.

Lebe leicht wol auf der Welt, Wenn ich habe Gut und Geld; Zähl' ich auch so manches Jahr, Möcht' mich mancher Mann fürwahr!

Penes tu, the me muljom, Tro pirano na isom; l'pro kast melve porel, Soske melve na merel !

Ani tu man na kamos, Javra käme] man caces, Ta me dsidav bitusa, Sar e molva biknstal

V.

Sagst, dass ich gestorben bin, Als dein Schatz verdorben bin; Auch die Frucht vom Baiune bricht, Doch darum verdirbt sie nicht! Willst du mich nicht lieben mehr, Liebt mich bald sonst irgend wer, Leb' auch ohne dich fürwahr, Wie die Frucht, des Baumes bar!

Mittft>t«ült von .4. }ferrmann.

(Fortsetzung folgt.)

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Iß7

Srjati Gvrgi.

Tregnal mi e svjati Gergi Rano mirano na Gergev den, Da si ubifcda zelon sinur, Zolen sinur, ziten sinur. Na sresta mu tri sinzirja, Tri sinzirja öcrno robi., frvi sinzir se oraci, Ci sa moljat svjati Gergja: Izmoli ni, svjati Gcrgc, Ot cernoto robsko! ba ta darime dobra dara, Dobra dara, pestim ljaba. Nesto Gergi pestim ljaba, Noi isti Gergi previt kravai, Da go davat rano na Gergev Prodi slnce s' se srce. |den, Vtari sinzir se kupanci, Ci sa moljat svjati Gergja: Izmoli ni, svjati (Jorge, Ot cernoto robsko! Sa ta darim dobra dara, Dobra dara, vedro vinu. Neste Gergi vodro vinu, Noi iste Gergi uka vinu, Da go davat predi slnee, Predi slnce s' se srce. 'IVeti sinzir se ovcari, (Ji sa moljat svjati Gergja: Izmoli ni, svjati (Jorge, Ot cernoto robsko! Sa ta darim dobra dara, Dobra dara, trigodison oven. Neste Gergi trigodison oven, Noi iste (iergi saro agne, Da go davat predi slnee, Predi slnce s' se srce. Tobe pesme, Boga molimo: Ot Boga ti mnogo zdrave! Ot druzena dobor vecer!

*) Aus dem Munde des 83-jä und mitgeteilt von

s Georgslied. * ) ...

Set. Gv.org.

Macht sich auf der heiige Georg Morgens früh am Goorgstage, Zu begehn die grünen Felder, Zu begehn die grünen Saaten. Da begegnen ihm drei Ketten, Ketten drei mit schwarzen Sklaven. Kiste Kette: Ackerbauer, Und sio Hehn zum heiigen Georg : O erlös uns, heiiger Georg, Von der Sklaverei, der schwarzen ! Geben dir gar gute Gaben, (Jute Gaben, Brot gebacknes. Georg braucht kein Brot gebacknes, Sondern braucht gollochtnon Ku- |hm zuweihn am Georgstage, | eben. Morgens, eh die Sonne aufgeht. An der zweiten Kett' sind Hauer, Und sie Hehn zum heiigen Georg : O erlös uns, heiiger Georg, Von der Sklaverei, der schwarzen ! Geben dir gar gute Gaben, (»tito Gaben, Kimer Weines, Georg braucht nicht Kimer Weines, Braucht vom Wein nur eine Oka, Ihm zu weihn am Georgstage, Morgens, eh diu Sonne aufgeht. An der dritten Kett' sind Schäfer, Und sie Hohn zum heiigen Georg: 0 erlös uns, heiiger Georg, Von der Sklaverei, der schwarzen 1 ( leben dir gar gute (iahen, Gute ( raben : Schaf, drei Jahr alt. Georg braucht kein Schaf Jj Jahr alt, Sondern braucht ein buntes Lämm- Ihm zu weihn am Goorgstage, | lein, Morgens, oh die Sonne aufgeht. Dir wir singen, Gott wir bitten: Dir von Gott, stets viel Gesundheit, Von den Freunden guten Abend!

i^eu Hiev im Dorf.« Spahlar aufgezeichnet

Adolf Sirausz.

12*

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Dokumente zur Geschichte der Zigeuner.

I

Opinio. De DomicUiatione et Regulation« Zingarornm.

(Fortsetzung.)

Ktsi autem subsecuta hac rationo majori ex parte Zingarorum aurilo- torum ad certa et defixa habitaeula reductione, statu minataque modalitate qualiter i 11 i ot auriloturae, vernali et acstivali tempore incumbero, et tempore hyljernali fabricatomm distractionom tum publiei, et privatorum propriaque utilitate exercere possint, liberiori eorundem divagationi liraites positos esse creditum sit ; experientia nihilominus serius edocuit, hos ipsos aurilotores sab speeie, et praetoxtu exereendae auriloturae, magis adhuc reliquos Zingaros qui se aurilotores mentiebantur, ut ante libere, impuneque de loco in lorum circumvagari haud dosiisse ; ad tollendos itaque nocivos hos usus per Crrcti- lares sub 30-ma Juüi A. 1787 Nro 7551 pro stricta obsorvantia respectu aurilotorum per rcgium Gubernium cautujn erat :

1- mo. Ut hi finita aurilotione ad defixa per suscoptam antea Conscrip- tionen loia, et habitationes continuo revertantur.

2- do. L't dum e locis habitationum moveri intendunt, semet teneantur attestato superiorum munire „quod illi conscripti aurilotores sint, et ad exercendam auriloturam proflciseantur. Cum secus tali attestato non munitus non pro aurilotore, sed pro vagabundo reputabitur, et qua talis tractabitur.

3- to. Attestata haec, et respective Passuales in singulis locis ubi moras nectent, Notario Pagensi, vel Pagi praepositis, quibus adventum suiim signi- ftftahunt exhibero teneantur; discossuri vero terapus nexae in illo loco mor&e, et locum ad quem proticisci üitondunt per loci Notarium aut Pagi antistites adnotari curent.

4- to. Uxores prolesque illorum in Civitatibus, oppidis, et pagis a mendicationibns tanto rertius abstineant, quod secus contravenientes poena in mendieantes statuta certo certius affieiendi erunt, denique :

o-to. l't hujus modi absque Passualibus praescriptisque attestatis oberrantes sequo nullatouus legitimare valentes, auditis ad quos consrripti sunt, Circidis promprita prius poena afiferti ad habitationum suarum loca remittantur.

Quarum quidem dispositionum offieaeia, si debita per Officiales in illnrum strictain observantiam adhibuatur vigilantia, cum sperari possit Zingaris aurilotoribus non facile libere hinc inde divagandi eopiain fieri, nihil aliud superost, quam ut singulis his salutaribus dispositionibus in memoriam revncatis ad illarum strictissimam observantiam Officiales serio eommone- antur, eo adhuc quoad aurilotores hos Zingaros adnexo, ut cum iisdem porro quoqu» liberum sit, tempore hibernali eonfeetione, et distractione vasorum aliorumque fabricatomm ligneorum necessaria vitae adminieula pro- curare, ne iisdem hac ratione ad devastandas sylvas occassio Hat, illi ad comparanda nun indultu Dominorum Terrestrium pro necessitate suorum artefaetorum ligna ad Plagam Sylvarum succisioni annuali destinatam prae- existentemque pro aedilibus et fabrilibus necessitatibus ligni provisionem inviiMitur. in oxstructione vero Üomorum de quorum structura inferius agetur et habitationum sepimentorumque ad observantiam Sylvestris ordinis com- pellantur.

T i I ii I ii s II.

De Ziwjaris sie di»ti<* Fisculibtdi Ta.uilistis.

Zingari auriloturam non exercentes erant, ut supra dictum Fiscales Taxalistae sub separate Zingarorum Inspeetore existentes, et certam annuam Taxain Camerao dependontes. Iii juxta eouscriptionon per Inclytum Thesaura- riatuin sub 24-ta X bris A. 17H1 . Uegio ( riibernio transpositam, sub 2U Vajvodis 1239. tentoria numerabant, et taxatn Cameralern 933 fl. H1 r xr. solvohant.

De horum quoque Zingarorum perinde ae ' aurilotorum ad eertas et fixas sedes fienda reductione, et doiiiiciliatione iteratae emanarunt altissimae ordiria*

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IM

tioncs Regiae, et quidom ad suhmissum sub 8-va April. Anni 1873, Xroquo 2454. per Regium üubernium praehabitao inter membra Regii Uubernii, ot Thesaurariatus Regii concortantionis Protocollum medio Decreti Aulici de 27-ma Augusti exarati Nroque (Juberniali 7642. signati cautum est :

1- ino. Ut e praedictis Zingaris per Thesaurariatum Regium ad Salis Oeconomias, et alia loca Fiscalia ubi varua reperirentur, tot quot possihile foret, familiae illocentur, iisdernque requisita ad procuranda flxa domicilia, domorum utpote erectionem, et instrumentorum. ad promotioucn assignandaa ipsis ruralis Oeconomiao necossariorum comparationom subsidia, orga prae- standam ab iisdem cum tempore boniticationon suppeditentur.

2- do. Reliquae vero horutn Zingarorum Familiae, si de fixo domicilio ipsae providorent, ud ipsum publicis Tostimoniis romprobarent, erga 15. fl. intra trimestre spatium a«l Aerarium Oarnerale pendondos a subditcla Fisci Riegii manumittantur.

3- tio. Familiae vero <|uae nee ad bona Fiscalia illocari possent, nec de flxo domicilio sibi ipsae providorunt, erga 25. fl. ad aerarium Regium dopoai- üonem privatix etiam Dominis terrestribus pro subditis cedantur ut assignontur, Quorum crit illos congruenter illocare.

4- to. Oinnos praerecensitis modis illocandi Zingari per tres continuos annos a Contributione Regia immunes sint, et prastationibus etiam sorvitiisque Dominalibus duraute hoc teinporis spatio in leviori duntaxat monsura subsint, sub qua exprensa conditione Hominis Terrestribus transponcndi erunt. evoluto autem triennio tarn Contributioni Regiae. quam legalihus servitiis, ot praestan- tionibus subjici queant.

5- to. Illocandis Zingaris sub comminatione sevorae animadversionis per Oflficiales praecipiatur, nec loco Domicilii absque Passualihus Dominorum terrestrium quorsumounque e territorio Possessionis ad quam illocati sunt, dis- cedore audeant, et si qui absque Passualibus deprehenderentur illico compre- hendantur, et ad proximum OfTicialem Oomitatensem doducti 12. baculorum ictibus pulsentur, et iterum ad locum Domicilii roducantur, in reliquo autem et hi Zingari puncta per Regium (jubornium rcspectu reli<piorum Zingaro- rum sub 12 Septembris Anno 1782. Nro 6525 publ icata inferiusque recen- senda stricte observare teneantur.

Singula haec autem per Sacratissimam Suam Majestatem praoscripta puncta modio Ordinationis sub 18 Augusti anni 1784. Xumoroquo 6902. cxa- ratao publicata extiterunt, an etiam nominanter quad illocationem haec omnia effectui sint tradita, et quid porro eatenus adhuc constituendum desideretur sequonti Titulo pertractabitur.

Titulus III.

De Zinyaris ad priraUw Pnminox Tn-rcntrcs vcl Communitatex Ape<tantibux.

Notandum praevie est Zingoros hos juxta C'onscrii)tionem Anni 1781. peractam, et per Oirculos Xro 4868 subrnissam, Patres et Matresfamilias Nro 1268t». animas vero 35539. constituisse, ex his autem familias 8598. domiciliatas, et 4088. vagas oensitas, ex iisdem praedictis familiis, .Jobbagionales 10947. Inquilinares vero 1739. numeratas fuisse, de his quoque Zingaris in ductu B. Decreti Aulici de 14-ta Augusti Anni 1782. exarati Nroque (»uber- niali 6525. signati sub 12-ma 7-bris Xroque 6525. cautum erat per Cireularos, ut illae ad fixa domicilia, et .Juris<lictionem alieujus Domini torrestris conscri- bantur, eisque divagatio, et sub tentoriis habitatio serio, et sub incursione poenae corporalis interdicatur, praoterea vero cum impossibile fermo sit eosdem Zingaros in Cives Patriae utiles aliter transmutatum iri, quam si mores <piibus Imbuti erant penitus exuant. et principiis tarn religionis, quam etiam vitae socialis imbuantur, hinc sequontia per eosdem. ut et reliquns omnes, seu au- rilotores, seu sie dictos Taxalistas Fiscales Zingaros strictissime observanda praescripta sunt puncta : et quidem in re Religionis, ut

1-mo : In iis quao ad fidom necossaria sunt semet erudiri curent, pro- lesque suas a teneris adhuc imbuant.

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2-do : Nuditatem prolium quaqua possunt ratione tegant, nec per illorum nuditatem seu doini sive juxta vias publica» atque Platcas, transeuntibus, ai>ominanduni praeboant spcctaculum.

tt-tio : In suis habitaculis sexus diversitate obscrvata, separationom insti- tuant, ut gravissima mala dehinc anteverti possint.

4- to : Ecclesias frequentcnt, praosertim Dominieis et Feativis diebus, et signa Christianac pietatis exhihoant, hinc

5- to : Oertis Antistitibus semot subjiciant, eorumque directioni actione» suas subjiciant.

Rolato vero ad socialis politiorisquc vitao modum haec adjecta sunt p'umta.

1- ino : In victu, vestitu ac lingua,, semot illi, cujus apud incolas loci quo degunt, usus est confonnont: ab animalium porountium osu abstiueaat, vestituni varium, et linguam propriam,

2- do: Pallia quae eondendis rebus furtivis peroportuna sunt ponitus deponaut.

3- tio: Equis nulli Zingarorum praeter Aurilotores uti licitum sit, sed et his

4- to : Permutationes occasione nundinarum interdictae sint.

5- to : Pagorum Iudicibus serio imj>onatur, ne Zingaros otiosos esse sinant. Sed si Domcsticum aut Doininalein laborein nulluni habuerint, alienum pro mereede peragere cogantur.

6- to : Ruralibus praosertim laboribus assvefiant, hi:ic :

7- mo : l.'bi fieri poterit, eo res dirigatur. nt Doruini teilest res oosdem Zingaros recepturi, terras etiam colendas illis assigncnt. Et

8- vo : Qui laboros Canipestres seqnius perageront pocnam corpnralem subeant.

fJ-no : Excrcitium opiiieii tunc tantuin illis concedatur dum tempus 110:1 admittil ruri laborare. quod etian ratione Musicaruiu intelleitum esto.

Etsi autem in ductu exaratarum a Parte Rugii Gubcrnii aeque ac Inclyti Thesaurariatus Ordinationum Conscriptio horum Zingarorum rite peraeta sit, seriaeque factae sint dispositionos, ut hi quoque ad certas et fixas habitationes praemissa inodalitalo revocentur, divagatioquo de uno loco ad alium iisdem severe prohibeatur, observatum tarnen est postea quoque Zingaros hos incertis laribus. quandoque sub praetextu auriloturae, nonnunquam vero distrahendorum artefactorum. liberius de loci» in locum circumivisse. hacque ratione salutares quasvis i!e illorum ad certas Sedes reductione et meliori regulatione editas Ordinationcs irritas redditas esse, hinc a<l inpediendam haue noxiam divagandi libertatem Kegium Oubernium medio Circularium sub :IU. Julii A. 1787. Nro 7551. exaratarum respectu cumprimis Zingaromm qui distrahendorum diver- 8orum e cupro. ferro lignoque, et aliis rebus confectonnn fabricatorum. hinc inde liberius divagari needum desierant. ordinandum invenit, ut hujusmodi Zingari e loeis ad quae conseripti sunt, nonnisi passualibus muniti egredi nec sine illis ex uno loco ad alterum additus admitatur, hujusmodi illorum pas- suales in quovis loco, ad quem pervenerint, signanter veio in quibus distra- hendorum fabricatorum causa plurium dierum moram nectero vellent, per illos exhibeantur et si inde ulteiius prolieisci cuperent, locus ad quem lendunt designotur, et tarn locus, quam nexae ibidem morae tempus per Notaiium Pagensem vel in hujus defuetu per aliquem Circuli Officialem passualibus indorsetur. Absque similibus passualibus deprehensi, locaque e quibus vone- runt et tempus commorationis legitimare noqueuntes, ideoque pro trans- gressoribus hujus ordinationis comperti Zingari, illico in loco illo qui Passualibus insortus non est. detineantur, fotaque cum jurisdictione loci, cui illocati sunt de edictis illorum eointelligenlia si illos illicite vagari compertum fuerit, puniantur et ad loca habitationum reducantur.

Mendicare autem tarn illis, quam et Uxoribus prolibusque sub poena in mendicantes statuta prohibitum est.

(Fi rtsetzung folgt.) /

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Kinderschrecker und Kinderräuber im magyarischen Volksglauben ! 1 )

Von Ludteig Kdlmdny.

I. Sztpasszonyok = Sohöne Frauen.

Vor allem lauclit die Frage nach der Anzahl der Szcp- a&Mtniy auf, das heisst, wie viele dergleichen Wesen es gibt. Unsere Quellen weichen in dieser Beziehung von einander ab. In den Szegeder Hexenprozesson aus dem vorigen Jahr- hiuidert*) imd in einigen aus Siebenbürgen stammenden Da- ten1) kommen mehrere tizepasszoiiy vor ; heutzutage aber kennt das Szegeder Volk, sowie einige Ueberlieferungen aus Siebenbürgen, nur eine Szepasuzony.*) Ebenso gehen unsere Quellen auch in der Bestimmimg des Wesens der Szopasszuvy aus ein- ander. In den erwähnten Hexenprozessen wird über die Gelage und Unterhaltungen der Hexen berichtet. An einer Stelle sagt Angeklagter (Daniel Közsa): „Dies Leben ist eine Herrlichkeit; siehe, wie schön wir leben; es gibt viele Szepasszonyok". Aus anderen Hexenprozessen wissen wir, dass die sich also unter- haltenden Wesen Hexen sind. Auch die Sztpusszonyok der Szekler können wir für Hexen halten, weil sie dem Volksglauben gemäss den Mund desjenigen schief machen, der ein am Freitag ge- waschenes Hemd anzieht. Aenliches wird eben auch von den Hexen berichtet. Hingegen werden die tizepnsszonyok in folgenden Ueberlieferungen als Feen dargestellt: In Siebenbürgen heisst in der Nähe des Dorfes Körispatak ein Erddamm ,.Szepasszonyok ütja*4 (Weg der 8z.), der aber auch „Tünderek ütja" (Weg der Feen) genannt wird; dies weist also auf das feenhafte Wesen der Sz. hin, worauf auch die Sage der Szekler über die Lein- wand ) hinweist. Die Szepasszonyok sind in den verschiedenen magyarischen Gegenden zu verschiedenen Gestalten ausgebildet worden ; in manchen Gegenden, z. B. bei den Szeklern in Härom- szek sind sie Hexen, anderswo, wie z. B. in der Gegend von Körispatak aber sind sio den deutschen Feen und den slavischen

') S. Ethnographia, 1Ö98. S. 225. *) Ipolyi, Magyar mythologia S. 589.

a) S. die ungar. Ztschr. „Ethnographia" II. Bd. S. 3U0; und: Kozma, Mythologiai elemek a sz6koly n^pkölteszet- es n6p£letben ( Myth. Elemente in d. Volksdicht, u. im Volksleb. d. Szekler) S. 24 ; ferner in d. ungar. Ztschr. „Földrajzi közlemonyek" (— Geogr. Mitteil.) XXI. Bd. S. 240.

♦) Ztschr. ,Üj magyar muzeuiu" 1855 Jahrg. 1. 253.

*) Die Sz. ward ihrem Goliebten unü-eu, weshalb sie dieser ins Gesicht schlug und in den bodenlosen Kristallsee untertauchte, die Worto sprechend : „Erwarte du mich 1000 .Jahre lang !* Seither erwartet allnächtlich die Sz. ihren Liebsten und breitot ihre Loinwand aus, welche die «Milchstrasse- am Him- mel bildet. Allnächtlich begiesst sie< ihre Leinwand, von der dann dass Wasser als Tau herabfallt (s. d. Ztschr. „Üj magyar muzeum I. 253). Hiezu ist noch zu bemerken, dass die Milchstrasse magyarisch neben Orszdgüt < Landstrassej auch „Feengang" (Tünderek jarasa), „Feenweg" (T. ütja), heisst Is. meine Ab- handlung : A csillagok nyelvhagyomänyainkban" S. 22, 23; deutsch in der Ztschr. »Am Ur-Quell" IV. Bd.)

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Vilun verwandte Wesen ; der magyarischen Volksüberlieferung der Szegeder Gegend nach sind sie weder Feen, noch Hexen. Die Szepasszony gefährdet wol auch die Menschen, aber den Tie- ren fügt sie kein Leid zu, was eben die Hexe auch bezüglich der Tiere tut; letztere kann verschiedene Gestalten annehmen, die Sz. verändert ihre Gestalt nie, auch kann sie nie, wie die Hexen, gefangen und körperlich gezüchtigt werden ; die Hexe erlernt die Zauberkunst, während die Szepasszony, als Tochter der alten Fr t ' Vördönf/Öa, (aus Majdan, Szöreg) gleich bei ihrer Geburt die Zauberkraft in sich hat. Nach Szegeder Ueberlieferung kann also die Sz. nicht zu den Hexen gerechnet werden, aber auch nicht zu den Feen. ..Die Feen waren zaubermächtig; sie konnten alles werden, was sie wollten ; sie flogen mit Flü- geln in der Gestalt eines Schwanesu (aus Egyhäzas-Ker) ; wer der Fee (Tünder) das Kleid raubt, kann sie zu seinem Weibe machen1) ; dies kann mit der Sz. nicht vorgenommen werden, die sich überhaupt mit Männern nie einlässt. Die Sz. ist nach magyar. Volksglauben der Szegeder Gegend: ein Fluch der Mensch- heit ; das Kind ist kaum geboren, so „lauert schon die Sz. ums Haus herum, wenn sie aber hinein gehen kann, so geht sie hin- ein und gibt zum Fenster hinaus das Kind den Hexen" (aus Szöreg). „Nur zwischen 11 12 Uhr nachts geht die Sz. Wein trinken ; 7-mal trinkt sie ; was übrig bleibt, giesst sie zum Fen- ster hinaus ans Hausende, denn sie hat mehrere durstige Hexen zu Hegleiterinnen- (aus Szeged). Wichtig ist die Ueberlieferung aus Szöreg, in der berichtet wird, dass „als Gott die bösen Ku- gel herabwarf, eine Frau dazu gieng; diese ward von ihnen ver- führt; seither heisst sie Szepasszonv". Ein solches kinderraubon- des Wesen ist auch die Lilith der Hebräer, die sich ebenfalls in ein Liebesverhältnis mit den Engeln eingelassen hat. Lilith war der Sage nach Adam's erste Frau, sie verliess ihn, nachdem sie mit ihm böse Geister erzeugt, und schloss sich dem Samael an.») In magyar. Ueberlieferung ist die Sz. zwar nicht die Frau des Adam, aber der Teufel giesst aus Neid das „Wasser der Szep- asszony" (Sz. vize) auf ihn. In einer magy. Ueberlioferung aus Szöreg wird erzählt: „Der Löffel der Sz. bedeutet Gastmal- freuden. Als Adam und Eva im Paradiese waren, hatten sie kei- nen (eisernen) Löffel, nur einen Holzlöffel; sie sagten, dass sie damit nicht essen könnten, denn er breche ihnen in den Mund. Gott machte ihnen dann einen eisernen Löffel. Sie hielten nun ein grosses Gelage; seither heisst man die Freuden des Gast- mals: Löffel der Szepasszony (Sz. kanala)u. In dieser dunklen Uoberliefenmg wird die Sz. ebenfalls mit Adam in indirekte Ver- bindung gebracht. Nach jüdischer Ueberlieferung ladet Gott

') S. meine Sammlung: Szeged nepo (Szeged's Volk) I. 130.

*) Roskof Gesch. d. Teufel« 1. 254; May^r, Allg. Myth. Lex. I. 81: Ztschr. d. D. morgenländ. iiesellaohaft IX. 484; Abh. f. d. Kunde des Morgenlandes IV. Nr. 3. S. H7; die Ztschr. „Am Ur-Quell" II. 6. 144.

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Adam und Eva zu einem Gastmal ein1). Die Lilith verlässt ihren Gatten, den Adam; die Sz. verlässt ihren Gcmal, den „lahmen Bettler* (santa koldus), der ihr seither als Sternbild am Himmel nachgeht*). Aber Lilith wird von Gott aus Erde geformt, während nach magy. Ueberlieferung die Szepasszony die Tochter der al- ten Krau Vördo'ngöü ist (diajckt. = ördöngos, teuflisch). Nach- dem sie ihren Gatten, den Smda koldus treulos verlassen und sich mit den gefallenen Engeln abgegeben hat, ist sie als schlechtes Wesen die Anführerin der Hoxen geworden, der man aber kern Leid zufügen kann. Dies also ist nach der magyarischen Uebor- licferung in der Szegeder Gegend die Szepasszony.

(Fortsetzung folgt.)

Vehmgerichte bei den bosnischen und bulgarischen

Wanderzigeunern.

Von Itr. Heinrich v. Wlislocki.

In das tiefste Geheimnis gehüllt ist jene sociale Einrichtung der Wanderzigeuner der Balkanländer, die wir als eine Art von ..Vehmgericht" bezeichnen können und die bei ihnen unter dem mir im verständlichen Namon mmdado bekannt ist. Fremden ge- genüber bewahren die Zigeuner über diese Einrichtung tiefes Schweigen, und zwar schon aus Furcht vor diesem Vchmgerieht, vor dessen Verfolgimg kein Wandorzigeunor der Balkanländor sicher ist. Tag und Nacht, in jedem Augenblick kann er daraut gefasst sein, üi seinem Zelte eino kreisrimde Holzscheibe zu fin- den, durch deren mit einem Bohrloch versehene Mitte ein Holz- stab gezwängt ist. Hat diese Scheibe ihre natürliche Holzfarbe, so gilt sie dem Manne ; ist sie aber rot angestrichen, so hat das Weib vor dem Vehmgericht zu erscheinen. Schon im Jahre 188t> hatte ich eine Ahnung von diesem Vehmgericht, das bei den Wanderzigeunern Ungarns und Siebenbürgens nicht bekannt ist, obwol auch bei ihnen die Einrichtung besteht, dass eine Ehe- brecherin, von ihrem Gatten Verstössen, bei dessen Lebzeiten keine giltige Ehe mit einem anderen Manno eingehen kann. Eine „Zeitohe" aber ist erlaubt und zwar nur mit Einwilligung des Wojwoden des betreffenden Stammes, welchem der Mann, der eine solche Ehe eingehen will, angehört. Eine solche „Zoitehe" (zigeunerisch jrpastpa = Halbheit genannt) musste ich auch mit der serbischen Wanderzigeunerin Rosa Saric eingehen, um das volle Vertrauen meiner Zigounergenosson zu erlangen. Doch da- rüber an anderom Orte bald ausführlicher; hier nur so viel, dass diese meine jepiw romni (Halb-Frau) einem serbischen Wander-

') Mayn- h. a. O. I. ')2,

*) S. meine» Abh. „Die Sterne im magyar. Volksglauben" in der Ztschr. „Am Ur-Quell' IV. Bd.

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zigeunerstamm angehörte, von dessen manUislo sie nicht nur aus dem Stamme, sondern auch aus dessen ganzem Wandergebiet wegen überführten Ehebruches verbannt worden war und nach langem Horumirren in Siebenbürgen eine Aufnahme fand. Von ihr erfuhr ich einige Daten über dies Vehmgericht. die sich mir während meines verhältnismässig kurzen Aufenthaltes in Bos- nien (Frühling 1891) bewahrheiteten.

Kein Wanderzigeuner setzt sich, trotz seiner überaus aus- gebildeten sexuellen Triebe, über die eheliche Treue seiner Gat- tin gar so leicht hinweg, wie dies einige oberflächliche Forscher uns weiss machen wollen. Experto crede Ruperto. Kann er den Ehebruch seiner Gattin beweisen, so macht er hievon dem Woj- woden seines Stammes Anzeige, worauf dieser das Weib für „be- schimpft" (melales) erklärt und auf eine bestimmte Zeit aus dem Stamme verbannt; schliesslich auf Wunsch des Gatten bei dem Pfarrer, der das Paar getraut hat, die kirchliche Trennung der Ehe einleitet. Dies ist das Vorgehen in Ehebruchsfällen bei den Wanderzigeunerstämmen in den Ländern der St. Stefanskrone. Anders ist es bei den Zigeunerstämmen der Balkanländer, bei denen der Gatte, ohne auch nur eine Ahnung vom Ehebruch der Gattin zu haben, gar oft mit der Nachricht überrascht wird, seine Frau sei vom manhutlo verbannt und seine Ehe gelöst worden. Welch schwere Folgen dies für beide Ehehälften hat, lässt sich leicht denken, wenn man eben weiss, dass nun nicht nur die Frau, sondern auch der Mann keine Ehe mehr eingehen darf, höch- stens eine „Zeitehe" schliessen kann.

In erster Reihe ist also dies Vehmgericht für den Ehebruch eingesetzt, um - wie ich erfahren der mohamedanischen Viel- weiberei einen Damm zu setzen, die bei mohamedanischen Zi- geunern auch in anerkanntem Krauch steht und bei der gewöhn- lichen Mittellosigkeit des Mennes zum Ehebruch dos einen oder des anderen seiner Weiber führt, die sich, durch die lockeren Verhältnisse verleitet, gerne „weissen" Leuten anschmiegen. Die meisten zigeunerischen Tänzerinnen, die in den Balkanländern, ja auch bei uns oft in Orsova, öffentlich auftreten, sind solche vom Vehmgericht verbannte Gattinnen, die nun das erreicht ha- ben, wonach ihr Sinn stand, nahm lieh die „eheliche* Freiheit.

Findet die Frau in ihrem Zelte oder in ihrer Hütte (gewöhn- lich während der Abwesenheit ihres Gatten) die obenerwähnte, rotgefärbte Holzscheibe, so darf sie davon niemandem eine Mit- teilung machen, sondern muss sich bei Anbruch der Nacht an das nächste fliessende Wasser, das gen (hten liegt, begeben, wo sie ein vermummter Mann, dessen Gesicht eine aus Tierfell ver- fertigte Maske bedeckt, in Empfang nimmt und weit weg an einen einsamen Ort führt, wo um ein Feuer herum zwei ebenfalls mas- kierte Männer lagern. Furcht und Grauen erfüllt die Frau, sobald sie vor diesen unheimlichen Menschen steht, von denen sie nicht einmal ahnt, wer sie eigentlich sind. Denn es sind nicht Mitglie-

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der ihrer Gakkija (Truppe), ja oft nicht einmal ihres Stammes, die nun über sie zu Gerieht sitzen und deren Yorbannungs-Ur- teilssprueh sie unverzüglich zu erfüllen hat. Aus Furcht für ihr Leben eilt sie von dannen und verlässt ihre Truppe oder gar das Land, ohne auch nur ein Sterbenswörtchen über den ganzen Vor- fall jemandem sagen zu dürfen. Nur die Wojwoden kennen die jeweiligen Mitglieder dieses manlaslo, die sie beim Antritt ihres Amtes für zeitlebens zum Teil aus ihrem, ziun Teil aber auch aus anderen Stämmen für ihre Angehörigen, im Geheimen ernennen, die dann dies Amt übernehmen und das Geheimnis ihrer Würde zeitlebens bewahren müssen. Daher kommt es, dass nur die Wojwoden es wissen, wer ein Mitglied des manlaslo ist.

Männer werden wegen Ehebruch nie vor den manlaslo ent- boten, wol aber wegen Kaub und Mord im Kreise der eigenen Genossen, oder in Fällen, wo durch eine Tat des Betreffenden der ganze Stamm gefährdet wird und der Verfolgung der ..Weis- sen" (Nicht Zigeuner) ausgesetzt werden könnte. Die gewöhn- liche Strafe ist zeitweilige Verbannung oder in schweren Fällen Ausschliessung aus dem Stamme für immer. Nicht jeder kann irgend jemanden vor den manlaslo fordern; dies kann nur der Wojwode und das auch nur im Geheimen. Selbst bei der grössten Beeinträchtigung und beim denkbar grössten Schaden wagt es niemand, den Wojwoden um eine Vorladung des betreffenden Schädigers vor den manlaslo anzugehen. So gross ist die Furcht vor diesem unheimlichen Gerieht, das in früheren leiten zur Be- festigung der Macht der Wojwodendynastie wol auch so manchen Mord begangen haben mag, ehe es heutzutage sozusagen zu einem moralischen Schreckpopanz des Ehebruches herabgesunken ist. Doch gibt es einen Ausnahmsfall, der sich auf die „Zeitehe" und auf die Wiederverheiratung einer der geschiedenen Ehehälften bezieht, in welchem Falle der manlaslo nicht als Straf-, sondern als Civilgericht fungiert.

Ich habe schon oben erwähnt, dass die vom manlaslo in- folge des Ehebruchs der Frau getrennten Ehehälften keine regel- mässige Ehe, sondern nur mnQjepasipe mit einer anderen Person ein- gehen können. Stirbt nun die eine Ehehälfte, so kann die andere, falls sie keine «Zeitehe" eingegangen, oder letztere bereits regelrecht von Mann und Weib aufgelöst worden ist, sich wieder rechtmässig verehelichen. In diesem Falle muss die überlebende Ehehälfte vor dem manlaslo den Nachweis liefern, dass die ein- gegangene jepasipe regelrecht gelöst und sie zu einer regel- mässigen Ehe berechtigt sei. Dies war auch bei mir der Fall, als ich nach Lösung meiner jepnsipe meine ..weisse" Frau gehei- ratet hatte und gleich darauf in Südungarn hauste. Ich wurde in Nacht und Nebel ans jenseitige Donauufer gelockt, um auf Anzeige meiner gewesenen jepase romni, der Hosa Saric, vor dem mir bis dahin sozusagen ganz unbekannten manlaslo die Erklä- rung abzugeben, dass meine jepasipe mit ihr gelöst sei. Anfangs

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glaubte ich Wegelagerern in die Hände gefallen zu sein und bot ihnen all mein Hab und Gut an. Meine japane romni lachte mich aus und erklärte, mir die Sache, Sie hatte mit recht zigeuneri- scher Beharrlichkeit meinen Aufenthalt erforscht und mich über die Donau hinübergelockt. Meine Aussago wurde vom matäojtlo entgegengenommen, worauf wir, ich und meine gewesene je/mw romni in dunkler Nacht allein weitergehen konnten. Ihr Mann war gestorben, und sie, aus Siebenbürgen zu ihrem Stamme zurück- gekehrt, wollte sich wieder „rt-relrecht" verehelichen ; dazu aber war mein Verhör vor dem manltutlo unbedingt nötig. An Freiern fehlte es ihr nicht, denn Geld hatte sie sich aus meinem Sacke so ziemlich ..erspart". Später hatte ich während meines kurzen Aufenthaltes an der Ostgrenze Bosniens Gelegenheit wieder ein- mal einem manlado bulgarischer Zigeuner als „Sachverständiger*4 beizuwohnen.

Dies wäre in Kürze all das, was ich bezüglich des manhutlo in Erfahrung bringen konnte.

Dass diese Hinrichtung vor Zeiten möglicherweise allen Zigeunerstämmon bekannt gewesen sei, dafür scheint vielleicht indirekt der Umstand zu sprechen, dass auch bei siebenbürger Zeltzigeunern die infolge Ehebruchs getrennten Ehehälften nur oine jepasipe eingehen dürfen. Im Anhang hiezu erwähne ich noch den bei letzteren üblichen Brauch, dass die Stammgenossen dem- jenigen Manne die Zeltleinwand zerreissen, beziehungsweise seine Winterhütte abdecken, der von seiner Frau Prügel bekommen hat. Er kann dieser Strafe nur dadurch entgehen, dass er den Genossen eine gewisso Quantität Branntwein gibt.

Litteratur.

Krauss F. S., Böhmische Korallen aus der Göttorwelt. Folkloristischo Börse- berichte vom (.1 ött er- und Mvthenniarkte. Wien IHM. Gebrüder Knbinstein, gr. 8 147 S.

Ks ist eine längst wahrgenommene Tatsache, dass gerade die Völker- und Volkskunde beim Sammeln des Materials der Mitwirkung der weitesten Kreise bedarf. Da ist denn auch Gelegenheit geboten, das liebe „Ich" heraus- zustreichen und auf die billigste Art als Sammler und ..Literat" eine Rollo zu spielen. Mühe und Kosten werden von gewissenlosen Leuten gescheut und Märchen und Mythen, Sitten und Gebräuche erdichtet und als mühselig er- worbene Sammlung auf den Büchermarkt geschleudert. Fachleute erkennen zumeist freilich den Wert solcher Sammelsurien, zucken mitleidig die Achsel und gehen schweigend zur Tagesordnung über. Die Wissenschaft aber wird als solche verunglimpft und gar oft durch unbewussto odor bowusste Fälschun- gen auf kürzere oder längere Zeit in mancher Beziehung auf falsche Fährte geführt. Es war daher an der Zeit, dass ein Mann, wie der verdienst volle Volksforscher Kraus«, diesem Unfug mit zermalmendem Humor und ätzendem Witz zu Leibe gieng und in einer köstlichen Satire die „böhmischen Koratlen- labrikanteii". die Mythen- und Gölte rerzouger geisselto. In der Form eines Börsenberichtes macht or uns mit einigen der auffälligsten unwissentlich oder wissentlich begangenen Fälschungen auf dem Gebiete der Volkskunde bekannt

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und hat sich auch in dieser Beziehung ein neues Verdienst um unsere Wis- senschaft erworhen. H. v. TU.

JankÖ J„ Torda, Aranyosszek, Torockö Magyar (Szekely) Nepe (— Das magyarische (SzGkler-) Volk von Torda, Aranyossz6k und Torockö.) Budapest. IHM, Revai. 294 S. X Tafeln.

Jankö ist wol der strebsamste und begabteste magyarische Ethnograph der jüngeren Goneration. Vor zwei Jahren hat er eine Monographie! des Kulota- szogor Bezirkes herausgegeben und nun veröffentlicht von ihm die Ungarische Geographische Gesellschaft das obige umfangreiche Werk ebenfalls über einen siebenbürgischen Bezirk mit vorwiegend magyarischer Bevölkerung. Dies Werk, obwol das Ergebnis einer Forschungsreise von nur einigen Sommerwochen, bezeichnet für J. doch einen Fortschritt auf dem Gebiete seiner Studien. In acht Abschnitten behandelt der Verfasser ziemlich eingehend: die topogra- phischen Hattertbenennungen, die Elemente der Bevölkerung, anthropologische Daten (darunter Messungen); Bau, Kleidung, Nahrung; Beschäftigung; Ge- brauche bei Hochzeit, Taufe und Leichenbegängnis, Aberglauben; Volkspoesie. Bei den Gebrihichen hatte der Verfasser gar leicht auf ähnliche oder gleiche Erscheinungen im magyarischen Volksleben anderer Gegenden hinweisen kön- nen. Das Kapitel über den Aberglauben hatten wir Folkloristen ausführlicher und die diesbezüglichen Mitteilungen weniger oberflächlich gewünscht. Abge- sehen von einigen Mängeln und Missverständnissen ist das Werk für magya- rische Volkskunde eine nicht zu unterschätzende Bereicherung, und wir müs- son der ungarischen geographischen Gesollschaft aufrichtig Dank wissen, dass sie dem Verf. die Herausgabe dieses Buches ermöglicht hat. Wünschenswert wäre es im Interesse heimischer Volkskunde, wenn wir solche, wenn auch nicht erschöpfende Monographien über jeden Bezirk des Landes besässen. An hiezu geeigneten Forschern würde es vielleicht nicht fehlen, wol aber an der nötigen materiellen Unterstützung. H. v. W.

SzongOtt Kristof, Szamosujvär, A magyar örmeny Metropolisz. frasban £s kepekben ( = Szamosujvär, die magyarisch armenische Metropole, in WTort und Bild». Szamosujvär, Todoran." 272 S.

Szongott hat sich durch die Herausgabe der magyarischen Zeitschrift „Armenia", die bereits im 7. Jahrgang erscheint, um die Erforschung arme- nischen Volkslebens in Siebenbürgen nicht geringe Verdienste erworben, ob- wol seine Zeitschrift nicht gerade den Anspruch auf Fachwissenschaftlichkeit erhebt, sondern vielmehr unsere einheimischen Armenier mit dem Leben und den Schicksalen ihrer Vorfahren und auswärtigen Stammgenossen bekannt machen will. Bei alledem findet der Volksforscher in dieser Zeitschrift ein nicht zu unterschätzendes Material zur Volkskunde der ungarischen und auch aus- wärtigem Armenier. Dasselbe ist auch der Fall bei dem vorliegenden Werke, das sich in erster Reihe mit der Vergangenheit und Gegenwart der armeni- schen Metropole in Siebenbürgen, der Stadt Szamosujvär, beschäftigt, bei seinem lokalen Interesse aber auch für die Volkskunde manchen Beitrag lie- fert. Das mit zahlreichen, ziemlich gelungenen Illustrationen geschmückte Werk zerfällt in l\ Hauptabschnitte, in welchen die Reste der daselbst bestan- denen römischen Kolonie, die Einwanderung der Armenier, die Vergangenheit und Gegenwart der Stadt Szamosüjvär in Wort und Bild zur Darstellung ge- langen.

Für uns haben nur die Abschnitte ethnologischen Inhaltes ein beson- deres Interesse. Szamosüjvär hatte noch bis zu Ende dieses Jahrhunderte^ einen reinarmenischen Typus. Die Einwohner bedienten sich unter einander ausschliesslich der armenischen Sprache; selbst die Nachtwächter riefen bis zu Ende der 50-er Jahre die Stunde armenisch aus: „Aghothkh areezhekh, f-z Asduadz clumtroezhekt, ez Diramajr snrp Asduadzadzine parechos chentreezhekt, ezg<*rag6 agheg thaghoezhekh ezdsiraehe anczhuc/.hekt, ze sehathe inn e!" (= Botet, bittet Gott, rufet die Gottesmutter, die jungfräuliche Gottesgebärerin zur Fürsprechorin an, deckt das Feuer gut zu, löscht die Kerze aus, denn es ist 9 Uhr.)

Die alten armenischen Hochzeitsgebräuche sind hierzulande dem Votks- bewusstsein beinaho ganz entschwunden. Das Freien geschieht gewöhnlich zur

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Mittagszeit, wobei der Freior, der von seinen männlichen Verwandten bogleitet wird, die versteckte Maid erst suchen muss. Während des Brautstandes be- sucht die Braut nur einmal die Eltei-n des Bräutigams, wooei ihr dieselben ein Hochzeitsgeschenk übergeben. Noch vor einigen Jahren trugen am Vorabend des Hochzeitstages erwachsene Knaben einen mit Geschenken gefüllten Korb aus dorn Hause des Bräutigams in das der Braut. Wenn die Braut den Korb leer, d. h. ohne Gegengeschenke zurücksandte, so galt dies für ein Zeichen, dass sie die Verbindung auflöst. In früheren Zeiten besprengte der Prister die Kleider des Bräutigams, kurz bevor dieser zur Trauung gieng. Die Braut ver- steckt sich auch noch heutzutage kurz vor dem Kirchengango und muss vom Bräutigam gesucht worden. Beim Eintritt des jungen Paares ins Hochzeitshaus wird demselben Salz und Brot überreicht. Zu Anfang dieses Jahrhunderts wurde am folgenden Tage die Wohnung des jungen Paares vom Priester ge- weiht; am dritten Tag aber gieng der jungo Ehemann mit dem Brautführer in die Kirche und ward, eine brennende Kerze in der Hand haltend, vom Prie- ster eingesegnet; nach 8 Tagon gieng er mit seiner Frau abermals zur Kirche, wo nun beide gesegnet wurden. Am Kristabend gehen die Kinder Krippen- lieder singend von Haus zu Haus, bei welcher Gelegenheit in den früheren Jahren armenische Lieder gesungen und mit folgenden Worten Geschenke be- gehrt wurden: „Hisus g'ula, Palul ehika ; Phiose gedradz, Na paluladz . '. . Duveczhekh ezbanes, Os ertham panes-" ( = Es weint Jesus, Denn er hat keine Windeln; Schneidet solche die jungfräuliche Muttor aus ihrem Kleide, Und wickelt ihn in diese . . . Gebt mir das gebührende Geld, Dass ich meiner Sa- che nachgehen kann.) Schliesslich teilt Sz. ausser zahb'eichen Sprichwörtern auch 4 volkstümliche armenische Lieder aus Siebenbürgen mit, deren Ver- fasser bekannt sind. Die von ihm mitgeteilten 2 Märchen sind s. Z. auch in dieser Zeitschrift veröffentlicht worden. Von den Spielen, welche Sz. mitteilt, wird das „arba" d. h. Wagenspiel ähnlich wie das bekannte ..Zwickelmühle" gespielt. Das „Kari"-Spiel hält Sz. unrichtig für ein ausschliesslich armeni- sches Spiel; es ist beinahe über die ganze Erde verbreitet und wird mit Glied- knochen von Lämmern oder Zicklein gespielt. Schade, dass der Verf. uns nicht eingehendere Mitteilungen aus dem Volksleben unserer Armenier gemacht hat; doch hoffen wir, dass er uns in Zukunft mit manchem Beitrag zur Volkskunde erfreuon wird. Er ist der Mann dazu, um auch auf diesem Gebiete etwas Tüch- tiges zu leisten. Dr. H. v. Wlinloeku

Das erste grosse ungarische Conversatlonslexikon wird von der littera-

rischon Gesellschaft „Pallas" in Budapest in 16 Bänden herausgegeben und ist bis zum V. Bande gediehen. In Bezug auf Ausstellung und allgemeine Gediegenheit steht das Lexikon keinem in der Weltliteratur nach; betreffs ungarischer Verhältnisse steht es natürlich einzig da. Die uns berührenden Disciplinen fanden folgende Vertreter: für Anthrophologie Prof. Dr. Aurel v. TörÖk, für Folklore Prof. Dr. Ludwig Katona, dossen einzelne Artikel zugleich Quellenstudien für ungarischen Folklore bilden; für Ethnographie Dr. iL v. Wlislocki und der Herausgeber dieser Zeitschrift. Im IV. Band werden die Zigeuner vom Erzherzog Josef und von H. v. Wlislocki auf etwa 4 Bogen mit vielen Illustrationen behandelt: in gedrängtester Form eine fast erschö- pfende gediegene Monographie über die Zigeuner.

Von der Zlgeunergrammatik des Hrn. Erzherzogs Josef schreitet der Druck der deutschen Ausgabe nun rascher vorwärts; das grosso Werk wird im Frühling d. J. gewiss erscheinen.

Ethnographia. Organ der Gesellschaft für die Völkerkunde l'ngarns. IV. Bd. IHW.i. 4 -6. Heft. Bela Vikar, Sammeln ethnographischer Gegenstände für die Millennialausstellung A. Herrmann, Cber die Kolonisierung der Zigeuner Fanny I). Wlislocki, Das Kind im magyarischen Volksglauben A. Herr- mann, Der Nagel im Volksglaubon Eugen Binder, Der l'ilgrim u. der Engel Gottes. Vereinsangelegenheiten Bibliographie Notizen 7 —1:2. Heft. B. Munkacsi, Die Terminologie der volkstümlichen ungarischen Fischerei Fanny Wbslocki, Das Kind im magyar. Volksglauben Ludwig Kalmany, Kindersch recker und -Räuber in der ungarischen Volksüberlieferung A. Herrmann, Ergänzungen zum Nagel B. Munkacsi, Ursprung eines magyar.

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Märchenschlussos Vereinsangelogenhoiten Bibliographie Notizen A. Herrmann, Kerbhölzer der Wanderzigeuner Bela Vikar, Vermehrung der ethn. Sammlungen des National-Museums Ausländische Littoratur.

Erdely. Illustrierte Monatsschrift für Turistik, Ethnographie und Balneologie (Siebenbürgens). Organ des siebenbürgischen Karpathenvereins in Kolozsvar. II. Jahrgang. 1893. 6—12. Heft. A. Herrmann, Der Höhenkult bei den Völ- kern Siebenbürgens (HI. Magyaren, IV. Rumänen, V. Armenier) L. György, Der Mädchenmarkt von Gainä. AI. Borbely, Torda-Aranyosor Volkssagen L. Matyas, Die Sage von Leanyvär.

Splitter und Späne.

Ungarlsohe National-Ausstellung. Die ungarische Nation veranstaltet 1896 zur Feier des tausendjährigen Bestandes des ungarischen Reiches eine Landes- ausstellung in Budapest. Es ist gelungen, der Üborzeugung in den leitenden Kreisen Geltung zu verschaffen, dass der festlichen Gelegenheit vor allem eine umfassende Darstellung der Entwicklung und gegenwärtigen Gestaltung des Volkslebens in Ungarn entspricht. Ausserdem dass in der retrospoctiven Aus- stellung auch die ethnischen Momente berücksichtigt werden sollen, wird ein ethnographisches Dorf hergestellt, desson typische Häuser genau volkstümlich eingerichtet werden und so das ethnographische Inventar der verschiedenen Völkerschaften des Landes zur Anschauung zu bringen haben. Nach der Aus- stellung sollen möglichst alle ethnographischen Gegenstände einem Landes- musoum für Volkskunde übergeben werden. Das wäre jedenfalls eines der wertvollsten und nachhaltigst wirkenden Resultate der Ausstellung. Bei dem Umstände, dass die wissenschaftliche Erforschung des volkstümlichen Gewohn- hoitsbaues in Ungarn noch kaum begonnen und gerado hier sehr interes- sante, aber zugleich sehr complicierto Gebilde zu bestimmen hat, wäre es wol übereilt, wollte man schon jetzt, auf Grund der bisherigen ganz lückenhaften Erhebungen, die zur Darstellung zu gelangenden Formen endgiltig fixieren. Jedenfalls muss das Jahr 1894 zu Hausformstudien gehörig ausgenützt werden; für solche Studien ist der Wintor natürlich nicht die entsprechende Jahreszeit.

H. v. WlUlockL

Die Kolonisierung der Zigeuner In Ungarn, eines der schwierigsten und wichtigsten demographisch-nationalökonomischen Probleme, beschäftigt den gegenwärtigen ungarischen Minister des Innern, dor dieser grossen Aufgabe gewachsen zu sein scheint. Er Hess am 31. Jänner v. J. eine allgemeine Con- scription der Zigeuner im Lande vornehmen, welche bei einer Gcsammtbevöl- kerung von 15,133.494 Seelen (1890) als Endresultat an Zigeunern ergab: Sess- hafte: 120*986 männlichen u. 122.446 woiblichen Geschlechts; mit längerem Aufenthalt in Gemeinden : 10*602 miinnl. u. 9*804 woibl.; Wanderzigeuner: 4*563 männl. u. 4375 weibl,; beim Militär 905 männl. und 5 weibl; verhaftet 1014 männl. u. 240 w., zusammen 138*070 m. u. 136*870 w., d. h. 274.940 Seelen. (Die Detailergebnisse der Zählung worden wir nächstens veröffentlichen.) Der Gemeindenotär von Kunagota, Ladislaus Bajcsy hat in einem eingehenden Elaborat recht praktische Vorschläge in der Kolonisierungsfrage gemacht, welche auch Sr. Hoheit, dem Herrn Erzherzog Josof, als dor ersten Autorität auf dem Gebiete der Zigeunersprache sowol, als auch der praktischen Zigeu- ner-Kolonisierung, vorlagen und mit einigen wichtigen Bemerkungen gutge- hoissen wurden. Zur Sicherung des Erfolges ist es jedenfalls unerlässlich, dass man bei dor Behandlung dieser Angelegenheit auch solche Volksforscher zu- ziehe, die sich nicht nur mit der äussern Lebensweise der Zigeuner, sondern auch mit ihrem Seelenleben eingehend beschäftigt haben.

Sie Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns hat wieder eine be- deutsame Phase ihrer Entwickoluug durchgemacht. Ein hervorragendes Ver- dienst gebührt hiebei dem Vicepraesidenlen Dr. Bernhard Munkacsi, der sowol die finanziellen und sonstigen administrativen Angelegenheiten erfolgreich re- gelte, als auch die Rodaction des Vereinsorgans „Ethnographia" übernahm

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und mit grossem Verständnis leitet. In seinen Händen gewinnt diese Zeitschrift eine neue Bedeutung dadurch, das« sie den für die allgemeine Wissenschaft wie für die magyarische Linguistik und Ethnologie so wichtigen finnisch-ugri- schen Stndien, die in der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in neu- erer Zeit in den Hintergrund getreten zu sein scheinen, eine hervorragende Stelle einräumt. Die ., Ethnograph ia- erscheint in ihrem V. Jahrgange (1894) in zweimonatlichen Heften zu 4 Bogen und wird gegen die MitgliedgebtHlT von 8 fi. abgegeben.

Kröten- and Sohlangensteine waren in Ungarn von jeher als Amulette in Verwendung. Baron Bela Rudvänszky erwähnt in seinem dreibändigen Werke: „Magyar csaladelet £s haztartas a 16. es 17. szazadban" (= Magyar. Familien- leben und Haushaltung im Vi. und 17. Jahrh.: Budapest 1879) an 11 Stellen solche Steine, die in Ringe gefasst, in alten magyarischen Testamenten unter den vermachten Gegenständen aufgezählt werden.

Zum Fingerabsobneiden der Witwe. In der Berliner „Zeitschrift für Ethnologie- (18!W. Heft V. S. 278) wird mitgeteilt, „dass die Sitte des Finger- abschneidens, teils als Opfer für die Gottheit, teils als Ausdruck der Traner bei dem Tode des Ehegemahls, bei verschiedenen Stämmen Nord- und Süd- Amerika^ bestand". Hiezu ist der Brauch der Wanderzigenner der Balkan- länder heranzuziehen, wo die Witwe kurz vor ihrer abermaligen Verheiratung ihre abgeschnittenen Nägel, einige ihrer Haare und etwas von ihren menses in den Grabhügel des verstorbenen Gatten vergräbt.

Mitteilung der Redaction.

In dem Erscheinen der „Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn" ist wieder eine unvorhergesehene Verzögerung eingetreten, und wir können das August-Heft von 1898 erst jetzt liefern. Doch werden wir das Versäumte bald nachholen und dann die Termine regelmässig einhalten können. Wir bitten unsere Leser, unserer Zeitschrift neue Mitarbeiter und Abnehmer zuzuführen. An angegebene Adressen senden wir bereitwilligst Prospecte und Probenummern.

Herrn v. V.-Z. in W arschau. Ihre wertvollen Beiträge gelangen im nächsten Hefte zur Veröffentlichung.

Herrn F. in Pancsova. Ihre interessante Studie ist fürs nächste Heft, bestimmt.

Budapost, Mitte .Jänner 1894.

Publicationen zur Völkerkunde Ungarns.

Von den vom Herausgeber der „Ethnologischen Mitteilungen" edierten, früher angezeigten Publicationen sind erschienen: Cotnes (rtea Kmm, Rela- tionum Hungnrorum cum Griente gentibusque orientalis originis historia ahti- quissima, I. Bd. fZu beziehen von der Verlagsanstalt Kozmürrlod&t in Knlozsvdr.i

A. Herrmann, Beiträge znr Vergleichung der Volkspoosie. Mit Musiknoton 1 fi. H. v. Winlncki, Zauber- und Besprechungsformeln der Zigeuner 80 kr. Über den Zauber mit Körperteilen boi den transsilvanischen Zigeunern 30 kr.

Dr. Fr. 8. Krams, Das Burgfräulein von Pressburg. \V. v. S'chultnburij. Die Frau bei den Südslavon. J. v. Anb6th, Das Liod von Gusinje, 50 kr. - Krams, A*b6th, ThallAeztf, Südslavisches, 80 kr. Zu beziehen nur von der Administration der „Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn."

Ethnologische Mittellungen aus Ungarn. I. Band 4 Hefte 5 11. - 11. Bd. 10 Hefte 8 fi. III. Bd. (1K98) Monatlich 2 Hefte, 4 11. Nur direct vom Heraus- geber zu beziehen. (Budapest, l. Szent György-utcza 2.)

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IDEALE WELTEN

MISCHEN PROVINZEN IN WORT INI) HILL). KUSCHE ZEIT- INI» STREITFRAGEN, LINKTEN ER INDISCHEN VÖLKERKUNDE

A. BASTIAN.

rossics B1 mit 22 Tafeln* Ladenpreis 45 Mark. Band I.

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Band II.

fasohicbte in Ihren Berührungspunkten unter Rozug- Band in.

il Thootfonioa indischer Rxligionsphitosophien (voruohin-

A. B. (Adolf Bastian). WIE DAS VOLK DENKT. Bin Beitrag rar Bcant- ag 804 ial"r I'rugon, auf Grundlage ethnischer Elemohtargodsnkßn in ehre vom Manschen. 18'Ji». XVIII. 2U s. Cr. S '. Preis 5 Mark.

Beiträge zur Volks- und Völkerkunde.

Volksglaube und Volksbrauob der Siebenbürger Sachson. v

Die Entwicklung der Ehe. Von Th. AchelU, - Preis u.i'.d Mk.

Im Htü-bst lHOfl erscheint: Lieder und Gesohichten der Suaheli. Von

Bartels Max, HIE MEDH IN nr Urflr<»fu:hichte der Medioin.

Am Urquell

■ituiiiliclji-ii iuil

Cirkvenica. Seobad und klimatischer Curort, Winteraufenthalt. Eine Stunde von Fiume, oino halbe Stunde von der Eisenbahnstation Plase. Gün- stigste Lago ara Quamero, schönster Punkt des herrlichen Vinodoltales. Die Badeunternehmung steht unter dem werktätigen Protectorate Seiner k. u. k. Hoheit, des Herrn Erzherzogs Josef. Der Landtag hat beschlossen, dem Cou- sortium alle Begünstigungen zur Eutwickelung des Seebades zu gewähren. Alle Bedingungen vereinigen sich, um dem Curorte einen ungemein raschen Aufschwung und eine glänzende Zukunft zu sichern.

Nähere Auskunft erteilt zufolge Bevollmächtigung seitens des durch- lauchtigsten Protectors und des competenten Consortiums : Prof. Dr. Anton Herrmann, Budapest, I., Szent-György-uteza 2.

Elet. Halbmonatsschrift. Einzige durchaus moderne, vollständig unab- hängige, unbodingt liberale magyarische Zeitschrift. Vornehmer Inhalt, besau., ders sociologischer, ethnographischer und demographischer Richtung. Geistvolle, originelle Aufsätze. Vierteljährlich 150 fl. ö. W. Budapest, Mozaar-ntcza 8.

WestöstUohe Rundsoh&n. Politisch-literarische Halbmonatsschrift «tu PUego der Interosson des Dreibundes. Redacteur Dr. Karl Siegen, Vorlag Carl Reisznor, beide iu Leipzig.

Grossangelegtes, hochzioliges Programm. Gediegene Aufsätze der vor- züglichsten Schriftsteller aller Nationen. Vierteljährlich 30 Bogen grösstes 8*, Preis 3 Ii. Bureau für Ungarn: Budapest, Mozsar-utcza 8.

INHALT.

Prof» Dr. Antrl v. Töriik, Der palaeolithische Fund von Miskolcz nnd die

Frage des dilu vischen Menschen in L'ngarn. DI. (Schluss) . . . 117 Dr. B. Munkdcsi, über die heidnische Religiou der Wogulen. iL (Fort- setzung) . , 134

Dr. Friedrieh S. Kraus», König Mathiaa und Peter Geröb. (Ein bulga- risches Guslarenlied aus Bosnien). IU. (Fortsetzung) 129

Dr. Karl Päpai, Der Holzbau der Palowzen. (Mit 8 Illustrationen) . . . 141 Friedrich S. /Civ/twx, Das grosso Sammelwerk für bulgarischen Folklore 147

A. Herrmann. Karteuspielerglaubcn aus Ungarn L>4

Ludwig MdUjds, Ans dem Volksleben von Solymar und Szent-Ivan (L

Besprochungsfonueln. U. Alltagsglauben. III. Schätze) HUI

Adolf Strausz, Bnlgarisches Georgsliod IßT

Ijudiciy Kdlmdny. Kinderschrecker und Kindorräuber iu der magyari- schen Volksüberlieferung. (1. Szepasszonyok = »Schöne Frauen) . 1 71 Litteratur. Kram* Fr. S., Böhmische Korallen (H. v. Wl.) Janktf J„ Torda, Aranyosszek, Toroczkö (H. v. Wl.) Szonyott Kristöf, Sz.a- mosüjvar (Dr. H. v. Wlislocki) Ungarisches Conversationslexi- kon. Erzherzog Joaef Zigeunergram roatik. Ethnographie.

