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Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

Paul Kristeller

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KUPFERSTICH UND HOLZSCHNITT IN VIER JAHRHUNDERTEN

KUPFERSTICH UND HOLZSCHNITT

IN VIER JAHRHUNDERTEN

VON

PAUL KRISTELLER

MIT 259 ADBILDUNGFN

BERLIN 1905 VERLAG VON BRUNO CASSIRER

ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG, VORBEHALTEN PUB1.1SHED MAY 30& 190; PRIVILEGE OK COPYRIGHT IN THE UNITED STATES RESERVED UNDER THE ACT APPROVED MARCH j, 190/. BY BRUNO CASSIRER

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VORWORT.

ROTZDEM der Bilddruck sich im engsten Zusammenhange mit der Malerei entwickelt und vornehmlich unter den Meistern dieser Kunst seine glänzendsten Vertreter und seine bedeutend- sten Förderer gefunden hat, so verlangt doch der besondere Charakter seiner Technik, seiner praktischen und künstlerischen Ziele und die Eigenart seines Ursprunges eine gesonderte Darstellung seiner Geschichte.

Die Absicht der Vervielfältigung bestimmt das Wesen der graphischen Künste und gibt ihnen eigene Gesetze des Formenausdruckes, einen eigenen Stil. Die monumentale Kunst wendet sich mit erhobener Stimme an die Masse, der Bilddruck spricht vertraulich zu dem einzelnen Menschen, denn jedem Einzelnen widmet er sein Werk zur gesammelten, nachdenklichen Betrachtung. Die KCInstlerzeichnung ist gleichsam ein Monolog, in dem der Künstler nur sich selber über die Probleme, die ihn beschäftigen, Klarheit geben will. Die Vervielfältigung steigert im Schaffenden das Gefühl der Verantwortung, die Unabänderlichkeit der eingegrabenen oder geschnittenen Linie nütigt zur Ueber- legtheit und erzeugt eine gewisse Monumentalität des Stiles. Kupferstiche und Holzschnitte sind ihrem \C'cscn nach keineswegs nur in Kupfer gestochene oder in Holz geschnittene Zeichnungen. Die graphischen Künste erstreben vielmehr die unmittelbare Wiedergabe des natürlichen Eindruckes der Formen durch ihre

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eigenen und eigentümlichen Mittel, die Befriedigung von bestimmten, ganz eigenartigen praktischen Bedürfnissen.

Die Entwicklung jeder Kunst geht von der Technik aus, die wieder durch den unmittelbaren praktischen Zweck, der erfüllt werden soll, bedingt ist. Die Technik bestimmt die Form, in der sich die künstlerische Anschauung ausprägt. Wie aber die materiellen Absichten, die Vorstellungskreise und ihr Empfindungs- inhalt sich ändern und erweitern, sucht der selbständig schallende Künstler die Technik umzugestalten und ihr neue Ausdrucksmittel abzugewinnen. Die künst- lerische Formengestaltung und die Technik stehen so untereinander in beständiger Wechselwirkung. Eine geschichtliche Darstellung der graphischen Künste darf sich deshalb nicht auf das Studium der Technik und ihrer Entwicklung beschränken, ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, klarzulegen, wie die wech- selnden künstlerischen Vorstellungen und Anschauungen der Natur durch die Mittel der graphischen Technik Gestaltung zu finden streben und welche Neu- bildungen die Technik durch die stetig sich wandelnden und sich steigernden Anforderungen der Kunstform und ihrer praktischen Absichten erfährt.

Die Notwendigkeit fordert, dass die grossen künstlerischen Strömungen und die einzelnen hervorragenden Meister hier nur in ihren Beziehungen zur graphischen Kunst betrachtet werden. Nur die wesentlichen Gesichtspunkte, die wichtigsten Charakterzüge der Kunst der einzelnen Länder in den verschie- denen Epochen und der Meister können hier angedeutet werden. Ein gewisses Maass von Kenntnissen der allgemeinen Kunstgeschichte, eine ungefähre Vor- stellung von der Bedeutung der führenden Meister musste beim Leser dieses Werkes notwendiger Weise vorausgesetzt werden.

Die Darstellung beabsichtigt nicht eine ausführliche oder gar erschöpfende Aufzählung aller einzelnen interessanten Erscheinungen, sie will vielmehr durch die Hervorhebung der wichtigsten künstlerischen Strömungen und Be- strebungen, die sich neue technische Ausdrucksformen geschaffen haben, und durch die Darlegung ihres historischen Zusammenhanges eine klare Anschauung von der Entwicklung des Bilddruckes, von der künstlerischen Bedeutung der hervorragendsten Leistungen, von den praktischen Aufgaben, die er zu erfüllen bestimmt war, und von seiner Stellung im Haushalte der Kunst geben. Die Ausführungen haben vor allem den Zweck, den Leser zum selbständigen Studium der Kunstwerke anzuregen; sie sollen ihm das Gerüst bieten, das er mit seinen eigenen lebendigen Anschauungen bekleiden, den Faden, an dem er

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seine vereinzelten Kenntnisse und Vorstellungen aufreihen kann ; sie sollen ihn auf das künstlerisch Wertvolle hinweisen und ihn mit den wichtigsten wissenschaftlichen Problemen bekannt machen. Das Buch soll schliesslich auch zur schnellen gelegentlichen Orientierung über das Einzelne dienen.

Um die in der Geschichte des Bilddruckes besonders wichtigen Be- ziehungen der einzelnen Völker zu einander genügend zur Geltung kommen zu lassen, musste der zusammenhängenden Betrachtung der Entwicklung in den einzelnen Ländern die Einteilung nach Epochen vorgezogen werden. Wie jede solche Einteilung ist auch die hier gewählte nach den vier Jahrhunderten bis zu einem gewissen Grade willkürlich und auch nur annähernd durchführ- bar. Sie schien vor anderen eine besondere Berechtigung zu haben, weil die grossen Entwicklungsabschnitte fast überall ungefähr aber natürlich auch nur ungefähr mit den Jahrhunderten zusammenfallen, dann auch, weil annähernd jede Jahrhundertwende die führende Stellung von einer auf die andere der vier an der Förderung und Pflege des Bilddruckes hauptsächlich beteiligten Nationen übergehen sieht. Im XV. Jahrhunderts steht Deutschland an der Spitze der Bewegung, im XVI. nimmt Italien, allerdings mehr die italienische Kunst im allgemeinen als der Bilddruck, die Führung, das XVII. Jahr- hundert gehört den Niederlanden, im XVIII. Jahrhundert endlich beherrscht Frankreich wie in der monumentalen Kunst und im Geschmack so auch in der Graphik fast unumschränkt ganz Europa.

Auf die klare Gruppierung der einzelnen Erscheinungen von diesen Ge- sichtspunkten aus und auf den ebenmässigen Aufbau der Teile ist das grösste Gewicht gelegt worden. Wenn der Darstellung der ersten beiden Jahrhunderte, besonders des XV., mehr Raum gegönnt worden ist als den späteren, so liegt der Grund für diese Bevorzugung darin, dass die Entwickelung in der älteren Zeit vielgestaltiger und reicher an Problemen ist als in den folgenden Epochen, in denen der Zusammenhang viel leichter zu übersehen ist, und die einzelnen Erscheinungen sich leichter den grossen Hauptströmungen unterordnen lassen, fernerauch darin, dass die Eigenart der technischen Anfänge eine eingehendere Behandlung erfordert.

Die Schilderuung beruht durchgehends auf eigener Anschauung des Ver- fassers, aber natürlich nur zum kleinsten Teile auf seinen eigenen Forschungen. Eine genauere Angabe der literarischen Quellen und anderer Beläge und Nach- weise hätte jedoch den Umfang des Buches zu sehr vergrößert und den Fluss

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der Erzählung gestört. Es schien angemessen, in dieser kurz zusammenfassenden, für das grössere Publikum der Gebildeten bestimmten Schilderung auf alles gelehrte Beiwerk zu verzichten. Anhangsweise ist ein Verzeichnis der wichtigsten Schriften über unseren Gegenstand beigefügt worden, das dem eifrigen Leser die Mittel gibt, sich auch über die hier nicht aufgeführten älteren Werke, über die Einzclforschungcn und über die Quellen zu unterrichten.

Die Abbildungen sind mit der grössten Sorgfalt ausgewählt und nach den Exemplaren des k. Kupferstichkabinetts zu Berlin zum Teil in Kornätzung von der Reichsdruckerei, zum Teil in Strichätzung von Albert Frisch in Berlin her- gestellt worden. Fast durchgehends sind die Blätter genau oder wenigstens annähernd in der Grösse der Originale abgebildet worden, Abweichungen sind Uberall angegeben. Wesentlich verkleinerte Abbildungen können von dem Charak- ter graphischer Kunstwerke, vornehmlich von ihrer technischen Ausführung keinen Begriff geben; die starke Verkleinerung macht die klare Wiedergabe der Linienbildungcn oft sogar Uberhaupt unmöglich. Man war deshalb häufig zu dem Notbehelfe gezwungen, von einzelnen Blättern nur einen Teil der Darstellung, einen Ausschnitt, wiederzugeben. Bei aller Vortrefflichkeit moderner Technik ist auch die beste mechanische Reproduktion kaum mehr als ein Schatten des Kunst- werkes. Abbildungen können die Originale auch für das Studium nie ersetzen, sie sollen hier auch nur das Wichtigste hervorheben helfen und zur Betrachtung der graphischen Meisterwerke anregen; sie sollen das Wort unterstützen und als ein angemessener Schmuck die Monotonie des Satzbildes angenehm unterbrechen, Auge und Geist einen wohltuenden Ruhepunkt gewähren.

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INHALTSVERZEICHNIS.

3CICC

Vorwort V

Inhaltsverzeichnis IX

Einleicung. Die Technik des Bildd ruckes t

I ) a s f u n t ' i e h n t c j jl h r h u n d g r t

Der Holzschnitt in Deutschland iy

Der Kupferstich in Deutschland und in den Niederlanden $y

Der Holzschnitt in den Niederlanden 80

Der Holzschnitt in Frankreich 100

Der Hol/schnitt in England 114

Der Holzschnitt in Spanien 117

Der Holzschnitt in Italien 113

Der Kupferstich in Italien i6j

Das sechzehnte Jahrhundert

Holzschnitt und Kupferstich in Deutschland 199

Der Kupferstich in Italien a y 3

Der Holzschnitt in Italien 179

Der Farbenholzschnitt 300

Kupferstich und Holzschnitt in den Niederlanden 307

Kupferstich und Holzschnitt in Frankreich 316

Das siebzehnte Jahrhundert

Kupferstich und Holzschnitt in den Niederlanden 343

Der Kupferstich in Italien 391

Der Kupferstich in Frankreich 415

Kupferstich und Holzschnitt in Deutschland .439

Die Schabkunst in Deutschland, in den Niederlanden und in England .... 454

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Seite

Das achtzehnte Jahrhundert

Der Kupferstich in Frankreich 467

Der Holzschnitt in Frankreich 498

Der Farbenkupferstich 500

Der Kupferstich in Italien 509

Der Kupferstich in Deutschland 531

Der Holzschnitt in Deutschland J48

Der Kupferstich in England 550

Der Holzschnitt in England ••• 557

Der Kupferstich in Spanien j6i

Verzeichnis der wichtigsten Werke über den Bilddruck 567

Verzeichnis der Abbildungen 57;

Register j8i

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EINLEITUNG

DIE TECHNIK DES BILDDRUCKES

ER Bilddruck ist die Kunst, auf ebenen Tafeln von geeignetem Material (Holz, Kupfer, Stein u. a. m.) durch entsprechende Be- arbeitung Bilder hervorzubringen in der Absicht und zu dem /•«'ecke, sie durch Abdruck mittels eines Farbstoffes auf Papier oder dergleichen zu vervielfältigen. Man kann im wesentlichen drei verschiedene Gattungen des Bilddrucks unterscheiden .den Relicfschnitt (Holz - oder Mctallschnitt) , die S t i c h - oder Gravierungstechnik (Kupferstich, Radierung usw.) und die chcmographischcTcchnik (Lithographie). Die Lithographie , die im Prinzip darauf beruht, dass die Druckerschwärze nur an den mit einem bestimmten Farbstoffe auf die präparierte und geglättete Oberfläche des Steines gezeichneten Linien, nicht aber an der vom Zeichenstift unberührten Fläche haften bleibt und sich dann beim Abdrucke dem Papier mitteilt, ist erst am Anfange des XIX. Jahrhunderts erfunden worden. Sie liegt also ausserhalb des Rahmens dieser die Entwicklung des Bilddruckes nur bis zum Ausgange des XVIII. Jahr- hunderts betrachtenden Darstellung. Wir können uns also auf die Erläuterung jener ersten beiden Gattungen beschränken. Ebenso müssen auch die Leistungen des Holzschnittes im asiatischen Osten ausser Acht gelassen werden, da eine historische Behandlung der eigenartigen japanischen Kunst ohne Kenntnis

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der Sprache und der Geschichte dieses Landes nicht wohl unternommen werden könnte.

Die Technik des Reliefschnittes besteht darin, dass man auf einer ebenen Tafel den Grund neben den Linien oder Flächen der beabsichtigten Darstellung vertieft, sodass das Bild dann als Flachrelief über den Grund hervor- ragt, die Linien also gewissermassen Stege oder Dämme auf der vertieften Fläche bilden. Beim Holzschnitte werden die Ränder der auf die geglättete und präparierte Oberfläche einer ganz ebenen, etwa zolldicken Holztafe! aufgezeich- neten Linien haarscharf mit einem kleinen Messerchen umschnitten und der Grund zwischen den Linien mit einem stemmeisenähnlichen Instrument, dem Aushcbceiscn, je nach der Dicke und der Entfernung der Linien von einander bis zu einer Tiefe von z 5 mm ausgehoben.

Wird nun die Oberfläche der Holztafcl mit einem Farbstoffe bestrichen und auf Papier oder dergleichen aufgedrückt, so teilt sich die Farbe von den erhabenen Linien oder Flächen dem Papier mit und erzeugt so einen Abdruck der im Holzstocke ausgeschnittenen Darstellung, die natürlich im Gegensinne, das heisst wie im Spiegel gesehen, erscheint. Holzstöcke können mit dem Reiber oder mit der Bürste, durch die die Rückseite des auf den eingefärbten Holzstock gelegten gefeuchteten Papiers festgedrückt wird, oder mit einer gewöhnlichen Drucker- presse abgedruckt werden; sie können auch in den Typensatz eingefügt und mit ihm zugleich gedruckt werden.

Die Oberflächen der Linien oder Stege des Holzstockcs liegen alle in einer Ebene, nur pflegte die entwickelte Technik, um die Schrafficrungslinien zarter in das Licht verlaufen zu lassen, bei feinerer Arbeit oft die Flächen der Stege an den Enden ein wenig abzuschrägen und die Hintergründe durch Beschaben um ein Geringes niedriger zu legen, damit an diesen Stellen die Farbe sich weniger kräftig dem Papier mitteile und einen helleren Ton bilde.

In älterer Zeit hat man nur in „Langholz", das heisst in Holztafeln, deren Fasern der Länge nach verlaufen, geschnitten, und vornehmlich Birn- oder Nuss- baumholz benutzt. Erst im XVIII. Jahrhundert scheint man begonnen zu haben, auch in „Hirnholz", das heisst auf Tafeln , deren Oberfläche einen Querschnitt des Baumes darstellt, deren Fasern also scheitelrecht zur Oberfläche verlaufen, zu schneiden und sich dazu des dichteren Buchsbaumholzes zu bedienen. Da solche Platten nicht mit dem Messer, sondern nur mit Grabsticheln und Aus- hcbceiscn zu bearbeiten waren, so hat sich dadurch die Holzschncidetechnik

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von Grund aus geändert, so dass der moderne Holzschnitt mit dem alten nur mehr venig Aehnlichkeit aufzuweisen hat.

Obwohl ein Holzstock, besonders von weniger feiner Arbeit, bei sorg- faltiger Behandlung eine Uberaus grosse, nach tausenden zu berechnende Anzahl von guten, das heisst klaren und scharfen Abdrücken liefern konnte, so hat man doch, vornehmlich in früher Zeit, öfter Metallplatten, von Kupfer, Messing, Zinn oder dergl. für den Reliefschnitt benutzt. Holztafeln sind dem Wurmfrass und dem Springen stark ausgesetzt, Stücke einzelner Linien können leicht ausbrechen, die dünneren Stege werden nach und nach platt gedrückt; in Metall leisten auch die feinsten Linien der Abnutzung durch den Druck und durch die Reinigung grösseren Widerstand. Mctallplattcn haben aber die grossen Nachteile, dass die Druckerschwärze weniger gleichmässig auf die Oberfläche aufgetragen werden kann, die Abdrücke also leicht unsauber werden, und dass sie durch die Feuchtigkeit leichter angegriffen werden als Holzstöcke.

Solche Mctallschnitte , die von Kupferstichen wohl zu unterscheiden sind, zeigen ebenso wie die Holzschnitte die Linien erhaben über dem vertieften Grunde und werden, auf Holzblöcken befestigt, wie Holzstöcke abgedruckt. Sie eigneten sich besonders für kleinere Stücke, Initialen und Zierleisten zur Buchillustration und dergleichen. Ob ein Druck von einem Holzstock oder von einem Metall-Reliefschnitt herrühre, ist nicht immer leicht zu erkennen. In Holz- schnitt können ebenso ferne, scharfe Linien hervorgebracht werden wie in Metall, das auch verhältnismässig wenig verwendet worden zu sein scheint.

Eine eigentümliche Art von Reliefschnitten sind die Schrotblätter odcrSchrotschnitte (französisch: gravures cn manierc criblee, englisch: dotted prints). Sic unterscheiden sich von den Holzschnitten, mit denen sie die Technik im Prinzip gemein haben, vornehmlich dadurch, dass die Formen nicht wie beim Holzschnitte durch weisse, von schwarzen Linien umschriebene Flächen dar- gestellt sind, sondern durch dunkle Farbenmassen gebildet werden, die von weissen Umrisslinien begrenzt sind. Die schwarzen Flächen sind dann durch weisse Inncnzeichnungs- und Schraffierungslinien, die Gewänder, Hintergründe und der- gleichen durch weisse Punkte, Sternchen, Linien oder andere Musterung gegliedert und belebt. Man hat die Schrotblättcr, weil die weisse Linie das formenbildende Element ist, auch Weissschnitte genannt im Gegensatze zum Holzschnitte, der wegen der schwarzen Linien der Zeichnung Schwarzschnitt genannt werden könnte. Während also der Holzschnitt die Flächen vertieft schneidet und die

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Linien erhaben stehen lässt, vertieft der Schrotschnitt die Linien und lässt die Flächen erhaben stehen, im Drucke also schwarz wirken.

Offenbar hat man für Schrotschnitte nicht oder wenigstens nur selten Holz benutzt. Der Charakter der Linien, ihre grosse Feinheit und die Schärfe ihrer Ränder, gewisse Unregelmässigkeiten des Abdrucks, dann die Spuren der Nagel, mit denen die Platten auf Holzblöcke befestigt wurden, beweisen, dass sie fast alle in Metall, Kupfer, Messing, Bronze, Zinn oder Blei ausgeführt worden sind. Beim Abdruck wurden sie wie Holzschnitte oder Metallschnitte mit der Presse, auch im Schriftsatze von Büchern abgedruckt.

Auf die ornamentalen Teile wurde beim Schrocschnitt besonderes Gewicht gelegt, die Musterung meist nicht mit dem Messer oder Stichel, sondern mit Punzen und Formen eingeschlagen, um eine grössere Regelmässigkeit und Sauber- keit der Dekoration zu erzielen. Häufig ist in Schrotblättern, besonders wohl in späteren Arbeiten, der Weissschnitt mit dem gewöhnlichen Holzschnitt kom- biniert. So werden die Gesichter und Hände, der Himmel und dergleichen sehr oft weiss mit schwarzer Innenzeichnung gebildet. Andrerseits hat sich der echte Holzschnitt häufig das Prinzip des Weissschnitts für Arbeiten dekorativen Cha- rakters, besonders für Initialen, Umrahmungen, Leisten und dergleichen in denen die weissen Linien oder Flächen des Ornaments sich vom schwarzen Grunde abheben, zu Nutze gemacht.

Eine besondere Verwendung fand der Holzschnitt zur Erzielung mehr- farbiger Drucke, der sogenannten Clair-obscur-Holzschnitte, oder „Camaieux". Das farbige Bild wird hervorgebracht, indem mehrere för die einzelnen, verschiedenen Farbtöne bestimmte, genau auf einander passende Platten, auf deren jeder immer nur die Teile der Zeichnung, die im Bilde die betreffende Farbe zeigen sollen, eingeschnitten sind, und eine Platte mit der Um- risszeichnung (die aber häufig auch fehlt) nacheinander auf dasselbe Blatt ab- gedruckt werden. Durch Aufeinanderdrucken verschiedener Farben können an einzelnen Stellen neue Töne hervorgebracht werden. Nachdem man schon im XV. Jahrhundert den Farbdruck mit verschiedenen Holzplatten zur Kolo- rierung von astronomischen und figürlichen Darstellungen ganz schematisch in der Art der Schablonierung benutzt hatte, findet er im Beginne des XVI. Jahr- hunderts in Deutschland und in Italien eine künstlerische Verwertung zur Re- produktion von frei und breit mit dem Pinsel ausgeführten Tuschzeichnungen. Die farbige Wirkung wird hierbei durch Abstufungen derselben Grundfarbe

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oder durch Uebcreinandcrdruck komplementärer Farben erzielt. Das CamaVeu ist also nicht eigentlich Buntdruck, sondern vielmehr Tondruck zu nennen.

Im Gegensatze zum Holzschnitt werden zur Herstellung von Kupfer- stichen die Linien der Zeichnung in die ganz eben geschliffene und glatt polierte Platte aus fein gehämmertem Kupfer vertieft eingegraben. Man be- werkstelligte das ursprünglich wohl mit einem Goldschmiedepunzen, einem runden zugespitzten Eisen, später jedoch mit einem besonderen Instrument, dem Grabstichel, einem vierkantigen Eisen, das in einem rautenförmigen Querschnitte schräg angeschliffen ist, so dass eine scharfe Spitze gebildet wird. Mit diesem Grabstichel, dessen pilzförmige Handhabe im Handteller ruht, wird durch den mehr oder weniger starken Druck der Hand eine entsprechende Furche in das Kupfer eingegraben. Um ganz feine Linien zu erzeugen, bedient man sich der Nadel (Schneidenadcl oder kalte Nadel). Kleine, zarte Zeichnungen können ganz mit der Schneidenadel ausgeführt werden, gewöhnlich aber wird die Nadel- arbeit nur in Verbindung mit anderen Techniken zur feineren Ausführung ein- zelner Teile verwendet.

Die leichte Erhebung an den Rändern der durch den Stichel oder die Nadel gerissenen Furche, die durch das nach beiden Seiten aus der Vertiefung herausgedrückte Metall entsteht, der sogenannten Grat, wird mit dem Schaber, einem spitzen Stahl mit drei scharfen Kanten entfernt. In einzelnen Fällen lässt man den Grat, besonders den der Schneidenadclfurche , aber auch stehen, um bestimmte Effekte durch die beim Drucke hier stärker anhaftende Farbe hervor- zubringen. Mit dem Polierstahl, einem gerundeten, länglichen Eben, kann die Platte an den Stellen, die durch Fehlstriche und Auskratzen rauh geworden sind, wieder geglättet werden.

Die Arbeit des Eingrabens der Linien in das Kupfer durch Säuren, die das Metall zersetzen, verrichten zu lassen, ist das Grundprinzip der Radierung (Aetzkunst). Die Platte wird mit dem Aetzgninde, einer Mischung von Wachs, Harz, Asphalt und Mastix, die von der Säure nicht angegriffen wird, in dünner Schicht überzogen und dann mit Russ geschwärzt. Den Aetzgrund hat man auf mannigfache Weise hergestellt und verwendet. Mit Nadeln von verschiedener Stärke werden nun die Linien der Zeichnung so in diese Schicht eingeritzt, dass das Kupfer blossgelegt und die Linie durch die dann über die Platte gegossene Säure bis zur gewünschten Tiefe ausgefressen wird. Der Künstler kann also mit der Radiernadel wie auf Papier zeichnen, das Bild retouchieren und bei

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genauer Kenntnis der späteren Wirkung der Linien im Abdrucke sich in voller künstlerischer Freiheit belegen.

Einzelne Teile der Zeichnung, die im Abdruck dunkler drucken sollen, können noch tiefer geätzt „aufgeätzt" werden, indem man zunächst die Platte von neuem grundiert, und zwar so, dass die geätzten Linien offen bleiben, dann auch die schon genb'gend geätzten Stellen mit Firnis deckt und nun das Aetz- wasser auf die vom Firnis freigebliebenen Linien, die mehr vertieft werden sollen, noch einmal wirken lässt.

Der geätzte Strich hat in allen Teilen gleiche Stärke, er lässt sich nicht nach dem Ende zu verdünnen, wie der Strich des Grabstichels. Deshalb wird die geätzte Arbeit fast immer mit dem Grabstichel und der Schneidenadel retouchiert, die Schatten verstärkt, Fehlstellen (iberarbeitet. Die Radiertechnik wird auch als Vorarbeit, zur Herstellung der Vorzeichnung für die Grabstichcl- arbeit, oder zur Ausführung einzelner Teile, denen man eine leichtere, duftigere Wirkung geben will, verwendet.

Auf die fertig gestochene oder radierte, sorgfältig gereinigte Platte wird nun die Druckerschwärze, eine Mischung aus Leinöl und Russ, so aufgetragen, dass nur die Furchen dicht gefüllt sind, die glatte Oberfläche aber vollkommen rein und blank gewischt ist. Damit die Farbe besser in die feinen Vertiefungen eindringe, wird die Platte angewärmt. Die eingeschwärzte und gewischte Platte wird mit dem für den Abdruck bestimmten, angefeuchteten Papier und dieses mit schützendem Wollstoff bedeckt und auf dem Laufbrette zwischen die mit grosser Kraft aufeinander gepressten Walzen der Kupferdruckpresse vermittels des Triebwerkes hindurchgedrängt. Das Papier hat dann die Druckerschwärze aus allen Furchen der Platte vollständig aufgesogen und zeigt den fertigen Abdruck. Von der Kunst des Druckens, die ausserordentlich schwierig ist, vor allem von der richtigen Abmessung und Verteilung der Druckerschwärze auf der Platte, dem „Wischen", hängt zum grossen Teil die Wirkung des Kupfer- stiches und auch die gute Erhaltung der Platte ab. Die Künstler haben deshalb die ersten zum eignen Gebrauch und zu Geschenken bestimmten Abdrücke häufig selber, in den älteren Zeiten natürlich mit primitiveren Hilfsmitteln, von der Platte abgezogen.

Neben diesen beiden hauptsächlichsten und ursprünglichsten Gattungen der Kupferstichtechnik sind im Laufe der Jahrhunderte noch andere Arten der Bearbeitung der Kupferplatte erfunden und mehr oder minder lange Zeit gepflegt

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vordcn. Schon im Anfange des XVI. Jahrhunderts ist die Punktier- oder Punzenmanier, ein Verfahren, das bei den Goldschmieden zur Verzierung von Metallgeräten beliebt war, für den Bilddruck ausgenützt worden. Man suchte den Schatten und den Uebergängen eine grössere Weichheit zu geben, indem man sie nicht oder nicht allein aus Linien, sondern aus mehr oder veniger stark und dicht nebeneinander mit einem kleinen spitzen Eisen, der Punze, in die Platte eingeschlagenen Punkten zusammensetzte. Später hat man Punzen mit mehreren Spitzen und die Roulette, ein mit scharfen Zähnen besetztes, ziemlich dickes Rädchen, das in einer Handhabe drehbar über die Platte geführt werden kann, verwendet, um die Arbeit zu beschleunigen und regelmässiger erscheinen zu lassen. Erst in Verbindung mit der Aetzung gewinnt die Punkticr- und Roulcttenarbeit eine praktische Bedeutung.

Eine andere, besondere Abart des Bilddrucks durch direkte Bearbeitung der Kupfcrplattc ohne Hilfe der Aetzung ist die Schabkunst (Schwarzkunst, Mezzotinto, Maniere noire). Die Platte wird mit dem Granierstahl, der „Wiege", einem in einer bogenförmigen, sehr fein und scharf gezahnten Schneide endigen- den Eisen, ganz glcichmässig rauh gemacht (graniert). Die so bearbeitete Platte würde eingeschwärzt im Abdrucke auf Papier eine gleichmässige , sammetartig schwarze Fläche hervorbringen. Mit dem Schabeisen werden nun alle Stellen der Zeichnung, die im Abdrucke hell erscheinen sollen, glatt geschabt so dass beim Einschwärzen die Farbe an diesen Stellen nicht mehr haften kann und die Ucbergänge vom höchsten Licht an den ganz glatt geschabten Stellen zu den tiefsten Schatten an den ganz rauh gelassenen durch mehr oder weniger starke Glättung hergestellt. Wie beim Weissschnitt hat also der Künstler hier die Lichter auf der präparierten Platte zu erarbeiten, im Gegensatze zum Kupferstecher, der die Schatten in die ganz glatte Platte hineinarbeitet. Das Schabverfahren erzeugt also keine Linien, sondern nur zart ineinander übergehende Flächen. An einzelnen Stellen pflegte man allerdings oft zur Hervorhebung von Details auch mit dem Stichel, mit der Nadel oder mit Aetzung nachzuhelfen.

Alle übrigen bekannten Verfahren in der Behandlung der Kupferplatte beruhen auf der Aetzung. Die Aquatinta- oder Lavis-Manier sucht die Schattentöne der getuschten (lavierten) Federzeichnung wiederzugeben. Zuerst wird die Umrisszeichnung auf dem gewöhnlichen Wege in die Platte cinradiert; dann wird wieder ein Aetzgrund aufgelegt und mit Puder überstreut. Von den Stellen, die im Abdruck dunkle Färbung zeigen sollen, wird dann der Aetzgrund

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durch lösende Stoffe, die mit dem Pinsel aufgetragen Verden, entfernt. Diese vom Actzgrundc befreiten und gereinigten Stellen der Platte werden nun wieder gepudert und mit feinstem Asphaltpulver gleichmässig eingestäubt. Durch Er- wärmung der Platte wird diese feine Asphaltschicht gerade mm Schmelzen ge- bracht, doch so, dass die einzelnen Körnchen nicht ineinander laufen, sondern nur am Grunde haften bleiben. Das aufgegossene Aetzwasscr dringt nun in die feinen Poren zwischen den Asphaltteilchen auf die Platte ein und vertiert die Zwischenräume, so dass dadurch an diesen Stellen eine feine Rauhigkeit erzeugt wird, die im Abdrucke wie ein Tuschton wirkt. Durch wiederholtes Aetzen lassen sich Abstufungen der Töne und tiefere Schatten erzielen, wobei natürlich die hellen Stellen immer durch Firnis gegen die Einwirkung des Actz- wassers geschützt werden müssen. Diese Technik kann mit gewöhnlicher Linien- radierung, mit Grabstichelarbeit usw. verbunden werden.

Die Kreidemanier (Crayonmanier), die den Charakter der Kreide- zeichnung nachzuahmen sucht, ist eine Kombination der Punktiermanier mit der Aetztechnik. In den Aerzgrund, mit dem die Platte überzogen ist, werden mit Punzen, Rouletten und mit dem Mattoir, einem Instrument, dessen knopf- oder kolbenförmiges Ende wie eine Feile gerauht ist, die Linien, die dann also aus einzelnen Punkten bestehen, eingerissen. Das Aetzwasscr höhlt die durch diese Instrumente auf der Platte blossgelegten Pünktchen aus, so dass im Ab- drucke die Linien von vielen kleinen Punkten gebildet werden und den Kreide- strichen ausserordentlich ähnlich sehen. Breite, feste Striche werden dadurch hervorgebracht, dass man den Aetzgrund mit der Echoppe, einer schräg ab- geschliffenen, starken, runden Radiernadel, entfernt. Die Punktiermanier in Ver- bindung mit der Aetzung wurde besonders in England, wo man sie „stepplework" nannte, viel zur Reproduktion von Zeichnungen und Gemälden verwendet. Linien werden hierbei fast ganz vermieden oder möglichst verborgen und alle Formen nur durch mehr oder weniger starke und dicht gestellte Punkte model- liert und abgetönt.

Von allen auf diese verschiedenen Arten bearbeiteten Platten Hessen sich bei einem gleichmässigen, mechanischen Druckverfahren nur Abdrücke in einem Farbenton, der allerdings beliebig gewählt werden konnte, herstellen. Im XVIII. Jahrhundert hat man aber auch mehrfarbige Drucke von einer ein- zigen Platte zu erzielen gewusst, indem man sie nicht gleichmässig in einem Zuge einschwärzte, sondern verschiedene Farben auf die einzelnen Teile auftrug,

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die dann im Abdruck ein buntes Bild ergaben. Besonders in Punktiermanier ausgeführte Platten wurden häufig für bunte Abdrücke dieser Art benutzt. Natürlich muss für jeden neuen Abdruck die Platte wieder neu gefärbt, sozusagen bemalt werden, so dass man diese Technik streng genommen nicht zu den mechanisch vervielfältigenden rechnen dürfte. Die einzelnen Töne standen hier unvermittelt neben einander und konnten nicht zu Mischtönen verbunden werden.

Um eigentliche Farbendrucke, das heisst Bilder, die wie ein Gemälde alle Abstufungen und Mischungen der Farben zeigten, herzustellen und zwar so, dass, im Prinzip wenigstens, jeder Abdruck dem anderen gleich werde, muss man mehrere Platten, deren jede eine bestimmte Farbe auf die mit ihr zu färbenden Teile der Zeichnung aufträgt, nacheinander auf das Blatt abdrucken. Mit dem Clairobscur- Holzschnitte hatte man im XVI. Jahrhundert die ersten künstlerischen Erfolge im Farbendruck erzielt, später auch durch Aufdruck von Holz-Ton- platten auf radierte Umrisszeichnungen farbige Bilder hervorzubringen gesucht. Im XVIII. Jahrhundert gelang es Jakob Christoph Lc Blon mit Hilfe der Schab- kunst Farbendrucke herzustellen, die sich der Wirkung von Gemälden näherten. Er benutzte 3 5 Platten, die meist in Schabkunst, manchmal aber auch zum Teil in Radierung oder Stich ausgeführt waren, und deren jede für die Aufnahme einer Farbe bestimmt und demgemäss nur an den Stellen bearbeitet war, an denen im Bilde die betreffende Farbe zur Wirkung kommen sollte. Durch Uebereinanderdrucken der genau aufeinander passenden Platten wurden nun auf dem Papier die Mischungen der verschiedenen Töne hervorgebracht. Auf der ersten Platte waren also nur die Teile bearbeitet, die im Abdrucke gelbe Farbe oder gelb enthaltende Mischtöne zeigen sollten, auf der zweiten alle Teile, in denen Blau, auf der dritten alle Teile, in denen Rot erscheinen sollte. Grün wurde durch Uebereinanderdrucken von Blau und Gelb erzeugt usw. Im Prinzip konnte man so durch geeignete Mischung der Farben alle Töne erzielen. Da- neben verwandte man oft noch eine Platte mit schwarzer oder sattbrauner Farbe für die tiefsten Schatten, der Wirkung des Papiertones konnte manches über- lassen werden, und schliesslich wurden einzelne Farbeneffekte durch geschickte Retouche mit dem Pinsel auf den Abdrücken ergänzt. In der Praxis war aber die Herstellung der Bilder durch Schabkunstplatten mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verbunden, so dass das Verfahren nur verhältnismässig wenig angewendet worden ist.

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Eine grössere praktische Bedeutung gewann der Kupferfarbendruck erst durch die Verwendung der Aquatintamanicr für diesen Zweck. Durch Ueber- cinanderdrucken einer Reihe von in dieser Technik bearbeiteten, je für die Aufnahme einer Farbe bestimmten Platten gelang es im XVIII. Jahrhundert einigen geschickten Künstlern ganz vorzügliche, auch heute noch bewunderte mehrfarbige Bilddrucke zu schaffen.

Durch das Wischen beim Einfärben und durch den Druckprozess wird die Oberfläche der Kupferplatte sozusagen abgeschliffen, sodass die Vertiefungen seichter werden und dann gar keine oder nur zu wenig Farbe mehr aufnehmen können, also zu matte Abdrücke geben, in denen die feineren Linien ganz ver- schwunden sind. Besonders zarter gearbeitete, radierte oder mit der Schneidenadel ausgeführte Platten nutzen sich sehr schnell ab. Für die künstlerische Wirkung des Bildes ist aber die Qualität des Abdruckes entscheidend. Die ausgenützte Platte gibt schlechte Abzüge, die durch das Verschwinden der feinen Linien der Zeich- nung und der zarten Uebergänge vom Licht zum Schatten die feinen Details der Zeichnung und die Harmonie des Tones verloren haben. Nur die guten, frühen Abzüge von der noch vollständig intakten Platte können von dem künstlerischen Werte der Arbeit einen richtigen Begriff geben und das gebildete Auge erfreuen. Der Liebhaber unterscheidet deshalb sehr sorgfältig und genau die verschieden- artigen und vcrschicdcnwertigen Abdrücke einer Platte von einander, zumal auch der Marktpreis der Blätter, ausser durch ihre Beliebheit, Seltenheit und Erhaltung, wesentlich durch die Qualität des Abdruckes bestimmt wird.

Die Wertschätzung der Werke des Bilddruckes richtet sich nicht nur nach der Vorzüglichkeit des Abdruckes, der Klarheit und Schärfe aller Linien, dem Glanz und der Glcichmässigkeit der Töne, sondern auch nach der Priorität des Ab- druckes, d.h. danach, ob er früher oder später von der Platte abgezogen worden ist. Schon vor der Beendigung der Arbeit pflegen die Künstler Abzüge zu nehmen, um die Wirkung des schon Ausgeführten besser beurteilen zu können. Solche Probedrucke sind nicht nur kunstgeschichtlich und technisch oft sehr inter- essant, weil sie einen Einblick in die Arbeitsweise des Stechers gestatten, sie zeigen uns vor allem die Arbeit auf der Platte in ihrer vollen Frische. Sie sind überdies wegen ihrer Seltenheit sehr geschätzt, obwohl sie die Absichten des Künstlers nicht immer voll zur Geltung kommen lassen und oft in der Wirkung durch spätere Abdrücke von der vollendeten Platte übertroffen werden. Abzüge von

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der nur vom Actzwasser bearbeiteten, aber noch nicht mit Nadel und Stichel fertiggestellten Platte nennt man Actzdrucke.

Der Künstler kann auch im Verlaufe seiner Arbeit von der Platte in ver- schiedenen Stadien der Bearbeitung Abzüge nehmen. Es können auch nach der Vollendung der Platte und nach der Anfertigung einer Reihe von Abzügen vom Künstler selber oder von anderen Personen Veränderungen vorgenommen werden. Diese Veränderungen sind entweder rein äusserliche, indem die „Schrift", die Namen oder Monogramme der beteiligten Künstler, Bezeichnungen des Gegen- standes, erläuternde Unterschriften, der Name (die sogenannte Adresse) des Ver- legers, bei dem Abdrücke käuflich sind, hinzugefügt, entfernt und wieder durch neue ersetzt werd en ; sie können aber auch künstlerischen Charakters sein und in der Umgestaltung einzelner Teile der Zeichnung oder der Schraffierungen, in der Verstärkung oder Abschwächung von Licht oder Schatten an einzelnen Stellen bestehen ; sie können später auch in der Absicht ausgeführt sein, die beim Drucken zu seicht gewordenen oder ganz verschwundenen Linien durch Ueberarbcitung zu vertiefen und die ursprüngliche Kraft der Töne wieder herzustellen. Den künstlerischen Wert der Arbeit vermögen fast immer nur die leichten, von der Hand der Meister selber hergestellten Retouchen auf der noch nicht aus- gedruckten Platte zu bewahren. So müssen geschabte Platten, die sich sehr rasch abnutzen, schon während des Ausdruckes der ersten Auflage mit dem Granierstahl in einzelnen Teilen wieder aufgefrischt werden. Fast immer sind es aber geschäfts- männische Verleger oder wenig bedeutende Stecher gewesen, die durch starke Retouche die schon matt gewordenen Stiche, sehr zum Schaden des Künstlers, wieder abdrucksfähig zu machen suchten. Die Ucberarbeitung kann nie den ursprünglichen Linien genau folgen und muss durch neue Strichlagcn die Spuren der alten zu verdecken suchen. Sic wird fast immer nur Abdrücke erzielen, die wie ein übermaltes Gemälde künstlerisch wertlos sind.

Die von der Platte in einem bestimmten Stadium der Bearbeitung (das sich durch auf der Platte hinzugefügte oder entfernte Ar beiten von anderen unter- scheiden lässt) genommenen Abdrücke bilden eine Abdrucksgattung, die man als Abdrücke eines bestimmten Plattenzustandes, als Zustände (etats) bezeichnet. Die verschiedenen Zustände, deren sich besonders von feinen Radierungen, wie den Arbeiten Rembrandts oder Ostades oft eine ganze Anzahl beobachten lässt, sucht man durch genaue Feststellung der unterscheidenden Merkmale zu kenn- zeichnen und ihrer Reihenfolge nach anzuordnen.

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Die Stecher, die ihre eigenen Kompositionen durch eine Bilddrucktechnik vervielfältigt haben, nennt man Malerstecher oder Malerradirer (peintres- graveurs). Die Gesamtheit der Arbeiten eines Stechers pflegt man als sein „Werk" (oeuvre) zu bezeichnen. Zuteilen, besonders in früheren Zeiten, hat man in den Sammlungen die Blätter, in denen die Stecher Erfindungen anderer Meister reproduziert haben, nach den Urhebern der Originalkompositionen geordnet und so die „Werke" der bedeutenden Maler, die „Malerwerkc" zusammengestellt.

Als Träger der Abdrücke von geschnittenen oder gestochenen Platten hat man von je her fast ausschliesslich Papier verwendet. Nur ausnahmsweise hat man Holzstücke oder Kupferstiche auf Pergament, Seide oder dergleichen ab- gedruckt. Die Textur und die Farbe des Papiers, das ja an den leeren Stellen tonbildend mitwirkt, ist von wesentlicher Bedeutung für die technische Aus- führung des Druckes und für die künstlerische Wirkung des Bildes. Die Papiere, die die alten Meister des XV. und des beginnenden XVI. Jahrhunderts benützt haben, zeichnen sich durch ihre Vorzüglichkeit und durch ihre besondere Eig- nung für den Bilddruck aus. Seitdem ist die Qualität des Papieres im allge- meinen nach und nach immer geringer geworden, da man mehr Wert auf die billige und schnelle Herstellung und auf die leichte Verwendbarkeit für den Druck als auf die Haltbarkeit und die künstlerisch feine Textur legte. Die bedeutenden Stecher haben der Auswahl des Papiers augenscheinlich stets die grösste Aufmerksamkeit gewidmet. Seit Rembrandt hat man für Vorzugsdrucke von Stichen oft japanisches oder chinesisches Papier benützt.

Die alten Papiere, die natürlich nur mit der Hand hergestellt, geschöpft sind, lassen, gegen das Licht gehalten, verschiedene Marken, Buchstaben, wie das gotische p, oder Gegenstände, wie eine Krone, einen Ochsenkopf, eine Waage, eine Schellenkappe und dergleichen, die sogenannten Wasserzeichen, erkennen. Man glaubt aus diesen Wasserzeichen, die man für Fabrikmarken ansieht, Schlüsse auf die Herkunft der Papiere und die Heimat der Kupferstiche ziehen zu können. Die Wasserzeichen sind aber vielleicht nicht immer Fabrik- marken, sondern oft nur Qualitätsmarken gewesen; dann wurde mit Papier seit ältester Zeit ein lebhafter Handel von Land zu Land getrieben, sodass die Wasserzeichen kein sicheres Kennzeichen abgeben können. Wohl aber lassen sie Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu und bieten vor allem ein sicheres Merkmal für das Alter der Abdrücke.

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DAS FÜNFZEHNTE JAHRHUNDERT

Au» der Kolner Bibel ron 1480. (Verkleinert.)

DER HOLZSCHNITT IN DEUTSCHLAND

IE „Erfindung" des Holzschnittes und des Kupferstiches ist der Gegenstand vielen Streites gewesen. Gestützt auf alte, anekdotenhafte Ucbcrlicferungen hat man einzelne Personen als die Erfinder gefeiert, oder wenigstens für eine bestimmte Nation diese Ehre in Anspruch genom- men. Die Tradition sucht in ihrer poetischen Tendenz naturgemäss die Resultate einer langen Entwickclung, die Arbeit vieler in die Leistung einer einzelnen Person zusammenzufassen, um den Vorgang dadurch anschaulich zu machen. Falsch verstandener Patriotismus tut ein übriges, alle Nachrichten zu entstellen oder zu einseitigen Schlussfolge- rungen zu missbrauchen. Für die wissenschaftliche Forschung ist es dann eine schwere und undankbare Aufgabe, gegen Phantasie und Leidenschaft die dürftigen Tatsachen zu Worte kommen zu lassen.

Von einer „Erfindung" des Holzschnittes und des Kupferstiches sollte man überhaupt nicht sprechen, sondern nur von der ersten Verwendung der Techniken des Reliefschnittes und der Mctallgravicrung für den Bilddruck, d.h. zur Erzeugung von künstlerischen Bildern. Denn beide Techniken sind als solche uralt, fast so alt wie die Bearbeitung des Holzes und des Metalles überhaupt. Von der rohesten in ein Gerät eingeschnittenen Eigentumsmarke oder Verzierung bis zur kunstvollsten Holzintarsie, bis zur vollendeten Gravierung eines etruskischen Spiegels, der sehr gut auch für den Abdruck benutzt werden könnte, ist das Prinzip der Technik das gleiche.

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Auch das Verfahren des EindrUckcns von erhabenen oder vertieften Formen in eine weiche Masse oder das des Abdruckens von in Flachrelief geschnittenen Bildern mittels Farbe auf einen Stoff ist alt genug. Wir brauchen durchaus nicht anzunehmen, wie das geschehen ist, dass die Anregung für das Druckver- fahren von China nach Europa gekommen sei, da der Rcliefschnitt im Altertum wie im Mittelalter in mannigfacher Weise zur Erzeugung von Abdrücken ver- wendet worden ist. So wurden z. B. von den Babylonicrn wie von den Römern die für öffentliche Bauten verwendeten Ziegel mit Abdrucksstempeln bezeichnet. So wurden im Mittelalter die NamcnszOge und Monogramme der Kaiser und der Notare, ebenso wie die für die Miniicrung bestimmten Initialen der Manuskripte häufig mit Stempeln vorgedruckt. Vor allem aber war in dem seit dem IV. Jahr- hundert bekannten und eifrig betriebenen Zeugdruck ein Druckverfahren mit Farbstoff bekannt, das technisch dem eigentlichen Bilddruckc durchaus entsprach, und ohne wesentliche Acndcrung für den Abdruck auf Papier verwertet werden konnte. In seinem im Anfange des XV. Jahrhunderts verfassten Traktate beschreibt Cennino Cennini den Zeugdruck als eine altbekannte und einfache Arbeit. Es sind Reste solcher bedruckten Stoffe oder Stickereien, deren Vorzeichnungen mit Holzmodeln aufgedruckt waren, zahlreich erhalten. Wie die Techniken der Metallgravirung und des Holzrelicfschnittes selber, so hat aber auch diese Ver- wendung des letzteren zum Vordrucke und zur Verzierung von Stoffen für den künstlerischen Bilddruck, der allein uns hier beschäftigen soll, nur die Bedeutung einer technischen Vorstufe. Seine Geschichte kann erst da anheben, wo man Rclicfschnitte oder Mctallgravierungcn in der bestimmten Absicht, durch Abdruck ein Bild zu erzeugen, herzustellen beginnt. Hier ist nicht die Verzierung der Holz- oder Metallfläche oder auf indirektem Wege die eines Gewebes, das doch immer das Wesentliche, das Auszuschmückende bleibt, der Zweck der Arbeit, sondern die Hervorbringung eines Bildes, das als solches Selbstzweck ist, und für das der Stoff, auf den es abgedruckt ist, nur der Träger ohne eigene Bedeutung bleibt.

Wohl hat man in frühester Zeit Zeugdruckmodel oft auch auf Papier ab- gedruckt und bemalt als Bilder verkauft, wohl lässt die Technik mancher rohen Erzeugnisse des ältesten Holzschnittes kaum wesentliche Abweichungen von der der Zeugdruckmodel erkennen; wo aber künstlerische Empfindung auch in der bescheidensten Form sich geltend zu machen beginnt, wird die Rücksicht auf die Wirkung der Arbeit im Abdrucke nicht ohne Einfluss auf die Art der Aus-

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führung bleiben können. Von den alten rohen Holzschnitten bis zur feinsten Radirung, bei der alJc Effekte des Druckes rufhnirt ausgebeutet werden, ist freilich der Weg sehr weit, aber auch im primitivsten Gebilde bestimmt der Zweck bis zu einem gewissen Grade die Form. Erst durch diese Berechnung der Bildwirkung im Abdrucke erhält die Technik einen eigentümlichen und einen künstlerischen Charakter, erst durch sie wird sie als solche überhaupt einer künstlerischen Entwicklung fähig.

Auf die naheliegende Frage, warum die altbekannten Techniken des Rclicf- schnittes und der Gravirung nicht viel früher, vielleicht gar schon zu den Zeiten der Römer für die Vervielfältigung von Bildern und Schriften durch Abdruck verwendet worden seien, kann eine einfache und ausreichende Antwort leicht gefunden werden: weil das Bedürfnis für eine solche schnelle Vervielfältigung auf mechanischem Wege nicht vorhanden war. Erst das Bedürfnis lehrt die Wege zu seiner Befriedigung rinden. Dann hätte man ohne Frage auch Mittel ausfindig gemacht, papierartige Stoffe billiger und schneller herzustellen.

In der griechisch-römischen Welt waren die litterarischen Bildungsmittcl einer, wenn auch verhältnismässig grossen, so doch ganz fest umgrenzten Gesell- schaftsklasse vorbehalten, für die die ausgebildete Technik des Abschreibe- wesens vollkommen genügte. Das junge Christentum, das sich allerdings ur- sprünglich an alle ohne Ausnahme wandte, trat dem alten Wissensschatze wesentlich ablehnend gegenüber und wollte seine wenigen, einfachen Lehren der mündlichen Ucbcrlicfcrung durch die Predigt überlassen. Im Mittelalter wird die Gelehrsamkeit wie ein Geheimnis der Geistlichen gehütet. Erst als in der beginnenden Rcnaissanccbcwegung geistige Mächte erstanden, die das Interesse hatten, die breiten Massen des Volkes, die man bis dahin von jeder sclbstständigcn Teilnahme fernzuhalten gesucht hatte, für ihre Ideen zu gewinnen ; als der ein- zelne sich als sclbstständiges Individuum, nicht mehr bloss als Teil des Ganzen zu fühlen begann und mit eigenen Augen zu sehen begehrte, erst da empfand man die Notwendigkeit, sich mit der Mitteilung, der Lehre, dem Bilde an jeden einzelnen zu wenden, sie durch Vervielfältigung in Massen zu verbreiten und sie jedem einzelnen leichter zugänglich zu machen.

So aristokratisch der Humanismus ursprünglich auftrat, so revolutionär wirkten doch seine im Grunde auf unmittelbare Anschauung der Natur aus- gehenden Ideen. Die Buchdruckerkunst begann ihre Arbeit mit dem Drucke

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umfangreicher wissenschaftlicher Werke, und schon wenige Jahrzehnte nach ihrem Erstehen waren alle Lande überschwemmt mit einer Flut populärer Schriften zur Unterhaltung und Belehrung, die für die weitesten Kreise bestimmt waren. Die reformatorische Bewegung seit dem Anfange des XV. Jahrhunderts wurde der stärkste Förderer der vervielfältigenden Künste, weil sie die Massen durch Ucberredung jedes einzelnen Individuums in Bewegung setzte und auch ihre Gegner zu ähnlichen Anstrengungen veranlasste. So konnten, trotzdem Technik und Druckverfahren im Prinzip schon lange bekannt waren, die ver- vielfältigenden Künste in Schrift- und Bilddruck doch erst mit der Renaissance- bewegung ihre Entwicklung beginnen. Ebenso allmählig wie der Uebergang von der mittelalterlichen befehlenden zur modernen überredenden Form der Unter- weisung vollzieht sich auch die Umgestaltung der äusseren Formen der Mit- teilung. Buchdruck und Bilddruck sind erzeugt worden durch ein tiefes Be- dürfnis der modernen Geistesrichtung, die im letzten Ziele auf die Entwickclung der geistigen Selbstständigkeit des Individuums hinstrebt.

Es wird wohl unmöglich bleiben, den Bilddruck wie den Schriftdruck bis auf ihre ersten Anfänge zurückzuvcrfolgen, weil sich beide erst nach und nach aus den verwandten Gewerben durch verschiedenartige Versuche, das Abdruck- verfahren für die schnellere Herstellung ihrer Erzeugnisse zu benutzen, heraus- gebildet haben. Deshalb wird man wohl auch die Buchdruckerkunst nicht als die Erfindung einer einzelnen Person anzusehen haben, sondern als eine allmählig erwachsene und ausgebildete Technik, die in Johann Gutenberg nur ihren sinn- vollen und kunstreichen Vollender gefunden hat.

Es liegt sehr nahe anzunehmen, dass die Schreiber und Miniatoren, durch ihre Kopistentätigkeit auf eine mechanische Vervielfältigung geführt worden seien. Schon seit langem verstanden sie, wie einzelne erhaltene Manuskripte beweisen, sich die Arbeit durch Vordruck der Initialen zu erleichtern. Ohne Frage sind es auch solche mehr handwerksmässig als künstlerisch arbeitenden Schreiber niederen Grades gewesen, die zuerst und zwar vielleicht an verschie- denen Orten ungefähr gleichzeitig, versucht haben, Bilder und kurze Schriftsätze statt sie zu zeichnen oder zu schreiben, durch den Abdruck von Holztafeln, in die Schrift und Bilder natürlich gegenseitig eingeschnitten waren, herzustellen. Dieser Holztafeldruck ist jedenfalls als eine Vorstufe des Druckes mit beweglichen Lettern anzusehen. Eine Reihe von Nachrichten beweist, dass

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dies Verfahren schon längere Zeit vor der Veröffentlichung der ersten mit bew eg- lichcn Lettern gedruckten Bücher in Ucbung gewesen ist.

Ob „Jan de Printcrc" (Johann der Drucker), der 141 7 in Antwerpen ge- nannt wird, und der 1440 in Frankfurt erwähnte „Drucker" Henne Kruse von Mainz Bilder und Schriften hergestellt oder nur Stoffe bedruckt haben, können wir allerdings aus den vorliegenden Nachrichten nicht ersehen. Sicher aber handelt es sich bei den geheimnisvollen Versuchen, die der Prager Gold- schmidt Procope Waldfoghel 1444 in Avignon anstellte, um ein mechanisches Druckverfahren von Schriften. Ebenso zweifellos beweisen die Doktrinale „gette cn molle", die der Abt Jean le Bobert von St. Aubcrt in Cambray 1445 von einem Valencienner Schreiber in Brügge kaufen lässt, und die „forme da stampar donadi e saJterj", die der Bologneser Miniator M. Zuane de biaxo 144Ö in Venedig verwendet, und andere urkundlich bezeugte Tarsachen, dass man damals schon an verschiedenen Orten kleine Bücher durch Abdruck der Seiten von geschnittenen Holz- oder Metalltafeln herzustellen gewohnt war.

Es kann keine Frage sein, dass der Rcliefschnitt in Holz oder weichem Metall unter den graphischen Künsten die älteste gewesen ist. Von einem Holz- schnitte kann der Abdruck durch einfaches Aufdrücken der mit Farbe bestrichenen Oberfläche auf den zu bedruckenden Stoff hergestellt werden. Beim Abdruck von einer gravirten Platte (Kupferstich) macht dagegen einmal das Einfärben der Platte (s. Einleitung) viel grössere Schwierigkeiten, dann ist ein viel stärkerer und gleichmäßigerer Druck erforderlich, damit das feuchte Papier die Farbe aus den Vertiefungen aufsauge. Es ist einleuchtend, dass der ganze Druckprozess beim Holzschnitt nicht nur viel leichter und schneller vonstatten geht als beim Kupferstich, sondern vor allem auch viel näher lag und in den älteren, allgemein bekannten Handgriffen des Abdruckens und Stempclns ein Vorbild fand. Dann ist ja auch das Holz billiger und leichter zu bearbeiten als Metall.

In der Tat lässt sich auch der Holzschnitt in Nachrichten und in erhaltenen Monumenten viel weiter zurückvcrfolgcn als der Kupferstich. Lieber die Anfer- tigung von Spielkarten, die aber meist nicht ausdrücklich als gedruckte bezeichnet werden, also ebensogut auch nur gemalt oder schablonirt gewesen sein können, besitzen wir zahlreiche urkundliche Mitteilungen. In Italien geschieht ihrer schon am Ende des XIII. Jahrhunderts Erwähnung. In Frankreich wie in Spanien und in Deutschland mussten schon seit Ende des XIV. Jahrhunderts Verbote gegen den Gebrauch des Kartenspiels erlassen werden, deren häutige Wieder-

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holung cbcnsowic die Predigten asketischer Mönche im XV. Jahrhundert beweisen, dass das Kartenspiel in jener Zeit sehr verbreitet gewesen ist. In Frankreich werden Spielkarten in einer Handschrift des „Renard le Contrcfait" (zwischen 1328 und 1541) erwähnt. In Deutschland begegnen uns Verbote des Karten- spiels z. ß. 1 3 80 84 in Nürnberg, 1597 in Ulm, 1400, 1403, 1406 in Augsburg, in Spanien in einem Edikt Johanns I. von Castilien aus dem Jahre 1387.

Wenn es auch nicht unwahrscheinlich ist, dass solche Spielkarten, die doch in grosser Anzahl und billig hergestellt sein müssen, schon im XIV. Jahrhun- dert mit Holzmodeln vorgedruckt worden seien, so fehlt uns doch bis jetzt der Beweis für diese Annahme. Auch durch rohe, flüchtige Zeichnung und Be- malung oder mittels Schablonen, Kartons, in denen die Figuren ausgeschnitten waren und mit deren Hilfe dann durch einfaches Uebcrstreichcn mit dem Pinsel die Bilder schnell und leicht auf Papierblätter übertragen werden konnten, Hessen sich grössere Massen von Spielkarten leicht herstellen. Für vornehme und reiche Leute wurden solche Karten natürlich mit aller Kunst von vorzüglichen Minia- toren ausgeführt.

Kartenmacher oder Kartenmalcr werden z. B. in Ulm 1402, in Augsburg 1418 und späterhin häufiger erwähnt. Ausdrücklich als Formschneider und Briefdrucker finden wir erst im Jahre 1428 in Nürnberg einen H. Pomer und in Nürdlingen einen „Wilhelm Briefdrucker" genannt. In Florenz gibt im Jahre 1430 ein berufsmässiger Kartenmaler (pittor di naibi), Antonio di Giovanni di Ser Francesco in seiner Steuererklärung „Formen aus Holz für Spielkarten und Heilige" als sein Eigenrum an. In Venedig bitten die Holzschneider und Karten- macher im Jahre 1441 den Rat der Stadt um Schutz gegen fremden Import, da ihr Gewerbe dadurch in Verfall geraten sei. In Ulm werden Formschncidcr und Kart'enmachcr seit 1441 erwähnt, in Strassburg 1440. In Löwen verlangt 1452 die Zunft der Schreiner, dass der Holzschneider (printsnyder) Jan van den Bcrghc in ihre Zunft eintrete, weil das immer so Brauch gewesen sei. Obwohl Jan behauptet, dass sein Gewerbe „letteren ondc beeldeprynten te snydcn" eine sonderliche Kunst sei, am Orte nicht ausgeübt werde und auch vielmehr die Geistlichen als die Schreiner anginge, so wird er doch veranlasst, in die Zunft einzutreten. Derselbe Mann wird 1457 und 1468 wieder als „bceldsnydcre" oder „printsnydere" erwähnt.

Diese und ähnliche Nachrichten beweisen unzweifelhaft, dass in den dreissiger und vierziger Jahren des XV. Jahrhunderts überall, in Deutschland und

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in den Niederlanden, wie in Italien und in Frankreich der Bild- und Schrift- druck von Holzschneidern gewerbsmässig betrieben wurde. Ja, sie nötigen sogar zu dem weiteren Schlüsse, dass die Technik des Holzschnittes schon lange vorher allgemein zur Herstellung von Bildern und Schriften verwendet worden sein muss.

Es mag hierbei noch auf eine besonders beachtenswerte, bisher noch nicht veröffentlichte Urkunde hingewiesen werden. Im Jahre 1395 wird in Bologna Federico di Germania, der „cartas figuratas et pictas ad imagincs et figuras sanetorum" verkauft, wegen Falschmünzerei verfolgt. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Figuren von Holzformcn abgedruckt waren, da der Mann, wenn er mit dem Stcmpclschneiden bescheid wusstc, gewiss auch des Holzmodclschneidcns kundig gewesen sein wird. Nicht ohne Bedeutung ist es, dass es ein Deutscher ist, der in Italien schon 1395 Bilder feil bietet. Von Deutschland kamen nicht nur später die Buchdrucker in grosser Anzahl nach Italien, von hier müssen auch schon früher Techniker des Bilddrucks nach dem Süden, nach Frankreich und Italien gewandert sein. Von Deutschland wurde auch schon im Anfange des XV. Jahrhunderts ein lebhafter Handel mit Spielkarten und anderen Holzschnitten nach dem Süden getrieben. Die Nachricht in der Historia Suevorum des Felix Fabri, dass von Ulm aus Hostien und Karten fassweise nach Italien und Sicilicn gesandt wurden, findet in der oben erwähnten Eingabe der venezianischen Holz- schneider von 1441 ihre Bestätigung.

Viele wichtige Nachrichten über diesen Gegenstand mögen noch unbekannt geblieben, andere überhaupt verloren gegangen sein. Es ist auch zu beachten, dass viele Briefdrucker ihr Gewerbe im Umherziehen betrieben und deshalb ebenso- wenig wie die in den Klöstern arbeitenden Holzschneider und Drucker in den Steuer- und Bürgerbüchern verzeichnet wurden.

Diesen verhältnismässig zahlreichen Nachrichten und Urkunden gegenüber bieten uns die ältesten erhaltenen Denkmäler selbst nur sehr dürftige Anhalts- punkte für ihre Datierung und Gruppierung. Wir besitzen eigentlich für keine einzige Arbeit der Holzschneidekunst vor der Mitte des XV. Jahrhunderts ein unbestrittenes und unbestreitbares Datum. Wenn von der weitaus grössten Zahl der frühen Einblattdruckc immer nur ein einziges Exemplar uns erhalten geblieben ist, also die ganze Auflage bis auf das eine Stück verloren gegangen ist, dann werden wir wohl annehmen müssen, dass sich überhaupt nur ein sehr kleiner Teil der Erzeugnisse des ältesten Holzschnittes zu uns gerettet hat. Das darf

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auch nicht wundernehmen, da Gegenstände dieser Art der Vernichtung sehr aus- gesetzt und als geringwertig wenig geachtet und geschützt waren. Fast immer verdanken wir die Erhaltung der vorhandenen Blätter nur einem glücklichen Zufalle. Die Hauptmasse der frühen Erzeugnisse des Holzschnittes bildeten ausser den Spielkarten Figuren von Heiligen, Bilder aus der Passionsgeschichte und andere religiöse Darstellungen. Sic wurden hauptsächlich zur Erinnerung an Wallfahrten und Kirchcnfcstc verteilt oder verkauft als Gewähr des mit dem Besuche der Kirche verbundenen Ablasses und als Anregung zur Andacht daheim. Sie dienten gleichzeitig als Amulette, als Schutz gegen bestimmte Gefahren und als Schmuck im Hause. Kleinere Blätter wurden wohl oft am Leibe getragen, in Gebetbücher gelegt oder eingeklebt, grössere Stücke an der Wand befestigt. Wie die bedruckten Tücher wurden Holzschnitte zur Ausschmückung bei Pro- zessionen verwendet, ferner besonders als Kusstafeln (Paces) und als billiger Ersatz für Altarbilder und dergleichen. Die Bemalung, die nie fehlen durfte, und je nach Wert und Bestimmung mehr oder weniger sorgfältig ausgeführt war, machte auch den einfachsten Umrissholzschnitt für das bescheidene Auge zu einem Gemälde.

Ueberaus häufig wurden kleinere Holzschnitte und Kupferstiche, natürlich bemalt, an Stelle der kostbareren Miniaturen in Manuskripte als Illustrationen eingefügt oder auf die Innenseiten der Einbanddecken geklebt. Wohl der grösste Teil unseres Vorrates an alten Bilddrucken ist uns auf dicseWeise erhalten worden. Auch zum Bekleben der Aussen- und Innenflächen von Schachteln und Kästen, selbst zum Schmuck von Schränken und Türen und dergleichen wurden die Blätter vielfach benutzt. Eine weitere, wesentliche Aufgabe der Erzeugnisse des Bilddruckes bestand darin, der Mitteilung und Belehrung zu dienen. Schon sehr früh hat man Kalender durch den Druck zu vervielfältigen begonnen, ebenso ABC-Büchcr und andere elementare Lehrbücher für Geistliche und Laien, Donate, Doctrinalc u. dcrgl., ferner Nachrichten über interessante Ereignisse und wunder- bare Gegenstände, Flugschriften aller Art, Scherz- und Schmählicdcr, allegorische Darstellungen, Totcntanzbilder usw. Bild und Text sind hier bei der Herstellung und in ihrer Wirkung auf das innigste miteinander verbunden.

Ks ist das weite Arbeitsfeld der niederen Klasse von Schreibern und Mi- niatoren, der „Bricfmaler" (Brief von breve, jedes kürzere Schrifstück), in das der Bilddruck, es erobernd und zugleich ausdehnend eindringt. Wir werden uns den Umgestaltungsprozcss wohl so vorzustellen haben, dass diese Brietmalcr

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(Kartcnmaler , dominoticrs, stationers oder wie sie sonst genannt wurden) selber es waren, die bei steigender Nachfrage damit begannen, Holzmodel als Vor- drucke für die beabsichtigten Bilder zu benutzen , wie man das schon früher gelegentlich für die Initialen grosser Manuskripte getan hatte, und dann auch die begleitende Schrift gleich mit in die Holztafel zu schneiden. So werden die „Briefmaler" nach und nach, vielleicht schon seit dem Ende des XIV. Jahr- hunderts, zu „Briefdruckern" („bceldeprinters," „stampatori di naibi c santi").

Ob nun diese Briefdrucker gleich von Anfang an ihre Holzstückc sich selber geschnitten haben oder ob sie zuerst dazu die Hilfe von Zeugmodel- schncidern, Holzbildhauern oder Schreinern in Anspruch genommen haben und erst später selber zu Formschneidern geworden seien, lässt sich nicht mehr fest- stellen. Die Entwicklung wird auch sicher nicht überall gleichmässig vor sich gegangen sein. Jener Prozess der Löwener Schreiner gegen den Bilddrucker Jan van den Berghe im Jahre 145z (s. oben) weist allerdings darauf hin, dass die Briefdrucker ihre Formen selbständig zu schneiden pflegten und dadurch eben mit den Schreinern in Konflikt gerieten. Dagegen wissen wir, dass von den beiden Verfertigcrn einer deutschen Biblia pauperum von 1470, der eine Maler, der andere Schreiner war. Hier wird also eine, übrigens ganz den mittel- alterlichen Gewohnheiten entsprechende Arbeitsteilung angedeutet, wenn nicht etwa „Schreiner" nur eine andere Bezeichnung für „Holzschneider" sein sollte.

Der liebergang vom Zeugdruck und von einer gelegentlichen, helfenden Verwendung des Holzschnitts zum gewerbsmässigen Bilddruck hat sich ohne Frage so allmählig und unmerklich, an vielen Orten gleichzeitig vollzogen, dass er nirgends als eine Neuerung, als eine „Erfindung" aufgefallen und als ein Ereignis verzeichnet worden sein kann. Auch die ersten Werke des Lettern- druckes erregten sicher zunächst nicht durch die Neuheit des Verfahrens, das man sogar geheim zu halten bemüht war, sondern durch die Vorzüglichkeit der Ausführung, die Exaktheit der Textwiedergabc und die Gleichmässigkeit der Buchstaben Bewunderung.

Die uns erhaltenen Denkmäler des frühen Holzschnittes bieten so wenige sichere Anhaltspunkte für die Feststellung des Ortes und der Zeit ihrer Ent- stehung, dass wir wesentlich auf Vermutungen und auf die stilkritischc Betrach- tung angewiesen bleiben. Nur eine ganz kleine Zahl von Blättern lässt sich durch die Handschriften, in denen sie gefunden worden sind, wenigstens mit Wahrscheinlichkeit datieren. Häufiger würden sich vielleicht aus den Kostümen

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der dargestellten Personen Hilfsmittel gewinnen lassen, wenn vir über die Wandlungen und die Ausbreitung der einzelnen Bewaffnung*- und Bekleidungs- stücke genauer unterrichtet wären. Doch wird auch dann nur von Fall zu Fall sich feststellen lassen, ob das Kostüm tatsächlich dasjenige der Zeit und der Heimat des Holzschneiders ist, oder ob nicht ältere, gezeichnete oder ge- schnittene Vorlagen, Unkenntnis oder die Neigung, durch altertümliche und fremdartige Formen der Kleidung dem Bilde einen phantastischen Anstrich zu geben, für die Wahl der Kostüme bestimmend gewesen seien.

Auch die Qualität und die Wasserzeichen des Papiers bieten keine irgend- wie sicheren Anhaltspunkte für die Lokalisierung, da der Handel schon ftüh einen lebhaften Austausch und die Nachahmung der Zeichen veranlasste. Uebcrdics betrieben viele Bilddrucker ihr Geschäft im Umherziehen und stellten die Abdrücke von ihren Holzstücken her, wo es gerade das Bedürfnis erforderte und der Erlös verkaufter Abdrücke den Ankauf neuer Papiervorräte erlaubte. Auch die Bemalung braucht nicht notwendig am Orte der Verfertigung des Holzschnittes ausgeführt zu sein. Genaueren Studien wird es aber doch viel- leicht gelingen, lokale Eigentümlichkeiten der Bemalung festzustellen. Ebenso wenig lassen die Formen und selbst die Sprache der Inschriften sichere Schlüsse über die Entstehung der Holzschnitte zu. Gerade hierin blieben die Holz- schneider am meisten von ihren Vorlagen abhängig. Dass sie auch auf ihr Publikum Rücksicht zu nehmen pflegten, beweisen mehrsprachige Inschriften auf einzelnen Blättern.

Es bleibt im wesentlichen nur der Weg, durch die Zusammenstellung der gleichartigen Blätter feste Gruppen, die einen bestimmten Stil, eine Phase der Entwicklung repräsentieren können, zu bilden. Die stilistische Vcrglcichung dieser Gruppen untereinander und mit den Werken der monumentalen Kunst kann es uns dann ermöglichen, die Entwicklungsreihe bis zu den sicher zu datierenden und zu lokalisierenden Holzschnitten in gedruckten Büchern im letzten Viertel des XV. Jahrhunderts zu verfolgen.

Von einer künstlerisch persönlichen Ausdrucksweise kann in allen diesen Erzeugnissen eines im wesentlichen doch nur handwerklichen Betriebes kaum die Rede sein. Die Namen der Verfertiger, die in einigen wenigen Fällen er- halten sind, geben uns durchaus nicht die Vorstellung einer Individualität. Nur aus einer grösseren Reihe gleichartiger Arbeiten lassen sich die stilistischen Eigentümlichkeiten der Gruppe erkennen und nur im Gcsamtcharaktcr der

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einzelnen Gruppen treten die Stilwandlungcn deutlicher hervor. Erst sehr spät, gegen das Ende des XV. Jahrhunderts, macht sich im Holzschnitt die Originalität einzelner Meister in Formgebung und Technik geltend. Bis um die Mitte des XV. Jahrhunderts ist es sogar, vorläufig wenigstens, kaum möglich, das Ursprungs- land von Holzschnitten und selbst Kupferstichen mit einer gewissen Sicherheit anzugeben.

Als die ältesten der uns erhaltenen Holzschnitte können wir eine ziemlich zahlreiche Gruppe von Blättern ansehen, die in ihrem Stilcharakter wie in ihren technischen Eigentümlichkeiten alle Zeichen hohen Alters zur Schau tragen, und die durch einzelne datierbarc Stücke bis an den Anfang des XV. Jahrhunderts hinaufgerückt werden, ohne dass damit die Möglichkeit einer noch früheren Entstehung ausgeschlossen wäre. Die rundlichen und zierlichen Formen der sehr schlanken, biegsamen Körper, die vollen, runden Gesichtstypen mit grader Nase und regelmässigen, langsträhnigen Haaren, die langen, sich weich rundenden und am Ende Oesen oder Schleifen bildenden, fliessenden Falten der Gewänder zeigen durchaus den Stil besonders deutscher Skulpturen und Gemälde des XIV. und des beginnenden XV. Jahrhunderts. Ihr Charakter ist ganz trecentistisch; Hintergründe fehlen fast immer; der Raum zwischen und über den Figuren ist durch Musterung oder durch einen Farbton ausgefüllt, wie in den Gemälden der Grund durch Vergoldung und Musterung verziert wird. In ihrer Zeichnung erinnern diese Holzschnitte auffallend an die Glasgemälde jener Zeit, mit denen auch die Bemalung mit stumpfen, nicht deckenden, sondern nur die Schatten modellierenden Farben, rotbraun, grau, hell-graubraun, gelb und grau, oft eine gewisse Aehnlichkeit zeigen.

An Kunstwert stehen die Holzschnitte dieser ersten Gruppe keineswegs an letzter Stelle. Man wird ihnen Anmut der Bewegungen und der Formen, Zartheit und Empfindung im Ausdruck der Köpfe nicht abstreiten können. Verzerrungen und Roheiten in Bewegungen und Typen, wie sie in den meisten anderen frühen Holzschnitten nur allzu häufig sind , begegnen uns nirgends. Komposition und Formengebung lassen auf gute künstlerische Schulung und auf engen Zusammenhang mit der monumentalen Kunst schliessen. Die Zeichnung beschränkt sich auf die Umrisse und die notwendigsten Linien der Formenglicdcrung, ohne jede Modellierung durch Schraffierungen. Die Linien sind meist sehr dick mit ziemlich starker Verdünnung an der Spitze der frei auslaufenden Striche. Die Druckfarbe ist ein dickes, zähes, öliges

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Schwarz, das bei dem wahrscheinlich durch einfache Aufpressung der Platte auf das Papier, ohne Hilfe des Rcibcrs oder einer Presse, ausgeführten Drucke sich dem Papier ungleichmässig mitgeteilt hat, so dass die Linien viele aus- gebliebene oder körnige Stellen zeigen.

In diese Gruppe gehören vor allen zwei Blätter, die einem Kodex des Klosters S. Zeno in Reichenhall vom Jahre 1410 entnommen sind und deshalb ohne Zweifel ungefähr gleichzeitig entstanden sein werden. Denn Einband und Schmuck pflegte man damals gleich nach Vollendung der Handschrift anzu- fertigen. Es sind dies eine h. Dorothea (Schreiber 1395)* eine ganz besonders feine und anmutige Darstellung, und ein h. Sebastian (Sehr. 1677), die beide jetzt in München bewahrt werden. Von den zahlreichen Blättern gleichen Stils seien erwähnt ein Tod Mariae (Sehr. 705), ein h. Christoph (Sehr. 13c 5) im Germanischen Museum in Nürnberg, eine Kreuzigung (Sehr. 389), ein Tod Mariae (Sehr. 70 p), ein Crucifixus mit dem Wappen des Klosters Tegernsee im Münchener Kupfcrstichkabinet (Sehr. 951), einige andere Heiligenfiguren im Kupferstichkabinct in Berlin (Sehr. 135z. 1357. 1461. 1535) und ein Christus auf dem Oelberg in Paris (Sehr. 18 5). Die reizende Darstellung der Ruhe auf der Flucht (Wiener Hofbibliothek, Sehr. Ö37), in der die hohcitsvollc Er- scheinung der Madonna einen sinnig humorvollen Gegensatz zu dem eifrig die Suppe kochenden alten Joseph bildet, ist als eines der vorzüglichsten Werke dieses Stils hier abgebildet.

Die Erfahrung lehrt, dass wir die ältesten Erzeugnisse einer Kunst keines- wegs notwendigerweise unter den rohesten Arbeiten zu suchen haben, dass vielmehr die ursprüngliche Verwendung einer Technik immer die sachgemässeste, stilgerechteste ist. Es sind oft grade die tüchtigeren Kräfte eines Gewerbes, die hervorragendsten Künstler, die eine neue Technik oder die neue Verwendung einer älteren sich zu nutze machen und ihre ganze Kunst und Geschicklichkeit ihr widmen. Der Verfall tritt meist erst ein, wenn die Masse der handwerk- lichen Arbeiter die Technik auszubeuten beginnt. So darf es uns auch nicht wundern, dass die jugendliche Kunst des Holzschnittes gleich in ihren Anfängen mit Leistungen von solchem künstlerischen Werte und bei aller Derbheit doch so feinfühliger Formcndarstcllung hervortritt. Die Buchdruckerkunst hat sogar ihre ersten Erzeugnisse künstlerisch überhaupt nicht mehr zu übertreffen vermocht.

Die unentwickelte Formenauffassung des Publikums, für das die frühesten

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liie Ruhe auf der Huchr nach Ägypten. Wien, Hufbiblioihck. Original: 1X4x111 min.

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Holzschnitte bestimmt waren, forcierte ganz einfache Bildungen, die im wesent- lichen nur die jedem in der Erinnerung haftenden Formen enthielten und nicht durch gehäufte Einzelheiten das ungeübte Auge verwirrten. Der Holzschnitt, der ursprünglich das Schaubedürfnis dieser „Armen am Geist" befriedigen sollte und seinem Wesen nach zu befriedigen sehr geeignet war, muss naturgemäss von einer so einfachen, die Formen nur mit dicken Linien umschreibenden, sie mehr andeutenden, als plastisch bildenden Technik, wie wir sie in jenen ältesten Blättern sehen, ausgegangen sein. Die Bemalung sollte dabei nicht nur die Schmuckwirkung erhöhen, sondern auch die Bildvorstellung unterstützen. Erst nach und nach, mit den steigenden Ansprüchen des Publikums und der Kunst schreitet man zu verfeinernder Technik und Formenbildung fort, um endlich die Farbe ganz durch die Modellierung mit Schraffterungslinicn zu ersetzen.

Wenn auch die Holzschnitte, die wir betrachtet haben, von den alten Zeugdruckmodeln mit ihrer rein flächenhaften, ornamentalen Behandlung sicher schon durch manche Zwischenglieder getrennt sind , so lässt doch der raum- füllende Charakter der einfachen Kompositionen ohne realistische Raumandeu- tung ebenso wie der Umrissstil der Zeichnung und die Technik den Zusammen- hang mit ihnen noch deutlich genug erkennen.

Mehrere Holzschnitte dieser ältesten Gruppe sind in Handschriften deut- schen Ursprungs gefunden worden, andere zeigen in den Block eingeschnittene Wappen deutscher Klöster oder stellen ausschliesslich in Deutschland verehrte Heilige, wie den heiligen Wolfgang, dar. Nicht weniger als diese äusseren Umstände lässt auch der Stil der Zeichnung darauf schliessen, dass diese Gruppe von Holzschnitten deutschen Ursprungs sei. Bei dem augenblicklichen Stande unserer Kenntnisse darf jedoch die Möglichkeit, dass auch andere Länder an diesen Erzeugnissen Anteil gehabt haben, keineswegs ausgeschlossen werden.

Der älteste Holzschnitt, den wir bisher betrachtet haben, scheint sich nun in einer Reihe von Blättern, die wir als die zweite Gruppe bezeichnen können, zu grösserer Feinheit der Linienbildung und zu grösserer Schlankheit und Be- weglichkeit der Formen entwickelt zu haben. Schraffierungen fehlen auch hier noch, nur in den spätesten Beispielen beginnen sie sich hier und da bemerkbar zu machen. Die Linien der Umrisse und der nun etwas reichlicheren Innen- zeichnung sind noch ganz weich und rund, aber durchgehends dünner und gleichmässiger. Die starken Anschwellungen und Verdünnungen der Linien fehlen fast Uberall und die Oescnfaltcn sind ganz verschwunden. Später macht sich

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ebenso, wie in der monumentalen Kunst, eine Neigung zu eckigem und brüchigem Faltenwurf bemerkbar. Die Kompositionen sind reicher an Handlung und an Figuren, die deshalb auch im Verhältnis zur Bildfläche kleiner werden. Gegen- über dem monumentalen, statuenhaften Charakter, der die Gestalten in den Holzschnitten der ersten Gruppe auszeichnete, macht sich hier das Streben nach Lebendigkeit der Bewegungen, die oft bis zur Heftigkeit und Verzerrung uber- trieben werden, geltend. Es ist also die gleiche Tendenz, die in der monumen- talen Kunst, besonders Deutschlands, um die Mitte des XV. Jahrhunderts herr- schend wird. In der Tracht deuten Kettenpanzer, Zaddeln, tiefe Gürtung u.a.m. noch auf die erste Hälfte des XV. Jahrhunderts, daneben wird die Neigung zu phantastischem Aufsatz und zu orientalisierenden Kostümen auffallend. Das Beiwerk und die Hintergründe sind ebenfalls, wie in der Malerei, mehr aus- gebildet.

Eines der grüssten und besten Blätter dieses Stils ist die Kreuzigung des Münchner Kabincts (Schreiber 471), das noch eine Reihe gleichartiger Werke besitzt, z. B. den h. Antonius Abbas (Sehr. 1 1 1 5), Christus am Kreuze (Sehr. 389) und drei Blätter: Christus seiner Mutter erscheinend (Sehr. 700), die Gregors- messe (Sehr. 1466) und den h. Sebastian (Sehr. 1681), die, ebenso wie eine h. Dorothea (Sehr. 1397) in Berlin, von Umrahmungen mit den vier Wappen von Baiern, Pfalz und Oesterreich eingefasst sind. Andere Beispiele aus dieser Gruppe sind: eine Kreuzigung (Sehr. 481), eine Auferstehung (Sehr. 539), das Martyrium des h. Johannes Evangelista (Sehr. 1524) im germanischen Museum , ein Martyrium des h. Sebastian (Sehr. 1683), eine h. Magdalena (Sehr. 1596), ein h. Georg (Sehr. 1436) und eine Kreuzigung (Sehr. 400) in Berlin, Johannes auf Pathmos in Paris (Sehr. 1525).

Diese Reihe von Holzschnitten zeigt keineswegs einen so bestimmten und geschlossenen Stilcharakter wie die der ersten Gruppe. Die Produktion scheint sich mehr in die Breite zu entwickeln und Arbeiter von verschiedener Art und Herkunft, meist von geringeren Fähigkeiten zu beschäftigen. Das Verhältnis der Technik dieser Gattung von Holzschnitten zu der der älteren Gruppe, dann die Kostüme und die Datierung einiger Blätter geben uns aber doch die Be- rechtigung, sie einer bestimmten, und zwar späteren Stilphasc zuzuweisen. Wenn wir jene ältere Gruppe von Holzschnitten etwa in das erste Viertel des XV. Jahr- hunderts setzen, so können wir diese jüngere wohl in den folgenden Dezennien entstanden denken. Für die genauere Zeitbestimmung bietet die handschriftlich

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vermerkte Jahreszahl 1443 auf einem Blatte mit Dorothea, Alexius und der Kreuz- tragung im Germanischen Museum (Sehr, ojo) und die Datierung zweier Manuskripte von 1441 und 1449, denen eine Kreuzigung (Sehr. 961) und eine Verkündigung (Sehr. 54) derselben Sammlung entnommen sind, sichere Anhaltspunkte. Die Jahreszahl 1445 auf dem erstgenannten Blatte kann kaum etwas anderes als das Jahr der Erwerbung bezeichnen, und die Kreuzigung muss vor der Vollendung der Handschrift vom Jahre 1441 eingeklebt sein, da der Text über den Rand des Bildes übergreift Nicht lange nach 1424 wird ein Blatt entstanden sein, auf dem die Reichskleinodien, die in diesem Jahre nach Nürn- berg gebracht und dort zur Schau gestellt wurden, abgebildet sind (Sehr. 1942).

Eine grosse Rolle spielt in der älteren Literatur ein Holzschnitt, der den h. Christoph darstellt und neben einem xylographischen Ablassvcrsprechen die ebenfalls in den Holzstock eingeschnittene Jahreszahl 141 3 aufweist. Das Blatt, das deshalb lange als der älteste datierte Holzschnitt angesehen worden ist, stammt aus einem 141 7 geschriebenen Manuskripte des Klosters Buxheim, wurde von Lord Spencer erworben und ist mit dieser berühmten Sammlung in die Rylands Library in Manchester gelangt. Wie fast alle anderen Daten auf Bilddrucken ist auch dieses mehrfach angezweifelt worden. Man hat einen Irrtum des Holzschneiders vermutet oder behauptet, die Jahreszahl beziehe sich nicht auf die Entstehung des Holzschnittes, sondern auf einen Ablass, ein Fest oder ein anderes Ereignis. Diese letztere Auffassung der Jahreszahl schlichst nun aber die gleichzeitige Entstehung nicht aus. Ja es ist sogar sehr unwahr- scheinlich, dass man ein solches Erinnerungsblatt noch sehr lange nach dem betreffenden Ablass, der übrigens auch immer nur für eine kürzere Zeit gewährt wurde, angefertigt oder kopiert haben sollte. Der Stil der Zeichnung, der Typus des Heiligen und die runden, messenden Falten weisen auf die erste Hälfte des XV. Jahrhunderts, während die, wenn auch spärlichen Schraffierungen in einem so frühen Blatte allerdings befremden müssen. Auch der Jahreszahl 143 7 am Schlüsse eines deutschen xylographischen Gebetes, das eine Darstellung des Sebastiansmartyriums begleitet (Wien, Hofbibliothek, Sehr. 1 ö 8 4 ) , ist die Bedeutung als Datum der Entstehung des Holzschnittes abgestritten worden. Das hübsche Blatt kann aber, seinem Stil nach zu urteilen, sicher nicht wesent- lich später angefertigt worden sein, auch wenn die Jahreszahl nicht die Zeit seiner Herstellung anzuzeigen bestimmt war. Es schlicsst sich ebenso wie der Buxheimer Christoph der zweiten Stilgruppe an.

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Diesen vereinzelten datierten Holzschnitten hat man lange einen allzugrosscn Wert beigemessen und über dem Streite um die Echtheit und die Bedeutung des Datums das Studium der Monumente in ihrer Gesamtheit vernachlässigt. Solche Daten können an sich für die Bestimmung der Entstchungszcit der Holz- schnitte nicht massgebend sein, nur im Zusammenhange der stilistischen Grup- pierung, die allein uns zum Verständnis der Entwicklung führt, können sie als Hilfsmittel dienen.

Wie von den Holzschnitten der ältesten Gruppe sind auch von diesen Blättern jedenfalls sehr viele deutschen Ursprungs. Das beweisen deutsche handschriftliche und xylographischc Beischriften, zum Beispiel auf dem kreuz- tragenden Christus in München (Sehr. 911), dem Johannesmartyrium in Nürn- berg (Sehr. 1514), der Gregorsmesse in München (Sehr. 1460), ferner deutsche Wappen und die Namen deutscher Verfertiger , w ie der des „Jcrg Haspcl zu Bibrach" auf dem h. Bernhard der Wiener Hofbibliothek (Sehr. 1271). Auch im allgemeinen Kunstcharakter wird die Verwandtschaft mit dem monumen- talen Stil der Zeit oft schon recht deutlich erkennbar. Zahlreiche Stücke dieser, wie gesagt, sehr grossen und unbestimmten Stilgruppc mögen aber doch ausser- halb Deutschlands, in den Niederlanden, in Frankreich oder Italien entstanden sein. Unsere Kenntnisse reichen aber vorläufig für eine genauere Unterscheidung der lokalen Eigentümlichkeiten noch nicht aus. Erst einige Jahrzehnte nach der Mitte des XV. Jahrhunderts lassen sich die Erzeugnisse der einzelnen Gegen- den ihrem Stilcharaktcr nach schärfer von einander sondern. Erst von dieser Zeit an kann deshalb die Entwicklung in den verschiedenen Ländern ge- trennt betrachtet werden. Einzelne vermutlich oder vorgeblich früher in diesen Ländern entstandene Werke sollen dann noch nachträglich besprochen werden.

Um zunächst die Entwicklung des Holzschnittes in Deutschland weiter verfolgen zu können, müssen wir uns nach den stilistischen Zwischengliedern umsehen, die die Arbeiten der beiden ältesten Gruppen, die uns bisher beschäftigt haben, mit den Holzschnitten in gedruckten Büchern und mit den ihnen verwandten Einblattdruckcn in Verbindung setzen. Es macht den Eindruck, als ob der Holzschnitt nach einer ersten Blüte im Beginne des XV. Jahrhunderts nun eine Zeit des Verfalles, der wesentlich rohen und hand- werklichen Produktion durchzumachen gehabt habe. Erst wieder seit den achtziger Jahren nimmt er durch die Beteiligung tüchtiger künstlerischer Kräfte,

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die offenbar von den Druckern zur Illustrierung ihrer Bücher herangezogen und herangebildet werden, einen neuen und grösseren Aufschwung.

Diesen Ucbcrgang von dem Stil der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts zum Büchcrholzschnitt in den siebziger und achtziger Jahren kann uns am besten eine Reihe von Bilderfolgen veranschaulichen, die auch gegenständlich und technisch eine Vorstufe der Buchillustration bilden und sich noch einige Zeit neben ihr behauptet haben. Es sind dies die sogenannten „Blockbücher*4 oder „xylographischen Bücher", Folgen von Blättern, auf denen die in Holztafeln eingeschnittenen Bilder und die sie begleitenden Schriftsätze abgedruckt sind. Wir können die Entwicklung der Blockbuchproduktion von ihrer wahrscheinlich ältesten Stufe, in der der Text ganz oder zum grössten Teil handschriftlich unter oder neben die gedruckten Bilder eingetragen wurde, den sogenannten xylo-chirographischen Blockbüchern, bis zur Verwendung der Bilder in gedruckten Büchern verfolgen. Die älteren Blockbücher sind mit Hilfe des Reibers, ohne Presse, gedruckt, so dass nur die eine Seite des Blattes für den Druck verwendet werden konnte, weil der Rcibcr beim Bedrucken der Rück- seite das schon abgedruckte Bild zerstört haben würde. Man nennt die so her- gestellten Werke mit nur einseitig bedruckten Blättern, deren je zwei dann mit den Rückseiten aneinander angeklebt wurden, anopistographische Block- bücher, im Gegensatz zu den späteren opistographischen, in denen beim Drucken mit der Presse Vorder- und Rückseite der Blätter benutzt werden konnten. Die Art der Herstellung entscheidet aber nicht ohne weiteres über die Reihenfolge der Entstehung.

Die meisten Blockbüchcr sind uns in verschiedenen Ausgaben erhalten, die für ihre grosse Beliebtheit und Verbreitung sprechen. Die grosse Seltenheit der erhaltenen Werke, von denen meist nur sehr wenige, oft nur ein einziges Exemplar erhalten ist, lässt darauf schliessen, dass zahlreiche Ausgaben, be- sonders wohl die frühesten , ganz und gar verloren gegangen seien. Es ist aus diesem und anderen Gründen ausserordentlich schwer, das Verhältnis der einzelnen Ausgaben zu einander zu bestimmen.

In Deutschland sind einige der ältesten Blockbücher entstanden, Arbeiten von künstlerischem Werte; später scheinen die Niederländer dies Gebiet zu beherrschen, ihre Blockbücher gehören zu den vorzüglichsten Leistungen des Holzschnittesund haben den deutschen Arbeitern sehr häufig als Vorlagen für ihre meist dürftigen Nachschnitte gedient. Unter den älteren, künstlerisch selbstän-

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digcn, deutschen Blockbüchern muss die aus ; 4 Blättern bestehende xylochiro- graphischc Biblia pauperum, von der sich nur ein einziges Exemplar in der

Blatt aut der hiblij pauperum. Heidelberg, l'iiiveriit jtt-Bibliutlick. Original. Jioxi 77 mm.

Bibliothek in Heidelberg erhalten hat, an erster Stelle genannt werden (s. Abb.). Sie gehört zu der älteren Gruppe von Blockbücliern , in denen der Text noch

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nicht xylographisch hergestellt, sondern handschriftlich in die dazu freigelassenen Räume neben den Bildern eingetragen wurde. Nur die Namen der Personen in den Bildern sind hier in das Holz geschnitten. Mit den niederländischen Ausgaben der Biblia pauperum, von denen später die Rede sein wird, hat diese deutsche Ausgabe nur die allgemeine Anlage der Kompositionen gemein. Offenbar liegt ihr eine ganz andersartige Bilderhandschrift zum Grunde als den niederländischen Bearbeitungen desselben Gegenstandes. Den Inhalt der Biblia pauperum bilden die Gegenüberstellungen je einer Darstellung aus dem neuen Testament mit zweien aus dem alten, die als vorbildlich für jene galten. Sie verhalten sich also zueinander wie die Verhcissung zur Er- füllung. In den vier Ecken über jenen drei nebeneinandergestellten Szenen sind Halbfiguren der Propheten angebracht, in deren Aussprüchen man Hin- weisungen auf das Leben und die Taten Christi zu erkennen glaubte. Der Zweck der Zusammenstellung war ohne Zweifel der, den nicht gelehrten Geist- lichen, den „pauperes praedicatores" ein Hilfsmittel für die Lehre und für die Predigt an die Hand zu geben. Sie waren also nicht für die Armen schlechthin, nicht für das Laienpublikum, sondern für die armen Geistlichen bestimmt. Das geht schon daraus hervor, dass Textstcllcn und Erklärungen in den meisten Ausgaben, wie auch in der vorliegenden, in lateinischer Sprache abgefasst sind.

Besonders beachtenswert ist, dass die drei Bilder aus dem alten und neuen Testament nicht aus demselben Block wie die Umrahmungen mit den Propheten- bildern geschnitten sind, sondern dass diese auf jeder Tafel verschiedenen Holzschnitte in die drei für sie ausgesparten Mittelfelder der Abdrücke von nur vier verschiedenen, immer sich wiederholenden Rahmen mit den Propheten, die also eine Art von Passc-partout bilden, eingedruckt sind. Dies vereinfachte, die Arbeit des Schneidens erleichternde Verfahren deutet offenbar schon auf eine längere xyiographischc Praxis des Briefdruckers, der die Bilder herstellte, hin.

Unter den erhaltenen deutschen Blockbüchcrn ist die Heidelberger Biblia pauperum jedenfalls eine der ältesten. Die Formen der kurzen, aber doch schlanken Gestalten, die runden, vollen Gesichter, die langen, sich weich runden- den Gewandfaltcn, ebenso die Haarbehandlung und die Tracht mit Zaddcln und tiefer Gürtung weisen bestimmt auf die erste Hälfte des XV. Jahrhunderts. Der Schnitt ist sorgfältig und geschickt, die Linien gleichmässig stark und ziemlich dünn, Schraffierungen fehlen fast ganz. Die Holzschnitte stehen denen der zweiten Gruppe sehr nahe und unterscheiden sich sehr stark von den Büchcr-

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hollschnitten der siebziger Jahre. Man wird sie kaum später als um die Mitte des XV. Jahrhunderts ansetzen dürfen. Sie bilden in vieler Hinsicht eine Parallel- erscheinung zu den Kupferstichen des Meisters der Spielkarten, der, wie wir später sehen werden, um 1440 bis 1450 tätig war. Trotz der Steifheit und Ungeschicklichkeit der Formgebung sind die Bewegungen und die Köpfe nicht ohne Ausdruck und Anmut.

Grosse stilistische Verwandtschaft mit dieser Ausgabe der Armenbibel zeigt das Symbolum Apostolicum, eine Versinnlichung der zwölf Glaubens- sätze, von dem drei verschiedene Ausgaben, je nur in einem Exemplare erhalten sind. Der Biblia pauperum am nächsten steht die Ausgabe der Heidelberger Bibliothek (Schreibers II. Ausgabe), auch darin, dass hier ebenfalls nur die Namen aus dem Stocke geschnitten sind, der Text aber auf die Tafeln unter den Darstellungen handschriftlich eingetragen werden sollte, was aber bei diesem einzigen erhaltenen Exemplar nicht geschehen ist. Von den beiden anderen Ausgaben stimmt die eine mit lateinischen xylographischen Inschriften in der Hof bibliothek in Wien (Schreiber I.) mit der Heidelberger Ausgabe ziemlich genau Uberein, während die zweite, mit deutschem xylographischem Text, die in München bewahrt wird (Schreiber III.), nach einer anderen Vorlage ge- arbeitet ist. Diese beiden Ausgaben stehen der zweiten Gruppe der ältesten Holzschnitte stilistisch sehr nahe und sind möglicherweise noch vor der Heidel- berger Biblia pauperum entstanden.

Hierher gehören auch die drei xylographischen deutschen Ausgaben des Planetenbuches, Darstellungen der sieben Planeten und der Beschäftigungen der unter ihrem Einflüsse geborenen Menschen. Eine dieser Ausgaben, die das Wappen der Stadt Basel trägt (Schreiber I.), steht der Biblia pauperum stilistisch sehr nahe, die Figuren der zweiten (Schreiber II.) weniger sorgfältig ge- schnittenen haben grosse Achnlichkeit mit denen auf den ältesten Spielkarten. Eckigere und härtere Technik zeigen die Holzschnitte des Decalogus, einer Folge von zehn Blättern mit deutschem, xylographischem Text, in denen die Befolgung eines jeden der zehn Gebote und die Zuwiderhandlung dar- gestellt sind.

Die Vergleichung dieser älteren Blockbücher, besonders der Heidelberger Biblia pauperum mit zwei deutschen xylographischen Ausgaben, die in den Jahren 1470 und 1471 hergestellt worden sind, lässt ohne weiteres erkennen, dass diese Werke zwei verschiedenen Entwicklungsstufen der Holzschneidekunst

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angehören. Schliessen sich die Heidelberger Armcnbibcl und die ihr verwandten Blockbiicher den ältesten Holzschnittgruppen an, so gehören diese Arbeiten schon durchaus in den Kreis der Illustrationen, die vir in den typographisch hergestellten Büchern finden. In der Armenbibel, die, wie die Unterschrift angibt, im Jahre 1470 von dem Maler Friedrich Walthcr und dem Schreiner Hans Hürning in Nördlingcn ausgeführt worden ist, sind nicht nur die Kostüme viel spätere, die Technik mit eckigen Falten und mit gradlinigen Schraf- fierungen eine durchaus verschiedene, der ganze künstlerische Eindruck der Formen und Bewegungen kennzeichnet sich als der einer wesentlich späteren Kunstperiode.

Diese Wandlung ist dem Einflüsse der niederländischen Kunst und im besonderen wohl auch des niederländischen Holzschnittes zuzuschreiben. Die Tracht ist die burgundische und auch im Stil der Zeichnung und in der Technik ist die Einwirkung der vortrefflichen Arbeiten der niederländischen Holzschneide- kunst, die damals in höchster Blüte stand, unverkennbar. In der Tat ist die von Walthcr und Hürning 1470 in Nördlingcn hergestellte Armcnbibel, die schon im nächsten Jahre von Hans Sporcr kopiert wurde, nur eine freie Nach- ahmung des niederländischen 4oblättrigen Blockbuches. Auf niederländische Vorbilder geht auch die chiro-xylographische Ausgabe eines Planetcnbuchcs im Kupfers tichkabinet zu Berlin zurück. Das niederländische Urbild der zahlreichen deutschen Ausgaben der Ars moriendi, von denen eine von „Ludwig ze ulm", eine andere 1473 von Hans Sporer herausgegeben worden ist, besitzen wir noch in dem im British Museum in London bewahrten Blockbuche, einem Werke von grösster Vorzüglichkeit. Als Kopien nach verlorenen niederlän- dischen Originalen sind ohne Zweifel auch die beiden Ausgaben des Defen- sorium inviolatac virginitatis Mariac, in der die unbefleckte Empfäng- nis Mariae durch die Anführung von wunderbaren Vorgängen in der Natur und selbst aus der Mythologie glaubhaft gemacht werden soll, anzusehen. Die Kom- positionen der Bilder sind in den beiden Ausgaben ganz verschieden von ein- ander, die eine ist von dem schon genannten Friedrich Walthcr 1470, die andere 1471 von Johannes Eysenhut angefertigt worden. Die Holzschnitte dieser letzteren Ausgabe des Defensorium von 1 47 1 oder ihr Original gehören derselben Stilrichtung an wie die Illustrationen einiger Lübecker Drucke, die wir spater zu betrachten haben werden.

Die übrigen deutschen Blockbüchcr sind künstlerisch sehr geringwertig

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und brauchen nur kurz aufgezählt zu werden. Von den drei Ausgaben des Antichristus et quindeeim Signa gehört die eine mit handschriftlichem Text wohl noch zu den älteren deutschen Blockbüchern ; die Figuren ähneln denen der zweiten Ausgabe des deutschen xylograpbischen Planetenbuches. Die dritte Ausgabe dieses Buches, die nur eine Kopie der zweiten ist, wurde der Bezeichnung gemäss von Junghan ss Briefmaler zu Nürnberg (wahrscheinlich dem obengenannten Hans Sporcr) im Jahre 147z angefertigt. Das Salve R c g i n a ist eine Arbeit des Lienhart WolfF zu Regensburg. Deutschen Ursprunges sind wohl auch die drei von einander wenig abweichenden Ausgaben des Ars memorandi quatuor evangelia, eines Hilfsmittels für junge Geistliche, die Erzählungen der Evangelien, die auf dem Bilde des Evangelistensymbols durch Gegenstände mit beigefügten, auf die Kapitel bezüglichen Zahlen ange- deutet sind, dem Gedächtnisse einzuprägen. Die schematischen Zeichnungen sind wenig interessant und bieten nur schwer Anhaltspunkte für die stilistische Vcrgleichung. Zu erwähnen sind noch die Vita S. Meinradi, Hartliebs Chiromantia, die Fabel vom kranken Löwen, die acht Schalkheiten, ein Fechtbuch und schliesslich zwei Ausgaben eines Totentanzes.

Eine besondere Erwähnung verdient von den deutschen Blockbüchern noch die mit lateinischem und deutschem xylographischem Texte versehene Ausgabe des Exercitium super pater n oster, von der nur ein einziges Blatt in Kremsmünster erhalten ist. Obwohl nur eine fast genaue Kopie nach dem Bilde der zweiten niederländischen Ausgabe, ist der Holzschnitt doch als vorzüglich feine und sorgfältige Arbeit eines mittclrheinischen, Mainzer Holz- schneiders, dem wir in Mainzer Drucken noch begegnen werden, von beson- derem Interesse.

Diese späteren deutschen Blockbücher haben uns zeitlich und stilistisch schon mitten in den Kreis der Illustratoren der typographisch gedruckten Bücher geführt. Mit den datierten Ausgaben stehen wir so schon auf festem Boden, aber freilich in einer künstlerisch fast durchgehends nicht sehr erfreulichen Umgebung. Die Betrachtung der Bücherholzschnitte der sechziger und siebziger Jahre und der gleichzeitigen Einblattdrucke bestätigt die schon oben ausge- sprochene Vermutung, dass in Deutschland um diese Zeit die Technik der handwerklichen Routine von Briefdruckern niederster Gattung anheimgefallen war. Man darf gewiss nicht voraussetzen, dass das Publikum, das die edelsten

Erzeugnisse der monumentalen Kunst und der Miniatur zu schätzen wusstc , an diesen in ihrer Mehrzahl ganz rohen Bildern Gefallen gefunden haben könne. In der Tat haben wir direkte Zeugnisse für die abfällige Beurteilung solcher Ware von sciten Gebildeter. Der Kreis, an den sich das illustrierte Buch ur- sprünglich wendete, muss also wohl ein anderer gewesen sein, als der, auf den die besten Maler und Bildhauer der Zeit rechnen konnten. Erst nach und nach, wie die Holzschnittillustration und -Ornamentik die Miniaturen immer mehr aus den Büchern verdrängt und sich an Werke wagt, die für die höher Ge- bildeten unter Geistlichen und Laien bestimmt sind, werden die Buchdrucker und Verleger veranlasst, zur Herstellung besserer Vorzeichnungen tüchtigere Kräfte, wirkliche Meister der Malerei heranzuziehen, die sich ihrerseits nun wieder die Ausbildung geschickter und sorgfältig arbeitender Holzschneider im eigenen Interesse angelegen sein lassen müssen. Unter dem Einflüsse solcher Künstler bilden sich nun in den verschiedenen Orten Werkstätten von Holzschneidern aus, die oft mit den einzelnen Druckeroffizinen in engster Verbindung stehen.

Erst um diese Zeit, in den letzten Jahrzehnten des XV. Jahrhunderts also vollzieht sich nach und nach die Trennung der die Vorzeichnungen liefernden Künstler von den Formschneidern, die nun nur noch die Aufgabe haben , die meist auf den Stock selber aufgetragene Zeichnung genau und sorgfältig auszu- schneiden, sie sozusagen nur zu faksimilieren. Für das erste Jahrhundert der Holzschneidekunst haben wir dagegen, wie schon oben angedeutet, keinen Grund, eine solche, erst jetzt durch die neuen Verhältnisse und die Ansprüche des Publikums und der darzustellenden Gegenstände veranlasste Arbeitsteilung vorauszusetzen. Ihr Darstellungsgebict war ursprünglich der altbekannte Kreis geläufiger, durch vielfache Wiederholung durchgebildeter Typen von Heiligen, Passionsszenen und dergleichen gewesen. Auch denen, die sich nicht, wie das die schwächsten und trägsten Xylographen zu tun pflegten, darauf beschränken wollten, schon ausgeführte Holzschnittbildcr zu kopieren, boten zahlreiche Hand- schriftcnillustrationen und Werke der grossen Kunst die nötigen Kompositions- schemata in Fülle dar. Die Holzschneider bedurften also für ihre bescheidene Arbeit gar nicht des vermittelnden Zeichners. Erst als durch die Buchillustration die Darstellung einer grossen Anzahl ganz neuer Gegenstände zur Aufgabe gestellt wurde, machte sich die Schwäche des verfallenden Handwerks so stark fühlbar,dass man die Beihilfe tüchtigerer Künstler von formgestaltender Kraft in Anspruch nehmen musste. Den älteren Formschneidern mutete ihre unmittelbare, praktische

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Aufgabe die wirklich künstlerische Ausgestaltung der Typen gar nicht zu. In den einzelnen Fällen, in denen wir eine solche künstlerische. Selbständigkeit in der Durchbildung und Umbildung der Uberlieferten Formen beobachten können, müssen wir sie eben auf Rechnung der höheren Begabung einzelner Künstler- individualitäten unter den Formschneidern setzen. Vorzügliche Qualität der Ausführung setzt immer Feingefühl und Selbständigkeit der künstlerischen Auffassung voraus. Wir sind durchaus nicht berechtigt, die alten Holzschneider untcrscnicdlos als eine Masse von rohen Handwerkern anzusehen und von vorn herein dem Einzelnen höhere künstlerische Fähigkeiten abzusprechen.

Die Schaulust forderte für das gedruckte volkstümliche Buch wie vorher für die Handschrift gebieterisch den Schmuck des Bildes. Nur sehr wenige populäre Schriften in deutscher Sprache entbehren der Illustrationen. Und zwar ist es in Deutschland zunächst ausschliesslich das Bild, das im gedruckten Buche als Schmuck und als eine Art figürlicher Kapitelüberschrift verwendet wird; rein ornamentale Verzierungen begegnen uns erst später und gewinnen nur langsam eine grössere Bedeutung für die Buchausstattung. Durchgehends sind die Holzschnitte auf Bemalung berechnet, die auch in den meisten der erhaltenen Exemplare zur Ausführung gekommen ist.

Das erste datierte, mit beweglichen Lettern gedruckte Buch in deutscher Sprache ist zugleich auch das erste mit Holzschnitten ausgestattete typographische Erzeugnis, das wir kennen. Es ist dies Boners „Edelstein", der im Jahre 1461 von Albert Pfistcr in Bamberg gedruckt worden ist (Unicum in Wolfcnbüttel). Eine undatierte Ausgabe des Buches in der Berliner Bibliothek ist vielleicht noch vor dieser Ausgabe von 1 46 1 entstanden. Pfistcr soll Gutenbergs erste Druck- typen erworben und benutzt haben. Die Holzschnitte in Boners Edelstein wie in den anderen von Pfistcr gedruckten illustrierten deutschen Büchern, z. B. in seiner Armcnbibel von 146z, in der „Geschichte Josephs, Daniels und Judiths", im „Ackermann aus Böhmen" sind kunstlos aber von geübter Hand geschickt und sicher geschnittene Bilder, die sich von denen der gleichzeitigen Block- bücher und Einblattdrucke nicht wesentlich unterscheiden. Sie können sehr wohl von Pfistcr selber ausgeführt worden sein, der wie viele der ältesten deutschen Buchdrucker vermutlich ursprünglich Briefmaler und Formschneider gewesen war. Der Baseler Drucker Leonhart Yscnhut wird abwechselnd auch Briefdrucker, Heiligendrucker, Maler, Brictmalcr, Hciligenmaler, Kartenmachcr genannt. Druckern, die nicht zur Zunft der Formschneider gehörten, wurde

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oft das Recht, Holzschnitte in ihren Büchern zu verwenden, bestritten. So erhielt Günther Zainer in Augsburg nur die Erlaubnis zur Vervendung solcher Holzschnitte, die von zünftigen Augsburger Briefmalern oder Formschneidern ausgeführt waren.

Die Holzschnitte in der von Jodocus Pflanzman um 1470 in Augs- bürg gedruckten Bibel, in Günther Zainers zahlreichen Drucken, wie der Historia Trojana des Guido Colonna, dem Leben der Heiligen (1471), dem „Belial" und dem „guldin Spil" von Ingold (147z), dem „Plenarium", dem Schachzabelbuch von Jacobus de Cessolis (1474), und in anderen, von Johann Bämler, Anton Sorg und anderen herausgegebenen Augsburger Drucken sind ziemlich gleichmässig sorgfältige, aber sehr schematische Arbeiten ohne eigenen Kunstcharakter. Die Formen sind steif und konventionell, die Falten geradlinig und eckig gebrochen, die Linien gleichmässig dick und die Schatten durch gerade parallele Striche angedeutet.

In dem von Günther Zainer um 1 47 1 gedruckten Spiegel des mensch- lichen Lebens von Rodericus Zamorensis heben sich einige Holzschnitte durch ihre lebendigere Zeichnung und bessere Ausführung von den übrigen Bildern des Buches sehr deutlich ab. Diese Holzschnitte haben eine so grosse Verwandt- schaft mit den Arbeiten der Ulmer Bücherillustratoren, dass wir vermuten dürfen, Günther Zaincr habe diese Bilder von seinem in Ulm tätigen Verwandten Jo- hannes Zainer entlehnt oder bei ihm arbeiten lassen, zumal sie auch von Johann in einer Ulmcr Ausgabe des Buches verwendet worden sind. Der Verkauf und die Verleihung von Holzstöcken von einer Druckerei zur anderen waren üblich, ebenso wie man sich durch Kopieren älterer Bildcrfolgcn häufig genug die Arbeit zu erleichtern liebte.

In den Holzschnitten Ulmer Bücher begegnen wir seit langer Zeit zum ersten male wieder Werken von künstlerischer Eigenart, in denen ein höheres Ziel erstrebt wird. In dem von Johann Zainer 1473 in einer lateini- schen und in einer deutschen Ausgabe gedruckten Werke Giovanni Boccaccios „über die berühmten Frauen" sind die Holzschnitte noch so roh und sche- matisch behandelt wie die der Augsburger Drucke, aber doch ist im Aus- druck und Bewegung wie im Zuge der Linien eine grössere Lebendigkeit erkennbar. Gleichartig aber schon viel besser in der Zeichnung und schmieg- samer im Schnitt sind die Bilder der 1 47 5 ebenfalls von Zainer gedruckten Fabeln Aesops, eines Buches, das sich besonderer Beliebtheit erfreute und überaus

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Aus dem Eunuchus des Tcrcn;. Ulm, Konnd Dinckmuth, 1484.

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häufig in lateinischen und deutschen Ucbersctzungen gedruckt wurde. Was hier erstrebt wird, die Verwertung der Linie nicht mehr bloss zur Umschreibung, sondern auch zur Modellierung der Form, das ist in den Holzschnitten dreier von Konrad Dinckmuth 1483 und i486 gedruckten Werke schon vollkommen erreicht. Die Illustrationen im „Seclcnwurzgartcn" (1483), in Lirars Chronik von Schwaben und im Terenzischen Eunuchus (1486, s. Abb.) sind die ersten künstlerisch individuellen Arbeiten der deutschen Buchillustration. Der Zeichner, ein offenbar der schwäbischen Schule angehörender Künstler, weiss die Figuren im Räume gut zu gruppieren und das, was er mit den Bewegungen der Personen ausdrücken will, in lebendiger Weise deutlich zu machen. Man muss wohl beachten, dass hier Stoffe zur Darstellung zu bringen waren, die aus dem Kreise der gewohnten Gegenstände heraustraten und durch ihre Neuheit und Mannig- faltigkeit an die Erfindungs- und Beobachtungsgabe des Künstlers keine geringen Anforderungen stellten. In der Komposition wird noch mehr aufgezählt als erzählt, aber in der Darstellung der einzelnen Gruppen ist der Reichtum an gut beobachteten Motiven bemerkenswert. Arbeiten dieses Ulmer Meisters oder seines Stils können wir in mehreren Druckwerken von Ulm, Speier und Reut- lingen aus den neunziger Jahren verfolgen, zum Beispiel in Caoursins Belagerung von Rhodos ( 1 49 6), in dem von Drach in Speier gedruckten Spiegel der mensch- lichen Behältnis, und in Hugos von Reutlingen „Flores Musice."

Mit den Ulmcr Holzschnitten zeigen die Baseler Arbeiten eine gewisse Verwandtschaft, die wohl darauf beruht, dass es hier wie in Ulm Künstler der schwäbischen Malcrschule waren, die von den kunstverständigen Druckern zur Illustrierung ihrer Bücher herangezogen wurden. Bis in die neunziger Jahre hat Basel keinen Holzschnitt aufzuweisen, der sich über das gewöhnliche Niveau guter, handwerksmässiger Arbeit erhöbe. Die besten Beispiele solcher Arbeit sind der Titclholzschnitt im Augustinus von 1480 und die gleichartigen Bilder in dem reich verzierten „Andechtig zitglogglyn" von 1 49 z. Dann aber entstanden zwei Holzschnittfolgen, die zu dem Vorzüglichsten gehören, was die deutsche Buchillustration hervorgebracht hat. Die Holzschnitte in der moralisierenden Erzählungssammlung des „Ritters von Turn", die 1493 von Michael Furter gedruckt wurde, und in Sebastian Brandts berühmtem Narrcnschiff, das Bergman von Olpe 1494 herausgab (s. Abb.), sind offenbar von demselben Künstler gezeichnet, der Schnitt ist aber, besonders im Narrcnschiff, von sehr ungleicher Qualität.

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Als geistvoller und witziger Illustrator, der seinem Stoff ganz selbständig gegenübersteht, und als fein beobachtender, die Form beherrschender Zeichner verdient dieser Meister die hohe Schätzung, die er gefunden hat, vollauf. Ob man nun aber berechtigt ist, diese beiden Werke und eine Reihe auf die Stöcke gezeichneter, aber zum grössten Teil nicht aus- geschnittener Illustratio- nen zu einer Ausgabe des Tcrcnz (Basel, Museum) für Jugendarbeiten Al- brecht Dürers anzusehen, wie das geschehen ist, muss zum wenigsten als fraglich bezeichnet wer- den. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass Dürer auf seiner Wander- schaft sich zwischen 149 z und 1494 in Basel auf- gehalten hat, der Stil der Zeichnungen ist auch dem des jungen Dürer sehr ver- wandt, aber der einzige sicher beglaubigte, von Dürer 149 z in Basel oder für Basel ausgeführte Holzschnitt, ein heiliger Hieronymus, unterschei-

1 . 1 j i_ t*i_ Aus Scbiitiau Brjnts N Jrrcnschifl. Iij»ci, llcrjimaii vun Olpe I4V4

det sich doch wesentlich

von den Bildern des Ritters von Turn und des Narrcnschitfes und schliesst sich in Zeichnung wie im Schnitt vielmehr aufs engste an die Hol/schnitte des 1 4 9 1 in Nürnberg von seinem Meister Wolgcmut ausgeführten Schatzbe- halten an.

Wenn auch die Lebendigkeit und künstlerische Freudigkeit besonders der Bilder des Narrenschiffes , in denen die feinsten Züge menschlicher Schwächen

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auf das anschaulichste und natürlichste geschildert sind, Dürers würdig wären, so muss doch die Sicherheit und Routine der Zeichnung, die Gleichmässigkeit des Stils, der in der ganzen grossen Reihe von fast } oo Bildern durchaus keinen Fortschritt, nirgends das Suchen und Tasten eines jungen, rasch aufstrebenden Talentes erkennen lässt, gegen jene lockende Hypothese Bedenken erregen. Der Witz des NarrcnschifFillustrators wirkt unmittelbarer, harmloser, auch plumper als der überall etwas tiefsinnige, schwerblütige Humor Dürers. Die Zeichnungen zum Terenz, auf die man sich bei der Zuschreibung an Dürer besonders stützt, sind wesentlich schwacher als die jener Bücher, zum Teil sogar so gering, dass selbst die Verfechter der Dürer-Hypothese sie nicht dem jungen Meister zuschreiben. Schwankt man hierin, so verliert die Zuschreibung an den einen grossen Meister ihre zwingende Notwendigkeit.

Die Aehnlichkeit des Stils erklärt sich vielleicht hinreichend durch die Verwandtschaft des Talentes und durch die Gleichartigkeit der Ausbildung. Der Baseler Illustrator ist ohne Zweifel aus der Schule Schongauers, dessen Kunst auch auf Dürer von entscheidendem Einflüsse gewesen ist, hervorgegangen, von Geburt und Temperament wohl ein Schwabe, mag er ein älterer Arbeits- genosse des jungen Dürer gewesen sein. Der Anregung des kunstverständigen Sebastian Brant dürfen wir auch einen Anteil am Werke einräumen. Ohne Zweifel war jene Zeit des Aufschwungs reicher an selbständigen genialen Individualitäten, als wir nach unserer beschränkten Kenntnis jetzt anzunehmen geneigt sind.

Der grössere Teil der Bilder des Ritters von Turn und des Narrenschifres ist so vorzüglich fein und ausdrucksvoll geschnitten, dass man fast glauben müchte, der Zeichner selber habe sie ausgeführt, zumal wenn wir diese guten Schnitte mit den geringeren vergleichen. Oft ist die Zeichnung durch den ungeschickten Xylographen vollständig verdorben worden. Wir können hier recht deutlich sehen, wie sehr die Wirkung der Holzschnitte von der Geschick- lichkeit des ausführenden Technikers abhing.

Nicht eine selbstständige Persönlichkeit, wohl aber einen ganz eigenartigen Stil hat Strassburg aufzuweisen. Hier ist seit den achtziger Jahren eine Xylo- graphenschulc tätig, die offenbar bestrebt ist, durch die Mittel des Holzschnittes eine der des Kupferstiches ähnliche Wirkung zu erzielen. Es ist dies der erste Versuch in dieser Richtung, die im XVI. Jahrhundert für die Entwicklung der Technik eine grosse Bedeutung gewinnen sollte. Die Strassburgcr gehen dabei von Martin Schongauers Stil und Technik aus.

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Die ersten Anfänge dieser Manier lassen sich schon in den Initialen und Leisten des „Bclial" von 1477, in dem von Martin Schott 1483 gedruckten „Pienarium" und in Thomas Anshclms Druck desselben Buches vom Jahre 1488 beobachten. Seine vollständige Ausbildung erhält dieser Stil aber erst in den Drucken des Johannes Grüninger seit den neunziger Jahren, deren Illustrationen einen so bestimmten und geschlossenen Charakter zeigen, dass die Werkstatt der Holzschneider wohl in unmittelbarem Zusammenhange mit Grüningers Offizin gestanden und durch ihn wesentliche Förderung erfahren haben muss.

Die Schattenpartien werden in diesen Holzschnitten durch dunkle Massen enger, feiner Schraförungslinien gebildet, die sich leicht runden und nach dem Licht zu spitz verlaufen. In dieser Weise werden die Formen mit scharfen Strichen kräftig modellirt, und durch die starken Gegensätze von Licht und Schatten eine malerische Wirkung erzielt, die die Koloricrung völlig überflüssig macht. Von der grossen Zahl der mit Holzschnitten dieses Stils illustrierten Bücher der Grüningerschen Offizin seien nur einige besonders umfängliche und wichtige erwähnt. Die Strassburger Ausgabe des Brandtschcn Narrenschiffcs (1494) ent- hält nur freie Kopien nach den Basler Originalen. Im Tcrcnz von 1496 sind die Bilder für die einzelnen Scenen nicht aus einem Block geschnitten, sondern durch Zusammenstellung von verschiedenen Stücken, deren jedes eine der Per- sonen des Schauspiels darstellt, gebildet. Dieser bequeme, aber recht mechanische Behelf, mit einer beschränkten Anzahl von Stöcken eine grössere ManigKiltigkcic der Illustrationen zu erzielen, ist zu jener Zeit sehr beliebt gewesen. Die zoo Holzschnitte der Virgil von 150z, die nach genauen Angaben des Herausgebers Sebastian Brant von verschiedenen Arbeitern des Grüningerschen Ateliers, aber in ganz einheitlichem Charakter ausgeführt sind, zeichnen sich durch grossen Reichtum der Dctailschilderung, besonders der zierlichen Landschaften aus. Sic bilden für uns einen recht wunderlichen Kontrast zu dem Inhalte des Buches. Ucbrigens hat Grüninger schon von einzelnen seiner Zeitgenossen recht derbe Vorwürfe über diese unarchaeologische und spielerische Art der Illustration zu hören bekommen. Er selber wollte sie auch nicht für „Kunst" ausgegeben haben, wie er bescheiden entschuldigend erwiderte.

Braunschweigs Chirurgia von 1497, Boethius' de Consolatione philosophica von 1501 (s. Abb.), das Heiligenleben von 150z, das Leben der Altväter von 1 507 und viele andere Drucke Grüningers sind mit Holzschnitten dieses Stils reich- lich versehen. Auch mehrere Einzclblättcr haben sich erhalten, die von Arbeitern

der Grüningcrschcn Werkstatt ausgeführt sind. Einem dieser Holzschneider werden wir in Italien unter dem Namen „Jacobus Argcntoratensis" noch begegnen. Er ist hier nicht ohne Erfolg tätig gewesen und scheint durch seine Technik sogar auf die Entwicklung des venezianischen Holzschnittes einen gewissen Einfluss ausgeübt zu haben.

Grüninger selber scheint kurz nach dem Beginne des XVI. Jahrhunderts seine Werkstatt aufgelöst zu haben. Er verwendet seitdem nur noch die alten Stücke oder lässt die neuen Illustrationen von bedeutenderen Künstlern, wie Hans Baidung Grien vorzeichnen. Von den alten Arbeitern bleibt nur einer, der sich unter dem Monogramm A S oder A G verbirgt, und der den höheren Anfor- derungen zu ge- nügen imstande ist, auf dem Plan. Die übrigen Strassbur- ger Drucker, wie Bartholomäus Kist- ler, Matthias Hupf- uff, Johann Knob- louch, beschäftigen andere Arbeiter, die, alle ohne Bedeu- tung, wohl in der

GrUningerschen Schule ausgebildet

oder von ihr becinflusst sind, aber in bescheidenen Grenzen eine bestimmte Eigenart des Stils entwickeln.

In Nürnberg ist es der berühmte Drucker Anton Koburgcr, dessen Anregung die bedeutendsten Werke der Nürnberger Büchcrillustration des XV. Jahrhunderts ihre Entstehung verdanken. Für die deutsche Bibel, die er 1483 herausgab, begnügte ersieh allerdings noch mit den wohl entliehenen Holzstöcken der Kölner Bibel. Im Passional von 1488 sind die zdz Holzschnitte schon ganz vorzügliche, von Schongaucr stark becintiusste Arbeiten, die sehr wohl von dem Meister des Ulmer Tcrcnz gezeichnet sein können. Dann tritt er mit zwei Nürn- berger Künstlern, mit Michael Wohlgemut, Dürers Lehrer und mit Wilhelm PlcydcnwurfF in Verbindung und lässt 1491 und 1493 zwei grosse, überaus reich

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Aus:Boethiui De Coiuolnione philosophica. Srra&buru, Grüninger, ijoi.

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illustrierte Werke erscheinen, den „Schatzbehaltcr der waren Reichtümer des Hails," ein Andachtsbuch (149 1, s. Abb.) und die gewaltige, mit Ober 6 50 ver- schiedenen, häufig wiederholten, grossen und kleinen Holzschnitten, recht naiv, aber wenig geschmackvoll, verzierte Schedeische Weltchronik (1495) erscheinen. In der Schlussschrift der Weltchronik werden die beiden Künstler ausdrücklich als die Illustratoren genannt. Wie im Reichtum der Darstellungen wetteifern die Bilder der Chronik auch in der Wunderlichkeit der Vorstellung, die sich der Illustrator von den Vorgängen der Vergangenheit macht, mit Grüningers Virgil. Wir müssen aber im Auge behalten, dass es ihm wesentlich darauf ankam, einen abwechslungsreichen, fesselnden Schmuck zu liefern, mit den Bildern gewisser- massen schematische Kapitelüberschriften zu geben, die dem Leser anzeigten, wovon ungefähr an der betreffenden Stelle im Texte die Rede sei, und ihm einen Ruhepunkt bei der Lektüre zu gewähren. Ein Bildnis oder eine Stadt sollte nicht die bestimmte Person oder Stadt darstellen, sondern nur anzeigen, dass hier von einem bedeutenden Manne oder von einer Stadt erzählt werde. Nur weniges beruht auf wirklicher Anschauung. In einigen Städtcbildern, denen Naturauf- nahmen zum Grunde liegen, geht der Illustrator inkonsequenterweise schon über seine seine eigentliche Absicht hinaus.

Die Arbeit ist ungleich, meist ziemlich derb, häufig aber, besonders in ein- zelnen Köpfen, von grosser Feinheit. Sie schliesst sich technisch eng an die Holz- schnitte des Passionais von 148 8 an. Ucberhaupt stehen diese Holzschnitte weit über den Arbeiten der Briefmaler und zeigen einen durchaus künstlerischen Charakter. Es sind Arbeiten von Männern, die selbstständig zu erfinden und zu beobachten verstehen. Der Anteil der beiden Künstler lässt sich nicht sondern. Gerade diejenigen Blätter des Schatzbehalters, die Wohlgcmuts mutmassliche Signatur, ein W, aufweisen, gehören zu den schwächeren Leistungen. Man hat deshalb die besten Blätter dem frühverstorbenen Stiefsohne Wohlgcmuts PlcydcnwurfF zu- schreiben zu müssen geglaubt.

Eine besondere Bedeutung haben diese Werke, vornehmlich der Schatzbe- halter, weil an solchen trotz ihrer Steifheit doch recht tüchtigen Zeichnungen Albrecht Dürer seine erste Schulung in der Arbeit für den Holzschnitt erhalten haben wird. Die Illustrationen für jene Bücher werden gewiss nicht die ersten Zeichnungen Wohlgcmuts und seines Stiefsohnes für den Holzschnitt gewesen sein. Wahrscheinlich sind zum Beispiel schon die Illustrationen zur „Versehung, leib, sei und er" 1489 und zu Isocrates' „Pracccpta" (ohne Jahr) von Wohlgemut

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gezeichnet. Dürer, der 1485, vierzehnjährig bei Wohlgemut in die Lehre trat und sie erst Ostern 1490 vcrliess, kann aber sogar schon am Schatzbchaltcr mit- gearbeitet haben, wenn Wohlgemut, wie anzunehmen, schon einige Jahre vor der Herausgabe des Werkes (1491) mit der Herstellung der Zeichnungen für die 87 foliogrossen Holzschnitte begonnen hat.

In den beiden wichtigsten Druckstätten Niederdeutschlands, in Köln und in Lübeck ist der niederländische Einfluss massgebend. Köln hat im XV. Jahr- hundert eigentlich nur ein illustriertes Werk von Bedeutung aufzuweisen, die um 1480 gedruckte Bibelübersetzung in niederdeutscher und in holländischer Sprache (s. Abb. S. 1 5). Die 1 Z5 Illustrationen dieser Bibeln sind die erste voll- ständige und einheitliche Reihe von Bibelholzschnitten. Ihre Vorlage haben Hand- schriftenmalereien, wahrscheinlich niederrheinischen Ursprungs, die in einer Folge von Kopien in der Berliner Bibliothek erhalten sind, gebildet. Sie sind für viele spätere, künstlerisch weit bedeutendere Bibelbilder vorbildlich geworden ; der Meister der venezianischen Ausgabe der Maler mi-Bibel und selbst Dürer und Hol- bein haben sie für ihre Kompositionen benutzt. Die Holzschnitte sind, wie die Wiedergabe kölnischer Bauwerke vermuten läist, in Köln hergestellt worden, aber ohne Zweifel nicht von einem Kölner, sondern von einem in der nieder- ländischen Schule gebildeten Arbeiter. Der Stil niederländischer Holzschnitte in Blockbüchern und in typographisch gedruckten Werken ist hier, ganz ähnlich wie in den Bildern von Colard Mansions französischer Ausgabe der Metamor- phosen Ovids (Brügge i486) stark vergröbert. Ihre lebendigen Schraffierungen sind zu schematischen Gruppen von kurzen, graden und engen Strichen erstarrt, die fast sklavisch den derben und eckigen Umrissen folgen. Die Aehnlichkeit dieser Kölner Bibelbilder mit französischen Arbeiten, auf die man allzu grosses Gewicht gelegt hat, erklärt sich leicht aus dem gemeinsamen Ursprung der köl- nischen wie vieler früher französischer Holzschneider aus der Schule der nieder- ländischen Technik. Holzschnitte ähnlichen Stils finden wir dann noch in einzelnen Kölner Drucken, zum Beispiel in den Bildern zu Ottos vonPassau „Vier- undzwanzig Alten" (149z), in dem Titelholzschnitt der Sermones Albcrti Magni (1498) und besonders in den zahlreichen, allerdings flüchtiger und roher ge- schnittenen Illustrationen der von Koelhoff 1498 gedruckten Kölner Chronik. Andere Holzschnitte in Kölner Büchern müssen geradezu in den Niederlanden oder von Niederländern ausgeführt sein, wie zum Beispiel die Illustrationen in der

Historia septem sapientium (Koelhoff 1490), in dem 1498 vonBungart gedruck

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ten „Marc magnum privilcgiorum ordinis praedicatorum" und im Libcr medi- tationum des h. Bernardus.

Noch viel deutlicher als in Köln tritt der niederländische Charakter der Arbeit in den Holzschnitten einiger Lübecker Drucke hervor, die zu den her- vorragendsten Denkmälern der Buchillustration gerechnet werden können.

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Au» der Bibel. Lübeck, Stephen Armict 14.J4 Aimchnilt.

Niederländischen Ursprungs sind ohne Frage die Bilder des von Lucas Brandis 1475 gedruckten „Rudimentum noviciorum"; einem niederländischen Meister ersten Ranges verdanken wir die Holzschnitte, mit denen Stephen Arndes von Hamburg seine prächtige Bibel vomjahre 1494 ausstattete (s. Abb.). Es sind höchst lebendige, ganz originale Kompositionen, von echt niederdeutscher Energie und Schwerfälligkeit der Bewegungen und voll Charakter und Temperament im

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Ausdruck der ernsten, derben Bauern- und Scemannsgesichter. Der Schnitt ist meist ganz vorzüglich, einfach und gediegen, wird aber gegen den Schluss des Buches merklich gröber und nachlässiger. Von demselben Meister rühren die 56 Totcntanzbildcr her, die 1489 in Lübeck erschienen. Sonst haben sich bis jetzt noch keine anderen Werke dieses hervorragenden Künstlers nachweisen lassen. Man müchtc wohl glauben, dass das verlorene Original des deutschen von Eyscnhut in Basel gedruckten „Dcfcnsorium inviolatac virginitatis Mariae" sein Werk gewesen sei.

Aus Brevdenbachs l'cregrinafion« ad sepulcrum Chruti. Main*, i486.

Eine Mittelstellung zwischen den niederdeutschen, von den Niederländern abhängigen Buchholzschnitten und den oberdeutschen nehmen einige Mainzer Arbeiten ein. Hier kennen wir ausnahmsweise wenigstens den Namen, aber auch nur den Namen, des niederländischen Malers, der die Zeichnungen zu den Bildern des bedeutendsten illustrierten Mainzer Buches, der „Peregrinationes ad se- pulcrum Christi" des Bernhard vonBreydenbachgclicfcrthat(s. Abb.). Wie wir aus der Vorrede des Werkes, das i j.86 in lateinischer und deutscher Ausgabe erschienen ist, erfahren, hat der Verfasser auf seine Reise in das heilige Land den Maler

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Erhart Rewich (Reuwich oder Rewyck) aus Utrecht mitgenommen, um von ihm die Ansichten der Städte und die Gestalten der fremden Völkerschaften nach der Natur zeichnen zu lassen. Als die ersten der Wirklichkeit unmittelbar nach- gebildeten topographisch-landschaftlichen Städte-Panoramen haben die Holz- schnitte eine grosse historische Bedeutung; sie müssen als solche aber auch, wie die zahlreichen Kopien beweisen, in ihrer Zeit grosses Aufsehen erregt haben.

Der saubere, klare, fein detaillierende Schnitt der augenscheinlich sehr scharfen und gewandten Zeichnungen zeigt nicht den Stil der niederländischen Holzschneider. Vielleicht hat Rewich es verstanden, einen geschickten Mainzer Arbeiter so gut anzulernen, dass er dann, vielleicht auch nach Rcwichs Zeich- nungen oder mit selbständiger Beherrschung seiner Formensprache noch einige andere Arbeiten für Mainzer Drucker im gleichen Stil auszuführen imstande war. Einige Bilder in der ersten Mainzer Ausgabe des „Hortus sanitatis" von i486, in Lichtenbergers Prognosticatio und in Bothos Chronecken der Sassen von 1402 und anderen mehr sind den Holzschnitten des Breydenbach stilistisch sehr ähnlich. Daneben finden sich in ebendiesen Mainzer Drucken auch einzelne Holzschnitte ganz anderen Charakters, die eine gewisse Verwandtschaft mit den Kupfer- stichen und Zeichnungen des, wahrscheinlich auch mittelrheinischen „Meisters des Amsterdamer Kabinets", den wir später kennen lernen werden, zeigen und die vielleicht von einem seiner Schüler herrühren könnten. In späteren Mainzer Drucken, z. B. im Livius von 1505 stehen die Holzschnitte im engsten Zu- sammenhange mit den Arbeiten der Strassburger Schule.