Erdely 17*

Splitter und Späne. Ungarische Xationalausstollung Kolonisiemng der Zigounor in Ungarn Gesellschaft für die Völkerkunde Un- garns — Kröten- und Schlangensterne Zum Fingorabschneidou der Witwe Mitteilung der Redaction Publicationen zur Völ- kerkunde Ungarns 1Ö0

Zur Zigeunerkunde.

Aufm Herrmann, Kerbhölzer der Wandorzigounor (Mit 4 lllustrationom . lf>7 , . , Zigeunorsagen u. dgL über Erzherzog Josef. (H. Der

Nobelkönig. UJ. Obrister Josef.) ltf

» , Volkslieder bosnisch-türkischer Wanderzigeuner. (I— V) 104

, , Dokumente zur Geschichte der Zigeuner (1. Gpinio de

domiciliatione et regulatione Zingarorum.) (Fortsetzung) 1 6*

H. v. Wlislocki, Das Vehmgerieht der bosnischen und bulgarischen Zigeuner ITH Auf dem Umschlag: An die g. Mitglieder der Gypsy Lore Society* Bureau der Gesellschaft für die Völkorkundo Ungarn« Anzeigen.

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1893. SEPTEMBER. 7 8. HEFT.

III. BAND.

ETHNOLOGISCHE MITTEILUNGEN

aus Ungarn.

Zeitschrift für die Völkerkunde Ungarns

und

der damit in ethnographischen Beziehungen stehenden Länder.

(Zugleich Organ für allgemeine Zigeuner künde

Unter dein Protectirste und der Mitwirkung Seiner kais. und königl. Hoheit des Herrn Erzherzogs Josef

redigiert und herausgegeben von

PTof. Dr. ANTON HERRMANN.

Monatln h 1—2 Hefte, 2 4 Bogen. Preis jührlich H Kronin o^LMnrk für Mitglieder irgend eines Verein? für Volkskunde *i Kronen od»*r 5 Mark. Wird auch im Tausch gegen Pultliratinnen zur Volkskunde abgegeben. Nur direct vom Herausgeber zu beliehen.

Budapest, I.. Sient-György-utcza 9.

ADMINISTRATION :

Budapest, V.. Bälvany-utcza 2 („Nemzeti köuyvnyomda'*).

Buchdrücken

BUDAPEST, 1893.

ETI »NYVNY« I

vanv-u

I

Art die g. Mitglieder der (rt/psg Lore Society.

Nachdem das Journal unserer GeseUschafl nach dreijährigem Wirken vor lVt Jahren eingehen musste, ist die Zigeunerkunde wieder ohne eigenes Organ geblieben, und diese Lücke wird von den Zigeu- nerforschem ausserordentlich lebhaft empfunden. Um diesem fühlbaren Mangel im Wesentliclwn abzuhelfen, geruhte d**r erlauehte und höchst- verdiente Förderer und Pfleger der Zigeunerkunder Seine kaiserL und könujl. Hoheit, Herr Erzherzog Josef der von Anton Herrmann gegründeten Fachzeitschrift „Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn," welclie Jahre hindurch der Wissensehaft von den Zigeunern eine her- rorhebende Beachtung angedeihen liess, aber bisher der Ungunst der Verhältnisse wegen nicJit erioätmhtermassen erstarken konnte, die materiellen und moralischen Bedingungen des erspriesslichen Gedeihens emlgüHy zu sichern. Die genannte Zeitschrift erseheint unter dem Protedorate und der Mitwirkung »SV. Hoheit auch ferner unter der Hedaction von Anton Herrm<annf dem der Zigeunerforscher H. v. WM&locki als ständiger interner HauptmUarbeiter zur Seite steht vom Juni l. Jahres an in Budapest regelmässig in hol fnnonat liehen . Heften. Die ..Ethnologischen Mitteilungen'' wollen den Ggpsg-Lore von nun an in noch hcrtwragender< r Weise pflegen und sich zum Organ, internationaler Zigeunerkunde gestalten, wofür die Kamen der erwähnten drei Forscher die sicherste Bürgschaft bieten.

Wir Unterfertigte ersuchen alle Mitglieder der „Ggpsy Lorr Society", die genannte Zeitschrift bestellen und ihr je häufiger Arlteiten aus dem Gebiete der Ciganologit zuwenden zu wollen. Die Mitglieder miserer Gesellschaft können diese ausserordentlich reichhaltige Zeitschrift zum ausnehmend billigen Preise von 3 f. ö. W. (6 Kronen, 6 Mark, 6 Sh. 7 Fres) jedoch nur direct iwn Herausgeber Anton Her r mann (fiudapest. I. Szentggörgy-utcsa ?.) beziehen.

Dafld Mao Ritohle Charles 9. Leland

Hon. Secretär. Präs. der Uypay Low Socirty

Bureau der Gesellschaft Tür die Völkerkunde Ungarns.

Vorstand : Graf Gtza KuHtu Vnrstandstellvertreter : A. Herrmann und ti. Munkäesu Secretur : B. Vikar (Budapest, /., GeUeVthegy 10,64b', Villa Vikar \ Schriftführer : G. Nagy. Coitier : J. Zalnai. Bibliothekar : J. Javkö. Redacttur des Vereinsorgans „Rthnngraithia* : B. MunkdcM (Budapest, Zergenicsa 27).

Ethnologische Hitteilungen aus Ungarn,

UNTER DKM PROTECT* »KATE INI) DER MITWIRKUNG

Sr. kais. und königlichen Hoheit des Herrn Erzherzogs Josef

redigiert und hermispvtfi'lnMi von Anton Hommuin.

III. Band. Budapest, 1893. September. 7—8. Heft.

lieber die heidnische Religion der Wogulen.

Von Ih: Ii. Mnnkäcsi. III.

Naeli diesen auf des wogulischen Volkes alte Religion und deren praktische Offenbarung bezüglichen allgemeinen Bemer- kungen wäre am Platze eine methodische Behandlung der einzelnen mythischen Gestalten, der an sie sieh knüpfonden Vor- stellungen und Geschichten, sowie der Art ihrer Verehrung; jedoch passt der Umfang dieser Aufgabe durchaus nicht in den engen Rahmen gegenwärtiger Abhandlung, weshalb ich derselben aus- weichend, an dieser Stelle nur mit einigen Worten zu antworten wünsche auf die billiger Weise aufgeworfene Frage: ob wir aus den für wissenschaftliche Forschung neuerdings eröffneten Kennt- nissen der alten Religion der sibirischen Ugrier mehr Klarheit auch bezüglich der nUm Mi/tholof/ie und Relifiwn des mtu/y arische Volkes erhoffen dürfen?

Und die auf diese Frage zu gebende Antwort vereinfacht, glaube ich, jene Wahrheit, dass der Grund des Mythos und der religiösen Denkungsart eines jeden Volkes insoweit nämlich sich diese auf natürlichem Wege entwickelt haben zurückreicht in die uralten Zeiten der Sprachbildung. Wenn nun die Wissen- schaft mit unbezweifelhafter Sicherheit dargelegt hat, dass die magyarische Sprache eine ugrische Sprache ist, und zwar die nächste Verwandte der wogulisehen und ostjakischen Sprache ; wenn uns ferner Gelegenheit sich bietet, auf Grund der Volks- gcbräuche und Sprachüberliefenmgen in die ureigentümlichen mythischen und religiösen Gebilde derselben hineinzublicken: so können wir ganz bestimmt voraussetzen, dass ebendieselben auch die Elemente der Urrcligion der Magyaren enthalten. Aber das Bestimmen der Details wird nur auf dem ganz mühevollen und langen Wege der Forschung möglich sein. Wir müssen dabei in Betracht ziehen, dass trotz ihrer, wie immer grossen, konserva- tiven Natur, auch die Religion, gleichwie die Sprache, einer unfrei- willigen Fntwickelung, Veränderung und äusseren Einflüssen unterworfen ist, und dass demgemäss dasjenige, was wir heute bei den Wogulen und Ostjaken erforscht haben, mag dasselbe immerhin ein gerader und natürlicher Trieb des uralten Kerns

Ethn. Mitt. a. Ungarn. III. 13

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sein, doch nicht den ursprünglichen Zustand rein zurückspie- gelt. Ein flüchtiger Mick auf die Productc der religiösen Dichtung und die Einrichtungen der Wogulen liisst uns klar und deutlich wahrnehmen: dass dieselben ältere und neuere Schichten, ur- eigene und in stattlicher Menge auch fremde Elemente enthalten. Unter letzteren sind deutlich als neuestes Element erkennbar: der Eintluss des Tatarentums, beziehungsweise des Islams; diesem geht der Eintluss der heidnischen permer Volker vorher, älter noch sind die Spuren der herrschenden asiatischen Religionen, des Rursisnius und Buddhismus. Damit wir also da- mvthologiseho Material der Wogulen zum Zwecke der Vcrglcichung benutzen können, müssen wir vor Allein mit philologischer Methode ausscheiden und gruppieren alle diejenigen Bestandteile, welche die Resultate neuerer Kntwickchmg oder fremden Einflusses sind, und nur das Material, welches nach solchem Vorgehen noch üb- rig geblieben ist, werden wir zur Darlegung der auf Grund der Sprachverwandtschaft voraussetzbaren gemeinsamen Züge ver- werten können.

Einer gleichen Untersuchung müssen wir auch das Magya- rentum unterziehen, hei dein wir die Aufgabe weil aus dem Heidentum, wie bei den meisten verwandten Völkern, grösser- angelegte religiöse Ueberlielerungen nicht mein- vorhanden sind, - bei einem mich primitiveren Punkte, d. i. mit d"in Sammeln und Ordnen des überallhin verstreuten Materialschiittes in An- griff zu nehmen haben. Wir müssen mit möglichster Vollständig- keit und Genauigkeit alles dasjenige zusammenstellen, was wir diesbezügliches in historischen Aufzeichnungen und in der Lite- ratur, ferner im Volksglauben aller Gebiete des Landes, in den Gebräuchen und sprachlichen Ausdrucken vorfinden. Aus dem also gewonnenen Material muss als allerneuestes Element alles das ausgeschieden werden, was den Stempel des Kristeiitums und des Einflusses der uns benachbarten N idker an sich tragt. Nach Abschürfung dieser oberen Sehichte mosmmi wir auf eine tiefer liegende, allere Schichte, welche das Resultat der Berührung mit demselben tschuvasischen Türkentum ist. dessen Sprachdenkmäler durch die magyarischen Kulturwörter erhallen worden sind. Zweifelsohne bezeugl das Vorhandensein dieser Schichte das magyarische Wort hosiorhiiitii (Hexe), dem das wotjakisch-tschuvasische l»islnninn entspricht, im Volksglau- ben die Mahr oder der Danion des Alpdrucks i Nyelvtud. Közl. 20. Bd. 4b* 7. S.); ferner die Wörter rnrhiuij < kumanisch : .«nugati ) Drache (s. ebenda llH): for. Totenmahl (tschagataisch tor, geineintürk: t»j)% Zauber (türkisch höji'<J><'»iit) und vielleicht

auch ör((üi/{f,<jnf(>'(/ (Teufel), dem entsprechend Vämhery im Kir- gisischen rrtniff in der Bedeutung böser (hast nachweist.

Es lässt sich vermuten, dass sich unter dieser Schichte noch eine altere, nämlich die des l'arsismus befindet, die aber, wenn sie nachweisbar ist, wahrscheinlich schon in der Zeit der

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östlichen Hinsehen Spraeheinheit fällt, was sich daraus schlies- scn lässt, dass im W ogidisch-Ostjakisehon, Sürjeniseh-Wotjaki- schen und im Magyarischen gemeinschaftliche Kulturwörter per- sischen Ursprungs vorhanden sind, wie: z. B. magy. arany (Gold), iiiist (Silber), hir<I (Schwert; Sürj.-Wotjakisch kort, kört; Ostjak. kaiia Eisen), magy. szdz (ICK)) und vzvr ( 1000). Nur nach Ab- schürfung aller dieser Schichten gelangen wir auf den Grund, wo wir der Sprachverwandtschaft entsprechend eine Gemeinschaft der ugrischen Völker auch bezüglich anderer Offenbarungen ihres geistigen Lehens und besonders ihres mythischen und re- ligiösen Denkens rinden werden, Und dass wir bei diesen For- schungen auf Krfolg rechnen können, dafür liefern uns vielleicht folgende sprachliche Daten einen Beweis:

J. Das magy. Wort imp (Sonne, Tag), dessen Ursprung und Grundbedeutung bislang noch nicht gehörig erklärt ist, kann nicht für ein Fremdwort angesehen werden, aber auch seine strengentsprechenden Paria lassen sich aus den verwandten Spra- chen nicht erbringen (vgl. finn.yw>VmJapp./ic/rc,mordw.»/,c/.tscliorem. kece, sürj. sondy, wotjak. sirndt/, wogul.-ostj. jutel, khotcl, Sonne), was um so aurfallender ist, weil das Synonim von magyar. hold (Mond), nämlich magyar. (Mond, Monat) seine entsprechenden Formen im finn. k»m, mordw. kov. kou, ..luna, mensis" hat und rsiUiuj (Stern) in seiner altmagyar. Form hnyy (auch heutzutage kaszahayy Orion), wogul. ./uns, ostj. jus, wotj. kidziVi, sürj. kodzul - Stern, entspricht. Schon dieser Umstand an und für sich kann in uns die Vermutung erwecken, dass magy. nap nicht blos ein gewöhnliches Nomen ist, sondern dass in ihm ein bestimmter, mythischer Apperzeption entsprechender Ausdruck und daher ein Residuum der Urreligion sich birgt. Und was wäre denn auch natürlicher, als dass ein in nördlichen Gegenden mit Fischfang und Jagd sich befassendes Volk von allen Himmels- erscheinungen die Sonne als seinen grössten und mächtigsten Wohltäter betrachtet und sich mit Gebeten an ihn wendet. Und tatsächlich ist in der Mythologie der Wogulen nicht Xumi-Törem, der Ur-Gott die gefeierteste Gestalt, sondern sein jüngster Sohn, der Sonnenheld, der ..Weltbeobachtende Mann*, der 7 Welten itws<hie< ifende. strahlende 'Heiter, sonn< nstnihlenlockh/e, heil'uje Gold- Fürst," der, wenn er sich aus dem Hause der Dunkelheit erhe- bend, ..sein Lorkeni/'flecht löst, dir Sonne dort auf seinem Haargeflecht steht''. In begeistertstem Tone wird er in Sagen und Liedern ver- herrlicht, er, dessen ..Auge von der Grösse des Ob-Flusses" ist, d. h. der die ganze Welt überblickt und gnädig überallhin seine Strahlen sich ausbreiten lässt ; an ihn wenden sich die Notdürf- tigen, von ihm hoffen sie Hilfe. Und dieser angebetete Sonnen- held, dessen heiliger Ort von der Irtis-Mündung nordwärts neben dem Ob-Flnss sich befindet, wird mit gewöhnlichem Namen Weibes-Sohn-Söhnlein ( Ekwä-ptf-pyri s) genannt. Wogulischer Mythe gemäss ward seine Mutter sündigen Verhältnisses wegen von

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ihrem Gatten, Xwni-Tartm (Erhaboner-Himmcl). vom Herrn der Welt, aus dein Himmel auf die Erde Ii inabgeschleudert, wo sie angelangt, das von Xumi-Tunm herstammende goldige Kind ge- bar, das in seiner Verlassenheit von seiner Schwester, der Kaltes- Fran (Kalte* ckwü), der Göttin der Morgendämmerung bemitlei- dete und im Himmel zur Freude der Götter und zur Wonne der Welt erzogen ward. Vorausgesetzt, dass wir dem magyarischen Worte nap auch ein „Weib-Sohn" (magy. nü-fia) Etymon zu- sprechen können, so kann sein Lautbestand unanfechtbar erklärt werden. Xap, oder wie aus den uralten Formen tenwip (gestern), minap (neulich) man sehliesscn kann, ursprünglicher nüp\ wäre demgemäss eine vollkommen entsprechende tieftonige Form des magyar. Wortes wp, welches wie das wotjak. ni/l-pi ( Hausvolk, Kinder) zeigt eine Zusammensetzung ist aus: m;. itd (Weib) und // (mit dem ursprünglicheren // im Anlaut) Sohn. Das magy. nt>, hat tatsächlich seine tieftönenden Entsprechungen auch in den ugrischen Sprachen, wie wogul. und ostjak mij, naj (Herrin, Frau), finn, wiisr (feniina nubilis, uxor, nupta), lapp. ■»hun (in derselben Bedeutung), zu denen neueren Forschungen gemäss, auch magy. h'dntj (statt dessen auch lajany, nnjäuy ge- braucht wird, nord-wogul. näj-<ink, Fräulein) gehört. Demge- mäss würde nap (mij>) entsprechend einem Compositum näj-py\ in seiner ursprünglichen Bedeutung nö-fin - Weibes-Sohn, auf eine gemeinsam ugrischo, mythische Aulfassung hinweisen.

2. Ein zweiter ähnlicher Fall erg'bt sich beim magyar. Worte hiijnal. Diese Himmelserseheinnng - wie ich bereits oben erwähnt habe appereipiert der wogulisclie Mythos als weibliche Gestillt, wie dies z. B. deutlich auch aus dem Bären-Wock-Liede ersicht- lich ist, welches das Tier folgender Maasen apostrophiert:')

Barchen, Barchen, wach' «In auf.

Bärchen, Barchen, erhob" du dich !

Die morgonstrahligc Herrin, deine Mutter

Siehe, sie ist zu des hohen Baumes tieästsehiriu gelangt;

.Siehe, «ie bat sich zu dos niederen Baunies Wipfel erhoben !

Sobald dein Morgenrot-Mütterchen tagt.

Sobald dein Morgenrot-Kaltes-Mütterchen tagt,

Werde du mit grossen (.iot'.es Kleid bekleidet !

Wenn das magyar. n<>p in seinen Grundbestandteilen mit dein wogulischen Mythus übereinstimmend, ..Mmgenrot-Frau- Solur bedeutet, was ist dann natürlicher, als dass hnjual \\\ seinen Grundbestandteilen: „Morgenrot Trau" bedeute. Fnd dass dies also ist, bezeugt wogul. kimj, khujr) (Morgenrot) und finn. k>i

') S. meine Sammlung: „Vogul uepköltesi g.vüjtemenv" - Wogul. volks- poet. Samml, III. S. ISS und 102.

-> (.iewöhnliche Ausdrücke für Morgenrot sind : im obor-losvaisch-wogul. .Fuj-punk, im mittel-losvaisih-wognl. klotj-i'ättk d. h. ..Morgendämmerungs-Haupt" (vgl. tavdaiseh-wogul. fürrm /»in Himmel, eigentlicli Himmels-Haupt), tavdaisch* wogtd. khni-pun eigentl. - ..Morgenrot-« ilanz'1. Aber khuj kommt auch selbst- ständig vor z, B. in der Redensart ; khitjk niti es vergeht, schläft ein dorMor- gendämmerung Purpur ; vgl. mittol-losvaisch-wogul. ji-khttj Abendrot.

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(stria Iuris, prima lux matutina), die das Wort hajmil als eine Zusammensetzung erscheinen lassen und zum Vorderteil haj in dem Verhältnis stehen, wie südwogul. llwj (erines) zu mag}', haj (Haar), wogul. ruj zu magy. raj (Butter), wogid. suj zu magy. 2>ij (Ton, Geräusch). Der zweite Teil von huj-nal ist offenbar von (Weih), der ticitönigon Form, eine solche deminutive Bildimg, wie sürjen.-wotjak. nyl (Maid) [vgl. wogul. töremli' Götzchen, ostjak. rojlfi Tierchen |, denen die regelmässigen west-ugrischen Formen entsprechen : finn. twitr. nvitn (virgo, sponsa), lapp. nvita (dass. ). Höchstwahrscheinlich bildet dies veraltete magy. nal, und nicht irgend eine, dem wogul. naj entsprechende suffixlose Form den Vonlerteil des Wortes nnp (vgl. magyar. w'p Volk und wot- jak. nyl-pi : magy. vp heil, ganz, gesund und wogul. jelj>, jelpt heilt, bringt zu Leben, Gedeihen; jrlf heil, gesundet ; jrlpih heilig, stark) welche übrigens aus der Lautform nalp unter Einwirkung des /' leicht in HoHitönigkeit übergehen konnte (vgl. magy. nö, ne).

H. Ein gleicher Beweis für die gemeinsame mythische Auf- fassung ist istrn in/ila (Gottes IMeil) für das gewöhnliche rill/tm (Blitz) und der damit gleichbedeutende nordwogul. Ausdruck fdrem-näl. Der Wogule stellt sieh den Ahnen aller Götter, Xnmi- Tfimn als .///V/er vor. der dem Bäreid iede gemäss, als er seine liebe Tochter, d. h. den Büren, ..in seinem silberstangigen stan- gigem Obdach" zurücklässt, ..seinen zwanzig-zähnigen gezahnten Mund also öffnet " :

.lunfTfriiulirlihriisti^nr Itiisigcr S|»ri»sslin«f mein, o erhiire mich!

.lun^fräiilirh/.il/i^cs l>nsi»ys Kindchen mein. <• erhöre mich!

['eher dieser meiner solhstireschaffenen tfoldstrahli^en slrahlcnden Sonne,

ühcr meiner tfoldschöncn, schönheitsvollon Sonne

auf inardorfan^cndcn, siehenschliuyiyen \\V«r, sieh da ! fjoli' ich.

auf elentierfantfcndcn. sicbcnschlintfi^cu Wetf, sieh da! steh' ich.

Und als er von der Jagd heimkehrt, ..an der Spitze stumpf gebrochenes viel Brecheisen in grosser Zahl sammelt er; an der Schneide schartig gebrochenes viel Mordgewaffen in grosser Zahl sammelt er," damit er dieselben zu neuem Gebrauche her- richte.

4. Des Mmsrhm Name ist im Wogulischen Rt in-xoles (im südwogul. ilm-Lhüh), welcher Ausdruck wörtlich ..der Luft Sterb- liche" bedeutet, in Uebereinstimmung mit der mythischen Auf- fassung der Kalevala, dergemäss der Urmensch, Väinämöinen von der Fee der Luft, der Ilmatar geboren worden ist. Auf den ersten Blick fällt es auf, dass der erste Teil von magyar. etn-hcr (Mensch) regelrecht dein Vorderteile von wogul. tthn-xolt's ent- spricht, d. h. nichts anderes ist, als die dem wogul. C'lem, Um,

mel, Wetter) entsprechende Form. Was nun den zweiten Teil hr anbelangt, so glaube ich, entscheidet darüber der Umstand, dass das Wort m'mhir (Weib), d. h. nö-fwlor, (ähnlich wie jamhor •—- j<i-i>mber fromm, guter Mensch ), im Wiener und Münchener Codex

ostjak. jclhu ; finn. ilma. lapp. ahne,

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eonsequent nrwherj gesehrieben wird, woraus deutlieh zu erkennen ist, dass dies nur die im Anlaut assimilierte Form von fn j (Gatte), früher per] (vgl. tseherem. y>//-e/v/c-=Mann) ist. F t'rj hat in der äl- teren Sprache und auch noch heutzutage in einigen (iegenden die Bedeutung von „Gattin. Frau", woraus ersichtlich ist, dass seine ursprünglichere Bedeutung allgemeiner und als solche ge- eignet war zur Bezeichnung des Begriffs ..Mensch". Das magyar. einher drückt daher in seine Bestandteile zerlegt, etwa dies aus: „der Luft Sohn- und hat den gleichen Inhalt mit dem mythischen Ausdruck der Wogulen rl<'-m-.roh's (s. „Ethnographia" I. 290)

5. Im Hunfalvy-Album habe ich bei der Behandlung des Bärenschwures eingehend begründet, weshalb wir das magyar. Original für den aus dem Slavischen entlehnten Namen medrr dieses Tieres nicht kennen {med-rrtf magy. inrrfrr, d. h. Ho- nig-Esser), und weshalb wir szarms, (Hirsch, eigentl. Hörniger) und fnrkus (Wolf, eigentl. ( Jesehwänzter) als unischreibendes Epitheton gebrauchen, und nicht wie eh (Hund), rtikn (Fuchs), nijnszt (Marder), Ui (Pferd) und wie viele andere Tiere mit ihrem eigentlichen Nenn-Namen belegen. Ich habe nachgewiesen, dass dieselben Erscheinungen auch im Wogulisehen vorkommen, „was nicht ein blosser Zufall sein kann, sondern nur das Resultat des Umstandes, dass tlir ttlfni }ftttftftttrtt rhnisn. wir dir Wotptlm, (}sl- jaken und ntrhrnr and vre. renetDidtr Yölfrrr ans Khrfnrehf. odrr atts religiöser Sehnt dir traft rv Jivnvnuntitf mit finr. Hirseft an-l Wolf nieht tmssprachvn" . In Anbetracht dessen, dass der Hechl im Wo- gulischen „heiliger Fisch" (jrlpih .ml) ist und dass für ein „hei- liges Tier, Götzenbild" (jrlpin ttj, Konda- Woirul. papi-kliwor) auch die Schlange gilt ; so kann am geeignetesten auch diese eigentümliche Erscheinung mit ebendenselben Gründen erklärt werden, dass wir in der magyar. Sprache für diese Tierarten nur Wörter fremden Ursprungs zur Verfügung haben (magy. rsuku Hecht, slav. seukn, sinkt t ; magy. kit/t/o Schlange, ältere Form kehftpJ, vgl. tungusisch kulin, mongol. .rtdiifhitn); wobei wir keineswegs voraussetzen können, dass z. B. die alten Magyaren den in nörd- lichen Flüssen in sehr grosser Menge vorkommenden Hecht nieht. gekannt haben.

iS. Für den Begriff der Srhöpfun,/ ist im Wogulischen einer der gebräuchlichsten Ausdrücke : tdräti „lässt herab," z. B. rinn- xules unlrtir tun tdrälttnkwr Ii Idrnntiislt'n ~~ Die Menschen be- wohnbare Erde zu erschaffen : du hast sie also erschaffen - eigent- lich: herabzulassen, du hast sie also herabgelassen (s. meine Samml. „Vogul nepköltesi gyüjtenieny" I. 8b) : am i'nräp-naj ankw tdrälr'im ich lasse herab die Baräp-Frau Mutter (einen gleichnamigen Berg) |d. h. erschaffe; ebenda HO]: Xnmi-Tärrnt äs'itw kwoss-kr-jH'l rit-.ntl euss tdrätüsen, n)r ttj ross It'trätnsru ! Er- habener Himmel unser Vater, o möchtest du doch herablassen (erschaffen) Fische, möchtest du doch herablassen Wald-Wild (eh. S. 7ii.) Auf welche Weise das „Herablassen" bedeutende

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Zeitwort zum Träger dos die „Erschaffung* bezeiehnendon Be- itrittes geworden ist, ergibt sich klar und deutlich aus den aus- führlicheren Sehöpfungsboschreibungen, aus denen wir ersehen, dass Numi-Tdn'w, der Gott-Ahne, die Erde und ihre Erschei- nungen nicht durch blosses Wort ex nihilo erschafft, sondern die- delben aus seiner himmlischen Wohnung hernhlässt und zwar gewöhnlich auf eine sehr beschwerliche Weise: vermittelst Stricken oder Leitern. Hier lesen wir bezüglich der Erschaffung der Welt : -Unterer-Himmel (d. h. Erde), unsere Mutter in ihrer am Ende einer siebenfachen eisernen Kette zwischen 2 Luft-Himmeln, zwi- schen 2 Himnicl-Keichen hangenden Burg sass. Lange Zeit sasssie, oder kurze Zeit snss sie, da auf einmal nur kam das Zeitalter der Erschaffung der Erde heran. Erhabener-Himmel, ihr Bruder spricht : „Hu Schwester, steige jetzt herab auf den unten befind- lichen Raum, des Menschen zeitige Welt muss ich erschaffon !u Die siebenfache eiserne Kette wurde jetzt abgeschnitten und _ Unterer-Himmel, unsere Mutter stieg also herab" (eb. I. 128). Den Ursprung des ersten Menschenpaares erzählt die Sage also: „Eine Frau und ein Alter leben; Himmel-Vater, Himmel- Väter- chen hat sie in silborw ölbiger, gewölbter Wiege herabgelassen." Die morgens und abends mit der Erde sich berührenden Ver- treter der Sonne und Dämmerung, den Gold-Fürsten (Sorni-äter) und Gold-Kaltes (Sorni-Kitltts) legt dem Liede gemäss „Gold-Sir, ihre Mutter und Gold Kworcs, ihr Vater, in goldreifige 2 Wiegen, binden 7, silberquastige Silberketten an sie und lassen sie auf diese unten befindliche Erde herab" (eb. S. 66). Die Fische, das Wild, die Pllanzen werden auch aus dem Himmel herabgelassen.

Der von unserer Mutter Unterer Himmel ^unserem Vater, dem Erhahenen-Himniel" gesandten Botschaft gemäss: »deine bogenergreifenden 7 Männer zu erschaffen, hast du nun erschaf- fen; aber jetzt ihre essbaren Kutonknosnon, essbaren Grasknospen, was wird sein ? Du eine Silberleiter lasse herab ; ihre essbaren Kutenknospen seilen längs dieser Leiter von da herabkommen ; ihre essbaren Grasknospen sollen längs dieser Leiter von da herankommen ! Ihre hungrigen Herzen hungern sehr. Erhabener- Himmel fragt: ..Längs der Silberleiter was für ein Dings soll ich herablassen V Obongehender-gofiügolter-Kalm (der himm- lische Bote) spricht : ..Im Herbste, wenn kurze Tage eintreten, aus dem sielienhschschaarigen Wasser deiner gänsebolaufenen, entenbelaufeneii 7 Flüsschen, deiner gänsetauchenden, ententau- chenden 7 Flüsschen kloinrückenfiossige, rückenboflosste Fi- sche lass kommen : hinter unsere rückenteiligo Stadt lasse sie- ben elentierige, elentierversehene Moosweiden herab !* (ob. 132). In einer interessanten Variante finden wir dieso Beschreibung in den die Frsehaffung des Bären behandelnden Liedern, von denen z. B. hier nur eins stehen möge (eb. III. 12):

Manlerfangender, siebon-jagdschlingiger, wiMfan^'nder, sieben-jagdschlingigor Mann,

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mein Väterchen, schneidlose viele Heile in grosser Zahl sammelt ; spitzlose viele Brecheisen in grosser Zahl sammelt. Eisenbereitonden 7 Schmieden gibt er os hin.

Dreihundert klnftrige Eisenketto bereitet er:

silberwölbige, gewölbte Wiege bereitet er.

zu jenes gewalttütighändigen, .gewaltigen Tieres- Tochter (dem Büren) tragt er sie hin.

In jene silberwölbige. gewölbte Wiege setzt er. sieh da! mich «den Baren), mit der dreilmndertklaftrigen Eisenkette bindet er, siehe dji! mich. Auf das vom t'nlerwelt-Volk bewohnte mit gelber Farbe, mit roter Farbe bedeckte Kleingans, Kleinente beschnatterte Erdchen lässt er. siehe da ! mich herab.

Mit der wogul. Bildung t'h-ät, momentan himnt stimmt for- mell und inhaltlieh magyar. twiat (erschaffen) gei au überein, und wenn der Ausdruck so identisch ist. so haben wir wohl auch die darin enthaltene (irundvorstellung für identisch zu halten.

All dies glaube ich, liefert genug bedeutsame Spuren be- züglich dessen, dass der Forscher magyarischer Mythologie und Religion die religiöse Dichtung der Wogulen und Ostjaken für eine wichtige Quelle der Vergleichung zu halten hat.

Kinderschrecker und Kinderräuber im magyarischen Volksglauben.

Von Lud w'uj Kulmdny.

IL

I. Szepasszonyok Schöne Frauen.

Ueber die ördonyö* vm ns.<?ontf heisst os, dass sie der Bösen Böseste sei, die machtiger, gefährlicher als der Teufe) selbst, die- sem, wenn ihn sein Wissen und Können verlässt, hilfreich bei- steht, weshalb sich auch der Teufel vor ihr fürchtet.1) Besonders

') Eine Sage berichlot: »Als der Teufel zur OrdnnyÖH rrmiHsztwy gieng. sagte er zu ihr, sie sollte es versuchen: ob sie dies junge Paar verfuhren könnte. Sie sagte: sie verführe es um ein Paar Schuhe. (Ücng die iirdiiiiyis v£nas82ony zur jungen Frau: ..() mein liebes Kind, welch schönes Leben herrscht unter euch; aber noch schöner würdet ihr hben. wenn du auf mein Wort hören würdest; lege das Rasiermesser unter den Polster, darauf dein Mann sich hinlegt, dann gibts ein noch schöneres Leben unter euch!" Dann gieng sie hinaus in den Weinberg, wo der junge Mann mit der Haue arbeitete. -U welch schönes Leben gibt es unter euch, mein Kind, nur Schade, dass es zu Ende geht! Deine Frau hat das Rasiermesser unter deinen Polster gelegt, damit sie dir den Hals abschneide; schau es dir nur an." Als der Mann heimkam, nachtmalte er, entkleidete er sich, und da fiel ihm ein. was die alle Frau ge- sagt hatte. Kr hob den Polster auf: darunter war das Rasiermesser. Da griff

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1S!I

für die Ivindbetterinnen ist die Szv.iHisnnmij mit ihrer HtmLfloitc»r- schnür gefährlich. In Egyhazas-Ker glaubt mau, dass die Sz. und die sie begleitenden Hexen1) aueh die Kindbetterinnen vom Bette lieben und sie nächtlicher Weile zerstückeln. In Klarafalva hoben sie einmal die Wöchnerin aus dem Bette und legten sie in den Backtrog. Das Volk hält nur die Anführerin dieser Schaar für eine S/,. Ihr Bestreben ist, die Wöchnerin ins Freie hinaus- zuschaffen, wo sie mit ihr leichter fertig werden können. „Meine Freundin", erzählte ein altes Weib aus Szeged-Madarasztö, ..lock- ten sie aus dem Kindbett hinaus und sie hätten dieselbe auch getötet, wenn ihr(iatte es nicht wahrnimmt." ..Wenn sie zur Kindbetterin kommen, saugen sie nächtlich an den Brüsten der- selben; dann versiegt die Milch dieser Frau" (aus Szöreg). Das Kind soll man nicht auf den Tisch legen, denn die Bösen werfen es herab und es gesundet nimmer (aus Szöreg). Um diese gefährliche Schaar abzuwehren, legt man Messer und Gabel ins Bett der Boldogngszomj ( Boldoffaggtonii-dg ij) ; Sehneide- und Stech- werkzeuge weinen die Bösen ab.') Damit das Kind nicht berufen werde, legt man in Szöreg ein Messer unter seinen Polster; und damit man die Hexen vom Hause fernhalte, steckt man am ( ieorgs- tage Stecknadeln in die Fensterbalken. In Szoged-Rökus legt man ins Badewasser eines solchen Kindes, das mager ist oder gar von den Hexen ausgetauscht wurde, Messer und (Jabel. Die Wöchnerin darf nie allein bleiben; man muss wenigstens die Katze bei ihr lassen. Die Katze ist also ein der Sztpiis *iony feindlich gesinntes Tier. In Algyö zieht man durch das erste Hemd, welches man jemandem näht, eine Katze hindurch, damit die Bösen den Betreffenden nicht schädigen können*). B<'i den

er seine Frau bei dun Haaren uml schnitt ihr »Ion Hals al». Der Teufel trug sogleich die Paar Schuhe zur nrib'iwj(1s renasszont/; er reichte sie ihr vermittelst einer Stange hinein, denn er getraute sich nicht zu ihr hineinzugehen, ..Schon seit 7 Jahren hemühte ich mich, jene zu betrügen, aber ich konnte sie nicht betrügen: du bist ein grosserer Teufel als ich." (Aus Szöreg.)

') Der alte \'<tn/a berichtete mir, dass er in seiner Jugend die Hexen belauscht habe; „so gegen II l'hr gieng er nach Hause; er zog seine l'nter- hose |gatya> aus: <t kroch durch dieselbe hindurch (d. h. durch den einen Fuss derselben: die <5atyen sind nämlich sehr weit»; er sah die rote Fahne auf jedem Hause, in welchem sich eine Hexe befand; er zog sich bei Seite; gar bald fuhr eine Kutsche di»> «J.-sse entlang; in diese stiegen die Hexen ein, es waren 10. Sie gienger. auf den (Berg) Nagyhalom (bei Szeged); der alte Varga schlich ihnen nach; er sah wie sich die Hexen unterhielten; Musik er- klang, aus goldenen Bechern tranken sie; sie hatten einen goldenen Tisch; dann tanzten sie, aber es waren dort alle (nur) Hexen. Am andern Tage fand der alte Varga an diesem Orte Pferd»?- und Fselknoehen" (aus Magyar-Szent- Mihaly; vgl. ferner meine Sammluug: Szeged nepe Sz.'s Volk II. Bd. 220.»

M S. meine Abhandlung: ..Bohlogasszonv ösvallasunk Istenasszonya ( = B. eine (iöttin unserer 1'rreligion). S. 14, IG und Wlislocki, Aus dem Volks- leben der Magyaren S. IM.

J) In Szöreg erzählt mau. ein Hirtenjunge habe einmal sein Taschen- messer in den Wirbelwind geworfen: die Bosen öffneten es und warfen es dein Jungen in den Fuss. In Magyar-Sz.-Mihälv erzählt man von der Tochter eines gewissen Källav, dass sie mit einem grossen Messer nach dem Wirbel-

IM

Indern ist dir Katze das Sinnbild des kinder-beschützenden

Trotz aller Vorsorge verwechselt die tery^*?*»)/;/ und ihre Begleiterinnen oft das Kind: von einem solchen sagt man dann: „ICs ist im Bette der Sz. geboren." Dies ..Bett der Sz." ist eben das Kindbett, sofern nämlich die Sz. und ihre Begleiterinnen dem Kinde ein Leid zufügen: sonst aber heisst es Liebfrauen-Bett, i Hotdofjn^oi) y-atfi/aß und die hl. Marin, die sog. Boldogasszonv ist die Beschützerin der Gebürerin. l'm den Besitz des Kind- bettes streiten sieh die Boldogasszony und die Sz.: jede will, dass das Kind in ihrem Bette geboren werde. Krreicht die Sz. ihr Ziel, so wechseln die Hexen das Kind üogen eines der ihrigen ans. Ein solches Kind ist haarig, dickköpfig, lautlos und heisst vältott ( - gewechselt). In Kg.\ häzas-Ker erzahlt man über den l'rsprung des Weehselhalges folgendes: ..Während die Frau das Kind gebärt. kommen die Hexen heran, spiessen Eierschalen auf einen Kochlöffel; daraus entsteht ein dickköpfiges Kind, das lassen sie der Mutter, das Kind aber tragen sie mit sich fort. So wie man mit ihrem Kinde umgeht, so behandeln sie auch das Kind (der Frau). Wenn eine Katze in der Stube ist. oder wenn der Vater seinen Hut auf das (Jelsennetz (Bettgardinen aus Or- gantin u. dgl.) legt, dann können sie das Kind nicht austauschen.** In Szöreg erzählt man: „Als der Wechselbalg lange nicht gehen und sprechen konnte, nur der Kopf wuchs ihm; es hatte schon einen sogrossen Kopf, wie ein (erwachsener) Mensch, sagte man: man möge ihm einen neuen Napf, einen neuen Löffel kaufen ; es mochte stets nur Milch essen: der Napf soll klein, der Löffel gross sein; dann soll man durch das Schlüsselloch beobachten, was das Kind macht; man gab ihm Milchhirse; begann das Kind dreimal: „Hm, hm, hm! (i rosser Löffel, kleiner Napf; wie soll man daraus essen. Man wusste, dass es ein Wechselbalg sei; dann legte man es auf eine Brotschaufel." Man glaubt nämlich, dass wenn man den Wechselbalg auf die Brotschaufel logt und so vor die Oeffnung des Backofens bringt, die Hexe das Kind zurücktausche. Im Bette der Sz. ist ein solches Kind geboren, das mit Zähnen auf die Welt kommt; dies« Zähne muss man ihm ausbrechen, sonst holen es die Bösen ab. Aus solchem Kinde wird ein Tutos, d. h. ein Mensch, der übernatürliche Kräfte be- sitzt.") De:1 Zahn ist das Zeichen des künftigen Tutos. Wer in Zuckungen verfällt, wem aus Nase und Mund Blut ltiesst. gilt

wind gehauen habe, worauf sit* die Hexen gh'ich schädigten. Vgl. Knuts* Volksglaube und relig. Brauch der Südslavcn 117.

') Vgl. loch über die Katze als T " * i* der M<ddogasszony d. h. der HI. Maria: „Kthn. Mitteil." II. Bd. S. noch die Zeitsehr. ..Am rr-iueU" III. lf>:?: (ittlfitmlia, Die Tiere in der indogerm. Mvth. 'Ml. Auch hei den Slaven ist die Katze ein kindersrhiitzendes Tier, s. Kr<m*s Volksgl. und rel. Brauch «1er Siidslaven. 67.

') S. darüber Wlishuki, Volksgl. u. rel. Brauch der Magyaren S. 124.

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bi'i den Tunguscn für einen künftigen Schamanen.') Hin solches Kind holen nicht die Hexen ah, sondern der Tente! (ursprüng- lich wol der Schamane) trägt es fort, um es zu unterrichten.

Die Szepasazonif hat auch für Erwachsene ein Bett, in wel- chem derjenige liegt, der an der hinfallenden Krankheit, oder an der Syphilis leidet (aus Szegcd). „Wer an solchem Orte geht, wo er nicht hätte gehen sollen, dem verdirbt der Leih, so dass er krank liegen muss; der liegt im Bett der Sz." (aus Klara- falva). Das Bett der Sz. gehört also auch den an ..garstiger Krankheit" (c^unya b. fi'f/srr/) Leidenden. Vgl. das Bett der ger- manischen Hei, inwieweit dasselbe die Bedeutung von Erschöp- fung, Krankheit hat. Auf wen die Sz. speit, der bekommt „so eine schlechte Krankheit", d. h. Syphilis (aus Klarafalva). -Wenn das kleine Kind von der Bank herabfällt und sich dabei nicht anschlägt, so fällt es in die Schürze der Boldogasszony ;") schlägt es sich aber an. so ist es in die Schiirzo der Szepasszony gefallen* (aus Szöreg, Majdän). Von den Erwachsenen fallen nur die schlechten Mensehen in die Schürze der Sz. ..Wenn ein Betrun- kener fällt und sich dabei anschlägt, der fällt in die Schürze der Sz. ; die Sz. zerschlägt ihn, damit es ihm im Gedächtnis bleibe" (aus O-Szent-lvän).2) Weil der Betrunkene gar leicht hinfällt, so ist vor ihn die Schürze der Sz. hingespreitet, damit er beim Fal- len sich verletze. Die gefährlichste Zeit beginnt für einen solchen Menschen nach Sonnenuntergang, wo er am leichtesten in die Schürze der Sz. fallen kann. Die Macht der Sz. beginnt also nach Sonnenuntergang sich am stärksten zu offenbaren. „Abends ist es nicht gut nach Sonnenuntergang Spülicht, oder des Kin- des Badwasser auszugiessen, denn die Szepasazony hält dann im- mer ihre Schüssel hin und auch ihre Schürze; und wer dann dahin tritt und krank wird, der steigt in die Schüssel der Sz.; wenn er aber fällt und sich anschlägt, so fällt er in die Schürze der Sz.u (aus Szßreg).') Für die meisten Menschen ist eben die Schüssel der Sz. {^repfi^zony t/tla). oder auch Teller der Sz. (Sze))(is$?o)u/ hinywja) genannt, unheilvoll. ..Am Tage gen 12 Uhr und in der Nacht gegen 12 Uhr geht die Sz. herum und streut Verderhen aus, schädigt den Menschen; des Nachts geht sie im Hattert herum" (aus Egyhäzas-Ker). ..Gegen 12 Uhr ist es weder am Tage, noch in der* Nacht gut, in der Mitte des Fahrweges

'( (icnrifi, Bemerkungen einer Heise im russischen Reich. S. 2S0.

-) IVhcr die Schürze der B. s. meine o. n. Abhandlung und Wlislocki, Aus dem Volksleben der Magy. S. 1GH.

*) In Ö-Szent-Ivan beginnt der Glaube Verbreitung zu finden, duss der schlechte Mensch nicht in die Schürze der Boldogasszony. sondern nur in die der Sz. fallen kann. Daselbst fiel einmal ein bekannter Saufbold vom Dache berauscht herab, ohne Schaden zu leiden: er brüstet«» sich, in die Schürze d«»r B. gefallen zu sein. Die alten Weiber schimpften ihn, ind«»m si<» meinten: ein schlechter Mensch falle nie in die Schürze der B.. Bei einer anderen (le- h'genheit fi»»l er so arg hin. dass er sich schwer verletzte; da glaubte jeder- mann, dass der Saufbold in die Schürze der Sz. gefallen sei.

l) Vgl. Krauts, Südslavische Hoxousageu :U.

zu gehen, denn die Schüssel der Sz. ist dann in der Milte dos Fahrweges; wer dann in die Schiissel der Sz. tritt, gesundet nimmer" (aus Szeged-Madaräszto). Verbreitet ist der Glaube, dass die auf Kreuzwegen befindlichen Pferdehute und Kinderklauen die Schüssel der Sz. bilden; diese Dinge sind die Ueberreste der nächtlichen Gastereien der Hexen; wer auf sie tritt, wird lahm ). Diesbezüglich heisst es: „Die Pferdehufe sammeln die Hexen; daraus machen sie sich Becher, goldene Hecher; aus diesen trin- ken sie, wenn sie nachts sich versammeln" (aus O-Szent-Ivan ). Manche halten die Heindarre, die Abmagerung der Schenkel, für eine Folge des Hineintretens in die Schüssel der Sz.. „Wessen Hein verdorrt, der ist in die Schüssel der Sz. getreten" (Kgy- hazas-Ker). Nach anderer Erklärung ist die Schüssel der Sz. die Dachtraufe, wenn man diese verunreinigt; dies glauben auch die szöreger Serben, mit dem Unterschiede», dass bei ihnen die Vila die Dachtraufe verunreinigt.*) Das Volk der Szegeder Gegend nennt die Schüssel der Sz. auch die „Schüssel der Bösen" ( ttoxz- szak tdlja). In Szflreg und Gyala heisst es: „Abends pflegt man das Fressen dem Hunde hinzuschütten; ist dann der Hund nicht da, so tritt der, welcher hievon nichts weiss, darüber hinweg, er tritt (dadurch) in die Schüssel der Bösen; er bekommt ein un- heilbares Siechtum, woran er stirbt." Diese Bösen sind die Hexen selbst.3) Wieder anderswo glaubt man, dass die verunreinigte Dachtraufe nicht die Schüssel, sondern der Speichel der Sz.1) sei: ..Es ist nicht gut, in die Dachtraufe seine Not zu verrichten, denn darin ist der Speichel der Sz., wenn der Mensch hineintritt" (aus Klarafalva). lieber die Schüssel der Vila berichten die Ser- ben in Szöreg und Svrmien dasselbe, während die Magyaren Südungarns ausserhalb Szeged's von der Sz<:jta*sz(mu überhaupt nichts wissen. In Gyala sagen die Serben: „Bda Vila a itwah

') S. meine Samml. „Szcged nepe" II., 22U. „In der IMingstnacht tanzen die Hexen in einem Kreise; wer in diesen Kreis tritt, der bekommt ein sol- ches .Siechtum, von dem er nie geheilt werden kann. Dieser Kreis ist der Tanzplatz der Hexen; dort grünt selbst das Gras nicht, es ist versengt" laus Szöreg). Derselbe Glaube findet sich auch bei den Szöreger S/.erben vor; vgl. den südslavischen Glauben bei Krauts a. a. O. S. 11H.

l| Die Serben in Szerb-Elemer glauben, dass die Kolcia durch die Ver- unreinigung der Strassen durch die weisse Frau entsteht. Am 25, Nov. 1K!<2 zogen 4 nackte Jungfrauen einon Pflug um das Dorf herum, von zwei 12 -14 jährigen Mädchen getrieben. Sie zogen eine Furche um das Dorf und glaulv» ten. dass nun die Kolera, die weisse Frau, in den Friedhof gegangen sei und dort weine. Als dies Mittel nicht half, zündeten sie im Dorfe allerwärts Feuer an, und warfen in dasselbe Fusslappen, Bundschuhe udgl.. damit die Kolera a u sge r ä u c h e rt wer d e.

*) In einem Szegeder Hexenprozess aus dem vorigen Jahrhundert wird Saroh Koncz augeklagt, „dass sie auch den Sohn des G. Katona behext habe, sie sei in die Schüssel der Hexen getreten und habe dieselbe angespieen; und er habe Geschwüre bekommen und so habe sie ihn geschädigt; und jetzt habe sie ihn geheilt."

*) lieber das Hinointreten in gewisse Sachen vgl. Kr.tusi in -^une- Zeit- schrift -Am rnpiell" Üd. III. IV. sub: J\at%em*purn."

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nayazio" (er ist in die Schüssel der weissen Fee gestiegen), was der magyar. Redensart: „A tzepusszony ttiltiba häyott" (er ist in die Schüssel der Sz. gestiegen). Wer in die Schüssel der Sz. tritt, kann geheilt werden, wenn dieselbe nicht für ihn aufgestellt worden war (Algyö). Hieraus folgt, dass die Sz. gewisse Men- schen sich auswählt, für welche sie? dann ihre Schüssel hinstellt,') Bezüglich des Speichels oder Ausspeiens der Sz. heisst es: „Das Speien der Sz. befindet sich an dem Menschen, der so eine böse Krankheit (Syphilis) hat" (aus Klarafalva). Dies stimmt mit oben erwähnter Erklärung des Bettes der Sz. überein. Das Speien der Sz. verursacht auch Katharr (Szöreg, Klarafalva), Kopfschmerzen: „die Dachtraufe ist nicht gut zu verunreinigen, denn wer hinein- tritt, bekommt Kopfschmerzen, Katharr; dies ist der Speichel der Sz., nämlich: der Kopfschmerz und Katharr" (aus Szöreg). In Klarafalva nennt man auch die Warzen also. Dergleichen Speien wird auch in Szegeder Hcxenprozessen häufig erwähnt. Das Speien der Sz. ist demnach eine Krankheit, das der der Hexerei Ange- klagten aber nur krankheiterregend; (ähnlich wie der Hexenspei- chel der Slaven-). Auch aus dem Speichel des Demiurgen der ugrischen Völker entstehen Krankheiten. Die Krankheit nennt man in Szöreg auch das „Wasser der Sz." {Szepassztmy vize). Anderwärts hält man das Wasser der Sz für ein Zaubermittel, mit Hilfe dessen man das Siechtum erkennen kann. „Das Was- ser der Zauberin ist das Wasser der Sz.; nachts um 12 Uhr schöpft man es schweigend aus dem Brunnen, man trägt es aber nicht hinein, man stellt es unter einen Baum; bis Tagesan- bruch darf man es nicht hineintragen. Aus diesem ersieht die Zauberin das Siechtum, die Schädigung; denn im Wasser befin- det sich der (d. Ii. sein Bild), welcher geschädigt worden ist" (aus Szöreg). Unsere Ueberlieferungen zeigen, dass im Volks- glauben früherer Zeiten die Sz. sowol als Schädigerin als auch als Helferin eine Holle gespielt hat. In Egyhäzas-Ker kennt man das „Wasehwa-ser der Sz."; wer hineintritt, wird krank; in Sie- benbürgen kennt man auch den ..Brunnen der Sz.U3)Die Sz. hat auch ein Handtuch. In Egyhäzas-Ker glaubt man, dass sie es deshalb wegwirft, damit der Finder krank werde. Keine Krank- heiten verursachen diejenige Pflanzen, welche nach dem Namen der tizipaaxzony benannt sind, wie: Sz. tcnyere (flache Hund der Sz.); Sz. fiirv ((Jras der Sz.) Sz. kaluoa (Kuchen der Sz.; rar- lina aoudis). Sz. rcszketötiijv (zitternde Nadel der Sz., scabvsa (ttroparpurm); Sz. htm (Hirse der Sz., frduca puitamY) Hingegen ist der „Wind (Schlagfluss) der Sz." gefährlich. „Der Wind der Sz. hat denjenigen getroffen, dessen Mund verzogen ist" (aus Kübekhäza).Krankh('iterregendistauchder„Be<-her der Sz."( Szöreg).

'l Alto Leute können durch diese .Schüssel nicht geschädigt werden.

'-) Kraus», Südsl. Hexensagen. '">3.

3) fpolt/i, a. a. O. S. 589. Auch die Vilen der Slavon treten oft als hel- fende Wesen auf; Kraus*, Volksgl. u. rel. Br. d. Südsl. 95; 76, 87.

■) Ipolyi, a. a. O. S. 445; Wlitloeki, Volksgl. u. rel. Br. dor Magy. S. 158.

(Fortsetzung folgt.)

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Seelenloskauf bei den mohammedanischen Zigeunern

der Balkanländer.

Von Dr. IL v. W Iis locht.

Die Seele klammert sieh au alles, was der Verstorbene im Leben besessen hat, und muss daher von seinem Besitz förmlich losgerissen werden. Dies ist der elementare Grundgedanke der Totengebrauche aller Völker zu allen Zeiten; auf diesem Gedanken ruhen logisch erklärbar alle die zahlreichen Bräuche, welche darin übereinstimmen, dass sie nach einem Todesfälle keinen Gegenstand des Hauswesens ungerückt an seiner Stelle lassen und so gewissermaassen ..das Haus umstürzen". Die vertrauliche Beziehung, in welcher der Verstorbene einst zu seinem Hauswesen stand, liess bei den l'eberlebenden gar leicht den Gedanken aufkommen, dass der Tote das Seine mitnehmen, oder es wenig- stens für weiteren Gebrauch schädigen könne.

Auf diesem Gedanken ruht auch der sogenannte ..Seelen- loskauf**, der sich in verschiedener Form in den Totengebräuchen verschiedener Völker vorfindet, so auch bei den mohammeda- nischen Zigeunern der Balkanländer.

Stirbt ein ansässiger mohammedanischer Zigeuner, so w ird er von seinen Angehörigen mit dem Gesicht gegen Sonnenaufgang gelegt und bis zur Ankunft des Imam mit einem Leintuch zuge- deckt. Nachdem der Imam das Totenhemd verfertigt, die Leiche gewaschen und angekleidet hat, nimmt er die Geremonie des Seeleuioskaufes itomnisapen muleskoro -= Handel, Feilschen des Toten) vor. Zu diesem Behüte muss der Aelteste der Hinterblie- benen bei einer männlichen Leiche zwei fremde Männer, bei einer weiblichen aber zwei fremde Weiber herbeischaffen und dem Imam sechszehn Silbergeldstücke übergeben. Ist die Familie so arm, dass sie diese Summe nicht herbeischaffen kann, so gehen die beiden Männer, beziehungsweise die beiden Weiber so lange von Haus zu Haus, bis sie die erforderlichen Geldstücke zusam- mengebettelt haben. Ausser diesem Silbergeide müssen die Hin- terbliebenen auch noch 101 Stück der kleinsten Geldmünze her- beischaffen und dieselben sammt dem Silbergeide dem Imam übergeben. Der Imam logt nun dem Toten je eine Silbermünze zwischen je zwei Fusszehen und je zwei Handfinger und bindet die kleinen Geldmünzen in ein Tüchel ein, das er den beiden Männern, beziehungsweise Weibern übergibt, die sich rechts und links vom Toten auf die Erde niedersetzen. Während der Imam Gebote hermurmelt, reichen sie das Tüchel mit dem G ekle einan- der über die Leiche hinüber 101 -mal zu, wobei jedesmal der (Jeher die Worte spricht: ..Wir feilschen, Toter!" (Amen tomui- surtis. oh nrulejn !), der das Tüchel Uebernehmende aber sagt jedesmal : „Ja ich nehme das Geld" (auva, me luv lova). Ist dies 101-mal wiederholt worden, so wird das Tüchel samt dem Gelde

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dem lmam übergeben, der das (leid in drei Teile teilt, von denen er zwei Teile der Familie des Verstorbenen zur Bestreitung der noch übrigen Leichenkosten zurückgibt ; den driten Teil aber wieder auf drei Teile teilt, von denen er je einen Teil den beiden Männern, beziehungsweise Weibern schenkt, den dritten Teil aber und das zwischen den Zehen und Fingern des Toten be- findliche Silbergeid für sieh und für fromme Zwecke einsteckt. Schliesslich sieht der Imain bei einer männlichen Leiche nach, ob der Betreflcnde beschnitten ist oder nicht. Ist der Tote unbe- sebnitten geblieben, so bl icht ihm der Imain, bevor noch die üb- rigen Leichenceremonien ihren Anfang nehmen, den kleinen Finger der rm-htm Hand und wickelt um denselben einen roten Seiden faden.

Bezüglich dieser letzten Ceremonic weichen die mohammeda- nischen Wanderzigeuner von den ansässigen wesentlich ab. Bei ersteren gilt der kleine Finger der Inden Hand nicht nur für den Sitz des Lebens, sondern auch für den Sitz männlicher Potenz. Ist der Tote aber uubesehnitten geblieben, was bei den moham- medanischen Wanderzigeunern gewöhnlich der Fall ist, so bricht ihm der älteste seines Stummes den kleinen Finger der linkt n Hand und bindet denselben mit einer eigens zu diesem Zwecke von den Z;mbei hauen verfertigten Schnur an die Handfläche, und zwar so, dass er um das ei ste < Jlied des gebrochenen kleinen Fingers mit der Schnur eine Schlinge windet, das eine Hude derselben um den Handrücken zieht und dann beide Huden der Schnur um das letzte (Jlied des Mittelfingers windend, zusam- menknüpft. Bei einigen Stämmen werden in diese Schnur auch Haare von den hinterblicbenen Frauen des Verstorbenen oinge- tlochten, damit der Tote sich nicht nach seinen Weibern sehne. Nach dieser Ceremonic stiebt jene der < Jattinnen des Toten in diesen gebrochenen kleinen Finger mit einer Nadel einmal hinein, damit der Tote dadurch in geschlechtlicher Beziehung zur Buhe komme und seine Weiber nachts nicht beunruhige. l)ies nehmen die Weiber auch dann vor. wenn der Tote beschnitten gewesen ist.

Aber auch bezüglich des Seelenlo^kaufes weichen die mo- hammedanischen Wanderzigeuner von den ansässigen wesentlich ab; bei letzteren hat wohl der oben erwähnte Seelenloskauf durch fremden Finlluss seine jetzige Form erlangt, wahrend er sich bei den mohammedanischen Wanderzigeunern wohl mehr in seiner uralten Reinheit erhalten hat. Stirbt ein mohammeda- nischer Wanderzigeuner, so wird in den seltensten Fallen der Imam gerufen, sondern es verrichtet alle ( Vremouicn der Aeltestc der Sippe. Bei ihnen besteht der Seelenloskauf in einem Abwägen der Leiche gegen ein (Jewieht von Lebensmitteln. Stirbt ein mohammedanischer Wanderzigeuner, so wird er im Beisein des Sippenältesten von seineu Angehörigen in hockender Stellung in ein Leintuch eingebunden, dessen zusammengebundene Zipfel an das eine Ende einer- etwa zwei Meter langen Stange befestigt wer-

um

den ; an das andere Ende wird ebenfalls ein mit den verschie- densten Lebensmitteln gefülltes und an den vier Zipfeln zusam- mengebundenes Leintuch befestigt. Die Stange wird nun in horizontaler Lage mit ihrer Mitte, einem Wagebalken gleich, auf die Spitze eines in die Erde senkrecht eingetriebenen Pflockes gelegt, und das Gleichgewicht zwischen den Speisen und der Leiche durch Hinzugabe, beziehungsweise Wegnahme von Lebens- mitteln hergestellt. Die Leiche wird nun aufgebahrt und die Speisen, zu denen jedes Mitglied der Sippe beisteuern muss, werden je nach ihrer (Qualität in drei Teile geteilt ; ein Teil davon wird den Tieren der Sippe vorgeworfen, ein Teil gehört den beiden Klageweibern, die hei der Leiche wachen und die Toten- klagen singen, der dritte Teil aber und zwar gewöhnlich der schlechteste, gehört dem Toten und wird an irgend einem ein- samen Orte in die Krde eingegraben. Bevor dies Abwägen der Leiche stattfindet, wird beziehungsweise das erwähnte Finger- brechen vorgenommen. Hiernach und nach geschehenem Abwägen des Toten nehmen die übrigen Leieheneeremonien ihren Anfang. Dem Glauben mohammedanischer Wanderzigeuner gemäss wer- den durch obiges Abwägen der Leiche alle Ansprüche des Toten an die Lebendigen beglichen; er hat von seinen zurückgeblie- benen Genossen nichts mehr zu fordern und wird sie auch nach seiner Beerdigung nicht mehr durch etwaige Besuche beunruhi- gen. Sollte er aber dies dennoch tun, und dem einen oder dem anderen der Genossen im wachen Zustande oder im Traume er- scheinen, so gilt dies für ein Zeichen, dass der Betreffende sich nicht, in genügendem Maasse vom Toten losgekauft, d. h. ihm nicht genug gute Speisen beim Abwägen der Leiche gegeben hat. Hiefür gebrauchen die mohammedanischen Wanderzigeuner die recht bedeutsame und charakteristische 'Redensart : „er hat den Toten wenig betrogen" (»tuU* <;<tni</ vormhixh Erscheint ihm nun der Tote oft im Traume, so muss er gelegentlich ein Stück Fleisch irgendwo in die Erde eingraben, um sich auf diese Weise nach- träglich loszukaufen.

Dass diese letztere Art von Seelenloskauf einst vielleicht bei allen Zigeunern üblich gewesen war, dafür scheint ein ähnlicher Brauch der serbischen und südungarischen Wanderzigeuner zu sprechen. Bei diesen Zigeunerstämmen ist es nämlich Brauch, dass ein Ehepaar, dessen Kinder bald nach der Geburl sterben oder gar tot auf die Welt kommen, den Leichnam der toten Kinder gegen ein Gewicht von Hirse oder Kürbiskernen abwägen lassen und diese Menge der betreffenden Frucht auf einem Berge in der Erde vergraben Diesen Ort besuchen die Gatten dann zeitweilig coituin faciendi causa.1

') S. mein WYrk : A us dem inneren Lel>en «I*-r Zigeuner" (Berlin 1902 K. Kt-Hx-ri S. 70; vyl. «Ii.- indische Situ« ..tuhipiirushn", s. Haht ilamif M., Ueber tuläpurusha der Inder (in der Festschrift zur Begriissung der Teilnehmer am Anthropologen-Congress in Wien 1889).

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Eine xYrt von Scelcnloskauf finden wir auch in den Hoch- zoitsgebräuchcn der mohammedanischen Wanderzigeuner, die eben für die Polygynie gar eingenommen sind. Jeder von ihnen trach- tet, wenn nicht 3—4, so doch wenigstens 2 Frauen zu be- sitzen ; je mehr er für ihn arbeitende Frauen hat, desto bes- ser und leichter lebt er ja. Gewöhnlich nimmt sich der Mann die erste Frau aus seinem Stamme, die folgenden aber aus frem- den Stämmen. Heiratet der mohammedanische Wanderzigeuner eine zweite, dritte usw. Frau, so führt er dieselbe tiefverschleiert, neun Tage vor der Hochzeit in sein Zelt zu seiner ihm bereits ange- hörigen Frau, wo dieselbe neun Tage lang wortlos und ver- schleiert vor dota Zelte sitzt oder steht. Am Hochzeitsabeud wird sie auf ähnliche Weise wie der Tote abgowogen, nur mit dem Unterschiede, dass sie selbst ihr Gegengewicht an Speisen, Klei- dern usw. hergeben muss, was dann den bereits früher angetrauten Frauen ihres Gatten als Hochzeitsgeschenk gehört. Sind die Frauen mit den im Gegenge wicht enthaltenen Geschenken zufrieden, so tanzen sie am Hochzeitsabend mit Kerzen in der Hand um die jüngstoGattin ihfes Mannes herum, nehmen ihr den Schleier herab und führen sie dann zum Gatten ins Brautzeit und lassen dort die ganze Brautnacht hindurch ihre Kerzen brennen, damit die bösen Geister der neuen Ehe nicht schaden mögen. Die erste Frau wird nicht abgewogen, nur die ihr nachfolgenden Ehegenossinnen. Nach zigeunerischer Aussage geschieht dies Abwägen der Braut nur deshalb, damit die Schwere (phariben) ihres Herzens, ihrer Seele (godji) auch unter die bereits vorhandenen Frauen verteilt werde imd keine Eifersucht unter ihnen herrschen solle. Ist aber eine der Gattinnen des Zigeuners schon gestorben, so muss, sobald er sich zu seinen bereits vorhandenen Ehefrauen noch ein Weib nimmt, beim Abwägen dieser zum Gegengewicht noch die Hälfte von dem getan werden, wie viel die verstorbene Gattin seiner Zeit beim Abwägen ihrer Leiche gewogen hat. Auch diese Hälfte, welche gewöhnlich aus abgetragenen, unwertbaron Kleidungs- stücken, ungeniessbaren, verdorbenen Speisen besteht, wird an irgend einem einsamen Platze in die Erde für die Verstorbene vorgraben, damit die neue Gattin sie nicht beunruhige. Sind dem Gatten zwei oder mehrere Frauen gestorben, so muss von der neuen Frau für eine jede der Verstorbenen eine solche Hälfte geliofert werden.

König Mathias und Peter Ger£b. (Bin inlgarlsohes Gaslarenlied ans Bosnien.)

Von Dr. Friedrich S. Krams.

(Fortsetzung.) Erläuterungen.

Zu V. 1. Divan öini. Divan der Ehrcnsitz der Würden des Gesetzes. Hummer, Gesch. d. Osm. Reiches II. 217. Hier in der Bedeutung Staatrat, vrgl. Hammer II, 223. Divan efendi ist ein

Ethn. Mitt. a. Ungarn. III. 14

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Botechaftsekretär, Hammer VI. 169. Im Sinne von consilium, col- loquium in die serbische und bulgarische Sprache allgemein auf- genommen, siehe Rjecnik hrv. ili srpskoga jezika, Agram 1884. IL S. 419. Das porsisch-türkisch-arabische Wort divan mit dem Zeitwort ciniti (sonst auch uciniti) verbunden. Auf die ethnogra- phische Tragweite dieser auf den ersten Blick unauffälligen Ver- bindung eines Hauptwortes mit dem Zeitworte cmiti wies ich schon im Commentar zu meinem Smailagic Meho (Ragusa 1885) hin, wo ich auf S. 171 und 187 siebemmdfünfzig Fälle besonders anführte, die in dem einen Guslarenliede vorkommen. Wir haben hier eine durch die türkische und die arabische Sprache (des Korans) hervorgerufene Erscheinung vor uns, die schon derart in der serbischen und bulgarischen Sprache des Volkes überhand genommen, dass sie deren Charakter in syntaktischer Hinsicht mitzubestimmen anfängt. In ganz gleicher Weise hat die türkische und arabische Sprache auch noch andere Sprachen beeinflusst, auf die sie einzuwirken in der Lage waren. Zu beachten ist, was darüber einer der gründlichsten Konner der semitischen Sprachen ,M. Grünbaum in München in seinem jüngsten Werke, Neue Bei- träge zur semitischen Sagenkunde, Leiden 1893, S. 11 so tref- fend darlegt: „Wie gross der Einfluss einer Religionurkunde auf Sprache und Literatur eines Volkes ist, ersieht man aus der ara- bischen Literatur weit deutlicher als aus der; jüdischen, da man bei jener die vorislamische Literatur mit der nachislamischen ver- gleichen kann. In der letzteren weht ein durchaus verschiedener Geist, da der ganze Ideenkreis und also auch die vorkommenden Ausdrücke ganz anderer Art sind als die früheren, und da der Koran als klassisches Buch, als unerreichbares Vorbild und Mu- , stör betrachtet wird, dessen Ausdruckweise man so gut als mö- glich nachzuahmen sucht. Dazu kommt, dass mit den neuen*. Be- griffen auch neue Wörter einwanderten, die aus anderen semi- tischen Sprachen -- aus dem Aramäischen und Späthebräischen stammen, Diese Wörter wie auch ganze Redeweisen haben mit der Ausbreitung des Islam auch in andere Sprachen Eingang gefunden und bilden so eine gewisse sprachliche Ein- heit zwischen den verschiedenen Idiomen des Islam, Persisch, Türkisch, Hindustani, die diese zumeist der Religionsphaere . angehörigen Ausdrücke aufgenommen haben, trotzdem, dass ihr Organismus ein ganz anderer ist als der der semitischen Sprachen, in folge wovon oft ein arabisches Zeitwort durch das entspre- chende arabische Hauptwort, verbunden mit dem persischen, .oder Hindustaniwort für -machen", wiedergegeben werden muss. Ahn- lich verhält es sich mit den der arabischen Sprache entnommenen persischen und türkischen Personcnnamen, die der Rcligionsphäre angehören." Vorgearbeitet und mitgearbeitet an der Zersotzimg der serbischen Syntax hat von einer Seite die italienische, von der anderen die deutsche Sprache. Man muss hiebei die deutsche ^olksprache im Auge behalten, die lieber „Lärm machen" als

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„lärmen", „eine Reise machen" als ..reisen" oder gar „machen tun" sagt, z. B. „wer eine Reise machen tut." Zahlreiche Bei- spiele vom VIII. Jahrh. angefangen im Rjecnik h. ili s. j. II. S. 29 ff., wo dor oder die Lexikographen die Tragweite dieses Sprach- zerfallvorganges nicht genügend erkannt zu haben scheinen. Alles weist darauf hin, dass auch im serbischen einiti und im bulga- rischen cinim neben storim und napraim in oiner vielleicht nicht allzufernen Zeit eine gleich bedeutende Rolle wie do im engli- schen spielen wird. Miklosich, ein vielgefeierter Grammatiker, hatte es glücklik zu Wege gebracht, .auf Grund der mönchischen Bibel und anderer kirchenslavischer Obersetzungen aus dem grie- chischen, eine slavische Syntax zu schreiben, die zum Teil das Bild einer karikierten griechischen Syntax ist. Jene, man darf es ruhig behaupten, durchgehend minder gebildeten Dolmetsche übersetzten mit sklavischer Treue Wort für Wort, Form für Form, für das griechische ein entsprechendes slavisches Wort einsetzend. Der Einfiuss einer derartigen Klosterzellenliteratur konnte natur- gemäss auf die Volksprachcn äusserst gering sein. Dagegen wirkten die italienische, deutsche und türkische Sprache durch den regen Verkehr in Handel und Wandel ein. Das Zeitwort »machen" ist eine grosse Bequemlichkeit und Erleichterung für die gegenseitige Verständigung; denn es braucht bloss mit einem Substantiv vereinigt zu werden, um einen Vcrbalbcgriff zu schaffen. Somit entfällt das Erlernen und der Bedarf nach den feiner dif- ferenzierenden älteren Zeitwörtern, und die Spracho vergröbert sich, sie wird reicher an Substantiven und ärmer an Verben. Die Grammatik versimpelt mit ihrem Formenreichtum.

Für Nachbildungen italienischer Ausdruckweise führt der Rjecnik a. a. 0. aus dalmatischen Schriftwerken, hübsch viel Beispiele an. Für Nachbildung deutscher Wendungen seien hier zwei Beispiele notiert. Jaso hjnjatoric, einer der besten serbischen Erzähler, schreibt im Brsljan 1886, Nr. 2. S. 10, 6. Zeile 10. v. U. : Kad je na pragu rat i zakukala tica kukavica. bas onda cinim pohodeV (Wann der Krieg auf der Schwelle und der Ku- ckuk seinen Klageruf erschallen lässt, gerade dann mache ich Besuche?) statt zu sagen pohagjam oder idem u pohode oder obilazim. Auch schon das Kirchenslavische, soweit es Verkehr- sprache gewesen, behielt mehr nur die alten Formen, schloss sich im übrigen aber gern dem deutschen syntaktisch an. So drückt sich z. B. Athanasij Stojkovic im J. 1795 in einem an seine Mutter gerichteten Briefe (abgedruckt im Javor B. XIII. S. 91) so aus: objestaniju moemu zadovolnost uciniti, prvo rnoe djelo byti mislio sam Vami sto skorie javiti (um meinem Versprechen Genüge zu leisten, soll mein erstes Werk sein, dachte ich, Jhnen ehestens zu melden). Besser serbisch wäre zadwoljiti oder unter Vermeidung beider Substantiva: sto obrekoh da ne porekoh zu sagen. Zu jener Zeit, als die slavische Sprache der Bewohner Serbiens und Bulgariens noch nicht der Einwirkung des Westens

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und Ostens 'unterlegen war, herrschte das Vernum vor, das das Objekt mit in sich einschliefst; die fremde Einwirkung lässt sich genau verfolgen, indem zuerst das der fremden Sprache ent- lehnte Hauptwort aufgenommen und mit ciniti verbunden und erst später, nachdem die neue Form schon eingebürgert war. häufig durch ein genuines slavische Wort verdrängt wurde. Das schwer biegsame Lehnwort muss weichen, gleichsam als ob sich die Sprache der aufgezwängten Eindringlinge zu erwehren suchte. Zur Klarstellung führe ich Belege aus zwei serbischen und drei bulgarischen Liedersammlungen an.

Vor allem zwei typische Heispiele: pa je snjome razgovor cinio (und er unterhielt sich mit ihr) Davidovic, Srpske n. pj. Pancevo 1884, 8. 49. Nr. 67, für ein älteres und daneben in der Sprache einhergehendes divan cinitiy wie in unserem Schlagworte. Richtig serbisch wäre: razyovarao se Bulgarisch (C'dakovs Sbor- nik S. 846, Nr. 101) Zakljel se Stojan, prekljel se s druzina karya da up cini (Es schwur und verschwur sich Stojan, mit den Genossen nicht zu streiten, wörtlich: nicht Streit zu machen).

Sorbisch, aus B. Petranovic: Srpske nar. p. iz Bosne 1867. S. 16, 18: velik cu ti zulum uciniti; 27, 25: kakav Ii je griieh ucinio für sgrijesio; 35, 29: nekveselje ucine cobani, sonst senluk uciniti; 37,30 und 38: pak veliku radost ueinise; 38,30: poklon cini precistoj gospozi für poklanja so; 42,33: svi ce Srbi ciniti veselje; 75,72: serr com" kolo i djevojke f. ogledaje; 151,155: ETceg Stjepan dva veselja cini; 166,166: tu junaci seir eine; 184,195: svom 6u sreu sabur uciniti wörtlich: ich werde meinem Herzen Geduld machen; 207,221: u dvoru ti konak uciniti; 220,241: moja snaa iznict uciniti f. posluziti, d. h. Bedienung machen f bedie- nen; 223,244: tu mi care cesto divan cini; 269,990: ti si meni gadar ucinio, hast mir einen grossen Schaden gemacht. Aus L. Marjanoric: Hrvatske n. p. Agram 1867. S. 5. Vers 163: i snjimc sam tormin ucinio, habe mit ihm einen Tennin gemacht, d. h. eine Frist festgezetzt, richtig wäre: rok utanacio, ugovorio; 13,445: Öini kuma Kelju od Budima, für kimia kumi; 13,449: pir cinio kraljevicu Marko; 30,174: bila bi me mrtva ucinila für ubila, umrtvila, tot gemacht, für: getötet; 51,159: megdan cemo o picea ciniti: 54,45: na soldate rsum ueinili für navalila, navalice, uda- rila; 57,15: na Udbinu zatrko cincci: 57,29: ovdi cenio mira uci- niti, Frieden machen; 72,134: timar cini dorn konja svoga f. timari; 162,436: na kolinih temena cinio; 164,527: na Otin juris cinio; 194, Nr. XXX III: pod Budimom plandiste cinili, unterhalb Ofen machten sie Weide, d. Ii. weideten sie die Herde.

( Fortsetzung folgt.)

Esthnische Volksmärchen. III. Tori herra soit.

Mufctne Tori herra nnnud kord kutsarilc kiün h(>hn:id keskho- miku ajal tülla die pannn. Ktrtmt painnicf hvbutcd rite, söitnnd trepi

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etti', oodanud, oodanud, aga ei herrat tule. Oodanud löuneni, ei tule ikka veel kedagi.

Löunagi läinud mööda. Korraga söitnud röeras saks ukse ette: must töld, kaks musta hoost tölla ees, kutmr mustas rüdes puki peal! Kuhe oma herra toast rälja, ruttu tölda, kutsurile käsk kälte: Söida sinna, kuhu röerad eez söidarad!

Söitnud, söitnud . . . päera ajal pole viga midagi olnud, aga öhtu jöudnud suurde laande. Seal pole tetd enam sugugi olnud, söitnud mööda kända ja nii ruttu kui hobured jaksanud.

Herra kutsari keelma: Ära Sa tagazi vaata! Hoia ennast seile eest!

Kutmr vasta: Ei raata. kulla herra! Aga miks me ometi niisu» gust hirmus santi teed möüda söidame? Pole ntuud kui selge kännuorg.

Herra aga vasta: Ole vait, ära räägi! Pole nced kännud, kelle otsas söidnme. Söidame kirikutornide otsas.

Kutsar kohkunud hirmus ära, ega pole umher vaadata julgenud. Kui aga rette plaginat kuulnud, vuaiUinud ometi natukeze selja taha. Näinud: söidarad mere. peal; eez ja taget mikseid mehi nuyu piliu ja pörmu, vötavad tagant lau du ja pa?ievad ette. Töld aga kihutab niisu- gust nahksilda mööda tuhat -nelja edazi.

Viimaks saanud mere otsa ja jöudnud suurde pölizetse laande. Laanes olnud ütlemata tore loss, see hiilganud jo säranud üsna tuledes, Lossil olnud suur raudaed ümber ja raudvärav eez.

Senna lossi söitnud nad. Lossi saksa hobuzed vöetud eest ära ja riidud talli, Tori herra aga läinud sisse ja jätnud oma kutsari ootama.

Kutsar oodanud, oodanud . . . näinud korraga endize kärneii Prüm. Prits aga olnud jo viie aasta eest sumud.

Kutsar koke küzima: Kust, tont, Sinn siia said? Oled ja ometi riiz aastat sumud?

Teine vasta: Olen küll, aga nüüd on mu vaim siin teenimas. Hoia aga enwist, kutsar, et Sa löksu ei satuf Siin vöib Su käzi kergelt halvasti käima hakata.

Kutsar küzinud: Xo mis siin siiz öige karta on?

Kärner kostnud: Kas Sa ei uzu? Kas tahad oma betrat näha saada?

Kutsar vasta: Kus ta siw on?

Teine jälle: Tule kaaza, küll ma näifan f

Kärner viinud kutsari ühe körvalize akna juurde ja käskinud läbi akna vaadata. Kutsar vaadanud: toas suur luud ja laua ümber köik vanad paganad ringis. Laua peal olnud Tori herra nende käes kui titt: igaüks kiskunud enezele ja rnatsutanud ize löugu.

Seda nähes töuznud kutsari ihukarvad püsti. Karanud pttkki ja tahtnud koju söita.

Kärner aga kohe keelma: Ära söida, uota natuke reelf Sülle tuuakse kannuga ölut ja tükk röidleiba. Aga ära Sa seda öiut joo, ruid viska razaknt kätt üle ölu maha. See ölut on pörgu kihvt, kui sedu jood, oled igaresti siin. Aga leib pista pöue, see on üks kiri, sel- lega vöid ennast hädast päästa.

Kutsar teinud nii, nagu öpetatud; söitnud siiz koju poole. Arva-

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ttud ize, et ta koiyest kolm piieru koffn ihn olnud. kuns kund ke.<t- nud ayay emie kni kojn jöudnud. Tulnud ptka tee peal niily mezelc. niily ka hoostele. Xälja pä'rast müünud hohuzed ihn, kerjates jöud- nud ize koju.

Kui »enl }rroun juurde luinud, pöryanud see penle: Ktm herra'f Kns hohuzed '? Oot, oot. kiill ma Sülle tahnn näidntn!

Kiill palunud kutmr amleks. pronu pole onieti sed midayi hooli- iiud, annnd mehe kohtn kätie. Kiill kohns Stille herra kaotamize eeat pnlka nmksnbj iitelnud proua.

Kohtus rötnud kutmr kirja pöuest ja annnd kohtumkm kälte luyeda. See rötnud rastn, luyenud, mu pole mam aönayi hinynnud. Käskinud aya kntmri mit ollu ja oma terd minna.

Kutsar rääkinud ometi sedu luyu rülja. Xii on aiiz w luyu minuyi körru ulatanud.

3. Die Fahrt des Herrn von Torgel. ')

Ein ehemaliger Herr von Torgel gab einst seinem Kutscher Befehl, die Pferde am Frühmorgen vor die Kutsche zu spannen. Der Kutscher spannte die Pferde an, fuhr vor die Treppe und wartete, aber der Herr kam nicht. Kr wartete bis zum Mittag, aber noch immer kam niemand.

Auch der Mittag gieng vorüber. Plötzlich fuhr ein fremder Herr vor die Tür: die Kutsche schwarz, zwei schwarze Rosse vor der Kutsche, auf dem Hock ein Kutscher in schwarzen Klei- dern! Alsbald trat der eigene Herr aus dem Zimmer, schnell in die Kutsche und befahl dem Kutscher: Fahr' dahin, wohin die Fremden vorausfahren 1

Sie fuhren und fuhren . . . am Tage hatte es keine Not, abends aber gelangten sie in einen grossen Wald. Da gab es gar keinen Weg mehr, sie fuhren über Baumstümpfe hin und so schnell, als es die Pferde nur vermochten.

Der Herr gebot dem Kutscher: Schaue nicht zurück ! Hüte dich davor!

Der Kutscher antwortete : Ich will's nicht tun, lieber Herr. Warum fahren wir aber einen so entsetzlich schlechten Weg? Das ist ja nichts als eine Schlucht voller Stümpfe !

Aber der Herr erwiderte : Schweig still, rede nicht ! Keine Stümpfe sind es, über die wir fahren. Ueber Kirchtürme fah- ren wir!

Der Kutscher erschrak gewaltig, hat sich auch nicht ge- traut zurück zu schauen. Als er aber ein Geräusch von Wasser vernahm, hat er doch ein wenig umgeblickt. Da sah er, dass sie auf dem Meere dahinfuhren ; vorn und hinten wimmelte es von kleinen Männchen, die griffen von hinten Bretter auf und setzten

•> Torgel i«*t ein grosso* livländisches Rittergut, an dessen Gebiet sieh zahlreiche Sagen und Märehen knüpfen.

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sie vorne hin. Die Kutsche aber jagte auf dieser Notbrücke rasend vorwärts.

Endlich gelangten sie an das Ende des Meeres und kamen in einon grossen, alten Wald. Im Walde stand ein wunderbar prächtiges Schloss, das glänzte ganz im Feuer. Ein ehernes Git- ter umgab das Schloss und davor stand ein ehernes Tor.

In dieses Schloss fuhren sie ein. Die Rosse des Schlossherrn wurden ausgespannt und in den Stall geführt, der Herr von Tor- gel aber gieng ins Schloss und Hess seinen Kutscher warten.

Der Kutscher wartote und wartete . . . plötzlich erblickte er Fritz, den einstigen Gärtner. Fritz war abor schon vor fünf Jahren gestorben.

her? Bist ja doch schon seit fünf Jahren tot? ,

Der andere antwortete : Das bin ich freilich, jetzt aber steht mein Geist hier in Diensten. Aber hüte dich, Kutscher, dass du in keine Falle gerätst! Es kann leicht werden, dass es dir hier böse ergeht!

Der Kutscher fragte : Na, was gäbe es denn hier zu fürchten?

Antwortete der Gärtner: Du glaubst es nicht? Willst du deinen Herrn zu Gesicht bekommen?

Wo ist er denn ? sprach der Kutscher.

Dor andere versetzte : komm mit mir, ich will ihn dir schon zeigen !

Der Gärtner führte den Kutscher unter ein Seitenfenster und Hess ihn durch das Fenster schauen. Der Kutscher erblickte in der Stube einen grossen Tisch und um don Tisch im Kreise alle alten Teufel. Auf dem Tisch lag wie eine Puppe unter ihren Händen der Herr von Torgel; jeder riss ihn, mit dem Maule schmatzend, an sich.

Bei diesem Anblick stiegen dem Kutscher die Haare zu Berge. Er sprang auf den Kutschbock und wollte nach Hause fahren, der Gärtner aber hielt ihn sogleich zurück : Fahre nicht, warte noch ein wenig! Man wird dir in einer Kanne Bier bringen und em Stück Butterbrot. Trink' aber dieses Bier nicht, sondern schütte es links über die Schulter aus. Dies Bier ist höllisches Gift, wenn du es trinkst, bleibst du ewig hier. Das Brot aber stecke in den Busen, das ist oin schriftliches Zeugnis,') womit du dir aus der Not helfen kannst.

Der Kutscher tat, wie ihm gelehrt worden war ; dann fuhr er heimwärts. Ihn selber dünkte, er wäre in allem drei Tage von Hause fort gewesen, es hat aber sechs Monate gedauert, bis er zu Hause anlangte. Auf der langen Reise kam ihn selbst und

') Das scheinbare Brot vorwandelt sich hier in ein Schutz- und Recht- fortigungsmittel für den Sterblichen, während die gewöhnliche Transmutation der höllischen Gaben keineswegs zum Vorteil ihres Kmpfängers auszuschlagen pflogt, sobald dieser der Gewalt des Teufels ♦»ntnnnt

Teufel, wo kommst du denn

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auch die Pfordo der Hunger an. Aus Hunger verkaufte er die Pferde und gelangte selber bettelnd nach Hause.

Als er da vor die gnädige Frau trat, fuhr diese auf ihn los: Wo ist der Herr ? Wo die Pferde ? Warte nur, ich will dich schon kriegen !

Wohl bat der Kutscher um Entschuldigung, die gnädige Frau hat aber nicht darauf geachtet und hat ihn dem Gericht übergeben. Das Gericht wird dich schon für das Verschwinden des Herrn bezahlen, sprach sie.

Vor Gericht zog der Kutscher das Zeugnis aus dem Busen und händigte es dem Richter zum Durchlesen ein. Der nahm es entgegen, las und las und hat kein Wort weiter verlautbart. Er hiess nur den Kutscher stillschweigen und seines Weges gehen.

Der Kutscher hat aber die Geschichte dennoch ausgeplau- dert. So ist sie auch nn mein Ohr gelangt.

Mitgeteilt von Hnn'tj Jannsen.

Zigeunersagen u. dgl. über Erzherzog Josef.

IV. Das -umlaufen* Land.

*

Der Zigeuner Faid Öokor, aus dem Somogyer Komitat ge- bürtig, der den Winter als Handlanger in <Jer Umgebung von Budapest zubringt, erzählte folgendo Sage:

«Jekvar si/lahi jek coro rom ; geljas rom nah a te cavensa andre them bare krajeskero Joskoskcro. Mangelas krajes, hoi manro leske the del. Akor penelas baro kraj, raj Joska: „Tu ro- meja, hosko tu na butjikeres? Me dav tute jek lade grajes to bare phuv, kana tu andre jek dsives prastes. Ada phuv tute övela." O rom gindelas: Kana tute bare phuv, bare mal, bare

vesa övena, tu ada bikines te baro raj övesa O raj Joska

penelas: „Uva tu ratji prasta; kana na övel kham, ein avel kham.u Ratji coro rom prastelas te prastolas ein avelas kham te gindelas: Most tute övel bare phuv . . . Uva kham avelas, guta marelas coro romes. Te o kraj Joska penelas: ..Mordjas tu, ro- meja; most tute andro hrobos sifie phuv.u

War oinmal ein armer Zigeuner; er gieng mit Weib und Kind ins Land des grossen Königs Joska. Er bat den König, dass er ihm Brot gebe. Da sagte der reiche König, Herr .Joska : „Du Zigeuner, warum arbeitest du nicht ? Ich gebe dir ein gutes Pferd und viel Land, wenn du es an einem Tage umläufst. Dies (von dir umlaufone) Land wird dein sein." Der Zigeuner dachte: Wenn du grosses Land, grosses Feld, grosse Wälder haben wirst, du diese verkaufst und wirst ein grosser Herr sein . . . Der Herr Joska sagte: „Aber du laufe nachts; wenn nicht sein wird die Sonne, bis die Sonne kommt" (von Sonnenuntergang bis Son- nenaufgang). In der Nacht lief der arme Zigeuner und lief, bis

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kam die Sonne und er dachte: .letzt wirst du ein grosses Land habon . . . Als aber die Sonne kam, traf (in Folge des andau- ernden Laufens) der Schlag den armen Zigeuner. Und der König Joska sagte: „Du bist gestorben, Zigeuner; jetzt hast du im Grabe (genug) Erde."

Mitgeteilt von Anton Herrmann.

Das grosse Sammelwerk für bulgarischen Folklore.

Ein Bericht von Friedrich S. Krauts. (Foitsetzung.)

Die erste Gruppe umfasst Lieder, die an periodisch wiederkehrenden Festtagen und sonst anliisslich religiösor Feierlichkeiten gesungen werden, vor- zugsweise Weiuachtlieder (Koledafest) und Palmsonntag (Lazarev dan) -Lieder, bzw. Lieder, die am Lazarussonntag zum Vortrag gelangen. Gleich den deutschen, französischen und englischen Weihnachtliedern, halten auch diese einmal einen Dichter gehabt, dessen Name verschollen ist. Kult und Kirche haben deren Verbreitung und Behauptung gesichert, und Generationen frommer Sänger an den Texten, umgestaltend, mitgedichtet. Es sind nur wenige, spärlich»*, dem Christentum fremde Züge mithinoinvorwoben worden. Ab und zu wird oin rein „profanes" Lied mitgesungen. Es wäre gewagt, daraus den Schluss auf Rück- fällo ins Heidentum zu ziehen. Wenn man einmal der Frömmigkeit genüge getan und alkoholische Getränke Kopf und Magen beherrschen, stimmt man zur Abwechslung auch minder erbauliche Lieder an. Solche Stücke sind genug selten im Sbornik, der seiner Anlage nach aus paedagogischen Erwägungen alles von der Aufnahme ausschliosst, was die Moral prüder Leser verletzen könnte. So gleicht denn der Sbornik einem botanischen Garten, in dem aus Schonung der aesthetischen Sinno der Besucher, übolriechendo, unschöne oder giftige Ptlanzen verbannt sind.

Da dem Sbornik vorderhand noch kein Schlagwörterveizeicbnis beige- geben ist, dürfte folgende detaillierte Inhaltangabe den Fachgelehrten willkom- men sein.

L, 1— Hl. Beschreibung der Koledagebräuche, Lieder und Segensprüche aus Gornja Ii an ja, Hadzieleskovo, Priljepsko. (40 Lieder) Lazarlieder aus der Gegend von Soflja, Achrcelebija, Ochrid (Interessant: St Georg und die Lamie) 28 L.

IL, 1—29. Koledalieder (Grosses und kleines Koledafest) 10 L. Johannistag- lieder mit Festbeschreibung. (0 L.) Lazarlieder (20 L.) Ueligiöse Lieder (Opfer Abrahams, O. Isaaks, O. Stojans O. Theodore; St. Theodor, Hl. Sonn- tag, Teilung des Himmels (ein auserordentlich im Süden bekanntes Stück);, Prozess zwischen Himmel und Erde, Die Gnadenfrau und das Treskaec- kloster, der Hirte und Juda) 10 Lieder.

III. , 3—89. Koledafestbeschreibung aus dem SoHjaer Kreise (St. Petka; Car Stefan, St. Petka und St. Nedelja; Michael «1er Erzengel (S. 23 ) 38 Lieder, wenig verschieden von serbischen Koledaliedern. Lazarlieder (22 Nr.). Beschreibung des Festbrauches aus Dobricko (S. 32). Religiöso Lieder. St. Georg; die Himmelteilung; St. Maria und die Sünder; der HERR und die kinderlose Magda; der HERR und die Russalka; Seelenwandorung (En- i-ica kraai raj boii) (S. 39). 1 Lieder.

IV. , 3—22. Koledalieder (26 Stück); Lazarlieder (6 St.) mit Beschreibung; Os- ternlieder (11 St) Religiöso Lieder: SL Peter und Nikolaus; Lieder für den Nikolaus- und Georgitag (aus Mazedonien).

Vu 3—30. Koledagebräuche, Lieder und Segens] »rüche (34 Stücke). Lazarlieder samt Festbeschreibung. 19 Lieder. - Lieder zum FeBt der hl. drei Könige (9 Stück). Festliche Trinklieder in Form von Segonsprüchon (7 St.) von Prilip und Struga in Mazedonien."

VI., 3—19. Beschreibung der Koledagebräuche aus Lovcen (7 Lieder).* Be-

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Schreibung der Lazarfcstgehräucho aus Kostursko in Mazedonien (33L.|uttd Caribrod 5 L.— Rel. Lieder am St. Georgtag (2 L.). Das Opfer für St. Georg. Vn.j 3 17 Schilderung der Koledagobräuche aus Jarabol (mit 28 L.). La-

zarlieder aus Razgrad. (11 L.). VIII.' 3 30 Schilderung der Koledagebräuche aus der Novoseler Gegend (6 Lieder. Rada und das kleine Frl. Samodiva. Drei Brüder und die Samo- diva). Eine weitere, ausführliche Darstellung des Festbrauches aus Varna mit 36 Liedern. Lazarlieder von Ochrid und Tikvesko.

Die zweite Gruppe umfasst lyrische Gelegenheit lieder (pjosni iz licnija zivot). Das sind keine Stegreiflieder, keine Schnadahüpfln und Gstanzln, vielmehr ausgewachsene, fast könnte man sagen, stereotype lyrische Lieder, zu denen es Parallelen auch aus nichtbulgarischen Gebioten des slavischen Südens gibt. Es ist immer dieselbe, bekannte Phraseologie. Zuweilen kommt es vor, dass aus mehreren älteren Liedern ein neues zusammengeschweisst wird, oder die neuen sind hauptsächlich Variationen gebrauchter Stoffe. Es will mir erschei- nen, als ob ein neuer Dichter im Volke noch viel schwieriger als ein Kunst- dichter zur Geltung und allgemeinen Anerkennung gelange, umsomehr als der Bauerndichter zugleich ein Componist sein muss. Für das Volk sind Lie- der ohne Melodien, ebenso wie Lieder ohne Worte, ein Unding. Darum bleibt man am liebsten beim Althergebrachten.

I. j 32—86. Lieder aus Achr-Celebija und Sestrimo. 14 Lieder. Nr. 14: los

arbres entrelacees. ' '

II. « 30—42. Von Prilip, Sonja, Cepino (aus dem Pomakenlande), Rupcos und humoristische Liedchen aus Achr-Celebija. 41 Lieder. Reigenlieder. S. 42: Frauenkauf; 8. 43: Gelsenhochzeit. Ein internationales Thema. Man vrgl. die Umfrage S&illots in der Revue des trad. pop. 1887. und Krams im Smai- lagic Meho (Schlusslied). Es gibt noch viele sorb. und kroat. Varianten.

III. , 89-48. Aus Pirdon, Trnovo, Dobric, Tulc, Arch-Celebija. (S. 41 : Kinder- pflege) 56 Lieder. Meist Spinnstubenlieder mit Anspielungen auf Liebespaare.

IV. , 23—32. Neunundzwanzig Reigen- und Spottlieder aus Rupöa, Dupn., De- mis-Hisar. und Prilip.

V. , 30—35, Aus Ichtiman, Achr-Cel., und Gorn. Dzumaja. 16 Lieder.

VI. , 20—29. Siebenundzwanzig Texte aus Orohanie, Trnovo, Malko Trnovo, Razlosko und Salonichi.

VII. , 22 35. Aus Dupnicko, Debrsko, Cirpansko und Achr-Cel. 66 Lieder. VDTI., 31—37 Zwanzig Lieder aus Melnicko und Dramsko in Mazedonien.

Wichtiger und lehrreicher, weil ergiebiger an sachlichen Mitteilungen ist die dritte Gruppe, die auf häusliche und Familienereignisse bezügliche Gebräuche und Lieder enthält. Es sind Bilder aus dem vollen Volkaleben, dankbare Vorwürfe für den Berichterstatter und den Leser. I., 36 45. Hochzeitlieder aus Vrbovo, Airoka Luka, Demirziler, Cepino, Gro- mada (Bemerkenswert: Der Soldat Stojan und die Königin.) 12 Lieder. Trauer und Klagelieder um Verstorbene. 12 Lieder. IL, 44—66. Aus Sofija Lieder bei der Geburt eines Kindes (na pogaca, sinidal) 2 St. Beschreibung von Hochzeitgebräuchen aus Hudzielleko, mit 6 Lie- dern; aus Cepino 9 L. ; aus Siroka Loka 3 L.; aus Arch-Cel 2, aus Grachovo pole 3 L. und aus Kratoyo 26 L. (51 St.).

III. , 56—72. Hochzeitgebräuche und Lieder aus Debrsko, Razlozko und Panag- juriste (19 L.) Klagelieder 8 Nr.

IV. , 34—55. Hocbzeitgebräuche von Demir Hisar mit 40 Liedern. Eine aus- führliche Schilderung der Hochzeitgebräuche und 15 Lieder von Rupdansko. Zwei Trauerklagen von Prilip.

V. , 3G 63. Besonders eingehende Beschreibungen der Hochzeitbräucho aus der Gegend von Razlozko, Pirdon und Sonja mit 41 Liedern. Ein Trauer- lied aus Prilip. Der Text umfasst 163 Verse.

VI . 29—48. Ausführliche Hochzeitbeschreibung aus Samokov und Lieder aus Ichtiman und Görna Dzumaja (38 Lieder.)

VII. , 48— 80 Sehr eingehende Darstellungen der Hocbzeitgebräuche in ('opino. Pestersko und Debrsko mit l'-9 Liodern.

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Villi 157—85. Desgleichen ausführliche Berichte aus Razlozko, Dupnicko und Silistrija mit 57 Liedern.

Vierte Gruppe: Lieder aus dem gesollschaftüchen Loben.

I., 46—50. 1 Ackerhauerlied aus Achr-Öelebija. 3 Mäherlieder (1 aus Panag- juristo). 1 Schäferlied (Siroka Loka), 1 Wuchororlied aus Karadzovrem (Wu- cher war his in die jüngsten Zeiten im ganzen Süden ein offenes Gewerbe. Auch chrowotische und serbische Bauern wuchern leidenschaftlich gerne. Für einen Gulden täglich einen Kreuzer ist der übliche Zinsfuss unter Bau- ern gegenwärtig). 4 Bettlerlieder aus Prilip. Summa 1 Lieder.

IL, 67—80. Spottlieder auf Städte und Dörfer. (Ein Dorf ist dem anderen in der Regel ein Abdera). Bauopferliedor, Tischlieder, Spinnstubenliedor, Mähor- lieder 22 Texte aus Sonja, Küstendil, Pindop, Panagjuriste, Cepino, Siroka Loka, Curen, Skobelevo, Acbr-Celebija, Kotel und Prilip.

III. « 73 85. Ars Achr-Oel., Trnovo und Dobricko 24 Lieder (Beachtenswert Nr. 4 vom Schicksal). (Nr. 17 Bauopfer). 2 Mäherliedor.

IV. 3 56—63. Aus Trojan, Orchanie, Sonja, Demir Hisar und Achr-Celobija 14 L. (Stojan aus Sonja und die Juden, eine Distanzrittwetto. Ein sehr beliebter $toff auch in der serbischen Poesie. S. 56 und 59 f. Hier verlieren Juden, im serb. Guslarenliedo Moslimen die Wette).

V. s 64 76 Aus Görna Dzumaja, Demir Hisar, Dupnik, Soüja, Trnovo 23 Lie- der meistens Handel und Gewerhe betreffend. (Ferner aus Elena, Trjevna, Gabrovo, Lovcen, Televen.)

VI. 3 44—59 Zwölf Liedertexte, auch meist auf Handel bezüglich, zur Kennt- nis der Rochtbräuche wertvoll.

VII 3 81— 93k Aus Chaskovo, Cirpansko und Trjevna 21 Lieder: Spott-, Trink- und Sennerinnenlieder.

V1II.3 86—90 Aus Eski Zagra und Orchanie 8 Lieder - S. 87: Einer Frau wegen, wie aus einem vom Himmel herabgefallenen Buche ersichtlich, drei jährige Dürre übers Land. Zur Strafe wird die Schuldigo vom ganzen Dorfe auf einem Scheiterhaufen verbrannt. S 90: Ein sprechender Ochse gibt Aufschluss üher die Verwandtschaftverhältnisse des Eigners.

In der fünften Gruppe gelangen die Guslaronlieder zum Ausdruck. Wir kennen aus den früheren Sammlungen die Art der bulgarischen Guslaronlieder und sehen uns nun in der Hoffnung enttäuscht, neue Stoffe und bessere Ver- arbeitung im Shornik zu finden. Neu ist nur die beträchtliche Länge der ein- zelnen Lieder. Gut der dritte Teil der Guslarenlieder serbischer Orthodoxer weist auf althulgariscbcn Ursprung hin, namentlich die Lieder, die des bulgarischen Prinzen Marko Taten verkünden. Bei dem gänzlichen Mangel an Aufzeichnun- gen epischer Lieder aus der Zeit der türkischen Einfälle können wir über diese Erscheinung blosse Vermutungen aufstellen, um sie zu deuten. Entweder war die Epik der Slaven Bulgariens jener Zeit noch unentwickelt und hat erst auf serbisches Gebiet verpflanzt unter günstigeren Bedingungen ihren späteren Reichtum entfaltet, oder sie war schon damals in voller Blüte und ist nach- träglich im Entstohunglande verkümmert. Andererseits lehrt uns gerade der Sbornik, dass eine immerhin perzentuoll ansehnliche Anzahl epischer Lieder aus dem Westen nach Bulgarien gelangt und einheimisch geworden sei. Cha- rakteristische Typen des bulgarischen Guslarenliedes sind das Wunderkind und das Heldenmädchen. Im übrigen wiegt das Klephtenlied, wie in G iechen- land, vor, die Verherrlichung der sinn- und zwecklosen Menschenabschlächterei, die Lust und das Vergnügen am Massenmord. Die Zeiten der schöpferischen epischen Dichtung sind unter den Bulgaren gänzlich dahin. Wir haben hier Ueberlebsel einer in Verkümmerung begriffenen, sich abbröckelnden epischen Tradition, in der das Märchon der Sage den Boden streitig macht Die Phrase- ologie des bulgarischen deckt sich mit dem des serbischen Guslarenliedes, doch ist das Versmaass häufig vorschieden Der Bulgare gibt den kürzeren Zeilen den Vorzug, als hätte er grösser Eile denn der Serbe, und Ebenmässigkeit des Versbaues macht ihm geringe Soige Das bulgarische Epos hat vielen dichterisch stilistischen Schmuck gleichsam als einen Ballast ausgeschieden. Es ist einfacher, nüchtornor, prosaischer als das Epos der Serben.

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I. 3 61 70. Aus Gernja Bnnja, Soiija, Trnovo, Jarluvo, Doinbeni, Uradober,

Bansko und Kotel. (Dio grichische Königin; Nikolaus der Tatar; Prinz Marko und der Kreuzadler; -Prinz Marko, Ive und das Kind Dukadince (8 7 V.): Prinz Marko, Milos und die Vila vom weissen Berge; Georg von Temesvar; Prinz Marko, das Kind GolomeSe und der Araber (359 V ); Das Kroaten- mädchen und die dreissig Kämpen, denen Marko durch Hinterlist den Garaus macht (155 V ); Jankula der Heerführer raubt dio Albanesin Weiss-Magda für den alten Novak; Prinz Marko sucht das Kind Dukatence tückisch zu töten; Tod des Holden Momcil; Veürkos Ende (ein Guslarenlied aus den ziebenziger Jahren) ; Hadzi Demeter ergreift das Räuberhandwerk [neuzeitig']).

II. 3 81—144. Aus SoHja, Küstendil, Saraokov, Bansko, Kukus, Bitolsko, Ochrid, Debr, Prilip, Tatar-Pazardzik, Panagjuriste, Cepino, Rupeos, Achr-Celebija, Trnovo, Gornja Orjehovica und Kotel (Kaiser Jasen (2 Lieder); Eroberung Konstantinopels; König Petrusin raubt Momcils Ehefrau; Vukasin und Mom- cil (Variante zum vorigen Lied); Sultan Murat und der Bansohn Peter; Subasa Mehmed und der Pasa Polivan; Königin Georgine; Gruica heiratet Fräulein Nedeljica; Jurus der Heerführer; Prinz Marko und da* arabische Mädchen; Das Mädchen Rada; Kaiser Milutin und Kaiser Konstantin; Stefan der Serbenkaiser (353 V.: Vier kurze Markolioder; Prinz Marko begegnet seiner Schwester und befreit sie aus der Sclaverei; Prinz Marko zu Gast; Prinz Markos Ehescheidung; Rusalka und die drei Helden; Philipp der Ma- gyare endet durch Prinzen Markos Hand ; Prinz Marko und Belco eilen zum Entsatz des Kaisers Konstantin ; Kapitän Siko oder Stojans Tod in der Stara planina; Jankula und Sekula schmachten in den Verliessen Salonichis; Das Mädchen Helene als Wegelagerer: Ein Mädchen Bandenführer in Bitol; Das Mädchen Denika und die Helden; Der Wegelagerer Grujo; Marko raubt Angelina (368 V.); Volkasin und Marko; Die Plevener Schlacht; Sormen der Rottenführer und das Mädchen Bogdana im kaiserlichem Heer; Kaiser Milos; 13 kleine Lieder; Prinz Markos Pford; Der bosnische Kämpe; Der Rotten- hauptmann Mihal ; Der Räuber Stojan ; Das Mädchen Bela Neda als Rotten- hauptmann.)

ilLs 85=116. Aus Razlosko, Samokov, Sollja, Nova Zagora, Trnovo. (Die Schlacht auf Leitengo ben (Kosovo) 850 V.; Markos Nachtmahl; Dojcin und die Samovila; Duladza Tudor; Kolos Mustapha tötet des Prinsen Marko Wahl- bruder Andreas; Sultan Selim, ein Araber und Prinz Marko (305 V.); Marko pirscht mit dem Kaiser; Kaiser Soliman, Ban Kulevic und Marko; Sultan Sehm, ein Araber und Marko; Demeter von Kulevo und Soliman pasa; Der Arnauto Gine, Adzi Leja und Adzi Baba; Ankul und dessen Bruder Rotten- hauptmann Nikola; Indze vojvoda und Kole; Hajduk Nedelko; Pena die Räuborin; Der bosnische Pilgram und Musa der Beutelschneider; Die ver- witwete Moskauer Kaiserin).

IV. 8 64—75. Aus, Soiija, Brjoznik, Razlosko, Pijanoöko, Dupnica, Vidin und Gabrovo. (Kaiser Jasen; Sekula das Kind und sieben Könige; Kosan voj- voda; Marko und Held Philipp (267 V.); Heirat dos wackeren Helden mit Vida von Ochrid; Königin Milica und deren zwei Brüder; Held Todor: Belagerung Belgrads; Marko und Philipp der Magyare; Skenderpascha und Peter; Held Marko und Philipp der Magyare; Demeter« Ende (146 V).)

V. 8 77—93. Aus Razlozko und Sonja: Radulbeg, Mireo vojvoda und König Si.s- manin (574 V.); Sultan Murat und Bansohn Peter (547 V.); Marko und der gelbe Jude; Marko und der gelbe Kaufmann [441 V.|).

VI 3 50—67. (Kaiser Muratbeg, Jankula vojvoda und Sekula das Kind (267 V.); Das Kind Dukadince, Jankula und Sekula: Marko und das Kind Michael; Sechs Lioder von Marko; Dojcin der Kranke; Dio vertluchten Kroaten; Bog- dan und dio Vila; Ivan Panov, Gatjas Mutter; Walachen und Türken».

VI 1.3 95 106. Aus Debr, Küstendil. Demir Hisar und Gabrovo. (Prinz Mark<» hebt den Ehezoll auf (148 V.); Grujo der Beutelschneider; .Jankula und Dzan Grujce; Das Wunderkind und Philipp dor Magyare; Prinz Marko und das Kind Dukatinoo; Ljutica Bogdan: Sultan Murat und Marie die Bulgarin.)

VIII.3 91 1.4. Aus Koprivstk-a. (Prinz Marko und Philipp der Magyare; Prinz

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Marko und der schwarz« Araber; Prinz Marko und der Beutelschneider: Demeter General; Stojan der Uäubcr; Bojaiia, die Uäuberin, gebiert ein Wunderkind).

Sechste Gruppe: Volklieder mit Melodien.

Die Zusammengehörigkeit der geographischen Provinz „Südslaven4* tritt am deutlichsten in den Volkmelodien zu Tage. Die meisten der im Sbomik vorgemerkten Melodien sind ebenso in Serbien, Montenegro, Dalmatien. Bos- nien, im Herzogtum, in Slavonien und Kroatien dem Volke geläufig So manche vornahm ich zwar auch unter Magyaren, und es würde sich verlohnen, die Verwandtschaft oder besser, die Beziehungen zwischen magyarischer und süd- alavischer Volkmusik und den Melodien einmal festzustellen.

II. 3 145—160. Sechzehn Melodien aus Mazedonien. (Nr. 1. Potfatila Sar planina. Nach derselben Melodie hörte ich in Dalmatien das Lied singen: Slavulj pojc po dubravi. cno sam ga ja; Nr. 5: Cija jo taja devojka? Im Westen: Cija je ono djevojka = IV. s S. G9 Nr. 3. >r. 9: Bogda bie Memed aga. Auch im Westen allgemein; Nr. 14: Oj devojce bugarce, allgemeinst).

III. a 117—133. Sechsundzwanzig Melodien. IV.3 76—89. Fünfundzwanzig Me- lodien.

V. a 94—108. Zwanzig Melodien. (Auf S. 99. Nr. 6 das international bekannte Passahlied der Hagada: „Echod mi jodea" in bulgarischer Passung, ein Trinklied, wie bei Deutschen und Griechen).

VI. 3 68—88. Achtunddreissig und VII.8 107—124 Einundzwanzig Melodien. VIII.s 105—136. Sechsundsiehcnzig Molodien. Die Melodie zu „Sednala 0 .Jana"

auf S. 135 bekannt auch in Slavonien zu dem Ständchen: Labko tebi draga u krevetu spati.

(Fortsetzung folgt.)

Volkslieder bosnisch-türkischer Wanderzigeuner.

VI.

Daseste maro tu de, Cum del tinri roninate; Cum tu do Gipetesto, Corel ov grajes tute!

Mande isi sukar dimni, Mande isi bare enri; Mara lesa tro romes, Dimni uvel mand' loles, Sarvar tu man eumidos!

Minro piren puterdo, Bismarija les cindo, Mi uro godi puterdi, An pirani la cindi.

Piren me hum tho kerav, Na hum kores tu goda, Na thavesa, abcinesa, Ani jek gule öumesa.

Ulinas pro karadsin Jeka sukari patrin, Sosko barval la cordjas

Gib du Brot dem Slaven, gib, Küsst er dir dein Ehelieb; Küsse nur den Kipetar, Stiehlt er duino Pferde gar.

VII.

Habe eine Hose fein, l'nd ein Messer gross ist mein, Damit tot' ich deinen Mann, Bot wird meine Hoso dann, Und du küsst mich immerwaun!

VIII.

Moine Kappe ist zerfetzt, Katze hat sie so zerhetzt; l'nd mein Herz ist auch zerfrlzt, Liebchen hat ihm zugezetzt.

Kappe llick' ich unverweilt, Doch mein Herz wird nicht geheilt, Zwirn und Nadel unnütz sind, Doch dein Kuss tut's, süsses Kind!

IX.

An dorn kräftig grünen Baum Sprosst' ein schönes junges Blutt, Das dor Wind gestohlen hat.

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Sukar caj man ulinas, Moriben mando cordjas. Karadsin haöel patrin, Caja haca nikarin; Minri caj luludji isas. Hilasa rae kast uvavast

Daslo man us nie isom, Kana kajekes mardjom, Kriskav: „Dsanes, dat isom!" Kana man daberos, Pcnav: „Na mar tu romos!"

Phirdo isi minro duvar, Avol mro cavoro sukar; Kana dsal psandlo isi, Sar aarestH mri godi!

O ciriklo upre drom: „Karin dsal avaka rom?„ E luludji andro bar: „Avaka rom karin dfsal?" Ta len upro man dikkel: ,/Ta rom karin ov sigol?" Va, va, va, ta dsav Andre minro katuna; Ani marol man romni, Lesti is' andre burni, Avokja lake pisdav Ta baros lasniovav! Va, va, va, ta me dsav; Na lokes isi ciba, Va, va, va, ta me dsav!

Eine Tochter schön und lieb Raubte mir der Tod, der Dieb. Blätter wohl der Baum noch tind't, Aber nimmer ich ein Kind; Sie war meine Blüt\ mein Stolz, Nun bin ich ein dürres Holz!

X.

Stolz bin ich ein Slave, traun, Hab' ich jemand durchgehau'n ; Das bin ich, ihr könnt es schaun! Schlägt man mich, so klag ich laut: Den Zigeuner, ach, nicht haut!

XI.

Weit geöffuot ist mein Tor, Kommt mein schöner Knab' davor ! Wenn er geht, gesperrt ist's dann. Wie mein Herz für jedermann !

XII.

Vogel auf dorn Wege späht: „Wohin dieser Mann wohl geht?" Blume in dem Garton fragt: „Wohin dieser Mann wohl jagt?" Auch der Bach, er blickt mich an : »Wohin eilt wohl dieser Mann?" Ja, ja, ja, ich gehe fort, Bis zu meinem Zelte dort; Frau, gib acht, wenn du mich haust, Knoblauch hab' ich in der Faust, Steck' ihn dir ins Maul hinein, Werde bass darob mich freu'n! •Ja, ja, ja, ich geh' sofort, Schwerer wird dir dann das Wort, Ja, ja, ja, ich geh' sofort!

Mitgeteilt von Anton Herrmann.

Dokumente zur Geschichte der Zigeuner.

I

Oplnlo. De Domioillatione et Regulattone Zingarorum.

(Fortsetzung.)

Factis praemissis quoad singulas praerencensitas Zingarorom seu Neo- Rusticorum classes providis dispositionibus accedente praesertim Officialium solertia, et quao ceTto certius sporabatur in exequendis Altissimis jussis promp- titudine nihil quidera amhigi poterat, quin non Sacratissimao Suae Majostatts ad meliorem gentis hujus ipsi aequo ac toti Provinciao utilem regulationem directa benigna intantio optatum fortitura sit eventum, submissao nihilominus ad Ordinationem R. Gubernii de 11 Novembris A. 1791 Numeroquo 9529. ex- aratam ordinationem Relationcs Cirkulorum, de statu illocatorum vel ad hin- vagam vitara ducentium Zingarorum docent, necdum seu antea taxalistas Fis- calos, sive aurilotores omnes aliosque Zingaros fixa tenere domicilia, sod plu- rimos adhuc retonto tontoriorum usu vagaque et instabili conditione, incertis hodiedum laribus oberrare, vagamque ducere vitam, hinc ut Landein iteratis Altissimis Ordinationibus satisüat, singulispraemissisOnlinationibus in qnant un

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illae juxta inferius recensenda abrogatae vel alteratae non sunt, in memoriam revocatia, inculcatisque, denuu strictissirua illarum observantia rospoctu nocdum fixa habitacula tenentium Zingarorum necesse viderctur vagis adhuc his Zin- garorum seu Fiacaüum sive Aurilotorum, aliisque fixam habitationom non babentibus familiis instituta ubivis locorum noviori publicatione a die receptae et publicatae ordinatiunis unius anni törminum praofigero, intra quem singulae, in locis ad quae oonscripti sunt, de certa et flxa habitatione eo certiua pro- videre tenerentur, quod secus et aurilotores a solita hybemali tempore manu- facturorum cenfectiono prohibendi, indultaque ipsia immunitate privandi, et reliqui omues interdicto opificii exercitio, fabricatorumquo distractione e Pro- vincia climinabnntur. Ad faeilitandum vero hocece illoeationis negotium tarn ipsi Domini terrestres Communitatesquo monendi oxcitnndique erunt, ut in illorum receptione so haud difficilos pracbcant, nee in exstruendis ordinatis in serie pagorum doraibus in necessariorum matcrialium suppeditatione auxiLia sua denegent, quam et ipsi Offlciales in horum effectuationem sedulo invigi- laturi omnem sua quoquo ex parte praebituri sunt assistentiam ; quo pro do- miciliationis termino eisdem Zingaris praeftxo anno elapso tenebuntur Circu- lorum Offlciales de facta Zingarorom Domiciliatione Relationo R. Oubernio submittere, ipsi vero Zingari iu locis ubi domiciliati fuerint degere, nec libe- rum Ulis sit, aliter nisi sub conditionibus in articulo Novellari statutis ad alium locum ti*ansire. Cumque medio praecitatae Ordinationis de 11. Novembris Nro. 9520. Relationes et Gonsignationes Domiciliatorum Zingarorum eo fine sunt dosidoratae, ut qui jam domicilia fixissent altissimao indultae triennalis a Con- tributione immunitatis poliri posaint, Relationes illae pro elaboranda immuni- tandorum Consignatione Exactoratui via Kxcolsi R. Gubernii transponendao esse viderentur, ut visa domiciliatorum hac «xomtiono aliis quoque ad flgandas Sedea sponde etiam sua magis alliciiantur. Caetoroquin modo taxa ionis a capito aurilotorum, qui nempe unam aurt pisetam et sex denarios ad auri Cambio- ratus Officium so administrasse tes imonio praedicti Offtcii comprobaverint, ab 1. fl.f rehquorum vero a 2. fl. Ordinationibus sub 1. Noverabris Anni 1701. Nro. 9520 et 7. Julii A. 1792. Nro. 4553. exaratis, huc tarnen non intelloctis immunitatis annis in salvo manentibus. Siquidem autem multi Zingarorum ad privatos Dominos torrestros antea pertinentium ante adbuc sublatam perpotuam Colonorum obligationem personalem et in adultam liboram migrationem relictis Domin is torrestribus ad alia loca so contulerint Sedemquo ibidem llxorint, Ar- ticulo vero Diaetali 26. A. 1792 Zingaros qui sine Dominorum Terrestrium indultu migrassent, antiquis Dominis Torrestribus rostituendos, generalomquo emaneipationem et liberam migrationem non nisi ad Zingaros domiciliatos ru- ralemque Aoconomiam exercentes oxtendendam esse innuatur, ot iam multi domiciliatorum, utut non rnralem Aeconomiam, utilo tarnen Opificium exer- centium ab antiquis eorum Dominis Torrestribus restituendi Hagitontur; hinc siquidem notorium sit parte ex una Zingaros si alias fixas teneant habitationes diversorum opiliciorum exercitio publice utiles magis quam onerosos esse ex eo, quod Uli praesortim Incolis locorum a locis Emporialibus dissitis, ot a potioro fabris ferrariis aliisque opifleibus destitutis manufacta usu vitiata erga levissimam morcedem rofleere, alia vero cumprimis fabrilia praesertim ad ru- ralis Aeconomiae exercitium desorvientia ipsi quoque non male conficerc, indi- gentibusquo erga naturalia aut alio vilissimo protio divendere soleant: ita qui- dem ut plobs praesertim tributaria aeris alioquin in hoc Principatu indiga, si talia a realibus opifieibus in Civitatibus constitutis procurare aut per eos iv- parari curare deberet, praetor fatigium intermissosque interea domesticos la- bores triplicato etiam pretio vix obtinere posset, alia vero ex parte c nistet, Terrena agriculturae utilia, plagam campestrem excipiendo, quae tarnen aliis ad humanae vitae indigentiam iisque praeeipuis articulis, ligno utpnte ot aqua destituitur, tarn aretis in hoc Principatu circumscripta esse limitibus, ut vix pro necessitatibus modern omni etiam Incolarum, operi huic asvetorum sufli- ciafft, ideoquo sporn vix adosse ut tili a Dominis Torrestribus reeipiantur, ipsis- que ad oxorcendam ruralem Aeconomiam terrae arabiles, et Foeneta adsignari, •aut assignata ab iisdem debite procurari possint, praesertim quod gens haec a natura ita eomparata sit, ut ruricolaros Labores piano abhorroat, avorsetur-

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que, et idoo nee vi compolli possei, quao si adhiborotur profugium potius ten- taront, inccrlisquo porro oliam laribus oborraront, rorumque alienarum controc- tationi ad quam alioquin a natura propendent se devovere satius osse ducerent, quapropter articulus ille ita tnodificandus esse videretur, ut emancipatio ad illos qui domiciliati sunt, idest ordinatas ad normam aliorum loci Incolarum ex- structas domos, praeter tompus illud, quo pro distractione fabrioatorum suorum neccssaria tarnen cum legitimatione domo abesse coguntur, inhabitant, et Con- tributionem etiam de facultatibus suis pendunt, oneraque communia suppor- tant, intolligatur, nec tales repcti ampüus possint. (Schluss folgt.)

Mitgeteilt von A. Herrmann.

Litteratur.