Neben diesen hauptsächlichsten Richtungen der deutschen Buchillustration des XV. Jahrhunderts haben die kleineren Druckorte nur eine untergeordnete Bedeutung, und auch die Betrachtung der zahlreichen Einzelblättcr kann dem reichen und mannigfaltigen Bilde, das die Entwicklung des deutschen Holzschnittes in dieser Zeit bietet, keinen wesentlichen Zug hinzufügen. Es gibt nur wenige Einzelblattholzschnitte dieser Periode, die den besseren Buchillustrationcn an Qualität der Zeichnung und der Technik gleichkommen. Der Betrieb ist hier offenbar noch handwerklicher und wird nicht durch die Teilnahme einzelner tüchtiger Künstler von Bedeutung gehoben.

Noch weniger künstlerische Eigenart weisen die Schrotblätter auf, von deren technischen Herstellung in der Einleitung die Rede gewesen ist. Ihre Wirkung ist hauptsächlich eine ornamentale. Der dunkle, ernste Charakter der Blätter mochte sie für religiöse Darstellungen besonders geeignet erscheinen

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Die Kreuzigung. sdirotbUtt. Schreiber »}4'- Berlin, KgL Kupfentichkabinec.

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lassen. Jedenfalls gehören Profandarstellungen in dieser Technik zu den allcr- grössten Seltenheiten. Ihr Kunstcharaktcr und der Umstand, dass ausser lateinischen sich nur deutsche Inschriften auf Schrotblättern gefunden haben, macht es sehr wahrscheinlich, dass diese Technik hauptsächlich in Deutschland geübt worden sei. Doch hat wohl auch Frankreich einen Anteil an diesen Erzeugnissen. Trotz ihrem sehr altertümlichen Aussehen gehören die Schrotblättcr wahrscheinlich durchgehends in das letzte Drittel des XV. Jahrhunderts. Nicht nur sind die Drucke alle mit schwarzer Farbe sehr klar und scharf, also wohl mit guten Druckerpressen gedruckt, wir besitzen auch ein Blatt ganz altertümlichen Cha- rakters mit der Jahreszahl 147^ (der h. Bernardinus, Sehr. 1567, die Zahl wurde fälschlich 1454 gelesen); wir finden Schrotblättcr auch mehrfach in gedruckten Büchern als Illustrationen verwendet. Andere Blätter endlich erweisen sich als Kopien nach Kupferstichen aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts. Die Schrotmanier scheint nur kurze Zeit beliebt gewesen und bald ausser Ucbung gekommen zu sein. Die Buchornamentik, besonders die der französischen Livres d'heurcs verdankt dieser Technik mannigfache Anregung. Zu den besten Ar- beiten in Schrotmanier gehören z. B. dich. Catharina (Paris, Sehr. 1569"), die Kreuzigung (Berlin, Sehr. 234t, s. Abb.), der h. Christoph (Oxford, Sehr. 2 5 9 3 Madonna mit Engeln (Berlin, Sehr. 2513), der h. Georg (Paris, Sehr. 2653), die Messe des h. Gregor (Berlin, Sehr. 2646), der h. Christoph zu Pferde (Berlin, Sehr. 2604).

In dem Streben der verschiedenen Schulen nach Individualisierung des Stils und in dem beginnenden Hervortreten einzelner tüchtiger Persönlichkeiten liegt vornehmlich die historische Bedeutung dieser Phase des deutschen Holzschnittes. Im XVI. Jahrhundert gelingt es dann dem selbständigen Einzelnen vollkommen, sich als Künstler über die Masse der blossen Techniker zu erheben und sie zu gefügigen und geschickten Werkzeugen für die Ausführung seiner Zeichnungen in Holzschnitt zu erziehen.

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AV£ S

Martin Schongjuer. Per Müller mir den Eseln.

DER KUPFERSTICH IN DEUTSCHLAND UND IN DEN

NIEDERLANDEN

l^^^^'/jp^j [ ^ Gegensatze zum Holzschnitt, bei dem der handwerkliche ^ctr'e^» sov'ic später die Trennung der Arbeit des aus- r^'fV^M führenden Holzschneiders von der des Zeichners die indi- viduclle Leistung des einzelnen Künstlers nur schwer und selten zur Geltung kommen lässt, kann die Entwickelung des Kupferstiches schon von den ersten uns bekannten An- fangen an als Künstlcrgeschichte vorgetragen werden. Wenn wir auch die ältesten Kupferstecher fast alle nicht bei Namen kennen, so stellen sich doch die einzelnen hervorragenden Meister als greifbare, bestimmt zu charakterisierende künstlerische Persönlichkeiten dar, um die sich die geringeren Stecher als Schüler und Nachahmer gruppieren, und die im Fortschritt einander die Hände reichen, die Errungenschaften ihrer Arbeit zur Weiterbildung un- mittelbar dem fähigsten Nachfolger übermitteln.

Nicht nur aus unserer Kenntnis der erhaltenen Denkmäler, sondern auch aus dem Wesen der Technik selber kann, wie schon erwähnt, der Schluss

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gezogen werden, dass der Kupferstich als BUddrucktechnik später als der Holz- schnitt in Uebung gekommen sein müsse. Für die viel kompliziertere, schwie- rigere und subtilere Abdruckstechnik des Kupferstiches muss erst der Holzchnitt Anregung und Vorbild geliefert haben.

■Während der Holzschnitt aus den Werkstätten der niederen, mehr me- chanisch arbeitenden Kopisten und Illustratoren von Handschriften, denen es dabei hauptsächlich auf Beschleunigung und Erleichterung ihrer Arbeit ankam, hervorgegangen ist, hat der Kupferstich ohne Zweifel seinen Ursprung in den Werkstätten der Goldschmiede, die im selbständigen Entwerfen und Zeichnen wohl geübt sein mussten und meist auch das Malergewcrbc mit dem ansehn- lichen Goldschmiedebetriebe verbanden, genommen. Wollte der Holzschnitt die flüchtige und derb kolorierte Federzeichnung wiedergeben, so ging das höhere Streben des Kupferstiches dahin, nicht nur die feine Miniaturmalerei in der Buchausstattung zu ersetzen, sondern sogar ihr Vorbilder und Muster für Bilder und Ornamente zu liefern. Für den künstlerischen Charakter des Kupferstiches ist es wesentlich, dass seine Erzeugnisse nicht nur, wie die des Holzschnittes, dazu bestimmt waren, der Mitteilung, der Andacht, der Unterhaltung und dem Schmucke von Büchern und Geräten zu dienen, sondern zum grossen Teil auch in der bewussten Absicht angefertigt: wurden, als Studienmaterial für junge Künstler und als Vorbilder für die schwächeren und unselbständigeren benutzt zu werden. Eine grosse Anzahl von Werken der Kunst und des Kunstgewerbes, in denen Kupferstiche kopiert oder verwertet sind, beweist, dass sie diesem Zwecke tatsächlich entsprochen haben.

Die Kupferstichtechnik ist ungleich beweglicher und bildungsfähiger als der Holzschnitt und gestattet eine viel individuellere, mannigfaltigere Be- handlung. Die Geschichte des Kupferstiches hat deshalb durchaus nicht bloss die Entwickelung der Technik zu betrachten, sondern vielmehr in erster Linie zu beobachten, wie die künstlerischen Absichten der selbständigen Meister, der Maler-Stecher, durch die Technik zum Ausdruck gebracht werden; sie ist also im Wesentlichen ein Teil der Geschichte der Malerei. Haben doch fast alle Heroen des Pinsels mehr oder weniger eifrig den Kupferstich oder die Radierung ge- pflegt. Der Holzschnitt ist bis auf die seltenen Fälle, in denen die Zusammen- arbeit von Zeichner und Formschncidcr eine besonders innige war, der Künstler den Techniker ganz zu meistern verstanden hat, fast immer Kunst aus zweiter Hand, deshalb auch so sprunghaft und unglcichmässig in seiner Entwickelung,

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man möchte sagen kurzatmig, der Kupferstich der Maler -Stecher ist dagegen immer unmittelbare Emanation des künstlerischen Genius und in seiner Ent- wicklung durchaus konsequent und kontinuierlich.

Schon in der ersten Epoche der Kupferstecherkunst im XV. Jahrhundert treten uns neben unbedeutenderen, handwerksmässigen Stechern, die sich übrigens meist nach und nach als blosse Kopisten entpuppen, eine Reihe von Meistern ersten Ranges entgegen. Für den Erzähler ist es eine grosse Freude, wenn er seine Leser gleich beim Beginne seiner Darstellung mit einem so feinen und liebenswürdigen Künstler bekannt machen darf, wie dem Meister, dessen Ar- beiten wir bis jetzt als die frühesten unter den bekannten deutschen Kupfer- stichen ansehen müssen. Es hat sich mit Sicherheit feststellen lassen, dass der Meister der Spielkarten, wie man unseren Künstler nach den Stichen, in denen seine Individualität zuerst erkannt wurde, genannt hat, schon in den vierziger Jahren des XV. Jahrhunderts tätig gewesen sein muss. In Hand- schriften aus den Jahren 1446, 1448 und 1454 (Brüssel, Bibl. Royale, Paris, Bibl. de l'Arsenale und St. Gallen) sind einige Blätter seines Kartenspiels kopiert. Diese Stiche des Meisters, die offenbar nicht seine ersten Arbeiten gewesen sein können, müssen also mindestens einige Zeit vorher, im Anfange der vierziger Jahre des XV. Jahrhunderts entstanden sein.

Eine gewisse Steifheit und Ungeschicklichkeit der Bewegungen und der Gewandbehandlung beeinträchtigt kaum den Reiz seiner anmutigen, jugend- frischen Gestalten; die Stilisierung einzelner Formen und die Befangenheit im Ausdrucke lassen die Fülle der unmittelbaren Naturbcobachtungen, die sich daneben geltend machen, und die liebliche Zartheit der Empfindung umsomehr hervortreten. Die Gestalten sind kurz mit grossen rundlichen Köpfen und vollen Formen, und auch die Gewandbehandlung ist ganz weich und rund. Viele Bewegungen sind äusserst fem wiedergegeben und besonders die Tiere und Pflanzen auf den Spielkarten mit liebevoller Sorgfalt studiert. Der Grab- stichel ist schon ganz fügsames Instrument in der Hand des Künstlers, dessen Absicht er offenbar voll zur Geltung bringt. Feine geradlinige, noch nirgends gekreuzte Schraffierungslinicn schattieren in unregelmässigen Zügen die Formen von der kräftigen Umrisslinie zum Lichte hin. In den zarten Uebergängen vom Schatten zum Lichte gibt sich das Streben nach farbiger, der Miniaturmalerei ähnlicher Wirkung zu erkennen. Ausser seinem Meisterwerke, dem Kartenspiele (s. Abb.) sind noch einige Madonnen, Passions- und Heiligen-Darstellungen von

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ihm erhalten, die sich alle durch die gleiche Sorgfalt und Zartheit der Technik und durch die grösste Anmut der Gesichtsbildung auszeichnen. Die Kupferstiche

Meister der Spielkarten, Cyclamendaine au» dem Kartempiel.

des Meisters der Spielkarten bilden eine Parallelcrschcinung zu den Holzschnitten der ältesten deutschen Biblia pauperum (Heidelberg), die in den Kostümen und im Stil mit ihnen eine gewisse Verwandtschaft zeigen.

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Seit wir die Gemälde von Meistern wie Lukas Moser, Konrad Witz und Hans Multschcr näher kennen gelernt haben, kann uns eine solche künst- lerische Erscheinung wie die des Stechers der Spielkarten in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts nicht mehr in Erstaunen setzen oder zu einem Zweifel an seinem deutschen Ursprünge veranlassen. Der Meister scheint von der Eyck- Schulc so gut wie unabhängig geblieben zu sein, oder wenigstens das, was er von ihr gelernt hat, ganz selbständig verarbeitet zu haben. Seine Heimat ist wahrscheinlich am Niederrhein, wohl in Köln zu suchen. In Formen und Gefühlsausdruck steht er den Kölnischen Malern jener Zeit nahe.

Ohne Frage sind Werke wie die des Meisters der Spielkarten nicht die ersten Versuche in der Verwendung der Gravierungstechnik für den Bilddruck gewesen; es sind uns aber frühere Arbeiten dieser Art bisher nicht bekannt geworden. Auch der Verfertiger der wegen ihrer Datierung berühmten Passion von I44<5, die aus dem Besitze Renouviers in das K. Kupfcrstichkabinct zu Berlin gelangt is.t, kann nicht, wie das bis vor kurzem geschehen ist, als ein Vorgänger unseres Meisters angesehen werden. Er erscheint neben ihm roh und unbeholfen, obwohl seine Zeichnung viel weniger ungeschickt ist, als sie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Das Streben nach Lebhaftigkeit der Bewegung und des Ausdruckes führt ihn oft zur Grimasse und zu Härten der Komposition und der Formen, die der Meister der Spielkarten feinfühlig zu vermeiden wusste. In der Technik folgen beide Stecher den gleichen Prinzipien, der Meister der Passion von 1446 steht aber im Geschick und Geschmack der Linienführung, in der Feinheit der Schraffierungen und in der Sorgfalt der Ausführung des Beiwerkes hinter dem Meister der Spielkarten weit zurück, der der erste glänzende Stern der deutschen Kupferstechkunst bleibt, und dessen Werkstätte für die Verbreitung der Kupferstichtechnik von grosser Bedeutung gewesen ist.

Neben ihm sinken nicht nur die gleichzeitigen Stecher, sondern auch die meisten seiner Nachfolger fast zu roher Handwerklichkeit herab. Der nach seinem Hauptwerke der Meister des heiligen Erasmus genannte Stecher hat besondere Beachtung nur deshalb gefunden, weil er in der Fülle seiner Arbeiten, die fast durchgehends Kopien nach Stichen anderer Künstler sind, uns Erinnerungen an Werke bedeutenderer Meister erhalten hat. Ausschliess- lich Kopist ist auch der sogenannte Meister mit den Bandrollen, früher Meister von 1464 genannt, der technisch von der Art des Meisters der Spielkarten ausgeht, aber auch nach späteren, mehrfach sogar nach italienischen

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Vorbildern arbeitet und eine eigentümliche, derbe Manier und Formcnbildung aufweist.

Es ist wohl möglich, dass die Kupferstichtechnik in den Niederlanden früher als in Deutschland in Ucbung gekommen sei und sich erst von dort den Rhein aufwärts verbreitet habe. Wir besitzen aber dafür keine sicheren Beweise, kennen auch keinen Stich, der vor den frühesten deutschen Arbeiten entstanden sein müsste. Der älteste Stecher, der mit Wahrscheinlichkeit in die Niederlande versetzt werden kann, ist der sogenannte Meister der Liebes-

Meister der l.iebeigirten, Ausschnitt aus dem grossen Liebesgarten.

garten. Neben anderen, wohl gleichzeitigen, wahrscheinlich niederländischen Stechern, wie dem Meister des Todes Mariac, dem Meister des Bileam und anderen mehr, verdienen seine meist umfangreichen Blätter nicht sowohl wegen ihrer künstlerischen Qualitäten eine besondere Erwähnung als viel- mehr weil die Darstellungen seiner Stiche, die den galanten Liebesverkehr der vornehmen Herren und Damen der burgundischen Gesellschaft schildern (s. Abb.), grösseres Interesse erregen. Seine Figuren sind sehr steif und die Bewegungen äusserst ungeschickt und plump, die Bäume und Pflanzen sehr stark stilisiert, fast ornamental behandelt; in der Darstellung der Tiere und

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des Beiwerkes gibt sich dagegen öfter etwas mehr Geschick und Beobachtung zu erkennen.

Nach dem Meister der Spielkarten können wir erst wieder in den zahl- reichen Werken eines Künstlers, den wir in Unkenntnis seines Namens nach den auf einigen seiner Blätter eingestochenen Buchstaben und Jahreszahlen den Meister E. S. von 1466 (oder 1467) zu nennen uns begnügen müssen, einen merkbaren Fortschritt in Formen und Technik feststellen. Er repräsentiert die zweite Periode des deutschen Kupferstiches, lieber seine Heimat hat sich bisher aus Inschriften und Wappen auf seinen Stichen nur ermitteln lassen, dass er in Oberdeutschland, höchst wahrscheinlich im Elsass tätig gewesen sein müsse. Der Kupferstich hätte sich dann also in dieser zweiten Epoche seiner Entwicke- lung vom Niederrhein bis zum Mittelrhein ausgebreitet. In der persönlichen Ausbildung des Meisters E.S. bezeichnen die wenigen 1466 und 1467 datierten Arbeiten wahrscheinlich den Endpunkt seiner Tätigkeit; er mag erst spät als berühmter und viel nachgeahmter Meister für notwendig gehalten haben, seine Blätter zu bezeichnen und scheint auch hierin ein Neuerer gewesen zu sein. Die Werke der niederländischen Maler, besonders Rogers van der Wcyden, hat er offenbar sehr eingehend studiert und sich ihre Errungenschaften zur Aus- bildung eines selbständigen, ganz individuellen Stils zu Nutze gemacht, von ihrer Kompositionskunst aber nur sehr wenig profitiert. Seine Gestalten sind sehr schlank, feinknochig und mager, sehr lebhaft, oft etwas steif, immer aber ver- ständig bewegt und sehr ausdrucksvoll. Die Gesichter sind selten anmutig zu nennen, sein Typus mit breiter, hoher Stirn, vollen Backen, langer, nicht ein- gesandter, nach innen eingebogener Nase und kleinem, zugekniffenen Munde ist fast immer der gleiche, leicht erkennbare. So gelingen ihm ideale Gestalten, wie die Christi und der Madonna, viel weniger als individuelle Bildungen. Seine Kenntnis des nackten Körpers ist noch recht dürftig, unter den überreichen, eckigen Falten der Gewänder weiss er jedoch die Formen und Bewegungen sehr richtig anzudeuten.

Für die Ausbildung der Technik ist der Meister E. S., der hierin wohl ein Schüler oder wenigstens Nachfolger des Meisters der Spielkarten gewesen ist, epochemachend und nicht nur in Deutschland vorbildlich geworden. Er ist der erste Stecher, der die Technik schon soweit beherrscht, dass sein Grabstichel geschmeidig wie eine Zeichenfeder allen feinen Biegungen der Formcnumrissc folgt. Durch Massen feiner, gerader, in den tiefen Schatten schräg einander

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Meiner E. S. Thronende Madonna mir dem Kinde und hngeln. l'aji. 14).

schneidender, nach dem Lichte zu in Punkte auslaufender Strichclchcn weiss er plastische Rundung und einen gut abgewogenen Gesamtton zu erzielen. Sein Haupt-

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werk ist die bekannte grosse Madonna von Einsicdeln, 1466 datiert (Bartsch 3 5), die wohl als Gedenkblatt für das an dem berühmten Wallfahrtsort gefeierte Fest der Engelweihe ausgeführt worden ist. Es stellt die Kapelle dar, in der Pilger vor dem Altar der Madonna knieen, und darüber auf der Empore die Dreieinig- keit mit vielen Engeln. Unter den ungefähr joo Stichen, die dem Meister E. S. zugeschrieben werden dürfen, sind heilige und profane Gegenstände jeder Art ver- treten, neben vielen biblischen Darstellungen, Madonnen, (siehe die Abb. von Pass. 14)) und Heiligen, Liebesszenen, Spielkarten, Alphabete, Wappen und anderes mehr. Die Interieurs, in denen die Perspektive noch recht mangelhaft ist, sind ebenso liebevoll behandelt wie die Landschaft, in der allerdings die einzelnen, sehr gut gezeichneten Pflanzen am Boden viel zu gross erscheinen. Besonders geistvoll sind die Tiere beobachtet und dargestellt. Er ist ein starkes, herbes Talent, das mit Erfolg nach der Beherrschung der einzelnen Form strebt, aber die einzelnen Teile noch nicht in das naturgemässe Verhältnis zu einander und zum Räume zu setzen vermag; er komponiert noch als echter Goldschmied ganz flächenhaft und ornamental.

Der Einfluss des Meisters E. S. muss sehr stark gewesen sein und zeitlich wie räumlich weithin gewirkt haben. Das beweist nicht bloss die grosse An- zahl von Kopien, die in Deutschland wie in den Niederlanden und in Italien nach seinen Stichen gefertigt worden sind, und die starke Benutzung von Motiven aus ihnen vornehmlich für kunstgewerbliche Arbeiten, sondern vor allem auch die schulbildende Wirkung seiner Technik. Die dem sogenannten Meister der Sibylle zugeschriebenen Blätter, besonders die Darstellung der Sibylle mit dem Kaiser Augustus, die eine weichere und malerischere Formenbehandlung zeigen, werden jetzt für frühe Arbeiten des Meisters E. S. selber angesehen. Die enge Anlehnung der schwächeren Künstler an den kraftvollen Meister kann uns nicht wundern, wenn wir sehen, dass auch die selbständigsten und bedeutendsten seiner Zeitgenossen und Nachfolger im wesentlichen von seiner Technik aus- gehen, mag auch der gewaltige Fortschritt ihre Herkunft nur schwer kenntlich machen.

Das ist in erster Linie bei Martin Schongauer der Fall, dem ältesten deutschen Kupferstecher, den wir auch als Maler kennen. Er ist höchst wahr- scheinlich vor 1^40 in Kolmar als Sohn eines von Augsburg dorthin einge- wanderten Goldschmiedes geboren und hat seine Ausbildung unter dem Einflüsse Rogers van der Weydcn oder seiner Werke vollendet. Er ist in Kolmar und in

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Breisach, vo er 1491 stirbt, als Maler und Stecher tätig gewesen. Wir kennen von ihm 113 Kupferstiche, die alle mit seinem Monogramm M. $ S. be- zeichnet sind. In seinen religiösen Darstellungen hat er Gestalten von edler Reinheit des Ausdrucks und von hoher "Würde der Erscheinung geschaffen, besonders in der Madonna und Christus, dessen Typus lange vorbildlich geblieben ist. Allen seinen Menschen ist eine gewisse kindliche Befangen- heit eigen, der Zauber eines unschuldvollen Gemütes, und doch weiss er Intelligenz und bewusste Grösse fühlbar zu machen und in den dramatischen Szenen der Handlung die grösste Lebendigkeit und Energie der Bewegung zu verleihen. Vor allem aber folgt er mit überraschendem Scharfblick der natür- lichen Erscheinung der Gegenstände bis in die feinsten Einzelheiten und gibt Formen und Bewegungen fast immer mit genialer Sicherheit wieder. Dies hervor- ragende Talent in der Naturbeobachtung und die ausserordentliche Lebhaftig- keit seiner reichen Phantasie haben ihm die Bewunderung selbst der grössten Meister der entwickelten italienischen Kunst, wie Michelangelos eingetragen. Seine Werke sind auch in den romanischen Ländern und in den Niederlanden viel kopiert und studiert worden.

Wie in der freien Natürlichkeit der Formen und in der Anmut und Tiefe des Ausdrucks geht Schongauer auch in der Technik ein gewaltiges Stück über den Meister E. S. hinaus. Er ist der Vertreter der dritten und letzten Entwicke- lungsstufe des deutschen Kupferstiches im XV. Jahrhundert. Sein Hauptverdienst darf man wohl darin sehen, dass er zuerst den Wert der einzelnen Linie ganz erkannt und zur Geltung gebracht hat. Von dem unruhigen Gewirr planlos neben- und durcheinander gezogener Schraffierungslinien, die in den früheren Stichen die Formen gestalten sollten, schreitet Schongaucrs Technik zu einer wohlüberlegten, planmässigen Verwendung sorgfältig, bestimmt und klar ge- zogener einzelner Linien fort. In seinen früheren Arbeiten macht sich jene Unruhe in den dunklen Tönen noch bemerkbar. Die tiefen Schatten sind durch engere Massen von Strichen hergestellt und werden durch feinere, hakenartige Linien und Punkte in das Licht übergeleitet. Später beschränkt sich die Schraf- fierung auf wenige lange und glcichmässige Linienzüge, die in den Tiefen durch Kreuzlagen verstärkt werden und nach dem Lichte zu in Spitzen mit spärlichen vorgelegten Punkten ausgehen. Er erreicht so eine bis dahin unbekannte Tiefe und Klarheit der Schatten und Zartheit der Uebergänge und zugleich eine grosse Ruhe der Töne, die er nun ganz nach dem gewollten malerischen Eindruck ab-

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zustimmen imstande ist. Diese Tendenz in der Entwicklung der Schongauer- schcn Technik ist in den einzelnen Stichen ganz deutlich zu verfolgen und auch im wesentlichsten immer richtig erkannt worden , obwohl im einzelnen die Datierungen sehr schwanken. Ein äusseres Merkmal, die steilere Form des Buch- stabens M im Monogramme unterstützt die Unterscheidung der frühesten Arbeiten des Meisters von denen der mittleren und der späteren Zeit, wo die Schenkel des M nicht senkrecht sondern immer schräg gestellt sind.

Zu den frühesten Werken Schongauers gehört vor allem die Madonna auf dem Halbmond (B. 31), die noch einen ganz hellen, unruhigen Ton zeigt, der Schmerzensmann (B. 69), die Madonna mit dem Papagei (B. 29), dann eine Reihe seiner grössten und bedeutendsten Stiche wie die berühmte Versuchung des heiligen Antonius (B. 47) , die mit ihren bizarren und doch so naturgemäss aus Gliedern von Fischen, Käfern, Kröten und dergleichen zusammengesetzten Tcufels- fratzen die grösste Bewunderung erregte; dann die Darstellungen aus der Jugend- geschichtc Christi in grossem Formate, die offenbar eine Folge bilden sollten: die Geburt Christi (B. 4), die Anbetung der Könige (B. 5), die Flucht nach Aegypten (B. 7), der Tod Mariac (B. 32,) und vor allem das herrliche, an feinen Beobachtungen und künstlerischen Schönheiten überreiche, grosse Blatt der Kreuztragung (B. 21), dessen ergreifendes Hauptmotiv Dürer und RafFael zu benutzen nicht verschmäht haben. Die zeichnerische Vorzüglichkeit aller dieser Werke lässt vermuten, dass Schongauer schon ein reifer Meister war, als er sich dem Kupferstiche zuwandte, oder dass wir seine frühesten Versuche nicht kennen. Es mag auch ein frühreifes Talent gewesen sein, das schnell die Höhe der Vollendung erreicht und dann seinen Stil nicht mehr wesentlich ver- ändert hat. Für die Erkenntnis seiner Entwickelung sind wir fast ausschliesslich auf die Kupferstiche angewiesen, da nur wenige, nicht einmal sicher authentische und fast durchgehends undatierte Bilder von ihm bekannt sind. Starke Stilunter- schiede können wir in den Formen der Kupferstiche nicht beobachten, nur lässt sich die Umgestaltung der Typen von der noch an Roger erinnernden Herbheit und Knochigkeit zu grösserer Anmut, Weichheit und Rundlichkeit der Formen, zu grösserer Lebendigkeit und Gelenkigkeit der Bewegungen und zu tieferer Vergeistigung des Ausdrucks deutlich wahrnehmen.

Die Arbeiten der mittleren Zeit glaubt man nach dem stärkeren Ueberwicgen derKrcuzschraf fierungen und demVerschwinden derHäkchen besti mmen zu können. In diese Zeit gehört die Passionsfolge (B. 9 20), die Apostel (B. $4 45) und

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Marlin Schongauert Die Verkündigung.

ausser vielen anderen das besonders schöne Noli nie tangere (B. 2 6), in dem das Unkürperiiche der Gestalt Christi wunderbar rein angedeutet ist. In den

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vermutlich spätesten Stichen wird die reine, klare Linie und die kräftige Kreuz- schraffierung ganz massgebend für die Formengestaltung, die Kontraste zwischen den sehr tiefen Schatten und den grossen, hellen Flächen werden stärker, die Umrisse an der Schattenseite dicker. Zu den spätesten Arbeiten Schongauers gehören die Madonna im Hofe (B. 3 1), die Madonna auf der Rasenbank (B. 30), die Verkündigung (B. j , s. Abb.), die Folge der klugen und der tünchten Jung- frauen (B. 77 86) und manche der kleinen Heiligen, wie die h. Katharina (B. 64), deren Vcrgleichung zum Beispiel mit der h. Agnes (B. 6z) für den Unterschied der späteren von der früheren Technik sehr lehrreich ist. Ueberhaupt scheint Schongauer später die kleineren Formate bevorzugt zu haben. Auch die Genredarstellungen, wie die sich prügelnden Lehrjungen (B. 91), der Müller mit der Eselin und dem Eselfüllen (B. 89 s. Abb. S. 5 5) und die technisch besonders virtuosen ornamentalen Blätter, die ohne Zweifel als Vorlagen für Goldschmiedc- arbeiten gedacht waren, wie der Bischofsstab (B. 106), das grosse Rauchfass (B. 107) und die Runde mit Wappenhaltern (B. 96 105) sind wohl sicher in der letzten Zeit entstanden.

Als Albrecht Dürer auf seiner Wanderschaft, die er 1490 antrat, nach Kolmar kam, fand er Meister Martin nicht mehr unter den Lebenden, aber dessen Brüder nahmen ihn, wie uns erzählt wird, freundlich auf. So gross Schon- gauers Einfluss gewesen ist, von seinen unmittelbaren Schülern und im besonderen von seinen Brüdern wissen wir nichts. Das Monogramm L 4 S, das sich auf einigen in Schongauers Art gestochenen Blättern findet , hat man auf Martins Bruder Ludwig gedeutet; weniger wahrscheinlich ist die Existenz eines anderen Bruders Bartcl, dem man eine Anzahl von Stichen mit dem Monogramm b tj S, das aber wohl eher „b g" als „b s" gelesen werden muss, hat zuweisen wollen. Unter den Stechern, die nicht nur, wie das sehr viele taten, Schongauers Blätter kopierten, sondern unmittelbar von seiner Kunstweisc und Technik ausgehend mit einer gewissen Selbständigkeit arbeiteten, sind besonders die beiden Meister zu nennen, deren Stiche mit A. G. und W. H. bezeichnet sind. Den ersten glaubte man als Albert Glockenton, der aus einer Nürnberger Miniatorenfamilie stammte, zu kennen, den anderen hat man, ebenfalls nur nach unsicherer Tradition Wolf Hammer genannt. Ein Schüler des Kolmarer Meisters muss auch der nieder- rheinische Stecher mit dem Monogramm B. R. und einem Anker gewesen sein. Nur als Kopisten Schongauers kennen wir den Meisterl. G, der durch das seinem Monogramm beigefügte Wappen von Köln seine Heimat anzudeuten scheint.

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Ein geistreicher, selbständiger Künstler, der seine Ausbildung offenbar vor- nehmlich Schongauer verdankt, ist der Me is ter L. Cz., den man früher falschlich mit Lucas Cranach zu identifizieren suchte. Mit seinem Meister hat er den Reichtum der Erfindung und das Gefühl für Anmut und malerische Wirkung gemein, wenn er ihm auch an Kraft der Formengestaltung weit nachsteht. Seine Versuchung Christi und die Flucht nach Aegypten gehören zu den reizvollsten Leistungen der Schongauerschule. Auch der Meister B. M. verdient unter den Nachfolgern Schongauers eine ehrenvolle Erwähnung, und sein Hauptwerk, Johannes auf Fathmos eine eingehendere Betrachtung. Wenzel von Olmütz hat dagegen die Aufmerksamkeit der Forschung über Gebühr in Anspruch ge- nommen, hauptsachlich, weil man kurze Zeit seine mit dem Buchstaben W be- zeichneten Stiche fälschlich Michael Wolgemut zuschreiben zu können geglaubt * hat. Er scheint ausschliesslich Kopist gewesen zu sein und hat ausser Schongauers Tod Mariae, der mit seinem vollen Namen und dem Datum 1483 bezeichnet ist, auch Stiche vieler anderer gleichzeitiger Meister, darunter auch frühe Blätter Dürers sorgfältig und geschickt, aber etwas mechanisch nachgestochen.

Das grösste Interesse haben für uns die wenigen, aber künstlerisch bedeuten- den Blätter, die Veit Stoss (1447 1 533)» der berühmte Nürnberger Bildhauer gestochen und mit seinem Handzeichen f^-S versehen hat, besonders eine Ma- donna (s. Abb.), die Auferweckung des Lazarus und eine Pietä. Seine Zeichnung ist etwas manieriert, aber sicher und kräftig, während in seiner Technik der Mangel an Uebung und an System in der Verwendung der Linien sich bemerkbar macht. Auch von dem Bildhauer Jörg Syrlin kennen wir einen Kupferstich, der den Entwurf zu einem Taufbecken darstellt. Oberdeutscher, vielleicht Nürnberger, ist wohl auch der Monogrammist W. B., ein Meister von ähnlicher Unab- hängigkeit in der Formgebung, von dem nur einige Brustbildnisse erhalten sind, und in dem man den Maler Bartholomaeus Zeitblom hat sehen wollen.

Zwischen Schongauer und Dürer hebt sich der M c i s t e r d e s A m s t c r d a m e r Kabine ts (oder des Hausbuches, auch von 1480 genannt) als der bedeutendste Vertreter der deutschen Stechkunst im XV. Jahrhundert hervor; er nimmt aber nicht eigentlich eine vermittelnde Stellung zwischen den beiden Heroen ein, sondern stellt sich in seiner genialen Originalität abseits von ihnen. Seinen Namen verdankt er dem Umstände, dass der grüsste Teil seiner überaus seltenen, meist nur in einem oder zwei Exemplaren erhaltenen Stiche im Kupfcrstich- kabinet zu Amsterdam aufbewahrt wird. Die Kostüme seiner Figuren zeigen

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ihn im letzten Viertel des XV. Jahrhunderts tätig. Man hielt ihn früher für einen Niederländer, aber nicht nur der Stil seiner Kunst weist deutlich auf die Gegend von Schwaben oder den Mittelrhein hin, sondern auch einzelne äussere Umstände. Unserem Meister ist ohne Widerspruch eine Reihe von Zeichnungen in einem für die württembergische Familie Goldast hergestellten Bande, dem sogenannten „Hausbuche" in Wolfegg zugeschrieben worden. Er ist ebenso sicher als der Maler einer Anzahl von Bildern aus Mainzer Kirchen erkannt worden, und deshalb der Mittelpunkt seiner Tätigkeit in diese Stadt, in der er jedenfalls Schule gemacht hat, versetzt worden. Dass der Meister des Amster- damer Kabinets Maler war und ganz als Maler auch den Zeichenstift und den Grabstichel handhabt, lassen seine Stiche deutlich erkennen. In ihrer Wirkung zeichnen sie sich vor allem, was das XV. Jahrhundert geschaffen hat, durch eine be- wunderungswürdig fein nuancierte Farbigkeit der Töne aus. Er eilt seiner Zeit auch darin voraus, dass er augenscheinlich nicht nur mit dem Grabstichel arbeitet, sondern hauptsächlich mit der Nadel in ganz freier Führung die Formen behandelt und mit dieser damals ganz neuen Technik der Wirkung der Radierung in den tiefen, farbigen Schatten wie in den duftigen Fernen der Landschaft sehr nahe zu kommen imstande ist (s. Abb.).

Fast die Hälfte seines ungefähr oo Blätter umfassenden Werkes besteht aus allegorischen Darstellungen und aus Szenen des gewöhnlichen Lebens, das er mit liebenswürdiger Unbefangenheit und seltener Schärfe beobachtet hat. Die leichte, skizzenhafte Behandlung erhöht den Reiz seiner ungemein lebendigen und cmpfindungsvollen Vortragsweise. Er beherrscht die äussere Form und weiss die charaktervolle Hässlichkeit seiner alten Heiligen wie die liebreizende jugend- liche Schönheit seiner Madonnen und seiner verliebten Herren und Damen gleich vorzüglich wiederzugeben. Er ist ein wahrer Künstler, der uns in seinen Stichen ein volles poetisches Bild des Lebens in allen seinen Stimmungen von Liebeslust bis zum Todesschauer gibt. Die subtile Technik der Stiche kann nur eine sehr geringe Anzahl von Abdrücken zugelassen haben. Von ihrem praktischen Zwecke können wir uns deshalb schwer eine Vorstellung machen. Es sind keine eigent- lichen Studien, vielmehr fein durchdachte und abgerundete, bildmässige Kompositionen, die am ehesten noch als Vorbilder für die lernbegierige Kunst- jugend bestimmt gewesen sein könnten. Wir müssen doch wohl annehmen, dass es damals schon in Deutschland Liebhaber gegeben habe , die solche Feinheiten vom rein künstlerischem Standpunkte aus zu würdigen wussten. Die Blätter des

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Meister des Amsterdamer Rjbincts Die Kreuzigung.

Meisters des Amsterdamer Kabinets sind jedenfalls sehr geschätzt gewesen und eifrig von verschiedenen Stechern kopiert worden, vornehmlich von Wenzel von

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OlmUtz und von dem als Kopisten nach Schongauer schon erwähnten Monogram- misten b rf g, der auch in der Art seiner Zeichnung den Meister nachahmt und wohl in seiner nächsten Nähe tätig gewesen sein wird.

Höchst wahrscheinlich ein Kölner ist der Meister P. P. W., dessen Ar- beiten mit denen der niederländischen Stecher F. V. B. und Israel von Meckcnem formale und technische Verwandtschaft aufweisen. Das Schlussblatt seines Karten- spiels in runden Blättern (s. Abb.) bildet das Wappen der Stadt Köln, es ist also jedenfalls dort angefertigt und auf den Markt gebracht worden. Dem Umfange nach ist sein Hauptwerk eine 112X51 cm grosse Darstellung des „Schwaben- krieges", des unglücklichen Feldzuges, den Kaiser Maximilian im Jahre i.joy

gegen die Schweizer unternahm, die grösste Arbeit des deutschen Kupfer- stiches im XV. Jahrhundert. Sic ist mit einer längeren Inschrift in kölnischem Dialekt versehen. Das Schlachtfeld ist in Vogelperspektive dargestellt und durch Episoden des Kampfes und des Lagerlebens mit meist zu gross ange- legten Figuren reich belebt. In der Aus- führung der Details können diese und andere Werke des begabten Künstlers zu den vorzüglichsten Leistungen des deutschen Kupferstiches gerechnet wer-

Mcisccr H F. W , Kclkendamc aus dem Kartenspiel. <*Cn. Die Tiere Und die Blumen, die

auf den Karten die Farben bilden, sind sehr gut beobachtet und besonders die Pferde oft ausgezeichnet modelliert und elegant bewegt. Seine Männertypen erinnern an holländische Derbheit und Kraft, die Gesichter der Frauen haben eigentümlich hohe, runde Stirnen und fast kugel- förmige Backen. Seine Formen sind im allgemeinen etwas weich und wulstig und sehr zart und rund modelliert. Als ein niederrheinischcr Stecher kann wahr- scheinlich auch der Monogramm ist P. M. angesehen werden, der künstlerisch noch Beziehungen zur van Eyck- Schule erkennen lässr.

Zum Schlüsse mögen noch zwei deutsche Stecher genannt werden, deren Tätigkeit allerdings zum Teil schon dem XVI. Jahrhundert angehört, die aber doch eher als Nachzügler aus dem XV. Jahrhundert denn als Vertreter der neuen

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Zeit betrachtet werden müssen. Nikolaus Alexander Mair von Landshut (um 1491 1 5 14) ist kein grosser Zeichner oder Techniker, aber ein geschickter

Meiner M. Z , Oaj I icbopaar.

Erzähler von Begebenheiten des Alltagslebens. Der Meister M. Z., dem man unter vielen anderen auch den Namen Matthäus Zasinger ohne Grund beigelegt

Israel von Mcckcncm, Das Duetc.

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hat, ist in der Formengcbung auch nicht sehr sicher und präzis, aber viel ge- schickter als Mair. Er ist offenbar von italienischen Vorbildern ebenso venig wie von Dürer ganz unabhängig. Eine allegorische Gestalt, ein nacktes Weib auf einem Totenschädel, erinnert sehr an Dürers grosses Glück. Ueberhaupt sind seine Formen und Gewänder schon cinquecentistisch voll und üppig. Zwei seiner Haupt- blätter, ein grosses Turnier und ein Patrizierball sind 1 500 datiert, eine Madonna 1501 und eine Genredarstellung, eine Dame, die in einem Zimmer einen Herrn umarmt, 1503. Seine Technik ist ganz entwickelt, frei und routiniert, macht aber den Eindruck einer gewissen Flüchtigkeit; er verwendet Kreuzschraffierungen, verschiedenartige, sehr zarte und feine Strichbildungen in effektvoller Mischung und weiss seinen Blättern einen feinen Silberton zu geben (s. Abb.).

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Wie schon erwähnt, hält man es nicht für unwahrscheinlich, dass die Kupferstichtechnik für den Bilddruck sich von den Niederlanden aus nach Deutschland der Linie des Rheins aufwärts folgend verbreitet habe, man ist aber bis jetzt noch nicht imstande gewesen, den Anteil der beiden Länder in der Frühzeit nach stilistischen Prinzipien genauer zu bestimmen. Besonders lassen sich die Kölner Stecher von den niederländischen kaum unterscheiden. Nur vermutungsweise konnten einige der frühesten Künstler, wie der Meister der Liebesgärten, den Niederländern zugewiesen werden. Erst in der zweiten Periode, in der Zeit des Meisters E. S. und Schongauers wird es möglich, einige genauer umschreibbare Persönlichkeiten mit einer gewissen Sicherheit als Niederländer zu bezeichnen. Der Meister der Berliner Passion, offenbar ein Schüler des Meisters der Spielkarten, auf dessen Stichen sich flämische In- schriften finden, ist höchstwahrscheinlich als Goldschmied bis 1457 in Bocholt tätig gewesen. Israel van Mcckcncm (geb. 1450, gest. in Bocholt 1 503), dessen stilistische Beziehung zu ihm schon lange erkannt worden ist, und der ebenfalls in Bocholt als Goldschmied tätig war, soll, wie man neuerdings nachzuweisen versucht hat, sein Sohn und Nachfolger gewesen sein. Der Meister der Berliner Passion ist nicht ohne Verdienst, besitzt aber keinen bestimmt ausgeprägten künstlerischen Charakter, Israel glänzt nur durch seinen emsigen Flciss. In seinen ungefähr 600, zum Teil recht umfangreichen Blättern kopierter unermüdlich, was ihm unter die Augen kommt, besonders die Stiche des Meisters E.S., Schongauers, des Hausbuchmeisters und selbst frühe Arbeiten Dürers, daneben aber auch Gemälde, wie die Augsburger Dombilder des älteren Holbein und

Meister J. A. M. von /.»olle, AtlUChnitt au» der Anbetung Jet Könige.

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M»-i»tcr KV B , Der h. Antomu» brcuuu.

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andere mehr. Der spezifisch niederländische Charakter tritt deshalb bei ihm viel weniger stark hervor als bei anderen mehr originalen Stechern. Am frischesten und anziehendsten wirken diejenigen seiner Blätter, in denen er aus der unmittelbaren Anschauung des Alltagslebens schöpft, wie zum Beispiel die Kartenpartic (P. 251), der Tanz der Verliebten (B. 101), das Duett (B. 174. s. Abb.) und das Doppcl- bildnis, in dem er sich neben seiner Gattin dargestellt hat (B. 1).

Wenig bedeutend sind die zehn Illustrationen der 1476 von Colard Mansion in Brügge gedruckten Erzählungen Bocaccios von berühmten Unglück- lichen, die von einem Unbekannten in Kupferstich ausgeführt sind, dagegen zeigen der Mci st er der vermutlich beim Meister E.S. in die Schule gegangen ist, und besonders der Meister I. M. oder I. A. M. von Zwolle schon eine stärker ausgeprägte Eigenart. Hier tritt die Verwandtschaft der Stecher mit der holländischen Malerei ganz klar zu Tage, wenn auch besonders der Meister von Zwolle in derben, naturalistischen Motiven zum Beispiel in dem Apostel, der beim Abendmahl sich die Nase mit den Fingern schnäutzt in den plumpen, groben Typen, dem leidenschaftlich erregten Ausdruck der Gesichter und in der übertriebenen Heftigkeit der Bewegungen sich von der stimmungsvollen Ruhe der Gemälde sehr weit, oft bis zur Karikatur entfernt. Seine Technik ist sehr klar und regelmässig, aber etwas nüchtern und trocken (s. Abb.).

Der beste der niederländischen Stecher des XV. Jahrhunderts ist ohne Zweifel der Meister F. V. B., dem die Tradition den Namen Franz von Bocholt beigelegt hat. Seine klar und geschickt angeordneten Kompositionen sind reich an feinen, dem Leben abgelauschten Motiven, die Bewegungen seiner Gestalten wie ihr Ausdruck voll gemessener Würde und tiefen Ernstes doch nicht ohne die den Holländern eigentümliche Schwerfälligkeit. Sein Hauptwerk ist das Urteil Salomos (B. z), das auch seine ganz Schongauersche Sorgfalt und Ueberlegthcit in der Führung der Taillen und sein malerisches Geschick in der Verteilung der Töne vorteilhaft zur Geltung kommen lässt (s. Abb.). Allart du Harne el (1449 1509), der als Baumeister in Hertogenbosch tätig war, hat auf einer Reihe von Stichen seinem Namen oder seinem Monogramm die Bezeichnung „bosche" hinzugefügt. Dies Wort scheint aber nicht oder nicht immer seine Heimat, sondern den Erfinder der Kompositionen, seinen Landsmann, den genialen und bizarren Maler Hieronymus von Ackcn, der auch Hieronymus Bosch genannt wird, andeuten zu sollen. Jedenfalls sind die Kompositionen seiner Hauptblätter, des jüngsten Gerichtes (s. Abb.) und des heiligen Christopherus, durchaus in

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seinem Geiste erfunden und mit Teufelsfratzen und unheimlichen Mischwesen aller Art, wie sie nur die üppige Phantasie und der charaktervolle Humor Boschs zu gestalten vermochten, angefüllt. Du Hamcel hat ausser heiligen Gegenständen

.Altart du Hamcrl, nach Hicronvmus Bosch, Das jüngste Gericht. Ausschnitt.

auch eine allegorische Genreszenc, ein musizierendes Paar am Brunnen und drei Ornamentstücke gestochen. Seine Technik mit den langgezogenen, rundlichen Schraffierungen und der fleissenden Strichführung erinnert an die Manier des Meisters von Zwollc.

Au» dem Dialopu« Crearurarum. Gouda, Gerhard Leu, 1480.

DER HOLZSCHNITT IN DEN NIEDERLANDEN.

ie in Deutschland muss auch in den Niederlanden, der Holz- schnitt schon in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts eifrige Pflege gefunden haben. Wir können das aus den oben angeführ- ten urkundlichen Nachrichten schliessen ; es ist aber bisher nicht gelungen, sicher niederländische datierbare Arbeiten aus so frUher Zeit nachzuweisen. Unser Denkmälervorrat enthält niederländische Holz- schnitte erst aus der Zeit nach der Mitte des XV. Jahrhunderts, als der Stil der van Eyck schon allgemein zur Herrschaft gelangt war. Dann aber künnen wir uns an Leistungen von grosser Vorzüglichkeit, in denen die Kunst der grossen Maler voll wiederklingt, erfreuen.

Die Abgrenzung des Kulturgcbietcs der niederländischen Provinzen ist äusserst schwierig, sowohl einerseits nach Nicdcrdcutschland zu, als auch anderer- seits gegen Frankreich. Die Landschaften etwa, die heute als Belgien und Holland, als Niederlande zusammengefasst werden, gehörten damals zum Herzogtum Burgund, dessen Stammland ganz in das französische Sprachgebiet fiel und sich nach Süden fast bis an die Rhone ausdehnte. Der Prunk burgundischen Hof- lebens, sein Luxus und seine künstlerischen Ausdrucksformen sind bis zum Tode Karls des Kühnen (1477) weithin vorbildlich gewesen. Der Hof der mächtigen burgundischen Herzüge bildete einen hoch bedeutenden künstlerischen Mittel- punkt, dem gegenüber die blühenden niederländischen Städte ihre Selbständig- keit nur schwer behaupten konnten. So eng die Beziehungen der Teile des

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burgundischen Reiches auch in jeder Hinsicht waren, so hat man doch neuer- dings nicht ohne Berechtigung, aber leider auch nicht ohne nationale Vorein- genommenheit, die künstlerische Entwickelung der französisch-burgundischen Landschaften in engeren Zusammenhang mit dem eigentlichen Frankreich zu bringen gesucht. Auch für den Bilddruck müssen vir eine solche Trennung der mutmasslich französisch-burgundischen oder rein französischen Denkmäler von den niederländischen ins Auge fassen und diese Gruppe von Holzschnitten mit den späteren Arbeiten sicher französischen Ursprungs in Verbindung zu setzen suchen.

Den niederländischen Holzschnitt lernen wir fast ausschliesslich in den Blockbüchern und in Illustrationen typographischer Bücher kennen. Unter den Blockbüchern ist die erste, xylo-chirographische Ausgabe des Excrcitium super patcr noster, einer Erläuterung der 10 Sätze des „Vater unser" durch 10 Darstellungen, (Paris, Schreiber 1) ohne Zweifel das älteste. In dem einzig erhaltenen Exemplar dieser ältesten Ausgabe sind die Inschriften in den Bildern in lateinischer, der erläuternde Text unter den Darstellungen in flämischer Sprache handschriftlich beigefügt. In einer anderen, späteren niederländischen Ausgabe sind Inschriften und Text in lateinischer und in flämischer Sprache in den Holz- stock geschnitten. Die Kompositionen dieser zweiten niederländischen Ausgabe sind umgearbeitet, die Kostüme der Mode entsprechend verändert; auch die tech- nische Ausführung ist die einer späteren, entwickelteren Stufe des Holzschnittes. Die Bilder der ersten Ausgabe zeigen dagegen viel frühere Kostüme, strengere Zeichnung und einfachere Technik ohne alle Schraffierung. Sie sind in der weichen Rundung der Falten, im Charakter der gleichmässigen, nicht sehr starken Linien mit unscharfen Rändern, in der schwarzen Farbe des Druckes, überhaupt im Stil der Zeichnung den Holzschnitten der zweiten, oben beschriebenen und dem zweiten Viertel des XV. Jahrhunderts zugewiesenen Gruppe sehr verwandt, wahrscheinlich um 1450 in Flamland entstanden.

Das „Exercitium" scheint das einzige erhaltene niederländische Blockbuch aus so früher Zeit zu sein, alle übrigen werden durch die Kostüme, die Zeich- nung und die Technik in eine etwas spätere Zeit, etwa in das dritte Viertel des XV. Jahrhunderts versetzt. Künstlerisch stehen sie zum grössten Teil weit über den deutschen Blockbüchern, denen, wie wir sahen, viele von ihnen als Vor- lagen gedient haben. Sie sind in blassgrauer oder graubrauner Bisterfarbe sehr scharf und sorgfältig mit dem Reiber, anopistographisch, das heisst immer nur auf einer Seite des Blattes, gedruckt.

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Als Vorläufer des Buchdruckes überhaupt können diese erhaltenen nieder- ländischen BlockbUcher nicht angesehen werden, wahrscheinlich aber haben sie Vorgänger gehabt, die aus Bildern mit Text oder nur aus Schrift, wie jene Doctrinale und Donate, bestanden, und die Ober die Zeit des Typendruckes hinaufreichen. Jedenfalls sind sie aber, zum grossen Teil wenigstens, vor der Einführung des Typendruckes in den Niederlanden (1473) entstanden. Dass man auch nach der Verbreitung des Typendruckes mit der Herstellung von solchen BlockbUchern fortfuhr, hatte seinen Grund wohl darin, dass beim Klein- betrieb die Ausführung des Textes ebenso wie der Druck mit dem Reiber billiger und bequemer war, weniger Apparat und Hilfskräfte erforderte. Man mochte sich auch an den künstlerischen Charakter der Schrift und an die an- genehme braune Temperafarbe des Druckes sehr gewöhnt haben.

Das verbreiteteste der niederländischen BlockbUcher scheint die Biblia pauperum gewesen zu sein, deren deutsche Ausgaben wir schon betrachtet haben. Alle niederländischen Ausgaben haben nur lateinischen Text, sind also wohl nur für Gebildetere, für Geistliche, bestimmt gewesen. Es ist bisher trotz vielfachen Versuchen noch nicht gelungen, das Verhältnis der verschiedenen Ausgaben der Biblia pauperum zu einander in befriedigender Weise darzulegen. Nicht einmal ein leitender Gesichtspunkt für die Gruppierung hat festgestellt werden können. Ohne Schwierigkeiten können wir zwei Gattungen von Aus- gaben auseinander halten, die in den Details der Komposition ziemlich stark von einander abweichen.

Die Ausgaben der einen Gruppe bestehen aus 40 anopistographisch mit dem Reiber in bräunlicher Farbe gedruckten Blättern (s. Abb.). Man hat bis zu zehn verschiedene Ausgaben dieses Typus unterschieden, die ohne wesentliche Abweichungen, nach einem gemeinsamen Vorbilde ausgeführt oder eine nach der anderen kopiert sind, zum Teil sogar aus Abdrücken der gleichen Hol/- stöcke mit nur geringen Veränderungen bestehen. Ohne Frage hat dem Holz- schneider eine der Bilderhandschriften dieses Darstellungskreises, die damals in grosser Zahl verbreitet waren, und deren sich noch einige erhalten haben, vor- gelegen. Aber weder die erhaltenen Bilderhandschriften noch der Kunstcharakter der BlockbUcher berechtigt uns zu der Annahme, dass der Holzschneider die Bilder einer bestimmten Handschrift einfach treu in Holzschnitt kopiert habe. Die Vorzüglichkeit der Arbeit und der ganz der Holzschnitttechnik angepasstc Stil der Zeichnung zeigen vielmehr, dass der Holzschneider die Kompositionen

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Blatt der Biblis pauperum (Schreiber IV. Aufgabe) Original :(6X>9> mm.

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der Handschrift in allen einzelnen Bewegungen, Formen, Kostümen, Hinter- gründen und im Beiwerk mit künstlerischer Freiheit umgestaltet haben müsse. Hierzu die Hilfe eines die Zeichnung oder Umzeichnung ausführenden Malers vorauszusetzen, liegt kein zwingender Grund vor. Das eigentlich künstlerisch Verdienst der Formenbildung gebührte dann also dem Holzschneider, der das Original aller uns erhaltenen Kopien ausgeführt hat. Wahrscheinlich haben wir dies, wie wir vermuten dürfen, vorzügliche Urbild nicht unter den erhaltenen Ausgaben zu suchen, sondern als verloren zu beklagen, was bei der grossen Seltenheit der Block büchcr nicht wundernehmen dürfte.

Der Stil der Zeichnung und die Tracht, wie auch die Form der Buchstaben weisen deutlich darauf hin, dass diese Gruppe der Biblia pauperum in den Niederlanden nach der Mitte des XV. Jahrhunderts entstanden sei. Es ist der Stil der Maler der van Eyckschen Schule, besonders die Formcnspracbc Rogers van der Wcydcn, die in diesen und in anderen niederländischen Blockbüchern erkennbar ist. Für den niederländischen Ursprung spricht auch die Tatsache, dass die Holzstöcke zerschnitten von dem holländischen Drucker Peter van Os in Zwolle 1487 als Bücherillustrationcn verwendet worden sind.

Die Strichbildung ist sicher und kräftig und dabei fein und lebendig, so dass auch schwierige Details, wie die einander Uberschneidenden Finger, die Haare klar wiedergegeben sind. Die Innenzeichnung ist ziemlich reich, die Falten sehr eckig und oft hakenförmig endigend, die Schatten sind durch meist kurze, fast gerade, weit gestellte Schraffierungen angegeben. Die Zeichnung ist mit grosser Meisterschaft ganz im Charakter der liniensparenden Holz- schnitttechnik konzipiert, und besonders in der von Schreiber als der vierten bezeichneten Ausgabe bis in alle Einzelheiten voll Empfindung und Formen- verständnis.

Eine Bilderhandschrift, die der Vorlage dieser Ausgaben in der Komposition nahe verwandt war, aber in der zeichnerischen Ausführung von ihr stark abwich, muss sich der Holzschneider der einzigen, nur in einem Exemplar erhaltenen, fünfzigblättrigen Ausgabe, die allein die zweite Gruppe der xylographischen niederländischen Armenbibeln repräsentiert, zum Vorbilde genommen haben. Diese fünfzigblättrige Bearbeitung ist keineswegs nur eine freie und erweiterte Umarbeitung der vicrzigblättrigen. Die Inschriften auf den in die Komposition der Bilder selber geschickt und geschmackvoll eingefügten Spruchbändern, die in den vierzigblättrigen Ausgaben fehlen, kann natürlich der Holzschneider cben-

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sowenig wie etwa ein die Zeichnungen liefernder Maler selbständig hinzu- gesetzt haben. Es ist augenfällig, dass diese Spruchbänder nicht erst später in altere Zeichnungen eingezwängt worden sind, sondern dass sie bei der Kom- position der Figurengruppen von vornherein berücksichtigt wurden. Auch die Ver- änderungen im Texte weisen darauf hin, dass hier eine selbständige Bearbeitung des alten typischen Bilderkreises vorliegt.

Die Kompositionen sind denen der vierzigblättrigen Biblia pauperum in den Grundzögen ganz ähnlich, im einzelnen sind die Bewegungen, Formbildung und das Kostüm, das sehr häufig orientalische Formen nachzuahmen sucht, ganz eigenartig umgestaltet. Wie weit diese Umgestaltung des gemeinsamen Urtypus auf Rechnung des Malers der handschriftlichen Vorlage oder auf die des Holz- schneiders zu setzen sei, können wir nicht mehr beurteilen. Die vorzügliche Qualität der sorgfältiger geschnittenen Teile, die grosse Frische und Lebendig- keit der Bewegungen und des Ausdrucks, die Feinheit vieler Details erheben auch hier den Holzschneider weit über das Niveau eines bloss mechanisch eine Zeichnung kopierenden Handwerkers. Man war wohl imstande einen Holzschnitt mechanisch fast genau nachschneiden. Ein Abdruck des zu kopierenden Holz- schnittes wurde mit der Bildseite auf den Block geklebt, dann das Papier der Rückseite durch Abreiben so weit verdünnt, dass die Zeichnung, nun also gegen- seitig, genau zu sehen war und bequem nachgeschnitten werden konnte. Da- gegen erforderten die Federzeichnungen der Bilderhandschriften immer eine Umbildung der Formen für den Holzschnitt, die in stilistisch befriedigender Weise nur ein Techniker oder ein mit der Technik Vertrauter ausführen konnte, und die man so feinen und geschickten Künstlern, wie diese niederländischen Holzschneider es gewesen sein müssen, wohl wird zutrauen dürfen.

Die fünfzigblättrige Biblia pauperum ist sehr ungleichmäßig geschnitten. Die einzelnen Blätter sind also wohl von verschiedenen Holzschneidern aus- geführt oder, wahrscheinlicher, nach einem verlorenen Holzschnittoriginal von der Vollendung der Ars moriendi, die wir sogleich kennen lernen werden, mehr oder weniger genau und sorgfältig kopiert worden. Dass auch diese fünfzig- blättrige Ausgabe der Biblia pauperum in den Niederlanden entstanden ist, kann keinen Augenblick zweifelhaft sein. Das zeitliche Verhältnis zur Gruppe der vierzigblättrigen Ausgaben ist dagegen schwer zu bestimmen. Man wird aber durch die technische Verwandtschaft der flüchtiger geschnittenen Blatter mit Illustra- tionen in niederländischen, typographisch hergestellten Bücher der siebziger und

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achtziger Jahre dazu geführt, sie zeitlich mehr an das Ende als an den Anfang des dritten Viertels des XV. Jahrhunderts zu rücken.

Eine gewisse stilistische Verwandtschaft mit der fünfzigblättrigen Ausgabe derBiblia pauperum macht sich in den 24 Holzschnitten derServatiuslegende, von der sich nur ein einziges Exemplar mit in hell- bräunlicher Farbe auf beiden Seiten der Blätter (opistographisch) gedruckten Bildern und mit handschrift- lichem französischem Texte in der Brüsseler Bibliothek erhalten hat, bemerkbar. Die sehr lebendigen, wirkungsvoll gruppierten Kompositionen hat man ohne Berechtigung in unmittelbare Beziehung zu den van Eyck zu bringen versucht, deren Stil sie allerdings sehr verwandt sind. Die Darstellungen sind flüchtig, aber mit grossem Geschick und Verständnis geschnitten, als ob der Holzschneider nur leichte Federskizzen, ohne sie sorgfältiger im einzelnen für den Holzschnitt durchzuführen, direkt zur Unterlage genommen hätte. Die Scrvatiuslegende ist höchstwahrscheinlich bei Gelegenheit der Ausstellung der Reliquien des Heiligen in St. Scrvais zu Mastrich in den Jahren 146 1 oder 1468 heraus- gegeben worden.

Mit den Holzschnitten der vierzigblättrigen Biblia pauperum hat das Can- ticumCanticorum in Zeichnung, Technik und Druckausfuhr ung die grösste Uebereinstimmung. Durch 3 2 Dantellungen mit xylographischen lateinischen Textstellen auf Inschriftbändern wird die Deutung des hohen Liedes auf die Jungfrau Maria vcrsinnlicht. Je zwei Darstellungen sind untereinander auf ein Blatt gedruckt. Die eine der beiden bekannten Ausgaben ist eine wesentlich schwächer geschnittene Kopie nach der anderen. Die weiblichen Gestalten sind sehr schlank und zart gebildet und von grosser Anmut der oft recht natürlichen Bewegungen. Noch reizvoller sind die genrehaften, in kleineren Figuren aus- geführten Szenen des Hintergrundes; der Schnitt ist sehr sorgfältig und gleich- massig.

Noch mannigfaltiger in den Kompositionen und in den Details der Zeich- nung und freier und farbiger im Schnitt sind die stilistisch ganz gleichartigen 58 zweiteiligen Bilder des Speculum human ae salvationis (s. Abb.). Der „Heilsspicgel**, wie das Buch in deutschen Ausgaben genannt wird, ist eine morali- sierende Betrachtung des Lebens Christi, dessen einzelnen Ereignissen, ähnlich wie in der Armenbibel, je drei Parallel-Szenen aus dem alten Testamente gegenüber- gestellt werden. Am Schlüsse der Vorrede wird ausdrücklich gesagt, dass das Buch für die „paupercs praedicatorcs", also als Anleitung zur Predigt für die

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niedere Geistlichkeit bestimmt sei. Der längere Text vor der Bilderreihe und unter den einzelnen Darstellungen ist in zweien der vier bekannten Ausgaben in lateinischer, in den zwei anderen in niederländischer Sprache und zwar, im Gegensätze zu den mit dem Reiber in brauner Farbe hergestellten Abdrücken der Bilder, mit beweglichen Lettern mit schwarzer Druckfarbe in der Presse

Aus dem Speculum humanie salvarionis.

gedruckt. Nur in einer der beiden lateinischen Ausgaben ist der Text auf 20 Blättern nicht typographisch hergestellt, sondern wie die Bilder in die Holz- platten geschnitten und mit dem Reiber in blassbrauner Farbe abgezogen. Man hat deshalb lange in dieser Ausgabe ein Ucbergangsstadium von dem xylographi- schen zum typographischen Textdruck erblicken wollen und vor diesem Werke gewissermassen wie vor der Wiege des Buchdruckes, dessen Erfindung man in- folgedessen den Holländern zuschrieb, zu stehen geglaubt. Es hat sich aber

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feststellen lassen, dass diese Ausgabe mit halb xylographischcm, halb typographi- schem Texte nicht die älteste der Ausgaben des Speculum, sondern die dritte in der Reihe ist und dass der xylographische Text nach dem typographischen Satze kopiert ist. Der Drucker dieser gemischten Ausgabe hat also wohl nur der Bequemlichkeit halber, oder weil er an einem Orte ohne Presse arbeitete oder seine Presse im Laufe der Arbeit hatte aufgeben müssen, die ihm gerade fehlenden Textblätter durch Holltafel druck ersetzt. Der Buchdrucker Jan Vcldcner hat die zersägten Holzstöcke 1 481 in Utrecht für seine Episteln und Evangelien und 1483 in Culenburg für seine Buchausgabe des Speculum benutzt. Die Blockbuch- Ausgaben werden also wohl am Anfange der siebziger Jahre entstanden - sein. Die Holzschnitte sind in allen vier Ausgaben die gleichen. Wie gewöhnlich wird gegen das Ende des Werkes die Sorgfalt in der Ausführung geringer.

Als das vorzüglichste aller niederländischen Blockbüchcr, ja als eine der glänzendsten Leistungen des frühen Holzschnittes überhaupt muss die erste Aus- gabe der xylographischen Ars moriendi, der „Kunst zu sterben" angesehen werden. Der Zweck dieses lateinischen Tractates, der sich zu jener Zeit einer ausserordentlichen Beliebtheit erfreut haben muss, war der, den jungen Geistlichen als Anleitung für ihre seelsorgerische Tätigkeit am Bette des Sterbenden zu dienen. Die Bilder sollten den eindringlichen Mahnungen der Worte Nachdruck verleihen und die Einbildungskraft des Predigers unterstützen, vielleicht auch den Beichtkindern selber im geeigneten Augenblicke vorgewiesen werden. Den auf dem einen Bilde dargestellten bösen Eingebungen des Teufels, denen der Mensch in schwerer Stunde ausgesetzt ist, werden immer auf dem folgenden Bilde die guten Ratschläge des Engels, der den Menschen vor dem Falle zu schützen sucht, gegenübergestellt. Ausser dem Schlussbilde, der Agonie, sind es fünf Bilderpaare, in denen die verschiedenen Versuchungen, zum Unglauben, zur Verzweiflung, zur Ungeduld, zur Ueberhebung, zur Habsucht und die Ermahnung des Engels, sie zu überwinden, dargestellt sind.

Von diesem verbreitetesten aller Blockbücher hat sich eine ganze Reihe von Ausgaben erhalten, die zum Teil nach einander kopiert sind, zum Teil auf ver- schiedene Bearbeitungen des Gegenstandes in Handschriftzeichnungen oder Miniaturen zurückgehen. Das Verhältnis der einzelnen Holzschnittfolgen wird sich kaum mehr genau ermitteln lassen. Künstlerisch ist ohne Frage die soge- nannte editio prineeps oder Weigeliana, die aus der Weigelschen Sammlung in das British Museum in London gelangt ist, an die Spitze der ganzen Reihe zu

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stellen (s. Abb.). Nach ihr sind offenbar die meisten anderen zum Teil nieder- ländischen, zum Teil deutschen Ausgaben mit lateinischem oder deutschem Texte und auch mehrere Kupferstichfolgcn direkt kopiert worden. Einige Ausgaben mit etwas abweichenden Darstellungen mögen sich andere Handschriften zum Vorbilde genommen haben.

Die künstlerische Ueberlegcnheit der Wcigclsch.cn, ersten Ausgabe über allen anderen und infolgedessen auch ihre künstlerische Originalität kann keinen Augenblick zweifelhaft sein. Ein hervorragender Künstler aus der Schule Rogers van der Weyden, dessen Kunstweise in den Holzschnitten unverkennbar ausge- prägt ist, hat die im Schema wahrscheinlich schon lange vorher in Miniaturen oder Handschriftzeichnungen festgestellten Kompositionen in durchaus selb- ständiger Weise in lebendige, ergreifende Form gebracht. Die Kunst der per- spektivisch richtigen, raumgestaltenden Darstellung, die von den van Eyck zur Vollkommenheit entwickelt war, von der deutschen Malerei erst noch mühe- voll erlernt werden musste, wird in den Holzschnitten der Ars moriendi schon vollständig beherrscht. In der Drastik der Bewegungen, im Ausdruck tiefer, ernster Empfindung, in der Charakteristik der einzelnen Personen, besonders der Tcufclsgestalten, im künstlerischen Geschmack der Komposition und der Formen- gebung lässt unser Künstler nicht nur den Meister E. S., sondern Uberhaupt fast alles, was die deutsche Malerei bis dahin geschaffen hatte, weit hinter sich zu- rück. Sehr mit Unrecht hat man eine dem Meister E. S. zugeschriebene, aber doch wohl nur in seiner Werkstatt oder in seiner Schule entstandene Folge von Kupferstichen für die Originale angesehen, nach denen der Holzschneider die Bilder der Weigeliana, sie vergrößernd und die fehlerhafte Perspektive ver- bessernd, sonst aber fast genau kopiert haben soll.

Es ist jedoch ganz undenkbar, dass ein blosser Kopist aus den kleinen und recht dürftigen Kupferstichen ohne Raum- und Formgefühl Meisterwerke von solcher Kraft und von so eindrucksvoller Schönheit hätte schaffen können. Die geschmackvoll angeordneten und geschickt raumfüllend und dekorativ ver- wendeten Spruchbänder in den Holzschnitten, die in den Kupferstichen fehlen, können unmöglich erst nachträglich eingefügt sein; sie sind offenbar mit der Komposition zugleich entstanden. Ueberhaupt pflegt der Kopist sein Vorbild zu verkleinern und zu vereinfachen. Ein anderes Beispiel einer deutschen Kupfer- stichkopie nach einem niederländischen Holzschnitt kennen wir zum Beispiel in einem Stiche des Meisters des Amsterdamer Kabincts, der die Gestalt des guten

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Hirten aus einem niederländischen Holzschnitt ziemlich genau, hier allerdings sie frei und geistvoll umgestaltend wiedergibt.

Die technische Ausführung der Holzschnitte zeugt von grösster Sicherheit in der Führung des Messers und von feinem Formenverständnis. Der Vergleich mit den zahlreichen genauen Kopien lässt die Vorzüglichkeit dieser Arbeit be- sonders deutlich hervortreten. Der Künstler ist vollkommen imstande, alle Fein- heiten des Ausdrucks und der Stoffbezeichnung anzudeuten. Das System der Linienbildung und der Schraffierung durch Säulen von kurzen, feinen Strichen ist dasselbe wie in der vierzigblättrigen Biblia pauperum, im Original des Canticum canticorum und im Speculum humanae salvationis, in manchen Teilen sind aber die Linien noch schärfer und lebendiger, die Schraffierungen häufiger der Modellierung entsprechend gebogen. Die Ars moriendi braucht aber des- halb nicht später als jene Werke angesetzt zu werden, sie kann sogar sehr gut vor ihnen entstanden sein. Sie ist ein Kunstwerk, dessen Betrachtung wirklich Freude und Genus* gewährt.

Trotz der unleugbar grossen stilistischen Verwandtschaft, die die nieder- ländischen Blockbücher dieser Gruppe untereinander aufweisen, ist es doch sehr wenig wahrscheinlich, dass sie alle von einer Hand ausgeführt seien. Es war damals neben einer Schar von Handwerkern gewiss auch eine Reihe tüchtiger Holzschnittkünstler am Werk, die alten Bildertypen der Handschriften und der Andachtsbildnerei mit feinem Gefühl für die Technik in die Formensprache des Holzschnittes zu übertragen.

Diesen Blockbüchern gleichartige Arbeiten finden sich auch unter den Einblattdrucken. Ganz vorzüglich feine Holzschnitte dieses Stils sind zum Bei- spiel das „Ave Maria" mit einem längeren xylographischen Gedicht im Berliner Kupferstichkabinet (Schreiber 1018), eine Darstellung des heiligen Augustinus und der hervorragendsten Geistlichen seines Ordens in Kopenhagen (Schreiber > 775)» ein Christus als guter Hirte mit Inschriften in niederländischer und fran- zösischer Sprache in Breslau (Schreiber 838) und vor allem das geistreiche Figurenalphabet im British Museum (Schreiber 1908), das nach dem Datum auf einer genauen Kopie in Basel im Jahre 1 464 oder vorher angefertigt sein muss, und das auch in Kupferstich kopiert worden ist. Dies letzte Werk wird sogar allgemein dem Meister der Biblia pauperum selber zugeschrieben.

Hier mögen auch zwei Blätter Erwähnung finden, deren eines man viel- fach für den ältesten datierten Holzschnitt gehalten hat. Die Jahreszahl 141 8,

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die auf der vielbesprochenen Madonna mit vier weiblichen Heiligen in der Brüsseler Bibliothek (Schreiber i j 60) angebracht ist, kann sich aber nicht auf die Entstehung des Holzschnittes beziehen. Ebenso wie die ihm stilistisch gleiche, aber sorgfältiger geschnittene Madonna in der Glorie des Berliner Kupferstichkabinets (Schreiber 1 108, mit niederländischen Inschriften. S. Abb.) zeigt die Brüsseler Madonna den Stil der nach-van-Eykischen Kunstweise, spätere Kostüme, eckige hakenförmige Falten und vor allem einen feinen, scharfen Schnitt, wie er erst in viel späterer Zeit durch weitere Ausbildung der Technik möglich wird. Die Berliner Madonna weist Schraffierungen auf; in dem Brüsseler Blatte fehlen sie sicher nur deshalb fast ganz, weil die Arbeit eine besonders flüchtige ist. Gerade diese Nachlässigkeit gibt dem Holzschnitt den Anschein hohen Alters. Trotz dem Datum wird man die beiden Blätter mit der Gruppe der Blockbuchholzschnitte zusammenzustellen haben.

Die übrigen niederländischen Blockbüchcr sind zumeist wesentlich geringere Arbeiten. Zu den besseren gehören die zweite niederländische Ausgabe des „Exercitium super Pater noster" und das „Pomoerium spirituale", derber sind die „Septem vitia mortalia", die „Oracula Sibyllina", das „Libcr Regum" und andere mehr.

Diese künstlerisch hochbedeutende und reiche Tätigkeit des niederländi- schen Holzschnittes an den Blockbüchern fällt in das dritte Viertel des XV. Jahr- hunderts, also gerade in die Epoche, in der, wie wir gesehen haben, in Deutsch- land diese Kunst eine Zeit des Niederganges durchzumachen hatte und deshalb bei den damals tüchtigeren nordischen Nachbarn Anregung und Vorbilder suchen musste. In den Niederlanden hält sich der Holzschnitt auch in den letzten Jahrzehnten des XV. Jahrhunderts, wo er nun, seit der Einführung der Typo- graphie, in der Illustration gedruckter Bücher ein weiteres Feld für seine Tätig- keit fand, im Durchschnitt beinahe auf der gleichen Höhe. Zunächst scheinen allerdings die geringeren Arbeiten aus der Schule jener Meister der Blockbüchcr vorzuherrschen. Die Drucker begnügen sich sehr häufig mit den alten, in Teile zersägten Stöcken der Blockbücher, wie überhaupt in der niederländischen Buch- illustration der Vorrat an Holzzchnitten durch häufigen Besitzwechsel und durch Ausleihen eine besonders starke, wenig künstlerische Ausnutzung erfährt. Neben geringen und nachlässigen Arbeiten, neben zahlreichen Kopien nach fremden, deutschen und französischen Originalen ist uns aber auch eine grosse Reihe vorzüglich illustrierter Werke aus dieser Zeit erhalten. Auch die Ornamentik,

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Madonna mit dem Kinde in der Glorie. Berlin K. Kupfer»tichkabinet. Original: 54KX:;H »»n.

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Umrahmungen, Leisten, Initialen, Buchdruckerzeichen, bietet eine Anzahl ge- schmackvoller und reicher Muster.

Der älteste datierbare niederländische Buchholzschnitt ist das niedliche, feine Profilbildnis, das Johannes de Wcstphalia in den von ihm in Löwen 1475 bis 1477 und 1484 gedruckten Büchern anzubringen pflegt. Auch der Drucker Conrad de Wcstphalia verwendet 1476 ein ähnliches Bildnis. Dann folgt das von Johannes Veldener 1475 in Löwen gedruckte „Fasciculus temporum" mit einigen Holzschnitten, die nach der Kölner Ausgabe oder nach Bildern in dem von Lucas Brandis 1475 in Lübeck gedruckten „Rudimentum noviciorum" kopiert sind. Veldeners Ausgabe des Fasciculus von 1480 ist ausserdem noch mit einer schönen, reichen Umrahmung aus Blattwerk verziert. Die Illustration des „Bocck des golden throncs" (Utrecht, 1480) ist durch abwechselnde Zusammenstellung einiger unbedeutender Stöcke bewerkstelligt, ein bequemes Verfahren, das bei den niederländischen Druckern ebenso beliebt war wie bei den deutschen.

Einen eigenartigen Charakter zeigen die 1 1 1 Illustrationen zum „Dialogus Creaturarum", einer in die Form von Gesprächen zwischen Tieren und Gegen- ständen gekleideten Moralphilosophie, von der Gerard Leu in Gouda von 1480 bis 1481 nicht weniger als sechs Ausgaben gedruckt hat. Die Holzschnitte (s. Abb. S. 80) sind nur in einfachen, gleichmässig dünnen Umrissen geschnitten, anscheinend mit kindlicher Unbeholfenheit der Zeichnung, mit der aber offen- bar die Absicht verfolgt wird, die humoristische Wirkung der die menschlichen Eigenschaften karikierenden Tiere zu erhöhen. Dass dieser Stil für den be- stimmten Zweck mit Absicht gewählt ist, geht auch daraus hervor, dass wir sonst nirgends Holzschnitten dieser Manier wieder begegnen.

Obzwar an sich ohne künstlerischen Wert, sind die 54 Bilder in der von Colard Mansion 1484 in Brügge gedruckten französischen Uebersetzung der Metamorphosen Ovids, dem einzigen illustrierten Werke dieses hervorragenden Druckers, doch stilistisch interessant, weil sie den Zusammenhang einer Reihe französischer und deutscher Holzschnitte, vornehmlich der obenerwähnten Kölner Bibel- Illustrationen mit der Technik der niederländischen Schule deutlich machen können.

In der Mehrzahl der niederländischen Buchholzschnitte erkennen wir un- schwer den Stil der Blockbuchbilder in seinen mannigfaltigen Weiterbildungen und Abwandlungen wieder. Gerard Leu, der Herausgeber des Dialogus Crea- turarum, der 1477 1487 in Gouda und dann bis 149} in Antwerpen arbeitet,

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und Jakob Bcllaert in Haarlcm (1484 1486} sind die rührigsten Drucker von illustrierten Büchern. Offenbar standen sie in geschäftlicher Beziehung miteinander und benutzten die gleichen Holzschnitte, jedenfalls ging i486, als Bcllaert seine Tätigkeit einstellte, sein Vorrat an Holzstöckcn und vielleicht auch seine Werkstatt auf Leu über. InGouda benutzt Leu neben anderen wenig bedeutenden Holzschnitten eine Folge von 66 Bildern, von denen ;z in den

Au» dem Behal de> Jacobus de Theramo. Haarlcm, Jacob Bellacri, 14H4

„Lijden ons Heeren Jesu Christ" im Jahre 1482, die ganze Folge in einem Gcbct- buche, den „Devote Ghctiden" erschienen. Eine Reihe von diesen Holzschnitten verwendet auch Bcllaert in Haarlcm für ähnliche Werke. Bcllacrts Hauptwerk hinsichtlich der Ausstattung ist der „Belial" des Jacobus deThcramo, den er 1484 unter dem Titel „der Sonderen troost" herausgab (s. Abb.\ Die Bilder sind meist aus drei wechselnden Blöcken zusammengesetzt; der mittlere stellt den Richter, entweder Salomo oder Christus dar, vor denen die streitenden Parteien in den Seitenteilen auftreten. So wird mit wenig Mitteln eine grössere Zahl anscheinend

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verschiedener Bilder hergestellt. Das „boeck des gülden throens" (1484) ent- hält nur vier verschiedene Darstellungen; reicher ausgestattet sind die „Historie van den vromen ridder Jason", die „Historien van Troyen" und Glanvillas „Von den proprietcyten" von 1485. Mit den „Episteln und Evangelien", Guillcvillcs „Boeck von den pelghercyn", P. Michicls „Doctrinacl des tyds" schlicsst Bellacrt i486 seine Tätigkeit ab.

Aus: Ludolphus de Sixonia, Bock van den leven on> hecren, Antwerpen. Gcrard I tu, 1487.

Gcrard Leu gibt erst 1487 in Antwerpen wieder Bücher mit Holzschnitten heraus, „Paris und Vicna" und vor allem das „boeck van den leven ons hecren Jesu Christi" des Ludolphus de Saxonia, dessen Holzschnitte in zahlreichen Ausgaben lange benutzt worden sind (s. Abb.). Von seinen späteren Drucken mit Holz- schnitten sind die „kintscheyt Jesu" (148 8), „Mcluzinc", die „Glose op den Psalmen Miserere" ( 1 49 1 ) , die „Historie von Jason" und die „devote ghe- dencknissc von den seven weeden Mariac" ( 1 49 z) zu erwähnen. Er verwendete für den Aesop die Holzschnitte der Augsburger Sorgschen Ausgabe und lässt

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französische und deutsche Bilder kopieren. Auch seine eigenen Holzschnitte sind sehr ungleich in Zeichnung und Schnitt. Neben sehr feinen Arbeiten, in denen das Figürliche wie auch Interieurs und besonders die weiten landschaftlichen Gründe mit grosser Freiheit und Geschicklichkeit behandelt sind, ist die Mehr- zahl recht flüchtig, oft sogar derb und roh gearbeitet. Der niederländische Typus ist in den Bewegungen und in den Gesichtern Uberall stark ausgeprägt. Im Schnitt wird der Schatten am Umriss betont, die einzelnen Schraffierungen sind keilförmig gebildet, so dass der Linienzug fast einem Sägenblatte ähnlich sieht. Eigentümlich ist auch die Bildung der Haare in langen, bandförmigen Strähnen. Die Massen der kurzen, geraden Schraffierungen der Innenzeichnung sind gehäufter und bewegter, die Formengebung meist viel weichlicher und flüch- tiger als in den guten Blockbuchholzschnitten. Die beiden Stilvarianten, die wir in der vierzigblättrigen und in der rünfzigblättrigen Ausgabe der Biblia paupcrum von einander unterscheiden konnten, setzten sich in diesen Buchholzschnitten fort, sie mischen sich aber so oft miteinander und mit persönlichen Eigenheiten der einzelnen Holzschneider, dass sich ihre Weiterbildung nicht mehr verfolgen lässt.

Die Holzschnitte der anderen Drucker, Jacobs van den Neer (Cessolis, Scacdespul 1485, Passional 1486) und Snellaerts in Dclft, Jacobs von Breda und Richard Panrods in Deventer, Gottfried Backs in Antwerpen, P. Barmentlos in Hasselt, Janszoons in Leyden und so weiter, sind fast alle wenig bedeutend. Als besonders feine Arbeit verdienen die schöne Christusfigur in den von Peter van Os in Z wolle 1484 gedruckten Sermones des heiligen Bcrnardus, der das prächtige Titelbild des 1494 in Sevilla gedruckten „Regimento de los prineipes" an die Seite zu stellen ist, und der Holzschnitt im Leben der heiligen Lydwina, Schiedam 1498, hervorgehoben zu werden. Eine Gruppe von einer gewissen Eigenart, vielleicht Arbeiten eines bestimmten Künstlers, bildet eine Anzahl von Holzschnitten, deren Figuren sich durch ziemlich grosse Köpfe mit spitzer Adler- nase, breite, etwas weichliche, von feinen Umrissen umschriebene Formen mit wenig Schraffierungen und reicher Innenzeichnung kenntlich machen, deren wir hie und da in anderen Büchern und besonders in dem 1483 von Snellaert in Delft gedruckten „seven wise manen" (historia septem sapientium) finden.

Eine Unterscheidung zwi sehen flämischen und holländischen Arbeiten, die

ja auch in der Malerei schwer ist, lässt sich für den niederländischen Holzschnitt

des XV. Jahrhunderts nicht durchführen. Wie die Drucker scheinen auch die

Holzschneider ihren Wohnsitz oft gewechselt und deshalb ihren Stil nicht zu

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lokaler Eigenart ausgebildet zu haben. In einem besonders hervorragenden Werke kommen aber, wie es scheint, die spezifisch holländischen Elemente in den Formen und in der farbigen Wirkung doch mehr zur Geltung. Die Umriss- linic wird je nach Licht und Schatten feiner oder stärker gebildet und leben- diger bewegt, die Züge kurzer, gerader, horizontaler Schraffierungen treten zurück vor den langen, modellierend sich rundenden, den einzelnen Formen f olgenden Längsschraffierungen, die die tieferen Töne bilden. Man nähert sich damit dem Eindrucke der freien, mehr skizzenhaften Federzeichnung. Auf An- sätze zu diesem Stil hätte schon mehrfach bei einzelnen der oben erwähnten Illustrationswerke hingewiesen werden können, in voller Klarheit sehen wir ihn aber nur in den Holzschnitten zum „Chevalier delibcre" des Olivier de la Marchc ausgebildet. Die erste Ausgabe dieses Buches, das in allegorisch- symbolischer Umkleidung die Lebensschicksale Karls des Kühnen erzählt, und das später das Vorbild für Kaiser Maximilians „Theuerdank" geworden ist, erschien im Jahre i486 in Gouda bei Gottfried van Os; eine spätere Ausgabe wurde um 1 500 in Schiedam gedruckt. Von beiden Ausgaben ist nur je ein unvollständiges Exemplar bekannt (s. Abb.).

Der Meister dieser geistreichen und temperamentvollen, vortrefflich ge- zeichneten und mit grossem Geschick geschnittenen Bilder ist uns unbekannt. Vielleicht sind die Holzschnitte durch die Vorzeichnung eines bedeutenderen Künstlers über das gewöhnliche Niveau der Bucherillustrationen emporgehoben worden ; vielleicht aber auch haben wir ihren Verfertiger, der diesem Werke besondere Liebe und Sorgfalt widmen konnte, doch nur unter den uns schon bekannten Holzschneidern zu suchen. Die Eigentümlichkeiten und der Schema- tismus der gewöhnlichen niederländischen Technik sind auch hier noch keines- wegs überwunden. In Zeichnung und Schnitt stilverwandte Arbeiten könnten, wie gesagt, in mehreren anderen Büchern nachgewiesen werden, besonders in jenen oben hervorgehobenen Holzschnitten der „seven wise manen". Unter den Einblattdruckcn sind zum Beispiel die „Neuf preux" in Hamburg (Schreiber 1948) eine stilistisch und technisch analoge Arbeit.

Für die historische Betrachtung des niederländischen Holzschnittes hat der „Chevalier delibere" eine besondere Wichtigkeit, weil aus seiner freieren und breiteren, mehr malerischen Manier sich der Holzschnitt des XVI. Jahrhunderts, wie er uns in den Werken des Jacob van Oostzanen und des Lucas van Leyden entgegentreten wird, entwickelt hat.

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Am der Danic Macabrc. Parii, Guy Marchanl. 1499.

DER HOLZSCHNITT IN FRANKREICH.

cbcr den Anteil, den die französische Kunst an der Entwicke- lung des Bilddrucks im Anfange des XV. Jahrhunderts ge- nommen hat, sind wir noch sehr unzulänglich unterrichtet. Wir durften nur vermuten, dass auch in Frankreich, dessen Plastik in XIV. Jahrhundert eine massgebende Stellung ein- nahm, dessen Miniaturmalereien seit Dante als die vorzüg- lichsten galten, die vervielfältigenden Techniken nicht wohl unbeachtet geblieben sein können. Wir wissen, dass schon im XIII. Jahrhundert die Miniaturmaler in Laon sich der Holzmodel zum Vordruck der auszumalenden Initialen bedienten, dass wie in Deutschland und in den Niederlanden auch in Avignon schon um 14.44, allerdings von einem Böhmen Procope Waldfoghel Versuche mit Tafcl- und Typendruck gemacht worden sind, dass in Lyon seit 1444 eine ganze Reihe von Spielkartenschneidern (tailleurs de molles de cartes) urkundlich erwähnt werden und können daraus auf einen regen Betrieb schlicssen. Aber wie die "Werke der französischen Malerei sich nur schwer von denen der verwandten niederländischen Schule sondern lassen, so ist es auch bisher noch nicht ge- lungen, unter der Masse der frühen Holzschnitte die Arbeiten französischen Ur- sprunges nach sicheren Bezeichnungen und nach ihren stilistischen Eigentümlich- keiten bestimmt herauszuerkennen.

Vielleicht jedoch hat die Forschung der jüngsten Zeit nicht ohne Berech- tigung eine Reihe der ältesten Holzschnittwcrkc für das französische Sprach-

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gebiet der damals zum Herzogtum Burgund gehörigen Niederlande oder für das Gebiet der Rhone in Anspruch genommen. Der als der älteste französische, und als der älteste daticrbarc Holzschnitt Oberhaupt bezeichnete, angeblich um i 579 in Burgund entstandene Holzstock der Sammlung Protat in Macon wird aller- dings kaum etwas anderes gewesen sein als ein Zcugmodel. Unter unserem Denkmälervorrate hat er kein Analogon; sein französischer Ursprung ist aber wenigstens wahrscheinlich gemacht worden. Derselben Gegend gehört mög- licherweise auch der umfangreichste erhaltene Zeugdruck aus dem XIV. Jahr- hundert, die sogenannte Tapete von Sitten im historischen Museum zu Basel an, auf der Szenen aus der Geschichte des Oedipus, Gruppen von Reitern und ein Tanzreigen, eingefasst von Streifen mit Brustbildern und Drolerien dargestellt sind. Für die meisten der angeblich französischen, für den Bilddruck bestimmten Holzschnitte ist der Nachweis ihrer Entstehung in Frankreich noch zu führen.

Am meisten Wahrscheinlichkeit und gute Gründe hat die Zuweisung der xylographischen Apokalypse an die französisch-burgundischc Schule für sich. Auf den 48 einseitig bedruckten Blättern dieses Blockbuches sind je zwei Szenen der Apokalypse untereinander mit den zu ihnen gehörigen Tcxt- stellen in Holz geschnitten. Hier kommt nur die älteste Ausgabe (Schreiber I) in Frage, die anderen sind Kopien nach ihr oder spätere Holzschnitte nach etwas veränderten handschriftlichen Redaktionen des Grundtypus der Darstellungen. Die Zeit ihrer Entstehung hat man dabei mit dem Jahre 1400 wohl zu früh angesetzt, sicher aber gehört diese künstlerisch hochbedeutende Reihe von Holzschnitten noch in die erste Hälfte des XV. Jahrhunderts. Die Formen der Waffen und Kleider in den ältesten Ausgaben deuten auf diese Epoche. Der französische Ursprung der Folge wird durch eine Reihe von ganz stilgleichen Holzschnitten bestätigt, in denen die Bilder der zwölf Apostel von den Sätzen des Credo in lateinischer und von den zehn Geboten in französischer Sprache begleitet sind. Stilistisch zeigt die Apokalypse eine gewisse Verwandtschaft mit der zweiten Gruppe der ältesten deutschen Holzschnitte. Doch unter- scheidet sie sich ganz bestimmt von allen deutschen Arbeiten ebenso wie von den uns bekannten niederländischen Blockbüchern, auch von deren ältestem, dem „Exercitium super pater nostcr". Schraffierungen fehlen vollständig, die Falten sind meist gerade und hakenförmig endigend, der Schnitt herbe und eckig aber höchst charaktervoll. Die französischen oder englischen Miniatur- oder Federzeichnungsfolgen, die offenbar als Vorlage gedient haben, sind mit

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bemerkenswerter künstlerischer Kraft und Selbständigkeit umgearbeitet. Die Bewegungen und Formen, besonders der Tiere, die freie Behandlung von Einzelheiten, wie der Haare, der Hände und so weiter und die ausdrucks- vollen Gesichter zeugen, trotz aller Unbeholfenheit, von grossem Formen- verständnis wie von Energie und Temperament. Mit viel Aufmerksamkeit und etwas gutem Willen wird man besonders in den feinen jugendlichen Typen mit länglicher, spitzer Nase, in den lebendigen, zierlichen Handbewegungen und in manchen anderen Motiven den spezifisch französischen Charakter, wie er aus Elfenbeinreliefs und Miniaturen bekannt ist, und wie wir ihn später, schon recht abgeschliffen, in der Buchillustration wiederfinden, auch aus diesen etwas plumpen Werken des Holzschneidemessers herauszufühlen vermögen.

Eine spätere Entwickelungsphase des Stils der Apokalypse wird, wie es scheint, durch die in der Bibliotheque Nationale bewahrte Folge der „Neuf Preux", der neun jüdischen, heidnischen und christlichen Ritterhelden ver- treten. Die Holzschnitte sind mit französischem Texte versehen und werden aus äusseren Gründen in die Zeit um oder vor 1460 gesetzt.

Den Ucbergang von diesen älteren, wahrscheinlich französischen Holz- schnitten zu den ersten Illustrationen französischer Bücher aus dem Beginne der achtziger Jahre können wir in unserem Dcnkmälcrvorrate leider nicht ver- folgen. Holzschnitte wie der in dem Flugblattc über die „Mode des hauts bonnets" von 1460 oder in bretonischen Kalendern sind zu roh und formlos, andere, wie die interessante, sogenannte Vierge de Lyon (Schreiber ioöo), die in diese Lücke treten könnten, sind nicht als französisch sicher gestellt, viel- leicht eher als norditalienisch anzusehen. In den Buchholzschnitten tritt uns der französische Stil in Zeichnung und Technik schon von Anfang an so vollständig fertig und abgeschliffen entgegen, dass wir notwendigerweise eine vorbereitende Stufe zu ihrer technischen Entwickelung voraussetzen müssen.

Ohne Zweifel ist diese neue Richtung des französischen Holzschnittes, die in der Buchillustration einsetzt, auf das Vorbild der niederländischen Blockbuch- holzschnittc zurückzuführen. An diesen Meisterwerken haben sich die franzö- sischen Holzschneider augenscheinlich geschult, aber in Anlehnung an ihre heimischen, zierlichen Handschriftenmalcreien schnell einen eigenen Stil auszu- bilden verstanden. Schon in den Holzschnitten des ältesten in Paris gedruckten datierten Buches mit Illustrationen, Jean Duprcs Missale Parisiense von 1481, sehen wir den eigentümlichen Charakter des französischen Holzschnittes mit

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allen seinen Vorzügen und Fehlern klar ausgeprägt. Beziehungen zur Apokalypse lassen sich selbst in den frühesten französischen Buchillustrationen höchstens in einer gewissen Gleichartigkeit des Formgcfühls und der Typenbildung erkennen. Um so auffälliger tritt der Zusammenhang mit dem niederländischen Holzschnitt hervor. Unter den Blockbüchern ist besonders die zweite Ausgabe des „Exer- citium super pater noster" zum Vergleiche heranzuziehen.

Ausser einer Reihe von Eigenheiten in Typen, Haarbildung, der etwas plumpen und schweren Bildung und Stellung der Füssc entlehnen die Fran- zosen von ihren Nachbarn vornehmlich das System der Technik. Die Umrisse werden durch ausserordentlich gleichmässige und glatte Linien gebildet, die Innenzeichnung ist ziemlich spärlich, die Schraffierungen bestehen aus langen Reihen sehr glcichmässiger und meist feiner, selten gebogener Striche. Der Linienführung und Schattierung haftet trotz aller Feinheit und Zierlichkeit, die später in raffinierter Weise gesteigert wird, eine gewisse Leblosigkeit, ein kalli- graphischer Schematismus an, der ermüdend wirkt und den Betrachter oft nicht zum Genuss der feinen Einzelheiten kommen lässt. Auch «i der Zeichnung, in der sehr monotonen Bildung der Köpfe mit vorspringender, spitzer Nase, die meist wenig Individualität und Ausdruck zeigen, in der Behandlung der Extre- mitäten, der Haare und Gewänder ändert der französische Holzschnitt seine ursprüngliche Manier bis in das XVI. Jahrhundert nur unwesentlich.

Wir sind deshalb nicht imstande, technische oder gar künstlerische Indivi- dualitäten unter den meist überaus sorgfaltig und sauber arbeitenden Illustra- toren zu unterscheiden und vermissen kaum je die Kenntnis ihrer Namen. Eben- sowenig haben sich irgendwelche Beziehungen zu Werken der monumentalen Kunst nachweisen lassen. Wir können nicht einmal die Arbeiten nach den Werkstätten der Drucker gruppieren, denn die Scheidung der Verleger von den Druckern hat sich hier sehr früh ausgebildet. Die grossen Verlagsbuchhändler lassen ihre Bücher von verschiedenen Druckern ausführen, die für das Material an Typen und an Abbildungen zu sorgen haben, aber nicht immer neben dem Verleger genannt werden. Die Drucker wieder arbeiten für verschiedene Verleger.

Die Buchillustration bleibt in Frankreich mehr als in allen anderen Ländern von der Miniaturmalerei abhängig. Offenbar sollten die Bilder im allgemeinen erst durch die Bemalung ihre Vollendung erhalten und waren ursprünglich kaum als mehr denn eine bequeme Vorzeichnung für den Miniator gedacht. Man

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sucht durch die Masse der Bilder und vor allen durch die grosse Finesse der Arbeit und durch den Reichtum der Zierstöcke den Mangel an Erfindung und Originalität der Formengebung zu ersetzen. Ueberhaupt besteht in der zierlichen, geschmackvollen Ornamentik der Hauptreiz der französischen Buchausstattung. Die französische, halbgotische, sogenannte Bastard-Type, die hier erst sehr spät durch die römische Antiqua ersetzt worden ist, gibt an sich schon ein sehr zier- liches, abwechslungsreiches Satzbild. In den grossen Initialen auf den Titeln und an den Anfängen der Kapitel sind die Zierbuchstaben der Manuskripte mit ihrer reichen Kalligraphik, mit Tier- und Menschengestalten oder Köpfen sehr geschickt nachgeahmt. In den Leisten und Umrahmungen sind die Pflanzen- formen sehr naturgetreu und wenig stilisiert; sie sind häufig mit eingefügten Gestalten, Mischbildungen aus Tier- und Menschenleibern in der Art der Dro- Icrien, die wir aus Miniaturen und Reliefs kennen, belebt.

Die ersten rein französischen Illustrationen finden wir in dem schon er- wähnten, von Jean Dupre in Paris am i. September 148 t vollendeten Missale Parisiense, im Missel de Verdun, vom 28. November 1481 und in Boccaccios Cas des nobles hommes et femmes von 1484. Von Dupres illustrierten Drucken sind ausser einer Reihe liturgischer Werke hervorzuheben die französische Aus- gabe von Boccaccios „Cent nouvelles", 1485 für Ant. Verard, die „Vic des Saints Peres" (i486), die er 1495 wieder mit anderen Bildern druckte, Vora- gines „Legende dorce" (1489), Augustinus' Che de Dicu i486 bis 87 in Abbeville gedruckt, und einige Ritterromane, wie der „Roman des Chevaliers de la Table ronde", von dem Bourgeois in Rouen 1488 den ersten Band ge- druckt hatte. Beachtenswert ist, dass Dupre in seinem Missel de Limoges von 1484 sagt, es sei: „Vcnetica forma per Venetos arte impressoria magnificos et valde expertos complctum." Nächst Jean Dupre ist Pierre Le Rouge, einer der ersten Drucker, die auf reiche und geschmackvolle Ausstattung ihrer Bücher grösseren Wert legen. Sein Hauptwerk und überhaupt wohl das am reichsten illustrierte französische Buch des XV. Jahrhunderts ist die zweibändige „Mer des histoircs" von 1 488 bis 89 (s. Abb. S. 1 05 u. 11?). Wie den Inhalt seiner Erzäh- lungen so entnimmt dieses Werk auch die Kompositionen vieler Bilder dem 1 475 in Lübeck gedruckten „Rudimentum noviciorum", aber nicht ohne sie im ein- zelnen umzugestalten. Besonders zahlreich und vorzüglich sind hier die Um- rahmungen, Leisten und Titel-Initialen. Die Darstellungen vereinigen noch in der mittelalterlichen, epischen Erzählungsweise der Handschriftenillustrationen

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eine ganze Anzahl aufeinander folgender Szenen in einem und demselben Bilde. Der zusammenfassenden Dramatik der Renaissancekunst steht diese naive Art der Schilderung noch sehr ferne.

Es wäre ermüdend, auch nur einen Teil der fast durchgängig in dem- selben Stil und mit gleicher Sorgfalt illustrierten französischen Druckwerke aufzuzählen oder die einzelnen Drucker durchzugehen. Die Verleger, unter denen in Paris Antoine Verard und Simon Vostrc die bedeutendsten sind, haben um die Buchausstattung, wie es scheint, nur insofern Verdienste, als sie durch ihre geschäftliche Tüchtigkeit und ihre Mittel die Herstellung vorzüglicher Arbeit ermöglichen und fördern. Gegen- ständlich und künstlerisch von hervor- ragendem Interesse ist die von Guy Marchand zuerst 1485, dann in vielen anderen Auflagen in erweiterter Form herausgegebene Serie der Totentanz- darstcllungen, der „Danse macabre", in denen die boshafte Schadenfreude des Todes und die traurige Hilflosigkeit der Männer und Frauen aller Stände mit bitterem, drastischem Humor geschildert sind (s. Abb. S. 1 00). Es ist überhaupt psychologisch interessant, dass die primi- tive Kunst, wo sie sich von der Wirk- lichkeit ihrer unmittelbaren Umgebung entfernt, nur im Humor und in der Satirc sich zu wirklich künstlerischem Aus- druck erheben kann. So hat der französische Holzschnitt des XV. Jahrhunderts auch nirgends eine solche kraftvolle Lebendigkeit der phantastischen Komposi- tionen, Energie der Bewegungen und des Ausdruckes und Freiheit und Breite der Formgebung erreicht, wie in einer Reihe von Darstellungen aller der Höllenqualen, mit denen scheusslichc Teufclsfratzen die armen Sünder zu peinigen wissen. Diese Serie ist neben vielen anderen Darstellungen zur Illustration der zahlreichen Aus- gaben des„Compost et Calendrier des Bcrgicrs", einer Art populären Kompendiums nützlicher Kenntnisse aus allen Gebieten verwendet worden. Guy Marchand hat seit 1401 dieses Buch häufig gedruckt. Die Holzschnitte erscheinen auch in

Aus : La Met dej histoiret. Pari«, Le

1488/89.

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der 1492 für Antoine Verard von Coustcau und Menard gedruckten „Art de bien vivre et mourir" (s. Abb.) nebst Kopien nach den niederländischen Block- buchholzschnittcn der Ars moriendi.

Von dieser Masse gleichartiger, nur in der Qualität der Ausführung von einander sich unterscheidender Illustrationen stechen die totentanzartigen Bilder in Robert Gobins „Les loups ravissants" (Paris, Simon Vostre o. J.) durch ihre

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Eigenart in Zeichnung und Technik ab. Sie fesseln durch die bizarre Phantastik der Erfindung und die Leidenschaftlichkeit des Gefühlsausdruckes. Die Zeich- nung ist meist sehr flüchtig, aber geistreich und in den Einzelheiten sehr gut, die Technik ohne jeden Zusammenhang mit den gewöhnlichen französischen oder mit fremden Arbeiten, derb und flüchtig, mit sehr dicken, glatten Umrissen und mit wenigen dicken, scharf zugespitzten Schraffierungen. Der Tod, hier nicht als Skelett, sondern als Muskelmann mit Totenschädel dargestellt, bev egt sich mit wildem Humor. Eine gewisse Aehnlichkeit mit diesen Holzschnitten haben die Illustrationen in Bonifacius Symonetas „Livre des persecutions des cretiens" (Paris, Verard).

Eine besondere, zusammenfassende Betrachtung erfordert die grosse und interessante Gruppe der „Livres d'heures", in denen Illustrationen und Orna- mentik eine eigenartige Ausbildung erfahren. Die Livres d'heures sind Andachts- bücher, in denen Kalender, Auszüge aus den Evangelien, die Gebete für die kanonischen Stunden, für einzelne Heilige und so weiter, die sieben Busspsalmen, die Litanei, Vigilien für die Todesstunde und für die Seelen zusammengestellt sind. Sie sollten die kostbaren, fein miniierten Handschriften ersetzen und sind deshalb sehr häufig auf Pergament gedruckt und Uberhaupt mit besonderer Sorg- falt und sehr reich mit Bildern und Umrahmungen für jede Seite ausgestattet. Ein grosser Teil der erhaltenen Exemplare ist mit Bemalung versehen, die bei der Ausführung wohl auch vorgesehen war.

Die Bilder, die dem gewöhnlichen Kreise der biblischen Darstellungen und der christlichen Symbolik entlehnt werden, sind in der Zeichnung ziemlich eintönig und konventionell, aber immer graziös und in der technischen Aus- führung von der allergrößten Feinheit und Schärfe der Linien. Die Vermutung, dass viele dieser Darstellungen nicht in Holz, sondern in Metall , aber immer natürlich in Reliefschnitt, hergestellt seien, wird durch eine Bemerkung auf dem Titel von Jean Dupres Heures vom 4. Februar 1488 (1489), wo die „vignettes" als „imprimecs en cuyure" bezeichnet werden, bestätigt. Es wäre auch kaum glaublich, dass so unendlich fein ausgearbeitete Holzstöcke so lange und so gut dem Drucke, besonders auf Pergament, stand gehalten haben sollten. Im allgemeinen scheint man Metallplattcn nur für die meist kleinen Hcuresbildcr und Umrahmungen benutzt zu haben. Die Technik der übrigen Buchillustrationen, mit ihrem fast durchgehends viel kräf- tigerem und weiterem Linicngef üge , und Zufälligkeiten der Abdrücke be-

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weisen, dass man wie anderwärts auch in Frankreich die Stöcke gewöhnlich in Höh auszuführen pflegte.

Den Hauptreiz der Livres d'heures bilden aber nicht die grossen bildlichen Darstellungen, sondern die Ornamentik, die Umrahmungen der einzelnen Seiten, die, oft in Bezugnahme auf den Inhalt, Szenen aus der Bibel, aus der Apokalypse, Dar- stellungen der Vorzeichen des jüngsten Gerichtes, Figuren von Sibyllen und Propheten, Totentanzgruppen (s. Abb.), oder nur phantastische Pflanzen- und Tiergebilde, Genreszenen in reicher Abwechselung enthalten. Die Umrahmungen werden zuerst wie in den übrigen französischen Büchern in leichter Umriss- zeichnung, später häufig in der Art der Schrotblättcr weiss auf schwarzem, durch Punkte oder Sternchen belebtem Grunde aus- geführt, einer Manier, die in Frankreich auch für die Initialen besonders beliebt war.

Die Form der Livres d'heures bleibt bis in das XVI. Jahr- hundert hinein fast unverändert; sie bildeten augenscheinlich einen der gangbarsten Artikel der Pariser Druckereien und Buchhandlungen. Es mögen an 500 bis doo Ausgaben erhalten sein; zahlreiche andere Ausgaben müssen noch unbekannt ge- blieben oder ganz verloren gegangen sein. Die älteste bekannte Ausgabe der Horae ist die von Antoine Verard 1 ^86 (6. Februar 1485 französischer Zeitrechnung) herausgegebene, die wahr- scheinlich von Pierre Le Rouge gedruckt und noch recht dürftig ausgestattet ist. Es folgen die schon reicher illustrierten, mit Umrahmungen auf jeder Seite versehenen Drucke Jean Dupres seit 1489. In einigen seiner Ausgaben sind die Bilder und Umrahmungen in roter und blauer Farbe gedruckt. Seit unge- fähr 1490 veröffentlicht Antoine Verard zwei Serien, dieHcures kleineren Formates, auch „Figures de la Bible" (s. Abb.) ge- nannt und die prächtigen sogenannten „grandes Heures" oder „Heures royales". Die Bilderfolgen und Ornamente sind meist für jeden Typus und für jeden Druck neu komponiert, oft aber werden auch die Illustrationen einfach kopiert, so dass die Genealogie der Ausgabenreihen nur sehr schwer festzustellen ist. Den Höhepunkt bilden die von Philippe Pigouchct

»■ia-imäifär

Livre d'hcurei Paris, 5. Voitrc, 1496

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Aui den Heuret 1 l'usagc de Rome. Paris. Hb. Pigouchet pour S. Vostre.

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für den rührigen und geschmackvollen Verleger Simon Vostre seit 1 496 gedruckten Ausgaben der Heures grösseren Formates. Hier wird auch zuerst in die kleinen Bildchen auf schwarzem, weisspunktiertem Grunde, aus der die Umrahmungen sich zusammensetzen, der Totentanz eingeführt, der von nun an fast ständig wiederkehrt, ebenso die 15 Zeichen des jüngsten Gerichtes, die Sibyllen und anderes mehr.

Die technische Ausführung ist von der grössten Sorgfalt und Feinheit, die Formgebung bleibt aber miniaturartig oberflächlich, der Hauptnachdruck wird auf nebensächliches Detail , auf die Schmuckwirkung der Formen gelegt. Für die Kompositionen der grösseren Bilder werden vielfach fremde Vorbilder, Stiche von Schongauer und später auch von Dürer benutzt, deren Technik augen- scheinlich auch nicht ohne Einfluss geblieben ist. Aber auch der ornamentale Reichtum erscheint bei näherer Betrachtung nicht so gross, wie eine flüchtige Durchsicht glauben machen könnte. Es ist nur eine verhältnismässig kleine Anzahl von Zierstücken und Lebten, durch deren wechselnde Zusammenstellung der Eindruck reicher Mannigfaltigkeit hervorgebracht ist. Das Hauptverdienst der Livres d'heures liegt jedenfalls im Technischen, in der Subtilität der Linien, in der Sauberkeit und Schärfe des Druckes, besonders aber auch in der ge- schmackvollen, eleganten Zusammenstellung der Bilder und Zierstücke mit dem Satze der ziemlich grossen, sehr dekorativ wirkenden gotischen Lettern. Die typographische Buchillustration ist hier ihren handschriftlichen, miniierten Vor- bildern so nahe geblieben wie sonst nirgends.

Von den Druckern und Verlegern, die sich im XV. und im Anfange des XVI. Jahrhunderts mit der Herstellung von diesen Gebetbüchern hauptsächlich beschäftigen, sind ausser den Genannten De Marncf, Gering und Rembolt, Gilles Hardouin, Francois Regnault, Guillaumc Eustachc und vor allem Thiclman Kerver hervorzuheben.

Seit dem Ende des XV. Jahrhunderts fällt zuerst in den grossen Bildern, dann auch in den Umrahmungen ein neuer Stil der Zeichnung auf. Die Körper sind kräftiger und knorrig, die Typen viel derber und charakteristischer als in den früheren Darstellungen; die Gewandbehandlung besonders wird sehr breit und üppig, mit Knitterfalten und Augen Uberladen, der ganze Ton durch Häufung der stark gebogenen engen Schraffierungen viel dunkler und kräftiger. Ohne Frage ist diese Stilwandlung auf die Nachahmung niederländischer Werke der Richtung der Renaissance- Apostel Jan Mabuse und Barend van Orley zurück-

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zufahren. Die einfache Zierlichkeit der Formen und die diskrete, lichte Haltung des Blattbildes, die schon durch die Umrahmungen auf dunklem Grunde etwas gelitten hatten, werden durch die Einführung dieser allzu schwer und plastisch ausgearbeiteten neuen Bilder vollständig zerstört, wie überhaupt im Anfange des XVI. Jahrhunderts auch dieser Zweig der Buchillustration durch die Nach- lässigkeit in der Herstellung und durch die Zusammensetzung des Schmuckes aus nicht zueinander gehörigen , verschiedenartigen Teilen dem Verfalle rasch entgegengeht.

Von den übrigen Druckstätten Frankreichs, die meist von Pariser Druckern versorgt werden, hat nur Lyon eine grössere Bedeutung für den Buchdruck und die Illustration. Hier ist im Jahre 1478, wahrscheinlich von Martin Husz, der erste datierte, französische Druck mit Holzschnitten, das „Miroir de la rc- demption humaine", veröffentlicht worden. Die Stöcke sind aber nicht in Lyon angefertigt, sondern von dem Baseler Drucker Bernhard Richel, der sie 1476 für seine deutsche Ausgabe dieses Buches hatte herstellen lassen, entliehen. Dieser Anfang ist charakteristisch für den ganzen Druckbetrieb in Lyon während des XV. und im Anfange des XVI. Jahrhunderts. Obwohl hier der Holzschnitt und besonders die Herstellung von Spielkarten, wie wir aus zahlreichen Nach- richten erfahren, sehr eifrig betrieben worden ist, bleibt die Buchillustration im XV. Jahrhundert doch recht dürftig und wenig original. Lyon stand in leb- haftestem Handelsverkehr mit Deutschland und den Niederlanden wie mit Italien und Spanien. Die Lyoner Druckereien arbeiteten häufig für auswärtige Verleger auch Bücher in fremden Sprachen, italienisch, deutsch und spanisch. Der Nürn- berger Verleger Anton Koburger Hess hier von Clcin und Sacon Bücher mit seinen Holzstöcken drucken, die Florentiner Giunta hatten hier eine Druckfiliale. Auch Holbeins Meisterwerke, die Bibclbilder und der Totentanz sind bekannt- lich in Lyon veröffentlicht worden.

Die Drucker und ihre Arbeiter sind zum grossen Teil Fremde, besonders Deutsche ; sie verwenden mit Vorliebe zur Illustration ihrer Bücher von aus- wärtigen Kollegen entliehene Holzstöcke oder lassen die Bilder aus französi- schen, deutschen oder italienischen Werken kopieren. Wie Husz, illustrieren auch Nicolas Philippi und Marc Reinhart aus Strassburg ihre Ausgabe des „Myrouer de la vic humaine" von 148 z mit den Holzstöcken der Augsburger Günther Zainerschen deutschen Ausgabe dieses Werkes von 147t, und zum Teil mit Kopien nach ihnen. Auch die Holzschnitte des in Strassburg ijoz von

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Grüninger gedruckten Virgil kommen hier wieder zu unverdienten Ehren. Die Beispiele liessen sich leicht noch vermehren. Die sehr zahlreichen Buchholz- schnitte, die in Lyon selber gearbeitet wurden, sind künstlerisch wenig wertvoll. Sie unterscheiden sich von den Pariser Arbeiten meist nur durch ihre geringere Qualität. Die in grosser Anzahl gedruckten und illustrierten französischen Ritter-

Au» den Komoedicn de* Terent. I von, Johanne« Trechiel, 149}.

romane, Chroniken und andere Werke wie der Totentanz und dergleichen sind mehr kulturhistorisch als künstlerisch von Interesse.

Von künstlerischer Bedeutung ist eigentlich nur der Tcrcnz, den der aus Mainz 1487 eingewanderte Johannes Trechsel im Jahre 1493 druckte (s. Abb.). Die 160 charaktervollen und lebendigen Bilder, die die einzelnen Szenen der Komödien veranschaulichen, sind aber offenbar nicht französische Erzeugnisse, sondern von einem niederländischen Künstler zum wenigsten gezeichnet worden.

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Ihr Stil erinnert auffallend an niederländische Werke, besonders aber an die Lübecker Bibel von 1494; die Technik dagegen nähert sich der französischen sehr stark und gibt offenbar die vorzüglichen Vorzeichnungen nur sehr unvollkommen wieder. Italienischen Charakters ist die Zeichnung der grösseren Bilder in dem von Bonino de' Bonini aus Dalmatien 1499 gedruckten Officium beataeMariae Virginis, die technische Ausführung der Darstellungen und die Umrahmungen sind auch hier wieder französisch. Arbeiten eines Fremden sind auch die eigen- artigen Holzschnitte im Quadragesimale aureum de peccatis (Trechsel, 1488/89) und in einigen anderen Lyoner Drucken. Der Künstler, der seine Blätter öfter mit den Buchstaben I. D. bezeichnet, ist wahrscheinlich ein Elsässer von Her- kunft, der über Lyon nach Spanien und dann nach Neapel gewandert ist, wo wir eine Reihe bedeutender Werke von ihm finden und betrachten werden.

Im Jahre 1488 veranstalteten die Lyoner Drucker Mich elet Topie de Pymont und Jacques Heremberck eine französische Ausgabe von Brcydenbachs zuerst i486 in Mainz in lateinischer Sprache erschienenen Peregrinationes ad sepul- chrum. Eine Reihe der kleineren Darstellungen ist in Holzschnitt kopiert, die grösseren Pläne aber den Holzschnitten der Originalausgabe in Kupferstich nachgebildet. Es ist dies das einzige französische im XV. Jahrhundert gedruckte Buch, das mit Kupferstichen versehen ist, und überhaupt das einzige Denkmal des französichen Kupferstiches im XV. Jahrhundert. Wahrscheinlich sind diese Kupferstiche auch nicht von einem Franzosen ausgeführt, sondern entweder von einem Italiener oder von einem der niederländischen Stecher, die, wie der oben erwähnte Meister W am burgundischen Hofe tätig waren.

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DER HOLZSCHNITT IN ENGLAND.

usschlicsslich in der Buchillustration hat der Holz- schnitt in England eine Existenz und auch hier nur eine vergleichsweise recht kümmerliche. Künstleri- scher Wert und Selbständigkeit fehlt den englischen Holzschnitten durchweg fast vollständig. Am auf- fallendsten zeigt sich die Schwäche der englischen Buchausstattung in dem Mangel an Ornamentik und in der Roheit der wenigen Initialen, Umrahmungen und anderen Schmuckstücke, die sie verwendet. Man versieht die Bücher, die der Bilder nicht wohl ent- behren können, nur mit den unbedingt notwendigen Darstellungen. Nieder- ländische oder französische Arbeiten liefern die Vorlagen, oder wenigstens die stilistischen Vorbilder für die meisten englischen Buchholzschnitte.

Bei Colard Mansion in Brügge soll William Caxton, der als der erste in England im Jahre 1477 inWcstminstcr eine Druckerei eröffnete, die Kunst erlernt haben. Seine ersten Bücher, auch seine erste Ausgabe von Chaucers Canterbury Tales sind ohne Bilder. Erst im Jahre 1480 kam das älteste in England gedruckte Buch mit Holzschnitten, der „Mirror of the World" aus seiner Presse. Es sind ausser einer Reihe von Diagrammen Darstellungen eines Lehrers mit seinen Schülern. Man hat diese Bilder und die in dem „Game of Chesse" des folgen- den Jahres nur deshalb für Arbeiten englischer Holzschneider erklärt, weil sie so dürftig seien, dass sie jeder, der ein Messer zu handhaben verstand, hätte anfertigen können. Etwas besser sind die Illustrationen in Caxtons zweiter Ausgabe der Canterbury Tales und in seinem Acsop (um 1484). Nicht ohne Charakter in der Zeichnung, wenn auch roh und grob im Schnitt, sind die

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Holzschnitte in Caxtons „Golden Legend", Darstellungen von Heiligen und ihren Martyrien. Andere Illustrationen verwendet Caxton in dem „Royal Book*« und im „Speculum vite Christi" (1487 bis 88). Gleichzeitig gaben die Sant Albans-Druckerei und besonders eine in Oxford arbeitende Presse einige Werke mit Abbildungen heraus. Eine Serie von Holzschnitten, die offenbar für eine „Legenda Aurea", die sich aber nicht erhalten zu haben scheint, angefertigt waren, benutzt die Oxford- Druckerei für Lyndewode's Constitutions und für den Liber Festialis (i486). In diesem Werke finden sich auch Bilder, die für eine Ausgabe der „Horae" bestimmt waren. Auch von diesem Buch ist noch kein Exemplar zum Vorschein gekommen, wie Uberhaupt die frühen englischen Drucke überaus selten sind.

Vom künstlerischen Standpunkt aus ist über alle diese Holzschnitte wenig zu sagen. Das oft recht geschmackvolle und immer charaktervolle Typenbild der englischen Drucke ist bei weitem anziehender als die Illustrationen. Man kann wohl glauben, dass sie von englischen Holzschneidern, die sich in den Nieder- landen oder nach den niederländischen Vorlagen gebildet hatten, ausgeführt seien. Man findet auf dem Kontinent kaum irgend wo so unbeholfen gearbeitete Schnitte. Die Technik hat eine eigentümliche Eckigkeit, die Linien sind sehr steif und ihre Ränder rauh und unregelmässig.

Caxtons Presse und sein Vorrat von Holzstöcken ging 1 49 1 auf Wynkyn de Wörde über, der bis 15)5 zuerst in Westminster, dann in Fleet Street tätig war. Caxtons Holzschnitte benutzt er für seine Ausgabe der „Golden Legend" von 1493 und wohl auch für das „Speculum vite Christi" und seine Ausgaben der „Horae ad usum Sarum" (1494). Neue Illustrationen bringen Glanvillas „De proprietatc rerum«, das „Book of St. Albans" (149 6), Malorys, „Morte d'Arthur" (1498) und Mandcvilles Reisebeschreibung (1499). In Wynkyns Büchern der folgenden Zeit sind alte und neue Holzstöcke gemischt, so in den „Recuyles of yc Hystoryes of Troye" (1 503), der „Craft to live and die well" (1 505) und anderen. Die Bilder im „Castle of Labour" (1 506) sind neu für das Buch angefertigt, die in den „Seven wise masters of Rome" (um 1506) sind nach Gerard Leus Ausgabe von 1490, die für das „Ship of Fools" (t 509) nach den Holzschnitten der französischen Ausgabe des Narrenschirfs kopiert, in den Gebetbüchern sind die zierlichen französischen Livres d'heurcs nachgeahmt. Wynkyn muss auch häufig Holzstöcke von französischen, niederländischen und deutschen Druckern leihweise zur Benutzung erhalten haben. Im XVI. Jahr-

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hundert wird der Einfluss der französischen Technik immer stärker. Die Mischung der alten groben Schnitte mit den feineren Nachahmungen franzö- sischer Bilder oder gar mit französischen Originalstöcken macht das Gesamtbild der englischen illustrierten Bücher noch unerfreulicher.

Neben Caxton und Wynkyn de Wörde ist Richard Pynson (149? bis 1 5 3 1 ) für die Buchillustration der wichtigste englische Drucker. Als Hauptwerk Pynsonscher, ja überhaupt englischer Illustration des XV. Jahrhunderts gelten die Holzschnitte in Lydgates Uebcrsetzung von Boccaccios „Falle of Princis". Sie sind aber nicht englische Arbeit, sondern Abdrücke der Stöcke, die Dupre in Paris 1484 für seine Ausgabe hatte anfertigen lassen. Das „Speculum vite Christi" (1497) enthält eine Reihe sauberer kleiner Bilder, das „Missale ad usum Sarum" (1500) besonders reiche und gute Ornamentik. Für seinen „Kalendar of Shepherds" (1506) hat er sich, wie das auch andere englische Drucker zu tun liebten, einige Stöcke von Verard zu verschaffen gewusst, die Bilder im „Castle of Labour" (um 1505) sind ebenso wie die in seiner Aus- gabe des „Ship of Fools" nach den französischen Originalen kopiert. Die übrigen Drucker wie Julian Notary (1499 bis 1503), Lettou, William und Richard Faques Machlinia und andere spätere Drucker sind für den Holzschnitt noch weniger wichtig. Die Illustrationen, die sie verwenden, sind zum aller- grössten Teil Nachahmungen französischer Bilder. Richard Faques benutzt sogar für sein Druckerzeichen ein französisches Vorbild.

Im Gegensatze zu Wynkyn de Wörde, der besonders die populäre Literatur pflegte, hat Richard Pynson als „Royal printer" sich besonders mit dem Drucke gelehrter Werke beschäftigt. Seine Aufmerksamkeit als Illustrator wurde da- durch vornehmlich auf die Ausschmückung des Titelblattes gelenkt. Der Wunsch, über die gewöhnliche Art der Titelblattverzierung mit grossen, reich ornamen- tierten Buchstaben und über den veralteten französischen Stil hinauszugehen, ver- anlassten ihn, von Froben in Basel einige von Holbein gezeichnete Umrahmungen zu erwerben, die er seit etwa 1518 verwendet. Für die englische Buchaus- stattung ist diese Einführung moderner Renaissanceformen und Holbeinscher Kunst von einer gewissen Bedeutung.

Von nun an werden neben den französischen Vorbildern, die man nachzu- ahmen fortfährt, Holbeinsche Formen und seine Technik herrschend. Die wenigen nach eigenhändigen Zeichnungen des Basler, nun in England ansässigen Meisters geschnittenen Holzschnitte in Cranmcrs Katechismus (1548 Walter Lynne), in

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Halles Chronicles und in der Coverdale Bible sind das Beste was in englischen Werken Verwendung gefunden hat. Holbeins Einfluss auf die einheimischen eng- lischen Zeichner und Holzschneider macht sich bald in einer Reihe von Arbeiten angenehm bemerklich, ein eigener Stil entwickelt sich aber auch aus diesen An- regungen nicht. Eine Hervorhebung verdienen die sogenannten „Queen Eliza- beths Prayer Books", (i 569) und die „History of Martyrs" von John Fox und andere Bücher, die John Day in sorgfältiger und reicher Ausstattung herausgab. Seit i 540 wird auch der Kupferstich zur Buchillustration, besonders für Titel- blätter herangezogen und verdrängt im Laufe des Jahrhunderts den rasch zu rohester Handwerklichkeit verfallenden Holzschnitt fast vollständig ohne aber selber Werke von künstlerischem Wert oder von Eigenart hervorzubringen.

DER HOLZSCHNITT IN SPANIEN.

lte Denkmäler der Druckkunst in Spanien, im besonderen die frühen Holzschnittwerke, gehören zu den grössten Seltenheiten, so dass ein Ueberblick über die Erzeugnisse des Holzschnittes hier noch grösseren Schwierigkeiten begegnet als anderwärts. Wir ge- winnen zunächst den Eindruck, dass der Holzschnitt in Spanienwcnig künstlerische Selbständigkeit und Originalität der Technik besitzt. In den zum grossen Teil von Deutschen gedruckten Büchern finden wir nicht nur einzelne deutsche, niederländische und italienische Holzschnitte und Kupferstiche kopiert, sondern auch ganze Serien von Buchillustrationen nachgeschnitten oder sogar von den Originalstücken abgedruckt. So ist zum Beispiel in Phocas' „De

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principalibus orationis partibus" (Barcelona 1488) die Umrahmung der venezianischen Ausgabe des Regiomontanus von 148 z kopiert, in der „Vita Christi" des Ludolphus de Saxonia (Lissabon 1495 bis 96) die Kreuzigung des Meisters E. S. (Pass. 132) sehr genau und sorgfältig wiedergegeben; im „Tesoro de la Passion" (Zaragoza 1494* P. Hurus), in der „Aurea expositio hymnorum" (Zaragoza 1499) und in anderen Büchern finden vir Kopien nach Schongauers Passionsbildern. Paulus Hurus hat für seine 1494 in Zaragoza gedruckte Ausgabe von Boccaccios „mujeres illustres" die Bilder der Ulmer Ausgabe nachschneiden lassen, für seinen 1491 gedruckten JEspcjo de la vida humana" von Roderigo da Zamorra hat er sich sogar die Originalholzstöcke der Lyoner Ausgabe von 1481 zu verschaffen gewusst, ebenso wie Georg Coci in seiner Liviusausgabe von 1 520 (Zaragoza) die Holzstöckc des Mainzer Druckes von 1505 wieder verwenden konnte.

Viele andere Holzschnitte, die nicht direkt kopiert zu sein scheinen, tragen so deutlich den Stilcharakter deutscher, niederländischer oder französischer Kunst- weise zur Schau, dass wir wohl annehmen müssen, sie seien von Arbeitern aus diesen Ländern geschnitten oder wenigstens in engster Anlehnung an ihre Manier ausgeführt worden. So sind zum Beispiel die Umrahmungsleisten in Turre- crematas 148z in Zaragoza gedruckten Psalmenerklärungen denen, die Martin Schott in Strassburg um dieselbe Zeit verwendete, ganz gleich, in der reich im spanischen Stil ornamentierten Umrahmung im „Tirant lo Blanch" (Valencia, Spindeler 1490) sind die Figuren denen in deutschen Stichen auffallend ähn- lich, ebenso wie die Technik im wesentlichen durch das Vorbild der Schrot- blätter bedingt ist. Da die Drucker der spanischen Inkunabeln zum grossen Teil Deutsche waren, so darf uns diese Anlehnung an ihren heimatlichen Stil nicht Wunder nehmen, zumal ja Spanien damals den fremden Einflössen nicht entfernt die eigene künstlerische Gestaltungskraft entgegenzusetzen hatte wie etwa Italien. In der Technik wiegen aber trotzalledem niederländische und französische Elemente vor. Der schöne Titelholzschnitt im „Regimento de los principe«** des Aegidius de Roma, 1494 in Sevilla von R. Ungut und Stanislaus Polonus gedruckt, ist sicher die wohlgelungene Arbeit eines niederländischen Meisters; der heilige Christoph in der 1498 von Pedro Trincher in Valencia gedruckten „Obra allaors de S. Cristofol" ist zum mindesten eine Kopie nach einem niederländischen Original; die Bilder im „Oliveros de Castilla" (Burgos 1499) sind ganz in der Weise der niederländischen Holzschnitte, ähnlich wie

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die Illustrationen des Lyoncr Terenz von 1493, ausgeführt. Gerade wegen dieser gemeinsamen Beziehungen zur niederländischen Kunst ähneln so viele spanische Holzschnitte, auch in der Ornamentik und in einzelnen grossen Ini- tialen der Titelblätter, den Arbeiten der französischen Schule, so zum Beispiel die Bilder der inBurgos 1499 gedruckten spanischen Ausgabe von Brants Narren- schiff, der in Sevilla 1499 von Pedro Brun herausgegebenen „Historia dcVespa- siano" und andere mehr.

Neben diesen Nachahmungen und Entlehnungen begegnen uns aber doch wieder so viele Arbeiten von bestimmter Eigenart in Zeichnung und Technik, dass man berechtigt sein dürfte, von einem spezifisch spanischen Holzschnittstil zu sprechen. In erster Linie ist es die Ornamentik in Umrahmungen, Leisten und Initialen, die einen eigenen, nationalen Charakter zur Schau trägt, überall einen starken Zusatz von arabischen, orientalischen Formen, jene Mischung von goti- schen mit maurischen Zierelementcn zeigt, die der frühen spanischen Kunst ein eigentümliches Gepräge gibt. In gedrängter Fülle bedecken die meist weiss auf schwarzem Grunde sich abhebenden Muster die ganze auszuschmückende Fläche. Es sind entweder schwere, dicke, stark relicficrte, gotisierende Blattformen oder ganz feines, enges, stark gewundenes Ranken- und Astwerk, und heftig bewegte, aber stark stilisierte Tiergestalten, die meist in wappenartiger Gegenüberstellung zu zweien oder in einer Verschlingung symmetrisch angeordnet sind. Von dieser überzarten Ornamentierung, die, einzelnen Hauptlinien folgend, die ganze Fläche überspinnt und die, ähnlich den Schrotblättern oder den Stichen in Punktier- manier, sehr fein und scharf in Metall gearbeitet zu sein scheint, finden wir schöne Beispiele in David Abu Derahims „Ordo praccum" (hebraice, Lissabon i486, s. Abb. S. 1 17), in Diaz' de Montalvo, Ordonanzes Reales (Hucte 1485), in den Compilaciones des Leyes (Zamora um 1485), in der schon erwähnten Umrahmung im Tirant lo Blanch (Valencia 1490) und in anderen Büchern. Abgesehen von einzelnen Kopien kommen italienische Renaissanceformen in der spanischen Buchomamcntik erst im Anfange des XVI. Jahrhunderts auf.

Aber auch in den figürlichen Darstellungen zeigt die Technik spanischer Holzschnitte gewisse Eigentümlichkeiten, die wir wohl als nationale ansehen müssen. Die Umrisse sind ziemlich dick, die Falten steif und eckig gebrochen wie in deutschen Holzschnitten, denen die spanischen Arbeiten überhaupt im Charakter der Zeichnung sehr nahe stehen. Die Eigenart zeigt sich in den Typen und in den heftigen, leidenschaftlichen Bewegungen und technisch vor allem

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in dem System der Schraffierung durch schräg gegen den Umriss oder den Zug der Falten gestellte Reihen ganz gleichmäßiger und gerader, dünner und ziemlich kurzer Striche. Der Gesamteindruck der Technik ist ausserordentlich trocken und nüchtern, ähnlich wie der vieler Mailänder Holzschnitte, besonders weil die Ränder der Linien nicht scharf genug geschnitten sind, und die von den gleichmässig hart absetzenden Strichen gebildeten streifenartigen Schatten zu viele tote Flächen hervorbringen.

Dieser Art sind zum Beispiel die meist nach Schongauers Passion kopierten Bilder im „Tesoro de la Passion", den P. Hurus 1494 in Zaragoza druckte, und in der „Aurea Expositio Hymnorum" desselben Druckers von 1499, das Signet des Paulus Hurus mit Jakobus und Sebastian (s. die etwas verkleinerte Abb. S. uz), die Holzschnitte in Fernando Mexias Nobilitario (149z Sevilla, Pedro Brun), in des heiligen Bernardus „Epistola de regimine domus" (Valencia, Spindcler um 1498), in Santaellas „Vocabulario eedesiastico" (Sevilla 1499) und in Ricoldus' „Improbatio Alcorani" (Sevilla 1500).

Merkwürdigerweise hat nun der Stil vieler dieser spanischen Holzschnitte eine grosse Verwandtschaft mit einer Reihe von Illustrationen in Neapolitaner Drucken, besonders mit denen des 1485 von Francesco Tuppo dort ge- druckten Aesop. Nicht nur in der Ornamentik, sondern auch in der Zeich- nung, in Typen und Bewegungen, in der Faltengebung und in der Technik mit den kurzen, geraden, engen Schraffierungen gibt sich der gleiche Stilcharaktcr zu erkennen. Die Acsop-Holzschnitte, denen auch zum grossen Teil italienische Vorbilder zu Grunde liegen, sind allerdings viel schärfer und sorgfältiger ge- schnitten, die Schraffierungen lebendiger und oft etwas gebogen, aber trotz- dem lassen sie, besonders die weniger italienischen Bilder zum Leben Aesops, keinen Zweifel daran, dass wir hier Arbeiten derselben Schule und Stilrichtung, vielleicht sogar desselben Künstlers vor uns haben. Wenn wir nun in einem vor dem Aesop im Jahre 1480 in Barcelona gedruckten Werke, den „Con- stitutiones de Cataluüa", Holzschnitte desselben Stils, ja derselben Hand finden, so werden wir wohl anzunehmen haben, dass der Holzschneider des Neapler Aesop diese in Italien ganz allein stehende Technik aus Spanien dorthin ge- bracht habe. Wie schon erwähnt, sind auch die „I. D." bezeichneten Holz- schnitte einer Ausgabe der „Ars moriendi" (o. O. und J.), die nach Lyon ver- setzt wird, in der gleichen Manier ausgeführt. Sic wurden früher fälschlich dem viel späteren französischen Stecher Jean Duvet zugeschrieben, sind aber

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doch höchstwahrscheinlich in Frankreich entstanden, da ein Holzschnitt gleichen Stils in dem 1488 1489 in Lyon von Trechsel gedruckten „Qaadragesimale aureum de peccatis" und zwei andere ebenfalls I. D. bezeichnete Illustrationen in französischen Drucken vorkommen. 'Wir haben eine gewisse Berechtigung, diesen Holzschnittstil, obschon er sich auf deutscher, besonders elsässischer Formengrundlage entwickelt und auch in Südfrankreich und Italien gepflegt wird, doch als spezifisch spanisch zu bezeichnen, weil er spanische Ornamentik und Formenbildungen in sich aufgenommen hat und auch deshalb, weil er hier, neben Kopien nach fremden Originalen, allein herrschend geblieben ist.