Bartels Max, Die Medicin der Naturvölker. Ethnologische Beiträge zur Urgeschichte der Medicin. Mit 175 Original-Holzschnitten im Text. Leipzig. 1893. Th. Grieben's Verlag (L. Fernau). XII, -361 fe. Preis 9 Mk., geb. 11 Mk.

„Es liegt nicht in der Absicht dieser Schrift, die Krankheitsarten zu besprechen, welchen die Naturvölker unterworfen sind, und wie dieselben bei ihnen verlaufen. Solche Untersuchungen gehören in die Werke über medici- nische Geographie. "Hier soll wesentlich nur erörtert werden, was für medici- nische Anschauungen unter niederen Culturverhältnissen herrschon und was für Mittel und Wege die Naturvölker benutzen, um sich mit den Krankheiten ab- zufinden", sagt in der Vorrede (S. VI.) der Vorfasser dieses trefflichen Werkes, der sowohl als praktischer Arzt, wio als Ethnologe in den weitesten Kreisen rühmlich bekannt ist ; und als solcher ist gerade er vor allen anderen Fach- genossen berufen gewesen, uns ein klares Bild von der Entwickhing der Me- dicin bei den Naturvölkern zu geben. Und diese Aufgabe hat der Verf., wie nicht nnders zu erwarten, in mustergültiger Weise gelöst. Wir bekommen vor allem einen klaren Begriff davon, dass dio Medicin sich selbst bei Culturvöl- korn aus dor Volksmedicin entwickelt hat, die wir moderne Culturmenschen, ob wir nun selber Aerzte oder nur Laien sind, so gerne mit mitleidigem Lä- cheln über die Achsel anzusehen pflegen, ohne dabei zu bedenken, dass die Volksmedicin dem allgemein vorbreiteten Instinkt der Volksseele, die die Existenz der Menschen gefährdenden Krankeiten zu bannen, entsprungen ist

Welch' einen reichen Inhalt das Buch in sioh fasst, und in wie klarer Uebersichtlichkeit derselbe vom verdienstvollen Verf. geordnet worden ist, das ist schon aus der kurzon Bozoichnung der einzelnen Abschnitte ersichtlich. Nach einer Einleitung über die Quellen zu einer Vorgeschichte der Medicin folgen die Abschnitte über dio Krankheit, die Aerzte, die Diagnostik der Na- turvölker, dio Medicamente und ihre Anwendung, die Arzneiverordnungslehre der Naturvölker, die Wasserkur, die Massagekuren, Verhaltungsvorschriften für den Kranken, die übernatürliche Diagnose und Krankenbehandlung, über die Epidemien, die kleino und grosse Chirurgie.

Ich habe in meiner ungarischen Anzeige dieses trefflichen Werkes („Etb- nographia". Zeitschr. d. ung. ethnoL Gesellsch. IV. S. 332 ff.) einige Parallelen beigebracht, welche unsere heimischen Völker darbieten; hier will ich nur zwei derselben u. zw. aus dem Volksglauben eines „Naturvolkes", nähmlich der Zigeuner anführen. Nicht nur boi den Papua (S. 18), sondern auch bei don Wanderzigeunern der Donauländer darf eine soeben zur Witwe gewordene Frau eine Zeit hindurch mit keinem Menschen reden, denn der noch immer herumirrende Geist des verstorbenen Gatten könnte dem Betreffenden eine Krankheit anhauchen. Heiratet eino Witwe der Wanderzigouner, so gräbt sie in den Grabhügel des verstorbenen Mannes oder wenigstens unter ihr Lager (ante primura coitum) einen Lappen irgend eines ihrer Kleidungsstücke in die Erde ein, sonst kriecht der Geist des Verstorbenen in don Leib des zweiten Gatten und treibt letzteren an, die Gattin stets zu misshandeln ls. don indi- schen Glauben bei Bartels S. 19). Aehnlich wie auf Djiailolo und don Kei-Iitselu glauben auch unsere Wanderzigeuner, dass der Geist einer infolge Schwanger- schaft verstorbenen Maid ihren Verführer impotent machen könne (eb. S. 19).

H. v. WlUlocki.

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In dorn Vorlage von Emil Folber, Berlin. S. W. 4C. Uallesche-Straase 4. ist erschienen und durch die Buchhandlungen zu beziohon :

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Kosmogonien und Theogonicn indischer Religionsphilosophien (vornehm- lich der juinistisehenj. Zur Beantwortung ethnologischer Fragestellungen. Mit 4 Tafeln.

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INHALT.

Ihr. Ii. Munk'icni, Über die heidnische Religion der Wogulen. III.

uSchluss) . , 181

Ludtcifi Kdhmitiy, kinderschrecker und Kinderräuber in der magyari- schen Volksüberlieferung. (1. Szepasszonyok = Schöne Frauen). (Fortsetzung.) ....... 188

Dr. Friedrich S. Krams, König Mathias und Peter Gereb. (Ein bulga- risches (iuslarenlied aus Bosnien). IV. (Fortsetzung) Erläuterungen 197

Harry, Jannxen, Ksthnischo Volksmärchen. III. Sori herra söit, (Die Fahrt

des Herrn von Torgol) 200

Friedrich S. Krttius, Das grosse Sammelwerk für bulgarischen Folklore

.Fortsetzung) ..... 205

l.itteratur. Sftur Rartrln, Die Medicin der Naturvölker (v. H. v. Wlislokii 212

Znr Zigeunerkunde.

hr. H. v. \Vlinlwki, Seelenloskauf bei den mohammedanischen Zigeunern

der Italkanländcr » . IM

Anton Ilrrrmann, Zigeunorsagen- u. dgl. über Erzherzog Josef. (IV. Das

umlaufeno Land.) 204

VoUtslieder bosnisch-türkischer Wanderzigeuner. (VI XII) .... 109

Dokumente zur Geschichte der Zigeuner (I. Opinio de domiciüatione

et regulatione Zingarorum.) (Fortsetzung) 210

Auf dem Umschlag: An die g. Mitglieder der Gvpsv Lore Society Bureau der Gesellschaft für die Völkerkunde lrugarn> Ai: zeigen.

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Ethnologische Mitteilungen

aus Ungarn.

Zeitschrift für die Völkerkunde Ungarns

und der damit io ethnographischen Bellenden steheüenden Länder.

(Zugleich Organ für allgemeine Zlgeunei künde.) Unter dem Protectorate und der Mitwirkung

Seiner kais. und königl. Hoheit des Herrn Erzherzogs Josef

redigiert und herausgegeben von

Prof. Dr. Anton Herrmann.

III. BAND. Ö-IO. HEFT.

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BUDAPEST, 1894.

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Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn. 1. Band 4 Hette 5 fl. IL Bd. 10 Hette 3 fl. III. Bd. (1893) 12 Hefte 4 fl. Nur direct vom Heraus- geber au beziehen. (Budapest. L Szent György-utcza 2.)

Weitöstliohe Bunds ohau. Politisch-literarische Halbmonatsschrift zur Pflege der Interessen des Dreibundes. Redaction und Verlag von Rosen- baum und Hart, Berlin.

Grogsangelegtes, hochzieliges Programm. Gediegene Aufsatze der vor- züglichsten Schriftsteller aller Nationen. Vierteljährlich 30 Bogen grösstes 3°. Preis 8 fl. Bureau für Ungarn: Budapest, Mozsar-utcza 8.

Etat. Halbmonatsschrift. Einzige durchaus moderne, vollständig unab- hängige, unbedingt liberale magyarische Zeitschrift. Vornehmer Inhalt, beson- ders sociologischer, ethnographischer und demograpbis- her Richtung. Geist- volle, originelle Aufsätze. Vierteljährlich 1-60 fl. ö. W. Budapest, Mozsar- utcza 8.

Am Urquell. MonaUchrift für Volkkuttd*. Herausgegeben von Friedrich S. Krauu. (Wien, VTL, Neustiftgasse 12) Preis ganzjährig 4 Mark oder & Kronen. Diese billigste und interessanteste Zeitschrift für Volkskunde sei allen Volksforschern und allen Freunden des Volkstümlichen aufs angelegentlichste empfohlen. _

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Bureau der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns.

Vorstand: Graf Geza Kuun. Vorstandstellvertreter: A. Herrmann und B. Munkicsi. Secretär : B. Vikar (Budapest-, L, Gellerthegy 10,648, Villa Vikar). Schriftführer: G. Nagy. Cassier: J. Zolnai. Bibliothekar: J. Janko. Redacteur des Vereinsorgaus „Ethnographiaw: B. Munkicsi (Budapest, Zerge-utcaa 27.J.

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Ethnologische Mitteilungen ans Ungarn.

UNTER DEM P ROTE CTORATE UNO DER MITWIRKUNG

^Sr. Unis*, ti. Uöriijrl. Holieit de« Herrn Erzlierzog Josef REDIGIERT U. HERAUSGEGEBEN VON ÄNTON J^ERRMANN.

III. Band. Budapest, 1893. Oktober November. 9—10. Heft.

Kinderschrecker und Kinderräuber in der magyarisch en

Volksüberlieferung.

Von Ludwig Kälmdny. (Schluss.)

Die meisten dieser durch die genannten Dinge erregten Krankheiten werden vermittelst Besprechungsformeln geheilt. Man erzählt: „Es war ein kleines Mädchen in Monostor (bei Szeged); das Spülicht, welches man dem Hunde in die Traufe trug, führte der Wind auf das kleine Mädchen. Der ganze Körper des kleinen Mädchens war voll Wunden : es begann schon zu faulen, aber man konnte mit nichts auf der Welt ihm helfen. Eine Frau sagte: dass das kleine Mädchen in die Schüssel der Sz. gestiegen sei ; man solle mit ihm nichts anderes, nur dies vornehmen : Wenn man bäckt, wasche man sich die Hände in v$inem Gefäss; wenn man den Sauerteig aufgiesst, wasche man die Härfde gleichfalls im Wasser; wenn man abgeknetet hat, wasche man sich die Hände gleichfalls in demselben Wasser; wenn man einfrtjfzt und die Laibe abteilt, wasche man sich eben- falls in demselben. Dann soll man das kleine Mädchen dahin führen, dann soll es (seine Wunden) vor dem Backofen nach abwärts mit diesem Wasser waschen; hierauf soll es das Wasser mit der Hand in den Backofen giessen, dann spreche es: ,Szepa*$zonij, du hast es gegeben, du nimm es weg!' Dreimal tat man dies bei dreimaligem Backen, dann gesundete das kleine Mädchen so, dass es nur kleine Wunden hatte."1 „Wenn der Mensch ein Geschwür hat, soll er es mit einem Vierkreuzerstück umkreisen, werfe das Geldstück mit der lin- ken Hand weg ; wer es findet, auf den geht das Geschwür über"

Vgl. Wenzig, Westslav. Märchenschatz 219. Bei Homorod-Karacson- tfrilva (Siebenbürgen) ist ein „Verpatak" genannter Bach, zu dem die Leute am Georgstage nicht hingehen, weil dann die Szepasszonyok dort ihren Un- fug treiben. Vor etwa 40 Jahren kam ein Mann, namens Mihaly Pali, um Ruten in die Gegend. Er «stieg auf einen Baum, um sich Ruten zu schneiden. Ks war gerade Georgstag. Da kumen zu Mittag die Sz. wie der Sturmwind heran; unter ihnen befand sich auch die Frau des Mihaly Pali. Sie ergriffen den Mann, tanzten mit ihm herum und schleuderten ihn dann in den tiefen Bach, wo er lange Zeit hindurch bewusstlos lag. Er lebte noch viele Jahre hindurch, aber er hatte die Sprache verloren und konnte nur die Worte stottern : „J6, harn, !" (Gut, mein Sohn, gut). Sein Söhnchen war bei die- se© Vorfall zugegen gewesen.

Http. Mit*, a. Ungarn. III. 15

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(aus Szöreg). Aehnlich werden Warzen mit Knochen umkreiselt. „Warzen soll man mit ungesuchtem Knochen umkreisein, denselben an seinen Ort zurücklegen, dies 2 3 Mal tuend, verschwindet die Warze" (aus Klärafalva). Nicht die Warze, sondern die Erde wird umkreiselt beim folgenden Verfahren : .Wenn jemand Warzen auf der Hand oder auf dem Fusse hat und will sie verschwinden machen, so ziehe er (mit dem Finger), sobald er eine Kröte findet, um selbe auf die Erde einen Kreis, so wie (die Kröte) eben steht : dann hebe er die Kröte auf, reibe mit ihr die Warzen ; dann lege er sie so zurück, wie sie vordem gestanden" (aus Klärafalva). Auch durch mündliche Mitteilung glaubt man sich von Uebeln befreien zu können : „Wenn jemand Katarrh hat und darüber sehr klagt, und man darauf nichts erwidert, so geht (der Katarrh) auf den über, der stillschweigend zuhörte; wenn man aber sagt: ,Auch unser Ofen ist davon zersprungen!' dann schadet es nicht" (aus Szeged). .Wer an Hand oder Fuss Warzen hat, reibe sie mit dem Blute des Maul- wurfes ein, welchen er vor dem Georgstag gefangen hat" (aus Klära- falva). „Wenn der Mensch Ausschlag, Geschwüre hat, soll man Don- nerstag Kleinfrüchte (Hirse u. dgl.) kochen, damit abends und vor Sonnenaufgang die Wunden nach auswärts waschen" (aus Szeged). Durch Hirseopfer vertreiben auch die Mordwinen die Epidemien und andere Krankheiten.1

Die magyarische Szipatsznny ist in mancher Beziehung ein der germanischen Hei verwandtes Wesen.2 Der Ueberlieferung ge- mäss hat die Szepaxszonif diesen ihren Namen erst dann erhalten, als sie sich vergass (d. h. treulos ward). „Es ist nicht gut, ihren Namen zu erwähnen, denn es kann Unheil bringen" (aus Szöreg).:{ Wenn auch heutzutage die Krankheiten im magyar. Volksglauben als .Gegenstände" erscheinen, welche von der Sz. erzeugt werden, so mögen sie doch in früheren Zeiten Krankheitsgeister und zwar

1 Borna. A mordvaiak pogany istenei (D. heid. Götter der Mordw.) 3f>, 88. * Die Türschwelle von Hel's Wohnung ist die List. Im Magyarischen hat auch die Hölle eine Schwelle, an der sich betrunkene Menschen die Köpfe schlagen. „Von dem Menschen sagt man, dass er seinen Kopf an die Schwelle der Hölle geschlagen habe, welcher (im Rausch«) sich beschädigt" (aus Szeged). 3 Furcht bewog auch die Bewohner des Honter Komitates. das« sie den Oespenstern (Kitfrtet) den Namen Csifraa&szony (schmuckes Weib) gaben ; Ipolyi a. a. O. 445. Einmal sagte ich : „Der Regen rieselt", (az e»i> szemzik) (szem = Auge, Kern), sofort machte man mich aufmerksam, dass es nicht gut sei, so zu sprechen, weil sich dann der Teufel treue, indem sein Sohn auch Szomzik heisse (Szöreg). Bei einer anderen Gelegenheit kam die Rede auf die Abzweigungen der Milchstrasse; leicht konnte ich erfahren, dnss der eine Weg in den Himmel führt, aber erst nach langem Zaudern und Hin- und Herreden sagte mir mein Gewährsmann, dass der andere Weg in die Hölle führe. (Szeged— Kiralyhahna.) Ein anderes Mal sammelte ich Daten über den magyar. Krankheitsgeist Fene; da wollte mein Gewährsmann die Krankheit: Krebs, welche das Volk fene heisst, durchaus nicht bei diesem Namen nennen, sondern nannte sie umschrieben : „schlechte, hässliche Krankheit". Die Wogulen, den Bären für eine rächende Gottheit haltend, nennen ihn umschrieben : Honigptbte, Waldapfel u. s. w. s. //«n/n/ry, Reguly hagvomanyai (Reguly's Nachlas«) I. 105, ÜJo, 225. Auch die Slaven nennen die Vilen oft nur „sie*.

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die Kinder der Szepas,<zontj gewesen sein. Die Kinder der finnischen Loviatar sind Geister und Krankheiten.1 Bei den Mongolon sind die Kinder der w Bergfrau " auch Krankheitsgeister.2 Die Szfpasszonii ist in jeder Beziehung der Gegensatz der liolthx/as^zorti/, wovon uns seihst die flüchtigste Vergleichung überzeugt. Ursprünglich waren beide Wesen eins. Das Schamanentum teilt die überirdischen Wesen nicht abgesondert in gute und böse ; sie sind sowol gut, als auch böse. Die Sz"pa.*szony und auch zum Teil die Hohioyassznni/ vereini- gen noch im letzten Nachklang beide Eigenschaften in sich. Nur in der Szegeder Gegend hat sich der diesbezügliche Volksglaube in den vorgeführten Zügen erhalten. Dass die Szepaaszoni/ nicht mit den süd- slavischen Vilen identificiert werden kann, zeigt u. A. auch der Umstand, dass die Sz. nicht stirbt und sich keinem Sterblichen hin- geben kann.

II. Köpe.

Viel ist in der magyar. Philologie um dies Wort herumgestritten worden. Die einen leiten es von rumänisch copilu (infans, puer, filius. natus), andere wieder vom deutschen Kobold ab; einige bringen es sogar mit altgriech. xöfia>.o; in Verbindung. Die Ableitung von mpilu wird allgemein für die richtige gehalten.3 K6p4 bedeutet im Csanader Komitat und in der Temes-Gegend : pfiffiger, hinterlistiger, unartiger Kerl; in der Szegeder Gegend hat es dieselbe Bedeutung; in den alten magy. Sprachdenkmälern bedeutet KöpL Köbe. Gäbe = scurra. nebulo, joculator. Ferner bedeutet dies Wort in der Szegeder Gegend beim sog. Köpe-Spiel die erste und letze der in einer Reihe aufge- stellten Nüsse.4

1 Ca»trrn, Vöries, über die finn. Mvthol. 132. 4 Bastian, ü. Yölk. d. westl. Asiens, VI., 583.

1 S. die Ztschr. „Magyar Nyelvör" XVI., 29, 182.226.; Simonyi, Magyar nyelv (magy. Sprache^. I., 11H. 4 Dies Spiel besteht aus folgenden: Die Anzahl der Spieler ist eine beliebige: gewöhnlich spielen es 8 10. Jeder gibt 2 Nüsse: alle Nüsse werden dann in eine Reihe der Grösse nach aut die Erd«* gelegt; die grösste heisst der „grosse KöpeM, die kleinste der „kleine K6p6u. Von dieser Nussreihe aus rollt nun jeder Spieler eine Nuss hinaus: wo dieselbe stehen bleibt, dort stellt er sich aut Wessen Nuss am nächsten zur Reihe steht, hat das Vorrecht, sich hinter die Reihe zu stellen und die „Kartätsche" (eine nussgrosse eiserne Kugel, mit welcher die ande- ren Spieler auf die Nussreihe losrollen) mit dem Fuss aufzuhalten und dem kommenden Spieler zuzuschieben. Will aber ein anderer diese Stelle hinter der Nussreihe einnehmen, so muss er dafür 2 Nüsse neben den „kleinen Köp6u hinstellen. Nun rollt mit der Kartätsche auf die Nüsae derjenige los, welcher von der Reihe am entferntesten steht. Trifft er mit der Kartätsche den ,.grossen K6pe" so gehört ihm die ganze Nussreihe ; trifft er aber z. B. die siebente Nuss, so gehören ihm die nachfolgenden Nüsse, einschliesslich des „kleinen K6p6w. Dann rollt der zweit entfernteste u. 8. w. Wenn alle geschoben haben, so gehört der Rest der Nussreihe demjenigen, welcher hin- ter derselben gestanden ist (aus Szeged). [Ganz so wird es auch in der nur von Juden bewohnten Siebenbürgischen Gemeinde Intradam (bei Naszöd) am Laubhüttenfest gespielt. Anmerk. der Redact.j

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•21»)

Ferner ist der K. ein kinderschreckendes Wesen und hat mehrere .seinesgleichen. In einem Kinderlied»? aus Hödmezövasarhely stellt der K. mit einer grüuhutigen Hexe in Verbindung.1 Die K. hausen unter der Erde,- sie sind militärisch organisiert und haben einen Anführer. .Die K. sind ihrer viele; sie gehen mit grosse» Stöcken herum, aber nur einer ist der Kii/n; ihr Anführer; die an- deren sind seine Soldaten; unterhalb dieser Erde gibt es noch eine Welt: dort ist ihr Reich; der K. ist ein erschreckender ((iei^-t).' (aus Szöreg). 1 >a nur der Anführer der eigentliche K. ist, so mag dies Wort vielleicht einmal eine Würde bezeichnet haben. Im mitgeteilten Spiel heissen auch nur die beiden Nüsse Küpe, welch»' sich an den beiden Huden der Reihe befinden. Stephan Sandor* hält K. für = ioculator ; möglich, dass das Volk einst dem Anführer der herumreisenden Spassmacher auch K. nannte. Als WatTe wird ihnen auch das Messer verliehen. .Der K. beunruhigte da> Kind im Sziget mit einem Messer" (aus U-Szent-Ivan). Vergl. Simrok. D Myth. 457. „Fr hat eine rote Hose und einen schwarzen Schnur- bart, einen langen Hart; er ist 2 Spannen gross, in Sziget hat man sich mit ihm auch schon herumgestritten. Der K. hinkt auf einem Fusse : seine Nase steht schief; seine Augen glänzen wie die der Katze, er hat so lange Nägel, wie ein Finger des Menschen lang i>t , sein Handrücken ist so gross, wie ein grosser Hut" (aus Szöreg). „Einmal kam der K. in den Keller herauf, da war ein kleines Kind, er bat Brot und Salz. Das kleine Kind lief hinaus und erschrak sehr. Der K. sticht mit seiner Stiefelnase die Krde. Fr hat ein grosses Messer bei sich. Wenn er in die Frde hinab will, so stiehl er die Krde nur mit der Spitze seiner Stiefel. Wen er ergreift, den trägt «er weg: auch die Hundejungen schleppt er fort: er bittet stet- Gott, dass er Kinder morden könne. Man muss Steine in die Frde stampfen, hinahstossen, damit der K. heraufkomme* um- Ö-Szent-Ivaiu. Von mehreren Leuten in Ü-Szcnt-lvän erzählt man sieh, dass sie sich mit dem K. herumgebalgt haben. Aber auch al- hilfreiches Wesen erseheint der küp. .Kinmal verlangte eine Maul vom K. (ield auf Schuhe. Kam zu ihr ein Mann herein, nahm sie mit sieh und führte sie in ein baufälliges Haus. Fr gab ihr Hehl, enlliess sie nach Hause; und die Maid gieng 3 Wochen lang, und dofh gelangte sie kaum heim: mit dem (jelde kaufte sie sich Schuhe" (au- Lörinczfalva). In Lörinc/.falva erzählt man: Das ist der Teufel : denn einmal versammelten sich die Menschen, damit sie vom K. (ield verlangen. Sie begannen -eine Historie zu lesen; da hörten sie auf einmal grosses Kauschen. Sie erschraken so sehr, dass ein Teil starh, ein Teil krank ward. Der K. verwandelt sich in das, in wa> er eben will. Er sagte t damals i: wer Geld brauche, der komme mit ihm: und keiner getraute sich, mit ihm zu gehen." Den K. kann man vermittelst eines Messers heraufbeschwören. „In Kis-Sziget stach

Magyar nttpkültesi gyüjtetntMiv ^s»»mutl magv. VoJksdicht.i II., '2*;.' * Vgl. d. imlisrhe U*p4; Kotrm, iK K«l. d. Budhn I . lk). - 3 Zuehr. Magyar Nvelvör XVI. 30. - V

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man bei der Rosa Csipak ein grosses Messer in die Erde ; dann legte man auf eine Brotkrume Salz; auch die Maid war in der verdunkelten Stube zugegen. Dann sprach man : ,Steh auf, Kopi, um zu klopfen, den hl. Georg zu erschrecken! Hier dein Vater, hier deine Mutter essen gesalzenes Brot !4 Man erzählt, dass K. dann ein halbes Brotlaib und 3 Pfannen Kuchen heraufgebracht habe ; es (Brot) war ganz schimmelig, die Maid musste aber davon essen, denn sonst hätte sie der K. gefressen oder sie getötet" (aus Ö-Szent-Ivan). In Szöreg berichtet man : „Wenn man den K. heraufruft, so legt man anf die 4 Ecken des Tisches Salz, Brot, Löffel, Gabel. Die Frau kriecht unter das Bett; die anderen treibt sie aus der Stube, dann spricht sie: „Komm herauf, K., um zu schrecken!" Dann kam der K. unter der Erde hervor, rasselte, klapperte, stampfte das Bett, unter dem sich die Frau befand ; bis die Frau nicht wie ein kleiner Bock blockte, gieng er nicht hinaus/ In Särret (nicht in der Szegeder Gegend) singen die Kinder, während sie Gebärden des Schreckens machen, dies Lied : „Komm herauf. Koppe, Um zu klopfen' Auf gol- denem Wagen, Den Georg Lengyel zu hauen, Auf silbernem Wagen. Sieh, dort kommt der Teufel In seinem grünen Kleid, Auch Georg L. erscheint, Von seinem roten Haarschopf Tropft der Russ." In andern Lockliedern wird er hervorgerufen um „Kerzen des hl. Georg zu besuchen" {Szrnt György gyertydt lätogatni), oder „hl. Georg zu besuchen" (Szent György Gyurkdt Idtoqatni), „goldenen Frosch zu besuchen" (Arany he" hat Idtogatni), „hl. Georg's Pilse zu begrüssen" (Szent György gomhdt kffuzönteni), „Set. Georg's Fahne zu schwenken* (Szent György zdtzW lobogtatni). Zu bemerken ist, dass nach magy. Volksglauben die Hexen in der Georgsnacht mit Fahnen nach ihrem Versammlungsort ziehen.

In Tape nennt man den Köpe auch Pope", wozu das deutsche: Popele heranzuziehen ist. Spuren der deutschen, aus Wachs ver- fertigten Koboldfiguren finden wir auch in der Szegeder Ueber- lieferung, der zufolge der Küpt mit Figuren d. h. Puppen (buka) die Menschen schädigt. In Lörinczfalva erzählt man: „Der K. isst gerade so wie ein Mensch, Salz, Paprika, Brot; er nimmt gesal- zenes Brot, wickelt es in einen weissen Fetzen, das legt er demjenigen ins Bett, den er schädigt; dieser denkt, es sei eine Puppe, und wirft sie hinaus; das ist eben Behexung." Auch in der tamulischen Sprache2 hat noch Koppu die Bedeutung des magyarischen /w>/V, der seinen Eigenschaften nach dem deutschen Kobold entspricht, und keines- wegs dem rumänischen eopilu,1 welches nur die Bedeutung von:

1 Vgl. Das ungarische Insurgentenlied am Ende des vorigen Jahrhun- dert: Gyere kop6 kopogtatni, Magyar földet bujtogatni (komm, K6p6 klopfen. Ungarisches Land autwiegeln.) vorgetragen von .1. Kaldy am 20. Mai I. J. im (Joncert der Gesellsch. tür Völkerkunde Ungarns. * Vt^l. Grimm, D. M. 285. 618. 1 (Jahr. Jidlint, in der Ztschr. „Az erdelyi Muzeumegyl. kiadv.4* V. 21S. * Im Lappischen heist Kropes = Hexe ; Castre», a. a. O. 125. Im Wogulischen kvojp = Zaubertrommel, welche lapp. Gobodes, Gobdas heisst: ein Musikinstrument der alten Magyaren heisst koboz, ein Zauberinstrument bei den Türken in Centraiasien Kobuz.

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Kind, Sohn, Knabe hat. Im Finnischen heisst nach Renvnll KöujfH Waldgespenst, nach Ganander aber ist es ein menschlicher Gei^t, der den Menschen gefährlich ist. Castren leitet dies Wort aus dem deutschen Kobold ah. Indem aber der magyarische ÄV»/»e; sich sprachlich und mythisch bei den verwandten Völkern nachweixn lässt. so ist an eine Entlehnung aus dem Deutschen wohl kaum zu denken.

III. Ärkus-barkus, Bagus, Bubusf Mumus. Konkus. Lele, Mokan.

l'eber diese kinderschreckenden, beziehungsweise kinderrauben- den W esen können wir vorderhand gar wenig mitteilen. 1. A rktt* -hat - hu-. In einer dunklen Stube versteckt sich ein Kind : ein anderes, das gewöhnlich nichts hievon weiss, wird in die Stube hineingeschickt. oder zum Hineingehen durch das Los bestimmt. Wenn das Kind hineingeht, ziehen seine Kameraden die Türe an, damit es nicht heraus kann, und rufen: «Arkus bärkus. Komm herauf zur Tür! Iiier ist dein Vater, deine Mutter: Gesalzenes Hrod essen sie. Mit Kür- bissen lauten sie." Das versteckte Kind ergreift nun das andere, worauf dieses erschreckt aufschreit ivon einem aus Felegyhäza nach Szeged Eingewanderten). Mit Borkn* stimmt lautlich Barlcö überein. über welchen wir nur so viel verzeichnet finden: „Bmko en<jr»i not/ ftft/illifrn, ü h'k nthi. hotfit wt'inj nojuon <t f,olnirhttn .'" i= B. möge mir so helfen, ich fürchtete, dass sich Gift im Hecher befinde. » 1 B<ui{mst ist der Xame eine- Kobolde- in England;- vgl. den deutschen Vm-yu* Wolf und das serb. und slovak. nv«/, poln. uroq = Teufel :< '2. Buijtts, B»!u* Balkus Wenn in Szöreg das Kind weint, geht jemand aus der Stube hinaus und klopft an die Türe, worauf die im Zimmer befindlichen sagen: „Es kommt der Bakkus!* Ein aus einem Tueli geformter ..Hase", welchen man streichelt und dann dem Kinde zuwirft, heisst auch Bakku*. In Egvhazas-Ker sagt man: .Dort kommt der Bukkus! Wehe, es kommt der Boius .'" Vgl. den slavischen Gott Bnuju ffrmtiti*. Bowjfndtis,* den ostjakischen. un- terirdi-cheii Gott B'tnfjuu.*7' I]. Buhns, Barnims. Munnt*. „Bald trägt dich der Buhns fort !" mit diesen Worten schreckt man die Kinder in Egvhazas-Ker. .Man klopft ans Bett, das Kind erschrickt: man sagt ihm: .Schweig, denn es kommt der Buhns" <aus Lörinczfalva •. In Szöreg sagt man auch Mutnus. 4. K»ko>\ Koku*. Konkus. Kon- kus .Es kommt, trägt «lieh fort, frisst dich der AM/.ok ."* »Szeged- Madaräsztö.) Ebenda nennt man auch den erwähnten .Hasen" : Kokös. .Schweig, denn es kommt iler K<>kus. trägt dich fort !* (Gsanäd- Palota). In Felegyhäza heisst er Konkos. Konkus. .Bleib sitzen : denn sonst trägt dich der Kunku* fort! Es kommt der Konkos l" .">. Ltlt. In Szeged ereignete es sich im vorigen Decennium bei der Wallfahrt 5. AugA dass Frauen aus Felegyhäza von «1er Ankunft der Wall-

1 Magyar nvelvtört^n^ti szötar [ = magy. •»jirnclihist L*-x ) 1.. -' ft rtmm, Mvth. '2\*2. * Onmm.bbl. * S<A»o/i\\ Mvtli. tl. Slav. 122. * Outrin, a. a. 0. _'*s.

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2r.t

f ahrer aus der Gemeinde Lele hörten, und darüber sehr erschraken, indem sie fortwährend sagten: „Wehe, es kommen die Lele!" Der Sache nachforschend, erfuhr ich, dass Lrle ein spukender Geist sei; dass er in letzterer Zeit in Felejryhäza zwei kleinen Mädchen unreife Kirschen gebracht, vordem aber Kinder geraubt habe ; vgl. die hie der Slaven.1 6. \I6kd, Mokdn. Ital. macnn = Kind, kelt. makan = Jüngling, rum. mocan = Dorfbewohner, simpler, unerfah- rener Mensch, magyarisch : mokdny = wild, wildes, unbändiges Kind. Ausserdem ist im Magyar. Mokdn auch als kinderschreckendes Wesen bekannt: „Schlafet, es kommt der M. !" Lieber ihn konnte ich etwas nur von einem Manne erfahren, der lange in der Fremde geweilt hat: .Der M. ist einbeinig. Der M. haust unter dem Bett, oder unter der Feuerstätte; er ist so wie eine Euleu (aus Magyar- Szent-Märton4'. Bei den Slaven fand ich einen verwandten Geist, den Macha,2 der jedoch nicht die Gestalt einer Eule hat. In Nagy- Becskerek sagt man: -Schweig, es kommt der Pdczö : er trägt dich fort!" Pdczd ist die volkstümliche Form von poezok == Ratte. Mög- lich, dass in alten Zeiten auch Mokdn der Name eines Tieres (etwa der Eule) gewesen ist, bevor daraus ein kinderschreckendes Wesen geworden. a

Beiträge zur Geschichte des Vampyrismus in Sttdungarn 4

Joannes Räcz de Mehadia, Verwalter de» Lugos-Facseter Districts machte im Jahre 1725 über einen zu Herinbiesch grassierenden Vainpyr an den Oberinspector Baron v. KebenstichBericht, worauf dieser unterm 81. Marz d. J. den Verwalter beauftragte, die in Verdacht verfallene Zauberin von ihrer dermaligeu Grabstätte zu erheben und zu besichtigen, von dem wah- ren Befund aber zuverlässigen Bericht zu erstatten.

Hierauf berichtete der Verwalter unterm 3. April n. J. Folgendes:

.,Auss Kiner I.öbl. Kays. Administration Gnädigen Betehlich habe we- gen der zu llninbiesch in Verdacht gehabten Zauberer den Gegenschreiber dahien geschickt, dass Grab eröffnen zu lassen: Welcher auch Befunden, dass derselbte Verstorbene Also friescher undt unversehrter, ja die rechte handt Beym Mündt, Gehabter, mit dem Kopf Gegen die rechte seithen Verwendeter Gelegen undt Unter dem Kopf b'uth gesehen worden : Also dass kein andere Muthmassung, weilen der Körper doch schon über drey Monath in der Er- den lieget, undt. keine Versehrung an Ihme Gefunden kann werden, dass die- ser der Biutlisaugerer sein muss. Wessentwegen Von Einer Löbl. Kayserl. Administration gewärtig Bien dehro Gnädigen Befehlich, wass fernerhieu mit diesem Körper zu thuen sey, weilen solcher in eröffnetem Grabe mit dabey haltender Wacht lieget."

Auf diesen Bericht des Verwalters lolgte unterm 10. April 1726 der Bescheid, dass „nachdem sich in genauer Untersuchung gezaiget, dass der in Verdacht gewesene Zauberer auf die beschriebene arth und weise auss billichen verdacht alss ein blutsaugerer zu achten, So kan derselbe (nämlich

1 Harnisch, Wissensch. d. Sl. Mythus 848. s Hanusch, 834. » Diese

ist mittlerweile auch ungarisch „Kthnographia" IV. 225— üi7 und 31 1—3 :2 er- schienen, sowie hieraus in Separatabdruck : Gyermekijesztök es rablok nyelv- hagyomanyainkban. Budapest 1SH3. 82. S. Red. * Vgl. Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn, I. Sp. 162—164.

höchst verdienten Mitarbeiters

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'2.V

der Verwalter} nach mit dem körper ohne weiters dasjenige vol führen las- sen, was man sonsten in »lerley begebenheiten dieser Zeithero zu beobachten gewöhnet und practicirt hat." (l'ng. Landesarchiv, Temesvarer Adm. Acten, Fase. Nr. Vit).;

L'ebrigens finden sich in alten Schritten der ehemaligen Banater Lan- desadministration tulgende, auf Vainpyre bezügliche I >afen vor, welche zu Genüge beweisen, dass der Glaube au Blutsaurer in dortiger Gegend alige- mein verbreitet war:

t,l72*i. 1. Aug. ■— Der Fnterverwalter des Lugos-Facsetcr Districts bittet, womit Anlass des zu liabscha verbrannten Blutsaugers die Excommo- nieirung der Bahschaer Gemeinde bei dem hiesigen Bischof unentgeltlich widerrufend gemacht wolle. (Rot. Lugos- Faeseter Verwalteramt, I 1 72."). IS.

I72n\ 21. .Jänner. Oberverwalter des nämlichen Districts Räcz be- richtet, dass er nach Absterben vieler lAtgow Insasse n ein verstorbenes altes Weib als Blutsängerin ans der Grabstatt erhober. derselben nach kennt liehen Wahrzeichen den Kopf mit einer Schaufel abstoßen liest* und wegen derselben Verbrennung sich unter einem die Weisung erbittet. Rot Lug.-Facseter Verwalteramt, I, 1726, 2. )

174.S. 12. Juni. Karsnsebeser Verwalteramt erstattet Bericht auf die unterm h. ejusdem erlassene Verordnung in Bette ft des dortigen Protopopen. nämlich dass selber die Kirche sperren und auch die Todten durch die unter stehendtn Popen nicht gehörig beerdigen lassen hat. Derselbe äusserte sieb, dass ihm dieser Befeiil von seinem Bis» bot ertheilt wordtn, weil er ihm an- zeigte, dass die dortigen Insassen 11 Todte ausgegraben, welche sie als Blutsäugers angeschen, selbe fheils verbrannt, theils aber mit siedendem Wasser begossi n und solche sodann wieder beerdigt, ohne Vorwissen der Kirche, damit selbe von dein Aberglauben gestört (sie .( Rot. Karanscbeser Verwalteramt III, r>'.U

I7*i!. 'J6. Feber. Pancsovaer Verwalteramt zeigt an. dass in dem Ort Kubin ein Blutsauger sie alle Nacht so behellige, dass sie das Dorf meiden wollen: daher der hierwegen in Verdacht gekommene verstorbene Marinko Kalaritt in (Gegenwart der Gemeinde und Offiziere ausgegraben, durch den Ar/ten visitirt und voll frischen Bluts gefunden: daher auch zur Beruhi- gung der Gemeinde verbrannt worden sei. 'Rot. Pancsovaer Verwalteramt III, 10b.

17">2. Feber. A ministration bedeutet dem Pancsovaer Verwalter- «mt, dass nach einer an das Generalkommando in »-einem Wege geschehenen Anzeige, einige Ihliblatrr l'nterthanen vier verstorbene Körper als vermeinte Vampir ausgegraben, das Herz gekocht und zerschiedene abergläubische l'nternehnuirgeii gemacht: dieser vom Amte nicht beobachtete Fall wird »lein Verwalteranit nachdrucksamst verhoben und die Krörterung der Thäter verordnet. (Rot. Pancs. Vit« ramt III. 1*>0.)

1752. 20. Feber. Karansebeser Verwalteramt zeigt «n, dass die N/<i- tinaer dortigen Disti ictsuntertbanon wegen eingerissenen häutigen TodfUllen unter «lern Voi wände Blutsauger 4 Menschen bei » r Geschlechts au- dem Gottesacker ausgegeben, das r ingeweide herausgeschnitten, sodann ver- kehrter wieder beerdiget, welches «lenenselben sowohl von Sei'e des Ver- walteramts, als auch der Geistlichkeit nuter schä-rfoster Strafe verboten ward. iRot. Karnns. Vlt»ramt III. Hü'.j

l7fi3. II. .Dinner Ftpalaukaer Verwalteranit berichtet, dass zu h'lrin- Dikran in einer kurzen Zeit :ut, und zu Haknxdm io Personen, muthmasslich wegen »1er Vampir-, verstorben sind und bittet in hachen das »forderliche einzuleiten. Rot l'.ipal. Viteramt, III. 2M..

175!. .2. .Dinner. Administration befiehlt dem Verv» altoramte die- jenigen Schrbrllrr l'nterthanen. weiche sich erkle.-ket sie . <»hne Vorwissen der Beamten »Irei Per-onen. niitulich zwei Männer und ein Weib, aus Verdacht Vampirs zu sein, eigenmächtig auszugraben und zu verbrennen, auf 1 l Tage beim Amte in Arrest zu halten. (Rot. <\iku\acr Verwaheramt. II. 5:*>.j

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I7c3. 7. F.-'ber. Csakovaer Verwalteramt macht der Administration die Anzeige, da.ss der Ortsknes von Stamora die Anzeige gemacht habe, dass in dem Ort. sich die sogenannten Vampirs eingestellt haben. (Rot. Csak. Vlter- amt, II. 534.)

1758. 14. Feber. Csakovaer Verwalteramt zeigt an, das* in dem Districtsort Wennetuh die Vampire grassiren sollen. (Rot. Csak. Vlteramt. II, 512.)

1756. 27. April. Temesvarer Verwalteramt berichtet, dass „30 Seelen in dem Dorf Knrz seit zehn Tagen gestorben sind nnd selbes auf Wambim den Argwohn habe."

Mitgeteilt von Prof. Dr. L. Baruli.

Dokumente zur Geschichte der Zigeuner.

i.

Opiaio. De Domicillalione et Regnlatione Zingarorum.

(Schluss.)

(^aandoquidem autem praecipuus domiciliationis praedictoruni Zinga- rorum tinis is sit, ut per hanc praecipue ad politiorem vitae modum, mo- resque honestos tradaci. princiisque Religionis, et vitae Socialis imbui tanto i'aciiius, et certius posxint, etsi ad hunc etiam finetn assequendum salutaria per Regium Guberninm sub 12. Septem bris Nroque (352 uf. superius memo- ratuin ü*t, praescripta sint puneta, illa tarnen minus observuri quotidiana testis est experientia, et alia praetereundo, hodiedum non raro visibilis propu- diosa puerorum, ae Foeminarum nuditas, lintenminumque usus aft'atim do- cet, strictior itaque praememoratorum punetorum observantia Otficialibus injungenda. et signanter imponendum iisdem esset, ut nuditatem l»anc effi- caciter inHictis etiam virgarum, et scuticarum ictibus abrogent. Praeterea autem illa quoqne superius memorata puneta ad melioi-em gentis Zingarae regulationein directa ita comparata es.se comperiuntnr, ut pro modernis cir- cumstantiis illorum nonnulla alteranda. alia explananda magis atque ainplianda genioque, et indoli gentis ab eo tempore vel per subsecutam plurium illo- cationem, et domicialitionem multum emendatae aecomndanda videantur et quidem

1. Quod attinet: ut veslitum ra/*/«»», et linguain urnpriam drponent, arduum esset illos cumprimis ad linguain propriam relinquendam. ac quem plerumque vili distractorum l'abrioatorum, vel impensarum fabrilium operarum pretio conquirunt vestituin deponendum vi cogere, nec aliis mediis hoc eousque donec Zingari rumulatim in !oco distineto, et a reliquo Incolarum consortio separati quasi degunt obtineri posse videtur, verum in id enitendum esset, ut in quantum fieri potest. Zingari ad tigeiidas in serie I'agorum. reliquo- rumque Incolarum habitationes suas stringantur. ha--- enim ratione magis spe- rari posset, ut illorum quibus cum quotidianus il Iis est vicinitatis, et mutui «onsortii nexus mores, vestes, et linguam citra etiam ahibendam vim quam facillimi assumniant.

2- do: Vi uxns Valliorum quibus res furto subduvta* legere nolent interdictu* «it, videtur absque aliquali injuria usum vestinienti hnjus, cjuo illi quoque perinde, ac alii semet adversus aeris, tempeatatit-qne injuria* defendere possint simpliciter interdid non i»osse, verum potius ita esse circumscriben- dum, ne i 1 Jo abuti po>sint. ad hoc assequendum hoc solum illis prohiben- dum foret, ne Nundinas. et Fora Hebdomadalia, in quibus furta ut plurimum contingunt, palliati accedere ausint.

3- tio: Ne fijuis ptaeter Zingaros aurilotores aliist uti licilum «//, jam medio Decreti Aulici de 27-ma Marti i Anno 17-4. exaiati Nroqu« MfilU. signati in- dultum erat, praeter Aurilotores melioris quoque nofae Zingaris equis uti. cum autem praecipuus Interdicti hujus finis js fuerit, ut per illuni t'requen- tia equorum furta impediantur, hinc praeter ea, quae circa impedieada dete-

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gendaque equoruro furta in Provincia, generaliter per Deputationein Com- inercialem jam praescripta sunt, speeialiter quoad Zingaros sequentia sta- tu ein la, et usus equorum illis pro tuturo quoque sequenti solum cum Cir- cuniscriptone induigendus esse videretur.

a/ Yt Zingaris qui fixa jam tenent Domicilia, et utilis alicujus Opi- ticii exercitio vitae adminicula merentur ac alias etiam de probitate noti sunt, licitnm quidem sit e«(uos servaie, ita tarnen : ut necessaria publicitate pro- visas literas facultatorias typis excussas desuper cum doniinorum Terrestrium assensu ab OHlcialibus obtiuere studeant, quibus in publicis Nundinis exhi- bitis libere equos eniere, et divendere, permutareque possint,

b) Si qui Zingarorum absque obtentis similibus literis facultatoriis equis uti comperientur, velut de furto suspecti penes confiscationem equi cujus pretium aut certa illius pars ad exstructionem domicilii vel compa- randa pro exercendo utili quodam opificio instrumenta convertenda erit, intercipiantur. et quoad seiner legitimare poterunt in aresto detineantur, quin et ubi semet legitimere valuerint, ideo tarnen quod absque obten- tis tacultatoriis e<|uis usi sint restitutis in tali casu equis corporaliter puniendi eruut, prout et Uli qui obtentas pro se facultatorias Literas alter i illis in fra dem hujusmodi dispositionis abutenti cedtrent. ad quod praepe- diendum juvaret Literis his Facultatoriis praeter nomen. locum Domicilii. Dominumque Terrestrem, etiam personalem descriptionem Zingari cui facul- tas hujusmodi data est, accurate inserere.

< > Aurilotoribus Zingaris quibus alioquin equis uti indultum est, hujus- modi Literae Facultatoriae nunc illico ea tarnen cum conditione elargiendae essent, quod si qui iilorum in furto equorum deprehenderentnr. praeter in- Higendam legalein poenam ademtis tahbus Literis Facultatariis, equis quoqe in futurum uti ainplius licitum non sit.

d) Quot ieseunque Ziugarorum qnispiam equos emerit, vendiderit, vel permutaverit de forma, colore, aetate, et aliis emti, divenditi, vel permutati equi qiialitatibus, prout i etiam a quo, cujusque loci Incola emerit, vel cui vendiderit Testimonium erga dependeudam exiguam aliquam Taxaiii extra- liere obstrictus erit, qui absque tali Testimonio equis usi fuerint, de furto se suspectos reddent, et examini, coinpertO'|iie nelors reutu condignae etiam poenae subjicientur. Operae pretium sane foret ubivis in publicis Nundinis certas con.stituere Personas. quae simiiia Testimonia erga exiguam Taxam expediient, et de singulis emptionum. venditionum, et permutationum Casibus üdedigna Protocolla ducerent.

Quae modalitas si stricte ubivis observaretur, et bonae tidei emtores contra varias impetitiones tutj reddi, et furta facilius praeverti, detegique er puniri possent.

•1. t't Zingaris Orificii exmitium, et Sfusica lunr tantum indulta #it, dum tentpux non admittit Huri luborare. superius jam attactum est quibusnam e rationibus Zingari omncs ad agricult uram exerceudam stringi, et ab Opifi- ciorum cultura quam cum notabilt Incolarum utilitate exercent, simplioiter prohiberi non possinr. ijuin Statuum, et Ordinum quoque teste Articulo 2<!. Anni lTi«2. ea mit intetitio, ut illi etiam ad Opifkiorum Culturam adstrin- gantur, nee musica simplicitei interdicenda, sed illis solis concedenda esse videretur, qui certo domieiiio provisi sunt et fors etiam utili cuidam Opifi- cio inc.uuifiunt.

Cum porro observatum est illos Ziugarorum qui Fabros Forrarios agunt, aut alias utiles mechanicas artes exercent ita cumulatim quandoque in uuo eodem loco degeiv, ut et ipsi subsistere, et semet sustentare vix possint, et alia loca praesertim Fabris Ferrariis destituta defectum ideirco patiantur, liitic in iilorum Doiniciliatione cuuiprimis per Dominos Terrestress in amplio- ribus Possessionibus numerosiores hujusmodi Zingaros j>ossidentes eo eni- teudum l'oret ne in uno, eodemque Pago plures uui opiticio dediti serventur, sed pro meliori ipsorummet etiam procuranda subsistentia, et Incolarum etiam < onimodo. ad alia etiam loca fabris piaesertim Ferrariis destituta trf.nsferan- tur, illocentunjue.

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223

Ut a ute in in rebus quoque Religionen! spectantibus necessarns Princi- piis, moribusmie Christianae vitae Regulis magis contbrmibus imbuantur, Line non sufnciet Parentibns qui ipsimet rudissimi sunt proles necessariis in negotio prae8ertim Religionis frincipiis imbuendas relinquere, verum publica quoque authoritate Diebus Dominicis, et Festivis ad recipiendas Christianas lnstructiones cogendi sunt, Antistitihus vero quarumvis Keligionum serio injungantur, ut per Paroehos, et Ludirectores tain pueros, quam adultos in rudimentis fidei Christianae sedulo erudiri taciant.

Mentio hie demum injicienda esse videtur de Zingaris quoque Lintea- tis, seu sie dictis Egyptiacis; hi extreina quasi hominum Colluvies nullibi habitant, vero quasi in ludUuiuin generis humani consociati, totoque quo atra corpora tegunt habitu deformati, aut plane nudi. lacerique continuo errant, et impositos Cucullis e centone consutis, ac de interscapulo suspensis Infanten vagientes circutnierendo, horrendum adeo praebent spectrum ut qui non antea oculis usurpaverint, metu pereulsi facile diilugiant.

Hos cum ad fixas Sedes reduci posse vix sperari possit, ac si domici- liari etiam possent Incolis per f'urta et, rapinas, quibus suiumopere vilissimutn hoccc hominum genus deditum est, continuaque incenttiorutn pericula perni- ciosi, noxiique magis. >juam utiles evaderent, nullibi admittendi, verum sub secura comitiva ne videlicet in laciendo itinere Incolis locorum vindictae stu- dio furta, rapinastiue exercendo. auf plane incendia excitando noeivi esse pos- sint, in vicinas exteras oras depeilendi erunt.

Mitgeteilt von A. llemnann.

Zur Volksmedizin der Bulgaren.

Von Adolf Straus;.

Die Heilkünstlerinnen und Besprecherinnen heissen bei den Bulgaren bnjtickn oder rntcku. Am berühmtesten von ihnen sind die- jenigen, welche an einer Krankheit leidend, im Delirium gelegen sind. Von diesen heisst es, dass ihnen während des Deliriums in der anderen Welt viele Heilmittel offenbart worden sind. Das Heil- verfahren ist bei Kindern anders als bei Erwachsenen, anders bei Jungen als bei Alten, und anders bei Weibern als bei Männern.

Im IJm-Qv Bezirk führt die Heilkünstlerin das kranke Kind oder den alten Menschen hinaus in den Hof, wo sie mit dem Mit- telfinger ihrer rechten Hand an seine Stirno klopft und dreimal die Formel hersagt: „Im Namen der hl. Mutter Gottes gehe das Böse dahin, wo die Hähne nicht krähen, wo die Hunde nicht bellen, wo die Hühner nicht gackern, wo der Baum nicht spriesst, wo das Wasser nicht tliesst, wo die Sonne nicht scheint, wo der Mond nicht leuchtet, in die öden Wälder, an öde Orte, auf öde Felsen." Dann wäscht die Hajachi das Gesicht des Kranken mit einem Wasser, über das sie die obige Formel hergesagt hat.

Wenn das Kind beim Z'ihnen krank wird, oder der Alte an Rheumatismus, Gicht (».Wer- Wind genannt) leidet, hält die B. in der rechten Hand ein Ei, mit dem sie den Kopf des Kranken umkreist und die Worte spricht: „Wenn vom Teufel kam das Böse, gehe es der schwarzen Krähe nach, dem schwarzen Bären nach, in öde Wälder, in Wüsten; wenn es von der schönen, honigsüssen Lilie

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•2 .'4

kam, reibe ich es mit Honig ein, damit es die Bienen hintragen auf Weinreben, auf Kornelbäume, auf Hirnbäume, und auf Blumen; wenn es von den Allerheiligen kam, vertreibe es die Muttergottes, werfe es zwischen die Teufel, auf Steine, in die Sterne, wo der Mensch nicht gehen kann, wohien der Hahn nicht fliegen kann, wo das Wild nicht leben kann." Dann ölTnet sie das Ei an einem Ende, trinkt das Eiweiss, mit dem Dotter aber reibt sie die kranke Kör- perstelle ein. Schliesslich macht sie 2 Löcher in die Eierschale, zieht einen Faden hindurch und bindet sie an den Hals des Kranken.

Gegen das F'n-f^r wird dem Kranken um das Handgelenk ein roter Faden gebunden. Das Fieber vergeht, wenn man den Kran- ken auf dem Grabe eines Türken mit Speck räuchert. Zur Zeit der Türkenherrschaft wurde dies auf dem Grabe eines Zigeuners vor- genommen.

Dasselbe Heilverfahren wird auch bei der l r<in»t angewendet, welche Krankheit dadurch entsteht, dass die Xedelkn (Fee) oder die .lud« (ein weibliches mythisches Wesen) dem Menschen einen Schlag ins Gesicht versetzt.

Gegen das Weinen der Kinder spricht die Bajaeka folgende Formel: .Ei, mein Kind weint nach der Sonne; weine die Sonne nach meinem Kinde!" oder: -Mögen die Schafe nach meinem Kinde blocken, nicht aber dieses nach den Schafen und dem Feuer der Schäfer".

Ist ein Kin l scluriichlich, so ruft die Mutter 10, 20 oder 40 Menschen an einem Samstag in ihren Hof zusammen. Weniger als 10 dürfen nicht zugegen sein. Sind 40 gerufen worden., so bringt jeder 1, sind zwanzig, so 2, sind 10 gerufen worden, so bringt jeder 4 Zweiglein mit sich. Dann wird ein kupferner Kessel mitten im Hofe auf 3 Steine gestellt und darunter mit den Zweigen ein Feuer angemacht, jedoch so, dass die Zweige nicht mit Flammen lodern, sondern mehr qualmen als brennen. Die Mutter stellt nun i><r nack- tes Kind auf einige Minuten in den Kessel, damit es dadurch erstarke. Schliesslich badet sie das Kind in warmem Wasser.

Allgemein verbreitet ist der Glaube, dass man die Krankheit aus einem Dorfe in ein anderes überführen kann. Die VnnL<i be- fiehlt zu diesem Zwecke den Weibern, aus reinem Weizenmehl einen Kuchen zu backen, einen Biumenstrauss mit einem roten Faden zu binden und an denselben einige Geldstücke zu befestigen, schliess- lich eine tn, l»i (Tasche) zu nähen und den Kuchen sammt dem Strauss in dieselbe hineinzustecken. Ein Mann schleicht sich nun nachts in ein fremdes Dorf und hängt dort die Tasche an einen Baum oder Zaunpflock. Wer sie herabnimmt. in dessen Haus «iedelt die Krank- heit über. Oft sehen die B. im Traume das Herannahen einer Krankheit voraus und sammeln dann im Dorfe Gaben, für die sie ein Opferschaf kaufen und es abends auf dem Wege, auf welchem die Krankheit einherziehen wird, schlachten. Am nächsten Morgen ist es verschwunden. Der Krankheitdäneni hat sich gesättigt, zieht be- befriedigt vorüber und verschont das Dorf.

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22.>

Gegen Kopfschmerz und Gelbsucht werden die gleichen Mittel angewendet. Die B. scliöpft mit einem grünglasierten Tongefäss an der Stelle des Baches Wasser, wo die Kinder den Bach zu über- schreiten pflegen. Dann nimmt sie vom Herde mit einer Scheere drei glühende Kohlen heraus, macht damit das Zeichen des Kreu- zes über das Wasser, und wirft sie dann ins Get'äss hinein. Das Wasser mit der Scheere umrührend, nimmt sie die erloschenen Kohlen heraus und spricht die Formel:

.Wundervolle Völker giengen, bewunderten die wundervollen; Wundervolle Axt sie trugen, bewunderte, wundervolle; Auf wunderbaren Berg sie gelangten, auf bewunderten, wunderbaren ; Wunderbare Bäume sie fällten, bewunderte, wunderbare : Wunderbare Hürde sie machten, bewunderte, wunderbare; Wunderbare Heerde sie trieben, bewunderte, wunderbare ; Wunderbare Milch sie melkten, bewunderte, wunderbare ; Melkten sie in wunderbaren Zuber, in bewunderten, wunderbaren; Seiliten sie in wunderbaren Kimer, in bewunderten, wunderbaren; Kochten wunderbaren Käse, bewunderten, wunderbaren ; Seihten ihn durch wunderbares Sieb, durch bewundertes, wunder- bares;

Mit wunderbarem Messer schnitten sie ihn, mit bewundertem, wun- derbarem ;

Mit wunderbarem, schwarzen, mit bewundertem, wunderbarem ;

Nach 8 Richtungen trugen sie ihn fort.

Forltragen sollen sie auch Ivan's Siechtum,

Wie vom Weg den leichten Staub,

Wie den Nebel von der Donau,

Wie die Frau aus der Kirche,

Wie den Mann vom Felde,

Wie das junge Weib vom Horotanze,

Wie die Maid von der Bleiche,

Wie das junge Weib aus dem Bade.44

Dies spricht sie beim Herausnehmen jeder Kohle. Dann macht sie mit den Kohlen abermals das Zeichen des Kreuzes über das Wasser, und spricht:

„Teufel fliegt oben am Himmel, Teufel sitzt oben am Rauchfang; Teufels Seele, Teufels Körper, Nur Ivanka gehe nicht fort!"

Dies wiederholt sie dreimal, worauf sie 9 Kohlen ins Wasser wirft, und es dann mit einer Axt und der Scheere einigemal durchschnei- det. Axt und Scheere legt sie dann auf den Herd und gibt nun von diesem Wasser dem Kranken zu trinken.

Wenn das Kind vor etwas erschrickt, spreizt die Frau ihre

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22»;

Finger auseinander, und berührt mit der Hand die Erde, worauf sie die Hand auf den Kücken des Kindes legt, und spricht: „Die F.rde soll erschrecken, du aber erschrick nicht !" Hat das Kind auch Herz- hldpfen bekommen, so schneidet man das Herz einem abgefange- nen Sperling heraus (dn deka ie oste zivio) und lässt es vom Kinde hinabschlnckcn : daher die Redensart: Gletne fcivo srce = er hat lebendes Herz verschlungen.

Gegen ILihirrh bindet man gewärmten Zwiebel oder mit Schmalz gemengten warmen Sauerteig an die Kehle; oder man gibt dem Kranken mit erhitzten Eisennägeln erwärmten Branntwein zu trinken.

Gegen Hruxttrch trinkt der Kranke 40 Tage hindurch täglich einen Löffel voll Frauenmilch auf nüchternen Magen : ist der Kranke ein Mann, so muss das betreffende Weib einen Knaben geboren haben: ist aber ein Weil» brustleidend, so trinkt es die Milch einer solchen Frau, die ein Mädchen geboren hat.

Gegen den lü« rinn* tolhn Hundt* lässt man den Kranken Gitronen essen und räuchert ihn mit den Haaren des betreffenden Hundes. Wer einen tollen Hund erschlägt, legt ihn auf Stroh und verbrennt ihn, während er selbst einigemal übers Feuer hinüber- springt, damit er die Tollwut nicht bekomme.

Gegen Ko/ifinh bindet man dem Kranken ein Stück blaues Papier an den Kopf, das man vorher mit einer Nadel durchstochen und mit Weihrauch bestreut hat.