Augenscheinlich knüpft die weitere Entwickelung des spanischen Holz- schnittes im XVI. Jahrhundert an diese Stilgruppc an. Die Umrisse bleiben sehr dick, aber die Schraffierungen werden noch feiner und enger und nun stark gebogen, ihre Massen gehäufter und der Boden und Hintergrund stark ausgearbeitet, so dass der Gesamteindruck ein sehr dunkler, farbiger, meist wegen der geringen Sorgfalt der Ausführung und des Druckes auch ein un- sauberer wird, ganz ähnlich dem der Metallschnitte in Mailänder Büchern und in den venezianischen Drucken des Giov. Battista Sessa aus Mailand. Dieser Art sind zum Beispiel die zwei grossen Holzschnitte in der „Blanquerna" des Raimundus Lullus (Valencia 1 5 z 1 ) und der nach Dürers Baseler Holzschnitt kopierte h. Hieronymus im „Transito di S. Hieronymo" (Zaragoza 1528) und andere mehr. Der grösste Teil der uns bekannten spanischen Holzschnitte dieser Zeit entzieht sich durch die Unförmigkeit der Zeichnung und die Roheit des Schnittes der künstlerischen Kritik, die meisten besseren Arbeiten zeigen dagegen eine sehr starke, unmittelbare Anlehnung an französische und italienische, besonders venezianische oder mailändische Vorbilder, wie zum Beispiel die in Jorge Cocis Ausgabe von Diegos de Sant Pedro „Carcel de Amor*' (Zaragoza MM).

Ob der Kupferstich im XV. Jahrhundert in Spanien unter den einheimi- schen Künstlern einen Apostel gefunden habe, ist bis jetzt noch nicht ermittelt worden. Einige sicher in Spanien entstandene Kupferstiche, aus denen man dies hat schliessen wollen, können sehr wohl auch von deutschen oder niederländi- schen Stechern in Spanien ausgeführt worden sein. Die Technik der wenigen bekannten Blätter lehnt sich jedenfalls eng an fremde Vorbilder an. Ein Stich, der Szenen aus dem Leben Christi und der heiligen Eulalia, der Schutzpatronin von Barcelona darstellt, und von dem die National-Bibliothek in Madrid einen

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modernen Abdruck besitzt, trägt die Bezeichnung: ,,Fr(ater?) Domcnech 1488". Achnlich rohe Arbeit, die eine gewisse Verwandtschaft mit Florentiner Blättern erkennen lässt, zeigen ein Glücksrad und eine Allegorie, in der wir den Tod die Menschen von einem Baume, der auf einem Schiffe steht und von zwei Mäusen benagt wird, herunterschiessen sehen, beide ebenfalls in Madrid. Drei Spielkarten des Berliner Kabinets, König, Königin und Reiter (caballo), die als Farbenzeichen runde Scheiben (Geldstücke, dineros) mit spanischem Wappen und der Umschrift „Valcnzia" in den Händen tragen, sind ganz im Stil und in der Technik des deutschen „Meisters der Bandrollen" ausgeführt. Das beste Stück dieser kleinen Gruppe spanischer Kupferstiche ist eine Darstellung des Beato Karlo de Viana mit spanischem Wappen und einer Unterschrift in spanischer Sprache, die in der Madrider National-Bibliothck bewahrt wird. Die Zeichnung der Gestalten des Heiligen und seines viel kleiner gebildeten Schützlings ist steif und eckig, die dürftige Modellierung besteht nur in unsicher und unregelmässig in der Längsrichtung der Formen geführter Strichclung oder in ungeschickter Kreuzschraffierung, im Gesichte des Heiligen aber ist ein in- dividueller, porträtmässiger Typus von Eyckischcr Feinheit durch eine zarte, ausdrucksvolle Umrisslinic festgehalten. Die Zeichnung macht einen nieder- ländischen Eindruck, die Technik schliesst sich eng an die der frühesten deut- schen Kupferstiche an.

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Au» der Biblia cum postillis Nicolai de Lyra. Venedig, I4I9,

DER HOLZSCHNITT IN ITALIEN.

""ICHT selten ist behauptet worden, dass die graphischen Künste in Italien, gemäss der Verschiedenheit des Klimas, des Charakters und der Kultur des Volkes, eine grundsätzlich andere Stellung im geistigen Haus- halte der Nation eingenommen hätten als im Norden. Eine eingehendere Betrachtung lehrt jedoch, dass die Eigentümlichkeiten in der Entwicklung des Bild- druckes in Italien nicht sowohl auf äusseren Um- ständen beruhen, sondern vielmehr auf rein künstleri- schem Gebiete zu suchen sind. Es ist wohl möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass der Holzschnitt in Deutschland früher als in Italien für den Bilddruck Verwendung gefunden habe, und dass die Produktion im Norden eine reichere gewesen sei; sicher aber wurde, wie die eingangs angeführten Nachrichten beweisen, der Holzschnitt auch in Italien wenigstens schon seit dem Beginne des XV. Jahrhunderts lebhaft und gewerbsmässig betrieben und zu den gleichen Zwecken wie im Norden, d. h. zur Erzeugung von Heiligenbildern, Spielkarten, Ornamentstücken, Kalendern und dergleichen benutzt.

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Schon ans den mehrfach erwähnten Dokumenten ergibt sich, dass es in Italien zwei Hauptzentren waren, in denen der Bilddruck vornehmlich gepflegt wurde, Venedig und Florenz, den beiden Statten, die überhaupt im Geistes- leben und in der Kunst Italiens damals die führende Stellung einnahmen. In Venedig können wir die Entwicklung des Holzschnittes wenigstens seit der Mitte des XV. Jahrhunderts verfolgen. Ganz ähnlich wie in Deutschland scheint auch hier, wenn wir den Klagen der Xylographen in jener Eingabe von 1441 glauben können, der Holzschnitt um die Mitte des Jahrhunderts sich in einem Stadium des Niederganges befunden zu haben. Vielleicht dürfen wir eine Be- stätigung hierfür in einer Reihe von Spielkarten erblicken, die vor einigen Jahren in dem Deckel eines Registerbandes aus den Marken von 1466 im Königl. Staatsarchiv in Rom gefunden wurden. Es sind dies sehr derbe, hand- werkliche Arbeiten, die, wie die rückläufig, offenbar ohne Verständnis des In- haltes nachgeschnittenen Inschriften beweisen, nach niederdeutschen Vorbildern kopiert sind. Die italienischen Holzschneider suchten also durch diese Kopien der Konkurrenz der in Italien augenscheinlich sehr beliebten aus Deutschland importierten Spielkarten zu begegnen. Die Formen und Kostüme auf diesen Karten gestatten uns, wenn auch nicht die Holzstöcke selber oder gar diese Abdrücke so doch jedenfalls ihren Stil, ihren Typus als Spielkarten in die erste Hälfte des XV. Jahrhunderts zu setzen. Die Arbeit ist bei aller Derbheit doch so geschickt, sie zeugt von so grosser Routine in der Handhabung des Messers, dass wir in ihr unbedingt das Resultat einer sehr langen Ucbung erblicken müssen. In anderen, späteren Holzschnitten begegnen wir nirgends mehr den Spuren dieser groben, kernigen Technik.

Während uns in diesen Resten von Spielkarten vielleicht die letzten Aus- läufer eines verfallenden Stils erhalten sind , können wir in einer anderen grossen und bedeutenden Gruppe sicher venezianischer Holzschnitte frische und lebenskräftige Ansätze erkennen, aus denen sich der charakteristische Stil der venezianischen Buchillustration stetig und gleichmässig entwickelt. Zu dieser Gruppe von Holzschnitten gehört eine Anzahl sehr schöner Blätter in der Biblio- tcca Classcnsc zu Ravenna, dann eine grosse Kreuzigung im Museum zu Prato und endlich eine Folge von Darstellungen der Passion, die mit lateinischem xylo- graphischem Texte versehen eine Art von opistographisch gedrucktem Blockbuch bilden. Das einzige, unvollständige Exemplar dieses bemerkenswerten Denkmals der Xylographie wird im Kupferstichkabinet zu Berlin aufbewahrt (s. Abb.).

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ItmpoRuwnr captttem&ctudaucui

Au* dem veneiianiichen Blockbuche, die Fattion Christi, im K. Kupfemichkabiner zu Berlin.

Original: iioXm mm.

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Es ist in der Art der Federzeichnungen leicht koloriert und mit handschriftlichen deutschen Erläuterungen verschen. Der venezianische Ursprung dieser Bildcr- rolge ergibt sich mit Wahrscheinlichkeit schon daraus, dass die Holzstöcke, um die Inschriftcntafeln und einen Teil der breiten Umrahmungslinic verkleinert, zur Illustration einer in Venedig 148 7 gedruckten Ausgabe von Bonaventuras „devote meditazioni" verwendet worden sind ; vor allem aber ist er mit Sicher- heit daraus zu folgern, dass sich die Weiterbildung ihres Stils Schritt für Schritt in sicher venezianischen, datierbaren Holzschnitten verfolgen lässt.

Der stilistischen Analyse setzen, wie schon öfter hervorgehoben wurde, die Werke der Holzschneidekunst grosse Schwierigkeiten entgegen, da sie fast immer die Formen der monumentalen Kunst nur in stark verblasstem Abbilde wiedergeben. Aber doch werden wir bei der Betrachtung des italienischen Holzschnittes fast überall einen engen Anschluss an den lokalen Stil der mono- mentalen Kunst beobachten können, durch den er sich charakteristisch von dem viel gleichmässigercn und handwerklicheren Betriebe in Deutschland unter- scheidet. In den zum grossen Teil vorzüglichen Arbeiten dieser Gruppe können wir bei aller Vorsicht des Urteils doch einen nahen Zusammenhang mit Werken der venezianischen Plastik des beginnenden XV. Jahrhunderts feststellen. Eine ganze Reihe von Formenelementen, die jenen Skulpturen eigentumlich sind, lassen sich in den Holzschnitten wiedererkennen. Es sind offenbar nicht mehr die handwerklichen Karten- und Heiligenbilddrucker der alten Schule, denen wir diese Blätter verdanken, sondern frische, auf dem Gebiete der Plastik, wohl besonders der Holzbildschnitzerei ausgebildete Kräfte, von denen diese Neube- lebung der alten, in Verfall geratenen Technik ausgeht.

Die Komposition der Passionsbilder zeichnet sich durch grosse Kraft und Originalität der Erfindung und durch Selbständigkeit der technischen Be- handlung aus. Der Holzschneider sucht die Formen, so wie er sie beobachtet hat, wiederzugeben, ohne sie nach den besonderen Erfordernissen und Bequem- lichkeiten der Technik umzugestalten, zu schematisieren. Er vermeidet weder starke Verkürzungen noch Ueberschneidungen, drängt die im Verhältnis zum Räume sehr grossen Gestalten in dramatisch bewegte Gruppen plastisch zu- sammen. Holzschneider und Zeichner sind hier aller Wahrscheinlichkeit nach eine und dieselbe Person gewesen; die Verschiedenheiten in der Ausführung erklären sich leicht durch die mehr oder minder grosse Sorgfalt des Schnittes, der ohne alle Schraffierungen nur in kräftigen, lebendig bewegten Umrissen ausgeführt ist.

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Die Zeit der Entstehung dieser Holzschnitte lässt sich nur durch die Kostüme annähernd bestimmen. Die Formen der Waffen, die Mischung von Kettenpanzerung mit Plattenrüstung, die langen Ueberröcke mit weiten Acrmeln und tiefer Gürtung weisen entschieden auf die erste Hälfte des XV. Jahrhunderts. Trotzdem wird man die Passionsbilder kaum über die Mitte des Jahrhunderts hinaufrücken dürfen, weil ihr Stil nur durch wenige Zwischenglieder zu dem der Bücherholzschnitte der 8oer und poer Jahre übergeleitet wird. Unter den Blättern dieses Stils in der Ravennater Sammlung befinden sich einige, wie das Martyrium des heiligen Sebastian und der heilige Philippus de Florentia, die den Holzschnitten der frühesten illustrierten venezianischen Bücher, besonders des i486 gedruckten Supplemcntum Chronicarum vonjac. Phil. Foresti Bergo- mensis schon ganz nahe stehen. Der Schnitt ist in diesen Buchillustrationen feiner und sauberer, die Linien sind dünner, glatter und gleichmässiger ge- worden, wie das die kleineren Dimensionen der Bilder und der Figuren, wie über- haupt die Einfügung der Holzschnitte in den Typensatz notwendig machten, aber der unmittelbare Zusammenhang ist ohne weiteres einleuchtend. Von dieser Zeit an, in der der Holzschnitt seinen Einzug in das gedruckte Buch hält, können wir ihn in seiner Entwicklung und in seinen verschiedenen Verzwei- gungen genauer verfolgen.

Offenbar ist es erst nach Ueberwindung vieler technischen Schwierigkeiten und nach einer Reihe verschiedenartiger Versuche gelungen, den Holzschnitt in künstlerisch befriedigender Weise für die Verzierung und Illustrierung von ge- druckten Büchern zu verwenden. Ursprünglich sollte der Holzschnitt nur als Vordruck, als eine leichte und bequeme Vorzeichnung für den Miniator dienen, dem die Ausschmückung des Buches, wie vorher der Manuskripte, anvertraut war. Wir erkennen diese Absicht besonders deutlich in einer Reihe von Um- rahmungen in einzelnen Exemplaren der ersten in Venedig 1469 und in den folgenden Jahren gedruckten Bücher. Diese Vordrucke, die alle fast genau die gleiche Kolorierung zeigen, sind nicht in der Presse gleichzeitig mit dem Texte sondern erst nachträglich mit Hilfe kleiner Holzmodel, die neben oder über- einander auf den weissen Rand um den Text aufgedruckt wurden, hergestellt worden. Sie sind also offenbar ohne Mitwirkung der Drucker, die sich über- haupt nur wiederstrebend und langsam entschlossen zu haben scheinen, für die Illustrierung ihrer Drucke selber zu sorgen, in der Werkstatt eines Miniators ausgeführt worden.

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Die gleiche primitive Art des Aufdrucks der Holzschnitte durch Hand- pressung nach Fertigstellung des Textdruckes können vir sogar noch in dem ältesten mit Illustrationen versehenen, in Oberitalicn gedruckten Buche, dem 1472 in Verona herausgegebenen Werke des Robert Valturius Ober die Kriegs- kunst beobachten (s. Abb.). Die Zeichnungen rühren, wie vir wissen, von dem Architekten und Medailleur Matteo de' Pasti her. Wenn die Tradition ihm auch die Ausführung der Holzschnitte mit Recht zuschreibt, so hätten wir darin wieder

einen Beweis für die engen Beziehungen des venezianischen Holzschnittes mit der Plastik zu sehen. Die Holzschnitte des auch typographisch hervorragend schönen Valturiusschen Werkes sind zum Teil meisterhaft gezeichnet und mit feinem Formgefühl und grosser Gewandtheit ge- schnitten, in ganz ähnlicher Manier wie jene Umrahmungsvordrucke. Vielleicht muss man hieraus doch schliessen, dass es nicht Matteo de' Pasti selber gewesen ist, der die Holzschnitte ausgeführt hat, son- dern ein berufsmässiger, geschickter Holz- schneider, zumal auch die zahlreichen, höchst lebendig und geistvoll gezeichneten, aber meist viel flüchtiger, härter und un- ruhiger geschnittenen Illustrationen des 1479 ebenfalls in Verona gedruckten Acsop eine ganz analoge Technik auf- weisen. Das Titelblatt allein ist regel- mässiger und glatter geschnitten. Der Stil des Valturius und des Aesop setzt sich in Verona nicht fort, auch in Venedig finden wir nur eine grössere und eine kleinere Darstellung der Kreuzigung in Missalien von 148 1 und 1482, die in Einzelheiten der Zeich- nung und im groben, eckigen Schnitt mit jenen Bildern in Zusammenhang zu stehen scheinen. Die Technik der Veroneser Holzschnitte ist jedenfalls nichts als eine Abwandelung der venezianischen, wie wir deren weiterhin noch andere kennen lernen werden. In Venedig hatten sich seit den 70er und 80 er Jahren

Aui: Vilturius, de ic militari. Verona. 147»-

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schon mehrere Werkstätten von Holzschneidern gebildet, die den Bedarf an Einzclblättern und Buchillustrationen in geschäftsmässiger Art zu befriedigen suchen, und deren Arbeiten im Stil der Zeichnung und der Technik wie in der Qualität oft sehr stark von einander verschieden sind.

Der erste Drucker, der in Venedig den Holzschnitt zur Aus- schmückung und Illustrierung seiner Bücher verwertet, ist ein Deutscher, Erhard Radtold aus Augsburg. Wahrend eine Reihe der von ihm verwende- ten Holzschnitte augenscheinlich von deutschen Arbeitern hergestellt ist, zeigen die Zierleisten, Umrahmungen und Initialen in seinen frühesten venezianischen Drucken so unverkennbar den Stil der italienischen Renaissance, dass sie jeden- falls von einem Italiener gezeichnet sein müssen. Die äusserst eleganten Leisten, die den Titel von Regiomontanus* Kalender von 1476 umrahmen, sind in zartestem Umrissschnitt mit grösster Feinheit ausgeführt. Die gleiche Sorgfalt und Meisterschaft des Schnittes zeigen die mit Recht viel bewunderten und nachgebildeten Tiefschnittumrahmungen in R ad told's Ausgabe des Appianus und des Pomponius Mcla von 1478, des Euclid von 148z u.a.m. Diese herr- lichen Bordüren, die die Zeichnung weiss auf schwarzem Grunde sich ab- heben lassen, beweisen, dass der italienische Holzschnitt im Gegensatze zum deutschen von vornherein darauf ausging, die Miniaturmalerei vollständig durch seine Arbeit zu ersetzen. In richtigem Stilgefühl erkennen die italienischen Kunstler nach den ersten Versuchen schnell den reinen Umrissschnitt als die künstlerisch allein befriedigende Verzierung des gedruckten Textes. Sehr be- achtenswert ist auch hier wieder der enge Anschluss der Ornamentik an die Formen der monumentalen Kunst.

Neben den Meisterwerken der Buchornamentik in Radtolts Drucken behauptet die Stilgruppc, deren Anfange wir oben von den ältesten uns bekannten venezianischen Einblatt- und Blockbuchholzschnittcn bis zu den Bildern des Supplcmentum Chronicarum von i486 verfolgt haben, die erste Stelle. Wir können ihre weitere Ausbildung und Verzweigung von hier an Schritt für Schritt bis in das XVI. Jahrhundert hinein beobachten. Zunächst bleibt man dem reinen Umrissschnitt in weichen, runden Linien ohne Schraffierungen treu und strebt nur, die Striche immer mehr zu verfeinern, die Innenzeichnung zu beleben, wie wir das z.B. an dem Titclbildc zu Sacroboscos Opus Sphaericum von 1488 sehen. Dann sucht man den zarten, skizzenhaften Charakter der Federzeichnung unmittelbar wiederzugeben. Die Züge der Striche werden gerader und sind

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eckig gegeneinander gestellt, oft, wie beim Absetzen der Feder, kleine Zwischen- räume lassend; die Linie erhält bei der grössten Subtilität der Ausfuhrung die belebende Unregelmässigkeit des Striches der Feder. Die grössere Feinheit der Linien entspricht dem kleineren Format der Bilder und den kleinen Dimensionen der Gestalten. Dabei beginnt man nun aber, wenn auch noch sehr diskret, hauptsächlich zur Belebung des Bodens, beschatteter Gebäudeteile und einzelner Zwischenräume ganz feine, kurze, gerade, ziemlich weit gestellte Schraffierungs- linien zu verwenden. Da solche Schraffierungen stärker zuerst in Holzschnitten auftreten, die nach deutschen Vorbildern kopiert sind, wie z. B. in dem Titel- bilde von dem Werke des h. Augustinus „de civitate dei" 1480, das den Holz- schnitt der kurz vorher erschienenen Baseler Ausgabe frei wiedergibt, oder in Holzschnitten, die, wie die Illustrationen zu Petrarcas Trionft in der Ausgabe von 1490 01, nach Kupferstichen kopiert sind, so wird man diese Neuerung wohl hauptsächlich auf den Einfluss solcher Vorbilder zurückfuhren müssen.

Wenn wir auch leicht eine ganze Anzahl verschiedener Arbeiter unter- scheiden können, so tritt doch keiner von ihnen als originale Künstlerpersönlich- keit aus der Reihe hervor. Der Schulzusammenhang bleibt, trotz grossen Ver- schiedenheiten in Zeichnung und Schnitt, doch bei den Einzelnen zu stark, als dass man sie individuell unterscheiden könnte. Damit fallen von vornherein alle Zuschreibungen der Zeichnungen an berühmte Meister ersten Ranges, wie Mantegna, Bellini u. s. w., und alle Versuche, einzelne Monogramme, wie besonders das „b" mit den Namen grosser Künstler in Verbindung zu bringen. Diese Monogramme beziehen sich jedenfalls nicht auf den Zeichner der Vorlage, sondern auf die Holzschneider. Ja sie helfen kaum zu mehr als zur Bestimmung der einzelnen Werkstätten, aus denen sie hervorgegangen sind, und der in ihnen gepflegten Stilrichtungen, denn auch die gleichbezeichneten Holzschnitte scheinen nicht alle von derselben Hand ausgeführt worden zu sein.

Wenn wir beachten, mit welcher Unbefangenheit diese Künstler alle mög- lichen Vorbilder, italienische und fremde Holzschnitte und Kupferstiche, alle ihnen zugänglichen Motive benutzen, Eigenes mit Fremdem mischen, das Erlernte wie das Beobachtete, wenn auch noch so geschmackvoll und feinfühlig, so doch immer mit einem gewissen Schematismus für die gerade geforderte Darstellung verwerten, so wird man doch nicht zugeben, dass diese Holzschneider notwen- digerweise immer nach Vorzeichnungen anderer, bedeutenderer Künstler gearbeitet haben müssten. Wir werden Technikern von dieser Gewandtheit in der Form-

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gebung, von dieser Frische und Beweglichkeit in der Wiedergabc der feinsten Details sehr wohl auch die Kompositionen ihrer Bildchen zutrauen dürfen. Es kann nicht Wunder nehmen, in einer so glänzenden Periode selbst unter diesen bescheidenen Arbeitern Künstler zu finden, denen auch ein grosser Wurf, eine ganz selbständige Erfindung gelingt. Auch aus dem schnellen Verfall des Holz- schnittes dieser Art, gerade in der Zeit als die monumentale Kunst ihre höchste Höhe erreichte, wird man wohl schliessen müssen, dass die künstlerische Qua- lität der Arbeit doch wesentlich von den Holzschneidern selber abhing.

Die 90 er Jahre des XV. Jahrhunderts sind die eigentliche Blütezeit des venezianischen Holzschnittes, der weitaus grösstc Teil seiner hervorragendsten Leistungen drängt sich in diese kurze Zeitspanne zusammen. Das Jahrzehnt beginnt mit einer der um- fangreichsten undwcrtvollstcn Serien von Illustrationen, den Bildern zu Malcrmis italie- nischer Ucbersetzung der Bibel, die Lucantonio Giunta 1490 druckte (s. Abb.). Unter den über 350 Holz- schnitten ist eine Reihe frei nach den Darstellungen der Kölner Bibel von 1480 ko- piert, überhaupt die Arbeit nicht immer von der gleichen Feinheit der Zeich- nung und Ausführung; aber überall entzückt die Unmittelbarkeit der Anschauung, die Unbefangenheit, die ausdrucksvolle Grazie der einzelnen Gestalten. Alles auf- dringliche Detail in den Kompositionen und in der Zeichnung ist vermieden, von dem einzelnen, bestimmten Vorgange sind nicht die besonderen Züge sondern nur der allgemeine Gehalt durch wenige, leicht verständliche Motive angedeutet. Die Kompositionen ordnen sich dem Texte unter, ohne durch neue, eigenmächtige, individualisierende Abwandlung des Gegenstandes den Leser abzulenken, ebenso wie die Formen sich harmonisch dem Satzbilde einfügen. Das Bild will dem Leser nur eine Andeutung des Inhaltes im allgemeinen, eine Art figürlicher Kapitelüberschrift geben und die Monotonie des gedruckten Textes angenehm unterbrechen, dem Auge einen wohltuenden Ruhepunkt gewähren.

Diese Vorzüge haben allerdings alle künstlerischen Buchillustrationcn der

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Au» der Malcrmi-Bibel. Venedig 1490.

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Renaissance vor den sklavisch dem Wortsinn folgenden mittelalterlichen, wie vor der allzu selbständigen, in Komposition und in den Formen durchgehends zu stark detaillierenden modernen Methode voraus, die dürfen aber mit Fug und Recht bei der Betrachtung der italienischen Buchholzschnitte und besonders der ältesten grossen Serie von Illustrationen nachdrücklich hervorgehoben werden.

Einzelne Holzschnitte der Malermibibel tragen die Holzschneidermarke .b., die als Bezeichnung dieser Stilgruppe, von der sich andere mehr oder veniger be- stimmt unterscheiden lassen, dienen kann. Schon vor der Malermibibel erschienen in der 1489 von Matteo di Co de Ca gedruckten Ausgabe der Meditazioni des h. Bonaventura neben Bildern ganz anderer Art drei Holzschnitte dieses Stils von der grössten Feinheit (Christus vor Pilatus, Geisselung und Dorncnkrönung) : eine Ausgabe desselben Buches von 1490 oder 91 bringt die ganze Reihe der Passionsdarstellungen in anderen, ebenso vorzüglich geschnittenen Kompositionen. Von besonders schönen einzelnen Holzschnitten dieses Stils seien noch die Titel- bilder des „Fior di Virtü", der „Sacrc pagine" des Stephan Bruseler von 1490 und des Plutarch von 149 1 erwähnt.

Weit weniger anziehend als diese Holzschnitte sind die Illustrationen der beiden im Jahre 1491 gedruckten Danteausgaben. Die Bilder des am \. März von B. Benali und M. Codeca herausgegebenen Druckes sind kleiner und meist weniger sorgfältig gearbeitet als die des am 18. November von Picro Crcmo- nese vollendeten Bandes. Beide Serien sind höchst wahrscheinlich nach einer gemeinsamen Vorlage, vielleicht nach Miniaturen, hergestellt worden und, wie in der Komposition so auch im Stil nur wenig von einander verschieden. In der Ausgabe vom 1 8. November sind zwei Holzschnitte, der erste und der zwan- zigste, mit dem bekannten b bezeichnet. Der Zweck der Bilder war gewiss in erster Linie der, eine schnelle Orientierung über den Inhalt eines jeden Gesanges zu ermöglichen, aber ohne Frage wurden sie auch als eine Zierde des Buches betrachtet und als solche, wie die mehrfachen illustrierten Neuauflagen beweisen, auch geschätzt. Angesichts des grossartigen Zyklus der Zeichnungen Sandro Botticellis mag es uns heute befremdlich erscheinen , dass sich die Leser mit so ärmlichen, schematischen, oft recht steifen und kindlichen Bildchen begnügten; aber abgesehen davon, dass Dantes Werk damals schon eine recht populäre Lek- türe geworden war, muss man in jener Zeit doch wohl ein naiveres und feineres Gefühl für den Reiz dieser zierlichen Figürchcn, die auch in der Tat viel besser gezeichnet sind als es auf den ersten flüchtigen Blick scheint, gehabt haben.

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Auf der Höhe der Bibelbildcr von 1490 stehen dagegen wieder die ganz aus dem frischen Leben geschöpften Gcnrcbildchcn in den von Grcgorio de Gregoriis 149 z gedruckten Ausgaben von Boccaccios Dccamcronc und von Masuccios Novellino und die ebenfalls in kleinem Format ausgeführten Szenen aus dem Leben der Heiligen in den „Vite de' Santi Padri" von 149 1, von denen mehrere das Monogramm b aufweisen. Man sieht die Künstler hier, wo sie unmittelbar der Beobachtung der Wirklichkeit folgen konnten, sich mit der grössten Freiheit und Anmut bewegen. Für die Verkörperung der sublimen Vorstellungen Dantes und Petrarcas reicht dagegen ihr Talent ebenso wenig aus wie für die Erfassung der moralisierenden Epik des Titus Livius. Hier be- sitzen die kleinen Bilder nur in einzelnen Zügen und Figuren künstle- rischen Reiz. Eine Anzahl von Holzschnitten im Livius unterscheidet sich von dem Stil der mit „b" bezeichneten Blätter in bestimmter Weise durch die volleren , runderen Formen und Linien und die gl eich massigen, wc i t c n Schraffierungslinien. Das Monogramm „F", das wir mehrfach finden, bestätigt die Vermutung, dass wir es hier mit Arbeiten eines andren Meisters oder einer anderen Werkstätte zu tun haben, deren Manier aber der des Meisters „b" sehr nahe verwandt ist.

Ganz selbständig und eigenartig in ihrer künstlerischen Formenbildung und in ihrer Technik stellt sich eine andere, wichtige Stilgruppe den bisher be- sprochenen gegenüber. Die ältesten Arbeiten dieses Stils sind die Holzschnitte in Nicolaus de Lyra's Postille von 1489 (s. Abb. S. 123). Die erste bedeutendere Serie von Illustrationen dieser Art enthält die von Guilelmus de Tridino 1493 gedruckte Ausgabe derMalcrmibibel (s.Abb.). Die Holzschnitte sind z.T. sehr freie, verkleinerte und vereinfachte Nachbildungen der Darstellungen in der Bibel von

Aus der italienischen Bibel, Venedig, G. de Tridino 149».

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1490. meist aber ganz neue und selbständige Kompositionen von der äusserten Feinheit des Schnittes. Einzelne Holzschnitte tragen den Buchstaben „N", den wir noch mehrfach in anderen Büchern wiederfinden. An Qualität stehen sie der „b"- Gruppe kaum nach, unterscheiden sich von ihr durch feierlichere, steifere, weniger unbefangene Haltung der Figuren mit starkknochigen Köpfen, durch die sehr regelmässige Behandlung der Haare und der in langen Zögen angeordneten Gewandfalten, vor allem auch durch eine fast übertriebene Fein- heit der Linien, die oft einer Steigerung nicht mehr fähig zu sein scheint. Gegenüber der realistischen Darstellungsweise des Meisters „b" herrscht hier ein mehr monumentaler Charakter, etwas von der plastischen Pose des Hoch- renaissancestils vor. Der rcliefartige Charakter der Kompositionen und die statuarische Ruhe der Bewegungen kommt besonders stark in Bildern mit grösseren Figuren zur Geltung, in denen die Striche dann natürlich entsprechend kräftigeren Körper haben. Besonders charakteristisch sind die vier foliogrossen Holzschnitte in der von Giovanni und Gregorio de Gregoriis 149) gedruckten Ausgabe von Kethams „Fasciculus medicinae". Die 1491 erschienene erste Auflage enthielt nur einige anatomische und chirurgische Darstellungen, die wohl der Belehrung dienen sollten, während jene vier neuen Bilder, die die Tätigkeiten des lehrenden und ausübenden Mediziners darstellen, kaum einen anderen Zweck gehabt haben können, als dem Buche einen künstlerischen Schmuck zu verleihen, einen Zweck, den sie in der Tat in höchstem Maasse erfüllen. Man wird bei der Betrachtung dieser Gestalten unmittelbar an die Reliefs venezianischer Bildhauer wie Antonio Rizzo und Pietro Lombardo er- innert.

Von besondererer Bedeutung ist dieser Stil, weil er der eigentlich herr- schende wird und sich bis in das XVI. Jahrhundert fortsetzt. Die Werkstatt des Meisters „Nu hat gerade die besten und grössten Holzschnitte geliefert. Die Bilder zu den Triumphen Petrarcas in der Ausgabe von 1493 (Matteo di Codeca) sind denen des Druckes von 1490 91 frei nachgeahmt. Sehr feine Beispiele sind die drei Holzschnitte in der Dottrina della vita monastica von 1 494» das Titelbild im Astrolabium planum von Angelus de Aichach (1494), die Holzschnitte im Monte della oratione und in den Meditazioni des h. Bonaventura von 1494 (Matteo di Codeca) u. a. m. In dem reich ausgestatteten Terenz von 1497 sind die kleinen, die einzelnen Szenen illustrierenden Bilder den charaktervollen Holzschnitten der Lyoner Ausgabe von 1493 sehr frei nach-

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gebildet, selbständige Kompositionen sind nur die beiden herrlichen, blattgrossen Bilder am Anfange , deren eines den Dichter und seine Commentatorcn , das andere ein Theater darstellt. Vielleicht sind auch für die 59 Hollschnitte in der Ueberserzung der Metamorphosen des Ovid von 1497, die in vielen späteren Ausgaben wiederholt und kopiert worden sind, ältere Kompositionen benutzt worden. Die Zeichnungen sind meist konventionell und verraten selten eigene Beobachtung, wie Uberhaupt dieser mehr grosszügige Stil des Meisters „N" nicht den Reichtum an feinen, originalen Motiven aufzuweisen hat wie die sorgfältig detaillierende Weise des Meisters „b". Der gröbere Schnitt der Ovidbilder ist jedenfalls nicht nur durch das grössere Format bedingt sondern durch die mindere Sorgfalt und Durchbildung der einzelnen Formen. Die Linien sind dicker, die Extremitäten viel plumper als in den früheren Holzschnitten und hie und da werden die Schatten schon durch lange, dem Zuge der Umrisse gleichlaufende Linien verstärkt, ohnc.dass man jedoch noch von einer syste- matischen Schraffierung reden könnte. Einige Holzschnitte sind mit „N" bezeichnet, eine Reihe anderer tragen das Monogramm „ia" und lassen nicht unwesentliche Abweichungen der technischen Behandlung erkennen. Die Formen sind weicher und runder, die Schraffierungen häufiger, so dass der ganze Eindruck dunkler und farbiger wird. Wir haben hier eine Entwickelungsstufe dieses Stils vor uns, die wir später an vorzüglicher ausgeführten Arbeiten näher betrachten können. Ohne Grund hat man das Zeichen „ia" auf Zoan Andrea ge- deutet. Die Stilvarianten sind mit den angeführten Gruppen nicht erschöpft, sie schliessen sich aber alle an diese hauptsächlichen Stilrichtungen sehr eng an und verdienen künstlerisch keine besondere Beachtung.

In der Ornamentik wiegt entsprechend dem leichteren Charakter des typo- graphischen Gesamtbildes und der einzelnen kleinen Illustrationen in dieser Zeit der feine Umrissschnitt vor. Der Tiefschnitt verschwindet daneben nicht ganz, erhält aber einen leichteren, zierlicheren Charakter, so in den Umrahmungen zu den Bildern im Petrarca von 149 1, wo die Zeichnung sich ganz unabhängig von dem schwarzen Grunde entwickelt, und in der als das schönste Werk der vene- zianischen Buchornamentik berühmten Bordüre im Herodot von 1494, in der unten und oben grosse weisse Medaillons mit Umrisszeichnung eingesetzt sind.

In den in reinem Umrissschnitt ausgeführten Zierstücken kommt dann das figürliche Element, Tiere, Putten, Athletengestalten und dergleichen gegenüber dem reinen Ornament stärker zur Geltung. Leichte, äusserst feine Umrahmungen

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dieses Stils enthalten z. B. die Malerini- Bibel von 1490, die März-Ausgabe des Dante von 1491, der Petrarca von 149 j, und eine der reichsten, sehr häufig wiederholten die Bibel des Guilclmo de Tridino von 1495. Auch an Initialen in Umrissschnitt mit zierlicher Blattornamentik und Figuren fehlt es nicht. Die Elemente ihrer Ornamentik entlehnen die venezianischen Illustratoren jetzt aus- schliesslich der Plastik und der Architektur. Es sind also im wesentlichen antike Formen, aus denen sich der dekorative Schmuck des Buches zusammensetzt.

Diese antikisierende Tendenz macht sich besonders stark in einem höchst interessanten Werke geltend, das einen würdigen Abschluss des quattrocenti- stischen Holzschnittes in Venedig bildet, und das inhaltlich, wie formal und technisch schon auf die weitere Entwicklung der venezianischen Bücherillu- stration hinweist. Die „Hypnerotomachia Polifili" des Fra Francesco Colonna, ein Meisterwerk der Presse des alten Aldus Manutius aus dem Jahre 1499, wird nicht ohne eine gewisse Berechtigung Jjäufig als das schönste gedruckte Buch bezeichnet und verdient jedenfalls den Ruhm, den es geniesst. Enger als sonst verbinden sich hier die zahlreichen Illustrationen mit dem Inhalte des Buches zu einer eigenartigen, starken Wirkung. Das mysteriöse Werk, dessen Sinn man in der verschiedensten Weise zu erklären versucht hat, ist ein allegorischer Roman in der Art des „Roman de la Rose", becinflusst von der „Divina Comedia" und, wie neuerdings wahrscheinlich gemacht worden ist, der „Arnorosa Visione" Boccaccios nachgeahmt. In der Form einer märchenhaften Liebesgeschichte werden die philosophischen Tendenzen des Humanismus dargelegt, seine sinn- liche Lebensanschauung verherrlicht und seine Leidenschaft für das Altertum in Phantasie vollen Schilderungen von Gebäuden und Bildwerken zum Ausdruck gebracht.

Es gibt wenige bedeutende Maler der Zeit, die nicht als Schöpfer der Illustrationen dieses Buches angesprochen worden wären. Diese Zuschreibungon bedürfen heute keiner Wicderlegung mehr; es lasse sich aber nicht leugnen, dass sie zu einer Ucberschätzung der Holzschnitte geführt haben. Wenn auch einzelne Motive aus dem wirklichen Leben, wie der schlafende Poliphilo, seine Flucht vor dem Drachen, die Umarmung der Liebenden (s. Abb.) und viele andere mit bewunderungswürdiger Naturwahrheit und entzückender Grazie wiedergegeben sind, so reicht die Kraft des Künstlers doch nicht entfernt an die Phantastik des Dichters heran. Die Kompositionen sind, sobald sie komplizierter werden, meist ziemlich steif, die Bewegungen oft lahm und schlaff und auch die Typen von

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einer gewissen Eintönigkeit. Das Monogramm ,,.b.« auf einem der Bilder dürfen vir nur als eine Marke des Holzschneiders ansehen, nicht als die Be- zeichnung des Erfinders der Kompositionen.

Mit den Bildern der Bibel von 1490 stehen die Holzschnitte der Hypnero- tomachie nur mehr in entferntem Zusammmenhange. Es ist die gleiche technische

Aus der Hypnerotomachia Polifili, Venedig, Aldus, 1499.

Schule, der beide Holzschneider angehören, aber in jenen älteren Arbeiten sind die Formen viel unmittelbarer beobachtet, viel empfundener und frischer wieder- gegeben, hier macht sich Schematismus und Manier schon störend bemerkbar; die Umrisse sind viel weichlicher und glatter und oft schon ziemlich dick, die Detailausftihrung routinierter, aber gedankenloser und oft unklar und fehler- haft. Trotz dem blendenden Glänze der Technik, trotz der Geschicklicheit in der Abwägung der Töne stehen sie doch künstlerisch den bescheidenen Holz-

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schnitten der Bibel von 1490 und anderen verwandten Werken nach. Dagegen sind die den oben besprochenen, mit dem Monogramme „iau bezeichneten Bildern des Ovid von 1497 eng verwandt, so dass man beide für Werke der- selben, in der Hypnerotomachie allerdings viel sorgfältiger arbeitenden Hand halten möchte. Wie in jenen Holzschnitten des Ovid tritt auch hier das Bestreben hervor, die Flächen durch reichere Innenzeichnung zu beleben und die Schatten durch Schraffierungen zu verstärken. Holzschnitte, die denen der Hypnerotomachie ganz nahe stehen, vielleicht von demselben Meister herrühren, sind unter anderen die beiden Bilder in den Regulae ordinum S. Benedicti etc. ( 1 500, L. A. Giunta) und die schöne Darstellung der h. Catharina von Siena in der von Aldus 1 500 gedruckten Ausgabe ihrer Briefe. Von Einzelblättern gehören in diese Zeit drei grosse, nach den Florentiner Kupferstichen frei kopierte Planetendarstellungcn im Museum zu Pavia und eine Allegorie auf den Tod, ein auf einem Toten- schädcl ruhendes Kind, auf schwarzem Grunde mit der Inschrift „Lhora passa" in der Bibl. Nationale zu Paris.

Die Neigung zu kontrastreicherer, mehr malerischer Darstellung der Formen, zum plastischen Herausarbeiten der Gestalten aus dem Grunde wirkt von nun an bestimmend auf die Entwicklung des venezianischen Holzschnittes ein, der dadurch in eine ganz neue Stilphase tritt. Verschiedene Umstände mögen zusammengewirkt haben, um diese grundsätzliche Aendcrung der Technik herbeizuführen. In erster Linie war hierfür wohl die allgemeine Richtung des Geschmackes massgebend ; aber auch das Beispiel des Kupferstiches, der besonders durch Mantegna und seine Schule und durch Dürer in Oberitalien eine grosse Bedeutung gewonnen hatte, und der Wettbewerb mit ihm muss die Holzschnitt- technik auf diese Bahn gedrängt haben. Schliesslich scheinen auch die Arbeiten eines fremden, in Venedig tätigen Holzschneiders, desjacobus Argcntora- te nsis, der offenbar seine Ausbildung in der Grüningerschen Werkstatt in Strass- burg (s. o.) erhalten hat, nicht ohne Einfluss auf die venezianischen Holz- schneider geblieben zu sein. Wir kennen von diesem Jacobus einen aus 1 1 Blättern zusammengesetzten, Mantegnas berühmtem Werke ähnlichen Triumph Caesars, der der Inschrift zufolge 1 504 in Venedig herausgegeben ist, ferner eine ebenfalls mantegneske allegorische Darstellung, die er als „Istoria Romana" bezeichnet und mit der Inschrift „opus Jacobi" versehen hat. Ein dritter Holzschnitt eine thronende Madonna mit Rochus und Sebastian, die öfter kopiert wurde, trägt die Inschriften „Benedictus Pinxit" und „Jacobus Fecir".

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Für die Madonna wie besonders för die den Thron schmückenden Dar- stellungen hat der Zeichner Motive und Kompositionen aus Kupferstichen Schongauers benutzt. Die Zeichnung ist im Detail recht mangelhaft, die ein- zelnen Glieder oft in falschem Verhältnis zu einander, schlecht verbunden und bewegt, die Gewandfaltcn knittrig und sehr wenig stofflich. In der Technik ist der Gegensatz zum früheren venezianischen Umrissschnitt höchst auffallend. Der Gesamtton ist ganz dunkel, nur wenige Flächen sind hell beleuchtet, alles übrige von engen, scharf gezogenen, nach dem Licht zu sich verdünnenden Schraffierungslinien bedeckt, die schräg gegen den Umriss gestellt und nur wenig gebogen sind.

Von einem anderen Holzschneider, der öfter „bMo" zeichnet, und der ohne Grund mit dem Kupferstecher Bcncdctto Montagna identifiziert worden ist, besitzen wir einige vortreffliche Arbeiten mantegnesker Zeichnung, wie z. B. den Johannes den Täufer in den Sermones des Britannicus von 1500, die den schraffierten Stil noch in diskreten, sehr lebendigen Formen verwendet zeigen. Der schraffierte Stil wird in Venedig so schnell und allgemein herrschend, dass wir nach 1 500 nur sehr selten noch einen neu hergestellten Holzschnitt im Umrissstil antreffen. Im grossen und ganzen könnte man nach prinzipiellen Verschiedenheiten im Anfange des XVI. Jahrhunderts zwei Stilrichtungen unterscheiden. Die eine bewahrt in den Schraffierungen noch den Charakter der Federzeichnung. Die kernigen, kräftigen, ganz mantegnesken Formen sind mit unregelmässigen, bewegten Massen von Linien, die meist in absetzenden Bündeln der Längsrichtung der Glieder oder Falten folgen, modelliert, Licht und Schatten stark gegen einander abgesetzt. Dieser Art sind besonders die charaktervollen Rundbilder der „Vite dei santi padri" von 1 501, eines Buches, das sich auch durch sehr geschmackvolle Umrahmungsstücke mit schraffierten Ornamanten auf schwarzen Grunde und einen schönen xylographischen Titel auszeichnet, und eine Serie von anderen, wohl zu Schmuckstücken für Schachteln oder dergleichen bestimmten, aber auch auf Titelblättern verwendeten Holz- schnitten mit mythologischen und allegorischen Darstellungen (Pavia, Wien und Paris).

Die andere Stilrichtung ist viel weniger individuell und behandelt die Modellierung ganz schematisch durch regelmässige Züge wenig gerundeter, ziemlich glatter und enger Schraffierungslinien, die schräg gegen den Umriss gestellt sind. Die Formen, die überhaupt in Bewegungen, Typen und Falten-

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wurf meist an einer grossen Monotonie leiden, erhalten durch dies System gleich- massiger Schraffierungen den Eindruck der Leblosigkeit und Schwere; der Charakter der Stoffe kommt nicht zur Geltung und der Reiz der Bilder beruht meist nur auf dem wirkungsvollen, kontrastreichen Gesamteindruck. Auch die Uberreiche, aber dem älteren Umrissschnitte gegenüber viel schwerere und gröbere Ornamentik ladet nicht zu näherer Betrachtung ein. Trotzdem es an

einzelnen, wenigstens in der Ausrührung sorgfäl- tigeren und in der Zeich- nungansprechenderen Ar- beiten nicht fehlt, so ist der Verfall des venezia- nischen Holzschnittes doch ein fast unbegreif- lich rapider. Zwischen den frischen feinen Bild- chen der Bibel von 1490 und dem leblosen Schema- tismus dieser Gruppe scheint eine Kluft, ein Abstand von vielen Jahr- zehnten zu liegen. Hier sind ohne Frage die Holz- schneider nichts anderes mehr als die die Zeichnung ausführenden Techniker. Die weise Beschränkung auf wenige gute Holz- schnitte zur Illustration eines Buches macht einer Ueberladung des Textes mit schlechter Ware, mit Neuabdrücken alter Blöcke oder schwachen Nachschnitten in planlosem Durcheinander Platz.

Aus der grossen Masse der Erzeugnisse dieser Zeit brauchen nur einige der besseren Bilderfolgen als Beispiele angeführt zu werden. Seit dem Beginne des XVI. Jahrhunderts widmen sich die venezianischen Drucker und Holzschneider mit ganz besonderem Eifer der Herstellung und Verzierung liturgischer Bücher.

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Venedig und im besonderen die Druckerei der Giunta bildet im XVI. Jahr- hundert, bis Antwerpen und die Plantin an ihre Stelle treten, das vornehmste und privilegierte Zentrum für den Druck solcher Werke. Giunta beginnt die lange Reihe seiner liturgischen Drucke mit dem gewaltigen, fünfbändigen Graduale und Antiphonarium von 1499 bis 1505, die mit grossen, reich figu- rierten Initialen geschmückt sind, und mit dem Officium B. Mariae Virginis und dem Missale in von 1 501, das zum ersten Male die viel benützte Serie der Darstellungen aus dem Leben Mariae und Christi enthält. Nicht weniger reich sind das grosse Missale Ord. Vallisumbrosae von 1 505 und das Missale Praedicatorum von 1506 ausgestattet. Besonders hervorzuheben sind neben der langen Reihe Giun- tascher Drucke die hübsch umrahmten feinen Bilder in dem von Bernardinus Stag- ninus am 30. Juli 1 506 vollendeten Missale in (s. Abb.) und im Breviarium Monasticum von 1 jo6, die Grablegung im Missale Romanum in Folio von 1 5 1 1, ferner etwa die von Gregorio de Gregoriis 1 5 1 3 gedruckte Folioausgabc des Missale Romanum und das Officium B. M. V. desselben Druckers von 1 5 1 2.

Häufig begegnen uns hier Kopien nach fremden Vorbildern, nach den Illustrationen der französischen Livrcs d'heures, nach Stichen von Schongaucr, Dörcr und anderen deutschen Künstlern, vor allem aber ist es Mantegnas Formen- reichtum, der ausgebeutet wird. Von Illustrationen zu Büchern anderer Art wären zu nennen die Bilder zu Petrarcas Trionfi in den Ausgaben seit 1 500, die feiner und schärfer geschnittenen zu dem 151z von B. Stagnino gedruckten Dante, eine Serie von Kopien nach Dürers Apokalypse (1 5 1 5 1 6), die Holzschnitte zum Apuleius von 15 19, zum Livius von 1520 u. a. m. In diesen Büchern begegnet uns häufig neben vielen anderen das Monogramm „z.a.", dass man als Zeichen des Zoan Andrea Vavassorc detto Guadagnino, anzusehen pflegt. Sein voller Name erscheint zuerst auf einer merkwürdigen Nachahmung der nordischen Biblia pauperum, die er „Opera nova contemplativa" nennt, und die aus Gegenüberstellungen von Szenen des alten und des neuen Testaments mit xylographischem erklärenden Texte besteht. Mehrere Kopien nach Dürerschen Holzschnitten beweisen, dass die Opera nuova nach icio entstanden sein muss. Ihr Kunstwert ist sehr gering in der Zeichnung sowohl wie in dem recht schema- tischen Schnitt. Die beste Arbeit Zoan Andreas ist wohl das „z, a." signierte Bildnis des Livius in der Ausgabe der Werke des Historikers von 1520, das nach einer alten Skulptur in Padua schon mit wirkungsvoller Verwendung von Kreuzschraffierungen ausgeführt ist.

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Eine grosse Anzahl von Einzelblättern dieses Stils ist uns zum Teil nur in Fragmenten erhalten. Sie sind augenscheinlich für ein künstlerisch venig anspruchsvolles Publikum bestimmt gewesen und beweisen, dass der Bilddruck in Italien dieselben Bedürfnisse für die Andacht im Hause, für die Belehrung und den Schmuck zu befriedigen hatte wie in Deutschland.

Von selbständig erfindenden Künstlern, die für den Holzschnitt tätig waren, kennen wir in Venedig in dieser Zeit nur einen einzigen, den Maler und Kupferstecher Jacopo de' Barbari, der aber sicher nicht selber in Holz geschnitten hat sondern nur mit Wahrscheinlichkeit als der Urheber der Vor- zeichnungen für einige bedeutende Werke des Holzschnittes angesehen werden kann. Eine äussere Beglaubigung haben wir allerdings nicht, wenn wir den gewaltigen zu 1 Meter grossen, 1500 datierten Plan von Venedig und zwei ebenfalls umfangreiche mythologisch -allegorische Darstellungen Barbari zu- schreiben, aber seine eigentümliche, ganz venezianische Formensprache ist in allen drei Werken unverkennbar. Die beiden allegorischen Holzschnitte, die den Kampf von Menschen gegen Satyrn, der Gesittung gegen die rohen Natur- triebe, darstellen, sind in der damals in Venedig üblichen Manier ausgeführt, der Stil der Zeichnung scheint die Technik des Holzschneiders nicht wesentlich beeinflusst zu haben. Die Ansicht von Venedig ist dagegen viel sorgfältiger und mit viel grösserer Anlehnung an den Charakter der Vorzeichnung geschnitten; sie könnte wohl eine Art von Faksimileschnitt sein, das heisst ein genauer Nach- schnitt der Linienzüge der immittelbar auf die Holzstöcke aufgetragenen Vor- zeichnung, wie ihn die deutschen Meister damals schon von ihren Holzschneidern zu fordern begannen.

Wie in der Malerei gewinnt auch im Holzschnitt der venezianische Stil fast in ganz Obcritalien einen massgebenden Einfluss. Wir haben schon oben bei der Betrachtung der Anfange des Buchholzschnittes eine Verzweigung der venezianischen Technik in Verona kennen gelernt, wir müssen hier nun noch einigen späteren Ablegern venezianischer Kirnst unsere Aufmerksamkeit zuwenden.

In Drucken von Brescia finden wir neben echt venezianischen Holz- schnitten wie dem Titelblattc im „Fior di Virtü", das Bapt. Farfengo hier 1491 druckte, eine Reihe von Arbeiten, deren Technik offenbar der der venezianischen Petrarcaillustration von 1488 nahe verwandt ist. Schon im Jahre 1487 sind die blattgrossen Bilder zu Boninos de' Bonini Danteausgabc entstanden; derbe,

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schraffierte, zum Teil sogar recht rohe Arbeiten gleichen Stils sind die 67 Illu- strationen des ebenfalls von Bonino 1487 gedruckten Aesop, die zum Teil mehr oder veeniger genaue Kopien nach den Darstellungen des Veroneser Aesops von 1479, zum Teil aber auch sehr gute, fein und weich geschnittene Original- kompositionen sind, das sehr sorgfältig und gleichmässig geschnittene Kanonbild des Missale Monds Carmel von 1490 und ein von den Karmelitern in Bergamo herausgegebener Einblattdruck mit der Verkündigung (London B. M.). Die vorzüglichste Leistung des Holzschnittes in Brcscia ist das blattgrosse Titelbild zum Aesop von 1497, das den Autor in seinem Studio darstellt, ganz frei und elegant gezeichnet und ohne Schraffierungen ausgeführt.

Viel enger noch ist die Beziehnung des Holzschnittes in Fcrrara zu Venedig. Wir kennen allerdings einige ganz selbständige, frühe Holzschnitte, offenbar gelegentliche Arbeiten von Künstlern der Schule Cosme Turas, z. B. Papst Clemens V. zwischen zwei Kardinalen in den „Clementinae" von 1479, das ganz ähnliche Titelbild im „Alfraganus", das wir allerdings erst aus einer Ausgabe von 1493 kennen, das aber wahrscheinlich schon früher entstanden ist, den h. Maurelius mit zwei Mönchen im „Legcndario di S. Maurelio" von 14S9. Die Mehrzahl der ferraresischen Bücherholzschnitte zeigt aber durchaus venezianischen Charakter, und zwar im besonderen den Stil desjenigen vene- zianischen Holzschneiders, der sich im Livius und in anderen Büchern oft mit „F" bezeichnet. Es sind ausschliesslich Erzeugnisse der Presse von Ferraras rührigstem und geschmackvollstem Buchdrucker Lorenzo de' Rossi, in denen wir die mit Recht hoch geschätzten Holzschnitte dieser Art finden, so dass dem Drucker jedenfalls ein guter Teil des Verdienstes zukommt. Schon in der Lcgenda di S. Maurelio ist neben dem oben erwähnten Titelbilde autochthoncr Kunstweise ein h. Georg von durchaus venezianischem Typus verwendet. Seit 149) , wie das Datum auf einer Umrahmung beweist, liess Lorenzo die grosse Reihe von herrlichen Holzschnitten anfertigen, mit denen er mehrere im Jahre 1497 herausgegebene Werke schmückte. Das Buch von den berühmten Frauen von Fra Filippo Foresti da Bergamo (s. Abb.) und die Briefe des h. Hieronymus in italienischer Uebersctzung gehören zu den feinsten und geschmackvollsten Leistungen der Buchausstattung.

Nach der Fertigstellung seiner beiden bedeutendsten illustrierten Bücher im Jahre 1497 scheint De Rossi seine Holzschneidcrwerkstatt aufgelöst zu haben. Neue Arbeiten dieses Stils begegnen uns später nicht mehr in Ferrarcser

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Drucken. De Rossis Wcrkleute scheinen Fcrrara Oberhaupt verlassen zu haben, denn vir finden sie nach dieser Zeit an einem anderen Orte , in Pavia wieder. Die erste Arbeit, die wir von De Rossis Holzschneidern nach ihrem Wegzuge aus Ferrara kennen, ist allerdings für einen Mailänder Drucker, für Leonard Pachcl ausgeführt, dessen Missalc Ambrosianum von 1499, neben Holzschnitten ganz anderer Art, ein prächtiges, grosses Bild, der h. Ambrosius zwischen Ger- vasius und Protasius, von der Hand unseres Meisters ziert. Obwohl der Holzschneider hier eine mailändische Zeichnung im Stile Ambrogio Borgognones wiederzugeben hatte, ist doch in der Technik, im Typus Gott Vaters und vor- nehmlich in der feinen Um- rahmung der Stil der Ferraresen unverkennbar. Ausser diesem Holzschnitte finden wir keine weiteren Arbeiten dieser Art in Mailand, dagegen eine ganze Reihe vorzüglicher Werke hauptsächlich in Drucken des Johannes Paucidrapius in Pavia.

Das am reichsten ausge- stattete in Pavia von diesem Drucker herausgegebene Buch ist Guallas Sanctuarium Papic von 1505, das mit einer gros- sen Anzahl reizender Figür- chen geziert ist. Den Zusammenhang mit Fcrrara beweist hier besonders deutlich die Umrahmung des Titelblattes, die nach einem ferraresischen Original kopiert ist. Diese Umrahmung umgibt das höchst gelungene Bildnis des Autors. Ein noch vorzüglicheres Beispiel dieser seit dem Anfange des XVI. Jahrhunderts beliebten Art der Buchvcrzicrung durch Autorbildnisse begegnet uns in Quintianus Stoas Buch „De Quantitate Syllabarum", von dem bisher nur die spätere Ausgabe von 1 5 1 1 bekannt geworden ist. Autorbildnisse sind in einigen Paveser Drucken sogar und zwar besonders wirkungsvoll zur Verzierung von Initialen benutzt worden. Die Vorzeichnungen zu fast allen diesen Holzschnitten sind unzweifelhaft von lombardischen Malern geliefert worden, und deshalb die Formen

Bildnis derTrirulzia. AusForesti.de claris mulieribuj. Ferrara, 1497.

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weicher und farbiger schraffiert als in einigen anderen, die, vielleicht selbständige Kompositionen des Holzschneiders, noch ganz und gar in der Weise der ferraresischen Illustrationen ausgeführt sind. In späteren Holzschnitten, z. B. dem im Galen von x 5 1 5 sind die Formen dem allgemeinen Zeitgeschmacke entsprechend stärker schraffiert.

Im Gegensatze zu den feinen ferraresischen und Paveser Holzschnitten haben die Mailänder Buchillustrationen mit wenigen Ausnahmen einen merkwürdig derben, handwerksmässigen Charakter. Der älteste Holzschnitt, den ein Mailänder Buch aufzuweisen hat, das Brustbild des Autors im „Brevi- arium iuris canonici" des Paulus Florentinus vom Jahre 1479, verdiente aller- dings diese Bezeichnung durchaus nicht. Das recht natürlich aufgefasstc, ein- fache Profil bild des schreibenden Mönches und das Büchergestell vor ihm sind äusserst sorgfältig geschnitten, finden aber unter den Mailänder Büchcrholz- schnitten kein Analogon, wohl aber unter den frühen Kupferstichen. Nur zwei Einzelblätter können ihm an die Seite gestellt werden , ein h. Martin aus der Sammlung Cavalieri in Mailand, dessen jetziger Besitzer nicht bekannt ist, und das Fragment einer Madonna mit Sebastian und Rochus in Berlin (Schreiber 1 148). Die stil istischc Verwandtschaft dieser drei Holzschnitte mit den frühesten Mailänder Kupferstichen ist bemerkenswert.

Mit diesen ersten Mailänder Holzschnitten lässt sich in den späteren , die wir seit 1488 in Büchern verfolgen können, ein technischer Zusammenhang nicht wahrnehmen, wenn auch überall in der Zeichnung der Charakter der lokalen Malerschule sich geltend macht. Das grosse Kanonbild in dem von Ant. Zarotus 1488 gedruckten Missale Ambrosianum ist recht hart in groben Umrissen und mit dicken, kurzen Schraffierungen geschnitten. Die späteren Holzschnitte sind etwas leichter und eleganter behandelt, aber immer recht nüchtern und reizlos. Die Umrisse sind ziemlich stark und eckig gebrochen, die geraden, weit gestellten Schraffierungen ohne Beweglichkeit, die Typen besonders eintönig in Form und im Ausdrucke. Zu erwähnen sind unter anderen die Illustrationen in Gafurius' „Theorica Musicac" von 149 z, in seiner „Practica Musicae" von 1496 und in anderen Werken desselben Autors, ferner das Titel- bild zur Vita di S. Girolamo und zu den Sermoni des h. Bernardus von 1495, der Antichristus von 149 6, dann der Acsop von 1497 und der Fior di Virtü von 1499; die Holzschnitte im Legendario di S. Padri von 1497 sind, wie die vieler anderer mailändischer Drucke, nach venezianischen Originalen kopiert.

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Zu den besseren Arbeiten dieser Gattung gehören die zahlreichen grossen Illu- strationen zum Specchio di anima und zum Thesauro spirituale von 1498 im Berliner Kabinct.

Nur technisch interessant sind vier Metallschnittc in einem Petrarca von 1404, die ziemlich genau die Florentiner Kupferstiche kopieren, und eine eben- falls nach einem Florentiner Kupferstich kopierte Verkündigung in dem schon er- wähnten Missale Ambrosianum von 1 499. Die vier Triumphbilder in Mctallschnitt stehen technisch den Illustrationen, die Gio. Batt. Sessa in Venedig verwendet, sehr nahe. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wie diese Metallschnitte im Petrarca und im Missale Ambrosianum, die offenbar eine Nachahmung der deutschen Schrotblättcr sein sollen, auch die ähnlichen Arbeiten in venezianischen Drucken des Mailänders Sessa nicht in Venedig sondern in Mailand oder wenigstens von Mailänder Technikern ausgeführt worden sind.

Einzelne andere, mehr individuelle Holzschnitte sind dagegen auch künst- lerisch von grossem Interesse; so besonders das Titelbild zu dem archäologischen Gedicht des „Pittore prospettico Milanese" (Rom, Casanatense), das ohne Zweifel von Bramantino gezeichnet ist, dann das ganz frei und breit, aber etwas schwer- fällig geschnittene Autorbild in den Rime des Bellinzoni (149;), dessen Zeich- nung die Genialität Leonardos immerhin noch zur Geltung kommen lässt. Besondere Erwähnung verdienen unter anderen noch das kleine Madonnen- bildchen in Bcrnardino de Bustis Mariale von 149 z und die poetische Liebes- szene in Fossos Inamoramento di Galvano. Von bedeutender Wirkung sind zwei foliogrosse Einzelblätter, von denen sich die Holzstöcke in der Gallerie in Modena erhalten haben. Sie stellen, das eine Christus als Schmerzensmann, das andere Christus das Kreuz tragend, beide in Halbfigur, dar, und sind ganz vor- züglich sorgfältig und ausdrucksvoll, augenscheinlich nach Zeichnungen oder Gemälden Andrea Solarios geschnitten. Die Umrahmung des Ecce Homo zeigt auch im Ornament spezifisch mailändischen Charakter.

Man sieht, dass auch der im allgemeinen etwas trockene Stil des Mailänder Holzschnittes eine grosse Zahl freier Bildungen zuliess. Die Vorzeichnungen der einzelnen bedeutenderen Meister scheinen hier mehr wie sonst zur Geltung gekommen sein. Das ist auch wohl der Fall bei mehreren besonders vorzüglichen Holzschnitten, die Mailänder Drucker in einigen für den Markgrafen Lodovico von Saluzzo in dessen Residenz hergestellten Büchern verwendet haben. Der Hieronymus in reicher, geschmackvoller Einfassung in Vivaldus* Buche „de

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vcritatc contricionis" (150?) ist ein sehr sorgfältiger, farbig wirkender Schnitt mit feinen, engen Schraffierungen; eine Arbeit derselben Hand finden vir in der 1 505 in Savona von Francesco Silva gedruckten Ausgabe der „Polyanthea" des Nanus Mirabellius. Noch bedeutender sind die beiden Holzschnitte in dem anderen in Saluzzo gedruckten Werke des Vivaldus, dem „Opus Regale" von 1507. Das Brustbild des Markgrafen, das sich in scharfem Profil von dem tiefschwarzen Grunde abhebt, eines der besten uns bekannten Holzschnittporträts Oberhaupt, verdankt seine bedeutende Wirkung offenbar der Vorzüglichkeit der Vorzeichnung, denn die Darstellungen der Umrahmung sind ihm gegenüber recht massig. Ueberhaupt mangelt der Ornamentik der Mailänder Bücher die Leichtigkeit der Formengebung und die Sorgfalt und Schärfe in der Ausführung der Details, von der die Wirkung der ornamentalen Formen zumeist abhängt.

Die Unselbständigkeit in der stilgemässcn Formenbehandlung, die dem Mailänder Holzschnitt eigen ist, führt ihn im Anfange des XVI. Jahrhunderts in die unmittelbare Abhängigkeit vom Kupferstich. Wir können in einer Reihe von Holzschnitten, besonders z. B. in den „Gesta B. Veronicae" von Isidoras de Isolanis(i 5 1 8), in der „Trivultias" des Andreas Assaracus(i 5 1 8), im „Decrctum super flumine Abduae" von 1520 eine direkte Nachahmung des Stiles wahr- nehmen, der uns aus einer Gruppe von Kupferstichen der Leonardoschule, die Cesare da Sesto zugeschrieben werden, wohl bekannt ist. Aehnlicher Art, aber in einzelnen Gestalten und in der Formengebung noch viel stärker und unmittel- barer von Leonardo becinflusst sind die zahlreichen, zum Teil grossen Holz- schnitte in der 1 5 2 1 in Como , aber von einem Mailänder gedruckten Ueber- setzung des Vitruv von Cesare Cesariano.

In Mode na ist Domenico Richizola der einzige Drucker, dessen Bücher einige interessante Holzschnitte aufzuweisen haben, die von derselben Hand herzurühren scheinen wie das oben erwähnte Titelbild zu dem 1495 in Ferrara gedruckten Alfraganus. Es ist das eine Anbetung der Könige in der Legenda S. Trium Rcgum von 1490, eine Madonna in Antonio Cornazanos Vita di N. Donna und eine Reihe von Bildern zu Lichtenbergers Prognosticatio, die den Holzschnitten der Mainzer Ausgaben nachgebildet sind. Sie finden sich in zwei undatierten Ausgaben Richizolas und sind schon 1492 von einem anderen Drucker kopiert worden.

Nach Modena hat man zu Unrecht einen der vorzüglichsten Vertreter des

italienischen Bilddruckes, den unbekannten Meister, der seinen Namen auf seinen

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Kupferstichen und Holzschnitten durch die Buchstaben I.B und einen Vogel .indeutet, versetzt, weil man ihn irrtümlich mit dem Modeneser Goldschmied Giovanni Battista dcl Porto identifizieren zu können glaubte. Er gehört jedoch stilistisch ohne Zweifel zur Bologneser Schule. Die Anlehnung an die Kunst Francesco Francias tritt besonders deutlich in den Bewegungen, in den Typen und im Faltenwurf hervor. Die landschaftlichen Hintergründe lassen ein ein- gehendes Studium Dürerscher Kupferstiche und Holzschnitte, deren technische Be- handlung der Details ihm überhaupt als Vorbild gedient haben muss, vermuten. Von den 1 1 uns bekannten Holzschnitten des Meisters I. B. behandeln 6 mytho- logische Gegenstände, die auch in seinen Kuspferstichen überwiegen und ihn ganz auf den Wegen des Humanismus zeigen. Die Zeichnung der Holzschnitte stimmt durchaus mit dem Charakter der Kupferstiche, von denen einer aus dem Jahre 1503 stammt, überein, in der technischen Ausführung weichen die einzelnen Blätter aber stark von einander ab. Sie scheinen nicht von dem Meister selber in Holz geschnitten zu sein, da zwei der Holzschnitte ausser seinem Mono- gramm noch ein anderes Zeichen (AAM ?) tragen, das neben jenem doch wohl nur auf den Holzschneider bezogen werden kann.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Meister J. B. in Venedig gearbeitet hat. Wir finden den Holzschnitt mit dem h. Hieronymus in einem in Venedig gedruckten Missale verwendet, und die Kreuzigung in Lucantonio Giuntas Missalc von 15z 3 kopiert; überhaupt ist die Technik seiner Holzschnitte der vene- zianischen sehr verwandt. Die vorzüglichsten und wahrscheinlich späteren Blätter, wie besonders der David, scheinen mehr Faksimilcschnitt, in dem der Holzschneider sich streng an die Zeichnung hielt, zu sein , in anderen dagegen überwiegt der technische Charakter des venezianischen Holzschnittes. Auch der Kupferstecher Marc antonio Raimondi scheint den einzigen Holzschnitt, den wir von ihm kennen, in Venedig ausgeführt oder wenigstens gezeichnet zu haben. Die Technik ist trotz enger Anlehnung an Marcantons Zeichen- und Stechweise im Grunde doch venezianisch. Der Holzstock hat auch in einem venezianischen Drucke, in den von den Brüdern Dal Gesü, denselben, die auch Marcantons Kopien nach Dürers Marienleben mit ihrer Marke in den Handel brachten, 1 5 1 1 herausgegebenen „Epistolc et Evangeli" Verwendung gefunden. Wir begegnen überhaupt in einigen in Venedig und zwar gerade von eben jenen Brüdern Dal Gesü verlegten Büchern einer grossen Anzahl von Holzschnitten, die augenscheinlich nach Zeichnungen eines bolognesischen Künstlers hergestellt

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sind. Es ist das eine Reihe von neuen Bildern, die in der Ausgabe des „Legen- dario dei Sancti" (Voragine) von 1518 den älteren Illustrationen der Ausgabe von 150 t hinzugefügt sind, schwache, weichlich schraffierte Holzschnitte, die im Stil der Zeichnung mit Francesco Francia und deshalb auch mit den Arbeiten seiner Schüler Marcantonio und J. B. mit dem Vogel grosse Verwandtschaft zeigen.

Dem venezianischen Holzschnitte, von dem, wie wir gesehen haben, die Erzeugnisse aller anderen oberitalienischen Druckorte mehr oder weniger ab- hängig sind, lässt sich in Italien nur eine selbständige, in sich geschlossene Gruppe von Holzschnitten gegenüberstellen, die ihr an künstlerischer und technischer Bedeutung gleich steht, in mancher Hinsicht sogar überlegen ist. Ja, man darf ohne Ucbcrtreibung sagen, dass die Florentiner Buchillustration in ihrer kurzen Blütezeit das künstlerisch Vollendeteste und Geschmackvollste hervor- gebracht hat, was auf diesem Gebiete überhaupt geschaffen worden ist. Nur an Reichtum der Ornamentik steht sie den Venezianern nach, die ihre grossen Erfolge hierin wohl in enter Linie ihren Beziehungen zur Plastik verdanken.

Von den Erzeugnissen der älteren Florentiner Holzschneider, deren lebhafte Tätigkeit, wie schon erwähnt, durch ein Dokument aus dem Jahre 14)0 bezeugt wird, scheint uns nichts erhalten geblieben zu sein. Wir können die Entwickc- lung der Xylographie in Florenz erst seit ungefähr 1490, seit sie zur Buch- illustration herangezogen wurde , verfolgen. Auch die wenigen Einzclblätter, die bisher bekannt geworden sind, gehören alle schon den letzten Jahren des XV. Jahrhunderts oder dem Beginne des XVI. an.

Vor der Verwendung des Holzschnittes zur Buchausstattung hatte in Florenz ein deutscher Drucker, Nicolaus Lorenz aus Breslau, den Versuch gemacht, den Kupferstich an die Stelle der Miniaturen in gedruckten Büchern zu setzen. Antonio Bettinis „Monte Santo di Dio", den er 1477 herausgab, ist mit drei auf die Blätter des Buches selber gedruckten Stichen von der Hand eines Florentiner Künstlers verziert, Berlinghieris „Sette Giornate della Geografia" von ca. 1480 stattete er mit einer Reihe gestochener Landkarten aus. Die Unmöglichkeit, den Kupferstich in grösserer Ausdehnung zur Illustration heranzuziehen, scheint Meister Nicolaus aber erst bei seinem dritten Werke, der 148 t gedruckten grossen Ausgabe des Dante mit Landinis Commentar, eingesehen zu haben. Einige, und zwar gerade die vornehmsten, auf Pergament gedruckten Exemplare haben überhaupt keine Illustrationen, in den meisten anderen sind nur zwei oder drei der Kupferstiche an die zu diesem Zwecke freigelassenen Stellen des

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Textes eingedruckt, und nur in wenigen Exemplaren sind dann, und zwar erst später, Abdrücke der übrigen 16 oder 17 fertiggestellten Platten eingeklebt worden. Der Drucker bat also hier den Versuch mitten in der Arbeit aufge- geben, weil der Abdruck der Platten im gedruckten Buche technisch zu schwierig und kostspielig war oder künstlerisch zu wenig befriedigend ausfiel. Mag der Grund aber auch ein anderer gewesen sein, jedenfalls ist seitdem bis in das XVI. Jahrhundert hinein in Florenz nur noch ganz vereinzelt der Kupferstich zur Buchillustration zur Verwendung gekommen, man muss also wohl das Ver- fahren nicht nur für unpraktisch, sondern auch für unschön gehalten haben.

Dass die Florentiner Drucker hierbei einem richtigen künstlerischen Gefühle folgten, beweist am besten der grosse Erfolg ihrer Bemühungen, in dem Holz- schnitte einen geeigneteren Gehilfen zu gewinnen. In der Tat ist der Holz- schnitt sowohl praktisch, weil der Block sich in den Letternsatz einfügen und zugleich mit ihm abdrucken lässt, als auch besonders künstlerisch, wie man erst in neuerer Zeit wieder eingesehen hat, der einzig vollkommen befriedigende Schmuck für das gedruckte Buch. Allerdings ist es nur der einfache, die starke Hervorhebung der Details und allzu malerische Wirkungen vermeidende feine Umrissschnitt, der sich dem Satzbildc so harmonisch einfügt und in so vollendeter Weise der Gesamtwirkung des Blattes dient. Der florentinische Buchholzschnitt beschränkt sich deshalb in seiner besten Zeit fast vollständig auf die Umrisszeichnung. Nur sehr selten, besonders in Bildern grösseren For- mates werden die tiefen Schatten durch kräftigere Schraffierung hervorgehoben.

Die frühesten Beispiele des Florentiner Buchholzschnittes haben wir vielleicht in einigen Bildern zu erkennen, deren technische Ausführung bei durchaus florentinischem Charakter der Zeichnung, von der sonst in Floren- tiner Drucken durchgängig üblichen ziemlich stark abweicht. Sic scheinen vor 1490 entstanden zu sein, da das eine, die Kreuzigung, in dem ersten Drucke, in dem wir es verwendet finden, in Cavalcas Specchio di Crocc vom 27. März 1490, schon von der stark abgenutzten Platte abgezogen ist. Der zweite dieser Holzschnitte, Chrbtus als Schmerzensmann zwischen zwei Engeln, ist uns erst aus Savonarolas Trattato dell'Umilita von 149z, der dritte, ein h. Franciscus, gar erst aus Bonaventuras Aurea Legenda von 1509 (Phil. Giunta) bekannt. Die geraden Parallclschrafficrungcn sind ziemlich grob und eintönig geschnitten. Wahrscheinlich waren diese Bilder, deren fast quadratisches Format in Florentiner Drucken der Zeit auch ganz ungewöhnlich ist, ursprünglich gar

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nicht für die Verzierung von Büchern bestimmt, sondern sind erst nachträglich zu diesem Zwecke benutzt worden.

Die technische Vollendung der frühesten Florentiner Buchholzschnittc seit 1490 setzt als selbstverständlich eine vorhergehende lange Schulung der Holz- schneider voraus, von der die erwähnten Bilder die einzigen erhaltenen Zeug- nisse sein mögen. Sie deuten vielleicht auf ein dem Buchholzschnitt unmittelbar vorhergehendes Stadium der Entwickelung des Florentiner Holzschnittes hin, der, wie wir das auch anderwärts beobachten konnten, nach längerer Verwahr- losung erst durch die Buchdrucker und durch die von ihnen herangezogenen Künstler wieder neue Belebung erfahren haben mag. Jedenfalls bewegt sich der Holzschnitt in Florenz von nun an im engsten Anschlüsse an die Malerei. Der Stil der leitenden Meister spricht sich Überall mehr oder weniger deutlich aus. Man hat deshalb auch hier, wie in Venedig, die Vorzeichnungen zu den Holz- schnitten den grossen Malern zuschreiben wollen und dabei Botticelli an erster Stelle genannt. Mit solchen Zuschrcibungcn, die sich aber auf einen weiteren Kreis von Künstlern erstrecken müssten, hat man jedoch nur soweit Recht, als man damit der Vorzüglichkeit der Holzschnitte Gerechtigkeit widerfahren lassen und ihre enge stilistische Verwandtschart mit der Kunstweise jener Meister zum Ausdrucke bringen will. Wir haben aber keinen Anhaltspunkt irgend welcher Art, die Vorzeichnungen selbst der besten Arbeiten bestimmten Künstlern ersten Ranges zuzuteilen. Das wird schon dadurch unmöglich, dass die Holzschneider augenscheinlich ihre Vorlagen, wenn sie ihnen von anderer Seite geliefert worden sind, mit der grössten Freiheit benutzt haben. Kein Bild macht den Eindruck eines Faksimileschnittcs, wie sie uns in Obcritalien mehrfach begegnet sind, nie scheinen die Zeichner, wie das in Deutschland üblich wurde, die Darstellung auf den Block selber vorgezeichnet zu haben. Ueberall sind die Handschrift und die tech- nischen Gewohnheiten des Holzschneiders massgebend für die Wiedergabe des Details, der Typen, der Hände, der Haare, der Falten und dergleichen, in denen bei einem wirklichen Faksimileschnitt die Eigenart des Meisters noch erkennbar sein müsste; überall herrscht eine Gleichmäßigkeit der Formenbehandlung, die nur auf die technische Routine des Holzschneiders zurückgeführt werden kann. Die Technik ist in Florenz viel gleichförmiger als in Venedig; wir finden hier auch im XV. Jahrhundert keine einzige Künstler- oder Werkstattbezeichnung, wie sie uns in Venedig begegneten.

Wir können also nicht die Individualitäten der massgebenden Florentiner

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Meister in den einzelnen Holzschnitten wiedererkennen, sondern nur die ver- schiedenen Stilrichtungen der monumentalen Kunst in den einzelnen Gruppen, in die die Florentiner Holzschnitte nach ihren technischen Eigentümlichkeiten sich gliedern lassen, verfolgen.

Die Zeichner der Holzschnitte schöpfen im allgemeinen aus dem reichen Schatze von Beobachtungen und Motiven, den die führenden Meister aufgespeichert hatten; in mehreren Fallen können wir sogar die direkte Benutzung berühmter Werke nachweisen wie der Thomasgruppe von Vcrrocchio, der Stickereien Pol- laiolos in der Domopera usw. Aber doch ist die Fülle der verschiedenen, den gewohnten Kreisen ganz fern liegenden Darstellungen so gross, die Schilderung auch solcher ganz neuen Gegenstände durch wenige Figuren und noch weniger Beiwerk mit den bescheidensten Mitteln an Linien oft so treffend und lebendig, dass der aufmerksame Betrachter kaum in die Gefahr kommen wird, diese Künstler und ihre Arbeiten zu gering zu bewerten. Die Gewohnheit der selb- ständigen Naturbeobachtung hatte sich von den grossen Meistern als wertvollstes Ergebnis ihres Unterrichtes auch auf die minder bedeutenden übertragen. Die Frische und Freudigkeit des eigenen Findens oder Verstehens der Formen, die grosse Anspruchslosigkeit des Vortrags und dabei ein bewunderungswürdiges Geschick in der Komposition und feines Gefühl für das richtige Mass in den Bewegungen und in der Andeutung der einzelnen Formen verleihen diesen Holz- schnitten einen unwiderstehlichen Reiz.

Obwohl sich die ganze Entwickclung des spezifisch florentinischen Holz- schnittes auf die kurze Zeit von kaum 15 zo Jahren zusammendrängt, seine Blüte kaum länger als 1 o Jahre gedauert hat, so lässt sich doch, trotz der grossen Einheitlichkeit des Grundtypus, eine abwechslungsreiche Fülle verschiedener Stilabwandlungcn in der Zeichnung und in der Technik beobachten. Diese Stil- gruppen folgen nicht immer eine auf die andere, sie schieben sich vielmehr nebeneinander her.

Als die älteste können wir eine Gruppe von Holzschnitten betrachten, nicht nur weil sie in den frühesten illustrierten Drucken von 1490 und 149 1 ausschliesslich vorkommt, sondern auch weil die Einfachheit der Zeichnung und der Ausführung ihr den anderen gegenüber einen zweifellos primitiven Charakter gibt. Die Zeichnung ist in allen Holzschnitten dieses „strengen" Stils ausge- sprochen botticellesk, die Kompositionen, von grosser Lebendigkeit und dra- matischer Konzentration, sind auf sehr wenige Personen beschränkt, die Technik

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ist einfach in ziemlich dicken Linien, fast ganz ohne Schraffierungen und mit sehr venig Innenzeichnung. Formen und Falten sind florentinisch rund, die Linien aber von einer gewissen Herbheit und Ungleichmässigkeit.

Eine nicht bloss äusserliche Besonderheit der Florentiner Arbeiten sind die schmalen ornamentierten Umrahmungen der Holzschnitte, die hier fast regel- mässig anzutreffen sind, während sie anderwärts ausser bei Titelbildern zu den Seltenheiten gehören. Besteht der venezianische Holzschnitt im wesentlichen in der äusserst feinen Wiedergabe einer scharf, aber skizzenhaft ausgeführten Federzeichnung, so sucht der Florentiner Holzschneider seine Darstellung durch Hintergrund, Seitenstücke oder Scitenfiguren zu einem vollständigen, in sich geschlossenen Bilde abzurunden. Hierzu sollen die Umrandungen mitwirken, deren Ornamentik mit merkwürdiger Gleichmässigkeit den Stilwandlungen der Holzschnitte selber folgt, so dass fast allein nach ihnen die Stilgruppen bestimmt werden könnten. In dieser ältesten Gruppe ist ihrem ganzen Charakter ent- sprechend die Umrandung sehr einfach und fast immer die gleiche, aus einer Folge von dreieckigen Blättern und je fünf Punkten in den Ecken zusammen- gesetzt, alles weiss auf schwarzem Grunde, oft noch von einer inneren und einer äusseren Einfassungslinie begleitet.

Zu den schönsten Beispielen dieser Gattung gehören die Titelbilder in den „Laude" des Jacopone da Todi von 1490, in „El modo di insegnare compitare", im „Lunarc" des Bernardo de Granollachis von 149 1, die reizenden Bildchen und Bordüren in Calandris Aritmetica desselben Jahres und besonders die zahl- reichen Illustrationen im „Fior di Virtu", dessen Titelblatt frei nach dem der venezianischen Ausgabe von 1490 kopiert ist. Dieser Gruppe gehören auch die meisten Holzschnitte in den Originalausgaben der „Rappresentazioni Sacre", einer Art von Textbüchern für die jährlich aufgeführten geistlichen Schauspiele an. Gewöhnlich ist das erste Blatt dieser Heftchen mit dem Bilde des Engels, der bei der Aufführung den Beginn des Spieles und seinen Inhalt angiebt, und mit einer Darstellung der Hauptszene des Stückes geschmückt. Ausser diesen Rappresentazioncn sind auch zahlreiche weltliche Erzählungen und Dichtungen mit solchen überaus feinen und poesicvollcn Holzschnitten ausgestattet. Beson- ders reizvoll sind z. B. die Bilder in der „Storia di Ippolito Buondelmonti e Dianora Bardi", in der „Historia dclla Morte di Lucrezia" in den „Laude devote di diversi autori" (s. Abb.) und andere mehr.

Eine Weiterbildung dieses frühesten „strengen" Stils können wir in einer

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zweiten Gruppe von Holzschnitten feststellen, die sich von der ersten besonders durch grössere Freiheit und grösseren Reichtum der Kompositionen, Detaillierung der Zeichnung und Feinheit und Schärfe des Schnittes unterscheidet. In der breit erzählenden Darstcllungswcisc folgen die Zeichner vieler dieser Bilder, im Gegensatze zur mehr dramatischen Richtung der ersten, botticellesken Gruppe, offenbar dem Vorbilde des grossen Freskomeisters Domenico Ghirlandaio, während in einer grossen Zahl anderer Holzschnitte der lebhafte, sensible Stil Filippino Lippis, des Schülers Botticellis unverkennbar ist. Die Schraffierungen

Aus den Laude devote di diveni autori. Florenz.

sind feiner und enger, alle Linien viel dünner und die Details sorgfältiger aus- gearbeitet; Boden und Hintergründe von Bergen, Türen und dergleichen sind sehr häufig ganz schwarz gelassen und nur mit einzelnen weissen Linien und Punkten belebt, auch sonst kleinere Gegenstände, wie Hüte, Heiligenscheine, Waffen, Zaumzeug und dergleichen ganz schwarz. Die Umrandungen zeichnen sich vor denen der ersten Gruppe ebenfalls durch grössere Mannigfaltigkeit und reichere Ornamente aus. Besonders häufig sind Band-, Stab-, Würfel- oder Pcrlenmuster und Reihen von Akanthusblättcrn.

Vorzügliche Arbeiten dieses Stils enthalten die 1495 für Picro Pacini ge- druckten „Epistole et Evangeli". Hier ist neben Holzschnitten älteren Stils aus

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anderen Büchern, wie Bonaventuras Mcditazioni und einzelnen Representationen, eine Reihe neuer Bilder zur Verwendung gekommen, die sich von jenen älteren aussondern lassen. Ein geschmackvolles reiches Ornament, weiss auf schwarzem Grunde, mit Apostel- und Evangelistcnfiguren bildet den Titel, Halbfiguren von Propheten und Aposteln sind wie Initialen an den Beginn der Abschnitte neben die Holzschnitte mit Darstellungen aus der biblischen Geschichte gestellt. Die 1 z 8 neuen Illustrationen schliessen sich in einigen Fällen an Darstellungen der venezianischen Bibel von 1490 an, in anderen benutzen sie mit der gleichen Freiheit und Selbständigkeit Motive aus Florentiner Kunstwerken, zum grössten Teil scheinen sie aber ganz frei erfunden zu sein.

Der Verleger dieses hervorragendsten Werkes der Florentiner Buchillustration, Piero Pacini da Pescia (1495 1 514)» hat von allen Florentiner Verlegern auf schöne Ausstattung der Bücher, die er von verschiedenen Druckern herstellen Hess, den grössten Wert gelegt. Aus seiner Officin gehen die meisten und ge- schmackvollsten Illustrationswcrkc hervor. Ein bestimmter Zusammenhang zwischen den einzelnen Druckereien und den Holzschneidern, wie wir ihn in Deutschland mehrfach beobachten konnten, lässt sich in Florenz nicht feststellen, zumal sich hier die Verleger- und die Druckertätigkeit früh getrennt zu haben scheint, und die Angaben über Verleger und Drucker in den Büchern schwan- kend und oft mangelhaft sind. Die Holzschneider oder Werkstätten scheinen unabhängig von den Druckern auf Bestellung gearbeitet zu haben. Nur in den Drucken des Francesco di Giovanni Benvenuto (15 11 46) haben die Holz- schnitte einen gleichmässigen, einheitlichen Charakter; er allein scheint eigene, aber keineswegs hervorragende Arbeiter beschäftigt zu haben.

Höchst anziehende Seitenstücke zu den Illustrationen der „Epistolc et Evangcli" bilden die Holzschnitte zu Boccaccios anmutiger Dichtung „Ninfale Fiesolano", die sich nur in einer späten Ausgabe von 1568 erhalten haben, aber, wie die Verwendung einzelner Bilder in Drucken des XV. Jahrhunderts beweist, sicher um 1495 entstanden sind. Der Künstler ist in der Verschmelzung des antiken oder antikisierenden Gegenstandes mit modern temperamentvoller Empfindung noch weiter gegangen als der Dichter. Er weiss in reizender Naivi- tät die nur allzu menschliche Leidenschaft des Liebhabers der schönen Nymphe seine Lust und seinen Schmerz, die Sorge der Mutter um den liebeskranken Sohn durch wenige Züge, oft durch eine Bewegung unmittelbar anschaulich zu machen und dem Beschauer seine eigene Freude an der Arbeit mitzuteilen.

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Es'sind entzückende Meisterwerke in ihrer Natürlichkeit und Frische der Schiide- rang, wenn auch die technische Ausführung härter und eckiger und weniger fein ist als in vielen anderen Holzschnitten, oder vielleicht nur so scheint, weil wir nur späte, schlechtere Abdrücke vor uns haben.

Gegenstände ganz anderen Charakters hatten dieselben Meister in den zahlreichen Illustrationen zu den Schriften Girolamo Savonarolas, des engherzigen Feindes der Kunst und der Lebenslust zu behandeln. Der eifervolle Münch

Au» Savonarola« Compendio di rivela/ione. 1496. Pacini.

selber mag nicht viel Freude an ihnen gehabt haben, denn auch hier herrscht derselbe formenfrohe Sinn, der unzerstörbare Genius des künstlerischen Em- pfindens und die Sinnlichkeit, die er bekämpfte, wie in den Bildern zum Boccaccio. Unter den zahlreichen Holzschnitten in Savonarolas Schriften sind die zum „Compendio di rivelazione" (1496 Pacini, s. Abb.), zur „Operetta sopra i dieci commandamenti" (von Giov. Morgiani) und zur „Predica dell'arte del ben morirc" die vorzüglichsten. Von anderen Büchern seien genannt die „Fioretti di S. Francesco" (1497, Pacini) und die Trionfi Petrarcas (1499, Pacini).

Wie die verschiedenen Stilarten, die in schneller Folge eine aus der anderen sich entwickelten, längere Zeit nebeneinander in Uebung blieben, das zeigt recht

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deutlich das umfangreichste lllustrationswerk, das in Florenz entstanden ist, Pulcis Ritterroman „Morgante maggiorc", den der unermüdliche Picro Pacini am i}. Januar 1500 (flor. Stils, 1501 gewöhnlicher Rechnung) herausgab. Unter den offenbar für das Buch selber angefertigten Holzschnitten befinden sich viele, die den Stil und die Umrandungen der ältesten Gruppe zeigen, daneben andere ganz in der Weise der zweiten Gruppe (Epistole et Evangeli und Ninfalc Fiesolano) und endlich eine Anzahl, die ein neues Stadium in der Entwickelung

Am Pulcis Morgante maegiorc. ' fo°- P. Pacini.

des Horentinischen Holzschnittes bezeichnen (s. Abb.). Die Proportionen der Gestalten sind meist kurz, die Formen sehr weich und rund, die Extremitäten, besonders der Kopf und die lebhaft agierenden Hände ziemlich gross, die Kompositionen sind viel reicher und mit einer weit grösseren Anzahl von Neben- und Füllfigurcn ausgestattet als die älteren Bilder, besonders die des strengen Stils. Die Linien der Umrisse und der Schraffierungen sind oft von fast übertriebener Feinheit. Im Ausdrucke der Bewegungen und der Gesichter liegt viel Süssigkeit und Sentimentalität, besonders bei den üppig drapierten Fraucngestaltcn. Man wird hier an Piero di Cosimos novellistischen, episoden-

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reichen Stil erinnert, der ja schon viele Elemente Leonardesker Kunst in sich aufgenommen hatte.

Verwandte Arbeiten kommen merkwürdiger Weise schon in Jacopo Cesso- lis „Libro del giuoco degli scacchi" vom Jahre 1493 vor. Besonders das Titel- bild, zwei Schachspieler vor dem König, und der Holzschnitt mit der Königin zeigen schon ganz ähnliche, gerundete Formen und weiche, dünne Linien. Wahrscheinlich von demselben Meister rühren auch einige unter den 66 Illu- strationen zum Aesop von 1496 her; sie sind aber viel weniger fein und zart geschnitten. Ganz vorzüglich feine Werke des Meisters jener neuen Bilder im Morgante maggiore finden wir noch z. B. in Giuliano Datis „Magnificentia del prete Janni", der „Rappresentazione di S. Paolino", der „Rappresentazione di S. Venanzio", der „Storia di Maria per Ravenna", der „Novella della figlia del mercante" und in Enea Silvio Piccolominis „Storia di due amanti".

Wir müssen diesen „feinen" Stil nicht nur aus inneren Gründen für die spätere Stufe in der kurzen, rasch durchmessenen Entwickelung des quattro- centistischen Holzschnittes in Florenz halten, sondern auch deshalb, weil er in den Arbeiten des beginnenden XVI. Jahrhunderts sich fortsetzt und weiterbildet. Die Weichheit und Rundung der Formen und der Falten bleibt charakteristisch, aber die technische Ausführung wird gröber und oberflächlicher, die Linien dicker, die Schraffierungen stärker, weiter und meist länger, die Umrahmungen weniger fein, aber abwechselnder, oft in derselben Bordüre aus verschiedenen Mustern zusammengesetzt. Der Verfall macht sich schon recht deutlich bemerk- bar. Noch recht gute Arbeiten dieser Art sind z. B. die humorvolle Darstellung eines Trinkgelages im „Contrasto del Carnevale e della Quaresima", das Titel- bild in Castcllanis „Meditazione della Morte", eine Passion in Drucken des Francesco di Giovanni Benvenuto, das Titelbild in den „Canzone a ballo" von Lorenzo de' Medici und Poliziano (1 533, Fr. Cartolaio).

An dieser Stelle können auch einige der wenigen mutmasslich floren- tinischen Einblattdrucke Erwähnung finden, weil sie wahrscheinlich in dieser Zeit entstanden sind. Ein grosser Holzschnitt mit dem jüngsten Gericht ist vielleicht nur eine rohe Kopie nach einem besseren Original im „strengen" Stil , zwei sehr anmutige Blätter im „feinen" Stil sind die Halbfigur der Ma- donna mit dem Christuskind und dem Johannesknaben in der Kunsthalic zu Hamburg und der h. Johannes der Evangelist im Kupferstichkabinet zu Berlin, eine Geburt Christi im Kupferstichkabinet zu Paris gehört wegen ihrer weich-

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lichcrcn Formen wohl schon in den Anfang des XVI. Jahrhunderts. Sicher florentinisch sind auch vier ganz grosse Figuren Kandelaber haltender Engel auf teppichartig farbig bedrucktem oder schabloniertem Grunde im Kupferstichkabinct zu Berlin, die leicht koloriert sind und, wie viele andere Einblattdrucke wohl als billiger Ersatz für Gemälde oder Gobelins gedient haben.

Den zuletzt erwähnten Buchholzschnitten des weichen und runden Stils sehr verwandt, wenn auch in der Ausführung etwas eigenartig sind die 1 1 6, offenbar alle von der gleichen Hand ausgeführten Illustrationen zu Federico Frezzis 1508 von Pacini gedrucktem „Quadriregio dcl decorso della vita", einem allegorischen, der divina Comedia nachgeahmten Gedichte. Kein ge- ringerer als Luca Signorelli ist als der Schöpfer der Bilder bezeichnet worden, weil man das Monogramm „LV" auf einem der Holzschnitte auf seinen Namen deuten zu können glaubte. Obwohl die Formen eine gewisse Anlehnung an den umbro-florentinischen Stil, in manchen Zügen sogar an Signorelli selber zeigen, ist die Autorschaft des grossen Malers doch durch nichts begründet. Die Zeich- nung reicht nicht entfernt an seine Kraft und an seine tiefe Kenntnis des mensch- lichen Körpers heran. Die Freiheit und Natürlichkeit, die unmittelbare, leben- dige Teilnahme des Künstlers am Gegenstande, die uns in den frühen Bildern entzückte, fehlt hier, die Bewegungen und Typen beruhen nur auf angelernten Schematen. Der Stoff ist dem Illustrator ganz fremd geblieben, er war entweder nicht naiv oder nicht gross genug, um ihn lebendig zu gestalten. Die Ausfüh- rung weicht in der Schraffierung durch ziemlich dicke, rundliche, weite und kurze Linien und in der fleckigen, harten Behandlung der schwarzen Hinter- gründe von der gewöhnlichen Manier nicht gerade vorteilhaft ab.

Der Verfall der Florentiner Buchillustration ist nun ein rapider. Die alten, stark abgenutzten und wurmzerfressenen Holzstöckc werden bis an das Ende des XVI. Jahrhunderts immer wieder abgedruckt, daneben bilden schlechte, rohe Kopien und wenige neue Bilder, die in ihrem harten und glatten Stil selten sorgfältig gezeichnet und geschnitten sind, einen dürftigen Schmuck der Bücher. Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts ist diese Ware in besseren Drucken schon durch Arbeiten eines neuen Stils, der mit Sorgfalt und Feinheit die Kupferstich- technik nachahmt, verdrängt.

Als Nachzügler der quattrocentistischen Kunst in Florenz ist nur noch eine Gruppe von Holzschnitten zu erwähnen, die sich offenbar an die stark schraf- fierten venezianischen Arbeiten aus dem Anfange des XVI. Jahrhunderts

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anlehnen. Ja wir sind sogar imstande, den Künstler zu nennen, der sie in Florenz eingeführt zu haben scheint. Man tut Lucantonio de' Uber ti mit diesem Namen vielleicht zu viel Ehre an, aber eine gewisse Geschicklichkeit und Be- weglichkeit und viel Unternehmungsgeist wird man ihm nicht absprechen dürfen. Wir kennen seinen vollen Namen aus einem überaus häufig gedruckten kauf- männischen Rechenbüchlcin, dem „libro d'abacco", dessen älteste uns bekannte Ausgabe, die aber wohl nicht die erste ist, i 5Z0 in Venedig erschien. Das letzte Blatt dieses Buches trägt die xylographische Bezeichnung: „Opus lucha antonio de uberti fe in venetia". Ohne Zweifel ist dieser Lucantonio auch der Vcr- fertiger der zahlreichen „LA" bezeichneten und ohne Grund dem grossen Drucker- herren Lucantonio Giunta zugeschriebenen Holzschnitte und Kupferstiche (Pas- savant V p 62). Eine Reihe charakteristischer Eigentümlichkeiten, besonders die Zeichnung der hervorstehenden Augen, der Hände und der schweren runden Falten, beweisen ihre Zusammengehörigkeit und die florentinische Herkunft des Verfertige«. Uberti scheint um 1500 nach Venetien gegangen zu sein; er druckte 1503 04 in Verona einige Bücher, in denen er sich „Lucantonius Florentinus" nennt. Dann ist er wohl in Venedig als Drucker, Holzschneider und Kupferstecher tätig gewesen. Hier muss unter anderem auch der Holz- schnitt mit Catharina und Georg (Kopenhagen, Passavant 7) entstanden sein, der die Bezeichnung „Opus Lucc Antonii V (berti) F (lorcntini)" trägt. Unser Meister scheint dann nach Florenz zurückgekehrt zu sein und die venezianische Technik hier eingebürgert zu haben. Er hat ausser Kupferstichen auch Holz- schnitte für Florentiner Drucke gearbeitet, z. B. einen h. Antonius und einen h. Stephanus mit seinem Monogramm aus LA, die aber nur in späteren Drucken von 1557 und 1576 bekannt sind. Die Aehnlichkeit der technischen Behandlung macht es sehr wahrscheinlich, dass auch der grosse Plan von Florenz, von dem nur ein einziges Exemplar im Berliner Kupferstichkabinet sich erhalten hat, von Lucantonio geschnitten sei. Die Zeichnung mag einige Zeit vorher entstanden sein, weil auf dem sonst sehr genauen Bilde der Stadt der 1489 be- gonnene Palazzo Strozzi noch fehlt, und weil diese Zeichnung oder eine Kopie schon in Schcdels Chronik von 1493 benutzt zu sein scheint. Die Formen und besonders die Gewandfalten, die eigentümliche Zeichnung der Bäume mit aus der schwarzen Masse herausgehobenen Lichtern sind durchaus Horentinisch, die Art der Schraffierung mit Massen von langen, engen, steif gebogenen Strichen ist dagegen venezianisch. Eine Anzahl von Holzschnitten in Büchern des XVI. Jahr-

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hunderts zeigt, dass diese Manier damals in Florenz einen gewissen Beifall ge- funden haben muss.

Wenn vir nun noch einen Blick auf die Leistungen des Holzschnittes in Rom und Neapel werfen, so haben wir zwar nicht ein erschöpfendes Bild aller der zahlreichen einzelnen, stilistisch eigenartigen Erscheinungen der italienischen Xylographie geliefert, wohl aber auf alle wesentlichen Stilgruppen, die einige Verbreitung gefunden haben, hingewiesen.

In Rom und in Neapel sind wie in der monumentalen Kunst so auch im Holzschnitt wesentlich fremde Einflüsse herrschend gewesen. Rom kann sich zwar rühmen, wie die ersten gedruckten Bücher so auch das erste mit Holz- schnitten ausgestattete Werk in Italien hervorgebracht zu haben und hätte des- halb vielleicht an enter Stelle genannt werden können. Die 3 3 Holzschnitte der von dem Deutschen Ulrich Hahn 1467 gedruckten ersten Ausgabe von Card. Turrccrematas Mcditationes können aber für die Entwickelung des ita- lienischen Holzschnittes nicht von irgend welcher Bedeutung gewesen sein. Wir wissen nicht, ob die im Titel hervorgehobene Beziehung der Bilder zu einer Freskenreihe im Kreuzgange von S. Maria sopra Minerva zu Rom sich nur auf das rein Gegenständliche oder auch auf die Kompositionen und Formen er- streckte, jedenfalls sind die recht guten Zeichnungen ganz italienischen Cha- rakters. Der Holzschneider seinerseits erweist sich als durchaus unver- mögend, die Zeichnung in eine dem Holzschnitt geläufige Formensprache zu übertragen oder überhaupt nur mit dem Messer den Linien zu folgen. Man hat die Holzschnitte für Arbeiten eines deutschen Brief druckers, viel- leicht des Ulrich Hahn selber angesehen, und in der Tat haben viele von ihnen technisch mit den sicher deutschen Illustrationen in Ricsingerschcn Drucken, von denen gleich die Rede sein wird, grosse Aehnlichkcit. Die ungewohnten, zu komplizierten Linienzüge der italienischen Vorlagen mögen dem deutschen Arbeiter grössere Schwierigkeiten gemacht und seiner Geduld zu viel zugemutet haben. Wie häufig nimmt die Sorgfalt der Arbeit gegen das Ende des Buches immer mehr ab, so dass die letzten Bilder einen ganz rohen und stillosen Ein- druck machen.

Erst 1 4 Jahre später begegnen wir wieder einem römischen Drucke mit

Holzschnitten, und zwar hier Arbeiten eines augenscheinlich nicht handwerks-

mässig geschulten, aber der Zeichnung, wenn auch nur mit flüchtigen Linien,

so doch mit ganz anderem künstlerischen Verständnisse folgenden Holzschneiders.

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Die 20, meist Propheten und Sibyllen darstellenden Illustrationen in der 148 1 von Jo. Phil, de Lignamine gedruckten Ausgabe der Opuscula des Philippus de Bar- beriis (Hain 2455) sind, trotz der skizzenhaften, dem Holzschnitt gar nicht an- gemessenen Roheit der Ausführung zum Teil nicht ohne Schwung und Formen- gefühl. Neben echt italienischen Gestalten, wie der Sibylla Emeria, erblicken wir mit Erstaunen zwei Kopien nach Kupferstichen des Meisters E. S., Christus als Schmerzensmann und die Geburt Christi. Eine ganz ähnlich plump geschnittene aber doch feinfühlige Arbeit ist der Titelholzschnitt in der „Historia di Orfeo" (Rom, Bibl. Casanatcnse). Eine andere Ausgabe der Tractate des Barberiis druckte Sixtus Riesinger aus Strassburg (Hain 2453) und stattete sie mit 1 5 Darstellungen der Sibyllen aus, die, wenn auch sicher nach italienischen, wahrscheinlich vene- tischen Vorbildern, doch von einem Deutschen geschnitten zu sein scheinen ebenso wie Riesingers Druckerzeichen und die Holzschnitte in seinen Neapoli- taner Drucken. Am Bogen über einer der Sibyllen ist die Hausmarke Riesingers und das Wappen von Strassburg angebracht, so dass man fast glauben könnte, Riesinger selber wäre der Holzschneider gewesen.

Deutscher Hand verdanken ohne Zweifel auch die Holzschnitte in den zahlreichen, seit den neunziger Jahren gedruckten Ausgaben der „Mirabilia Urbis Romae", eines Fremden- und Pilgerführers durch die ewige Stadt, in Thomas Ochsenbrunners „Priscorum Heroum Stcmmata" von 1 494, das Titel- blatt in Giuliano Datis Calculationes für 1494 1523 und andere mehr ihre Entstehung. Den grössten Teil der Holzschnitte in römischen Büchern bilden recht nüchterne, charakterlose Kopien nach fremden, vornehmlich Florentiner Originalen, wie z. B. in Granolachis „Ulnare". Später wird auch hier ein Stil mit Schraffierungen üblich, der wohl von venezianischen und bolognesischen Holzschneidern eingeführt und gepflegt wurde. Als hübsche Beispiele solcher Arbeiten seien die Umrahmungen in den Werken des Hippocrates von 1525 und in Mariangelus Accursius' Diatribae von 1524 genannt, in denen antike Formen und Nachbildungen antiker Bildwerke vorherrschen.

Nicht nur in der Technik sondern auch in der Zeichnung ganz deutsch sind die Holzschnitte, die Sixtus Riesinger aus Strassburg, für einige von ihm in Neapel gedruckte Bücher verwendete. Boccaccios „Philocolo", den er 1478 mit Hilfe Francesco Tuppos druckte, und eine italienische Ucbcrsetzung von Ovids Epistolae Heroidum sind mit einer Reihe von recht steif gezeichneten und ungeschickt und eckig geschnittenen Bildern versehen, die offenbar von

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derselben Hand herröhren wie seine beiden Druckerzeichen. Von ungleich grösserem Interesse sind die Holzschnitte einer von Francesco Tuppo 1485

Aui dem Actop, Neapel, Francesco Tuppo 148 f.

herausgegebenen, sehr schönen Folioausgabe des Aesop. Die Kompositionen

für die Fabeln sind zum grössten Teil mehr oder weniger freie, gegenseitige

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Nachbildungen der Hollschnitte der Vcroneser Ausgabe von 1479, einzelne Bilder stimmen dagegen in den Kompositionen mit den entsprechenden, selbst- ständigen Illustrationen der venezianischen Ausgabe von 1487, die also einem älteren Drucke oder früheren Vorbildern entnommen sein müssen, überein. Die kräftige und ausdrucksvolle Zeichnung voll Leben und Humor zeigt besonders in den von den italienischen Vorbildern ganz unabhängigen Darstellungen aus dem Leben Aesops (s. Abb.) einen ausgesprochen nordischen Charakter, die eigenartige, reiche Ornamentik der grossen Bordüre des ersten Blattes und der Umrahmungen der einzelnen Holzschnitte erinnert dagegen sehr stark an hispano- maureske Formen. Der Schnitt ist ganz eigenartig, sehr sorgfältig und sicher in scharfen, kräftigen Umrisslinien mit reichlicher Schraffierung aus engen, kurzen, schräg gegen den Umriss gestellten oder in Reihen angeordneten, glcich- mässigen Strichen. Arbeiten der gleichen Technik rinden wir noch in mehreren anderen Neapolitaner Drucken wieder, z.B. in der hebräischen Bibel von i486, in den „Somnia Daniel Prophctae" (Hain 5951), in Apuleius' „Del asino de oro", in dem grossen Kanonbild eines Missalc u.s. w. Die Spuren dieses eigen- artigen und tüchtigen Meisters können wir nun merkwürdiger Weise nach Spanien und Südfrankreich zurückvcrfolgen. Die schon oben (S. 113 u. izo) erwähnten Holzschnitte desselben Stils in Büchern, die in Lyon und um 1480 in Barcelona gedruckt sind, beweisen, dass unser Künstler, der wahrscheinlich in der clsässischcn Schule seine Ausbildung erhalten hatte, in jenen Orten tätig gewesen ist und Schule gemacht hat bevor er sich nach Neapel wandte.

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DER KUPFERSTICH IN ITALIEN.

ine alte Tradition leitet den Ursprung des italienischen Kupferstiches von der Nicllotechnik her. Niellen wurden ausgeführt, indem man in die Linien der in eine Silbcrplattc eingegrabenen Zeichnung eine Mischung aus schwarz ge- branntem Schwefelsilber einschmolz, sodass dann, nachdem die Platte geschliffen und poliert war, das Bild leuchtend schwarz von dem hellen Metallgrunde sich abhob. Unser Berichterstatter Giorgio Vasari weiss zu erzählen, dass die Versuche, von solchen, zum Zwecke der Niellierung gravierten Platten Abdrücke in Schwefel und auf Papier zu gewinnen, den Florentiner Goldschmidt Maso'Finiguerra um 1460 auf die Erfindung des bis dahin gänzlich unbekannten Kupferstiches gebracht habe. Wird nun auch diese Erzählung durch eine Reihe von Tatsachen, vor allem durch das Vorhandensein fast zo Jahre älterer, datierbarer deutscher Kupferstiche in das Reich der Fabeln verwiesen, ist es auch, wie eingangs dar- gelegt, schon an sich widersinnig von einer „Erfindung" des Kupferstiches durch einen Einzelnen zu reden, so liegt in der Tradition doch ein Kern von Wahrheit insofern als der Kupferstich sich in der Tat aus der Goldschmiedegravierung entwickelt hat. In Italien lässt die Technik der ältesten Kupferstiche diesen ihren Ursprung noch deutlich erkennen. Ja wir sind imstande, abgesehen von der Datierung durch die Kunstformen und Kostüme, die eine sichere Kontrolle ge- währen, eine Gruppe von Kupferstichen gerade wegen dieser noch sehr engen Beziehung zur einfachen Metallflächen-Gravierung als die älteste nachzuweisen.

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Der Stilcharaktcr dieser Blätter zeigt, dass die Anfänge des Kupferstiches auch in Italien in eine Jahrzehnte hinter dem Zeitpunkte der vermeintlichen Ent- deckung des Finiguerra zurückliegende Epoche hinaufreichen müssen.

Künstlerisch sind diese Kupferstiche meist nicht sehr anziehend. Die Formen sind merkwürdig plumb und wulstig, vornehmlich die weichlich ge- rundeten Falten und die üppig gelockten Haare, die Umrisse stark ausladend und sehr unruhig geführt. Ein ähnliches Formensystem finden wir in floren- tinischen Cassonebildern und anderen ornamentalen Malereien aus dem zweiten Viertel des XV. Jahrhunderts. Dem entsprechen auch die überladenen Kostüme und die phantastischen, antikisierenden Rüstungen, die wir ähnlich, aber in gc- mässigteren Formen in Fra Angelicos Gemälden sehen können. Besonders charak- teristisch ist die schwere, noch grösstenteils gothische Ornamentik. Nichts ist bezeichnender für den handwerklichen Goldschmiedestil als die unverhältnismässig grossen ornamentalen Füllstückc an der Architektur, die Ricscnkandclaber und Vasen mit unförmigen Blumen, mit denen die Stecher hier jeden freien Fleck auszufüllen suchen. Bäume und einzelne am Boden und selbst in der Luft an- gebrachte Pflanzen werden sehr stark stilisiert, oft wie Zierteile behandelt. Die Darstellungen und die einzelnen Formen kommen vor der Masse der Linien und Ornamente überhaupt gar nicht zur Geltung. Es sind mehr mit Formen bedeckte Flächen als wirkliche Bilder. Der enge Zusammenhang mit der frühen, noch nicht durch die Renaissanceformen umgestalteten Goldschmiededekoration ist hier augenfällig. Er wird auch durch den Charakter der Stichtechnik bewiesen. Die Umrisse sind breit und sehr seicht in das Metall eingerissen, so dass die Ränder noch ihre Rauheit bewahren und die Farbe einen matten, graulichen Ton erhält. Die kurzen, engen, meist geraden Schraffierungslinien sind ganz in der Art, die wir auf gravierten Metallgcräten der Zeit noch beobachten können, wohl mit einem rundgespitzten Goldschmiedepunzen, nicht mit einem Grab- stichel, eingeritzt.

Der grösste Teil der Kupferstiche dieser Gruppe ist erst seit kurzem be- kannt oder als so frühen Ursprunges erkannt worden. Die Albcrtina in Wien besitzt eine Passionsfolge (B.XIII, p. 77, Nr. 16 Z5) und die Triumphe nach Petrarca (B.XIII, p. 1 16, Nr. iz 17), das Dresdener Kabinet eine Madonna mit Katharina und Theodorus (Pass.V, p. 14, Nr. 7), das British Museum eine grossartige, ganz in Masaccios Geist komponierte Auferstehung Christi mit der Devise der Medici (Pass.V, p. 69, Nr. 66) und ein Martyrium des h. Petrus

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Martyr. Eine aussergewöhnlich feine, frühe Arbeit dieses Stils bewahrt das Berliner Kupferstichkabinet in dem vielbewunderten Profilbrustbild einer Dame (s. Abb.). Das Gesicht ist mit einer gefühlvollen Konturlinie sicher umrissen und nur hauchartige Schatten sind um Mund und Auge eingraviert. Der reiche burgun- dische Kopfputz, der um 1440 50 in Italien Mode war, das Kleid und das Halsband zeigen aber wieder die schweren, zu grossen, stark füllenden Ornamente, die nur ein Goldschmied mit dieser Sorgfalt und solchem Interesse am Technischen ausgeführt haben kann. Gröber und vielleicht etwas später ist das Profilbildnis des „gran Turco", eigentlich des griechischen Kabers, in derselben Sammlung.

In einer Reihe anderer Stiche sehen wir die ornamentalen Uebertreibungcn dieses Stils schon wesentlich gemässigt, die Formen aber ziemlich stark verflaut und verweichlicht, ohne die Dctaildurchbildung der oben aufgeführten Blätter. Die Technik beginnt sich schon vom Zwange der Ornamentik zu befreien und das Bild mehr zur Geltung zu bringen. Das erkennt man besonders an einem Blatte mit sechs Szenen aus der Legende des h. Jacobus (Trivulziana), einer Dar- stellung der Sage vom Zauberer Virgil (Pass.V, p, zz, Nr. 42, Dresden), einer Himmelfahrt Mariae (Pass. V, p. 4z, Nr. 09 b, Paris) u. a. m. Besonders wichtig ist ein Kalenderblatt mit der Auferstehung Christi und den vier Evangelisten (British Museum), weil es der älteste genau zu datierende italie- nische Kupferstich ist. Aus dem Kalender lässt sich nämlich mit Sicherheit entnehmen, dass die Platte im Jahre 1 46 1 angefertigt ist, wenn auch der erhal- tene Abdruck vielleicht erst 1466 hergestellt wurde. Die Datierung, die wir aus den Kostümen und dem Kunstcharakter der Kupferstiche dieser Gruppe gewannen, wird also durch dieses Blatt, dessen Unterschrift durch Spracheigen- tümlichkeiten einen neuen Beweis für ihren florentinischen Ursprung bietet, bestätigt. Wir werden also die älteren oben erwähnten Stiche dieser Gruppe vor oder um die Mitte des XV. Jahrhunderts setzen dürfen.

Während dieser Stil, wie eine Anzahl von Kupferstichen einer ähnlichen, aber vergröberten und viel härteren Technik beweist, noch einige Zeit in Uebung bleibt, tritt, wahrscheinlich in den sechsziger oder dem Anfange der siebziger Jahre der florentinische Kupferstich in eine neue Phase seiner Entwickelung. Das Interesse, das einige bedeutende Maler an der Technik zu nehmen beginnen und ihre tätige Teilnahme an der Arbeit führen den Kupferstich aus der engen Sphäre der handwerklichen Goldschmiede auf ein freieres und weiteres Feld der Tätigkeit und lenken seine Entwickelung in neue Bahnen.

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Viele bedeutende italienische Maler sind, wie bekannt, aus der Schule der Goldschmiede hervorgegangen und haben die Tätigkeit des Plastikers mit der des Malers verbunden. Einige der hervorragendsten dieser Maler-Goldschmiede, wie Antonio Pollaiolo und Francesco Francia sind als besonders geschickte Niellatoren weithin berühmt gewesen. Antonio Pollaiolo (141p 1498) können wir mit einer gewissen Sicherheit einige vorzüglich feine Niellen, von denen uns Abdrücke auf Papier erhalten sind, zuschreiben, besonders einen „Liebesbrunnen" (Pavia, Ducuit $85), eine „Fortitudo" (Dutuit42 5), eine Alle- gorie (Parma), Herkules die Hydra erlegend (Dutuit 338). Von Maso Fini- guerra (1416 64), der in der Florentiner Tradition als der hervor- ragendste Vertreter der Niellotcchnik und sogar als der Erfinder des Kupferstiches fortlebte, ist bis jetzt kein Werk bekannt geworden. Die ihm lange ohne Grund zugeschriebene Pax mit der Krönung Mariae aus S. Giovanni in Florenz zeigt vielmehr den engsten Zu- sammenhang mit dem Stil Fillippo Lippis. Der grösste Teil der florentinischen Niellen, die uns im Original, in Schwefelabgüssen oder in Papicrabdrücken erhalten sind, scheinen aus der Schule Pollaiolos hervorgegangen zu sein (s. Abb.).

Wenn nun auch die Technik der Gravierung für das Nicllo ihrem Zwecke gemäss eine durchaus andere ist als die des Kupfer- stiches für den Bilddruck; wenn auch nicht der Kupferstich aus der Niellotcchnik, sondern vielmehr das Niello-Abdrucksverfahren von dem Kupferstiche hergeleitet werden muss, so ist doch die Niellotcchnik ihrerseits nicht ohne Einfluss auf die Ausbildung der Kupferstichtechnik in Italien geblieben. Niellen wurden häufig in Kupferstich kopiert, um als Vorlagen zu dienen, und ebenso wurden neue Muster für Niellen häufig durch den Kupferstich vervielfältigt. Eine gewisse Annäherung an die jede einzelne Linie scharf und tief ausgrabende Technik der Niellogravicrung kann an einzelnen florentinischen Kupferstichen, die sich jener älteren Gruppe anschliessen , beobachtet werden z. B. an einer Himmelfahrt Christi (Florenz, Uffizi), einem Tod Mariae (Pass. V, p. 15, Nr. 11.), einer Kreuztragung und Kreuzigung (Pass. V, p. 68, Nr. 64.) und einer Geburt Christi (Pass. V, p. 67, Nr. 6z). Vor allem aber war durch ihre Tätigkeit als Goldschmiede und Niellatoren jenen Maler-Goldschmieden die Kupferstichtechnik so vertraut geworden, dass sie ohne Schwierigkeiten

Amor. Nicllo-

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selbsttätig eingreifen konnten, wenn sie den Bilddruck ihren künstlerischen Absichten nutzbar machen wollten.

Die Zeichnungen angesehener Künstler bildeten damals das hauptsächlichste Studienmaterial in den Künstlerwcrkstättcn ; Entwürfe einzelner bedeutender Meister wurden, wie wir wissen, auch als Vorbilder zur Ausführung von Werken durch jüngere oder geringere Kräfte hoch geschätzt. Es lag deshalb sehr nahe, dass man diese viel begehrten und kopierten Zeichnungen grosser Künstler durch den Kupferstich zu vervielfältigen wünschte, und dass jene Meister selber ihre Entwürfe in einer authentischen, gewissermassen monumentalen Form zu über- liefern suchten. Es ist kein Zufall, dass gerade die Künstler, deren Zeichnungen, wie uns berichtet wird, als Studienmaterial und als Vorlagen am höchsten ge- schätzt waren, wie Pollaiolo, Botticelli und Mantegna, nicht nur sich bald von einer Schar von berufsmässigen Stechern umgeben sahen, sondern auch schliesslich selber an die Ausführung von Kupferstichen Hand anlegten. Sie beginnen in der Kupferstichtechnik ein neues, bequemes Mittel zum ganz freien, durch keine Konvention oder Bedenklichkeit eines Bestellers beengten Ausdruck ihrer Ideen zu erkennen. Gerade hierin liegt die grosse Bedeutung des Bild- druckes besonders in Italien und für die Zukunft.

Der deutsche Kupferstich sucht den Stil der Zeichnung dem System der Technik, das er vor allem auszubilden bestrebt ist, anzupassen. In den italie- nischen Maler-Stichen bestimmt der Charakter der Vorzeichnung, der künst- lerischen Skizze, die Technik und die Formenbildung des Kupferstiches. Dieser Vorgang wirkt künstlerisch belebend, aber technisch hemmend auf die Ent- wickelung des italienischen Kupferstiches, der deshalb technisch schnell hinter dem deutschen zurückbleibt und erst viel später wieder durch sein Vorbild sich weiter zu entwickeln vermag.

In Florenz ist es zuerst Antonio Pollaiolo, der die Kupferstichtechnik zur unmittelbaren und genauen Nachbildung von Zeichnungen heranzieht. Ihm selber kann mit Sicherheit allerdings nur ein einziges, grosses Blatt, das eine Anzahl wild kämpfender nackter Männer darstellt, zugeschrieben werden (B. z). Es trägt seine volle Namensbezeichnung: „Opus Antonii Pollaioli Florentini" und lässt bis in alle Einzelheiten seine charakteristische Formenbehandlung er- kennen. Die drei anderen Stiche, die unter Pollaiolos Namen gehen, scheinen nur von Schülern nach seinen Zeichnungen ausgeführt zu sein. Der Künstler sucht hier den Stil seiner Federzeichnungen mit ihren festen Umrissen und den

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in der gleichen Richtung schräg gegen den Umriss gezogenen, geraden Schraf- fierungslinicn unmittelbar auf das Kupfer zu Obertragen. In dem einzigen, be- kannten frischen Abdrucke des Kampfes der Gladiatoren in der Sammlung des Fürsten Liechtenstein sind die schräg einander kreuzenden Linien der Schraf- fierung von ausserordentlicher Feinheit und Schärfe, die Massen bilden zarte, silbrige Töne, die infolge der seichten Stichel führung in den anderen bekannten, durchgängig späteren Abdrucken verloren gegangen sind.

Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass von dieser und von anderen, vielleicht verlorenen Arbeiten Pollaiolos die Technik, die sich der Wirkung der Federzeichnung nähert, und die vir in einer grossen Gruppe Florentiner Kupfer- stiche beobachten können, ausgegangen sei. Wir werden sie deshalb als die „pol- laioleskc" bezeichnen dürfen. In vielen Darstellungen ist sein Stil, wenn auch in verblasster Form, deutlich kenntlich, andere nähern sich mehr der Art Filippo Lippis, der den Technikern der Gravierung vielfach Vorbilder geliefert zu haben scheint. Dann haben die Stecher auch Zeichnungen anderer Stilrichtungen, be- sonders auch Botticcllis, in dieser bequemen Technik, die gestattete, mit ver- hältnismässig geringer Mühe grosse Flächen zu füllen, verwertet oder kopiert. Entlehnungen von Motiven aus bekannten Kunstwerken und häufige Wieder- holungen der gleichen Typen und Gruppen kennzeichnen eine Serie grosser Blätter mit reichen Darstellungen biblischer Szenen, wie z.B. der Sindflut, Moses auf dem Berge Horcb, Davids Sieg über Goliath, Salomo und die Königin von Saba, die Anbetung der Könige, das jüngste Gericht (Pass. V, p. 6, 59 u. 71), die offenbar mehr praktische als künstlerische Zwecke verfolgten. Man wollte mit solchen grossen Blättern wohl einen billigen Ersatz für Altargcmälde, Pre- dellen, häusliche Andachtstafeln usw. liefern. Es sind uns einige dieser Stiche und Folgen erhalten, die leicht koloriert oder ganz übermalt, auf Leinwand oder Holz aufgezogen, tatsächlich diesen Zwecken gedient haben. Eine Reihe kleinerer Stiche ist zum Bekleben von Schachteln und anderen Geräten, als Rahmen und dergleichen benutzt worden. Man sieht, wie sich in Italien der Bilddruck viel mehr als in Deutschland auch in seiner Verwendung der monumentalen Kunst nähert.

An Filippo Lippis Manier erinnert eine hübsche Folge von Darstellungen aus dem Leben Christi und die Triumphe nach Petrarca (Pass. V, p. 71 s. Abb.). Ganz botticellesken Charakters sind eine Madonna mit Michael und Helena (Pass.V, p. 108 Nr. 33), ein Abendmahl (Pass.V, p.46 Nr. 1 14) und besonders

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eine aus zwei Platten zusammengesetzte, 8 z zu 57 cm grosse Himmelfahrt Mariae (Pass. V, p. 4z Nr. 100), die häufig für ein eigenhändiges Werk Botticellis an- gesehen wird. Der Meister ist aber an diesen Arbeiten, die allerdings auf Zeich- nungen oder Gemälden von ihm beruhen, nicht als ausführender Stecher, ja überhaupt nicht unmittelbar beteiligt, sein starker Einfluss auf den Bilddruck macht sich vielmehr in einer anderen Gruppe von Stichen nicht bloss in der Zeichnung sondern auch in der eigenartigen Technik nach einer ganz anderen Richtung hin geltend.

Man hat schon seit längerer Zeit den gesamten Vorrat an Florentiner Kupferstichen des ausgehenden XV. Jahrhunderts nach ihrer Technik in zwei Gruppen einzuteilen sich gewöhnt, in die Stiche der breiten und in die der feinen Manier. Sicht man von der ältesten Gruppe und ihren Ausläufern und Verzweigungen ab, so kann diese Einteilung wohl als berechtigt beibehalten werden. Die Gruppe der breiten Manier in der Art der Federzeichnung ist die oben nach der Herkunft des Stils und der Technik als pollaioleske bezeichnete, während für die Stiche der feinen Manier Botticellis Stil und seine mehr male- rische Behandlung der Form so sehr massgebend gewesen sein muss, dass wir diese Gruppe wohl auch die „botticelleske" nennen dürfen.

Botticellis enge Beziehungen zum Kupferstich sind durch Vasari bezeugt. Aus seinen Worten geht allerdings nicht hervor, dass der Künstler selber in Kupfer gestochen habe, wohl aber, dass er sich mit der Herausgabe von Kupfer- stichen, die der Stecher Baccio Baldini nach seinen Zeichnungen ausführte, angelegentlichst beschäftigt habe. Wir können jedenfalls eine ganze Anzahl der besten Florentiner Stiche auf diese Zusammenarbeit Botticellis mit Baldini oder anderen Technikern zurückführen und dem Maler einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Technik beimessen.

War in der pollaioleskcn Gruppe die Federzeichnung das stilbestimmende Element, so sucht die eigenartige Technik der Stiche dieser Gruppe augenschein- lich die Wirkung der mehr malerischen, getuschten Feder- oder Silberstiftzeich- nung, die das beliebte Ausdrucksmittel der Florentiner Maler und im besonderen Botticellis war, nachzuahmen. Die Schatten werden nicht durch Lagen gleich- mässiger Schraffierungslinien erzeugt, sondern es soll durch Massen ganz enger, unregelmässiger, oft einander kreuzender, feiner Strichelchen ein starker Farben- ton, der abgestuft in das Licht übergeht, erzielt werden. Die überhaupt nicht starke Umrisslinie tritt dabei ganz zurück, und die Schatten wirken in guten

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Unbekannter Florentiner Stecher. Der Triumph der Zeit. Ausschnitt.

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Drucken tatsächlich wie ein Tuschton, das Ganze gewinnt ein malerisches Aus- sehen.

In einzelnen guten Arbeiten tritt der botticelleske Charakter der Zeich- nung besonders stark und klar hervor, wie z. B. in dem temperamentvollen, aus zwei Platten zusammengesetzten Zuge des Bacchus mit Ariadne (Pass. V, p. 44 Nr. 104), in den drei Stichen des 1477 gedruckten „Monte Santo di Dio" des Bettini, den frühesten datierten Werken dieses Stils, dann in den schon er- wähnten 19 Kupferstichen im Dante von 1481, deren Kompositionen ziemlich schematisch aus Motiven von Botticellis grossen Zeichnungen zur göttlichen Komödie in Berlin und im Vatikan zusammengesetzt sind. Ferner in den beiden grossen Blättern mit der Bekehrung Pauli (Pass.V, p. 1 4, Nr. 6) und Christus vor Pilatus (Pass.V, p.41, Nr. 98) und in einigen, wahrscheinlich für ornamentale Zwecke bestimmten Rundbildern mit biblischen und allegorischen Darstellungen aus der Sammlung Otto (B. XIII, p. 143, Nr. 1 24 s. Abb. S. 16} u. 196).

Bei vielen anderen Blättern dieser Gruppe ist Botticellis Stil weniger deut- lich. Die Stecher sind hier selbständiger oder von anderen Vorbildern abhängig, wie z. B. in den sieben Planeten, in den Folgen der Propheten (s. Abb.) und Sibyllen, deren einige sogar nach Stichen des Meisters E. S. kopiert sind. Der deutsche Stich scheint überhaupt um diese Zeit seine ersten Erfolge in Italien errungen und zahlreiche Vorbilder geliefert zu haben. Vasari berichtet uns, dass der Maler und Stecher Gherardo Miniatore (1445 «497) Schongauerschc Kupfer- stiche, die ja bekanntlich auch auf den jungen Michelangelo einen grossen Ein- druck machten, mit Eifer kopiert habe. Leider können wir keine der ver- schiedenen italienischen Kopien nach Schongauer mit Sicherheit auf Gherardo zurückführen.

Während sich die Technik der pollaioleskcn Gruppe nicht über das Ende des XV. Jahrhunderts hinaus verfolgen lässt, hat die botticelleske Manier noch im Anfange des XVI. Jahrhunderts eine Weiterbildung erfahren, die allerdings nicht als Fortschritt bezeichnet werden kann. Ausser einer Anzahl von Kupfer- stichen, in denen diese Technik etwas vergröbert ist, wie dem ganz im Stile Filippino Lippis gezeichneten h. Hieronymus (Pass.V, p. 108, Nr. 36) und der Madonna mit dem Evangelisten und einer Heiligen (Pass.V, p. 69, Nr. 67) ge- hören auch die Arbeiten zweier uns namentlich bekannter Stecher in diese Gruppe. Lucantonio de' Uberti ist schon als Holzschneider erwähnt worden. Seine Kupferstiche sind sehr derb und grob, den eben erwähnten nicht unähnlich,

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Unbekannter Florentiner Stecher. Der l'rophct Samuel.

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zum Teil aber nach recht guten Zeichnungen gestochen. Die Herodias und eine Frau mit zwei Kindern u. a. sind nur mit seinem Monogramm aus L. A. F. F. bezeichnet, das grosse Blatt nach dem Raffäcl zugeschriebenen Fresko in S. Onofrio zu Florenz trägt seinen vollen Namen: Lucantonio (Pass. V, p. 6z u. 194).

Ebenso unselbständig wie Lucantonio ist Cristoforo Robetta (146z bis 1 51z), dessen Namen wir aus Urkunden und aus Bezeichnungen auf seinen Stichen kennen. Mit ihm beginnt schon die Periode, in der der Kupferstich sich zur gewerbsmässigen Reproduktionstechnik entwickelt. Als Stecher ist Robetta aber wesentlich geschickter als Lucantonio. Er behandelt die Um« risse zarter und die Modellierung ganz in der Art der botticellesken Stiche oft fein und malerisch. Seine Zeichenkunst ist recht dürftig, sobald er sich in Einzelheiten von seiner Vorlage entfernen muss. Wohl alle seine, etwa 40 Kupfer- stiche sind freie Nachbildungen von italienischen Gemälden, wie z. B. Herkules mit Anthaeus und Herkules mit der Hydra nach Pollaiolo (Uffizi), die Madonna dem h. Bernardinus erscheinend nach dem Bilde der Badia zu Florenz von Filippino Lippi, dem er sich (Iberhaupt mit Vorliebe anschliesst (s. Abb.), oder nach Stichen Schongauers wie die Geburt Christi, der h. Paulus und der h. Laurentius. Seine landschaftlichen Hintergründe entlehnt er öfters Dürerschen Stichen.

Wir könnten statt dieser wenig erfreulichen Erscheinungen um so glän- zendere an den Schluss dieser Betrachtung des Florentiner Kupferstiches im XV. Jahrhundert stellen, wenn wir einige Verrocchio und Leonardo zugeschrie- bene Blätter wirklich als eigenhändige Stiche dieser grossen Künstler ansehen dürften. Die dem ersten zugewiesenen Blätter sind aber norditalicnisch, und Leonardos jedenfalls nur mittelbare Teilnahme am Kupferstich fällt erst in die Zeit seines Mailänder Aufenthaltes, gewinnt also nur für die dortige Stecherschule eine Bedeutung. So bleiben dem quattrocentistischen Kupferstich in Florenz als hervorragende, feste Punkte nur die beiden Meister Pollaiolo und Botticelli.

Wie im Holzschnitte bildet auch in der Tätigkeit für den Kupferstich neben Florenz Venedig die wichtigste Pflegestätte. Dialektische Eigentümlich- keiten der Inschriften und andere Umstände ermöglichen es uns, eine ansehn- liche Reihe von Kupferstichen als Erzeugnisse einer venezianischen Stecherschule nachzuweisen, die wir aber nicht so weit zurückzuvcrfolgen imstande sind wie die florentinische. Für die bedeutendste Serie von venezianischen Kupferstichen hat erst neuerdings ein Manuskript von 1 468, in das einzelne Blätter, nachweis-

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lieh während seiner Anfertigung, eingeklebt sind, den Zeitpunkt, vor dem sie entstanden sein müssen, bestimmt. Die sogenannten Tarockkarten sind inWirk- lichkeit nicht Spielkarten, sondern bilden eine Art von Lchrbildcrbuch mit Darstellungen der Repräsentanten der Stände, der Künste, Wissenschaften, Tugen- den und Himmelssphären. Sie müssen schon deshalb venezianischen Ursprunges sein, weil der „Herzog" venezianisch als „doxe" bezeichnet ist und die Insignien des Dogen von Venedig trägt. Das bestätigen andere Dialekteigenheiten und der Stil der Zeichnung, der mit der Art Bartolomeo Vivarinis und Carlo Cri- vcllis die stark ausgebogenen, etwas gezierten Bewegungen, die eigentümliche Bildung der dicken, runden Köpfe und der Hände mit starker Mittelhand und sehr dünnen Fingern, die zierlich steifen Falten und überhaupt die ganze melo- dische Weichheit der Stimmung gemein hat.

Zwei Kupferstich- Serien sind uns von diesen offenbar sehr beliebten und für Kunstwerke aller Art häufig als Vorbilder benutzten Darstellungen erhalten. Die eine (Bartsch XIII, p. 131, Kopien, s. Abb.) ist vollkommen venezianisch, die andre (Bartsch XIII, p. izo, Originale) weicht im einzelnen stark von der ersten ab und steht ihr an Feinheit und Sorgfalt der Technik sehr nach, während ihre Zeichnung vielfach freier und lebendiger ist. lieber das Verhältnis der beiden Serien zu einander und über ihr gemeinsames Vorbild hat sich noch nichts sicheres feststellen lassen. Entweder ist die besser gestochene Folge eine zum Teil freie und gegenseitige Nachbildung nach der minder fein ausgeführten, die aber die Originalzcichnungen treuer und verständnisvoller wiedergibt, oder beide Folgen sind im allgemeinen nach derselben Vorlage, Zeichnungen oder Miniaturen, mehr oder weniger genau und sorgfältig kopiert worden.

Zeichnerisch und technisch schliessen sich an die sogenannten Tarocchi einige Kupferstiche an, die mit ihnen eine fest in sich geschlossene Gruppe bilden. Hierher gehören eine grosse Darstellung der sieben Todsünden mit Inschriften in venezianischem Dialekt, die nur in zwei späten Abdrücken von 150*0 erhalten ist (Florenz, Ufhzi), dann eine hieratisch gross gebildete Madonna mit Heiligen und musizierenden Engeln (Venedig, Bibl. Marciana, in einem Buchdeckel), ferner mehrere Darstellungen von sogenannten Liebes- brunnen, darunter einer, der auf burgundische Vorbilder zurückgeht und in der Landschaft deutsche Motive benutzt (British Museum, Pass. V, p. 188, Nr. 99 und 100 und Bassano) u. a. m. Besonders interessant ist der Tod des Orpheus

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(Pass. V, p. 47, Nr. 120), eine Komposition, die uns in Bildern, Majoliken, Holzschnitten und Zeichnungen öfter wieder begegnet.