In Dobrie wird bei einer Kinderkrankheit, deren Namen ich aber nicht kenne, ein eigentümliches Verfahren beachtet. Die Krank- heit lässt sich daran erkennen, dass das Kind niemanden kennt, selbst seine Eltern nicht, wenn es sie auch früher wohl gekannt hat. Die Mutter darf das Kind nicht anrühren, sonst stirbt es. Die Haja«'ka nimmt nun ein schwarz gewordenes Messer, schwenkt es dreimal um den Kopf des Kindes herum, nimmt dann die Kopfbedekung dem Kinde herab und dieselbe anzündend, schwenkt sie den brennenden Gegenstand dreimal um den Kopf des Kindes herum. Hierauf* fordert sie die Mutter auf, sich ganz nackt zu entkleiden. Während die B. das Zimmer verlädst, entklei- det sich die Mutter, bedeckt das Kind mit einem schwarzen Tuche und dreimal um das Kind sehreitend, spricht sie: „Wer dich geboren hat, soll dich auch heilen !" Dann nimmt sie eine Has- pel, schreitet dreimal um das Kind herum und zerbricht dann über dem Kinde die Haspel. Nun kleidet sie sich an und geht in den Hof, wo sie die entzweigebrochene Haspel wegwirft. Mit der H. ins Zimmer zurückkehrend, schlägt letztere an der Stelle, wo das Kind mit dem Herzen gelegen ist, einen langen Nagel in den Erdboden. Schliesslich gräbt sie ein Loch in den Erdboden und findet dort eine Kohle, die sie in Wasser legt. Nun verwundet sie die Ferse des Kindes und fängt das entströmende Blnt in den Wasserbecher mit der Kohle auf. Ausserdem wird bei Knaben ein Hahn, bei Mädchen eine Hernie geschlachtet, und das BJnt des Tieres eben-

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falls in diesen Becher aufgefangen. Diese also bereitete Arznei wird dem Kinde eingegeben. Hierauf geht die B. mit der Mutter auf die Strasse hinaus, und heisst diese 40 Steinehen sammeln. Die Steinehen lässt sieh nun die Mutter in den Busen hinab und löst dann ihren Leibgürtel auf, worauf die Steinehen unter ihrem Kittel zur Erde hinabfallen. Diese Steincheu werden mit der Henne, beziehungs- weise mit dem Hahne in die Erde eingescharrt. Die hierauf folgen- den 40 Tage hindurch kocht die Mutter jeden Morgen Honig und Reis in Wasser und giesst dies dann auf die Stelle, wo das Huhn und die Steinchen vergraben liegen, wobei sie spricht: -So lange du mich brennst, brenne ich dich auch!" In diesen Tagen darf man dem Kinde die Kleider nicht ausziehen, man darf ihm nur die Hände waschen ; auch ist es nicht erlaubt, es auf einen Wagen zu setzen, es in die Kirche oder über ein Wasser zu führen. Die Mut- ter darf nach dem Brotkneten ihre Finger vom daranhaftenden Teige nicht reinigen. Dies alles wird nach Ablauf der 40 Tage in Gegenwart der Bajaeka unter gewissen Ceremonien vorgenommen.

Gegen das heisse /wVfor wird der Kranke an eine solche Stelle des Bachufers geführt, wo aus dem Wasser Gräser hervorspriessen. Die B. reisst dies Gras heraus, taucht es ins Wasser und um den Kranken dreimal herumgehend, bespritzt sie ihn damit und spricht:

«In Brand gerieten des Zaren Paläste,

Nichts kann das Feuer löschen;

Aber das kalte Wasser wisd es bald löschen.

Das grüne Gräschen,

Das gelblichte Hirslein!'

Bei Augentreh legt die B. den Daumen ihrer rechten Hand ans obere, den der linken ans untere Augenlid, und nachdem sie die Augenlider hin und herbewegt hat, sagt sie die Formel und bläst aufs Auge:

„Von unten her kommt die Samodive, Breitet aus ihren rechten Flügel, Rechten Flügel, grauen Flügel ; Sie bestäubt ihr rechtes Auge. Rechtes Auge, eignes Auge! Streute sich selber Staub hinein. Selber soll sie es sich heilen."

Oder man stellt ein mit Wasser gefülltes Gefäss unter einen Bienenkorb und wäscht damit gegen Osten gekehrt bei Sonnenauf- gang das kranke' Auge; hierauf macht man über das Auge drei- mal das Zeichen des Kreuzes. Augenkrankheiten werden auch mit Honig, Salz, Ohrenschmalz und Rosenwasser geheilt.

In der Gegend von Tirnov wird die Glietlerentzundung (kara- janek, cerno izgovelo = schwarzes ausgebranntes) folgendermaassen

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geheilt : Ein frischer Pflaumenzweig wird erwärmt und auf das kranke Glied gebunden. Eitert die Entzündung, so legt man erwärm- ten Honig darauf, wobei man an eine Spindel Wollfäden wickelt, dieselben in den Honig eintaucht, und so die Wunde betupft. Dann wird die \Yrunde mit Seifenwasser und Branntwein gewaschen. Beginnt die Wunde zu heilen, so legt man darauf Charpie und Terpentinöl.

In derselben Gegend bindet man sich gegen Hutten (remat, kihavic) über Nacht den Strumpf (comp) um den Hals.

Gegen Mitiultceh reibt man die Lippen mit erwärmtem Honig ein, der wenigstens ein Jahr alt sein muss.

Der Eifrunkfn« wird von einem starken Manne bei den Füs- sen an gefasst und im Kreise herum gedreht, damit das Wasser aus ihm herausfliesse. Oder man legt ihn auf einen Abhang, mit dem Kopf nach abwärts und schlägt ihn in den Rücken, damit das Wasser herausfliesse. Oder man hält ihm die Nase zu und bläst ihm in den Mund, damit er zu Atem komme. Bisweilen bläst man ihm auch Tabackrauch in den Mund und reibt seinen Körper.

Blff Z'j>'t inß'rnf werden in eine Grube eingescharrt und mit Erde ganz bedeckt, jedoch so, dass das Gesicht frei bleibt. Gegen lir*chir 'n>n wird die Formel gesprochen :

„Schwarzer Kuh Ihr schwarzes Kalb: Hat es selber geboren, Hat es selber geleckt, Heilt es auch selber."

Bei Tuherkulase sucht die Baja<'ka die Teufel und Samodiven aus dem Leibe des Kranken zu vertreiben, indem sie verschiedene Kräuter kocht und Zauberformeln murmelt. Dem Volksglauben ge- mäss versammeln sich dann die Teufel und Samodiven um den Herd herum und flehen kniefällig zur B. Schliesslich führt die B. den Kranken zu einem Baum, wo sie ihn mit Wasser begiesst, worauf die Teufel und Samodiven aus dem Leibe weichen und auf den Baum fliehen. Von jedem verdorrten Bauine heisst es im bul- garischen Volksglauben, dass man unter ihm einen Kranken begos- sen habe. Hilft dies Verfahren nicht, so ist das Febel ,ednomesecna" (einmonatlich). Es ist dann nämlich ein Verwandter des Kranken gestorben, der mit ihm, wenn auch nicht einem Jahre, so doch in gleichem Monat geboren wurde. Die Bajarka führt nun den Kran- ken vor der Morgendämmerung, zum Grabe des Verwandten, wo er sich mit dem Rücken ans Kreuz gelehnt niedersetzt. Hierauf bindet ihn die B. mit einer Kette ans Kreuz und steckt einen Schlüssel in ein Glied der Kette. Der Kranke fragt sie nun: „Was machst du?fc Die B. antwortet: »Ich binde dich mit einer Kette ans Grab." Nach einigen Minuten nimmt sie die Kette herab und führt den Kranken nach Hause, wo sie festlich bewirtet wird.

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Gegen Fieber gibt man dem Kranken in der Gegend von Lan- palanka Branntwein zu trinken, in dem man vorher einen Frosch ertränkt hat.

Die Auszehrung (suha boles) wird mit dem Fett des Meerbären (?) und Adlers geheilt.

Bei der „schwarzen Krankheit" (Epilepsie) hütet man sich den Kranken mit der Hand oder mit dem Fusse anzurühren, denn da- durch — heisst es würde des Kranken Hand oder Fuss verletzt werden. Dem Kranken wird Ochsen- oder Pferdemist in Wasser aufgelöst zu trinken gegeben. An der Stelle, wo er beim Fallen mit dem Kopfe gelegen ist, vergräbt man in die Erde eine schwarze Henne. Der Kranke darf sein ganzes Leben hindurch weder Hühner- noch Ziegenfleisch, noch Fische essen.

Bei Knechenbruch wird ein mit Essig angerührter Teig aufge- legt und das Glied zwischen Holzstücke eingeschient.

Gegen Schrecken gibt man der betreffenden Person abgeschab- tes Blei zu schlucken. Das allgemein bekannte Bleigiessen nehmen auch die B. vor. und sagen dann aus den Formen des Bleies das Tier oder den Gegenstand an, vor dem die betreffende Person erschrocken ist.

Epidemien können nicht geheilt werden, sondern müssen auf die bereits erwähnte Weise in ein anderes Dorf überführt werden. Alle Krankheiten sind personifizierte Wesen und werden Bolki blayi < selig) oder Bolki medeni (honigsüsse Bolki) genannt. Diese Wesen wohnen gewöhnlich in solchen Häusern, wo viel Wolle oder Hanf aufgehäuft ist. Auf diesen Sachen liegen sie den Tag über, nachts aber streifen sie auf den Wegen herum. Bei herschender Epidemie sorgt man. dass die Bolki's nicht noch mehr gereizt werden. Die Hunde werden nachts angebunden, damit sie die herumstreifenden B.s nicht angreifen. Selbst gewisse Speisen werden nicht gekocht, damit der Geruch derselben diese Wesen nicht aufreize. Zopf- artig geflochtenes Gebäck wird mit Honig eingerieben und an die Türe gehängt, damit die etwa hinkommenden Bolki's ihren Hunger stillen können. Auch werden frische Fita (Gebäck) gemacht, von denen man einen nebst einem Topf voll Honig unter das Bett des Kranken stellt, damit die Bolki sich sättige und den Kranken nicht gar zu arg quäle. Die übrigen Pita's werden im Dorfe mit den Worten verteilt: „Nehmt es für die Seligen und Honigsüssen !tt worauf die Antwort lautet: „Mögen sie ruhig und leicht sich ent- fernen!" Die B. s werden stets mit aller Ehrfurcht erwähnt und mit verschiedenen Kosenamen belegt. Dem Kranken gibt man keine Arznei ein, damit die B."s nicht gereizt werden. Gewöhnlich gehen drei B/s miteinander, von denen eine jede einem anderen Volke angehört. Die eine ist eine Djaurin (Kristin 1, die andere eine Türkin, die dritte eine Jüdin. Die Djaurin hat Mitleid mit den Kris- ten und bewegt auch ihre Gefährtinnen zum Abzug.

Ueber die bulgarische ( u/na (Pest) erzählte ein Bauer: Die Pest hatte auch meinen Vater getroffen. Er lag bewusstlos im Bette.

Ethn. Mitt. a. l ugm-n III. 1H

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als er einmal nachts Schellengeklingel und l'ferdegestampf vernahm. Er gieng vor das Tor hinaus und sah dort eine Karawane von unten her kommen. Zusammengekoppelte Rosse, mit allerlei Wunderdingen beladen (Frauenkleidern udgl.), wurden von walachisehen Zigeunern angetrieben. Auf dem Bündel des letzten Rosses sass ein Weib mit schrecklichem Gesicht, verworrenem Haar, furchtbar langen Händen, in der rechten eine schartige Sense haltend. „Sei gesund, Kosta!" sprach das Weib zu meinem Vater! «Bleib auch du gesund Mütterchen!" versetzte mein Vater, „ich kenne dich nicht: wer bist du, dass du mich bei meinem Namen anredest V" „Ki, mein Sohn, wie sollte ich dich nicht kennen, wenn ich dich ja auf der Stirne gezeichnet habe. Ich bin die Pest; hier werde ich nun nicht mehr arbeiten; ja das bin ich, mein Sohn Kosta!" Hierauf eilte das Weib der Karawane nach. Die Hausgenossen schliefen und erst spät bemerkte meines Vaters Schwester Dafa seine Entfernung. Sie eilte hinaus und da erzählte ihr mein Vater den Vorfall. Von der Stunde an starb dort niemand mehr an der Pest.

Ein ähnliches Wesen ist die liaba mrku oder Hoyinje ( Variola vera). Gegen diese Krankheit wird keine Arznei angewendet, höch- stens gibt man darauf Acht, dass die Mutter des Kranken nicht ar- beite, dass man während der Krankheit nichts kaufe, dass man das aus dem Krankenbette herausfallende Stroh nicht verbrenne. Wer an dieser Krankheit stirbt, wird gewöhnlich von den Geistlichen nicht zu Grabe geleitet, damit der Weihrauch nicht die Baba sarka reize und sie alle Bewohner des Dorfes töte.

Selbst der Gesunde wagt es nicht, sich mit seiner Gesundheit zu brüsten, damit die personifizierten Krankheiten dies hörend, ihn nicht krank machen. Auch Gott und Teufel, die Samodiven und Russal- ken können den Menschen krank machen. Der grösste Feind der Menschen ist aber der Teufel, der im Sturmwind dijavolsko horo = Teufelshoro : Horo = südslav. Tanz) heranbrausend, in den Menschen fährt, oder wenn der betreffende abends oder nachts Wasser trinkt, ohne sich vorher zu bekreuzigen. Auch Menschen, die ein „böses Auge" haben, können ihre Nebenmenschen, besonders Kinder, krank machen. Die Samodiven machen denjenigen krank, der auf ihrem Aufenthaltsort herumschweift. Dem bulgarischen Volksglauben gemäss sind sie der Entstehungsgrund von Gangrea pedum, Euleralgia. Typhus, Nephritis. Vitium cordis. Krankheiten, und zwar 0<j>'<un<i (Paraplysis hemiplegia, paraplegia> ja selbst Wahnsinn, können die liussalki 1 erzeugen.

1 Die Uussalki's oder Russenici's waren Nymphen, welche die Suatt-n schädigten und den Menschen Krankheiten verursachten. Die alten Bulgaren brachten ihnen an besonderen Tagen Opfer dar. und auch heute noch ist eine ganze Woche (rus.salka nedeljaV ihrer Verehrung gewidmet, ja in der (iegend von Kukusch (Mazedonien) wird sogar '20 Tage hindurch, an den sog. „pogani dni* -Tagen, ihre Feier begangen. Zu diesem Zwecke bildet sich eine (iesellschat't irussalki dru>ehini = (Jesellsch. di r H. i, die in Bezug auf Kleider. W'atlen u. s. w. besondern unabänderlichen Bestimmungen unterworfen ist. Am ersten Weihnachtstage versammeln sich die Mitglieder beim Dorfgeist-

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In den Nächten der sog. Mrsnite-TiLge (11 14. Januar) sau- gen die verzauberten Bären und Wölfe allen denen das Blut aus, welchen sie nachts begegnen.

Albanixmus partialis entsteht dann auf der Haut, wenn der Betreffende auf einer solchen Stelle der Erde geschlafen hat, wo weisses Geld" (Silbergeld, beli pari) vergraben liegt. Hautkrankheiten entstehen auch dann, wenn die Mutter während ihrer Schwanger- schaft etwas gestohlen hat. Enteralgia bekommt der Mensch, wenn er auf eine Stelle tritt, wo sich Hunde gebalgt haben. Gelbsucht wird durch langes Schlafen verursacht. Rheumatismus bekommt man, wenn man an Feiertagen arbeitet. Wenn Jemand den Neumond anblickt und dann unmittelbar auf einen Menschen sieht, so bekommt dieser das heisse Fieber. Blattern erzeugen die bereits erwähnten lioginja oder Baba sarka. Husterische Weiber haben sich bulgarischem Volksglauben gemäss mit den mythischen Wesen, den sog. Smefs geschlechtlich vermengt, welche oft das Herz eines solchen Weibes „trinken- (pijat srceto). Häufig kommen Brustleidende zum Arzte und versichern, dass sie ihr Leiden dadurch bekommen, weil man ohne ihr Wissen ihre Körperlänge abgemessen und in ein Gebäude eingemauert habe. Hundegeheul zeigt Krankheit oder Tod an. Wenn eine Schwangere über einen Strick springt, gebiert sie schwer.

liehen, um von seiner Wohnung aus sich auf den langen Weg zu hegeben. Unter Küssen und Umarmungen nehmen sie Abschied von den Ihrigen, denn oft kommt es vor, dass der eine oder andere auf dem Wege stirbt und dort, wo er gestorben, auch begraben wird. Während der ganzen Festzeit dürfen die Mitglieder kein einziges Wort aussprechen, weder sich bekreuzigen, noch beten, noch einen Gruss sagen. Eine Ausnahme hievon bilden die beiden Anführer der Gesellschaft. Wenn die Gesellschaft Horo tanzt, muss jeder darauf achten, dass er seinen Fuss an die Stelle setzt, woher sein Vorder- mann den Fuss aufgehoben hat. Den Tanzkreis darf Niemand verlassen, aus- genommen die Kranken, die mitten im Kreise stehen und von dem nach dem Tanze ihnen auf die Stirne gezeichneten Kreuze Wiedererlangung ihrer Gesundheit erhoffen. Wenn die Mitglieder dieser Gesellschaft aus einer Ort- schaft in die andere ziehen, dürfen sie in kein Wasser treten, sondern müs- sen über dasselbe hinwegspringen oder auf Wagen sich hinüberfuhren lassen. Von Dorf zu Dorf geht diese aus 20— 40 Bursehen bestehende stumme Gesell- schaft, die überall feierlich empfangen wird, weil man glaubt, dass wo sie erscheinen, dort Jedermann gesund bleibt. Begegnen sie einem Leichenzuge, so wird der Sarg auf die Erde gestellt und jedes Mitglied der Gesellschaft springt darüber hinweg. Wenn zwei solcher Gesellschaften sich auf den» Wege begegnen, so weicht keine der anderen aus: es sei denn, dass die eine an Zahl bedeutend schwächer ist, u. dann als Zeichen der Ehrerbietung und Er- gebenheit ihre als Waffen gebrauchten Brettscheite mit dem »pitzen Ende in die Erde sticht. Diese Scheite eignet sich dann die stärkere Gesellschaft an. Gewöhnlich aber kommt es zu blutiger Schlägerei, wobei früher auch Tote die Wahlstatt bedeckten und dann ohne kirchliche Ceremonie dort beerdigt wurden. Heutzutage gehen jeder Gesellschaft Kundschafter voraus, um das Begegnen zweier Gesellschaften womöglich rechtzeitig zu verhindern. Den Schluss dieser Feier bilden dann christliche Ceremonien (Gebet, Kreuzküssen, Segen u. dgl.) Bei der Heimkehr werden sie vom Geistlishen in der Kirche erwartet, worauf jeder nach Hause geht. Auf dem Wege küsst er Jedem, der ihm begegnet, dio Hand, als Zeichen der Freude, dass er im christlichen Glauben hat von Neuem geboren werden können. Am letzten Festtage wird ein Schaf geopfert,

lb* ^

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Schaukelt man die leere Wiege, so erkrankt das Kind. Speit nur. beim Entfernen aus dem Hause nicht auf das kleine Kind, so i«rm man es. In diesem Falle zeigt man oft den Nachlässigen dem Tor- richter an und verlangt seine Bestrafung. Wäscht man des kleiner, Kinde« Kleid am Samstag mit Seife, erkrankt das Kind. Wenn da* Kind mit Gebäck spielt, bekommt es kalte Füsse und wird kranl

Wer die Sterne zählt, bekommt an den Händen Wurztn: mit wer >i«-h im Frühjahr beim ersten Donnern nicht auf der Erde wäli*. bekommt das Fieber. Wer sirh Salz ausleiht und es nicht zunVkgtt: oder wer Salz stiehlt, bekommt Aufjeniceh.

So wie man au gewissen Tagen besonders leicht krank werd*- kann, so ist man auch im Stande, an bestimmten, dazu geeigneter Tagen seine Gesundheit zu befestigen. Zu diesem Zwecke wird an. ö. Januar Weizen gekocht: nachts geht der Hauswirt zu einer ouelle, um Wasser zu schöpfen, das für alle Krankheiten ein Hei mittel ist. An leichterem Siechtum Leidende waschen am t>. Jonas' im Bache ihre Kleider, damit sie ihre Krankheit los werden. Am IS. Januar trägt die Hausfrau ein Tuch zur Kirche, damit die FamilK gesund bleibe. Am 2. Februar backen die Frauen .Pita" und ver teilen dies Gebäck, damit ihre Kinder gesund bleiben : zu gleiche- Zwecke backen sie am Aralatage «10. Febr.; Honigkuchen. An, Vlas-Tüge 11. Febr.) werden Speisen auf den Weg gelegt, dam: die Weiber nicht schwer gebären. Am Marthatag 1. März bind* man sich rote und weisse Fäden i mnrtinirn genannt ans Hand- gelenke, damit man kein Fieber bekomme. Wer am Blagiivec-Taff (2Ö. März einen Storch erblickt, bleibt das ganze Jahr hindur< '. gesund. Der Georgstag (25. April) ist auch bei den Bulgaren d^* Tag der Hexen. Was für Kräuter immer die Baja< ka's an diesem Tage sammeln, alle werden heilkräftig. An diesem Tage tötet d- unfruchtbare Frau eine Schlange, schneidet ihr den Kupf ab um steckt ihr ins Maul eine Bohne, worauf sie den Kopf in die Eni- einscharrt und zwar ausserhalb des Dorfes an eine solche Stell«*, wo man den Hahnenruf aus dem Dorfe nicht mehr vernehmen karr Sprichst die Bohne aus der Erde hervor, so wird die betrenVikl- Frau ein Kind gebären. Wer am Lissei-Tage (14. Juli) arbeitet, »im krank, bekommt gewöhnlich Gesichtsschinerz. Am 15. Juli badet die Kmder nicht, damit dieselben nicht bis Abend sterben. Di»««*- Tag i-t besonders den Kindern gefährlich. Am 1. August isst Jedr; Knoblaucli zu Abend, damit er das Fieber nicht bekomme. AugiK wird überhaupt für einen unglücklichen Monat gehalten. Am 24. um' 2~>. September feiern die Schwangeren, damit sie keine unglücklieb Geburt haben. Am 14. Oktober darf man nichts arbeiten. son*t wi^ man wahnsinnig. Der Demetertag 24. Okt.» hat dieselbe Bedeutusu wie der Georg^tag. Der 1. November heisst *r/7i mir und gilt au*' für einen Feiertag der Krankheiten. Am 4. Dezember (Rarbarata; giesM man Kerzen i \'>nr t><kn ,<n-*ti und zündet sie vor dem r>>» an, damit man von Krankheit verschont bleibe. Diese Kerzen wt-nitv, auch während des Gebarens angezündet.

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Amuhte (sapissü gelten auch für ein kräftiges Abwehrmittel gegen Krankheiten. Die Anmiete bestehen gewöhnlich aus einem Leinwand- oder Lederstückchen, das an der Brust getragen wird. Besonders gebrauchen die türkischen Bewohner Bulgariens derglei- chen Talismane (talasum) und Amulete (amamli).

Für ein approbates Heilmittel gilt der Aäerlats. In jedem Dorfe gibt es 1 5 Personen, die sich damit oft in unmenschlichster Weise befassen und häufig den Tod der Patienten (infolge Anemie) ver- ursachen. Das Gesetz von 1888 scheint jedoch heute diesem über- flüssigen Blutvergiessen einen Damm gesetzt zu haben.

Massage wird gegen mancherlei Krankheit angewendet ; zur Einreibung wird Spermacet, Hasen- oder Bärenfett gebraucht.

Heilkräuter werden an gewissen Tagen, besonders an Enov-Tag gesammelt. Der Gebrauch vieler Kräuter blieb noch von den Griechen und Hörnern zurück ; die Anwendung so manches Krautes wurde aber von den Türken erlernt. Bilere, Wunderärzte, nannte man die Kräuterverkäufer. Eine bulgarische Sage berichtet: Als Gott den ersten Menschen geformt hatte, machte er in ihn ein Loch und Hess ihn dort liegen, um ihm am nächsten Tage durch das Loch hindurch eine Seele einzuhauchen, lieber Nacht kam der Teufel und durch- löcherte den ganzen Körper, indem er glaubte, Gott werde denselben nun liegen lassen und sich einen neuen formen. Gott aber stopfte am nächsten Tage alle Löcher des Körpers mit Heilkräutern zu, worauf er Seele in den Körper hauchte und denselben lebendig machte. Gott segnete nun diese Heilkräuter, damit sie dem Menschen bei Krankheiten nützen sollen. Diejenigen Kräuterarten, mit welchen Gott die Löcher des Kopfes verstopft hatte, nützen nun gegen Kopf- weh ; diejenigen, welche in den Löchern des Bauches waren, dienen gegen Bauchschmerz ; mit denen die Löcher des Fusses verstopft waren, gegen Fussweh u. s. w. Entdeckt nun ein Mensch ein solches Kraut und teilt er seine Entdeckung seinen Nebenmenschen nicht mit, so versündigt er sich gegen Gott und erweist dem Teufel einen Gefallen. Deshalb nehmen die Bajacka's auch kein Geld für die Heilkräuter an. höchstens einen Para (7s Kreuzer) ; daher die Bedensart auf einen Armen angewendet: „Er kann nicht einmal die Arzenei bezahlen!" In Bulgarien kennt man ungefähr 200 volks- tümliche Heilkräuter, von denen viele in dem vom bulgarischen Zaren Simeon verfassten Zbornik erwähnt sind. Interessante BegrifFe hat das bulgarische Volk von der medizinischen Wissenschaft. Häufig kommt der Kranke nur deshalb zum „carski doktor* (kaiserlichen Arzt), damit dieser ihm sage, woran er leidet. Sagt der Arzt dem Kranken das Leiden, dann wendet er sich an die Bajacka um Hilfe gegen dasselbe. Verschreibt der Arzt ein Medicament, so lässt es sich der Kranke häufig in der Apotheke nicht machen, sondern legt das Becept in ein wassergefülltes Gefäss und trinkt dann dieses Wasser ; oder er verbrennt das Papier und nimmt die Asche desselben ein, auf diese Weise Heilung für sein Uebel suchend.

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König Mathias und Peter Gereb.

Ein 1 >nl^arlsiches Giilnrenliec 1 ;ms Bosnien. Von Dr. Friedrich S. Kraus*.

V. Erläuterungen. Fortsetzung-

Mibidinovci (Bolgarski nar. pjesni, Agram 1861). S. V. Koga sje svorsit druga ta pjesna, pak vtora-ta horovodka sje faStal na kraj-ot, a laja sto je po nea sje cinit horovodka a taka so red si-te momi sje C-inat horovodki nekolku poti. Ebenda: tanci-te oste sje einat pod zvuk-ot od gajda-ta. Takvi narodni hora sje cinele i v drugi te gradiSta. S. 11. Nr. 12: uc*ini te golem junak za zenenje; porva godina Oes sum cinila na moj-ot tatko, vtora godina na mila majka. 19, 19: ein me boze malko pile: 23, 27: rako'i-te svadba cinjet (die Krebse machen Hochzeit); Nr. 27, b): ezo'i-te scir cinjet die Igel schauen zu: 5.24: golem aink da mi Cinis, grosses Freudenfest machen : 25, 29 : Tatko ti ke doit zertva da cinis (Opfer machst), a ti sinu wir da (jUda* (zweimal): 29.31 : sto se endo ucinilo vo grada Troema? Was hat sich für Wunder gemacht: 29, 31 : kail sje cini'a troemski hristjani : 30: on je kadar i zorbalok da Cinit, Gewalttat machen: 4t), 38: habet- ti stori na tvoji tatko: 58,49: grjeh sto si storil : 48, 44: i na tfas sje pisman stori; 49. 45: nesto milost da im storis; 45, 48: a egidi mladi kalugeri, da vi kazam sto ke mi cinite ! ne mozemo nisto da storime, tuku gospod derman da ni storit : S, 55: oti car-ot nisto ne im storit: 70, 75: vo dvore'i korf da ne cinite, Ihr sollt im Hofe kein (Menschen-)Blut machen, d. h. vergiessen: 80, 59: svadba cinit: 82, 60: za da vidim Sto uner cinite, Wunder m.: 92, 66: mi za tebc rizda cinirna (bis); 96. 67: ridza im cinit, molba sje niolit: 115, 82: s krilje mu senka cinele; 110, 78: velikden ke cinarri ; 116, 84: svadba cinit; 122, 84: so latini pobratimstvo einiS; 127. 88: alal da mi cinit für alalis ; 143, 97: divan da mu eine : 144, 97 : s griba mu senka eine^e, mit den Mähnen beschatten sie ihn; 153, 102: 150 konja lakardii cinil, und er sprach vom Pferd herab : 164 ; 110: Janika sje storila dobra moma za mozenje: 177, 170: aj druzina da si sje cinime, dass wir uns zu einer Gesellschaft vereinigen: 183, 127: vino pijet, muäafere cinjet S. 184. 127 = 203, 124, trinkt Wein, macht Gespräche; 188, 139: na svobota svadba Cini : 205. 142: da ti storit Oudo i golemo, dafür 82, 60: 232, 147: uner c,: 208. 143 izmet e. : 214, 143: metani eine na nebo, na zemlja, v^Txvoiav -oisTv ; 218. 144; 263, 161; 324, 206; golem aink cinjet; 219, 144: veselba e.; 220, 144: ke sje cina mladi mustuklzija ; 228, 146: dzejnk da cinis s edna

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2;sr>

zenska pola, Kampf machen; 248 158 miada robina divan mu rinit ; 25h läiLi saber cini: 254, lü3_: sluga ti ke ö. : 260, liüh izmet, armas cini'a ; ebenda : oblok ne iMnihme, eda da sje obloiimc wir haben keine Wette gemacht, wohlan, wetten wir nun ; 26(5, 173 : zbor öinile do edna nedelja ; 282. 181 : izmet e. ; 2Öä : izmet mi storila; 287, 18.2 : kabul cina; 294, 184: uner napra'i, uner mi storila, svadba mi Cinila; 306, lakardiji cinjet; 314, 1Ü8: ako

mozem sem sluge da cjnam, ja ne mozem sem ljubov da bidara, wenn ich auch alle bedienen, allen Schätzchen .sein kann ich nicht; 315, 1^8: svadba e. ; 323, 205 : pomost da mi C-ine, Hilfe machen; 324, 205; izmet c. ; 348, 240: alal cini bjela riza ; 356, 252_l na sablja-ta delba ne sje öinit, Teilung machen; 366, 2ü2: ^teta da mu cinjet; 377, 222j seir c, ; 380, 300 : s nevjesti zbor si cinese; 381, 301 : ergeni oblok si einat; 406, 370 i cinit golemi zulum ; ees cinit; 407, 374: kabul cinese; 411, 381: kail cinis; 412, 383: ti Bista los cinuvase, Kista pijan cinuvase; 429, 425: Cini stramota; 434, 438 : benka menje cini, hat mich gezeichnet ; 448, 475 : vecer cinime porviee, abends machen wir die Erstlinge: 498, 643: majka me rezil cinila : 503. 633 : sinovi mu kuluk cinat, die Söhne machen ihm Dienstbarkeit : 121, 8Ai pisman sje storila; 131, 88 : stori golema unera ; 131, 88 : da storis golema donamba ; 154, 102; keif da je storis, serbisch: ceif grabiti, e. ; 182, 126: svadba da storime: 185, 121: uner stori Mitreica ; 210, 143 : noke ke sje storit: 228, 146 : molba storit. da mi sje zastojet, er bittet, er möge war- ten ; 232, 147 : da sje storit golema teptili ; 263, 170 : da mi sje storis dobra devojka, da m. s. s. mosne bogata; 349, 242: ova eudo sto stori; 350 243: stori teska magija; 386, 312: sje storihme dva goloba : 452, 488 : mome sje pisman storilo ; 508, 650 : dzeink sje storilo; 509, 656: di si mi magija storila*?; Aus /. Bni/orov : Bulgarski nar, pjesni. L Sofija 1879. Siehe T. L 1 : hair da ocine, 14, 14j = 60, 54; ÜL 15j 24, 24_; 35, Ml djelba ciniha - 4h 40; ÜLL 54 usw. Aus V. Kacanovskij : Sbornik-zapadno bolgar- skih pjesen, St. Ptbg 1882, S. 89, Nr. 2L V. 5_: mir da öini, Frie- den machen; 90, 22. 23: zifet da c. Lilo kasapin ; 90, 01, 3i divan da c. (bis); 107, 39, 54_* metanija mu cini; 127, 52, LL: devet sem kervi uciuil, deseto dete Stojano, zivju go na razen pekoh neunmal machte ich Blut, das zehnte tötete ich Stojan, briet ihn lebendig am Spiess ; 138, 66, 4 ' cinilo zakon, machte Gesetz, d. h. vereinbarte ; 147 ; 69. 94 : da kum mu mjesto einja ; 1 K7, 70, 13 : svadba pravil = 151, 71, 1 1 : 1 79, 87, 1Z_: kakva ti e steta ucinelo: = 181, 88, ; 185. 89, 46: otu si pakost napravila? 187. 91, 18 : zlo il , 197. 94, 58. golem sem oblog napravil; 214, 106, Ll car Fetar svadba pravese; 225, 112, 1 12: Kavga da si pravi ; 232, 114, V. M u. 62_; izmet c. 243, 119, V. 9Q u. 232 : teslim ucini, Geschenk machen ; 247, 189, 317 : ater da strosim, sonst: cinim ; 249, 120, 62 : sala da prava; 257, 122, 70: tovra da prava. Übermut machen, d. h. sich übermütig betragen; 24V), 135, Li tembi cini cara Sulejmana; 314, 142, 24 : steta e. ; 314,

23«

142, 52, mjesto nacinise : 330, 148. Ii: sekoj junak ispitie «'ins, jeder Held macht Fragen, frägt: 3811, 150. 128: gajlet da m'iaa 378, 1<>4, 37 46; dobro da cinam : ce se napravim mlado jant eerce: 416, 177, 155; dva brata se prigernaha. cinija zdravo. tix<. sie taten einander „gut Heila. »sollst leben' (sagen): 439. 181. 10 cana ucinilo, veräussern, verkaufen. Preis machen auf dem Markte er will nämlich seine Frau verkaufen: 453, 185. 39: timar rineba 453, 185, 48: alal da mi cini: 467, 189, 35: pazar napravili. wurden handeleins: 471, 191, 2: gosba da si cini, machten Mahl zeit, essen; 494, 200, 63; sabor stori Pctrovitin. In Westbnlgaim ist diese Phrase äusserst selten. 502, 200, 322: poklon napravii 515, 209, 7 : konee mu cini tri grada kolko Sofija i sotijska-U nahija ; 517. 210. 5: teferice eine; 523. 214, 5: zulum mi napravii. 523, 214, 9; zalba storile golema, sie trauerten sehr; 524. 214 23: golem mezlik storia : 536, 216, 169: tri nedelji svadba pravil<

Zu V. 2. An drei Freitagen und drei Montagen, her Freit« ist bei den Moslimen ein Ruhe- und Festtag und der Montag p'r für sich als ein glücklicher Tag für jeden Geschäftbeginn und jed>- lTnternehmung. Auch die bosnisch-herzögischen Bezirkhäuptlinge de* Guslarenlieder pflegen sich gewöhnlich an Freitagen und Montaner, in den Weinkneipen oder in Kafleschänken zu Beratungen oder heldenmässigen Aufschneidereien zu versammeln.

Zu V. 4—5, Gospoda. Der Titel gebührt nach dem alte: Sprachgebrauche nur den ein hohes Regierungamt innehabenden Befehlhabern, die dem Landherrn gegenüber wieder ihrerseits nu- Knechte, Diener, Lastträger sind. Lala, Hofmeister ist der alljr? meine Name für einen höheren Hofbediensteten. Hammer a. a. «■ IV. 17. In einem Guslarenliede spricht der Sultan seinen erster. Vezier so an :

lajo moja, muhur sahibija.

sto mi zemlje i gradove cuvas!

O Lala mein, des Sigels Herr und Hüter.

der Länder mir und Städte du behütest!

Ueber den Sigelbewahrer mühürdar siehe Hammer V. 443 VIII. 12, 496. IX. 28. Er heisst auch mumejiz der Durchseher der Geschäftaufsätze IL 230, IX. 30, Die Veziere waren Paschen toi, drei Rossschweifen, Vorsteher der Pforte, mit anderen Worte rid- Zalen, Minister, Hammer VII. 513, 567, VIII. 391. Pascha ist wir dem pers. pai-sah, Fuss des Schah. Das ist ein Rest jener uralter, persischen, von Xenophon überlieferten Staateinrichtung, vermag welcher Cyrus die von ihm eingesetzten Staatbeamten seine Küsse Hände, Augen und Ohren nannte (Xenophon. Kyropaed. L. VIII. 2. Die Spur dieser alten morgenländischen bildlichen Vor?tellung hat sich bis auf heute in dem Titel Pasa erhalten; die Pasen als Statthalter Heeranführer und Veziere sind die Füsse des Königs. Hammer I S. 141. f.

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Zu V. 7. Betreffs der 7 Könige, der Herren von 7 Landen vrgl. Krauss: Orlovic, Der Burggraf von Raab, zu V. 177, S. 81—93. Die Wendung ist nicht buchstäblich zu nehmen ; denn dem Guslaren ist es nur darum zu tun, hier den Machtbezirk des Sultans anzudeuten. Bulgarische Ueberlieferung weiss sonst auch von noch mehr Königen zu sagen (Miladinov, Bulg. n. p. Nr, 341. S. 395):

sabrale sje sedumset kralevi, megju sebe tie zboruvaet:

Kolku imat ot more do Dunav, sedumdeset i sedum gradoi,

ot Legena pogolem grat nemat.

Versammelt waren siebzig Könige, und gaben ihre Meinung leise kund:

So weit vom Meer es bis zum Donaustrom wohl siebenundsiebzig Städte geben mag,

an Umfang misst mit Legen keine sich.

Zu V. 7 Vrgl. Krauss: Smailagic Meho, zu V. 738, S. 111. Ha- rac und porez bedeuten dasselbe : Steuer. Die Nebeneinandersetzung des fremden und entsprechenden slavischen Wortes (coordinirt) sehr häufig, Vrgl. Beispiele in meinem Sm. Meho zu V. 841. S. 94. Das zweite Wort ist regelmässig in solchen Fällen eine Uebersetzung des Fremdwortes. Im nichtpoetischen Sprachgebrauche seltener, doch finde ich bei neuesten serbischen Erzählern, die doch genauer zu entscheiden wissen, für Rose gjulrujica. Gjul = gül ist Rose. Klingt auch ihnen etwa solche Tautologie poetischer?

Zu V. 8. Schlüsselübergabe als Symbol der Unterwerfung und Auslieferung auch unter Slaven und Orientalen üblich. Wer die Schlüssel besitzt, gebietet im Haus und Hof, so auch die Schaflherin. Vrgl, Krauss, Sitte und Brauch der Südslaven, Wien, 1885. S. 91. Z. V. g. jogunica, türk. jogun, dick, unbeholfen, schwerfällig; als Lehnwort im serb. : ein übermütiger, zu tollen Streichen aufgelegter Mensch. Jogunluk, dreiste, frevle Streiche. 2. V. 11. Zwölf Jahre: wir würden sagen : seit einer geraumen Zeit von Jahren. Bei der jeweiligen Tributablieferung mussten die Abgesandten der Vasallen jedesmal nach türkischem Hofceremoniell gleichsam als Unterworfene mit dem Zeichen der Botmässigkeit versehen, der Pforte nahen. Die Entgegennahme des Tributes erfolgte als ein Gnadenakt des Siegers.

Z. V. 16. 300.000 Mann, nur als runde Zahl, für unendlich viel.

Zu V. 18. galija, vom it. galea, galia, Dreiruderschi ff, Galeere, türk. gemi und dann serb. gjemija; mala, tanka, velika gj. kleines LangschifT, grosses Schiff, auch für Nachen. In einem Guslarenliede :

preko mora sam vozi gjemiju, sam je vozi, sam je domeniäe; docerao dedo pod brdo.

2tfS

pa do kraja doeera gjemiju ; u ledinu kolac udario, za kolac privezao gjemiju.

er fährt allein das Schifflein übers Meer, er fährt s allein und lenkt es auch allein; es trieb der Greis es gen das Ufer hin, und trieb das Schilf hart ans Gestade auf; er rammte in den Rasen einen Pfahl und an den Pfahl das Schifflein band er fest.

Auf grossen Galeeren warf man gebotenen Falles auch Anker aus. Die „hundert" Schilfe dienten vor allem für die Beförderung der Kanonen und der Munition. Flussaufwärts halfen aus dem Tross Sclaven als SchilTschlepper mit.

Zu V. ID. In Guslarenliedern kommen verschiedene Namen für Kanonen vor, z. B, baljemez topovi, grosse Kanonen oder scharfe Metzen (vrgl. Hammer a.a.O. III. l'.K). VII, 34); sibe pregonice Feuermörser ; halkali topovi Pöller; matice kumpare schw ere Karthaunen ; carak topi mali Viertelknithaunen, z. B. :

dok na gradu drmnuse topovi. pet stotina baljemez topovä, zapucaSe nbe pregonice .... oder : nek nam dade jedan miljun vojske i hiljadu halkali topova, i pet stotiu matica kumpara i stotinu carka topa mali na svu vojsku kuvet i zahiru, ua topove haznu i dzebhanu, pot topove konje i volove pa hocemo s carom zaratiti.

Was sich ein Guslar unter diesen Namen für Geschütze vor- stellen magen, ist kaum sicher zu ermitteln, jedenfalls imponirt er damit sich und seinen Zuhörern. Im allgemeinen knüpft sich an den Namen eines Geschützes eine gewisse Vorstellung von dessen Grösse, aber in den verschiedenen Ländern und auch zu verschiedenen Zeiten ändern sich diese Begriffe. Der Grösse nach wurden am Ende des 16. und am Anfange des 17. Jahrb. die zu Graez gegossenen eigent- lichen Kanonen in folgender Weise geordnet : Karthaunen, Notschlan- gen, Singerinnen, Feldschlangen, Falcaunen, Doppelfalconet, Halb- karthaunen, Viertelkarthaunen. Öuartierschlangen und Schlangen, Feuermörser, Haubitzen, Pöller. Die Türken, zur Zeit der Entstehung unseres Guslarenliedes pflegten Kanonen erst vor den belagerten Festungen zu giessen. In den älteren Zeiten war die türkische Kriegführung auf Belagerung von starken Festungen gar nicht ein- geführt. Die Kunst der Kriegführung bestand meist darin, das Land

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zu verheeren und den Festungen jede Zufuhr anzuschneiden. Oer in V. 20 ff. ausgesprochene Vorsatz blieb in der Regel keine leere Drohung. Das Pfählen war meist nur die Strafe für Spione und Buschklepper. Gefangene verkaufte man in die Selaverei oder behielt sie zum Austausch zurück. Solcher Brauch bestand sowohl im tür- kischen, als christlichen Lager. Hüben und drüben zogen Sclaven- händler mit dem Tross mit.

Zu V. 19. Heber die Namen für Ungarn s. Kraus» im Orlovic, S. 84. V. 1 10.

Zu V. 20. Knezovi Dorfschulzen, Kmetovi Lehensbauern. Vrgl. Salamon a. a. 0. Gap. XL

Zu V. 23. Franziskaner, Fratres als Klosterbewohner, popovi Pfarrer der griechisch-orientalischen Christen. Zu Führern des Vol- kes stempelte sie erst recht die türkische Verlassung und machte sie häufig für politischen Aufruhr der Bevölkerung verantwortlich, selbst wenn sie daran unbeteiligt geblieben waren.

Zu 25. vodi ladnoj. Dem an warme (Schwitz ) Bäder gewohn- ten Orientalen und dann dem südslavischen Bauern ist offenes Fluss- wasser kalt. W enn der Sänger kein anderes Epitheton einem Flusse zu geben weiss, vielleicht aus Unkenntnis der jeweiligen Verhältnisse, so nennt er ihn kalt.

Zu V. 29. In 15 Tagen. Im Commentar zu ,La (in du roi Bonaparte4, Paris 1889, S. 22 bemerkte ich: Comme d'apres la vieille coutume judiciaire en France on dit .quinze jours4 aussi chez les slaves du Sud. Pourtant le delai ne comporte que deux fois sept jours. On y ajoute un delai en sus d'un jour, pour rendre plus possible rexaetitude ä eelui qui est assigne. D'apres les cnan- sons des Guslars le temps qui s" ecoule entre les fiancailles et le mariage comporte generaleinent quinze jours (14-f-l >. Par exemple dans Smailagic Meho le heros dit ä sa belle mere pretendue : V. 849: s. : Ma chere vieille. tu devras m'attcndre moi et les hötes pour les noces pendant Lespace de quinze jours". Si le fiance est inexaet, et s'il ne s'en tient pas au terme convenu, le prix qu'il a paye pour Ia fiaucee devient caduc, la demoiselle recouvre sa liberte et peut en epouser un autre'. Meine Auslegung des Zuschlagtages zu der Frist von zwei Wochen linde ich auch durch den deutschen Rechtbrauch gerechtfertigt. Bei IL. linrefnml (Die sprichwörtlichen Redensarten im deutschen Volksmund nach Sinn und Ursprung er- läutert, Leipzig 1S8S) steht auf S. 245 zur Erklärung der Wen- dung ,nach Jahr und Tag' : .Eine altdeutsche Rechtformel, die sich bis auf unsere Zeit erhalten hat. Ursprünglich bezeichnete der Ausdruck die Verjährungfrist, also den Zeitraum, der verflossen sein musste, um im unangefochtenen Besitze eines Grundstücks zu sein : ferner als Bestimmung für die Dauer des Aufenthaltes1. „Sachsenspiegel" 1, 34; 1, 38: 2. 31; 41, 42. 44: 3, 38. 53, 83. Diese Frist galt nun nicht so viel wie ein Jahr und ein voller Tag, sondern war gewöhnlich normirt auf ein Jahr, sechs Wochen und drei Tage. (Gaupp, .Schlesisches Landrecht.- L 28 (Leipzig 1828.)

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Ein verkaufter Knecht wurde nach altfränkischem Recht auf Jahr und Tag gesund garantiert (usque ad annum et diem). Vrgl. Grimm, Rechtaltertümer, 222 f.), d. i. ein Jahr und dreimalige Wie- derholung der vierzentägigen Frist mit drei Tagen Zugabe. Die Zu- gabezahl haben wir auch in der achttägigen Frist (7-j-l); desgleichen in dem französischen quinze jours (14-f-l)Ä Die Anmerkung Bor- chardts, dass dieser Ausdruck offenbar auf deutschen Einfluss zu- rückzuführen sei, ist ohne Begründung. Auch der Südslave rechnet zum Jahr eine Zugabefrist hinzu. In der Zugabezeit erfüllte sich die Hoffnung manches Gefangenen, der einen Boten heim um Lösegeld gesandt. Der Befreier trifft infolge unvorhergesehener Verspätung auf der Reise gewöhnlich im letzten Augenblicke ein, wann die Geduld des grausamen Burgherrn und die gesteckte Frist fast abgelaufen ist. Es ist die Vermutung erlaubt, dass auch bei den Südslaven dieser rechtgewohnheitliche Brauch des Zuschlagens zur runden Zahl auf ein altes, staatlich festgesetztes Recht hinweist. Es ist ge- stattet, hiebei zu erinnern, dass auch die Truppenabteilungen von 30, 81)0, 3000 u. s. w. Mannen durch die Führer, die Offiziere Zu- gabe erhalten.

Zu V. 31. Es mag dahingestellt sein, ob meine Verdeutschung .das Volk von Gran muss über Klingen springen' richtig ist, obgleich sie der Auffassung meines Guslaren entspricht. Die Phrase ,unter den Säbel nehmen1 kann nämlich auch eine Form der Subhastation be- deuten, wonach man die Einwohner der eroberten Stadt unter dem Zeichen des Säbels samt und sonders in die Sclaverei verkauft, was dem oben besprochenen Brauch betreffs der Krieggefangenen gemäss wäre, während der König und dessen Instigator langsam zu Tode gepeinigt werden sollen.

Zu V. 36. metrut für metnut, so auch V. 241 : sitru für sitnu. das ist eine Spracheigentümlichkeit dieses einen Guslaren, der auch regelmässig mregju für megju sagt.

Eine alte Beschwörungsformel.

Von Prof. K. Furhs.

Weiland Johann von Tomka, evang. Pfarrer zu Zurndorf im Komitate Wieselburg, ein geborener Zipser, teilte mir vor etwa 30 Jahren als siebzigjähriger Greis Folgendes mit:

„In meiner Jugend, am Anfange unseres Jahrhunderts, sangen in Zipsen die Kinder bei verschiedenen Anlässen noch viele alte Lieder. Wenn wir im Freien spielten, und eine Wolke die Sonne verdeckte, unterbrachen wir das Spiel und sangen:

Schein', du liebe Sonne !

In Krakau ist eine Nonne ;

In Wien, da ist ein Glockenhaus,

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Da schauen die drei Narren heraus.

Die eine ist die Kola,

Die andere ist die Stola,

Die dritte hält ein Kind im Arm ;

Schein', du liebe Sonne, warm !

So sangen wir, bis die Sonne wieder heil schien." Soweit meine Quelle. Einige Bemerkungen seien daran geknüpft.

Das Interessanteste am Liede sind die Namen. Der Name Kolt kommt meines Wissens in keiner europäischen Mythologie vor. VVol aber gibt es eine deutsche Holla und einen slavischen Kolada. Beide Namen knüpfen sieh an die Wintersonnenwende und können daher demselben urarischen Begriffe entsprungen sein. Frau Hulda hält um Weihnachten ihren segenspendenden Umzug durch die Lande, der Friedensgott aber wurde um dieselbe Zeit durch mehrere Tage mit Tanz, Gesang. Spiel und bunte, auch pantomimische Umzüge gefeiert, als deren Nachklang die Dreiköuigsfeier angesehen werden kann.

Ein Name, der an Stola anklingt, kommt meines Wissens in der europäischen Mythologie auch nicht vor.

Krakau wird im Liede genannt. Für Zipsen ist Polen das Land der Poesie, des Reichtums, der Herrlichkeit. Den glänzenden polni- schen Edelleuten lieferten die schwergeprüften deutschen zipser Kauf- leute die Mittel des Prunkes und vor Allem Wein. Das königliche hoehgepriesene Krakau steht hier vielleicht vicariierend für einen Ort der Vorwelt, dessen Ruhm aber im Cultus seine Wurzeln hatte. Wien soll im Liede wol auch nur einen weit entfernten hochgeprie- senen Ort voll Herrlichkeit und Macht bezeichnen. Vielleicht vicariiert es auch nur für irgend ein irdisches oder himmlisches Götterheim.

Was ist ein Glockenhaus, und wer sind die drei Narren, die herausschauen? Ein Glockenhaus ist ein offenes Balkengerüst inmitten eines grossen freien Platzes, das ein Dach trägt, unter welchem die Glocken hängen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das kristliche Glockenhaus ursprünglich etwas ganz anderes war, gleichwie die krist- liche Basilika ursprünglich eine Markthalle war. Wenn man die Leute ruft, ruft man sie doch vernünftigerweise dorthin, wo man sie haben will. Nun ruft wol das Glockenhans die Leute, nicht aber zu sich, sondern zu der oft abseits liegenden Kapelle oder Kirche. Wahr- scheinlich rief das Glockenhaus ursprünglich die Leute zu sich sel- ber ; es war aber kein Glockenhaus, sondern eine offene Halle, ein von Säulen getragenes Dach, inmitten eines grossen freien Platzes, ein offener Tempel, unter welchem das Götterbild stand, weithin sichtbar nach allen Seiten : und die Leute wurden nicht mit Glocken, sondern mit den in den Bergwerken und in der orientalischen Kirche noch heute üblichen, an Seilen hängenden Schallbrettern oder Schall- blechen gerufen.

Das Lied sagt, dass aus dem Glockenhaus drei Narren heraus-

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schauen. Dies waren wol ursprünglich drei Götzengesichter. Der Zipser spottet überlegen, aber er nennt sie Narren, nicht Teufel.

Man nimmt gewöhnlich an, die dreieinigen Götzen waren von philosophischen Dichtern erfunden, und dann von den Bildnern geschnitzt worden. Ich glaube, die umgekehrte Annahme ist die natürlichere. Die Stammesgenossen kamen jährlich nur einmal, beim grossen Frühlingsfeste, oder zweimal auf den heiligen Plan. Da aber kamen sie gleichzeitig, in Massen, von allen Seiten, und umlagerten im weiten Kreise die heilige Linde oder Eiche, oder das an ihre Stelle getretene, von Säulen getragene Dach, den Tempel. Wo man Steine zu bearbeiten wusste, ersetzte man die Holzsäulen durch im Kreis gestellte Monolithe, die das Gebälke des Daches trugen, wie man sie in Preussen, in Irland etc. noch heute findet. Jedermann musste erwarten, dass der allsehende, allherrschende, allumfassende Gott ihm direct ins Auge sehen werde, Huldigung fordernd, Opfer empfangend, Segen bringend. Der Herr ist Herr, so lange er mit der Peitsche in der Hand dem Knechte ins Auge blickt. Der Herr darf keine Rückenseite haben, und ein Gott, dem der Andächtige in die Hinterseite schauen muss, ist kein Gott. Da blieb den Priestern nichts übrig, als dem Götterbilde nach jeder Seite ein Gesicht, und wo Anne vorhanden waren, nach jeder Seite Arme zu geben. Wenn man nun ein Stück Holz nimmt, oder einen Thoncy linder von gege- bener Dicke, dann überzeugt man sieh leicht durch den Ver- such, dass es kaum möglich ist, mehr als drei Gesichter herauszu- arbeiten. Zwei sind für einen geschlossenen Kreis von Andächtigen zu wenig, drei genügen zur Not.

Nach dieser Auffassung würden also die dreieinigen Götzen, die Dreiköpfe, die Triglaw, ihren Ursprung lediglich einer technischen Schwierigkeit verdanken, gleichwie die assyrischen Flügelstiere durch eine technische Schwierigkeit fünffüssig geworden sind. Das abson- derliche dreiköpfige Resultat wirkte dann wie ein Sauerteig auf die Phantasie der Dichter, die jeden Kopf individualisierten, ihm einen besonderen Charakter verliehen, den Götzen in drei Wesen spalteten, oder ihm auch hundert Köpfe und hundert Arme andichteten, je nach der geistigen Disposition des Volkes. Wie sauerteigartig die kleinsten technischen Zufälligkeiten auf die Phantasie wirken, wenn sie nur unwegdisputierbare Wirklichkeit sind, sieht mau an den abson- derlichen Sagen, die sich daraus entwickelt haben, dass beispiels- weise die Löwen der Budapester Kettenbrücke keine Zunge, oder das Pferd Josefs II. in Wien keine Hufeisen haben.

Später machte man Götterbilder für den alltäglichen Gebrauch, so dass das Publikum sich nie in Massen anzudrängen brauchte; man stellte sie nicht in entlegene Warten, sondern in die Cultur- region, von Verkehrsstrassen aus von einer Seite zugänglich. Da war es natürlicher sie vor einen Hintergrund zu stellen ; da fiel der Grund weg, ihnen mehr als ein Gesicht zu geben.

I'nser Lied scheint also von einem offenen Tempel mit einem

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dreieinigen oder dreifachen Götzenbilde zu sprechen. Wen stellte diese Trimurti vor?

Alle arischen und viele nichtarische Völker lassen die Sonne gegen das Ende des Jahres immer mehr ihre Herrlichkeit einbüssen und in der Zeit der Sonnenwende in völligem Erliegen sein. Dann interveniert aber eine höhere Macht, und die Sonne wird erlöst, oder neu belebt, oder neu geboren. Diese höhere Macht scheint die Trimurti unseres Liedes zu sein. Dabei scheint es eine weibliche Sonnwendgottheit mit dem neugeborenen Sonnenkinde im Arme zu erwähnen. Das Lied scheint also ursprünglich etwa folgenden Sinn gehabt zu haben :

„Du dreifache Gottheit von . . . (Krakau/, die du sogar die sterbende Sonne zur Wintersonnwende neu erstehen machen kannst, hilf ihr auch aus der jetzigen Gefahr!"

Leider ist es nicht möglich eine Vermutung darüber aus- zusprechen, wo der berufene Tempel gestanden haben mag, ob auf slavischem oder auf deutschem Grunde. Für einen deutschen Ursprung spricht es, dass das Lied in seiner heutigen Gestalt so zerrissen, geradezu sinnlos ist. Die ältesten germanischen Poesien haben eine so zerrissene, ausrufartige Form, dass der Sinn fast verloren geht, wenn man sie in unsere heutige Sprache übertragen will. Im Hebraeischen ist dies noch ärger. Im Slavischen besteht diese Schwierigkeit weit weniger. Anderseits aber scheint die Drei- gestalt eher slavischen als germanischen Ursprungs zu sein. Die slavische Volksmasse liebt mehr den Kreis, das Umschwärmen oder Umfluten, im Kampfe das Ersäufen des Feindes in unsehbaren Wolken, in denen der einzelne Slave der Gefahr entrückt ist, wie dies von Darius bis Napoleon alle Feinde empfunden haben. Das slavische Dorf ist im Kreise gebaut. Der Deutsche liebt mehr die Front, den Keil ; er ruft trotzig den Blitz, auf sich. Er baut sein Dorf in einer Zeile, und er wird auch seinem Gotte lieber von einer Seite genaht sein; er stellte sich vor, nicht um den Altar.1

Pancsova.

1 Wir veröffentlichen diese anregende Hypothese unseres g. Mitarbeiters, ohne dieselbe vollinhaltlich zu approbieren. Red.

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Aus dem Volksglauben der Schwaben von Solymar, Szent-Ivan und Hidegküt.1

I. Besprechungen (Atutprechungm). 1. Bei einer Feuerabrunst pflegt man an <lie Wände der vom Brande noch nicht ergriffenen Häuser mit toter Kohle folgenden Spruch aufzuschreiben :

Jesus von Nazareth, Dies Haus steht in Gottes Hand,

Der Kenig der Juden ! Das heiliger Florian

Beschitzet von Feiers brand! fSzt-Ivan).

2 Wann anen a voitig Tier (wütendes T ) entgeg'n kämmt, spricht man, die Fänst' entgeg'n halteini :

Halt ein dein Mund, Halt ein dein Zand ! Wie der hl. Albertus

Seine Hand! Hilf Gott Vater, G. Sohn, G. hl. Geist. (Solymar).

3. Wann anen au Hduber überrascht:

Unt'n her sieg' i dich, Obn ttberwind' i dich !

In der Mitt' bind' i dich, Hilf Gott Vater u. s. w. (Solymar).

4. Für Fieber. Am Ostersunntag geht man ungeweckt vor Sunnen- aufgang am Kalvarienberg, knit si nieder und sogt mit ausgebreitete Anne :

I kni mi auf" den Stan,

I bin Gott Vu*er ganz allan :

Gott ifs an gerechter Mann,

Der wo vor alle 77-erlas Fieber höhe kann. (Szt-Ivan).

5. Für Brand und Hutlnuf :

Maria ir Müli und Kristi Bind

Is für lirancl und ltodlauf gut.

Per hl. Lauren/ius sitzt am Ross,

Kr bittet um Hülf und Trost:

Kr bittet für .long und Alt,

Untl auch für Warm und Kalt ;

Kr bittet für innerlich und äusserlich.

Kr bittet für Weis*-, Gelb-. Schwarz- und Fluchbrand ;

So will der Iii. Loren/.i mit seiner starken Hand!

Dazu helfe dir Gott Vater u. s. w. (Solymar).

ti. Für Mumiünu,- :

her hl .Job gebt über's Land.

Kr hat den Stab in seiner Hand;

Begegnet iiüu Herr Jesu Krist,

Warum er so traurig i>t ?

„Warum soll ich nicht trauern.

Mir will mein Muud ausfaulen''.

....Nimm du Tropfen Wasser auf dein Mund

So wird gesund dein Zung und Mund !i4B

Gott Vater u. s. w. Hidegküt). 1 S. Seit.- W> -lies.-s BiuxIps

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21Ö

7. Für Maulweh ; sich den Mund beim Bache waschend :

Wasser, i hob das Maulweh : 3<> Meil\

1 sog der 's, du trägst es leichter Wier i a klani Weil' !

Hilf Gott Vater u. s. w. (Solyniär.j

8. Für Vieh- Auf plautm (Anschwellen). Am Ostersunntag steht man ungeweckter auf und streicht vor Sunnenaufgang den Tau von den Was'n ab und sagt :

1 geh auf das hl. Ostertau, Dass unter meine Hand dies Jahr Kan Vieh aufplauert ! [7 Vaterunser und das Glaubensbekenntnis.] (Sorymär).

II. In Solymar ist der „wilde Jäger" allgemein bekannt. Er hat einen bis an die Kniee reichenden langen, grünen Bart, seine feurigen Augen dreh* er wild herum und schreit mit kreischender Stimme dem Menschen, dem er im Walde hegegnet, zu: „Der Jacher kummt !a Er ist in einen Jägeranzug gekleidet, hat hohe Stiefel an, trägt eine Flinte in der Hand und ist von

2 grossen Jagdhunden begleitet. Gewöhnlich erscheint er dem Menschen nachts im Walde. Ein kurzanhaltender Sturmwind uud der schrille Ton seine:. Jagdhornes zeigt seine Ankunft an. Blitzschnell erscheint und verschwindet er, und niemandem hat. er je ein Leid zugefügt.

IU. In der Kristnacht sieht man von der SolymArer Rochus-Kapelle einen Lichtstreifen bis zum sog. Windberg sich hinziehen ; dann heisst es : „Der Latcrnmtnsch geht 'rum !*

IV. Eine Stiefmutter in Vörösvar hielt ihr weinendes Kind, um es zu schrecken, zum Fenster hinaus, sprechend : „Pack di aussi !" Iki verschwand da* Kind aus den Annen der Mutter, die nur das Weinen desselben in den Lüften vernahm. In kurzem stürzte das Kind zerschmettert zu Boden.