Die Technik dieser Stiche ist ausserordentlich sauber und sorgfältig und deutet auf eine lange Ucbung im Kupferstich für den Bilddruck. Die Umrisse sind sehr fein und sicher geführt, die regelmässigen und klaren Schraffierungen werden von ziemlich langen, feinen und engen, häufig in zwei oder drei Lagen schräg sich kreuzenden, geraden Strichen gebildet. Nur in einzelnen Blättern sind die Umrisse grüber und die Schraffierungen lässiger. Wie die Zeichnung ist auch die Technik viel steifer als die florentinische, aber von viel grösserer, fast kalligraphischer Sorgfalt und von einer dort unbekannten Zartheit der Töne. Auch die Druckfarbe ist, gegenüber der dunkelgrünlichen oder schwarzen in Florenz, viel zarter, silbriggrau mit grünlichem Schimmer. Die Ornamente sind in den meisten Exemplaren der Tarocchi leicht mit Gold gehöht.

Eine Gruppe von Kupferstichen ganz ähnlicher Technik weis« in den Formen der Zeichnung, in Bewegungen, Typen und Gewandbehandlung be- stimmt auf Ferrara hin; sie bildet eine Abzweigung der venezianischen Ent- wickelungsreihe , wie wir sie ganz ähnlich im Holzschnitt beobachtet haben. Ein ganzes Kartenspiel dieses Stils befindet sich im Privatbesitz in Mailand und einzelne Karten in Wien, London usw. (Pass. V, p. 1 z 9). Die sehr lebhaft be- wegten Gestalten aus der alten Mythologie und Geschichte sind recht geschickt in den Raum komponiert, Körperformen und Gewandung eigentümlich ge- schwollen und gewunden, aber auch so kraftvoll und so sorgfältig ausgearbeitet wie in den Bildern ferraresischer Meister, besonders der Richtung Cosme Turas. Mit diesen Karten müssen z. B. ein unbeschriebenes Martyrium des h. Sebastian in der Trivulziana, ein h. Johannes der Evangelist in Bologna, ein h. Antonius Eremita (Pass. V, p. 115, Nr. 80) u. a m. zusammengestellt werden.

Diese handwerklich sorgsame, zierlich feine, venezianische Technik, die in provinzieller Beschränktheit und in bescheidener Anlehnung der Malerei dienend gefolgt war, wurde nun durch den Genius eines Grossen für kurze Zeit an eine führende Stellung in der gewaltig aufstrebenden Entwickelung der italienischen Kunst gehoben. Weit mächtiger als die Florentiner Meister greift Andrea Mantegna in die Entwickelung des Kupferstiches ein. Nicht nur seine Technik und sein künstlerischer Inhalt sondern vor allem auch seine Stellung im gesamten Kunstbetriebe erfährt durch die Teilnahme des grossen Malen eine Umgestaltung. Der Kupferstich gewinnt durch ihn Monumenalität der

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Bildwirkung. Mantegna weiss auch im engen Rahmen der gestochenen Zeich- nung die Vorstellung gewaltiger Grössenverhältnisse zu erregen und der Dar- stellung volle Körperlichkeit zu verleihen. Das Werk des Bilddruckes stellt sich damit zum ersten Male den Schöpfungen der monumentalen Kunst gleich- wertig an die Seite. Die Begeisterung für seine Grossheit der Konzeption, seine Kraft und Leidenschaftlichkeit des Ausdruckes weist Dürer sein Ziel, den deut- schen Bilddruck über die miniaturhaft erzählende Schilderung des Einzelnen zu einheitlicher Bildwirkung und inhaltlich konzentrierter Komposition zu erheben. Die schwungvolle Grösse der Naturanschauung Mantegnas und Dürers Ge- dankentiefe hat allein der Grösste der Grossen, Rembrandt, zu vereinigen und zu steigern vermocht. In Mantegnas Tätigkeit liegt nicht allein der Glanz- punkt des italienischen Kupferstiches sondern überhaupt ein Wendepunkt in der Geschichte des Bilddruckes zu hohen, für seine Kräfte nur oft auch zu weit gesteckten Zielen.

Mantegna ist 143 t in Viccnza geboren, in Padua und dann bis an seinen Tod 1 506 in Mantua als Maler des Markgrafen tätig gewesen. Wie seine Florentiner Kunstgenossen hat er, wie es scheint, ursprünglich den Grabstichel nicht selber in die Hand genommen, sondern zur Reproduktion seiner hoch- geschätzten und als Studien und Vorbilder viel begehrten Zeichnungen berufs- mässige Kupferstecher, deren es in den sechziger und siebziger Jahren des XV. Jahrhunderts in Oberitalicn schon eine Anzahl gegeben haben muss, heranzu- ziehen gesucht. Seine Erfahrungen scheinen in persönlicher wie auch in künst- lerischer Beziehung recht traurige gewesen zu sein. Das erste erfahren wir aus seinen Streitigkeiten mit zwei Kupferstechern, dem Mantuaner Zoan Andrea und dem Reggianer Simone Ardizoni um 1475, das letztere lehrt uns eine Reihe von Kupferstichen, die nach Zeichnungen aus seiner frühen Zeit ausge- führt sind. Diese Blätter, die fälschlich dem Meister selber zugeschrieben werden, sind augenscheinlich schwache, in der zeichnerischen Durchbildung wie in der Technik misslungenc Versuche von Künstlern, die seinen Intentionen nicht zu folgen imstande waren. Es sind das die Geisselung Christi, die Kreuz- abnahme, die Grablegung in Hochformat, Christus in der Vorhölle, die Ma- donna in der Grotte nach der Anbetung der Könige in den Uffizi u. a. m. Von mehreren dieser Blätter existieren gleichzeitige und etwa gleichwertige Wiederholungen. Die Stecher konnten weder, wie er es wohl verlangte, die Züge seiner Zeichenfeder unmittelbar auf die Kupferplattc übertragen, noch

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ihre eigene, gewohnte Technik auf so neue und grosszügige Formenbildungen, wie sie ihnen in Mantcgnas Zeichnungen vorlagen, anwenden.

Da seine Unterweisung nicht hinreichte, entschloss sich der Meister endlich selber Hand anzulegen. Er scheint das erst spät, wohl in den achtziger Jahren getan zu haben, denn alle seine eigenhändigen Arbeiten zeigen seinen Stil der späten Periode. Der früheste seiner eigenhändigen Stiche scheint die sitzende Madonna mit dem Kinde zu sein, die, ursprünglich eine freie Studie, erst später durch die Heiligenscheine in eine Madonna verwandelt wurde. Sie verrät in der Technik noch eine gewisse Unsicherheit und Härte; die Wirkung entspricht hier offenbar noch nicht ganz der Absicht. Von den vier grossen mythologischen Darstellungen, die, wie Dürers Nachzeichnung nach der einen beweist, jedenfalls vor 1404 ausgeführt sind, steht das Bacchanal mit dem Silen den drei anderen technisch sehr nach ; die beiden Blätter mit den Kämpfen der Tritoncn und Seckentauren und vor allem das Bacchanal bei der Kufe zeigen seine voll- kommene Meisterschaft in der Beherrschung der Technik. Wohl die letzten seiner eigenhändigen Werke des Stiches sind die leidenschaftlich dramatische Grablegung in der Breite (s. Abb.) und die ganz statuarisch konzipierte Gruppe des Auferstandenen zwischen Andreas und Longinus.

Hier erreicht seine Technik eine Vollendung in der Durchmodellierung der Formen, eine Weichheit in der Verschmelzung der einzelnen, dünnen Schraffierungslinien zu feinen Tönen, eine Zartheit der Uebergänge vom Umriss zum Schatten und vom Schatten zum Licht, von der allerdings nur die äusserst seltenen, ganz frühen Abdrücke eine Vorstellung geben können, die aber dann die meisten späteren Leistungen des Grabstichels in den Schatten stellen. Hier geht die Wirkung Ober die Absicht, Studienblätter zu vervielfältigen, weit hin- aus zur Schöpfung von in sich abgerundeten, bis in alle Details malerisch fem ausgeführten Helldunkelgemälden.

Mantegnas Technik ist der Pollaiolos im System nahe verwandt, in ihrer künstlerischen Verwendung ist sie durchaus ein Novum. Die Linien verlieren die Schärfe und Starrheit der schematischen Schraffierungsstriche Pollaiolos, sie werden beweglich ohne die gleichmässige, diagonale Richtung aufzugeben, und gewinnen fast den Charakter von zarten Kreidestrichen, die sich zu einem Gesamtton verbinden.

Die Stechweisc, die Mantegna ausbildet, bleibt das freilich nie erreichte Vorbild fast für die gesamte Kupferstichproduktion in Obcritalien bis zu Marc-

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antonio Raimondi, bis der Einfluss der deutschen, im besonderen der Dürcr- schen Technik der Enrwickclung eine neue Richtung gibt. In erster Linie waren

Andrea Mantcgna. Die Grablegung. Ausschnitt.

cs allerdings wohl der gewaltige Reichtum seiner Erfindung und seine impo- nierende Gestaltungskraft, die eine grosse Anzahl von Stechern an ihn fesselten;

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natürlich geht aber mit der Nachahmung seiner Formcngcbilde die Nachahmung seiner Technik Hand in Hand. Auch die Stecher, die zu unbehilflich und zu wenig feinfühlig gewesen waren, nach seinen Anweisungen ihre Technik seinem Zeichnungsstil anzupassen, konnten nun aus den Vorbildern, die er in seinen Stichen lieferte, eine ihnen gemässe Methode der Strichbildung abstrahieren. Wir sehen das an den späteren Arbeiten jenes Zoan Andrea, in dem wir den Stecher einiger der früher fälschlich Mantegna selber zugeschriebenen Blätter vermuten durften. Die mit den Buchstaben „ZA" bezeichneten Stiche, die wir mit aller Wahrscheinlichkeit Zoan Andrea zuweisen können, sind, soweit wir wissen, nach Zeichnungen italienischer Meister gestochen, zum Teil aber auch nach deutschen Stichen , besonders von Dürer, direkt kopiert. Mit dem oben erwähnten Holzschneider Zoan Andrea Vavassore kann der Mantuaner Kupfer- stecher nicht identisch sein, da jener bis tief in das XVI. Jahrhundert in Venedig tätig ist, während unser offenbar viel älterer Künstler bald von Mantua nach Mailand gezogen sein muss, um hier in Zeichnungen Leonardos und seiner Schüler neue Vorbilder für seinen Grabstichel zu suchen.

Einige andere, unbekannte Stecher müssen in noch viel engeren Beziehungen zu Mantegna gestanden haben als solche Techniker wie Ardizoni und Zoan Andrea. Eine Anzahl von Kupferstichen, die wir nicht als eigenhändige Ar- beiten des Meisters ansehen können, scheinen jedenfalls in seiner Werkstatt und unter seinen Augen entstanden zu sein. Seine persönliche Beihilfe möchte man in einem der Kupferstiche, die seine Entwürfe zu dem Triumph Casars (in Hampton-Court) wiedergeben, dem Blatte mit den Opferticren und Elefanten (B. 12) vermuten. Geringer sind die anderen gestochenen Teile des Zuges, die Trophäenträger (B. it u. 14) und die sogenannten Senatoren (B. 11), von denen verschiedene Wiederholungen erhalten sind, und Herkules und An- thaeus (B. 1 6). Die übrigen Mantegna zugeschriebenen Blätter, wie der Schmer- zensmann (B. 7), Sebastian (B. 10), Herkules im Kampfe mit einer Schlange (B. 1 5), die beiden Bettler (Pass. 24), stehen technisch seinem persönlichen Stile ferne oder sind nicht einmal nach seinen Zeichnungen ausgeführt, wie die Leo- nardesken Köpfe (B. z 1 23).

Giovanni Antonio da Brescia, den wir nur aus den Bezeichnungen auf seinen zahlreichen Stichen kennen, muss sich ursprünglich ebenfalls eng an Mantegna angeschlossen haben, dessen Zeichnungen und Stiche er eifrig kopiert hat. Er bildet Mantegnas Stechweise in ganz ähnlicher Weise wie Zoan Andrea

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zu einem regelmässigen, starren Liniensystem um. Die Technik sinkt damit wieder in den Schematismus zurück, aus dem sie Mantegnas Genie herausgehoben

Nicolecto di Modcna. Der h. Antonius der Eremit.

hatte. Giovanni Antonio hat, wie Zoan Andrea, zahlreiche Kupferstiche von Dürer kopiert, ohne in den Geist oder in die Technik des Deutschen tiefer

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einzudringen. Im Beginne des XVI. Jahrhunderts scheint er sich in Rom, wohin der Strom Künstler und Handwerker zu ziehen begann, in den Kreis der Stecher um Raffäel gemischt zu haben. Er kopiert Stiche Marcantons, dessen Technik er nachzuahmen sucht, sticht Zeichnungen Raffäels und reproduziert mit be- sonderem Eifer neu entdeckte antike Statuen.

Ein Nachahmer Mantegnas ist in seinen Anfängen auch NicolettoRosex da Modena, der ebenfalls bis in den Anfang des XVI. Jahrhunderts tätig ge- wesen ist. In seinen frühen, meist unbezeichneten Stichen schraffiert er noch ganz in der Art Mantegnas ohne Kreuzschraffierungen mit gleichmässigen dia- gonalen Strichlagen. Auch in Formen und Motiven ist die Anlehnung an Man- tegna sehr stark. Er kopiert aber auch Stiche von Schongauer, frühe Blätter von Dürer, später auch nach dem Meister J. B. mit dem Vogel und selbst nach Marcanton. Nicoletto zeigt eine besondere Vorliebe für die Antike, die in seinem über 1 10 Blätter umfassenden Werke einen breiten Raum einnimmt; unter ande- rem hat er die Marcaurclstatuc und den 149 5 gefundenen Apollo von Belvedere, schon restauriert, nachgebildet. Seine felsigen Landschaften mit reicher Staffage von antiken Gebäuden und Figuren aller Art behandelt er mit grosser Liebe und eingehender Sorgfalt. Nicoletto ist kein selbständig erfindender Künstler, aber ein feiner und sehr geschmackvoller Zeichner, der den Gesichtern und Be- wegungen seiner Gestalten eine grosse Anmut zu verleihen und sie geschickt in die Landschaft hinein zu komponieren weiss (s. Abb.). An den charakteristischen Typen und an der Landschaft sind seine Arbeiten leicht zu erkennen. In seinen späteren Stichen beginnt er mit gerundeten und sich kreuzenden Taillen zu modellieren und nähert sich schliesslich sogar der Art Marcantons.

Wie die Maler gehen auch die Kupferstecher Oberitaliens vielfach vom Studium Mantegnas zur Nachahmung der Venezianer Meister, besonders Giovanni Bellinis über. Diese Hinneigung nach Venedig macht sich schon stärker be- merkbar beiBenedettoMontagnaaus Viccnza (geb. um 1 47 o, gest. nach 1555). Als Maler und Zeichner folgt er dem Stile seines bedeutenderen Vaters und Leh- rers Bartolomeo Mantegna. In seinen frühern Werken behandelt er die geraden, langen Schraffierungen sehr scharf und energisch, aber nicht ohne eine gewisse Steifheit und Nüchternheit, z. B. in dem Opfer Abrahams (B. 1) und in der Madonna (B. 7, 1). Später, wie er sich rein venezianischen Vorbildern mehr nähert, z. B. in dem ganz in der Art Basaitis gezeichneten Hieronymus (B. 14 s. Abb.) und zahlreichen mythologischen Darstellungen, wird seine Modellierung

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weicher und effektvoller , die" Schatten werden oft durch Punkte zart in das Licht übergeleitet, die Landschaft wird, oft mit Verwendung von Diircrschen Motiven, in venezianischer Art ausgestattet und abgestuft. Auch Montagna hat wie seine obcritalicnischen Genossen Stiche von Dürer kopiert.

Ganz Venezianer ist Girolamo Mocctto (tatig um 1490 I5$i)> von

Bcnedetlo Montign». Der h. Hicronymu». Austchnili.

dessen Geschick ais Maler eine Reihe von Gemälden kein sehr glänzendes Zeugnis ablegt. Auch in seinen Stichen ist er als Zeichner schwach und unselbständig. Für einige seiner meist umfangreichen Blätter, wie für die Iudith und für Johannes den Taufer benutzt er augenscheinlich Zeichnungen von Mantcgna, in den meisten seiner Stiche schliesst er sich ganz an Giovanni Bellini an, dessen Taufe Christi in S. Corona zu Vicenza er in einem seiner grössten Kupferstiche frei nachge- bildet hat. Glücklicher als in der Bildung der Formen und der Gewänder ist

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er in seinen Typen, denen er oft eine ganz bcllincske, melancholische Anmut verleiht. Seine Technik besteht in einer Umbildung der mantegnesken Schraf- fierung zu kräftigeren und farbigeren, aber auch gröberen Effekten durch Massen von ziemlich dicken und rauh geränderten, gekreuzten Strichen.

Eine technische Eigenart hat von den Stechern dieser venezianischen Gruppe nur Giulio Campagnola (geb. in Padua um 148)) auszubilden gewusst. Als Wunderkind in den Wissenschaften und Künsten ist er früh berühmt geworden. Allerdings scheint sein Talent mehr in der Nachahmung bestanden zu haben, da immer nur seine täuschenden Kopien nach Bellini und Mantegna gelobt werden. Sein Vorbild ist ausser Mantegna, nach dessen Zeichnung er den Jo- hannes den Täufer (B. 3 ) stach, und Dürer vor allem Giorgione gewesen. Mehrere seiner Darstellungen, besonders Christus und die Samaritcrin (B. 2 s. Abb.) mit der poetischen Inscllandschaft, der junge Hirte (B. 6), der Astrolog von 1 50p (B. 8) u. a. m. zeigen in den vollen, weichen Formen, dem träumerischen Aus- druck der Gesichter, in der Stimmung der Töne und der Landschaft mit der Kunstweisc des grossen Malers die engste Verwandtschaft. Seine Technik hat Campagnola dem Charakter seiner Vorlagen in sehr geschickter Weise anzu- schmiegen gewusst, indem er die sehr regelmässig gezogenen, runden Taillen durch Massen feiner Punkte unter einander und mit dem Lichte verbindet und so ganz tiefe Schatten und sehr zarte Ucbcrgänge erzielt. In manchen Stichen wie dem h. Johannes (B. 3) und der liegenden Frau (P. 11) sucht er die Schatten ausschliesslich durch Punkte wiederzugeben. Die stärkeren, malerischen Effekte hat er aber nur durch die Verbindung von Punkten mit Linien hervorgebracht.

Diese Manier, die wir mit Wahrscheinlichkeit auf Giulio Campagnola zu- rückführen dürfen, hat Beifall und Nachahmung gefunden. Wir haben schon bei Benedetto Montagna ähnliche, allerdings schüchterne Versuche beobachtet; wir sehen auch Maler, wie den Vicentincr MarcelloFogolino und den Crc- moneser Altobello Meloni in ihren gelegentlichen, interessanten Grabstichel- arbeiten die Technik Campagnolas bevorzugen. Eine ganz eigentümliche Er- scheinung ist der anonyme Stecher, der nach dem Datum auf einem seiner Blätter der Meister von 151 5 genannt wird. Alle seine Stiche, für die der tief dunkel schraffierte Hintergrund und die merkwürdige Modellierung der stark ausladenden Muskeln charakteristisch sind, stellen antike Gegenstände oder Ornamente dar. Seine Technik ähnelt der der Schüler Mantegnas, beson- ders der Zoan Andreas, ist aber viel kühner und kontrastreicher.

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Mehr als alle anderen Stecher der venezianischen Gruppe 'ist Jacopo de'Barbari, der schon oben als Zeichner für den Holzschnitt genannt worden ist, von der deutschen Stichtechnik beeinflusst worden. Man hat ihn sogar zu einem Deutschen machen wollen, obwohl seine künstlerische Herkunft von Bar- tolomco Vivarini in seinen Bildern und in seinen etwa 30 Kupferstichen ganz klar zutage tritt. Seine Beziehungen zu Dürer, dem seine Kenntnisse der An- tike, der Perspektive und der Proportionslchrc Eindruck gemacht hatten, lassen

Barbari für uns ein viel grösseres Inter- esse gewinnen als er seiner künstle- rischen Bedeutung nach beanspruchen dürfte. Er hat jedenfalls bei seinem Aufenthalte in Deutschland 1 500 1505 und dann in den Niederlanden, wo er Hofmaler der Regentin Marga- rete war, grossen Einrluss auf nordische Künstler ausgeübt.

In der technischen Ausführung seiner frühesten, ziemlich dürftig gezeichneten Stiche, die augenscheinlich noch in Venedig entstanden sind, wie „Sieg und Friede" (B. 1 8) oder dem Priap- opfer (B. 19), geht Barbari nicht von Mantcgna, sondern wie es scheint, von der Nachahmung deutscher, Schon- gauerschcr Stechweise aus. Er model- jicopo de* B»rbjri. Oer h. Hieronymu». licrt mit weiten, kräftigen und klaren,

etwas gerundeten Taillen und erzielt die Tiefe der Schatten durch Verdickung und engere Stellung der Linien. In seinen späteren Arbeiten, wie „Apollo und Diana" (B. 16), den „drei Ge- fangenen" (B. 17) und besonders dem „Schutzengel" (B. 19) kommt er der mit einzelnen, gerundeten Linien modellierenden Technik Schongaucrs und Dürers noch näher (s. Abb.). Schliesslich sucht er in seinen letzten Stichen, wie dem h. Sebastian (P. 27), Cleopatra (P. 28), Mars und Venus (B. 20) nicht ohne Erfolg die feine, runde Strichführung und die zarten silbrigen Töne der früheren Werke des Lucas von Leyden nachzuahmen. Auch in diesen seinen

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besten, durchaus in nordischer Technik ausgeführten Blättern verleugnet er seinen venezianischen Ursprung nicht.

Der vorzügliche Stecher, der seine Arbeiten mit einem Monogramme aus zwei durch eine Schleife verbundenen P bezeichnet, ist mit dem Friauler Maler Martino da Udine, genannt Pellegrino da S. Daniele (um 1470 1547) identifiziert worden, da sieb dasselbe Zeichen auch auf Gemälden dieses Meisters findet. Während aber Martino als Nachahmer des Cima da Conegliano beginnt und später mit Giorgione, Palma und Pordenone zu wetteifern sucht, zeigen jene Stiche die feinknochigen, scharf gezeichneten Formen ferraresischer Maler, im besonderen die des Ercole Roberti. Ob zur Erklärung dieses ferraresischen Cha- rakters der Stiche die Tatsache, dass Martino zwischen 1503 und 15 14 mehr- fach in Ferrara tätig gewesen ist, genügt, oder ob wir in dem Stecher PP. eine andere Persönlichkeit zu erblicken haben, muss noch dahingestellt bleiben. Zu beachten ist allerdings, dass Martino sich in einzelnen Gemälden, besonders der Verkündigung von 1519 in der Akademie in Venedig, sehr eng an spätere Ferraresen, besonders an Garofalo anzulehnen scheint, und dass der spätere, Über- arbeitete Zustand seines Hauptblattes eine ganz ähnliche Formbildung erkennen lässt. Während nämlich der erste Abdruckszustand der reichen und sehr fein durchgeführten Darstellung des „Triumphes der Selene" (P.4)» ebenso wie die Kreuzabnahme (P. 2 ) und der h. Christoph (P. 3 ), in einer ganz eigentümlich zarten Technik mit dünnen Umrisslinien und ganz fein strichelnder Schraffierung über- aus delikat, wohl mit der Nadel, ausgeführt ist, zeigt der zweite, überarbeitete Zustand weichliche, breite Formen, die durch eine mehr malerische Behand- lung der Schatten mit Punkten und ganz kurzen, dickeren Strichen hervor- gebracht ist.

Die einzigen, sicher datierbaren, in Mailand hergestellten Kupferstiche aus dem XV. Jahrhundert sind die drei Illustrationen in der Summula di paci- fica conscientia, die P. de Lavagna im Jahre 1479 in Mailand druckte. Nur einer der drei Stiche enthält ausser rein geometrischen und ornamentalen Zeich- nungen auch eine figürliche Darstellung, die Verkündigung, die aber so klein ist, dass sich kaum mehr als eine Aehnlichkeit mit der älteren venezianischen Technik erkennen lässt. Wir sind aber wohl berechtigt, eine Reihe von Blättern wegen ihrer stilistischen Verwandtschaft mit Bildern der mailändischen Schule und mit den oben erwähnten ältesten mailändischen Holzschnitten, besonders dem Autorbildnisse im Paulus Florentinus von 1479, als mailändische Erzeug-

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nissc anzusehen. Es sind meist ziemlich dürftige Zeichnungen mit sehr reichen, runden Formen und Falten, in der Art der venezianischen Stiche, mit ziemlich engen, kurzen, geraden Strichen schraffiert, die um 1480 entstanden sein mögen, z. B. eine Verkündigung in Berlin (Pass. V, p. 67, Nr. 61) und eine unbe- schriebene Kopie danach in Wien, ein Crucifixus mit Franciscus und Hierony- mus und eine Stigmatisation des h. Franciscus in Berlin, eine thronende Madonna mit Engeln (Pass. V, p. 185, Nr. 88) und zwei Jünglinge am Meere (Pass. V, p. 189, Nr. 10z) im British Museum, endlich eine Geburt Christi (Pass. V, p. 115, Nr. 79) in Paris, zu der sich eine Zeichnung in der Akademie in Vene- dig befindet. Hierher gehört auch die grosse und bedeutende Darstellung des Inneren einer zerfallenen Kirche mit reicher Staffage (British Museum und Casa Perego in Mailand), die die Bezeichnung: „Bramantus fecit in Mio" (Mi- lano) trägt und deshalb für eine eigenhändige Arbeit des Architekten ausgegeben worden ist. Wahrscheinlich ist nur die Zeichnung dieser Komposition, die man wohl als ein architektonisches und perspektivisches Studienblatt ansehen darf, von Bramante, die Formen der Figuren zeigen mailändischen Charakter, die Technik ist der der eben erwähnten Stiche, besonders der Geburt Christi, sehr verwandt, nähert sich aber mehr der Art der Mantegnaschule. Zoan Andrea, der, wie wir aus seinen Stichen nach mailändischen Vorlagen ersehen können, hier tätig gewesen ist, mag der Lehrmeister dieses und anderer mailändischer Stecher gewesen sein.

Von diesen mailändischen Künstlern können wir nur einen namhaft machen, den Miniator Fra Antonio da Monza, der in Zeichnung und Technik eine gewisse Eigenart besitzt. Einige, meist umfangreiche Kupferstiche dürfen ihm wegen ihrer bis in alle Einzelheiten genauen stilistischen Uebereinstimmung mit seinen Miniaturen mit grösster Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden, so z. B. eine Madonna mit zwei Engeln (B. XIII, p. 85, Nr. 3) und eine Beweinung (Albertina), die mit besonders reichen und feinen landschaftlichen Gründen ausgestattet sind. Besonders interessant ist sein Stich nach Leonardos Abend- mahl (Pass. V, p. 181, Nr. 4), das auch anderen Mailänder Stechern der Zeit als Vorlage gedient hat (P. 5 8).

Auf Grund älterer Nachrichten hat man auch Leonardo da Vinci zu den Kupferstechern rechnen zu können geglaubt, zumal einige Blätter, wie das über- aus feine Profilbrustbild eines schönen Mädchens (Pass. V, p. 180, Nr. 2) und drei grosse Ornamente aus Knotenwerk durch Inschriften ihre Herkunft aus der

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von Leonardo gegründeten „Academia Leonardi Vinci" erweisen. Trotzdem wird man die eigenhändige Ausführung selbst dieses besten und reizvollsten mailändischen Kupferstiches durch den Meister keineswegs als Tatsache gelten lassen dürfen. Vier Skizzen Leonardos zu der Reiterstatue des Francesco Sforza, ein Blatt mit Studien für Pferdeköpfe und die, wie erwähnt, auch in Holzschnitt kopierte, vorzüglich frei und leicht bewegte Gestalt des Dichters Bernardo Bcllinzoni (Paris, Rothschild) verraten wie andere leonardeske Stiche jedenfalls deutlich die Stechweise und die Schwäche der Zeichnung eines Giovanni Antonio da Brescia.

Im Kreise der Schüler Leonardos sind einige Kupferstiche entstanden, die man grösstenteils, ohne Berechtigung, Cesare da Sesto zugeschrieben hat. Die Formgebung erinnert sehr stark an die oben erwähnten Holzschnitte in mailändischen Drucken des beginnenden XVI. Jahrhunderts. In der technischen Behandlung sucht man die Wirkung der weich vertreibenden mailändischen Malweise durch zarte Modellierung mit engen, kurzen, runden Schraffierungen und Punkten wiederzugeben. Die Hauptblätter dieser Gruppe sind : eine von Bartsch dem Franzosen Duvet zugeschriebene allegorische Darstellung, ein Kampf von wilden Tieren gegen einen Drachen, nach einer Zeichnung Leonardos, die Enthauptung Johannes des Täufers (Pass. VI, p. Z57, Nr. 65, British Mu- seum), ein Hirsch und ein Reh, die fälschlich Giulio Campagnola zugeschrieben worden sind (Pass. V, p. 165, Nr. 16 u. 17).

Unter den Stätten, an denen der Kupferstich in Italien gepflegt wurde, ist keine für die weitere Entwicklung dieser Kunst so bedeutungsvoll geworden wie Bologna, die Heimat Francesco Francias und Marcantonio Raimondis. Von einem früheren Betriebe des Kupferstiches in dieser Stadt wissen wir nichts, wie es scheint tritt Bologna erst mit Francesco Francia in den Wettbewerb ein. Wir kennen allerdings kerne sicher beglaubigten Kupferstiche von Francia, aber als einer der bedeutendsten Metallgraveure und Niellatoren seiner Zeit und als der Lehrer zweier der tüchtigsten Stecher kann er trotzdem einen her- vorragenden Platz in der Geschichte des italienischen Kupferstiches beanspruchen. Seine Kunst, figurenreiche Kompositionen in der feinsten Durchbildung aller mannigfaltigen Einzelheiten auf kleine Metallflächen einzugravieren, erregte die Bewunderung seiner Zeitgenossen. Zwei gut beglaubigte niellicrte Silber- platten, sogenannte Majestates, von seiner Hand sind in der Pinakothek zu

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Bologna erhalten. Von der einen, die eine Kreuzigung darstellt, wird ein Probe- abdruck auf Papier in der Albertina in Wien aufbewahrt. Auch einige andere Papierabdrücke von unendlich zart und fein gezeichneten und gravierten Niellen können mit einer gewissen Sicherheit Francia zugeschrieben werden, z. B. das Brustbildnis eines Bentivoglio (Dutuit 587) und Orpheus, der den Tieren singt (Dutuit 353). Neben Florenz scheint Bologna das bedeutendste Zentrum der Goldschmiedekunst in Italien gewesen zu sein, und wie dort hat man auch hier sehr häufig ausgeführte Niellen oder Zeichnungen für solche als Vorbilder in Kupfer kopiert (s. Abb.). Wir kennen eine ganze Reihe dieser nielloartigen Stiche von der Hand eines Meisters, der seine Arbeiten mit dem Monogramm O. P. D. C., einmal auch mit seinem vollen Namen Opus Pcregrino da Ces (ena?) bezeichnet hat. Peregrino, der bis in den Anfang des XVI. Jahrhunderts tätig gewesen sein muss, ist ohne Zweifel ein Schüler Francias gewesen, er hat unter anderem auch dessen oben erwähntes Nicllo mit Orpheus für den Abdruck nachgestochen und ist höchstwahrscheinlich neben anderen Genossen in der viel besuchten Werkstatt Francias beschäftigt gewesen. An Fein- heit der Zeichnung und Schärfe des Stiches stehen seine Arbeiten denen des Meisters weit nach.

Der künstlerisch selbständigste Schüler Francesco Fran- cias, der Meister J. B. mit dem Vogel, ist schon oben als Zeichner für den Holzschnitt besprochen worden. Die fünfzehn mit seinem Monogramm bezeichneten Kupferstiche zeigen deutlich seinen Zusammenhang mit der bolognesischen Schule, sie besitzen aber doch so viel Eigenart in der Komposition und besonders im mädchenhaften Aus- druck der Frauenköpfe, dass man sein Schulverhältnis zu Francia bisher meist nicht erkannt hat. Seine Technik mit rundlichen, ziemlich harten Taillen zeugt schon von einem Studium Dürerscher Holzschnitte und Kupferstiche, denen er auch mehrfach die Motive für Baumgruppen und ganze landschaft- liche Hintergründe entlehnt hat. Er zeichnet mit feinem Formgefühl und mit bemerkenswerter Freiheit und bekundet eine besondere Vorliebe für antike Gegenstände. Seme anziehendste Arbeit, Leda mit ihren vier Kindern, mit denen ihr Vater Jupiter als Schwan mutwillig scherzt (B. 3), ist ein antikes Idyll schon von ganz correggeskem Reiz der Erfindung und der Formengebung.

Bologneser Meister. Tobias mit dem Engel.

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Ebenso fein ist das Satyrweibchen mit ihren beiden Jungen (B. z s. Abb), der Triton mit seiner Familie (B. 5) u. a. m.

Die Tätigkeit des Meisters J. B. mit dem Vogel, der eine der bedeutendsten Erscheinungen unter den italienischen Stechern um 1500 gewesen ist, scheint auf diesem Gebiete nur eine gelegentliche gewesen zu sein. Dagegen hat einer sei- ner Mitschüler in Francias Werkstatt sich der tech- nischen Ausbildung des Kup- ferstiches vollständig gewid- met und die Entwickelung dieser Kunst mit einem Eifer und einer Energie gefördert, die ihm für mehrere Jahr- zehnte die Führerschaft nicht nur unter den italienischen Stechern gesichert haben. Marcantonio Raimondi geht von den Formen Fran- cias und von der venezia- nischen, schon durch den Einfluss der deutschen Stech- kunst umgebildeten Technik aus, er kommt aber, vermöge seiner klaren Erkenntnis der Bedürfnisse, durch eingehen- des Studium Dürerscher Stechweise und vor allem durch sein ausserordent- liches Anpassungsvermögen an den modernen Stil der monumentalen Kunst zu Resultaten, die ihn nicht sowohl als den Vollender der Bestrebungen der Vergangenheit sondern vielmehr als den Bahnbrecher für eine neue Ent- wickelungsphase der Kupferstechkunst erscheinen lassen.

Meiner J. B. mit dem Vogel. Satyrweibchen.

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DAS SECHZEHNTE JAHRHUNDERT

Albrecht Dürer. Der Schitier*ernmann,

HOLZSCHNITT UND KUPFERSTICH IN DEUTSCHLAND.

uf Albrecht Dürers Errungenschaften fusst die gesamte Ent- wickelung des Bilddruckes im XVI. Jahrhundert. Unter den Technikern seiner Zeit ist Dürer nicht allein der genialste und reichste Formcnbildner, er ist auch der grösste Theoretiker, der seine technischen Mittel mit voller Ueberlegung verwendet und feste Prinzipien der Linienführung ausbildet, die als solche einleuchtend und lernbar sind. Das künstlerische System, zu dem er die mannigfaltigen Versuche seiner Vorgänger abklärt, ist weithin zum Vorbild geworden. Er ist der Lehrmeister der Technik auch dann noch geblieben, als schon der italienische Kupferstich, vornehmlich als Träger und Vermittler der triumphierenden Rcnais- saneckunst, überall die Herrschaft gewonnen hatte.

Albrecht Dürer, der 1471 in Nürnberg als Sohn eines Goldschmiedes ge- boren wurde, hat seine Ausbildung als Maler in der Werkstatt des Michael Wolgemut erhalten. Die Holzschnitte des oben erwähnten Schatzbehalters von 149 1 und der Schedeischen Chronik von 1493, die Wölgemut gemeinschaftlich

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mit seinem Stiefsohne Pleydenwurff ausgeführt hat, legen die Vermutung nahe, dass der junge Dürer hier auch in die Technik der graphischen Künste einge- führt worden sei, wenn er nicht sogar schon selber an der Arbeit für diese Holzschnitte teilgenommen hat. Sein frühester uns bekannter, für eine Baseler Offizin 149 z angefertigter Holzschnitt zeigt jedenfalls eine ausserordentlich grosse Verwandtschaft mit den besten Bildern des Schatibehalters.

Ob auch der Kupferstich in Wölgemuts Werkstätte betrieben wurde, wissen wir nicht, sichere Nürnberger Arbeiten aus Dürers Jugendzeit sind nicht be- kannt. Der junge Gesell hat aber ohne Zweifel die Blatter Martin Schongauers eifrig studiert und an ihnen seine Technik ausgebildet. Auch die Werke des Meisters E. S. und des Meisters des Amsterdamer Kabinets sind ihm gewiss nicht unbekannt geblieben, und auf seiner Wanderschaft (149 1 94) wird er man- chem geschickten Stecher seine Handgriffe und Eigenheiten in der Behandlung der Kupferplatte abgesehen haben. Denn überall konnte er tüchtige Meister und talentvolle Gesellen eifrig bei der Arbeit finden. Man sollte deshalb nicht alle bedeutenderen Leistungen der gleichen künstlerischen Abstammung ohne weiteres dem jungen Dürer zuschreiben, wie man das mit den Baseler Holzschnitten zum Ritter von Tum, zum Narrenschiff und mit den Zeichnungen zum Terenz getan hat Ein grosser Künstler kann nicht einsam herauswachsen aus einer Masse niederer Handwerker; nur im Wettstreite mit tüchtigen Talenten kann er zum Meister reifen. Neben dem alles überragenden Genius erzeugt die Zeit des Aufschwunges Talente in Fülle. Und keine Zeit war so reich an geistiger An- regung wie die Epoche der grossen Gährung vor der Reformation, die in ihrem stürmischen Drange nach unmittelbarer Aeusserung des natürlichen Empfindens, nach freier, ungebundener Mitteilung von Geist zu Geist der Entwicklung der graphischen Künste wie keine andere günstig war.

Ausser den uns bekannten Künstlern wie Schongauer, Wolgemut, dem Meister des Amsterdamer Kabinets wird Dürer ohne Zweifel noch manche andere, uns heute unbekannte Vorgänger und anregende und fördernde Mit- schüler gehabt haben. Seine eigene formen- und gedankenreiche Kunst erhebt sich verhältnismässig spät zu vollständiger Selbständigkeit, nachdem sie wie durch einen chemischen Prozess alle damals mächtigen Kunstkräfte auf sich hatte wirken lassen. Dürer ist kein frühreifes Talent gewesen, erst um 1500, als er schon die Hälfte seiner Lebensbahn durchmessen hatte, gewinnt er die volle, freie Herrschaft über seine Kunstmittcl.

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Seine frühesten Zeichnungen und seine ersten Versuche im Kupferstich, wie das noch unbezeichnetc „der Gewalttätige" genannte, wohl eine Todcsallcgoric

Albrecht Dürer. Der l.iebeihandel.

darstellende Blatt (B. 92), die Landsknechte mit dem Türken zu Pferde (B. 88), der Liebeshandcl (B. 93 s. Abb.) und andere zeigen ihn zeichnerisch und technisch

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noch ganz in Schongaucrs Bahnen. Dann aber macht sich der Eindruck, den sein lebhafter, lernbegieriger Geist durch die Anschauung italienischer Kunst em- pfangen hatte, stärker bemerkbar. Eine Reihe von Zeichnungen bezeugen sein eingehendes Studium der Werke italienischer Meister, im besonderen der Kupferstiche Mantcgnas, die er wahrscheinlich bei einem Aufenthalte in

Venedig 1494 oder 1495 kennen gelernt hatte. In den Kupferstichen aus den letzten Jahren des XV. Jahrhunderts wiegen deshalb auch die anti- kisierenden Gegenstände vor. Er wagt es schon 1497 in den sogenannten „vier Hexen", seinem ersten datierten Kupfer- stiche, nackte, weibliche Ge- stalten darzustellen. Einen be- deutenden Fortschritt in der Wiedergabc der Körperformen bekunden die wahrscheinlich nur wenig späteren Blätter, der Raub der Amymonc (B. 7 1 ) und der „grosse Herkules", auch die Eifersucht genannt (B. 75), eine mythologische, noch nicht befriedigend ge- deutete Darstellung nach italie- nischen Vorbildern. Etwa gleichzeitig sind ferner der Spaziergang (B. 94), eine Todesphantasie, der verlorene Sohn (B. 28), die Madonna auf dem Halbmond (B. 30 s. Abb.) und die liebliche, italienisierende Madonna mit der Meerkatze (B. 4z) mit dem von italienischen Stechern häufig kopierten Weiherhäuschen u. a. m.

In diesen Kupferstichen beherrscht Dürer die Technik schon mit voller Freiheit. Die Unsicherheit der früheren Arbeiten ist verschwunden, und die Linienführung ist durchaus klar und überlegt. Hier ist kein Strich mehr über-

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Albrecht Dürer. Aus der Apokal>pse. B. 69. Ausschnitt. Wenig verkleinert.

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flüssig, jeder Zug, jede Biegung und jede Kreuzung der Taillen hat ihre bestimmte Absicht und Wirkung. Scharf gegenübergestellte Massen von Licht und Schatten geben den Formen Rundung und lassen die Gestalten sich vom Hintergrunde loslösen. Von diesen Werken, die wohl um 1 500 entstanden sind und seine lange Studienzeit abschliessen, hatte er bis zur vollen Meisterschaft nur noch einen Schritt zu tun.

Noch mehr als die Kupferstiche lassen Dürers Holzschnitte aus dieser Zeit den Einfluss Italiens erkennen. Die freie Zeichnung auf den Holzstock ge- stattet der Hand eine viel grössere Beweglichkeit als die Gravierung in das harte Metall. Nach der einzig unzweifelhaften Arbeit aus früherer Zeit, dem schon erwähnten Hieronymus von 149z, kennen wir sichere Holzschnitte von Dürer erst wieder aus den Jahren nach seiner Heimkehr und Hausstands- gründung in Nürnberg. Diese Blätter., die sein Monogramm schon in der end- gültigen Form tragen, sind dem Baseler Hieronymus in der Geschmeidigkeit und Fülle der Linien und in der Kraft der Gesamtwirkung weit überlegen. Der Gedanke an eine Bemalung kann nun nicht mehr aufkommen, und tatsächlich sind Dürers Holzschnitte auch fast immer von ihr verschont geblieben. Genau datierbar ist nur das Hauptwerk dieser Zeit, die Apokalypse (B. 60 75 s. Abb.), die 1498 mit deutschem und mit lateinischem Texte erschien, also in den vor- hergehenden Jahren entstanden ist. Ungefähr gleichzeitig sind einige Holzschnitte, ebenfalls grossen Formates, wie der Herkules (B. 1 17), der Reiter und der Lands- knecht (B. iji), das Männerbad (B. 118) und die h. Familie mit den Hasen (B. ioz).

Nicht nur in einzelnen, direkt entlehnten Motiven, sondern vor allem in dem heroischen Pathos, in der Steigerung der Formen, Bewegungen und Empfindungen über das Natürliche oder wenigstens über das gewöhnliche Mass hinaus wirkt hier, besonders in der Apokalypse, die Anschauung der Werke Mantegnas gewaltig nach. Dürer geht im Schema der Kompositionen von älteren Illustrationen der Offenbarung aus, er gibt ihnen aber neues Leben durch die Kraft seiner eigenen Phantasie, einen neuen Sinn durch Beziehungen auf die Zeitläufte und vor allem eine ganz freie Form durch eine Fülle der feinsten und tiefsten Beobachtungen der Natur und des Lebens. Vieles ist noch steif und eckig in der Form, manches kraus und wirr in der Gewandung und in den Wolken, die Gegensätze zu stark und viele Stellen leer. Der junge Meister hatte noch zu sehr mit der spröden Form seiner Kunstsprache, besonders aber auch mit der Technik zu kämpfen.

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Wir dürfen wohl mit einer gewissen Sicherheit annehmen, dass DOrer die Holzstücke nicht selber geschnitten, sondern die Ausführung handwerklichen Formschneidern überlassen habe. Ohne Zweifel war er mit der Technik ver- traut und mag wohl gelegentlich auch selber das Messer geführt haben, die grosse Verschiedenheit in der Technik der einzelnen Holzschnitte wie man- cherlei Nachrichten beweisen aber, dass er in der Regel sich darauf beschränkt haben müsse, die Zeichnung auf den Holzstock aufzutragen und die Arbeit des Formschneiders zu überwachen. Dürers Einfluss auf die Technik des Holzschnittes muss ausserordentlich gross gewesen sein; das zeigt ihre rasch steigende Voll- endung in seinen Werken. Er erreicht sie offenbar dadurch, dass er dem Messer nichts zumutet, was dem Charakter der Technik nicht gemäss ist, dass er in klaren, scharfen Strichen seine Absicht dem Holzschneider durchaus deut- lich macht, dann aber mit Energie auf die sorgfältigste Respektierung seiner Linien dringt und keine Eigenmächtigkeiten des Technikers duldet. Deshalb sind die Blätter, die er selber herausgab, so unendlich viel besser geschnitten als solche, die er für andere Drucker nur vorzeichnete, wie z.B. die Illustra- tionen zu den Revelationes S. Brigittae von 1500 und zu den Quattuor libri amorum des Conrad Celtes von 150z.

Dürer scheint überhaupt nach der Apokalypse und den anderen grossen Blättern in den ersten Jahren des XVI. Jahrhunderts den Holzschnitt etwas ver- nachlässigt zu haben. Nur Heiligenbilder und dergleichen marktgängige Ware zum Verkauf auf Kirchenfesten und Messen mag er haben schneiden lassen, wohl solche Blätter, die er selber später als „Stücke des schlechten Holzwerkes'1 zu bezeichnen pflegte. Er muss sich in diesen ersten Jahren des neuen Jahrhunderts mit dem grössten Eifer dem Kupferstich gewidmet haben, denn seine Fortschritte sind gerade auf diesem Gebiete sehr gross.

Sein Hauptstreben richtet sich nun, da die Form seiner Hand sich fügte, darauf, die Linien nicht mehr bloss zu Formen, sondern auch zu Tönen von plastischer Wirkung zu verbinden, durch grosse Regelmässigkeit der Züge und durch die zartesten Uebergänge grosse, stark kontrastirende, aber doch weich verbundene Farbnachen zu erzielen. Die einzelnen Linien sind noch körperhaft und genährt, die Schatten tief und dunkel und die Lichtflächen ziemlich um- fangreich, sie werden nun aber schon malerisch in Verbindung mit einander gebracht. Einige der berühmtesten grossen Stiche Dürers gehören in diese Periode, z. B. das „grosse Glück" oder die Nemesis (B.7Z), der h. Eustachius

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(B.57), beide mit Landschaften von blendendem Reichtum, das Wappen mit dem Todtenkopf (B. 101), und besonders Adam und Eva von 1504 (B. 1). Dürer hat dies Werk mit seinem vollen Namen bezeichnet, stolz hier an einem Musterbeispiel die Resultate seiner langjährigen Studien Ober die Proportionen des menschlichen Körpers aufweisen zu können. Der Gestalt Adams liegen

Zeichnungen nach dem Apollo vom Belvedere, die ihm Jacopo de' Bar- bari vermittelt zu haben scheint, und Konstruk- tionen nach bestimmten Regeln zum Grunde. Unser Gefühl kommt freilich dabei über die Bewunderung der Tech- nik und der Ausführung der Details kaum hin- aus. Einen vollen künstlerischen Genuss ge- währen uns dagegen die unmittelbar von Natur- eindrücken bestimmten Werke des Meisters, wie die Madonna mit dem Vogel von 1 503 (B. 34), die gemütvolle Geburt Chriti von 1504 (B. z),

Albrecht Dürer. Der heilige Georg iu Pferde. ^ZS grosse Und das kleine

Pferd und der h. Georg zu Pferde von 1505 (B. 96, 97 u. 54, s. Abb.) u. a. m.

Dürer soll seine zweite Reise nach Italien 1505 angetreten haben, um in Venedig gegen die unbefugte Nachahmung seiner Holzschnitte Klage zu erheben. Marcantons datierte Kopien stammen erst aus dem Jahre 1 506 und in den Briefen, die Dürer nach Hause richtete, wird des Prozesses nicht Erwähnung getan. So gross der Einfluss gewesen ist, den der Aufenthalt in Venedig 1 505

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bis 1507 auf Dürer als Maler und auf sein klinstierisches Selbstbewusstsein, auf seine gesamte Geistesbildung ausgeübt hat, seine Arbeiten für den Bilddruck lassen nirgends Spuren dieses bedeutungsvollen Ereignisses in seinem Leben er- kennen. Auf diesem Gebiete war er zu einer Meisterschaft und Reife gelangt, die ihn über jedes Vorbild hinaushoben, die vielmehr die volle Bewunderung und die Lernbegier der Italiener erregten.

Wenn dem feinfühligen Künstler auch inmitten des glänzenden Lebens in Venedig die Heimat und seine eigene Stellung eng und ärmlich erschienen, so konnte er doch im Kreise der deutschen Humanisten, im Verkehr mit seinem Freunde Willibald Pirckheimer, mit Konrad Celtes und anderen Gelehrten, die vom Geiste der italienischen Renaissance erfüllt waren, Anregung und verständ- nisvolles Interesse für seine Kunst und besonders für seine kunsttheoretischen und antiquarischen Studien rinden. Nürnberg bildete damals einen der vornehmsten Mittelpunkte wie des geschäftlichen so auch des geistigen Lebens in Deutschland. Das Streben nach wissenschaftlicher Feststellung der Prinzipien seiner Kunst, der Proportionen des menschlichen Körpers und der Perspektive, die er später in eigenen Werken zu ergründen suchte, und die damit zusammenhängende Hinneigung zur Antike entsprangen dem innersten Triebe seiner kontemplativen Natur nach Klarheit. Seine Kunst hat er aber nur zeitweise und in einzelnen Fallen in Abhängigkeit von seinen Theorien gestellt; sein künstlerischer Sinn wandte sich immer wieder mit erhöhter Teilnahme der eindringenden Beobach- tung des wirklichen Lebens und der Verkörperung seiner eigensten Phantasie- gestalten zu. Aus dieser Verbindung der unmittelbaren Anschauung mit der wissenschaftlichen Erforschung der Formengesetze gewinnt er, gleich Leonardo, tiefste und reinste Erkenntnis der Natur.

Als der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens sind von jeher mit Recht die drei Meisterwerke seines Grabstichels aus den Jahren 151 3 und 1514t der Ritter trotz Tod und Teufel (B. 98), die Melancholie (B. 74) und der h. Hie- ronymus in seiner Studierstube „im Gehaus" (B. 60) angesehen worden. Ihre äussere Bedeutung ist noch nicht befriedigend erklärt worden, ihr poetischer Inhalt wird von jedem, der sich in ihre Betrachtung vertieft, klar und stark empfunden werden. Die verschiedenen Weltanschauungen, die den Geist des Menschen wechselnd beherrschen, scheint der Künstler in diesen Gestalten ver- körpert zu haben: in der Melancholie den verzweifelnden Pessimismus, im un- entwegten Ritter den zukunftsfreudigen Optimismus, im Hieronymus, der Krone

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seiner Schöpfungen, die stille Resignation, die beide Extreme überwunden hat und sich vor der Welt ohne Hass vcrschlicsst. Man braucht die äussere Gedanken- welt, philosophische und religiöse Strömungen, die auf ihn eingewirkt haben mögen, wenigstens zu ihrer künstlerischen Erklärung nicht zu Rate zu ziehen,

ihr rein menschlicher Inhalt ist stark genug, ihnen über Zeit und Raum unser Mit- empfinden zu erschliessen.

Es scheint, als ob die ganze Entwickclung der Technik Dürers nur danach hingestrebt hätte, alle Mittel zu erarbeiten zum Ausdrucke der poetischen Stimmung, die in diesen drei Werken lebendig ist. Nach- dem er aus Schongauers Tech- nik sein eigenes System der Formcnbildung durch klar mo- dellierende, kräftige Linien entwickelt und dann die pla- stische Verbindung der einzel- nen Formen zu harmonischen Gestaltungen erreicht hatte, geht nun sein Streben haupt- sächlich auf die Erzielung eines einheitlichen Gesamttones.ciner malerischen Stimmung,dic dem gedanklichen Inhalte des Bildes entspricht. Die Blätter der

Albrecht Dürer. Petrus und Johannes den Lahmen heilend. 1

Kupferstichpassion an denen er von etwa 1507 (Kreuzabnahme B. 14) bis 15 13 (Petrus und Johannes B. 18, s. Abb.), arbeitet und andere Stiche, wie die Madonna mit der Birne (1 ji I, B. 41) zeigen ihn auf diesem Wege.

Im Zusammenhange mit diesen neuen Zielen seiner Technik stehen auch Dürers Versuche in der Actzkunst. Auch hierin ist er Bahnbrecher gewesen

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und hat zuerst die feine, farbige Arbeit der Schneidenadcl, die er in den Blättern des Meisters des Amsterdamer Kabinets studiert und selber in verschiedenen Werken nachgeahmt hatte, mit Hilfe der Aetzung, wie sie die Waffenschmiede übten, hervorzubringen gesucht. Dürer hat offenbar verschiedene Methoden der Radierung angewandt und verschiedene Metalle verwendet, er ist aber tech- nisch Ober Versuche kaum hinausgekommen, denn in seinen Hauptwerken hat

Albrccbc Dürer. Der heilige Antonius der Eremit.

er sich auf Grabstichclarbcit beschränkt. Die groben Eisenätzungen, wie besonders die sogenannte grosse Kanone (151 8, B. 99) scheinen übrigens eher bestimmt, den Holzschnitt als die Kupferstichtechnik zu ersetzen. Dürer hat wohl auch eingesehen, dass er seine künstlerischen Absichten besser allein mit dem Grab- stichel zu erreichen vermochte, zumal er gerade die starken, sametartigen Tiefen, die den Hauptreiz der Radierung bilden, in seinem stecherischen System gar nicht verwerten konnte. Ging er doch in den Stichen seiner besten Zeit vielmehr darauf aus, einen gleichmässigen , feinen, silbriggrauen Ton hervorzubringen.

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Fast alle Formen sind mit feinen Linien Oberdeckt, nur einzelne scharfe Lichter sind ausgespart, die Schatten fast immer nicht durch Verstärkung der cimelncn Linien sondern durch mehrfach übcreinandergelegte Kreuzlagen erzielt. Durch diese zarte und bewegliche Linienbildung und -führung vermag er den Charakter

der Stoffe mit fast täuschender Wirkung wiederzugeben, das Spiel des Sonnenlichtes im Hie- ronymus wie die nächtliche, magische Beleuchtung in der Melancholie mit unerreichter Meisterchaft und dabei mit echt künstlerischer Diskretion darzu- stellen. Die grosse Bedeutung dieser Meisterwerke Dürers für die Geschichte der graphischen Künste liegt vor allem darin, dass hier zum ersten Male der Grabstichel durch die vollkom- mene Verschmelzung der Linien, durch die vollendete Stofflich- keit der Gegenstände und durch die naturwahre Licht- und Far- benstimmung dem Bilde den künstlerischen Schein der Wirk- lichkeit zu geben versucht.

Der Meister hat diese höchsten Leistungen seines Grabstichels nicht mehr zu übertreffen vermocht. Der h. Antonius in der Landschaft aus dem Jahre 1519 (B. 58, s. Abb.) steht in der Stimmung und in der Technik den Werken der Jahre 1513 und 1 j 1 4 be- sonders dem h. Hieronymus ausserordentlich nahe, und die drei Blätter der Folge der fünf Apostel, die die Daten 1513 und mz6 tragen (B. 47, 49 u. 46), sind sogar wahrscheinlich schon im Jahre 15 14 zusammen mit den beiden ersten Blättern dieser Serie (B. 48 u. 50) ausgeführt oder wenigstens

Alt>rcchc Dürer. Der Dudelsackpfeifer

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Albrecht Durer. Bildnil des Philippus McUncbthon.

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angelegt vorden. In dieses fruchtbarste Jahr fallen auch die beiden einzigen Genrefiguren der Spatzeit, das tanzende Paar (B. 90) und der Dudelsackpfeifer (B. 91, s. Abb.). Von den etwa 104 Kupferstichen Dürers sind, die Apostel mit eingerechnet , nur z 3 nach 1 5 1 4 entstanden , und unter ihnen befinden sich noch die sämtlichen sechs Bildnisse, die Dürer von seinen Freunden und Gönnern angefertigt hat. Das kleinere Bildnis des Kardinals Albrecht von Brandenburg (1519t B. 10z), das seines Freundes Pirckheimer (15Z4, B. 106) und das Melanchthons von 15Z6 (B. 105, s. Abb.) können am besten einen Begriff von Dürers Portraitkunst und von der breiten, grossflächigen Behand- lung seiner späten Kupferstiche geben. Der Meister mag wohl selber gefühlt haben, dass er mit den Werken des Jahres 15 14 seine Mission als Kupfer- stecher erfüllt hatte. Ausser seinen Gemälden und seiner schriftstellerischen Tätigkeit wird ihn aber auch wohl die Arbeit für die grossen Holzschnittunter- nehmungen seines kaiserlichen Gönners vom Kupferstich abgezogen haben.

Schon kurz vor seiner zweiten italienischen Reise muss Dürer die Arbeit für den Holzschnitt, die er nach der Apokalypse etwas vernachlässigt hatte, wieder mit grossem Eifer aufgenommen haben. Die frühesten Blätter der „grossen Passion" in iz Bildern (B.4 15) sind wenig sorgsam ausgeführt, dagegen sind einige Stücke des „Maricnlcbcns" (B.76 95) und eine Reihe der 37 Bilder der „kleinen Passion" (B. 16 5z s. Abb. S. 199 u. Z13), die schon um 1505 geschnitten sein müssen, da Marcanton sie 1 joö kopierte, mit der grössten Feinheit, also wohl unter der Aufsicht des Künstlers gearbeitet. Alle drei Serien wurden erst später vollendet einige Blätter sind 1509 u. 1510 datiert und zusammen 1 5 1 1 in Form von Büchern mit gedrucktem Texte von Dürer in eigenem Verlage herausgegeben.

Die ersten erregenden Eindrücke, die der Jüngling durch das Leben und durch die Anschauung der pathetischen Kunst Mantegnas empfing, hatten ihn in der Apokalypse und auch noch in den früheren Bildern der „grossen Passion" über die gewöhnlichen Formenerscheinungen hinausgreifen lassen. Jetzt mässigt sich die innere Erregung und gibt der ruhigen, liebevollen Beobachtung des äusseren und des inneren Lebens Raum. So sind z. B. in der verworfenen Dar- stellung des Oelbergs (B. 54) die Gestalten viel heftiger bewegt als in dem späteren, in die Folge der kleinen Passion aufgenommenen Holzschnitte (B. z 6). Das Marienleben hat gerade in den idyllischen Szenen aus dem Familienleben, wie in der Wochenstube der h. Anna, für uns den grüssten Reiz. In der kleinen

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Passion weht noch heroischer Geist, alles soll auf einen unmittelbaren, starken Eindruck hinwirken, der geistige Inhalt des Vorganges durch einfache, prägnante Formen versinnlicht werden. Mehr als die beiden Serien grösseren Formates ist

die kleine Passion als Volksbuch gedacht. Deshalb ist auch der Schnitt kerniger, gröber und kontrastreicher als i. B. im Maricnlebcn, das viel zarter und gleich- massiger ausgeführt ist.

Nach und nach, wie die Leidenschaftlichkeit der Bewegungen sich mildert,

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werden auch die Linienzüge ruhiger und weicher. Die Striche werden mit grösserer Oekonomie verwendet und klar und gleichraässig neben einander ge- stellt, selbst die tiefsten, durch Kreuzschraffierung erzeugten Schatten bleiben durchsichtig. Wie in der Kupferstichtechnik arbeitet Dürer auch hier nach einem wohl durchdachten System. Die Linien werden länger, dünner und weiter gestellt, die Gegensätze immer mehr ausgeglichen und ein gleichmässiger, heller und klarer Gesamtton erzielt. In den drei grossen Folgen sehen wir diese Technik sich entwickeln, in ihrer ganzen Vollendung kann sie z. B. schon in der Drei- einigkeit (B. i z z) der Gregorsmesse (B. i z 3) und dem Herodes (B. 1 z6,s. Abb.) von 1 5 1 1 bewundert werden, dann in späteren Werken wie der Madonna von 1518 (B. 101), dem Abendmahl von 15z» (B. 53), dem Christoph von 15z 5 (B. 105), der Madonna von 1516 (B. 98), dem Bildnis des Eobanus Hessus (Pass. z 18, s. Abb.) und in anderen Blättern. Selbst lebcnsgrossen Formen weiss Dürer durch diese einfach klare Strichführung in den Bildnissen Kaiser Maxi- milians (15 19, B. 153) und Ulrich Varnbühlcrs (r 5 z B. 155) die plastische Ruhe zu bewahren.

Dürer starb in Nürnberg am 6. April 1528. In den letzten Jahren seines Lebens hat er sich nur mehr wenig mit Holzschnitt und Kupferstich beschäftigt und auch seine Malkunst über seiner schriftstellerischen Tätigkeit, über dem Forschen nach dem „Grunde der Kunst" vernachlässigt. Es sind nicht nur äussere Umstände gewesen, die Dürer dahin führten, im Bilddruck den Schwer- punkt seines künstlerischen Schaffens zu suchen. Gerade das, was seine Zeit- genossen, auch die italienischen und niederländischen Meister, am höchsten an ihm bewunderten, den unerschöpflichen Reichtum seiner Erfindung, die Be- weglichkeit und Kraft seiner Phantasie, für die darzustellenden Vorgänge immer neue, bedeutungsvolle Gestaltungen aus der Anschauung des Lebens zu ge- winnen, sein Streben, alle Möglichkeiten der Bildvorstellung zu erschöpfen, machte ihm Zeichenstift und Feder zu den liebsten und vertrautesten Ausdrucks- mitteln seiner Kunst. Die graphische Technik erwies sich dem gewaltigen Bildner als ergiebig genug, den gedankenschweren Schöpfungen seiner künstle- rischen Anschauung volle Körperlichkeit und Bildwirkung zu verleihen.

Seit 1 5 1 z ist Dürers Tätigkeit für den Holzschnitt vornehmlich den Unter- nehmungen Kaiser Maximilians gewidmet. Nicht in Stein und Erz ausgeführt wollte der Herrscher die Denkmäler seines Ruhmes an einen Ort bannen, in Bild und Lied sollten sie überall hin verbreitet werden. An der Herstellung der

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Dichtungen und an der Ausarbeitung der Programme nahm er persönlich teil und betrieb und verfolgte die Arbeit an den Bildern mit grösstem Eifer. Dürer lieferte vorerst die Zeichnungen für die gewaltige, aus 91 Stücken zusammen-

Albrccht Dürer. Bildnis des Eobanus Hejsus.

gesetzte „Ehrenpforte", einen Triumphbogen, der mit den Bildern der Vorfahren des Kaisers und ihren Wappen, mit Darstellungen seiner Taten und unendlichen Allegorien verziert, sich freilich nur auf dem Papier in gewaltiger Höhe aufbaute, luftig und wirr wie die Phantasien des letzten Ritters. Der Entwurf

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des Ganzen und einzelne Teile, besonders die prachtigen, reichgestalteten Archi- tektur- und Ornamentstücke rühren von Dürer selber her, andere, wie die Schlach- tenbilder und die zahlreichen Halbfiguren, sind von Gehilfen ausgeführt. Sie werden Dürers Bruder Hans, Springinklee , Wolf Traut und die Seitentürme Albrecht Altdorfer zugeschrieben.

Wir kennen den Namen des trefflichen Formschneiders, der die gewaltige Zahl der Holzstücke zu schneiden hatte und die Arbeit im Jahre i 5 1 5 vollendete. Es ist Hieronymus Andreae, der auch sonst viel für Dürer und für Kaiser Max gearbeitet haben muss. Zu dem Triumphzuge des Kaisers, der, in der Idee, die Ehrenpforte durchschreiten sollte, fertigte Dürer die Zeichnungen einer Reihe von Wagen, die die Teilnehmer des Festzuges tragen. Der nicht zum Zuge ge- hörige sogenannte „grosse Triumphwagen", auf dem der Kaiser umgeben von allegorischen Gestalten thronte (B. 139, 1512), ist ganz Dürers Werk. Die Kompositionen waren inhaltlich von dem gelehrten Sekretär des Kaisers Marx Treytzsaurwein genau vorgeschrieben, so dass den Künstlern nur die formale Ausgestaltung und Durchbildung im einzelnen vorbehalten blieb. Es ist ein frostiges, kompliziertes und kleinliches System von Allegorien, dem nur durch die Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit der Bewegungen durch den Reichtum des ornamentalen Schmuckes künstlerischer Reiz verliehen werden konnte.

Der grüsste Teil des Triumphzuges ist von Hans Burgkmair von Augs- burg (1473 1531) gezeichnet und mit seinem Monogramm HB. versehen worden. Nächst Hans Holbein ist Burgkmair der begabteste und temperament- vollste Künstler der Augsburger Schule. Er ist ein höchst geschickter, phantasie- reicher und ansprechender Zeichner, aber ohne grosse Tiefe der formalen und psychologischen Beobachtung. Alle seine Gestalten sind voll Leben und Geist, seine Typen anmutig, die Gewandbehandlung sehr weich und fliessend. Seine breite, grosszügige Formengebung und seine reiche, geschmackvolle Ornamentik verraten überall eingehendes Studium der italienischen Kunst. Er scheint einer der ersten gewesen zu sein, der der deutschen Kunst die Formen der Renaissance vermittelt hat. Ausser zahlreichen Bildern des Triumphzuges, die Standarten- träger, Ritter, Wagen mit Musikanten und den Tross darstellen, hat Burgkmair auch eine Reihe von Blättern für den „Theuerdanck" und für den „Weisskunig" geliefert. Der „Theuerdanck", eine poetische Schilderung der Brautwerbung Maximilians um Maria von Burgund, wurde von dem Augsburger Drucker Schönsperger mit besonderer Sorgfalt und Pracht 1 5 1 7 in Nürnberg und in

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zweiter Auflage 1519 gedruckt, aber erst nach dem Tode des Kaisers an die OefTentlichkeit gebracht. Noch stärkeren Anteil als am Theuerdanck hat Burgk- mair an den Holzschnitten zum „Wcisskunig", einer poetischen Beschreibung des Lebens und der Taten des Kaisers, die aber nie vollendet worden ist. Die Holzstücke, die noch in Wien aufbewahrt werden, sind in ihrer Gesamtheit erst am Ende desXVlü. Jahrhunderts herausgegeben worden. Der schwierigen Auf- gabe, in der „Genealogie" des Kaisers eine grosse Anzahl von Idealbildnissen darzustellen, hat sich Burgkmair mit viel Geschmack und Geschick durch reiche Abwechselung in Stellung und Tracht zu entledigen gewusst.

Aus den Vermerken auf den erhaltenen Holzstücken und aus Urkunden, erfahren wir die Namen der Formschneider, die die einzelnen Bilder geschnitten haben. Unter ihnen scheint Jobst De Ncgker der vorzüglichste gewesen zu sein. Er hat auch sonst Burgkmairsche Blätter geschnitten und besonders seine prächtigen Farbenholzschnitte, vor allem die ergreifende Darstellung des Todes als Würger (B. 40, 1 520) mit dreiTonplatten, das Bildnis des Johannes Baumgärtner von 1 5 1 2 (B. 34) und die Reiterfigur des Kaisers (B. 3 2, 1 5 1 8.) ausgeführt und zum Teil auch mit seinem Namen bezeichnet. De Ncgker konnte sich deshalb, viel- leicht mit mehr Recht als andere in seinem Schreiben an Maximilian im Jahre 1512 rühmen, der erste zu sein, der die Technik des Farbendruckes angewendet habe. Burgkmair hat für die rührigen Augsburger Verleger Ottmar, Oeglin, Grimm und Wirsung eine grosse Anzahl vorzüglicher Zeichnungen zu Titel- blättern, Initialen und Text Illustrationen geliefert. Daneben hac er zahlreiche Einzelblätter und Folgen, religiöse Darstellungen, wie das Veronicatuch (B. 22), den Sebastian (B. 25), die Bathseba (B. 5, s. Abb.), allegorische Gestalten wie die Tugenden und die Laster (B. 48 61), antike Gegenstände, wie die Planeten- gottheiten (B. 41 47) u. a. m. herausgegeben. Seine Versuche in der Radie- rung sind ohne grössere Bedeutung.

Neben Burgkmair hat besonders der Augsburger Maler Leonhard Beck an den Bildern des Theuerdanck und des Wcisskunig einen grösseren Anteil. Die Folge der österreichischen Heiligen ist ganz das Werk dieses sorgsamen, aber etwas langweiligen Zeichners. Originellere Persönlichkeiten unter den Augsburger Künstlern, die für den Holzschnitt arbeiten, sind Jörg Breu und der in Basel tätige Meister mit dem Zeichen D. S., der in seiner breiten und weichen Formengebung, in der Freiheit der Gestaltung Burgkmair an die Seite zu stellen ist. Eine zahlreiche Gruppe von Holzschnitten in Augsburger Büchern, die lange

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irrtümlich Burgkmair rugcschricbcn worden sind, hat man seit einiger Zeit als Werke eines bestimmten, interessanten Künstlers, den man nach seinem Haupt- werke den Meister des Petrarca zu nennen pflegte, erkannt. Neuerdings hat

Hins Burgkmair. Bithscba.

man ihn mit dem Maler und Illustrator Hans Wciditz, der seit etwa 1512 in Strassburg als Zeichner für den Holzschnitt tätig ist, identifiziert. Er ist kein bedeutender Künstler, Burgkmair steht er an Geschick der Komposition und der Formgebung weit nach, er zeichnet viel kleinlicher, unruhiger und härter aber mit grosser Feinheit und Schärfe in der Dctailbchandlung. Er scheint viel-

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mehr von Dürer beeinflusst zu sein als von Burgkmair (s. Abb.). Die Holzschnitte für Augsburger Drucke, wie die für Petrarcas „Trostspiegel", für Schriften Ciceros,

die Meditationes de passione u. a. m., sind, wenn auch erst später erschienen, alle schon' vor 1521 ausgeführt. Zum Theuerdanck hat er nur ein Blatt beigesteuert. Von seinen Strassburger Arbeiten sind das „Herbarium" des Otto Brun- fcls, in dem sein Name ge- nannt wird, und einige sehr feine Titelumrahmungen für die Verleger Schott, Beck und Köpfel besonders hervorzu- heben.

Von den Künstlern, die aus Dürers Werkstatt hervor- gegangen sind, hat sich haupt- sächlich der in Nördlingcn ansässige Hans Leonhard Schäuffclein (um 1485 bis 1 540) an den Arbeiten für Kaiser Maximilians Publika- tionen beteiligt. Die Holz- schnitte des Theuerdanck sind zum grüssten Teil von ihm gezeichnet und mit seinem Monogramm, H. S. mit einer

Hirn Weidiiz. Kaiser Maximilian die Messe hörend. Ausschnitt. Schaufel, Versehen. Die Kup-

rerstiche, die ihm neuerdings mit Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden, zeigen keine Eigenart, in seinen sehr zahlreichen Holzschnitten hat Schäuffelein dagegen eine leicht kenntliche Manier ausgebildet. Seine Interpretation des Vorwurfes ist nichts weniger als geistreich, aber geschickt und lebendig. Seine Typen, dicke Gesichter mit

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zugekniffenen Augen, sind meist etwas trivial, die Bewegungen der gedrungenen Figuren schlaff und schleppend und die Gewandbehandlung knitterig und wulstig. Die Dtirersche Charakteristik und Formengebung wirkt, wenn auch stark verflacht und verweichlicht, in seinem Stil fort. Von seinen Einzel- blättem mögen die Verkündigung (B. 6), die Veronica (B. 40), Pyramus und Thisbe (B. 9 5), die Folge der Hochzeitstänzer (B. 103), von seinen Buchillustra- tionen Schwarzenbergs Memorial der Tugend (1534), ^ Gebetbuch „Via felicitatis" (Augsburg 1513), das Evangelienbuch (Basel 1514)* das Passional von 1 5 1 7 und andere Bibelbilder erwähnt werden.

Unmittelbarer Schüler Dürers ist auch Hans Springinklee gewesen. Er hat am Weisskunig und an der Ehrenpforte mitgearbeitet und selbständig Holzschnitte für die Nürnberger Drucker Koburger und Peypus in zarter und sorgsamer aber etwas kleinlicher Manier ausgeführt, z. B. die Bilder des Hortulus animae (Nürnberg u. Lyon 1516) und in der für Koburger in Lyon 1 520 ge- druckten Bibel. Springinklee steht Erhard Schön sehr nahe. Als eine be- sonders vortrefFliche Leistung des Holzschnittes verdient der Johannes auf Patmos des Monogrammisten H. K., in dem man Dürers Schüler Hans von Kulmbach vermutet hat, besondere Beachtung.

Unter den Künstlern der weiteren Einflusssphärc Dürers, die sich haupt- sächlich mit dem Holzschnitte beschäftigen, ist der in Strassburg tätige Maler Hans Baidung Grien (geb. um 1476, gest. 1 545), der bedeutendste und ori- ginalste. Er muss mit Dürer, dem er künstlerisch viel verdankt, auch persön- lich in enger Beziehung gestanden haben, da Dürer auf seiner Reise in den Niederlanden 1521 Baidungs Holzschnitte zum Verkaufe mit sich führte. In Kupfer hat er, wenn überhaupt, nur gelegentlich gestochen, dagegen mehr als 150 Holzschnitte als Einzelbauer und als Buchillustrationen ausgeführt. Be- deutender als die Illustrationen zum „Granatapfel" ( 1 5 t o) und anderen in Strassburg gedruckten Werken Geilers von Kaisersberg, in dem von Flach 1 5 1 1 gedruckten „Hortulus animae" sind seine Einzelblätter, in denen seine Vorzüge erst zur rechten Geltung kommen. Er verlässt die ruhige, sich in den Gegen- stand vertiefende Schilderung Dürers und folgt dem Zuge seines eigenen tem- peramentvollen und phantastischen Wesens, das ihn oft zu übertriebener Heftig- keit der Bewegungen und des Ausdruckes, zu starken Konstrasten der Beleuchtung führt, aber seinen Werken Stimmung und Charakter gibt. Er zeichnet ungleich und häufig sehr manieriert, seine Formengebung entspricht aber ganz der kühnen

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zu

Energie seiner Naturschildcrung und der fast gewaltsamen Lebendigkeit seiner Einbildungskraft. Besonders charakteristisch sind z. B. die Klage um Christus (B. 5) und die Darstellung, in der Christus als Leiche mit den Füssen nach oben

von Engeln in den Himmel, man möchte sagen, geschleppt wird (B. 43), ebenso die Bekehrung Pauli (B. 3 3), die drei Par- zen (B. 44), der h. Sebastian (B. 3 6, s. Abb.) u. a. m. Sehr glücklich weiss Bai- dung die "Wirkung seinerKompositionen durch die Helldun- keltechnik zu stei- gern. So ist das Blatt mit den Hexen, die sich zur Walpur- gisnacht vorbereiten (B. 55), durch den Aufdruck einer Ton- platte mit ausgespar- ten Lichtern zu einer seiner eindrucksvoll- sten Schöpfungen ge- worden.

Diese Tondruck- technik, mit der man die damals in Deutsch- land üblichen Federzeichnungen auf farbig grundiertem Papier mit aufgesetzten Lichtern nachzuahmen suchte, spielt auch in dem Werke des Johannes Wächtlin, eines ebenfalls in Strassburg tätigen Künstlers eine grosse Rolle. Wächtlin, der seine Blätter mit den Buchstaben „Io. V." zwischen zwei gekreuzten

Hans BalJung Gncrv Ucr h. Sebastian.

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Pilgerstäben bezeichnet, wurde erst 1516 Strassburger Bürger, ist aber schon seit 1 506 für Verleger dieser Stadt tätig. Für die von Knoblauch 1 506 herausge- gebene Passion zeichnet er die Auferstehung, 1508 für desselben Verlegers „Leben Christi" dre issig Bilder, dann die Illustrationen für das t 5 17 von Schott gedruckte „Feldbuch der Wundarznei" von Hans von Gersdorff u. a. m. Er ist offenbar von Dürer und Baidung abhängig, ein geschickter aber etwas oberflächlicher Zeichner. In seinen sehr geschmackvollen Helldunkclblättcrn sind die weissen Lichter der meist graugrünlichen Tonplatten sehr geschickt für die Modellierung und auch für die Zeichnung mit benutzt, die Härten der schwarzen Teile aber nicht voll- ständig ausgeglichen. Das antike Element und die Renaissanceformen über- wiegen in seinen Darstellungen wie in seinen Ornamenten, z. B. im Orpheus (B. 8), Alcon von Kreta (B. 0). Von anderen Strassburger Holzschneidern sind noch der schon erwähnte Hans Weiditz und Heinrich Vogt he rr, der die Bilder zu dem von Grüninger 1537 gedruckten Neuen Testament lieferte, zu nennen.

Im engstem Zusammenhange mit dem Elsass stehen einige Schweizer Künstler, die sich in ihren frischen und kecken Schilderungen des Kricgslcbcns mit seiner Poesie und Roheit, das sie als echte Schweizer Reisläufer aus der An- schauung kannten, ein eigenes Repertoir und eine eigene Art des Vortrages gebildet hatten. Der Solothurner Goldschmied, Stempelgraveur und Stecher Urse Graf (geb. um 1487, gest. 1529 oder 30 in Basel) hat sich zuerst an Schongauers und Dürers Werken ausgebildet. Es sind mehrere Kopien nach Werken dieser beiden Meister von seiner Hand erhalten. Er hat auch einige Blätter radiert, z. B. eine Dirne, die sich die Füsse wäscht (1 5 1 His 8), haupt- sächlich aber hat er für den Holzschnitt gearbeitet. Während seiner Tätigkeit in Strassburg, wo er 1 507 für Knoblauch eine Passionsfolge ausführte und auch später für andere Verleger arbeitete, muss Hans Baidung einen stärkeren Ein- fluss auf ihn gewonnen haben. Die Passionsblätter sind noch recht unbeholfen und zeigen ihn in seinen Anfängen. Er bezeichnet sie mit den Buchstaben V. G. und einem büchsenartigen Gegenstande, später verwendet er ein Monogramm aus den ineinander geschlungenen Buchstaben und fügt einen Dolch bei, wohl um sich als Kriegsmann zu bezeichnen. Seit 1 509 hält er sich in Basel auf, wo er 1 5 1 1 Bürger wird. Ausser zahlreichen, sehr dekorativen, aber etwas leer und weichlich gezeichneten Titelumrahmungen kennen wir von ihm 9 5 ganz kleine Bibelholzschnitte für Guillermis Postille (Basel, 1500) und besonders eine

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Reihe von Landsknechtsfiguren, die in verwegener Haltung die Banner der Schweizer Städte schwingen (His 2 84 99). Wie diese Figuren, ist auch eine Satyrfamilie (His 283) in Tierschnitt oder Weissschnitt, das heisst so, dass die Linien der Zeichnung sich weiss von dem schwarzen Grunde abheben, aus- geführt. Einer seiner besten Holzschnitte ist die sehr flott und frisch gezeichnete Gruppe von zwei Landsknechten mit einer Dirne, denen der Tod oben auf einem Baume auflauert (1524, His 280). Er weiss den frechen Uebermut und die furchtlose Kraft dieser riesenhaften Krieger und die Keckheit der Weiber trefflich zu schildern und ihnen in der Landschah reizvolle Hintergründe zu geben.

Etwas ernster und gemässigter, aber auch weniger temperamentvoll und begabt istNicolaus Manuel Deutsch von Bern (um 1484 1530), der sich, obwohl wir von einem Aufenthalte in Strassburg nichts wissen, noch enger als Urse Graf an Baidung angeschlossen zu haben scheint. Das zeigen besonders die zehn klugen und tünchten Jungfrauen (1518), in denen ihm das biblische Gleichnis den willkommenen Vorwand bietet, die üppigen, leichtgeschürzten Landsknechtsdirnen nach dem Leben darzustellen. Auch er setzt neben sein Monogramm den Dolch, als Zeichen seines kriegerischen Sinnes, den er in vielen Zügen betätigt hat. Sein Sohn Hans Rudolf Manuel folgt ihm in seiner Tätigkeit für die Buchillustration und hat eine grosse Anzahl meist nicht sehr hervorragend gezeichneter und geschnittener Bilder für Schweizer Drucke, z. B. für Sebastian Münsters Kosmographic (Basel 1550) geliefert. Ein zaghafter Nachfolger Hans Baidungs ist der Züricher Hans Leu, von dem eine An- zahl mit H. L. bezeichneter, schwächlicher Holzschnitte bekannt ist.

Ihren künstlerischen Ruhm verdankt die Schweiz Hans Holbein dem Jüngeren, dem grössten Meister der schwäbischen Schule, neben Dürer dem glänzendsten Vertreter des deutschen Bilddrucks. Hans Holbein wurde 1497 in Augsburg geboren und von seinem trefflichen Vater, der unter den deutschen Malern des XV. Jahrhunderts in der ersten Reihe steht, erzogen. Im Jahre 1 5 1 6 kam er, wohl auf seiner Wanderschaft, nach Basel und fand sogleich als Zeichner für den Holzschnitt Beschäftigung. Der Buchdruck hatte hier durch die Tätig- keit eifriger und gebildeter Verleger, wie Johannes Froben, Adam Pctri, Thomas WolfF, Valentin Curio und Johannes Bebel einen neuen Aufschwung genommen, und zwar richteten sich die Bestrebungen dieser Männer vornehmlich auf die Herausgabc wissenschaftlicher Werke, der alten Klassiker und der Kirchenväter,

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denen man durch die Verwendung kleiner, schön geformter, italienisierender Typen und durch Schmuckstücke, Titelumrahmungen, Leisten und Initialen ein gefälliges Aussehen zu geben suchte. Der feinsinnige und kunstverständige Erasmus von Rotterdam war der Mittelpunkt des gelehrten Kreises und der eif- rigste Förderer ihrer Pläne. Der grosse Künstler, der als bescheidener Wander- bursch in Basel einzog, kam wie gerufen, mit seiner Kunst ihrem Werke die Vollendung zu geben.

Zwei Titelumrahmungen Holbeins, die eine mit Mutius Scaevola (Wolt- man iz}, bezeichnet: H. H.) und eine andere mit einem Tritoncnzuge, bezeich- net „Hans Holb." (W. 195), sind uns aus dem Jahre 1 5 1 6 erhalten, beide figür- lich und ornamental schon ganz vom Geiste der italienischen Renaissance erfüllt. Während Hans Holbcin in den Jahren 1 5 1 7 und 1 5 1 8 von Basel abwesend war, arbeitete sein älterer Bruder Ambrosius, der wahrscheinlich mit ihm nach Basel gekommen war, fleissig an einer Reihe sehr hübscher Zierstücke und Illustrationen, unter denen die Umrahmungen mit den Darstellungen der „Hoflebens" und der „Verläumdung" nach Lucian und die Holzschnitte zur „Utopia" des Thomas Morus hervorragen. Die Kompositionen des Ambrosius sind voll Geist und Frische und von feinster und reichster Detailbehandlung. Der Formschneider ist ihnen offenbar nicht gerecht geworden.

Auch Hans Holbein, der 1 5 1 9 wieder nach Basel zurückkehrte und bis 1 5 z 6 hier seine reichste Tätigkeit für die Buchausstattung entfaltete, hatte in der ersten Zeit unter der mangelnden Geschicklichkeit und unter der Nachlässigkeit der Holz- schneider zu leiden. Nur schwer gelingt es ihm, bessere Arbeit zu erzielen. Erst in Hans Lützclburger, der von 1513 bis an seinen Tod 1516 m Basel, wohl aus- schliesslich mit dem Schnitt Holbeinscher Zeichnungen beschäftigt war, fand er einen seiner würdigen Helfer. Lützclburger seinerseits wird erst durch Holbein zur Anspannung seiner ganzen Kraft angeregt. Einige seiner früheren Arbeiten von 15ZZ nach anderen Vorlagen sind, obwohl auch von grosser Sorgfalt und Exaktheit der Ausführung, noch weit entfernt von der Vollendung und Sub- tilität des Schnittes, durch die er den Zeichnungen Holbeins ihren vollen Reiz zu bewahren weiss. Es ist bemerkenswert, dass Lützelburger, trotzdem er den Linien die denkbar grösste Schärfe und Zartheit zu geben bestrebt war, doch nicht, wie andere Baseler Formschncidcr, in Metall sondern in Holz geschnitten hat. Die Weichheit der Töne und die Klarheit des Druckes, die er erstrebte, Hess sich doch wohl nur im elastischen Holze erzielen.

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Recht grob und dick ist noch die Madonna mit den Schutzheiligen von Freiburg (W. 217) für das Buch der Stadtrechte von Freiburg, um 1520 geschnitten, etwas feiner die Cebcstafel (W. 227) von 1521 und ein Teil der Darstellungen aus der Apokalypse, die sich, wie einige andere Bilder rum neuen Testament, den Holzschnitten der 'Wittenberger, Luthcrschen Uebersetzung an- schlössen. Die besten Bilder der Apokalypse scheinen dagegen schon von

Lützelburger ausgeführt zu sein, ebenso wie die Titelblätter dieser beiden, von Adam Petri und Thomas "Wolff 1522 und 1523 herausge- gebenen Nachdrucke nach Luthers neuem Testament (W. 2 1 5 und 2 1 6). Diese ganz architektonisch kompo- nierten, mit statuenhaften Gestalten und reliefartigen Darstellungen reich verzierten Titelumrahmungcn Hol- beins haben ohne Frage zum Siege der italienischen Renaissance in Deutsch- land viel beigetragen. Als Orna- mentist kann Holbein der klassische und vorbildliche Meister der deut- schen Renaissance genannt werden (s. Abb. des h. Paulus W. 19 z).

Holbeins Grösse beruht aber natürlich nicht auf dieser Beherr- Hans Hoibein d ). Dtr heilige p*uia». schung der antikisierenden Formen-

sprache der italienischen Kunst, sondern in seiner vollendeten Darstellung tief mitempfundener Acusscrungen des menschlichen Lebens. Nur Dürer hat so den ganzen Gehalt mcnschlicherErfahrung und Empfindung aus den altbekannten, volkstümlichen Motiven auszuschöpfen gewusst, wie Holbein es in seinen Bildern zum alten Testament und in seinen Totentanzszenen getan hat. Man sollte die beiden grössten deutschen Künstler nicht in Gegensatz zu einander stellen. Sie verfolgen verschiedene Richtungen des künstlerischen Strebens, die sich auf gleicher Höhe nebeneinander bewegen. In Dürer herrscht der wissenschaftliche Sinn vor, der grüblerische Geist, der von

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der Beobachtung des Einzelnen zur Erkenntnis des allgemein Gültigen strebt, Hol- bein ist eine mehr impulsive Natur, die die Eindrucke stärker und unmittelbarer empfindet und unmittelbarer durch die Anschauung wiederzugeben sucht. Er ist sinnlicher und besitzt viel mehr Gefühl für die anmutige Form, die weich Hiessende Linie, er betont den materiellen Vorgang stärker als Dürer, der sich mehr durch geistige Beziehungen auszudrücken sucht. Es ist bedeutungsvoll, dass Dürer fast ausschliesslich Gegenstände des wesentlich parabolischen neuen Testamentes wählt, während Holbein sein Bestes in der Darstellung des im Grunde histo- rischen alten Testamentes geleistet hat.

In den Kompo- sitionen der Bibelbil- der (s. Abb.) schliesst sich Holbein den äl- teren Typen, beson- ders denen der vene- zianischen Malermi- bibcl an, im einzelnen gestaltet er mit voller Freiheit. Die gedrun- genen, kräftigen Ge- stalten besitzen eine ungewöhnliche Ener- gie und Elastizität der Bewegungen und eine hinreissende Natürlichkeit der Gefühlsäusserung. Alles ist bewunderungs- würdig klar und deutlich, überall ist der Vorgang auf das unmittelbar Verständ- liche, auf rein menschliche Züge zurückgeführt. In dem Traume Pharaos ist schon durch die unruhige Lage, den schmerzvollen Ausdruck des Schlafenden, durch die krampfhafte Bewegung seiner Finger deutlich gemacht, dass das Traumbild den ernsten Greis schon im Schlafe mit schwerer Sorge erfüllt. Erstaunlich ist der Kunst Holbcins und der Technik Lützclburgers z. B. die Darstellung der weit in die Ferne sich hinziehenden Scharen der Israeliten nach ihrem Durch- gange durch das rote Meer gelungen. Hier ist die Masse nicht mehr bloss sym- bolisch durch einzelne Vertreter angedeutet sondern wirklich sinnfällig gemacht. Die reizvollen landschaftlichen Hintergründe, immer im Charakter der Schweizer

Hans Holbein d. J. Aus den Bibelbildern.

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Gegenden, sind mit höchstem Geschick räumlich und in der poetischen Stimmung zu dem erzählten Vorgange in Beziehung gesetzt.

Den Totentanz (s. Abb.) darf man getrost als den künstlerischen und tech- nischen Höhepunkt des deutschen Holzschnittes bezeichnen. Hier konnte der Künstler frei aus tiefstem Herzensgrunde sprechen, die Klage um der Menschheit Jammer und die Anklage gegen den Uebermut der Herren und der Pfaffen ohne Scheu laut erheben und seinem Spott die Zügel schicssen lassen. Die sozialistische und antiklerikale Tendenz tritt überall ganz deutlich hervor. Am Thron des Papstes lauert ausser dem Tode auch der Teufel ; die Mächtigen und Genicssendcn

rcisst der Tod in grausamem Hohn aus ihrem Wohlleben, von ihren bösen Taten gewaltsam fort; milder verfährt er mit den Armen und Elenden. Ucberall greift er unmittelbar in die Tätigkeit der Menschen ein, den ungerechten Richter erfasst er auf seinem Richterstuhl, dem Priester trägt er die Laterne und die Glocke voran, dem Arzt führt er den Kranken zu, mit dem Ritter kämpft er, nur den armen Greis führt er sanft zur Grube. Ucberreich ist die Fülle satirischer und tragischer Züge, die Holbein hier mit der Kunst seiner Charakteristik und mit der Meisterschaft seiner Formenbil- dung dargestellt hat. In der Ausführung hat Lützelburger, der auf dem Bilde mit der Herzogin sein Monogramm HL angebracht hat, das schier Unmögliche in der Feinheit der Linicnbildung und in der farbigen Abstufung der Töne geleistet. Die Frische der künstlerischen Federzeichnung ist bewahrt und nur die Linienzüge der Schraffierungen diskret zu ebenmässiger Bildwirkung geglättet.

Erst im Jahre 1538 sind diese beiden Folgen von den Lyoner Verlegern, den Brüdern Trechscl, die sie bei Holbein und Lützelburger bestellt hatten, veröffentlicht worden, die Bibclbilder zu gleicher Zeit in einer lateinischen Bibel und als besondere Publikation mit kurzen Bibelstellen unter dem Titel „histo- riarum veteris instrumenti icones", der Totentanz als „les simulachrcs et histo- riecs faecs de la mort" mit lateinischen Bibelstellen, Versen und längerem

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Hini Holbein d. J. Aus dem Totentanz.

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Texte in französischer Sprache. Lützelburgcr war 1526 gestorben, die Trcchscl konnten erst nach längerer Zeit die Auslieferung der Stöcke aus seinem Nach- lasse erlangen. Bis auf wenige Bilder -des alten Testamentes waren aber alle Holzstöcke schon von ihm selber vollendet worden. Holbein, der zur Zeit der Veröffentlichung bereits nach England übergesiedelt war, tritt ganz in den Hin- tergrund und wird nur in dem Dcdikationsgedicht der „icones" genannt. Eine andere Reihe von Totentanzdarstellungen hat Holbein zur Verzierung von In- itialen verarbeitet, die von LUtzelburger geschnitten wurden (s. Abb. S. top). Für Baseler Verleger hat er noch zahlreiche andere Initialen, Zierleisten, besonders die mit dem Bauerntanz und den einen Fuchs verfolgenden Bauern, und einige Druckermarken gezeichnet. Im „Erasmus im Gehaus", der in ganzer Figur auf eine Terminusstatue sich stützend unter einem reich ornamentierten Bogen dar- gestellt ist(W. 206), hat er gezeigt, mit welcher Feinheit der Holzschnitt selbst in kleinen Abmessungen eine Persönlichkeit zu charakterisieren und treu wieder- zugeben imstande sei. Während seines Aufenthaltes in England, wo er 154? starb, hat Holbcin nur mehr wenige Buchillustrationcn gezeichnet, die Titcl- umrahmung zu Covcrdales englischer Bibel 1555, drei Bilder zu Cranmers Katechismus und den grossen Holzschnitt in Halls Chronik von 1 548, die mehr für die Geschichte des Holzschnittes in England als für Holbeins eigene Tätig- keit von Bedeutung sind.

In Norddeutschland hatte der jugendkräftige Stil der Lübecker Bibel nicht Wurzel gefasst ; es ist im XVI. Jahrhundert wieder ein Fremder, der wie in der Malerei so auch in den graphischen Künsten die führende Stellung gewinnt. Lucas Cranach (1472 1553)» der die im Süden Deutschlands gereiften Kunstformen dem Norden vermittelt hat, ist in Kronach in Franken geboren und ohne Zweifel hier auch künstlerisch ausgebildet worden. Ucber seinen Bildungsgang ist nichts überliefert, aber seine frühesten uns bekannten Werke, die er in der ersten Zeit nach seinem Eintritt in den Dienst des kursächsischen Hofes in Wittenberg ( 1 504) gemalt oder in Holzschnitt ausgeführt hat, weisen noch sehr starke Elemente Dürerschcr und Altdorferschcr Kunstweise auf. Be- vor sein Stil durch den geschäftsmässigen Betrieb in seiner viel und vielseitig in Anspruch genommenen Werkstätte, durch mannigfache Ablenkung und be- sonders durch seine konfessionelle Parteinahme für die Reformation verflachte und farblos wurde, zeigt Cranachs Formensprache eine Fülle unmittelbarer Natur- beobachtungen, eine Uberschäumende Lebenskraft und Energie, die ihn an die

Seite Hans Baidungs und oft fast neben den „deutschen Corregio" Matthias Grunewald erhebt.

Sein frühester uns bekannter Holzschnitt, die Kreuzigung von 1502 (Pass. IV, p. 40, Nr. 1), dann die „Verehrung des Herzens Jesu" von 1505 (B. 76), die Versuchung des h. Antonius (B. 56) und der kernig Baldungsche h. Georg (B. 67), das reich bewegte Turnier (B. 1 24) von 1 506 sind unzweifel- haft seine charaktervollsten und künstlerisch inhaltreichsten Werke, trotz allen Ue bertreib ungen in den Bewegungen und aller Krausheit der Körperformen und Falten. Die Kraft seiner Eigenart erhält sich noch eine Zeit lang, in den Holz- schnitten mehr als in seinen Bildern, frisch, so im Parisurteil von 1 508 (B. 1 14) in der h. Familie (B. 4), Christus und die Samariterin (B. 22, s. Abb.) in der Apostclfolgc (B. 2} 36), in den Martyrien der Apostel (B. 37 48) und in der Passionsfolge (B. 6 20). Von der durch die ersten künstlerischen An- schauungen erzeugten Erregtheit findet aber sein Geist nicht, wie der Dürers, den Weg zur ruhigen Vertiefung, er wird durch fremdartige Interessen zerstreut und arbeitet gedankenlos mit den alten Formeln weiter. Die spätere Tätigkeit Cranachs seit ungefähr 1520 bietet ein trauriges Bild künstlerischer Verwahr- losung. Er scheint sich jetzt mit flüchtigen Vorzeichnungen für die Holzschnitte zu begnügen. Auch die meist grossen Bildnisse der Reformatoren und ihrer fürstlichen Gönner sind grob und roh, ohne Lebendigkeit und ohne Empfindung für das Verhältnis der Linie zum Formate des Bildes gezeichnet und ge- schnitten.

Technisch haben einige Holzschnitte Cranachs noch ein besonderes Inter- esse, weil sie, so viel wir wissen, die ersten Versuche des Tondruckes sind. Von dem h. Christoph (B. 58), der Venus (B. 113) von 1506 und der Ruhe auf der Flucht (B. 3) von 1 509 kommen mit einer Farbtonplattc unter- druckte, gleichzeitige Abzüge vor. Vom h. Georg zu Pferde (B. 65) gibt es Exemplare, in denen die Lichter nicht in der Tonplatte ausgespart, sondern mit Gold aufgedruckt sind. Als wirkliche Farbcnholischnitte können diese Ton- plattendrucke eigentlich nicht gelten, weil die Bildwirkung im wesentlichen durch die schwarze Linienzeichnung, für die der Ton nur den Hintergrund ab- gibt, bestimmt wird, nicht, wie in Burgkmairs viel vollendeteren Blättern, durch die verschiedenen Töne der Farbenplatten. Die wenigen Kupferstiche Cranachs, ausser dem interessanten frühen Blatte mit der Busse des h. Johannes Chrysostomos nur Bildnisse von Luther, Friedrich dem Weissen und seinem Bruder und

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Kardinal Albrccht von Mainz, sind technisch recht ungeschickt und auch venig fein in der Formengebung.

Umfangreich wie in der Malerei war in Cranachs Werkstatt auch der Betrieb im Holzschnitt. Sehr viele der unter seinem Namen gehenden Blatter sind wahrscheinlich nur von seinen Gehilfen ausgeführt , so z. B. die meisten der schon erwähnten grossen Bildnisse, die Holzschnitte des „Passionais Christi und Antichristi"(P. 1 6 1 .), einer Gegenüberstellung der Handlungen Christi und des Papstes, die Bilder zur ersten Ausgabe der Lutherschen Ucbcrsetzung des neuen Testamentes vom September 1522 und viele andere Buchillustrationen und Titelumrahmungcn. Von Cranachs Schülern und Gehilfen sind seine Söhne Hans , der 153 6 starb, und Lucas (1525—1586) an erster Stelle zu nennen, neben ihnen der Monogrammist G. L. (Gottfried Leigcl?), der für die erste Gesamtausgabe der Lutherschen Bibel von 1524 arbeitete und Peter Rodel- stedt aus Gottland u. a. m. Etwas stärker macht Hans Brosamer (um 1 506 bis nach 1 554) als Kupferstecher und Formschncider in Fulda und Erfurt tätig, seine Individualität geltend. Eher noch in seinen Holzschnitten als in seinen recht schwachen Kupferstichen gelingt es ihm, die Mängel seiner Zeichnung und seines Geschmackes zu verdecken.

Erhard Altdorfer, Albrechts Bruder, der in Schwerin als Holzschneider tätig war, scheint mit Cranach persönlich und künstlerisch in Beziehung gestanden zu haben. In Köln versorgt der emsige Anton Wocnsara von "Worms (tätig um 1520 60) mit seinen Gehilfen die Druckereien mit einer Menge sauber und sorgfältig gearbeiteter, kalligraphisch gerundeter Illustrationen und Buch- ornamente.

Auf unserem Rundgange durch Deutschland, auf dem wir die Künstler der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, die als Graphikersich hauptsächlich dem Holzschnitt zugewendet haben, betrachteten, nähern wir uns mit Albrecht Altdorfer wieder der Heimat Dürers und dem Kreise der Meister, die auch den Kupferstich mit Eifer gepflegt haben. Altdorfer ist um 1480 geboren und von 1505 bis an seinen Tod 1538 als hochangesehener Baumeister und Maler in Regensburg tätig gewesen. Seine Beziehungen zum Nürnberger Altmeister sind noch nicht klargestellt. Sicher ist er nicht unbeeinflusst von ihm geblieben, wie er auch sein Monogramm aus zwei ineinander geschobenen A dem Dürers nachgebildet zu haben scheint. Er ist aber eine von Dürer durchaus verschie- dene, ja ihm entgegengesetzte Natur. Seine äusserliche, spielerische Auffassung

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ist von der psychologischen Vertiefung Dürers recht weit entfernt. Sein künst- lerisches Streben richtet sich nicht auf die plastische Durchbildung der einzelnen

Albrccht Altdori'cr. Licbc>i>ijr im WalJc.

Gestalten und Formen, er bleibt sogar in der Zeichnung etwas oberflächlich und unsicher und in der Gcwandbehandlung schematisch; seine Starke liegt vielmehr in der künstlerischen Erfassung und in der naturwahren und geschmack-

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vollen Darstellung des Gesamtbildes, in dem Geschick, die Vorgänge in eine reiche und reizvolle architektonische oder landschaftliche Umgebung einzufügen. Als Ganzes sind seine Darstellungen immer höchst ansprechend, von einer liebenswürdigen, anheimelnden Stimmung, gemütvoll ohne jeden heroischen oder dramatischen Zug.

Altdorfers früheste datierte Arbeiten für den Bilddruck sind die Kupferstiche aus den Jahren 1506 151 1, wie die Versuchung der Einsiedler (B. 15), die Supcrbia (P. 99) von 1506, die Madonna (B. 15) von 1507, die Krieger- gestalten (B. 51,53, Schmidt 5 5, 6 5 a) von 1 509 und 10. Sie zeigen noch die Unsicherheit des Anfängers, sind sehr mangelhaft in der Zeichnung und ohne System in der Technik. Seine späteren Kupferstiche hat Altdorfcr nicht mehr datiert. Die Arbeit für den Holzschnitt scheint er erst 1 5 1 1 begonnen und sie mit dem Beginne der zwanziger Jahre wieder ganz aufgegeben zu haben. Die Daten auf Holzschnitten gehen nur von 1 5 1 1 bis 1 7. Im Gegensatze zu den meisten der bisher genannten Künstler tritt bei ihm der Holzschnitt gegenüber dem Kupferstich sehr in den Hintergrund, ja seine Kupferstichtechnik hat seinen Holzschnittstil stark und nicht gerade vorteilhaft becinrlusst. In den Holz- schnitten des Jahres 1511, dem h. Georg (B. 53), dem Liebespaare (B. 63, s. Abb.), dem Kindermord (B. 46) treten die einzelnen Linien und die Gegen- sätze der Schatten zu den Lichtern zu stark hervor, später wird die Arbeit feiner, der Radierung ähnlicher. Besonders in der aus 40 kleinen Bildern bestehenden Folge des „Sündcnfalls und der Erlösung" (B. 1 40) sind den starken Beleuchtungskontrastcn zu Liebe die Schattenpartien sehr breit und dunkel behandelt und deshalb unklar und fleckig; die Kompositionen sind aber immer originell und die Stimmung poetisch. In den grösseren Holzschnitten sind die Schraffierungen freier und breiter und die Töne mehr ausgeglichen, so schon in der Enthauptung Johannis von 1 5 1 2 (B. 5 z), in dem Betenden (B. 49), der h. Familie (B. 47). Nach 15 19 sind die beiden Farbenholzschnitte, die das Bild der „schönen Madonna« von Regensburg darstellen (B. 50 und 51), ent- standen. Ganz abweichend von Burgkmairs Tondrucktechnik und der Cranach- schen und Baldungschen Grundierungsmanier, sucht Altdorfer hier ein wirk- lich buntes Bild mit verschiedenen starken Lokal färben zu erzeugen. Die Ma- donna^. 5 1) ist mit nicht weniger als sechs verschiedenfarbigen Platten gedruckt.

Die Kupferstichtechnik bildet Altdorfer in dieser Zeit zu grosser Feinheit und Zartheit der Linien und Töne aus, die h. Familie (B. 5, s. Abb.), der h. Christoph

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(B. 19), die Kreuzigung (B. 1 8), Christus Maria erscheinend von 1 5 19 (B. 16) und andere mehr zeigen alle Reize seiner anmutigen Kunst. Seine künstlerischen Absichten führten ihn naturgemäss auf die Radierung, deren Wirkungen ganz seinem malerischen Sinn entsprachen und besonders für die Landschaft, in der seine Stärke bestand, sich gut ausnützen Hessen. Die Radierung ist ihm nicht bloss, wie für Dürer, Experiment, sondern Mittel zu einem künstlerischen Zwecke. Die Ansichten der 1 5 1 g zerstörten Synagoge von Regensburg (B. 63 und 64) sind wohl seine ersten Versuche in dieser Technik. Er hat dann, wohl nach eine Reihe von

Vorbildern für Vasen und Kannen (B. 75 9 6) und vor allem neun Landschaften (B. 66 70, 7z 74, Schmidt 1 1 1) sehr leicht und zart radiert. Altdorfer hat einige Blätter Marcantons und anderer italienischer Stecher kopiert und überhaupt die Formen der ita- lienischen Architektur und Ornamentik in seinen späteren Bildern und Stichen mit Eifer und Geschmack, wenn auch nicht immer mit vollem Verständnis nachgeahmt.

Altdorfers tüchtigster Schüler war Michael Ostendorfer (seit 1519 in Re- gensburg, gest. 1559), der eine Anzahl guter Holzschnitte geliefert hat, z. B. die Kapelle der schönen Madonna in Regensburg von 1 5 1 z , verschiedene Ansichten von Städten und Kriegsschauplätzen, Bildnisse u. a. m. Wolfgang Huber ist besonders in der Landschaft dem Rcgcnsburger Meister verwandt. Seine Holzschnitte, wie Pyramus und Thisbe (B. 9), das Parisurteil (B. 8) gehören trotz der fehler- haften Zeichnung der Figuren zu den hervorragenden Leistungen des deutschen Holzschnittes. Von der älteren Generation verdient als Kupferstecher nur noch Ludwig Krug (gest. 155z) eine beiläufige Erwähnung. Er hat sich zuerst an Schongauer gebildet (s. die Kreuzigung B. 3 ) , wird dann von Dürer abhängig und zeigt in späteren Arbeiten, z. B. der Geburt Christi (B. 1) und

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der Anbetung der Könige von 151Ö (B. 2) eine starke Anlehnung an Lucas von Lcyden.

Altdorfcrwird häufig zu den sogenannten Klei nm eiste rn gerechnet, einer Gruppe von Stechern, die ihre zierlichen Darstellungen in ganz kleinen Formaten und mit grösstcr technischer Delikatesse auszuführen pflegten und veniger auf die bildmässige Wirkung als auf den dekorativen Charakter der Kompositionen und auf ihre Verwendbarkeit als Vorbilder für die Kleinkunst ihr Augenmerk richteten. Dieser Absicht entsprechend haben die Klcinmeister vornehmlich den Kupferstich gepflegt. Die neuen Pfade des deutschen Bilddruckes gehen un- mittelbar von Dürer aus, sie führen allerdings nicht weiter in die Höhe, wohl aber in die Breite und in die Weite. Die Künstler seiner Schule folgen ihm nicht in seinen tiefsinnigen und gefühlvollen Betrachtungen oder in seinen wissenschaftlichen Studien, sie entwickeln nur die äussere Seite seiner Kunst, die sorgsame Beobachtung und liebevolle Schilderung des gewöhnlichen Lebens mit dem eindringlichsten Eifer. Ein grosser Zug geht nicht durch das Schaffen der Kleinmeister, ihr Gesichtskreis bleibt eng trotz ihrer Bekanntschaft mit der grossen italienischen Kunst, aber sie dringen mit ihrer Beobachtung in alle Einzelheiten der alltäglichen Erscheinungen ein und geben sie mit der aller- grössten Sorgfalt in sauberster Ausführung wieder.

Unter den Nürnberger Kleinmeistern sind die Brüder Hans Sebald und Bartel Beham die bedeutendsten und für die Stilentwickelung massgebend. Mit Georg Fencz wurden die beiden Beham 1525 wegen ihrer nicht bloss reformatorischen sondern sogar freigeistigen und sozialistischen Ansichten , die sie beim Verhör auch ganz offen bekannten, gefangen gesetzt und dann aus Nürn- berg verbannt. Pencz wurde später, 15^2, wieder zu Gnaden aufgenommen und Ratsmalcr der Stadt, die Beham wandten sich merkwürdiger Weise nach München, wo sie von den bayrischen Herzögen beschäftigt wurden. Bartel soll in Italien gestorben sein, Hans Sebald liess sich um 1531 in Frankfurt nieder und ist dort bis an sein Ende tätig gewesen.

Der talentvollste der drei Künstler ist Bartel Beham(i 502 40). Holz- schnitte von ihm sind nicht bekannt, er hat nur eine nicht grosse Anzahl von Kupferstichen ausgeführt, die er zum Teil mit seinem Monogramm B. B. bezeichnet hat. Bartel ist in der Zeichnung wie in der Technik in erster Linie von Dürer abhängig, er hat sich aber nicht nur gegenständlich sondern auch in Formen und Technik der Kunstweise Marcantons, in dessen Werkstatt er

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gearbeitet haben soll, mehr als irgend ein anderer deutscher Stecher genähert, so dass mehrere Werke des Italicners ihm zugeschrieben werden konnten. Er weiss seiner Kunst einen vornehmen Ton zu geben und sich die edlere, abge- klärte italienische Formensprachc zu eigen zu machen. Schon i 5Z0, in seinem achtzehnten Lebensjahre, liefert er Stiche von vollendeter Feinheit der Aus- rührung, wie den h. Christoph (B. 10), den Bogenschützen (B. 55), den Putto auf dem Schlauch (B. 3 z). Auch den althergebrachten Gegenständen der Bibel und der Heiligenge- schichte versteht er eine originelle Wendung zu geben, und (iberall durch den Reichtum an neuen Motiven zu inter- essieren , die italie- nischen Vorbilder ge- schickt zu verwerten und umzubilden, wie in der Madonna am Fenster (B. 8, s. Abb.). Judith (B. z und 3) stellt er ganz oder fast ganz nackt dar, auch in den Friesdarstel- lungen von bewegten

Kämpfen nackter Krieger (B. 1 6 1 8) zeigt er eine eingehende Kenntnis des menschlichen Körpers. Die antiken Gegenstände sind freilich recht unantik auf- gefasst und wohl auch hauptsächlich den Nacktheiten zu Liebe gewählt, aber voll Leben und Leidenschaft, wie die Cleopatra von 1514 (B. 11) und Apollo und Daphne nach Agostino Vcncziano (B. Z5). Ebenso vortrerrlich sind seine Landsknechtsfiguren, die allegorischen Darstellungen, Ornamente und Wappen.

Härtel Belum Oir MaJonna am Fenster.

Die Bildnisse von Karl V., von dessen Bruder Ferdinand und von Dr. Leon- hard Eck gehören zu den besten Porträtsüchen der alten deutschen Kunst. Seine Technik kann an Sorgfalt und Abrundung der Töne mit Dürer wetteifern, er geht in der Weichheit und in der warmen Farbigkeit sogar noch Gber seinen Meister hinaus.

Hans Sebald Bcham (1500 »550), obwohl zwei Jahre älter als Bartel, scheint doch eher von seinem hochbegabten Bruder, dessen Platten er mehrfach aufgestochen und sogar kopiert hat, gelernt zu haben, als sein Lehrer gewesen zu sein. Er ist als Stecher viel fruchtbarer als jener, erreicht aber trotz seiner grossen Meisterschaft nicht die malerische Kraft der Modellierung

und der Tonabstufung, die Bartel vor allen anderen Klein- meistern auszeichnet. Er bleibt kälter und trockener in der Stichel fOhrung und kleinlicher, realistischer und weniger poe- tisch in der Auffassung. In seinen frühesten Stichen, be- sonders in dem Frauenkopf von 1518 (B. 204), im Ecce Homo (B. z6), der Madonna von 1520 (B. 18), ahmt er Dürer in jeder Hinsicht nach, dann wird er selbständiger. Das Beispiel Altdorfers und wohl auch das des Bruders führt ihn zu einer ganz volkstümlichen, man möchte sagen, vulgären Behandlung der Gegenstände. Durch die Hervorhebung des Grob- Sinnlichen zieht er den Vor- gang auf das Niveau des Alltagsmenschen herab und bringt ihn dem Beschauer dadurch allerdings auch ausserordentlich nahe. Wie im Leben geht er auch in der Kunst von radikalen Anschauungen aus und schrickt, besonders in Nudi- täten, selbst vor dem Cynismus keineswegs zurück. Die Madonna auf Wolken in der Glorie ist fest in einen dicken Mantel gehüllt, als ob sie dort oben frieren müsstc. lieber das Materielle des Vorganges kommt er kaum hinaus, schildert alles mit der grössten Breite und Ausführlichkeit und mit bewunderungs- würdiger Geduld. Die Technik bildet er zu einer ausserordentlichen Glcich- mässigkeit und Zartheit der Linien aus, so dass er seine Platten nur durch

Hans Sebald Bcham. Biucrngcjtlhchaft. B. 1Ä4.

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häufige Retouchen länger druckfähig erhalten kann. Seine Absicht scheint nicht sowohl auf die Wiedergabe der verschiedenen Stoffe zu zielen als auf die Erzeugung eines metallisch-plastischen Glanzes der Formen.

Bis etwa 1530 bezeichnet Beham seine Stiche mit einem Monogramme aus H. S. P., später, seit seiner Uebersiedelung nach Frankfurt mit H. S. B. Unter seinen etwa 300 Stichen sind alle Darstellungsgebiete vertreten. Aus dem biblischen Kreise ist die Folge der Geschichte des verlorenen Sohnes besonders bezeichnend für seine Auffassungsweisc. Das eigentlich religiöse Moment tritt überall hinter dem genrehaften zurück. Ebensowenig echte Stimmung haben seine antiken Darstellungen, z. B. die Hcrkulestaten und seine Allegorien. Ganz in seinem Element ist er dagegen bei der Schilderung des Lebens der Landsknechte und der groben, täppischen Bauern, z. B. in den Bauerntänzen B. 1 5^ bis 185 s.Abb.). Er erspart uns auch nicht den Anblick der widerwärtigsten Szenen, weiss aber mit seinem guten Humor über manche Roheiten hinweg- zuhelfen. Sebalds Werk ist reieb an prächtigen Ornamentvorlagen Hat» Sebald Belum. Kam« Brudermord,

für Vasen, Füllungen und der- gleichen mit etwas schweren und dichten Renaissanceformen. Wie Dürer und sein Bruder hat auch er mit der Radierung vielfach experimentiert und eine Reihe feinster Arbeiten geschaffen, aber doch ebensowenig wie jene das eigentliche Geheimnis ihrer farbigen, massigen Wirkung ergründet.

Das Holzschnittwerk Hans Sebalds steht nicht an Umfang wohl aber an künstlerischem Wert hinter seinen Stichen zurück. Sein Stil besteht wesentlich in einer, allerdings sehr geschickten Ucbertragung der Kupferstichtechnik. Mehrcrc Folgen von Bibelbildern (s. Abb.) nähern sich, wie z. B. auch die aus ein- zelnen kleinen Stöcken zusammengesetzten Titclumrahmungen, schon im Formate und in der Feinheit der Details dem Kupferstiche. Dem Geist Holbeins kommt er ebensowenig wie sein Holzschneider der Meisterschaft Lützclburgers nahe. Grösseren Formates sind die Darstellungen der sieben Planeten, die Patriarchen-

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familien, Heiligenfiguren und die Bilder aus dem Bauernleben, wie die Kirch- weih zu Megelsdorf und andere Genredarstellungen.

Viel mehr noch als bei den beiden Beham macht sich der italienische Ein- nuss in den Kupferstichen des Georg Pcncz (um 1 500 1 550) geltend, der höchst wahrscheinlich Dürers Geselle gewesen ist. Das als Pencz' Zeichen be- kannte Monogramm G. P. tragen etwa 1 1 5 Blätter, die aber nach den Daten alle erst aus den vierziger Jahren stammen. Man hat deshalb neuerdings die einleuchtende Vermutung ausgesprochen, dass die früheren Arbeiten des Pencz in den mit J. B. bezeichneten, meist mit den Jahreszahlen 15Z5 1530 ver- sehenen Stichen zu suchen seien, die man bisher als Werke eines selbständigen Nürnberger Stechers angesehen hat. Pencz wird in Urkunden oft auch Jörg Bens genannt und kann sehr wohl, wie das auch H. S. Beham tat, nach einem längeren Aufenthalt in Italien, um 1530, seine Bezeichnung der lateinischen Form des Namens Georgius Pencius angenähert haben. Formbildung und Typen der beiden Gruppen von Stichen zeigen sehr grosse Verwandtschaft. Die technische Verschiedenheit zwischen den mit J. B. und den mit G. P. be- zeichneten Blättern würde allerdings die Annahme eines tiefen Einschnittes in seiner Entwickelung notwendig machen, der aber sehr wohl durch einen starken italienischen Einfluss zwischen 1530 und 1 540 verursacht sein könnte.

Italienische Formen machen sich neben Dürerschen allerdings auch schon in den mit J. B. bezeichneten Stichen geltend. Die Gegenstände sind zum grossen Teil der Antike entlehnt. In dem munteren Bacchuszuge (B. 19) sind Dürcrsche Gestalten und antikisierende Formen sehr geschickt verarbeitet. Die allegorische Darstellung (B. 3 o.) ist nach einer Zeichnung Dürers gestochen, die Bauernszenen (B. 36 und 37) und der h. Hieronymus (B. 7.) sind Dürerisch oder Behamisch. Ganz im Geiste der italienischen Renaissance sind die sieben Tugenden (B. 23 29), die Planeten (B. 1 1 17% Curtius (B. 8), der Kampf nackter Männer (B. zi. s. Abb.) und besonders das Kinderbacchanal von 1529 (B. 35) komponiert. Die Technik dieser trefflich und kräftig gezeichneten Darstellungen hat jedoch noch die kompakte Festigkeit und Geschlossenheit der Linienkomplcxc, die die deutsche Technik charakterisieren. In den Stichen mit dem Monogramm G. P., die bisher allein als Arbeiten des Georg Pencz galten, herrscht neben der italienischen, rafFaelischen Form auch das System der italie- nischen Technik, wie sie sich in Marcantons Schule weitergebildet hatte. Die Formgebung ist lockerer, die Linien weiter, steifer und glatter; die vielen Punkte

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Mritter J. B. Kampf nackter Männer.

und das Sichauseinanderspreizen der runden Taillen geben dem Ganzen ein etwas rauhes, flockiges Aussehen.

Es wäre nicht befremdlich, dass diese späteren Arbeiten Pencz' durch die unmittelbare Nachahmung der italienischen Technik an Kraft und Präzision der Formengcbung und besonders im metallischen Glanz der Technik den früheren, mit J. B. signierten, nachstehen. Pencz hat sogar eine Komposition Giulio Romanos, die Eroberung Karthagos, ganz in der Weise der Mantuancr Stecher in grossem Formate ausgeführt (1539, B. 86). Seine Darstellungen aus der römischen Geschichte, 'Allegorien u. dgl. erscheinen uns kaum weniger kalt und inhaltsleer als die gleichzeitigen italienischen Darstellungen dieser Art. Einen herzlicheren Ton schlägt er in biblischen Szenen an. Wie fast alle der Reformation nahestehenden Künstler behandelt er mit Vorliebe solche Gegen- stände, denen ein antipapistischer Sinn untergelegt werden konnte, die Gleich- nisse, wie das vom reichen Manne (B. 30— 54), die Werke der Barmherzigkeit (B. 58—64), die Ehebrecherin (B. 55), oder die Kindlein vor Christus (B. 56). Madonnendarstellungcn fehlen bezeichnender Weise ganz in dem Werke dieses „Schwarmgeistes". Sowohl unter den mit J. B. wie unter den mit G. P. be- zeichneten Stichen finden wir eine kleine Anzahl geschmackvoller und mit der grössten Sorgfalt ausgeführter Ornamente. Georg Pencz starb 1550 in Königs- berg, wohin er kurz vorher als Hofmaler des Herzogs Albrccht von Preusscn berufen worden war. Ein Nachzügler der Nürnberger Kleinmeister ist der Strassburger Franz Brun (tätig 1559 1596).

Künstlerisch von gröberem Korn als die Stecher der Dürerschule, aber wie sie ein eifriger Anhänger der extremsten Richtung der Reformations- bewegung, ist Heinrich Aldcgrevcr (geboren 1502 in Paderborn, tätig in

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Soest bis 155 5), der Hauptvertreter Niedcrdeutschlands im Kupferstich. An Geschmack steht er den Nürnbergern weit nach. Seine italienische Renaissance hat er offenbar nicht, wie jene, aus der Quelle geschöpft, sondern sich durch niederländische Maler wie Mabuse und Barend van Orley übermitteln lassen.

Trotzdem er tüchtig zeichnet und die Technik, die er wohl hauptsächlich an Dürer und den Belum studiert hat, vollkommen beherrscht, machen seine Gestalten durch die Manieriertheit ihrer Bewegungen, die über- trieben schlanken Propor- tionen, den überladenen, knittrigen Faltenwurf doch einen wenig erfreulichen Eindruck. Seine guten Eigenschaften, sein Reich- tum an interessanten Moti- ven, kommen so nur schwer zur Geltung. In seinen 290 Stichen sind alle damals be- liebten Stoffe vertreten. Be- sonders interessant und vor- züglich sind die Folgen der Hochzeitstänzer (B. 144 171 s. Abb.) und einige Bildnisse, wie das des Heinrich Aidcgrc» er. Au* der Folfc der HochicintinMr B 144. Münstercr Wiedertäufers

Johann ßockhold und des Scharfrichters Knippcrdolling (B. 182 1 83) und zwei Selbstbildnisse (B. 188, 189). Seine zahlreichen Ornamentstiche geben Vorbilder für Dolchscheidcn, Löffel, Schnallen usw., verziert mit grossen, in starkem Relief modellierten, etwas plumpen Blattformcn. Wie bei den anderen Klcinmeistern spielt auch bei Aldcgrcver das Obscönc eine grosse Rolle. Nur drei Holzschnitte, für die er

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die Vorzeichnung geliefert hat, sind uns bekannt. Westfalen und italienisierende Manieristen sind auch Nicolaus Wilborn aus Münster (?) und Johann Ladenspelder von Essen.

Einen Kölner nennt sich Jacob Binck (gest. 15 68 oder 1569), der venig selbständig arbeitet, sich vielmehr hauptsächlich mit dem Kopieren gesuchter Kupferstiche von Dürer, Beham und anderen deutschen und italie- nischen Meistern begnügt. Seine Kopien nach Jacopo Caraglios Folge der Gott- heiten hat er mit seinem vollen Namen bezeichnet, sonst signiert er mit einem Monogramm aus L c. B. Unter seinen vortrefflichen Bildnissen sind sein Selbstbildnis, die des Lucas Gassei und des Königs Christian II. von Däne- mark, in dessen Diensten er stand, bemerkenswert. Seine Technik ist sehr ungleich, sie nähert sich oft der festen Linienführung der Beham, ist aber meist dünner und feiner, manierierter, in der Weise der späteren Italiener und der Niederländer.

Wie Binck begleiten noch zahlreiche andere, meist nur durch die mono- grammatische Bezeichnung ihrer Blätter oder überhaupt nicht namentlich be- kannte Kupferstecher den Zug jener bedeutenderen Meister, die sich selbständig neue Stoffgebiete und neue Ausdrucksmittel geschaffen haben. Es wäre über- flüssig, sie hier alle einzeln aufzuzählen. Sie bezeugen nur, dass der Bedarf an solchen Bildern, an Porträts und dergleichen im Publikum und bei den Kunst- handwerkern sehr gross geworden war.

Die lokalen Schulunterschiede, die im XV. und im Anfange des XVI. Jahr- hunderts sich stark geltend machten, beginnen um die Mitte des XVI. Jahr- hunderts sich zu verwischen. Die grossen Zentren des Buchhandels, neben Nürn- berg jetzt besonders Frankfurt, ziehen zahlreiche Künstler aus verschiedenen Gegenden an sich, die in der Zusammenarbeit die Eigenheiten ihrer Heimat und ihrer Schule immer mehr abschleifen. Es bildet sich nun ein ziemlich all- gemein herrschender deutscher Renaissancestil in Formengebung und Ornamentik aus. Diese Nivellierung der Formensprache ist hauptsächlich eine Folge der Nachahmung italienischer, dann auch niederländischer und französischer Vor- bilder. Die Hast der Massenproduktion lässt meist eine selbständige Durch- bildung der Formen, wie sie noch die Generation nach Dürer erstrebte, nicht mehr zu und zwingt zu geschickter aber oberflächlicher Verarbeitung entlehnter

Motive und Formen. Besonders schnell entwickelt sich in der Ornamentik aus

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Elementen der italienischen Hochrenaissance-Architektur, aus Voluten, Frucht- schnüren, Kartuschen, Bandwerk, Karyatiden, Masken usw., endlich auch aus der Maureske der Stil, den man als „deutsche Renaissance" zu bezeichnen pflegt.

Dürer und die Kleinmeistcr, selbst Altdorfer hatten die Radiertechnik nicht intensiver verfolgt, weil sie sich ihnen nicht als ein dem Kupferstich gleich- wertiges Mittel für ihre präzise und plastische Formengebung erwies. Der jüngeren Generation, die mehr auf den gegenständlichen Inhalt der Kom- positionen Wert zu legen begann, war die Radierung als ein bequemes, rasch förderndes Verfahren, als ein vorteilhafter Ersatz der mühsamen und feinen Holzschnitttechnik willkommen. Offenbar ist es vornehmlich dieser Gesichts- punkt, der eine Reihe von Künstlern zu ausgiebiger Verwendung der Radier- technik bestimmt. Der Kupferstich kann sich durch seine stärkere Bildwirkung im Grossen neben der Radierung behaupten, aber der Holzschnitt wird nach und nach fast vollständig von ihr verdrängt , auch aus dem Buche, zuerst vom Titclblatte, dann aber auch aus dem Texte. Diese Wandlung leitet den Verfall des Holzschnittes ein. Zunächst allerdings, d. h. bis in das letzte Viertel des XVI. Jahrhunderts wird der Holzschnitt von einzelnen tüchtigen Meistern noch eifrig und erfolgreich neben dem Kupferstich und der Radierung weiter gepflegt, ja sogar mit grosser Virtuosität bis zum Effekt des Kupferstiches gesteigert, aber die Radierung, allein oder kombiniert mit der Kupferstichtechnik, gewinnt von nun an immer mehr die Oberhand.

Zu den vornehmsten Förderern der Aetzkunst gehörten, wie es scheint, die drei Hopfer in Augsburg, Daniel Hopfer, der tüchtigste von ihnen, der schon 149} das Bürgerrecht in Augsburg erwarb, und seine Söhne Hierony- mus und Lambert. Sic beschäftigten sich hauptsächlich damit, verzierende Zeichnungen in Waffenstücke einzuätzen und benutzten hierzu alle möglichen Motive, die sie aus deutschen und italienischen Stichen, Zeichnungen und Ge- mälden zusammentrugen. Wohl für den eigenen Gebrauch stellten sie aus solchen Vorlagen eine Mustersammlung her, die sie dann durch die bequeme und ihnen vertraute Technik der Radierung vervielfältigten. Die ursprünglichen Abzüge sind selten , die Platten wurden aber im XVII. Jahrhundert wieder ab- gedruckt und numeriert als Sammelwerk veröffentlicht. Stilistisch scheint Daniel Hopfer von Burgkmairschcn Formen auszugeben, wie z. B. die Ver- kündigung (Eyssen 5 6.) beweist, die oberflächliche, die Formen in Absicht auf

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die derbe Eisenätzung stark vergröbernde Nachahmung Ton Kunstwerken aller Art verwischt aber bald jede ursprüngliche Stileigcntümlichkeit.

Als eine interessante Parallclcrscheinung zu den Hopfer auf dem Gebiete des Holzschnitts darf hierPeterFlötner (gest. nach i 546) erwähnt werden, ein Nürnberger Holzbildner, ein talentvoller Kunsttischler, wie man heute sagen würde, der eine Anzahl prächtiger Ornamentfüllungen, Architekturteile und Geräte in Holzschnitt veröffentlicht und mit seinen Initialen P. F. und den Ge- räten seines Handwerkes bezeichnet hat. Flötner, der diese Blätter offenbar selber geschnitten hat, wollte damit wahrscheinlich nicht nur Vorbilder für andere Holzarbeiter liefern, sondern sie wohl auch als Musterblätter aus- geführter oder auszuführender Arbeiten seinen Kunden vorlegen, also als eine Art von Mustersammlung und kunstgewerblicher Reklame benutzen. Flötners Holzschnitte zeugen jedenfalls von grosser Geschicklichkeit in der Behandlung des Schnittes und von viel Geschmack und Reichtum der Erfindung. Seine Formen entlehnt er ausschliesslich der italienischen Renaissance. Ausser jenen Entwürfen zu Bettgestellen, Türumrahmungen, Säulenkapitellen und -basen, Pokalen, Dolchen und Mauresk-Ornamcnten (s. Abb. S. 25 2) kennen wir von ihm auch eine Reihe figürlicher Holzschnitte, Landsknechte, eine Folge der deut- schen Könige und Illustrationen zur Chronik der Ungarn, zur Perspektive und zur Vitruv-Uebersctzung des Walter Rivius (Nürnberg, 1 547 und 1 548) u. a. m.

Im Gegensatze zu den Hopfer und anderen, die mit der Radierung haupt- sächlich praktische Zwecke verfolgten, scheinen die fein radierten Landschaften Augustin Hirschvogels und Hans Sebald Lautensacks rein künstlerischen Ab- sichten ihre Entstehung zu verdanken. Die Anregung ging höchst wahrschein- lich von Altdorfer aus. Da die Landschaften fast nie Figurenstaffage enthalten und auch nicht bestimmte, irgend wie merkwürdige Gegenden darstellen, so fällt das gegenständliche Interesse ganz fort. Falls sie nicht etwa als Vorlagen für Bildhintergründe gedient haben , können sie nur für Kunstliebhaber und Sammler im modernen Sinne bestimmt gewesen sein.

Augustin Hirschvogcl (Nürnberg 1503 Wien 1 553) war Ingenieur, Stempelschneider, Verfertiger emaillierter Tonvasen und Glasmaler. Er radiert in ganz hellen Tönen mit zarten Umrissen und sehr wenig Schraffierung. Seine Figurenzeichnung in den Bildern zum alten und neuen Testament (B. 1 , 1 5 47 49) und zu Herberstains Moscovia (Wien 1 549) ist dürftig und flüchtig, von grosser Feinheit sind dagegen seine Bildnisse, besonders die Selbstbildnisse und vor allem

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seine Landschaften, die in ihrer Einfachheit und topographischen Klarheit äusserst anmutig wirken (s. Abb.). Dieser Stil der tiefflächigen, leicht und weich umnsscr.cn Landschaft ist dann für die Darstellung historischer Ereignisse sehr beliebt geworden, da so grosse Räume für die Schilderung der Vorgänge gewonnen wurden. Die Landschaften des Hans Sebald Lautensack (Nürnberg? 1514 Wien? 1 5 6 3) lehnen sich an Altdorfers Manier an. Sie sind mehr ausgeführt, mit Details überladen und durch starke Ueberarbeitung mit dem Grabstichel dunkler und kontrastreicher im Ton, stehen aber an Feinheit der Linien und der Stimmung denen Hirschvogcls weit nach. Lautensack stach auch grosse Städtebilder, z. B. die panoramaartigen Ansichten von Nürnberg und von Wien, ein Turnier von 1560 und eine Reihe von Bildnissen.

Ihren Höhepunkt erreicht die In- tensität der Produktion, die leichtflüssige, mannigfaltige Darstellungsweise, die für diese Entwickelungsstufe des deutschen Bilddrucks charakteristisch ist, in Virgil Solis und Jobst Amman. Virgil Solis soll 1514 in Nürnberg geboren sein; es ist aber wahrscheinlicher, dass er aus der Schweiz stammte und dort auch ausge- bildet worden war, zumal seine frühesten Holzschnitte in einer 1551 von Frosch- auer in Zürich gedruckten Bibel erschienen sind. Er ist jedoch hauptsächlich in Nürnberg tätig gewesen und dort auch, wohl kurz vor 1568, gestorben. Seine eigene Erfindungskraft ist nicht sehr gross, er kopiert oder benutzt die Werke seiner deutschen Vorgänger wie die italienischer und französischer Meister mit der grössten Unbefangenheit, aber auch mit Leichtigkeit und Geschick. Er hat so den deutschen Künstlern seiner Zeit eine Fülle figürlicher und ornamentaler Motive als Vorbilder zur Verfügung gestellt. Originaler ist Solis nur in den Tier- und Jagddarstellungen.

Ein grosser Teil seines äusserst umfangreichen Werkes von ungefähr

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700 Radierungen und Holzschnitten ist wohl 'Werkstattarbeit. Sein Mono- gramm setzt sich aus V und S zusammen. Die Radierungen zeigen oft eine bewunderungswürdige Grazie und Delikatesse der Linienführung. Besonders die reizvollen Vasen, Umrahmungen und Mauresken sind mit französischer Eleganz und mit grosser Schärfe und Sorgfalt ausgeführt (s. Abb.). Mit seinen Holzschnitten hat Soiis eine ganze Reihe von Büchern, die sich lange der grössten Beliebtheit erfreuten, illustriert, so mehrere Bibeln, das Passional, den hortulus animae, Ovid, Acsop, Alciats emblamata, die von Nürnberger und Frankfurter Verlegern in vielen Ausgaben auf den Markt gebracht wurden. Vortrefflich in ihrer reichen und geschickten, wenn auch etwas überladenen und unklaren Ornamentik sind einige grosse Titclumrahmungen z. B. die für die Bibel von 1561.

In seiner grossen Fruchtbarkeit wie auch in der Manier seiner Zeichnung ist der Züricher Jobst Amman (1539 1591), der ebenfalls vornehmlich in Nürnberg tätig war, Solis nahe verwandt. Den Kupferstich scheint er, wie dieser und die meisten anderen gleichgesinnten Künstler seiner Zeit, nicht an- gewendet zu haben. In seinen Radierungen ist er ebenso geistreich und ge- schickt wie Solis, übertrifft ihn aber in seinen Holzschnitten an Rundung und Klarheit der Formen und an Feinheit des Schnittes. Wie Solis hat auch er hin und wieder die Platten selber ausgeschnitten und dann seinem Monogramm aus J. A. ein kleines Schneidemesser beigefügt. Meist aber sind es berufsmässige Formschneider, die die Ausführung besorgen und oft ihre Marke neben die des Zeichnen setzen. Amman arbeitet viel selbständiger als Solis und schöpft in seiner derberen Art mehr aus dem Leben als aus der Nachahmung, er hat nie direkt kopiert. Ornamentvorlagen hat er nicht geliefert, den breitesten Raum in seinem Werke nehmen ausser den Illustrationen zu bestimmten Werken die Allegorien ein. Wie im Gegenständlichen herrscht auch in der Formengebung die oberflächliche Gewandtheit des italienischen Manierismus. In diesem Stil aber bewegt sich Amman mit Sicherheit und Geschick. Besonders an- ziehend sind seine Schilderungen aus dem Kriegslebcn, z. B. in den Holzschnitten zu L. Fronspergers Kriegsbuch (1 571 1573). *um Turnierbuch (1566), zum Livius (1568), zum Josephus (1569), dann seine Darstellungen der Stände (1568), der Trachten der Geistlichen und der Frauen. Trefflich lebendig und würdevoll sind seine radierten und geschnittenen Bildnisse, z, B. das seines Verlegers Sigismund Feierabend in Frankfurt. Seine reichen und geschmack-

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Tobiat Stimmer Bildnil dei Stephan Brecht«!