V. Hexen und Trut'n. In Szent-Ivan glaubt man, dass Weiber „Hexn". Männer aber „Trut'n" werden können und als solche Tiere und Menschen schädigen. In Solymar und Hidegküt dagegen glaubt man, dass sowohl Männer, als auch Weiber Hexu und nuch Trutn werden können ; die Hexn ererben ihre Kunst, die Trutn aber erlernen sie. In Szent-Ivan heisst es. dass die Hexen um Mitternacht ihren Höllenspuk treiben. Zu dieser Zeit kann man sie sehen, wie sie ihre Hituser anstreichen, oder ihre Röcke auf den Kopf gestürzt, einen Milchkübul in der Hand ausziehen, um den Melk- tieren die Milch zu rauben. Gibt die Kuh blutige Milch, so ist sie behext, worden und muss mit geweihten Kräutern geräuchert werden. In Vörösvar wird zur Brechung des Zaubers die Milch auf einen Kreuzweg gegossen. Nicht nur alte Weiber, sondern auch junge Mädchen können Hexen sein. Es befand sich einmal in der Spinnstube unter den Maiden eine junge Hexe. Die Burschen beredeten sich unter einander, dass sie dieselbe bis nach Mitternacht nicht aus der Spinnstube lassen. Aber über 11 Uhr konnten sie dieselbe nicht länger zurückhalten. Die Burschen schlichen der Maid nach, und sahen nun. wie dieselbe bei einem Heuschober zu Boden fiel. Im Mond- >chein bemerkten sie auch, dass aus dem Munde der Maid eine Maus sprang und davonlief. Die Burschen verstopften nun den Mund der Maid mit einein aus Heu geformten Knebel. Die bald darauf zurückkehrende Maus konnte nicht mehr durch den Mund in die Maid zurückschlüpfen. Die Maid blieb für ewig tot liegen. Dio Trut'n, die in Szent-Ivän Riesengestalt haben, saugen das Blut aus der Brust der Säuglinge. Bei der mitternächtlichen Weihnachtsmesse sind alle Hexen und Truten in der Kirche zugegen, und zwar sitzen sü» mit dem Rücken gegen den Altar gekehrt. Nur der Pfarrer sieht sie durch die beim Segen zusammengelegten Hände, verrät sie aber nicht, weil sie ihn sonst vernichten, (legen Hexen uud Truten kann man sich so wehren, dass man in den Fensterbalken eine Schoere oder ein Messer sticht, und einen Besen verkehrt hinter die Türe stellt.

In Hidegküt sah man in früheren Zeiten in der Adventzeit allnächtlich ein schwarzes Schwein durch die Gassen rennen. Dies war eine Hexe. Hexen

Ethn. Alitt. n. Ungarn. III. 1<

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können sich auch in Vögel und Frösche verwandeln. In Hidegküt erzählt man: ,A Mann hot a Weib g'hot : de war a Hex. Er nimmt 'mal a G'wehr mit zum spazieren. Auf amol schaud er am Bam 'nauf; da sitzt a Yogi. Er schirst auf ihm : er tollt oba : da is er a Orot (Kröte) gwest. Er hat ihm das G'wehr aufs Maul g'stessen. dass ihm das Blud bei der Nas'n ausarinnt. Er hot ober scho g'wisst. was das is. Wier er ham kummt, liegt sei Weib im Bett. No. sogt er. wos is denn mit dir? Sogt sie: Da host die Hacka (Haue) da herg'lant und i hob' wölln von Bett obisteign ; fall' i in die Hacka n'ein, dass mir die Darm' ausserhenga. Das hot hie zu eini Ausred' g'numma. Sie hot sterb'n miss'n . . ."

Die Hexen schädigen die Kindbetterin. besonders wenn sie vor der kirchlichen „Einsegnung* (Firnsegning = Firmsegnnng? Haus und Hof ver- lässt. Sie tauschen das Kind aus und legen an seine Stelle einen „Wechsel- bur' oder „Wechsel halg''. Der W. ist hässlich, am ganzen Körper behaait. grossköptig, immer „raunzig", lebt nicht lange, wächst nicht gross, lernt spät geben und kann von der Mutter nicht gegen ihr eigenes Kind zurück- getauscht werden. Ein schlechtes Kind wird „du verfluchter Wechsel t«alg~ geschimpft,

Dass die Hexen auch fliegen können, berichtet eine Sage aus Solvmar : Ein Bursche wartete abends lange Zeit auf seine Liebste, die bei einem Bauern diente. Da blickte er durch eine Türritze in die Küche hinein und sah. dass die Maid nackt auf dem Herde stand und sich mit einer Salbe einrieb. Dann stellte sie den Salbentiegel auf den Schrank und sprach : .,Obn aussi, und niederst ani !" Hierauf verschwand >ie. Der Bursche trat nun in die Küche, rieb sich auch mit der Salbe ein. sagte aber : „Obn aussi, und überall am !u Da schlug er seinen Kopf ans Gesimse. Schliesslich flog er zum Rauchfang ins Freie, wo er an jeden Gegenstand anstiess. Da kam endlich seine Liebste mit einem anderen Weib herangeflogen, und er musste ihnen nun versprechen, dass er von der ganzen Begebenheit niemandem etwas sagen werde. Sie lehrten ihn nun den richtigen Spruch : ,,Ubn aussi. und niederst ani !w. worauf er mit ihnen zur Hexenversammlung flog, wo sie ihn mit Wein und Gebäck bewirteten und seine Wunden mit einer Wunder- salbe einrieben, dass sie sogleich heilten. Er flog nun nach Hause und sprach bei Lebzeiten der Maid kein Wort von dieser Begebenheit. Das Haus, in welchem die Maid vor etwa 100 Jahren gewohnt hat, zeigt man noch heute. . .

Die „Truden" drücken im Schlafe Kinder und Erwachsene und saugen ihnen das Blut, aus den Brüsten, worauf diese anschwellen. Von einem Burschen in Hidegküt erzählt man. er sei auch ein „Trudre*1 gewesen und habe als solcher bei einer Gelegenheit einen Baum solange lest umarmt, bis er kraftlos zusammengebrochen sei. In Solymar erzählt man : Einen Witwer drückte die ..Trudre." Auf den Rat seiner Freunde zündete er in der Nacht, als ihn die T. drückte, einen Strohhahn an. Da sah er eine wunderschöne Maid vor sieh, die ihm so sehr gefiel, dass er schnell das Schlüsselloch verstopfte und die Maid bei sich hielt. Sie ward seine Frau und gebar ein Kind. Da traute ihr der Mann so sehr, dass er ihr einmal erzählte, dass die Leute sie für eine T. halten. Aber das sei nicht wahr und er werde auch das Schlüsselloch nicht mehr verstopfen. Er öffnete nun das Schlüsselloch, worauf die Frau hinausflog und verschwand... Vor dem Schlafengehen soll man sich gegen H. und T. mit Weihwasser waschen. Wer von T. gedrückt wird, der stelle einen Besen hinter die Kirchentün«. und bei seiner Heimkehr findet er die betreffende Person, die ihn als T. drückt, in seinem Hause zugegen. Damit das ganze Jahr hindurch weder Ii., noch T. ins Haus kommen können, schreibt man am hl. Dreiköuigstag mit geweihter Kreide auf die Haustüre die Anfangsbuchstaben der hl. Dreikön'ge (K. M. B.) und nach jedem Buchstaben einen „Trudenfuss" Pentagramm.; Kommt dennoch eine H. ins Haus, so blickt man auf diese Schrift und spricht : ..Komm moring um Salz !" Die H. entfernt sich dann weinend.

VI. AUtugsglaubm. 1. Hört man von Weindorf JJoros-.leno h it'n, so wird's hell ; hört man's aber von Vudikes (Budakesz). so kummt an Wetter. 2. Maria-Lichtmess hell und klar. Bedeit an gut's Weinjahr. :». Geht der

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Dachs in Maria-Lichtmess aus ober ein, So muss noch sechs Wochen Winter sein ! 4. Wann in Maria-LiehtmeHS die Sunn dem Pfarrer ofs Oldor (Altar) scheint, so wird no 40 Toch Winter. 5. Wann in Fascbing- sunntoch sehen ist, so is an gut's Lesn (Weinlese,. b\ Regnet's in Faschingmontag, so g'rat der Hovr f Hafer:-. 7. Geht in Blasiustoch der Wind, so g'rat die Gerst'n. 8. Wann si in Winzenzi der Spatz in Wagn- glas (Geleise) badn k «nn, so wird an gut's Weinjahr. Wann's in Urban- toch regent. so lall'n nach die Blih die Kern weg von die Weinpern. 10. Regnt's in Barnabas, so faul'n die Weinpern bis ins Fass . . . (Aus Hideg- küt». 11. Wann in Georgi der Wind geht, so geht er no 1C0 Tog nachanand. 12. Wann im Oatersunntag es regont, so regent's 7 Suuntag hintanand (wird ein fruchtbares Jahr). 13. Früh Dunner, Spot Hunger; Spot Dunner. Fruli Hunger (d h. donnert es schon im Februar, so wird eiu fruchtbares .Jahr : donnert es erst im März oder noch spater, bricht Hungers- not aus . 14 Um den Sturmwind zu verscheuchen, wirft man i> Brock; Salz hinein und spricht: „Hilf Gott Vater, G. Sohn, G. hl. Geist!'1 dann wirft man 3 Brrtckl Brot und spricht ebenso ; dann spritzt man Weihwasser hinein und spricht dasselbe. {Aus Solymär). 15. In Szent-lvän sucht Mancher den „Dunnertsteinr*. Dieser Stein kommt mit dem Blitze auf die Erde herab, in die er hineinfahrt und erst nach 7 Jahren auf die Erdoherlläche zurück kehrt. Wer einen solchen dreieckigen Stein besitzt, hat sein ganzes Leben hindurch Glück. U>. In abnehmenden Mond dart man keine Zucht abspeunen <vom Muttertier!, sunst zehrt das Vieh ab. 17. Damit der Baum reichlich Früchte trage, soll man ihn :l Tage vor und 3 Tage nach Vollmond versetzen. 18. Für die Solvinärer ist der Wett erprophet- der Alt - ofner-Berg : ist er von Nebel bedeckt, so regnet es bald. U». Am Neu- jahrsmorgen darf kein fremdes Weib ins Haus treten, dunu dies bring: Unglück. 20. Uer am Schwarzen-Sunntag frische Wäsch' anlegt, der kriegt viel Fleh. 21. Am Freitag darf man nichts unternehmen. 22. Hot a-. Weib an klans Kind gburn. oder das Vieh ausg'schitt, darf man nix /.'leih.i geb'n. 23. Fallt an Messer oder Gabi ro (herab;, so kummt an fremder Gost. 24. In Szt-Ivän heisst es: Won die Kotz si auf der recht'n Seit:, woscht. so sogt mon Es kummt a Gost von Filis-Csaba ; und wo« sie s: auf der linkn Seitn woscht, so sogt mon : Ks kummt a Gost von Solymur. - 25. Den Ofenruss darf man nicht auf die Gusse streuen : wer hineintritl. wird verzaubert. 2b. Wann an Jud auf der Uhr fragt, soll man nix sag?n ; er will anen san Glick habn.

Mitgeteilt von Ludwig Mdtgaa.

Das grosse Sammelwerk für bulgarischen Folklore.

Ein Bericht von Friedrich S. Krauts. Fortsetzung.)

Wiederholt habe ich in Büclierreferaten und ötVentlichen Vorträgen mit Nachdruck hervorgehoben, dass Sammlungen von Volküberlieferungen. die von Einzelnen veranstaltet und verünentlieht wer-ien. unbeschadet aller Vorzüge, die man ihnen nachrühmen kann. Stückwerk genannt werden müssen, solange nicht förmlich statistische Aufnahmen über die geographische Verbreitung einer Sitte, eines Glaubens, eines Textes u. s. w. vorgenommen weiden. Es gibt unläugbar eine wissenschaftliche Methode, die titdunk-ernftatisti'.' heisseu darf. So vieles, was als eine vereinzelte Mitteilung aus irgend einer Gegend fast wertlos erscheint, gewinnt unter allen Umständen eine Bedeutung, sobald die geographische Verbreitung des ..Gedankens" genau ermittelt ist. Der For- scher, dem es obliegt, das Material zu verarbeiten, zieht nun aus der Summe gerade und offen allgemein leicht kontrollierbare Schlussr'olgemngen. und immer mehr wird das Gebiet kühner Aufstellungen und Vermutungen einge-

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engt. Für den der Volkforschung etwas Fernstehenden mag die Ansammlung eines auf den ersten Blick ungeheueren Wustes einander ähnlicher Mittei- lungen etwas Niederdrückendes haben, dagegen wird der Berufarbeiter sich angesichts eines solchen Stoßes ermutigt und gehoben fühlen.

So wird und muss es jedem ergehen, der die Schlussabteilung der Sbornik- bände durchnimmt. Für einen Bezirk der südslavischen geographischen Pro- . vinz ist liier zum erstenmale ein grossartig angelegter und nach jeder Rich- tung hin erfolgreicher Anlauf zur Schaffung einer Gedankenstatistik des bul- garischen Volkes genommen worden. Diese Arbeit kann nur mit den berühmtet» Sammlungen der finnischen Folklore-Gesellschaft zu Helsingfors würdig ver- glichen werden. "Wer nicht selber vom Handwerk ist, vermag die kolossale Leistung der Sbornikredaction nicht hinreichend abzuschätzen. In dem soeben mir zugekommenen neunten Bande leistet sie zur freudigen 1; eberrasch ung aller Leser des Sbornik noch ein Uebriges durch dankenswerte Verweise auf Parallelen sowohl in den früheren Bänden als in den Literaturen anderer Völker. Eine kurze Erinnerung genügt oft, um einen näheren Contact zwischen Redakteur und Leser herzustellen, anzuregen und zu fördern.

Bisher sind in den neun Bänden folgende Rubriken eingeführt : I. Naturerscheinungen, verschiedener Volkglauben und Ahnungen oder

Prophezeiungen. IT. Zaubersprüche, volkthümliche Heilkunde und Verwandtes.

III. Böse Geister, Spukgestalten, Erscheinungen des 2. Gesichtes u. s. w., Verstorbene u. s. w.

IV. Küsterglaube und Dazugehöriges.

V. Familien- und gesellschaftliches Leben. VI. Personen- une Lokalsagen. VII. Tiersagen.

VIII. Phantastische und humoristische Sagen (Lügenmärchen u. s. w.). IX. Sprichwörter. X. Rätsel.

XII. Kinderreime. Spuele u. s. w.

XIII. Fest- une Rechtbräuehe, hauptsächlich mit Hinblick auf das Gewohn- heitrecht (common law).

XIV. Beiträge zu einem Wörterbuche bulgarischer Mundarten. XV. Geheimsprachen und geheime Sprachweisen.

XVI. Trachten, volktümliche Hausgerätschatten. Hausbau. Ackerbau, Instru- mente. Technik der Handwerke u. s. w., u. s. w.

Wie man aus dem einfachen Verzeichnis ersieht, gebricht es dem Sbornik durchaus nicht au l ebersichtlichkeit und bester Ordnung. Die Zahl der Sprichwörter, Rätsel. Zungenübungen und kleiner Bemerkungen zum Alitagglauben geht in die hunderte und tausende. K. F. A. Wuitkr. ein deutscher Theologe, vertasste ein vielgenanntes und vielgebrauchtes Werk über den .deutschen Volkaberglauben der Gegenwart.-. Bei einer tiefen Durchdringung des verwandten Stoü'cs, der im Sbornik aulgespeichert i>t, dürfte es nicht allzuschwer fallen, ein ungleich bedeutsameres, jedenfalls kritisch sichereres Werk über den Volkglauben der Bulgaren aber ohne .Aber' zu verfassen, vorausgesetzt, der Arbeiter verstünde es. den hiehergehörigen Volkglauben der übrigen Südslaven gründlich in der Darstellung auszunutzen und zur Erklärung heranzuziehen. Namentlich wird dadurch die Einsicht in den Volk- glauben der Serben eine Vertiefung erfahren: denn nachweislich kam den Serben, sowie auch den Chrowoten mit den epischen Liederu ein gutes Stück sonstigen Volktums aus Bulgarien. Der Ur«iuell südslavischen Zauberglaubens rloss seit altersher in Bulgarien. Man darf keinen Augenblick ausser Acht assen, dass bulgarische Klosterliteratur den südslavischen Büchermarkt, wenn •s mir gestattet ist, diesen modernen Ausdruck zu gebrauchen, Jahrhunderte iiindurch beherrschte. Ein Beispiel will ich mir nicht versagen anzuführen, •;a.s zum mindesten für mich eine klassische Beweiskraft besitzt.

Im ..Ausland" 1H!'0, Nr. 17 ff. verötftntliehte ich eine Studie über .Die «Quälgeister bei den Südslaven4 und besprach im I. Abschnitt die Moni (Mar,

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Trut, Alp). Aut S. 331 teilte ich eine 34 Zeilen umfassende Beschwörungformel wider die Mar mit und bemerkte, dass .sie jenen Bannformeln gleiche, die man gegen Krankheitgeister, die Geister dos Waldes und Windes ausstösst. Aber eine Mar ist kein Krankheitgeist, vielmehr ein menschliches Wesen, das durch bösu.-n Zauber verhalten wird. Schlafende zu plagen. Die Beschwürung passi ganz und gar nicht auf eine Mar und vorträgt sich mit den anderweitigen Abwehrmitteln gegen Maren nicht, wie dies meine Ausführungen a. a. 0. dartun. Zudem kommen in dem Bannspruch Namen vor. an deren Deutung der Witz eines Erklärers wich abstumpft. Die Lösung des Rätsels liefert uns der Sbornik B. III.,. S. 144, wo aus (ßrhanie eine 110 Verszeilen lange Beschwörung einer Art Kotiauf dobra genannt, abgedruckt ist. Der Krankheitgeist, der die Krankheit verursacht, heisst Dobra oder im euphonischen Deminutiv Dobn'ct. Daraus ist in Dalmatien eine Mora bora, meines Textes im .Auslande' und aus dem bulgarischen Namen l'rna eine neue katholische heilige Lena plena geworden ! Ich behaupte nicht etwa, dass uns die orhanier Formel die Vor- lage der dalmatinischen darstelle, sondern meine, dass beide aus ein und derselben bulgarischen älteren, ich sage gleich literarischen (Quelle, her- stammen. Von der gleichen Sorte ist. auch die Geistbeschwörung im Sbornik II.,. S. }>(>: Kuianje. od Angeleta Mazgala. Das sind eigentlich stereotype For mein, die dem Volkforscher auch aus den germanischen und romanischen Literaturen geläuiig sind. Man ziehe /.. B. zum Vergleich Dr. M. Hofier1*: .Volk- niedi/in und Aberglauben in Oherbayerns Gegenwart und Vergangenheit" «.München 1**8. S. öl 30) und R. KaindPs : .Deutsches Beschwörungsbuch 'Berlin 1*9:;> heran. Hofier meint ..mundus vult decipi'' und verweist auf die gedruckte Vorlage solcher deutscher Zauber- und Bannsprüche hin. deren Titel lautet :

„Der wahre geistliche Schild, so vor 300 Jahren von dem hl. Papst Leo X (1513 1521) bestätigt worden, wider alle gefährlichen bösen Menschen sowohl als aller Hexen- und Teufelswerk entgegengesetzt etc. Ao. 1047 impress. (1802)."

Dieses Buch .stellt uns dar die Wissenschaft klösterlicher Heilkunde des Mittelalters und viel früherer Zeiten. Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, dass die ursprünglichen Texte lateinisch oder gar griechisch abgefasst waren und selber auf ehrwürdige Ahnen zurückreichen. Es hat wohl nicht. blo>s eine, sondern es muss ihrer viele handschriftliche bulgarische Uebersetzungen medizinischer Werke gegeben haben. Es ist die Möglichkeit nicht ausge- schlossen, dass ein Zufall ein derartiges altes Schriftstück noch bescheert. Erst gegen Ende des 15. und mit dem Beginne des 10. Jahrhunderts lernten die Südslaven und namentlich die Bulgaren eine andere medizinische Wissen- schaft, durch die aus Spanien vertriebenen Juden kennen. Bei den Spaniolen erbte sich diese \\ issenschaft als ein kostbares und teueres Vermächtnis durch Generationen fort. Im Guslarenliede werden, so oft ein Kranker voll den hei- mischen Heükünstlern als unrettbar autgegeben wurde, od mora ec'imi. d. b. überseeische Aerzte zu Hilfe gerufen. Darunter sind fast immer spanische Juden zu verstehen. Hinsichtlich der Zauber- und Bannsprüche wird der Bearbeiter einer bulgarischen Volkmedicin nach den alten griechis-chen und bulgarischen Zauherhüchern greifen müssen, betrells der anderen praktischen Mittel aber die Werke spaniolischer Aerzte zu Rate zu ziehen haben "Was dann noch an besonderen Mitteln übrig bleibt, ist n'rllrieht specilisch bulgarisch, echt aber nur in dem Falle, wenn nachweislich alltägliche Erfahrung das Mittel finden Hess oder es ein unbezweifelbarer Ausfiuss des wirklich alten Volkglauben-- oder Volkbrauehes ist.

Die im Sbornik dargebotenen Sagen und Märchen sind durchgehends AVandergut. Ein endgiltiges Urteil über sie abzugeben, wird erst an der Zeit sein, bis die vorhandenen Motive uns allseitig bekannt werden. Beachtung gebührt ihnen gewiss: denn Bulgarien zeigt sich als Durchgangstation zwi- schen Europa und Asien und es ist von Belang zu wissen, welche Gattung von Erzählungen den grössten Anklang gefunden und gleich im Lande ..picken'* geblieben. Wenn es zulässig wäre, schon jetzt darüber zu entscheiden, müsste man glauben, dass die Schauersagen, die ungeheuerlichen Fabeleien auf beson-

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«lera dankbare Zuhörer zu rechnen haben. Ich setzte dies lieber auts Kerb- holz der Sammler, die da meinen mögen, mit den angedeuteten Berichten am ehesten turore zu machen. Ich denke, der Sammler der schlichten Erzählung, die der Lebensfreude, dem Familiensinn und der Alltäglichkeit gewidmet ist, muss Mch mit der Zeit doch noch einstellen. Der Sbornik bringt leider nur wenige humoi'istische Erzählungen und Proben von Volk- humor und Volkwitz, aber das Wenige ist so beschaffen, dass man mit Spannung einem Mehr entgegen sieht. Beim Bulgaren entdecke ich etwas, was dem Serben sehr selten, dem Chrowoten nie. mitunter jedoch dem Dalmatier zu eigen ist : ein weltmännischer Esprit. Das ist nicht ein Witz, nicht eine Satire, kein Humor, sondern geistreiches Wesen, das Ergebnis einer Veranlagung und weltklugen Erziehung. Selbst das Sprichwort des Bulgare«, das Volkr&tsel minder. zei«;t uns den Mann von geschäftiger Phantasie, die durch Handel und Wandel Ausblicke über die engen Gemar- kungen des Dorfes und Dorfbezirkes gewonnen. Zuweilen glaubt man einen Hamburger Rheder und einen geriebenen Wiener Börsensensal des Lebens Weisheit zum Nutzen des jüngeren Geschlechtes breitschlagen zu hören.

(Schlugt» folgt.)

Die Abstammung der polnischen Zigeuner nach ihrer

Tradition.

Wie die ungarischen, teilen auch die polnischen Zigeuner ihre Stämme in zwei Kasten. Die Kofomrc , die nomadisierenden oder Zelt-Zigeuner verabscheuen die ansässigen, die zur Kaste der „(fletvconira^ (spracharm' gehören. Die Scheidung zwischen diesen Kasten wird sehr streng beobachtet. In Polen findet man dieselben vier Stämme der Kotorär, wie in Siebenbürgen. Die Familie der Paezkowski führt ihre Abstammung auf den Stamm Leile zurück, die der Wisnieski nuf den Stamm ralö, die der G/'owacki auf den Stamm Asani und die der Wolski auf den Stamm Kukuja. Ein jeder Stamm stützt seine Abkunft auf eine fantastische Legende. Der Keile-Stamm erzählt folgende Genoveva-Sage: Eine Königstochter Isib: nach dem Tode ihrer Eltern aus dem väterlichen Mause und dem Königreiche durch ihren Bruder verwiesen, irrte im Walde umher, fiel durch Hunger und Verzweiflung entkräftet nieder und war bereits dem Tode nah. In diesem Augenblicke erschien die Kee Kr-üttitt ; von Mitleid ergriffen, riss sie ans ihrem Haarzopfe drei Haare, und gab sie der Prinzessin zum verschlucken. Leile war gerettet und gebar bald einen Sohn. Als der Prüder Leile's hievon Kunde bekam, schickte er in den Wald zwei Henker mit dem Befehle, die Leile und ihren Sohn hinzurichten. Die gute Fee konnte die Leile nicht mehr retten, rettete aber ihren kleinen Sohn, der von ihr erzogen, zum entzückend schönen Jünglinge heranwuchs. In der Folge heiratete der Sohn Leilcs eine Prinzessin und gab seinen Nachkommen den Geschlechtsnamen : Li\U .

Laut dieser Legende stammt also das Geschlecht der Leile in Ungarn und Polen vom Sohne der Königstochter Leile.

Vor vielen Jahrhunderten lebte ein Manu, der mehr als eine

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ganze Schaar von Männern essend, seinen Hunger nie stillen konnte. Seine Gefährten, die an seinen Heisshunger nicht glaubten, nannten ihn: X'alo" umgar. C s a 1 6 = Betrüger), und seit dieser Zeit führen seine Nachkommen den Namen der Calo's.

Laut der Legende der As<tni lebte zur Zeit, als das Paradies existierte, ein Ehepaar, welches ungeheure Reichtümer aber keine Kinder besass. Nach langem liesinnen beschloss das Ehepaar einen Rat beim : Chwjrin (Teufel) zu holen. Der dienstfertige Chagrin ver- sprach dem Ehepaare Kinder, wenn es ihm treu dienen und alle seine Refehle erfüllen wird. Das Ehepaar nahm die Bedingung an, und Chagrin befahl dem Ehepaare, auf einem Kreuzwege eine schwarze Kuh zu tödten und sie zu verbrennen, und dem Weibe, die Asche derselben aufzuessen. Der Befehl des Chagrin wurde aus- geführt, und bald hatte das Ehepaar eine Tochter, die so schön wie ein Frühlingsmorgen war, und jeden durch ihr immerwährendes Lächeln erheiterte. Das Ehepaar gab dem Kindeden Namen: As<mi.'1

Die entzückend schöne Asani ehelichte in ihrem 16. Jahre einen reichen Pächter. Im zwölften Jahre ihrer Ehe verfiel der Gemahl Asani's in eine gefährliche Krankheit. Trotzdem er dem Tode nahe war. lachte Asani immer, und nicht eine Träne benetzte ihre Augen. Dies überzeugte den Pächter, dass Asani liebe-, mitleid- und herzlos ist. und er verjagte daher die lachende Asani sammt ihren zwölf Kindern aus seinem Hause. Die Nachkommen dieser Kinder sind die Almen des Geschlechtes Asani geworden.

Der vierte Zigeunerstamm stammt laut seiner Tradition vom Weibe des unterirdischen Monstrums oder des Teufels Fant* ab. Das Fuvusweib verlieble sich einmal in einen reizenden Jüngling und bat den Fuvus, ihr zu erlauben, den Jüngling su heiraten. Der Fuvus villigte ein, aber unter der Bedingung, dass alle Kinder, die diesem Bunde entspriesseu, ihm gehören sollen. Nach zehn Jahren, als das gewesene Fuvusweib bereits zehn Söhne hatte, erschien der Fuvus, um die Kinder mit sich zu nehmen. Als der Fuvus die Kinder erblickte, rief er „Fnkn-I.-Hkftjn^ . Aber die Mutter widersetzte sich dem. dass die Kinder mit dem Fuvus in die Hölle gehen, und gieng lieber selbst mit ihm dort hin. woher sie gekommen. Die Kinder des Fuvusweibes sind die Vorahnen des Kiiku')(i-<j<>*<*hUu-hte* der Zigeuner.

Wie die siebeubürgischen. so huldigen auch die polnischen Zigeuner, trotzdem sie scheinbar die christliche Religion bekennen, verschiedenen übernatürlichen, abergläubischen Wesen, z. B. dem Chayrin (Teufel». Fnnts (Scheusal. Monstrum). Cu/noman«* (Liliput), Mchk'i (Gnom, Beigmandel), KwiHa (Fee. Nimfe), Cnmi t schützender

' Im polnischen war Asau und Asani noch im Anfange laufenden Jahrhunderts als Titel im Gebrauch, wenn ein hochgestellter Edelmann, ein Senator, Gutsbesitzer u. drgl. einen Manu (Asan) oder eine Frau (Asani) ansprach, deren Abstammung wohl adelig, deren Stellung aber untergeordnet war. Zur Etymologie vgl. : W a s z a M o s c h i P a n. = \V a s p a n, = A s a n (.Eure Gewaltigkeit, Herr).

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Genius). Polnische nomadisierende Zigeuner stehen hei der einheimi- schen Bevölkerung, namentlich hei den Hauern in Verachtung und man hütet sich vor ihnen, als vor notorischen Dieben und Betrügern. Die ansässigen Zigeuner sind arbeitsam, demütig und willig, werden aber von der einheimischen Bevölkerung doch missachtet und als Eindringlinge behandelt.

Sowohl die nomadisierenden, als auch die ansässigen Zigeuner sprechen unter sich zigeunerisch, „romanes*. Der Dialekt der polni- schen Zigeuner besitzt viele Wörter, die aus dem polnischen stammen, z. B. Karodos (Volk, polnisch: Naröd;, KiLdi (niemals, polnisch: n i g d y), Kehns (Himmel, polnisch: n i e b o), Olduszky (Yeröflent- lichung, polnisch: ogfoszenie), Popirkos (Papier, Banknote, pol- nisch: papier), Chlibos 'Brot, polnisch: chleb), Dornas (Haus, polnisch: dorn), Peczonka (Braten, polnisch: piazeii', Iiemeslos Handwerk, polnisch : r z e m i o s fo), Ksendz i Geistlicher, Priester, polnisch : k s i a " d z i, Rodni (Vater, polnisch : r o d z o n y. d. i. leiblich, also: leiblicher Vater . Podnicu (Mutter, polnisch: rodzona. leib- liche Mutter', Sirnta -Waise, polnisch: sierota'. B'^os (Gott, pol- nisch: bö g), Xa*i (unser, polnisch: naszi u. s. w.

Die Sitten der polnischen Zigeuner sind auch sehr lax. Nicht selten unterhält der Bruder ein Liebesverhältnis mit seiner leiblichen Schwester. Das Weih (romwöri), das Mädchen (dpa.) wird kaum als Mensch betrachtet, eher als ein Ding, welches bestimmt ist, die tierischen Begierden des Mannes, ihres Herrn zu stillen. Sie kann und soll ihren Leib einem jeden preisgeben, wenn dadurch ein Xutzeu in Aussicht steht .

Laut unlängst (18H3) veröffentlichtem Gesetze, ist sowohl in Russland, als auch in Polen das Nomadisieren der Zigeuner verboten worden und die Zelt-Zigeuner werden nun zur Ansiedelung ge- zwungen.

Warschau. Juni IBM.

Vhidishtc Kornel Riff er von Zielinski.

Kroatische Volkslieder aus Cirkvenica*

1.

Cvice moje. i ja bin te brala, Xa konopu. na neu ernen nioru. Nimam druga. komu bin te dala. Ako sarn ja sirota ostala : Neg jednoga na moru mornara, Nije moja vera na dno mora pala. Komu spava na konopu glava. A koj pala, jos <-e na vrh splavat.

* < iikvenica im kroatischen Küstenlande, wo es dein Herausgeber dieser Zeitschrift vergönnt war, im Schlosse des holten Protectors derselben den Sommer 1W»4. zuzubringen, veroinigt nebst allen Bedingungen eiue> Seebades und klimatischen Kurortes den Vorteil, als bequemster Ausgangs- punkt für sehr interessante ethnographische Studien im Küstenstrich und auf den Inseln des (Juarnero zu dienen.

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2.

Ca se ono po sred mora beli? II su vali, il mladi mornari. Nit su vali, ni mladi moniari, Vec je ono mladofcenja Ivo, Na rijem mi se kosuljica beli. Nit je prala niajka ni sestrica. Vec juj prala tiha godinica. A susila sajna misecina.

3.

Da bi Bog dal, da nedilja dojde. Da moj dragi mimo dvora projdc, Mimo dvora mile majke moje. Milo drago ne srdi se na ine. Zar ako se ja rasrdim na te, Pasat oee i godina dana. Da nece bi t med nami divana.

4.

Po polju >e narancica vije. Ni od vetra, ni od sum-a zarka, Meg od jada rad inlade divojke. Da ju majka za udovea daje.

5.

iPoskoeniea u kolu.) Setala se Marica divojka. Ispred dvora dragoga svojega. L* dvore mu jabuke hitala. Iz dvora joj drago progovara : „Xemoj u dvor jabuki liitali. Za«'- te moja neda uzet majka!" Ne pasala nediljica dana, Mari pred dvor svaca dohajala. Ivana je majka za/.ivala : „Semo hodi Ivo drago moje. Hodi videt svaeu Marieinu!" Ivan majki tiho odgovara : ..()'} starke moja mila majko, Prokljeto ti i staro i mlado. Hastala si i milo i drago!"

1.

Meine Blumen, wol möcht" ich euch ptlüeken, Niemand hab* ich, den ihr möget schmücken, Kineo nur, der fährt auf Meereswegen. Nur auf Taue kann sein Haupt er legen. Nur auf Taue, auf dem schwarzen Meere. Hin ich eine Waise auch geblieben : In die See nicht sank mein treues Lieben. Wenn's auch sank, wird wieder auf es tauchen.

±

Was ist das in Meeres Mitte Weisses?

Sind es Wellen, sind es junge Seeleut"?

Sind nicht Wellen, sind nicht junge Seeleut'.

Sondern 's ist der Bräutigam, der Ivo,

lud an ihm so weiss das llemdchen scheinet.

Mutter, Schwester haben's nicht gewaschen.

Linder Regen hat es ihm gewaschen.

l ud getrocknet hat's der helle Mondschein.

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254

3.

Gebe Gott, dass ich den Sonntag sehe, Dass mein Schatz vorm Hof vorübergehe, Vor dem Hofe meiner lieben Mutter! Mein Geliebter, sei nicht auf mich böse, Denn wenn ich wcrd" einmal auf dich böse, Werden Jahr und Tag vorübergehen, Ohne dass ich dir werd' Rede stehen.

4.

Auf dem Felde wehn Orangenbäume, Xicht vom Winde, nicht vom Sonnenbrande, Sondern wegen einer Maid sich härmend, Denn die Mutter gibt sie einem Witwer.

5.

(Wird zum Koloreigen gesungen.) Ks ergeht sich Marica, das Mädchen, Vor dem Hofe ihres Herzgeliebten. In dem Hol mit Äpfeln sie bewirft ihn. Aus dem Hofe spricht da ihr Geliebter: «Wirf in meinen Hof du keine Apfel, Xicht zum Weib mir gibt dich deine Mutter." Woche und Tag sind noch nicht vergangen, Vor Mariens Hof Brautführer kamen. Da den Ivan also ruft die Mutter: „Komm berein doch. Ivan du mein lieber, Komm und schau dir an Mariens Svaten." Da versetzt der Mutter Ivan also : „Oh du meine liebe alte Mutter. Sei verflucht so alt wie jung dir alles; Hast geschieden, was sich lieb und teuer!"

Xach den Aufzeichnungen des Herrn Professors Vinko Delak in Kostajnica, mitgeteilt von Antun Hpmuann.

Zigeunersagen u. dgl. über Erzherzog Josef.

F. Wir Jo.o f Kuniy wurde.

Der bereits erwähnte l'aul Co kor erzählte auch folgende Sage : Joseste avlas jek pcral.1 Akor dsidelas meg leske dad. I'enelas phuro dad: -Dsan turnen kija legbareder kraj. kija F'erenc Joska, te jov kerel turnen kraja!" Dsanenas duj rakla. Lpro drom andro jek gav avlas jek ker; andre ker nasvales has gadsio te gadsi te

; v = ch.

I

i i

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255

eavora. Tora na ketenas te legbokhaleder jon has. Lende delas Joska leskre bute lova te butjikerelas. hoj na andro bokh nieren jon. Leske pcral dsanelas kija legbareder kraj. 0 legbareder kraj Ferenc Joska phutelas les : „Kaj hin tiro pcral?" 0 pcral penelas save. To o legbareder kraj penelas : „Jov hin legfeder eavo, te jov avel cigno kraj; nva tu misee sal. tut nie na kerav krajes!" Joska avelas krajes, leskre pcral coro manus dsidel andre Tisabät.

Josef hatte einen Bruder. Damals lebte noch sein Vater. Sprach der alte Vater: „Gehet ihr zum grössten König, zum Franz Josef, und er macht, euch zu Königen!" Giengen die beiden Söhne. Auf dem Wege in einem Dorfe war ein Haus ; in dem Hause krank war der Hauer und die Bäuerin und die Kinder. Die armen nicht arbeiteten (konnten nicht arbeiten) und sehr hungrig sie waren. Ihnen gab Josef sein vieles Geld und arbeitete für sie-, damit nicht in Hunger sie sterben. Sein Bruder gieng zum grössten König. Der grösste König Franz Josef fragte ihn: „Wo ist dein Bruder?" Der Bruder sagte alles, lud der grösste König sagte: „Er ist ein sehr gutes Kind, und er wird kleiner König, aber du bist schlecht, dich ich nicht mache zum König!" Josef wurde König, sein Bruder (als) armer Mann lebt in Tiszaliät f?i.

Mitgeteilt von A. H.

Deutsche Volkslieder aus der Körmöczbänyaer Gegend*

i.

Paters Gürtal. Paters Gärtal Sitzt a Regap teilen. Hut ka Floiga,1 hur ka Floiga, flieht man ihm die Seit'n.

II.

Bin ein jung's Biirschtl, Hin ein jung's Blut, l"nd wie der Tanz gehf, So setz' ich mein Hut.

III.

Heut' ackre ich ut* an Oke,-' Maug'n' ackre ich ut' an Kän. Heut' schlaf ich bu mein Schatz). Maug'n meusz ich's hiede1 allan.

IV.

Ken- die Lind da- LAb veleisr.1 Trauern alle Äste, Alle hübsche Madelein Tragen das Kränzlei n feste.

' Vgl. Kthn. Mitt. I. Band. S. 101 -IOC.

1 Flügel. - Acker. 1 morgen. ' wieder ' wenn. '• verliert. : Winter. " heim.

Wie soll ich denn noch t'ester tragen. Wann e> nicht will bleiben V Kaut" ich\s mir ein Schleierlein Von Sammet und von Seide.

V.

Ist denn das Süsze so angemessen, ]>ass man .lie Gläslein lullen soll. Auf unsern Herrn Schullehrer nicht

zu vergessen. l>enn es geht uns ewig wohl. I'ruinm leben wir Alle. Alle. Alle, Schüler, wir leben so wühl'

VI.

Schatzelein. ich lieb dich gerne, Wenn ich dich nur seh' von lerne. Wenn ich dien nur kann erblicken, .So thut sich mein Herz erquicken.

VII.

Iuei Biuttv drei Summa, drei Apal

am liäm.

Kommen die lustigen Soldot'n in Häm."

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256

Der erste im Kappl, der zweite im Hut, Der dritte mein Schatz), den kenn'

ich's so gut.

VIII.

Mein Schatz hat mir an Brief ge- schrieben, Dass ich soll kein Andern liehen. Ich soll noch ihm treu verbleiben. Bis er mir wird wiederum schreiben.

IX.

Ach ich armes Mädelein! "Wo find sich meines Gleichen?

(Kekello).

Alle hübschen Knäbelein

Nehmen nur die Heichen.

Wenn ich's auch nicht reicher bin.

Hab' ich noch meine Ehre.

Alle hübschen Knabelein

Lieben mich wohl mehre.

X.

Ist es Binte oder Summa. Zu mein Schätzt muss ich'» kumma. Thut es regen oder schneien, Zu mein Schatzl thut*s mich treuen.

Mitgeteilt von Prot". Dr. (ieory Yer*hnji.

LITTERATUR.

Wesfmiunch' /•>/., Geschichte der menschlichen Ehe. Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Aus dem Englischen von L. Knischer und (irnzer. Be- vorwortet von A. h'. Wallaer. Jena iH!»:J. H. Costenoble. LIV. u. 5M* S.

Die Vortreftlichkeit des englischen Originals ist seiner Zeit von den namhaftesten Forschern einmütig anerkannt worden; mit Freuden begrüssen wir nun die deutsche Ausgabe dieses gediegenen Werkes. Verfasser spricht sicli in der Einleitung ausführlich über seine Forschungsweise aus : ..es gäbe nämlich nur Min richtiges Verfahren: Man muss zunächst die Ursachen der sozialen Erscheinungen ausfindig machen; gelangt man nachher zu der zwin- genden Annahme, dass diese Ursachen ohne Störung durch andere Ursachen tatig gewesen sind, so ist man berechtigt von ihrem Vorhandensein auf das Vorherrschen der Erscheinungen selbst zu schliossenu <S. LI). In 24 Ab- schnitten behandelt Verfasser: den Ursprung der Ehe: die menschliche Paarungssaison in der Urzeit : das Alter der Kheeinrichtungen ; Kritik der Pro- miscuitiitsle!:re ; Ehe und I Ehelosigkeit ; Werbung und Verwandtes: Anzie- huugsmittei : die Freiheit der Wahl; die geschlechtliche Zuchtwahl bei den Tiereu: die bei den Menschen: ferner Schönheitstypen; das Aehnlichkeits- gesetz: Verbore der Ehen zwischen Verwandten : Beeinflussung der geschlecht- lichen Zuchtwahl durch Zuneigung, Sympathie und Berechnung; Raubehe und Kaufehe: Niedergang der Kaufehe und das Heiratsgut: Hochzeitszeremonien und Vermählungsgehrauche; Formen und Dauer der Khe. Was Verfasser über das Matriarc iat hin und wieder erwähnt, können wir nicht in seinem ganzen Umfang für giltig erklären. Die Tatsache des Mutterrechtes lässt sich beim heutigen Stande der Forschung nicht mehr bezweifeln : ja. es kann als vereinzelte Bildung oder gar als Zersetzungsprodukt nicht mehr auf- gefasst werden. Hätte Verl. ausser Liebich auch die neueren Zigeunerfor- schungen in den Kreis seiner Betrachtungen gezogen, so hätte er eben eine Art von Matriarchat auch bei den Zigeunern vorgefunden. In einigen ma- gyarischen und rumänischen Gegenden Ungarns nennt das Landvolk einen Gatten dann nach dem Zunamen seiner Frau, wenn dieselbe das einzige Kind ihrer Kitern gewesen ist. Eine ..instinktive Scheu" vor den üblen Folgen der Eben zwischen Blutsverwandten scheint uns die weitverbreiteten Blutschandeverbote nicht hinlänglich zu erklären : diese instinktive Scheu ist mehr das Erziehungsergebnis gewisser Zwangsmassregeln, welche die Eltern von jeher dem geschlechtlichen Verkehre der Kinder unter sich an- wandten, damit sich dieselben nicht schon vor der geschlechtlichen Keife aufreiben. In späterer Zeit, als bei der Kaufehe die Tochter ein materielles Vermögen repräsentierte, musste eben gesorgt werden, dass sie nicht vor dem Verkauf geschlechtlich ausgenützt werde. Das Buch gehört zweifelsohne zu den unentbehrlichsten Werken ethnologischer Forschung. Ein Sachregis- ter, oder besser gesagt ..Schlagworte", hätten den Wert des Buches al* Nachschlagewerkes bedeutend erhöht. //. r. Wlislochi.

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257

Der Typus der Ugrier.

Von Dr. Karl Pdpai. 1

Die Litteratur über den anthropologischen Typus der den Magyaren sprachverwandten Völker ist sehr lückenhaft.2 Dies bewog mich, von den am wenigsten bekannten die Wogulen, Ostjaken, Zürjenen und Samojeden in ihrer Heimat aufzusuchen. Hauptzweck dieser Arbeit ist, den ursprünglichen Typus der Wogulen und Ost- jaken oder den Grund typus der Ugrier wenigstens annäherd fest- zustellen. Zur Verglcichung werden in erster Reihe die den Ugriern sprachlich zunächst stehenden Völker herangezogen, dann diejenigen, welche zufolge nachbarsehaftlicher Berührung von Einlluss auf den physischen Typus der Ugrier waren.

Die Statur.

Vor allem wäre auf Grund der Vergleichung der Daten ver- schiedener Gegenden und Forscher die ursprüngliche Statur der Wogulen und Ostjaken festzustellen.

Demzufolge zeigt die Statur der Ugrier und der ihnen sprach- verwandten und benachbarten Völker folgende Verhältnisse :

Wogulen a. d. Lozwa (Malijcw) (> Individuen 1.5*24

im Norden (Päpai)

im Süden (Päpai) Ostjaken (Päpai)

t Sommier) reremissen iMalijew)

!. Sommier) Wotjaken iMalijew) Permjaken iMalijew» Zürjenen (Sommier)

(Päpai) Erzä-Mordwinen (Majnow)

1 Aus des um die Ethnographie der Ugrier hochverdienten Verfassers nachgelassenem Werke über Wogulen, Ostjaken, Zürjenen und Samojeden.

; Ausser eigenen Beobachtungen und Sommiers, Malijews und Topinards ott citierten Werken standen mir folgende Arbeiten zur Verfügung: St. Snmmier: Note di viaggio. Firenze, 188!*. (('her Tschereinissen und Kalmuken). Der- selbe : Due Coinunicazioni sui Lapponi e sui Finlandosi settentrionali. Estratto dall* Archivio per l'Antrop. e l'Etnol. Vol. XVI. 1SS(». i Derselbe: Fra i Baskiri. (Ebenda Vol. XI.) X. Malijrw. Antrop. o'erk plem. Permjakow Kasan. 1887. Ebenda. Antrop. o'erk Baskir. Kasan. 187fi X. Majnow: Rezultatii antropol. isled. sredi Mordvii-Erzi. S.- Peterburg. 188;i. Ii. Bona- partc : Note on the Lapps of Finnmark. Paris. 188ti. G. ltetzius: Finnland. Herlin, IbHb. <>. Grube : Anthrop. Untersuchungen an Esten. Dorpat. 1^78.— /■'. Wahlhauer: Zur Anthrop. der Liven. Dorpat, is7«>. K. de l'jfatey: Resultats antliropol. d'un Voyage en Asie centrale. Paris, 1880.

105

1.575

25

1.007

144

1.559

115

1.503

1.5S1

••

im

1.013

100

••

1.018

1>D

1.63t)

51

-

1.037

1.040

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258

Finnen 'Beddoe)

1.617 1.H73 1.720 1.714

von Tavasland (Retzius» in Kardien (Retzius) < Bonsdorf)

Esten (Grube» Liwen < Waldhauer)

ICH Individuen 1.042 100 1.73«)

Lappen (Sommier und Mantegazza) ■Bona parte»

Samojeden (Sommier» t)2

(Uapai) 32

'ZografV* 17

.lenisseer Ostjaken

1.524

1.53

1.54

1.574

1.5« 15

1.53

Ba.skiren in der Steppe (Malijew) 30 im Wald < Mali jew 10 tSommien 74

1.IH)

1 .732

IM

1.71»

U>(>3

1.Ü7

Kirgisen (Topinard'

Kalmüken (Sommier« 28

Die Statur der Nord-Ostjaken zeigt nach Sommier's und meinen Daten eine übereinstimmende Mittelzahl: 1*50 m. Diese kann als bezeichnend betrachtet werden, mit Rücksicht auf die genug grosse Zahl der Fälle 231) i und darauf, dass sie das ganze Gebiet der Nord-Ostjaken als der Hauptmasse des Ostjakentums umfasst, und dass ihr meine Beobachtungen bei Süd-Ostjaken wesentlich nicht wider- sprechen.

Nicht so übereinstimmend sind unsere Daten bezüglich der Wogulen, wo sich zwischen nördlichen (1575 m.t und südlichen (l t')07 m.i ein erheblicher Unterschied zeigt.1 Die Süd-Wogulen, vom Gebiet der untersuchten Ostjaken isoliert, südwestlich von diesen, zeigen eine höhere Statur, als die Nord-Wogulen, welche in der Nachbarschaft der Ostjaken, unter gleicher geographischer Breite und ähnliehen Verhältnissen leben.- Die Statur der Nord-Wogulen mit derjenigen der Ostjaken verglichen, weist einen sehr geringen Unter- schied auf, so das.- in Bezug auf die Statur ein viel grösserer Unterschied zwischen den Süd- und Nord-Wogulen als zwischen diesen und den Ostjaken besteht. Wir haben also den Grund des Unterschiedes der Statur der Wogulen und Ostjaken einem fremden Finlluss von Süden oder Südwesten her zuzuschreiben, der sich nach

1 Auf M;vlij«"\vs Ansähe i l\> 12 m., von Majnow unrichtig als: l b\*l m. eiti»>rt . welche sich aul' ein %*u/. kleines Gebiet uii'I nur aut H Individuen erstreckt, können wir kein grösseres Gewicht b-^en : «loch erhält sie dadurch einige Hftli'uruii^. dah* .~ie tlie M it feizahl der Nord- Wogulen derjenigen der <X»tjuken ni.iier bringt.

«-iiiein kleinen Bruchteil der Ü.-tjaken vom Konda ist die Statur höner und nähern sich diese überhaupt den Sud- Wogulen.

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,59

Norden und Nordosten abschwächt. Von diesem Einfluss abgesehen kann die Statur der Wogulen und Ostjaken im Grund genommen als übereinstimmend betrachtet werden und besteht diese l bereinstim- mung im Norden, an der Linie ihrer Berührung an der Soswa- Mündung auch heutzutage. Wenn wir die Daten bezüglich der Statur der Ostjaken i23!l Männer, und der Nord- Wogulen (105 Männer) zusammenlassen, erhalten wir als Durchschnitt 1*51)5 m.. wovon das Süd-Wogulentum so erheblich abweicht, dass auch andre Momente (Kopfindex u. s. w.) in Betracht gezogen, ihre Scheidung nötig erschien. Die resultierende Mittelzahl, (rund i'55 m.) zeigt die wogulisch-ostjakische Körperhöhe an und kann als ursprüngliche Grundhöhe derselben, ja annäherungsweise des gesammten l'gricrtums betrachtet werden, da besonders die fremden Tartaren vergrössernd einwirken.

Diese Statur kann entschieden untersetzt genannt werden und erhebt sich nur zufolge fremder Klnllüsse bis zur obern Grenze des Untersetzten, und der untern Grenze der Untennittelgrösse (bei den Süd- Wogulen mit 1.007 m.>.

Den Ugriern stehen an Statur zunächst ihre nördlichen Nach- bern, die Samojeden. besonders wo sich beide unmittelbar berühren. Gegen Westen, an der Westseile des Kral vergrössert sich die Statur, gegen Osten nach dem Jenissei hin nimmt sie ab. An der Westseite des l'ral beträgt die Körperhöhe der Samojeden nach Zogralf 1.595 in., wobei der gegenwärtige zürjenische Kinfluss zweifellos ist und auch früherer wogulisch-ostjakischer angenommen werden kann. Meine Beobachtungen an beiden Seiten des l'ral zeigen eine niedrigere Zahl 0*574 m.) Sommier's Daten, welche sich zumeist auf die Ge- gend des Ob-Busens beziehen, eine noch niedrigere Zahl (154 in. ), welche bei den Ostjaken am .jenissei gar auf 1 50 m. herabsinkt. Die am Ob, südlich von den Ostjaken wohnenden ostjukischen Sa- mojeden sind auch untersetzter als die Ostjaken. Kine solche und noch niedrigere Statur linden wir nur im europäischen Norden bei den Lappen : 1*53—1*52 m. Die Lappen mögen auch territorial mit den Samojeden zusammenhängend gewesen sein und ihr Wauder- gebiet i-t auch gegenwärtig nur auf einem verhältnismässig kleinen Gebiete, in der Gegend von Kanin und südlich davon durch das sieh zwischen sie einkeilende Bussentum geschieden. Es sind daher die Völker von kleinster Statur des europäisch-asiatischen Contingentes nach dessen nördlichsten, kärglichsten Tundra-Gegenden gedrängt, und zwar nicht nur durch ihre südlichen, sondern zugleich durch ihre westlichen und «istlichen Nachbarn, so dass ihr Wohnort fast in die Mitte der nördlichen Bandlinie des Doppeleontinentes fällt. Ks wäre nicht uninteressant, die Ursachen dieser Erscheinung mit genauer Berücksichtigung der geographischen und historisch-ethnographischen Verhältnisse einer eingehenderen rntersuchnng zu unterziehen.

Im allgemeinen eine höhere Statur als die l'grier zeigen ihre westlichen und südwestlichen Verwandten: die Zürjenen. IVrinjaken und die Wolga-Kinnen, mit denen sie vor der russischen Coloni-

2t0

sierung territorial zusammenhiengen. Die Statur dieser weist auf einen Zusammenhang mit dem südwestlichen Teil der Ugrier von grösster Statur: den Südwogulen (1'6Ü m.). Dieser zunächst stehen die Cere- missen (1*58 1*60 m.), dann folgen die Wotjaken (161), Perm- jaken (1*62), Zürjenen (1*63), Mordwinen (1*64), lauter finnische Völker, bei denen sich die Statur von den ügriern gegen Westen und Südwesten sich entfernend vergrössert. Dies setzt sich fort bei den südlichen und östlichen türkisch-tartarischen und mongoli- schen Nachbarn dieser Völker, bei den Baskiren (1*66), den Kirgisen (1*66), den Kalmüken (1*67). Diese Völker und ihre Verwandten haben, sich von Osten und Südosten nach Westen und Nordwesten aus- breitend und mit den nachbarlichen finnisch -ugrischen Völkern kreuzend, nebst andern physischen Eigenschaften auch auf die Statur derselben modificierend, vergrößernd eingewirkt.

Doch nur insofern, als sie die Statur der östlichen Finnen von niedrig auf [Tnterrnittel erhöht haben; die Mittelgrösse ihrer süd- lichen Nachbarn haben sie nicht erreicht. Die Richtung und Grösse der staturerhöhenden fremden Einflüsse macht die Annahme wahr- scheinlich, dass die Statur der finnisch-ugrischen Völker ursprünglich niedrig war, wie gegenwärtig die der Wogulen und Ostjaken (rund 1*55 m.) und sich zufolge der türkisch-tartarischen Kreuzung von Südosten her bei den meisten bis l'ntermittel gehoben hat. Der Einfluss der russischen Kreuzung ist viel neuern Datums und unbe- deutender, und kann kaum in Betracht kommen.

Die Statur der westlichen Finnen (1'67 1*71) hat sich durch ganz andere Einflüsse bis zum t'bermittel gehoben, als die ihrer östlichen Vorwandten ; unzweifelhaft waren es germanische Ein- wirkungen. Aber auch bei jenen zeigen sich noch die Spuren der niedrigen Statur, deren obere Grenze Beddol's Maasse kaum über- schreiten (1'67 in.), wobei aber auch lapponischer Einfluss gewirkt haben kann. Auch bei den Esten bleibt die Statur untermittel, ob- wol sich auch hier andere fremde Wirkungen geltend gemacht haben.

(Schluss folgt.)

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In dem Vorlage von Emü Felber, Berlin, S. W. 46, Hallesche-Strasse 4 . ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen :

IDEALE WELTEN

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Reisen auf der Vorder-indischen Halbinsel im Jahre 1S90 fxir ethnolo- gische Studien und Sammlungszwecke. Mit 9 Tafeln.

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j

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A. B. (Adolf BaatUa). WIE DAS VOLK DENKT. Ein Beitrag zur Beantwortung socialer Fragen, auf Grundlage ethnischer Elementargedan- ken in der Lehre vom Menschen. 1892. XVUl. 224 S. Gr. 8*. Preis 5 Mark.

Adolf Bastian, VORGESCHICHTLICHE SCHÖPFUNGSLIEDER in ihren ethnischen Elementargedanken. Ein Vortrag mit ergänzenden Zusätzen und Erlauterungen. Mit zwei Tafeln. 1893. 146 S.

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Band II.

Dia Entwicklung dar Ehe. Von Th. Acheli*. Preis 2,60 M.

Band HL

Lieder and Gesohiohten der SaaktlL Von C. G. Büttner.

Di

INHALT.

L. Kdhtuiny, Kinderschrecker und Kinderräuber hl der magyarischen

Volksüberlieferung. fSchluss) 213

D>>. L. Baroti, Beiträge zur Geschichte des Vampyrismus in Südungarn 219

Adolf Strauss, Zur Volksmedizin' der Bulgaren 223

Dr. Friedrich S. Krams, König Mathias und Peter Gereb. Ein bulgarisches

Gnslarenlied aus Bosnien. (Erläuterungen) 234

K. Fuchs, Eine alte Beschwörungsformel 210

Ludwig Mdtyds, Aus dem Volksglauben der Schwaben von Solymar,

Szent-Ivan und Hidegkut i . . 244

Friedrich S. Krauts, Das grosse Sammelwerk für bulgarischen Folklore.

(Fortsetzung) .' 247

Anton Herrmann, Kroatische Volkslieder aus Cirkvenica 252

Georg Versengt, Deutsche Volkslieder aus der Körmöczbanyaer Gegend 255 H. v. Wlislocki, Westermarck Ed., Geschichte der menschlichen Ehe.

(Besprechung) 256

Dr. Karl Pdpai, Der Typus der Ugrier 257

1

Zur Zigeunerkunde.

A. H., Dokumente zur Geschichte der Zigeuner. I. (Schiusa) .... 221 Vladislav Kornel Ritter ton Zielinski. Die Abstammung der polnischen

Zigeuner nach ihrer Tradition 250

A. H.y Zigeunersagen n. dgl. über Erzherzog Josef. V. Wie Josef König

wurde 254

Ethnologische Mitteilungen

aus 'Ungarn.

Zeitschrift für die Völkerkunde Ungarns

and der damit iE ethnograpnlscben Beilenongen stehenden Länder.

(Zugleich Organ für allgemeine Zigeunerkunde.)

i

Unter dem Protectorate und der Mitwirkung

* i

Seiner kais. und königl. Hoheit des Herrn Erzherzogs Josef

-

redigiert und herausgegeben von

Prof. Dr. Anton Herrmann.

-

III. BAND 11-12. H EFT. Kedactioii und Administration :

Budapest, X., Szent-Györgyotcit 2.

BUDAPEST, 1894.

BUCHDRUCKEKKI E. HORUTH.

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In der geographischen Verlagshandlung

Dietrich Reimer (Hoefer & Vohsen) Berlin

ist erschienen und durch alle Buchhandinngen zu beziehen:

Unter den Naturvölkern + + ßentral-Brasiliens.

Reiseschilderung und Ergebnisse der zweiten Sehingü-Expedition 1887 1888.

Von

Prof Dr. Karl von den

Mit 190 Abbildungen und Tafeln, sowie 1 1894. - Preis gebunden 12 Mark.

Aus den zahlreich eingelaufenen Besprechungen erwähnen wir folgeude :

Prof. Ferd. von Riohthofen: Ks ist tür dun Ethnographen, vor Allem für denjenigen, der die naiven Urzustände des Menschen philosophisch betrachteu will, eine Fundgrube, die meines Wissens nicht ihres Gleichen hat.

Prof. Friedr. Müller (Wien): Ein klassisches Buch, tür den Kthnologeu, den Volkerpsychologen, den Philosophen, den Soziologen, den Sprachforscher, sowie überhaupt für jeden Gebildeten.

Prof. A. Kirohhoff: l»ie ethnologischen Forschungen des an- ziehenden Buches verdienen das allgemeinste Interesse, das ihnen auch wohl nicht versagt bleiben wird bei der spanneu» den Forin der Darstellung un>l ihrer volligen Freiheit von abstruser Gelehrsamkeit.

Prof. Jon Ranke (München): Ks ist Jas erste Lehrbuch der Völkerpsychologie, dargestellt in der klassischen Beschreibung eines Naturstein nies. Die Lehren unseres Meisters Bastian treten liier dem Leser gleichsam lebendig entgegen. Dabei ist das Werk so fesselnd geschrieben, dass es seines Ein- druckes aul jeden Gebildeten sicher ist.