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vollen Titelumrahmungen in Holzschnitt und in Radierung bestehen nicht mehr wie die meisten früheren Titclverzierungen aus einzelnen Leisten oder Stücken, sondern Verden durch ein einheitliches ArchitekturgcrUst gebildet, das mit reicher Ornamentik, allegorischen Gestalten, Putten und mit Darstellungen be- lebt ist. Ammans Kompositionen sind ausserordentlich viel kopiert worden und haben als Vorbilder auf die verschiedensten Zweige des Kunstgewerbes einen grossen Einfluss ausgeübt.

Einen technischen Fortschritt von Bedeutung weisen die Holzschnitte des Tobias Stimmer, der, wie Amman und wahrscheinlich auch Solis, von Geburt Schweizer war, auf. Stimmer, geboren in Schaffhausen 153p, gestorben 158z, war als Maler und als Zeichner, besonders für Glasgemälde, berühmt. Den Kupferstich scheint er nicht betrieben zu haben, seine Tätigkeit in den graphischen Künsten beschränkt sich auf die Zeichnungen für den Holzschnitt, die er in grosser Anzahl besonders für den Strassburger Verleger Bernhard Jobin angefertigt hat. Die Formschneidermonogramme auf seinen Holzschnitten be- weisen, dass Stimmer nicht selber die Stöcke zu schneiden pflegte, und doch hat er eine ganz eigenartige, in ihrer malerischen Wirkung freie und breite Tech- nik geschaffen. Die Linien sind ganz gleichmässig dünn wie bei der Radierung, fast gerade und sehr regelmässig geführt, die stärkeren Schatten sind nur durch Kreuzschraffierungen hervorgebracht. Durch sehr geschickt berechnete Kon- trastierung der komplexeren, aber frei geformten Schattenmassen gegen die scharf ausgesparten Lichtstellen sind geradezu glänzende malerische und stoff- liche Effekte erzielt worden.

Höchst lebendig und wirkungsvoll sind seine Bildnisse, z. B. das des Grafen Otto Heinrich von Schwarzenberg (Andresen 21), das des Stephan Brechtel (A. I, s.Abb.), die Porträts berühmter Gelehrten in Reussners Contrafacturbuch, in Giovios „elogia virorum illustrium" u. a. m. Die satirischen Bildnisse zeigen stark antipapistische Tendenz. Die Bibelbilder, oft mit sehr hübschen land- schaftlichen Hintergründen, sind etwas pomphaft und theatralisch. Schwer und überladen ist auch die üppige Architektonik der Kartuschen, mit denen er seine Darstellungen und Bildnisse zu umrahmen liebt. Die allegorischen Riesen- gestalten, die Figuren und Putten scheinen sich den Platz zwischen den lastenden und quellenden Ornamenten durch heftige Bewegungen förmlich erkämpfen zu müssen. Stimmer hat wie die gleichzeitigen italienischen Holzschneider Darstellungen von Gestalten in grossem Formate geliebt und auch hier durch

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grosszügige Technik ein wirkungsvolles Gesamtbild zu gestalten gewusst, z. B. in den Halbfigurcn musizierender Frauen (Musen). Auch den Tonplattcndruck hat er in italienischer Art ganz breit und malerisch zu behandeln versucht, ohne jedoch, wie die meisten deutschen Holzschneider, die schwarzen Linien der Zeichnungsplatte überwinden zu können. (Vgl. die „Synagoge" A. 4 1 .) Hans Christoph Stimmer (geb. 1549) war als Formschneider für seinen Bruder tätig; von einem anderen Bruder des Tobias, Abel Stimmer (geb. 1 54z) sind nur einige Radierungen erhalten. Stimmen Schüler und sein Gehilfe bei der Arbeit für die Buchülustration war Christoph Maurer aus Zürich (1558 1614), der besonders als Glasmaler geschätzt war und auch eine Anzahl Radie- rungen angefertigt hat.

Diese vorzüglichen, technisch oft geradezu glänzenden Leistungen begabter und leicht schaffender Meister, wie Solis, Amman und Stimmer, sind die letzte kurze Nachblüte des deutschen Holzschnittes, der im XVII. Jahrhundert ganz verfallt und fast ausser Uebung kommt. Die Radierung dringt immer weiter in das Gebiet des Holzschnittes ein. Das deutlichste Kennzeichen der künstler- ischen Verflachung ist, wie überall auch hier, die starke Betonung des Gegen- ständlichen der Darstellungen. Das Interesse an der künstlerischen Form und am geistigen Inhalte schwindet gegenüber den rein praktischen Bedürfnissen der Mitteilung von äusseren Tatsachen und von Kunstformeln für den Gebrauch. Diese Tendenz beherrscht den Kupferstich am Ende des XVI. Jahrhunderts voll- ständig.

Schon Matthias Zündt in Nürnberg (gestorben 1571?) hat haupt- sächlich historisch- topographische Ansichten von Städten radiert. Möglicher- weise ist Zündt identisch mit dem sogenannten Meister der Kratcrographie von 1551, dem Schöpfer sehr fein radierter, geschmackvoll und reich verzierter Vorlagen für Metall-Pokale, Kannen und Schalen. Hans Sibmacher (gest. 161 1) verdankt seinen Ruhm nur seinem grossen und kleinen Wappenbuche, die 1Ö05 1609 und 1596 erschienen. Wendelin Ditterlein von Strass- burg (1550 1599) hat in seiner „Architcctura" von 1593 ein reichhaltiges Musterbuch architektonischer Formen, besonders Möbel und dergleichen in frei und breit behandelten Radierungen geschaffen, das lange mustergültig geblieben ist. Er hat hierin eine Reihe von Nachfolgern gefunden in Guckeisen, Ebelmann, Veit Eck, Georg Haas, Gabriel Krämer u. a. Der Ornamentstich schiesst jetzt üppig ins Kraut und beschäftigt zahlreiche Künstler,

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von denen jedoch keiner auf Originalität der Formen oder der Technik Anspruch machen kann. Der westfälische Goldschmied Anton Eisenhoit (i 554 1604) hat sich in Rom vornehmlich mit der Nachbildung von Antiken in Kupferstich beschäftigt.

Die historisch-topographische Schilderung, für die das Interesse an den Zeitereignissen und an den Entdeckungen ein grosses Bedürfnis geschaffen hatte, findet in Franz Hoogenbcrgh und Theodor de Bry ihre tüchtigsten Vertreter. Franz Hoogenbergh (gest. 1 590 in Köln) hat die Kriegsereignisse in Frank- reich und in den Niederlanden in einer fortlaufenden Folge von Kupferstichen geschildert und im Jahre 157z mit Hilfe des Kölner Dcchanten Georg Braun oder Bruin ein grosses Werk „Civitates Orbis terrarum" mit trefflichen, fem radierten Städtebildern herausgegeben. Theodor de Bry (Lüttich 1528 Frankfurt 1598) und seine Söhne, der geschickte Johann Theodor de Bry (15dl t6zi) und Johannn Israel de Bry (gest. 161 1 ?) haben sich durch eine Anzahl sauber, aber trocken gestochener Ornamentstiche, Embleme, Wappenschilder und Bildnisse, vornehmlich aber durch die Herausgabe von Reisebeschreibungen nach Ost- und Westindien, die mit Illustrationen in Kupferstich reichlich versehen, in lateinischer und deutscher Sprache von 1 590 16 z 5 in Z5 Teilen erschienen, Berühmtheit erworben.

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Marcintonio Raimondi. Allegorische Darstellung. B. \$;

DER KUPFERSTICH IN ITALIEN.

OLZSCHNITT und Kupferstich erfahren im Beginne des XVI.Jahr- hunderts eine durchgreifende Veränderung ihrer Stellung in der italienischen Kunst. Das Streben der neuen Zeit nach der Verwirklichung des plastischen Ideals, das ihr vornehmlich durch die Anschauung der Antike lebendig geworden war, wirkt auch aur den bisher wesentlich zeichnerischen, die Formen andeuten- den und schematisierenden Stil der graphischen Künste ein. Man beginnt von jeder Darstellung eine vollkommen geschlossene, stark sinnfällige und bis zu einem gewissen Grade auch sinnetäuschende Wirkung zu fordern und wünscht nun auch im Kupferstich nicht mehr bloss eine Zeichnung sondern ein Bild, das die wesentlichen Eindrücke des monumentalen Kunst- werkes nachahmt, zu sehen. Der Bilddruck konnte dies Verlangen um so eher befriedigen, als die stilbestimmenden Elemente aller bildenden Künste nun immer mehr vom plastischen Gefühl beherrscht wurden, und auch die Farbe

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hauptsächlich als Mittel zur Steigerung der plastischen Wirkung der Formen dienen musste. Der Kupferstich wird so naturgemäss auf die Reproduktion ausgeführter Kunstwerke hingewiesen. Die selbständig erfindenden Maler- Stecher werden durch diese Tendenz des Kupferstiches und durch die virtuose Ausbildung seiner Technik gezwungen, sich neue, leichter zu handhabende Ver- vielfältigungsverfahren dienstbar zu machen.

Im XVI. Jahrhundert verlieren die Meisterzeichnungen die grosse Bedeu- tung als Studienmaterial, die sie im vorhergehenden Jahrhundert besessen hatten. Ausgeführte Kunstwerke, besonders die Antiken, Gipsmodelle und dergleichen treten an ihre Stelle. So verliert der Kupferstich auch dies Gebiet, auf dem er sich bisher selbständig und erfolgreich bewegt hatte , und wird auf die Rolle des Vermittlers beschränkt.

Einzelne Künstler, vor allem Mantegna, hatten solche bildmässigen und plastischen Wirkungen, wie sie der neue Stil forderte, schon mit ihrer zeichne- rischen Kupferstichtechnik zu erzielen vermocht. Im allgemeinen konnte die Technik den neuen Anforderungen aber nur durch ein neues System der Formenbehandlung gerecht werden. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, wie man um die Wende des Jahrhunderts die Umrisse der Holzschnitte mit Ton- schraffierungen zu füllen beginnt, wie einzelne Stecher in Venedig, Mailand und Bologna sich bemühen, den Kupferstich aus einer schraffierten Zeichnung in ein wirkliches Bild umzugestalten. Fast alle diese Versuche gehen von der deutschen Technik aus, die der italienischen in der Systematisierung weit vorangecilt war. Von der deutschen Grabstichelkunst, von Dürers Arbeiten nimmt auch derjenige italienische Meister seinen Ausgangspunkt, der in klarer Erkenntnis der Wege zu den neuen Zielen der italienischen Technik eine neue und selbständige Rich- tung gegeben hat, und der für die gesamte weitere Entwickelung der graphischen Künste von massgebendem Einfluss geworden ist.

Marcantonio Raimondi ist in Bologna, wahrscheinlich um 1480 geboren und in der Werkstatt Francesco Francias ausgebildet worden. Um 1504, als Giovanni Filotco Achillini, dessen Bildnis Marcanton auch gestochen hat, sein „Viridario" schrieb, muss er, wenigstens in Bologna, schon ein an- gesehener Stecher gewesen sein, da seine Kunst in dem Buche lobend hervor- gehoben wird. Wir kennen datierte Stiche Marcantons erst seit dem Jahre 1505, (Pyramus und Thisbe, B. % 1 z), eine Anzahl der undatierten Blätter muss aber schon vorher entstanden sein. Besonders die Darstellungen mit einfach schraffiertem

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Grande, wie der h. Sebastian (B. 109), der Jüngling, der am Fussc verwundet ist (4^5), der Kairos (B. 580), Orpheus und Eurydice (182) sind ohne Zweifei vor 1505 entstanden, ferner wohl auch das Parisurteil (B. 3*9), Apollo mit drei Musen oder Grazien (B. 398), in denen die Landschaft noch ganz dürftig, ohne Dürerschc Motive behandelt ist, und die Allegorie (B. 399) mit der An- sicht von Bologna. Er bel egt sich im Stil der Zeichnung durchaus in den Bahnen Francias, dessen Kompositionsweise, Typen und Gewandbehandlung er mit grosser Sorgfalt, aber ohne Selbständigkeit, ja sogar ohne besondere Geschicklichkeit nachahmt. Auf andere Vorbilder, falls er deren, wie behauptet wird, benutzt haben sollte, braucht daneben kein Gewicht gelegt Werden. Die Antike, der Marcanton sein ganzes Leben lang eine grosse Vorliebe bewahrt hat, beherrscht schon in diesen frühesten Arbeiten seine Phantasie fast voll- standig. Er scheint sich also schon zeitig, wahrscheinlich durch gelehrte Vor- bildung, in den humanistischen Ideenkreis der Gclehrtenwclt seiner Heimatstadt eingelebt zu haben. Leider ist die Bedeutung der meisten seiner allegorisch- antikisierenden Darstellungen bisher noch unerklärt geblieben.

Schon in diesen frühesten, noch recht dünn und trocken gestochenen Blättern ist die Technik nicht mehr die alte mantegneske, gradlinig schraf- fierende. Die Taillen sind zwar noch recht steif, beginnen aber schon sich nach den Formen zu runden, sie sind senkrecht oder schräg gegen den Umriss gezogen und in den Schatten durch Kreuzschraffierungen verstärkt. Ohne Zweifel sind schon diese technischen Fortschritte auf das Studium deutscher Werke zurückzuführen. In den Arbeiten der folgenden Jahre seit 1505 lässt sich der unmittelbare und starke Einfluss Dürers besonders schlagend in den zahlreichen Entlehnungen von Landschaftsmotiven aus Dürers Stichen, die in fast allen Blättern Marcantons aus dieser Zeit auffallen, nachweisen. Nicht nur aus der lebendigen, aber etwas anekdotenhaften Erzählung Vasaris sondern auch aus den eigenen Werken Marcantons können wir ersehen, welche epoche- machende Bedeutung das Studium Dürers für seine Entwickelung als Stecher gewonnen haben muss. Marcanton hat eine Anzahl einzelner Kupferstiche Dürers mit grösster Sorgfalt, allerdings mit mehr Interesse und Verständnis für die Technik und die Formen als für ihren geistigen Inhalt, nachgestochen und auch zwei der grossen Holzschnittfolgen , das Marienleben und die kleine Passion vollständig in Kupferstich kopiert.

Das Marienlcbcn, von dem zwei Blätter ico6 datiert sind, muss voran-

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gegangen sein, weil hier Dürers Mono- gramm überall ange- bracht ist, während es in den Kopien nach der kleinen Passion, die ja auch erst i 5 i o vollendet wor- den ist, wohl infolge der nachdrücklichen Verwahrung Dürers beim venezianischen Senate, fortgelassen wurde. Das Bcwusst- sein einer unerlaub- tcnHandlung braucht Marcanton im Sinne seiner Zeit dabei nicht gehabt zu haben. Was Marcanton an Dürers Arbeiten studierte, war vor allem die Oekonomic der Li- nie, die Kunst, die einzelne Taille durch ihre Form, Biegung und Lage für die Modellierung mög- lichst auszunützen. In seiner autodidak- tischen Absicht hat er sich deshalb sehr feinfühlig zumeist an die klaren, kernigen Holzschnitte gehalten. Die Fort- schritte Marcantons können wir in diesen Jahren, in denen er die Kopien nach Dürer begann, Schritt für Schritt an genau datierten Blättern verfolgen.

Marcantonio Raimondi. Allegorische Danteilung. B. 577.

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Pyramus und Thisbc (B. 322) ist 1505 datiert, die Nymphe mit dem Satyr (B. 3 19) vollendete er am 2. März (oder Mai?), Apollo und Hyacinth (B. 348) am 9. April, Venus am Meere (B. 3 12) am 1 1. September 1 506. Die Linien werden kräftiger und klarer, die Töne tiefer und die Formen voller und runder (s. Abb. von B. 377).

In die nächsten Jahre fallen dann die Reisen Marcantons nach Venedig und Florenz. Von seinem Ausfluge nach Venedig berichtet Vasari, für ihn legt auch die phantastische Darstellung (B. 359), die man den „Traum Raffaels" nennt, die aber vielmehr ohne Zweifel auf eine Komposition Giorgiones zu- rückgeht, Zeugnis ab. In Florenz muss sich unser Stecher vor seiner Uebcr- siedelung nach Rom längere Zeit aufgehalten und in das Studium von Michel- angelos Karton der Schlacht von Pisa vertieft haben. Er hat nicht nur eine Gestalt aus diesem Werke schon damals gestochen und die Gruppe, der „Klet- terer" für einen Stich, den er aber erst später, 1 jio in Rom, ausgeführt hat, vorbereitet, er hat auch für den Mars in dem 1 508 datierten prächtigen Blatte mit Mars, Venus und Amor (B. 345) eine Gestalt Michelangelos benutzt. In die Jahre 1507 1509 gehören noch einige andere Arbeiten der gleichen Stechweise, z. B. die kauernde Venus (B. 313), Apollo in der Nische (B. 333), Mars und Venus (B. 288) und andere mythologische Darstellungen.

Die so errungene zeichnerische und technische Fertigkeit, seine bis dahin in Italien noch nicht erreichte Sicherheit und Kraft der Stichelführung, konnten Marcanton wohl den Mut geben, mit seiner Kunst im Mittelpunkte des Kunst- lebens in die Schranken zu treten. 1 509 oder 1510 scheint der Künstler nach Rom gekommen zu sein, wo mit seinem Auftreten eine neue Epoche in der Geschichte des Kupferstiches beginnt. Man führt gewöhnlich die Wandlung, die in Marcantons Stil seit dem Beginne seiner Tätigkeit in Rom eintritt, auf seine Beziehungen zu RafFael, dessen sozusagen offizieller Interpret er bald werden sollte, zurück. Es müssen aber vor seiner Annäherung an RafFael noch zwei andere Elemente bestimmend auf ihn eingewirkt haben. Technisch scheinen die Stiche des Lucas von Leyden sein leicht erregbares und äusserst schmieg- sames Talent wieder auf neue Wege und Ziele aufmerksam gemacht zu haben. Er bemüht sich in seinen ersten römischen Arbeiten die feinere Strichführung des Holländers, die Zartheit der Uebergänge und den hellen, silbrigen Ton seiner Stiche nachzuahmen. Einen äusseren Beweis für sein eingehendes Studium der Werke des Lcydcner Stechers liefern die Hintergründe in den „Kletterern"

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von 1510 (B. 487) und im Sündenfall (B. 1), die beide nach Stichen des Lucas von Leyden kopiert sind. Besonders in der Zeichnung des lockeren, zarten Baumschlages und der leichten, duftigen Fernblicke in der Landschaft hat er sich die Technik des Lucas von Leydcn zum Vorbilde genommen.

Künstlerisch scheint sich vor und neben die raffaelischen Eindrücke die Beziehung zu Baldassare Peruzzi zu schieben. Man hat neuerdings eine ganze Reihe von Stichen Marcantons mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Kompo- sitionen Peruzzis zurückführen können, so z. B. den sogenannten Triumph des Titus (B. z 1 2,), für den die Originalzeichnung Peruzzis noch im Louvrc bewahrt wird, Orpheus und Eurydice (B. 205), der Satyr und der Faun (B. 294), der Satyr mit dem Kinde (B. 296), das Sternzeichen des Widders (B. 2,84) und einige schwächere, wohl für den Verkauf schnell und flüchtig ausgeführte Blatter wie die vier römischen Helden (B. 188 191).

Der Einfluss Peruzzis und RafTaels auf Marcanton gibt sich vor allem darin zu erkennen, dass seine Technik die herb-plastische, fast metallische Schärfe, die seine Arbeiten bis etwa 1 509 zeigen, überwindet und nach Weich- heit der Formenverbindungen und farbiger Abstimmung der Töne zu streben beginnt. Durch das eingehende Studium der römischen Meister befreit sich Marcanton aber auch von den Angewöhnungen der francesken Manier und bildet sich einen grosszügigen, aber doch sehr präzisen und feinfühligen Zeichen- stil aus. RafTael verdankt er vor allem die Verfeinerung seines künstlerischen Formgefühls und die staunenswert rasche Entwickelung seines zeichnerischen Talentes. Als sein treuester und gefühlvollster Interpret hat er seinerseits ausser- ordentlich zur Verbreitung der glänzenden Herrschaft des Urbinaten beigetragen.

Erst einige Zeit nach seiner Ankunft in Rom scheint Marcanton in ein festes Arbeitsverhältnis zu dem Meister getreten zu sein. Wie weit RafTael die Vor- lagen für den Stecher ausführte oder von seinen Schülern vorbereiten Hess, ist schwer mit Sicherheit festzustellen. Es scheint aber aus einigen Fällen, in denen Originalzeicbnungen RafTaels zu Kompositionen, die Marcanton gestochen hat, sich erhalten haben, hervorzugehen, dass dem Stecher nur flüchtige Skizzen in die Hand gegeben wurden, aus denen er sein Bild zusammenzusetzen und in allen Details selbständig auszuarbeiten hatte. Dafür spricht auch, dass Marc- anton die Hintergründe ganz selbständig nach eigenem, oft nicht einwandfreiem Gutdünken hinzugefügt hat. Wenn dem so ist, dann kann man von Marcantons zeichnerischem Geschick, von seiner Formenkenntnis und vor allem von seiner

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Marcantonio Kaimondi. l.ucrctia.

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Feinfühligkeit schwer hoch genug denken. Jedenfalls hat Marcanton besonders in der früheren Zeit fast immer nicht nach den ausgeführten Werken des Meisters, sondern nach vorbereitenden, von der cndgiltigcn Fassung der Kom- positionen oft bedeutend abweichenden Zeichnungen gearbeitet. Man kann seine Stiche also nicht eigentlich Reproduktionen, sondern nur freie, aber ganz stilgemässe Ucbcrtragungcn, Paraphrasen der Werke des Malers nennen.

Das erste Jahrzehnt seines Aufenthaltes in Rom bis zum Tode RafFaels bezeichnet den Höhepunkt der Tätigkeit Marcantons. Besonders in den ersten fünf Jahren arbeitet er mit der allergrößten Liebe und Sorgfalt. Zu den frühesten römischen Stichen gehören, ausser den schon erwähnten Kletterern nach Michelangelo von i 5 10 (B. ^87) und dem Sündenfall, die Dido (B. 1 87}, die Lucretia (B. 191 s. Abb.) und der bethlehemitische Kindermord (B. 18}. Dieser Stich, der nach den erhaltenen Zeichnungen in Windsor und im British Museum zu urteilen, von dem Künstler sehr selbständig aus Studien RafFacls zusammengestellt worden ist , scheint so starken Absatz gefunden zu haben, dass er ihn sehr bald noch einmal wiederholen musstc (B. zo). Man hält gewöhn- lich das eine oder das andere Blatt für eine Kopie von der Hand eines anderen Stechers. Wie in anderen Fällen, z. B. bei der Madonna mit der Leiche Christi (B. 34 und 35), zeigt aber auch hier der eine Stich (B. zo) dem anderen (B. 1 8) gegenüber nur eine Wciterentwickelung derselben persönlichen Stecher- handschrift zu grösserer Freiheit der Zeichnung und zu malerischer Breite.

Ungefähr aus derselben Zeit stammen die Philosophie (B. 381), die Poesie (B. 3 8z), die Madonna in Wolken (B. 47), der Apollo (B. 334), Venus und Amor (B. 311), Venus sich abtrocknend (B. Z97) und der Puttentanz (B. z 1 7), die vorzüglichsten Meisterschöpfungen Marcantons und RafFaels, in dessen Kunst er sich hier mit innigster Begeisterung vertieft. Die koloristische Tendenz in RafFacls Schaffen spiegelt sich stärker in einigen anderen, nicht minder vor- trefflichen Stichen, wie in dem Martyrium der h. Felicitas (oder Caecilia, B. 117) und im „Morbctto" der phrygischen Pest nach der Erzählung in Virgils Aeneis (B. 417). Eine merkwürdige Rekonstruktion nach Motiven antiker Denk- mäler, die von RafFael herrühren soll, ist das grosse Parisurteil (B. Z45); eine Komposition RafFaels ähnlicher Art ist das sogenannte „Quos ego" (B. 35 z), eine Reihe von Szenen aus dem Anfange der Aeneis. Auch das prächtige Bild- nis des Pictro Arctino (B. 513) muss um diese Zeit, etwa 1516, entstanden sein.

Seit 1515 benutzt Marcanton zur Bezeichnung seiner Stiche häufiger ein

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leeres Täfelchen, das er wohl Dtircr nachgemacht hat. Sein Monogramm, dessen Zusammensetzung in den ersten Zeiten noch schwankte, behält seine dann festgestellte Form, eine Zusammenziehung der Buchstaben M A F, auch neben der Tablette bei. Eine Reihe der besten Stiche ist aber auch ganz ohne Bezeich- nung geblieben. Um diese Zeit vollzieht sich eine neue Wandlung in Marcantons Technik. Von der überaus zarten und engen, silbrig tönenden Strichführung der Zeit von etwa 1 5 1 o 1 5 1 5 geht er zu einer gröberen und trockneren Manier über. Die einzelnen Linien werden dicker und länger, klarer von einander geschieden, gewundener, aber doch lebloser geführt, die Schatten sind sehr tief und satt und schärfer gegen die Lichter abgehoben. Das ganze Verfahren der Formenbildung wird summarischer, auf die schnellere Ausfüllung grosser Flächen berechnet. Jetzt scheint auch die Arbeit der Schüler, die zahlreich in Marcan- tons Werkstätte lernend und helfend tätig waren, sich geltend zu machen.

Charakteristisch für den Stil dieser Zeit sind die grossen Blätter nach Raffaels Zeichnungen, wie die „fünf Heiligen" (B. 113) und die Pietä (B. 37), nach Entwürfen zu den Stanzen, den Loggien, den Farnesinarrcskcn und den Teppichkartons, wie der Parnass (B. 247), Joseph und die Potiphar (B. 9), Amor und die Grazien (B. 344), Mercur (B. 343), Jupiter Amor küssend (B. 34z, s. Abb.), die Galathea (B. 3 50), die Predigt Pauli (B. 44); dann nach Tafclgemälden die heilige Caecilia (B. 1 1 6), die Madonna mit dem Palmbaum (B. 61), die sogenannte Madonna mit dem langen Schenkel (B. 57), ferner die Folgen der Apostel (B. 64—76) und der kleinen Heiligen (B. 114—184), nach Antiken die Cleopatra (Ariadne? B. 210), das Trajansrelief (B. 361), die drei Grazien (B. 340), Herkules und Antäus (B. 346), Pallas (B. 337) u. a. m.

Manche von diesen Stichen mögen erst nach Raffaels Tode entstanden sein, mit dem Marcantons unselbständige Natur ihren künstlerischen Halt verloren zu haben scheint. Ausser den Antiken liefern ihm nun Raftacls Schüler Vor- lagen. Die Uebertreibungen in Formen und Bewegungen, die ihre Werke kenn- zeichnen, reflektierten sich in Stichen, wie dem Manne, der eine Säulenbasis schleppt (B. 476) und dem ebenfalls nackten Krieger, der eine Fahne gegen den heftigen Wind aufzupflanzen sucht (B. 481). Für Marcantons letzte Zeit sind gegenständlich bezeichnend seine vielbesprochenen, aber nur in Fragmenten erhaltenen Illustrationen zu Aretinos „sonetti lussuriosi", die ihn ins Gefäng- nis brachten. Seine umfangreichste Arbeit ist das 44 X 5 8 cm grosse Martyrium des heiligen Laurentius (B. 104) nach Baccio Bandinclli, das zu einem häss-

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liehen, aber vom Papste zugunsten Marcantons entschiedenen Zank zwischen den beiden Künstlern Anlass gab.

Neben den grossen Stichen in der gröberen, für die Massenwirkung be- rechneten Technik, hat Marcanton in seiner letzten Zeit aber auch eine Reihe ganz kleiner Blätter in äusserst feiner, der Radierung ganz ähnlicher Manier

Marcantonio Raimondi. Jupiter Amor küisend. Aunchnitt.

gearbeitet, ja einige dieser Platten sind ohne Zweifel ganz radiert oder wenig- stens mit Beihilfe der Radierung ausgeführt. Er scheint hierbei mehrfach Zeich- nungen Andreas del Sarto benutzt zu haben. Dieser Art sind z. B. David (B. 1 1), Jupiter, Mars und Diana (B. 253 z 5 5), der Satyr mit dem Kinde (B. 28 1), die beiden Astronomen (B. 3 66), die drei Doktoren (B. 404), Amadeus Bcrrutus mit Austcritas, Amicitia und Amor (B. 355) und zahlreiche andere allegorische

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Darstellungen (s. Abb. S. 153). Von dem einzigen Versuch Marcantons in Holz- schnitt ist schon oben die Rede gewesen. Bei der Plünderung Roms im Jahre 1517 soll Marcanton seine ganze Habe verloren und sich nach Bologna geflüchtet haben, vo er bald darauf gestorben sein muss, denn im Jahre 1534 ^ird von ihm schon als von einem Verstorbenen gesprochen.

Marcantons hauptsächliches Verdienst für den Kupferstich liegt darin, dass er im Anschlüsse an Dürer ein eigenartiges italienisches System der Technik ausgebildet hat. Die klar ausgearbeiteten Taillen schmiegen sich in freier Rundung der Form an und schliesscn sich zu beweglichen Tünen zusammen, durch die die Formen plastisch gestaltet und die farbigen Gegensätze heraus- gehoben und verbunden werden können. Durch diese manigfaltigen Töne der geschlossenen und doch durchsichtigen Schattenmassen Hessen sich Raum- und Farbenwirkung der Gemälde bis zu einem gewissen Grade treu wiedergeben. Im Gegensatze zu dem wesentlich zeichnerischen Stil des älteren italienischen und des deutschen Kupferstiches, der die Formen von vornherein auf die line- aren Elemente reduziert, wird hier zum ersten Male in bewusster Absicht die Wiedergabe von Werken der monumentalen Kunst mit ihren spezifischen Wir- kungen erstrebt. Von Marcantons Technik nimmt daher der Reproduktions- stich seinen Ausgangspunkt. Sein Einfluss ist äusserst tiefgehend und weit- greifend gewesen. Mann kann vielleicht sagen, dass Dürer der Lehrer, Marc- anton das Vorbild für die Stecher der folgenden Generationen geworden sei.

Schon in Bologna hatte Marcanton in Jacopo Francia (geb. vor 1487, gest. I 5 57)> einem Sohne seines Meisters Franscesco Francia, einen Genossen und Nachahmer gefunden. Die mit J. F. bezeichneten Stiche, die man, wie einige unbezeichnete gleichartige Blätter, für Arbeiten Jacopos ansieht, schliessen sich meist der früheren Manier Marcantons an, sind aber besser gezeichnet und weicher und zarter gestochen und deshalb ohne Zweifel später entstanden als Marcantons frühe Bologneser Stiche. Als seine vorzüglichste Arbeit kann man die Lucretia(B.4) bezeichnen; ein früheres Werk scheint der Bacchuszug (B. 7) zu sein, der noch etwas strenger und steifer behandelt ist. Unter den späteren Stichen, die Jacopo Francia zugeschrieben werden, befinden sich Kopien nach Marcanton, wie Christus beim Pharisäer Simon (Pass. 8).

Eine eigentliche Schule scheint sich um Marcanton erst in Rom gebildet zu haben. Agostino dei Musi aus Venedig, daher meist Agostino Vene- ziano genannt (tätig 15 14 i5J<0, ^etn man unter Marcantons Schülern die

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erste Stelle einzuräumen pflegt, muss seine stecherische Ausbildung schon in Venedig erhalten haben. Mehrere mit seinem Monogramm A. V. und den Jahreszahlen i 5 1 4 und 1515 bezeichnete Stiche, zum Teil Kopien nach Giulio Campagnola, nach Jacopo de' Barbari und Dürer, sind noch ganz in der feinen, dünnen venezianischen Manier ausgeführt. In Florenz trat er dann mit Andrea del Sarto in Beziehung, den er aber mit seinem Stiche nach dem von Engeln betrauerten Heiland (B. 40, datiert 1 5 1 6), sehr wenig befriedigt haben soll. Wir werden das wohl glauben dürfen, da die sehr zarte, dünne Technik dieses stechcrisch vorzüglichen Blattes den plastischen und malerischen Qualitäten des Vorbildes durchaus nicht gerecht werden konnte. Erst in Rom, wohin er sich noch 1 5 1 6 begeben haben muss, konnte Agostino sich in der Schule Marcan- tons für solche Aufgaben vorbereiten. Er arbeitet nun vornehmlich nach Ratfacl und nach der Antike, später nach Giulio Romano, Baccio Bandinelli u. a. Wie die übrigen Schüler Marcantons hat auch er eine Reihe von Werken des Meisters nachgestochen. Zu seinen umfangreichsten und besten Stichen gehört das sogenannte Stregozzo (la Carcasse B. 416), die Darstellung eines Hexenzuges, die meist Marcanton selber zugeschrieben wird. In der letzten Zeit seiner Tätigkeit sticht er eine Reihe von Architekturtcilcn, Vasen und einige grosse Bildnisse. Agostinos Arbeiten sind sehr ungleich, manchmal technisch nicht ohne Glanz, aber in der Zeichnung fast immer oberflächlich und glatt.

Auch Marco Dente aus Ravenna, der 1527 beim Sacco von Rom seinen Tod gefunden hat, ist nur als Techniker tüchtig. Manche der Marcanton zu- geschriebenen Blätter mögen von ihm herrühren, wie z. B. die Madonna mit dem Fisch (B. 54). Er ist gewiss nicht nur Marcantons Schüler sondern auch sein Gehilfe gewesen und hat höchst wahrscheinlich an vielen der späteren Werke des Meisters mitgearbeitet. Besonders vorzügliche Stiche hat er nach Antiken ausgeführt und mit seinem Monogramm aus R S (Ravcnnas sculpsit?) oder mit seinem Namen: Marcus Ravenas bezeichnet, z. B. die Laokoongruppe (B. 553), die er noch ohne die Restaurationen, augenscheinlich nach einer am Fundorte selber gefertigten Zeichnung wiedergibt, ein antikes Relief in Ravenna, Putten mit den Emblemen Neptuns (B. 142), und die Marcaurelstatuc (B. 5 1 5). Er kommt in seiner Technik Marcanton sehr nahe, modelliert aber viel weich- licher und setzt die tiefen, satten Schattenmassen sehr stark gegen die Lichter ab.

In Marcantons Werkstatt scheint auch der Stecher, der seine Blätter mit B. oder B.V. und einem Würfel bezeichnet, gearbeitet zu haben. Man hat

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den Künstler, der um 1522 1533 in Rom tätig gewesen ist, mit einem von alter Tradition genannten natürlichen Sohne Marcantons, Bcncdetto Verini, identifizieren vollen. In seiner Technik schliesst er sich dem späteren Stile Marcantons an, in der Zeichnung ist er durchaus Nachahmer raffaelischer Formen. Sein Werk ist stilistisch und technisch einheitlicher als das der anderen Gehilfen Marcantons. Eine Folge von Illustrationen zur Psychesage, an der auch Agostino Veneziano mitgearbeitet hat, scheint durch RafFaels Fresken in der Farnesina angeregt zu sein.

Als der selbständigste und talentvollste Stecher, der aus der Marcanton- schule hervorgegangen ist, mussGiovanniJacopoCaraglio,der sich bald Parmensis bald Veronensis nennt, bezeichnet werden. Er soll 1500 in Parma geboren sein, 1539 als Stein- und Stempelschneider in die Dienste des Königs von Polen getreten und 1570, kurz nach seiner Rückkehr von dort, gestorben sein. Caraglio stach nicht nur nach Zeichnungen RafFaels und seiner Schule sondern häufig auch nach Parmigianino und Giov. Batt. Rosso, deren schlanke, gezierte Formen und sinnlich überreizte Empfindungen er mit seiner überaus feinen, gleich- mässigen und geschmeidigen Technik vorzüglich zum Ausdruck zu bringen verstand, so in einer Folge der Gottheiten (B. 24 43 von 1526), in einer anderen mit sehr freien Darstellungen der Götterliebschaften (B. 9 23), in den Taten des Her- kules (B. 44—49) und anderen mehr. Caraglio zeichnet sehr sicher und pikant und weiss durch geschickte Schattendrucker den Formen im Sinne seiner Vorbilder Reiz zu geben. Seine Stichelführung mit ganz feinen, engen, stark gerundeten Taillen scheint vielen nordischen Stechern des XVI. Jahrhunderts als Vorbild gedient zu haben. Gute Drucke seiner häufig laseiven Stiche sind höchst selten.

In den zahlreichen, überaus flüchtig und fehlerhaft gezeichneten Stichen des Giulio Bonasone aus Bologna, der 1531 1574 tätig war, erscheint die kernige Technik Marcantons vollkommen verweichlicht und entnervt.

Der Betrieb des Kupferstichs in Rom wird nach dem Tode RafFaels und nach dem Fortzuge Marcantons immer geschäftsmäßiger und unkünstlcrischer. Die starke Nachfrage nach Reproduktionen der berühmten Werke RafFaels und Michelangelos und antiker Bildwerke begünstigt die massenhafte Herstellung geringer Arbeiten, die spekulative Unternehmer von flinken Stechern ausführen lassen. Aus diesem Verfahren entwickeln sich die Anfänge des modernen Kunstverlages und Kupferstichhandels. Schon RafFaels Faktotum Baviera (Bavcrio Carocci), der besonders geschickt im Drucken war, hatte

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begonnen , die Stiche Marcantons und anderer Künstler nach RafFaels Kom- positonen kaufmännisch zu verwerten. Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts betreibt der Stecher Antonio Salamanca aus Spanien und neben und nach ihm Antonio Lafreri, Giovan Giacomo Rossi, Tommaso Barlacchi, Nicolo Nelli, Claudio Duchetti und andere mehr in Rom dies Geschäft ganz berufsmässig und systematisch. Sie kaufen ältere Platten auf, versehen sie mit ihrer Namensunterschrift, ihrer „Adresse", und bringen die Abdrücke zu- sammen mit Blättern eigener Arbeit in den Handel, Sie geben daneben aber auch neue Platten in Arbeit, beschäftigen wohl gar einzelne Meister oder Werk- stätten ganz mit der Herstellung der begehrten Stiche für ihren Verlag.

Dass die künstlerische Auswahl der Stoffe und die Qualität der Arbeit durch dies merkantile System auf ein bedenkliches Niveau sinken musste, liegt auf der Hand. Bei der grossen Mehrzahl derartiger Erzeugnisse kommt neben dem gegenständlichen Interesse das künstlerische für die Käufer wie für die Stecher wenig mehr in Betracht. Den archäologischen und historischen Studien wird besonders Rechnung getragen durch Abbildungen von Antiken, Architek- turen, Rekonstruktionen, durch Darstellungen von Oertlichkeiten und Ereig- nissen und durch Bildnisse berühmter Personen der Vergangenheit und Gegen- wart, die oft in langen historischen Serien veröffentlicht werden.

Nur einzelne der zahlreichen Kupferstecher, die für die Befriedigung solcher Bedürfnisse tätig sind, verdienen als verhältnismässig tüchtiger eine Erwähnung. EneaVico aus Parma (tätig um 1541 1567) hat ausser einer Masse flüchtiger Arbeiten , besonders in seiner früheren Zeit eine Reihe feinerer Blätter nach Raffael, Michelangelo, Parmigianino , Bandinclli, nach Antiken und beson- ders einige sehr gute Bildnisse ausgeführt. Seine in den früheren Arbeiten kräftigere und breitere Schraffierung wird später sehr fein zugespitzt und stark gerundet, seine Technik hat ein kalligraphisch sauberes, gelecktes Aussehen. Sehr unternehmend und fleissig war auch der Franzose Nicolas Beautrizet (Beatricetto) aus Lothringen, der um dieselbe Zeit eine grosse Anzahl um- fangreicher Blätter, besonders auch das jüngste Gericht nach Michelangelo in 1 1 Platten und eine Reihe römischer Denkmäler für Lafrcris Verlag gestochen hat. In ähnlicher Weise arbeiten in Rom ausser vielen anderen z, B. Nicold della Casa aus Lothringen, Giov. Battista Cavalicri und Mario Car- taro. Dem Geschmackc der Zeit entsprechend wird Michelangelo von diesen Stechern Raffael gegenüber stark bevorzugt.

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Der efrektsüchtige, illusionistische Stil der Raumdekoration, mit dem Giulio Romano in Mantua die edlen Meisterwerke Raffaels zu überbieten sucht, gibt einigen Mantuaner Stechern die Anregung zu einer energischen Weiterbildung der Marcantonschen Technik. Giovanni Battista Sculptor (geb. 1505, gest. 1575), der älteste dieser Mantuaner Stechcrfamilic, die sich um Giulio Romano gruppiert, soll die reizvollen Stuckornamente im Palazzo del Tc aus- geführt haben. Nur etwa zo Stiche, alle nach Zeichnungen Giulio Romanos oder in seinem Stile, aus den Jahren 1554 x 5 3 9 sind von ihm bekannt. Seine Stichelführung, die an die spätere Marcantonsche Technik anknüpft, zeichnet sich durch Sorgfalt, Kraft und Glanz aus. Seine Tochter Diana Sculptor, die um 1588 starb, stach zuerst nach Giulio Romano in etwas trockenerer und weniger korrekter Manier, besonders ein grosses Blatt nach Giulios Hochzeit der Psyche. Später ging sie nach Rom und reproduzierte Gemälde der damaligen Modcmaler Raffaello da Reggio und Zuccari. Unbe- deutender und kleinlicher ist die Art ihres Bruders Adamo Sculptor (um 1 566 1 577 tätig) der sich den deutschen Kleinmeistern nähert.

Zur Familie der Sculptor pflegte man früher auch Giorgio Ghisi (geb. in Mantua 1520, gest. ebenda 158z) zu rechnen, er scheint aber mit ihnen nur künstlerische Beziehungen gehabt zu haben. Er soll längere Zeit in Rom besonders als Waffengraveur tätig gewesen sein. Ghisi ist der vorzüglichste Interpret der Kunst Giulio Romanos geworden, dessen geschwollenen, skulp- turalen Stil er, obwohl kein sehr sicherer Zeichner, mit seiner Technik vor- trefflich wiederzugeben versteht (s. Abb.). Er strebt offenbar, die Grosszügigkcit der Marcantonschen Technik zu bewahren und sie dabei in der Detail behandlung zu verfeinern, die Modellierung durch Verdünnung und Zuspitzung der Linien und besonders durch Verwendung zahlreicher Punkte weicher und üppiger zu gestalten. Ohne Zweifel hat er hierfür manches den deutschen Kleinmeistcrn ab- gesehen. Ausser zahlreichen Kompositionen Giulio Romanos hat Ghisi auch Raffaels Disputa und die Schule von Athen, das jüngste Gericht von Michel- angelo auf 1 1 grossen Platten gestochen , ferner nach Luca Penni , Pcrino del Vaga und nach seinem Bruder Tcodoro Ghisi, der wie er selber Schüler Giulio Romanos gewesen ist. Ghisi ist auch in Antwerpen für den niederländischen Stecher und Verleger Hieronymus Cock, mit dem er in Rom erfolgreich in Wettstreit getreten war, tätig gewesen.

Der letzte bedeutende Vertreter der in der Marcantonschule ausgebildeten

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Technik ist Martino Rota aus Scbcnico in Dalmatien, der zwischen 1558 und 1 5 8 6 tätig war. Seine Stiche besitzen eine bewunderungswürdige Sauber- keit und Gleichmässigkeit der Linienführung und prächtigen Glanz der Töne. Sein viclgcrühmtes Meisterwerk ist ein kleiner, äusserst fein durchgeführter Stich

Giorgio Ghisi. Der Sieg. Obere Hälfte.

nach Michelangelos jüngstem Gericht (1 569). Er hat auch nach Dürer kopiert (1566) und einige sehr gute Stiche nach Tizian, z. B. den Petrus Martyr, aus- geführt, ferner eine Reihe vorzüglich feiner Bildnisse, die manchmal, trotz einer gewissen Trockenheit, an Bartel Bcham erinnern. In seiner späteren Zeit scheint er schon von der niederländischen Technik becinflusst worden zu sein.

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Marcanton hatte seinen Vorlagen gegenüber in Komposition und in der Dctailbehandlung noch eine grosse Selbständigkeit zu bewahren vermocht, die Konsequenz seines Strebens nach treuer Wiedergabe des Eindruckes der Monu- mentalwerke bringt aber naturgemäss die folgenden Stechergenerationen nach und nach vollständig in Abhängigkeit von ihren monumentalen Vorbildern. Zumal nun durch das Uebergewicht, das die venezianischen Schulen gewinnen, die koloristischen Tendenzen sich in der italienischen Kunst wieder stärker geltend machen, wird auch der Kupferstich dazu gedrängt, seiner Technik durch eine gesteigerte Ausnutzung ihrer Mittel neue malerische Wirkungen abzugewinnen. Um diesen Bestrebungen nach einem monumentalen Repro- duktionsstil, wie er den Kupferstechern seit Marcanton vorschwebte, zu durch- schlagenden Erfolgen zu verhelfen , bedurfte es aber wieder des unmittelbaren Eingreifens selbständiger Malertalente. Diese neue Anregung empfängt der Kupferstich in erster Linie durch die Carracci. Ihnen ist aber einerseits durch die niederländischen Stecher, besonders durch Cornelis Cort vorgearbeitet worden, andrerseits in Italien selber durch die hier eifrig gepflegte Radierung, die ja durch ihre freie Behandlung der Linie leichter farbigen Effekten nachgehen konnte.

Radierte Arbeiten lassen sich schon im Werke Marcantons mit Sicherheit nachweisen, sie sind aber noch ganz in der Art der Grabsticbeltechnik aus- geführt. Mit ganz anderer künstlerischer Freiheit und Kühnheit behandelt der Maler Francesco Mazzuola genannt Parmigianino (Parma i 504 1 540), der geistvolle und sensible Nachfolger Corregios die Actztechnik. Wie er in seinen Gemälden die natürlichen Formen vergewaltigt, um die überreizte Emp- findsamkeit seiner überschlanken und zarten Gestalten zum Ausdrucke zu bringen, so führt er auch in der Radierung die Linie mit einer genialen Flüchtigkeit, die fast affektiert aussieht. Technisch sehr unvollkommen, entbehren seine Radie- rungen in ihrer kecken, trotz aller Maniertheit treffenden und ausdrucksvollen Andeutung der Formen für den Liebhaber seiner Kunst nicht eines starken Reizes. Seiner Kunstweise war diese Technik durchaus gemäss. Er hat nur eine kleine Anzahl von Blättern radiert, unter denen die Grablegung und die An- betung der Hirten die bedeutendsten sind. (S. die Abb. nach der Ver- kündigung}.

Auch bei Parmigianinos Schülern und Nachfolgern behält die Radierung ganz den Charakter der flüchtigen, mit langen Strichen gezeichneten Skizze. Die Anfänge der Radierung haben also mit denen des künstlerischen Kupferstiches

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in Italien grosse Aehnlichkeit. Parmigianino hat Schule gemacht auch mit seiner anscheinend ganz persönlichen Manier der Radierung. In seiner Weise und meist auch nach seinen Zeichnungen hat Andrea Schiavone genannt Mcl- dolla (geb. in Scbenico 1522, gest. in Venedig 1582) eine Anzahl skizzen- haft hingeworfener Darstellungen radiert oder mit der Schncidcnadcl gestochen.

Sie sind mit den Buchstaben A M signiert. Eine Reihe mythologischer Darstellungen und Bildnisse in orna- mentalen Umrahmungen, die offen- bar als Vorbilder bestimmt waren, hat er in etwas sorgfältigerer und rcgclmässigcrcr Radierung ausge- führt und mit seinem vollen Namen Andrea Schiavone bezeichnet. Früher glaubte man irrtümlich, dass Andrea Mcldolla und Andrea Schiavone zwei verschiedene Personen seien. Ein Schüler Parmigianinos muss der Künstler gewesen sein, der eine Reihe von Blättern mit den Buch- staben F. P. bezeichnet hat, die ent- weder seinen Namen oder den seines Meisters, des mutmasslichen Erfinders der Darstellungen (Francis- cus Parmcnsis), andeuten sollen.

Ausser diesen und anderen un- mittelbaren Schülern empfängt noch eine zweite Gruppe von Radierern ihre Anregung von Parmigianino. Es sind dies die Maler und Stuckdekorateure, deren Tätigkeit sich auf die Aus- schmückung des Schlosses von Fontaincbleau konzentriert hat. Diese Schule von Fontainebleau geht ganz im französischen Geiste auf, ihr Stil wird von Franzosen aufgenommen und weitergebildet, aber ihren Ursprung hat sie in Italien. Der erste Künstler, der von König Franz L nach Fontainebleau berufen wurde, war der Florentiner Giov. Battista Rosso, neben und nach ihm wurde Fran-

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cesco Primaticcio der massgebende Meister und der Leiter der Arbeiten. Der Stil Giulio Romanos verbindet sich bei ihm mit Parmigianinos Formen, die dem französischen Ideal nahe standen, zu sehr manierierten, aber dekorativ wirkungsvollen und sinnlich gefälligen Bildungen. Primaticcio selber schreibt man nur venige Radierungen zu, und auch diese nur vermutungsweise, aber von seinen zahlreichen italienischen, niederländischen und französischen Gehilfen haben mehrere die mythologischen und ornamentalen Darstellungen des Meisters und seiner Schule durch die Radierung vervielfältigt. Ihre Strich Führung ist sehr zart, aber bestimmt und in zusammenhängenden Zügen, nicht so skizzen- haft und gesucht flüchtig wie die Parmigianinos. Dickere Linien wirken hier sehr grob, aber die feine, scharfe Nadelarbeit hat trotz der gekünstelten Ver- bindung von Zierlichkeit der Form mit übermässiger Kraft der Bewegungen, trotz aller Manieriertheit einen gewissen Reiz.

Von den Autoren dieser zum grossen Teil unbezeichneten Blätter sind uns nur wenige bekannt, so der auch als Holzschneider vorzügliche Antonio Fantuzzi aus Trento, der um 154z -1545 eine Reihe von Radierungen nach Parmigianino, Rosso, Primaticcio, Giulio Romano u. a. angefertigt und bezeich- net hat, Domenico del Barbiere aus Florenz, der 1540 1565 in Fon- tainebleau tätig war, Vincenzo Caccianemici und Guido Ruggieri aus Verona. Ferner hat der Niederländer Leonard Tiry aus Deventer (um 1540 bis 1 547) viel nach Primaticcio radiert und zahlreiche Vorbilder für Ornamentik, die überhaupt hier eine besonders grosse Rolle spielt, geliefert. Die franzö- sischen Radierer dieser Schule leiten dann den Stil der italienischen Meister vollends in die Bahnen des gallischen Geschmackes über.

Um so energischer wird der nationale und lokale Charakter ihrer Kunst von der Gruppe der Venezianer und der Vcroneser Radierer und Stecher betont. Ihre Beziehungen zur Schule von Parma und Bologna sind nicht klar, sie scheinen jedenfalls eher auf technischem als auf künstlerischem Gebiete zu liegen. Den geistigen Mittelpunkt dieses Kreises bildet Tizian. Er selber scheint sich nicht an der Arbeit beteiligt zu haben, denn die traditionellen Zu- schreibungen einzelner Blätter sind ohne weiteres von der Hand zu weisen. Das- selbe gilt von den Radierungen, die für Werke Rocco Marconis oder Tintorettos ausgegeben werden. Tizian hat seine persönliche Teilnahme, wie wir sehen werden, mehr dem Holzschnitte zugewandt. Trotzdem ist der Einfluss seiner Kunst auch für den Kupferstich bedeutend genug gewesen.

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Der Maler und Stuckateur Giovanni Battista Franco genannt Sem o- lei (geb. in Venedig oder Udine 1498 oder 1510, gest. in Venedig 15Ö1) folgt in seiner Vorliebe für die florentinischen und römischen Meister und für die Antike vielfach noch den Traditionen der Marcantonschule. Er verbindet auch mit der Radierung die Grabstichelarbeit, aber seine Formengebung ist in ihrer fliessenden Weichheit und üppigen Rundung durchaus venezianisch. Ein Verwandter des Giov. Battista scheint Giacomo Franco, der als Stecher und Verleger mit ihm in Beziehung steht, gewesen zu sein. Als ein Schüler Tizians und Torbidos wird der Veroncse Giovan Battista d'Angeli del Moro, der um 1 550 tätig war, bezeichnet. Es sind von ihm 43 Radierungen nach Parmi- gianino, dessen lockere Technik er nachzuahmen sucht, nach Tizian und nach eigenen Zeichnungen erhalten. Sein Sohn und Schüler Marco hat ebenfalls einige Radierungen hinterlassen. Nur ein einziges, geistreich und frisch radiertes Blatt kennt man von Sebastiano de'Valcntini aus Udine (um 1550). Die Brüder Giovan Battista und Giulio Fontana aus Verona, um 1 559- 1580 tätig, schöpfen hauptsächlich aus dem Schatze Tizianscher Erfindungen. Von besonderem Interesse ist unter ihren 71 mit dem Grabstichel überarbeiteten Radierungen die Schlacht bei Cadore nach Tizians zerstörtem Gemälde. Breit und kräftig, ohne Grabstichelarbeit sind die schwungvollen Darstellungen des Paolo Farinati ausVerona(i 525 nach 1604) ausgeführt; sein Sohn Orazio Farinati hat ebenfalls einige interessante radierte Arbeiten veröffentlicht. Die Tätigkeit des Jacopo Palma giovine (1 544 1628) ragt schon in das XVII. Jahrhundert hinein, seine immerhin noch feste Technik ist aber durchaus cinqueccntistisch. Der glatten, langgezogenen Strichführung Parmigianinos gibt er mehr Nerv und Tönung, um den Rest von Kraft, den das venezianische Kolorit in seiner Kunst noch bewahrt hat, zur Geltung zu bringen. Seine etwa 2 7 radierten Studien wurden nach seinem Tode gesammelt und mit anderen Blättern 1636 als „Regole per imparare a disegnare" herausgegeben.

Als selbständige und interessante Maler-Radierer sind hier noch hervor- zuheben die Bologneser Bartolomeo Passarotti (gest. 1592), der 25 Blätter leicht und kühn in sehr dünnen, rundlichen Strichen radiert hat, und Camillo Procaccini (1 546— 1 626), von dem nur fünf geistreiche Radie- rungen, in denen er sich manchmal Barocci nähert, bekannt sind. In Rom hat Bernardino Passari (um 1577-— 1583) eine grössere Anzahl (78) Blätter in Radierung und Stich ausgeführt.

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Ktdtrico Birocci. Madonna mit dem Kinde in Wolken.

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Eine hervorragende, allerdings etwas abgesonderte Stellung nimmt in der Entwicklung der italienischen Radierung Federico Barocci (geb. in Urbino i 528, gest. 1602) ein. Künstlerisch von der norditalienischen Radierung ganz unabhängig, sucht er auf seine eigene Weise durch frei geführte, gekreuzte Strich- lagen die Tiefe der Grabsticheltechnik zu überbieten und zugleich ihre kalte Glätte zu vermeiden, die scharfen Kontraste der dunklen, durch Grabstichel arbeit verstärkten Schatten gegen die hellen Lichter durch zart punktierte Halbtöne in rascher Ueberleitung zu verbinden. Es gelingen ihm so die pikantesten und stimmungsvollsten malerischen Wirkungen und Bcleuchtungseffekte, die die Leistungen seines Pinsels oft weit übertreffen. Seine fleckig modellierende, kontrastreiche, aber doch sehr zarte Technik gibt die Stoffe, besonders das Haar und das weiche, rosige Fleisch seiner etwas süsslichen Gestalten be- wunderungswürdig wieder. Die wenigen Radierungen Baroccis, wie die Ver- kündigung, die Stigmatisation des heiligen Franciscus, der heilige Franciscus in der Kapelle, dem Christus erscheint, die Madonna in Wolken (s. Abb.) gehören ohne Frage zu den vorzüglichsten Werken der gedruckten Kunst in Italien.

Nur einige mittclitalicnische Maler folgen den Anregungen, die Barocci in seinen Radierungen gibt. Seiner Manier und Technik nähern sich in ihren Radierungen die Sicneser Francesco Vanni (1563 1Ö10) und Ventura Salimbeni (gest. 1613) und der Römer Vespasiano Strada (geb. um 1 570 1575). Reicher, aber wenig wertvoll, ist das Werk des Raffaelo Schiaminossi (geb. in Borgo S. Sepolcro 1570, gest. nach iözo), von dem 1 3 7 Radierungen, darunter einige nach Barocci und merkwürdigerweise auch eine Reihe von Kopien nach Stichen des Lucas von Lcyden erhalten sind. Der vorzüglichste und geistreichste Nachahmer der Technik Baroccis ist der römische Porträtist Ottavio Leoni (oder Lioni, geb. 1574, gest. 1626?), der hier ge- nannt werden muss, obwohl seine stechcrische Tätigkeit ganz in das XVII. Jahr- hundert fällt. Ausser einigen nur leicht skizzierten Bildnissen hat er eine Reihe von Blättern, seinen berühmten Stiftzeichnungen ähnlich, mit grösster Sorgfalt und Zartheit ausgeführt. Die tiefen Schatten sind mit kräftigen Stichellinien verstärkt, die Modellierung des Fleisches ist äusserst fein und duftig mit Punkten durchgeführt, die Glätte und der Glanz der Haut dabei allerdings etwas zu stark betont. Unter den offenbar sehr ähnlichen Bildnissen finden sich z. B. das des Galilei, die Gucrcinos, Bcrninis und anderer zeitgenössischer Künstler.

Das lebhafte Interesse selbständiger und führender Künstler für die

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Radierung und ihre tätige Beteiligung an der Ausbildung der Technik führt nun auch der eigentlichen Grabstichelkunst wieder neue tüchtige Kräfte zu. Sie nimmt nach dem handwerklichen Verfall in den Generationen nach Marcanton gegen das Ende des Jahrhunderts wieder einen neuen Aufschwung. Es sind die Carracci, die Gründer der bolognesischen Schule, die wie in der Malerei so auch in der Kupferstechkunst die Führung Ubernehmen.

Der älteste der drei Brüder Lodovico Carracci (geb. in Bologna 1555, gest. 16 19) hat nur wenige, allerdings meisterhaft gezeichnete, höchst poetische Darstellungen der Madonna und der h. Familie radiert, die Baroccis Werken an die Seite gestellt werden könnten. Annibal e Carracci (geb. 1560 in Bologna, gest. 1600 in Rom) hat sich häufiger, aber auch nur gelegentlich in Kupferstich und Radierung versucht. Zu seinen vorzüglichsten Arbeiten gehören z. B. die reizende Madonna mit der Schwalbe von 1587 (B. 8), die h. Familie von 1590 (B. 11) und der berühmte „Cristo di Caprarola" von 1597 (B. 4, s. Abb.). In jeder Beziehung bedeutend ist das reiche Werk Agostino Carraccis (geb. in Bologna 1557, gest. in Parma löoz), der als der eigent- liche Reformator des italienischen, reproduzierenden Kupferstichs gelten kann. Er soll bei Domenico Tibaldi und bei dem Niederländer Cornelis Cort gelernt haben. Die Verdienste jedes einzelnen lassen sich bei dieser engen Wechsel- beziehung zwischen niederländischer und italienischer Technik schwer abwägen. Cort selber muss von Tizian, in dessen Auftrag er gearbeitet hat, wichtige Anregungen empfangen haben. Jedenfalls ist ihnen beiden das Streben nach grosser, malerischer Wirkung durch ganz freie Behandlung der zeichnenden Linien und sehr glcichmässige, klare Führung der modellierenden Taillen gemeinsam. Die einzelnen, weit gestellten Schraffierungslinien sind hier durch kunstvolle Biegungen und durch starke Anschwellung und Verjüngung für die Formbildung und Schatten Wirkung aufs äusserste ausgenutzt. Es ist bezeichnend, dass Agostino diese grosszügige Grabsticheltecbnik hauptsächlich in der Wieder- gabe von Gemälden der venezianischen Koloristen ausbildet. Der Kupferstich hatte sich schon so vollkommen zur Reproduktionstechnik entwickelt, dass auch ein so erfindungsreicher Künstler wie Agostino Carracci sie vornehmlich zur Dar- stellung fremder Kompositionen verwendet. Es macht sich hierin aber auch der eklektische und kritisch beobachtende Geist der bolognesischen Schule geltend.

Die noch mehr quattrocentistische Geschlossenheit der Formen Correggios entspricht seinem Stil weniger als die freie Breite und üppige Kraft der Gestalten

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Agostmo Carracci. Bildnis des Schauspielen Sivel.

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Vcroncscs und Tintorettos, deren Gemälde er besonders vortrefflich nachzu- bilden verstanden hat. Unter Agostinos zahlreichen Stichen, die aber keines- wegs alle von der gleichen Vorzüglichkeit sind, besitzen die Blätter nach Paolo Veroncse, wie die Kreuzigung (B. 21), die Madonna mit Heiligen (B. 96), die Verlobung der h. Catharina (1582, B. 98) und nach Tintorctto, wie die Ver- suchung des h. Antonius, (t 582, B. 63), der h. Hieronymus (1 588, B. 76) und die grosse Kreuzigung (1589, B. 23) mehr farbige Qualitäten als die spätesten Arbeiten, z. B. die Flucht des Aeneas nach Barocci (1595, B. 1 10) und der un- vollendete h. Hieronymus (B. 75), die seine lineare Technik in vollster Reinheit ausgebildet zeigen. Hervorzuheben sind auch einige Bildnisse, wie das des Schauspielers Sivel (B. 1 5 3 , s. Abb.), das des Aldovrandi (B. 1 3 7) und das monu- mentale, lebensgrosse Portrait Tizians von 1 587 (B. 154). Agostino hat ausser- dem auch viele kleinere mythologische und allegorische Kompositionen eigener Erfindung, Illustrationen zu Tasso, Theaterszenen, Wappen und selbst ein Zeichenbuch zum Unterricht für Anfänger gestochen.

An Agostino Carracci haben fast alle, die am Ende des XVI. und am An- fange des folgenden Jahrhunderts den Grabstichel führen, sich gebildet. Alle aber stehen ihm an Sicherheit der Zeichnung, Klarheit und Geschmack der Linienführung weit nach. Sein vorzüglichster Zeitgenosse und Nachfolger ist wohl Cherubino Albcrti (1522 1615), der sehr flott und elastisch, aber auch flüchtig arbeitet, und der ausser vielen Kompositionen anderer Meister, besonders Polidoros, auch eigene, hauptsächlich ornamental interessante Zeich- nungen in Kupferstich vervielfältigt hat. In ähnlicher Manier stechen Aliprando Capriolo (tätig 1 577 1596} und Orazio de Sanctis (tätig 1 568 1 577?). Andere Nachahmer Carraccis sind z. B. der Bolognese Francesco Brizio, Giov. LuigiValesio, Raffaello Guidi, Carlo Cesio und Giov. Andrea Maglioli. Handwerklicher arbeitet Francesco Villamena aus Assisi (tätig in Rom etwa 1 590 bis 1622), meist leer und kalt, anziehender nur in seinen Bildnissen, z. B. dem des Galilei, und in seinen Darstellungen aus dem Volks- leben z. B. dem Schweizergardisten als Fremdenführer. Luca Ciamberlano (tätig in Rom 1599 1^4i) so" Villamenas Schüler gewesen sein. Endlich sei noch der Franzose Philippe Thomassin ausTroyes genannt, der in Rom eine reiche Tätigkeit als Stecher und Verleger entfaltet.

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DER HOLZSCHNITT IN ITALIEN.

ENEDIG behauptet noch ausschliesslicher als im XV. und im beginnenden XVI. Jahrhundert im weiteren Verlaufe der Entwickelung des italienischen Holzschnittes den ersten Platz, ja fast die Alleinherrschaft auf diesem Gebiete. Dem Niedergange in den ersten Jahrzehnten des XVI. Jahrhunderts folgt ein neuer Aufschwung in technischer wie auch in künstlerischer Beziehung. Aus der derb schraffierenden Manier, die im An- fange des XVI. Jahrhunderts meist mit ganz handwerksmässiger Sorglosigkeit ausgeübt wurde, entwickelt sich in der Buchillustration ein eleganter, glatter und glänzender Holzschnittstil, der in Feinheit und Schärfe der regelmässigen und stark gerundeten Taillen, in der Weichheit der Modellierung und in der Ab- stufung der Töne mit der Kupferstichtechnik in Wettstreit tritt. Ein neuer Strom von Leben dringt in das alte, anscheinend schon abgebrauchte System der Holz- schnitttechnik. Es sind offenbar wieder bessere Kräfte, die von den Verlegern für die Vorzeichnungen der Buchillustrationen herangezogen werden, und die nun auch die Holzschneider zu sorgfältigerer und mehr künstlerischer Arbeit anhalten.

Der Holzschnitt macht hier noch eine letzte grosse Anstrengung, das Gebiet der Buchillustration gegen den eindringenden Kupferstich zu verteidigen, der aber trotzdem immer mehr an Boden gewinnt und mit dem XVII. Jahrhundert den Holzschnitt fast vollständig verdrängt hat. Durch das ganze XVI. Jahr- hundert jedoch erhält sich dieser verfeinerte, routinierte Holzschnittstil, der sich oft bedenklich der Kupferstichtechnik nähert, immer noch konkurrenzfähig. Selbstverständlich hat auch das Vorbild des deutschen Holzschnittes, der in Dürerschcr und Holbeinscher Technik damals auf seiner höchsten Höhe stand,

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einen wesentlichen Anteil an dieser Umbildung des venezianischen Buchholz- schnittes. Wie beim Kupferstich mussten die Italiener auch am deutschen Holzschnitt die Konsequenz des Systems, die Oekonomie und die künstlerische Ueberlegung in der Verwendung der Mittel bewundern und nachzuahmen

Unbekannter venezianischer Meister. Bildnis des Kr. rYiscianesi.

suchen. Wir werden Übrigens unter den in Italien, besonders in Venedig tätigen Holzschneidern eine ganze Reihe deutscher Meister antreffen.

Auf den ersten Blick schon macht sich dieser neue Aufschwung in ange- nehmer Weise in einer Anzahl trefflicher Autorenbildnissc in Büchern der dreissiger und vierziger Jahre bemerkbar. Von grösster Schärfe und Feinheit ist z. B. der Schnitt in den lebensvollen Bildnissen Petrarcas (in der Ausgabe Maripieros 1536), des Fr. Priscianesi (dclla lingua romana, 1 540 Venezia, Zanetti, s. Abb.),

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in denen des Jason Maynus oder des Francesco Alunno (fabrica del mondo i 548"). Etwas freieren Stil zeigen z. B. die Bildnisse Ariostos (negromante 1535), Gio. Giac. Salvatorinos (thesoro di sacra scrittura o. J.). Einige dieser Autoren- bildnisse gebären zu den besten Werken des Holzschnittes und nehmen auch als Bildnisse einen hohen Rang ein. Ein frühes, treffliches Beispiel dieses feinen Holzschnittstils ist auch das Titelbild in Francescos de' Lodovici „trionfo di Carlo** (Venczia 1 5 j 5) , das den Autor darstellt, wie er sein Buch dem Dogen Uber- reicht. Von dieser feinen, sorgfältigen Arbeit mit sehr langen, gleichmässig dünnen und gerundeten Schraffierungslinien findet man später, um 1 560 1 5 80, zahlreiche Beispiele in den neuen Bibelbildern und den Illustrationen litur- gischer Bücher besonders aus dem Verlage der Giunta, des Johannes Variscus und der Sessa.

Ganz besondere Sorgfalt scheinen unter den venezianischen Verlegern Gabriel Giolitto de* Ferrari und Vincenzo Valgrisi auf die künstlerische Ausstattung ihrer Druckwerke verwendet zu haben. Sehr hübsch sind Titel- einfassung, Initialen und Textbilder in Giolittos Ausgabe von Boccaccios Decameronc (1 54z), von Ariosts Orlando (1 54z) und in Dolces „trasfbrmazioni" nach Ovid(i5 5)), die in einer noch kernigen, glatten und regelmässigen Schraffierungstechnik mit dunklem Gesamtton sorgfältig ausgeführt sind. Be- achtenswert ist hier die Betonung der landschaftlichen Hintergründe, die von nun an überhaupt vielen venezianischen Holzschnitten besonderen Reiz geben. Irrtümlich hat man diese Holzschnitte und eine Reihe anderer mit den Buch- staben G.G. F. bezeichneter Blätter ganz anderen Stils, von denen noch die Rede sein wird, Giolitto selber zugeschrieben. Sie sind aber sicher nicht das Werk eines vielbeschäftigten, wohlhabenden Verlegers, sondern die Arbeit von berufs- mässigen, routinierten Holzschneidern.

Von den illustrierten Drucken des Vincenzo Valgrisi verdient die prächtige Ausgabe von Ariosts Orlando, die 1556 zuerst erschien, besondere Beach- tung. Die Zeichnungen der blattgrossen, von reichen Bordüren umrahmten Illustrationen zu jedem Gesänge werden von der Tradition keinem geringeren als Dosso Dossi zugeschrieben. Das ist offenbar ein Irrtum. Sehr wahrschein- lich ist es dagegen, dass hier nur eine Verwechselung mit Dossos Bruder Gio- vanni Battista vorliegt, dessen Gemälde ähnlich bizarre Kompositionen und manierierte, geschwollene Formen zeigen wie die Bilder dieser Ariostausgabe. Die Bewegungen sind übertrieben heftig, die Zeichnung der Formen, fast scheint

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es mit Absicht, höchst utriert. Auf den landkartenartigen Bildern, die augen- scheinlich mehr didaktische als künstlerische Absichten verfolgen, sind alle vichtigen Szenen des betreifenden Gesanges zusammengestellt und die abge- kürzten Namen jeder Figur beigefügt. Einzelne Gestalten und Teile der Land- schaft entbehren dabei nicht eines gewissen Reizes. Das Gemisch von Phanta- stik und Pedanterie des Ganzen stimmt nicht schlecht zu dem Charakter des Gedichtes. Die Technik mit ganz kurzen, dünnen runden Schraffirungslinien und krausen, feinen Umrissen ist ganz eigentümlich, sehr sorgfältig und doch nicht ohne malerische Wirkung. In den überladenen Umrahmungen wimmeln die barocken Ornamentformen von Putten und allegorischen Gestalten, Masken, Fruchtgehängen, Waffen und dergleichen. Diese Art der Ornamentik, die sich noch charakteristischer in der sehr fein geschnittenen Titelumrahmung mit ihren Karyatiden, Putten, Allegorien und überreichen, lastenden Verzierungen aller Art zeigt, bleibt in der Buchausstattung von Venedig und ähnlich auch anderwärts herrschend.

Eine grössere Einheitlichkeit des Stils zeigen die Illustrationen, die Fran- cesco Marcolini in den zahlreichen von ihm gedruckten Büchern verwendet, obwohl auch in seinen Drucken sich ganz verschiedenartige Arbeiten finden. Marcolini war selber Künstler und soll auch als Holzschneider tätig gewesen sein. In einem seiner frühesten und besten Drucke, in dem von ihm selber ver- fassten Kartenwahrsagebuche , das er unter den stolzen Titeln : „le ingeniöse sorti" und „giardino dei pensieri" 1540 und in zweiter Auflage 1550 heraus- gab, ist das schöne Titelbild „Joseph Porta Garfagninus" bezeichnet. Der Maler Giuseppe Porta, nach seinem Lehrer auch Salviati genannt, ist offen- bar nur der Zeichner der sehr guten Vorlage. Der Schnitt ist in derselben rou- tinierten, wenn auch sehr breiten und malerischen Manier ausgeführt wie die zahlreichen kleineren Textbilder des Buches. Andere mit Giuseppe Salviatis Namen bezeichnete Blätter, wie das Titelbild der „vera eccelenza di varie sorti di ricami" (Venedig, Ostaus 1557, Lucretia mit ihren Frauen, bezeichnet: JOSE. SAL. 1 5 57^ und eine grosse Kreuzigung sind dagegen ohne Zweifel von anderer Hand und in einem viel lockereren, kupferstichähnlichen Stil geschnitten.

Holzschnittillustrationen derselben Manier wie die Bilder des „giardino" enthalten noch einige andere bekannte Drucke Marcolinis, besonders die Schriften Antonio Francesco Donis, die „marmi" und die „moral filosofia" von 155z, die sich wie andere mehr, trotz ihrem faden Inhalte, als Anekdotensamm-

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hing und Klatschchronik damals grosser Beliebtheit erfreut haben müssen. Sie sind ziemlich reich mit figürlichen Darstellungen meist aus dem ,,giar- dino", sehr guten Bildnissen beröhmter Zeitgenossen und Ornamentstücken aus- gestattet. Die beiden sehr hübschen Buchdruckerzeichen Marcolinis sind in der feineren Holzschnittmanier ausgeführt. Eine Reihe kleiner, geistreicher Bilder, in einer eigenen, leicht zeichnerischen, sehr feinen Technik geschnitten, enthält Brusantinos „Angelica innamorata" ( i S53), die denen in Girolamo Scottos 1 548 gedruckter Ausgabe von Boiardos „Orlando innamorato" sehr ähnlich sind. Von anderen Drucken dieses vielseitigen und eifrigen Mannes mögen noch erwähnt werden seine Dante-Ausgabe von 1 544, die ersten Teile von Sebastiano Serlios ■Werk über die Architektur (seit 1537), Schriften Pietro Arctinos (1539)» Giu- seppe Salviatis „regola di far la voluta" (15 5 z) und Daniele Barbaros Vitruv- Qbersetzung von 1556. Ein besonderes Interesse haben die Holzschnitte in Torcllo Sarainas „de origine et amplitudine civitatis Veronac" (i 540 Verona), weil das treffliche Bildnis des Verfassers mit dem Monogramm des Malers Giov. Franc. Carotto versehen ist, der also für dieses Buch ebenso wie für ein 1560 von ihm selber herausgegebenes Werk über Veroneser Altertümer die Zeichnungen geliefert hat.

Wie der Kupferstich muss auch der Holzschnitt in Büchern nun häufiger den Zwecken der Belehrung dienen. Für seine zeichnerische und technische Aus- bildung sind die aus solchen Absichten sich ergebenden höheren Anforderungen an die Exaktheit in der Wiedergabe der Gegenstände nicht ohne wohltätigen Einfluss gewesen. Wie in den oben erwähnten architektonischen und antiqua- rischen Werken wird nun auch in naturwissenschaftlichen, anatomischen und mathematischen Schriften auf die Genauigkeit der Darstellung ungleich grösserer Wert gelegt als früher. Diese Tendenz steht mit dem Aufschwung der exakten Wissenschaften im Zusammenhange.

Das gegenständlich und auch künstlerisch bedeutendste Werk dieser Art ist die Anatomie des Andreas Vcsalius. Die Zeichnungen, die man später ohne Grund Tizian zugeschrieben hat, sind, wie Vasari und Vcsalius selber aus- drücklich angeben, von dem Maler Johann Stefan von Calcar, der auch bei der Herausgabe beteiligt war, geliefert worden. Die Holzstöcke wurden in Italien geschnitten und, nachdem sechs der n anatomischen Tafeln 1538 in Venedig durch Bernardo Vitali als Flugblätter herausgegeben worden waren, nach Basel gesandt, wo Johannes Oporinus das Vcsaliussche Werk unter dem Titel „de

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humani corporis fabrica" 1543 zum Druck brachte ($. Abb.). In der Zeich- nung, in den Stellungen der halbscziertcn, nackten Gestalten und in den land-

Titclbild zu der Anacomic de» Andre» Voaliin. Batcl 1/41 Aufschnitt.

schaftlichen Hintergründen erkennt man leicht die Hand des Malers aus Tizians Schule. Der Holzschneider hat die malerische Wirkung, Modellierung und Beleuchtung, den leichten Charakter der Federzeichnung wohl zu bewahren

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gewusst, obwohl er, offenbar ein routinierter Techniker, den Linienzügen eine gewisse Regelmassigkeit gibt. Ebenfalls mit Unrecht werden die Holl- schnitte zu Giov. Maria Verdizottis „cento favole morali" (I. Ausgabe 1 570) Tizian zugeschrieben. Wie aber der Verleger in der Einleitung hervor- hebt, sind sie von dem Verfasser Verdizotti, der sich dilettantisch, ohne Zweifel an Tizian, gebildet hatte, gezeichnet worden. Der Schnitt der besonders durch die landschaftlichen Hintergründe sehr anziehenden Bilder ist ohne Frage die Arbeit einer fachmännischen Hand. Er zeigt grosse Verwandtschaft mit dem Stil der Vesaliusholzschnitte.

Noch mehr als in diesen Werken herrscht das gegenstandliche, lehrhafte Interesse in den von Tizians Neffen CesareVecellio herausgegebenen „habiti antichi e moderni" vor. Die erste Ausgabe dieses Buches, die 1 590 in Venedig bei Zenari erschien, enthält 420 Kostümfiguren aller Zeiten und Völker, in der zweiten Ausgabe, die 1598 von G. B. Sessa herausgebracht wurde, sind noch 86* neue Bilder hinzugefügt. Die Einleitung der ersten Auflage nennt auch den Holzschneider, Christoforo Guerra, Thedesco da Norimberga, der offenbar seinen heimatlichen Namen Christoph Krieger so italienisiert hat. Wir kennen von ihm einen Holzschnitt, die Schlacht von Lcpanto darstellend (Wien, Hofbibliothek), der „Christophs, chrieger alls inci" bezeichnet ist und 1 589 ebenfalls bei Cesaro Vecellio erschien. Hier wie in den „habiti an- tichi e moderni" fügt sich der deutsche Holzschneider durchaus der italienischen Vorzeichnung und gibt auch seiner Technik venezianischen Charakter, so dass man wohl annehmen könnte, er habe sich in Italien ausgebildet. Die Kostüm- bildcr sind ziemlich langweilig und schematisch geschnitten und wenig sauber gedruckt, so dass das Werk durch künstlerische Reize den Betrachter kaum fesseln wird.

Eines der umfangreichsten jener naturwissenschaftlichen Kompendien, die man seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts zusammenzustellen begann, später aber fast immer mit Kupferstichen illustrierte, ist die Ornithologie des Ulisse Aldrovandi. Wenn wir in der Einleitung lesen, dass der Verfasser einen Maler 30 Jahre lang mit hohem Lohn ausschliesslich für dies Werk angestellt hat, dass ausserdem noch mehrere andere, zum Teil wohlbekannte Meister an der Herstellung der Zeichnungen gearbeitet haben, so wird man das grosse, dreibändige Werk auch vom modernen Standpunkt aus nicht ohne Bewunderung betrachten dürfen. Die Holzschnitte sind, wie ebenfalls in der Einleitung

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angegeben wird, von Cristoforo Coriolano aus Nürnberg und seinem Neffen ausgeführt worden. Wenn das Buch auch in Bologna (i 599 1 603) gedruckt worden ist, und wenn auch Coriolano (Lederer?) ein Deutscher war, so können seine Holzschnitte doch füglich unter den venezianischen Arbeiten aufgeführt werden. Sie sind eine höchst achtenswerte Leistung und geben die feinen, miniaturartigen, nach der Natur gezeichneten Vorlagen offenbar mit der grössten Genauigkeit wieder. Der Schnitt ist äusserst gewandt, glatt und scharf, aber auch nicht ohne farbige Wirkung durch kräftige Kreuzschraffierungen. Sehr geschickt ist der Charakter des weichen, glänzenden Gefieders durch feine Schraffierungsgruppen oder durch breite, von weissen Linien belebte schwarze Flächen wiedergegeben. Höchst wahrscheinlich ist Cristoforo Coriolano, dem auch noch andere Werke zugeschrieben werden, derselbe Cristoforo, der die schönen Künstlerbildnisse in der zweiten Ausgabe der „vite" des Vasari von 1 5Ö8 (s. Abb.) geschnitten hat.

Von anderen Künstlern, die sich mit dem Holzschnitt befassten, mögen hier noch Erwähnung finden: GirolamoPorro aus Padua, der unter anderem die Bilder Hr Porcacchis „funcrali degli antichi" (1574) lieferte, der Kupfer- stecher und Verleger Nicolo Nelli, von dem z. B. ein hübsches Bildnis des Leonardo Fioravante von 1566 erhalten ist, und Girolama Parasola, die einen Kentaurcnkampf nach Tempesta und andere Blätter in der Manier Tobias Stimmers geschnitten hat.

Die grosse Schmiegsamkeit und Beweglichkeit, die die Holzschnitttechnik im XVI. Jahrhundert auch in Italien gewonnen hatte, kam im Besonderen noch einem Zweige der Abbildungsliteratur zu gute, der erst jetzt eine praktische Bedeutung gewann. Seit den zwanziger Jahren des Jahrhunderts sehen wir eine Unzahl von Heften mit Vorlagen für kalligraphische Schriftzüge, für Stickmuster aller Art, für Spitzen und dergleichen auf dem Markte erscheinen. Ihre Be- liebtheit und damit ihre praktische Bedeutung für die Verbreitung der Techniken und Kunstformen können wir an der grossen Anzahl von Auflagen und Nach- drucken, die die einzelnen Bücher erlebten, deutlich erkennen. Bewunderungs- würdig ist fast immer die Feinheit der Linienführung und die Exaktheit in der Wiedergabe des Stofflichen. Der Duktus der Feder, der Gang des Fadens musstc ja auch, um bei der praktischen Ausführung nachgeahmt werden zu können, klar und deutlich aufgewiesen werden. Der grösstc Teil dieser Bücher ist in Venedig entstanden und gedruckt worden, aber auch die andernorts

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herausgegebenen sind zum grossen Teil von Künstlern venerischen Ursprunges gezeichnet oder geschnitten worden, so dass man sehr wohl die ganze Gruppe der venezianischen Schule anfügen kann.

Cristoforo Coriolano. Bildnis aus Vasaris Vite dei pittori. Hörem i f6t.

Das älteste Buch mit Schreibvorlagen istSigismondoFantis „theorica et pratica de modo scribendi fabricandique omnes litterarum specics", das i 5 1 4 in Venedig erschien. In Rom gab ijzzund 1513 Ludovico dcgli Arrighi Vicentino seine „operina da imparare di scrivere" und den „modo

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de temperare 1c penne" heraus. Seine Privilegien wurden ihm aber schon 1525 wieder entzogen, da sich Ugo da Carpi als der wirkliche Autor ausweisen konnte, der von nun an die „operina" mit verschiedenen neuen Zutaten unter seinem Namen in zahlreichen Ausgaben in Rom und Venedig druckte. Noch beliebter scheint die „vera arte dello scrivere" des Giovanantonio Tagliente, die seit 1524 in vielen Auflagen in Venedig verkauft wurde, gewesen zu sein. In Gio. Batt. Verinis „Luminario über elementorum litte- rarum" (Florenz; 1526?) und dann in Gio. Batt. Palatinos häufig auf- gelegtem „libro nuovo d'imparare a scrivere" (Rom seit 1 540) in Gio. Fran- cesco Crescis „escmplare di piu sortc lettere" und Amphiareo Vespa- sianos „opera a scrivere varie sorti di lettere", werden die Buchstabenformen immer reicher aber auch schnörkelhafter und unorganischer ausgestaltet und ornamentiert.

Von den zahllosen Stickmuster- und Spitzenbüchern seien nur einige Titel genannt. Das älteste italienische Werk dieser Art scheinen die vier Bücher der ricami zu sein, die Alessandro Paganini Benaccnsis um 1520 herausgab. Ein „esemplario di ricami" erschien 1 527 bei den Brüdern da Sabio in Venedig, 1 528 Taglientes „esemplario nuovo che insegna a le donne a cusire", dann „gli universali de i belli recarai", die Nicolö Zoppino 1537 herausgab, Giov. Andrea Vavassores „corona di recammi", Matteo Paganos' „giardi- netto" und zahlreiche andere Puijlicationen von Domenico da Sera, Giovanni Ostaus, Ccsare Vecellio, Matteo Florini, Elis. Catanea Parasole u. a. Fast alle diese Vorlagen sind höchst geschmackvoll und reich an Motiven aller Art und mit der grössten Feinheit und Sorgfalt geschnitten (s. Abb. S. 170).

Neben diesem Hauptstrome der fast durchgehends mehr handwerksmässigen Holzschnittproduktion für die Buchausstattung, bei der die technische Routine das die Form wesentlich mitbestimmende Element bleibt, haben wir nun die Leistungen mehr individuellen Charakters zur Geltung zu bringen, die Arbeiten bekannter Holzschneider von künstlerischer und technischer Eigenart oder solche, in denen die Vorzeichnung in ihrer ursprünglichen Form unmittelbar in einer Art Faksimilcschnitt wiedergegeben ist. Vereinzelt finden wir Holzschnitte dieser Art allerdings auch in der Buchillustration, wie einige der oben erwähn- ten Autorenbildnisse freien und breiten Stils und andere, besonders einzelne Titelblätter, von denen noch die Rede sein soll, beweisen. Im allgemeinen aber mussten die für die Buchausstattung tätigen Holzschneider mit ihren Vorlagen

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doch eigenmächtig verfahren, um durch eine gleichmässige, glatte und elegante Form die Illustrationen mit dem Druckbilde in Harmonie zu setzen. Die Indi- vidualitäten finden deshalb fast nur in selbständigen Einzelblättern grösseren Formates Gelegenheit» sich vor der nivellierenden Uebcrsetzung in die technische Formensprache zu schützen und sich auf ihre eigene Weise ganz frei aus- zusprechen.

Es liegt nahe, in den Anregungen, die der venezianische Holzschnitt durch Tizian empfangen hat, den Ausgangspunkt des freien, malerischen Stiles, den vir von der mehr systematischen und schematischen Technik im Buch- holzschnitt immerhin deutlich genug unterscheiden können, zu suchen. Sicher ist jedenfalls, dass Tizian der Holzschnitttechnik ein viel lebhafteres persönliches Interesse entgegengebracht hat als dem Kupferstich. Es ist auch einleuchtend, dass Grabstichel und Radiernadel, wie sie damals gehandhabt wurden, den von ihm beabsichtigten Wirkungen bei weitem nicht so nahe kommen konnten als der Holzschnitt, der besonders die kräftige Linie der Federzeichnung fast vollkommen treu wiederzugeben im stände war. Tizians Stil hat auf den Kupferstich nur künstlerisch anregend, nicht technisch umgestaltend gewirkt, sein Einfluss auf den Holzschnitt macht sich dagegen besonders stark in der Technik geltend, die vornehmlich durch seine Teilnahme von der zierlich feinen Nachahmung der Kupferstichtechnik zu ganz freier, breiter Behandlung der Linie im Sinne der malerischen Federzeichnung geführt wird.

Tizians persönliche Beziehung zum Holzschnitt ist uns nur für ein bestimm- tes Werk beglaubigt und zwar durch Vasari. Es ist dies der „trionfo della fede", eine grosse friesartige Komposition, die den Triumphzug Christi mit der Schar seiner Vorläufer und seiner Heiligen darstellt. Man darf und kann Vasaris Worte natürlich nicht so verstehen, als ob Tizian die Holzstöcke selber geschnitten hätte, aber jedenfalls muss die Arbeit unter seiner Leitung und unter seinen Augen ausgeführt worden sein, wenn er nicht gar selber die Zeich- nung auf die Holzstöcke aufgetragen hat. Irrtümlich werden die Holzschnitte Andrea Andrcani, der sie, wie viele andere ältere Werke, nur wieder neu herausgegeben hat, zugeschrieben, sie sind aber, nach Vasari, schon 1508 und wie die Datierung auf einer alten Wiederholung beweist, jedenfalls schon vor 1517, also lange vor der Geburt Andreanis geschnitten worden. Der älteste und ursprüngliche Ausschnitt scheint der in fünf grossen Platten mit ein- geschnittenen Inschriften in römischen Kapitalien zu sein, während in allen

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späteren Ausgaben die Inschriften in Typen aufgedruckt sind. Der Holzschneider verfällt an einzelnen Stellen, an denen die Zeichnung ihm vielleicht nicht ganz klar war, besonders in den zwei, offenbar von ihm eigenmächtig hinzugefügten Engeln mit Leidenswerkzeugen, noch in den alten glatten Schraffierungsstil in der Art des Zoan Andrea. Im allgemeinen folgt er mit Sorgfalt und Geschick, wenn auch offenbar nicht ohne Anstrengung, die manche Härten erzeugt, den freien, breiten Linien der Tizianschen Federzeichnung. Die Energie der Be- wegungen und der Ausdruck der Köpfe scheint durch den Holzschnitt nicht viel eingebüsst zu haben. Es ist eine der vorzüglichsten Leistungen des Holz- schnittes und eines der ersten , wenn nicht das erste Beispiel des freien male- rischen Holzschnittstils in Italien.

Kein anderer Holzschnitt kommt Tizians Art so nahe wie der „trionfo della fede". Die gleiche Technik zeigt eine Madonna mit Kind, Johannes dem Täufer, Gregor und 3 Engeln (Pass. V, p. 63, Nr. 6), die ebenfalls von Grcgo- rius de Gregoriis 1 5 1 7 herausgegeben und von dem Meister L. A *, in dem man ohne Grund Lucantonio Giunta sehen will, geschnitten ist. Die Komposition ist eher raffaelisch als tizianesk. Das ebenfalls von Gregorius 1 5 1 7 verlegte, aber unsicherer und gröber geschnittene Martyrium der h. Catharina ist sogar direkt nach Raffaels Komposition oder nach Marcantons Stich kopiert. Sicher nach Zeichnungen des Venezianers sind dagegen eine Madonna in der Landschaft, die sogar für seine eigenhändige Arbeit ausgegeben worden ist, ein vorzüglicher h. Rochus und eine Landschaft ausgeführt. Ein ganz locker tockicrend ge- schnittener h. Christoph erinnert eher an die Art Pordenones. Besondere Auf- merksamkeit verdient das schöne Titelbild in Sigismondo Fan tis „trionfo della fortuna" (Venedig, Ag. Portcse und Jac. Giunta fol., Januar 1526 vene- zianischer Rechnung, also 1527, s. Abb.). Ein Meister, der sich „I.M." zeich- net, hat dies Bild nach einer trefflichen, freien, tizianesken Zeichnung in ganz eigenartiger, eckiger und skizzenhaft unruhiger, aber plastisch und malerisch wirkungsvoller Manier geschnitten. Unter den zahlreichen Illustrationen des Textes sind nur wenige, z. B. die Darstellung des Bildhauers („Michelangelo"), der mit Feuereifer eine Statue meisselt, mit gleicher Freiheit und Breite behandelt, die übrigen sind schlechte, schematische Handwerksarbeit.

In zahlreichen anderen Blättern nach Tizians Zeichnungen bleiben die Holzschneider, obwohl sie die malerische, freie und kontrastreiche Form- gebung des Meisters nicht ohne Erfolg nachzuahmen suchen, doch mehr ihrer

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Auuchnitt »us dem Titelblaite zu Kanru Trionfo della Forruna. Venedig 1*17.

systematisch-gleichmassigen Strichführung treu, das hebst sie folgen mit Ver- ständnis seiner Zeichnung, modellieren die Formen in grossen, breiten Massen von Licht und Schatten, setzen aber die dunklen Flächen aus Gruppen von regelmässig nebeneinandergezogenen oder gekreuzten Schraffierungen, deren

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Richtung und Stärke nach Bedürfnis wechselt, zusammen. Wir werden einige Meister dieser Art sogleich zu betrachten haben.

Tizians Einfluss auf den Holzschnitt geht ohne Zweifel Ober den Zwang, den seine Vorzeichnung auf die Techniker ausübt, weit hinaus. Aber doch wird man kaum annehmen dürfen, dass er, wie Dürer oder wie später Rubens, eine Schule ganz neuer technischer Tendenz um sich gebildet habe oder auch nur habe bilden wollen. Die malerische, federzeichnungsartige Manier, die die wichtigste Erschei- nung des cinquecen- tistischen Holzschn i t- tes bildet, scheint, wenn auch haupt- sächlich, so doch nicht ausschliesslich von seinen Vorbil- dern auszugchen. Ti- zian beherrscht selbst in Venedig nicht allein dasFeld. Neben seinen Zeichnungen werden auch, wie wir oben gesehen haben, Komposi- tionen Raffacls, Mi- chelangelos, Parmi- gianinos und anderer Meister mit Eifer von den Holzschneidern in diesem Stil reproduziert.

Nächst Tizian ist es sein Schüler Domenico Campagnola, der sich am eifrigsten mit dem Holzschnitt beschäftigt hat. Ob er die mit seinem Namen und meist auch mit der Jahreszahl 1517 bezeichneten umfangreichen Blätter oder auch nur einen Teil von ihnen selber geschnitten habe, steht nicht fest. Da er eine Anzahl Kupferstiche mit grosser Fertigkeit gestochen hat, ist es sehr wohl möglich,. dass er auch das Holzschneidemesser zu führen verstanden habe. Zu beachten ist aber, dass einer seiner grössten Holzschnitte, die Anbetung der

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Könige (Pass. 4 b), ausser seinem Namen noch die Marke eines bekannten, schon oben erwähnten Holzschneiders LA* aufweist, ein anderes Blatt, die Predigt Johannis des Taufers (Pass. 5) ausser seinen Initialen noch die Bezeichnung des Nicolö Boldrüü (Nich°- B.V.T). Auch die übrigen Blatter sind keineswegs alle in der gleichen Technik ausgeführt. Die grossen, figurenreichen Kompositionen, wie die Anbetung der Könige, der bcthlchcmitischc Kindermord (Pass. 4),

Niculu Boliirini, nach Tizian. Venus und Amor. Ausschnitt.

die Madonna mit Heiligen (Pass. 8) sind sehr derb und eckig, mit groben Kreuzschraffierungen und in dunklem Ton gehalten. Andere, in denen die Landschaft, in der Campagnola auch als Maler sich auszeichnete, vorwiegt, wie der h. Hieronymus (B. z, s. Abb.), die Landschaft mit der Familie (B. 4) in ganz hellem Ton, flüchtiger und geistreicher in mehr unterbrochener Linien- führung geschnitten. Diese letztere Gruppe von Blättern könnte am ehesten eigenhändige Arbeit Campagnolas sein.

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Unter den Holzschneidern , deren Namen wir kennen, scheint Nicolö Bol drini aus Vicenza sich am engsten an Tizian angeschlossen zu haben. Für einige Holzschnitte, die er von ihm hatte schneiden lassen, erwirkte sich Tizian, ebenso wie für die Kupferstiche des Cornelis Cort nach seinen Kompositionen, im Jahre i 5 öd ein Privileg vom Senat von Venedig. Von den beiden Blättern, aus denen allein wir Boldrinis vollen Namen kennen lernen, ist das eine, Venus mit Amor im Walde, von i j6ö (B. XII, p. izo", Nr. zo, s. Abb.), nach einer Komposition Tizians, dessen Name ebenfalls genannt wird, geschnitten, das andere eine Kopie nach dem Schmerzensmanne aus Dürers kleiner Passion (Pass. 3 6 a). "Wie die Venus nach Tizian ist auch ein mit dem Namen des Künstlers (nies bol. inci, B.XII, p. 145, Nr. 9) bezeichneter galoppierender Reiter nach Pordenone oft noch mit einer Tonplatte, in der die Lichter ausgespart sind, unterdruckt, und zwar war die Arbeit der schwarzen Strichplatte offenbar auf das Zusammenwirken mit der Tonplatte berechnet, lieber diese Abart des Holz- schnittes soll später ausführlicher gesprochen werden. Von den anderen Holz- schnitten Boldrinis kommt nur noch einer, ein Mann zu Pferde mit einem Hasen (15Ö6, B. XII, p. 15z, Nr. zz), mit Tonplattendruck vor.

Die Zuteilung sowohl der mit den Monogrammen NB., NDB und IB. bezeichneten Holzschnitte wie auch anderer unbezeichnetcr Blätter an Boldrini ist sehr willkürlich. Einige grosse Holzschnitte, fast alle nach Zeichnungen Tizians, stehen aber seiner freien und breiten, sehr farbigen und saftigen Manier so nahe, dass sie wohl als seine Werke bezeichnet werden können. Das ist der Fall z. B. bei Samson und Dalila (Pass. 5), der Stigmatisation des h. Francis- co (Pass. 59), der Vermählung der h. Katharina (Pass. 61), den sechs Heiligen aus Tizians Madonna di S. Nicolö (Pass. 53) und der Landschaft mit der Kuh- melkerin (Pass. 96). Auch gegenständlich besonders interessant ist der „Affen- laokoon", die Laokoongruppe aus Affen zusammengestellt (Pass. 97), eine sati- rische Zeichnung Tizians, durch die offenbar die übermässige Begeisterung und sklavische Verehrung für die Antike lächerlich gemacht werden sollte. Der Technik Boldrinis sehr ähnlich ist ein Bildnis Tizians, das die Aufschrift „In Venctia per Gioanni Britio (?) Intagliatore« trägt (Pass. 103 a).

Boldrini kann, wenn er auch nicht alle ihm zugeschriebenen Holzschnitte ausgeführt hat, doch als Repräsentant jener schon oben erwähnten tizianesken Holzschnittmanier gelten, die mit klarer Strichführung, mit grosser Sauberkeit und regelmässiger Glätte der Linienzüge eine malerische Freiheit der Form-

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gebung und starke Kontraste der Töne zu vereinigen sucht. Solche Arbeiten zeichnen sich trotz manchen Mängeln vorteilhaft vor zahlreichen grossen Dar- stellungen aus, die die kleinliche, sorgfältig mit runden Strichen schraffierende Manier der Buchholzschnitte auf grosse Verhältnisse Obertragen und meist recht langweilig und leer wirken. Dieser Art ist r. B. der Doge Francesco Donato vor der Madonna mit Heiligen (Pass. 99), das „esercito turchesco" von 1559 (vergl. Pass. 91») und der Zug des Dogen von Venedig (Pass. 98).

Eine weit bedeutendere und interessantere Erscheinung ist Domenico delle Grcchc, der ebenfalls als Vertreter einer bestimmten Richtung des gross- figurigen Holzschnittes in Venedig gelten kann, und der sich mit seiner etwas rauhen und derben, aber sehr energischen und flotten Manier charaktervoll gegen den zahmeren und schematicher arbeitenden Boldrini abhebt. Domenico, der schon vor 1 580 gestorben sein muss, ist irrtümlicherweise mit dem Maler Domenico Theotocopulo identifiziert worden. Der „Untergang Pharaos", den der Künstler mit seinem vollen Namen „Domenico delle greche depentore Venctiano" und der Jahreszahl 1549 bezeichnet hat (Pass. VI, p. 2Zj No. 4), gehört zu den grüssten und grossartigsten Werken der Xylographie. Das Messer des Holzschneiders folgt hier den kräftigen, langen Linienzügen der Feder Tizians mit Freiheit und sucht in der Oekonomie der Strichführung und in der Verteilung von Licht und Schatten den grossen Maassen der Darstellung gerecht zu werden und die Klarheit der stark bewegten und mit Figuren gefüllten Komposition zu bewahren. Diese Technik mit den rauhen, dicken Linien ohne Verdünnung, die wie ohne System sich kreuzen und die Formen nur flüchtig skizzieren, erinnert stark an die Holzschnitte Campagnolas und an den „trionfo della fede". In ähnlicher Technik, wenn auch viel sorgfältiger und regel- mässiger, ist ein grosser, aus acht Tafeln bestehender Holzschnitt ausgeführt, der die Marter der Zehntausend darstellt, eine tizianeske, aber sicher nicht von Tizian selber entworfene Komposition, in der michclangeleskc Motive benutzt sind. Auch die Holzschnitte in Achille Marozzos „opera de l'arte de i'armi" (Venedig 1550) können in diesem Zusammenhange erwähnt werden.

In dem Streben, der Holzschnitttcchnik immer stärkere und unmittelbarere Effekte abzugewinnen, hat Giuseppe Scolari, der wie Boldrini aus Viccnza stammte, noch einen Schritt über die Versuche seiner venezianischen Vorgänger hinaus getan, damit aber auch eigentlich das Gebiet der Linienkunst ver- lassen. Seine Technik arbeitet fast nicht mehr mit Strichen, sondern bildet

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die Formen und Töne durch schwarze Flächen, die durch weisse Linien und Streifen gegliedert sind. Man könnte sie also als eine Art Weissschnitt, wie wir ihn schon früher im Ornament beobachtet haben, bezeichnen. Nur hat Scolari, als Maler der Tizianschen Schule, ausschliesslich den malerischen, auf die relative Fernwirkung berechneten Eindruck im Auge. Zu seinen leidenschaftlich be- wegten, pathetischen Kompositionen und Gestalten, den gewaltigen, Über- trieben plastischen Körperformen passt diese etwas gewalttätige, überaus kräftige und dunkle Technik sehr gut. Sein vorzüglichstes Werk ist das, allein durch die Form der Inschrift unzweifelhaft als Arbeit seines Messers beglau- bigte Ecce homo (Pass. 3 z), trotz einer gewissen Roheit in der Formen- gebung durch dicke, streifenartige, eckige, schwarze Linien einheitlich in der Tonwirkung und grossartig im Ausdrucke. Auf anderen Blättern, wie der Grablegung, dem Raub der Proserpina, nennt er sich nur als Erfinder. Aber auch in diesen beiden Werken wie in anderen ganz unbezeichneten, z. B. dem h. Georg, dem h. Hieronymus, dem h. Ambrosius, der Leiche Christi, die von Engeln gehalten wird, sind Formengebung und Technik so kraftvoll und original, dass man sie, anderweitigen Vermutungen entgegen, wohl alle als seine eigen- händigen Arbeiten betrachten kann. Das künstlerische Verdienst käme ja Scolari auch dann zu, wenn er nur dem Holzschneider die Hand geführt hätte.

Scolari, der mit seiner eigenartigen, herben und flächenhaften Manier die ansehnliche Reihe der venezianischen Holzschneider des XVI. Jahrhunderts würdig schliesst, konnte, ebenso wie Boldrun u. a., obwohl von Geburt Viccn- tiner, als Schüler oder Nachahmer Tizians ohne Bedenken der venezianischen Schule zugerechnet werden. Viel weniger bestimmt sind dagegen die künst- lerischen und technischen Beziehungen eines anderen bedeutenden Meisters des Holzschnittes, der aus dem westlichen Teile Norditaliens stammte, aber doch hauptsächlich im Osten tätig gewesen zu sein scheint. Francesco de Nanto de Sabaudia hat ein Bildnis Ariosts, wie wir wissen nach Tizians Zeichnung, für die 1531 herausgegebene Ausgabe des Orlando geschnitten. Sein Haupt- werk ist eine Folge von 1 5 grossen Darstellungen aus dem Leben Christi nach Zeichnungen von Girolamo da Treviso, der bis 1540 in Italien tätig war, (Pass. VI, p. z z No. 13 37). Sie sind etwas derb und grobkörnig, aber mit grossem Verständnis der Formen und des Charakters der Vorlagen geschnitten. De Nanto operiert mit grossen Flächen von Licht und von Schatten, die er durch Reihen weitgestellter, schräger Parallelstriche mehr an-

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deutet als fest umschreibt. Eine bisher unbekannte, sehr schöne Halbfigur Johannes des Täufers (Paris), die in ihrem Typus sehr stark an Francesco Francia erinnert, ist noch in einer viel regelmässigen, der älteren venezianischen Schraffierungstechnik entsprechenden Manier ausgeführt. Die schwere Orna- mentik der Umrahmung, weiss auf schwarzem Grunde, findet sich ähnlich in Büchern, die in Bologna und in Rom gedruckt sind.

Nach Ferrara weist uns eine Reihe von Holzschnitten, die von einem unbekannten Künstler, der sich mit dem Buchstaben S und einem Anker be- zeichnet, nach Vorlagen von Girolamo Grandi da Ferrara 1558 ausgeführt worden sind. Ein Blatt dieser Folge von 1 6 Darstellungen aus der Geschichte Christi (Pass. VI, p. zz8 f.) ist mit dem vollen Namen des Malers und der Sigle des Holzschneiders versehen, zwei andere sind nur mit den Buchstaben G. G. F. bezeichnet. Der Stil der Zeichnung ist recht unbestimmt und schwankt zwischen verschiedenen Einflüssen. Grandi ist offenbar wenig selbständig und macht zahlreiche Anlehen, die Kreuzabnahme benutzt z. B. die Komposition eines Kupferstiches nach Mantegna. Die Holzschnitttechnik charakterisiert sich durch weiche, lange, rundliche Schraffierungszüge mit Kreuzlagen, die, besonders in den Gewändern, freie und malerische, aber sehr weichlich fliessende Formen ergeben. Demselben Girolamo Grandi wird man sicher auch eine Folge von sieben Planetcndarstellungen in reichen Umrahmungen, deren eine die Be- zeichnung G. G. F. und die Jahreszahl 15;; aufweist, zuzuschreiben haben. Man hält sie ohne jeden Grund für Arbeiten des Verlegers Gabriele Giolitto dei Ferrari. Da der Stil der Zeichnung, besonders der Gesichter, der Bewegungs- motive und der Gewänder der gleiche ist wie in den Bildern aus dem Leben Christi, so werden wir ohne Zweifel die Buchstaben G.G. F. als Abkürzung des Namens Girolamo Grandi Ferrarese, der ja auch zwei jener Blätter in derselben Form bezeichnet hat, anzusehen haben. Die Kompositionen, die einzelne Figuren den älteren Planetenbildern entlehnen, sind höchst geschickt und lebendig, die geschmackvollen Umrahmungen weisen einen grossen Reichtum oft sehr eleganter und originaler Motive auf. Die routinierte und abgeschliffene Technik mit starken Umrissen und langen, weichen, ge- bogenen Zügen paralleler Linien ist der der Bilder aus dem Leben Christi nahe verwandt, aber viel fester und kerniger, viel weniger weichlich und fliessend und fast ohne Kreuzschraffierungen. Sie stimmt in ihrem Charakter durchaus mit einer Reihe von Holzschnitten in Büchern, die Nicolo Zoppino in den

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zwanziger und drcissiger Jahren in Venedig gedruckt hat, überein. Da Zoppino auch aus Ferrara stammte, so werden wir wohl annehmen dürfen, dass er seine Holzschneider mit sich gebracht habe, als er sein Geschäft in Venedig begann.

Wir haben also eine Gruppe ferraresischer Holzschneider vor uns, die stilistisch mit der venezianischen Technik zwar in enger Beziehung steht, aber in der mehr raffaelcsken als venezianischen Zeichnung und durch die Eigenart der festen, plastischen, kupferstichartigen Formbildung eine selbständige Stellung einnimmt. Von den Buchholzschnitten dieser Art seien hervorgehoben das schöne Titelblatt des Vitruvius, den Zoppino 1535 druckte, die zum Teil mit den Holzschneidermarken: m. p. f., m. f., u. a. bezeichneten Illustrationen in Dione „delle guerre e fatti de' Romani" von 1533, in Lucians „dialoghi" von 1525, in Antonio Manciolinis „opera nova del mestier de l'armi" von 1531, die Titelblätter des Justino Historico (1524) und der „universali dei belli recami" (1537) und viele andere vortrefflich gezeichnete und geschnittene Bilder in anderen Drucken Zoppinos.

Der oben genannte Girolamo Grandi da Ferrara hat auch für einen anderen, ganz eigenartigen Holzschneider, für GasparcRuina eine Vorzeichnung ge- liefert, oder vielmehr ihm Michelangelos Erschaffung Adams in der sixtinischen Kapelle für den Holzschnitt umgezeichnet. Dies Blatt (Pass.VI, p. zziaNo. 1), aus dem allein wir Ruinas Namen kennen lernen, trägt die merkwürdige Be- zeichnung „Hieronimo de' Grandis pinesit, Gaspar Ruina fecit" und einen aus drei Pfeilen und einer Schlangenlinie zusammengesetzten Stern. Es ist in einer ganz eigentümlichen Technik mit ganz feinen, engen und scharfen, nach den Schatten hin zu fast schwanen Flächen zusammenlaufenden Schraffierungen, die mehr eine fleckige und kleinliche als die erstrebte farbige "Wirkung erzielen, gearbeitet. Die charakteristische Manier Ruinas können wir leicht noch in einigen anderen Holzschnitten wiedererkennen, die nur mit einem G. und jenem Zeichen versehen sind. Ausser zwei kleineren Blättern mit bisher noch nicht erklärten Darstellungen trägt noch eine grössere Komposition, eine Schlacht antiker Reiter und Fusssoldaten, Ruinas Zeichen. Der Erfinder dieses lebendig bewegten und reichen Bildes könnte wohl einer jener bolognesischen Meister aus dem zweiten Viertel des Jahrhunderts sein, die auch die Kunst der römischen Schule, besonders Raffaels eifrig studiert hatten. Die technische Ausführung ist ganz vorzüglich, freier und bei allem Reichtum an Kontrasten im Ton ausgeglichener als die Erschaffung Adams, sehr abwechslungsreich in der Vcr-

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wcndung der Mittel an Krcuzschraffierungen, engen, runden Taillen und un- regelmässigen Längsschraffierungen und punktartigen Strichen. Dies sein Haupt- werk sichert Ruina eine hervorragende Stelle im italienischen Holzschnitte des XVI. Jahrhunderts. Seine Technik hat, wenn sie auch viel freier und individueller und in der Wirkung farbiger ist, doch eine grosse Aehnlichkeit mit der der Grandischen Planetenfolge. Diese stilistischen und persönlichen Beziehungen Ruinas zu Girolamo Grandi und der ferraresisch-bolognesischen Kunstrichtung berechtigen uns wohl dazu, ihn mit der Holzschneiderschule dieser Gegend in Zusammenhang zu bringen.

An anderen Orten Italiens haben sich im späteren XVI. Jahrhundert beson- ders charakteristische Holzschneider bisher nicht nachweisen lassen. In den nicht sehr zahlreichen Buchillustrationen ist die Abhängigkeit von Venedig meist unver- kennbar. Besonderheiten lassen sich wohl in einzelnen Titelumrahmungcn und Illustrationen in Drucken von Rom, Bologna, Perugia usw. erkennen, aber der Charakter der Vorzeichnung bestimmt dann immer den Schnitt so stark, dass es zu keiner eigentlichen technischen Stilbildung kommen kann. Selbst in Florenz ent- wickelt sich keine selbständige Holzschnciderschulc mehr. Der beste Beweis dafür ist, dass Vasari die. Bildnisse für die zweite Ausgabe seiner „vitc" (156%) von einem fremden, offenbar in Venedig ausgebildeten Meister anfertigen lassen musste, der wohl auch die schöne Titelumrahmung mit der Ansicht von Florenz und die Kartuschen für die Bildnisse geschnitten hat.

Von bekannten Meistern ausserhalb Venedigs hat nur Domenico Becca- fumi genannt Mcccarino, von Siena, der auch mehrere Radierungen gefertigt bat, eigenhändig eine Reihe von Blättern in Holz geschnitten. Wir erfahren das nicht nur durch Vasaris Worte sondern auch aus der Bezeichnung auf einer Folge von zehn Darstellungen von alehymistischen Operationen (Pass. VI, p. 151, No. 10 19), die sehr leicht und geistreich mit breiten, freien Strichen skizziert sind. Ob auch von den Helldunkelblättern, von denen später die Rede sein soll, einige, besonders mehrere Apostel, wie Vasari anzu- deuten scheint, von ihm selber ausgeführt seien, ist sehr unwahrscheinlich, jedenfalls zweifelhaft.

Eine eigenartige Gruppe von Holzschnitten bilden die Blätter, in denen eine Reihe von Federzeichnungen des Genuesen Luca Cambiasio (1517 bis 1585) von einem unbekannten Holzschneider, der sich mit den Buchstaben „GG. N. FE" bezeichnet, offenbar in getreuem Faksimilcschnitt wiedergegeben

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sind (Pass. 44, 46, 73, 74 l). Der charakteristische, breite und feste, aber sehr manierierte Federstrich des feurigen und gesandten Genuesen ist hier im Holz- schnitt mit allen seinen Besonderheiten und Zufälligkeiten genau wiedergegeben, so dass eigentlich jede künstlerische Selbständigkeit des Holzschneiders ver- schwunden zu sein scheint.

Das Streben nach grosser, malerischer Wirkung, das, den italienischen Holzschnitt des XVI. Jahrhunderts beherrscht, fand ein besonders geeignetes Ausdrucksmittel im Farbcnholzschnitt, der seit dem Beginne des Jahr- hunderts eine grosse Bedeutung gewinnt und eifrig gepflegt wird. Als Erfinder dieser Technik, die als „Chiaroscuro", „Clairobscur" oder „Camayeu" bezeichnet wird, nennt sich Ugo da Carpi in einer Bittschrift an die vene- zianische Signoria vom Z4. Juli 1516, in der er um Bewilligung eines Privilegs für diese Drucke einkommt. Er nennt sein Verfahren „modo nuovo di stampare chiaro et scuro, cosa nuova et mai piü non fatta". In Deutschland hatte Lucas Cranach schon seit 1506, dann Burgkmair und Jobst de Negker (151z), Wächtlin u.a. Linienplatten in Holzschnitt und farbige Tonplatten, in denen die Lichter ausgespart waren, die also den farbigen Grund und die weisse Höhung der Federzeichnung wiedergeben sollten, übereinander gedruckt und auch mit Gold und Silber zu höhen verstanden. In dem Bildnis Baumgärt- ners (151z) und in dem „Tod als Würger*' hat Burgkmair sogar Bilder ganz ohne schwarze Strichplatte nur durch Ucbercinanderdrucken von drei verschieden- farbigen Tonplatten hergestellt. In Deutschland blieben aber solche Versuche mehrfarbigen Holzschnittdruckes, die über die Nachahmung der Federzeichnung auf getontem Papier mit aufgesetzten Lichtern hinausgingen, ganz vereinzelt.

Das Prinzip des italienischen Farbendruckes ist das gleiche, aber ent- sprechend der Absicht auf die Nachahmung der freien, breiten Tuschzeichnung und auf die mehr dekorative Wirkung auf weitere Entfernung hin, arbeitet die Technik viel mehr mit Flächen als mit Linien. In vielen Farbenholzschnitten beschränkt man sich auch in Italien auf die Verbindung einer Tonplatte mit der Strichplatte, die die Zeichnung in allen Teilen, in Umrissen und Schraffie- rungen gibt, und die oft auch allein vollkommen marktgängige Abdrücke liefert. Die wesentliche künstlerische Neuerung Ugos liegt aber wohl darin, dass die schwarze Strichplatte nicht die ganze Zeichnung wiedergibt, sondern nur zur Verstärkung der tiefsten Schatten an einzelnen Stellen, in Gesicht, Mund und

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Nase, in den Falten usw. dient, während die Formen zum grössten Teile durch die Linien und Flächen der Tonplatten hervorgebracht werden, ein Verfahren, das wir allerdings ganz ähnlich wenigstens bei den zwei oben genannten Burgk- mairschen Blättern beobachten können. Die Tonplatten, meist zwei, höchstens drei, sind in Italien nicht, wie fast immer bei den deutschen Blättern dieser Art, mit verschiedenen Farben sondern mit verschiedenen Tönen derselben Farbe, meist braun, grau oder grün, seltener blau, gedruckt. Im Gegensatze zu den deutschen Versuchen ist also das italienische Chiaroscuro mehr Flächen- als Linienschnitt und mehr verschiedentoniger als verschiedenfarbiger Buntdruck. Der Unterschied ist demnach mehr ein künstlerischer als ein technischer.

Ugo da Carpi war, selbst wenn er die deutschen Farbendrucke kannte, in gewissem Sinne berechtigt, sein Verfahren wenigstens vom künstlerischen Stand- punkte aus als eine neue Erfindung anzupreisen. Obwohl Ugo, der aus dem Geschlechte der Grafen von Panico stammte und vor 1450 geboren ist, auch als Maler tätig gewesen ist, wie wir aus Urkunden und Nachrichten wissen, so muss er doch den Holzschnitt berufsmässig betrieben haben. Er sagt das selber in seiner Eingabe an die venezianische Signorie, wir kennen aber auch ausser seinen Helldunkelblättern eine Reihe von gewöhnlichen Holzschnitten, die er ausgeführt hat. Mit seinem vollen Namen hat er z. B. einen grossen, aus vier Tafeln bestehenden Holzschnitt, der das Opfer Abrahams darstellt, und dessen Zeichnung Tizian, Campagnola und Ugo selber zugeschrieben worden ist, be- zeichnet. Es ist in ganz freier, etwas grober Manier, in der Art der Blätter Campagnolas ausgeführt und zeigt einen ganz routinierten, aber nicht sehr sicher und selbständig zeichnenden Techniker. Ugo da Carpi hat unter anderem auch eine Kopie nach Marcantons Beweinung Christi (B. 37, bez. Vgo) und, wie oben erzählt wurde, die Platten für das von Lodovico Viccntino 1 5 1 1 und 15z} herausgegebene Schreibbuch und andere Schrcibvorlagen geschnitten. Auch von seinen Farbdrucken bestehen einige, vielleicht seine ersten Versuche, z. B. die von Vasari erwähnte Sibylle nach Raffael (B. XII, p. 89, No. 6) und die Vertreibung der Invidia vom Parnass nach Peruzzi (B. XII, p. 133, No. iz) aus einer vollständig durchgearbeiteten Linienplatte, die, ganz wie bei den deut- schen Blättern, auf eine Tonplatte nur aufgedruckt ist. Tondrucke dieser Art wurden, wie schon gesagt, auch von Boldrini u. a. herausgegeben.

Seine besonderen Privilegien von der venezianischen Signorie (1516) und vom Papste (15 18) hat sich Ugo sicher nicht für diese Arbeiten geben lassen,

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sondern für sein eigentliches Farbdruckverfahren „a chiaro e scuro«. Es ist nun nicht ohne Bedeutung, dass Ugo, obwohl er Norditaliener und lange Zeit in Venedig als Holzschneider tätig war, sein neues Verfahren nicht zur Reproduk- tion venezianischer, tizianesker Kompositionen er hat nur ein Blatt nach Tizian geschnitten in Anwendung brachte, sondern sich nach Rom wandte, um hier eine Reihe von Werken Raffaels in Farbenholzschnitten nachzubilden. Seine ersten Arbeiten hier scheinen die beiden mit dem päpstlichen Privileg von 1518 und seinem Namen versehenen Blätter nach Raffaels Tod des Ananias (B. XII, p. 46, No. Z7) und Aeneas mit Anchises (B. XII, p. 104, No. 1 z) ge- wesen zu sein. Ausser ihnen gehören der Kindermord von Bethlehem, der Sieg Davids über Goliath, der Fischzug Pctri, die „Raffael und seine Geliebte" genannte Darstellung (B. XII, p. 140, No. 2. s. Abb.) zu seinen besten Farben- holzschnitten nach Raffael. Andere Blätter hat Ugo dann nach Giulio Romano, Polidoro da Caravaggio und Parmigianino, z. B. den „Diogenes" (B. XII, p. 100. No. 1 o), ausgeführt. Trotz einer gewissen Derbheit und Flüchtigkeit der Zeich- nung und dem fühlbaren Mangel an Formenverständnis ist in den sehr seltenen frühen und scharfen Drucken auf starkem Papier die Wirkung dieser Bilder in einer gewissen Entfernung sehr plastisch und dekorativ, im Gesamteindruck be- sonders die Farben sehr reizvoll. Offenbar sollten sie als billiger Schmuck von Räumen dienen und Gemälde in Helldunkcltechnik ersetzen.

Für Parmigianinos unbestimmte, fliessende Formen und für seine Zeichen- manier war diese Helldunkcltechnik wie geschaffen. Seine Entwürfe sind des- halb von den Holzschneidern besonders bevorzugt worden. Er hat sich augen- scheinlich selber für den Farbenholzschnitt lebhaft interessiert, wie er ja auch als der erste die in mancher Hinsicht verwandte Radierung selber gepflegt hat. Vasari behauptet sogar, dass er den „Diogenes" eigenhändig geschnitten habe, allerdings irrtümlich, da das Blatt tatsächlich die Bezeichnung Ugos da Carpi trägt. Er soll auch seinen Schüler Antonio da Trcnto in dieser Technik unterwiesen haben, um von ihm seine Zeichnungen in Farbenholzschnitt ver- vielfältigen zu lassen. Antonio, der ohne Zweifel mit dem Radierer der Schule von Fontainebleau, Antonio Fantuzzi, von dem oben die Rede war, identisch ist, lohnte das Vertrauen des Meisters schlecht. Er stahl ihm die vorbereiteten Platten und Drucke und eine Anzahl von Zeichnungen und machte sich damit aus dem Staube. In den Jahren 1537 1 540 ist er in Fontainebleau tätig, seine Zusammenarbeit mit Parmigianino wird also in die dreissiger Jahre fallen. Fast

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L'go di C jrpi nach Ralfacl. Hiffiel und seine Geliebte.

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alle seine Farbenholzschnitte sind nach Entwürfen Parmigianinos hergestellt. Nur zwei von ihnen, Johannes der Täufer (B. XII, p. 73, No. 17) und der Lautenspieler (B. XII, p. 143, No. 3) sind mit seinem aus A und T zusammen- gesetzten Monogramm bezeichnet. Vasari erwähnt noch das Martyrium der heiligen Peter und Paul (B. XII, p. 79, No. z8), sein Hauptwerk, die tiburti- nische Sybille (B. XII, p. 90, No. 7) und einen nackten, sitzenden, vom Rücken gesehenen jOngling (B. XII, p. 148, No. 1 3). Mehrere dieser Blätter sind ausser mit der Strichplatte nur mit einer Tonplatte, nur wenige mit drei Platten gedruckt.

Wie Antonio Fantuzzi schlicsst sich auch Giuseppe Nicolö Vicen- tino, der ebenfalls ein Schüler Parmigianinos war, in seiner Technik eng an Ugo da Carpi an, so dass, zumal die guten Drucke sehr selten sind und die Ver- schiedenheiten des Abdrucks die Wirkung hier besonders stark mitbestimmen, eine sichere Verteilung der nicht bezeichneten Blätter unter diese drei ersten italienischen Farbenholzschneider sehr schwierig ist. Bezeichnet sind von Gius. Nie. Vicentinos Werken nur wenige, z. B. die Flucht der Cloelia, nach Maturino (B. XII, p. 96, No. 5 : Jos' Nie' Vicent'), die Madonna mit Heiligen nach Parmi- gianino (B. XII, p. «4, No. z 3 : F. P. Nie. Vicentino T.) und Christus die Aus- sätzigen heilend, nach Parmigianino (B. XII, p. 39, No. 1 5: Joseph Nicolaus Vicentinus). Dem Charakter ihrer Vorlagen von der Hand Parmigianinos entsprechend sind in den Blättern dieser beiden Holzschneider die Linien, ganz wie in den Radierungen ihres Meisters, fliessender und weichlicher als bei Ugo da Carpi. Des Vicentiners Farbentone bilden breitere, derbere Flecken mit starken Gegensätzen, in Antonios zumeist nur mit der Strich- und einer Ton- platte hergestellten Arbeiten sind die Linien dünner, schärfer und enger. Be- sonders deutlich tritt der Unterschied ihrer Manieren in den Farben holzschnit- ten, die sie beide nach Parmigianinos Sibylla tiburtina ausgeführt haben, hervor.

Nach diesen drei ältesten italienischen Meistern des Farbenholzschnittes, neben denen allerdings auch noch andere, uns unbekannte, tätig gewesen sein müssen, begegnet uns erst am Ende des Jahrhunderts wieder eine hervor- stechende Persönlichkeit auf diesem Gebiete in Andrea Andreani aus Mantua. Die Datierungen seiner Holzschnitte, die von 1584 bis 1610 gehen, umschreiben, wie es scheint, annähernd die Zeit seiner Tätigkeit. Wir finden Andreani, der seine Kunst in Obcritalien, vielleicht in Bologna erlernt hatte, zuerst in Florenz, wo er 1 584 und 1585 einige grosse Farbenholzschnitte nach der Gruppe Giovannis da Bologna, dem Raube der Sabincrinncn, andere nach

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RaflFaello da Reggio und Ligozzi ausführte. In den folgenden Jahren hielt er sich in Siena auf, hauptsächlich um die grossen von Beccafumi entworfenen Fussbodenmosaiken des Domes nachzubilden (B. XII, p. Z4, No. 4), 1586 gab er die Holzschnitte mit Eva und dem Opfer Abrahams in zehn Blättern, 1 590 die Darstellung mit Moses und der Anbetung des goldenen Kalbes in zwölf Blättern heraus, 1591 die Kreuzt ragung, zwei Madonnen und besonders die einen Totenschädel betrachtende Frau nach Casolano (B. XII, p. 148, No. 1 1 4), die anziehendste seiner Schöpfungen. Die Allegorie des Todes nach Fortunio (B. XII, p. 135.N0. 15) entstand 1598. Dann wurde er nach Mantua berufen, um Mantegnas berühmten Triumph Caesars in Helldunkelholzschnitt nachzubilden, eine Arbeit, die er 1 599 vollendete (B. XII, p. 10 1, No. 1 1).

Nach dieser Zeit scheint Andreani nicht mehr selber gearbeitet, sondern vorgezogen zu haben, sich durch die Arbeit anderer bequemer zu bereichern. Er beschäftigte sich von nun an hauptsächlich damit, die Platten der älteren Meister, die er an sich gebracht hatte, wieder abzudrucken und mit seiner Adresse in den Handel zu bringen. Dass er dabei die Namensbezeichnungen der wirklichen Schöpfer aus den Platten entfernte, spricht, wie die ruhmredigen Inschriften auf seinen eigenen Arbeiten, nicht sehr zu gunsten seiner Persön- lichkeit.

Als Künstler ist Andreani nach den 40 50 Blättern, die er selber ge- schnitten hat, keineswegs gering zu schätzen. Gegenüber der freien, skizzen- haften, auf die Entfernung berechneten Manier jener älteren Meister des Farben- holzschnittes ist seine Technik meist sehr regelmässig, sorgfältig und verhältnis- mässig fein, selbst in Bildern des grössten Formates. Auch in den Tonplatten sind die Lichter in klaren, scharfen Linien, oft in Kreuzlagen ausgeschnitten. Das Zeichnerische kommt also hier, trotz der Freiheit in der Behandlung der Linien wieder mehr zur Geltung. Er bevorzugt matte Töne, grau, graubraun, graugrünlich und verwendet nur selten kräftigere, lackartige Farben, ziegelrot, braungelb, die dann im Druck auch meist fleckig wirken. Es sind von Andreani Farbenholzschnitte erhalten, die die Grösse von Gemälden mit fast lebensgrossen Figuren erreichen, wie z. B. die Beweinung Christi nach Casolano (1 593)1 die olfenbar also auch einen Ersatz für Gemälde bilden sollten.

Neben Andreani sind noch Alessandro Ghandini, der einige Blätter in dieser Technik ausgeführt hat, z. B. Christus beim Pharisäer Simon (B. XII,

p. 41, No. 18) und eine Madonna nach Parmigianino (B. XII, p. 65, No. Z5)

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und Giovanni Gallo, ein Franzose, der mehrere Blätter nach Marco Pino da Sicna geschnitten hat, hervorzuheben.

Nur noch einen bedeutenderen Vertreter hat der italienische Farbenholz- schnitt aufzuweisen, der aber schon ganz dem XVII. Jahrhundert angehört und fast nur Kompositionen von Guido Rcni in Helldunkel geschnitten hat. Bartolomeo Coriolano, der 1630 16*47 in Bologna tätig war, muss hier Erwähnung rinden, weil er die Tradition des XVI. Jahrhunderts fortsetzt. Er soll der Sohn des oben genannten, aus Nürnberg eingew anderten Cristoforo Coriolano (Lederer), der für Vasaris „vite" die Bildnisse und für Aldrovandis Ornithologie die Illustrationen geschnitten hat, gewesen sein. Sein Stil ist noch linearer als der Andreanis. Die schwarze Strichplatte ist ganz selbständig und sehr sorgfältig mit viel Innenzeichnung und Kreuzschrafficrungcn in festen, breiten Linien durchgeführt. Der elegante und weichliche, aber doch empfin- dungsvolle Charakter der Rcnischen Kunst ist hier im Anschluss an des Meisters Radierungsstil sehr gut wiedergegeben. Auch die Lichter der Tonplatten sind klar und scharf ausgeschnitten. Die Farben sind milder und nüchterner als die der ältesten Meister, aber weniger matt als die Andreanis. Unter Coriolano» Farbenholzschnitten, die meist nur aus der Strichplatte und einer Tonplatte zu- sammengesetzt sind und fast alle seinen Namen und das Datum tragen, seien her- vorgehoben die Herodias von 1631, die Madonnen (B.XII,p. jz.No.j 7), der h. Hieronymus (B.XII.p. 8 3^0.33) und die Sybillen (B.XII,p.87, No.z 5), „Friede und Ucbcrfluss" (B. XII, p. 131, No. 10), die grosse Gigantenschlacht in vier Blättern (B. XII, p. 113, No. 1 1 und 1 z alle nach Rcni).

Der Farbenholzschnitt hat in Italien keine weitere Entwickclung ge- nommen, er ist später überhaupt kaum mehr gepflegt worden. Die Arbeiten des Grafen Antonio Maria Zanetti in Venedig um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts stehen als künstlerische Liebhaberei eines reichen und talentvollen Dilettanten ganz vereinzelt da. Sie sollten auch nur als möglichst getreue Reproduktionen einer Sammlung von Zeichnungen Parmigianinos, die Zanetti besass, dienen. Eine historische Bedeutung haben sie, trotz ihren künstlerischen Verdiensten, ebensowenig wie die Farbcnholzschnitte grösseren Massstabes, die der Engländer John Baptist Jackson nach venezianischen Gemälden, nach Tizian, Bassano, Tintorctto, Veronese herstellte. Künstlerisch viel wertvoller als diese Reproduktionen, die sehr hart und nüchtern wirken, sind dagegen einige Landschaften, die Jackson in Farbenholzschnitt ausgeführt hat.

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Luc« von I evdcn. Ornament.

KUPFERSTICH UND HOLZSCHNITT IN DEN NIEDERLANDEN.

ÜR unsere modere Auffassung, die in der Kunst vor allem den reinen und starken Ausdruck selbständigen Naturempfindens sucht, ist das XVI. Jahrhundert in der Entwickelung der niederländischen Kunst keineswegs eine Zeit des Glanzes. Gegenüber dem staunenswerten Scharfsinn der Formen- beobachtung, mit dem die van Eyck im XV. Jahrhundert Epoche machen, bezeichnet die niederländische Kunst des XVI. Jahrhunderts eine Zeit der Depression, des Ucbergangcs durch die Nachahmung der klassi- cistischen Formen der italienischen Hochrenaissance zu neuer Selbständigkeit und zu psychologischer Vertiefung, die im XVII. Jahrhundert durch Rembrandt und Rubens erreicht wird.

Fast noch mehr als die Malerei fallen in dieser Epoche die graphischen Künste in den Niederlanden dem mächtigen Einflüsse der damals weit- beherrschenden italienischen Kunst zum Opfer. Hier wirken auch noch die technisch vollendeten Meisterwerke der deutschen Kunst, vor allem die Kupfer- stiche und Holzschnitte Dürers und seiner Nachfolger mit, die niederländischen Künstler von der nationalen Richtung abzulenken. Im XV. Jahrhundert steht

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der niederländische Bilddruck mit dem deutschen in innigsten Beziehungen, er behauptet aber in allen seinen Werken vollkommene stilistische Selbständigkeit, ja ohne Zweifel gehen sogar viele für die deutsche Graphik vichtigste An- regungen vom Niederrhein aus. Nun aber vermag die markige Kraft und die charaktervolle Unbefangenheit der niederländischen Meister dem vereinten An- stürme der italienischen und der deutschen Einflüsse nicht mehr Stand zju halten. Durch literarische Studien der Antike und durch regen persönlichen Verkehr mit dem Süden war den italienischen Formenidealen und ihrem geistigen Gehalte schon seit langem der Boden bereitet worden.

Ganz charakteristisch zeigt sich die unwiderstehliche Gewalt dieser Mächte fremden Geistes in ihrer Wirkung auf eines der allerstärksten Talente, die das XVI. Jahrhundert in den Niederlanden hervorgebracht hat, auf einen Künstler, der noch in den Anschauungen des XV. Jahrhunderts aufgewachsen war und noch die ganze rücksichtslose Energie der Naturbeobachtung der alten Schule besass. Auch Lucas von Leyden muss, nachdem er zwanzig Jahre dem Gotte seiner Väter treu gedient hat, dem fremden Götzen opfern. Lucas von Leyden gehört auch als Maler zu den bedeutendsten Meistern der Niederlande, der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt aber, wenigstens so weit wir sie beurteilen können, noch mehr als die Dürers in seinen Arbeiten für die vervielfältigenden Künste.

Wenn Lucas wirklich, wie berichtet wird, erst 1494 in Leyden geboren ist, so muss er überaus früh reif geworden sein , denn schon der Kupferstich Mohamed und der Mönch (B. izo"), der das Datum t 508 trägt, den er also im 1 5. Lebensjahre ausgeführt hat, lässt eine vollkommene Beherrschung der Formen und der Technik erkennen. Bei einer so lebhaften und sensiblen Künstler- natur dürfte uns das aber nicht allzu sehr Wunder nehmen. Lucas ist jung an Jahren 1533 gestorben. Seine erste Grabstichelarbeit kann dieses älteste seiner datierten Werke aber nicht gewesen sein. Selbst unter den erhaltenen undatierten Kupferstichen sind einige ohne Zweifel noch früher entstanden, z. B. die Ruhe auf der Flucht (B. 38), der Junge mit der Trompete (B. 15z), die büssende Magdalena (B. 1Z3), Susanna und die Alten (B. 33). In den Werken der Jahre 1509 und 1510, in der Passion in rundem Format (B. 57 65), in den grossen Darstellungen der Bekehrung Sauli (ß. 107 von 1509), des Eccc horoo (B. 7 1 von 1 5 1 o), der Rückkehr des verlorenen Sohnes (B. 7 8) u. a. m. steht der Künstler schon auf der Höhe seiner technischen Meisterschaft.

Von seinen quattroccntistischcn Vorfahren hat Lucas das starke Gefühl für

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die Wirklichkeit, den Instinkt für das, was der Darstellung den Schein der Wirklichkeit gibt, ererbt. In seiner umständlich erzählenden Art der Kompo- sition, in der Oberaus liebevollen Durchführung der duftigen Landschaftsgründc und besonders in den derben Typen seiner vierschrötigen, unbeholfen und schwerfällig sich bewegenden Gestalten ist er ganz Holländer. Der tiefe Respekt vor der Wahr- heit verleiht ihm die Geduld, jeden unschein- baren Gegenstand mit der höchsten Sorgfalt und Genauigkeit wie- derzugeben, den Strick mit seinen Knoten, die Rinde des Baumes, die Säume und die glänzen- den Borden der Ge- wänder. Lieber diese Anschaulichkeit des materiellen Vorganges und seiner unmittel- baren psychologischen Motivierung ist er aller- dings nicht wie Dürer zu gedanklicher Tiefe fortgeschritten. Erstellt sich die Gegenstände der Bibel vollkommen als reale Begebenheiten in seiner Umgebung vor und hält sich in

seiner frühen Zeit durchaus unabhängig von aller traditionellen Typik. So schildert er z. B. einmal den h. Christoph (B. 108, s. Abb.) nicht in der konventionellen Weise als Träger des Christkindes, sondern er schafft eine Genreszene: der Jesusknabc steht am Ufer und ruft dem Heiligen wie einem Fährmann sein „hol Uber" zu. Hierin beruht die Originalität des Künstlers

I.ucai von Leyden. Der h. Christoph.

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und das Geheimnis der gewaltigen Wirkung, die seine Werke stets auch in den romanischen Ländern ausgeübt haben.

Die Darstellung der Leidenschaft und stark bewegter Handlung gelingt ihm selten, er verfallt dabei leicht in das Theatralische. Er sucht nicht die Handlung zu konzentrieren sondern sie in einzelne Episoden aufzulösen. Seine Stärke liegt in der Schilderung ruhiger Zustände und Stimmungen der Seele. Hierin erreicht er aber oft eine ergreifende Anschaulichkeit der seelischen Vor- gänge. Selten ist die beruhigende Wirkung der Musik auf ein von innerer Unruhe gequältes Gemüt einfacher und überzeugender geschildert worden als in dem alten König Saul, dem der plumpe Bauernjunge David auf der Harfe vorspielt (B. 27). Anmut der Erscheinung hat er offenbar nicht wiedergeben können oder wollen, er betont nur das Charakteristische der äusseren Form und des Ausdruckes der Empfindung.

In seinen frühesten Arbeiten ist die Technik leicht tockierend, die feine Schraffierung etwas unruhig und unklar, unsystematisch. Die Modellierung folgt gerne der Längsrichtung der Formen, sie ist oft, besonders im Nackten, ziemlich dürftig und lässt grosse Flächen weiss. In einer Reihe von Stichen er- zielt er aber eine sametartige Tiefe der Töne und eine bewunderungswürdige Zartheit der Uebergänge , einen Zusammenschluß der feinen , engen Schraf- fierungen, der die einzelne Linie fast verschwinden lässt. Diesen weichen Silberglanz zeigt schon der Mohamed von 1508, noch mehr die Susanna (B. 33), der Simson (B. 25), David und Saul (B. 29), Magdalena (B. 123), die h. Familie (B. 85) u. a. m. Farbenreich und hell schimmernd wie das Kolorit seiner Gemälde erscheint auch seine Kupferstichtechnik in den seltenen frühen Abdrücken, die in den tiefen Schatten die volle Frische bewahren. Es kommt ihm technisch augenscheinlich besonders auf ein feines Spiel des Lichtes an, das er im Vordergrunde durch starke Schatten kontrastiert und nach der Tiefe zu sich in duftige, silbrige Töne auflösen lässt. Das Licht scheint beweglich wie die Sonnenstrahlen auf den kleinen, leichten Wellen einer Wasserfläche. Auch hier keine Einheitlichkeit, keine Konzentration der Wirkung nur ein Nebeneinander mannigfaltiger feiner Effekte.

Wie Lucas von Leyden in der Ausbildung seiner Technik von Anfang an sprunghaft und suchend vorgeht, so ist er auch fremden Einflüssen leicht zu- gänglich. Seit etwa 1 5 1 5 beginnt er die Kupferstichtechnik Dürers, den er persönlich erst 1520 in Antwerpen kennen lernte, eifrig zu studieren und

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nachzuahmen. Das bemerkt man schon in der Krcuztragung von i 5 1 5 (B. 7z), in der grossen Kreuzigung von 1517 (B. 74), im Schmerzensmann (B. 76), in der h. Magdalena von 1 5 1 9 (B. 1 z z) ; noch starker macht sich der Einfluss Dürers in den Arbeiten der zwanziger Jahre bemerkbar, besonders in der Passion von 15ZI (B. 4z 56), in der Madonna von 1523 (B. 8z, s. Abb.), Petrus und Paulus von 15Z7 (B. 106) und in den Genrebildern, dem Ope- rateur (B. 156 von 15Z4), dem Zahnbrecher (B. 157 von 15Z3) und dem Musi- kanten (B. 155 von 15Z4) und anderen mehr. Die Kom- positionen werden geschlos- sener die Technik systema- tischer. Er sucht den gleich- massig dunklen Ton und die klare Strichführung des deutschen Meisters nachzu- ahmen und arbeitet mit breiteren, kraftigeren, mehr voneinander sich loslösenden Linien. Die Werke dieser Zeit leiden oft an einer gewissen Trockenheit und Vcrschnör- kelung der Linicnbildung. Seine vorübergehende Be- schäftigung mit der Aetz- technik, zu der er die An- regung auch von Dürer empfangen haben soll, mag mit Schuld daran tragen- Technisch wichtig sind seine Versuche, weil er zuerst die Radierung mit Grab- stichelarbeit verbindet, mit besonders gutem Erfolge in dem prächtigen grossen Bildnisse des Kaisers Maximilian von 15Z0 (B. 172).

Gegen das Ende der zwanziger Jahcr, als Lucas den Einfluss Dürers schon

Lucas von l eiden MaJonna

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wieder überwunden zu haben scheint, verfällt er in den Bann eines neuen Vor- bildes, dem gegenüber er aber nicht mehr auch nur einen Teil seiner Selb- ständigkeit zu bewahren vermag. Seine Begeisterung für Marcantons Stiche veranlasst ihn nicht nur zu einer vollständigen Acndcrung seiner Technik,

sondern auch zur rück- haltlosen Nachahmung ita- lienischer, klassicistischer Renaissanceformen. Der Künstler folgt hierin nur der in seiner Heimat herr- schenden Stilrichtung. Der nähere Verkehr mit Jan Ma- buse mag ihn auf das Stu- dium der italienischen Kunst geführt haben. Die Arbeiten dieser Zeit, meist antike und allegorische Gegenstände, wie Venus und Amor (von i 5 z 8, B. 138), Mars und Venus (B. 137 von 1530), die Pallas (B. 139,$. Abb.), die Tugenden (B. 117 133) oder Szenen aus dem alten Testamente, die zur Darstellung nackter Körper Gelegenheit geben, wie Adam und Eva (B. 1 6, 9, 1 o) , Loth und seine Töch- ter (B. 16 von 1530) und andere mehr wirken in ihrer akademischen Manieriertheit und in ihrer nüchternen Technik recht unerfreulich. Seinen Ruhm verdankt Lucas von Leyden vielmehr seinen frühen, in Stil und Emp- findung noch echt niederländischen Werken. Auch in seinen geschmackvollen und reichen Ornamentstichen lässt sich derllebergang vom nordischen, gotischen Stil (s. Abb. S. 307) zu italienisierenden Renaissanceformen verfolgen.

Lucas von I.cydcn. Fallit.

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In seinen Zeichnungen für den Holzschnitt, deren man über 50 kennt, bleibt Lucas der Manier seiner Gemälde und seiner früheren Kupferstiche treu. Durch seine leicht tockierende, breit und nachenhaft schraffierende Zeichen- weise wird die Technik des niederländischen Holzschnittes im Sinne der deutschen Manier zu freier Behandlung der Formen durch rundlich modellierende und gekreuzte Strichlagen umgestaltet. In ihrer Vorliebe für Längsschraffierungen, in einer gewissen groben Kernigkeit und kühnen Unregelmässigkeit der Linien- züge bewahrt sie jedoch gegenüber den deutschen Vorbildern noch sehr viel von dem Charakter des alten niederländischen Holzschnittes. Viele dieser breit und tonig den Vorzeichnungen nachgeschnittenen Blätter gehören zu den interessantesten und wirkungsvollsten Werken unseres Meisters, so besonders die beiden Folgen mit Darstellungen der Macht des Weibes über den Mann (Pass. III, p. 8) und Abraham, der Isaak zur Opferung führt (B. 3, s. Abb.).

In seiner Arbeit für den Holzschnitt hat Lucas von Leyden einen Vorgänger oder Genossen von künstlerischer Bedeutung in dem Maler Jacob Corneliszen van Oostsanen gehabt, der eine grosse Anzahl von Blättern mit seiner Marke und den Buchstaben I. A. (Jacobus Amsterdamcnsis) bezeichnet hat. Nach Daten auf seinen Gemälden und Holzschnitten muss er um 1506 1530 tätig gewesen sein, und zwar vornehmlich in Amsterdam, dessen Wappen er häufig anzubringen liebt. Corneliszen schliesst sich in Zeichnung und Technik un- mittelbar an den niederländischen Holzschnitt des XV. Jahrhunderts, wie wir ihn besonders in den Blockbüchcrn und in den Illustrationen gedruckter Werke kennen gelernt haben, an. Von dem Einfluss der deutschen, Dürcrschen Kunst scheint er noch fast ganz unberührt geblieben zu sein. Er zeichnet mit kräftigen Umrissen und schraffiert mit hart absetzenden Massen derber, wenig gebogener Striche, die in den Schatten oft gekreuzt sind. Seine grobe, breite, strichelnde Technik ist dem Charakter seiner vierschrötigen und schwerfälligen Gestalten ganz angemessen. Lucas von Leyden gegenüber erscheint er wesentlich alter- tümlicher. Wenn er auch nicht entfernt die Kraft und Sicherheit seines grossen Landsmannes besitzt, so ist sein Stil in seiner Eigenart doch nicht ohne Reiz in der Auffassung und in der Detailbehandlung. Sein Werk setzt sich aus mehre- ren Serien von Passionsdarstellungen, einer in Runden mit Umrahmungen, einer zweiten in Hochformat mit reichen Bordüren und anderen kleineren Folgen (s. Abb.), aus Heiligenbildern, historischen und allegorischen Gestalten zu- sammen.

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Jan Swart von Groningen (146p 1535) nähert sich in seinem schönen, mit I. S. bezeichneten Holzschnitte, der Predigt Christi am See, viel mehr der Technik und Formgebung der deutschen Meister. In ganz ähnlicher Manier, wenn nicht gar von demselben Holzschneider, sind zwei Blätter nach Hiero- nymus Bosch van Aken (gest. 1 5 1 8, s. oben p. 78) ausgeführt, der h. Johannes auf Patmos und die Ver-

des h. Antonius, die 15ZZ datiert ist. In Amsterdam muss Cornclis Antoniszcn (oder Teu- nissen) um 1536 1547 tätig gewesen sein, da er ausser anderen Holzschnit- ten und einigen Radie- rungen auch eine grosse Ansicht dieser Stadt in 1 2 Blättern herausgegeben hat. Auch der alte Peter Brueghel darf hier er- wähnt werden, da ein Holz- schnitt, flüchtig mit langen weichlichen Schraffierungen ausgeführt, seinen Namen und das Datum 1 560 trägt. Ausser diesem Blatte, das eine Maskerade (die h. drei Könige?) darstellt, hat

Brueghel noch andere Zeich- ^ m nungen für den Holzschnitt geliefert, wie er auch einige Landschaften mit mythologischer Staffage radiert hat.

In Antwerpen finden wir eine Anzahl recht zierlich und fein gearbeiteter Holzschnitte als Einzelblätter und als Buchillustrationen verwendet. Die Meister, die den grossen aus z 1 Blättern zusammengesetzten Stammbaum Kaiser Karls V. und den Triumph des Arztes Jacobus Castricus, eine Reihe von Darstellungen der Jahreszeiten u. a. m. geschnitten haben, scheinen in der Schule Holbeins

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Jacob Corncliizcn. Die Harulnraschung PilacL

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ausgebildet zu sein. Picter van derBorcht (1540 1608) nähert sich mehr der französischen Technik. Der bedeutendste Verleger der Antwerpener Bilddruck- produktion war der Formscheider Hans Liefrinck (tätig um 1540 1580).

Neben Barend van Orley hat Jan Gossaert genannt Mabuse (1470 bis 1541) für die Verbreitung der italienischen Renaissanceformen in den Niederlanden besonders erfolgreich gewirkt. Ob Mabuse tatsächlich der Autor einiger ihm zugeschriebenen Radierungen, einer I. M. S. bezeichneten Madonna und einer Verspottung Christi und zweier Holzschnitte, Herkules und Omphale und Kains Brudermord, sei, ist zweifelhaft, jedenfalls aber ist sein stilistischer Einfluss auf die niederländischen Stecher seiner Zeit sehr gross gewesen. Auch Lambert Suavius aus Lüttich (tätig um 1540 155p) bewegt sich durch- aus in den Formen der italienischen Kunst. Er hat eine Reihe 1544 1555 datierter Blätter in feiner, enger, nicht reizloser Stechweise nach eigenen Zeich- nungen und nach Erfindungen seines Lehrers und Schwagers Lambert Lombard angefertigt. Als Vorbild und als Zeichner för den Kupferstich hat auch Maerten van Hccmskerck, der manierierteste unter den niederländischen Manieristen, einen grossen aber nichts weniger als günstigen Einfluss ausgeübt. Zahlreiche Stiche sind nach seinen Erfindungen ausgeführt worden. Besonders eifrig waren hierin Jan van Stalburch und der vielseitige Di rck Volk a er t Cuerenhert, der sich aber seinen Ruhm vielmehr als Patriot, Dichter und Komponist der holländischen Nationalhymne erworben hat, denn durch seine wenig anmutenden Stiche im Stile Enea Vicos und Beatricettos.

In einem gewissen Gegensatze zu diesen Künstlern, die sich eng an die führenden niederländischen Maler anschliessen, steht eine Gruppe von Stechern, denen zwar auch die Formen der italienischen Renaissance keineswegs fremd bleiben, die aber doch noch mehr vom nordischen Charakter bewahren, und die besonders in der Technik sich Dürer, die deutschen Kleinmeister und Lucas von Leyden zum Muster nehmen oder gar ihre Werke kopieren. Keiner von ihnen besitzt etwas von der markigen Kraft der alten Niederländer oder von der charaktervollen Originalität des Lucas von Leyden, sie sehen vielmehr ihre Aufgabe hauptsächlich in sorgsamer Dctailschilderung und in einer glatten, fein vertreibenden Technik. Man könnte sie wohl als die niederländischen Kleinmeister bezeichnen, zumal sie auch den Ornamentstich eifrig gepflegt haben. Die tüchtigsten Künstler dieser zahlreichen Gruppe sind Allaert Claeszen (tätig um 1520 1555), von dem etwa 140 kleine Stiche bekannt sind,

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Dirick Vellen. Der f- itclt/ug l'ctri.

Cornclis Metsys oder Matsys (tätig um 15x0 1560), der Meister NH und der Brüsseler Goldschmied Meister S., aus dessen Werkstatt eine sehr grosse Anzahl von Bild- und Ornamentstichen hervorgegangen ist. Abraham Bruyns (um 1 570 1 580) Stil nähert sich oft dem der französischen Stecher.

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Grössere, figurenreiche Kompositionen hat der Meister mit dem Krebs (Frans Krabbe?) in ganz toniger, enger Manier gestochen. Der feinste und selb- ständigste dieser Stecher ist der Antwerpener Glasmaler Dirick Jacobsz Vellert (tätig um 151 1 1550), den man früher nach seinem Monogramm, D. V. und einem Stern, Dirck van Staren nannte. Es sind von ihm zwei Holz- schnitte und 19 zum Teil gestochene, zum Teil radierte Blätter erhalten, die äusserst zart und farbig behandelt sind (s. Abb.).

Aus dieser Gruppe der niederländischen Kleinmcistcr gehen die grossen flämischen Stcchcrfamilicn hervor, die ihr Augenmerk hauptsächlich auf die Befriedigung des damals, nach der katholischen Restauration, besonders starken Bedarfes an Devotionsdarstellungen richten. Sie arbeiten deshalb ausschliesslich in der solideren und ergiebigeren Grabsticheltechnik und legen den Nachdruck auf das Gegenständliche. Die lehrhafte und erbauliche Bestimmung der Blätter kommt auch in den selten fehlenden Unterschriften zur Geltung. Neben eigenen Zeichnungen benutzen sie Vorlagen der italicnisierenden Modemaler wie Maerten de Vos, Frans Floris, Otto Vacnius, Jan van Straeten (Stradanus) und suchen durch glatte, elegante Arbeit ihren Stichen ein gefälliges, den flüchtigen, unkünstlerischen Blick schnell befriedigendes Aussehen zu geben. Selbständiges Formenstudium und Originalität der Auffassung fehlen ihnen fast vollständig. Wir sind deshalb auch nie imstande, die Arbeiten der verschiede- nen neben- oder nacheinander tätigen Mitglieder der einzelnen Familien aus- einanderzuhalten.

Das ist schon bei der Familie der Co IIa er t der Fall, deren ältestem, bereits um 1520 1540 in Antwerpen tätigem Mitgliede Adriven wohl eine Reihe der seinem um 1590 arbeitenden Sohne Adriaen zugeschriebenen Stiche an- gehören mag. Ein jüngerer Sohn Adriaens war Johann (1545 1622?). Eine zweite Antwerpener Stecherfamilie, die in ähnlicher Weise auf die Massen- herstellung sauberer Marktware bedacht war, tritt uns in den Galle entgegen, unter denen Philipp (1558 1 61 2 tätig), Theodor, Philipp der Jüngere und Johann die tüchtigsten gewesen zu sein scheinen. Cornelius Galle hat schon einige Blätter nach Rubens gestochen. Bedeutender, wenigstens als Techniker feinsinniger und interessanter sind die Brüder Wie rix, Jan (1549 1 c* 1 5), Hieronymus (1553 1 1 p) und Anton (gest. 16*4)» die im Verein mit anderen Familienmitgliedern und fremden Gesellen in Antwerpen fleissig und sorgsam über zooo Kupferstiche aller Art hergestellt

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haben. Die Wicrix lehnen sich zuerst stark an Dürer und die Beham an, deren Blätter Jan schon als Knabe trefflich zu kopieren verstand, sie arbeiten dann aber hauptsächlich nach Vorlagen der niederländischen Manieristen, die sie mit grosser Virtuosität, aber ohne Kunstempfinden wiedergeben. Bemerkenswert ist unter ihren Kupferstichen besonders eine Reihe vorzüglicher Bildnisse (s. Abb.). Hier gelingt es ihnen, auch in ganz grossen Blättern, mit ihrer engen, trockenen Technik Haltung und Charak- ter zu bewahren. Die Stecher der Familie De Passe nähern sich schon mehr der Rich- tung der holländischen Meister, die wir so- gleich kennen lernen werden. Crispin de Passe (geb. um 1565 bis 1 570, gest. 1637) und seine Söhne Cris- pin, Simon, Wil- helm, seine Tochter Magdalena und sein Enkel Crispin arbei- ten alle so gleichmäs- sig fein und korrekt, aber charakterlos, dass ihre Stiche sich kaum

von einander unterscheiden lassen. Sie lieferten tausende von Illustrationen und Titelblättern für Bücher, allegorische und sittenbildlichc Darstellungen, Porträts u. a. m.

Ein ungleich grösseres künstlerisches Interesse als die Reproduktionsstiche der Manicristcn, die Arbeiten der Klcinmeister oder die in fast fabrikmässiger Gleichmässigkeit und Korrektheit hergestellten Illustrationen und Andachts- blätter der Antwerpener Stecherfamilien können die Maler-Radierungen der niederländischen Landschafts- und Sittenschilderer des XVI. Jahrhunderts

lOHAMWUCX

BO Lpsit irsi

Johannes Wierii. BilJni«. Alvin l8fi.

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beanspruchen. Leider sind unsere Kenntnisse von diesen Anfängen der nieder- ländischen Landschaftsradierung noch recht lückenhaft. Peter Brueghel der ältere, der als Maler die Landschaft und die Sitten seiner Heimat mit Meister- schaft schildert, hat vielen Stechern Vorbilder geliefert, von seiner Hand sind nur einige Rheinlandschaftcn mit mythologischer Staffage von 1553 erhalten. Ebenso dürftig ist, was wir von seinem Sohne Jan Brueghel dem älteren (1568 1625) als Radierer wissen. Eine grössere Anzahl sehr hübscher

Radierungen, nieder- ländische Landschaften mit reicher Figuren- staffagc, besitzen wir von Hans Bol (geb. in Mechcln 1534, gest. in Amsterdam 1593), der von allen diesen Künstlern der Radie- rung am meisten Reiz abzugewinnen verstan- den hat (s. Abb.). In ähnlicher Art haben unier anderen Jacob Savery (1 570— 160z) und Lucas Gasscl einige Landschaften aus- geführt.

Die meisten an- deren Radierer gefallen sich in der Darstellung südlicher Gegenden und in der Nachahmung italienischer, besonders carracceskcr Kompositionsweise- Zu Peter Brueghel dem älteren hat Hieronymus Cock (Antwerpen 15 10 1570) in engster Beziehung gestanden. Möglicherweise hat Brueghel von ihm oder von seinem Schwiegervater Peter Cock die Anregung zur Land- schaftsradicrung empfangen. Von Hieronymus Cock kennen wir nur einige Folgen geschickt, frei und kräftig radierter italienischer Landschaften mit biblischer und mythologischer Staffage (1558), römischer Ruinen (1551) und gestochener Veduten holländischer Ortschaften (1563). Italienische

Hani Bol. Der Winter.

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Landschaften haben auch Paul Brill (1556 i6zö), Roeland Savery (1576 bis 1639) u. a. radiert. Wie auf vielen anderen Gebieten bringt auch in der Landschaftsradierung erst das XVII. Jahrhundert für die Niederländer die Er- füllung dessen, was diese Versuche und Bestrebungen versprechen.

Seit der letzten Stilwandlung des Lucas von Lcydcn hatte der nieder- ländische Kupferstich die Formen der italienischen Hochrenaissance wesentlich durch die alte italienische Technik der Marcantonschule wiederzugeben gesucht. Erst in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts gelingt es, für die schweren, grosszügigen Gestaltungen dieser Kunst neue, entsprechende Linicngefüge zu konstruieren. Die mächtige Muskulatur michclangelcsker Bildungen, die starken Hebungen und Senkungen des Tizianschen Kolorits sucht man nun durch die Wucht der einzelnen, stark für sich wirkenden Linie, durch die genährte, in der Mitte stark anschwellende, in kühnem Schwünge die Form rundende Taille zu bemeistern. Aus dieser Technik, die mit ihren massiven, regelmässigen, weiten Linienzügen auch grosse Dimensionen zu bewältigen imstande war, ent- wickelt sich die akademische Kupferstichmanier, der sogenannte Linienstich, der bis in das XIX. Jahrhundert herrschend geblieben ist. Zunächst ist sie die Vorbereitung für die Aufgaben, die eine neue grosse Kunst im folgenden Jahr- hundert dem Grabstichel stellen wird. Wie schon ausgeführt wurde, ist diese Technik das Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen italienischer und nieder- ländischer, in Italien tätiger Künstler. Die Carracci und Cornclis Cort teilen sich in den Ruhm dieser stecherischen Errungenschaft. Unter den Niederländern scheinen es vornehmlich holländische Künstler zu sein, denen diese nicht bedeutungslose Wandlung der Stichtechnik zu danken ist, während die flä- mischen Meister, besonders die Antwerpener, wie wir gesehen haben, die Technik nach anderen Richtungen hin ausbilden.

Cornelis Cort (geb. mjo in Honn in Holland, gest. 1578 in Rom) soll Schüler des Hieronymus Cock gewesen sein. Vasari misst Cock eine grosse Bedeutung als Stecher bei, wir kennen ihn nur als Radierer und als überaus rührigen Verleger von Kupferstichen verschiedener Art, die zum Teil auch von ihm selber ausgeführt sein mögen. Er hat eine grosse Anzahl von Blättern nach Frans Floris, Heemskerck, nach Brueghel, Architektur- und Ornamentzeich- nungen nach Johan Vredeman de Vries und anderen stechen lassen. Unter den zahlreichen Arbeitern, die für seinen Verlag tätig waren, wird sich auch

Cornelis Cort befunden haben. Cort, den um 1 566 Tizian mit der Reproduktion

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einiger seiner Gemälde beauftragte, soll der Lehrer Annibale Carraccis im Kupferstich gewesen sein. Er hat eine Reihe von wirkungsvollen Stichen nach Raffael, Michelangelo, Barocci, Giulio Clovio, Francesco und Taddeo Zuccari, dann auch nach Frans Floris und Bartholomaeus Spranger ausgeführt.

In Holland wird das Cortsche und Carraccische System der freien Mo- dellierung durch stark anschwellende Taillen von Hendrik Goltzius und seinen Schalem zur höchsten Virtuosität ausgebildet und mit grossem Geschick zur Reproduktion der beliebtesten zeitgenössischen Kunstwerke verwendet. Goltzius, der 1558 in Mühlbrecht geboren wurde und bis zu seinem Tode 1 6 1 7 hauptsächlich in Hadem tätig war, geht als Stecher von einem gründlichen Studium der Technik Dürers und Lucas' von Leyden aus, deren Vorzüge er mit den Fortschritten der Italiener zu verbinden sucht, besonders in der Pietä von 1 596" und in der Passion (B. 27 38). Als Elektiker hat er von seiner grossen Fertigkeit in der freien Nachahmung nicht nur der Technik sondern auch des Stiles verschiedener Künstler eine glänzende Probe abgelegt in seinen sogenann- ten sechs Meisterwerken, Stichen im Stile Dürers, Lucas' von Leyden, Raffaels, Baroccis, Parmigianinos und Bassanos. Als Maler ist Goltzius einer der geschick- testen aber auch einer der masslosesten Verehrer des michelangelesken Manie- rismus. Die Formen seiner Gestalten sind ebenso gesucht, gewunden und geschwollen wie die allegorischen Gedanken, die den Inhalt der Darstellungen bilden.

Als Kupferstecher ist er Virtuose im höchsten Grade, der erste eigentliche Virtuose, der uns in der Geschichte des Kupferstiches begegnet, der Stamm- vater einer langen Reihe. Mit seiner ausserordentlich sicheren und regelmässigen Stichelführung weiss er den skulptorischen Charakter, die Marmorglätte der Formen eigener und fremder Gestalten mit Meisterschaft wiederzugeben, frei- lich meist mit Aufopferung des Gehaltes an ursprünglicher Empfindung. Die Beweglichkeit seines Grabstichels, der den feinsten Erhebungen der Oberfläche folgt und die einzelnen, verschieden gerichteten Taillcngruppen vorzüglich zu- sammenzuschliessen versteht, ist bewunderungswürdig. Seine Technik ist Überall von blendendem Glanz und besitzt oft auch hohe malerische Qualitäten.

Goltzius hat über 300 meist ansehnlich grosse Stiche nach eigenen Kompo- sitionen (s. Abb.) und nach Gemälden italienischer und niederländischer Meister, wie Ag. Carracci, Palma, Caravaggio, Rosso, nach Spranger, De Vos, Jan van Straeten ausgeführt. Der künstlerisch wertvollste Teil seiner stecherischen

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Leistungen sind, wie sich wohl denken lässt, seine Bildnisse, in denen allein er seine scharfe Naturbeobachtung und die Sicherheit seiner Zeichnung unbe- fangen zur Geltung bringen kann. Sein berühmtestes Bildnis ist der sogenannte

Hendrik Goltriui Der Ii. I'iului. B. j6.

„grosse Hund dcsGoltzius", der Sohn des Malers Frisius mit seinem Hunde (B. 1 90). Nicht weniger vorzüglich ist das grosse Bildnis König Heinrichs IV. von Frank- reich, das höchst fein und zart durchgeführte des Niquetus in kleinem Formate und der frei und breit behandelte, fast lebensgrosse Kopf seines Lehrers Cuercn-

hert. Ausser seinen Kupferstichen hat Goltzius noch eine Reihe von Farbenholz-

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schnitten herausgegeben, die ausser mit der sehr kräftig und frei gezeichneten Umrissplatte meist noch mit zwei Tonplatten gedruckt sind, also in der Art der deutschen Arbeiten des Lucas Cranach, Burgkmair und Baidung. Besonders wirkungsvoll sind einige Landschaften, die in dieser Technik ausgeführt sind (s. Abb.). Nach Zeichnungen von Goltzius hat auch Christoph von Sichern

Hendrik Golrziu». Landschaft. B : 14. £Strichplattc.

eine Reihe von Holzschnitten in mehr regelmässiger, kupferstichähnlicher Technik hergestellt.

An Goltzius schliesst sich eine zahlreiche und fruchtbare Kupfcrstecher- schulc an, die in seinem Stil und vielfach auch nach seinen Zeichnungen veiter- arbeitet, ohne aber wesentlich Neues oder Besseres zu leisten. An erster Stelle ist Goltzius' Stiefsohn und Schüler J a c o b Matham(i57i 163 1) zu nennen, dann Jan Saenredam (1 565 1607), Bartholomacus Dolcndo (geb. um

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15 80) und Jacob dcGheyn(i 565 15). Von Abraham Bloemaert (1 564 bis 165 1 Utrecht), sind nur einige freie, breite Radierungen bekannt, er hat aber den Stechern zahlreiche Vorlagen geliefert und so auch für den Stich eine gewisse Bedeutung gewonnen. Einzelne Radierungen nach seinen Kompositionen sind mit farbigen Holzschnitt- Tonplatten unterdruckt. Mit Jan Muller (tätig 1 598 1625), einem der glänzendsten Virtuosen des Grabstichels und mit Abrahams Söhnen Frederik (geb. um 1600) und Cornelis Bloemaert (1 60 j 1680), der besonders durch seinen Einfluss auf den französischen Kupferstich wichtig ist, tritt die Schule des Goltzius schon in das XVII. Jahrhundert ein , in dem sie durch Rubens zu ganz neuen Aufgaben berufen wird und eine vollständige Umgestaltung erfährt.

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Jon Gourmont. Der Ii. Llipus

KUPFERSTICH UND HOLZSCHNITT IN FRANKREICH.

B der französischen Kunst ein Anteil an den Erzeugnissen des Kupferstiches im XV. Jahrhundert zukomme, hat noch nicht fest- gestellt werden können. Ausser den schon erwähnten Kupfer- stichen, die für die Lyoncr Ausgabe der „peregrinationes" des Bre'ydenbach von 1488 nach den Mainzer Holzschnittoriginalen kopiert worden sind, die aber auch sehr wohl von einem Fremden ausgeführt sein können, ist bis jetzt noch kein Blatt aus dem XV. Jahrhundert bekannt ge- worden, das mit Sicherheit als französisch zu bezeichnen wäre. Erst im XVI. Jahrhundert sondern sich die französischen Arbeiten durch die Namens- bezeichnungen der Stecher und durch ihren Stil deutlicher von den Erzeugnissen der Nachbarn ab. Es beginnt sich der spezifisch französische Kunstcharakter schon in der Vorliebe für das kleine Format der Blätter und der Figuren, dann besonders in der Zierlichkeit der Formen und Ornamente, in der prunkvollen Architektur und in der Feinheit der Technik bemerkbar zu machen.

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Vorläufig Ut nun aber die Anlehnung an die Formen und Vorbilder der italienischen Kunst so stark, dass die Selbständigkeit der durchgehends auch venig bedeutenden französischen Stecher noch sehr gering bleibt. Einige Künstler französischer Nationalität sind deshalb mit mehr oder weniger Berechtigung immer ohne weiteres zur italienischen Schule gerechnet worden. Stecher wie die beiden Lothringer Nicolo Beatricetto aus Luneville und Nicolo della Casa gehen in der Tat vollständig in der italienischen Schule auf (s. obenS. 267). Dagegen ist der französische Stilcharakter eines anderen Stechers, der bisher fast immer als Italiener galt, neuerdings mit Recht zur Geltung gebracht worden. Seiner stecherischen Ausbildung nach ist Georges Rcvcrdy aus Lyon, den man bis- her Gasparo oder Cesare Rcverdino zu nennen pflegte, allerdings durchaus Italiener, er ist auch sicher in Turin tätig gewesen und hat mehrere Blätter nach italienischen Vorbildern gestochen. Erst später, als er sich in Lyon und Paris angesiedelt hatte, tritt in der Wahl der Gegenstände und in den Kom- positionen mit kleinen Figuren und reichen Architekturhintergründen und auch in den Formen das französische Element stärker hervor. Ein Stich seiner ita- lienischen Manier ist 153 1, einer in seinem späteren Stil 1554 datiert.

Reverdy hat an einer Folge von kleinen, runden Stichen mit Darstellungen aus dem neuen Testament mitgearbeitet, die ihm und zwei anderen Lyoner Stechern, Jean Gourmont und dem Monogrammisten CC (Claude Corneille ?) wahrschein- lich von dem Verleger Balthazar Arnoullet in Auftrag gegeben worden waren. Von Claude Corneille kennen wir ausser anderen Stichen eine Folge von recht dürftigen Bildnissen der französischen Könige, die Arnoullet 1 546 in Lyon unter dem Titel „epitomes des roys de France" veröffentlichte. Der Maler und Goldschmied Jean Gourmont, der 1506 in Paris als Buchdrucker und 1512 1 526 in Lyon als Stecher arbeitet, und von dem der Louvre ein feines Bildchen besitzt, folgt ebenfalls italienischen, besonders raffaelischen Vorbildern. Seine h. Barbara (R. D. 1 o) ist nach Marcanton kopiert, die Ver- lobung der h. Catharina (R. D. 8) gibt eine Komposition Raffaels wieder. Er weiss seinen Arbeiten eine gewisse Anmut und Gefälligkeit der Form und seiner Technik durch feine, enge Strichlagen einen metallischen Glanz zu geben und erinnert hierin oft an die deutschen Kleinmeister (s. Abb. S. 3 2 6). Gourmont hat auch für den Holzschnitt gezeichnet. In diese Gruppe gehört ausser anderen schwachen Stechern auch Noel Garnier, der zwei Figurenalphabete gestochen und einige Blätter nach Dürer, Beham und Pencz kopiert hat.

Künstlerisch etwas anspruchsvoller, aber doch nicht viel leistungsfähiger tritt der Kupferstich in den Werken des Jean Duvet auf, der 1485 in Langres geboren wurde und vielleicht noch etwas älter ist als die vorher genannten Stecher. Er hat Dürers Werke studiert und benutzt sie nicht selten. Vor- nehmlich aber steht auch er im Banne der italienischen Kunst, und zwar ver- wendet er nicht nur Motive aus Kompositionen von Rar- fael, Mantegna und Leonardo, er hat auch die im Anfange des XVI. Jahrhunderts in Mai- land übliche Kupfcrstichtcch- nik so geschickt nachzuahmen gewusst, dass mehrere Ar- beiten eines mailändischen Künstlers ihm zugeschrieben werden konnten. Er model- liert ähnlich wie die Mailän- der die Formen innerhalb der etwas unsauber gezeichneten Umrisse mit Massen von kurzen, rundlichen Strichel- chen, die aber bei ihm viel unklarer und unruhiger wir- ken als bei jenen Stechern. Typen und Gcwandbehand- lung zeigen oft leonardeske Formen. Sein Hauptwerk ist eine Folge von Z4 Bildern zur Apokalypse, trotz vielfachen Entlehnungen sehr selbständig und inhalt- reich in der Erfindung. Interessant sind auch einige Darstellungen der Legende vom Fange des Einhorns, die allegorische Anspielungen auf die Liebesgeschichte Heinrichs II. und der Diane de Poitiers zu enthalten scheinen. Dem Reichtum und der Beweglichkeit seiner Phantasie steht aber nicht eine entsprechende Herr- schaft über die Formen, die in der Struktur und in den Details recht mangel- haft sind, zur Seite (s. Abb.).

Jean Duvet. Judas. Ausschnitt au» dem Blute B n.

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Für die weitere Entwickelung des französischen Kupferstiches im XVI. Jahr- hundert sind diese vereinzelten Ansätze, die aus der Nachahmung italienischer Technik entspringen, ohne wesentliche Bedeutung. Sie nimmt vielmehr ihren Ausgangspunkt von dem breiten Strome neuer künstlerischer Formen, die aller- dings auch von Italien her in Frankreich eindringen, die aber hier eine dem nationalen Charakter, oder wenigstens den höfischen Vorstellungen und Forde- rungen entsprechende Umgestaltung erfahren. Die Schule von Fontainebleau, die sich um die von König Franz I. zur Ausschmückung des Schlosses heran- gezogenen italienischen Meister bildet, ist die Wiege auch der graphischen Künste der französischen Renaissance. Einflussreicher als der zuerst vom Könige berufene Giov. Batt. Rosso, „Maitre Roux", der Vertreter des michelangelesken Manierismus, wurde für die französische Kunst Francesco Primaticcio, mit dem die Kunstweise Parmigianinos in Frankreich eindringt. Dem Sinn der Franzosen für Zierlichkeit und zarte erotische Empfindung ist die Kunst des Parmenscr Meisters innig verwandt, sie hat auch eigentlich in Frankreich mehr als in Italien ihre Verbreitung und Weiterbildung gefunden.

Auch in der Pflege der Radierung ist Parmigianino, der in Italien sich zuerst für diese Technik interessiert hat, das Vorbild des Künstlcrkreises von Fontainebleau geworden. Die italienischen Mitarbeiter Primaticcios, die sich, wie Antonio Fantuzzi, Ruggieri da Bologna, wie der in Dcvcnter geborene, aber in Italien ausgebildete Leonard Tiry mit der Vervielfältigung seiner Kompositionen befassen, sind schon oben erwähnt worden. Die französischen Gehilfen und Schüler des italienischen Meisters sind wenig bekannt und wohl auch zumeist unbedeutend gewesen. Man darf aber doch Künstler wie den EmailleurLeonardLimousin (um i j^^denMalerGcoffroyDumonstier (tätig um 1543 1 547), Rene Boy vin d'Angers (tätig um 156} 1580), Jacques Prcvost de Gray (tätig um 1535 1 547), Marc Duval du Mans (gest. 1581), EticnncDu Perac (gest. 1Ö01), den Schi ldcrcr Roms, u. a. m. zu den Radierern, die aus diesem Kreise hervorgegangen sind, rechnen.

Aber auch bei bedeutenderen und selbständigeren Künstlern, die nicht unmittelbar zur Schule gehören, lässt sich der stärkste Einfluss der Kunst von Fontainebleau nicht verkennen. An erster Stelle kann hier Jean Cousin, der tüchtigste und vielseitigste unter den französischen Künstlern dieser Zeit genannt werden. Er ist 1500 oder 1501 in Soucy bei Sens geboren und 1589 oder 1590 gestorben. Als Architekt, als Bildhauer, Maler, Glas- und Miniaturmaler

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und auch als Kupferstecher und Zeichner für den Holzschnitt hat er gleich Vor- zügliches geleistet. Mehr noch als die Italiener von Fontainebleau dies schon zu tun sich genötigt sahen, gestaltet Cousin die fremden Formen nach dem franzö- sischen Geschmacke um. Seine Ideale sind die geschmeidigen Cavaliere und die graziösen Damen des Hofes, eine Diana von Poitiers, ihre Eleganz und ihr Luxus im Schmuck der Person und der Umgebung. Den schlanken, sinnlichen Formen Parmigianinos gibt er jene anmutvolle Unbefangenheit des Ausdruckes, die die Franzosen als echt französische Naivität zu bezeichnen lieben. In der Ausführung folgt er der traditionellen Vorliebe für höchste Zierlichkeit und miniaturartig feine Ausführung aller Formen, des Schmuckes und der landschaftlichen Hintergründe. Unter den wenigen, äusserst seltenen Radierungen, die man Cousin zuschreibt, sind eine Verkündigung (R. D. i) und eine Beweinung Christi (R. D. 2) mit seinem Namen bezeichnet, einige andere Blätter werden nur aus stilistischen Gründen zu seinem Werke gerechnet. Sehr gross ist die Zahl der Holzschnitte, zu denen er die Zeichnungen geliefert haben soll, aber auch hier sind nur wenige Arbeiten sicher beglaubigt. Ihr Stil knüpft unmittelbar an die französische Tradition an.

Schon vor Cousin hatte man die alte, mittlerweile stark verknöcherte Technik des französischen Holzschnittes durch die Nachahmung fremder Formen mit Erfolg zu modernisieren versucht. In Lyon waren es zum grössten Teil deutsche Holz- und Metallschneider, die für die Verleger arbeiteten, wie über- haupt hier viele von deutschen Druckern gekaufte oder entliehene Stöcke ver- wendet wurden. Für die Ausgaben der Bibel und des „hortulus animae", die Johannes Clcin in Lyon für Koburger druckte, wurden ihm die Holzschnitte von Springinklee und anderen Nürnberger Künstlern direkt geliefert. Daneben werden zahlreiche venezianische Holzschnitte in der glatten französischen Manier kopiert. Von grösster Bedeutung ist dann die Veröffentlichung der Holbcin- schen Bibel- und Totentanzbilder in Lyon. Sie werden häufig neu gedruckt, kopiert und benutzt. Baseler Arbeiter der Holbeinschule beherrschen, wie es scheint, einige Zeit fast vollständig die Lyoner Buchillustration. Neben anderen scheint z. B. der Baseler Meister I. F. (Jacob Faber?) hier tätig zu sein. In Lyoner Drucken, z. B. in der Bibel von 1540, in den „horae in laudem B. V. Mariae" (1 548, Lyon, Mathias Bonhomme) findet man viele Holz- oder Metall- schnitte mit seinem Zeichen. Einzelne Stücke unter den sehr zahlreichen Erzeugnissen dieser Zeit, besonders einige kleine Bildnisse, wie das des Nicolas Bourbon von 1535, sind würdige Nachfolger der Baseler Meisterwerke.

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Die Anregung zu einer neuen, künstlerisch wertvollen StilbUdung geht von Geo ffroy Tory aus, der mit viel Geschick und Geschmack die alte feine französische Technik den Formen, die er der italienischen Renaissancekunst entlehnt, anzupassen weiss. Tory, der 1480 in ßourges geboren wurde und 1535 in Paris starb, ist ein lebhartes vielseitiges Talent, als Künstler phantasie- begabt, geschmackvoll und sorgsam, als Gelehrter und Schriftsteller ein etwas wirrer Kopf. In seinem Buche das er „Champ fleury" betitelte und 1529 in Paris herausgab, ruft er alle Götter des Olymp und alle geheimsten Wissen- schaften zu Hilfe, um die Konstruktion der römischen Buchstaben nach den mathematischen Gesetzen der Proportion darlegen zu können. Sein Verdienst ist ein rein künstlerisches in der Reform der Buchstaben wie in der Einführung der Renaissanceformen in die französische Buchillustration.

Tory ist lange in Italien gewesen und hat die Kunst an der Quelle eifrig und mit Erfolg studiert. Seit 1518 ist er in Paris als Holzschneider oder Zeichner für den Holzschnitt und als Buchdrucker tätig. Seine Drucke gehören zu den vorzüglichsten Meisterwerken der Buchausstattung. Das Doppelkreuz, das sogenannte lothringische Kreuz, das für sein Monogramm gehalten wird, findet sich auch auf Arbeiten anderer und spaterer Künstler, es könnte höchstens die Marke einer Holzschneider- Werkstatt gewesen sein. Das Emblem des „pot casse", das er als Druckerzeichen in seinen Büchern verwendet, ist bezeichnend für die bei ihm besonders starke Vorliebe für die Häufung von dunklen Alle- gorien und Anspielungen durch allerhand Gegenstände. Tory arbeitete zuerst für andere Drucker, besonders für Simon de Colines, dem er die reizenden Bilder und Umrahmungen für seine „heures" in gross von 1514 und 1525 lieferte, dann hat er im eigenen Verlage eine Reihe von reich verzierten Büchern herausgegeben, so 1527 zwei verschiedene Ausgaben der „horac B. Mariae", eine in in römischen Typen mit schmalen Ornamentleisten um jede Seite und eine zweite in 4" in gotischen Typen mit Umrahmungen aus Blumen und Tieren. Höchst zierlich und reich an antiken Motiven sind die ornamentalen Einfassungen und die architektonisch umrahmten Bilder der Ausgabe der „horac" von 1551 (s. Abb.). Unter Torys anderen Drucken ragt die französische Uebersetzung des Diodor, die erst nach seinem Tode 1535, herauskam, hervor. Von Einzclblättern ist die grosse Allegorie auf die christliche Erlösung zu erwähnen.

Tory zeichnet nicht immer sehr korrekt, seine schlanken Gestalten sind aber stets lebendig und anmutig, die Kompositionen geschickt und reich an

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anziehenden Details. Seine Holzschnitte sind zum Teil in Schraffierungsmanier, die aber freier und kräftiger ist als die ältere französische, andere fast nur in leichten, weichen und beweglichen Umrissen geschnitten. In seiner entzückend feinen und abwcchslungreichcn Ornamentik lehnt sich Tory an italienische Vorbilder, besonders an den Venezianer Polifilo von 1499 an, er verschmäht aber keineswegs, den alten Dekorationsstil der miniierten livres d'heures, deren Umrahmungen aus Uber den Grund ausgestreuten Blumen und Tieren bestehen, nachzuahmen. Er selber nennt diese Art der Verzierung merkwürdiger Weise: „ä Ja moderne". Torys Druckerei und sein Signet wird nach seinem Tode von Olivier Mallard weitergeführt. Seine Schüler und Gehilfen arbeiten offenbar noch längere Zeit in seinem Stil für Drucker wie Simon de Colines, Francois Rcgnault, Tilman Kerver, für die Estienne und andere.

An diese von Gcoffroy Tory geschaffene, echt französche Holzschnitttcchnik von zierlicher Sauberkeit und eleganter Rundung der Linien schliesst sich un- mittelbar an, was Jean Cousin und seine Nachfolger nach ihren Zeichnungen in Holz haben schneiden lassen. Mit Sicherheit können nur die Illustrationen der beiden von ihm selber herausgegebenen Lehrbücher für Künstler, des „livre de perspective" von 1 560 (s. Abb.) und des „livre de portraicture" von 1 571 als Arbeiten Cousins für den Holzschnitt bezeichnet werden. Beide Bücher waren lange als die grundlegenden Lehrbücher in zahlreichen Auflagen verbreitet. Die Holzschnitte des „livre de perspective" sind der Vorrede zufolge von Aubin Olivier und seinem Schwager Jean Le Royer ausgeführt worden. Als Cousins Werk werden vielfach auch die Zeichnungen zum „entree de Henri II a Paris" von 1 549, dem prächtigsten und feinsten Meisterstück des französischen Holz- schnittes bezeichnet, jedenfalls werden sie ihm mit grösserer Wahrscheinlichkeit zuzuschreiben sein als Claude Corneille oder anderen Künstlern. Weitere Holz- schnittwerke, die man mit Cousin in Verbindung bringen zu können glaubt, sind z.B. die „tapisserie de reglisc chretienne" (Paris 1 546), der „clogc et tombeau de Henri II" (1 560), die „figurcs de la Bible", die meist nur aus späteren Aus- gaben von Jean Ledere bekannt sind, und endlich eine Reihe von Blättern des „livre de lingerie comp, par M. Dominique de Sera" (Paris, H. de Marncf 1 584). Die Zeichnungen in diesen Werken zeigen jedenfalls den Stil des Meisters, die weiche Eleganz seiner Gestalten und die pikante Manieriertheit seiner Formen.

Die Technik dieser Arbeiten wetteifert mit der Torys in Sorgfalt und Feinheit der Linien und im Reichtum und Geschmack der Ornamentik, übertrifft

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sie an Freiheit und Breite der Formgebung. Die Zeichnung ist vornehm- lich in zartem Umrissschnitt ausgeführt, die Schraffierungen werden spärlich verwendet und bei aller Freiheit der Anlage sehr glatt und regelmässig geführt, so dass der Eindruck licht und in allen Schatten klar ist. Malerischer und

Jean Coutin. Aus dem Livre de perspective. Paris ijtfo.

farbiger sind die Bibclbilder behandelt , die fast an einer Uebcrf ülle der Kom- position, der landschaftlichen und architektonischen Motive leiden. Jean Cousins eleganter und manierierter Stil wird von einer Reihe meist unbekannter Künst- ler fortgesetzt. Der berühmte Architekt und Bildhauer desLouvreJeanGoujon (gest. 1571) hat eine Anzahl der Illustrationen zu Jean Martins Vitruvöber- setzung (Paris, Jacques Gazcau,i 547) gezeichnet. Ihm schreibt man auch die Nach-

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schnitte nach den Illustrationen der Hypnerotomachie ftir die französische Aus- gabe von 1 5 54 (Paris, Jacques Kerver) zu, die allerdings von anderen, mit ebenso schwachen Argumenten, auch für Jean Cousin in Anspruch genommen Verden.

In Lyon entfaltet Bernard Salomon, genannt le petit Bernard (geb. um 1508, gest. 1561), der vielleicht ein Schüler Cousins, jedenfalls ein Nach- ahmer der Kunst von Fontaineblau gewesen ist, eine überaus fruchtbare und erfolgreiche Tätigkeit als Illustrator im Dienste des Verlegers Jean de Toumes. Beim Einzüge König Heinrichs II. in Lyon und bei anderen, ähnlichen Gelegen- heiten wurde er mit der Herstellung der Festdekorationen betraut. Salomon ist ein leichtes, bewegliches Talent, weniger ernst und gründlich, überhaupt weniger vielseitig und bedeutend als Cousin. Seine überschlanken und allzu zierlichen Figuren sind oft stark verzeichnet und sehr manieriert. Es ist der Gesamteindruck, die geschickte und reizvolle Verbindung der Figuren mit den fein ausgeführten Hintergründen, was uns in diesen kleinen Bildchen besticht. Bei aller Leichtigkeit der Strichführung sind doch die feinsten Details klar und sorgfältig ausgearbeitet und schraffiert. Der leichte, muntere Fluss der Er- findung des Künstlers und die gefällige Grazie seines Erzählertalentcs scharfen einen neuen Illustrationsstil, der in der lebendigen Gesprächigkeit seiner bild- lichen und ornamentalen Motive den Text fast zu verdrängen droht. In der Tat lassen Bilder und Umrahmungen meist nur noch den Platz für Uebcrschriften und erklärende Verse übrig. Der Reichtum der Ornamentik ist so erstaunlich wie die Exaktheit und die zierliche Sorgfalt der Ausführung. Mauresken wech- seln mit architektonischen und Groteskenformen, die mit bizarren Tier- und Menschengestalten belebt sind. In der Zartheit und Schärfe der Linien wett- eifert hier die Technik oft mit der Radierung. Die Ausführung der Bilder steht nicht immer auf der gleichen Höhe, da sie offenbar verschiedenen Händen oder Werkstätten anvertraut war.

Die vorzüglichsten Arbeiten Salomons sind ausser einzelnen Titelumrah- mungen und Autorportraits die Bilderfölgen zu Petrarca und zu Alciats Emblemen (1547), die „quadrins de la Bible et figures du nouveau testament" (1553, s. Abb.), die „metamorphosc d'Ovide figurec" (1557) und die „hymnes du temps" von 1 560, seine letzte Arbeit, in der sein Name in der Vorrede genannt wird. Der Erfolg dieser Illustrationswerke ist sehr gross gewesen , sie sind in vielen Ausgaben verbreitet worden und haben vielfach als Vorbilder für kunst- gewerbliche Arbeiten gedient.

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Eine grosse Anzahl von Kopisten und zum Teil vortrefflichen Nachahmern folgt den Spuren Salomons. Mit Namen kennen vir nur Pierre Eskrich, der sich auch Pierre Vase nennt und wohl auch mit dem Meister P. V., dessen Holzschnitten wir in den „horac" des Matthias Bonhomme von 1548 und in Roviiles Ausgabe der „cmblemes" desAlciate von 15^9 begegnen, identisch ist. Eskrich ist als Sohn eines Deutschen, Jacob Kmg aus Freiburg, in Paris geboren, arbeitet seit 155z in Genf, dann seit 1 564 in Lyon, wohin man ihn bei Ge- legenheit des Einzuges König Karls IX. hatte kommen lassen, als Maler und Illustrator und stirbt dort nach 1590. Ein solcher in jener Zeit keineswegs ungewöhnlicher Lebensgang erklärt viele uns merkwürdige und rätselhafte

Stilmischungcn und Eigen- tümlichkeiten der älteren Kunst. Mit seinem vollen Namen sind einige Holz- schnitte bezeichnet, die er 1566 und 1568 ausge- führt hat, und die Bar- thclcmi Honorati 1585 für seine Bibel verwendet hat. Zu Eskrichs Arbeiten gehören die Illustrationen zur französischen Ausgabe

KtrnarJ >alomon. Aus Jen Q.u»driu, df Ij li.blc. Ljoniffll. VOI1 MÜnStCrS KoSniOgra-

phic von 1 575, zu Claude

Guichards „funcrailles des Romains, Grccs" (Lyon, I. deTourncs 1 581), die zu Guillaumc Roviiles Bibelausgabc von 1 509, und vielleicht auch die grosse, aus 1 2 Tafeln zusammengesetzte satirische „mappemonde papistique", deren erste Ausgabe 1566 erschien.

Pierre Woeiriot de Bouzey (geb. in Lothringen 1532, gest. nach 1596), der wie Cousin in Kupfer gestochen und für den Holzschnitt ge- zeichnet hat, führt uns wieder zum Kupferstich zurück. In seinen Holz- schnitten steht er Cousin und Bernard Salomon ganz nahe. Das zeigen die 3 1, zum Teil mit seinem Monogramm versehenen reizvollen Bildchen für die 1566 in Lyon von den Erben Jacob Juntas gedruckte Ausgabe der „antiquitates iudaicae" des Flavius Josephus und das Titelblatt zu Claudio Cortcs „cavalcrizzo" von 1573

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(Lyon, AI. Marsilij). Als Kupferstecher hat Woeiriot sein Bestes in Ornament- vorlagen und in den Umrahmungen seiner Bildnisse geleistet. Das „libro d'anella d'orcfici" (Lyon, Roville 15dl) und die Vorbilder für Degengriffe und Schmucksachen zeugen von dem Geschick und dem feinen Geschmack des erfindungsreichen Goldschmiedes und Cisclcurs. Im Figürlichen ist er mehr von den niederländischen Manieristen abhängig und viel schwächer. Seinen dürftigen Bildnissen in den „reges Austrasiae" (Köln 1591) und seinen „cm-

teienne Ocliune. GoldjchmicJcwcrkjtait.

blcmcs ou devises chrcsticnncs" verdankt er seinen Ruhm jedenfalls weit weniger als seinen Ornamentstichen.

Neben Woeiriot sind die bedeutendsten Vertreter des Ornamentstiches in Frankreich der Goldschmied Etiennc Dclaunc und der Baumeister Jacques Androuet Ducerceau. Etiennc (Stephanus) Delaune (geb. in Paris 1519, gest. 1583), der auch längere Zeit in Augsburg und Strassburg tätig war, arbeitet nur mit dem Grabstichel, in einer ziemlich nüchternen, aber äusserst fein detaillierenden Manier. Einzelne Formen, Wolken oder Gestalten, wie

Gott Vater, die als unkörperbaft charakterisiert werden sollen, bildet er öfter in der Art Giulio Campagnolas ausschliesslich mit feinen Punkten, die er auch sonst in den Ucbcrgängen viel verwendet. Er sucht von überall her Vorbilder zusammen, besonders aus den Stichen Marcantons, aus Kompositionen italie- nischer Meister und der Künstler von Fontainebleau und reduziert sie auf ein winziges Format, das sie zur direkten Verwendung als Vorlagen für Klein- künstler sehr geeignet macht. Allegorische Gestalten in reicher landschaftlicher Umgebung oder in architektonischen Umrahmungen, Ornamente mit Grottesken und dergleichen bilden den Hauptbestandteil seines Werkes von etwa 450 Blättern, nur selten hat er, wie in der Goldschmiedcwcrkstätte (R. D. 2 66, s. Abb.), auch Gegenstände aus dem gewöhnlichen Leben dargestellt.

Während Dclaunc das figürliche Element betont, legt der gleichfalls ausser- ordentlich fruchtbare Jacques Androuct Ducerceau (geb. in Paris um 1510, gest. um 15S5) das Hauptgewicht auf die Darstellung architekto- nischer Bildungen. Mit grösstem Eifer hat er in Italien die Bauwerke der Antike und der Renaissance studiert. Er schildert aber die Monumente weniger in ihrer Individualität als vielmehr nach ihrem instruktiven architektonischen Schema. Er lässt deshalb bei ihrer Umgestaltung oder Rekonstruktion, bei der Verwendung der Motive für neue Gebäudeformen seiner Phantasie freien Lauf. Wie in seinem architektonischen Geschmack folgt er auch im Stil des Figür- lichen, in seinen mythologischen und allegorischen Darstellungen, in seinen Rciterschlachten, in Grottesken und Ornamenten der Schule von Fontainebleau. Ausser zahlreichen italienischen Bauwerken und Ruinen (s. Abb.) hat Ducer- ceau auch ein grosses Werk über die französischen Bauten seiner Zeit heraus- gegeben. Da es ihm wesentlich auf das Gegenständliche ankam, hat er seine Blätter in sehr einfacher und etwas trockener, aber feiner und scharfer Linien- führung, ganz im Stil der Künstler von Fontainebleau radiert. Ein Enthusiast der römischen Ruinenwelt ist auch der schon erwähnte Etienne Du Pe'rac, dessen Radierungen, besonders die 1575 erschienenen „vestigi dell' antichitä di Roma", aber die Gebäude mehr topographisch und archäologisch als architektonisch betrachten.

Neben der Architektur und der Ornamentik ist das Porträt das bevorzug- teste Gebiet des französischen Kupferstiches dieser Zeit. Das XVI. Jahrhundert bietet allerdings kaum mehr als vorbereitende Studien für die Meisterschaft, die der französische Rildnisstich in der Folge erreichen sollte. Der Stil der monu-

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mentalen Kunst ist noch zu unfrei, das italienische und auch das niederländische Vorbild beherrschen das Streben der französischen Stecher zu stark, um ihnen kühnere Wagnisse in Auffassung und Technik zu gestatten. So bewegen sich selbst die tüchtigsten Vertreter des Bildnisstiches in Frankreich bedächtig im alten Geleise.

Porträts haben auch viele der schon genannten Stecher und Radierer ge- liefert, einzelne Meister aber widmen sich diesem Gebiete fast ausschliesslich, oder haben wenigstens ihr Bestes hierin geleistet. Als einer der vornehmsten Förderer des Bildnisstiches in Frankreich gilt JeanRabel aus Beauvais, der am Ende des XVI. Jahrhunderts tätig war. Er scheint sich besonders Martin Rota in Auffassung und Technik zum Muster genommen zu haben. Seine Schüler waren unter anderen Jacques Grandhommc, der in Paris und Lyon und in Frankfurt bei Theodor de Bry gearbeitet hat, und wahrscheinlich auch Thomas de Leu, ein Niederländer von Geburt, der jedenfalls mit ihm in Verbindung gestanden hat. Ihr Stil nähert sich dem der De Passe und Wierix. Leonard Gaultier oder Galter aus Mainz (155z? 1628?) hat sich ebenfalls eng an die französische Schule, an Delaune und Rabel angeschlossen.

Noch weniger künstlerisch bedeutend sind die historischen Darstellungen, die Jean Tortorel und Jacques Perissin in ihren „tableaux des guerres" 1 5 69 1 5 70, zum Teil in ziemlich groben und trockenen Radierungen, zum Teil in Holzschnitten, die vielleicht verlorene Kupferplatten ersetzen sollten, geliefert haben. Die beiden Künstler seien hier genannt als Vertreter der zahlreichen „taillcurs d'histoires" und handwerklichen Stecher interessanter Ereignisse der Zeitgeschichte, deren Arbeiten ein grosses historisches und kulturhistorisches Interesse haben, aber fast durchgängig nur einen sehr geringen künstlerischen Wert besitzen.

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DAS SIEBZEHNTE JAHRHUNDERT

Rcmbrandf. Selbstbildnis

KUPFERSTICH UND HOLZSCHNITT IN DEN NIEDERLANDEN.

EN Höhepunkt ihrer künstlerischen Schaffenskraft erreichen im XVII. Jahrhundert zwei Länder, Spanien und die Nieder- lande, beide hervorragend nur in der Malerei. In Spanien ist es nur ein kurzes, helles Aufleuchten künstlerischen Glanzes. Aus jahrhundertelanger Abhängigkeit führt ein kleiner Kreis genialer Meister in staunenswert schnellem Aufschwünge die spanische Malerei zu nationaler Selbst- ständigkeit und Grösse, gerade in dem Zeitpunkte, als die geistige und politische Macht des Landes dahinzuschwinden beginnt. Die Blüte der niederländischen Malerei im XVII. Jahrhundert krönt das Werk vergangener Zeiten, die stetige, freie und ernste Arbeit vieler Geschlechter ebenbürtiger Vorgänger. Es ist eine wahrhaft volkstümliche Kunst, wie es nur die des Florentiner Quattrocento war, die in innigster Beziehung zum nationalen Geistesleben steht und für die Edel- sten des Volkes schafft. In Spanien, wo die Kunst ganz im Dienste der Herren des Staates und der Kirche stand, wo ihr grösster Meister sich mehr als Aristokrat und Hofmann denn als Künstler fühlte, konnten die, ihrem Wesen nach volks- tümlichen, vervielfältigenden Künste, von den Grossen unbeachtet oder gar miss- achtet, an der Blüte der Malerei keinen Anteil gewinnen. In dem vielseitigen

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und frischen Kunstleben der Niederlande, besonders im freien Holland hat die graphische Kunst im XVII. Jahrhundert im Wetteifer mit der Malerei ihre höchsten Triumphe gefeiert. Die freie, selbstschöpferische Maler-Radierung steht nun nicht nur gleichwertig sondern auch gleichberechtigt als künstlerisches Ausdrucksmittel neben der monumentalen Kunst. Fast alle bedeutenden niederländischen Künstler haben selber Grabstichel und Nadel geführt oder doch durch ihr reges Inter- esse und ihren unmittelbaren Einfluss die graphischen Künste gefördert.

Viel entschiedener als in den vergangenen Jahrhunderten macht sich jetzt, da auch politisch und religiös die nördlichen, mehr germanischen Provinzen der Niederlande sich von den südlichen, mehr romanischen getrennt haben, die Eigenart der beiden Landesteile auch in der Kunst geltend. Die vlämische und die holländische Malerschule gehen von nun an jede ihre eigenen Wege. In Belgien wird vornehmlich die Grabstichelarbeit gepflegt, während die Holländer die Radiernadel bevorzugen. Es fehlt allerdings auch in Holland nicht an Meistern des Grabstichels und Belgien hat auch Radierer ersten Ranges aufzuweisen, im wesentlichen beruht aber doch die Bedeutung des holländischen Bilddrucks in der freien Maler-Radierung, während in Belgien die stecherische Arbeit überwiegend auf die Reproduktion von Gemälden durch den Grab- stichel verwendet wird. Die vlämischen Meister ziehen sogar viele der vor- züglichsten holländischen Grabstichelkünstler in ihre Dienste nach Antwerpen.

Dieser Gegensatz kommt schon in der Tätigkeit der Hauptmeister der beiden Schulen deutlich zum Ausdruck. Dem grandiosen Radierwerke Rem- brandts hat Rubens vielleicht nicht eine einzige eigenhändige Arbeit, höchstens gelegentliche Versuche gegenüberzustellen. Seine Bedeutung für die Geschichte des Kupferstiches beruht allein auf dem Einfluss , den er mittelbar auf die Ent- wickelung der Grabstichelkunst ausgeübt hat. Dieser Einfluss ist aber so gross gewesen, dass der Antwerpner Meister trotzdem als der bedeutendste Fak- tor in der Entwickelung der niederländischen Graphik angesehen werden muss. Er hat den vlämischen Kupferstich aus dem handwerklichen Betriebe, in den er gegen Ende des XVI. Jahrhunderts verfallen war, wieder zu künstlerischer Bedeuturg erhoben und ihn mit neuem Leben erfüllt.

Die Geschichte der graphischen Künste ist reich an Beispielen für ein solches Eingreifen grosser Künstler, die nicht selber Techniker waren, in ihre Entwickelung es mag an Botticelli, Raflael und Tizian erinnert werden aber keiner hat so unmittelbar schulbildend gewirkt, so selbstherrlich den Stil

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der graphischen Künste nach den Erfordernissen seiner Manier ungestaltet wie Rubens. Er gibt der Kunst der Graphiker nicht nur einen neuen Inhalt, er weist auch ihrer Technik neue Wege. Aus Künstlern verschiedenster Herkunft und Vorbildung gelang es ihm, eine ganz einheitliche neue Stecherschulc zu bilden. Rubens behielt geschäftlich wie künstlerisch den Betrieb vollständig in seinen Händen. Aus den Privilegien, die er sich von den Regierungen von Belgien, Holland und Frankreich für die Stiche zu erwirken wusstc, und aus den Dedikationsinschriftcn auf den Stichen geht hervor, dass im allgemeinen er selber der Herausgeber der Blätter gewesen ist. Bemerkungen in der Korrespon- denz des Meisters bestätigen dies.

Fast immer lässt er nur einen Stecher für sich arbeiten; die einzelnen Meister folgen einander in der Stellung als die privilegierten Interpreten in seiner Werkstatt. Er lässt nicht nach den fertigen Gemälden stechen, sondern legt den Stechern Grisailleskizzen vor, in denen die Farben schon auf ihre Werte als Licht und Schatten zurückgeführt sind. Er verfolgt ihre Arbeit in allen ihren Stadien und greift häufig helfend und bessernd ein. Eine ganze Reihe von Probedrucken ist uns erhalten, in denen Rubens durch Retuschen mit dem Stift und dem Pinsel die von ihm gewünschten Veränderungen angegeben hat. Für Rembrandt wäre ein solcher halb geschäftlicher Betrieb, eine derartige Ausbeutung seiner Kunst undenkbar. Die Vertiefung in rein künstlerische Probleme, die vollkommene Individualisierung des einzelnen Kunstwerkes, auf denen die Grösse Rembrandts und der holländischen Kunst überhaupt wesent- lich beruht, lagen nicht in den Intentionen Rubens und seiner vlämischen Kunstgenossen. Er geht, ähnlich den Italienern seiner Zeit, mehr auf eine un- mittelbar sinnliche Wirkung durch die starke Dramatik der Kompositionen und durch die Reize der Formen und Farben aus. Er rechnet klug nur mit den äusseren, gröberen Manifestationen der Empfindung, die sich einem jeden sogleich aufdrängen, wie er auch der offiziellen asketischen Strömung unbe- denklich folgt. Von Rembrandts ganz selbständiger, aus reifster psycho- logischer Erkenntnis geschöpfter Auffassung religiöser Gegenstände ist er weit entfernt. Er nimmt den geistigen Inhalt seiner Darstellung als von der kirch- lichen oder historischen Tradition gegeben hin und sucht ihn nur in genialer Konzeption und mit kühner Sinnlichkeit der Formgebung zu einem lebendigen, packend und reizvoll wirkenden Vorgange zu gestalten. Zu den Müttern ist er nicht hinabgestiegen! Rubens konnte deshalb sehr wohl der Mithilfe der

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Schüler einen breiten Raum in seinem Kunstbetriebe einräumen und in exakt gezeichneten und glänzend ausgeführten Stichen gut geschulter Techniker eine vollwertige Wiedergabe seiner Werke erblicken.

Rubens braucht deshalb auch durchaus nicht das Bedürfnis empfunden zu haben, seine kostbare Zeit auf eigene Arbeit in der mühsamen Technik zu ver- wenden. Allerdings werden von der Tradition einige Radierungen als seine eigenhändigen Arbeiten bezeichnet, und in der Tat ist es wohl möglich, dass er sich gelegentlich in der Technik versucht und, wie Van Dyck, die Skizzen zu einzelnen Stichen selber auf die Platte radiert habe. Aber selbst die Radie- rungen, deren Qualität einen so hohen Ursprung nicht ausschliessen würde, sind fast alle nur in späteren, von fremder Hand überarbeiteten Zuständen auf uns gekommen, die von der ursprünglichen Actzung kaum mehr etwas erkennen lassen. Die h. Catharina, die seine Namensbezeichnung trägt, stimmt allzu genau mit der Heiligen im Fresko der Antwerpncr Jcsuitcnkirchc überein. Der einzig übrig gebliebene Rest der eigenhändigen Stechvcrsuchc des Meisters besteht vielleicht in der nur in einem Exemplar im British Museum erhaltenen Radie- rung nach der in seinem Besitze befindlichen antiken Büste Senccas.

Rubens' eigene Betätigung in der Technik kommt jedenfalls kaum in Be- tracht gegenüber der gewaltigen Masse von Werken, die von berufsmässigen Stechern in seinem Auftrage und unter seiner Leitung hergestellt worden sind. Von Anbeginn seiner selbständigen Tätigkeit an hat der Meister, wie wir deut- lich sehen können, auf die Verbreitung seiner Werke durch den Kupferstich grossen Wert gelegt. Der erste Stecher, der für Rubens arbeitet, ist der Ant- werpener Cornelis Galle. Rubens bezeichnet Galles Stich nach seiner soge- nannten grossen Judith (1610) in der Widmung selber als die erste Reproduk- tion nach einem seiner Werke. Galle hat dann im Auftrage des Druckers Moretus eine Anzahl von Titelblättern nach Rubens1 Entwürfen gestochen. Einen grösseren Einfluss hat Rubens auf seine ersten Stecher kaum ausüben können. Sie gingen mit einer fertig ausgebildeten , völlig schematisierten Technik an die Arbeit. Er scheint den geschäftsmässig und routiniert arbei- tenden Antwerpener Technikern auch bald Stecher der künstlerisch bedeuten- deren holländischen Schule, die Hendrik Goltzius gebildet hatte, vorgezogen zu haben. Willem Swancn bürg ist der erste einer Reihe von Holländern, die sich in Rubens' Dienste stellten. Dann stachen Egbert van P anderen, Andreas Stock, Jacob Andr. Mattham und Jan Müller, sämtlich

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Künstlern der Goltziusschulc, einzelne Blätter nach seinen Kompositionen. Auch einen Franzosen, den schon genannten Michel Lasnc aus Caen hat der Meister kurze Zeit beschäftigt.

Peter Soutmann (geb. in Haarlcm 1580?, 1Ö20 Meister in Antwerpen) eröffnet die Reihe der von Rubens selber gebildeten, oder wenigstens von ihm massgebend beeinflussten Stecher. Er hat 1 j Blätter nach Rubens gestochen, vornehmlich nach dramatisch stark bewegten Kompositionen, nach den Jagd- darstellungcn , dem Sturz der Verdammten, dem Raub der Proserpina usw. Er arbeitet mit unregelmässigen Massen feiner Striche und Punkte und ver- bindet die Grabsticheltechnik in recht unsystematischer Weise mit der Radie- rung. Er sucht durch seine sehr weichliche Formcngebung und durch helle, tonige Färbung die Formenfülle und das lichte Kolorit der Gemälde des Meisters wiederzugeben.

Einen eigentlichen Schüler Rubens1 kann man erst Lucas Vorstcrman (geb. 1595 zu Bommel in Geldern, gest. 1667), nennen, der vielleicht der be- deutendste aller Stecher dieser Gruppe gewesen ist. Der Meister selber soll ihn auf den Kupferstich hingewiesen haben. Vorstcrman muss schon einige Jahre vor 1620 begonnen haben, für Rubens zu arbeiten, nachdem er mehrere Blätter von Goltzius kopiert und nach Elsheimer und Pieter Brueghel gestochen hatte. Sein frühester Stich nach Rubens scheint die Madonna, die das Kind anbetet, gewesen zu sein. Dann entstanden die Susanna mit den Alten, die beiden Anbetungen der Könige, die grosse Kreuzabnahme, die zu seinen besten Werken gehören. Im Jahre 16z 1 hat er fünf Stiche nach Rubens ausgeführt, darunter den Sturz der Engel, Laurentius und Ignatius; die grosse Amazonen- schlacht in 6 Platten ist 1623 datiert. Schon vorher aber (1 62 2) muss Vorster- man, wahrscheinlich krankheitshalber, die Arbeit für Rubens aufgegeben haben, seit 1624 ist er in England tätig und sticht besonders nach italienischen Vorbildern und nach Bildnissen von Van Dyck und Holbein.

Die kurze Zeit des Zusammenwirkens des genialen Malers mit dem grossen Techniker hat aber genügt, die Grundlagen für einen neuen Kupfer- stichstil zu schaffen, den dann zahlreiche Schüler und Nachahmer sich anzu- eignen und auszubilden eifrig bemüht waren. Wohl an Virtuosität der Technik nicht aber an künstlerischem Feingefühl und an Verständnis für Rubens' Ab- sichten ist Vorsterman von seinen Nachfolgern übertrofFcn worden. Abge- sehen von korrekter und stilgcmässer Wiedergabe der Zeichnung verlangte

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Rubens von seinen Stechern vor allem starke, malerische Effekte, die kräftigsten Kontraste schimmernden Lichtes zu sametartig tiefen Schatten. Die kräftige Modellierung und die farbenreichen Gegensätze sucht man nun durch ein sehr schnelles, aber doch weiches Ucbcrgehen vom tiefen Schatten zum starken Licht zu erzielen, dann auch durch eine grössere Mannigfaltigkeit, Beweglich- keit und Zartheit der Linienzüge, die stark detaillierend den Formen folgen und ihren Charakter und ihre wechselnde Beleuchtung zur Geltung bringen. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied der Rubenstechnik zur älteren Goltziusschen, die mit weiten, dicken Taillen in grossen Zügen plastisch mo- delliert. Ein neuer und ganz malerischer Effekt wird dadurch erzielt, dass oft die tieferen Schatten nicht durch die, in grossen Flächen immer trocken wirkende Kreuzschraffierung hergestellt werden sondern durch einfache Horizontallagen dicker Taillen, die mit ganz dünnen Linien abwechseln und die unmittelbar in das hellste Glanzlicht übergeleitet werden. Hierdurch wird, besonders in den Stoffen, ein sametartiger Glanz der Tiefen erreicht, wie man ihn bis dahin nicht gekannt hatte, und der Eindruck der Farbigkeit hervorgebracht. Neu ist auch das häufige Fehlen der Konturlinie; der Umriss wird dann allein durch die Spitzen der Schraffierungen oder durch Reihen von Häkchen gebildet.

Es liegt auf der Hand, dass derartige Kunstgriffe die grösste Sicherheit in der Führung des Grabstichels und vollkommene Beherrschung der tech- nischen Hilfsmittel erforderten. Ebenso einleuchtend ist es, dass für solche Effekte, zumal wenn sie nach den Angaben des Malers vom Stecher genau be- rechnet werden mussten, nicht die Radierung mit ihren unsicheren Wirkungen, sondern allein die Grabsticheltechnik mit ihren klaren, tiefen Linien das geeig- nete Mittel war. In der Tat ist auch von der ganzen Schar der Stecher, die unter Rubens' unmittelbarer Aufsicht arbeiteten, die Radierung nur sehr wenig, und fast immer nur für die Vorzeichnung verwendet worden.

Vorstermans vorzüglichster Schüler ist Paulus Pontius (geb. 1603, gest. 1 658) gewesen, der 1618 zi bei seinem Lehrer, dann unter Rubens' persönlicher Leitung tätig war. Seine Technik ist sicher und farbig glänzend wie die Vorstermans, aber nicht so frei und breit, systematischer und oft trockener. Er arbeitet mehr mit Kreuzschrafficrungcn und Punkten und führt die Taillen sehr kräftig, aber regelmässiger als jener. Sein erstes Werk nach Rubens ist die Susanna von 16^4, vorzüglich sind besonders der h. Rochus (t6z6), die Ausgicssung des h. Geistes (1ÖZ7), die Grablegung (iöz8), der

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grosse Kindermord, die Darbringung im Tempel (1658), die Thomyris (s. Abb.) und unter einer Reihe vorzüglicher Bildnisse das des Meisters selber '1650;. Pontius wurde besonders als Porträtstechcr geschätzt, die 30 Blätter, die er für Van Dycks Ikonographie geliefert hat, gehören zu den besten der Folge.

faulu, l'ontlus, nach Kubcm. Thotmris. Ausschnitt.

Auch sonst weiss er auf den Stil dieses Künstlers besser einzugehen als irgend ein anderer Stecher.

Die glänzendsten und routiniertesten Grabstichcltechnikcr der Rubens- schule sind die Brüder B oe t h ius und Schelte Adam Bolswerth, die beide als fertige Meister aus Holland zu Rubens kamen. Boethius der ältere (geb.

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1580 in Haarlcm, gest. 1 6 3 3) hatte sich nach Abraham BJoemaert gebildet und dessen skizzenhaft breite, manierierte Art nachgeahmt; er hat auch Gemälde von Vinckcboons und von Micrcveldt gestochen. Im Jahre 1 6 1 8 kam er nach Antwerpen, wo er iözo Meister wurde. Für Rubens hat er nur in den letzten Jahren seines Lebens gearbeitet. Das Urteil Salomos, frühestens i6zo, die Auf-

Boichim Boliwerth. Ausschnitt aus der Kreuz igung.

erweckung des Lazarus, das Abendmahl, die Kreuzigung (s. Abb.) sind seine Hauptwerke, in denen er seine Technik vollständig nach dem Stil des Malers und nach dem Vorbilde der älteren Rubensstechcr umgebildet hat.

Schelte (Childcrich) Adam Bolswerth (geb. 1 586, gest. 1659), der 16z 5 1616 Meister in Antwerpen wird, stammt aus derselben Schule wie sein Bruder. Persönlich soll er mit Rubens in intimer Beziehung gestanden haben, in seinen Stichen bewahrt er aber eine grosse Selbständigkeit. Von

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Schelle A. Bolsvrcnli. Auixhnitt au» der Landschaft mit dem Regenbogen.

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keiner seiner Platten sind Probeabzöge mit Rubens' Retuschen erhalten, und fast keines seiner Blätter ist mit Rubens' Privilegien herausgegeben worden. Der Maler muss dem überaus virtuosen Techniker, in den er volles Vertrauen setzte, ganz freie Hand gelassen haben. Zu seinen frühesten Stichen nach Rubens gehören die Grablegung, die heiligen Ignatius, Franz Xaver, Catharina und Barbara und die h. Familie. Von den besten und berühmtesten Stichen Scheites seien angeführt die Löwenjagd, die mit Rubens' Privileg versehen ist, die Bekehrung Pauli, der Fischzug, die Dornenkrönung, die Geburt Christi, die Vermählung Mariae und vor allem die fünf grossen Landschaften (s. Abb.), die man mit Recht zu den genialsten Schöpfungen des Meisters und zu den vorzüglichsten Landschaftsgemälden überhaupt zählt. Bolswerth hat sie mit seiner ganzen Meisterschaft wiedergegeben, alle Feinheiten der Planabstufungen nur mit dem Grabstichel mit wunderbarer Leichtigkeit angedeutet, die Tiefen mit ausserordentlicher Kraft der Farbe herausgehoben.

Die Technik der Bolswerth geht auf Vereinfachung der Liniensysteme aus. Sie suchen mit klaren, sich rundenden und schwellenden Linien von grosser Regelmässigkeit alle Formen und Töne wiederzugeben. Dem freien Schwung Vorstermans gegenüber ist ihre Manier etwas berechnet und ö fter monoton, aber von grösstcr malerischer Wirkung besonders für die Entfernung. Schelte hat auch nach Joerdacns, nach Seghers, nach Er. Quellinus das ricsen- grosse Blatt mit dem Einzüge des Erzherzogs Leopold Wilhelm in Gent (165 5) und nach Van Dyck gestochen.

An diese ältere Generation der Rubensstecher schliesst sich eine zweite, hauptsächlich aus ihren Schülern bestehende Gruppe an, die den von ihnen vor» gezeichneten Bahnen folgt. Sie sind fast alle weniger bedeutend und selb- ständig und stehen künstlerisch und persönlich in weniger enger Beziehung zu Rubens als jene älteren Meister, die in gemeinsamer Arbeit mit ihm den neuen Stil geschaffen hatten. Ein sehr geschickter, aber etwas trockener Stecher ist Peter de Jode der jüngere (1606 bis nach 1Ö74), Schüler seines Vaters, aber besonders unter dem Einflüsse der Bolswerth ausgebildet. Nach Rubens hat er unter des Meisten Aufsicht die Heimsuchung, dann die Geburt der Venus, die drei Grazien, Neptun und Cybele, die h. Catharina u. a. m. gestochen, sein Hauptwerk ist Rinaldo und Armida nach Van Dyck (1 6" 4.4). Unter seinem Namen geht viel Fabrikware seiner Werkstätte. Eine sehr anziehende Erscheinung ist Jan Witdoeck (geb. in Antwerpen 161 5, gest. 1 6 J9), ein Schüler Vorster-

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mans, Schuts und Rubens' selber, der ihn besonders hoch schätzte. Witdoeck ist kein guter Zeichner, aber er weiss mit seiner etwas kleinlichen Arbeit doch grosse dekorative, koloristische Effekte zu erzielen, indem er die dunklen, weichen Schatten in pikanten Gegensatz zu grossen Lichtflächen stellt. Er nähert sich hierin besonders Peter Soutman. För Rubens arbeitet er seit (635, unter anderem die Kreuzaufrichtung, den h. Ildephonsus, Abraham und Melchisedck, die Himmelfahrt Mariae und das Wunder des h. Justus.

Ein anderer guter Schüler Vorstermans istMarinus Robin (geb. 1599?, gest. 1639). Nach Rubens sticht er in sehr freier, durchsichtig leichter Technik die Flucht nach Aegypten, den h. Xaver Kranke heilend, den h. Ignatius u. a. m., nach Joerdaens das Martyrium der h. Apollonia, andere Blätter nach Van Dyck und Van Thulden. Als Robins Mitschüler und als Van Thuldens Ge- hilfe wird Jacob Neefs (geb. um 1610) genannt. Seine Hauptwerke sind der h. Thomas nach Rubens, Christus vor Caiphas nach Joerdaens und zwei Blätter für Van Dycks Ikonographie. Als letzter der bedeutenderen Stecher nach Rubens mag noch Anton van der Does (1610—1680), Pontius' Schwager, erwähnt sein.

Eine selbständige künstlerische Weiterbildung erfährt der Stil der Rubens- schule nur in Holland, von wo ja auch die besten der Rubensstecher gekommen waren. In Antwerpen gewinnen nach Rubens' Tode wieder die Händler die Oberhand. Es sind nun die Verleger, die die Kunst kommandieren und die Haupt- schuld an dem Rückfall in jenen merkantilen, oberflächlichen Betrieb der Technik, aus dem nur Rubens' Genius sie emporgehoben hatte, tragen. Martin van den Emden verlegt hauptsächlich Bolswerths und Van Dycks Blätter, Gilles Hcndrickx beginnt aber schon den alten Bestand an guten Platten durch neue geringere Ware und durch Kopien zu vervollständigen. Gaspard Huybrcchts, Nicolaus Lauwers, Jan Meysscns u. a. m. sind ebenso schwache Stecher wie wenig gewissenhafte Händler. Unter den Künstlern, die sie beschäftigen, sind besonders zu nennen Peter de Balliu, Conrad Lauwers, Pontius' Schüler Conrad Waumans, Richard Collin, M. Borreken, Richard van Orlcy aus Brüssel und der Genfer F. Pilsen.

Wie schon hervorgehoben, spielt die Radierung in der Antwerpencr Schule nur eine untergeordnete Rolle. Nur einzelne Maler-Stecher versuchen sich gelegentlich in dieser Technik. Ihre radierten Skizzen werden dann aber

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fast regelmässig von geschulten Technikern mit dem Grabstichel überarbeitet und zu fertigen Bildern durchgeführt. Ebenso wie Rubens «-erden auch seinen Schülern, wie Jacob Jocrdacns, Van Diepenbecke, Snyders, Er. Quel- lin us, einzelne Blätter ohne Bedeutung zugeschrieben. Frans van den Wyngaerdc ist hauptsächlich Verleger, Willem Pannecls, der 1630 Rubens Bildnis stach, ist vornehmlich in Deutschland tätig gewesen. Jacob Savery (1 570 1 60z), der Hans Bols Schüler war, und sein Bruder Ro c 1 and Savery (1576 1639), sind in Amsterdam und Utrecht ansässig gewesen und haben ihre wenigen Arbeiten dort ausgeführt. Die Radierungen des Rubens- schülers Theodor van Thulden (1607 1676?}, sowohl die Irrfahrten des Odysseus nach Niccolo deir Abbates Fresken in Fontainebleau (1634) als auch die grosse „Pompa introitus ser. princ. Ferdinandi Austriaci Antwerpiae" von 1635 lehnen sich im Stil der Zeichnung und der Technik an italienische Vorbilder an. In ebenso stark italienisierender Manier hat Rubens' Schüler und Konkurrent Cornelis Schut (Antwerpen 1597 1655} seine zahlreichen Radierungen ausgeführt. Er sucht aber in seiner freien und kräftigen Nadel- führung sich der Grabsticheltechnik zu nähern und durch kontrastreiche Be- leuchtung die Effekte der Rubensschcn Koloristik nachzuahmen.

Im Gegensatze zu den zahlreichen italienisierenden Niederländern kommt, wie bei Rubens, in den Landschaften des Lucas van Uden (Antwerpen 1 597 1655) die vlämische Heimat wieder zu ihrem Rechte. Den Vorder- grund beherrscht kräftiger Baumschlag, die Hintergründe reizvoll duftige, leicht und zart radierte Fernen. Aber bei aller Feinheit im einzelnen bleibt das Bild Vedute, ohne Tiefe und Zusammenschluss (s. Abb.). Van Uden steht wie Lodewyck de Vadder (Brüssel 1560 1 dz j), der etwas gröber radiert, noch in den Traditionen der Landschaftsmalerei des XVI. Jahrhunderts. Von den zahlreichen Radierungen, die David Teniers (16 10 1690) zuge- schrieben werden, und die sein Monogramm tragen, lässt keine die Feinheit und die Frische, die man von eigenhändigen Arbeiten des Malers erwarten dürfte, erkennen. Am meisten Wahrscheinlichkeit hat noch der Tanz im Hofe der Schenke (Nagler 1) für sich.

Von wirklicher Bedeutung sind unter den Leistungen der vlämischen Radierer eigentlich nur die 1 6 Bildnisskizzen, die Antonis van Dyck (geb. Antwerpen 1599, gest. London 1Ö41) für seine Ikonographie, eine Sammlung von ge- stochenen Bildnissen berühmter Persönlichkeiten, geliefert hat. Es sind fast

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durchweg Künstler seiner Freundschaft und Gefolgschaft, deren Bildnisse er selber radiert hat, Liebhaberarbeiten im persönlichen und künstlerischen Sinne. Van Dyck zeichnet mit der Nadel leicht und frei wie mit der Feder, die Umrisse deutet er nur zart an und modelliert mit langen, elegant bewegten Strichen, die sich in den tiefen Schatten zu dunklen, satten Tönen verdichten und verstärken ; die Uebergänge und die Halbtöne erzielt er durch kurze Strichelchen und Punkt- reihen, die oft wie mit der Roulette gearbeitet erscheinen. Die Technik ist der Baroccis und anderer italienischer Radierer sehr ähnlich, aber koloristisch

Lucas van Utlcru Landschaft. B. 6

durch die mit grösstem Geschick, z. B. in den Haaren, verwendeten Glanzlichter ganz originell und höchst reizvoll. Van Dyck hat in diesen, wenn auch nicht mit vollkommener Beherrschung der Technik so doch mit der ganzen Meisterschaft seiner Formengestaltung ausgeführten Skizzen einen ganz neuen Typus des in- timen Bildnisses geschaffen, der leider ohne Nachfolge geblieben ist. Für die Publikation in der Serie Hess Van Dyck selber seine Radierungen von Grab- stichelkünstlcrn überarbeiten und mit dem nötigen Beiwerk der Gewandung und der Hintergründe vervollständigen. Nur in den ersten Zuständen können deshalb diese Bildnisse, unter denen sich das des Meisters selber (s. Abb.), die der Kupferstecher Pontius und Vorstcrman, des Lc Roy, der Maler Snellinx, de

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Momper u. a. m. befinden, als "Werke Van Dycks angesehen werden. Auch seine beiden anderen Radierungen, das Eccc homo und Tizian mit seiner Tochter, sind von berufsmässigen Stechern überarbeitet worden.

Wie Rubens hat auch Van Dyck den Reproduktionen seiner Werke leb- haftes Interesse zugewendet, ohne jedoch seinen Einfiuss auf die Stecher in fühl- barer Weise geltend zu machen. Für die Ikonographie Hess er die Stecher nach Grisailleskizzen von seiner Hand arbeiten, und auch die Reproduktion seiner anderen Werke wird er ihnen in ähnlicher Weise erleichtert haben. Im allge- meinen waren dieselben Stecher für ihn tätig, die auch für seinen Meister Rubens arbeiteten und sich in dessen Schule ge- bildet hatten, an erster Stelle Paulus Pontius, sein bester Interpret, dann Vor st er man, Bolswcrth, Peter de Jode, Cornclis Galle d. ä., Wil- lem Hondius, Nicolaus Lauwcrs, Andreas Stock, Jacobsz De ff und andere mehr.

Aehnlich durchgreifend, wenn auch nicht entfernt so bedeutungsvoll für die Folge- zeit, ist der Einfiuss gewesen, den Rubens auf den Holzschnitt ausgeübt hat. Auch hierin hatte ihm Goltzius vorgearbeitet, der durch seine eigene Tätigkeit und durch seinen technischen Mitarbeiter Christoph von Sichern dem Holzschnitt einen energischen An- stoss gegeben hatte. Sie erheben die Wirkung des Holzschnittes zu einer ge- wissen Grüsse, können aber, wo sie nicht Tonplatten zu Hilfe nehmen, trotz kräftigster Behandlung der Linie die Kleinlichkeit der Strichbildung bei grösseren Dimensionen nicht überwinden. Abrahamund Frederic Blocmaertmachtcn dann den Versuch, durch Uebcrdruck von zwei bis drei Holzschnitttonplatten auf die in Kupferstich ausgeführte Strichplattc getuschten Federzeichnungen ähnliche Bilder zu erzielen.

Antonit Van Dyck. Selbstbildnis. W. 4, 1.

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Rubens ist es auch hier gelungen, der alten Technik ganz neue, malerische Wirkungen abzugewinnen. Für seine Absicht, die stark tonbildenden, dekora- tiven Qualitäten des damals schon sehr vernachlässigten und arg verwahrlosten Holzschnittes für die Wiedergabe seiner Kompositionen zu verwerten, fand er einen vortrefflichen technischen Helfer in Christoph de Jeghcr, der, wahr- scheinlich ein Deutscher von Geburt (1627/28 Meister in Antwerpen, gest. 1652 oder 1653), seine Berühmtheit ganz der Arbeit für den grossen Maler verdankt. Wie weit sein Verdienst dabei ging, wird sich schwer mehr feststellen lassen. Die systematische Glcichmässigkeit der Strichbildung lässt aber darauf schliessen, dass er nicht etwa Rubens' Vorzeichnungen auf den Holzstock nur nachgeschnitten habe, sondern dass er dessen malerische Vorlagen selbständig für den Holzschnitt umzuzeichnen hatte. Die künstlerische Initiative wird ohne Frage von Rubens ausgegangen sein, der durch entsprechend vorbereitete Vor- lagen und, wie Retuschen auf erhaltenen Probedrucken beweisen, auch durch ständige Beaufsichtigung die Arbeit des Technikers stilbestimmend leitete, wie denn auch die Blätter in seinem Verlage unter dem Schutze seiner Privilegien veröffentlicht wurden. De Jcgher war sicher nicht nur ein äusserst geschickter Formschneider sondern auch ein feinfühliger Künstler, der den Absichten des Meisters mit Verständnis folgen konnte. Jedenfalls ist er der einzige gewesen, mit dem Rubens das Experiment der Holzschnittreproduktion seiner Zeichnungen unternommen hat. Sein Stil hat auch keine Nachfolge gefunden.

De Jegher verbindet in geschicktester Weise den Nachschnitt der Feder- zeichnungsstriche mit Effekten der Grabstichelkunst, doch immer so, dass, be- sonders in den kräftigen Umrissen und in der Eckigkeit und Schärfe der Strich- ränder, der Charakter der Technik, der Zug des Messers überall stark zur Geltung kommt und der Arbeit Ursprünglichkeit und Kraft bewahrt. Es ist keineswegs eine blosse Uebertragung der Kupferstichtechnik auf den Holzschnitt, was Rubens und de Jegher beabsichtigen, sondern die Erziel ung besonders starker malerischer Kontraste durch die eigenen derben Mittel des Holzschnittes. Nur erhält die Modellierung von den tiefschwarzen Schattenflecken zum Lichte durch wellig bewegte und sich verdünnende, kupferstichähnliche Linienbildungen, und durch den Tiefen vorgelagerte schmale Streifen von Halbtonschraffierungen eine bis dahin unbekannte Weichheit und Farbigkeit. Nur Domenico delle Greche und Giuseppe Scolari haben die Holzschnitttechnik mit ähnlicher Kühn- heit behandelt und ihre mächtige Tiefenwirkung so auszunützen verstanden.

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Durch die öfter vielleicht aber erst in späteren Abdrücken verwen- deten Tonplatten, z. B. in der Ruhe auf der Flucht, werden die wuchtigen Effekte des Rubcnsschcn Holzschnittstiles nur beeinträchtigt. Am besten eignete sich diese Holzschnitttechnik für Darstellungen von Kraftszenen wie den Herkules

Chriitoph de Jcghcr tv»ch Rubens. Chriirut und der Johanneiknitw. Ausschnitt »on 1JJX140 mm. Originalgrösse.

im Kampfe gegen den Neid oder den trunkenen Silcn oder von Gegenständen, in denen das Landschaftliche vorwiegt, wie in dem Christkinde mit dem Johannes- knaben (s. Abb.). In der Susanna mit den beiden Alten und in dem Liebes- garten erreicht der Holzschnitt, ohne seinen eigentümlichen, markigen Charakter zu verlieren, in der Wiedergabe faltenreicher, glänzender Gewänder eine Weich-

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hcit und Sattheit der Töne, die mit dem Pinsel des Malers wetteifern zu wollen scheinen.

Jonas Suyderhocf nich frans Hai». Bildnis des VV'icfccnburg. Ausschnitr.

Wie schon hervorgehoben wurde, tritt die Grabstichelkunst in Holland der freien Radierung gegenüber stark in den Hintergrund. Die meisten Kupfer- stecher der holländischen Schule sind in Antwerpen für Rubens und Van Dyck

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tätig gewesen und so ganz in die Einflusssphäre der vlämischen Kunst gezogen worden. Nur wenige holländische Stecher widmen sich der Wiedergabe von Werken ihrer heimischen Meister und gelangen dadurch zur Ausbildung eines eigenen Stils. Willem Jacobsz Delft (Delft 1580 iö}8), der auch für Van Dycks Ikonographie einige Blätter geliefert hat, ist vor allem der Stecher seines Schwiegervaters Miereveldt, dessen Bildnisse er vortrefflich wiederzugeben weiss. Die Blätter grossen Formats, besonders nach Bildnissen der Oranier, die als Wandschmuck dienen sollten, wirken etwas eintönig und grob, in den kleineren Stichen ist dagegen die Goltziussche Technik mit dem Stil der Rubensstecher zu einer feiner detaillierenden und flüssigeren Behandlung verbunden. Jonas Suyderhoef (tätig 1 64 1 1669), der wohl ein Schüler Soutmans gewesen ist, hat seine Meisterstücke in Bildnissen nach Frans Hals geliefert. Er hat auch nach Rubens und Soutmann gestochen, aber gerade an den Stichen nach Meistern seiner Heimat entwickelt er die Eigenart der holländischen Grab- stichelkunst. Sie beruht wesentlich darauf, dass er durch ausgiebige Verwendung der Radierung in den Halbtönen die feinsten Nuanzierungen der Farbe wieder- zugeben sucht. Er folgt im Fleisch und in den Haaren den breiten, lockeren Pinselstrichen des Malers und sucht ihre Formen mit Grabstichel und Nadel un- mittelbar wiederzugeben. Nur in der Behandlung der Stoffe ist seine Stichel- führung regelmässiger und methodischer (s. Abb.).

Trotz Suyderhoef kann Cornclis Visscher (iözp 1658), der eben- falls aus Soutmans Schule hervorgegangen ist, als der glänzendste Techniker unter den holländischen Stechern bezeichnet werden. Visscher arbeitet ganz systematisch, seine Linienzüge sind von grösster Regelmässigkeit, genau gleich in der Stärke und in ihren Abständen von einander, äquidistant wie die Tech- niker sagen, aber mit so leichter Beweglichkeit, so feiner Nuanzierung der Stärkeabstufung geführt, dass das Auge nie der einzelnen Linie folgt, sondern die Form als Ganzes erfassen kann. Wie Suyderhoef benutzt er in geschicktester Weise die Radierung, um die Herbheit der Grabstichellinien zu mildern und die Eigentümlichkeiten der Stoffe in voller Natürlichkeit wiederzugeben. In der Weichheit der Modellierung und in der malerisch abwechslungsreichen Führung des Lichtes hat er eine bewunderungswürdige Meisterschaft erreicht.

Als vorzüglicher Zeichner konnte Visscher den meisten seiner Bildnisse eigene Skizzen nach der Natur zum Grunde legen (s. Abb.). Er hat in seiner kurzen Tätigkeit ausserdem noch eine grosse Anzahl von Kompositionen von Ostade.

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Cornelis Visscher. Bildnis des Justus VondccL Ausschnitt.

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Brouwcr, de Laer, Berchem und selbst von Tintoretto gestochen. Sein Ratten- fänger und die Waffclbäckerin, die Kompositionen von ihm selber wiedergeben, gehören zu den berühmtesten Werken des Kupferstiches.

Die weiche, tonige Grabsticheltechnik der Soutmanschule wird in origi- neller und geschickter Weise von Jan van der Velde (geb. um 1596, tätig in Haarlem bis nach 16.11 ) und von dem Grafen Hendrik van Goudt (Utrecht, Rom 1585 16^0) zur Wiedergabe von Nachtstücken und Land- schaften mit Mond- oder Fackelbeleuchtung in Elsheimcrs Manier verwertet. Jan van der Velde sticht nach Uytenbroeck und anderen, van Goudt beschränkt

sich in seinen wenigen, vorzüglichen Blät- tern auf die Nachbildung von Werken seines Freundes und Schützlings Adam Elsheimer. Durch Uberaus sorgfältig und eng geführte Taillen, von grosser Weich- heit und Rundung gelingt es ihm, dem Farbenglanz und den stimmungsvollen Be- leuchtungseffekten der Elsheimerschen Ge- mälde sich in seinen Stichen zu nähern (s. Abb.).

Jan van der Velde kann mit seinem Bru- der Esaias (1500 i<S?o) wohl an die Spitze der holländischen Landschaftsradierer gestellt werden. Ihre Art zu zeichnen ist sehr einfach und ihre Technik etwas grob und scharf, aber nicht ohne malerischen Reiz. Die Naivität der schematischen Behandlung der Bäume und der vierschrötigen Figuren wie das starke Vorwiegen der parallelen vertikalen Linien scheint fast beabsichtigt, gibt jedenfalls den Bildern eine eigenartige Stimmung, den Eindruck bäuerlicher Einsilbigkeit. Die allegorischen Beziehungen herrschen in den reich staffierten Landschaften (die Monate, die Jahreszeiten usw.) noch vor. Die Van der Velde haben viel nach Willem Buytcnwech (tätig 161% 1645) gestochen, der ein gewandter Darsteller von Genreszenen war, und selber einige frische und originelle Blätter radiert hat.

In den Kreis der grossen holländischen Landschaftsmaler, die auch als Radierer glänzen, führt uns Jan van Goycn (geb. in Leyden 1596, gest. im

Hendrik van Goudt. Hinrichtung Johannis des Täufer».

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Haag 1656) ein. Die fünf, sehr zart, aber flach und trocken radierten Blatter, die seinen Namen tragen, lassen jedoch von dem farbigen Duft seiner Gemälde kaum etwas erkennen. Pieter Molyn d. ä. (um 1596 1661), der ganz im Geschmack des Jan van der Velde arbeitet, Herman Saftlevcn (um 1610 bis 1685), Jan Almcloven und Jan van Aken gehen in ihren zum Teil sehr hübschen Radierungen kaum über die feine, zarte Linienzeichnung hinaus. Antonis Waterloo (1618? 1677?), der früher sehr überschätzt wurde, Ruelant Roghman, (Amsterdam 1610 16%6 oder 1687)1 Simon de

Allacrt »an Evcrdinfcn. Landictuft. D. i j.

Vlieger (geb. 1 6 1 z Amsterdam) und Jan Hackacrt (1 6zp 1 699?, legen in ihren Veduten den Hauptnachdruck auf die weiche, duftige Darstellung des Baum- laubes, das sie durch fein strichelnde Schattierung wiederzugeben suchen. Wenn auch in ihrer Gesamtheit etwas eintönig und nüchtern, so machen doch einzelne Blatter Waterloos in frühen, guten Drucken durch die fein beobachtete Be- leuchtung, die lockere, durchsichtige Behandlung des im Schatten liegenden Astwerkes einen lauschig anheimelnden Eindruck.

Die reichen Mittel der Radiertechnik beginnt erst Allacrt van K ver- dingen geb. in Alkmaar iö*zo, gest. in Amsterdam 1675) in der Landschaft zu feinerer Abstufung der Töne zu verwerten. Ausser 57 Illustrationen zum

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Reinecke Fuchs hat Everdingen 1 1 o meist kleine Landschaften radiert. Wie in seinen Gemälden stellt er auch hier Tyroler oder norwegische Gebirgsland- schaften dar, fast immer einsame, eng begrenzte Ocrtlichkcitcn, in denen ein- zelne Fels- und Baumgruppen in stimmungsvoller Beleuchtung den Mittelpunkt

bilden (s. Abb.). Im Gegensatze zu den früheren niederländischen und zu den italienischen Landschaftern, die in komponierten Bildern grosse Flächen mit weiten Ausblicken darzustellen lieben, vertiefen sich die holländischen Meister des XVII. Jahrhunderts in das Studium einzelner Motive, die sie in ihren Formen und in ihrer atmosphärischen Stimmung unmittelbar nach der Natur mit gröss- ter Treue wiederzugeben suchen.

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In der äusserst fein detaillierten und nuanzicrten Behandlung der Ge- wächse und des Bodens nähert sich Everdingen, der allerdings immer etwas klein- lich bleibt, dem Stil Jakob van Ruisdaels (geb. in Haarlem, iÄ28oder 1619, gest. i6%i)t des bedeutendsten der holländischen Landschaftsradierer ausser Rem- brandt. Hobbema hat keine Radierungen hinterlassen. Von den zehn, sämtlich seiner Frühzeit angehörenden Radierungen Ruisdaels zeigen nur die „drei Eichen*' von 1 6^6 (s. Abb.) die bildmässige Abrundung seiner Gemälde. Fast durchgehends sind seine Radierungen kaum mehr als Studien nach der Natur, ein Blick in das Waldcsdickicht, auf eine Mühle am Wildbad und dergleichen, aber doch erfüllt von der einheitlichen, kraftvollen Stimmung seiner Gemälde. Die hellen Töne in den feinen Umrissen des Laubes und des Astwerks sind so substil und scharf, dass man jedes Blättchen zu unterscheiden und sich bewegen zu sehen glaubt, die tiefen Schatten markig, von wundervoller Körperlichkeit. Ruidaels Arbeiten bezeich- nen, wenn man von Rembrandt absieht, den Höhepunkt der holländischen Land- schaftsradierung, ja der graphischen Landschaftsdarstellung überhaupt. Unter Ruisdaels Nachfolgern sind hervorzuheben Adriaen Vcrboom (1Ö28 bis nach 1670), Hendrick Naiwinx (geb. 1 619?) und Gillis Neyts (geb. um 1Ö30).

Diesen Künstlern, die die heimatlichen Gefilde oder wenigstens nordische Gegenden darstellen, die in ganz nationalem Geiste die Stimmung aus der un- mittelbaren Anschauung schöpfen, steht eine Gruppe von Maler-Radierern gegen- über, die von den Reizen des Südens gefesselt werden und dem italienischen Stil der Linienkomposition folgen. Sie erfassen die Landschaftsbilder nicht in so grossen Zügen wie die Italiener, sie gehen viel mehr den Einzelheiten und Zufälligkeiten der Linien- und Lichtbewegungen nach, ersetzen aber diese Kleinlichkeit und Unbestimmtheit der Formenanschauung durch feinere Be- obachtung und Zusammenstimmung der Luftschichten und durch Vertiefung der duftigen Hintergründe. Ihre Bilder sind meist mit Kunst komponiert, aber nicht willkürlich und phantastisch, wie die ihrer Landsleute des XVI. Jahrhun- derts, sondern aus Elementen, die sie ihren Studien nach der Natur entnommen haben, zusammengesetzt. Bartholomäus Brcenberg (1599 165p?) wohl der älteste dieser Meister, begnügt sich mit äusserst zart und glatt radierten Ansichten von römischen Monumenten mit passender Staffage. Aehnlich in der Technik, aber viel weniger zierlich und sonnig sind die Darstellungen römischer Ruinen, die Jan Gerritsz Bronkhorst (1 603 bis um 1Ö80) meist nach Zeichnungen von Cornelis Poelenburg radiert hat.

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Der gefeierteste Vertreter der holländischen Schilderer Italiens istNicolaes Berchem 'geb. in Haarlem i6zo, gest. in Amsterdam 1683). In seinen radier- ten Landschaften spielt die Staffage, besonders die Tierwelt eine grosse Rolle (s. Abb.). Sein Hauptwerk, die Landschaft mit dem Dudelsackpfeifer (B. 4.) haben seine Verehrer den „Diamanten" genannt, und wirklich ist Berchems technische Behandlung des Sonnenlichtes, das seine Gestalten umfliesst und in

der duftigen Ferne schimmcrt,so glän- zend, aber auch so blcndend.dassman darüber die oft flüchtige und schwache Formen- gebung besonders der Menschen, den Manierismus der sorgfältig zusam- mengestelltenGrup- pen und der Bewe- gungen leichtüber- sieht. Berchems Schüler Karel Dujardin (ge- boren in Amster- dam i6zz, gest. in Venedig 1 678) macht noch mehr

als sein Meister die Darstellung von Tieren zum Gegenstande seiner Studien. Er übertrifft Berchem an Sicherheit der Zeichnung und an Tiefe der Empfindung. Der melancholische Grundton, der in seinen Radierungen wie in seinen Gemälden vorherrscht, wirkt äusserst anziehend, seine edle Formcngcbung und seine tiefe, warme Tünung erhöhen den Ernst der Stimmung. Er versteht am besten die Vorzüge der heimischen Kunst mit der italienischen Auffassung des Landschaft- lichen zu verbinden.

Im Vergleich mit Dujardin machen auch die Radierungen des trefflichen

NiColtCI Berchem. Die Kuh und Schafe. B »«.

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Jan Both (1610?— 1652) einen kleinlichen und gesuchten Eindruck. Er nähert sich durch seine Nachahmung Claude Lorrains schon etwas dem theatra- lischen Typus der französischen heroischen Landschaft mit ihren kulissenartig vorgeschobenen Bäumen oder Felsen zu den Seiten und dem breiten, mit Detail überladenen Hintergrunde in der Mitte oder in der Diagonale. Die bildmässige Absicht drängt sich zu stark auf und lässt nicht recht an die Wirklichkeit der Darstellung glauben. Aeusserst kunstreich und geschmackvoll wie die Kompo- sition ist auch die Staffage, die ihm sein Bruder Andries gezeichnet haben soll, eingefügt; die Töne sind vortrefflich abgewogen und reizvoll kontrastiert. Als Schüler Boths sind Willem de Hcusch (1638 bis nach 1669) undHendrik Verschuring (1617 1690) zu nennen. Pietcr de Laer (1590 bis nach 1656), Bamboccio genannt, und Thomas Wijck (1 d 1 6 r 1677) betonen in ihren italienischen Landschaften mehr das genrehafte Moment in der Staffage von Menschen und Tieren.

Noch viel enger als Both lehnt sich Hermann Swanevelt (1600 165;) an Claude Lorrain an. Er ahmt ihn auch in den mythologischen und biblischen Staffagen seiner Landschaften nach, die aber bei ihm noch weniger erfreulich ausfallen als bei seinem Vorbilde. Vollkommen in den Bahnen des französischen Geschmacks bewegen sich AbrahamGenoels(iÖ40 1723), der auch in Paris tätig war, Jan Glauber (164 6 1726), der nach Lairesse und nach Poussin sticht, und Adriacn van der Kabel. Der Landschaftsstil Tizians und der Carracci wirkt bei ihnen noch stark nach, das heroische Pathos ist aber schon zu theatralischem Schematismus erstarrt. Wie ihre Komposition hat auch ihre trockene Technik die unmittelbare Verbindung mit der Natur verloren.

Ein spezifisch holländisches Darstellungsgebiet, das Meer mit seinen Fahr- zeugen und ihrem Gesinde, hat auch unter den Maler- Radierern einige vorzüg- liche Vertreter gefunden. Am eingehendsten schildert Rcynicr Nooms, ge- nannt Zeeman (geb. 1613 in Amsterdam, gest. zwischen 1663 und i6ö8)mit fachmännischem Interesse die verschiedenen Schirfsgattungen, das Leben im Hafen, besonders in Amsterdam, und Kämpfe auf dem Meere. Seine Kunst, mit feiner, scharfer Nadel durch wenige, aber ganz eigenartige Linienformen und Gruppierungen den Charakter und die Bewegung der trägen Wassermassen wiederzugeben, verdient Bewunderung. Auch die Maler Ludolf Bakhuisen (1Ö31 1708), und Abraham Storck (1650—1710) haben einige treff-

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liehe Seestücke radiert. Hier mag auch der Antwerpener Marinemaler Bona- ventura Pceters (1614—1651), von dem neun Radierungen bekannt sind, erwähnt werden.

Die Konzentration der Beobachtung auf das Einzelne, ihr, fast möchte man amphibisches Mitlcben mit der unbewussten und unbelebten Natur befähigte die Holländer vor allen anderen zu einer vollendeten und poesievollen Darstel- lung der Tierwelt. Albert Cuyp (i6zo 1691), als Maler einer der feinsten Tier- schilderer, tritt als Radierer mit seinen acht kleinen, grob und schwer behandelten Vieh- studien nicht bedeutend her- vor. Dagegen ist Hollands berühmtester Tiermaler, Pau- lus Potter (geb. in Enk- huysen 1615, gest. in Amster- dam 1654) ebenso hervor- ragend in seinen Stichen wie in seinen Gemälden (s. Abb.). Greifbar natürlich sind die äusseren Formen mit allen Feinheiten der stofflichen Er- scheinung, die Art der Haare der einzelnen Tiere und ihrer verschiedenen Körperteile, der harte Glanz der Hörner, der stumpfe Schimmer der feuchten Schnauze durch die einfachsten Strichlagen wiedergegeben. Den gleichen Ruhm können als Tierdarsteller Karcl Dujardin und Adriaen van derVclde (geb. in Amsterdam 1 6 3 j oder 1636, gest. »671) beanspruchen. Wenn auch die Stofflichkeit ihrer Technik weniger frappierend ist, so über- treffen sie Potter, der eine durch die plastische und räumliche "Wirkung und durch die Feinheit des Gesamttones, der andere, den man den vorzüglichsten aller Tiermaler nennen könnte, durch den Farbenreichtum und die Wärme der

Paulus Pottcr. Kopf ein« Stim. B. ifi

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Töne. Bewunderungswürdig ist ihre Vertiefung in das Seelenleben des Tieres, seine Gewohnheiten und Erregungen, ihre Fähigkeit, durch die Einheitlichkeit des Gemütszustandes der Tiere und der Landschaft die idyllische Stimmung eines bukolischen Gedichtes zu erwecken. Freilichtmalerei ist hier schon mit der Nadel allein in vollendeter Weise erreicht. Besonders vorzüglich ist Dujardins Landschaft mit der Kuh, die auf einer Anhöhe gegen das Licht gestellt ist (B. 3 7). Das Licht scheint auf der Haut fast zu flimmern, die Umrisse der ferneren Gegen- stände sind so zart und unbestimmt, dass man die Schwingungen der umflutenden Sonnenstrahlen zu sehen meint. Van der Veldes herrliche Landschaftsgründc sind so ganz und echt italienisch lichtvoll, dass man der Ueberlieferung, er sei nie in Italien gewesen, kaum Glauben schenken möchte. Die übrigen Tierdarsteller wie Jan Le Ducq (io^o" 1695), der etwas glatt und hart radiert, Peter de Laer, dessen Formen sehr plump und grob sind, Dirck Stoop (um 1Ö10 1686), Gerrit Claesz Bleekcr (gest. 1656), Abraham Hondius (16 j 8 1691) und die Vi amen Jan van der Hecke (1620 i<$7c),JanFyt(idi 1 1661) und andere mehr können sich, trotz allen ihren Vorzügen, mit jenem Dreigestirn nicht entfernt messen.

Unter den holländischen Sittenschilderern steht Adriaen van Ostade als Maler wie als Radierer an erster Stelle. Er ist 1 6 1 o in Haarlem geboren und dort bei Frans Hals in die Schule gegangen. Wie damals sein Mitschüler Adriaen Brouwer so gewinnt später Rembrandt grösseren Einfluss auf ihn, besonders für seine malerische Ausbildung. In Haarlem, wo er sein ganzes Leben zugebracht hat, istOstadc 1685 gestorben. Szenen aus dem Familienleben und aus der Gesellig- keit der Bauern, einzelne Typen dieses Standes schildert Ostade mit der ganzen Behaglichkeit eines Künstlers, der in seinem Stoffe vollkommen Genüge findet, und der die Mittel der Darstellung leicht und sicher handhabt. Er fühlt mit seinen Modellen die Zufriedenheit in der Beschränkung auf den engsten Kreis, aber nie fehlt ein Ton überlegenen Humors in seinen Darstellungen. Seinem wohlwollenden Auge entgeht kein gemütvoller, poetischer Zug im Leben seiner Freunde, kein malerischer Effekt, den das Spiel des warmen, gedämpften Sonnen- lichtes auf dem armseligen Gcrümpel der Bauernstube hervorbringt.

Ostade behandelt die Radiertechnik durchaus malerisch. Er vermeidet die feste Linie, jeden bestimmten Umriss, er arbeitet die Modellierung mit Massen von unregelmässigen Strichelchen in das Licht hinein, löst die Formen durch Licht vom dunklen Hintergrunde los. Mit seinem scheinbar planlosen

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Gekritzel erreicht er vollkommen lockere, durchsichtige Schatten, die wundervollste Plastik der Formen und stofflich treueste Detailschilderung, vor allem aber ein warmes, weiches Helldunkel, das der Darstellung die Stimmung gibt. Ostade arbeitet wesentlich mit der Actzung und hilft nur sehr wenig mit der kalten Nadel oder gar mit dem Grabstichel nach. Nur die vom Meister

selber herrührende Arbeit der ersten Zustände der Platten vor ihrer Aufarbei- tung durch fremde, wenn auch ge- schickte Hände geben den vollen Eindruck der künst- lerischen Absich- ten des Malers. Ein äusseres Kenn- zeichen bildet meist die Umrandungs- linie, die in den ersten Zuständen ganz dünn ist und später in der Regel mit dem Grabstichel verstärkt wurde.

UntcrOstades Ra- dierungen sind die Köpfe und Einzel- figuren wahrscheinlich seine frühesten Arbeiten. Nur acht Blätter tragen Daten. Mit der Jahreszahl i 647 sind zwei bezeichnet, die Bauernfamilie im Zimmer, eines seiner Hauptwerke, und der Violinspieler; der „Familienvater" ist im folgenden Jahre entstanden, 165z die Spinnerin vor dem Bauernhause, 1Ö53 das Tischgebet. Besonders interessant ist die Radierung, in der der Künstler sich selber an der Staffelei malend dargestellt hat. Nicht weniger reizvoll, wenn auch vielleicht nicht so charakteristisch wie die Interieurs sind die

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Adriaen van Ostadc. Der BriUcnvcrkä'ufcr. F. 29. II.

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Darstellungen im Freien, wie die Dorfkirmes, der Brillenverkäufer (s. Abb.) und andere mehr.

Ostades Schüler Cornelis Bega (1620— 1664) behandelt dieselben Gegenstände wie sein Meister und in der gleichen Auffassung. Er zeichnet sehr sicher, führt aber seine meist nur aus wenigen Personen bestehenden Gruppen und ihre Umgebung nicht entfernt mit der Feinheit und mit der Weichheit der Töne aus wie Ostade. Seine Linien sind schärfer und härter, der Ton der Blätter trockener und herber. Auch Cornelis Dusart ((665 1 704) ist» wenn auch kein Schüler, so doch ein Nachahmer Ostades gewesen, vornehmlich im Gegenständlichen. Er häuft die Motive und karikiert wie Bega mehr als er charakterisiert. Seine Technik ist selbständig und mehr kupferstcchcrisch. Durch sein System von klaren, weichen und freien Parallel- schrafficrungen bringt er sehr zarte Uebergänge von den tiefschwarzen Schatten zu den breiten Lichtflächen und einen höchst ansprechenden silbrigen Gesamt- ton hervor. Sein Hauptwerk ist die grosse Kirmes von 1685. Dusart hat auch in Schabkunst gearbeitet. Auch Thomas Wyck hat einige Genreszenen in Ostades Manier radiert. Pietcr Janszen Quast (1606 1 ^47) schliesst sich in seiner Technik an Callot an, im Gegenständlichen ist er von Adriaen Brouwer abhängig.

Neben dem eigentlichen Genre, der Schilderung aus dem alltäglichen Leben wird nun, besonders von den Amsterdamern Jan Luykens (1649 171z) und Romeyn de Hooghe (1638 1 708), auch das Gebiet der alle- gorischen und historischen Darstellung eifrig bebaut. Mit eleganter, leichter Nadel illustrieren diese beiden erfindungsgewandten Künstler in ansprechen- den, lebendigen Bildern eine Reihe der viel gelesenen Schriften ihrer Zeit. Sie arbeiten gegenständlich und technisch schon ganz im französischen Geschmack und können in ihren Darstellungen historischer Ereignisse, in ihren Städte- ansichten u. s. w. in gewissem Sinne als die Nachfolger der Franzosen Perissin und Tortorel und der Deutschen Braun und Hogenbcrg angesehen werden.

Die naturtreue Darstellung alles Einzelnen, die diese talentvollen Meister in höchster Vollendung, aber jeder in einseitiger Beschränkung auf sein be- stimmtes Gebiet, erreicht hatten, steigert sich in dem Werke des grössten Künst- lers, den der Norden hervorgebracht hat, zu einem grandiosen Gesamtbilde des Lebens von eingreifender Wahrheit und poetischer Einheitlichkeit. Rembrandt Harmcnsz van Rijn (geb. in Leydcn 1606, gest. in Amsterdam 1 66p) ist

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der erste moderne Meister, der allen Gebieten des Darstellbaren die gleiche liebevolle und eindringliche Beobachtung widmet. Und überall scheint er dem natürlichen Eindrucke der Dinge näher gekommen zu sein, tiefer in das mensch- liche Herz geblickt zu haben als alle seine Vorgänger. So weit, dass die Sen- sationen, die seine Darstellungen erregen, dem Beschauer unmittelbar von der Wirklichkeit auszugehen Schemen. Kein Künsllcr ist imstande gewesen, Ober seinem Gegenstande so vollständig das Bewusstsein der eigenen Person zu ver- lieren, sich so ganz in der Beobachtung zu konzentrieren und damit ein um so reineres Spiegelbild des eigenen grossen Geistes zu geben. So bannt er den Beschauer in gewaltiger Erregung und ruft ihm die schwankenden Bilder seiner Naturerinnerung aus der Tiefe der Seele zu lebendiger Anschauung hervor. Wie sich in der erregten Phantasie des Betrachtenden die Erinnerung an die Wirklichkeit mit dem Bilde vor ihm verschmilzt, so erscheint ihm Wirklichkeit auch das, was aus der schärfenden Phantasie des Künstlers an willkürlicher Formeneinkleidung und an persönlicher Stimmung in die Darstellung überge- gangen ist. So wird das künstlerische Bild zur Brücke über die Kluft, die das Reich der Phantasie von der Realität trennt.

Diese Absicht seines Werkes erklärt es zur Genüge, warum Rembrandt, der doch vor allem danach strebt, den natürlichen Eindruck der Erscheinung wiederzugeben, niemals auf irgend eine Art von unmittelbarer Sinnestäuschung ausgeht und auszugehen braucht , warum er in einer grossen Anzahl seiner Werke sogar des wirksamsten Mittels der Illusion, der Farbe glaubt entraten zu können. Kleinfigurige Bilder können in der Tat auch die Farbe viel eher entbehren als Darstellungen mit lebensgrossen Figuren, weil das Auge in der Entfernung, in der solche kleinen Gestalten, wenn als wirklich gedacht, stehen müssten, die Farbe überhaupt kaum mehr unterscheiden kann. Versuche, Bilder in Lebensgrösse durch die Schwarz- Weisskunst wiederzugeben, sind kaum je vollkommen gelungen, selbst nicht den naivsten und den routiniertesten Technikern.

Die 300 Radierungen Rembrandts stehen seinem Malerwerk an Umfang und Bedeutung bis zu einem gewissen Grade gleichwertig gegenüber. Sie sind fast alle als vollkommen in sich geschlossene und gerundete Bilder gedacht wie die Gemälde und begleiten sie wie ihr Schatten fast durch das ganze Leben des Künstlers. Wie für Dürer und Holbcin bildet auch für Rembrandt sein graphisches Werk einen integrierenden Teil seiner künstlerischen Gesamt-

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leistung, ohne dessen Kenntnis das Bild seiner Persönlichkeit durchaus unvoll- ständig bleiben würde. Für seine Studien, die besonders auf die grösste Verein- fachung der Darstellungsmittel und auf die Erziclung der räumlichen und psychischen Wirkung bloss durch die kunstvolle Verteilung von Licht und Schatten gerichtet waren, bot sich ihm die Radierung als die bequemste und ergiebigste Technik dar. Geradeso wie ihm das eigene Gesicht als nächstes und bestes Modell für seine physiognomischen Studien dienen musstc. Denn sein ganzes Schaffen muss so vollständig w ie das keines anderen Künstlers sich im Studium der Probleme seiner Kunst erschöpft haben.

Rembrandt hat so unendlich viel Neues an der Natur aufzuzeigen und bedient sich so durchaus originaler Ausdrucksmittel, dass man nur schwer und nur in einzelnen Werken seiner Frühzeit den Zusammenhang mit seinen Vor- gängern zu erkennen vermag. Ja die meisten seiner älteren Zeitgenossen, darunter auch viele der oben besprochenen Radierer, sind schon von ihm mehr oder weniger stark becinflusst worden. Seine Kunst stammt von keinem Lehrer ab. Ohne Vorläufer ist aber auch der grosse Prophet des Helldunkels nicht gewesen. Nicht mit Unrecht hat man in Adam Elshcimers zierlichen Bildchen und in seinen leider nur allzu spärlichen und seltenen Radierungen das Streben nach denselben Bcleuchtungs- und Stimmungseffekten, die das grosse Problem der Rembrandtschen Kunst bilden, zu erkennen geglaubt. Auch er will vornehm- lich mit Hell und Dunkel komponieren und die starken Gegensätze der Massen durch feinste Abstufung der tiefen, durchsichtigen Schatten farbig vermitteln. Elsheimcr, der seinerseits von Correggio und Caravaggio Anregungen empfangen haben muss, hat auf Rembrandt nicht nur durch seine Werke und durch Goudts treffliche Stiche sondern auch durch seinen Schüler Picter Lastman, der einer der Lehrer des grossen Holländers gewesen ist, Einfluss gewinnen können. Von Picter Lastman (Amsterdam 1583 1633]) ist nur eine Radierung nach eigener Zeichnung bekannt , in der die stark beleuchtete Gruppe von Juda und Thamar sich, ganz im Sinne Elsheimerscher Beleuchtungskunst, von dem tiefen Schatten einer dichten Baumgruppe abhebt. Auch MoscsvanUijtenbrocck (um 1590 1Ö48) folgt in seinen Radierungen wie in seinen Gemälden der Richtung Elsheimers.

Ein anderer Künstler, der vor Rembrandt und zwar in der Landschaftsdar- stellung ähnliche Wege gewandelt ist, der in seiner Eigenart sich von allen Radierern vor ihm absondert, mag als sein Geistesverwandter und Freund

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hier seinen Platz finden. Herkules Seghers (geb. i 5 8p, gest. in Amsterdam um 1 645) hat, wie es scheint, sein starkes Talent in seinen Werken nicht voll zu betätigen und zu entfalten vermocht. Er stellt mit grosser Kunst der Ton- abstufung holländische Flachlandschaften von Überraschender Tiefenwirkung oder phantastische Felsen- und Baumbildungcn von grosser Originalität und feinem poetischen Reize dar. Seine ungefähr 50 Radierungen waren, wie ihre ausserordentliche Seltenheit vermuten lässt, nicht für die Veröffentlichung be- stimmt. Die erhaltenen Abdrücke haben ganz den Charakter von Versuchs- oder Probeabzügen. Es scheint Seghers dabei besonders auf die Wirkung far- biger, oft sogar mehrfarbiger Tinten, mit denen er die Platten auf getönter Leinwand oder auf Papier abdruckte, angekommen zu sein. Einzelne Abdrücke hat er dann selber noch mit dem Pinsel retuschiert, um ihnen ein ganz farbiges, bildmässiges Aussehen zu geben. Wenn Seghers auch bei diesen technisch un- vollkommenen Versuchen stehen geblieben ist, so gebührt ihm doch als dem ersten, der von einer Platte mehrfarbige Abdrücke zu erzielen verstand, unter den Erfindern des Farbdruckes ebenso wie unter den grossen Landschaftsmalern ein hervorragender Platz.

Rembrandt verdankt auch diesen Vorläufern kaum mehr als Anregungen. Als Radierer hat er sich jedenfalls ganz selbständig, fast autodidaktisch ausge- bildet und alle Schwierigkeiten der Technik durch eigene Versuche über- wunden. Seine frühesten bekannten Radierungen aus dem Ende der zwanziger und dem Anfange der dreissiger Jahre, denen ohne Zweifel noch andere Ver- suche vorhergegangen sind, haben durchaus den Charakter von Studien, von leichten Skizzen im Fluge festgehaltener Eindrücke aus seiner Umgebung. Die beiden frühesten datierten Brustbildnisse seiner Mutter von 1 6 1 8 (B. 325 und 354) scheinen später von ihm überarbeitet worden zu sein, das Selbstbildnis von idzy (B. 358) hat ungewöhnlich grosse Dimensionen und ist in eigentüm- licher Weise mit dicken, groben, gespaltenen Strichen, für die sich kein zweites Beispiel findet, fast übermütig hingeworfen. Aus den Jahren 1630 163z liegt eine ganze Reihe datierter Blätter vor , zum grössten Teil Studien nach Gestalten der Strasse, Bettler und Charakterköpfe, besonders aber Beobach- tungen des eigenen Gesichtes in den verschiedensten Stellungen und Gemüts- stimmungen (s. Abb. S. 343). Sie sind frei und leicht, aber mit sehr be- stimmten Strichen, meist mit spärlichen Arbeiten für Innenzeichnung und Schraffierung ausgeführt. Der Ton ist matt und trocken, die Schatten hart und

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schroff, ohne Farben tiefe. Das Formengerüst allein ist durch blosse Linien- zeichnung, ohne Ausnutzung der besonderen Effekte der Technik in Hast fest-

^Rembrandr. Der RattengiftverkSufer.

gehalten. Der schon bewunderungswürdigen Formenkenntnis entspricht noch nicht die Beherrschung der technischen Mittel.

In einzelnen Selbstbildnissen, besonders in dem vom breitkrempigen Hute

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malerisch beschatteten Gesichte von 163 i (B. 7) beginnt er schon die Scharten tiefer und weicher als farbige Tonwerte zu behandeln und mit dichteren, feineren Arbeiten in das Licht überzuführen. Rembrandts grosse Kunst der Raumgestaltung kommt in einigen kleinen Darstellungen aus der Kindheit Christi vom Jahre 1630, in der kleinen Darbringung im Tempel (B. 51), im Christus unter den Schriftgclehrtcn (B. 66) und in der Beschneidung (B. 48) schon höchst eindrucksvoll zur Geltung. Die Komposition ist noch nicht voll- kommen abgewogen und klar, der Gesamtton matt und etwas eintönig, ein- zelne Formen weichlich und leer, aber der Raum gewinnt schon in diesen kaum fingerhohen Bildchen eine Ausdehnung, die uns weit über die Dimensionen des Bildes, fast auch der Wirklichkeit hinauszuheben scheint. Ein grosser Teil der gewaltigen Wirkung Rembrandtscher Darstellungen beruht auf dieser seiner rätselhaften Kunst, den geschlossenen Raum phantastisch, wie in der Vorstellung des Fiebernden, sich erweiternd erscheinen zu lassen.

Nach diesen in der grossen Mehrzahl nur skizzenhaften Studien der ersten Jahre seiner stecherischen Tätigkeit geht Rembrandt schnell zu mehr bildmässig abgerundeten und bis ins einzelne farbig ausgeführten Kompositionen über. In dem Rattengiftverkäufer von 163 z (B. izi, s. Abb.) sucht er zum ersten Male seine Typen aus dem Volksleben bildartig zu umrahmen. Ja es scheint, dass in diesen Jahren, 163z 1 6 3 4, das Problem wirkungsvoller Gruppenkom- positionen ihn ganz besonders beschäftigt hat, so stark, dass er darüber die tech- nische Ausführung solcher Werke, bei denen es ihm wesentlich auf diese Stu- dien ankam, vernachlässigte oder Schülern überliess. So erklären sich wohl am leichtesten die Schwächen in einer Reihe von Stichen dieser Jahre, die man deshalb vielfach dem Meister absprechen zu müssen gemeint hat Es sind das besonders der barmherzige Samariter von 1633 (B. 90), die grosse Auf- erweckung des Lazarus (B. 73) und die grosse Kreuzabnahme (1Ö33 cum pn- vilegio, B. 8 1). Auch die Komposition des Ecce homo (B. 77, cum privilegio, datiert 1635 oder 1636), das fast ganz von Schülern ausgeführt ist, fällt sicher in diese Zeit. Ohne Zweifel sind nicht nur die Kompositionen, die er zum Teil auch in Bildern verwertet hat, von Rembrandt entworfen, sondern auch die Ausführung, soweit sie nicht von seiner Hand ist, unter seinen Augen gefördert worden. Dass Rembrandt einerseits die Blätter als sein geistiges Eigentum ansah, andererseits sie aber nur als Kompositionen für wertvoll erachtete, beweist das Privileg, das er sich für zwei dieser Platten und nur für sie hat geben lassen.

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Nachahmungen konnten ihm hier eher Schaden tun als hei seinen ganz eigen- händigen Arbeiten. Besonders die Auferwcckung des Lazarus und dasEccehomo lassen bei allen Vorzügen doch in einer gewissen Forcierung der Bewegungen und der Gegensätze der Gruppierung, die einen fast theatralischen Eindruck macht, die Absicht des Kompositions- studiums nicht ver- kennen.

Tn der Verkün- digung an die Hirten vom Jahre 1634 (B. 44) hat sich Rem- brandts Kompositions- kunst zu voller Frei- heit durchgerungen. Er komponiert nun sozusagen ganz aus dem Gegenstande heraus, als ob er als Zuschauer unter der Menge den Vorgang beobachtete, mit voller Unbefangen- heit von allen traditio- nellen Regeln und auch ohne Trotz gegen sie. Bedeutungsvoll ist dies geniale Werk aber

auch, Weil hier ZUm Rembrandt. Jo»ePh (eine Träume «zählend.

ersten Male die Raum- wirkung und der Aufbau der Handlung nicht durch die Anordnung der Gruppen be- stimmt wird, sondern allein durch die Massen von Licht und Schatten, in denen sich die Gestalten in planloser Natürlichkeit zu bewegen scheinen. Der Radierer hat hier die freie Meisterschaft des Malers, der bereits 163 z die Anatomie ge- schaffen hatte, mit schnellen Schritten erreicht. Ein scharfer Lichtstrahl fällt von der Engclsglorie und von dem verkündenden Engel in den Wolken auf die Hirten

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und ihre Heerden, die in wildem Schrecken nach allen Seiten fliehen; im tiefem Dunkel dehnt sich rings die Landschaft aus. Elsheimers elegische Nachtbeleuch- tung ist hier zu einer grossartig dramatischen Kontrastwirkung gesteigert. Seine Kunst, das stärkste Licht in raschem und doch ganz weichem lieber- gange zu den tiefsten Schatten zu führen , den farbigen Schimmer bis in dunkelsten, sammetartig schwarzen und doch durchsichtigen Töne dringen zu lassen, beherrscht der junge Künstler hier schon mit grösster Meister- schaft. Beethoven geht so rapid und doch weich vermittelnd vom Fortissimo zum Pianissimo über.

Unter den biblischen Darstellungen der dreissiger Jahre könnte man noch den verlorenen Sohn (1636, B. 91), Adam und Eva (1 6? 8, B. 28), Joseph seine Träume erzählend (1638, B. 37, s. Abb.) und den Tod Mariae (1Ö39, B. 99) hervorheben. Ueberall eine ganz neue Auffassung des Gegenstandes, die doch die einzig naturgemässe zu sein scheint, höchste Natürlichkeit im Ausdruck und in allen Einzelheiten. Adam und Eva hat er eine fast tierische Wildheit und Scheuheit, eine elementare Kraft der groben Formen gegeben, Josephs Traum- erzählung zeichnet sich selbst in Rembrandrs Werk durch den Reichtum und die Feinheit der Charakteristik in Gesichtern und Bewegungen aus. Der Tod Mariae ist eine der umfangreichsten Radierungen des Meisters, er zeigt zum ersten Male ausgiebigere Verwendung der kalten Nadel. Rembrandts Hang zum Phantastischen in der Stimmung und im Kostüm und seiner Vorliebe für orien- talische Typen und Gewohnheiten, die der von ihm beabsichtigten poetischen Stimmung dienen sollten, kamen die Gegenstände der Bibel am meisten ent- gegen. Sie bilden deshalb neben den Darstellungen aus der Wirklichkeit seiner unmittelbaren Umgebung den Hauptinhalt seines Werkes.

Die steigende Anerkennung, die der Künstler auch als Radierer seit den dreissiger Jahren in Amsterdam fand, muss ihm auch zahlreiche Aufträge zu Porträtradierungen eingetragen haben. Es sind nun nicht mehr flüchtige Skizzen nach dem eigenen Gesicht oder nach denen seiner nächsten Verwandten, sondern als Bilder komponierte und in sorgfältiger Ausführung gerundete Bildnisse, die von den Bestellern wohl für die Verteilung unter Freunde bestimmt waren. Immer gibt Rembrandt in diesen Porträts wenigstens einen Teil des Körpers, um die Aktualität der Darstellung durch die Bewegung zu unterstützen, und immer ist die Person in einem bezeichnenden Moment ihrer gewohnheitsmässigen Tätigkeit dargestellt.

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Der bildmässigen Absicht entspricht die feine, die Töne sorgfältig aus- gleichende Technik. Im Gegensatte zu den früheren Werken tritt die eigentliche Radierung, die Arbeit des Aetzwassers in den Hintergrund, sie gibt oft kaum mehr als die Vorzeichnung. Es ist wesentlich die unmittelbar das Kupfer selbst furchende Schneidenadel, die alle Formen modelliert und durch Häufung feiner Kreuz- und Querschraffierungen in den tiefen Schatten jene viel bewunderte sammetartige Schwärze erzeugt. Schon die Verkündigung an die Hirten und der Tod Mariae sind so behandelt, besonders sauber ausgeglichen sind aber, wie die gemalten Bildnisse dieser Jahre, auch die radierten durchgeführt. Aus dem Jahre 1634 stammen das Bildnis des Janus Sylvius (B. 166) sowie wohl auch die Selbstbildnisse mit dem Federbusch (B. 23) und mit dem Säbel (B. 1 8). Die folgenden Jahre bringen den Jan Uytenbogaert (B. 27p), die sogenannte Juden- braut (1635, B. 340), den Samuel Manasse Ben Israel (B. 269), das reizende Doppelbildnis des Künstlers mit seiner Gattin (1636, B. ip) und eine Reihe von Selbstbildnissen, unter denen das „mit dem aufgelehnten Arm" (1 63 9, B. 2 1) das formvollendeteste und abgerundeteste ist. Als der Höhepunkt dieser Richtung und dieser Zeit sei noch das Bildnis des Predigers Cornelis Clacsz Anslo (1641, B. 271) dem eingehenden Studium empfohlen.