NB. Von diesem erst in diesem Jahre erschienenen hoch- bedeuttunlen Werke >ind bereit.» über 10.0 Exemplare abgesetzt und durfte erste Auflage (1500/ in nächster Zeit vergriffen «ein.

--.

1

Ii

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Ethnologische Mitteilungen aas Ungarn.

UNTER DEM PROTECTORATE UNO DER MITWIRKUNG

Sr. tcais. u. tcöniRl. Hoheit de« Herrn Erzherzog Josef REDIGIERT U. HERAUSGEGEBEN VON ÄNTON JF"£eRRMANN.

EX Band. Budapest, 1893—1894. U— 12. Heft.

Der Typus der Ugrier.

Von Dr. Karl Pdpai. (SctalusB.)

Der Kopfindex bei den Ugriern und den ihnen sprachverwandten und

benachbarten Völkern.

Es stehen uns folgende Daten zur Verfügung :

Wogulen a. d. Lozva (Malijew) 13 Individuen 77 31

im Norden (Papai) 105 - 79- 26

im Süden (Papai) 84-69

Ostjaken (Sommier) 95 v 79 26

Papai 144 8170

Ceremissen (Malijew) 78 80

(Sommier) 38 n 79-40

Wotjaken (Malijew) 81.86'

Permjaken (Malijew) 100 822

Zürjenen (Sommier) 24 82.44-

(Papai) 8343

Erza-Mordwinen (Majnow) 83 30

Esten (Grube) 100 79 26

Liven (Waldhauer) 100 79 9

Finnen in Karelien (Retzius) 812

in Tarastland (Retzius) 82 3

(Beddoe) 83 69

Samojeden (Zograff) 82 61

(Papai) 31 8372

(Sommier) 66 8444

Lappen (Beddoe und Retzius) 85 63

n (Bouaparte) 87 63

(Sommier und Mantegazza) 87*64

Baschkiren im Walde (Malijew) 10 79*10

v in der Steppe (Malijew) 30 82*20

Ethn. llitt. a. Ungarn, m. 18

262

Baschkiren (Sommier) 74 Individuen 83 52

(Ujfalvy) 12 85 75

Kalmuken (Sommier) 36 82'08

aus Kuld2a (Ujfalvy) 4 80 89

Kirgisen (Topinard) 81 40

am Aral-See (Ujfalvy) 11 , 8719

Bei den Ugriern und den verwandten Völkern zeigt sich ein gewisses Verhältnis zwischen dem Kopfindex und der Statur. Schon im Kreise der Ugrier ist der Unterschied des Kopfindex (wie der der Statur) zwischen Nordwogulen und Ostjaken auf- fallend ; bei jenen zeigt sich durchschnittlich mesaticephaler Typus, bei diesen schon entschiedene Brachycephalie (84 69) ; und es ist der Unterschied des Kopfindex zwischen diesen zwei ngrischen Völkern bedeutender, als zwischen den Ugriern und den Wolga-Finnen.

Bei diesen, auch die Zürjenen hinzugerechnet, finden wir in unserer Tabelle in ähnlicher Reihenfolge eine Steigerung gegen die Brachycephalie hin, wie wir sie bei der Statur beobachtet haben, nämlich im wesentlichen von den Ugriern in nordwest- licher und südwestlicher Richtung fortschreitend. Wie bei der Statur, so stehen den Ugriern auch hier die mesaticephalen C'ere- inisseu am nächsten.* Diesen reihen sich östlich die Wotjaken an : nördlich von diesen finden wir bei den Permjaken und noch mehr bei den Mordwinen eine Steigerung der Brachycephalie bis zu ihrer oberen Grenze, einigermassen auch darüber hiuaus.

Wenn wir die Verhältnisse des Kopfindex und der Statur geographisch betrachten, finden wir. dass die an die Ostseite des Ural gedrängten, dort am meisten isolierten Wogulen und Ostjaken den mezaticephalen Typus am reinsten bewahrt haben : die Mesati- cephalie folgt an der Westseite des Ural der ost westlichen Rich- tung des Kaniaflnsses und setzt sich gegen Westen auch iu der Gegend der mittleren Wolga oberhalb der Kamamündung fort. Diese Kamalinie können wir als eine der Wanderlinien und Haupt- niederlassungsstellen der Finnen betrachten, wo die Hauptmasse des Volkes von fremden Einfiüssen am meisten verschont war und das Meiste von den ursprünglichen Rassenzügen bewahren konnte, während die Schwärme nördlich und östlich dieser Linie, fremden Einflüssen mehr ausgesetzt, grössere Umwandlungen erlitten.

Diese Steigerung des Kopfindex können wir. uns vom Kama- fiusse nach Süden hin entfernend. b»d den Baschkiren genau be- obachten. Während im Norden die Bergbaschkireu den mesatice- phalen Typus zeigen, findet sicli südlicher auf den Steppen sub-

* Nahe stolien diesen die im Süd n benachbarten Cuwasen, nach Malijew in 17 Fällen 7<;3 Schädelindex, was 7 7 'S Kopfindex entspricht. Bei 17 Berg*'ere missen gibt. Malijew den Schädel index mit 7»> 5 an. [Malijew: Katalog kraniolog. koliek. Kasansk. Univers. Kasan. 1888. 2A- 2!>.)

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brachycephaler, ja auch rein brachycephaler Typus. Bezüglich des Koptindex zeigen sich hier dieselben Unterschiede zwischen den Wald- und südlichsten Steppen-Baschkiren, wie zwischen den nördlichen Soswa- und den südlichen Konda- Wogulen.

Im Allgemeinen finden wir, dass sowohl bei den Ugriern, als bei den östlichen Wolga Finnen, die im Grunde genommen einen mesaticephalen Schädeltypus zeigen, südliche mongoloide Einflüsse die Brachicephaiie verursacht haben.

Gleichfalls mongoloide Einflüsse macheu sich auch von Norden her bei den Samojeden geltend. Während bei den europäischen Samojeden, wo die finnisch-ugrischen Einflüsse am intensivsten sind, die Brachyeephalie am kleinsten ist. steigen sie sich vom Ural nach Süden bis zur wirklichen Brachyeephalie. Doch während im Süden im Ganzen genommen die Brachycephalin mit der Statur zunimmt, zeigt sich im Norden bei den Samojeden ein verkehrtes Verhältnis, und dies steigert sich zum Extrem bei den Lappen, die gleichsam eine westliche Fortsetzung der Samojedeu bilden, die aber heute durch Einkeiluug fremder Elemente unterbrochen ist. Bei den Lappen finden wir nämlich neben der kleinsten Statur die grösste Brachyeephalie. Während also in Bezug auf die Körper- grösse die Woguien und Ostjaken den Samojeden und Lappen sehr nahe steheu. unterscheiden sie sich au Kopfindex bedeutend von einander, so dass wir aus der Annäherung der Staturinaasse nicht auf die nahe Verwandtschaft des Typus dieser Völker schliess<r'U können und in der niederen Statur der Ugrier noch keinen samoj«*dischen Einfluss zu suchen haben.

Bemerkenswert ist es, dass die westlichen Finnen, die in Bezug auf Statur sich von den Samojeden so bedeutend unter- scheiden, ihnen an Kopfindex ganz nahe stehen. Fraglich ist es. welchen Anteil hierin der Gruudtypus hat, und weichen jene fremden Einflüsse, die eine Steigerung der Statur bewirkt haben.

Die Farbe der Haut, der Haare und der Augen.

Bei Wogulen und Ostjaken ist weisse Hautfarbe vorherrschend, an unbedeckten Stellen mit dunklerem Ton und im allgemeinen mit etwas gelblicher Schattierung. Am dunkelsten bei den Süd-Wogulen, doch nicht so sehr, wie bei den Samojeden.

Der dunklern Nuance der weissen Hautfarbe entspricht bei den Ugriern dunkleres, ja ganz dunkles Haar. Herrschend ist braun, als kastanien- und dunkelbraun, seltener die mittlem, noch seltener die helleren Töne. Bei den Süd-Wogulen hier wieder dunkelbraun vorherrschend, oft schwarz.

Die Augen sind dunkel, mit überwiegend helleren Übergangs- tönen; vor allem kastanienbraun, dann dunkelbraun und hellbraun, oft auch grau. Bei den Süd- Wogulen mehr Uebergangstöne.

Im gegenwärtigen Typus der Ugrier herrscht also dunkel weisse, etwas gelbliche Hautfarbe vor, mit dunkelen Haaren und Augen,

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erstere mit stärker, letztere mit weniger dunklen Nuancen. Beide vorherrschend braun, Augen oft grau.

Unter den verwandten Völkern finden wir wieder bei den Cere- raissen viel Ähnlichkeit. Ihre Hautfarbe ist nach Sommier weiss, an unbedeckten Stellen bronzefarben ; beim Haar dunkle und sehr dunkle Töne überwiegend, doch oft auch hellere vorkommend; beim Auge nebst den dunkeln, auch die Mittel- und helleren Töne häufig, ja bei Frauen letztere überwiegend.

Von den Ugriern (und den Ceremissen) sich durch hellere Töne unterscheidend, stehen die Wotjaken, Permjaken und Zürjenen einander nahe. Nach Malijew ist die Hautfarbe der Wotjaken weiss ; bei 63 von 100 mit hellerer, bei 32 mit dunklerer Färbung. Bei den Zürjenen ist nach Sommiers. und meinen eigenen Beobachtungen hell weiss fast allgemein, bei der Jugend mit roten Wangen. Das Haar ist meist kastanienbraun, dann folgen die mittlem und helleren Töne, bei Männern ist auch dunkelbraun nicht selten ; schwarz ist ausgeschlossen. Bei den Augen sind die mittlem (zumal grau) und die hellem Töne (besonders himmelblau/ vorherrschend. Wotjaken und Permjaken sind zumeist blondhaarig, bei letztern ist auch dunkles Haar häufig, selbst schwarzes. Die Augen sind meist hell (blau), nebstbei sind bei den Permjaken die mittlem, bei den Wotjaken die dunklen Töne häufiger. Den kastanienbraunen Ugriern gegenüber zeigen also ihre westlich benachbarten Verwandten, die Zürjenen, Wotjaken und Permjaken im ganzen einen blonden Typus : lichte weisse Haut, blondes Haar und blaue Augen.

Von dieser Gruppe entfernen sich bezüglich der Farben die Mordwinen, mit lichter weisser Hautfarbe aber meist dunkelm (nach Mainow grossenteils zimmtfarbenem) Haar und zumeist lichten (blauen) oder mittelfarbigen Augen.

Unter deu West-Finnen sind die von Tarastlaud und die Esten von blondem Typus, die Liwen und die Karelier mehr von kastanienbraunem. Die Hautfarbe der Esten ist in 66 von 100 Fällen weiss, in den übrigen braun, auch bei den Finnen in Tarastland licht, doch nicht, so rem, mit durchschimmerndem Rosa, wie bei den blonden Germanen, geht oft ins schmutziggraue über, bis olivengrau ; bei den Kareliern hingegen ziemlich bräunlich oder schmutziggrauiich. Auch bei den Liwen scheint die Haut bräun- licher zu sein, als bei den Esten. Bei diesen und den von Tarast- land ist auch das Haar lichter ; bei jenen herrschen die lichteren Nuancen des Braun sowie gelb vor, bei diesen ist das Haar am Scheitel blond, oft flachsfarben, sonst aschblond ; bei den Kare- liern zumeist kastanienbraun, mitunter dunkel aschfarben, auch bei den Liwen ist kastanien- und dunkelbraun vorherrschend. Die Augen sind in Tarastland und bei den Esten hellgrau, blau und häufig blaugrau, bei den Kareliern ziemlich dunkelgraublau, bei den Liwen meistens mitteldunkelgrau.

In der Nachbarschaft der kastanienbraunen und blonden Ugrier und Finnen fiuden wir nördlich und südlich dunklere

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türkisch-t art arische und mongolische Völker von charakteristischer Brochycephalie : oördlich von den Ugriern die Samojeden, von den Finnen die Lappen. Bei den Samojeden ist die Hautfarbe gelblich, von dunklerem Tone als bei d*n Ugriern; charakteristisch ist die Röte der Backengegend zufolge der Blutausammlung ; bei der Haarfarbe herrscht stark dunkel vor : schwarz und schwärz- lich, obwohl auch dunkel- und kastanienbraun häufig ist, gleich- sam als Uebergang zu den Ugriern ; bei den Augen überwiegt dunkel- und kastanienbraun. Bei den Lappen ist die Hautfarbe nicht mehr gelblich; schwarzes Haar, früher wohl häufiger, tritt gegenwärtig seltener auf, und im Allgemeinen beginnen lichtere Nuancen zu überwiegen, worin Sommier das Ergebnis finnischer Kreuzung erblickt.

Wie im Norden die Samojeden. so bilden im Süden die Baschkiren gleichsam einen Uebergang zu den Mongoloiden. Nach Sommier ist die Hautfarbe der Baschkiren etwas dunkler, uls die der italienischen Bauern, und gelblich ; nach Malijew dunkelbrnun. Haare und Augen sind sehr dunkel, jene vorwiegend schwarz und schwärzlich, diese dunkelbraun, doch sind auch die übrigen Töne vertreten. Bei den Kalmuken sind nach Sommier Haare und Augen mit ganz seltenen Ausnahmen ganz dunkel, besonders schwarz.

Es ergibt sich also, dass die Ugrier dunkler sind als die Finnen, und dass die nördlich und weifer südlich wohnenden Völker von mehr mongoloiden Charakter noch dunklere Töne aufweisen als die Ugrier. Dar. <;Jeib der Hautfarbe scheidet diese von den Finnen und bringt sie den Samojeden uud Baschkiren näher. Bezüglich der Haarfarbe ist bei den Ugriern gegenwärtig der sehr dunkle Ton vorherrschend, bei den Finnen aber dunkle uud mittlere Töne. Wenn bezüglich der letzteren die lückenhaften Daten unserer Tabelle ergänzt werden könnten, erhielten die mitt- leren und hellen Töne unzweifelhaft ein grösseres Uebergewicht . Dunkler als die Haare sind die Augen : bei den Ugriern vorherr- schend dunkle und mittlere Töne, bei den Finnen auch hier lichtere.

Das früher die Färbung auch bei den Ugriern lichter war, ist, kaum zweifelhaft, wenn man erwägt, dass sie ausgenommen in Westeu, wo die Natur auch sonst schärfere Grenzen zieht, von allen Seiten von Hassen dunklerer Färbung begrenzt werden, deren Einfluss auch gegenwärtig tätig ist und wohl auch in der Ver- gangenheit wirksam war. Dass früher der lichteren Färbung eine grössere Bedeutsamkeit zukam, darauf scheint die Autfassung der körperlichen Schönheit hinzuweisen, wel< he sich in den uralten Heldengedichten der Irtiser Ostjaken offenbart und wonach das Weisse und Durchschimmernde des Körpers als Schön heitsz^ichen galt; bei den schonen Menschen „scheint das Mark durch den Knochen uud der Knochen durch das Mark." Doch erblickte man hierin zugleich physische Schwäche gegenüber der grösseren Com- pactheit, des Organismus und dem Mangel an Dut cnschetnbarkeit . (S. Patkanow : Tip osrjaekawo bagai urja. St. Fei. rshnrg. 1S91.S *24. >

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Nase und Gesicht.

Das Nasensegment ist. bei den Ugriern wenig entwickelt. Die Nase ist mesorhin, mit tief eingedrücktem Rücken uud grossen sich verflachenden Nasenflügeln. Auch leptorhin und platyrhin treten auf ; auf die Verbreituug der ersteren haben auch die gegenwärtig benachbarten Völker Einfluss, nördlich die Samojedeu, westlich die Zürjeneu, südlich wahrscheinlich die Tarraren ; platy- rhiue Einflüsse aber machen sich gegenwärtig i.icht geltend.

Hinsichtlich der Nase nähern sich wieder die (Jeremiasen den Wogulen, deren Nase, nach Sommier, klein, niedrig, oft der ostjakischen ähnlich ist ; ein anderer Typus zeigt vorspringendere gerade Nasen, wie auch ich sie bei deu südlichsten Wogulen gefuuden habe.

Bei den westlichen Nachbarn der Ugrier. den Zürjeneu. Wotjaken und Permjaken ist die grade Nase vorherrschend, be» letztem kommt nach Malijew auch die breite, platt gedrückte Nase genug häufig vor. Die Mordwinen sind leptorhin (H6.90.)

Von den westlichen Finnen haben die in Tarastland kleine, breite Nasen, mit breiten Flügeln und kleiner Spitze ; bei den Kareliern ist sie lang, gerade, spitz. Der erste Typus, dem wie- der die Esten nahe stehen, kann als charakteristisch für die West -Fiuuen angesehen werden. Bei den Li wen ist die Nase mittelgross, gerade, an der Spitze etwas hervorstehend. Die Nase der Lappen ist mesorhiu (74 59). klein, stark vorspringend.

Hei den Ugriern und Finnen ist also das Kiechorgan weuig entwickelt. Bei jenen ist die coneave. niesorhine Nase vorherr- schend, bei diesen die gerade, wahrscheinlich leptorhiue. Die Lappen bildeu auch hier eine Ausnahme und stehen mit meso- rhinem Index den Ustjakeu nahe. Diesen Index finden wir. wo sich die Wirkungen fremder, dunkler Rassen am meisten geltend gemacht haben, der leptorhiue Typus kann also sowohl bei Finnen als auch bei Ugriern als ursprünglich betrachtet werden. Und da die Ugrier gegenwär ig von leptorhinen Völkern (Samo- jeden, Zürjeneu, Tariaren) umgehen sind, können wir die jetzigen Nasen-Typen als ein Resultat, älterer Kreuzung mit inesorhinen oder mit platyrhinen Rassen betrachten. Von solchen) Eiiifluss hätten auch die Kahnüken sein können, mit tieueu sie in ge- schichtlichen Zeiten in Berührung standen, doch dies konnte nur von locaier Wirkung sein und sich nicht auf die ganze Kasse erstrecken. Darum ist jene Kreuzung in vorhistorische leiten zu versetzen.

Wahrend hinsichtlich der Nase eine Vergleichum; «um- Ugrier mit den verwandten Völkern noch möglich ist, fehlen bezüglich der übrigen Verhältnisse des Gesichtes die zur Vergleichuug ge- eigneten Zahlen, ohne welche die desct iptiven Epn heta keine ge- nügende Basis abgeben. Daher müssen wir uns auf einige bei- läufige Bemerkungen beschränken. Hiebei können wir aber die

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Süd-Wogulen, von denen wir Gesichtsmessuugen besitzen, nicht zur Grundlage nehmen, da nicht sie, sondern ihre nördlichen Verwandten, vornehmlich die Ostjaken den gegenwärtigen ugri- schen Typus am reinsten zeigen. Diese Gesichtsform kann oval genannt werden, mit schmaler Stirn und sieh verschmälernder Kinnspitze. Zufolge der Schmalheit dieser beiden Teile wird die Verbreiterung der Jochbogen und der Kieferwiukel etwas auf- fällig. Bezeichnend ist die Erhebung des Schädelteiles über die Stirne. Die Augen sind klein, tiefliegend mit schmaler Lidöffnung. Die Gesichtsform der Ugrier nimmt also gleichsam die Mitte zwischen dem finnischen und mongolischen, zwischen dem kurzen breiten und dem längeren schmalen Gesichte ein, aus welchen beiden es hervorgegangen zu sein scheint. Diese Mittelstellung zeigt auch die Augeutorni. bei der bald der eine, bald der andere Rassenzug in den Vordergrund tritt.

Wie Middendorf von den Samojeden bemerkt, treten auch bei den Ugriein im Kindesalter im Gesichtstypus die mongoli- schen Züge mehr hervor, während die filmischen Züge mehr im vorgerückten Alter zur Geltung kommen. Am mehr mongoli- schen Ausdruck im Kindesalter hat die durch die grössere An- schwellung der Augenlider verursachte schmalere LidöfFuung ihren Teil, sowie die platte Nasenwurzel und die volleren Backen, welche das Gesicht sehr flach erscheinen lassen.

Von den verwandten Völkern finden wir wieder bei den C'eremissen eine Annäherung an die Ugrier. Bei einem Typus derselben ist mit der kleinen Nase ein breites, niederes Gesicht verbunden, der andere zeigt eine vorspringendere regel massigere Nase mit höherem längerem Gesichte. Die Augen sind klein, wenig offen, sehr tiefliegend; manchmal etwas schief, mougolisch geschlitzt.

Sowohl bei den Permjaken, als auch bei den Zürjeueu (von finnischem Typus) ist die charakteristische Gesichtsform mittellang, in der Jochgegend sich etwas verbreiternd : mit nicht grossen, tiefliegenden Augen. Im Ganzen könueu die Wotjakeu hieher ge- rechnet werden, und ein Typus der Mordwinen.

Bei den Esten und Tarastland-Finuen ist das Gesicht mit- tellang und breit. Bei den Kareliern länger und weniger breit. Bei den zwei erstem ist das kleine Auge vorherrschend, mit schmaler Augenöflnung ; bei den zwei letztern ist das Auge mittel- gross. Der Gesichtstypus bei den Esten und Tarast lau d-Finuen steht dem der Wolga-Finnen nahe. Bei den Liwen ist langes oder ovales Gesicht und grosse oder mittelgrosse Angeu vor- herrschend.

Das Gesicht der Ugrier ist etwas kürzer und breiter als das der Finnen ; auch die Augenform nähert sich der mongolischen. Bei den Ugriern zeigt sich also auch in der Gesichtsform mon- golische Kreuzung.

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Der ugrische Typus.

Auf Grund unserer Beobachtungen und Vergleichungen wol- len wir versuchen, den Typus der Ugrier kurz zu kennzeichnen und dann einige Mutmassungen wagen bezüglich der ursprünglichen Elemente und Proces.se, die den gegenwärtigen Typus geschaffen.

Bei den Ugriern ist die Hautfarbe weiss mit gelblicher Schattierung und kalter !■ ärbung. Das Haar ist dunkel- odnr kasta- nienbraun, der Bart etwas lichter; das Ergrauen tritt spät ein. Die Augen sind dunkel, oder zeigen Uebergangsfarben. zumeist braune Töne.

Das Haar ist schlicht, matt, geschmeidig Der Haarwuchs ist reich, lang, oft auch bei den Männern zwei Flechten, was früher allgemein Brauch war. Kahlkopf kommt kaum vor. Schnur- nnd Backenbart treten sehr spät auf, und sehr spärlich, letzterer zumeist nur am Kinne, oft nur eine Spur. Viele raufen beide aus.

Die Statur ist untersetzt, etwa 1 65 m. Die Constitution ist kräftig, die Musculatur gut entwickelt, obwohl bei schlechter Nahrung schmächtig; das Fettgewebe unentwickelt, ohne Hang zur Beleibtheit. Das Verhältnis von Rumpf und Gliedinasseu zu einander uud zur Statur ist symmetrisch. Brustumfang und Schuh erbreite beträchtlich. Hände und Füsse klein.

Der Kopf ist mittelgross, mit mesocephalom Index. (79.0) erscheint vorn durch Erhebung des St.irnbeius genug hoch. Das Gesicht ist oval, mittellang. bei den Jochbogen und den Kinn- backen winkeln sich meist auffällig verbreiternd, bei deu hohen, oft gewölbten Schläfen uud besonders gegen die Kinnspitze zu wird es sehr schmal. Das charakteristische Riechorgan ist sehr unentwickelt, der kürzeste Teil des Gesichtes. Die Nase ist klein, stark concav. mit grosseu, flachen, sich verbreiternden Flügeln, stumpf auslaufend, von mesorhinem Index. Die tief liegenden Augen sind klein oder mittelgross, mit schmaler Oeffnung. Der Mund ist mittelgross, die Lippen mehr schmal. Oft tritt Progna- tismus der oberen Zahnalveolen auf. Die Zähne sind klein, weiss, dauerhaft. Die stumpfe Nase mit den etwas vorragenden Backen macht das Gesicht etwas platt.

Im Typus der Ugrier finden wir die Elemente, die Kreuzung zweier Rassen. Eine Gruppe der Rassenelemente bringt sie den weissen Finnen, die andere den gelben Mongoloiden näher, was auch in der gelblich-weissen Hautfarbe zum Ausdruck ge- langt. Zweierlei Elemente finden sich ferner in der Farbe der Haare und Augen (dunkel uud hell), in der Statur (niedrig oder unter-mittel), im Kopfindex (dolichocephal und brachycephal), bei der Nase, (leptorhin und platyrhin) u. s. w. Wenn wir die ver- schiedenen Elemente unter die zwei Rassen verteilen, ergeben sich folgende Hauptzüge der beiden sich kreuzenden Rassen :

Die weisse Rasse, den Finnen nahe stehend, mag die ursprüng- liche ugrische Rasse gewesen sein, mit einer der finnischen ver-

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wandten Sprache. Der Einfluss des gelben Elementes ist als ein fremder zu betrachten. Die weisse Rasse mag dolichocephal ge- weseu sein . ihre Spuren fiuden sich auch bei den finnischen. Völkern, sie hat. aber ihre ursprüngliche Reinheil früh eingebüsst. Mit dieser Kopfgestalt und weisser Hautfarbe sind lichte (rötliche oder flachsblonde) Haare, helle Augen, leprorhine Nase, ovales Gesicht, und der europäischen ähnliche Augenform verbunden. Die Statur dieser Rasse war vielleicht miter-inittel.

Bei der gelben Rasse mögen ueben der gelben Hautfarbe sehr dunkle Haare und Augen vorherrschend gewesen sein. Die Kopfform ist braehycephal. die Nase mesorhin oder gar platyrhiu \ das Gesicht ist niedriger, breiter sowol bei den Jochknochen als den Kieferwinkeln, die Backen sind vorstehend, die Augen mongo- loid ; für die Kopfform mag die Erhebung des Stirnbeins be- zeichnend gewesen sein. Die Statur war wohl ganz niedrig, die Behaarung, mit Ausnahme des Kopfhaares überaus spärlich.

Die Anciennität des weissen Typus dem gelben gegenüber können wir i uf die Sprachverwandtschaft der Ugrier mit den weissen Finnen basieren. Die Ur-Ugrier hatten denselben, oder doch einen sehr ähnlichen Typus, wie die weissen Finnen, seine Elemente aber gelangen in ihrem gegenwärtigen Typus mehr nur in Rudimenten durch Atavismus zum Ausdruck : man kann auf sie durch die Analyse uns jetzigen Typus folgern. In die weisse Rasse ist das gelbe Element und die dazu gehörigen Cüa- rakterzüge in Folge späterer Kreuzung geraten. Welches Volk diese gelbe Rasse war, in welchem Verhältnis sie zu den weissen Ugriern gestanden, wann und wo die Kreuzung vor sich gegan- gen : sind Fragen, auf die wir gar nicht oder nur mit Ah- nungen autwoiten können.

Bezüglich des Ortes der Kreuzung liisst sich annehmen, dass diese in der von der Wissensehaft vorausgesetzten südlichem Hei- mat der Ugrier geschehen. Zu dieser Annahme berechtigt der Umstand, dass die Ugrier weder in der Gegenwart, noch nach geschichtlicher Erinnerung je mit ein-in Volke in näherer Be- rührung gestanden, welches die oben angeführten Rasse-Eigen- tümlichkeiten Z' igt. Zu der Annahme, dass sie sich mit einer im Gebiete ihrer jetzigen Heimat angetroffenen Bevölkerung gekreuzt haben, fehlen bisher sowol hi*t< »rische. als archaeologisehe und lingui- stische Stützen. Ihre Ueberlieferungen und Heldengesänge beziehen sich alle auf ihr jetziges Wohngebiet und erwähnen nur unter- einander und mit den Nach i 'arvblkern. als Samojedeu, Tartaren U. s. w. geiührte Kämpfe. Ihre sociale Organisation, welche nur das Gemeinvolk, aber keine Sclaven kennt, lässt auf kein unter- jochtes Volk schliessen. Eine hochgradigere Vermenguug mit den Samojeden, die sie. wie es scheint, auf ihrem Wege vor sich her gedrängt haben, hätte einen von dem gegenwärtigen abweichenden Typus ergeben musseu. wie M<-h aus dem jetzigen Sainojedeu- typus erweist

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Nach all diesem kann also angenommen werden, dass sich die Kreuzung der weissen und gelben Has-e muh in der südlichen Hei- mat der Ugrier vollzogen hatte.

Der Umstand, dass die weisse Kasse ihre Sprache bewahrt hat, scheint auf ihre I Überlegenheit an Zahl, Macht oder Intellekt, oder auf ihre grössere Fruchtbarkeit hinzuweisen, der gelben Rasse gegenüber, mit der sie vermutlich in feindliche Berührung gekommen. Diesem gegenüber aber sprechen weder historische und sprachliche Gründe, noch Ueberliefernng und Volkseharakter für einen Zustand der Unterjochung bei den Ugriern.

Die weissen Ugrier also sind mutmasslich noch in der Ur- heimat mit einem Volke weisser Masse in Berührung gekommen, das aus uns unbekannten Gründen zum Kampf ums Dasein weniger ausgerüstet war. und aus dieser Kreuzung ist der' Typus der Ugrier hervorgegangen, welcher längs des Ob nach Nordwesten vordringend in sein jetziges Gebiet gelangt ist.

Die Tradition hat in den lleldengcsängen bis zum heutigen Tag die Erinnerung an die Ueberlegenheit der weissen Rasse bewahrt, in weichet- ne das Zeichen der Schönheit und Vornehmheit erblickt. Doch indem sie die grössere phvsische Tüchtigkeit nicht bei ihr sucht, scheint sie darauf hinzudeuten, dass die andere Rasse mehr von dieser hesass. und duss nicht der Mangel derselben der Grund war. dass sie in der weissen Rasse aufgieng. Ja, es ist wahrscheinlich, dass das weisse dolichncephalc Ugriertum dem gelben Kiemente seine Erhallung verdankt.

V<>n den zwei sibirischen ugrischen Völkern, den Wogulen und Ostjaken. sind die letzteren, der östliche Zweig, mehr vom gelben Element imprägniert worden, mit dem e- vermutlich von Südosten her sich berührt hat. Das westlichere Wogulentuni. im Osten und Westen von \ erwaudten Stämmen umgeben, hat in den inneren Gegenden seinem Gebiete- (z. R. an der W olga die Züge seines älteren Tvpus besser bewahrt, wurde aber andererseits an -einen Südgrenzeu zufolge fremder Einflüsse neueren Datums am meisten umgestaltet.

Die Magyaren.

Im Anschluss an die Kennzeichnung des Tvpus der sibirischen Ugrier wollen wir auch des Tvpus eines weit abgezweigten Gliedes der ugrischen Gruppe, nämlich der Magyaren erwähnen. Die Sprach- wissenschaft hat dargetan, dass die Magyaren sprachlich den Wo- gulen und Ostjaken um nächsten verwandt sind. Es ergibt sich nun von selbst die Krage, ob dieser in der Gegenwart deutlich erkenn- baren sprachlichen Affinität auch die Verwandtschaft des physischen Typus entspricht. Die Frage Hesse sich im Allgemein u so formulieren : In welchem Verhältnisse stand und steht der physische Typus der Magyaren mit dem der Ugrier V Dies üesse sich am einfachsten auf Grund eines hinlänglichen, richtigen und verlässlichen Materials aus Vergangenheit und Gegenwart beider Völker beantworten. Doch fehlt

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uns bisher bezüglich der Magyaren nicht nur dies Material, sondern selbst ein solches, wie es uns für die Ugrier zu Gebote steht. Be- obachtungen an Lebenden, die hier in erster Reihe ins Gewicht fielen, sind bezüglich der Magyaren kaum gemacht worden, oder doch nicht mit solch sorgfältiger Auswahl des Materials, welche bei Beobachtun- gen in geringer Anzahl unerlässlich ist. Wir können uns daher vom magyarischen Typus oder richtiger von den Typusgruppen keine solche Vorstellung machen, wie sie als Grundlage zu nur einiger- maassen genauen Vergleichen dienen kann. Wenn wir nun auf eine solche Vergleichung des magyarischen und sibirisch-ugrischen T^pus derzeit noch verzichten müssen, so können wir uns doch auf Grund unserer Ergebnisse irgendwelche Schlüsse und Annahmen erlauben, welche beim Studium des magyarischen Typus berücksichtigt werden könnten. Unsere Andeutung bezog sich vornehmlich auf die vorsich- tigere, richtigere, genauere Formulierung der einschlägigen Fragen und richtet >ich hauptsächlich gegen jene übereilte Folgerungsweise, welche auf Grund der gegenwärtig augenfälligen Typuseigentümlich- keiten auch die Verwandtschaft des Typus in längstvergangenen Zeiten entschieden verneint. Wir möchten betonen, dass die gegen- wärtigen Unterschiede im Typus der Magyaren und der Sibirier noch nicht gegen die frühere, ursprüngliche Verwandtschaft dieser Völker entscheiden, ja dass die Annahme einer solchen noch einigermaassen gerechtfertigt werden kann. Der gegenwärtigen Sprachverwandtschaft muss nicht notwendigerweise die Verwandtschaft des gegenwärtigen Typus entsprechen, sowie andererseits aus dem gegenwärtigen ab- weichenden Typus nicht auf die ursprüngliche Verschiedenheit des Typus geschlossen werden kann. Sprache und Typus, Vergangenheit und Gegenwart sind bei diesen Fragen auseinander zu halten. Es darf nie ausser Acht gelassen werden, dass weder die Sprache noch der Typus etwas beständiges ist, beide sind der Entwicklung und Umwandlung unterworfen.

Das Studium des Physischen verfolgt im wesentlichen dieselben Wege, wie die Sprachforschung. Gleichwie der naive Sucher der Verwandtschaft die Forderung aufstellt, dass die sprachverwandten Völker einen fast ganz übereinstimmenden Sprachschatz besitzen und einander verstehen, so fordert die naive Auffassung besonders die auffallende Aehnlichkeit des Gesichtstypus zur Begründung der phy- sischen Verwandtschaft. Dieser Auffassung gegenüber geht die streng wissenschaftliche Sprachforschung mit Eliminierung späterer Bildungen auf die Grundelemente der Sprache zurück und unterzieht diese dem Vergleiche. So ist es auch bei der Erforschung und Vergleichung des physischen Typus erforderlich, auf den Urtypus, auf die Grund- elemente zurückzugehen. Bei der Erforschung des magyarischen Ty- pus lässt sich die Frage nicht so aufstellen, ob derselbe gegenwärtig ein finnischer oder türkischer ist, sondern aus welchen Elementen hat er sich geformt, welche Elemente sind die spätem, welche die frühem, was ist das, was nach Ausscheidung der nachweisbar frem- den Elemente als ugrischer Typus zurückbleibt. Diese Analyse ist auf

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dem Gebiete der Rassen-Anthropologie schwieriger, als auf dem sprachlichen, denn dort ist das Material schwerer zugänglich und dort gibt es auch noch keine so subtilen Methoden, wie bei der Sprachwissenschaft ; der Forscher ist da noch mehr dem Irrtum ausgesetzt, spätere fremde Elemente als ursprüngliche zu betrachten.

Bei der Untersuchung des Typus oder der Typusgruppen der Magyaren müssen wir uns bestreben den Typus all jener Völker kennen zu lernen, mit denen der Typus des magyarisch sprechenden Volkes im Laufe seiner Geschichte, seiner Wanderungen in Berüh- rung kam, sich kreuzte und die auf seine Ausgestaltung von Einfluss sein konnten. Den Kreis und die Richtung dieser Untersuchungen kann neben dem hauptsächlich auf die neuere Zeit bezüglichen Ge- schichtsstudium die archäologische, ethnographische und linguistische Forschung andeuten. Dies berücksichtigend hätte eigentlich die Er- forschung des magyarischen Typus von der Gegenwart ausgehend, den historischen Weg in umgekehrter Richtung verfolgend, zum Grund- und Urtypus zu gelangen. Diese Aufgabe lässt sich in zwei Haupt- teile teilen. In der einen Richtung wären vom gegenwärtigen Typus des Magyarentums ausgehend die fremden als : germanischen, sla- vischen, türkisch-tartarischen u. s. w. Elemente zu erkennen und auszuscheiden, welche sich in der gegenwärtigen Heimat geltend gemacht haben, um so annähernd den Typus oder die Typusgruppe der Magyaren bei der Landnahme zu bestimmen. Der andere Teil der Forschung hätte die Grenzen des tausendjährigen Vaterlandes überschreitend, nach Osten hin die Wanderwege zu verfolgen, die- jenigen Typen zu untersuchen, welche auf diesen Wanderungen von Eintluss waren, und bis zu jenen Gegenden vorzudringen, wo die nächsten Sprachverwandten zu finden sind. Wir haben zu dem letzten Teile der zweiten Hälfte dieser Aufgabe unsere Daten beigetragen, auf Grund deren wir versuchten, den gegenwärtigen und bedingungs- weise den ursprünglicheren Typus der den Magyaren am nächsten sprachverwandten und in ihrer Urgeschichte an sie grenzenden sibi- rischen Ugrier zu bestimmen, so sind wir zu Ergebnissen gelangt, aus denen mittelst Analogien auch auf die Urgestaltung des magyari- schen Typus hypothetisch gefolgert werden kann.

Wir haben gesehen, dass der ursprüngliche Typus der sibiri- schen Ugrier eine bedeutende Umwandlung durchgemacht hat, wäh- rend die Sprache sich constant gezeigt hat. Als ursprünglichen Typus der Ugrier haben wir einen weissen, blondhaarigen, dolichocephalen, leptorhinen Typus angenommen, dessen Kreuzung mit einer gelben, sehr dunhelhaarigen, brachycephalen, mesorhinen Rasse den gegen- wärtiger» sibirisch-ugnschen Typus hervorgebracht hat. Dieser fremde Einfluss mag in der südlichen Heimat der Ugrier in Folge einer Einwirkung von Südosten her erfolgt sein. Einen andern starken fremden Eintluss neueren Datums finden wir bei den Südwogulen, dem südwestlichen Zweige der sibirischen Ugrier, welcher von dem herrschenden Typus der sibirischen Ugrier durch bräunlichere Haut- farbe, höheren Wuchs, dunkleres Haar und stärkere Brachycephalie

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absticht. Dabei hat sieh aber die Sprache wohl geändert, aber nicht umgewandelt. In letzter Zeit aber macht sieh bei den Südugriern die siavisch-russische Kreuzung immer mehr geltend, welche den ur- sprünglichen Typus mittelst neuer Elemente umgestaltet, zugleich aber die genuine Sprache zum Opfer fordert. So war also der Ur- typus des fremden Einflüssen am meisten exponierten südwestlichsten feiles der sibirischen Ugrier zuerst den Einwirkungen einer gelben, dann einer mongoloiden Rasse ausgesetzt und geht in neuester Zeit immer mehr im Slaventum auf.

Bei den Magyaren machte der Typus im ganzen und wesent- lichen dieselben Wandlungen durch, wie bei den Südwogulen. Un- seren bisherigen Kenntnissen gemäss mögen die Magyaren in einer gewissen Periode ihrer Geschichte von Südwesten her. irgendwo am Uralflusse an die jetzigen sibirischen Ugrier gegrenzt haben, die da- mals mehr nach Süden reichten. Zu diesen Zeiten, oder jedenfalls in vorhergehenden Epochen, kann auf Grund der nahen Sprachver- wandtschaft und Nachbarschaft die nahe Verwandtschaft, wenn auch nicht die Identität des Typus der Wogulen-Ostjaken und der Magyaren angenommen werden, so dass das magyarisch sprechende Volk den ursprünglichen Typus der Ugrier hatte: weisse Hautfarbe, blondes Haar, Dulichocephalie und Leptorhine.

Die Magyaren bildeten den südwestlichen Theil der Ugrier; als der westlichste waren sie vermutlich am wenigsten jener gelben Einwirkung ausgesetzt, welche im Typus ihrer ("istlichen Verwandten, vornehmlich in der gelblichen Hautfarbe, ihre Spuren zurückliess. Andererseits aber gerieten sie als südlichster Zweig am weitesten in den Strom des türkiseh-tartarischen Völkergewoges. Dieses Volks- element hat ihren physischen Typus ganz umgewandelt, auf analoge Weise, wie wir dies bei den heutigen Südwogulen finden, oder bei einigen Teilen der Wolga-Finnen (z B. der Mordwinen), bei letz- teren übrigens in Folge späterer Einflüsse An die Stelle des ur- sprünglichen oder vielleicht schon fi '":her einigermassen modilicierten ugrischen Typus trat in der Wolga-Heimat der Magyaren ein brachy- cephaler Typus mit dunklerer Haut, dunklen oder sehr dunklen Haaren. Bei dieser durch Kreuzung bewerkstelligten Umwandlung bewahrten sie aber, wie die Südwogulen, ihre ererbte Sprache.

Die Ugrier und die Finnen, dem starken Einfluss türkisch-tar- tarischer Elemente ausgesetzt und Kreuzungen mit diesen eingehend, nähern sich im Allgemeinen dem physischen Typus derselben, assi- milieren viel von ihrer Bildung und Sprache, geben aber ihre eigene Sprache nicht auf. Der türki-ch-tartarische Einfluss ist für die finnisch- ugrischen Völker sehr günstig, er stärkt ihren physischen Typus, hebt ihre Bildung und steigert ihre Widerstandsfähigkeit, ohne ihre Nationalität zu gefährden. Am mächtigsten machte sich dieser Ein- fluss bei den Magyaren geltend und bei dem südwestlichen Teil der ihnen vermutlich benachbarten Wogulen. Wie ihre Geschichte lehrt, zeichneten sich diese durch Tapferkeit aus und zeigten die grösste Widerstandsfähigkeit dem erobernden Russentum gegenüber.

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Die Magyaren aber, durch den türkisch-tartarischen Einfluss unter den Ugriern am meisten gekräftigt, drangen, dem Druck von Osten nachgebend, gegen Westen vor; dann als Eroberer auftretend, ge- langten sie in den Besitz eines so günstigen Gebietes, wo sie seit tausend Jahren ihre nationale Existenz wahren und ihre Kultur ent- wickeln konnten. Die verhältnismässig weniger widerstandskräftigen Wogulen wurden, obwohl nicht ohne harte Kämpfe, nach Norden, in unwirtsamere Gegenden gedrängt.

Während so das Gros der Südwogulen und Magyaren dem türkisch tartarischen Einflüsse gegenüber Sprache und nationalen Charakter wahren konnten, gierig ein zurückgebliebenes kleines Bruch- stück der beiden Völker zufolge seiner geringen Zahl in dem türkisch- tartarischen Elemente auf und bildete einen Teil der Baschkiren.

Die aus ihrer Wolga-Heimat nach Westen ziehenden Magyaren gelangten unter den Einfluss eines neuen anthropologischen Factors, des Slaventums. Dieser Einfluss war im neuen Vaterlande besonders stark, wie sich aus den den Slaven entnommenen ethnographischen und sprachlichen Elementen erweist. Hiedurch erfuhr der herrschende Typus von türkisch-tartarisehem Charakter eine neue Umwandlung, was sich besonders in der helleren Haut- und Haarfarbe zeigte, während der brachycephale Charakter, als auch den Slaven eigen, im wesentlichen gewahrt blieb. So erhielt der ursprünglich ugrische, dann tarlarisch modificierte Typus der Magyaren durch die Slavi- sierung einen europäischen Charakter, indem sie sieh den arischen Völkern im Typus, wie später auch in der Kultur näherten.

Ihre Sprache über bewahrten die ugrischen Magyaren wie früher der tartarischen, so später der slavischen Kreuzung gegenüber. Der Hauptgrund hiefür ist wohl in der türkisch-tartarischen Kreuzung, Kultur und Organisation zu suchen. Die von diesem Einflüsse freier gebliebenen sibirischen Ugrier. sowie auch die Wolga-Kinnen ver- schmelzen umso leichler, je weniger sie mit türkisch-tartarischen Elementen imprägnirt sind. Während so derslavische Einfluss neueren Datums die sibirischen Ugrier ausrottet, wurden die Magyaren, welche demselben früher, aber gekräftigter und unter günstigeren Verhält- nissen ausgesetzt waren, durch diesen Einfluss noch stärker und für lange Zeit dem Sklaventum selbst gegenüber widerstandsfähiger.

Demgemäss sind die Magyaren sowohl in Bezug auf Sprache als auf Typus erst türkisch-tartarisch modificierte, dann slavisierte Ugrier. Aber während die türkischen, nachher die slavischen Elemente in der ursprünglichen ugrischen Sprache aufgiengen, ver- schmolz hinwieder im physischen der ursprüngliche ugrische Typus in den türkisch-tartarischen und hernach sammt diesem in den slavi- schen Elementen, einen eigentümlichen Typus der weissen Basse bildend. W ährend in der Sprache die uralten Elemente herrschen, erlangten im Typus die neuen, widerstandsfähigeren das Uebergewicht.

Der so ausgestaltete Typus der Magyaren wurde im Laufe der Zeiten nach der Landnahme verschiedenen weiteren fremden Ein- flüssen, besonders durch Kolonisierungen ausgesetzt. Unter diesen

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machten sich neben den germanischen hauptsächlich neuerdings türkisch-tartarische (Rumänen u. s. w.) und slavische geltend. Die Ausscheidung dieser letzteren Einwirkungen wird dem Erforscher des magyarischen Typus besonders grosse Schwierigkeiten verursachen und erheischt grosse Vorsicht bei der Arbeit, welche im magyarischen Typus in der Gegend der Wolga und des Urals den türkisch-tarta- rischen und in der Zeit der Niederlassung im neuen Vaterlande den slavischeu Einfluss nach Qualität und Quantität zu bestimmen sucht.

Aufgabe des Erforschers des magyarischen Typus ist: mit historischen, archäologischen, linguistischen und ethnographischen Hilfsmitteln die Völker zu bezeichnen, die mit den Magyaren in Be- rührung gekommen ; den Typus derselben und das Maass ihres Ein- flusses zu bestimmen. Dann mit der Ausscheidung der neuesten, der neueren, der älteren, der ällesten Beeinflussungen in die Vergangen- heit fortschreitend, für die einzelnen Epochen den herrschenden Typus oder die Typusgruppe festzustellen, soweit tunlich zurück- folgernd auf einen nicht weiter analysierbaren Grundtypus. Der Typus ist nicht ständig, sondern veränderlich, und das magyarisch sprechende Volk war den Typuswandlungen in besonderer Weise ausgesetzt. Wer den magyarischen Typus in seinen heutigen Ge- staltungen nach seiner Wesenheit bestimmen und erklären will, hat dessen Formierung in den geschichtlichen und vorgeschichtlichen Zeiten zu verfolgen. Wir glauben, dass diese Analyse durch eine lange Reihe von Wandlungen zurückführen wird auf den ugrischen Typus als Urtypus. Die Spuren desselben aber im heutigen Typus der Magyaren klar nachzuweisen, wird schwer wöglich sein, vielleicht mittelst vervollkommneter Methoden und gleichsam mikro- skopischer Beobachtungen.

König Mathias und Peter Gereb.

Ein hvilRariscnes Guslaren lieci ans Bosnien. Von Dr. Friedrich S. Kratiss. VI. Erläuterungen. Schluss.

Zu V. 37. Mujezine (türk. muezzin), die [Gebet-]Ausrufer sind keineswegs Kinderlehrer, wie unser Guslar annimmt; der Kinderunter- richt liegt den Hodzen ob. Die Dzami ist aber bei den Moslimen nicht mehr, als bei den strenggläubigen Juden eine „Schur*. Uciti bedeutet übrigens dem slavischen Moslim nicht allein , lernen* und „lehren", sondern auch speziell das Gebet (dovu) verrichten (uöiti). Der christliche Guslar betrachtet die Umwandlung einer Kirche zu einer Moschee für eine Entweihung der heiligen Stätte, der Moslim meint aber seinerseits Gott zu ehren, indem die Baulichkeit keinem

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anderen als nur wieder einem religiösen Zwecke gewidmet wird. In der engen Verbindung der Religionübung mit dem Volkunterrichte liegt das Geheimnis der Widerstandkraft und Ausbreitungfähigkeit des Islam, aber zugleich ein Kulturfaktor, dessen ethnographische Bedeutung noch viel zu wenig Würdigung gefunden hat.

Zu V. 39 f. Die Wendung ,ako Bog daP (so Gott will) führt der Serbe ständig im Munde. Sie ist für gewöhnlich nicht so sehr der Ausdruck eines tieferen, sittlich religiösen Gefühles als vielmehr fetischistischer Anschauimgweise. Auch der Buschklepper, der auf Raub und Totschlag auszieht, ruft Gott zum Beistand an und gelobt seinen speziellen Schutzpatronen WTeihegaben. Im Wtb. der südl. Ak. B. I. S. 471—479 hat Danißie trotz der Unzahl beigebrachter Beispiele die volkreligiösen Momente nicht deutlich herausgefunden. Auch fehlt die einer Erklärung bedürftige Phrase : toga Boga nema. Unsere 2 Verse sind stereotyp im Sprachschatz der Guslaren.

2. V. 40 f. Das Militär wird angeworben, nicht aber unmittelbar in seiner Gänze aufgeboten oder, wie man in modernen Militär- staaten zu sagen pflegt, mobilisirt. Dreimalhunderttausend dient hier nur zur Bezeichnung einer unzählbaren Menge Volkes, dessen Hauptbestandteil der Tross ausmachte, wie dies in türkischen Heeren jener Zeit üblich war. Ein Heer auf dem Marsche war im Grunde genommen nur eine riesige Karavane auf Raub ausziehender Krieg- scharen.

V. 43 f. Der Zug bewegte sich Donau aufwärts zu Pferd und zu Fuss. Zu SchifT fuhr man mit Proviant und Munition nebst den schweren Stücken. Ubojni topovi übersetzte ich wahrscheinlich un- richtig mit : .Kanonen, Tod Verbreiter', denn es liegt nahe an Feld- geschütze zu denken : od boja topovi, wie es sonst heisst :

dok se hagi uöinilo bilo da od boja drmaju topovi, ondar haga na noge skoöio.

Zu beachten ist die Nebeneinanderstellung :

sve izvadi ubojno odilo, vec pucaju ubojni topovi,

wo ubojno odilo nur mit Schlachtrüstung zu übersetzen ist ; ferner

a za ujima ubojita vojska,

i ta vojska pade na Pozdravlje,

also ein kampfgerüstet, schlachtbereit Heer.

V. 52. Belgrad ist dem Guslaren eine der bekanntesten Städte. In ihre Nähe verlegt er am liebsten die Szenerie, wenn ihn sonst seine geographischen Kenntnisse im Stich lassen.

Zu Vers 54. pa on *jede, d. h. er schrieb unverzüglich.

Zu V. 72. crkva namastir, eine Kirche, an die ein Kloster angebaut ist.

Zu V. 75. Knjigu i jaziju, Brief und Schrift. Schreibebrief, ein beliebtes Hendiadys.

Kthn Mitt. a. Ungarn. III.

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Zu V. Na svake pate (Folter jeder Art). Die Kriege zwischen der Türkei und den christlichen Staaten waren im Grund genommen Religionkriege mit den angedeuteten Begleiterscheinungen. In den Pausen schlachteten Christen und Muslimen einander ab. Damals kannte man noch kein Kacen- und kein Nationalitätprinzip, sondern erblickte das staaterhaltende Arcanum in der Glaubeneinheit. Wenn die Kriegführenden einander habhaft wurden, pflegten sie tatsächlich mit allerlei Folter die Gefangenen zu beglücken.

Zu V. 70. Peeat. „Das Sigel hatte immer im Oriente einen gewissen Grad von IJnverlctzlichkeit und gab jedem Dokumente erst wahren legalen Wert, und darum empfahl sich dazu der unverletz- bare Lehm", sagt Dr. Sam. Spitzer in seinem Büchlein über den Brief bei den alten Völkern, namentlich Hebräern, Römern und Griechen. (Essek 1894. S. 56.) Das Briefsigel ersetzte häufig auch die fehlende Unterschrift, namentlich, wenn der Absender, der den Brief schreiben liess, illiterat war. Die einschlägigen Darlegungen Dr. Spitzers haben in den meisten Stücken auch für die Moslimen Wert.

Je mehr Sigel petschafte desto wichtiger und bedeutsamer der Brief:

Als dies der Pasa SeTdi vernommen, Verfasst' er wohl ein fein Verhaltungschreiben ; Die beiden Pasen drückten drauf ihr Sigel, Sie setzten auf den Brief vier Petschaftstücke. Der Brief gieug von den Temesvarer Paschen an den Sultan ab und enthielt die Bitte um Hilfe gegen Räköczy. Wenn vollends der Sultan an jemand schreibt, muss der Brief der Würde des Absenders entsprechend mit einer ansehnlichen Zahl von Sigeln versehen sein. So hat z. B. ein wichtiger kaiserlicher Ferman ihrer zwölf auf einmal : na njem slomi dvanajest peöeta, stade uöit careva fermana. Zu V. 71. Der Südslave erblickt ebensowenig als der Grieche der Heroenzeit, im Träuenerguss hervorragender Männer etwas Schimpfliches oder Entehrendes. Der wackerste Mensch mag sich auch wacker ausweinen. Bei Übertreibungen in dieser Hinsicht scheint es, dass den Guslaren das zulässige Maass fehlt. In einem Guslaren- liede wird uns erzählt, dass ein bosnischer Raufbold den Grossherrn zu einem Zweikampf brieflich herausfordert. Dem Guslaren fällt es nicht ein daran zu zweifeln, dass den Herrn des Reiches der erst- beste Strauchritter, wie seinesgleichen anfallen darf. Kurzum, der Sultan empfängt den Brief :

Als nun der Kaiser tät erschaun das Schreiben, entrinnen Thränen seinem Augenpaar, ihm perlen Thränen und er zählt die Jahre, vor Gram und Leid vom Thron hinab er kollert, von seinem Throne wohl hinab er sinkt. Z. V. 80. Bei einem Heer- oder grossem Hochzeitzuge wird gewöhnlich vor dem Ausmarsche eine Zählung der Teilnehmer ver-

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anstaltet, Vrg. Krauss : Smailagic Melio, Ragusa 1885. S. 43. V. 135U IT. < valja brojit kicene svatove). Die ständige Wendung : tefteriti, na tefter uzeti oder auch na pero u., z. H. :

i silnu je vojsku sakupio pa je vojsku na pero uzeo ima Bosne trideset hiljada.

Zu V. 84. Kapetana. Im Mittelalter beruhte die Landverteidigung auf dem Adel, und zwar nicht für Sold, sondern als Verpflichtung nach dem Grundbesitz. Jedermann genoss soviel Rechte als er Pflich- ten zu erfüllen hatte, und auf diese Weise besass der hohe Klerus und Adel mehr Bedeutung als der kleine Adelige oder gar das Volk. Ein Volk im Sinne unseres Staatsrechtes kannte man unter jenen gesellschaftlichen Gliederungen so gut, wie gar nicht

Zu V. 93 IT. „Das ungarische Landverteidigungheer hatte eine eigentümliche Art von Bewaffneten, die zwar rechtlich am wenigsten im türkischen Gebiet zu suchen halten, aber auf Abenteuer am häufigsten dorthin ausgiengen. Es waren das die Hajduken, die Truppe jener „freien Burschen", die, sei es für Monatsold oder für einen bestimmt ausgemachten Zweck, auch auf kürzere Zeit sich gleicherweise in den Sold von Magnaten, Adeligen und Hauptleuten begaben, und waren sie der unbeliebten Disziplin überdrüssig geworden, hinaus- gingen auf die türkischen Ortschaften „Glück suchen" oder „Türken fangen" und das Räuberabenteuerleben zum Brodverdienst machten. Diese ohne Auftrag und Befehlhaber handelnde Truppe schadete in doppelter Weise. Auf eigenen Kopf Feindseligkeiten beginnend, reizten sie auch in Friedenzeiten ohne Grund den Türken, und dann, wenn sie keine türkische Beule fanden, schmarotzten sie oder ver- gewaltigten sie wohl auch jene so schon hinlänglich armen ungari- schen Bewohner des unterworfenen Gebietes. Aus der unerschöpf- lichen Quelle des fortwährenden Notstandes und Ruins des Landes entsprang dieser wilde Haufen Soldaten, denen weder der Staat, noch der Privatfestungbesitzer regelmässigen Dienst zu geben ver- mochten. So sehr die ungarische Gesetzgebung sie auch verurteilt, bei einer Gelegenheit würdigen gerade die ungarischen Gesetze die durch sie geleisteten Dienste. Sie werden unentbehrlich genannt in den Grenzfestungen ; denn sie seien es, die den unterworfenen Leib- eigenen in Gehorsam halten, und, indem sie als Fussgänger die unwegsameren Orte besser aufsuchen können, als die Reiter, seien sie geeigneter für Einfälle ins türkische Gebiet.1

Zu V. 99. „Der christliche Soldat jener Zeit in Ungarn war kaum etwas besseres, als der Janh'ar und der Spahi. Den Krieg wünschte er hauptsächlich darum, um Gelegenheit zu haben, auf fremdem Boden Beute zu machen und den Verdienst des armen (arbeitenden) Volkes aufzuzehren. Rechnet man noch die Grossmacht-

1 Corpus Juris H. lotiH. XXIII. C A. Salamou: Ungarn im Zeitalter u s. w. S. 2!J7.

Ii.*

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gelüste der Herrscher hinzu, so ist klar, dass die christliche Welt sehr kriegerisch geworden war" (Salamon.)

Zu V. 98—99. Im Sinne des Volkes enthalten diese zwei Zeilen weder einen Tadel, noch einen Vorwurf, vielmehr eine aus- gesprochene Anerkennung. Einmal will ein Kämpe bei Mujo erwirken, dass er ihm seinen Bruder Halil als Begleiter zu einem Brautraub- unternehmen mitziehen lasse, doch Mujo schlägt das Ansuchen ah : ja, kennst du meinen Unglückbruder nicht, der beim Gelag ein schwerer Trunkenbold, bei Streiterei'n ein Oberstreiter ist?

Zu V. 169 f. heischt die Schenkin für die Verpflegung Dojcins und dessen Rössleins für ein Jahr den Betrag von 20Ü magyarischen Dukaten, stellt also eine ungeheuere Forderung, die aber dadurch gerechtfertigt erscheint, dass Dojöin an seinem Pferd einen Zech- genossen hatte. In einem bulgarischen Liede (Bei Kaßanovskij S. 419, V. 177, V. 209) heisst es von einem Helden : se napi rakija tri paty prevarena i kone-to vino napoia (Er trank sich an mit dreimal über- branntem Branntwein, und das Pferd tränkte er mit Wein).

V. 107. nek .«*/ ist kein Druck-, sondern ein sprachlicher Fehler des Guslaren.

V. 115 f. barjak krstas ist die Kirchenfahne, die grossen Zei- chen das Kreuz mit den Symbolen, bzw. Heiligenbildern, denen der Bauer Fetischkraft beimisst.

V. 198. Den Bart ausreissen ist der schlimmste Schimpf, den man einem Moslim antun kann. Mir erzählte ein Franziskanermönch, das Ärgste, was man einem Moslim sagen könne, wäre : redim ti se u bradu (ich kacke dir in den Bart). Der Beschimpfte eile flugs sich den Bart waschen, dann aber greife er nach einer Waffe, um den Schimpfer zu töten.

Zu V. 205. den Brief in den Händen. Gewöhnlich trug der offizielle Rote den Brief in einem Kloben :

Pogledao Jankovic Stojane sa pendzera pa do Vuöijaka i ugleda samokonjanika ; u ruci mu knjiga u proeipu, uprav ide kuli Gavranovoj. Näher besprach ich diesen Brauch in meinein Referate über tGrixtbeck* Weltverkehr' in den Mitt. der Wiener Anthrop. Ges. 1887.

Zu V. 231. Der Briefträger galt als eine unantastbare Person, selbst wenn er nebenbei die Dienste eines Spions versah, wie z. B. Rade der Überläufer. Mustaphagas Frau und Ajkuna seine Schwester befanden sich einmal allein auf der Warte und lugten beim Fenster hinaus, als sie einen jungen Mann herankommen sahen. Ajkuna ver- mutete in ihm einen Späher und wollte ihn niederschiessen, doch Mujos Frau meinte, es wäre ein Briefbote, den man nicht töten dürfe ; denn Mujo würde es übel aufnehmen.

Ein gleicher Wortwechsel entspann sich bei einer ähnlichen Gelegenheit zwischen Halil und seinem Neffen Klein-Omer, der Osman

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niederschiessen wollte. als er mit einem Briefe aus dem feindlichen Lager herannahte.

Zu V. 233. Die Form n>'i> «für nuqnn [nagbe], altsl. nagubon) gebraucht mein Guslar Milovan mit Vorliebe fast in jedem seiner Lieder. Auch tüchtige Guslaren haben ihren individuellen Sprach- gebrauch, der unter Umständen für die Feststellung des Alters eines Textes und die Sicherheit der Überlieferung von Belang sein kann.

Zu V. 241. Si'ni für sitnu, wie oben me'ni. Milovan sagt aber auch gewöhnlich noegju für megju. Das ist *'ine Eigentümlichkeit.

Zu V. 29H. prije ist hier ausnahmsweise der Caesur nach der vierten Silbe wegen zur Postposition geworden. Sonst stereotyp: pre Mehmeda sublju izvadio.

Zu V. 315. Das ist nicht das übliche höfische Ceremoniell ; selbst der Sigelwart des Sultans muss demütiger und unterwürfiger dem Prophetensprössling nahen. Nach der Meinung der Guslaren war es in ritterlichen, christlichen Kreisen Brauch, dass ein Mann mit kreuzweis über die Brust geschlagenen Händen auch zwanzig bis dreU-ja Bücklinge vor einem Fräulein inachte, «lern er nahte; so erscheint z. B. Halil der Falke als spanischer Fähnrich verkleidet vor einem Burgfräulein im Küstenlande. Der Sultan oder auch der Grossvezier bleiben sitzen, wenn ihnen jemand grüssend kommt, nur in Ausnahmfällen erbeben sich zum Grusse auch höehstgestellte Persönlichkeiten, wenn ganz aussergewöhnlicher Anlass zur Ehrung des Besuchers vorliegt.

Zu V. 353. Unser Gusl.ir bedenkt gern seine Helden mit spa- nischer Rüstung, die er für eine besonders kostbare Ausstattung hält. Das bulgarische Original entbehrte unzweifelhaft diesen Vers, aber unser Milovan kennt ein Lied von Kraljevic Marko, der seine Frau an einen Spanier (Spanjug latinin) verkauft, und oft gab er es zum Boten. Ich veröffentlichte es in meiner Studie übers Munihrhaft- rrrfif (1SMJ).

Zu V. 420. Sn/ihrit'/ino. Milovan spricht sehr selten oder nur x hwer /" aus, sondern setzt dafür /> oder />// ein: für fratar: pratar oder phratar. s0 dass man deutlich die Aspiration heraushört. Der Bulgare sprach wohl : Sofmqinn, griech. Sophrosync. Sonst ist mir aus serbischen Guslarenliedern diese Form nicht bekannt. Unser Gislar schien sich übrigens darüber gar nicht klar gewesen zu sein, ob S. ein Kigenname oder vielleicht ein bulgarisches Schimpf- wort sei.

Zu V. 457. »Nahm weg die Flügel", Boss und Reiter waren tat- sächlich bellügelt ! Eine sehr seltsame Mode, die von einigen chro- wotischen Auslegern epischer Dichtung mythologisch erklärt wurde. Darüber vrgl. meine Bemerkung im Am Urquell B. I. S. 45 f. Relja krilatica. R. der Beflügelte heisst in serbischen und bulgarischen Gus- larenliedern ein Fleld, der in Mazedonien ein unabhängiges Reich mit der Hauptstadt Strumiea gegründet hatte. Er starb im J. 1342 und liegt im Biler Kloster unter dem Namen eines Mönches Chariton 'Sbornik zh nav. umotv. HI. 1890. S. 281». Ein deutscher Chronist aus der

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Mitte der 17. Jahrh. berichtet über die Bewaffnung und Rüstung türkischer Grenzritter: -Im Kampfe ist das Erscheinen dieser Leute auf Effekt berechnet. Sie gehen darauf aus. die Pferde der Gegner zu erschrecken und dadurch eine Unordnung in die festgeschlossenen Reihen zu bringen. Zu diesem Zwecke pflegen sie auf ihrem Rücken und am Sattel vor dem Oberschenkel Adlerflügel oder solche von anderen grösseren Vögeln anzubringen. Durch die Schnelligkeit der Bewegung oder bei starkem Winde geraten diese Flügel in starke Bewegung, bieten einen unheimlichen Anblick dar und rufen ein erschreckendes Geräusch hervor, das schon manche fe-tgeschlossene Schwadron in Verwirrung brachte." Damit stimmt auch die übliche Schilderung der Guslaren überein, nur dass sie den Flügeln auch den Nutzen eines Panzers und Regenmantels zusprechen. Derartige Flügel verfertigte man ab und zu auch aus Gold- oder Silberblceh. wie ein solches Paar noch im Besitze eines Begs im Herzogtum erhalten ist. Es ist nicht befremdlich, dnss naive Gemüter, wie der Sänger unseres Liedes, den Flügeln eine gleiche Fetischkran, wie den Amuleten andichten.

Zu V. 575 u. 570. stolcm ist ein Druckfehler für stöbern.

Zu V. 578. Worin Dojr-ins Heldentaten eigentlich bis dahin bestanden, wissen wir nicht. Die ßesiegung des Partners Zezderlie mil Hilfe der Vilen ist nach unserer Empfindung entschieden keine bemerkenswerte Leistung.

Zu V. 595 ff. Der Mann gelangte in den Besitz einer Frau durch Kauf oder Raub. Damit gieng sie ganz und gar in sein Eigentum über und er durfte daher gegebenen Falles nach Ciutdün- ken über sie verfügen, soweit seine Entscheidung nämlich gegen den Rechtbrauch nicht verstiess. Es stand dem Manne frei, seiner Frau durch Verkauf sich zu entledigen, zumal wenn ihn die wirtschaft- liche Notlage hiezu trieb, und töten konnte er sie <>hne weiters. wenn sie des Ehebruchs überwiesen war. Mir erzählten alte, glaubwürdige Leute im .1. 1884, dass ein moslimiseher Edelmann unweit Derventa in Bosnien um das J. 1830 seine treulose Frau mit einem Hahn und einer Schlange in einen ledernen Sack eingenäht und in den Usorafluss geworfen habe. In Guslarenliedern trifft die Ehebrecherin gewöhnlich die Strafe des Feuertodes bei lebendigem Leibe. Der liebe Ehegemahl bestreicht die Frau mit Teer und zündet ihn an. Bei der Leuchte tut er sich an Speise und Trank gütlich und weidet sich an den Qualen seines Opfers. Bekannt ist auch die Strafe der Fesselung an Rossschweife (konjrna na repovei. Ein Mann fand unterm Kissen seiner Frau ihres Buhlen Messer vor. berichtet ein bulgarisches Lied (bei Miladinov. Big. n. pj. Nr. 130. S. 1KS. I"). Er tat nichts dergleichen, sondern berief seine gesamte Verwandtschaft und auch den Khebrecher zum Gastmahl ein. Er sprach zur ver- sammelten Freundschaft (druiino vjarna, zgovoma!) ..Ich habe eine grüne Wiese, dahin pflegt ein brauner Hirsch zu kommen. Soll ich den braunen Hirschen töten oder die Wiese abmähen? Darauf der Ehebrecher: .Lieber Wahlbruder Johannes! Besser ists, die Wiese

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abzumähen: denn wenn du auch den Hirschen tötest, kommt doch wieder ein anderer auf die Wiese grasen!" Darauf erfasste Jung- Johannes seine Frau Katalm, bestrich sie mit schwarzem Teer (cern katran), beklebte sie mit ^weisser Wolle und steckte sie in Brand. Sie leuchtete ihnen drei Tage lang."*

Der Holzbau der Falovzen.

Von Dr. Karl l'iif,a>.

(Schlu-s.:

Das Wohnhaus fasM drei Räume: 1. die Stube, den gewöhn- lichen Aufenthaltsort, wo gearbeitet, gegessen, geschlafen, oft auch gekocht wird, 2. die Küche mit dem Flur. 3. die Kammer, welche als Frauen-chlafstätte und zum Aufbewahren von Kleidern und Nahrungsmitteln dient. Zu diesen Räumen führt vom Hofe nur eine Tür, u. zw. in den Flur. An die Kammer ist unter d-miselbem Dache gewöhnlich ein Stall angebaut, mit dem Hingang vom Hofe aus.

Zu dem Flur führt eine Türe, jetzt aus Fichtenhoz. früher aus Eichen. 5 Fuss hoch. 4 Fuss breit, mit Holznägeln. Klinke und Schloss sind noch niinuntei ans Holz, letzteres ziemlich complicierter Construction. mit hölzernem Schlüssel zu öiTnen. Ausserhalb der Brettertür ist mitunter eine niedrige Laltentüre angebracht, um im Sommer, wenn der Türflügel offen steht. Vieh und Geflügel abzuhalten.

Der Flur dient als Yorhaus, von ihm aus gelangt man in die an- geführten drei Räume. Von hier führt gewöhnlich eine Leiter durch das Rodmloeh auf den Dachboden. Im Flur wird das Trinkwas.-er gehalten, entweder neben der KüchentüröfTnung in Eimern, auf einer Rank, einem Stuhl oder einem Strunk, mit- unter steht in einer Wandnische der Wasserkrug. Zuweilen werden in einer Ecke Arbeitsgeräte gehalten, oder Oberkleider aufgehängt. Sel- tener sind an der Wand einige Teller und Krüge.

Die Küche ist vom Flur gewöhnlich durch eine Zwischenwand mit türloser Türöffnung getrennt, durch diese fällt Licht in die Küelie und entweicht der Rauch, wenn der Herd frei steht. Von der Küche aus wird der Stubeuofen geheizt. An diesem wird bei neuern Häusern oft ein Sparherd angebracht, auf dem alles gekocht und gebraten wird, das Rrot ausgenommen. Doch wird der Stubenofen häufig schon von der Stube aus geheizt: die Küche verliert ihre Bedeutung, verschmilzt mit dem Flur und dient zum Unterbringen von Küchen- geräten; oder sie erhält eine Türe, und dann werden Schränke, Fässer und dergleichen hineingestellt, was sonst in die Kammer gehört.

In der Küche belindet sich der Türöffnung gegenüber eine Bank

4 Raummangels halber musste ein guter Teil der Krläuterungen zum (tuslarenliede in Wegfall kommen

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mit Töpfen, Brotkörben. Mörser u. dgl., darüber ein Fach mit Töpfen und anderein. An derselben Wand hängen Schüssel, Teller, Salz- büchse, Reibeisen, Kürbis- und Krauthobel, Küchenbrett u. s. w. An einer Ecke dem Hackofen gegenüber steht die Brotschaufel und der Ofenquast.

Wo man in der Küche kocht, dort wird in den Ofen nicht nur Brot eingeschoben, sondern auch Kochgefässe werden hingestellt. Vor dem Ofenloch ist eine Ofenbank mit Kochgeschirr. Im Sommer wird ^ie oft als freier Kochherd benützt. Darunter ist ein Hohlraum fürs Brennholz, darüber bisweilen eine Wandnische fürs Salzfass.

Der aus dem Ofen steigende Rauch berusst die Decke, legt die feuergefährlichen Funken ab und zieht sich durchs viereckige Rauch- loch der Küchendecke auf den Aufhoden und von da durch die Rauchlueke ins Freie. Mitunter entweicht er auch durch den Flur.

In altern Häusern, oder wo die Armut die Bewohner auf einen einzigen Raum, die Stube, zusammengedrängt, wird der Ofen von der Stube aus geheizt. Aber auch dann nimmt er immer die ganze Ecke an der Küchenwand ein und seine OelFnung ist stets den Gassenfeusterii gegenüber, so dein Lichte zu- und dem Luftzüge beim TürölTnen abgewendet.

Mitunter, /.. B. in einem allein Hause in Apätfalu findet sich folgende (lonstruction : Der Rauch entweicht nicht durch die Ofen- türe. sondern oberhall» derselben, durch einen Rauchfang, welcher in Form einer Stutzpyramide, mitunter eilindrisch oder als Stutz- kegel, aus dünnen Ruten gellochten, mit Lehm beworfen und aussen geweisst. am untern Bande mit einem (Jesims für kleinere Koch- requisiten versehen, durch die Stubeiulecke in einen auf dem Auf- hoden befindlichen sogenannten kleinen Ofen mündet, der aus einem mit Lehm beworfenen, gellochtcnen f.ilinder von etwa Jl cm. Durch- messer und 5 cm. Höhe bildet und den Zweck hat. Rauch und Funken aufzufangen, damit letztere nicht geradenwegs ins Dach fallen. Der Rauch gelangt durch die scilwärtige bogenförmige Oefl- nung des kleinen Ofens auf den Dachboden und durchs Rauchloch ins Freie.

Im Winter wird der Rauchfang zuweilen mit der Rauchsperre abgesperrt, um die Wärine nicht so schnell entweichen zu lassen.

Mitunter hat der Rauchfang nicht den kleinen Ofen zur Forl- setzung sondern eine .in- ähnlichem Material wie der Bauchfang bestehende, am Aul'boden in der Lange des Bodens geleitet«4 Bohre. Früher war diese Röhre im Innern der Stube geleitet, auf dem Rauchfange und dem Kreuzbalken aufliegend, was den Vorteil hatte, dass die Wärine in der Stube gehalten wurde, und dass man leichter merken konnte, wenn die Röhre einen Sprung bekam und Feuers- gefahr drohte.

Die Rauchfiingc sind auch in der entwickeltem Form feuer- gefährlich und werden immer seltener.

Der Ofen dient nicht nur zum Kochen, sondern im Winter als Kamin auch zum Heizen, die Wärme kann durch die kleinen, nicht

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zu öffnenden Fenster nicht entweichen. Mitunter dient das Feuer auch zur Beleuchtung

Die Ofendecke ist entweder gewölbt, oder flach, oder terrassen- förmig, die Abstufungen und die flache Decke werden besonders im Winter als Schlafstätten benutzt.

Der Kuppelofen hat einen fast bis an die Decke reichenden „Schopf", dessen sich verjüngender Oberteil zuweilen abgestutzt ist. Diese Form beginnt jetzt sich zu verbreiten, wohl vom Flachland her, und vielleicht ist die Kuppel das Rudiment des Rauchfanges. Zufolge der Einführung der Bettstätten verliert die Ofendecke ihre Bedeutung als Schlafstatte, die Kuppel wird als Zimmerzier betrachtet und mitunter tritt der Kachelofen an ihre Stelle. Der Kuppelofen wird immer von der Küche aus geheizt. An der Türwand des Ofens ist eine Bank als Wärmesitz und auch als Schlafstätte, gewöhnlich des Hauswirtes. An manchen Orten wird an der ins Zimmer rei- chenden Kcke des Ofens ein Sparherd angebracht, mit einer Brat- röhre. Zwischen diesem und der Wand ist mitunter die sogenannte kleine Bank für Küchengeräte, oder im Winter als Sitz beim Spinnen.

Die WnliHnttihr. welche „Haus" genannt wird, nimmt gewöhnlich die Gasseufront ein und ist je nach der Lage der Gasse rechts oder links vom Flur. An der ganz niedriegen Türe ist gewöhnlich eine Schwelle Gegenüber, gegen die Gasse sind zwei Fenster, nicht nahe zu einander, an der llofwnnd ein drittes. In alten Häusern sind sie viereckig, mit Vierteilung etwa 2 cm. breit und sind nicht nur nicht zu öftnen. sundern auch gar nicht herauszuheben. Stellenweise trat die Obrigkeit gegen .-olche Fetaler auf. und sie wurden mitunter eingeschlagen, so dass sie jetzt alle wenigstens ausgehoben werden können, was im Sommer auch geschieht. In neuem Hamern sind grössere, zum Oeflnen bestimm e Fen-Ier mit Stehsteilung angebracht.

Der Stubenboden i-t nieht gedielt, sondern gestampfte Erde, an manchen Orten mit Lehm ausgestrichen Die Zimmerdecke ruht auf den Kreuzbalkeri, welche sich auf den längs der Decke gelegten Haupttram stützen. Die Lücken zwischen diesem und den Kreuzbalken dienen zum Aufbewahren kleinerer Gegenstände. Mitunter wird eine kleine Latte angenagelt und darein die Messer gesteckt, was für höher gewachsene Personen gefährlich werden kann.

Bemerkenswert ist ein vierkantiger oder cilindrischer Ständer, der die Milte des Hauplbalkeus stützt und bodog anya •= selige Mutter' genannt wird. Dieser wird jetzt seltener angewendet, gewöhn- lich wenn der Hauptbalken schon zu bersten droht, wurde aber früher schon beim Bau aufgestellt, mitunter nur aus Aberglauben, denn man glaubte .stellenweise, dass sonst das Haus einstürze. Jetzt wird er mitunter auch bei älteren Häusern, wo tunlich, beseitigt, um- sornehr. als er auch die Bewegung um den bereits häutigen Spar- herd hindert. Mitunter dient er zum Aufhängen und Trocknen von Oberkleidern und Schnappsack. Bei altern Häusern werden zuweilen zwei solche Säuleu erwähnt, die eine in der Mitte der Stube, den

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Hauptbalken tragend, (bälvany = Holzstatue, Götze) die andre gleich beim Herde (bödog anyai mit eingeritzten Zeichen bedeckt; diese wurde von den Kindern nach dem Abendgebet gekiest, oft auch zur Strafe, wenn sie schlimm waren.

Charakteristisch sind die selbstgefert igten Bänke, die breiten, starken aus Eichen-, die kleinem aus Fichtenholz. Hei Wohlhabendem gibt's auch Lehnbänke beim Tische von geschickter Arbeit. Die einzelnen Bänke haben nach Standort und Bestimmung verschiedene Namen. Ober der Feuerbank hängt die Trockenstange.

Der Tisch befindet sich an der Ofenseite in der Gassenecke, das ist der Ehrenplatz des Hauswirtes. Den Tisch verfertigen die Leute oft selbst aus Ahornholz mit eichenen Füssen. Die Füsse ver- bindet ein Krcuzhnlz. In der Schublade, die sich gegen die Türe öffnet, hält man Brot. Salz, Esszeug, welche auf dem Tische liegen, wo dieser keine Lade hat. Mitunter steht unter dem mit grobem Tuche bedeckten Tisch der Wasserkrug, ober demselben hängt ge- wöhnlich die Petroleumlampe, zuweilen der Erntekranz.

Als Zimmerschmuck dient überall Geschirr, ein Zeichen des Wohlstandes, der Stolz der Hausfrau. Sie hängen an einem Bechen oder an Nägeln, an der Gas-enwand und um die Tischecke. Es sind buntgelarbte, mannigfaltig de— inierle Kannen, Krüge. Teller, Schüsseln, nur bei festlichen Gelegenheiten im Gebrauch, -oiist zur Aufbewahrung kleinerer Gegenstände benützt. Aeltere Stücke sind selten ; sie rühren meist aus der Apätfalucr Steingutfabrik her, und werden dort bei stark besuchten Wallfahrten angekauft, bilden einen Teil der Aussteuer und dienen auch aN Ge-chenke. lTnterhalt dieser Gefässe sind oft billige, grellfarbige, ordinär gearbeitete Heiligen- bilder, inzwischen mitunter ein kleiner Spiegel.

Wenn in der Stube gekocht wird, werden auch die verschieden- sten Schüsselbrelter, Löflelhölzer. Wandbretterund dgl. untergebracht.

Die Bettstätte steht in der Hofecke der Eingangsseite, eine etwaige zweite in der freien Ecke an derselben Wand. Zwischen dem Bett und dem Ofen, sowie dem zweiten Bett und dem Tische werden Truhen gestellt Eine etwaige Wanduhr hängt an der Gassen- oder Hofwand, der Weihwasserbehälter neben dem Eingang.

Die Kammer ist kleiner als die Stube, und hat weniger und kleinere Fenster, zum Teil zur Vermeidung der Besteuerung. Sie dient zur Aufbewahrung von Lebensmitteln und Kleidern und in grössern Familien zur Schlafstelle für Frauen und Kinder. Dort ist die Getreidelade, der Mehlkasten, die Brotschwinge, die Kleiderstan- gen, die bunten Kleidertruhen mit Falldeckel und die geschnitzten Gewandkästen mit Auszugläden. Betten, oder oft nur Betlslühle mit hochgetürmtem Bettzeug belinden sich an der Tischseite. Hier werden noch die Requisiten zum Waschen. Brotbacken, Spinnen und Weben und die Kindermöbel und mitunter auch Rümpel werk aufbewahrt, das übrigens seinen Platz auf dem Aufbodeu hat.

Der Aufboden ist über dem ganzen Wohnhaus geteilt. Vorn wird Mais und Bohnen aufbewahrt, dann Werkholz, rückwärts Vieh-

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futter; dies, wenn dem Rauche ausgesetzt, in geringerer Quantität aufgehäuft, wird durch die offene Ilinterwand hinabgeworfen.

.\rb>nitehäinlt\ Der Viehstall ist in der Hegel an das Haus gebaut, der Eingang stets vom Hofe. Die Krippe ist entweder dem Eingange gegenüber oder an der linken breiten Seite. Die Pferde sind näher der Türe und w-erden von den Kühen durch ein Streifholz getrennt. Neben dem Eingang ist der Aufgang zum Heuboden, im rechten Winkel der Heukasten und an entsprechenden Orten verschiedene Stallgeräte. Mitunter gibt's im Stall auch Kaninchen.

Der Schweinestall befindet sich in seltenern Fällen an der vor- deren Giebelfront des Hauses vom verlängerten Strohdach geschützt. Gewöhnlich steht er gesondert und ist oft aus Brettern primitiv gefügt, manchmal aus Weidengeflecht. Eine entwickeltere Form steht den Kammerfenstern gegenüber, ist aus Holz gezimmert und mit der Diele durch eine Türe verbunden, am anderen Ende ist der Gänse- stall und im oberen Teil ist der Getlügelstall. zuweilen mit einer Abteilung für Tauben. Das Dach ist aus Stroh, die beiden Dach- wände sind Flechtwerk.

Wandgeripp und Dach der Scheune werden im wesentlichen so errichtet, wie beim Wohnhaus. Die Wände bestehen aus Brettern. Den grösseren Teil der Scheune nimmt die beiderseits otTene Tenne ein; über einem Teile derselben sind Balken fürs Viehfutter Scheu- nenhals). In der ganz geschlossenen Nebeuseheuue wird da- Getreide aufbewahrt, mitunter in einem abgesonderten Teil dieses Baumes (Scheunenlade! die Hobelbank sammt verschiedenen Geräten und •Werkzeugen untergebracht. In Form und Anordnung der Neben- gebäude zeigen sich in einigen Gegenden einzelne Unterschiede.

Die Erdäpfel werden in Erdgruben im Hof oder Garten unter- gebracht. An manchen Orten zeigen die ausserhalb der Wohnzeilen befindlichen Weinkeller mannigfache Formen.

Heanzische Sprichwörter.

Mitgurhcilr von J. R. Blinker, ftd.-nburg.

Ueber die Heanzen oder, ich will besser sagen, über die west- ungarischen Deutschen sind sich selbst bedeutende Ethnographen im Unklaren. Gewöhnlich stellt man die Deutschen des Eisenburger- Comitates mit ihren Grenznaehbaren. den Steirern, unter einen Hut, und was im Oedenburger-Comitate deutsch spricht, wird einfach zum ninderösterreichischen Volksstamme gerechnet. 1 Keines von beiden ist richtig. Die Eisenburger sprechen nicht die steirische Mundart, wohl aber beide zusammen rinr Mundart, die sich erheblich sowohl

1 Vergl. ,.Brock)mus < onversHtions-Lexikon." U. AuH . Hd. . .. Seit« HO und 'M.

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von der niederösterreichischen, als auch von der steirischen Mund- art unterscheidet, nämlich die heamhche Mundart}

Die Ursache davon, das* man über die westungarischen Deut- schen und ihre Mundart, das Heanzische. so vollkommen im Un- klaren ist, ist wohl die, dass eben über diesen Volkszweig, der, wenn er auch zum grossen bayrisch-österreichischen Volksstarame wird gerechnet werden müssen, doch ein in sich abgeschlossenes Ganze bildet, dem etwa noch die Bewohner im niederösterreichischen Viertel unter dem Manhartsberge der gleichartigen Mundart wegen zuzuzählen wären,-' noch so wenig in dieOeflfentlichkeit gedrungen ist.3

Ich habe es mir nun zur Aufgabe gestellt, dieses bis jetzt so arg vernachlässigte Gebiet vom Standpunkte der Ethnographie zum Gegenstand meiner Studien und Forschungen zu machen« Als erste bescheidene Frucht meines Bemühens erschien vor Kurzem in den .Mittheilungen der Anthropol. Gesellschaft in Wien" die oben er- wähnte Arbeit über das Bauernhaus um (Dodenburg, der als zweite in kurzer Zeit eine Studie über das Bauernhaus der eigentlichen Heanzerei in derselben Zeitschrift folgen wird; und als dritte Frucht unterbreite ich im Nachfolgenden eine Anzahl heanzischer Sprich- wörter. Das Gebiet, aus welchem sie stammen. i-.t ein äusserst be- schränktes. Mit wenigen Ausnahmen, die besonders hervorgehoben erscheinen, wurden sie alle im Dorfe Markau nächst Oedenburg ge- sammelt. Wie weit sie ausserhalb Markau verbreitet sind, kann ich heute noch nicht feststellen. Trotz der Mühe, die sieh mit mir mein College >. /Vmsv, Lehrer in Markau, dem ich auch hier für seine freundliche Unterstützung herzlichen Dank sage, gab, die Sammlung der Sprichwörter aus Markau so vollkommen als möglich zu erhalten, bin ich doch der Ueberzeugung, dass sie nicht vollständig ist. Welch bedeutenden Schatz an Volksweisheit das heanzische Volk in seinen bis jetzt noch ungezählten Sprichwörtern besitzt, mag nach dem aus rinem Dorfe Gebotenen abgeschätzt werden. Der Wunsch, auch andere anzuregen, dass dieser Schatz recht bald in seiner ganzen Grösse und Schönheit gehoben werde, mag die Unvollkornmenheit des vorläufig Dargereichten entschuldigen.4

1. W»/s Gott wüll a'quiek'n. D*is lasst ea' ni't ta'stick'n.1 j

2. Wen unsa' Mea'gott zan NnaV- wüll Iv/b'n, tein hfsst ea' 's Wai'3 steab'm.

1 Vergl. auch mein« Arbeit : „Typen von Bauernhäusern aus der Ge- gend von Oedenburg in Ungarn", Mitth. der Antbrop. Gesellschaft in Wien, Hd XXIV . 8. 155 fl".

* \ergl. ..Die österreichisch -ungarische Monarchie in Wort und Bild". Bd. II. „Niedc-rösterreich" >. >bb fl'.

s Das einzige mir bekannte grössere Werk, welches sich mit den He- anzen in etwas ausführlicher Weise betasst, ist „Schwicker. Die Deutschen in Ungarn"

* In Bezug auf die Schreibung im Dialekt bemerke ich Folgendes:

$ Mittellaut zwischen a und o; ü = Mittellaut zwischen e und ö;fi = nasaliertes u ; st im Anlaut immer seht, im Auslaute dagegen nur nach vor- angehendem r (Wuast = Wuascht).

1 ersticken. - Narren. J Weih.

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3. Ali prav'n Maim stia'bt sai/i Waf ni't.

4. An ua'ntlich's* Wai' muiss g'schlag'n wea'n.

5. V Schainhait va'geht, Ti Tug'nd besteht.

6. Wea' a'f sai/i' LaiwR niks h*?lt, halt a niks a'f sai/i Ena'."

7. Wia ta' Hea', sou ta' Knecht.

8. Mit ten Pau'n7 steht es guit, Tea', was ea' pefühlt, glai' selwa' tuit.

9. Selwa' Vmn, selwa' hab'm.

10. Namli Hean'l, nanili Aal.8

11. Eila9 Hea/Tl, eila Aal. (Oedenburg.)

12. Wea' niks macht, tea' is' niks.

13. Wea1 aus si' selwa niks macht, Wia't a'f t'leitzt nua' ausg'lacht.

14. Wea' eh' kimpt,10 tea' mahlt eh'.

15. Wea' ni't kimpt za' rechta' Zait, Tea' muiss w</a't'n,was iba' plaipt.

16. Mit ta' Gabi is an Eha', Mit 'n LeifFl kriagt ma meha'.

17. Wea' z'leitzt lacht, lacht an peist'n.

18. Gaa' z'guit is halvv liada'Ii .11

19. Tea' in Wald geht, tea'f12 's Rausch/ n ni't fia'cht'n. (Oedenburg.)

20. Wea' a'f t'Gass'n geht, muiss t'rauf g'fasst sai/i, tyss ihn t'Hunt' ^nkalb'm.13

21. Wia' ta ^cka' sou ti Ruib'm, Wia ta' Vata', sou ti Pui »'m.

22. Wia t'Muida', sou ti Techta', Ouft a nou a biss'l schlechta'. (Oedenburg.)

23. Muida', sait ma nua' ni't gram, Ta' Apfl fallt ni't wait von Stamm.

24. Aatu van Aat lasst ni't.

25. A jeda Pruida' find't sai/V Schweista'.

26. Wea' ti Frucht in Tau unt ti Tian16 a'fn Tanzpoud'n anschaut, petruigt si' ouft. (Oedenburg.)

27. A'f an groub'm Sack g'heat a grouba' Fleick.

28. Schwaa'z gebaa'n, Hat 's Waschn va'laa'n.1*1

29. Wea'n ni't frett'n17 kau/i, kau/t ni't wia'tschaft'n.

30. Frett'n hilft haus'n.

31. Wea' Schuld'n zahlt, va'pessu't sai/ii Giata'.18

32. Sou wait ti Tuchent19 g'lengt, sul ma' si' nua' zuidecka'.

33. A schlechta' Paua', tea' ni't alli Jaha' a Fuha' Mist frisst.

34. A schlechta' Paua', tea' pam Wai' schlaft, so lang ea' 'n Waaz paut. (Oedenburg.)

35. A guita' Hau« wia't inain Leipta20 ni't faast.21 (Oedenburg.)

36. Speick und Prat Macht Wanga rat.

37. Kned'l und Kraut Füll'n in Paua'n t'Haut.

38. 's Wai' kaun mit'n Fia'tta'22 meha' va'zah'n,23 wia ta' Maim mit'n Wpg'n zuifiah'n kau/*.

39. Is' ni't nathwenti', tass Pett'llaif Hunt' halt'n.

4 ordentliches * Leib. e Ehre. 7 Bauern. Viele Hühner, viele Eier. * Viele. 10 kommt. 1 Gar zu gut ist halb liederlich. " darf. '* anbellen. 14 Art. * Dirn. Verloren. " sich mühen. «• Güter. - >• Ueberall. Lebtage. «' feist. » Fürtuch. - " verzerren.

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40. An g'schenkt'n Gaul Schaut ina' ni't ins Maul. 4L Aa«' Pfoat24 is wiama":i wia trai Röck.

42. 's Hemat is' ällwail nclia' wia tu' Rouck.

43. Is* ni't guit, wemma' si' auszuigt. eh' rna' si' schlaf n leigt.

44. Peissa26 V hab' als i" het.

45. Ea' suicht sou hing inta27 t'Schaita', pis ea' an' recht'n Prig'l ta'wischt.

46. Van Ea'b'm28 kriagt ma' kaani Platta'n.29

47. A jeda Spaara' find't an Zeara.

4£. Wenni Gelt, wennii Musi'. (Oedcuhurg.)

49. Niks hab'm is' a laichts Leibm. (Oedenburg.

50. Was ana' ni't ma',30 Is' ta' and'ri /.'Tat31 frah.

51. Teis Rouss, teis in Haba'n32 vä'deant. kriagt'n ni't.

52. Kaan Wag'n is' sou vull, tass ni't uou' was t'rauf gingat.

53. Reign'ts ni't, sou treipflt's ton".

54. Tein t'Kui33 g'hea't34, tea' nimpts' pan Schwaaf. (Oedenburg.)

55. Wenn t'Schouf Wull hah'm, muiss ma's schea'n.

56. Wea's Lampl hat unt schea'ts ni't. tein sull ma* a'f t'Finga' schlag'n. 'Oedenburg.«

57. Wca' friah a'fsteht, tea' frisst si' aa'm,35 Wea lieg'n plaipt, plaipt 's Peitt schai# waa'm.

58. Wea' ni't hea't a'f's Sag'n. WiaTs mit Schcidn tafad'n.36

59. Wea' ni't heo't af guil'n Rat, Wia't's tafad'n mit ta' Tat.

60. Was in Hahn ni't is', is' in Kamp.37

61. Pai an schait38 nm's, pain anda'n find't ma's.

62. Ta' G'sehaitari gipt nach.

63. Wea' nachgipt, is' a' a Mentsch.

64. A jeda Mentsch is' anda's39 tumm.

65. Wia timma40 ta' Paua', testa gressa ti Krumpia'n.41

66. Ta' Turnmi hat's Glick.

67. A Plant Glick is' meha' wea't wia a Zentna' Va'stant.

68. An sai/i 42 Tat Is' in anda'n sain Prat.

69. Umasunst is' ta' Tat. unt tea' kost't's Leib'm.

70. h Krankhaft spaat niks als t'Schui. 43

71. T'Fiasaach44 is' guit fia' s Unglick.

72. Selt'n a Schad'n, woa ni't a Nutz'n a tapai is.

73. A Hazat unt a Lai' Macha alias a'f t'Glai'.45

74. Giv/ssa Prahla' Schlechta Zahla'.

75. Tem, wea' si' prahlt, sull ma' was scheinga,46 tem, wea' si* klagt, kann ma' was neihma'.

76. Wea' schimpft, tea kaft.

77 A Fuah'mann, tea ni't meha' fahd'n 45 kaufi, tuit gaa' gea'n

schnalz'n.

24 Hemd. 24 wärmer. "besser. "unter. "Erben. 89 Blasen

,0 mag. 11 zu Tode = sehr. ss Hafer. " Kuh. ** gehört. " arm.

M erfahren. " Kamm. 89 scheut. 59 anders. 40 je dümmer. 41 Grund- birnen (Erdäpfel). 4S einen. 41 Schuhe. 44 Fürsorge. 44 Eine Hochzeit und eine Leiche briugen alles in die Gleiche. 44 schenken. 4T fahren.

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21*1

<8. A Viilfrass wia't ni't gepaan, sundan ta'zog'n.4*; 79. Pinda' und Fäss Hab'm gea'n nass. SO. SaiÄ Kivig'n49) I< waita' wia ta M-rg'n

81. Nia' ta' easchti Lita is' tai,ja'.50i

82. In Gb/s ta'sauf n meha' wie in Mea'.

83. 's Maul is' a klaan's Lou', nbii ganzi Haisa' saiÄ schaun abi- g'rutscht.

84. An P'sofTatian sull ma' mit a Faha' Hai auswaicha'. 85 Wann t'Veig'l vullg'fress'n sai-v, na singau s'.

86. Klaani HeifaT r,t gaih'Ä schnell iha'.

87. An alti G'wohnhait unt an aisa'nas Hernpt z'raiss'n nit.

88. An 'Tili G' wohnhaft unt an aisa'ni Pfaat z'raiss'n gaa' haa't.52 (Oberschützen.)

89. Wea' si' in t'Klaib'm mischt, tein fress'n t'Sau.

90. Mit was mn' umgeht, peschmia't ina' si'

91. Vül geduldige Schouf hab'm in an Stall Platz.

92. Peissa' Naa' mit als Naa allaan.™

93. Wou ta1 KrauÄ5* sitzt, tuat55 meld't ea' si'.

94. Tua'ch's Reid'n 55 kemma t'Lait' z'sarnm.

95. Kinda' unt Naan sag'n t' Waa'hait.57

96. A schecht's G'spül r,s, was in Kinda'n ni't g'fallt.

97. VaVea't is' ni't g'scholt'n.59

98. Ta' Pfairnsack hat kann Poud'n.

99. A Laus am Kraut is peissa wia gaa kaan Flaisch. 100. Is' guit anhöib'm,80 is guit a'fhea'n.

Parallelen und Bemerkungen*

zu Stellen in den „Ethnologischen Mittheilungen aus Ungarn"'.

I. Beiträge aus Schleswig-Holstein.

Fingerabzählreim. Zu Bd. III H. 3-4 8. 101.

Das ist der Daum, Der sammelt sie auf,

Der schüttelt die Pflaum, Der trägt sie nach Haus,

Und der kleine Schelm hat sie alle aufgegessen.

Blickstedt im Dänischen Wohld.

Zieh' Schimmel, zieh', Morgen woll'n wir Hafer dreschen,

Im Dreck bis an die Knie ; Das soll unser Schimmel fressen.

Zieh' Schimmel, zi h\

Ganz Schleswig- Holstein, Wird gesungen, wenn einer beim Kuudgesangnicht rein ausgetrunken hat.

49 Hals, Schlund. Nur der erste Liter ist teuer. 41 Häfen. ** hart (schwer). M Besser Narr mit (anderen) als Narr allein. M Krähe. »* dort. &* Durch das Reden. 57 Wahrheit. 19 Spiel. " Ver- sprochen ist nicht gescholten. 60 anheben (anzufangen).

*) Wir bitten aufmerksame Lesor, ihre werten Bemerkungen zu den Aufsätzen unserer Zeitschrift uns gefälligst zukommen lassen zu woher..

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Snaierlus. krup ut din Hus, Stick din veer fiet Hörn ut,

Tingel, tauge 1 Tuts, Strek dien Hörn herut,

Snigh, krup ut dien Hus

Sohne oke.

Wullt du se nich utnteeken.

Will ick di Hus un Holl tobreeken.

Stapelholm.

Wenn du dat ni dais,

81a ick die Hus un Hoti' entwai.

Koldenbüttel i. Eiderstedt.

Un dien Hus verbrennt.

Bordesholm h. Kiel.

Snaierlus, krup ut dien Hus, Dien Hus dat brennt, dien Kinner

de schriegt,

Snaierlus, krup ut dien Hus, Dien Hus dat brennt, dien Kinnei- de slap,

Dien Fru de liggt in Weeken ver- stecken. Heide in Dithmarschett

Dien Fru de liggt in 'n Weeken, Kann 'k gar keen Woord mit spreeken.

Gegend von Hanerau.

Der ausgefallene Zahn wird vom Kinde ins Mauseloch geworfen mit den Worten :

Mus, ick geef die'n olen Tan, Gert mi 'n ni'n wedder.

NorderdithmarHchtti . (Vrgl. Am Urdsbrunnen Jahrg. VII. 79 J

Hergottskon,

Stüff weg, flüg weg,

Maik&i'er, fleeg weg,

Bring' mi morrn gut Wedder mit.

Norderdithmarschen .

T.

Bring' mi morrn gut Wedder mit.

Norderdithmarschen .

II. H. 9-10 S. 262 )

Un spinnt en Spol vull Flissengarn.

Slap, Kindjen, slap.

Norderdithmartcheu .

(Zu Bd.

Slap, Kindjen, slap, Dien Vad'r bött de Schap, Dien Moder sik in'n Rosengaru

Zu Bd. III H. :i— 4 S. 10r».

Die Mädchen bilden einen Kreis und singend setzt «ich der Kreis in Bewegung. Bei dem 5. Vers dreht sich jedesmal ein Kind um.

Luise. Luise, Und die Jüngste kehrt sich um.

Eine kleine Liese, Die Jüngste nat sich umgekehrt

(56 6 6 7 Jahr, Und hat sich in dem Kreis vermehrt.

7 Jahr sind bald herum Luise u. s. w. von vorn.

Stapelholm, Dithtn

Zu Bd. III H. :i— 4 S. 105. Die Kinder stellen sich in 2 Reihen einander gegenüber. Abwechselnd bewegt sich nun die eine Reihe gegen die andere und singt:

Es kommen drei Herren aus Ninive zum Pontio Pilato. Was wollen die Herrn aus Ninive beim Pontio Pilato ? Sie wollen die jüngste Tochter frein zum Pontio Pilato. Und welche Tochter soll das denn sein zum Pontio Pilato ? Das soll N. N. sein zum Pontio Pilato. So nehmet sie mit Freuden an.

M. Carstens. Süderttapel i. Stapelholm.

Das im Band II. H. 9—10 beschriebene Paradiethilpfen ist hier Überall bekannt unter dem Namen ,.Hinkelpottu.

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293

Abzählreim. Zu Bd. III H. 3— 4 S. 104. Ich und du, Müllers Kuh; Müllers Esel, das bist du.

Elmshorn.

Die Königstochter im Turm. Zu Bd. III H. 3-4 S. 103. Kling' klang' gloria, De Müer de will ni bräken.

Wer sitt in diesen Toria, De Steen de will ni stäken.

Das sitt en Königsdochter ni, So kutnin du, so kuniin du

De kann ick ni to sehn kriegu. Un tat mi achter an.

Nee, nee ! Ja, ja ! . Stapelholm.

(S. Am Urdsbrunnen VI, S. 10-M, Gl— 64, 141— 143; VII S0.^ Dahrenwurth bei Lunden. Mitgeteilt von //. (Jnrstens.

II. Aus Elberfeld.

Zu dem Artikel „Eine alte Besch wörungs t ormel1' von Professor K. Fuchs in Heft 9— 10 der „Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn" möchte ich zwei Varianten anführen. Die von mir aus dem Volksmund aufge- zeichnete und in Elberfeld sehr verbreitete Strophe lautet:

Zu Köllen steht ein Vogelhaus,

1 >a schau'n drei schöne Jungfern 'raus ;

Die eine trinkt ein Gläschen Bier;

Die and're spielet das Klavier;

Die dritte ging nach Bonn

Und wurde eine Nonn'.

Wichtiger scheint mir die folgende Lesart zu sein, welche ich in den handschriftlichen Aufzeichnungen de* Th. Bindewald aus Oberhessen (im Nachlass von Prof. J*'. CrrcAius in Elberfeld) fand. Bindewald hat die Strophe als Kinderlied bezeichnet. Sie lautet:

Zu Köllen ist ein Glockenhaus,

Da schauten drei Hexen zum Fenster hinaus,

Die erste trinket ein Glas Bier,

Die zweite spielet auf dem Klavier.

Die dritte geht zur Sonne

Und kauft dem Kind 'ne Wonne.

Mitgeteilt von O. Schell.

III.

Zu „Ethn. Mitth." 1. S. 35ä. ..Ich hab halt a Hilusl am ltanu machte uns vrau v. Finäezy aufmerksam, dass das Lied von Castelli ist Säuimtl. Werke, Wien 1845. Bd. 11, S. 37). Es ist aber auch im Volksmunde weit verbreitet, vgl. die drei Fassungen in „Deutsche Volkslieder aus Böhmen*' S. 209—210.

IV. Aus Westpreussen.

„Ethnol. Mitt. III. 218. Zu ArkuH-bdrku*. Vgl. den Abzählreim aus Pillau in den 40er Jahren : ^ ^ .

Ankus-bankus iss biankus, Zederloppe, Zedennann, Hokus bokus iss biokus, Bertinos.

Vielleicht kann Arku*-barkus auch mit Hokuspokus zusammengestellt werden Auch könnte man an die Gewohnheit der Kinder denken, eine ge- schaffene Schreckgestalt mit einem Vokale in der Namengebung zu beginnen und ihrer folgenden Vervollständigung einen Consouanten vorzusetzen. Zu Mumm vgl. litauisch Muromatsch: ferner in einer Kinderpredigt aus Graudeuz (Mühlhausen), „Schatten sind keine Möen" = Gespenster, vielleicht

Kthn. Mitt, a. l'ngarn. III. 20

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294

Anlehnung an Muhme oder Mahr. Zu Lele vgl. Lelö in 0. Knoop, Sagen und Erzählungen aus Posen, S. 1, ferner den Namen einer slavischen Gottheit mit geschlossenem Munde.

* 'Hoch-Paleschken bei Alt-Kischau. Alexander Treichel.

V.

„Ethnol. Mitt." III., S. UJ2. Herzgespier ist = Herzgesperr, Angina pectoris ; Gedirmen sind = die Ge lärme als Sitz der 77-erlei Fieber.

Tölz. Dr. M. Höfler.

Das grosse Sammelwerk für bulgarischen Folklore.

Ein Bericht von Friedrich S. Krau»». (Schluss.)

Die Beschreibungen der Festbräuche dürften auch einen anspruchvollen Folkloristen befriedigen. Jedes Fest des Jahres hat seinen treuen Schilderer, aber hauptsächli h die Feste der Orthodoxen, während die Moslimen und Katholiken zu kurz kommen, die Juden aber mit Stillschweigen ubergangen werden. Gegenwärtig eignen sich die Spaniolen Bulgariens immer mehr religiöse und gesellschaftliche Bräuche ihrer deutschen und französischen Glaubensgenossen an, sie „entnationalisiren" sich und werden zu modernen Bulgaren mit westeuropäischem Anstrich. Die äussere Notwendigkeit oder vielmehr der Zwang, eine eigene confessionelle und sprachliche Nation zu bilden, schwindet für das Handvoll Juden in Bulgarien zusehends. Es wäre hoch an der Zeit, so lang es noch möglich ist, das seltsame Volktum der Spaniolen ernstlich zu erheben und zu erforschen.

In Bulgarien gibt es auch serbische und griechische und, wenn ich gut unterrichtet bin, türkische'und rumänische Siedlungen, der grossen Anzahl der Zigeuner nicht zu vergessen. Das Volktum aller dieser gehört in den Sbornik hinein.

Über das Gewohnheitrecht handeln nur einige kurze Berichte und Mitteilungen. Das ist befremdend; denn die Bulgaren haben einen Cfcsor, der diese Studien mit Verstand und Erfolg betreibt. Sollten uns da nicht die weiteren Sbornik-Bände Ersatz schaffen können?

Nicht genug danken können wir für die einzelnen Beiträge zu einem bulgarischen Idiotikon. Ein bulgarischer Sanders möge recht bald erstehen, damit einem die Pforten zum bulgarischen Sprachschatz erschlossen werden, das ist wohl jedermanns Wunsch, der den Sbornik zur Hand nimmt. Unter uns gesagt, ich bin nicht einmal fest überzeugt, dass jeder geborene Bulgare, der das Gymnasium zu Sonja zurückgelegt hat, über alles und jedes Wort, im Sbornik genügenden Ausschluss zu geben im Stande ist. Man übersehe nicht, dass im Sbornik ausserordentlich viel Bildungsstoff aufgesammelt ist, der für die heranwachsende Generation ungloich fruchtbringender gemacht werden kann, als der dürftige und dürre Unterricht in den „alten" Sprachen Roms und Griechenlands es je für die Jugend des Landes war. Der junge Bulgare erkenne zuerst sein eigenes Volktum, er werde zum gebildeten Bul- garen erzogen, dann wird er ein ganzer Mann werden.

Die Trachtenbilder sind prachtvoll, manche Charaktertvpen wertvolle Vorbilder für Künstler, aber wir wünschten jedesmal zu jedem Bilde aus- führliche Beschreibungen zu erhalten. Die Stick-, Strick- und Webemuster fesseln den Beschauer ungemein. Das Studium der Ornamentik soll nicht vernachlässigt oder minder geschätzt werden. Im Gesammtrahmen des Volk- tums ist auch derlei häufig von bedeutender Wichtigkeit. Uns kann man nie genug Belehrung gewähren, denn ein Volkforscher will und muss alles erfahren und alles erkunden.

Ueber die neuern Bände des Sbornik wird im nächsten Bande der „Ethnologischen Mitteilungen" weiter ausführlich berichtet werden.

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Magyarischer Volksglauben aus Lozsad.*

1. Wenn eine Schwalbe unter dem Bauch der Kuh hinwegfliegt, so gibt letztere blutige Milch. 2. Sieht man am Morgen des St. Georgstages einen frischen Beilhieb am Torpfosten, so haben Hexen die Milch der Kuh genommen; um sie von Melktieren fernzuhalten, steckt man am Vorabend dieses Tages Dörner aufs Tor. 'X Am Freitag und Mittwoch darf man keine Milch vom Hause geben, sonst verliert die Kuh ihre Milch. 4. Die Braut muss während ihrer Trauung weinen, damit ihre Kuh viele Milch habe. 5. Damit das Kalb nicht berufen werde, soll man es mit etwas Wagenschmiere einreiben. 6. Trägt, man die Pflanze Löwenzahn ins Haus, so legen die Hühner nicht. 7. Bruthennen soll man an einem Fasttag (Dienstag, Freitag) setzen; legt man die Eier aus einem Hute unter die Bruthenne, so wird sie mehr Hähne, legt man sie aber aus einer Schürze unter sie, so wird sie mehr Hennen ausbrüten. 8. Am Freitag soll man keinen Sauerteig aus dem Hause geben, denn man gibt damit das Glück weg. ü. Wenn man das geschlachtete Schwein sengt, soll man ihm die Ohren nicht abschneiden, sonst springt es vom Rauch weg (d. h. das zum Räuchern aufgehängte Fleisch wird gestohlen.) 10. Wenn Jemandem der Krug zum trinken überreicht wird, soll er ihn auch wieder an seinen Platz zurückstellen, sonst bekommt man eine so grosse Nase wie der Krug. 11. Legt man das Holz mit dem dickeren Ende aufs Feuer, so wird in dem Hause stets nur halbes Glück sein. 12. Läuft einem n Hase über den W eg, so wird man Unglück haben. 13. Begegnet man auf der Fahrt einem Pfaffen, soll man ihm eine Handvoll Heu nachwerfen. 14. Auf wessen Rocken zu Weihnachten sich Werg befindet, der bekommt vom Engel was Übles zum Geschenk. 15. Kraut soll man nicht am Samstag einsäuern, denn es wird weich, verdirbt. 16. Es ist eine Sünde, der Sonne zu zu kehren (den Kehricht). 17. Wer nach Sonnenuntergang den Kehricht aus der Stube trägt, bekommt Koptweh. 18. Ferkelt die Sau zu Neulicht, so bekommen die Jungen grosse Hauer, die man ihnen abbrechen muss. 19. Zu Neulicht ist es nicht gut, Pflanzen zu setzen; sie tragen nur Blüten und keine Früchte. 20. Zu Neulicht »soll man die Stube nicht weissein, denn die Wanzen vermehren sich dadurch. 21. Wer im Mondschein schläft, be- kommt Warzen im Gesicht. 22. Bei Gewitter muss man läuten, damit es sich verziehe. 2H. Hagelt es, so soll mau den Ofenquast und die Brotschaufel ins Freie legen, eine Axt aber in die Erde schlagen, damit der Hagel auf- höre. 24. Geht die Sonne hinter Wolken unter, so regnet es am nächsten Tag. 25. Warzen soll man uicht zählen, denn sie vermehren sich dadurch ; hat man sie schon gezählt, so soll man sie rückwärts wieder abzählen. 2t>. Halte einen Laubfrosch so lange in deinem Busen, bis er krepiert, dann

fiesse auf ihn ein Getränk und gib dies dem zu trinken, dessen Gegenliebe u erlangen willst. 27. Will man zwei Liebende entzweien, so werfe man eine Handvoll Staub von der Stelle zwischen sie, wo sich zwei Hunde gebalgt haben. 28. Wenn der heiratslustige Bursche am Morgen des Neujahrtages mit dem Fuss an den Schweinestall stösst, so heiratet er so viele Janre lang nicht, als er mit dem Fusse anstossen muss, bis das Schwein ein Grun- zen von sich gibt. 29. Am Sylvesterabend kippt man b Töplcheu um, unter eines legt man einen Kamm, unter das zweite Haare, unter «las dritte Kohlen oder Russ, unter das vierte Salz, unter das fünfte Brot, unter das sechste einen Ring. Wer nun über sein zukünftiges Ehegespons etwas erfahren will, hebt um Mitternacht eines der Töpfchen auf: ist darunter der Kamm, so wird das zukünftig Gemahl grosse Zähne haben ; ist darunter Kohle oder Russ, bo wird er schwarz, sind aber Haare darunter, so wird es alt sein : befindet sich unter dem Töptchen Salz oder Brot, so wird es reich sein: ist der Ring unter dem Töpfchen, so wird es schön sein. 30. Geht man in ein Haus, wo sich ein kleines Kind befindet, so muss man dort etwas zurück- lassen, sonst benimmt man dem Kind den Schlaf. 31. Setzt sich ein Mann aufs Wochenbett, so bekommt er Milch in seinen Brustwarzen.

Deva. Mitgeteilt von Prof. Sam. Kolumban.

Eine magyarische Intel anter Kunifcnen im Htmyader Komitat in Siebenbürgen. S. Kthnographia, V. 8. 838.

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2ÖC

Splitter und Späne. Zipser Beschwörungsformeln

(auch heut« bei Krankheiten von Weibern angewendet).

1. Beim Hotlau/. „Rot, rot, rot: lauf, lauf: weiss von Fleisch und Blut, wie die Sonne am Himmel streichen tut, im Namen Gottes, de* Vaters, des Sohnes und des h. Geistes." Nun wird dreimal auf die kranke Stelle geblasen und der Rotlauf vergeht. 2. Bei Brand tcund*ti. „Im Namen GotteH des Vaters, den Sohnes und des h. Geistes, heiliger Florian nehme die Schmerzen weg4 und die Brandwunde vergeht. !i. Bri Schlangen- stichen. „Dovolali pan Jezus, Panenko Maria hadovi kuszat, ale ne dovolali zleho jadu ospuseacz. Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des h. Geistes." Zu deutsch: „Ks erlaubten Herr Jesus. Jungfrau Mariader Schlange zu stechen, aber sie erlaubten nicht das böse Gift auszulassen. Im Namen ... 4. Bei Bfrrdeknlik. „Ihr Wurm lein seid klein, steckt zwischen Haut, Fleisch und Bein, ihr Würmlein seid weiss, ihr Würmlein seid blau, ihr Würmlein seid rot, den Augenblick sollen sie bleiben todt*', <bei dem Wort wird ein Händschlag in die linke Seite des Pferdes geführt und dann fortgesetzt) „Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des h. Geistes."

Mitgeteilt von S. Weber in Szepes-Bela.

Die Wunder- und Heilkraft des Frosches in der Zips.

161!» wurde in Alt-Lublau eine Hexe zum Tode veiterteilt. Sie machte unter Anderem das freiwillige Geständnis: eine Freundra, Elise Klischen, wäre zu ihr gekommen und habe sie um Hülfe angesucht, dass ihr Mann Elias nicht möchte zur Frau des Hans Bittner gehen. Die Hexe Spelendrern belehrte die Freundin nun folgenderma&ssen : „sie solle eine grüne Krott nehmen, dieselbige mit Salz beschütten und in einen Topf legen, und wenn der Saft wird von der Krott gegangen sein, so solle sie den Tirnel voraus in der Tür besprengen!*' Kin getrockneter Frosch wird dem erkrankten Vieh auch heute über den Rücken gestrichen. Auch der lebendige Frosch spielt in der Tierarzneikunde des Volkes eine Kolle. Wird das Rindvieh gebläht und zum Zerplatzen gefährdet, dann wird ihm flugs ein lebendiger Frosch zu 'Verschlucken gegeben. Die Erinnerung an die Hexe starbauch nicht aus. Wer einen Frosch an einem Fusse beschädigt, und am nächsten Tage eine Frau mit frisch verbundenem Finger oder einer verletzten und auch verbundenen Zehe wahrnimmt, der kann wissen, dass diese Frau eine Hexe ist. Mitgeteilt von Samuel Wrber in Szepes-Bela.

Zu K. Fäpai's Aufsatz: „Holzbau in Apatfalu".

(Maasstab 1-800.)

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Gegen die Gasse: a) Sitzbank. Im Hofe: b) Erderhöhung läug^ der Traufe. Aj der Flur: darin: c) die Leiter zum Dachboden; d) die Wasserbank. B) die Küche; darin (wenn der Ofen von hier geheizt wird): e) die grosse Ofenbank mit den Ofenloch; f) das Rauchloch: g) Bank, C) das Haus, darin: h) der Ofen, dessen Teile; »> der Rauchfang; j) die kleine Ofenbank: k> der Sparherd : l) die Bratröhre; m) die grosse Ofenbank: ferner: n) Stützpfoste*' : o) der Tisch; p) Bänke. D) Die Kammer; d ariu ; <\) Bettstatt ; r) Mehlla***« s) Getreidekasten : t) Kleidertruhen. E) Kuhstall: darin: u) die Krippe : r> <iie Diele; x) der Heukasten.

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In dem Verlage von Emil Falber, Berlin, 8. W. Ltf, Hallesohe-St raa*e . 4. ist erschienen und dur>:h alle Buchhandlungen zu he/.iehen :

IDEALE \\'ELTE N

NACH ÜKANOGRAPHISCHKN PROVINZEN IN WOBT! I BILD. ETHNOLOGISCHE ZEIT- END STREITFRAGEN NACH GESICHTSPUNKTEN DER IN J> I SCH I. N VO LK E R K V N I » E

von A. BASTIAN.

Drei Bände, großes mit 22 Tafeln. Ladenpreis 45 Mark.

A. B. (Adolf Baetian). WIE DAS VOLK DENKT. Bin Beiträgst» Beantwortung socialer Fragen, hui Grundlage ethnischer Elementargedan- ken in der Lehre v.oui Menschen. If&l XVUl. 924 S Qr ffr Preis n Mark.

Adolf Bastian, VORGEM II k h i j j. HE ^< HÖPFÜNGSLIEDER in ihren ethnischen Elementargedanken Ein Voitrug mit rrganzendm Zusätzen and Erläuterungen. Mit. zwei Tafeln. I 14G S.

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Band I. Volksglaube und Volksbrauoh der Siebenburger Saohaen. Von Dr. Heinrich ron Wlialoeki. Preis 5, Mark

Band II. D«e Entwicklung der Ehe. Von 7a. Aihtli* Preis 2,60 M.

Band III. nieder und Oeschiohten der Suaheli. Von G 0 BüttXBf

VERLAG VON HEBMANN COSTENOBLE in JENA.

GESCHICHTE DER MENSCHLICHEN EHE.

Von Eduard Westermarok, Dozenten an der Universität zu Helsingfors. Einzig autorisirte deutsche Auegabe.

Aua (i«ai »ngliachen von Leopold Kataober und Bomuloi Oraler. Bevorwortet von Alfred Batiul Waliao«. Kin starker Band Gr. V von 40 Bogr>n. IS Hk., nh

in Halbfr. 14 Mk. SO Pf. Koin Geringerer aln Alfrsd Ru»tol Wallaca t>evorwortet >iak Werk und prophtosett, dasa dio originellen Oarlogungon Waatarmaroka in Flaiach und Blut dar Wissenschaft übergeben wurden

Wir haben ea mit inom bei aller strengen Wia eeoaoba/tllcbkeit höchst an- stehend und populär geschriebenen Bach Über einen der interessantesten Gegenstande ler Atifhropologi». ru ihun.

Das literarische Centralblatt und die atanchener Allgemeine Zeitung haben schon langst auf dieaea hochbodontende Werk eingehend hingewiesen und eine gute deutsche He* arbeitung gewünscht und ala notwendig erkannt

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Altertums. Von Dr. O. Bohrader. mm Zweite vollständig umgearbeitete und beträchtlich vermehrte Auflage

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BC and clage schlichte und Waarenkunde.

Von Dr. 0. 8chrader. Erster Teil. 8°. Mk. 8.—.

Ethnographische Analogien.

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Bureau der Gesellschaft für die Völkerkunde Ungarns.

Vorstand: Graf Geza Kaum. Vorstandstellvertreter: A. Herrmann und B. Munkacsi (Geschäftsleiter). äecret%r : B. Vikir (Budapest, Baross>titcza 40.}. Schriftführer: G. Nagy. Cassier: J. Zolnai. Bibliothekar: J. Jankö. Redacteur des Vereinsorgans „Ethnographia* : B. Münk« «i (Budapest, Zerge-utoza 27.)

Mitteilung der Redaotion.

Mit diesem Hefte schliesst der III. Band (18^8— 18D4> der „Bthnologi- schen Mitteilungen aus Ungarn". Das erste Haft den Bandes erscheint im Jänner 1895. Das noch rückständige 4. Halt des I. Bandes wird anfangs des nächsten Jahres ausgegeben.

INHALT.

Dr. Karl Fdjtai, Der Typus der \3gfiw (Schlass) 2dl

Dr. Friedrieh S. Kram*, König Mathias und Peter Gereb. Ein bulgari-

sches Guslarenlied aus Bosnien. VI. Erläuterungen (Schluss). . . 27k Dr. Karl Pdyai, Der Holzbau der Palovzen(Mit einer Illustration. Schluss) 28»

./. K. BQnker, Heanzische Sprichwörter 2M7

Parallelen ttnd Bemerkungen zu Stellen in den „Ethnologischen Mittei- lungen aus Ungarn44. I. Aus Schleswig-Holstein, von //. Garsten». - II. Aus Elberfeld, von 0. Scheit. HI. Von Frau Jneefine v. Fimkzjf. IV. Aus W. stpreuasen, von AI Treichel. V. Von

Dr. M. Mfier 291

Dr. Friedrich S. Kraus», Das grosse Sammelwerk für bulgarischen Folklore

(Schluss 2JH

Samuel Kolumbdn, Magyarischer Aberglauben aus Lösend

Splitter und Späne. Zipser Beschwörungsformeln, von S. Weber. In«

Wunder- und Heilkraft des Frosches in der Zips, von & Weher .

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