Mit den vierziger Jahren wendet Rembrandt sein Interesse einem neuen Stoffgebiete, der Landschaft zu. Die 27 oder 28 Landschaftsradierungen, die ihm mit Sicherheit zugeschrieben werden können, sind, soweit datiert, alle in den Jahren 1641 bis 1652 entstanden. Wie Herkules Seghers, der als sein be- deutendster unmittelbarer Vorläufer schon hervorgehoben worden ist, entwickelt Rembrandt seine Landschaftsbilder in die Tiefe. Er öffnet den Blick auf die weiten, fast formlosen, melancholischen Dünenflächen seiner Heimat. Aber er geht schon in seinen ersten Skizzen weit über Seghers hinaus, nicht nur in der Schärfe der Beobachtung und in der Vollendung der Tonabstufungen in der Ferne, sondern auch in der Kunst der Komposition. Mögen auch seine Land- schaften, die so natürlich einfach scheinen, wirklich nur einen Ausschnitt der Natur wiedergeben, so ist doch der Rahmen, durch den er gesehen ist, mit tiefstem Verständnis für die Stimmung an seine Stelle gerückt. Höchst kunst- voll ist vor allem die Entfernung des Beobachtungsstandpunktes gewählt; fast immer der Horizont sehr tief genommen, so dass die hohe Luft einen breiten Raum für die atmosphärischen Schilderungen, in denen Rembrandts Meister- schaft unvergleichlich ist, lässt. Der nahe Vordergrund, der auch bei Seghers

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durch das Missverhältnis zum Entfernten oft störend wirkt, ist dem Blick ver- deckt, der schnell in die weite, dunstige Ferne geführt wird.

Die frühest datierten Blätter stammen aus dem Jahre i 641, z. B. die Mühle (B. 233); die Ansicht von Amsterdam (B. 210) wird sogar in das vorher- gehende Jahr gesetzt. Gleich einfach und leicht, mit dem denkbar geringsten Aufwände von Mitteln, sind andere Radierungen ausgeführt, wie [der Omval (1Ö45, B. 209), die Six-Brücke (1645, B. 208), das Landgut des Goldwägers

Rembrandt. Die Landschaft mit den beiden Schwanen.

(1651, B. zi 2), die Landschaft mit den beiden Schwänen (B. 235, s. Abb.). Nur wenige Blätter sind eingehender durchgeführt, vor allem die berühmte Landschaft mit den drei Bäumen (1643, B. ziz), eine der ergreifendsten Naturschildcrungen, in denen je ein Künstler seine Seelenstimmung, ja man kann sagen seine Lebensanschauung offenbart hat. Den Kampf des Sonnen- lichtes mit den dunklen Schatten des abziehenden Gewitters, die Feuchtigkeit der Atmosphäre, die von der Wärme und vom Winde in Bewegung gebracht uud zersetzt wird, den warmen Glanz der Lichtstrahlen, die zwischen die tiefsten Schatten hineindringen, hat die reichste Palette nie farbiger geschildert als es

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hier die Nadel nur durch die kunstvolle Gegenüberstellung der starken Beleuchtungsgegensätzc und durch die Zartheit der Uebergängc vermocht hat.

Die feine Durchbildung der Töne ist hier schon wesentlich durch ganz freie, in den Schatten eng gedrängte Arbeit der kalten Nadel und durch hauch- artige Linienzeichnung in den hellen Teilen erreicht. Für jede Art der Form ist das System der Umrissbildung und der Schraffierung ein anderes, ein Reich- tum, der jeder auch nur annähernden Charakterisierung der Technik durch Worte spottet. Wichtig ist, dass Rembrandt, besonders in den Landschaften den Grat, die in den rauhen Rändern der tief eingegrabenen Linienfurchen der Schneide- nadel haftende Farbe, stark mitwirken lässt, obwohl dieser Effekt schon nach einer kleinen Anzahl von Abdrücken verschwindet. Nur die Abzüge von den ersten Zuständen der Platten können deshalb als originale Arbeiten des Meisters angesehen werden. Die Platten sind, so weit sie sich erhalten hatten, später von geschickten Künstlern aufgearbeitet worden. Bei welchem Zustande der Platte Rembrandts Arbeit aufhört und die anderer beginnt, ist freilich in vielen Fällen äusserst schwer zu bestimmen, ebenso wie die Meinungen über die Auten- tizität vieler Blätter sehr geteilt sind.

Auch aus anderen Darstcllungskreisen bringt gerade dieses Jahrzehnt, die Zeit der vollen Reife und der equilibrierten Kraft des Künstlers, seine sorg- fältigst ausgeführten Meisterwerke. Vor allem das sogenannte Hundertgulden- blatt, Christus die Kranken heilend (B. 74), das man in das Jahr 1649 setzt. Es wird mit Recht als eines der Hauptwerke des Radierers Rembrandt angesehen und kann an Bedeutung und in seiner Stellung in der künstlerischen Entwicklung des Meisters am besten der „Nachtwache" an die Seite gesetzt werden. Das „farbige Helldunkel", das die Gemälde dieser Epoche charakterisiert, tritt auch in den Radierungen als herrschende Tendenz hervor. Auf äussere Kennzeichnung des Raumes verzichtet er nun fast ganz und komponiert nur durch die kunst- volle Ausbreitung des Lichtstromes, der scharf von einer Seite einfallend in das Dunkel des Raumes dringt und die einzelnen Gestalten in reizvollster Mannig- faltigkeit nach ihrer Bedeutung hervortreten lässt. Geheimnisvoll unbestimmt bleibt die Quelle des Lichtes wie der Raum selber. Diese Phantastik versetzt den Beschauer in eine ernste, erwartungsvolle Stimmung und lässt ihn dem Vor- gange mit Sammlung folgen. Dann lösen sich aus dem Dunkel die einzelnen Gestalten, deren jede ein Menschenleben erzählt, jede in ihrer Beschränktheit ein echter Typus. Diesem Meisterwerke lässt sich selbst unter Rembrandts

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eigenen Radierungen, ausser der Landschaft mit den drei Bäumen, nichts an Geschlossenheit und Tiefe der Wirkung an die Seite stellen, selbst nicht gegen- ständlich und in der technischen Ausführung ähnliche Blätter wie die venig spätere Fredigt Christi (B. 67, la petite tombe genannt).

Den radierten Porträts dieser Zeit gibt die farbige Behandlung des Lichtes, das in starkem, hellem Strome die glänzenden Tiefen durchbricht und warm und weich in die Schattentöne hineinspielt, einen im hohen Grade bildmässigen Charakter. Rembrandt zeigt die Personen jetzt auch meist bis zu den Kniccn oder gar in ganzer Figur. Der Arzt Ephraim Bonus (B. 178), ein rührendes Bild menschlicher Anteilnahme, der Maler Jan Asselyn (B. Z77), ein Typus frischen, künstlerischen Selbstbewußtseins und der aristokratisch vornehme Bürgermeister Jan Six (B. z8j) sind alle drei im Jahre 1647 entstanden. Den Höhepunkt seiner Kunst, das radierte Bildnis zum Gemälde zu runden, bezeichnet das ernste Selbstbildnis von 1648 (B. zz, s. Abb.), in dem der schärfste und tiefste Beobachter sich selber bei der Arbeit beobachtet zu haben scheint.

Das letzte Jahrzehnt in Rembrandts Tätigkeit als Radierer erhält sein Ge- präge durch die Steigerung der geheimnisvoll phantastischen Stimmung zur übernatürlichen Vision von erschütternder Furchtbarkeit, durch die höchste Ver- einfachung der Motive und der Raumschilderung und die grösstc Beschränkung der technischen Mittel. In den beiden charakteristischen Hauptverken dieser Zeit, in der Kreuzigung von 1653 (die „drei Kreuze" B. 78) und im Eccc homo von 1655 (B. 76), Blättern grössten Formates, ist die Behandlung der Platte fast eine gewaltsame. Wie es scheint, ohne jede Vorätzung sind die Linien wie in höchster Erregung mit gewaltigem Aufwände materieller Kraft in das Kupfer eingerissen. Unfassbar scheint die Bestimmtheit der künstlerischen Vorstellung und die Sicherheit der Hand, die eine solche technische Behandlung voraussetzt Die volle Breite und Freiheit der Federzeichnung ist hier zum ersten Male in dieser monumentalen Ausdrucksform erreicht, ihre Wirkung durch den Glanz der Druckfarbe, durch die sammetartig tiefen Töne des Grates weit übertrorren. Man hat gemeint, Rembrandt habe mit dieser Verwertung des Grates die Wir- kung der damals erfundenen Schabkunst nachahmen wollen. Er hat jedenfalls mit seiner kühnen Konzentration der Töne auch das Effektvollste, was jene Technik hervorgebracht hat, unendlich weit hinter sich gelassen.

Rembrandt verbindet in diesen und verwandten Darstellungen aus der Bibel, wie in der Geburt Christi (B. 45), im Triumph des Mord ach ai (B. 40.),

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Rcmbrarvdt. Selbstbildnis B. IS. II.

in der Grablegung (1652 oder 1654, B. 86), Petrus und Johannes an der Pforte des Tempels ( 1Ö59, B. 04), dem Faust (B. 270), der Opferung Isaaks (1655, B. 35 s. Abb.), die andeutende Umrisskizzierung mit der flachenhaften

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Rembrandr, Die Opferung Isaakt.

Behandlung in tiefsten Schattentönen. Mit der feinen, hellen Linienradierung seiner frühesten Arbeiten hat diese Art der Formengestaltung durch wenige, flüchtige Striche der Schneidenadel nichts mehr gemein, sie dient auch nur, um

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gegen das Dunkel die grell beleuchteten Gestalten hervortreten zu lassen, so unbestimmt und nur in den Formenmassen und in einzelnen scharfen Umrissen erkennbar, wie man die Körper bei plötzlicher starker Belichtung oder im schärfsten Sonnenlichte sieht. Die Aetzstrichc in den nur skizzierten Teilen sind dick und starr, in der Schraffierung eng und massig, sie verdichten sich oft zum tiefsten Dunkel, das die ganze Fläche bedeckt und nur durch einzelne kleine, scharf beleuchtete Flek- ke die Formen der Ge- stalten und Gegenstände kenntlich werden lässt, wie in der Darbringung im Tempel (B. 50), in der Kreuzabnahme (1 654, B. 8 3) und im Christus in Gethsemane (1657? B. 75 s. Abb.).

Gegen das Ende der fünfziger Jahre greift Rcmbrandt immer sel- tener zur Radiernadel. Ausser jenen grossen bi- blischen Darstellungen und einzelnen Studien nach nackten Gestalten (s. Abb.), besonders von Frauen, in denen er Beobachtungen von scharfen Licht- wirkungen auf dem Fleische festhalten wollte, sind es nur noch einige Bildnisse von Freunden und Bekannten, die ihn beschäftigen. Zu der fein durchführenden und weich ausgleichenden Technik in den Bildnissen der vierziger Jahre steht die düstere, herbe, fast harte Behandlung seiner spätesten Werke dieser Gattung in einem gewissen Gegensatze. Das Licht dringt in so scharfen Strahlen in das Dunkel

RcmbraiiJt. Chrntuj in Gethsemane.

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der Innenräutne, dass die farbigen Mitteltöne kaum zur Geltung kommen können. Wenn auch naturgemäss weniger auffallend als in den freien Erfindungen, so bestimmt doch auch hier die tief melancholische Stimmung des geistig und gesell- schaftlich vereinsamten Künstlers, sein Zug zum Tragischen die Auffassung.

Ein besonderes, persönliches Interesse erregen die Bildnisse des alten und des jungen Haaring von 1655 (B. 274 und 175), zweier Beamten der Insol- ventenkammer zu Amsterdam, denen Rembrandt sich gewiss für ihre rücksichts- volle Behandlung während seines Bankerotts verpflichtet fühlte. Auch der Kunsthändler Abraham Francen (B. 273)» dcn cr in seinem Kabinett bei der Betrachtung eines Kunstblattes dargestellt hat, und der Goldschmied Jan Lutma (1656, B. 276) gehörten ohne Zweifel zu dem kleinen Kreise seiner Getreuen. Weniger sympathisch berührt das Porträt des schulmeisterlich selbstbewussten Schreib meisten Lieven van Coppenol (B. 283), der grösste Bildnisstich Rembrandts. Wahrscheinlich verdankt auch das Bildnis des Arztes Arnoldus Tholinx (B. 284) freundschaftlichen Beziehungen seine Entstehung.

Die letzte datierte Radierung Rembrandts ist die sogenannte Frau mit dem Pfeil von 1661, (B. 202), eine sitzende nackte Frau, die eben Vorhang so zu- hält, dass nur ein schmaler Streifen scharfen Lichtes, den man für einen Pfeil angesehen hat, in den Raum hineindringt. Hat der grosse Forscher Rembrandt die Radiernadel zur Seite gelegt, weil er der Technik keine neuen Ausdrucks- formen mehr abgewinnen zu können meinte ? Uns muss es jedenfalls scheinen, dass er mit seinem technischen Können an der Grenze des Erreichbaren angelangt war, dass er mit den Mitteln der graphischen Kunst der farbigen Wirkung seiner Gemälde nicht näher zu kommen imstande war.

Ein so gewaltiger Genius, der deutlich den höchsten Höhepunkt einer langen Entwickelungsreihe bezeichnet, konnte keinen Nachfolger, nur Nach* ahmer haben. Rembrandts Einfluss wird durchaus nicht allgemein herrschend. Die holländischen Spezialisten pflügen, fast unbekümmert um den immer mehr vereinsamten Meister, ihre Furche weiter. Selbst von seinen Schülern kehren sich die meisten bald von ihm ab, um gewin nverheissen deren Bahnen zu folgen. Wie als Maler scheint er auch als Radierer vornehmlich, ja vielleicht ausschliess- lich in den dreissiger und vierziger Jahren Schule gemacht zu haben. Nicht nur macht sich nur in dieser Zeit die Hilfe von Schülern in einzelnen Werken bemerk- bar, auch der Stil der Arbeiten seiner bekannten Schüler beweist, dass ihre Lehr- zeit bei Rembrandt in dieseEpoche fallen muss. Seine Typen, seine Art, Orientalisches

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und Phantastisches mit der Alltagswirklichkeit zu mischen, die Effekte seiner Bcleuchtungskunst hat man nachzuahmen gewusst, der Technik seiner späten Radierungen hat keiner zu folgen vermocht oder auch nur versucht.

Rembrandts treuester Schüler und Nachahmer ist Ferdinand Bol (\6i6 iö8o), der, wie andere Künstler dieser Gruppe, dem Meister bei der Ausarbeitung grösserer Platten an die Hand gegangen zu sein scheint. In seinen eigenen Werken, zu denen auch manche früher Rembrandt selber zu- geschriebene Blätter zu rechnen sein werden, ahmt er die feine, vertriebene Technik seines Lehrers aus den vierziger Jahren mit grossem Erfolge nach. Seine Charakteristik und seine Formengebung sind höchst ansprechend und emp- findungsvoll, aber, im Vergleich zu Rembrandt, etwas oberflächlich und süsslich. Er arbeitet mit Aetzung und Schneidenadel mit starker Gratwirkung sehr zart und fein, aber allzu dünn und unruhig, so dass seinen Formen die Festigkeit und den Tönen des Helldunkels die Geschlossenheit fehlt. Besonders sympathisch wirken Bols Studienköpfe und Einzelgestalten, wie der h. Hieronymus (B. 6) voll gesammelter Beschaulichkeit oder der Philosoph (B. 516), viel weniger seine grösseren Kompositionen wie das Opfer Abrahams (B. 1) u. a.

Eine viel derbere Natur ist Jan Joris van Vlict (tätig um 163 1 1 6 j 5^ der nur als Radierer, nicht wie Bol und andere auch als Maler bekannt ist. Seine Formgebung ist etwas grob und plump, dabei sehr weichlich, aber nicht ohne Kraft der Charakteristik und der Bewegungen. Seine Typen sind meist ziemlich roh, fast karikiert, der Beleuchtung weiss er geschickt starke und originelle Effekte abzugewinnen. Er benutzt zur Verstärkung der Schatten sehr ausgiebig den Grabstichel. Van Vliet hat nach Rembrandts Zeichnungen und nach eigener Erfindung 9 z Blätter gestochen, unter denen eine Passionsfolge, derb allegorische und sittenbildliche Darstellungen, wie die Sinne, die Beschäf- tigungen der Handwerker und einzelne Heiligengestalten, wie der h. Hieronymus (B. 13) hervorragen. Er scheint an Rembrandts frühen Stichen, besonders an der Kreuzabnahme und am Ecce homo (B. 77) stark beteiligt zu sein.

Jan Livcns (1607 1674) ist nicht eigentlich Rembrandts Schüler gewesen, muss sich aber wesentlich an seinen Werken gebildet haben. Er be- nutzt die gleichen Modelle wie der Meister und kopiert gelegentlich auch einzelne Typen aus dessen Werken. In seiner Technik ist er vielseitig und wechselnd. Seine Bildnisse führt er oft fast ganz in linearer, regelmässiger Grab- stichelarbeit durch, z. B. die Bildnisse des Vondeel (B, 56), des Daniel Hcinsius

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(B. 57), und des Ephraim Bonus (B. 55). Er hatte 1634 bis 164z in Antwerpen gearbeitet, wo man, wie wir gesehen haben, den Grabstichel bevorzugte. In zahlreichen anderen Blättern schliesst er sich ganz der Rcmbrandtschen Manier an. Das Fleisch und die Gewänder modelliert er hier gern in einer weichlichen Punktiermanier und sucht überhaupt die Formen und Töne zart in einander übergehen zu lassen. In ganz hellen Tönen ist die originelle und wirkungsvolle Erweckung des Lazarus (B. 3) gehalten, ebenso wie die leicht und geistreich skizzierten Studienköpfe, dagegen ist der h. Hieronymus (B. 5) breit und schwer mit tiefen Schatten ausgeführt.

Livens ist der einzige Künstler der Rembrandtgruppc, der in Holz ge- schnitten , oder wenigstens für den Holzschnitt gezeichnet hat. Seine Bildnisse (s. Abb.) und Studienköpfe in Holzschnitt sind mit grosser Meisterschaft und Freiheit ganz dem Charakter des Materials entsprechend mit scharfen, eckigen Schnitten ausgeführt. Den schwarzen, stehenbleibenden Flächen weiss er durch Herausarbeiten der Lichter oft eine höchst pikante, farbige Stofflichkeit zu geben. Er benutzt auch öfters eine farbige Tonplatte mit ausgesparten Lichtern als Untergrund für die Linienzeichnung. Als eine Arbeit Livens' wird jetzt allgemein auch der kleine Holzschnitt, der Philosoph mit der Sanduhr, an- geschen, der nach der Tradition bisher Rembrandt (B. 3 1 8) zugeschrieben worden ist. Neben Livens verdienen nur noch der Maler und Architekt Paulus Moreelse (Utrecht 1571 1Ö38), der 161z zwei hübsche Holzschnitte mit Tonplatten-Unterdruck, Lucretia und Amor mit zwei Frauen tanzend, in flüch- tigem italienischen Zeichnungsstil ausgeführt hat, und Dirck De Bray (geb. in Haarlem, gest. 1680), der sich in den wenigen von ihm bekannten Blättern, z. B. in dem guten Bildnis seines Vaters Salomon, dem Stil Livens' nähert, als Vertreter des künstlerischen Holzschnittes in Holland Erwähnung. Sonst hat die Holzschneidekunst in dieser Zeit auch hier nur handwerksmäßig schwache Illustrationen und Ornamente für die Buchausstattung hervorgebracht.

Eine Reihe von Rembrandtnachahmern, die sich nur gelegentlich in der Radiertechnik versucht haben, mögen nur kurz erwähnt werden, besonders die geschätzten Maler Salomon Köninck (1609 1656), Leonard Bramer (1596 i66o~), Gerbrandt van Ecckhout (iözi 1674), Pictcr de Gr ebber (1 590 1 656) und Samuel van Hooghstraeten (1617 78). Dem feinen Landschafter, Philips Köninck (1619 1688), von dem keine sichere Arbeit in dieser Technik bekannt ist, hat man vermutungsweise

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einige bisher als Werke Rcmbrandts angesehene Landschaftsradierungen zuge- schrieben. Nur als Radierer sind C. A. Renessc (tätig 1649 '670) und Rod ermont (tätig 1640 1660) bekannt, die es dem grossen Meister in

J»n Livens. Bildnis. B 61.

einer Reihe sehr manieriert gezeichneter und mit affektierter Flüchtigkeit aus- geführter Blätter nachzutun suchen. Wertvoller sind nur einige Bildnisse von Renessc, besonders das des Ludwig a Renessc. Ganz für sich steht Janus Lutma (1609 bis nach 1681) mit seiner eigentümlichen, an Giulio Campagnola er-

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inncrndcn Punktiertechnik, dem „opus mallei", wie er selber sie nennt. Ausser Ornamenten und anderen Darstellungen hat er einige Bildnisse, wie die des Vondelius und seines Vaters, des berühmten Goldschmiedes, in dieser zarten, aber etwas weichlichen Manier ausgeführt.

Es kann nicht Wunder nehmen, dass nach so gewaltigen Leistungen, wie sie die niederländische Kunst des XVII. Jahrhunderts aufzuweisen hat, eine Zeit der Erschlaffung eintrat. Die niederländische Graphik des XVIII. Jahrhunderts ist, wie die Malerei dieser Zeit, nur ein schwacher Nachklang der grossen Ver- gangenheit. Keine selbständige Erscheinung fesselt unseren Blick, die wenigen besseren Kräfte leben von den Anregungen der älteren Kunst oder wenden sich der Nachahmung französischer Formen zu. Unter den Kupferstechern hat sich nur Jacob Houbraken (1698 1789) eine mehr als lokale Bedeutung errungen. Er schliefst sich in der Auffassung und in der Technik seiner Bild- nisse mehr als an die älteren Holländer den Franzosen, besonders Edelinck an. Unter den 700 Bildnissen, die er gestochen hat, ist viel Handwerksware, jedoch auch eine Reihe vorzüglicher Werke von grösster Sauberkeit und Glätte der Technik, aber pedantischer und schwächlicher in der Linienstruktur als die Ede- lincks. Die Personen sind mehr vorteilhaft als charakteristisch in eleganter Pose und in sonntäglich freundlicher Stimmung dargestellt. Neben Houbraken sind höchstens noch Peter Tanjc (1706 60), der unter anderem mehrere gute Stiche nach Cornelis Troosts Sittenbildern ausgeführt hat, Simon Fokke (171z 1784) und Jan Punt (171 1 1779) zu nennen.

Auch die holländische Radierung hat im XVIII. Jahrhundert nur vereinzelte Nachzügler aufzuweisen. Mit den Bildnissen Carle de Moors (1656 bis 1738), der einzigen Radierung Willem van Micris' (1661 1747), Jacob de Wits (1695 1754) Puttenkompositionen in Rubens' Manier, Hendrik Kobells(i75i 178z) Marinen, Jan Kobclls(i77p »814) und W. Joh. van Troostwyks (178z 1810) Tierdarstellungen im Geschmacke van der Veldes, Potters und Dujardins sind die hervorragenderen Erscheinungen auf- gezählt. Die Leistungen der Holländer in der Schabkunst sollen bei der zu- sammenfassenden Betrachtung dieser Technik Erwähnung finden.

Simone Cintarini Heilige Familie.

DER KUPFERSTICH IN ITALIEN.

TALIEN und seine Kunst bleiben auch im XVII. Jahr- hundert eine Quelle der Anregung für die Künstler anderer Nationen. Es ist nun aber mehr die Natur des Landes, sein Leben und seine Kultur, in der Kunst die "Werke der vergangenen Blütezeit, die den fremden Künstler an- ziehen, als die in erbittertem Kampfe um Geld und Ruhm mit einander ringenden künstlerischen Grössen der Gegenwart. Neue, grosse Ideen kommen in der Kunst Italiens nicht mehr zum Ausdruck. Die naturalistische Bewegung, die von Caravaggio ausgeht, ist nur eine, wenn auch noch so bedeutungsvolle Episode, nicht der Beginn einer neuen Epoche der Entwickelung. Sie ist eine Parallelerscheinung des Kampfes für die unbeschränkte Freiheit der Naturschilderung gegen klassizistische Formeln, der nur in Holland bis zum vollständigen Siege durchgefochten worden ist. Dort konnte diese Bewegung leicht an die Tradition des XV. Jahrhunderts wieder

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anknüpfen und auf dem neuerkämpften Boden nationaler Geistesselbständigkeit festen Fuss fassen. In Italien war die Macht der klassischen Ucbcrlicferung zu gross, um von den einseitigen Bestrebungen einzelner Stürmer überwunden wer- den zu können. Es gab in dem zerrissenen, halb von Fremden beherrschten Lande keine starke geistige Regung, die mit der bildenden Kirnst in unmittel- bare Beziehung hätte treten können. Alle frischen Kräfte kamen allein der Musik und den wissenschaftlichen Studien, besonders der Naturforschung zu gute. So bewegt sich die italienische Kunst des XVII. Jahrhunderts im wesent- lichen in den alten Geleisen des Eklektizismus und unter dem Einflüsse der religiösen Gegenreform und wird von den naturalistischen Bestrebungen ein- heimischer und fremder Künstler nur, und zwar wesentlich malerisch, angeregt, aber nicht in ihrem Wesen berührt.

Die graphischen Künste, denen nur der Ueberschuss an künstlerischer Ge- staltungskraft, der in monumentalen Formen nicht Ausdruck finden kann, zu- gute kommt, hatten unter dieser Stagnation am meisten zu leiden. An einer Fülle von einzelnen interessanten und eigenartigen Leistungen fehlt es nicht, aber sie stehen fast zusammenhangslos nebeneinander, mehr der Laune des ein- zelnen Künstlers als einem tieferen, populären Bedürfnisse entsprungen. Ein grosser Teil der bedeutenden Maler hat sich gelegentlich in der Radierung ver- sucht, aber nur sehr wenige haben eine grössere Anzahl von Arbeiten ausgeführt, keiner hat mit bedeutenden Werken oder mit technischen Neuerungen stil- bildend in die Entwickelung eingegriffen.

Es ist ausschliesslich die bequeme Radierung mit einfachen geätzten Linien ohne viel Arbeit der Schneidenadel oder des Stichels, die von den Malern ge- übt wird. Die Grabstichelkunst tritt ganz in den Hintergrund und auch der Holzschnitt ist nun fast vollständig der Radierung zum Opfer gefallen.

Die Schule der Carracci behauptet auch im XVII. Jahrhundert in Italien die Vorherrschaft. Sie setzt auch in der Graphik die Tradition der Werkstatt fort, beschränkt sich aber fast ausschliesslich auf die Pflege der Radierung. Der erste Maler-Radierer, der nach den Schulgründern die alten Formen wieder neu zu beleben weiss, ist ihr bedeutendster Nachfolger Guido Reni (Bologna i 575 I04z)' Seine anmutige Art, religiösen und antikisierenden Idealismus, die „dolcezza", die er besonders erstrebt, mit frischen Zügen aus dem Leben zu mischen, seine leicht zeichnerische, aber doch in den Schatten scharf pointierende Führimg der Nadel wird tonangebend über den Kreis seiner

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zahlreichen Schüler hinaus. Grossen Reiz gibt er seinen idyllischen Madonnen und heiligen Familien durch die lebendigen und liebenswürdigen Kindcr-

Ümdo Kern. Madonna mit dem Kinde. Wenij verkleinert.

gestalten. Die Darstellung von Kindern bildet die anziehendste Seite seiner Kunst. Mehrfach hat er den Christusknaben im Spiel mit dem kleinen Johannes dargestellt (B. 12, 15); die Gruppe der drei Putten, die ein Brett mit Gläsern tragen (B. 18), gehört zu seinen gelungensten Radierungen. Die liebcns-

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würdige Gestalt der Madonna, die das schlafende Kind an" sich drückt, ist sehr geschmackvoll in das Rund komponiert (B. 4, s. Abb.). Aehnlichen Charakters ist die Madonna mit dem Kinde, dem der Johannesknabe den Fuss küsst (B. 6, 7). In anderen Darstellungen (B. 8 11) hat er diese Gruppe zu einer heiligen Familie erweitert, über die zwei schwebende Engel Blumen streuen. Corrcggio, der ja im Kunstprogramm der Carracci eine grosse Be- deutung hatte, wirkt auch in Rcnis Madonnen stark nach. Sie haben seine Sensibilität und Grazie, aber mehr Damenhaftes, nichts quattrocentistisch Kräftiges, aber auch nichts Göttliches. Es ist das Ideal der Frau, das die verfeinerte Körperpflege und die geistige Bildung der Renaissance geschaffen hatte. Ebenso wenig wie in das struktive Wesen der Form dringt Rcnis Kunst in das Gefühlsleben tiefer ein als die äussere Kennzeichnung der Affekte es erfordert.

Wo Reni über die Zeichnung mit einfachen, gleich starken Strichen zur freien, malerischen Behandlung der Linien übergeht, lässt ihn sein technisches Können im Stich. In der Madonna (B. 3) wirkt die flächenhafte Behandlung mit gehäuften, tief geätzten Strichlagen unklar, in der Madonna mit den beiden Knaben (B. 7) ist der Gegensatz der starken Accente in den Schatten zum Ge- samtton nicht gut abgewogen. In anderen Blättern sucht er, nicht besonders glücklich, durch starke Retuschen mit Nadel und Stichel die in der Aetzung nicht erreichten Effekte nachzuholen. In seinen malerischen Absichten geht er aber über die meisten seiner Nachfolger, die sich mit der einfachen Strichmanier oder mit der Nachahmung der Grabstichclarbcit begnügen, hinaus. Gerade jene Blätter, in denen er unmittelbar durch das Formen der einzelnen Linie farbige Werte auszudrücken sucht, haben trotz ihren technischen Mängeln einen grösseren Reiz als seine anderen Arbeiten.

Unter seinen zahlreichen Schülern und Nachahmern hat Simone Cantarini da Pesaro (161 z 1648) die Radiernadel am eifrigsten und am gewandtesten gehandhabt. Er verzichtet auf technische Versuche und bewegt sich gegen- ständlich und stilistisch mit Geschick und Geschmack in den Kreisen seines Lehrers. Seine Formengebung ist süsslich und oberflächlich wie die fast aller seiner Zeitgenossen mit Ausnahme der Caravaggiogruppe, sie besitzt aber ihre eigene Grazie und eine ansprechende Frische des Ausdruckes. Cantarini hat eine Reihe von h. Familien (s. Abb. S. 391), Madonnen und Heiligen radiert, unter denen der h. Antonius, dem das Christkind erscheint (B. Z5), wohl sein

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gelungenstes Werk ist. Daneben hat er auch einige mythologische und allegorische Kompositionen mit der Nadel wiedergegeben.

Von anderen Schill cm Renis, die meist nur wenige Blätter ausgeführt

Giov. Francesco Barbieri gen. Gucrcino. Der h. Antonius.

haben, sind zu nennen: Giov. Andrea Sirani (1610— 1670), Elisabetta Sirani (tätig um 1638 1 6 6 5} Girol amo Scarsella, Lorenzo Lolli, Giov. Batt. Bolognini, Giacinto Gimignani, Lorenzo Pasine Ii i , Flaminio Torre, Pietro Francesco und Giov. Batt. Mola und

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Domenico Maria Canuti. Sic alle arbeiten ebenso häufig nach Vorbildern der Carracci und Renis wie nach eigenen Erfindungen, bringen aber venig Abwechslung in das recht konventionelle Getriebe der Renischule. In den Stichen, die Giuseppe Maria Crcspi (1665 1747)> ein Schüler Canutis und Cignanis allein oder zusammen mit seinem Freunde Lodovico Mattioli (1 66z 1747) ausgeführt hat, pflanzt sich der bolognesische Stil der Radierung bis in das XVIII. Jahrhundert fort.

Von Renis bedeutenderen Studiengenossen haben sich weder Francesco Albani, dem man nur vermutungsweise ein Blatt zuschreibt, noch Domenichino mit der Radierung abgegeben. Nach Domenichino hat Francesco Rosa (um 166}) einige gross gedachte, technisch aber wenig gelungene Radierungen angefertigt. Auch Andrea Camassei, Francesco Cozza und Pietro dcl gehören zu seinem Gefolge. Noch schmerzlicher lassen uns die beiden reizend feinen und temperamentvollen Blätter, die von Giov. Francesco Barbieri gen. Guercino (geb. in Cento 1590, gest. in Bologna 1666) er- halten sind, die wenig eindringende Teilnahme der wirklich bedeutenden Künst- ler jener Zeit für den Bilddruck empfinden. Ihre fieberhafte Arbeit an Riesen- fresken und grossen Altarstücken nahm ihnen die Lust an so minutiöser und detaillierender Formenschilderung, wie sie der Kupferstich verlangt. Und doch zeigt Guercinos h. Antonius (s. Abb.), dass er für unsere Kunst mehr hätte sein können als ein anregendes zeichnerisches Vorbild. Wie Albani, Dome- nichino und andere überliess auch er die Verbreitung seiner Gemälde und Studien untergeordneten Kräften. Seine eigentümliche Zeichenweise mit weich anschwellenden und sich rundenden Schraffierungen, die alle derselben Richtung folgen, hat einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Technik seiner Stecher ausgeübt. Unter seinen zahlreichen Schülern und Nachahmern ist Giov. Bat- tista Pasqualini (tätig um 1619 1630) sein eifrigster Interpret. Aber auch Claude Mellan scheint durch Guercino die Anregung zur Ausbildung seiner Technik erhalten zu haben. Nicht ganz sicher ist der Schulzusammenhang Giuseppe Calettis (Crcmona, Ferrara um 1600 1660) mit Guercino, dem er sich in seiner leichten und weichen Strichführung und, trotz seiner Nach- ahmung Tizians und Dossos, auch in den Formen nähert.

W ic wenig die Meister der bolognesischen Schule dem Kupferstich abzu- gewinnen wussten, zeigt besonders deutlich das Radierwerk Giovanni Lan- francos (Parma 1580 164.7 Rom), das zum grössten Teile aus, allerdings

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mit viel Geschmack und Verständnis ausgerührten Nachbildungen nach Raf- faels Loggienbildern besteht. Lanfranco wurde bei dieser Arbeit von Sisto Badalocchio (ijrfi io47) einem geschickten Schüler Annibale Carraccis unterstützt, von dem auch noch einige andere, flüchtige Radierungen, z. B. nach Fresken Corrcggios bekannt sind. Bartolomeo Schidone (i 583 ? xdiö) hat nur eine h. Familie, ein Blättchen von feiner, correggesker Stimmung radiert. Giov. Francesco Grimaldi (Bologna 1606 1680?) variiert in seinen 57 Radierungen den Typus der carraccesken Landschaft in etwas ein- tönigen und derben Formen. Crescenzio Onofri {161% 1Ö88, Rom, Flo- renz) verbindet in seinen Landschaften den Stil der Carracci mit dem seines Lehrers Gaspard Dughet. Schliesslich seien noch Domenico Maria und G i o- vanni Maria Viani und der fruchtbare und vielseitige, aber recht ober- flächliche Giuseppe Maria Mitelli (Bologna 1634 1 7 1 8) erwähnt.

Mit Oliviero Gatti (tätig um 1602 iäz8) dringt die Radierweue der Carraccischule in das venezianische Kunstgebiet ein. Er hat eine Reihe von Gemälden Pordenones gestochen und seinen Stil dem venezianischen angenähert. Noch deutlicher ist diese Verbindung von bolognesischer Technik mit venezia- nischen Formen bei Guercinos Mitschüler OdoardoFialetti (Bologna 1573 bis KJ38). Er zeigte sich von seiner besten Seite in den „scherzi d'Amore", in seinen Friesen und Grottesken nach Polidoro und Zancarli, in seinen Kostüm- bildern und dergleichen. Seine Nadel gleitet, wenn auch etwas nachlässig ge- führt, leicht und lebhaft accentuirend über die Formen. Fialetti hat auch, wie Palma giovine, ein Buch für den Zeichenunterricht (Venedig 1608) und andere illustrierte theoretische Werke über die Teile des menschlichen Körpers und über Regel, Maass und Symmetrie der Köpfe herausgegeben.

Der liebenswürdigste venezianische Radierer dieser Zeit ist Giulio Car- pioni (Venedig 161 1 1674 Verona), ein Schüler Alessandro Varotaris. Seine Manier erinnert an die Cantarinis, dessen Kompositionen er ebenso wie die Fialettis mehrfach benutzt hat. Seine Arbeiten sind aber geistreicher und far- biger als die Cantarinis, seine Strichführung breiter und freier. Besonders frisch und lebenslustig sind seine Kinderbacchanale (s. Abb.). Auch die Engel in den heiligen Darstellungen und die Putten in den mythologischen und allegorischen Bildern sind reizend natürlich, derb und drollig. In der temperamentvollen Lebendigkeit seiner leicht bewegten Gestalten voll Erregung, in dem dekorativ in die Höhe strebenden Aufbau seiner Kompositionen, in der lichten, farben-

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reichen Tönung ist Carpioni ein nicht verächtlicher Vorläufer der genialen vene- zianischen Radierer des folgenden Jahrhunderts. Eine ähnlich helle, leichte und reiche Technik zeichnet die Arbeiten Giuseppe Diamantinis (1660 1721) aus, der als Lehrer der Rosalba Carriera noch ein besonderes Interesse bean- sprucht. Er wird xu den Nachahmern Salvator Rosas gezählt, seine weichen, runden Formen zeigen aber ganz venezianischen Charakter. Er lehnt sich an Tizian und Pordenonc und in der Technik an Fialetti an.

Giulio Carpioni. Kinderbacchanal. Ausschnitt, wenig verkleinert.

Ein Radierer von starker Individualität ist aus der Gcnueser Malerschule hervorgegangen. Gi ovann i Ben edetto Castiglione (Genua 1 6 1 6 1 670) ist einer von den veenigen italienischen Meistern, die von der Kunst ihrer grossen holländischen Zeitgenossen, vornehmlich Rembrandts, stärker berührt worden sind. Es ist allerdings nur eine Reihe von Studienköpfen bizarr-orientalischen Charakters, in denen der Italiener, der ebenfalls Bewohner einer grossen, von fremden Völkern viel besuchten Seestadt war, von dem Holländer unmittelbar beeinflusst scheint. Aber auch in seinen anderen Radierungen, deren über 70 bekannt sind, zeigte er sich Rembrandt verwandt in der Verbindung von

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Phantastik mit Realismus und in der Beleuchtung durch grelles, meist künstliches Licht. In der Erweckung des Lazarus, in der Findung der Leichen der hh. Petrus und Paulus, in Gestalten wie Diogenes und Circe steigert er das Geheimnisvolle der Darstellung durch starke Kontraste der Beleuchtung. Mit

Giovan Benedetto CajtijtJione. Sit\rsccnc. Ausschnitt

feiner , spitziger Nadel sucht er die kritzlichcn Stiche seiner Zeichnung zu- sammenzuarbeiten. Die dunklen Schatten wirken oft etwas fleckig, die Licht- komposition ist nicht gross und klar wie bei Rembrandt, aber seine Konzeption ist kühn und stimmungsvoll , seine Formgebung immer höchst geschickt und geschmackvoll. Castiglione, der eine besondere Vorliebe für Tiere hatte, sucht sie überall in grosser Zahl anzubringen, z. B. in der Arche Noahs, in Jacobs

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Auszug, in der Flucht nach Aegypten. Während seine Zeichnung der mensch- lichen Formen und der Gewänder, wenn auch energisch, so doch meist eckig und gequält ist, gibt er die Tiere mit grösster Natürlichkeit wieder. Auch in der Landschaft besitzt er seltene Vorzüge und weiss sie geistreich zur Geltung zu bringen. Die halbtierischen Wesen, die er in seinen übermütigen Satyrszenen (s. Abb.) schildert, sind nicht wie die Menschen und die Haustiere nur Besucher in der Landschaft, sie scheinen hier in ihrem Heim und ganz mit der Natur verwoben. Castiglione hat eine Reihe von Drucken in ganz eigentümlicher Art hergestellt, indem er auf die Kupferplatte aufgetragene Tuschzeichnungen auf Papier abdruckte. Solche Drucke, die natürlich Unica sind und eigentlich also nicht als Werke der vervielfältigenden Kunst angesehen werden können, sozusagen indirekte Zeichnungen, haben in der Wirkung eine gewisse Aehnlich- keit mit der erst viel später erfundenen Aquatintamanicr.

Ein wesentlich schwächerer Landsmann Castigliones ist Bartolomeo Biscaino (Genua 1631 1^57)» der ihm in seinen 40 sehr graziös und sicher gezeichneten Radierungen nahe verwandt ist, ihm aber weder in der Energie der Formgebung noch in poetischer Originalität oder in technischer Ausdmcksfähigkeit zu vergleichen ist. Neben Biscaino sind noch Francesco Amato mit seinem hübschen Christopherus und als Genuese von Geburt auch Giovanni Andrea Podesta, der einige Bacchanale, zum Teil nach Tizian, radiert hat, zu erwähnen.

Nur in Florenz und in Rom finden wir im XVII. Jahrhundert bedeuten- dere, selbstcrfindende Künstler, die sich ausschliesslich dem Kupferstich widmen und grössere Folgen von Stichen ausführen. Antonio Tempesta (Florenz, 1555 1630) steht, nicht blos zeitlich, noch mit einem Fusse im XVI. Jahr- hundert. In seinem umfangreichen Werke von über 1500 Blättern überwiegt das gegenständliche Interesse sehr stark. Wie sein Lehrer Stradanus schafft er häufig Illustrationsserien mit und ohne Text. Er ist ein höchst erfindungsreiches, lebhaftes und leidenschaftliches Talent, zu Ucbcrtrcibungcn in Formen und Bewegungen geneigt. Seine sehr kräftigen und fleischigen Gestalten sind nicht frei von Manier und sein heroisches Pathos etwas schematisch. Lieber dem Feuer der lebhaften Schilderung , über der Fülle der Gestalten und Ornamente vernachlässigt er das Detail der Form und auch die Technik. Um die Arbeit leicht und schnell zu fördern, lässt er das Actzwasser sehr stark wirken und arbeitet die breiten, seichten Furchen dann stark und grob mit dem Stichel

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nach. Seine Blätter erhalten dadurch ein etwas rohes Aussehen, als ob die Aus- fahrung mehr in Holzschnitt als in Kupferstich gedacht wäre.

Von der grossen Masse seiner Darstellungen mögen die Illustrationen zu Tasso und die zahlreichen Schlacht- und Jagdszenen hervorgehoben werden. In seiner Kompositionsweise ist Tempesta für eine Reihe seiner Landslcute und be- sonders auch für Jacques Callot vorbildlich geworden. Er pflegt die Gestalten des Vordergrundes im Verhältnis zum Umfange des Bildes sehr gross zu zeichnen und unmittelbar hinter dem vordersten Plan den weiten Hintergrund mit kleinen Figurengruppen beginnen zu lassen. Der Effekt dieser Art der Komposition ist etwas grob, unnatürlich und aufdringlich, aber schlagend und fesselnd.

Der bühnenmässige Charakter der Kompositionen Tempestas wird schon aus diesen Eigentümlichkeiten seines Stils dem Leser deutlich geworden sein. Die theatralischen Aufführungen, die im Leben des Florentiner Hofes eine grosse Rolle spielen, haben hier überhaupt die Kunst stark beeinflusst. Sic gewinnen für den Kupferstich im Besonderen eine grössere Bedeutung durch den Architekten Giulio Parigi (Florenz, gest. 1635), den künstlerischen Leiter zahlreicher Feste und Schaustellungen des Mcdiccerhofes. In seinem Atelier wurden nicht nur die Arrangements, die Kostüme und die Dekorationen entworfen , sondern auch die Gruppcnbildungen der Theaterszenen und Inter- mezzi, der Aufzüge und dergleichen durch den Kupferstich der Nachwelt überliefert.

Parigi selber scheint nur wenig gestochen zu haben, nur drei Radierungen können ihm mit Sicherheit zugeschrieben werden. Unter seiner Leitung aber arbeitet eine Reihe von Stechern, unter denen sich zeitweilig auch Callot be- funden hat. Die Eindrücke, die der junge Franzose hier empfing , haben deut- liche Spuren in seiner ganzen Tätigkeit und in der seiner Schule hinterlassen. Ausser ihm undGiulios Sohn Alfonso Parigi (gest. 1656), der 13 Opernszenen gestochen hat, scheint Remigio Cantagallina (gest. 1630) der tüchtigste Gehilfe in dieser Stecherwerkstatt gewesen zu sein. Er geht von der Technik Tempestas aus, ist aber selber offenbar schon von Callot beeinflusst. In seinem Stil zeigt er noch deutlich die Florentiner Tradition der Zuccari und Vannis. Er zeichnet höchst manieriert, aber leicht und sicher. Zahlreiche Theaterszenen und Dekorationsstücke von seiner Hand sind erhalten. Ein anderer Schüler Parigis, Ercolc Bazzicaluve (tätig um 1638— 1Ö61), scheint nur Amateur gewesen zu sein. Er hat im Geschmackc Callots und Cantagallinas etwa 40

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Triumphvagen, Schlacht- undjagdbilder, Landschaften, Marinen und Karikaturen ausgeführt. Einige „capricci di varie figurc" in Callots Manier sind auch von Melchiore Gerardini bekannt.

Der anmutigste und fruchtbarste Radierer dieser Gruppe ist Stefano della Bella (Florenz iöio 1664), den man meist, aber mit Unrecht der französischen Schule zurechnet. Deila Bella ist allerdings wesentlich von Callot beeinflusst und hat auch zehn Jahre in Paris zugebracht, er ist aber nicht nur von Geburt Italiener und den grössten Teil seines Lebens in Florenz tatig gewesen, er hat auch seine Ausbildung in der Heimat durch Cantagallina und Vanni erhalten und Callots Stil ganz selbständig nach italienischem Kunstgefübl umgestaltet. Seine Formgebung ist nicht so herbe und scharf kontrastierend wie die Callots, viel weicher und verschmolzener, allerdings aber auch viel weniger charakterisierend und geistvoll. Er modelliert mit dünnen , unregel- mässig gleichlaufenden und in den Schatten verstärkten Linien und sucht, ver- geblich, durch ganz feine Umrisse in den landschaftlichen Gründen den Duft der Fernen in den Stichen seines französischen Vorbildes nachzuahmen. Ihm fehlt die Energie der Schatten, die die hellen Gründe erst zurückweichend er- scheinen lassen, und überhaupt die starke Originalität der Formgebung. Seine Gesichter sind fast immer leer, und die Formen nicht sehr scharf beobachtet. Seine Stärke liegt nicht in der Charakteristik sondern in seinem Reichtum an Erfindung und in der Grazie und geschmackvollen Leichtigkeit seiner Bildungen und seiner Ornamente. Sein Bestes gibt er daher in den zierlichen Gruppen ganz kleiner Gestalten auf kleinen Blättern oder in den Gründen der weiten Fläche seiner Kompositionen. Denn auch er stuft die Pläne stark ab und zieht die Darstellungen in die Tiefe und in die Weite. Das ist, wie schon hervor- gehoben, charakteristisch für die Landschaftsdarstellung dieser Zeit sowohl in Italien wie anderwärts.

Deila Bella, der auch eine Unzahl von hübschen Zeichnungen hinterlassen hat, gibt das Viele und das Vielerlei, mit Gefälligkeit die Schaulust zu befrie- digen. Man zählt über 1000 Radierungen von ihm auf. Zu seinen frühesten Arbeiten in Florenz gehören das Banket der Gesellschaft der „piacevoli" (16Z7) und die Festlichkeiten der Heiligsprechung des Andrea Corsini, dann in Rom (1633 1636) der Einzug des polnischen Gesandten und die Madonnen in Renis Manier. In Paris (1640 50) entstanden seine Hauptwerke, die Be- lagerungen von Arras und von La Rochelle, ganz in Callots Art komponiert,

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die Illustrationen zu Valdors Triumph Louis' XIII. und die berühmte Ansicht des Pont neuf. Von einer Reise nach Holland brachte er Bilder der Oertlich- keiten dieses Landes heim, in Rom (1Ö51 1 6 54) fertigte er Radierungen nach antiken Bauwerken. Die Landschaft und die Tierveit schildert er mit Vorliebe in seinen frei erfundenen Darstellungen, daneben Gestalten aus dem Volke, Kriegs- und Jagdszenen, Kostümfiguren u. dgl. (s. Abb.). Erwähnens-

Stcfano dclla Bella. Im Hafen. Jumbcrt i ; +, i

wert sind ausserdem die Satyrbacchanale, die Todtentanzfolge und vor allem die zahlreichen ornamentalen Kompositionen. In seinen Oberaus reichen und leicht bewegten, allerdings auch wenig strukturen Kartuschen, Friesen und Leisten in Buchtiteln und in den Umrahmungen der von ihm gestochenen Bildnisse hat er einen eigenen, geschmackvollen Typus der Ornamentik ge- schaffen. Der phantasiereiche, graziöse Künstler verdiente wohl eine höhere Schätzung als ihm im allgemeinen zu Teil wird.

Ausser einigen französischen Stechern, die seine Zeichnungen benutzen,

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hat Deila Bella kaum Nachahmer gefunden. Seiner Technik nähern sich die zahlreichen Radierungen, die Giovanni Battista Galestruzzi (Florenz 161% bis nach 1661) nach Polidoros Friesen, nach antiken Bildwerken und geschnittenen Steinen ausgeführt hat.

Auch Pietro Testa (geb. in Lucca 1 6 1 1 oder 1Ö17 gest. in Rom 1 650), mit dem vir zur römischen Schule Obergchen, ist Toscaner von Geburt, er hat sich aber in Rom an Berrettini und Domenichino gebildet und ist auch dauernd dort ansässig gewesen. Er wird als ein melancholischer, trübsinniger Mann geschildert, der es zu keinem äusseren Erfolge bringen konnte, und der auch früh seinem Leben durch Selbstmord ein Ende gemacht hat. In seinen Werken mischt sich diese düstere Stimmung mit wildem Ungestüm des Aus- drucks und der Bewegungen, mit einem Hange zum Grausigen und zu dunklen Allegorien. Seine Gestalten sind, wenn auch outriert und manieriert, doch von einem starken inneren Feuer belebt. Er besitzt grosses Geschick in der wirk- samen Verteilung der Massen und viel Formen Verständnis. Testa ist ein interes- santer Künstler, wie es scheint, ein ernster Geist, der an dem Bcwusstsein eigener Unzulänglichkeit krankte.

Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Zeichnung, die er mit dem grössten Eifer betrieb, und in seinen 3 9 Radierungen meist grösseren Formates, die selten und gesucht waren. Die eckigen Formen seiner überlangen Gestalten und die stark bewegte und gebrochene Gewandung gibt er durch leichte, in seinen verschiedenen Arbeiten mehr oder weniger feine, meist lange und hastige Parallelschrafficrung wieder. Er gebraucht wenig Kreuzschraffierung, gewinnt aber doch oft wirksame Tiefe der Schatten. Sein eingehendes Studium der Antike beweisen seine Stiche, in denen antike Gegenstände, Formen und Kostüme vorherrschen. So ist auch die] Geschichte des verlorenen Sohnes als eine Reihe von Scenen des römischen Lebens behandelt. Der grausig geschil- derte Tod Ca tos, Achill die Leiche Hectors schleifend, Thetis, die den neuge- borenen Achill in den Styx taucht, das Symposion der sieben Weisen Griechen- lands u. a. m. zeigen, wie er voll Begeisterung die antike Welt sich lebendig zu machen sucht. In seinen uns fast unverständlichen Allegorien scheint er in eigner Weise den Gedanken seines grüblerischen Geistes befreienden Ausdruck geben zu wollen. Für uns haben manche Kompositionen besonderen Wert wegen ihrer gelungenen Lichtwirkungen, die er mit seiner sparsamen, leichten Strichführung zu erreichen versteht. Fast in Tiepolos Geist konzepiert ist z. B. die Madonna,

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die mit dem Kinde, umgeben von Wolken und Engelsglorien, auf einer Treppe drei anbetenden Heiligen als Schutzgöttin gegen die Pest, deren Opfer am Boden liegen, erscheint.

Wie Testa kann auch Carlo Maratta (geb. 1625 in der Mark Ancona,

Culo Maratta. Die Verkündigung. Obere Hälfte.

gest. Rom 1 7 1 3 ) als Vertreter der römischen Schule angesehen werden. Er ist Schüler des Römers Andrea Sacchi, hat aber mehr noch von Raffeal, den Car- racci und Reni sich die damals beliebten Formeln angeeignet. Er handhabt sie mit grosser Geschicklichkeit und Leichtigkeit und weiss seinen Bildern und Stichen eine gefällige Glatte und ruhige Anmut der Formen zu geben, die ihm

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grosse Beliebtheit und hohen Ruf erwarben. Er strebt nicht wie Pietro Testa die ausgefahrenen Bahnen des Zeitgeschmackes zu verlassen, erregt deshalb nir- gends Anstoss, aber auch nie tiefere Anteilnahme. Er radiert ganz zeichnungs- mässig mit freien, weiten, in den tiefen Schatten schräg gekreuzten Lagen gleich- massig und sicher gezogener Linien. Die Gegenstände seiner 14 Radierungen sind fast alle dem gewohnten Darstellungskreise der Geschichte Christi und der Madonna entlehnt (s. Abb.).

Unter den römischen Maler- Stechern dieser Zeit wäre hier noch Ottavio Leoni zu nennen. Als ein unmittelbarer Nachfolger Baroccis in der Technik ist er jedoch schon oben unter der Gefolgschaft dieses Meisters aufgeführt worden.

Ein eigenes, weites Feld ihrer Tätigkeit hatten die römischen Stecher schon seit Marcantons Zeiten in der Reproduktion der antiken Bau- und Bild- werke ihrer Stadt gefunden. Im XVI. Jahrhundert hatten sich, wie wir gesehen haben, zahlreiche Stecherwerkstätten und Verleger diesem Kunstzweige ge- widmet In der Zeit, die uns hier beschäftigt, ist Pietro Santo Bartoli (1655 1700), der „Antiquar** des Papstes und der Königin Christine von Schweden, der Hauptvertreter dieser archäologischen Richtung des römischen Kupferstiches. Er hat seine Aufgabe, die immer mehr verfallenden Reste römi- scher Kunst der Nachwelt in getreuen Abbildern zu überliefern, in weitem und wissenschaftlichem Sinne aufgefasst. Er bietet nicht mehr, wie seine Vorgänger im XVI. Jahrhundert, nur einzelne, besonders interessante Monumente, sondern sucht die grossen Bauwerke mit architektonischer und archäologischer Genauig- keit — soweit sein manieriertes Stilgefühl das zulasst in allen ihren Teilen wiederzugeben, oder bestimmte Gattungen von Werken in möglichster Voll- ständigkeit zusammenzustellen. So hat er in grossen Folgen die Reliefs der anto- ninischen und der trajanischen Säule, die Bilder des vatikanischen Virgilcodex, die Gemmen des Museum Odescalcum, die Serien der „sepolcri", der „pit- ture", der „admiranda veteris sculpturae vestigia" und vieles andere heraus- gegeben. Von modernen Kunstwerken bevorzugt er die der Antike nach- geahmten rcliefartigen Frieskompositionen RaflFaels, Pcrinos del Vaga und besonders Poüdoros. Dem Zwecke seiner Arbeit gemäss wählt er eine schnell fördernde, leicht, aber mit regelmässiger Linienführung zeichnende Radiertechnik, die ohne malerische Prätensionen, den Umriss und alle Einzelheiten scharf hervorhebend, die Formen des Reliefs flächenhaft wiedergibt.

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In ganz ähnlicher, aber etwas mehr virtuoser und malerischer Technik arbeiten Pietro Aquila aus Marsala und sein NcfFc Francesco Faraone Aquila (tätig 1690 1740). Pietro widmete seine Stiche nach RafFaels Loggienbildern 1674 der Königin Christine von Schweden und reproduzierte eine Reihe von Gemälden der Carracci, Berrcttinis, Lanfrancos und besonders

Michelangcio Amcrigi Ja Caravaggio. Die Verleugnung Petri.

Marattas. Auch einige eigene Kompositionen hat er herausgegeben.

Wie Pietro Santo Bartoli von den Resten des antiken Rom, so hat der Lombarde Giovanni Battista Falda (tätig in Rom 1660— 1691) in seinen zahlreichen Stichen von der modernen Stadt ein Bild zu geben gesucht. Er schildert in einer Folge die künstlerisch ausgestalteten Brunnen, in anderen die Gärten und die hervorragendsten Gebäude der päpstlichen Residenz. Auch einen grossen Plan der Stadt mit allen Gebäuden und Monumenten in halb

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landkarten- und halb vedutenartiger Ansicht hat er gestochen. In Faldas Ra- dierungen kommt dann auch das Leben der Gegenwart zu seinem Rechte, Festlichkeiten, prunkvolle Schaustellungen, Einzüge, Leichenbegängnisse, Feuer- werke usw. gehören zu den bevorzugten Gegenständen seiner Schilderung. In den Figuren macht sich der Einfluss Callots sehr stark geltend. An der Serie der „giardini" ist Giovanni Francesco Venturini (um 1Ö50 1710), ein Schüler Galestruzzis beteiligt, der selbständig 16%^ die „insignium Romae templorum prospectus" herausgegeben hat. Bei der Ausführung des „teatro delli palazzi di Roma moderna" (1665) wurde Falda von dem geschickten Architekten und Stecher AlessandroSpecchi, einem Schüler Carlo Fontanas, unterstützt.

Den Glanzpunkt des italienischen Kupferstiches dieser Zeit bilden die Leistungen der Neapolitaner oder in Neapel tätigen Künstler. Der Begriff der Schule ist auf die Meister, die sich hier zusammengefunden hatten, allerdings schwer anwendbar. Michelangelo Amerigi da Caravaggio (1 569 1 609), der als ihr Gründer gilt, ist im Mailändischen geboren. Was an seiner Kunst gross und neu wirkte, der energische Bruch mit dem eklektischen Ma- nierismus und das kühne, rücksichtslose Zurückgreifen auf die unmittelbare Naturbeobachtung in Formen und Gegenständen, ist sein rein persönliches Verdienst. Wohl aber war ein künstlerisch so jungfräulicher Boden wie Neapel die geeignete Stätte, in der seine Kunst Wurzel fassen und Ableger treiben konnte. Als Radierer hat Caravaggio leider keine Rolle gespielt ; die Gründe hierfür sind ebenso naheliegend wie charakteristisch für sein wildes, ruheloses Temperament. Nur zwei Blätter können mit Sicherheit als seine Arbeiten be- zeichnet werden, eine Verleugnung Petri in Brustbildern (von löoj, s. Abb.), eine kühn mit derben, rauhen Strichen hingeworfene Skizze und eine Kompo- sition in Halbfiguren, eine Zigeunerin, die einem Jüngling wahrsagt. Kon- kurrent Caravaggios ist Orazio Borgiani, der seinen Naturalismus wohl direkt den Spaniern abgesehen hat. Nicht mit seinen Radierungen nach Raifaels Loggicnbildern (1Ö15) wohl aber mit einer Pietä nach eigener Zeichnung und einem Abendmahle nach Caravaggio stellt er sich in die Nähe dieses Meisters. Stark von Caravaggio becinflusst zeigt sich auch Bernardo Capitelli (tätig um 1611 16} 7) besonders in den Beleuchtungseffekten, die er in seinen Stichen hervorzubringen strebt. Seine Technik nähert sich dagegen vielmehr der Art Salimbenis, Vannis und Callots. Besonders interessant ist eine h.

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Familie, die bei Kerzenlicht um einen Tisch sitzt, und Loth und seine Töchter nach Rutilio Manetti. Er hat ferner Szenen aus dem Leben des h. Bernardinus, mythologische und religiöse Darstellungen und Festlichkeiten, die unter Ur- ban VIII. in Rom und in Siena stattfanden, gestochen.

Der Ruhm Neapels in der Malerei wie im Kupferstich ist Giuseppe Ribera (geb. 1588 in Yativa in Spanien, gest. 1656 in Neapel), also ebenso wie Caravaggio kein Einheimischer, ja nicht einmal Oberhaupt ein Italiener. Als Maler gehört Ribera auch ohne Frage zur spanischen Schule, in der er die wesentlichen Züge seiner Kunst schon vorgebildet hatte, als er nach Italien kam , um die grossen Meister der Malerei zu studieren. Als Radierer darf er aber ohne Bedenken zu den Italienern gerechnet werden. Als spanischer Stecher stände er vollkommen vereinzelt da, er hat in seiner Heimat kein Vor- bild und keinen Vorgänger gehabt. Seine Radierungen stammen auch alle, so- weit sie datiert sind (16z 1 bis 1648) aus seiner späteren Zeit. Seine Technik fusst, so original sie ist, doch unverkennbar auf der italienischen Tradition; die zeichnerisch geführte, breit angelegte Aetzlinie, die fast nie der Nachhilfe mit Stichel oder Nadel bedarf, ist ihre Grundlage. Es ist das System , das auch von Reni, Cantarini, Carpioni und anderen oberitalienischcn Radierern ausge- bildet worden ist.

Unmittelbare Vorbilder für Riberas Technik würde man aber auch in Italien vergeblich suchen. Er ist darin ganz original, dass er die einzelnen Linien und Strichmassen in der Radierung ebenso unmittelbar stoffandeutend zu verwenden weiss wie die Pinselstriche in seinen Gemälden. In Italien wenigstens hat vor ihm keiner die eigentümliche Schärfe und Zartheit der Aetz- oder Nadelstriche für malerische Effekte in der Modellierung und Tonabstufung in dieser Weise aus- zunutzen verstanden. Die tiefen Schatten, die aus gekreuzten Lagen mehr oder weniger regelmässiger und gerundeter Linien bestehen, lässt er schnell und weich in die grossen Flächen hellen Lichtes übergehen und erzielt dabei mit wenigen feinen Linien oder Punkten die grössten plastischen und malerischen "Wirkungen. Ein paar weich geschwungene Linien auf dem beleuchteten Körper, eine Ueber- schneidung der zarten Umrisslinie, ein scharf absetzender Schatten geben un- mittelbar den Charakter des fetten, weichen oder des hart muskulösen Fleisches oder die Falten der Haut wieder. Die Umrisslinie ist mit der grössten Leben- digkeit und Elastizität geführt, im Licht ganz zart, oft kaum merkbar, dann vom Schatten des dunklen Hintergrundes verschlungen, häufig aussetzend oder

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in die Form einbiegend. Die breiten Halbtöne sind durch lange, gleichlaufende, bewegte Linien gebildet. Mit Nadel oder Stichel ist verhältnismässig venig nachgearbeitet und doch ist die Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit der Töne, der Reichtum der LinienFormen erstaunlich gross. Dem Charakter jeden Stoffes, jeder Form ist die Bildung und die Kombination der Linien angepasst, jedes Detail ist bei aller Freiheit der Zeichnung mit höchster Sorgfalt und Schärfe durchgearbeitet. Auch technisch gehören Riberas Arbeiten zu den graphi- schen Leistungen ersten Ranges.

Riberas grösste und vorzüglichste Radierung, die bei diesem Versuche einer Charakteristik seiner Technik vornehmlich in's Auge gefasst war, ist der trun- kene Silen mit seinen Satyren (von idi8, B. 13), eine kühne Schilderung ele- mentarer Begierden von grösster Vollendung der Formcnbildung und von reiz- vollster Farbigkeit der Töne. Die volle Namensbezeichnung und die Widmung auf dem Blatte zeigen, dass der Künstler selber diesem Werke hohen Wert beigemessen hat. Eine Reihe anderer Blätter ist vor dem Silen entstanden, der h. Hieronymus, der die Posaune des Gerichtes hört (B. 5) und der h. Petrus (B. 7) schon i6zi, ein karikierter Männerkopf (B. 8), zu dem als Gegenstück der Kopf eines ebenso hässlichen Mannes mit riesigem Kröpfe (B. 9) gehört, und eine Folge von Zeichenvorlagen (B. 15 17) sind iözz datiert. Ein lesender Hieronymus (B. 3) und das gegenständlich venig appetitliche Martyrium des h. Bartholomaeus (B. 6) gehören in das Jahr 16Z4. Wie unter seinen Gemälden sind auch unter den Radierungen die alten männlichen Heiligen- gestalten mit ihren ernsten, von den Leiden und Erfahrungen des Lebens ge- furchten, gedankenvollen Köpfen inhaltlich die anziehendsten Darstellungen. Eine schwermütige Stimmung herrscht auch in der mit tiefen, saftigen Schatten farbig getönten Gestalt des „Poeten" (B. 10), der sinnend sich auf einen Fels- block stützt. Ernst und ergreifend ist der Schmerz in der Pietä (B. 1) geschil- dert, die mit ziemlich derben, rauhen Linien in gleichmässigem Tone ausgeführt ist, vielleicht eine frühe Arbeit. Leicht und skizzenhaft ist die humorvolle Geisselung eines an einen Baum gebundenen Satyrs durch Amor (B. 1 z, s. Abb.) radiert. Ganz hell im Ton und von höchster Zartheit der Ausführung ist Riberas späteste Radierung, das Reiterbildnis des Don Juan d'Austria von 1648 (B. 14). Die schlanke Gestalt des jungen Prinzen sitzt frei und fest auf dem Pferde, das etwas konventionell bewegt ist, sich aber durch einen schönen, ausdrucksvollen Kopf auszeichnet. Das Gesicht des Reiters ist ganz leicht mit feinen Punkten

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Giuseppe Riben. Amor züchtigt einen S»t)r. B. iz.

modelliert, überhaupt alles nur mit ganz dünnen Linien angedeutete, blos auf dem Panzer sind die tiefen Schatten mit dem Grabstichel aufgestochen.

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Der Kopf des Prinzen ist später in den des Königs von Spanien verwandelt worden.

Von Riberas Schülern und Nachahmern brauchen Francesco Burani aus Rcggio, von dem ein Silen im Stile Riberas bekannt ist, Filippo Liagno, der eine Reihe von Soldatcnfigurcn und eine Folge von Tierskelctten radiert hat, und Angel o Falcone nur kurz erwähnt zu werden. Grössere Aufmerk- samkeit verdienen die sechs Radierungen des Neapolitaner Schncllmalcrs Luca

Giordano (i6\i 1705)5 der bei Pictro da Cortona und bei Ribera ge- lernt hatte. In seinen Radierungen sucht Luca mit noch weniger Errolg als in seinen Gemälden Ribera nachzuahmen. Er erstrebt eine ähnliche Art der Model- lierung und Tönung, seine Strichführung bleibt aber in den Schraffierungen unruhig, der farbige Eindruck ist fleckig und hart, besonders auch durch die scharfen Grabsticheldrucker, mit denen er die Umrisse in den Schatten verstärkt. Die feine, sorgfältige Detail ausfübrung, die Riberas Arbeiten auszeichnet, war offenbar nicht nach seinem Geschmack. In den grösseren Blättern, wie dem

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Opfer des Elias, Christus unter den Schriftgelehrten , der Ehebrecherin vor Christus sind auch die Kompositionen venig übersichtlich. Wirkungsvoller ist der Empfang der h. Anna durch die Madonna im Himmel.

Wie ganz persönlicher Natur die technischen und künstlerischen Vorziigc Riberas waren, das zeigen auch die Radierungen seines frischesten und selb- ständigsten Schülers Salvator Rosa (Neapel 16x5 1673). Er ist in seiner Vielseitigkeit als Maler, Musiker, Poet, Schauspieler und überhaupt als Mensch eine höchst charakteristische und anziehende Erscheinung. In seinen Radierungen zeigt sich sein Talent aber in viel weniger günstigem Lichte, als in seinen romanti- schen Landschaftsgcmälden. Er hat merkwürdiger Weise der Landschaft hier wenig Raum gegönnt. Die grösseren historischen Darstellungen, deren er eine Anzahl radiert hat, wie Alexander und Diogenes, Alexander bei Apelles, Plato, Dcmokritos, Oedipus, sind langweilig in der Komposition und affektiert und leer in der Formengebung. Ansprechender sind die Bilder, in denen er in heftigen Bewegungen und leidenschaftlicher Empfindung sein Temperament zum Ausdruck bringen kann, wie im Jason (B. 18) oder dem schlafenden Krieger (B. 23). In einer Folge von Studienblättern (B. 25 86) schildert er in einzelnen Gestalten und Gruppen das Soldaten- und Brigantenvolk seiner Heimat, unter dem er lange gelebt hatte. Es sind Typen, wie er sie auch in seinen wilden Landschaften als Staffage anzubringen liebte. Voll Geist und Leben sind die friesartigen Gruppen von Seeungeheuern und Satyrn (B. 11 16, s. Abb.). Hier kommt auch seine reiche Phantasie und sein bizarres, unruhiges Talent, das sich mehr von dem Ausserge wohnlichen der Erscheinungen in der Natur und im Leben als von dem Gcsetzmässigen und Alltäglichen angezogen fühlte, am Vorteilhaftesten zur Geltung. Auch technisch sind diese Blätter seine besten Leistungen. Sie sind keck und leicht mit einfachen, rauhen Aetzlinien ohne Nacharbeit in skizzenhafter Umrisszeichnung hingeworfen. Die grösseren Dar- stellungen und selbst die Studienblätter sind sorgfältiger, in feinerer und reicherer Technik und mit malerischer Vertiefung der Schattentöne ausgeführt, aber trotzdem eintöniger und weniger reizvoll in der Wirkung als diese freier und skizzenhafter behandelten Blätter.

Die künstlerische Rolle Neapels in den graphischen Künsten ist damit aus- gespielt, im folgenden Jahrhundert liegt, wie wir sehen werden, der Schwerpunkt in jeder Hinsicht wieder im Norden Italiens.

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Ttazullo Cucurucu .

Jacque» Callot. Aui den Balli di Sfesfwb.

DER KUPFERSTICH IN FRANKREICH.

IT dem XVII. Jahrhundert beginnt die französische Kunst, die sich bis dahin als gelehrige Schülerin, wenn auch mit der ihr eigenen Lebhaftigkeit, an der Hand ihrer italienischen Meister bewegt hatte, sich zu nationaler Selbständigkeit zu entwickeln und auf die Suprematie, die sie im folgenden Jahrhundert in ganz Europa gewinnen sollte, vorzubereiten. Nicht in bewusstem Gegensätze gegen die alten Vorbilder vollziehtsich dieser Umschwung, sondern allmählig, allein durch das Erstarken des eigenen Kunstempfindens und durch die sclbstbcwussterc Betonung des nationalen Geschmackes. Selbst die bedeutendsten französischen Künstler dieser Zeit verlassen nicht die Bahnen des italienischen Klassizismus. Die Italiener werden nicht mehr wie im XVI. Jahr- hundert zur Ausführung grosser Werke nach Frankreich berufen, aber fast alle Franzosen gehen zum Studium der klassischen Meister und der Antike nach Italien. Wie in der Literatur herrscht nun auch in der bildenden Kunst das Vorbild der Antike mit fast unumschränkter Autorität.

Ungleich leichter und schneller als die monumentale Kunst findet der beweglichere Bilddruck den Weg zu volkstümlichen und originellen Dar- stellungsformcn. Allerdings sind es auch hier zunächst nur einzelne kühne Neuerer, die voranschreiten. Die strenge Grabstichclkunst entwickelt sich im

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engsten Anschlüsse an die flämische Technik und in gehorsamer Gefolgschaft der tonangebenden französischen Maler, und auch die Radierung, die sich ihre technischen Vorbilder fast ausschliesslich in Italien sucht, stellt sich zumeist noch in den Dienst des akademischen Klassizismus.

Nur ein Meister der Radierung befreit sich von dem Zwange der Rhe- torik und schafft in der selbständigen, kecken Schilderung charakteristischer Gestalten und Vorgänge aus dem Leben ein neues Stoffgebiet, das ihm eine individuellere Formengebung und die freie Ausbildung einer dem Gegenstande entsprechenden Technik gestattet. Jacques Callot ist der Schöpfer dieser echt französischen, naiv- graziösen Kunst der Aktualität. "Wenn auch von Nationalität Lothringer, er ist in Nancy 159z geboren und ebendort 1658 gestorben, und seiner künstlerischen Ausbildung nach Italiener, ist Callot doch immer und mit vollem Rechte als französischer Künstler und als einer der charakteristischsten Schilderer gallischen Wesens angesehen worden. Man darf aber wohl auf die Verwandschaft seiner Kunst mit der seiner bur- gundisch-niederländischen Stammesvettern Bosch und Brucghel, die in ähnlicher Weise, allerdings immer mit biblischer oder allegorischer Motivierung, lebens- wahre Sittenschilderung und Phantastik mischen, hinweisen. Auch Callots Landsmann Jacques Beilange, der deshalb als sein Vorläufer bezeichnet worden ist, hat in seinen Radierungen ähnliche Gegenstände behandelt. Er ist aber in der Manieriertheit Salimbenischcr Formverdrehungen, aus der Callot durch seine gesunde Natur gerettet wurde, verkommen.

Der abenteuerliche , phantastische Zug seines Wesens, der Callot schon als Knaben aus dem Vaterhause auf die Irrfahrt mit heimatlosem Volke trieb, kommt auch in seiner Kunst stark zur Geltung. Er ist ein scharfer, feiner Beobachter. Zahlreich erhaltene Zeichnungen beweisen, dass in seinen Radie- rungen alles auf eingehender Naturbeobachtung beruht. Die aufregende Wir- kung seiner Darstellungen ist aber nicht nur durch die erbarmungslos wahre Schilderung der Gestalten und Vorgänge erzielt, sondern auch durch die kunst- volle Pointierung der Handlung , die geschickte Steigerung der Dimensionen in's Phantastische. Wie die Gestalten übcrschlank gebildet sind, so scheinen auch die Formen der Architektur wie ausgereckt, alle Gegenstände, selbst die Fahnen, in die Länge gezogen. Durch die weitläufige Anordnung der kleinen Figuren und der klar aufgebauten Gruppen auf dem Plane, durch die rasche Ab- nahme der Grösse der Figuren vom Vordergrunde nach hinten zu gewinnt der

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Raum eine fast beunruhigende Ausdehnung. Auch die Innenräume haben beinahe unwahrscheinliche Dimensionen. Die Ansichten scheinen wie aus weiter Ferne von erhöhtem Standpunkte aus genommen, wie durch ein umgekehrtes Opernglas gesehen, so dass auch die fernsten Hintergründe, bis zu denen in der Wirklich- keit das Auge nicht mehr hindringen könnte, ganz deutlich werden. Es ist augen- scheinlich die weite italienische Theaterbühne, besonders die der Aufführungen im Freien, mit ihrem raschen Szenenwechsel, mit ihren perspektivisch übertriebenen Wirkungen, dem Gegensatz der stark hervortretenden Gestalten der Schauspieler im Vordergrunde zu den Statisten und den gemalten Dekorationen des an- steigenden Hintergrundes, die diese ganz neue mikroskopische Art der Darstellung bestimmt. Sie bleibt charakteristisch für die italienische und französische Landschaftsaufnahme auch nach der Natur. Durch seine Arbeit im Atelier des obengenannten Giulio Parigi in Florenz und durch die Anschauung hat Callot, der sein Interesse für die Bühne durch zahlreiche Darstellungen ihrer typischen Gestalten bekundet, seinen theatralischen Stil entwickelt.

Callots Auffassung steht in stärkstem Gegensatze zu allem, was monu- mental heisst in Komposition und Form. Seiner reichen, beweglichen Phan- tasie widerstrebt das schon in eine feste Kunstform gegossene Bild, sie folgt nur den flüchtigen Eindrücken des bewegten Lebens, die sie frei ausgestalten und zu Bildern zusammensetzen kann. Es sind eigentlich nicht Gcnrcdar- stellungen, was Callot gibt ; die Einzelgestalten wirken fast wie Individuen und die Vorgänge mit ihrer Häufung von Motiven und der Masse von Details wie bestimmte Ereignisse. Der chronistische Zug der Zeit kommt auch hierin charakteristisch zum Ausdruck. Das Nebensächliche spielt überall die Haupt- rolle, die Begleitmotive lassen die Haupthandlung fast verschwinden, besonders auffallend z. B. in den Bildern zur Geschichte des verlorenen Sohnes, die wohl nie in so langer Bilderfolge geschildert worden ist. Die Erzählung ist von der grössten Breite, dabei aber doch von grösster Uebersichtlichkeit und von frap- pantester Drastik und Lebendigkeit im Einzelnen. Die oft fast beleidigende Manieriertheit, die Callot von seinen italienischen Lehrern, besonders von Salimbcni sich angewöhnt hat, wird durch die scharfe und treffende Charakte- ristik der Typen aufgewogen.

Callot hat sich, so viel man weiss, als Maler nicht betätigt, er hat seine ganze reiche Kraft dem Kupferstich gewidmet. Sein Werk belauft sich auf ungefähr i joo Blätter. Die Wirkungen, die er gegenständlich und künstlerisch

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erzielen wollte, Hessen sich auch mit den Mitteln seiner Technik voll- kommen erreichen. Callot arbeitet zuerst mit dem Grabstichel ganz im Stile der Cort-Schule ; Thomassin soll in Rom sein Lehrer gewesen sein. Einzelne frühe Arbeiten, wie die h. Familie nach Andrea dcl Sarto und die Dar- stellungen aus dem Leben Ferdinands von Toscana nach Mattco Rossclli sind in trockener, gleichmässigcr Linienmanier, die aber nach und nach lebendiger und kontrastreicher wird, ausgeführt. Indessen hatte er aber unter dem Ein- flüsse der Florentiner Radierer Tempesta, Cantagallina und Parigi sein Stoff- gebiet und die ihm gemässe Technik gefunden. Er bildet eine ganz eigen- artige, scharfe und klare Radienreise aus, die sich in der Strichführung, besonders in den tiefen Schatten der Grabstichelmanier nähert. Die Modellierung wird aber weniger durch Schraffierungen als durch den Gegensatz ganz feiner und ganz dicker Linien der Zeichnung hervorgebracht. Callot benutzt, um so dünne und so scharfgeränderte dicke Linien zu erzielen , den sogenannten verni dur, der zu seiner Zeit sonst nicht mehr üblich war. Die Nachahmung der Grabsticheltcchnik wirkt in grösseren Flächen oft fade und leblos, um so reiz- voller ist aber Callots Technik, wo er grosse Gestalten nur skizzenhaft anlegt, oder wo er die kleinen Figürchen mit höchster Feinheit und Leichtigkeit hin- zeichnet und die Massen der Gruppen des Hintergrundes zart und scharf an- deutet. Mit wenigen, stark anschwellenden Schattenlinien erreicht er seine kapriziösesten Pikanterien der Formgebung und Beleuchtung.

Callot muss man natürlich nicht sowohl nach seinen biblischen und hi- storischen Darstellungen beurteilen als vielmehr nach seinen frei nach unmittel- baren Natureindrücken gestalteten Schilderungen aus dem Leben. Sein berühm- testes Meisterwerk ist der Jahrmarkt der Madonna dell' Impruneta (bei Florenz), wo sich die vielköpfige Menge in buntem Durcheinander bewegt. Düstere Bilder aus dem Leben seiner Zeit gibt er in seinem eindrucksvollsten Sterke, den beiden Folgen der „miseres de la guerre", einem kulturhistorischen Doku- mente ersten Ranges (s. Abb.). Dem Künstler hat jedwede Tendenz sicher gani fern gelegen, er folgt seiner Lust an der Schilderung des Kricgslebens, das er aus eigener Anschauung kannte, auch da, wo seine Aufgabe mehr in einer blos topographischen Darstellung bestand, wie in der Belagerung von Breda und in der Belagerung von La Rochelle.

Für die Nachwelt wurde die Vorstellung von Callots Kunstcharakter am stärksten durch seine karikierenden Darstellungen zerlumpten und verkrüppelten

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Bettler- und Bänkelsängcrgcsindels und durch die bizarren und humorvollen Masken der italienischen volkstümlichen Komödie bestimmt (s. Abb. S. 415). Wie er in den abstrusen Spukgestaltcn der „Versuchung des h. Antonius" sich als würdiger Nachfolger der Bosch und Brueghel zeigt, so ist er mit seinen utrierten Typen aus dem niedersten Volke Vorläufer und Vorbild der hollän- dischen Sittenschilderer geworden. Callots Stil hat wie ein künstlerisches Pro- gramm gewirkt weit hinaus Uber seine eigentlichen Schüler, die mehr zahlreich als bedeutend gewesen sind.

Israel Silvcstrc (1 61 1 1 601), der Neffe von Callots Verleger und Freund Israel Henrict, und Fran^oisCollignon haben sich besonders durch

ihre Ansichten aus Frankreich und Italien, die in Callots Art von weitem Ge- sichtspunkte aufgenommen und in seiner Technik radiert sind, berühmt gemacht. Diese Art der topographischen, reizvoll belebten Vedute findet in Frankreich weiterhin noch zahlreiche tüchtige Vertreter in Nicolas de Son aus Rheims, Scbasticn Lc Clerc aus Metz (1637 '714) und in Adam, Gabriel und Nicolas P ereile. Andere wenden sich, durch Callot angeregt, der sittenbildlichen Darstellung und der Kostümschilderung zu, so Jeans Sohn Daniel Rabel, der sich zuerst Tcmpcsta angeschlossen hatte, und Jean de Saint-Igny aus Rouen, dessen fein und originell gezeichnete Mode- bilder meist von Briot und Bosse gestochen worden sind. In den über 900 Stichen Abraham Bosses (Tours 1605 1678 Paris) verflacht sich Callots

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geistvolle und lebensprühende Phantastik zum spiessbürgerlich moralisierenden, aber in allen Acusserlichkeiten treuen Konterfei des häuslichen Lebens. Bosse gibt keine Charaktere, nicht einmal Typen sondern nur ihre „entourage", die engere und weitere Hülle ihrer Körper. Er hat viele Titelblätter und Illu- strationen zu Büchern geliefert und ist selber literarisch hervorgetreten. Ein besonderes Interesse hat für uns sein „Traicte des manieres de graver" (1645). In seiner Technik sucht er mit Erfolg die regelmässige, lineare Grabstichclarbeit der Villamena und Swanenburg durch die Radierung zu ersetzen, natürlich auch mit vollständiger Preisgabe der Freiheit, in der der wesentliche Vorzug der Aetzkunst besteht. Der erfindungsreichste und geschmackvollste Nachfolger CaJlots, Stefano della Bella ist unter den Italicnern dieser Zeit bereits besprochen worden.

Neben der kraftvollen Originalität Callots treten die graphischen Lei- stungen der französischen Malerberühmtheitcn jener Zeit fast durchgehende in tiefen Schatten. Beinahe alle haben den Ehrgeiz gehabt, ihre Werke wie die der grossen Italiener durch den Kupferstich vervielfältigt und verbreitet zu sehen, und sehr viele von ihnen haben selber, ausnahmslos im engsten Anschlüsse an italienische Vorbilder, mehr oder weniger zahlreiche Versuche in der Ra- dierung hinterlassen. Häufig beabsichtigten sie wohl damit nur, den berufs- mässigen Stechern die Manier, in der sie ihre Bilder reproduziert zu sehen wünschten, anzudeuten. Jacques Bellange, der Nachahmer Salimbenis, ist schon erwähnt worden. Eine gewisse Aehnlichkeit mit Salimbenis Manier lässt sich auch in den etwa }o Radierungen Claude Vignons (1590 oder 1503 1Ö70) erkennen, der aber auch die freie und kühne Strichführung Caravaggios und Riberas nachzuahmen sucht. Petrus und Paulus im Grabe, das Martyrium des h. Lorenz und die Folge der „Miracula Christi" zeichnen sich durch echt französische Lebendigkeit aus. Nach Vignon ist sehr viel gestochen worden, von Michel Lasne, David Lochon, De Son und anderen.

Eine gewisse, nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Reproduktiom- stich hat Simon Vouct (Paris 1590 1679) gewonnen. Er selber hat nur eine Radierung, die „Madonna mit dem Sperling" (1633) ausgeführt, aber seine Stecher scheinen ihm doch wertvolle Anregungen zu verdanken. Für seinen Stil, den man treffend mit: „Caravaggio tempere par Rcni" bezeichnet hat, finden seine beiden Schüler und Schwiegersöhne Michel Dorigny (um 1617 1666) und Francois Tortebat (1600 oder 1616 1Ö90) eine in

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mancher Hinsicht neue Stechweise, die über die Schule Vouets hinaus in Frank- reich lange massgebend gewesen ist. Sic suchen die Gleichmäßigkeit der Grabstichclarbeit in den Schatten mit der Beweglichkeit freier Radierung in den lichten Teilen zu verbinden. Sic erzielen damit einen hellen Ton und eine Zartheit der Umrisse, die den süsslichen, weichen Formen Vouets, seinen grazilen Typen ganz angemessen sind und doch eine gewisse Tiefe der Schatten und der farbigen Gegensätze zulassen.

Schüler Vouets ist auch Nicolas Chapron (um i 599 bis nach 1639), der ausser den Bildern der vaticanischen Loggien auch eine Reihe hübscher Bacchanale in sehr delikater Technik radiert hat. Aehnliche Gegenstände liebt Pierre Brebiette (1598 iöjo) dessen humorvolle Bacchanale und andere mythologische Friese mit gleicher Freiheit und feiner Zierlichkeit ausgeführt sind. Francois Perrier (1590 1650) ist zu seinem Schaden mehr durch seine etwas langweiligen Stiche nach Antiken und nach RafFael als durch seine viel lebensvolleren Blätter nach Vouct und nach eigenen Zeichnungen bekannt. Neben ihm mögen noch Remy Vuibert aus Troyes und Olivicr Dauphin genannt sein. Von Eustache Lc Su cur (Paris 1616 1655) besitzen wir aus seiner Lehrzeit bei Vouet eine Radierung in der Manier dieses Meisters. Den Stil Vouets und Dorignys verraten auch die 7 Radierungen, die Charles Le Brun (Paris 16 19 1690) eigenhändig ausgeführt hat. Für den Kupfer- stich gewinnt Le Brun aber erst durch Audrans Stiche nach seinen Gemälden grössere Bedeutung. Auch Laurent de la Hyre (Paris 1606 1656) folgt, wenn er auch nicht Schüler Vouets gewesen ist, doch denselben Idealen. Reni und Guercino scheinen seine Vorbilder gewesen zu sein. Er behandelt in seinen 35 Radierungen, besonders Landschaften, die Technik Dorignys leichter und graziöser als dieser und die anderen Stecher nach Vouct. Sein Schüler und hauptsächlichster Stecher Francois Chauveau (1620 1676) glänzt da- gegen mehr durch seinen Flciss es werden ihm über 3000 Blätter zu- geschrieben — als durch Selbständigkeit. Nicolas de la Fage, der die Vorzeichnungen für die Stickereien des Königs lieferte, hat 1638 1 645 sieben Radierungen in der Weise Renis leicht und skizzenhaft mit langen Strichen aus- geführt. Von Sebastien Bourdon (Montpellier \6\6 1Ö71) kennt man 44 Blätter, in denen er zum Teil Reni und besonders Benedetto Castiglione sich zu nähern sucht, zum Teil die Technik in der Art Dorignys behandelt.

Der italienische Einfluss ist, wie man sieht, bei allen, auch bei den

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bedeutenden Französischen Künstlern dieser Zeit stilbestimmend. Mehr als einer von ihnen ist dauernd im Lande seiner künstlerischen Ideale geblieben. So hat der Schlachtenmaler Jacques Courtois genannt le Bourguignon (1621 1676), von dem 16 Radierungen in der Art Salvator Rosas aufge- führt werden, sein ganzes Leben in Italien zugebracht. Ganz Italiener ist auch Nicolas Poussin (1594 16Ö5), der Schöpfer des idealen, heroischen Land- schaftsstiles, geworden. Er selber hat sich nicht im Kupferstich versucht, aber sein Schüler und Schwager Gaspard Dughet (161 3 1 675) und Francois Millet, genannt Francisque (Antwerpen 1643 oder 1644 iö"8o Paris) haben in ihren leichten Radierungen seine Kunst, besonders seine Landschaften sehr gut zur Anschauung gebracht, besser als die zahlreichen Virtuosen des Grabstichels, die Poussins Gemälde reproduzierten.

Von allen diesen Meistern der monumentalen Kunst, die ihr eigenes Em- pfinden den strengen Forderungen akademischer Anschauungen zum Opfer brach- ten, die ihre ganze Kraft in den Dienst höfischen oder kirchlichen Pompes stellten, konnte eine Kunst so intimen Charakters wie die Maler-Radierung keine nennens- werte Förderung erfahren. Die Kraft und Frische, durch den Strom der über- mächtigen Eindrücke des italienischen Klassizismus sich zu einem eigenen, festen und hohen Bcobachtungsposten durchzuarbeiten, hat von allen französischen Künstlern dieser Zeit ausser Callot nur noch ein einziger besessen. Wie Callot in der Beobachtung des Lebens so zeigt Claude Gellee genannt Claude Lorrain (geb. in Chamagne idoo, gest. in Rom 1682) in der Schilderung der Landschaft die Unmittelbarkeit der Naturanschauung, die gerade für die Maler-Radierung Lebenselement ist.

Claude war Lothringer wie Callot und hat seine Ausbildung ebenfalls in Italien empfangen, er hat sogar den grössten Teil seines Lebens dort zugebracht. Sein eigentlicher Lehrer ist Agostino Tassi in Rom gewesen, er hat sich aber das Studium anderer Meister wie Carracci , Brill , Poussin und besonders Els- heimer nicht weniger angelegen sein lassen. Claude geht ganz in der Betrach- tung des Landschaftlichen auf, die Figurenstaffage, die in seinen Bildern auch nur Bedeutung für die Komposition und für die Stimmung hat, gelingt ihm im Detail meist sehr wenig, er hat sie später von anderen Malern in seine Gemälde einfügen lassen. Zahlreiche Studien in verschiedenen Zeichnungstechniken legen von seiner grossen Gewissenhaftigkeit Zeugnis ab. Aus diesen unmittelbar nach der Natur beobachteten Elementen sind seine Bilder kunstvoll zusammengesetzt.

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Mit grösster Sorgfalt und feinster Empfindung ist die Wirkung jeden Teiles für die beabsichtigte einheitliche Stimmung des Ganzen abgewogen.

Man nennt den Stil der Claud eschen Landschaft den heroischen, die grosse, ruhige Linie der römischen Landschaft bestimmt die Komposition, selbst die Gestaltung der antiken Ruinen und der reichen Renaissancegebäude, die Claude gern als seitlichen Abschluss in seine Bilder hineinragen lässt. Mehr jedoch als das heroische Element herrscht die idyllische Stimmung vor. Nur selten ist der Himmel von düsteren Gewitterwolken bedeckt, fast immer lacht er in freudigem, hellem Sonnenschein, oder er erglänzt im milden Lichte des Mondes. Dem liebenswürdig frohen Temperament des Künstlers entsprach die heitere Lichtmalerei.

In seinen Radierungen, deren man etwa 27 authentische zählt, ist der Künstler sehr ungleich, aber fast alle sind wie seine Gemälde ebenmässig kom- poniert und bildmässig abgerundet. Die Anregung zur Radierung soll er in Nancy von Callot empfangen haben und in Rom von seinem Freunde Joachim von Sandrart in der Technik unterrichtet worden sein. Er behandelt die Actz- ung mit grosser Sicherheit, so dass er nur wenig mit dem Stichel oder mit der kalten Nadel nachzuarbeiten braucht. Er führt dabei die Nadel mit grosser Willkürlichkeit, seine haken- und schleifenförmigen Linienbildungen eignen sich sehr gut zur Darstellung des Laubes, des Bodens und dergleichen, aber nur wenig für die bestimmteren Formen der Figuren. Auf einzelnen Blättern finden sich die Daten 1630, 1633, 1634, 1636, 1637, 1651 und 1661, aber eine bestimmte Entwickelung seines Stils hat an der Hand dieser Daten nicht fest- gestellt werden können. Claude hat sich mit der Radierung augenscheinlich nur gelegentlich beschäftigt; im Verhältnis zu seinem grossen Malcrwerkc ist die Zahl seiner Stiche nur sehr gering.

Einzelne Radierungen sind ziemlich flüchtig und derb in hellem Ton, in mehr skizzenhaften Formen behandelt, wie z. B. der Raub der Europa von 1634 (R.-D. zz), der Hirt und die Hirtin (R.-D. 2 1), Apollo und die Musen (R.-D. 20), der Ziegenhirt von 1663 (R.-D. 19), andere sind sorgsamer in dunklerem, geschlossenem Ton durchgeführt. Unter den Arbeiten dieser Art befinden sich seine vorzüglichsten Werke. Die figurenreiche Ansicht des römischen Forums von 1636 (R.-D. 23) erinnert etwas an Callots Manier, in anderen Blättern wird der Einfluss Elsheimers bemerkbar, u B. in der Furth von 1634 (R.-D. 3). Wie Elshcimer verwertet auch Claude das Wasser sehr geschickt für die

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Beleuchtung. Ganz eigentümlich ist ihm die Kunst, die atmosphärischen Er- scheinungen der einzelnen Tageszeiten zu charakterisieren und die Luftschichten auf das Feinste zu unterscheiden. Besonders glänzend zeigt er das z. B. in dem Rinderhirten (1636, R.-D. 8), der Heerde (1651, R.-D. 18) in den tanzenden Hirten (R.-D. 6 und 10) und vor allem in dem Hafen bei Sonnenaufgang (R.-D. 15, s. Abb.), einer seiner glänzendsten Leistungen. Die feinen Nebel, die die Scheibe der aufgehenden Sonne noch verschleiern, die auf dem Wasser schweben und die Gestalten umfliessen, sind durch die zarteste Actzung un- übertrefflich wiedergegeben. Wie in dem „Rinderhirten" das warme, rötlich- goldene Licht der Abendsonne die Gegenstände scharf umschreibt, durch die Gebüsche dringt und die Schatten tief dunkel erscheinen lässt, so tönt im „Hafen" die feuchte, kühle Nebclatmosphärc der aufgehenden Sonne alles mit mattem Grau, aus dem die Gestalten gespenstisch unbestimmt hervortauchen. In diesen poetisch-stimmungsvollen Schilderungen der Tageszeiten hat Claude die höchste, unbestrittene Meisterschaft erreicht.

Als Radierer hat Claude Lorrain seine hervorragendsten Nachfolger unter den Holländern gefunden. In Frankreich sind von den Landschaftsradicrern, die seinem Stile folgen, höchstens Henri Mauperch c (Paris 160z 16%6) und Dominique Barriere (tätig um 1620 1678), der Claudes Kompo- sitionen, aber nicht seine Technik nachahmt, zu nennen.

Viel mehr als in den Radierungen Claude Lorrains und in den gelegent- lichen Versuchen anderer Maler, als selbst in Callots lebensvollen Erzählungen hat man den Ruhm der französischen Graphik des XVII. Jahrhunderts in den glanzvollen Leistungen derGrabstichelkunst erblickt. Sic wird freilich zu einer wesentlich reproduzierenden Technick, was aber den Meistern des Grabstichels an Originalität der Erfindung abgeht, das ersetzen sie durch die Fülle der Arbeiten und vor allem durch den vollendeten Geschmack und die Freiheit in der Interpretation ihrer Vorlagen. Sie wissen die Vorzüge ihrer malerischen Urbilder mit den eigenen Reizen ihrer reichen technischen Mittel zu einem neuen Eindrucke zu verbinden. Gerade weil ihre Vorbilder nicht die unaus- weichliche Endgiltigkeit höchster Meisterwerke besassen, konnten sie leichter mehr geben als eine blosse Reproduktion der Gemälde.

Die Blüte der französischen Grabstichelkunst des XVII. Jahrhundert schiebt sich mehr in die zweite Hälfte dieses Zeitraumes , in die Zeit Ludwigs XIV, dessen Person und Umgebung zu verherrlichen sie vornehmlich berufen war.

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Dem regelmässigen, trockenen Stil niederländischen Typus', in dem sich die französischen Stecher des ausgehenden XVI. Jahrhunderts, wie Gaultier, Leu, Granthomme und andere gefielen, führt zuerst Michel Lasne (Caen 1596 1667 Paris) ein neues, belebendes Element in einer Reihe technischer Formen der Rubcnsschen Stecherschule zu. Lasne hat ausser nach Quesnel, Dumonstier und Vouet auch nach Rubens gestochen. Für seine zahlreichen Bildnisse scheint er meist eigene Zeichnungen benutzt zu haben. Er gibt den Taillen mehr Weichheit und Breite und dadurch den Formen mehr Fülle und Lebendigkeit.

In Claude Meli an (Abbcville 1598 1688 Paris), einem Schuler Vouets , tritt uns der erste originale französische Künstler des Grabstichels ent- gegen. In seinen frühesten Stichen von 1620— 1 6z 3 arbeitet er noch ganz in der Art Lasnes, dann aber bildet er, wohl in Anlehnung an Villamenas Technik und wahrscheinlich in Nachahmung der Zeichenmanier Guercinos und der Stiche Pasqualinis, eine ganz neue Stechweise mit der grössten Konsequenz aus. Mellan verschmäht die Kreuzschraffierung und modelliert nur mit einer einzigen Lage ungefähr paralleler Linien, die den Formen folgen und in den Schatten anschwellen. Die Umrisse der Formen bildet er nicht durch be- stimmte, feste Striche sondern durch die sanft und etwas gekrümmt verlaufenden Spitzen der Schraffierungslinien. Er hat es in dieser Manier zu erstaunlicher Virtuosität gebracht, so dass er sein „Schwcisstuch der Veronica" mit dem lebensgrossen Antlitz Christi mit einer einzigen Spirallinie, die auf der Nasen- spitze beginnt, ausführen konnte. Mellan glänzt aber keineswegs bloss durch seine ganz originale und virtuose, stoffliche Technik, seine Arbeiten, besonders seine Bildnisse, die er meist nach eigenen Zeichnungen gestochen hat, besitzen auch ganz gediegene künstlerische Qualitäten. Sie zeichnen sich durch eine feine Helligkeit des Tones aus, als ob die Köpfe im Freien von Sonnenlicht um- flossen gesehen wären. Die Auffassung seiner Bildnisse ist erstaunlich frei und lebendig und doch ernst. Zu den besten gehören die des Kardinals Richelieu, des Henri de Mcsmcs, des Archäologen Peiresc, des Pierre Gassendi (s. Abb.), der Hcnrica Maria Frontenac. Dem vortrefflichen Zeichner gelingen Allegorien und cmblemenrcichc Thesenblätter und andere Originalkompositionen ebenso gut wie seine Porträts und Nachbildungen von Werken anderer Meister.

Mellan hat in seiner eigenartigen und ganz persönlichen Technik keinen Nachfolger gehabt, er hat aber trotzdem auf viele selbständige Künstler einen starken Einfluss ausgeübr. Im Gegensatze zu den Maler-Radierern, die ihre

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künstlerischen und technischen Anregungen wesentlich von den Italienern empfangen, erkennen die mehr auf die Ausbildung der Technik bedachten Stecher die Ucbcrlcgenheit der Meister der Rubens- und Van Dyck- Schule. Die Anlehnung an Van Dyck ist besonders auffallend bei Jean Morin (Paris

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Claude MclUn. Bildnis des Pierre Gaiscndi. Ausschnitt.

um 1600 bis um 1666), der allein von allen französischen Bildnisstechern dieser Zeit den grössten Teil der Arbeit in Radierung ausführt. Morin hat hauptsächlich nach seinem Lehrer Philippe de Champaigne und nach dessen Vorbild Van Dyck gestochen und, abegeschen von einigen hübschen Ruinen- landschaften nach Poelenburg und anderen , ausschliesslich den Bildnisstich ge- pflegt. Nur einige, offenbar ganz frühe Stiche, z. B. der Rene de Longcuil,

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haben einen hellen Ton, im allgemeinen sind seine Blätter dunkel gehalten. Die Halbtünc im Fleisch sind mit feinen, kurzen Nadelstrichen und Actzpunktcn

Jean Murin. Bildnis dci Jean Hicrrc Camus. Ausschnitt.

bedeckt und die hellen Lichter wie ausgespart, in den tiefen Schatten sind die langen Kreuzschraffierungen stärker zu dunklen Tönen gesammelt. Die Glanz-

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lichter in dem dunklen Gesamtton geben den Bildnissen oft eine metallische, bronzeartige Wirkung. Der Kardinal Bentivoglio nach Van Dyck, Antonius Vitrc und Jean Pierre de Camus nach Champaigne (s. Abb.) und andere mehr sind Bildnisse von feinster und geschmackvollster Durchbildung.

Auch Robert Nanteuil (Reims i ö 1 8 oder 1623 1678 Paris), der glänzendste und feinste Vertreter des französischen Bildnisstiches ist nur in seinen Anfängen von Meli an stärker beeinflusst worden, z. B. im Bildnis des Jean Mesgrigny. In der Schule Philippes de Champaigne erwarb er sich eine Sicher- heit in der Zeichnung und in der Auffassung des Bildnisses, die ihm gestatteten, für viele seiner Stiche von malerischen Vorbildern abzusehen und unmittelbar nach den Leben zu arbeiten. Er ist auch als Zeichner von Pastell bildnissen (crayons) berühmt gewesen. Unter seinen z 3 4 Blättern stellen nicht weniger als 1 1 6 Bildnisse seiner Zeitgenossen dar, allein das Porträt des Kardinals Mazarin hat er 14 mal, das Louis' XIV. 1 1 mal gestochen. Nanteuil soll bei der Arbeit viele Helfer gehabt haben, unter denen Nicolas Pitau, Nicolas Rcgnesson, Pierre Simon, Cornelis Vcrmeulen und Peter van Schuppen genannt werden. Meist beschränkte sich sein persönlicher Anteil auf die Ausführung des Kopfes, die Gewandteile sind dann von Gehilfen ausgeführt und zwar oft in einer Technik, die sich der Mellans nähert. Nur wenige vorzügliche Platten sind ganz als sein Werk anzusehen; so z. B. die Bildnisse der Anne d'Autriche, der Königin Christine von Schweden, des Marechal Turcnne (Henri de la Tour d'Auvergne), des Nicolas Fouccjuet, des Francois Lc Vaycr (s. Abb.) und besonders das des Pompon de Bellievrc nach Le Brun, eines der berühmtesten und anziehendsten Meisterwerke des französischen Kupferstiches.

Hier sind die Mächtigen und Grossen gewissermassen geistig nobilitiert, die Formen wie der Charkter- und Empfindungsausdruck zu tadelloser Reinheit und überlegener Vornehmheit abgeklärt. Es sind nicht die Menschen, wie sie wirklich waren, sondern wie sie scheinen wollten und durch die höfische Kunst der Selbstbeherrschung auch zu scheinen gelernt hatten. Grade deshalb wurde die Aehnlichkcit der Bildnisse Nanteuils, der selber Hofmann, auch Poet, ein Mann von liebenswürdigem, heiterem Temperament war, so hoch gerühmt. Mit fleckenloser Glätte und faltenfrcicr Weichheit rundet der Stichel die Formen. Alle Kunstgriffe der niederländischen Stecher werden hier überboten, die Formen der Linien mit grösster Feinfühligkcit dem Charakter des Stoffes angepasst, die einzelnen Stoffe mit Meisterschaft unterschieden, die feinen Linien

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im Fleisch noch durch zahllose Punkte zu weichen Tönen verbunden und in das Licht tibergeleitet. Die Zartheit und Glätte des Miniaturgemäldes ist hier

Robert Nintcuil. Bikini, des Ffancoil Xa Vavcr. Aimclmitr.

erreicht. Und doch tritt in den Arbeiten Nantcuils die Virtuosität nirgends störend hervor. Dem Gesamteindrucke ist das Einzelne mit künstlerischer Uebcrlcgung untergeordnet. Die Verbindung der Freiheit in der Stoffandeutung mit der grössten Regclmässigkcit der Linienführung ist nicht nur als technische

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Leistung sondern auch als vollendeter Ausdruck eines Kunstideals mag es auch nicht mehr das unsere sein bewunderungswürdig.

Die meisten Genossen und Nachfolger Nanteuils lassen diese echt künst- lerische Zurückhaltung technischer Virtuosität recht schmerzlich vermissen. Sehr auffällig ist das schon bei Antoine Masson (Louvry 1636 1700 Paris), der von Hause WafFengra vierer gewesen ist. Wie Nanteuil hat er fast ausschliesslich Bildnisse gestochen, nach den beiden Mignard, nach Le Brun und auch nach dem Leben. Seine Taillen sind mit grösster Sicherheit geführt, aber von verletzender Glätte und erkältendem Schematismus. Die Haare löst er z. B. vollständig in dünne, von zwei gleichlaufenden Linien gebildete Spiralen auf, die Fleischbehandlung besitzt in den höchst lebensvollen Gesichtern die- selbe Festigkeit wie bei Nanteuil, in den Körperformen aber eine allzu grosse Weichlichkeit. Eine Wade setzt er z. B. ganz aus konzentrischen Ovalen zu- sammen. Besonders in den überlebensgrosscn Bildnisköpfen geht Masson über die Grenzen des durch Linienwirkung Erreichbaren hinaus. Seine Bildnisse sind schon mehr auf eine gewisse Fernwirkung, in der das störende Uebcrgewicht der einzelnen Linie verschwindet, berechnet. Massons beste Arbeiten, wie das grosse Bildnis des Comtc d'Harcourt (genannt: lc Cadet ä la perle), die des Vi- comte de Turenne, des Guillaume de Brisacier, des Olivier d'Ormcsson, des Malers Pierre Dupuis (s. Abb.) nehmen einen hervorragenden Platz in der fran- zösischen Stecherkunst ein.

Zahlreiche andere Meister stehen in ihrer technischen Einseitigkeit noch weit mehr hinter dem fein empfindenden und überlegenden Nanteuil zurück. Sie können fast nie eine gewisse Materialität der Linienbildung und eine Trocken- heit und Flachheit der Töne vermeiden. Es mögen hier Erwähnung rinden: Fran^ois Poilly (i6zz 1693), ein Schüler Bloemaerts, der hauptsächlich nach Carracci, Reni, Poussin und Le Brun gestochen hat, und sein Bruder Nico- las (i6z6 1696), dann Nicolas Pitau (Antwerpen 1634 1671 Paris) und Pieter van Schuppen (Antwerpen 1623 170z Paris), der ebenfalls aus der niederländischen Schule hervorgegangen war, aber unter Nanteuils Schülern genannt wird, Cornelis Marinus Vermeulen (Antwerpen 1644 1710?), Fran^ois Ragot, Jean Lcnfant, Jean Louis Roullct (1645 169p), Pierre Daret(i6o4 1678?), Gilles Rous seiet (1614—1686), Antoine Trouvain (1666 1710), Charles Simoneau (1639 1718).

Die neuen Anregungen, deren die französische Kunst bedurfte, kommen

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Atuumc Miüoil Bildnis des Vierte Dupuis. Ausschnitt.

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nun zumeist aus den Niederlanden. Mehr als einer der führenden französischen KUnstler, z. B. Philippe de Champaigne, stammte aus der vlämischen Nachbar- schaft Frankreichs und auch von den Stechern haben viele ihre erste Ausbildung in der Rubensschule empfangen. Ein bedeutendes Talent, das die Technik durch neue Formenbildungen zu bereichern imstande war, gewinnt der franzö- sische Kupferstich in Gcrard Edclinck, der 1640 in Antwerpen geboren war und sich bei Cornelius Galle d. j. ausgebildet hatte. Edclinck kann trotz- dem mit vollem Rechte der französischen Schule zugezählt werden, nicht nur weil er von seinem 16. Jahre an bis zu seinem Tode im Jahre 1707 in Paris tätig gewesen ist und hauptsächlich nach französischen Malern gestochen hat, sondern vornehmlich, weil er seine Vorbilder durchaus im französischen Stilgefühl in- terpretiert. Edclinck bringt aus der Rubensschule wieder etwas gesunden Naturalismus und Farbigkeit in die französische Kupferstichtechnik.

Von Nanteuil, mit dem er zusammengearbeitet hat und dessen Nichte er heiratete, hat Edclinck ohne Frage viel gelernt. Die beiden grössten französischen Grabstichelkünstler stehen gleichwertig nebeneinander. Nanteuil ist künstlerisch selbständiger und unerreicht im ruhigen Ebenmass seiner Formenbildung, Edelinck arbeitet nur nach fremden Vorlagen, aber als Stecher ist er vielseitiger, beweglicher und malerischer. Er bedient sich ausschliesslich des Grabstichels und modelliert mit scheinbar ganz regelmässigen Linienzügen, verfügt aber doch über einen grossen Reichtum von Strichbildungen, die er mit grosser Freiheit und Feinfühligkeit ver- wendet. Sein Stich nach Raffäcls Madonna für Franzi, gilt als eine der vorzüglichsten Reproduktionen nach Werken des Urbinaten. Ebenso vollkommen trifft er die lichte Farbenmodellierung Rubens', wie man das z. B. in seinem Stich nach Rubens1 Kopie einer Gruppe aus Leonardos Karton der Schlacht bei Anghiari erkennen kann.

Edelinck könnte man wohl den ersten grossen Meister der Reproduktion nennen, weil er ganz in den Geist seiner Vorlage eindringt, sie nicht unmittel- bar als solche nachzubilden, sondern gewissermaßen sich aus der Wirklichkeit zu rekonstruieren sucht. Er steht bei aller Anpassungsfähigkeit dem Vorbilde selbständig und kritisch gegenüber. Nicht mit Unrecht hat man bemerkt, dass seine Stiche nach Le Bruns Gemälden frischer und anziehender wirken als die Originale. Ohne Frage sind sie sogar farbig reizvoller. Le Brun hat der Meisterschaft Edelincks volle Anerkennung gezollt. Pierre Mignard setzte seinen ganzen Ehrgeiz darein, eine von ihm im Wettstreit mit Le Brun nach demselben

Vorwurf hergestellte Komposition von Edelinck gestochen zu sehen.

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Edelincks umfangreichster Stich nach Le Brun ist das sogenannte Zelt des Darius, das heisst die Familie des Darius vor Alexander, aus der Folge der Alexanderdarstellungen für des Königs Gobelins. Seine vorzüglichste Arbeit nach Le Brun ist die reuige Magdalena, in der man damals eine Anspielung auf die Bekehrung der Herzogin De la Valliere sah, ein Meisterwerk der Wie- dergabe des Stofflichen. Unter den etwa 450 Blättern Edelincks zählt man ungefähr 200 Bildnisse. Er hat fast alle hervorragenden Personen der Um- gebung Ludwigs XIV. porträtiert, des Königs Bildnis nicht weniger als 14 mal in den verschiedensten Formaten gestochen. Die Blätter nach Philippe de Cham- paigne stehen in ihrer vornehmen Ruhe und Eleganz den Arbeiten Nanteuils sehr nahe. Besonders tiefempfunden ist der Stich nach dem Selbstbildnis des Malers, mit dem der Stecher seinem kurz vorher verstorbenen Landsmann und Beschützer eine Dankesschuld hat abtragen wollen. Hier hebt sich die Halb- figur des Künstlers schon von einem landschaftlichen Hintergrunde ab. Von der einfachen medaillonartigen Anordnung des Brustbildes auf schraffiertem Grunde in ovaler Umrahmung, die Nanteuil und die älteren Stecher bevorzugt hatten, geht man nun zu reicheren Hintergründen und zu bewegteren Kom- positionen über. Edclinck hat neben vielen solcher einfachen Medaillonbrust- bildcr, unter denen das Bildnis Nanteuils besonders interessant ist (s. Abb.), auch eine Reihe von Porträts gestochen, in denen der Körper und die Umgebung eine grössere Rolle spielen. Van Dycks Beispiel wirkt bei den französischen Malern, bei Largilliere, Mignard, Rigaud und anderen, die Edelinck Vorbilder lieferten, nach. Als eines der besten Beispiele dieser Art ist das Porträt des Bildhauers Martin Desjardins nach Rigaud, nächst denen des Dichters John Dryden nach Kneller, des Nathanael Dilger u. a. m. hervorzuheben.

Neben Edelinck hat als Stecher historischer Darstellungen nur Gerard Au d ran (Lyon 1 640 1703 Paris) einen hervorragenden Platz zu beanspruchen. Audran hat, nachdem er das Handwerkliche seiner Kunst bei seinem Vater er- lernt hatte, längere Zeit in Italien gearbeitet. Bei ihm gewinnt, im Gegensatze zu Edelinck, der italienische Einfiuss und die Antike wieder grössere Bedeutung. Er bildet eine eigene, grosszügige Technik aus, indem er die klare, derbe Radie- rung italienischer Art mit regelmässiger, tieffurchender Grabstichelarbeit ver- bindet. Für die umfangreichen Aufgaben, die ihm in den Riesenkompositionen der italienischen und französischen Historienmaler gestellt wurden, war diese breitere und flüchtigere Behandlung der Formen, dies Zusammenfassen der Grup-

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pen in grosse Massen geeigneter als die fein in's Einzelne sich vertiefende Stich- technik der Porträtstecher. Audran komponiert mit grossen Lichtflächen und malerischen, oft unregelmässig und fein schraffierten Halbtonen; mit tiefen Schatten aus dicken Kreuzschrafnerungen ist er sehr sparsam.

In den grossen Stichen nach Le Bruns Alexanderschlachten, seinen Haupt- werken, nähert er sich etwas mehr der Technik seines Freundes und künst- lerischen Beraters Edclinck und der durch Glanzlichter wirkenden Stoffbehand- lung der Rubensschule. An farbigem Glanz der Technik und Feinheit der Formcndurchbildung bleibt er hinter Nanteuil und Edclinck weit zurück, seine Stärke besteht in der Sicherheit und Korrektheit der Zeichnung und in der Beherrschung der Formen- und Lichtmassen grosser Kompositionen. Unter den zi j Kupferstichen, die von ihm beschrieben sind, zählt man nur 14 Bildnisse. Er ist der berufenste Interpret der grossen akademischen Historienmaler Frank- reichs, die mit ihrer mehr vom Pathos als von der Naturbeobachtung bestimmten Formengebung an die Kritik und die Gewandheit des künstlerisch empfindenden Stechers hohe Anforderungen stellten. Ausser den Alexanderscblachten hat Audran noch viele andere Kompositionen Le Bruns gestochen. Ebenso hat er eine Anzahl von Gemälden Poussins , Le Sucurs, Mignards und Coypels durch seine Stiche berühmt gemacht. Von den zahlreichen Mitgliedern seiner Familie, die vor, neben und nach ihm als Stecher tätig waren, haben sich Benoit Audran (1661 1721) un<* Jean Audran (1667 1756) noch am meisten der Vor- züglichkeit ihres Verwandten und Lehrers zu nähern vermocht.

Die mannigfaltigen Aufgaben, mit denen das reiche und schmuckliebende gesellschaftliche und religiöse Leben der Zeit und nun, nach der fast voll- ständigen Verdrängung des Holzschnittes, auch die umfangreiche und vielseitige typographische Produktion an den Kupferstich herantraten, führten einen immer weiteren Kreis von Künstlern diesem Gebiete zu. Die grossen, mass- gebenden Meister, die ihren Grabstichel vornehmlich dem Bildnis und dem historischen Gemälde widmeten, haben in einzelnen Fällen schon in dieser Zeit an mehr ornamentalen Werken mitgearbeitet. Auch Nanteuil und Edelinck und andere haben für reiche und vornehme Herren die Umrahmungen der sogenannten „Thesen«, der Blätter, auf denen die akademischen Disputationen über wissenschaftliche Thesen angezeigt wurden, gestochen. Im allgemeinen jedoch blieben solche Arbeiten, in denen der Kupferstich mehr als blosse Il- lustration und Verzierung dienen sollte, bescheideneren und weniger beschäftigten

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Stechern überlassen. In illustrierten Büchern zur Unterhaltung und Belehrung, in Kalenderblättern, Schilderungen von historischen Ereignissen, in Sammlungen von Wappen und Emblemen, von Tier- und Blumendarstcllungcn, Schreibvorlagen u. dgl. beginnt jetzt der Kupferstich eine lebhafte Tätigkeit, die allerdings erst im folgenden Jahrhunderte tu künstlerisch hervorragenden Leistungen führen

Jein Lc Piutre. Hinrichtung cinei vornehmen Schlalgemachet. Wenig verkleinert.

sollte. Es wärehicr z. B. auf Cl. Fr.Mcnestricr.Fr.Chauvcau, Alb. Flamen, I. B. Monoyer, I. Vauquer aufmerksam zu machen.

Der Ornamentstich setzt im XVII. Jahrhundert nur die Arbeit der vorher- gehenden Zeit fort, er dehnt sein Gebiet aber weit über das einfache Ornament- vorbild aus, indem er nun die Formen gleich in ihrer Venrendung in der Aussen- und Innendekoration darstellt. Hierin ist die Tätigkeit Jean Lc Pautres (Paris 1617 168z) epochemachend gewesen. Dieser ausserordentlich erfindungs- reiche und zeichnerisch wie als Stecher gewandte Künstler hat über zooo Stiche

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in einzelnen Folgen veröffentlicht, die Vorbilder für alle Teile und Gegenstände vornehmer Gebäude, fürSchloss-und Kirchcnanlagen, Prunkgemächer und Gärten, Geräte und Möbel aller Art nach seinen eigenen und nach fremden Entwürfen enthalten. Er versteht seine für das praktische Studium bestimmten Vorlage in einer geschmackvollen und interessanten Form vorzuführen, indem er die verzierten Räume mit Figuren belebt und die Bilder mit reichen Um- rahmungen versieht (s. Abb.). Lc Pautre hat wie in der Darstellung auch in der Technik seinen eigenen Stil. Seine Radierung ist leicht und weich, aber doch farbig kräftig, so dass die Fülle der einzelnen Formen klar zur Geltung kommt. Besonders in den Figuren erinnert seine Manier stark an die Stefanos della Bella.

Wie Lc Pautre bemüht sich auch Jean Berain d. ä. (Paris 1638 1711) die Formen der italienischen Spätrenaissance und des Barock nach französischem Geschmack umzubilden, nun aber in leichtcrem, eleganterem Vortrage. Seine Entwürfe sind von Le Pautre, Dolivar, Daniel Marot gestochen worden. Als Ornamentstecher dieser Zeit seien noch Charles Errard, Gedeon und Gilles Legare, Alexis und Nicolas Loir angeführt.

Die glänzende Bautätigkeit unter Ludwig XIV. und das dadurch geweckte Interesse für die älteren französischen Bauwerke spiegelt sich auch im Kupfer- stich wieder. Neben reich illustrierten Büchern über Architektonik ent- steht eine Reihe prächtiger Abbildungen französischer Gebäude, die zum Teil von ihren Meistern selber herausgegeben wurden Die Werke Jules Hardouin Mansarts, von Michel Hardouin gestochen (1680), die architektonischen Entwürfe und Aufnahmen von Jean und Daniel Marot, Pierre Cottart, Louis Savot, Le Brun und anderen geben neben den Stichen Le Pautres ein lebendiges Bild der Kunstpflege unter dem grossen König. Umfassend wie alle seine Unternehmungen ist auch sein Plan, in dem „Cabinet du Roi" Abbildungen aller bedeutenden Kunstwerke, die unter seiner Regierung entstanden oder in königlichen Besitz gekommen waren, zu sammeln. Mit dem Bestände an Kupfcr- stichplatten, die in seinem Auftrage von den besten Künstlern zu diesem Zwecke hergestellt wurden, hat er den Grund zur „Chalcographie du Louvre", einem noch heute bestehenden Institute zur Pflege des Kupferstiches gelegt, zu gleicher Zeit damit aber auch zuerst den Gedanken einer Art von Inventarisierung des nationalen Kunstbesitzes angeregt.

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KUPFERSTICH UND HOLZSCHNITT IN DEUTSCHLAND.

ACH dem Tode Albrccht Dürers hatte der deutsche Kupferstich seine führende Stellung schnell aufgehen müssen. Wir sehen schon die unmittelbaren Schüler und Nachfolger desgrossen Meisters im Banne der italienischen Kunstformen, die von da an auch auf die tüchtigsten und selbständigsten Künstler einen massgebenden Einflua ausgeübt haben. Die klassische Kunst verlor wohl schliesslich, um die Wende des Jahrhunderts, ihre grosse Anziehungskraft, aber die deutsche Kunst besass nicht die Energie, einen eigenen Weg in die Hohe zu finden. Man verHess die italienischen Vorbilder nur, um sich andere zu suchen. Im XVII. Jahrhundert sind es zunächst die niederländischen Meister, die durch ihre technische und formale Ueberlegenheit die deutschen Stecher zur Nachahmung veranlassen. Dann, seit dem Ende des XVII. Jahr- hunderts, gewöhnt man sich, die Schöpfungen französischen Geistes wie auf jedem anderen Gebiete so auch in der Kunst als vollendete, unerreichbare Muster anzusehen.

Gern würde der Blick Uber diese traurige Zeit deutscher Kunst hinweg- gleiten, wenn die Pflicht des Erzählers nicht zur Betrachtung des wenigen, das Aufmerksamkeit verdient, mahnte. Die politischen und ökonomischen

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Zustände Deutschlands zur Zeit des drcissigjälirigcn Krieges erklären nur zu gut den Tiefstand der geistigen und künstlerischen Produktion. Auf eine technische Errungenschaft von Bedeutung kann der deutsche Kupferstich des XVII. Jahr- hunderts allerdings hinweisen, auf die Erfindung der Schabkunst, aber auch diese Technik hat ihre künstlerische Entwickelung und Ausbeutung erst im Auslande gefunden. Fern von der Heimat musstc auch der einzige grosse deutsche Maler, den das XVII. Jahrhundert gesehen hat, verkümmern. In Italien hat Adam Elsheimer, der in seiner künstlerischen Empfindung durchaus Nord- länder bleibt, sein kurzes Leben zugebracht. Für den deutschen Kupferstich kommt sein hochbedeutendes Talent leider nur wenig, viel weniger als für die niederländische Kunst in Betracht.

So mussten auch die wenigen tüchtigen Holzschneider, die sich über die öde Handwerklichkeit zu erheben strebten, ihr Arbeitsfeld im Auslande suchen. Schon am Ende des XVI. Jahrhunderts trafen wir in Italien die Krieger (Guerra) und Ledercr (Coriolano), der Name Christophs de Jegher, der vermutlich ein Deutscher von Geburt war, ist für immer an die Schöpfungen Rubens1 gebun- den und auch Christoph von Sichern d. j. hat ausschliesslich in den Niederlanden gearbeitet. Ein älterer Holzschneider dieses Namens ist in Basel und Strasburg in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts tätig gewesen, der jüngere Christoph von Sichern ist dagegen vollkommen Niederländer geworden. Er arbeitet besonders nach Goltzius und hat in der ersten Hälfte des XVII. Jahr- hunderts eine Reihe von Büchern, die in Antwerpen und Amsterdam gedruckt worden sind, illustriert. Der niederländischen Manier des Farbenholzschnittes rolgt auch Ludwig Büsinck (geboren um i j$>o), der hauptsächlich in Paris tätig war und nach Lallemand und nach Bloemacrt eine Reihe von Farbendrucken mit einer Strich- und zwei Tonplatten geschnitten hat. Nach eigener Zeichnung hat er nur einige schwache Bauernfiguren herausgegeben.

Was in Deutschland selber in dieser traurigen Zeit an Holzschnitten ge- liefert wurde, verdiente kaum erwähnt zu werden. Die grosse Masse der Arbeiten besteht in Spielkarten, Kalender- und Heiligenbildern, Fluglättern, Etiketten und ähnlicher Ware für den Tagesbedarf, alles roh und nachlässig ausgeführt. In den Büchern ist der Holzschnitt fast ganz auf Initialen und Vignetten beschränkt, die in besseren Drucken aber auch, wie die Illustrationen schon meist dem Kupferstich oder der Radierung anvertraut werden. Es ist hauptsächlich wohl ihr alter Besitz an besseren Holzstücken aus dem vorigen

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Jahrhundert, der die Druckereien verhindert, den Holzschnitt ganz aufzugeben, und dessen Ergänzung den Formschneidern noch dürftige Arbeit verschafft.

Eine gewisse Freiheit und Breite zeigen einzelne Blätter von Marx Anton Hannas, der in Augsburg um 1630 tätig war, so z. B. der heilige Franciscus und die Totentanzfolge von 16*37. Seine Formgebung und Technik sind weichlich und etwas plump und die Effekte, die er anstrebt, recht roh. Feiner, mehr niederländisch zeichnerisch und spitz ist die Technik Anton Möllers. Ebenso sucht sich Wilhelm Traudt in Frankfurt (gestorben 1664) der niederländischen Manier zu nähern. Den ersten Frankfurter Ratskalcnder hat Johann Georg Walther aus Nürnberg herausgegeben. In Nürnberg hat Paul Creutzberger (gestorben 1660) für die Lutherbibel von 1670 Holz- schnitte geliefert. Für dies Werk arbeitete auch Abraham DcWacrdt (aus Brüssel? 1630 1670), der einen Ovid (Nürnberg 1639) mit zahlreichen Holzschnitten in einer der Radierung ähnelnden Manier illustrierte. In Stras- burg ist Johann Fischer aus Sachsen (Bibel von 1606), in München Johann Neil (Chronik von Andechs, 1615) und Konrad Sch ramm aus Ried (Evangelienbuch 1683) tätig. In Leipzig finden wir Konrad Gr ahlen und Andreas Bretschneider (1600 1640 tätig), in Basel um 1630 Johann Heinrich Glaser, der aber hauptsächlich Radierer war.

Im Vergleich zu dem fast vollständig verwahrlosten Holzschnitte hat der deutsche Kupferstich im XVII. Jahrhundert immerhin noch bemerkenswert tüchtige Leistungen aufzuweisen. An Menge wurde die Erzeugung durch die Not der Zeit sogar gefördert, da gewiss oft genug der billigere Kupferstich an Stelle der kostbareren Gemälde hat treten müssen. Der Kupferstich wird jetzt geradezu das offizielle Mittel der Verewigung von Personen und Ereignissen. Der Porträtstich wird deshalb vor allem gepflegt, er nimmt unter den künstleri- schen Erzeugnissen der Zeit den breitesten Raum ein.

Die Anregung zu künstlerisch überlegterer und technisch sorgfältigerer Arbeit ging für diesen Zweig des deutschen Bilddruckes unmittelbar von den Niederlanden aus. In erster Reihe ist es die Brüsseler Familie der Sadeler, die der feinen, geleckten niederländischen Manier der Wierix und De Passe in Deutschland Eingang verschafften. Johann Sadeler und sein jüngerer Bruder und Gehilfe Raphael standen längere Zeit in den Diensten Herzog Wilhelms von Baiern, siedelten dann aber nach Venedig über, wo sie sich mit der Re- produktion von Werken Bassanos, derCarracci und anderer Meister beschäftigten.

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Raphael kehrte wieder nach Mönchen zurück, um mit Hilfe seines Sohnes Raphael die Stiche für die „Bavaria pia et saneta" (1618 herausgegeben) aus- zuführen. Der tüchtigste Stecher der zahlreichen Familie ist ein anderer Sohn Raphaels, Aegidius Sadeler (Antwerpen 1570 1 6 19 Prag), der in die Dienste Kaiser Rudolfs II. trat und sich durch seine Stiche nach älteren und zeitgenössischen Malern hervortat. Besonders sind es Künstler wie Johann von Aachen, Christoph Schwarz, Heinz, Spranger und andere, die in ihm einen verständnisvollen und eleganten Interpreten fanden. Er wagt sich aber auch an die alten Meister und hat sogar in der „Madonna mit den Tieren" aus Zeichnungen Dürers einen Stich im Stil des Altmeisters zusammenzustellen ver- sucht. Vortrefflich sind auch seine Landschaften nach Brill, Brueghel, Savery und anderen. Als „S. Caesareae Majestasis Sculptor" unter Rudolf II., Matthias und Ferdinand II. fand er Gelegenheit, eine ganze Anzahl von Bildnissen zu stechen, die sich durch gediegene, feine Behandlung und durch einen zarten, silbrigen Ton auszeichnen (s. Abb.).

Als Gründer einer grossen Kupferstecherschule hat Domenicus Custos (1560? 161 z), der gegen Ende des XVI. Jahrhunderts aus Antwerpen nach Augsburg kam und die Witwe des Stechers Bartholomaeus Kilian heiratete, eine gewisse Bedeutung. Als Stecher und als Lehrer seiner Stiefsöhne und seines Sohnes Raphael hat er zur Verbreitung der glatten, glänzenden Manier der niederländischen Meister in Deutschland wesentlich beigetragen. Im Jahre « 597 gab «" &c „Icones institutorum sex illustrium ordinum" heraus, dann 1599 die Fürstenbildnisse des Schlosses Ambras und endlich die grosse Folge der Bildnisse der Fugger. Schon hierbei ist ihm sein Stiefsohn und Schüler Lucas Kilian (1579 1637)1 der tüchtigste der zahlreichen Stecher dieser Familie, ein Uberaus fleissiger und gewandter Künstler, behilflich gewesen. Lucas stach zuerst nach Gemälden von Palma, Veronese, Tintoretto, Heinz, Rottenhamer, Spranger und anderen. Er kann neben Aegidius Sadeler als der erste bedeutende Reproduktionsstecher in Deutschland angesehen werden. Sein Bestes hat aber auch er in seinen Bildnissen geleistet, die in der Tat durch ihre frische Auffassung und sorgfältige Ausführung der Beachtung wert sind. Später sucht er Goltzius und Bloemacrt nachzuahmen und schädigt durch die gequälte Energie und die übertriebene Schärfe der Strichführung die guten Grundlagen seines Stils.

Die Tradition der Familie wird durch eine Reihe mehr oder weniger

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geschickter Stecher bis in das XV111. Jahrhundert fortgesetzt. Lucas fast gleich- altrig ist sein Bruder Wolfgang. Der zweiten Generation gehören Wolfgangs

Acgidiu» Sadclcr. Bildnis de» Arnuld von Revier.

Söhne Philipp (1628 1693) und Bartholomaeus Kilian ^ 1 630 1 6y6) an, mit dem schon der französische Einrluss sich geltend zu machen beginnt.

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Er ist bei Francis Poilly in Paris in die Schule gegangen und hat auch nach französischen Malern, wie Philippe de Champaigne, und in ihrem Geiste ge- arbeitet. Unter seinen damals viel gerühmten Bildnissen sind z. B. die der Herzüge Friedrichs I. und Eberhards III. von Württemberg und einige Riesen- blätter, wie das Reitcrbildnis Kaiser Josephs I. auf 1 6 Platten hervorzuheben. Georg Kilians Söhne Georg Christoph und Philipp Andreas gehören schon dem XVIII. Jahrhundert an. Schüler Poillys sind auch die Augsburger Elias Heinzelmann (i 640 1 693) und Johann Heinzelm ann (1 6^0 1700), der seit 1688 in Berlin tätig ist.

Eine andere fleissige Stecherfamilie in Augsburg ist die der Wolfgang. Der älteste ist Georg Andreas Wolffgang (geb. 163 1), der sich auch viel mit Schabkunst beschäftigt hat. Seine Söhne Andreas Matthaeus und Johann Georg sind bis in das XVIII. Jahrhundert tätig. In Frankfurt arbeitet Jacob von der Heyden aus Strassburg (um 1570 1640) in der Art de Wierix und Sadeler, besonders Bildnisse von Personen, die im dreissig- jährigen Kriege eine Rolle gespielt haben. Er hat auch einige Landschaften radiert. Peter Isselburg (1568 1^50) aus Köln, ebenfalls ein Schüler der Niederländer, erfreute sich in Nürnberg, wo er sich niedergelassen hatte, als Porträtstecher grosser Beliebtheit. Seine Bildnisse sind in der Art der Sadeler, aber weniger lebendig und fein, eine Reihe von Halbfiguren von Heiligen ist schon in der Manier de Rubensstecher ausgeführt.

Bei Issclburg hat Joachim von Sandrart (Frankfurt 1606 i6t$ Nürnberg) sich in der Stecherkunst auszubilden begonnen. Er hat sich aller- dings später ausschliesslich der Malerei gewidmet und ist für uns heute wesent- lich als Verfasser seiner „Teutschcn Akademie der Bau-, Bild- und Malcrci- ktinste" ((675 79) von Bedeutung, er hat aber als verständnisvoller Kunst- förderer auch den Kupferstich nach Kräften zu heben gesucht. Von ihm selber sind nur einige Radierungen bekannt, er hat aber für die Stiche in mehreren Werken, wie den Statuen der Galerie Giustiniani, in Zeillers Itinerarium Italiae u. a. m. sorgfältige Zeichnungen geliefert und sich durch die Leitung der Arbeit an den Stichen für seine „Akademie" verdient gemacht. Berufsmässiger Kupfer- stecher ist sein Neffe und Schüler Jacob von Sandrart (1 630 1708), der in Regensburg und Nürnberg eine eifrige Tätigkeit besonders als Stecher von Landkarten und Bildnissen entwickelt. Seine Werke gehören zu den besseren Leistungen seiner Zeit, ohne durch besondere Vorzüge zu fesseln.

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Jeremias Falck. Bildnis des Predigers Daniel Dilger. Ausschnitt,

Andere Mitglieder der Familie wli jöh ann Jacob, Joachim d. J., Johann, Lorenz und Susanna sind als Stecher noch weniger hervorragend.

Der Norden Deutschlands hat in dieser Ztfit fiür einen Grabstichelkünstler von Bedeutung aufzuweisen. Jeremias Falck (Danzig 1609 1 ^77} hat

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seinen ersten Unterricht wahrscheinlich von Willem Hondius in Danzig emp- fangen und sich dann in Paris und in Amsterdam an den Werken der Nieder- länder weiter ausgebildet. Er ist in seiner Heimat und in Kopenhagen und Stockholm als Bildnisstecher viel beschäftigt worden. Die kunstsinnige Königin Christine von Schweden, König Friedrich III. von Dänemark, Ludwig XIII. und seine Gemahlin, der grosse Kurfürst, Nicolaus Kopcrnicus sind die hervorragend- sten unter den Persönlichkeiten, die er porträtiert hat. Eine seiner besten Arbeiten ist das Bildnis des Predigers Daniel Dilger (s. Abb.). Falcks Charak- teristik ist ernst und eindringend , seine Technik kann , trotz einer gewissen Pedanterie, in der Darstellung des Stofflichen mit den besten Niederländern wetteifern. Vortrefflich weiss er die tiefen Schatten sammetartiger Stoffe und den Glanz der Rüstungen wiederzugeben; sehr geschickt sind z. B. die gerafften Falten der Spitzenschärpen durch kurze, sich stark verdickende Taillen an- gedeutet, auch das Fleisch und das Haar höchst subtil und weich behandelt. Unter seinen etwa 500 Stichen finden sich auch Reproduktionen nach Gemälden verschiedener Meister, Vorlagen für Goldschmiede, ßüchertitel und dergleichen.

Von den deutschen Stechern , die auch im XVII. Jahrhundert dem italie- nischen Stil treu bleiben, mögen nur Matthaeus G reut er (Strassburg 1 564 oder 1566 t^B) und sein ganz italienisierter Sohn Johann Friedrich, die beide in Rom in der Art Rotas und der Carracci arbeiten, und Theodor Krüger (München um 1575 1650 Rom), der in der Technik Villamenas besonders nach Andrea del Sarto sticht, genannt sein.

Von der Maler-Radierung hätte man nach einzelnen Ansätzen auch in Deutschland mehr erwarten können. Es blieb aber trotz allem bei Stückwerk und Kleinkunst oder bei blosser Nachahmung. Nicht nur das Beispiel der grossen holländischen Meister war unvermögend zum selbständigen Schaffen anzuregen, auch der einzige bedeutende und selbständige Künstler der Heimat, Adam Elsheimer (Frankfurt i578bisum idzoRom), hat wie schon hervor- gehoben wurde, in Deutschland keinen Nachfolger gehabt. Er hat, seit 1 606, in Italien gelebt und als Maler sowie als Radierer verständnisvolle Schüler nur unter den Holländern gefunden. Merkwürdig genug ist es, dass von Elsheimcr, der als Radierer nach dem Zeugnisse von Zeitgenossen besonders berühmt gewesen ist, dessen technische Neuerung auf diesem Gebiete, der weisse Aetz- grund, sogar Rubens zu lebhafter Nachfrage veranlasst hat, nur so wenige

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Arbeiten bekannt geworden sind. Noch dazu sind diese Blätter fast alle von der allergrößten Seltenheit also nur in kleiner Anzahl gedruckt oder ur- sprünglich wenig beachtet worden und technisch, man möchte beinahe sagen rudimentär. Man könnte meinen, Elshcimer hätte nie zuvor eine Radierung gesehen, als er seine eigenen Versuche begann. Diese Unbefangen- heit und Selbständigkeit in der Ausnutzung der Technik für seine malerischen Absichten gibt den Radierungen des zart empfindenden Poeten, der in seinen Gemälden Rembrandts Helldunkel vorausahnen lasse, eine nicht geringe Bedeutung.

Besonders charakteristisch für Elsheimers Technik ist der „Pferdeknecht", eine Studie, die einen jungen Menschen mit einem Pferde und zwei Hunden wiedergibt. Unregelmässige Lagen gleichlaufender, ziemlich grober und rauher Aetzlinien verdichten sich in den Schatten zu tiefen, weichen Tusch- tönen und öffnen sich in schnellem und weichem Uebcrgange nach den Licht- stellen hin. Fast alles ist in reiner Aetzung ausgeführt und nur wenige leichte Schatten sind mit der kalten Nadel nachgearbeitet. Trotz dem augenfälligen Mangel an technischer Routine in der Strichführung und in der Verbindung der Arbeiten der Aetzung mit denen der kalten Nadel ist die malerische Wir- kung ganz neu und frappant. Die Umrisslinien verschwinden, man sieht nur Massen von durchsichtig leuchtenden Schatten und von glänzenden Lichtern, die den Formen volle Rundung und Farbe geben. Nur von Correggio könnte man sich, wenn er radiert hätte, eine so malerisch freie und doch plastisch feste Behandlung vorstellen. In Italien hat sich bis auf Ribera keiner so vollständig von dem Zwange der Linien zu befreien vermocht.

Wir können in diesem genialen Radierversuch Elsheimers leicht das Prinzip erkennen , das der sichere Grabstichel des trefflichen Goudt zu einem stecherischen System erweitert und durchgeführt hat. Wir begreifen nun auch, was den Niederländern unseren bescheidenen Künstler auch als Radierer so wert machte. Er gab in dem Wenigen, was er ausführte, reichste Anregungen. Er zeigte ihnen eine ganz neue, kühne Kombination der Radierlinien zu malerisch die Form umfliessenden , durchsichtigen Schattentönen. Soutman und die anderen Rubensstecher, Van Dyck und die Holländer, vor allem Rcmbrandt, haben diese Effekte auszunutzen und zu steigern gewusst.

Ausser diesem seinem grössten Blatte werden Elsheimer noch 7 andere Radierungen meist ganz kleinen Formates zugeschrieben. Bezeichnet ist nur der h. Joseph mit dem Jesusknaben. Der Tobias mit dem Engel (Nagler z), ein Lieb-

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lingsthema des Malen, ist technisch ganz ähnlich wie der Pferdeknecht be- handelt, aber matter und trockener und veniger farbig. Die andere Darstellung desselben Gegenstandes, in Höhenformat (Nagler 3) ist ganz überarbeitet. Höchst reizvoll sind die vier kleinen Blättchen mit arkadischen Landschaften, die von Satyrn und Nymphen bevölkert werden. Sie sind viel zarter und ver- triebener ausgeführt als die vorher genannten Radierungen, viel geschlossener im Ton, meist aber nur ganz schwach geätzt, ohne Nacharbeit und ohne grosse Tiefe der Schatten. Trotzdem zeigen besonders der „flötende Satyr" und die „tanzende Nymphe" (s. Abb. S. 439), Landschaften von feinstem Helldunkel. Die zierliche Staffage ist mit grösster Kunst innig mit dem Hintergrunde ver- bunden, alle Einzelheiten höchst lebendig. Ohne Zweifel sind diese mytho- logischen Darstellungen später entstanden als jene grösseren, mehr skizzenhaften und gröberen Radierungen. Eine solche Durchsichtigkeit und Feinheit der Abstufungen im Baumschlag, diese äusserste Zartheit der fernen Gründe hat in der Radierung ausser Elsheimcr nur noch Claude Lorrain zu erreichen vermocht.

Elsheimer steht auf seiner künstlerischen Höhe in Deutschland ganz allein. Weder können sein Lehrer Philipp Uffcnbach in Frankfurt (gest. um 1639), der einige Blätter gut, aber in veralteter Manier radiert hat, oder gar Adam Griemer (Frankfurt, gest. 1640) als seine Vorgänger angesehen werden, noch ist unter der jüngeren Generation irgend einer als sein Schüler zu bezeichnen. Fast alle schwanken haltlos zwischen der Nachahmung der Italiener oder der Niederländer hin und her.

Der temperamentvolle Johann Wilhelm Baur (Strassburg um 1600 1641 Wien), ein Schüler des Strassburgers Fried rieh Brentcl(i j8o 1651) hat sich in Italien nach Callot und Deila Bella ausgebildet und ist auch haupt- sächlich dort tätig gewesen. Unter seinen Radierungen sind die Schlachten, die „capricci di varic battaglic" (163 5, s. Abb.) die Trachtenbilder (1 6 3 6} und 151 bizarre und theatralische Illustrationen zu Ovid die bekanntesten. Sein eigenes Talent zeigt sich am vorteilhaftesten in den lebendigen Gruppen der Kämpfenden und in den Landschaften. Ein Nachahmer Baurs war Mel c hior Kussel (1611—1683), der auch viele Kompositionen von ihm gestochen hat. Seine Bildnisse und seine biblischen Darstellungen, darunter miniaturartige Nachbildungen berühmter Gemälde zeichnen sich durch eine fliessende, weiche und schillernde Stechweise aus. In Rom empfing auch Fr a n z Cl e y n (gest. 1658), der dann in England für Tapetenfabriken arbeitete, seine Ausbildung. Aus den

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Jahren 1645 und 1646 haben wir von ihm einige Folgen allegorischer Figuren, die in der Art Schiavoncs leicht und fein skizziert sind, und Ornamente mit Ticrfigurcn in der Art Fialcttis. Ein bemerkenswert sicherer und freier Zeichner ist Jonas Limbach (1614—1700), der sich die Radierungen Renis, Cantarinis und Carpiones zum Vorbilde genommen zu haben scheint. Ausser Madonnen und Heiligen hat er auch italienische Landschaften mit Ruinen und einige

Johmn Wilhelm B»ur. Reiterkamp£ Meyer 14- Wenig »erkleinert.

hübsche mythologische Szenen mit scharfer Nadel sehr frisch radiert. Noch

viele andere deutsche Künstler haben in Italien die Anregung zur Radierung

empfangen, z. B. Joh. Franz Ermels aus Köln, Joh. Heinrich Schünfeld

und Joh. Oswald Harms (Invcntioni di ruini von 1677).

Fast noch stärker als die Reize der italienischen Kunst wirkt jetzt selbst

auf die in Italien lebenden Deutschen die Anziehungskraft der niederländischen

Meister. Im Stil der holländischen Radierer hat Hans Ulrich Frank

(xöoj 1680 Augsburg) zi Bilder aus dem Soldatcnlcbcn flüchtig und eckig

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mit spitzer Nadel gestochen. Zu einem Grimmelshausen der bildenden Kunst gebrach es ihm aber an Talent. Aehnlich ist die Technik des Joh. Phillipp Lcmbkc(i6}i 1713 Nürnberg, Stockholm). Volkstümliche Szenen in Ostadcs Art hat Matthias Scheits (Hamburg um 1640 1700) heraus- gegeben. Von allen deutschen Radierern hat sich Johann Heinrich Roos (16 1 1 1685) den holländischen Vorbildern am meisten zu nähern verstanden. In Holland hat er sich bei Adriaen de Byc als Tiermaler ausgebildet und dann in Rom die Landschaft studiert. Aus diesen beiden Elementen setzt sich seine Kunst zusammen. In seinen 3 o Radierungen ist die Landschaft nur der Hinter- grund für die geschmackvoll angeordneten Gruppen von Rindern, Schafen und Ziegen, die er ausserordentlich naturgetreu mit feiner, sorgfältig zeichnender Nadel wiedergibt. Seine Arbeiten sind etwas kleinlich und hart in der Mache und dünn im Ton, trotz den oft kräftigen Tiefen der Schatten fehlt ihnen die Weichheit und Farbigkeit Bcrchems und Dujardins (s. Abb.). Eine eigen- tümliche Mischung von niederländischer mit italienischer Art zeigen die Felsen- landschaften des Joachim Franz Beich (München 1665—1748), die sich bald an Both oder Bcrchem, bald an Salvator Rosa oder Poussin anlehnen. Bei- läufig mag noch Franz Ertinger (1640 1700) genannt sein, der nach Rubens und besonders nach Zeichnungen De Lafages radiert hat.

Die deutsche Eigenart der wenigen Radierer, die sich in dieser Zeit nicht ganz der Nachahmung fremder Vorbilder hingeben, besteht wesentlich in ihrem grossen Flcisse und in der technischen Sauberkeit der Arbeit. Ihrer nüchternen Auffassung entspricht die Vorliebe für das Lehrhafte, im besonderen für die topographische Schilderung. In dieser Hinsicht ist die Nachwelt demMa tthäus Merian für seine treuen Schilderungen der Städte und Landschaft allerdings zu Dank verpflichtet. Merian, der 1595 in Basel geboren ist, empfing seinen Unterricht in Zürich bei Dietrich Meyer (157z— 1658), einem tüchtigen Maler und Radierer, kam dann in Nancy, wo er 1608 das Leichenbegängnis Carls VIII. zu stechen hatte, mit Callot in Berührung, hielt sich in Paris auf und siedelte sich schliesslich als Schwiegersohn des Kupferstechers Theodor de Bry in Frankfurt an. Hier führte er das De Bry'sche Verlagsgcschäft fort und hinterliess es nach seinem Tode im Jahre 1650 seinen Söhnen und Gehilfen Matthaeus d. J. und Kaspar.

Merians figürliche Kompositionen, die Bibelbilder, die Jagddarstellungen nach Tempesta, das Theatrum Europacum, der Totentanz sind wenig bedeutend,

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dagegen sind die Landschaften und Städteprospekte nicht nur amüsant, sondern auch künstlerisch ansprechend. Er zeichnet die wie aus der Vogelperspektive beobachteten Städtebilder, die halb Plan, halb Vedute, lehrreich und anmutig zugleich sein sollen, mit leichter, spitzer Nadel in regelmässigen, klaren, etwas

Johann Heinrich Rom. Schate und Ziegen. B. 4.

trockenen Strichzügen. Die figürliche Staffage dient zur Charakteristik und zur Belebung. Besonders hübsch sind die Ansichten der Rheingegend, eine frühe Arbeit. Sein und seiner Gehilfen und Nachfolger Hauptwerk ist die grosse Zeillerschc „Topographie", ein geographisches Riesenwerk von 30 Bänden, das neben genauen Beschreibungen der einzelnen Teile Deutschlands und einiger Nach-

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barländer über zooo Landkarten, Stadtpläne, Ansichten und dergleichen enthält. Die Ausführung ist natürlich sehr ungleich, meist handwerklich und im Detail schematisch, aber immer von grosser Sauberkeit, recht geschickt in der Per- spektive und natürlich im Eindruck des Ganzen. Es sind Zeitbilder von stimmungsvoller Naivität, die den Reiz spiessbürgerlicher Selbstgefälligkeit besitzen. Merians Tochter MariaSibyllahat sich durch ihre feinen Radierungen nach Blumen, Raupen und Insekten, die sie mit Sorgfalt sammelte und be- obachtete, eine gewisse Berühmtheit erworben.

Seinen künstlerischen Weltruf hat von allen deutschen Radierern dieser Zeit ausser Elsheimer nur noch Wenzel Hollar bis in unsere Tage zu be- haupten vermocht. Hollar ist 1 607 in Prag geboren, hat seine Ausbildung durch Merian erhalten, dann mit seinem Gönner, dem Grafen Arundel in Eng- land und auf Reisen gelebt und ist in London 1677 gestorben. Der fleissige Mann hat an 3 000, zwar fast durchgehends kleine, aber äusserst subtil ausge- führte Radierungen hinterlassen. Die Anregung Merians und die Anschauung auf seinen Reisen haben seinem Talente die Richtung auf die Schilderung der konkreten Wirklichkeit gegeben. An Phantasie scheint es ihm Uberhaupt ge- mangelt zu haben. Von seinen Reproduktionsstichen, die zum grossen Teil die Schätze der Sammlungen Arundels wiedergeben, sind die Radierungen nach Elsheimer die gelungensten. An malerischer Wirkung können sie sich aber nicht mit den Stichen Goudts messen. Während seines Aufenthaltes in Ant- werpen hat Hollar auch einige Blätter für Van Dycks Ikonographie ausgeführt. Sie gehören aber keineswegs zu den besten Arbeiten dieser Sammlung, wie überhaupt seine Bildnisse weder sehr lebendig noch malerisch anziehend sind.

Hollars eigentümliche und grosse Vorzüge liegen in der technischen Meisterschaft der Stoffandeutung und vor allem in der treuen und feinen Dar- stellung landschaftlicher Ansichten. Ueberall, wo er sich aufhält, sucht er die Orte und die vornehmsten Gebäude, die hübschesten Landschaftsbilder in Zeichnungen und Radierungen festzuhalten (s. Abb.). Er legt dabei im Gegensatze zu Merian viel weniger auf das Topographische als auf das Land- schaftliche Nachdruck. Der malerische, gegenständlich nebensächliche Vorder- grund mit seiner FigurenstafFagc wird stark betont, so dass die eigentliche Stadt- ansicht oft nur in schwachen Umrissen im Hintergrunde erscheint. Seine Auffassung ist ausserordentlich schlicht, ohne jedes Suchen nach Effekten. Die grosse Schärfe und Klarheit der feinen Linien gibt den Formen, besonders den

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Umrissen, eine gewisse Härte, die aber der Landschaft einen eigenen Stimmungs- reil, den Eindruck friedlichster Ruhe in der Natur und im Leben der Menschen gibt. Der Reichtum an Details und die abwechslungsreiche Stimmung der Töne erhält das Interesse rege und führt das Auge des Beschauers bis in die mit äusserster Zartheit angedeuteten Fernen des Hintergrundes. Nur in den grossen Schattenflächen, die er nicht zu bemeistern weiss, wirkt Hollars Technik öfters trocken und nüchtern; er hat deshalb die grossen Dimensionen fast immer wohlweislich vermieden. In der Staffage scheint er von Jan van de Velde, den er auch mehrfach kopiert hat, beeinrlusst, wie überhaupt seine Landschaften die Kenntnis der holländischen Meister voraussetzen.

Die Liebe des Naturfreundes und des Künstlers zur Detailbetrachtung führte Hollar auf seine vielbewundcrten Virtuosenstückchen in täuschender Wiedergabe der Gewandung, wie sie in seinen Trachtenbildcrn vorliegen, von Muscheln, Schmetterlingen und besonders von Pelzwerk. In den drei Katzcn- köpfen und in den Muffen täuscht seine feine Nadel die spröde Elastizität der einzelnen Haare, die glänzende Weichheit der zusammenliegenden Massen, die die Oberfläche bilden, mit der höchsten technischen Vollendung hervor. Als Meister der graphischen Kleinkunst ist Hollar nur von wenigen erreicht worden.

Wen/cl HulUr. Rheinlandschaft. farthey 701.

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DIE SCHABKUNST IN DEUTSCHLAND, IN DEN NIEDERLANDEN

UND IN ENGLAND.

IE Aufgabe, die die nordische Malerei des XVII. Jahr- hunderts dem reproduzierenden Künstler in technischer Hin- sicht stellte, lief im wesentlichen auf die Wiedergabe male- rischer Helldunkcltöne und weich vertriebener Farbcnübcr- gänge hinaus. Die breiten, tiefen und doch durchsichtigen Schattenflächen , und ihre Vcrmittelung mit den scharf ein- fallenden Lichtern, auf denen besonders die holländische Malerei der Zeit ihre Wirkungen gründete, auch in der Reproduktion zu erzielen, erfand ein scharfsinniger Deutscher in der Schabkunst ein neues praktisch und künstlerisch folgenreiches Verfahren. Die farbigen HclldunkclcfFekte, die Grab- stichel und Nadel nur mit grosstcr Mühe und mit höchster Kunst auf der hellen Platte zu erreichen vermochten, konnten durch diese Technik auf rein mechanischem Wege hervorgebracht werden, indem auf der glcichmässig aufgerauhten Platte die Lichter und Halbschatten nur durch mehr oder weniger starkes Glatten herausge- arbeitet zu werden brauchten. Die Technik entsprach durchaus der malerischen Tendenz der Zeit und wurde deshalb schnell beliebt und zu höchster Vollkommen- heit ausgebildet. Freilich sind es nicht die Landsleute des Erfinders gewesen, die die neue Technik künstlerisch zu entwickeln berufen waren. Sic haben das Fremden, den Holländern und vornehmlich den Engländern überlassen müssen.

Es ist kein Zufall, dass der Erfinder der Schabkunst Ludwig von Siegen nicht nur in Holland (in Utrecht 1609) geboren ist, sondern auch sich längere Zeit in Amsterdam aufgehalten hat. Nur die eingehende Kenntnis der holländischen Kunst, Rcmbrandtschcr Ideen konnte ihn auf seine Erfindung bringen. Ludwig erhielt seine Erziehung auf der Rittcrakadcmic zu Kassel, war dann als Kammerjunker und Offizier beim Landgrafen von Hessen und bei anderen Fürsten in Diensten. Er scheint von früh auf für alle künstlerischen Techniken ein lebhaftes Interesse besessen zu haben, aber erst bei seinem Aufenthalte in Amsterdam tritt er künstlerisch tätig aur. Im Jahre 1642 sendet er dem Land- grafen Wilhelm VI von Hessen mit einem noch erhaltenen Begleitschreiben den ersten in der neuen, von ihm erfundenen Technik ausgeführten Stich, das Bildnis der Mutter des Fürsten, der Landgräfin Amalie Elisabeth. Das Blatt

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zeigt schon eine ganz bedeutende Fertigkeit des Künstlers in der Handhabung seiner Werkzeuge und einen guten Erfolg seiner Bestrebungen. 1643 folgt das Bildnis der Elenora Gonzaga, der Gemahlin Kaiser Ferdinands HL, 1644 die Bildnisse Wilhelms von Oranien und seiner Gemahlin.

Neue Proben seiner Geschicklichkeit besitzen wir erst wieder aus dem Jahre 1654 in einem Bildnis Kaiser Ferdinands III. und in einer Darstellung des heiligen Bruno. Diese Stiche sind zum Teil nach Honthorst, zum Teil nach eigenen Zeichnungen des Künstlers hergestellt. Datiert ist dann nur noch die h. Familie nach Annibale Carracci von 1657; ein männliches Bildnis und ein h. Hieronymus tragen keine Jahreszahl. In den frühen Arbeiten Ludwigs von Siegen ist die Schabkunsttechnik noch sehr diskret verwendet, sie bildet nicht das alleinige Mittel der Formengebung, sondern ist noch mit Linienarbeit ver- bunden. Für die feineren Striche z. B. der Haare in der Amalie Elisabeth, in dem Spitzenkragen der Eleonora Gonzaga, im Hintergrunde der Bildnisse Wilhelms von Oranien und seiner Gattin und für andere Details ist noch der Stichel verwendet worden. Es handelt sich hier viel mehr um ein Hineinarbeiten der Schabkunst in die Schatten des auf hellem Grunde umrissenen Bildes als um ein Herausarbeiten der Lichter aus der Fläche. Er scheint also noch nicht die ganze Platte aufgerauht zu haben sondern nur die Schattenstellen, die er dann in das Licht hinein modellierte. Erst in seinen letzten Stichen von 1654 und 1657 sind die Platten vollständig aufgerauht und die ganze Zeichnung und Modellierung mit dem Schaber hergestellt.

Im Prinzip hat Siegen sein Verfahren also vollständig durchgeführt und die mit ihm erreichbaren malerischen Effekte klar angedeutet. Die künstlerischen Verdienste seiner Blätter sind nicht gering, können aber gegenüber der Be- deutung der Technik kaum in Betracht kommen. Siegen starb nach 1676.

Wie Ludwig von Siegen war auch der zweite Meister der Schabkunst kein berufsmässiger Künstler, sondern ein Mann des Schwertes, ein Talent auf den verschiedensten Gebieten der Technik. Prinz Rupprecht von der Pfalz, der Sohn des Winterkönigs, ist 1 6 1 9 in Prag geboren, in Holland erzogen, hat sich als Feldherrr und Admiral vornehmlich im Dienste der englischen Könige bewährt und ist auch in England 1682 gestorben. Um 1654 traf der Prinz in Brüssel mit Ludwig von Siegen zusammen, der dem eifrigen Kunst- dilettanten und Freunde sein bis dahin streng geheim gehaltenes Verfahren mit- teilte. Prinz Rupprecht hat mehr als zehn Blätter mit grossem Geschick und

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Verständnis ausgeführt, wenn aucJi ihr Ton etwas schwer und dick und un- ruhig ist. Die zart behandelten Platten nutzten sich so schnell ab, dass schon nach wenigen Abdrücken Unebenheiten und matte Stellen hervortraten. Prinz Rupprechts bestes Werk ist der Henker mit dem Haupte Johannis, der „grosse Henker", nach Ribera von 1638; aus demselben Jahre stammt ein Krieger nach einem Giorgione zugeschriebenen Gemälde, ein männliches Bildnis ist von 1Ö57, der „kleine Henker" von 1661 (s. Abb.), die Magdalena nach Merian und andere Blätter sind undatiert.

Ausser Prinz Rupprecht scheint um dieselbe Zeit noch ein dritter Kunst- liebhaber, der Mainzer Domherr Theodor Kaspar von Fürstenberg (1615 1675) mit Siegcns Erfindung bekannt geworden zu sein. Er hat schon 1656 ein Bildnis des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Oesterreich in Schabkunst ausgeführt. Hervorragend ist weder dies Bildnis noch das des Markgrafen Friedrich V. von Baden oder die Zingarella nach Cor- reggio und das Haupt des Täufers, aber er handhabt die Technik schon mit grosser Sicherheit. Fürstenbergs Schüler waren Johann Friedrich von Elz, Domprobst von Trier (163z 1686) und Johann Jacob Kramer, beide ohne Bedeutung. Auch der Wiener Hofmaler Johann Thomas von Ypern hat früh die Technik kennen gelernt und sich mit einem Bildnis Tizians darin versucht.

Nach und nach, wenn auch langsam, verbreitete sich die Schabkunst in Deutschland, sie wurde aber hier fast durchgehends mit abschreckender Hand- werksmässigkeit betrieben. Als Künstler verdienen nur sehr wenige von denen, die sich durch die Anfertigung von Bildnissen in dieser Manier ihr Brot zu verdienen suchten, Überhaupt eine Erwähnung. In Mainz arbeitete Jodocus Bickart (1600 167z), in Köln und Kassel Hermann Heinrich Quita, in Augsburg Georg Andreas Wolfgang (163 1 1716) und seine Söhne, Johann Friedrich Leonart (1^33 1680), Johann Georg Bodenehr (163 1 1704), Elias Christian Hciss (1660 1731); in Nürnberg Georg und Michael Fenitzcr, Samuel Biesendorf in Berlin (1670 170Ö), Constantin Friedrich Biesendorf (um 1675— 1754), Paul Multz, J. Alex Boen er usw. Interessanter als diese Porträtstiche sind die Schabkunstblättcr des Augsburger Schlachtenmalers Georg Philipp Rugendas (1666— 174z), der sogar ein übcrlcbensgrosscs Bildnis Kaiser Karls VL aus acht Platten in dieser Technik zusammenzusetzen unternahm. In

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den Arbeiten dieser Klinstier sind die Töne durchgehends hart und dick und die Wirkung trübe und fleckig, ohne Leuchtkraft und Lebendigkeit.

Im XVIII. Jahrhundert wird die Schabkunsttechnik auch in Deutschland

Vi'int Rupprechr »on der r'fal*. Der Kopf des Henken. Andresen 7. Ausschnitt.

wesentlich vervollkommnet. Doch können die Deutschen mit den Meistern in England nur selten in Vergleich gestellt werden, obwohl sie nun zum grossen Teil sich dort ausbildeten. In Wien war Jacob Männl (1605 1735)1 Antonjoseph v. P renn er(i 69 81761), JohannGott fr iedHaid(i7io

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bis 1776) mit anderen Mitgliedern seiner Familie, Johann Peter Pichlcr (1765 1806) und andere tätig. Der Mannheimer Hei nrich Sinzenich (1752 1812), der auch in Bartolozzischer Punktiermanier und in mehr- farbigem Stich sich versucht hat, war längere Zeit in London beschäftigt. Christoph \C'cigcl (1654 1725) und Bernhard Vogel (1^85 175«) waren in Nürnberg, Johann Jos. Frcidhoff (1 768 1818), der Gründer der chalkographischcn Gesellschaft in Dessau, in Berlin tätig.

Prin2 Rupprccht hatte zur Hülfe bei der Ausführung seiner Platten den niederländischen M ^ Maler und Stecher Wallerant

fl & Vaillant (1623 1677 Ant-

|^^^ t^^i- \% wk Kerpen) herangezogen, der so Ge-

legenheit fand, sich die Technik anzueignen. Er ist der erste bedeu- tendere berufsmässige Künstler, der sich ganz der Schabkunst wid- mete, in der er ein vortreffliches Mittel, seine Pastcllzeichnungen zu reproduzieren , gewann. Er hat über 200 Blätter nach eigenen r '^^^ /".^^m, M und fremden Vorlagen mit grosser \ J y Liebe und SorgLilt ausgeführt.

Bei ihm zuerst verliert die Arbeit den dilettantischen Charakter des Versuches. Die Formen sind sehr weich und fein durchgebildet, vor allem der Gesamtton glcichmässig und klar, wenn die Schatten auch noch oft etwas schwer wirken. Fr hat seine Blätter auch in braunen oder rötlichbraunen Tönen gedruckt. Besonders interessant sind von seinen Arbeiten einige Bildnisse seines Gönners, des Prinzen Rupprecht und seiner Kinder, die er beim Zeichnen und Lesen darstellt 's. Abb.V

Eine technische Verbesserung der Herstellung des granierten Grundes ver- dankt man Abraham Blootcl ing (Amsterdam 1634 bis nach 1687), der in der Schule Visschcrs und Suydcrhocfs als Stecher ausgebildet war und sich

Wallcram \ aillanl Bildnis seines Suhncs. Wessels i >"-

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citrig dein neuen Verfahren widmete. Er soll die Wiege (den Granicrstahl) erfunden haben, durch die man dem Grunde ein gleichmäßigeres und zarteres Korn zu geben imstande war. Blooteling hat eine Reihe von Jahren in England gelebt und dort Bildnisse nach Peter Lely in Schabkunst ausgeführt. Als sein bestes Werk gilt das Porträt des Duke of Monmouth. Blootelings Schüler war Jan Vcrkolje (Amsterdam 1650 1693) dessen Sohn Nicolas Vcrkoljc (1671 '7H°0 un^ PcterSchenk(i645 171 5). Künstlerisch bedeutender sind die 15 Schabkunstblättcr des Cornelis D usar t (16^5 1704). Er be- handelt hier volkstümlich humoristische Gegenstände im Geiste Ostadcs. Technisch zeigen seine Blätter einen grossen Fortschritt durch den helleren, an- genehmeren Ton, durch das lebendigere und beweglichere Spiel des Lichtes.

Mit Dusard muss Jacob Golc (Amsterdam 1660 bis um 1730) in Be- ziehung gestanden haben. Er hat von Dusart unvollendet gelassene Platten fertig gestellt und auch Blätter von ihm herausgegeben. Gole hat nur 3 7 gestochene Blätter, dagegen beinahe 400 geschabte Stiche angefertigt, ist also ganz berufsmässiger Schabkünstler gewesen, während Dusart in dieser Technik nur wenig gearbeitet hat. Gole ist, wohl 1688 mit dem Prinzen von Oranien, in England gewesen und hat eine Reihe englischer Persönlichkeiten porträtiert. Daneben hat er zahlreiche Genredarstcllungen nach Ostade, Teniers, Brouwer, Steen und anderen geschabt. Was er nach eigener Erfindung ausgeführt hat, besonders allegorische Szenen und Figuren in Modetracht, ist schwach gezeichnet. Seine Technik ist in ihren helleren Tonen der Dusarts verwandt. Schliesslich sind noch Jan van Somcr (um 1645 bis nach 1700) und Cornelis Troost (1697 1750), der humoristische Sittcnmaicr, der 10 Blätter in Schwarzkunst selber ausgeführt hat, zu nennen.

Ihre glänzendsten Triumphe hat die Schabkunst in England gefeiert, wo sie geradezu eine nationale Kunst geworden ist. Sie ist die einzige unter den graphischen Künsten, in der England wirklich bedeutende, von keiner anderen Nation erreichte Leistungen aufzuweisen hat, und in der es zu einer führenden und lehrenden Stellung gelangt ist. Man würde sich gewiss ver- führen lassen, aus dieser Tatsache allgemeine, für den englischen Kunstsinn wenig schmeichelhafte Folgerungen zu ziehen, wenn nicht die schnelle und erfolgreiche Entwickelung dieser Technik mit dem imponierenden Auf- schwung der englischen Malerei zusammenfiele. Nur im Gefolge der grossen englischen Maler, ausschliesslich als reproduzierende Kunst hat die Schab-

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tcchnik in England solche Bedeutung gewinnen können. Sic ist auch stets in ihren Diensten geblieben und hat es nie zu einer künstlerischen Selbständig- keit gebracht.

Die englische Malerei dieser Zeit verbindet in merkwürdiger Weise ein intensives Interesse am Gegenständlichen mit stärkstem Gefühl für das Malerische. Die Freude an der Linie, die besonders die italienische Renaissance beherrscht und die graphische Technik begünstigt hat, ist hier viel veniger stark ent- wickelt. Dem Stil der englischen Maler, der Van Dyck-Nachahmer Peter Lcly und Gottfried Kneller, wie der nationalen grossen Meister Gainsborough, Reynolds, Romney u. a. konnte die Schabkunst, die keine Linie sondern nur weiche, zarte, malerisch vertriebene Töne gibt, am ehesten Genüge tun.

John Evelyn verdankt die Kenntnis des Schabkunstverfahrens dem Prinzen Rupprecht selber, dessen „kleinen Henker" er sogar in seiner „Sculptura", einer Geschichte der Kupferstecherkunst (1661), veröffentlichen durfte. Auch William Sherwin, der iööo sein Bildnis König Karls IL, das erste datierte englische Schabkunstblatt, dem Prinzen widmete, scheint mit ihm in persön- licher Beziehung gestanden zu haben. Einen Aufschwung nahm die Schabkunst in England jedoch erst, nachdem einige holländische Meister wie Gerard Valk, Nicolas Verkolje und vor allem Abraham Blooteling längere Zeit hier ihre Geschicklichkeit gezeigt hatten. Schon einige Platten von Francis Place (1Ö47 1718) können, wie das Bildnis des Richard Tompson, zu den tüchtigeren Leistungen der Schabkunst gerechnet werden.

Einen bedeutenden Fortschritt bezeichnen die beiden Meister Isaac Beckett und John Smith. Isaac Beckett (1653 1719) ist der erste gewerbsmässige Mczzotintcr Englands. Seine Arbeiten sind aber noch recht hart und unaus- geglichen und besonders dürftig in der Zeichnung. Sie stehen ebenso wie die seiner Genossen R. Williams (tätig 1680 1700) und Robert White (1^45 '7°4) hinter denen des Hauptmeisters dieser Epoche, Becketts Schüler John Smith(i65z 1742) weit zurück. Smith hat sich besonders Gottfried Kneller angeschlossen, in dessen Hause er lebte, und nach dessen Bildnissen er nicht weniger als 138 Platten geschabt hat. In seinem Werke von gegen 400 Blättern nimmt das Bildnis die erste Stelle ein; er hat aber auch eine Reihe anderer Darstellungen z. B. Bilder Tizians reproduziert. Smith beherrscht die Form und zeichnet sich vor seinen Vorgängern dadurch aus, dass er dem Grunde schon einen glcichmässigen und zarten Ton zu geben und durch die Gcgen-

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Überstellung der Lichter und der sammetartigen Schatten glänzende Töne zu erzielen versteht. Seine Arbeiten sind aber sehr verschieden in der Qualität, die geschabten Bildnisse öfter noch von gestochenen Einfassungen umrahmt.

Neben Smith erscheinen auch seine Rivalen John Simon (um 1675 1751), der ebenfalls viel nach Knellcr arbeitete, und George "White (tätig 1 7 1 4 1 7 3 0 wesentlich schwächer. White versuchte die Zeichnung vor- zuradicren und die Augensterne mit dem Stichel zu vertiefen, hat aber durch diese dem Charakter der Schabkunst widersprechenden Notbehelfe den Ein- druck seiner Arbeiten nur geschädigt. Von Smith ist auch John Faber d. j. beeinflusst. Seine ungefähr 500 Platten sind höchst sorgfältig und gewissenhaft durchgearbeitet und vorzüglich in der Stoffbehandlung. Besonders berühmt sind seine Hampton-Court-beauties nach Kneller.

Auf diese Zeit der ersten berufsmässigen englischen Schabkünstler folgt die Periode der irischen Meister, die Zeit um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts, in der es merkwürdiger Weise fast ausschliesslich Irländcr sind, die die Schab- kunst mit Erfolg pflegen und fördern. Der bedeutendste von ihnen, der erste und beste Interpret der Kunst Johsua Reynolds' ist James Mac Ardeil (Dublin 1729 17Ö5 London). Seine ersten Platten nach Reynolds, die Bildnisse des Earl und der Countess of Kildare, gab er 1754 neraus* Er hat auc^ nacn Hudson, Reynolds' Lehrer und nach Gainsborough , Van Dyck, Rcmbrandt, Murillo und anderen Meutern Schabkunstblätter ausgeführt. Seine Kunst, die mit der Blüte der englischen Malerei zusammenfallt, bezeichnet einen Höhe- punkt in der Entwickclung der Schabtechnik. Das Korn seiner Platten ist noch fest und deutlich, aber doch von der grössten Geschlossenheit und Weichheit des Tones und die Ucbergänge von vollendeter Zartheit. In der maassvollcn Feinheit der Auffassung und in der Eleganz der Zeichnung wird er kaum von einem anderen Meister seiner Kunst übcrtrofFcn (s. Abb.).

Mac Ardclls Mitschüler Richard Houston (geb. in Dublin um 1721) und Richard Purccll (geb. in Dublin, tätig etwa 1755— 1765), die sich sogar viel mit dem Kopieren von gesuchten Blättern abgeben mussten, sind weniger bedeutend. Vorzüglicher sind die Arbeiten von Edward Fisher (Irland 1730, tätig 1758 1 7 8 1 ), einem Schüler oder Nachahmer Mac Ardclls. Besonders berühmt ist sein Blatt, Garrick zwischen Tragödie und Komödie nach Reynolds. Auf gleicher Höhe stehen die Leistungen dreier anderer irischer Künstler, des John Dixon (um 1765), von dem „Garrick als Richard III"

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besonders bekannt ist, dann des James Watson (um 1740 bis um 1790), von dem 200 Blätter, darunter 60 nach Reynolds aufgeführt werden, endlich die des Thomas Frye (Dublin 17 10), der nur venige Blätter in den letzten Jahren seines Lebens, 1760 1762, mit grosser Meisterschaft ausgeführt hat.

Die letzten Jahrzehnte des XVIII. Jahrhunderts bezeichnet man gern als die „grosse Periode" der Schabkunst. Einer eigentlichen Entwickclung, das heisst einer Erweiterung und freien Umgestaltung der formbildcnden Elemente zu neuen Ausdrucksmitteln, war diese Kunst ihrer Natur nach nicht fähig. Das System war mit der Erfindung ein für alle mal gegeben und Hess nur eine Ver- vollkommnung in sich, nur eine Steigerung, keine Veränderung seiner künst- lerischen Wirkungen zu. Die Granicrung konnte feiner und dichter hergestellt, die Gegensätze von Licht und Schatten verstärkt, die Uebergänge noch zarter gemacht werden ; man konnte mit dem Schaber den Pinselstrichcn folgen, und endlich auch durch den warmen bräunlichschwarzen oder heller rötlichbraunen Ton der Druckerfarbe den Abdruck der Wirkung des Originalgcmäldes noch mehr zu nähern versuchen. Es sind wesentlich solche Finessen der Technik, solche Raffinements in der Wiedergabe des Stofflichen, durch die die neue Generation der englischen Schabkünstler die künstlerische Meisterschaft ihrer Vorgänger zu überbieten vermag. Man sucht nun z. B. den Eindruck der Aquarellmalerei, deren lichte, vertriebene Farben dem englischen Geschmack ausserordentlich zusagten, durch Flüssigkeit und Leichtigkeit der Töne und der technischen Behandlung nachzuahmen. Die malerische Prätension der Schab- kunst stellt gerade bei der Reproduktion von Gemälden, die sie sich fast ausschliesslich zu Vorbildern wählt, an das Feingefühl des Künstlers, an seine Sicherheit in der Abschätzung der Farbenwerte die höchsten Anforderungen. In der Tat haben die besten Blätter in guten frühen Abdrücken, die den sammet- artigen Glanz der Tiefen und alle Feinheiten der hellen Schatten in voller Frische bewahrt haben, eine im höchsten Grade malerisch dekorative Wirkung und rechtfertigen die hohe Schätzung, die solche Drucke besonders in England gemessen. Die Individualitäten der einzelnen Künstler sind sehr schwer zu bestimmen und kaum mit wenigen Worten zu charakterisieren. Wir können uns hier mit einer kurzen Aufzählung der bedeutendsten begnügen.

John Watt (tätig 1770 1786) kann mit seinem vorzüglichen Bildnis des Giuseppe Baretti nach Reynolds an erster Stelle genannt werden. William Pether ist besonders als Interpret Rcmbrandts und des Joseph Wright geschätzt.

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James Mac Ardcll nach Reynultls. Bildnis der I ady Llizjberh Moniaguc. Ausschnitt. W«IMJ verkleinert.

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Zu den bekanntesten englischen Schabkönstlern gehören Valentine Green (1739—1813), unter dessen etwa 400 Platten Frauengestalten und das Garrick- bildnis nach Gainsborough besonders gerühmt werden, und Richard Earlom (1743 1822), der sich durch die Nachbildung von Claude Lorrains „Uber Veritatis" besonders verdient gemacht hat. Earloms glänzendste Leistungen sind jedoch seine Landschaften nach Hobbema, die BlumenstUcke und Stillleben nach Huysum, De Hecm und Snydcrs. Vor anderen vortrefflichen Künstlern wie Thomas Watson, William Dickinson (1746 18x3), Robert Dunkarton (1744 1811), dem vorzüglichen Tierdarsteller JohnMurphy (tätig 1780 1809), Greens Schüler James Walker, John Jones (1745 1 7S>7)» <*em Kindcrdarsteller John Dean, William Daughty, Charles Turner, William Ward soll nur noch John Raphael Smith (Derby 1732—1802) hervorgehoben werden. Er kann wohl als der glänzendste Techniker der Schabkumt angesehen werden. Keiner beherrscht so vollkommen die Mittel dieser Kunst, keiner weiss mit aller Natürlichkeit und Kraft der Formen , mit der grössten Brillanz der Farbentöne eine solche zarte Dichtigkeit der Schatten zu verbinden. Smith kommt ohne Frage dem Ideal, das den englischen Schabkünstlern vorschwebte, nicht nur technisch, sondern auch in der reizvoll anmutigen Auffassung seiner Vorlagen am nächsten. Wie andere Meister der Schabkunst hat auch Smith einzelne Platten mit ver- schiedenen Farben gedruckt und damit die zartesten, pastell- oder aquarell- artigen Töne, oft einen fast hauchartigen Farbenauftrag hervorzubringen gewusst, allerdings nicht immer ohne geschickte Benutzung des Pinsels.

Im XIX. Jahrhundert hält sich die Kunst des Mezzotinto nicht mehr auf gleicher Höhe, obwohl es weder an lebhaftestem Interesse von seiten des Publi- kums noch an tüchtigen Künstlern mangelt. Smith's Schüler JohnYoung, Ch. Howard Hodges, William Ward, Morlands Schwager und der eifrigste Stecher seiner Gemälde, James Ward, William Say, Samuel Cousins und viele andere setzen die gute Tradition fort, können aber den Verfall nicht aufhalten. Die Mischung der Schabtechnik mit Actzung, Stichel, Rouletten- und Punzenarbeit und dann auch die Verwendung von Stahlplatten, durch die man eine grössere Anzahl von Abdrücken erzielen konnte, haben sehr ungünstig auf die künstlerische Behandlung dieser Technik eingewirkt und ihren Uebergang zu mehr handwerksmässigem Betriebe gefördert.

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DAS ACHTZEHNTE JAHRHUNDERT

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Hicrrc-Hhilippe Ohoffard. Vignette aus ü»idi Mctamurphosen. J'arii 1769

DER KUPFERSTICH IN FRANKREICH.

AS XVIII. Jahrhundert könnte man wohl das französische Jahrhundert nennen, so vollkommen beherrscht Frankreich das geistige wie das künstlerische Leben dieser Zeit. Es übt sein Regiment mit Milde und mit heiterer Grazie aus. Auf die Zeit des Strebens und des Erwerbens war in Frankreich die Zeit des Geniessens gefolgt. Die anerkannte Macht brauchte nicht mehr wie die aufstrebende sich mit steifem Pomp zu umgeben und sich überall den Zwang grosser Posen und ernster Mienen aufzuerlegen. Die echt französische Heiterkeit und Lebenslust, die sich immer in anmutigen Formen hält, kommt erst jetzt, nachdem man sich im Zeitalter Ludwigs XIV. an der hochtragischen Darstellung der grossen Momente der Sage und Geschichte genüge getan hatte, auch in der Kunst zu ihrem Rechte. Statt Ehre und Macht werden Lust und Freude die Ideale dieser Zeit. Aus der Solennität der grossen Staatsaktionen führt die Kunst in die Intimität des Privat- lebens, der hochtönenden Rhetorik der grossen Gelegenheiten zieht sie nun den

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graziösen Plauderton des Salons vor. Sie schildert die „Gesellschaft", die sich jetzt zur zentralen Macht entwickelt, zunächst, bis zur Revolution, aber nur ihre glänzenden Formen und den äusseren Schein ihres Lebens.

Nur was froh und sonnig, was schön und festlich ist, nimmt der Künstler aus der Wirklichkeit mit sich in das neue Reich der Freude, das sich seine

Phantasie aus der alten Fabel und aus der neuen Poesie und Komödie luftig zusammenbaut. Die französische Malerei des XVIII. Jahrhunderts ist, auch als dekorative Kunst, im wesentlichen eine poetische Illustrationskunst, sie nährt sich von den poetischen Vorstellungen der Dichtungen, die ihrem Geschmacke zusagen. Auch unter den Reproduktionen der Gemälde fehlt fast nie die poetische Paraphrase des Inhaltes.

Schnell und freudig folgen die Graphiker den Malern in das neue Gebiet, das sie bald fast ganz in Besitz nehmen. So ganz entspricht dieser heiter wort- reiche Erzählerton dem Stil der vervielfältigenden Künste, dass die Maler selber zu Graphikern werden, und ihre Werke, auch wenn sie ursprünglich als Ge- mälde ausgeführt worden sind , oft doch eher als Illustrationsstiche erfunden zu sein scheinen. Die neue Illustrationsmalerei schafft einen neuen Stil der Kupferstichreproduktion, der sich unter ihrem Einfluss aus der vorzüglich durch- gebildeten Grabstichcltcchnik des XVII. Jahrhunderts entwickelt, aber der Ra- dierung einen bedeutenden Anteil an der Arbeit einräumt.

Die lineare Grabstichelkunst, die sich vornehmlich im Porträtstich betätigt, bleibt als solche von dieser Umwandelung fast unberührt. Sie setzt ihre Arbeit im neuen Jahrhundert unbeirrt fort und bildet den Linienstich zur höchsten technischen Virtuosität aus. Paris wird nun die hohe Schule der Kupfer- stecherkunst, der Mittelpunkt des ganzen europäischen Kunstbetriebes und Kunsthandels. In erster Reihe ist es die Familie der Drevet, aus der die führenden Meister der Grabstichelkunst hervorgehen. Pierre Drevet (iö6j 1738) ist ein Schüler Germain und Gerard Audrans, er schliesst sich aber technisch viel mehr an Nanteuil an. Wie seine ganze Schule arbeitet er ausschliesslich mit dem Grabstichel, den er mit der höchsten Sicherheit und Exaktheit führt. Die glänzende Technik seiner Vorgänger vermag er zu den erstaunlichsten malerischen Effekten zu steigern. Besonders in der Darstellung des Stofflichen weiss er der Linie die grösste Ausdrucksfähigkeit abzugewinnen. Die Weichheit des Fleisches, die Wolligkeit der gepuderten Perrücke, die Bieg- samkeit der feinen Leinenstoffe und -spitzen, den starren Glanz der Brokat-

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Stickerei, schillernde Seidenstorfe und weiche, tieffarbige Sammctgcwändcr täuscht er durch eine unendliche Mannigfaltigkeit von Linien formungen und -Verbindungen dem Beschauer vor. Freilich schadet die Vordringlichkeit der kostbaren, überreich drapierten Gewandung, der ganze Pomp der Inszenierung dem Ausdrucke der geistigen Persönlichkeit der Dargestellten. Drevet folgt hierin aber nur seinen Vorbildern. Hyacinthe Rigaud und Nicolas de Lar- gillicre, nach deren Gemälden er und seine Schüler hauptsächlich gestochen

P eirc Imbcrt Drevet. Bildnis der Herzogin von Orleans.

haben, sind die bedeutendsten und charakteristischsten Vertreter dieser Richtung der französischen Porträtkunst, die mehr auf die theatralische Wirkung der Er- scheinung, auf die vertriebene Malweise und auf reiche Ausgestaltung der Umgebung als auf eindringende Charakteristik bedacht ist. Das Bildnis des Robert de Cottc nach Rigaud, das des Jean Forest nach Largilliere und das des Ministers Colbert gehören zu Drevcts vorzüglichsten Arbeiten.

Pierre Imbcrt Drevet, Picrres Sohn (Paris 1697—1739) steht seinem Vater an Meisterschaft keineswegs nach. Sein Bildnis Bossucts in ganzer Figur

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nach Rigaud (1723) gilt als eines der Hauptmeisterstücke französischer Stecher- kunst. Kaum veniger vollendet sind die Bildnisse des Kardinals Dubois, der Adrienne Lecouvrcur nach Coypel oder die Blätter kleinen Formates, wie die ausserordentlich zarte Darstellung des Bischofs Fressan vor der Madonna knieend ( 1 7 1 8) und das Brustbild der Herzogin von Orleans (s. Abb.}. Pierres Neffe Claude Drevet (170 5 1 78 1) arbeitet in derselben Weise <oric sein Oheim und sein Vetter, wenn auch nicht mit der gleichen Meisterschaft, Francois Chcreau (1680 1729), ein Schüler Gerard Audrans, Louis Desplaces (1682 173 p) und andere verfolgen die gleichen Bestrebungen.

Unter den zahlreichen Schülern der Drevet steht Jean Daulle (1703 1763) obenan. Sein Stich nach Rigauds Selbstbildnis (1741) ist seiner Meister würdig. Er hat ausser anderen Bildnissen, wie denen Mariettes, Maupcrtuis' und J. B. Rousseaus auch Gemälde von Mctsu, Tenicrs, Boucher u. a. gestochen. Jacques Cherau (1664 1776), Francois' Bruder, Nicolas Dupuis, Nicolas de Lärme $s in (1684 1755), Bernard L ep icic (1699 175 5) und sein Schüler Jean-Joseph Balechou (1719 1764)5 Daullcs Schüler Jacques- Firmin Beauvarlet (173 1 1797) sind ebenfalls vorzügliche Künstler dieser Richtung. Sie verfallen aber, wo sie nicht durch ihre malerischen Vorbilder zu einer freieren, farbigeren Behandlung und zur Verwendung der Radierung angeregt werden, schon mehr oder weniger stark in eine metallische Glatte der Modellierung und in eine unmalerische, akademisch gebundene Linienführung.

Nur durch die Verkleinerung des Maassstabes der Darstellung und der Linienbildungen haben einzelne Künstler mit dieser auf das feinste detaillierenden und die Töne zart verschmelzenden Technik kleine Bildnisstiche von ganz miniaturartiger Wirkung auszuführen verstanden. Schon im XVI. Jahrhundert hatten z. B. die Wierix in kleinen Bildnissen (s. Abb. S. 319) mit der leuch- tenden und vertriebenen Malerei der Miniaturen zu wetteifern gesucht, und auch F. J. Drevet hat einige kleine Stiche in feinster Arbeit ausgeführt. Nun wird aber diese Gattung des gestochenen Miniaturportrats geradezu als eine Spezialität ausgebildet. Der geschickteste dieser Miniaturstecher ist Etienne Ficquet (1719 1794), dcr in «inen besten Arbeiten, wie dem Lafontaine (s. Abb.), Corneille, Fenclon, J. B. Rousseau, den Aquarell- und Tuschtönen ähnliche Effekte durch enge Grabstichelarbeit von mikroskopischer Feinheit erzielt. „Ein Actzstrich wäre hier wie ein Wollfaden im feinsten Scidengewebe."

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Von ähnlicher Vorxüglichkeit sind eimelnc der gelungensten Werke von Pierre Savart, Charles Etienne Gaucher und Louis Jacques Cathclin. Auch Noel Lc Mire und Augustin de St. Aubin haben einige kleine Bild- nisse in diesem Miniaturstil gestochen. Der Kunstdilcttant Jean Bapt. Grateloup hat dann die zart verschmolzenen Tuschtöne dieser Bildnisse, aber nicht ihre kraftvoll plastische und farbige Wirkung mit Hilfe der Lavismanier leichter zu Wege gebracht. Man suchte den miniaturartigen Eindruck solcher Bildnisse oft dadurch noch zu steigern, dass man sie mit ornamentalen und figür- lichen Umrahmungen in freier, heller Radierung umgab.

Auf der schiefen Ebene technischer Einseitigkeit hat Georg Wille (Giesscn 1715 bis 1807 Paris), der sich in Paris ausgebildet hat und dort stän- dig tätig gewesen ist, einen verhängnisvollen Schritt weiter getan. Die tadellose Exakt- heit und Sauberkeit seiner Zeichnung und Modellierung, die höchste Regelmässigkeit in der Anordnung und Ausführung der Taillen, sein grosses Geschick in der Wiedergabe der Lichtrcrlexe auf den [einzelnen Gegenständen haben ihm die enthusiastische Bewunderung seiner Zeitgenossen eingetragen. Er ist der be- rühmteste und gesuchteste Lehrer der Grabstichelkunst gewesen, aber durch die einseitig technische Ausbildung seiner zahlreichen französischen und aus- ländischen Schüler an dem bald eintretenden Verfall der Kupferstechkunst mit-

i nenne K

icqiiet.

BiMnit Lafontaines. Faucheux 61

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schuldig geworden. Der systematischen Gleichmäßigkeit der Strichbildung wird die Lebendigkeit der Form geopfert und durch den Schematismus der Taillenföhrung, die Acquidistanz der Linien, allem Raffinement zum Trotz eine trockene, metallische Wirkung hervorgebracht. Wille hat mit Vorliebe Ge- mälde von Netscher, Mieris, Dow und Terburg gestochen, deren äusserst glatte und vertriebene, stoffhachahmende Malweise seinen stecherischen Neigungen am meisten entgegenkam. Auch von Chr. W. £. Dietrich hat er eine Reihe von Bildern reproduziert. Zu seinen vorzüglichsten Arbeiten gehören seine Bildnisse, z, B. das grösste von den dreien, die er von Friedrich dem Grossen nach Antoine Pesne gestochen hat, und das der Marguerite Elisabeth de Largilliere.

Die französischen Grabstichclkünstler der Willeschen Richtung, selbst seine persönlichen Schüler, verstehen eigentlich meist noch eher als der Meister, den malerischen Anforderungen ihrer Vorlagen gerecht zu werden und das Netz der regelmässigen Taillen weniger störend hervortreten zu lassen. Jean Massards (1749 i8zz) Arbeiten, z. B. sein „zerbrochener Krug*' nach Greuze und sein Bildnis des Nicolas de Livry nach Toque, erinnern in ihrer weicheren, freieren Behandlung mehr an die älteren Meister, wie Drevet. Auch Willes vorzüglichster SchOler Charles Clement Bervic (eigentlich Balvay) ( 1 756 1 8z 2) sucht wenigstens die Hintergründe durch belebtere und mannig- faltigere Strichführung malerischer und kontrastreicher auszugestalten. Seine Flcischbehandlung ist dagegen ganz linear, oft fast unerträglich kalligraphisch trocken. Ein Beispiel dieses Gegensatzes in der Behandlung der Figuren und der Gründe bietet die „Unschuld" nach Merimee. Einheitlicher, aber auch schematischer führt er seine prächtigen Bildnisse durch, unter denen besonders das grosse von Ludwig XVI. in ganzer Figur nach Callet hervorragt.

Es ist charakteristisch, dass sich die Stecher dieser Richtung wieder der Reproduktion der antiken und der klassischen Renaissancewerke, besonders Ramtels, zuwenden. Bervic sticht z. B. die Laokoongruppe und Ramtels Johannes den Täufer. Die Betonung der Linie erleichtert die Rückkehr zum antikisierenden Klassizismus, zu dem die Strömung um die Wende des Jahrhunderts führte, und der nun lange herrschend bleibt. Zu Bcrvics Schülern gehören unter anderen der Correggiostecher Paolo Toschi aus Parma, J. B. Raphael Urbin Massard, Jeans Sohn (1775- 1849). Will es Schüler Pierre Alexandre Tardieu (1756 1844) und dessen Schüler Auguste Bouchcr-Desnoycrs (1779 1857), der besonders durch sein Bildnis

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Napoleons nach Gerard bekannt geworden ist, mögen die Reihe dieser Klassi- zisten des Grabstichels schliessen.

Es sind nur venige unter der grossen Schar der französischen Kupferstecher dieser Zeit, die der strengen klassischen Grabstichelkunst ganz treu bleiben und die Tradition aufrecht erhalten. Die Mehrzahl lenkt, manche wenigstens in einem Teile ihrer Werke, von der alten HeerstrasSe des akademischen Klassi- zismus in die anmutigen und lauschigen Lustpfade der Modemalerei ein, der die Zukunft zu gehören schien, und die jedenfalls den Beifall der Mitwelt in reichstem Masse genoss. Der Geist der Zeit und ihre Wünsche finden in der Tat auch nicht in den antikisierenden Allegorien und in den repräsentativen Porträts der Akademiker ihren Ausdruck sondern vielmehr in den „fetes galantes", den erotischen Schäferszenen ohne bestimmten Inhalt und in der leichten, graziösen Ornamentik der Boudoirkünstler. Die leichtfertigen, übermütigen Einfälle des Rokoko vertreiben die schwerfälligen, ernst abgewogenen Gedanken des Barock.

Antoine Watteau ist der erste, der der Lebenslust und Sinnenfreude der französischen Gesellschaft die künstlerische Rechtfertigung gibt. Obwohl nicht Franzose von Geburt er ist 1684 in Valenciennes geboren und 1721 bei Paris gestorben obwohl selber körperlich schwächlich und melancholischen Geblüts, trifft er doch wie kein zweiter den echt französischen Ton erotischen Getändels, der hors d'oeuvre der Liebe. Er giesst Uber seine Darstellungen aus dem Leben der vornehmen Gesellschaft den verklärenden Schimmer der Poesie. Nicht wie die Akademiker lässt er die Menschen als antike Götter oder Göttinnen erscheinen ; halb wirklich, halb idealisiert in Tracht und Wesen bewegen sie sich als Schäfer und Schäferinnen in ungezwungenem Liebesverkehr, in selbstvergcsscndcm Wohlgefühl in arkadischen Gefilden. Es sind Wirklich- keiten, oft sogar bestimmte Szenen aus Komödien, die er darstellt, aber so ver- woben mit poetischen Vorstellungen, so durchleuchtet von Sonnenlicht, so voll heiterer Ruhe in der Natur, dass der flüchtige Augenblick wie im Märchen als der erträumte Zustand dauernder Glückseligkeit erscheint. Es ist die Stimmung des „chanson d'amour", die im Gegensatz zum epischen oder tragischen Charakter der akademischen Kunst hier vorherrscht. Die vornehme, ritterliche Zurück- haltung, die seine Herren und Damen in der Hirten- oder Theaterverkleidung auch im intimen Verkehr im Freien bewahren, scheint sein in Wirklichkeit zur Enthaltsamkeit wenig geneigtes Publikum besonders entzückt zu haben.

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Wunderbar weiss Watteau die grazilen Formen seiner Gestalten, die kokett leichten Geländer, ihre hellen, schimmernden Farbentöne und vor allem die lichterfüllte, duftige Landschaft für die poetische Stimmung zu verwerten. Auch die kleinen Dimensionen der Bilder und der Figuren entsprechen ganz dem graziös spielenden Charakter seiner Kunst. Watteau ist in seiner Auffassung und besonders in Malweise und Kolorit sehr stark durch die vlämischen Meister, vor allem durch Rubens, «becinflusst. In Paris war sein Lehrer der Theater- dekorationsmaler Claude Gillot, der uns nur noch durch eine Reihe von Radierungen bekannt ist. Später ist der intime Verkehr mit Kunstkennern und Lebenskünstlern wie Mariette, Crozat, Caylus, Gersaint und seinem treuesten Freunde und Verehrer Julicnnc für seine Kunst von Bedeutung geworden.

Die graziöse, galante Kunst Wätteaus, die schon durch den Reiz des Gegen- ständlichen und durch ihren Erfolg zur graphischen Nachbildung einlud, forderte vom Kupferstich ganz neue Raffinements in der Zeichnung und in der Kon- trasticrung der Tonwerte. Wie weit Watteau selber unmittelbar bei der Re- produktion seiner Werke beteiligt gewesen sei, ist schwer zu bestimmen. Er hat mehrere Modefiguren und einige grössere Darstellungen, wie die „troupe italienne" radiert, die dann von Stechern wie Simoneau oder Thomassin mit dem Grabstichel retuschiert wurden. Sie sind, wenn auch als Arbeit mit dem weichen Fluss der leicht schwingenden Linien und ihrem hellen Ton geistvoll und originell, doch för die Ausbildung des Wattcaustils im Kupferstich offenbar weniger bedeutungsvoll als seine Feder- und Stiftzeichnungen und als die un- mittelbar hinreissende Wirkung seiner Gemälde. Die Herausgabe der Stiche nach seinen Werken in einer Sammlung von 795 Blättern der besten Künstler besorgte Juliennc erst nach des Meisters Tode 1734.

Die ersten Watteaustecher, wie Bcnoit II Audran, Gerards Neffe (1700 1771), Nicolas Henri Tardieu (1674 »749)» Louis Dcs- places (1681 1739), Henri Simon Thomassin fils (1688 »741) gehen von Gcrard Audrans Technik aus, dessen direkte Schüler sie zum Teil sind. Sie suchen nun aber der klaren, regelmässigen Linienführung Gerard Audrans eine grössere Freiheit, mehr Reichtum an Tönen und Accenten zu geben. Sie beschränken sich wesentlich auf die freie, in Flecken von einfachen und gekreuzten Lagen schattierende Radierung und retuschieren mit dem Stichel nur die tiefen Schatten und die ganz zarten Uebergänge. Die hellen, nur durch Punkte zart modellierten Fleischtönc, die unruhig flimmernden Lichtstreifen auf

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Nicolai Henri Tardicu nach Watteau. Die Einschiffung nach Csthera. Ausschnitt.

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den Gewändern, die duftig durchsichtigen Schatten der Landschaft bilden einen feinen hcllsilbrigen Gesamtton mit reizvollen Schattenkontrasten, der der lichten und zarten, nervös accentuierenden Farbengebung Watteaus oft ausserordentlich nahe zu kommen vermag. Die Vorliebe för ganz helle, leuchtende Farben, für blau, rosa und, besonders in der Innendekoration, für weiss mit Gold bestimmt den koloristischen Charakter der französischen Kunst seit Watteau. Alle Stoffe sind hell und bunt geblümt, selbst Haar und Gesicht werden weiss gepudert. Auch der Kupferstich folgt diesem Streben nach hellen, glitzernden Tönen.

Die Geschicklichkeit der Stecher, die sich vorher meist mit der Wiedergabe von Gemälden alter italienischer Meister, Le Bruns und Coypels beschäftigt hatten, sich in den leichten, malerischen Stil Watteaus einzuleben, ist be- wunderungswürdig. Man sieht wohl, dass ihre Neigungen sie zu den neuen Idealen hinzogen. Besonders vorzügliche Werke sind Tardieus Stiche „die Einschiffung nach Cythcra" (Goncourt i z 8, s. Abb.), Watteau und Juliennc im Walde (G. 14), die „Champs-Elisces" (G. 1 1 6) und andere oder Bcnoit Audrans „amusements champetres" (G. 104), „dansc paysane" (G. 125), „lenchanteur" (G. 130), „Mezetin" (G. 8d), „Finette" (G. 83). Pierre Aveline (1697 bis 1760), der die nackten Figuren fast ausschliesslich mit Punkten modelliert, hat unter anderem das berühmte Ladenschild Gersaints (G. 95) und die „charmes de la vie" (G. 117) in glänzender Technik wiedergegeben. Laurent Cars (170z 1771) benutzt in seiner „escorte d'cquipages" (G. 56) den Grabstichel fast nur noch, um auf die hellen Töne der Aetzung fein pointierende Drucker, wie sie in Watteaus Zeichnungen charakteristisch sind, aufzusetzen.

Andere, meist schwächere Stecher bleiben, besonders in grösseren Figuren, noch bei dem alten Dorignyschen und Audranschcn System der weiten, ge- bogenen und gekreuzten Taillen, die hier fast immer tot wirken, stehen. Jean Michel Liotard (1702 1760) aus Genf, der in Venedig nach Sebastiano Ricci gestochen hat, benutzt in seinen „comediens francais" (G. 64), in seiner „conversation" (G. 123) und in anderen Blättern mit Vorliebe Effekte der Rubensschen Technik, während sein Bruder, der Pastellmaler Jean Etienne Liotard (1702 1789) in dem komischen Bilde „le chat malade" (G. 93) eine besonders freie und breite, flockige Radiertechnik mit Glück verwendet. Vorzügliche Reproduktionen Watteauscher Gemälde sind unter anderen die „comediens italiens" (G. 68), „l'amour paisible" (G. 102), „Paccord parfait" (G. 97) von Bernard Baron (um 1700— 1766), ,,1'ile de Cythere" (G. 140)

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und „l'accordee de village" (G. 98) von Nicolas Larmcssin fils (1684 1755), die „lecon d'amour" (G. 144) und ,,1'occupation selon Tage" (G, 8 z) von Charles Dupuis (1685 '74*). Antoine de la Roque (G. 17) von Bernard Lepicie (1698 175?)» »^indifferent" (G. 94) und „les plaisirs du bal" (G.155) von Louis Gerard Scotin (1690 bis nach 174$).

Die Blätter Jean Moyreaus (1691 1761), der vornehmlich als Stecher nach Wöuwermans berühmt ist, zeichnen sich vor denen aller anderen Künstler dieser Gruppe durch einen farbig tiefen und reichen Ton aus, so z. B. das Bildnis des Musiken J. B. Rebcl (G. 16). Auch Jacques Philippe Lebas (1707 1785) scheint seinen Stil nach Niederländern, wie Tcnicrs und Wöuwermans gebildet zu haben. Seine Stiche nach Watteaus Gemälden, wie die „assemblec galante" (G. 108), Ja game d'amour" (G. 136), die „ile en- chantec" (G. 139) wirken, bei aller Vortrefflichkeit durch die Häufung der Effekte etwas zu unruhig glitzernd und fast fleckig. Ausser einigen Gemälden wie „l'amour au theatre francais" (G. 113) hat Charles-Nicolas Cochin d. ä. auch eine Anzahl von Skizzen Watteaus aus dem Soldaten* und Theater- leben fein und geistreich wiedergegeben. Solche Zeichnungen des Meisters sind auch von anderen Künstlern, vor allem von Fran^ois Boucher, von Pierre Huquier, dem besonders die „panneaux", von M i chel A über t, dem die chine- sischen Figuren von Julicnne aufgetragen wurden, dann auch von Liebhabern, wie dem Grafen Caylus, mit Liebe und Verständnis nachgebildet worden.

Die eigenartige malerische Ausbildung, die die Watteaustecher durch den Einfluss des Meisters empfangen, kommt natürlich auch anderen älteren und modernen Malern, in erster Linie Watteaus Schülern und Nachahmern zugute. Die Gemälde Lancrets, Paters und anderer werden im allgemeinen von den- selben Stechern und in derselben feinfühligen Weise reproduziert, wie die Werke Watteaus. Neben den erotisch-arkadischen Schilderungen aus der vor- nehmen Gesellschaft kommt nun auch die meist nicht weniger erotische Genre- darstellung aus dem gewöhnlichen Leben der niederen Stände in Aufnahme. Die hauptsächlichsten Vertreter dieser Richtung, Jean Simon Chardin und Jean Baptistc Greuze, der in Jean-Jacques Flipart (1 7 19— 1 78z) seinen vorzüg- lichsten Interpreten fand, liefern den Stechern eine Fülle von Vorbildern. Einen anderen Anziehungspunkt für den französischen Reproduktionsstich bilden die Landschaften Claude- Joseph Verncts, deren Wiedergabc sich unter anderen be- sonders Jean-Jacques Aliamet (1726— 1788) angelegen sein licss.

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Unter den selbständigen peintres-graveurs, die sich um Watteau gruppieren, schliesst sich Francois Boucher (1703 1770) als Radierer am engsten an den Meister an. In seiner Jugend hat er viel radiert, mit flotter, leichter, stark accentuierender Nadel, zum Teil nach eigenen Erfindungen, wie die „figures chinoises", den „Zeichner", Kindergruppen (s. Abb.) und andere Studien, im ganzen 44 Blätter. Den grössten Teil seiner Stiche, IZ5 von den 182. von ihm bekannten Arbeiten, hat er aber nach Watteau ausgeführt, und zwar waren es fast ausschliesslich die Zeichnungen nach der Natur, die er im Auftrage Juliennes für das grosse oeuvre des Meisters zu reproduzieren hatte. Besonders interessant und anziehend ist seine Radierung nach Watteaus Selbstbildnis (G. 1 2). Die Strichführung des Malers ist hier mit grosser Exaktheit und doch mit freier Leichtigkeit wiedergegeben. Watteaus Zeichenmanier mit ihrer un- bestimmten, beweglichen Umrissführung, der weichlichen Formengebung und den nervösen, sprunghaft in die hellen Töne gesetzten Druckern überträgt er auch auf seine selbständigen Radierungen. Natürlich führt er, der unendlich leicht schaffende Meister der koquetten, sensuellen Boudoirdekoration, die Nadel viel kühner und energischer, weniger stecherisch bedachtsam als irgend einer der Watteaustecher, aber zu einem eigenen Radierstil hat er seine Technik nicht entwickelt. Er wirkt viel mehr durch seinen malerischen Stil, durch seine ober- flächlich-gefälligen, sinnlich reizenden Formen und durch den Reichtum seiner Kompositionen, die von den Stechern in ausgiebigster Weise benutzt werden. Als Maler ist er für sein Jahrhundert fast noch charakteristischer als Watteau, viel sinnlicher, aber unendlich weniger poetisch.

Wie Boucher selber in seiner späteren Zeit als vielbeschäftigter Mode- künstler, haben auch die anderen Maler sich nur selten mit der Radierung be- fasst und die Reproduktion ihrer Bilder und auch ihrer Zeichnungen fast immer berufsmässigen Malern überlassen. Ausser Boucher ist es nur Honorc Frago- nard (1732 1806), dessen Radierwerk neben seinen Gemälden eine selb- ständige Bedeutung besitzt. Fragonard ist ein Schüler Bouchers gewesen, die Anregung zum Radieren hat er aber nicht von seinen berühmten französischen Vorgängern empfangen, sondern in Italien durch Giovan Battista Tiepolo. Nach Gemälden dieses Meisten, nach Tintoretto, Sebastiano Ricci, Anibalc Carracci und Lanfranco hat er um 1764 in Venedig und anderwärts leichte, aber äusserst feine und stilgetreue Skizzen mit der Nadel ausgeführt. In mehreren dieser Blättchen ist die Nachahmung der Technik Tiepolos ganz deutlich zu erkennen.

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Eigenartiger und noch viel zarter ist Fragonards Technik in anderen Blättern, wie besonders in den vier Satyrszenen, die er schon zur Zeit seiner ersten italienischen Reise (1759 6 1), als er für Saint-Nons grosses Werk über Neapel und Sizilien Antiken zeichnete, radiert haben soll. Die reizend graziösen Darstellungen sind wie Basreliefs behandelt. Von dichtem, wirrem Buschwerk umgeben erscheinen sie wie antike Fundstückc, die eben vom Forscher entdeckt worden sind. Wie in Boccaccios antikisierenden Gedichten ist auch hier die

Honofc hragonard. Die beiden Frauen iu Pferde. Baudicour s

antike Vorstellung durch die ganze Frische modernen Nachempfindens lebendig gemacht. Die Formen sind mit entzückender Feinheit von unendlich zarten Linien umrissen und ganz locker mit kurzen Strichelchcn modelliert, durchsichtig und glänzend wie aus edlem Gestein geschnittene Gameen.

Andere Radierungen sind kräftiger und breiter behandelt wie die Frauen zu Pferde (s. Abb.) und der berühmte „armoire", der im Schranke entdeckte Liebhaber, (von 1778). Im ganzen hat Fragonard 10 Blätter nach eigenen Er- findungen radiert. Die leicht und duftig in hellen Farben gemalten Bilder des

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„peintre des courtisancs", voll Geist und sinnlicher Lebenslust und seine zahl- reichen Zeichnungen sind im Wetteifer von den besten Stechern reproduziert vorden. Vor allen hat sich der Abbe Richard de Saint-Non (1717—1791) durch seine Radierungen und Aquatintablätter nach Fragonard ausgezeichnet. Er ist der liebenswürdigste Typus des talentvollen Kunstfreundes, ein Kunst- enthusiast, der sein ganzes Vermögen für seine prächtigen und geschmackvollen Publikationen opfert. Für sein „voyage pittoresque ou description des royaumes de Naples et de Sicile" (1778 1786) lässt er Zeichnungen von den besten Künstlern, wie Fragonard, anfertigen und sie von Stechern, wie Choffard, Guttenberg, Berthanet, St. Aubin, Duplessi-Bertaux und anderen unter eigener Mitarbeit ausführen. In seinem „rccueil de griffonis" (177 1 1773) hat er auf Z94 Tafeln Ansichten von Rom und Umgebung, Skizzen nach der Antike und nach berühmten Gemälden älterer Meister, nach Zeichnungen von Le Prince, Fragonard und Hubert Robert mit grösstem Geschick wiedergegeben (s. Abb.). Seine Radiertechnik ist der Fragonards nahe verwandt, auch er hat Tiepolo eifrig studiert, aber doch eine eigene feine und reizvolle Manier sich zu bilden gewusst. Die Wirkung seiner zart und leicht radierten Blätter ist echt fran- zösisch pikant und unruhig, aber sehr reich an feinen Details und Farbeneffekten. Wenn Saint-Non auch nur wenig nach eigenen Zeichnungen radiert hat, so nähert sich sein Stil doch so sehr dem der peintres-graveurs, dass er unter ihnen genannt werden darf.

Von den Malern der Richtung Watteaus und Bouchcrs sind als Radierer noch Michel Barthelemy Ollivier (171z 1784), Pierre Lelu (1741 bis 181 o), von dem 7 5 Radierungen, 1 9 nach italienischen Meistern, die übrigen nach eigenen Kompositionen, Bacchanale, Ballettszcnen in Bouchers Art und historische Allegorien, bekannt sind, und besonders JeanBaptiste Greuze (1725 1805), der nur z Blätter selber radiert hat, hervorzuheben. Bouchers Mitschüler Charles Hutin (1705 1776) und Charles Natoire (1700 bis 1778) haben ebenfalls gelegentlich einige Blätter geätzt. Umfangreicher ist das Werk von Natoires Schüler Jean Baptiste Marie Pierre (171 3 1789), der 40 Blätter, besonders römische Volkstypen und Brunnen mit Nymphen und Najaden ausgeführt hat. Charles Parrocel (1688 1732), sein Schüler Francis Casanova (1727 oder 1730—1802 oder 1805) und sein Enkcl- schüler Philippe Jacques Loutherbourg (1740 1811) pflegen im An- schluss an Courtois das Gebiet der Schlachtendarstellung. Loutherbourg hat

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sich auch als Maler und Radierer von Tieren ausgezeichnet. Als Maler ist auch Ignace Duvivier (1758 1 8 3 2) ein Schiller Casanovas, in seinen 42 Blättern hat er dagegen nur Landschaften im Geschmacke SaJvator Rosas, wohl im An- schluss an Lourherbourg, dargestellt. Jagdbilder, Vichstlicke und andere länd- liche Szenen wähJcn Jean Bapt. Oudry (168Ö 1755) und Jean Louis de Marne 1754 l^z?) zum Gegenstande ihrer Schilderungen.

Richard de Saini-Non. nach l.c l'rincc. Landschaft.

Der Radierung wissen alle diese Maler keine neuen Reize, ja meist über- haupt keine künstlerischen Wirkungen abzugewinnen. Auch die römischen Landschaften, die Adricn Manglard (1695 1760) mit kräftigen, lang- gezogenen Strichen radiert hat, entbehren der Feinheit und der Lebendigkeit der Formen und Tünc. Interessanter und frischer sind die beiden radierten Skizzen von Manglards berühmtem Schüler Josephe Vernet (1714 1789}, dessen Gemälde sehr viel nachgebildet wurden. Die eine ist in leichter, feiner

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Aetzung, die andere, Fischer am Meeresufer, mit breiten, freien Strichen wie eine Federzeichnung durchgeführt. Höchst ansprechend sind endlich die idealisierten römischen Ansichten des geschmackvollen Architekturmalcrs und Gartenkünstlers Hubert Robert (1733 bis 1808).

Neben den echt französischen, poetischen Schilderern des Lebens und der Natur von Watteau bis Greuze treten die Akademiker der klassizistischen Richtung, die offiziell, aber auch nur offiziell, immer herrschend bleibt, jedoch erst wieder nach der Revolution Bedeutung gewinnt, für uns stark in den Hinter- grund. Als Radierer können sie jedenfalls mit ihren gelegentlichen Arbeiten, die wohl meist der Anregung und dem Vorbilde der Italiener ihren Ursprung verdanken, keinen Anspruch auf höhere Schätzung erheben. Wir kennen mehr oder weniger zahlreiche Radierungen z. B. von Pierre Subleyras (1609 1740), von Charles Antoine Coypel (1694— 1752), von Carle Vanloo (1705 1765), von Pierre Ignace Parroccl (170z »775), Louis Josephe de Lorrain (1715 17Ö0), Josephe Marie Vien (1716 1809), dem Lehrer und Vorgänger Davids, von Jean Jacques Lagrenee (1740 182 1) und seinem Schüler Jean Francois Pierre Pcyron (1744 1 * ' 5)*

Zu einer eigenen kleinen Gruppe schliessen sich bei dieser Ueberschau einige Maler und Dilettanten im besten Sinne des Wortes zusammen, die in der Radierung archaisierende Tendenzen verfolgen und etwas abseits von den Haupt- strömungen des Klassizismus und der Modekunst bleiben. Jean Pierre Norblin (1745— 1830) hat sich in seinen Radierungen das Studium Rem- brandtscher Technik zur Aufgabe gemacht. Seine künstlerische Vereinsamung in Warschau, wo er 30 Jahre als Maler und Leiter einer Kunstschule tätig war, hat ihm wohl diesen Weg gewiesen. Er kopiert Rembrandtsche oder ihm zu- geschriebene Gemälde und Kompositionen des Rembrandtnadnahmers Dietrich in einer Technik, die sich wenigstens in den äusseren Zügen der des grossen Holländers nähert. Er führt seine feine Nadel mit grossem Geschick und erzielt trotz der Weichlichkeit im Fluss der Linien, besonders in den von ihm bevor- zugten ganz kleinen Figuren oft eine sehr gute Wirkung.

Mehr auf die Nachahmung der malerischen Helldunkeleffekte Rembrandts vermittels einer der Schabkunst ähnlichen Behandlung geht Henri Claude Watelet (17 1 8 1786) aus. Seine unsystematische, übermässige Verwendung der gratbildendcn Schneidenadel und die Schwäche seiner Zeichnung verraten den Dilettanten. Seine Nachahmungen nach Rembrandt, z. B. die nach dem

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Bürgermeister Six mit seinem Selbstbildnis, und besonders seine Radierungen nach eigenen Erfindungen sind aber nicht ohne Reiz. Er hat auch Zeichnungen von Berchem, Boucher, Greuzc, hübsche Bildnisse nach Cochin zum Teil in Aquatinta reproduziert und nach Entwürfen seines Freundes Pierre einige Folgen von Vasen sehr fein radiert. Ausser einem „essai sur les jardins" und einem „dictionnaire des bcaux-arts" hat er ein Lehrgedicht ,,1'art de peindre" (1760) verfasst und mit Vignetten nach Le Prince verziert.

Den Eindruck eines Liebhabers mehr als den eines berufsmässigen Künstlers macht auch Jean Jacques de Boissieu (1736 18 10). Er stammte aus einer vornehmen Lyoner Familie und kam erst spät nach Paris, vo er sich besonders Willes Leitung anvertraute. Als Maler hat er sich nur sehr venig betätigt, dagegen schon früh als Zeichner einen ziemlich grossen Ruf erworben. In seinen etwa 140 Radierungen bewahrt er eine gewisse provinzielle Unabhängigkeit von der herrschenden französischen Technik. Er scheint vornehmlich die niederländischen Meister studiert zu haben. Radierungen und Zeichnungen von Ruisdael, Dujardin, Berchem, Van Dyck, Teniers und anderen hat er mit grosser Sorgfalt nachgestochen. Seine Landschaften, An- sichten aus Frankreich und Italien, wie die „vues de Lyon" (1760 61) und das Grabmai der Caecilia Metella bei Rom sind ganz zeichnerisch in klarer, scharfer Radierung behandelt, höchst rein und sorgfältig, aber ohne Schwung und Stimmung. Lebendiger, wenn auch etwas kleinlich, mehr spitz als fein gezeichnet, sind seine charaktervollen Bildnis- und Srudicnköpfc. In einzelnen grösseren Genreszenen, wie den Weinküfern oder der Dorfschule, geht er mehr auf breite, malerische Helldunkcltöne der Innenräume aus. Er sucht diese Wirkungen durch die Schattierung grösserer Flächen mit der Roulette zu steigern. Boissieus Vorzüge und sein künstlerischer Ernst bieten im ganzen keinen genügenden Ersatz für den Mangel an französischer Grazie und Elastizität.

An Callot erinnern die sveltcn Figuren, die Jean Dup lessi-Bertaux (1747 1813) geschickt in grossen Massen zu gruppieren oder einzeln in charakteristischen Attitüden darzustellen weiss. Die „suites d'ouvriers, de militaires", „cris de marchands", Bettlergcstalten und Theaterszenen, die in dem „recueil de 100 sujets de divers genres" (18 14) vereinigt sind, und besonders die grossen militärischen Aktionen auf weiten Flächen sind ganz in Callots Art gedacht und mit grösster Delikatesse, in sehr feiner, die einzelne Schattenlinie scharf betonender Technik ausgeführt. Duplessi-Bertaux ist einer der besten

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Schilderer der französischen Revolution, besonders in seinen „tableaux historiques de la revolution", und den „campagnes cn Italic".

Die hervorragende Rolle, die in dieser Zeit in Frankreich Kunstliebhaber und Dilettanten durch ihre Arbeiten wie durch ihre persönlichen Beziehungen zu den Künstlern spielen, ist schon mehrfach angedeutet worden. Die lebhafte Teilnahme so weiter Kreise für die graphische Technik zeigt deutlich, wie tief künstlerisches Empfinden und Freude am Kunstgenuss und an der Kunstübung damals im Leben der gebildeten Franzosen Wurzel gefasst hatten. Wir sehen das ja auch an dem Geschmack und dem Kunstsinn, mit dem alles, was jenen Menschen dienen und sie umgeben sollte, gestaltet war. Aus der grossen Zahl der zum Teil recht tüchtigen Dilettanten der Radierung, zu denen auch die Marquisc de Pompadour, Bouchers Schülerin, gehörte, seien nur noch zwei der bedeutendsten und cinflussreichsten hervorgehoben. Die Tätigkeit des Anne Claude-Philippe de Tubieres, Comte de Caylus (1692 1764) hat hauptsächlich kunstgeschichtliches Interesse. Seine Beziehungen zu dem grossen Sammler Crozat und zu Charles Coypcl, dem Verwalter der Zeichnungssammlung des Königs, führten ihn auf das Studium dieser Gattung von Kunstwerken. Mit grossem Fleiss und fast ebenso grossem Verständnis hat er eine gewaltige Anzahl von Zeichnungen mit der Radiernadel wiedergegeben. Die vollständige Sammlung seiner Arbeiten, die er der Bibliothek des Königs vermachte, enthält mit allen Varianten nicht weniger als 3 zoo Blatt. Caylus hat ausser Zeichnungen älterer italienischer Meister auch zahlreiche Werke seiner zeitgenössischen Lands- leutc mit Geschick faksimiliert, besonders, wie schon erwähnt, Watteaus Skizzen für das von Juliennc herausgegebene Werk. Er hat in der „histoire de Joseph" aber auch zehn Studien von Rembrandt vervielfältigt. In Mariettes „traite des pierres gravecs" (1750) und in dem siebenbändigen „recueil d'antiquites egyptiens, etrusques, grecques et romains" (175z 67) hat er die Radierungen nach Zeichnungen von Bouchardon ausgeführt«

Ein ganz anderer Typus als der ernst wissenschaftliche und fleissige Caylus ist der elegante und frivole Diplomat Dominique-Vivant Denon (1747 bis 18z 5). Bis zur Revolution lebte er in Italien und vergnügte sich, be- sonders die Damen der Gesellschaft zu porträtieren, Zeichnungen und Gemälde alter Meister zu reproduzieren, Genreszenen und Karikaturen zu radieren. Den Machthabern der Revolution suchte er sich durch historische Darstellungen, wie den „serment du jeu de paume" nach David und die „costumes rcpublicains"

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zu empfehlen. Unter Napoleon endlich wurde er Direktor des neugebildeten „Musee Napoleon". Sein lebhaftes, feines Talent hatte er unter der Leitung von Boucher und Halle und in ihrem Sinne glücklich entwickelt und besonders in der leichten, oft karikierenden Bildnisskizze eine grosse Fertigkeit erlangt. Von seiner grossen technischen Gewandtheit und Vielseitigkeit legen seine zum Teil umfangreichen Reproduktionsstiche Zeugnis ab. Am interessantesten sind seine Genredarstellungen, meist Gelegenheitsbilder von intimer Bedeutung, wie das „dejeuner de Ferncy" und das humoristische „lever du philosophe dcFcrney". Die „ritratti dei piü celebri pittori dipinti da loro stessi esistenti nella Gallcria di Firenzc" hat er selber gestochen, für die „monuments des arts du dessin" (Paris 1829) sind die Abbildungen nur unter seiner Leitung, zum grössten Teil schon in Lithographie hergestellt worden.

Die streng lineare Grabstichelkunst vertritt die offizielle Monumentalität; die Stecher der Watteauschule reproduzieren die Modekunst der Salons und Boudoirs ; das reiche und vielgestaltige Bild der französischen Graphik des XVIII. Jahrhunderts wird nun vervollständigt durch die Buchillustration, die Kunst der Intimität, die nicht für die Schaustellung, sondern ganz für den individuellen Genuss des Einzelnen bestimmt ist. Der Charakter der fran- zösischen Buchillustration des XVIII. Jahrhunderts wird nicht in erster Linie durch den Inhalt der zu illustrierenden Werke, die meist schon viel älteren Ur- sprungs waren, bestimmt, sondern mehr als sonst durch die Anschauungen und den Geschmack der Leser. Die Künstler sind hier nur dienende Geister, ganz vom Publikum und seinen Launen abhängig. Eine grosse, monumentale Kunst haben die neuen Ideen, die eine so gewaltige Umwälzung hervorbringen sollten, nicht geschaffen, aber die zerfallende Gesellschaft des alten Regime hat in einer Kleinkunst von verfeinertem Geschmack der Nachwelt noch ein feenhaftes Bild ihres ganz dem Genüsse gewidmeten Lebens hinterlassen. Es spiegelt sich nirgends so klar und vollständig wie in den Werken der Illustratoren ihrer Lieblingsschriftsteller und ihrer eigenen poetischen Vorstellungen.

Seit den Zeiten der italienischen Frührenaissance gelingt es jetzt zum ersten Mal wieder, dem gedruckten Buche eine im höchsten Sinne künstlerische Form zu geben, den Druck des Textes mit dem Schmuck und den Illustrationen harmonisch zu verbinden. Das Papier und seine Abmessungen, die Form der Typen und die Anordnung des Satzes werden mit grösstem Geschick und

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feinstem Geschmack den in den Satz oder zwischen die Blätter eingefügten Kupferstichen angepasst. Die zwischen den Text gedruckten Vignetten sind immer leicht und duftig nur in Radierung ausgeführt, während die Vollbilder durch Ueberarbeitung mit dem Grabstichel kräftiger und farbiger gehalten sind. Der ganz gestochene oder mit einer Vignette verzierte Titel, das Bildnis des Autors, die Verzierungen am Anfange der Kapitel, die „en-tetes" und die „culs-de-lampe" am Schlüsse der Absätze weiss man gegenständlich und in den Formen mit dem Texte zu einer reichen und einheitlichen Wirkung zu verbinden. Mehrfach ist man in diesem Streben so weit gegangen, sogar den ganzen Text in Kupfer zu stechen.

Man sieht, dass hier fast mehr das Buch um die Illustrationen herum gedruckt wird, als dass es von ihnen nur geschmückt und illustriert wird. So sind tatsäch- lich öfter Bilderreihen zu bestimmten Werken der Literatur ohne den Text als selbständige Folgen veröffentlicht worden, die dann erst später von ihren Be- sitzern in gedruckte Ausgaben des Buches eingefügt wurden. Die Beliebtheit der Illustration war so gross, dass der Erfolg eines Werkes sehr oft mehr von den Kupferstichen als von dem Inhalte des Buches abhing. Die Ausschmückung der Bücher wurde so zu einer buchhändlerischen Notwendigkeit und zu einer Frage von höchster Wichtigkeit für den Autor. Die Schriftsteller, besonders die berühmten oder reichen, gewinnen damit einen starken Einfluss auf die Illustratoren. Ein Mann wie Restif de la Bretonnc hat seinem Illustrator Binet oft fast die Hand geführt und dessen Arbeit nach eigenem Geschmack verbessert.

Durch die starke Nachfrage bildet sich die Buchillustration zu einer Spe- zialität aus. Es sind allerdings auch viele der obengenannten Künstler, die nach Gemälden gestochen haben, für die Illustration tätig, besonders als ausrührende Stecher, die vorzüglichsten Meister beschränken sich aber fast ausschliesslich auf dieses Gebiet. Fast alle sind ursprünglich Stecher oder technisch gebildet, die geistvollsten werden aber durch ihr Talent und durch Ueberhäurung mit Arbeit bald dazu veranlasst, sich auf die Anfertigung der Zeichnungen zu beschränken und die stecherische Ausführung anderen zu überlassen. Da die Zeichner also meist selber berufsmässige Stecher sind und unmittelbar für den Stich zeichnen, so ist das Verhältnis des Stechers zum erfindenden Künstler hier ein ganz anderes als da, wo es sich um die Reproduktion von Gemälden und anderen monumen- talen Kunstwerken handelt. Es kann sich unter diesen günstigen Bedingungen ein ganz einziges, vollkommenes Zusammenarbeiten der Zeichner mit den Stechern

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entwickeln. Die einzelnen Stecher lernen so vortrefflich sich dem Stil der Vorzeichnungen anzupassen, dass die von verschiedenen Technikern ausgeführten Illustrationen eines Zeichners eine ganz einheitliche Reihe bilden. Es wäre ohne die Bezeichnungen meist sehr schwer, die Arbeiten der einzelnen Stecher aus- einanderzuhalten. Die Unterschiede bestehen fast immer nur in der Qualität der Ausfuhrung. Die Eigenart des Zeichnen tritt gerade durch diese vorzügliche Wiedergabe bis in alle Details sehr stark hervor. Das gibt den französischen Illustrationen dieser Zeit einen besonderen Reiz und einen hohen künstlerischen Wert vor allen ähnlichen Unternehmungen anderer Zeiten und Länder. Die Kenner und Liebhaber Zeit haben hierfür das richtige Verständnis gezeigt, in- dem sie die Originalzeichnungen der Illustratoren mit Eifer und mit Auf- wendung hoher Summen gesammelt und in ihren Exemplaren der Bücher den Stichen beigefügt haben.

Die Betrachtung der einzelnen Arbeiten hat deshalb auch in diesem Falle ausnahmsweise nicht den Stechern, sondern den Zeichnern zu folgen. Aus Watteaus und Bouchers Stil entwickelt sich die ganze französische Buchillu- stration dieser Zeit. Eine Reihe der Künstler, die nur als Techniker an den Buchillustrationen beteiligt sind, haben wir schon als Interpreten Watteaus kennen gelernt. Die Namen Benoit Audrans, Laurent Cars', Jacques Philippe Lebas', Tardieus, Avelines, Scotins, Lepicies und anderer Watteaustecher finden wir sehr häufig unter den Buchillustrationen wieder, für die sie ihren Stil mit grossem Geschick und feinem Gefühl zu verniedlichen und zu glätten verstehen. Aus Lebas* trefflicher Schule gehen die meisten Stecher der jüngeren Generation hervor, ausser den Meistern, die wir als Zeichner näher zu betrachten haben werden, Techniker ersten Ranges wie Le Mirc, De Longeuil, De Launay, Poncc, De Ghendt, Masquelicr, Aliamet, Cathelin, Helman und andere mehr.

Ihre Technik besteht in einer sehr glücklichen Verbindung von Radierung mit zarter Grabstichelarbeit. Die freie Leichtigkeit der Radierung wissen sie auch bei der zierlichsten und schärfsten Durchbildung der Details mit dem Grabstichel meisterhaft zu bewahren und den Ton des Ganzen wundervoll ein- heitlich und doch farbig pikant abzustimmen. Die Meisterschaft der besten Stecher beruht, abgesehen von der Schärfe und Exaktheit der Zeichnung und der Sicherheit der Strichführung , in der malerischen Ausnutzung des hellen Papiertones, von dem sie bei der Bildung der Töne augenscheinlich ausgehen, im Gegensatze zu den Grabstichelmcistcrn, die die ganze Fläche mit einem Netze

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gleichmässiger Linien überspinnen. Fleischtöne Verden nur ganz leicht mit feinen Punkten modelliert, die Stoffe wirkungsvoll durch schärfere Gegensätze charakterisiert und belebt, immer so, dass das Licht tiberall vorherrscht. Die Formen in den Halbschatten der Hintergründe sind ohne Umrisse nur mit feinen, langen Schraffierungen duftig angedeutet. Die Taillengruppen sind in sich sehr regelmässig und sorgfältig gebildet, um die zarte Glätte zu bewahren, aber von grösstcr Mannigfaltigkeit und ganz frei gegencinandergestellt, so dass der Stichel den Formen bis in alle Einzelheiten accentuierend folgen kann.

Leicht und gern Ubersieht man in dieser entzückenden Entfaltung von Sonnenlicht und Lebenslust, wie bei einem liebenswürdigen Menschen, die Schwächen dieser Kunst. Sie hat neben enthusiastischen Bewunderern schon unter den Zeitgenossen herbe Tadler gefunden. Wir werden an diese anmutigen, heiteren Schöpfungen leichtlebiger Künstler nicht den Maassstab der Monu- mentalität legen wollen, uns durch den Mangel an Logik und Individualisierung in der Darstellung und in der Formenbildung nicht die Freude an der sorglosen Heiterkeit und Grazie dieser lebens- und liebeslustigen Menschen nicht trüben lassen. Wo sie nicht ernst oder gar pathetisch zu werden brauchen, sind sie immer unterhaltend und natürlich, immer geschmackvoll auch da, wo sie im Liebesverkehr über die Grenzen des Erlaubten hinausgehen. Vor allem aber liegt eine Fülle von feinen, humorvollen Beobachtungen der Menschen und ihrer Gewohnheiten in diesen kleinen Bildchen, der Reiz frisch pulsierenden Lebens und der Freude am Lebensgenuss.

Gegenüber den früheren, zumeist recht schwerfälligen und dürftigen Arbeiten , die der Kupferstich als Nachfolger des fast ganz aus der Mode ge- kommenen Holzschnittes hervorgebracht hatte, ist die französische Buchillu- stration des XVIIL Jahrhunderts eine ihrem Wesen nach neue Kunst. Claude Gillot (1673 172z), der schon oben gerühmte Lehrer und Vorläufer Watteaus kann als ihr ältester Vertreter angesehen werden. Seit Callot ist er der erste, der wieder einmal frisch in das Menschenleben hineingreift. Seine Anregung empfängt er vom Theater und dem Bühnenleben. Die „scenes comi- ques", die „scenes tragiques", die „nouveaux dessins d'habillcments ä l'usage des balets" hat er von Huquier, Scotin und Joullain stechen lassen, auch Caylus hat einige seiner Zeichnungen radiert. Sieben Bilder zu Boilcaus Werken (171?) sind von Scotin und Duflos ausgeführt. Eine Reihe höchst frei und leicht ge- zeichneter Ornamententwürfc für Klavierdeckcl und für Hochfüllungen hat er

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zum Teil selber mit grosser Frische gestochen. Gillots Hauptwerk sind aber die Bilder zu den Fabeln des La Motte (17 19). Besonders die von ihm selber radierten Darstellungen (s. Abb.) sind in ihrer heiteren Unbefangenheit, ihrem familiären Ton, in ihrer unlinearen, durch Flecken von Licht und Schatten prickelnd wirkenden Manier durchaus eine Neuheit. Statt der präzisen Scharre des Callotstils, der noch über Le Clcrc hinaus bis auf Bernard Picart nachwirkt, oder der wcitlinigen, matten Technik der Audranschule, die sonst die Illustration beherrscht, begegnet uns hier zum ersten Male die reizvoll unsystematische

Claude GiJlot. Aut La Motto Fablrs nouvelle*. Paris 1719.

Tonbchandlung der Watteauschulc in der Buchillustration. Gillots Figuren und seine Technik sind oft so ganz Watteauisch, dass man fast auf den Gedanken kommen könnte, er habe diese neue Art der Formcngcbung und Belichtung erst seinem talentvollen Schiller abgesehen. Gillot soll auch erst nach seiner Trennung von 'Watteau sich dem Kupferstich ganz gewidmet haben. Seine Bacchanale stehen in ihrer trockenen, linear flachen Technik jedenfalls zu den pikanten Fabclbildcrn in einem merkwürdigen Gegensätze. Ist Watteau aber, wie man gewöhnlich annimmt, wirklich nur der Empfangende gewesen, dann hat ihm allerdings sein Lehrer viel vorweggenommen.

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Für die Fabeln des La Motte haben ausser Gillot noch einige andere Künstler Illustrationen geliefert, unter denen Coypcl und Picart eine besondere Erwähnung verdienen. Die Bilder Charles Antoine Coypels (1694 1751) sind entschieden viel unmoderner und akademischer als die Gillots, so- wohl die für die Fabeln als auch seine 24 Szenen aus. dem Don Quixottc, die mit Hinzufügung einiger Kompositionen von Boucher, Picart, Cochin und anderen (1723 I7I4) herausgegeben wurden. Coypcl hatte die Darstellungen vorher im Schlosse zu Compiegne als Gemälde ausgeführt, sie sind also eigent- lich nicht mit Rücksicht auf den bestimmten Zweck komponiert. Darauf beruht aber gerade der Reiz der späteren französischen Illustrationen seit Gillot. Nach Coypels Zeichnungen wurden dann noch einige Szenen aus Molieres Lustspielen ftlr die Ausgabe von 1726 und Bilder zu Fenelons Telemaque 1 750 von Stechern der Watteauschule gestochen. Coypel hat auch sonst noch manches einzelne, Titel, en-tetes und dergleichen für Bücher gezeichnet, unter anderem aus Ge- fälligkeit für Moncrifs „chats" (1727) humorvolle Figuren, die von Caylus radiert wurden. Er hat auch seinem Schüler, dem Prinzen Philipp von Orleans bei seinen Illustrationen zu Longus' Daphnis und Chloe ( 1 7 1 8) , die ebenfalls von Caylus ausgeführt wurden, helfend zur Seite gestanden.

Bernard Picart (1673 173 3 der hauptsächlich in Amsterdam tätig war und dort zahlreiche Schüler gebildet hat, behauptet mehr durch die Masse seiner Illustrationen, die er zum Teil selber sehr glatt und sauber gestochen hat, als durch ihre künstlerische Qualität seinen Platz unter den berühmten Illustratoren. Er bleibt der trockenen Manier seines Lehrers Sebastian Le Clcrc treu und vermag sich nur selten in den leichten, zierlichen Stil des Rokoko hinein zu finden. Doch hat er häufig an der Seite der besten Meister an vorzüglichen Werken mitarbeiten dürfen. Von den Künstlern der älteren Generation hat nur der schon erwähnte Tiermaler Jean Baptiste Oudry (1Ö8Ö 1755) in seinen Figuren zu Lafontaines Fabeln, die 1719 34 gezeichnet, aber erst 1755 59 gestochen und herausgegeben wurden, und in seiner „suitc de figures pour le roman comique de Scarron" Arbeiten von bleibendem Werte geschaffen.

In den Kreis der eigentlichen Vertreter der Rokoko-Buchausstattung uns einzuführen, ist kein Künstler so berufen wie Fran£ois Boucher, der mit seinem kecken Pinsel und mit seiner noch indiskreteren Feder alle Geheimnisse weiblicher Reize im freien Spiel ihrer Kräfte mit Lust in tausend Wendungen dargestellt hat. Als Radierer haben wir den vielseitigen und lebhaften Künstler

schon kennen gelernt. Zeichnungen für Bücher fertigte er nur gelegentlich, nebenbei wie eigentlich alles was er schafft. Trotz ihrem Mangel an individueller Formdurchbildung, trotz ihrer Manieriertheit gehören Bouchers Arbeiten künstlerisch doch zu den bedeutendsten dieser Gattung. Die Eigenart seines leichtschaffenden Talentes triumphiert auch hier Uber die Meister der Routine und Finesse und wirkt typbildend auf seine Mitarbeiter und Nachfolger. In seinem Hauptwerke, den 33 Bildern zu Molieres Werken (1734), die Laurent Cars in hellem, duftigem Ton meisterhaft gestochen hat, ist er noch zu sehr Maler. Die Dimensionen der Bilder und der Figuren sind zu gross und für Illustrationen zu bildmässig schwer, als Kompositionen sind sie aber höchst geistreich und belustigend. Dem Miniaturstil der Buchillustration lernt er jedoch schnell sich anpassen. An der berühmten Bilderfolge zu Lafontaines Contes, der sogenannten „suite de Larmessin", der die stecherische Ausführung leitete, hat er neben Lancret, Pater, Eisen, Vleughcls und anderen mitgearbeitet und auch für den Boccaccio von 1757 und für eine Reihe anderer Werke einige Zeichnungen, Titelblätter, fleurons und auch Textbilder geliefert. Besonders hervorragend ist sein Anteil an den Illustrationen der bekannten Ausgabe von Ovids Metamorphosen von 1767 71. Unter den Bildern, an denen die ersten unter den Illustratoren von Beruf wie Eisen, Gravelot, Moreau und andere be- teiligt sind, bewahren seine Kompositionen allein malerischen Charakter und Individualitat. Seinen Stil mit den elastischen Druckern, die plastische Freiheit der schwellenden Formen des Nackten, die voluptuöse Koketterie ihrer Be- wegungen bringen Stecher wie Augustin de St. Aubin und Lc Mire trefflich zur Geltung.

Von Bouchers oberflächlicher aber effektvoller Zeichenmanier haben die geschickten Illustratoren alle zu lernen gewusst, am meisten sein Schüler Hubert Fran^ois Gravclot (1Ö99 1773), der ^Jahrelang in England tätig gewesen ist (17 31 47). Er ist der erste Meister der Vignette, der leichten Schlussverzierung (cul-de-lampe), in der er geistreich durch Gegen- stände oder Puttengruppen auf den Inhalt des vorhergehenden Abschnittes an- zuspielen weiss. Sein Hauptwerk sind die zum grössten Teil von ihm her- rührenden Illustrationen und Vignetten zu Boccaccios Decamerone (1757s. Abb.), die von den besten Stechern wie Aliamet, Flipart, Le Mire, St. Aubin und Tardieu ausgeführt wurden. Sic sind ganz in Watteaus Manier mit reizender Frische und Anmut wie aquarellierte Federzeichnungen ausgearbeitet. Von den

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zahlreichen anderen Arbeiten Gravelots seien nur einige aufgeführt. In Eng- land entstanden die Bilder zu Shakespeare (1744 46), schon in Paris die zu Fieldings Tom Jones (1750) und zum Tcrcnz (1753). Nach dem Boccaccio die Illustrationen zu Rousscaus Nouvelle Heloise (1 76 1), zum Corneille (1764), zu Marmontcls Contes moraux (1 765), zu Voltaire (1768) und zu Tassos Jerusalem delivree /'1771).

Als Stecher begann Charles Nicolas Cochin (1735 1760), der jüngste Spross einer alten Kupfer- stecherfamilie, ein Schüler Lc Bas', seine Laufbahn; erst später wurde er durch Uebcrhäufung mit Arbeit und durch Gesundheitsrücksichten gezwungen, sich auf die Zeichnung zu beschränken. Cochin, der auch schriftstellerisch sehr gewandt war, ist einer der feinsten und geistvollsten Künstler dieser Gruppe und vielleicht der vorzüglichste Zeichner unter ihnen. Seine erste selbständige Arbeit ist die Adresse des Juweliers Stra ('73 5)» eme jener appetitlichen, lockenden Empfehlungskarten, wie man sie nur damals zu machen ver- stand. Sein umfangreiches Werk ist ein glänzendes Zeugnis für seinen Reichtum an Erfindung und für die Gediegenheit seiner Arbeit. Ausser zahlreichen Hoffestlichkeiten, Skizzen aus dem Pariser Leben, Titelblättern und dergleichen hat er die Vignetten und Verzierungen für die 1743 gedruckte Ausgabe von Lafontaines Contes, einige Bilder für den Boccaccio von 1757, andere für Ariosts Orlando von 1773 und 1775 83, für verschiedene Ausgaben des Tclcmaque, für den Tasso von 1784 gezeichnet, die Vignetten und culs-de-lampc für den Rousseau von 1743 ge- zeichnet und gestochen. Cochin hat auch an der Serie der „ports de France"

Hipirt lui. Ii H. F Gravrlot. Aus Boccaccios Decameronc, 17^7.

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und an vielen anderen ähnlichen Unternehmungen mitgearbeitet und hatte die delikate Aufgabe, die Radierungen der Marquise von Pompadour zu Corneille nach Bouchers Zeichnungen (1760} zu retuschieren.

Charles Eisen (1710 1778), ein Landsmann Watteaus und Jean

Michel Moreau le jeune (1741 18 14) sind die be- rühmtesten und auch die ty- pischen Vertreter der franzö- sischen Buchillustration des XVIII. Jahrhundert. Eisen führt seine Zeichnungen äusserst fein und scharf mit dem spitzen Stift aus und gibt seinen Bildern einen gleichmässigen, dunkleren Ton. Seine Hauptwerke sind die Illustrationen f(!r die soge- nannte „edition des fermiers generaux" von Lafontaines Contes (176z s. Abb.) und für die Baisers von Dorat (1770), die zu den geschätztesten und gesuchtesten Büchern dieser Zeit gehören. Viel reizvoller und malerischer als die etwas zu schar- fen und zu glatten Bilder Eisens sind die Arbeiten Moreaus, vor allem diejenigen, die er selber radiert hat. Besonders in den Figuren und Ornamenten im Moliere (1773) und in den entzückend zarten Radierungen des ersten Bandes von Benjamin De Labordes „Choix de Chansons" (1771,, s. Abb.) kommt er Gravelot und selbst Bouchcr oft ganz nahe. Moreau hat die Werke Rousseaus (1774 83) im Verein mit J. J. Francois Lebarbier, die Ausgabe der Werke Voltaires von 1787 89 und andere Bücher illustriert und an einigen der schon erwähnten mitgearbeitet. Eine Reihe von Ereignissen der Revolution,

Nach Charles Eisen. Der Tausch. Aus Lafontaines Comcs ec nouvclles. I7<»

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Jean Michel Morcau Ic jeunc. I a Dormcusc. Aus De l-abordei Choix de Chaniont. Paris 177), Band I.

■wie die „assemblcc des notables" (1787), die „ouverture des etats-gencraux" (1789) hat er in lebendigen Bildern festgehalten. Unter seinen Sittensch il de - xungen könnte man die zwei Folgen von je zwölf Darstellungen aus dem Leben

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der vornehmen Welt sehr wohl als Illustrationen ohne Text bezeichnen. Er setzte damit die „suitc des estampes pour servir ä l'histoire des mocurs et des costumes des francais dans le XVIII* siecle", die der Schweizer Sigismund Freudeberg 1774 begonnen hatte, fort. In diesem „monument du costume", wie man die Reihe pikanter Szenen in charakteristischer Ueberschätzung nannte, vermisst man Watteaus Poesie ebenso wie ein tieferes Gefühl für Wahrheit. Es bleibt bei einer höchst anschaulichen und lebendigen, aber doch kalten, schön- färbenden Schilderung des Aeusserlichen. An Eleganz und Delikatesse der Zeichnung und des Stiches suchen diese Blätter aber ihresgleichen, sowohl die zwölf Bilder von Freudeberg, die von Dudos, Romanet, Voyez, Ingouf und anderen ausgeführt sind, als auch die Moreauschen von Hclman, Martini, Baqoy, Guttcnbcrg und anderen gestochenen Darstellungen.

Ein Künstler ersten Ranges auf seinem beschränkten Gebiete der orna- mentalen Vignette ist Pierre Philippe Choffard (1730 1809). Als Stecher von Illustrationsbildern anderer Zeichner tritt er aus der grossen Zahl vortrefflicher Techniker nicht hervor. Seine Vignetten zum Ovid von 17Ö7 bis 1771 (s. Abb. S. 467.), seine culs-de-lampe in der Fermiers-Ausgabe von Lafontaines Contes (176z), seine fleurons für die histotre de la maison de Bourbon wie seine Bildnisumrahmungen und Verzierungen von Einladungskarten und Adressen, die er fast alle selber gezeichnet und radiert hat, sind dagegen das Graziöseste und Geschmackvollste, was für solche Zwecke je geschaffen worden ist. Geistreich und humorvoll erfunden und leicht, aber doch farben- reich ausgeführt schmiegen sich diese zarten Vignetten inhaltlich und in der Form mit weiblicher Anmut dem Texte der Bücher an.

Augustin de St. Aubin (1736 1 807) hat sich in der Buchillustration fast ausschliesslich als Stecher nach fremden Zeichnungen betätigt und zwar als einer der feinfühligsten und virtuosesten. Unter seinen zahlreichen Bildnissen meist kleinen Formats hat er eine Anzahl nach seinen eigenen Zeichnungen nach der Natur gestochen. Ein noch grösseres Interesse besitzen für uns seine fein detaillierenden Schilderungen aus dem Leben und Treiben der Gesellschaft seiner Zeit. Nur wenige, wie „au moins soyez discret" und „comptez sur mes serments", hat er selber gestochen, die hübschesten dieser Darstellungen, das „concert" und der „bal parc" sind 1773 von Duclos mit allen ihren Pikanterien der Beobachtung und der Formgebung, mit dem ganzen Reiz der feinen Be- leuchtung und der delikatesten Tonabstufungen vollendet wiedergegeben worden.

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Auch Augustins Bruder Gabriel de St. Aubin(i724 1780), der unermüd- liche Zeichner „der mit dem Stift zu sehen schien", hat einige solcher Szenen aus dem Leben der Zeit, wie die Krönung der Büste Voltaires bei einer Theater- vorstellung, die „nouvclistes du cafe Procope" und vor allem die „vue du Salon du Louvre", die Pariser Kunstausstellung, (1753) mit feinster Nadel gestochen.

Neben diesen berühmtesten und hervorragendsten französischen Illustratoren des XVIII. Jahrhunderts ist noch eine ganze Schar anderer Zeichner-Stecher eifrig tatig, von denen wenigstens einige, die jenen ersten Kräften oft nur wenig nachstehen, genannt sein mögen. Charles Monncts (1732 1816) Haupt- werk ist die „description abrege des 15 journees de la revolution". Pierre Clement Marillier (1740— i8c8), Fr. Marie Queverdo (1740 1797), Louis Josephe Masquelicr ( 1 74 1 1811), Nie. Andre Monsiau fi754 x^37)> Antoine Borcl (geb. um 1743), Claude Louis Desrais (1746 1 8 1 6), Louis Binet (1 744 1 800), der Illustrator Restifs de la Brc- tonne, J.J. Francois Lebarbier (1738 1826), der Illustrator Gessners und andere mehr sind an den hauptsächlichsten Publikationen dieser Art beteiligt gewesen.

Die Revolution haben viele von diesen graziösen Künstlern noch zu über- dauern vermocht, sie suchen, freilich meist nur in der Wahl der Gegenstände, den politischen Strömungen zu folgen. Dann aber unter der beginnenden Herrschaft des Klassizismus Davidscher Richtung müssen sie mit ihrer frivolen und eleganten Kunst das Feld räumen. Der Geschmack nimmt eine ganz andere, ernstere und strengere Richtung und ihre Schöpfungen werden nun ebensosehr missachtet wie sie früher gepriesen und gesucht worden waren. Neben den von Jacques Louis David beeinflussten Künstlern wie Francois Gerard, Giraudet und Isabcy, zu denen sich auch der schon erwähnte Lebarbier gesellt, ist es Pierre Paul Prudhon (1758 1823) allein, der etwas von der liebenswürdigen Grazie und Zärtlichkeit der fröhlichen Zeiten in den neuen kalten Stil hinüberrettet. Meist haben Roger, Godefroy oder Copia seine Illustrationen gestochen, z. B. die zu Bcrnards ,,1'art d'aimer" (1797), zu Longus' „Daphnis et Chloe" (1800), zu Bcrnardin de St. Pierres „Paul et Virginie" (1806); nur wenige Bilder hat er selber radiert.

DER HOLZSCHNITT IN FRANKREICH

ER Holzschnitt war neben dem Kupferstich auch in Frankreich seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts vollständig verkümmert. "Was hier an Buchornamenten und volkstümlicher Bildware gearbeitet worden ist, kann die kunstgeschichtliche Betrachtung getrost mit Still- schweigen übergehen. Höchstens die Holzschnitte nach Jacques Stella, die Paul Maupin aus Abbcville zugeschrieben werden, verdienen Erwähnung. Im handwerklichen Betrieb für praktische Bedürfnisse muss nun die ehrwürdigste der graphischen Künste ihr kümmerliches Fortkommen suchen. Und doch hängen einzelne Familien mit einer gewissen Zähigkeit an dem ärmlichen Berufe. Die Lc Sueur und die Papillons setzen die alten Traditionen der Technik durch eine Reihe von Generationen bis in das XVIII. Jahrhundert fort. JeanPapillon (i6öi bis 17z}) scheint mit in der Fabrikation von bedruckten Papiertapeten die alte Kunst ganz in die Arme der Industrie geführt zu haben, aber in seinem Sohne Jean Michel Papillon (1698 1776) erwacht, trotz allem Widerstande des praktischen Vaters, wieder das künstlerische Gewissen und das Streben nach Ausbildung der Technik und der Formen, allerdings verbunden mit einer fast krankhaften Ueberschätzung seiner Kunst und seiner eigenen Leistungen. Papillon hat einen „Traitc historique et pratique de la gravurc sur bois" (Paris 1766) verfasst, der interessant und lehrreich ist, obwohl die Tatsachen sehr stark mit Phantasiegebilden vermischt sind. Als Künstler hat sich Papillon wohlweislich auf die Ausführung klcinfigurigcr und ornamentaler Vignetten, von Initialen und anderen Zierstücken beschränkt. Seinen ersten Erfolg erzielte

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er mit den Holzschnitten in dem „petit Almanach de Paris" für 1727. Von da an hat er für den Buchschmuck gearbeitet. Die Zeichnung der Figuren ist sehr dürftig, aber im Ornament und besonders in den Blumenstücken, den Beurons, die als Schlussstücke verwendet wurden (s. Abb. S. 498 und 508), gelingen ihm oft recht zierliche Arbeiten. Meist ist der Schnitt ziemlich holprig und in den Schatten zu dick und unklar, aber manchmal erreicht er doch eine grössere Feinheit und Gleichmässigkcit der Linien und Durchsichtigkeit der Schatten, so dass sich die Töne zu einer hübschen, farbenreichen Wirkung zu- sammenschliessen. Der „recueil des Papillom", den der selbstbewußte Künstler der Bibliothek des Königs zum Geschenk gemacht hat, enthält über 5000 Stücke. Man sieht, oft nicht ohne ein gewisses Erstaunen, dass Papillom Ornamente selbst in Werken ersten Ranges neben den Kupferstichen der tüchtigsten Meister zugelassen wurden, z. B. in der von Gillot illustrierten Ausgabe von La Mottes Fabeln (17 19), und in den mit Oudrys Kompositionen geschmückten Fabeln Lafontaines. Spater wurden die Holzschnittornamente in den am sorg- fältigsten illustrierten Büchern allerdings auch durch die Radierung ersetzt.

Neben den Papillons sind die Le Sueur tätig. Unter den zahlreichen Mit- gliedern dieser Holzschnciderfamilic ist Nicolas Lc Sueur (1691 1704) der geschickteste. Er arbeitet ganz in Papillons Art, öfter sogar mit ihm zu- sammen, wie in dem erwähnten Lafontaine. Ausser Zierstücken zur Buch- ausstattung, für die er wohl meistens Zeichnungen anderer Künstler benutzte, hat Nicolas Le Sueur auch einige Zeichnungen alter Meister in Tonplatten- Holzschnitt reproduziert. Mehrfach hat er sich dabei begnügt, Radierungen von Caylus mit zwei Tonplatten zu Überdrucken, öfter hat er aber auch die Strichplatte selber in Holzschnitt ausgeführt.

Neben Papillon und Le Sueur brauchen die zahlreichen anderen Holz- schneider dieser Zeit nicht erwähnt zu werden, da keiner den Stil dieser beiden charakteristischen und besten Vertreter der Holzschnittornamentik für Bücher auch nur zu nüanzieren verstanden hat. Auch jene selber interessieren weniger durch ihre Leistungen, als durch ihre Bestrebungen, dem Holzschnitt wieder einen angesehenen Platz unter den graphischen Künsten zu erkämpfen. Sie gaben den ersten, freilich noch kraftlosen Anstoss zu der künstlerischen Umgestaltung der Holzschnitttechnik, die dann in England und in Deutschland mit Erfolg durchgeführt wurde und dem XIX. Jahrhundert als ein wertvolles Vermächtnis die alte Kunst in neuer Form überlieferte.

DER FARBENKUPFERSTICH.

kann nicht Wunder nehmen, dass man in einer Zeit, in der die Technik des Kupferstiches den Höhepunkt der Vollendung erreicht zu haben schien, in der Grab- stichel und Nadel ernstlich glaubten, mit dem Pinsel in Wettstreit treten zu können, den Gedanken, durch Hin- zufügung der Farbe den Kupferstich der Malerei gleich- zustellen, mit Eifer verfolgte. An Vorstudien hatte es nicht gefehlt. Die Versuche, mit verschieden cingefärbten Holzschnitttafcln Bunt- drucke zu erzeugen, reichen, wie wir gesehen haben, bis in den Anfang des XVI. Jahrhunderts zurück. In Herkules Seghers farbigen Radierungen lagen deutliche Ansätze für eine Ausbildung des Kupferstiches nach dieser Richtung.

Die melodiöse Kunst Watteaus und Bouchcrs, die überall, was ihr an Emst und Tiefe des Inhaltes und des Naturstudiums abging, durch sinnliche Reize der einschmeichelnden Formen und Farben zu ersetzen suchte, hatte den Kupfer- stich in diese Bahnen gelockt. Durch alle Feinheiten der alten Technik und durch neue graphische Methoden suchen nun die Techniker des Kupferstichs der Wirkung der Oclmalcrei, des Aquarell, des Pastell und der farbigen Zeichnung näher zu kommen. Es wird dadurch der Verwendung von Farben im Kupfer- stich erfolgreich vorgearbeitet. Allerdings wird man nicht leugnen können, dass hierbei meist das technische Interesse das künstlerische weit überwiegt. Alle neuen technischen Verfahren dieser Art sind in Frankreich erfunden und ausgebildet worden und haben erst von hier aus weitere Verbreitung gefunden.

Den eigentlichen Kupfer-Farbendruck, d. h. die Herstellung farbiger Bilder auf mechanischem Wege durch das Uebereinanderdrucken einzelner, mit ver- schiedenen Farben genetzter Kupferplattcn, hat man zuerst mit Hilfe der Schab- kunst versucht. Jacob Christoph Le Blon (geb. in Frankfurt 1667, gest. in Paris 1741) ist der Erfinder dieses Verfahrens. Er wurde von C. Meyer in Zürich unterrichtet und bildete sich dann in Italien bei Maratta weiter aus. Später kam er nach Holland, wo er die ersten Versuche in Farbendruck anstellte. Auf Grund der Theorie Newtons, dass alle Farbentöne sich aus den drei Grund- farben blau, gelb und rot zusammensetzen Hessen, suchte er mit drei geschabten,

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je för eine dieser Farben bestimmten Platten Bilder herzustellen, die, nachdem sie einen Ueberzug von Ocl erhalten hatten, der Wirkung von Oelgemälden gleichkommen sollten. Schon 1 7 1 1 sah der Maler Uffenbach in Le Blons Atelier Kupferbuntdrucke dieser Art. In London gelang es ihm dann eine Gesellschaft zur Herstellung solcher Bilder zu gründen, die aber bald zusammen- brach, obwohl eine grosse Anzahl von Drucken hergestellt und zum Teil auch verkauft worden war. Ein zweites ähnliches Unternehmen, das er 173z in Paris zustande brachte, misslang ebenfalls. Der unerschütterliche Mann setzte aber seine Arbeiten und Experimente demungeachtet unablässig fort und wirkte durch Schriften und durch die Tat bis an sein Ende für seine Idee. Noch kurz vor seinem Tode erhielt er (1740) ein königliches Privileg.

Einige Drucke, die wesentlich mit radierten und gestochenen Platten her- gestellt sind, wirken noch matt und hart im Ton, z. B. das Bildnis des Kardinals de Fleury. Satter und verschmolzener sind die Töne der nur mit geschabten Platten gedruckten Bilder. In dem wohl in London entstandenen Bildnisse König Georgs II. von England, das zu seinen gelungensten Werken gehört, sind die Töne leuchtend und klar und nähern sich in der Tat der Wirkung der damaligen Technik der Oelmalerei. Auch andere Bildnisse, besonders das König Ludwigs XV., haben ansprechende, aber meist zu matte und verblasene Farbenstimmung. Noch grösseren Schwierigkeiten begegnete die Reproduktion von älteren Werken der Malerei, die Lc Blon unternahm. Die Kinder König Karls I. nach Van Dyck, die Engel nach Corrcggio und andere sind als Repro- duktionen wenig gelungen, ohne Harmonie und Leuchtkraft der Farben.

Le Blon hatte, um dem Prinzipe des Dreifarbendruckes treu zu bleiben, die Benutzung einer vierten Platte für die tiefschwarzen Töne fast immer ver- mieden. Seine Schüler und Nachfolger sahen sich zu diesem und anderen Kompromissverfahren gezwungen, konnten es jedoch ebenfalls Uber das Stadium der Versuche kaum hinausbringen. Le Blons Schüler Jacques- Gautier Dagoty (17 17 1786) ist weniger tüchtig und erfolgreich gewesen als sein Sohn Edouard-Gautier Dagoty (gest. 1783), der eine Reihe von besseren Leistungen aufzuweisen hat, z. B. die Lcda und den bogenschnitzenden Amor nach Correggio, Tizians Venus und andere Gemälde der Galerie d'Orleans (1 7 80) und das Bildnis der Gräfin Dubarry. Er bleibt aber ebenso wie andere hinter Lc Blons besten Arbeiten zurück. Das Verfahren, das eine grosse Fertigkeit in der Schabtechnik erforderte und auch sonst mit den grössten Schwierigkeiten zu

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kämpfen hatte, fand in Frankreich nur wenige Adepten. In Italien scheint nur Giov. Paolo Lasinio sich mit einigem Erfolge dieser Technik befleissigt zu haben. In Deutschland haben Joh. Peter Pichlcr (17^5 1806) und Franz Wrenk (1766 '830) in Wien einige wenig gelungene, ziemlich bunte und harte Blätter in Farbenschabkunst gefertigt.

Erst durch die Erfindung der Aquatinta-Manier (au lavis) nahm der Farbenkupferdruck in Frankreich einen bedeutenderen Aufschwung. Jean Baptiste Le Prince (1734 ^O» von ^cm a's Ra<*ierer un& Illustrator schon die Rede war, gebührt dieses Verdienst. Er hat zuerst seine Skizzen und Kostümbildcr aus Russland in dieser Manier herausgegeben (1768) und damit grossen Beifall geerntet. Nach seinem Tode erwarb die Academie royale das Geheimnis der Technik von Le Princcs Nichte. Das leicht zu handhabende Verfahren der Aquatinta gestattete, Tuschtöne, die vorher durch Schabkunst nur unvollkommen wiedergegeben werden konnten, fast täuschend nach- zuahmen. Le Princes Aquatinta-Blätter sind ebenso fein und geistreich aus- geführt wie seine Strichradierungen. Neben 96 Radierungen gewöhnlicher Art zählt man von ihm 179 Werke in Lavis, hauptsächlich Bilder aus dem russischen Leben, die viel Interesse erregten, Landscharten, Volkstypen und Genreszenen. Die bekanntesten seiner meist heiteren, oft auch frivolen Dar- stellungen sind der „poel" (1770), die „lampe polonaisc", „danse Russe", „la jardiniere", „la musicienne", „les laveuses", „les voyageurs" (s. Abb.). Die Druckfarbe ist so gewählt, dass die Töne des Bisters und der chinesischen Tusche, die man für solche Skizzen in der Originalausftibrung verwandte, möglichst täuschend nachgeahmt wurden. Le Prince hat damit schon selber auf die Ver- wertung seiner Technik für den Farbendruck hingewiesen.

Diesen Schritt, durch den die Aquatintatechnik eine neue Bedeutung gewann, scheint Fran^ois Janinet (175z 181 5) getan zu haben. Er nennt sich wenigstens selber auf einem Blatte Erfinder des Lavisfarbendruckes, und in der Tat scheinen seine Arbeiten die ältesten zu sein. Er hat jedenfalls mit seinen Farbendrucken ungleich grössere Erfolge erzielt als mit seinen miss- glückten Versuchen als Luftschiffer, die ihm nur Schaden und Spott eintrugen. Die Umrisse und die Arbeit der Roulette treten in seinen Drucken noch et« as stärker hervor als in denen seiner Nachfolger, er erreicht aber durch den Uebereinanderdruck von mehreren, die verschiedenen Farben auftragenden Aquatintaplatten oft schon die diskretesten und ansprechendsten Wirkungen.

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Seine Absicht geht sowohl auf die Nachahmung feinster Gouachemalcrcicn, wie der eines Lavrcince, Baudouin, Charlier und Caresme, als auch auf die täuschende Wiedergabe von Aquarellzeichnungen feinster Ausführung, wie z. B. den italienischen Veduten Hubert Roberts. Im Gegensatz zu Le Blon vermeidet er klug und feinfühlig die Reproduk- tion vonOelgemälden und anderen Werken monu- mentalen Charakters.

Nach Fragonard hat janinet unter anderem zwei kleine Rundbilder: l'Amour und la Folie (1777) ausgeführt, nach Huet die Geburt des Dauphin. Einige Bild- chen nach Lavrcince wie die „comparaison", das „aveu difficile", „l'indis- cretion", sind trotz aller Feinheit noch etwas stumpf und hart im Ton. In den „costumes des grands theätres de Paris*', in denen bestimmte Schauspielerinnen in ihren Hauptrollen dargestellt sind, verbindet sich das künstlerische Interesse mit dem der Aktualität, das auch in den historischen Darstellungen aus der Revolution vorherrscht. Die fein durchgeführte Miniaturarbeit mit vertriebenen Tönen gelingt ihm weniger gut als die Nachahmung skizzenhaft getuschter Aquarelle. Seine Reproduktionen nach getuschten Zeichnungen von Adriaen van Ostade und besonders die römischen Ansichten nach Hubert Robert und seine Pariser Veduten zeigen seine technische Geschicklichkeit

Jcin Baptixe Le Hrincc. Die Keilenden. HiMmi 17 f. I.

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und sein künstlerisches Feingefühl von ihrer besten Seite. Unter seinen Bild- nissen haben sich die der Königin Marie Antoinette in goldverzierter Umrahmung (1774) und der königlichen Modistin Mademoiselle Bertin, die Büsten Henrys IV. und Sullys u. a. m. auch neben den späteren Leistungen dieser Technik zu behaupten vermocht.

Zu seiner höchsten Vollendung gelangt der Lavis-Farbcndruck in den Hauptwerken des Louis Philibert Dcbucourt (Paris 1755 1852). Wahrend Janinet nach Zeichnungen und Bildern anderer arbeitet, vervielfältigt Debucourt nur seine eigenen Erfindungen, die an künstlerischer Qualität und an Reichtum des Inhaltes auf der Höhe der Modekunst der Zeit stehen. Er berechnet seine Arbeiten von vornherein auf die Ausführung in Aquatinta und kann deshalb leichter alle ihre Vorteile ausnützen. Debucourt wurde 1781 als Genremaler in die Akademie aufgenommen und widmete sich seit 1785 ganz der Vervollkommnung und Verwertung des Lavisbuntdruckcs. Seine ersten Versuche, selbst noch das reizende „menuet de la mariee" (1786), sind etwas hart und fleckig, nicht ganz ausgeglichen in der Tönung. Auch eines seiner Hauptwerke, die berühmte „promenade du palais royal" (1787), zeigt noch die matteren, trockeneren Töne Janinets, seine rötlich-violetten und bläulichen Tinten. Die Ausführung ist von miniaturartiger Feinheit, eine höchst gelungene Nachahmung der Gouachemalerei, aber mit eigenen farbigen Reizen. Hier herrscht die dämmerige, staubige Atmosphäre der Gartenarkaden, in der „promenade publique" von 179z, dem Meisterwerke Debucourts, flutet das volle Sonnenlicht durch die Bäume des Parks über die bunte Schar der eleganten Spaziergänger. Die Verschmelzung der Töne, in der die Hauptschwierigkeit der Technik bestand, ist ihm in diesem Werke vollkommen gelungen, alle Stumpfheit und Trockenheit der Farben ist überwunden und eine reiche Skala heller, matt glänzender und satter Töne, eine volle, ganz harmonische Bildwirkung erzielt. Die Granicrung ist so zart, dass man das Korn kaum mehr bemerkt und die Aquarellfrische der leichten Pinselstriche zu fühlen glaubt. Debucourt hat für seine feinsten Arbeiten bis zu 9 Platten benutzt, neben dem Lavis Schab- kunst, Roulette und Nadel verwendet und auch sehr kräftige schwarze Schatten- töne und helle Lichter erzielt. In der Wiedergabe glänzender Seidenstoffe mit ihren Lichtflcckchen, der feinen Spitzen und der zarten Leinengewebe kann er mit einem Netschcr oder Terburg wetteifern.

Dcbucourt zeigt sich in diesen Blättern als ein Sittenschildercr von Scharf-

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blick und Humor. Die Naturwahrheit und die Genauigkeit in der Wiedergabe des Einzelnen man glaubte sogar bestimmte Personen in den Figürchen erkennen zu können bürgen für die Treue der Schilderung, die uns wohl mit Unrecht etwas karikiert erscheint. Liebenswürdig heitere Familienszcncn stellt er in einer Reihe anderer, gleichzeitiger Werke dar, z. B. in der „fete de grand- mama" (les bouquets) und dem Neujahrsglückwunsch (les compliments). Etwas karikierter scheinen seine späteren, um 1800 entstandenen Sittenbilder, z. B. die „galants surannees", die „coquettc et ses filles", die „manic de dansc", in denen sich der englische Einfluss schon bemerkbar macht. Ucberhaupt hält sich der Künstler nicht lange auf seiner Höhe. Die technische Ausführung wird oberflächlicher und ärmlicher und die Nachhilfe des Pinsels immer stärker in Anspruch genommen. Die Karikaturen nach Carle Vernct bewahren nur noch wenig von der entzückenden Feinheit jener früheren Meisterwerke. Die Rücksichtnahme auf die Vorliebe des grösseren Publikums für bunte, humoristische Bilder ist dem künstlerischen Farbendruck verhängnisvoll geworden. Die Vor- züglichkeit seiner besten Arbeiten zeigen nur noch einige Bildnisse Debucourts, wie die Ludwigs XVI., Lafaycttes und des Herzogs von Orleans.

Hinter den beiden Hauptmeistern des Farben-Kupferstiches, Janinet und Dcbucourt, stehen die zahlreichen übrigen Künstler, die sich dieser Technik ge- widmet haben, durchgehends weit zurück. Einer der besten Meister ist Janinets Schüler Charles Melchior Descourtis (1755 i8zo). Die „foire de village" und die „noce de village" nach Taunay sind seine besten Werke ; auch die Ansichten von Rom und Paris sind vortrefflich ausgeführt. Dagegen ge- hören seine Illustrationen zu „Paul et Virginie" und zum Don Quixotte und anderes schon zur schwachen Marktware des Buntdruckes. In seinen Bildnissen kann Pierre Michel AI ix (176z 1 8 1 7) oft Janinet und Debucourt fast an die Seite gestellt werden. Er ist mit der Zeit mitgegangen und hat nach- einander Marie Antoinette nach Vigee-Lc Brun, Mirabeau, Marat, Charlotte Corday, Napoleon, Papst Pius VII. und Louis XVIII. porträtiert, ausser anderen politischen und wissenschaftlichen Berühmtheiten. Weniger gelungen sind seine Reproduktionen nach Fragonard und anderen Malern. Auch an den „costumes des grands theätres" hat er im Verein mit Ant. Fr. Sergent und Ridc gearbeitet. Ausserdem seien noch die Bildnisse Louis-Jean AU ais' und Laurent Guyots „cris de Paris" und seine Landschaften erwähnt.

Die Meister des Buntdruckes haben sich, wie schon bemerkt, nicht auf die

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beiden grundlegenden Techniken der Schabkunst und der Aauatinta beschränkt, sondern ausser der Linienradicrung und der Stichelarbeit auch die sogenannte Crayonmanier, die Roulettenarbeit zur Mithilfe herangezogen. Diese Technik ging allerdings ursprünglich nur auf die Nachahmung der Kreide- oder Rotstiftzeichnung aus, wurde aber sehr bald durch den Modegeschmack und auch durch ihre eigene Vorliebe für die Faksimilierung von Zeichnungen auf den farbigen und mehrfarbigen Druck gelenkt. Die Ehre der Erfindung der Crayonmanier haben mehrere Künstler, jeder mit gleicher Bestimmtheit für sich in Anspruch genommen. Jeder von ihnen mag unabhängig sein Verfahren aus- gebildet haben oder wenigstens die Arbeiten der anderen im Verhältnis zu den eigenen Verbesserungen für unerheblich gehalten haben.

Jean Charles Francois (1717—1769) scheint der erste gewesen zu sein, der, angeblich schon um 1740, versucht hat, die körnigen Linien der Kreide- oder Rotstiftzeichnung durch geätzte Punktierarbeit nachzuahmen, er ist jedenfalls der erste, der mit der Crayonmanier künstlerische Erfolge erzielt hat. Sein Verdienst besteht darin, die alte Punktiertechnik, die schon seit Giulio Campagnola bekannt war und später von Franz Aspurck und Lutma gepflegt worden ist, durch die Verbindung mit der Radiertechnik praktisch und künst- lerisch leichter verwertbar gemacht zu haben. Die Roulette, das wichtigste Werkzeug der Crayonarbcit, scheint jedoch schon lange vor ihm und auch vor Demarteau, der als ihr Erfinder gilt, bekannt gewesen zu sein. Im Jahre 1757 trat Francois zuerst mit Stichen in Crayonmanier an die Ocffentlichkeit, die Be- achtung fanden und ihm Eintritt in die Akademie und später eine königliche Pension verschafften. Er gab dann Zeichnungen nach Eisen, nach Holbein und nach der Antike, Ornamentblätter und eine Zeichenschule in dieser Technik heraus. Unter seinen Bildnissen sind die des Francois Denis und seiner Gattin die vorzüglichsten. Interessant ist sein Versuch, in dem Bildnis des Francois Ouesnay (1767) alle bis dahin bekannten Techniken des Kupferstiches zur An- wendung zu bringen. Grabstichel, Radierung, Schabkunst, Aquatinta und Crayonmanier müssen helfen, jeden Teil des Bildes in seiner Stofflichkeit mög- lichst getreu wiederzugeben. In einer beigefügten Erläuterung hebt der Künstler die Mannigfaltigkeit in der Ausführung seiner Arbeit hervor. Künstlerisch ist dieser Versuch recht wenig befriedigend ausgefallen, er ist aber charakteristisch für den Menschen und auch für die Vorliebe der Zeit für technische Spitzfindigkeiten.

Francois' Verfahren ist von Gilles Demarteau (Lüttich 17z! 1776

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Paris), der neben M. Magny und Bonnet ebenfalls als ihr Erfinder bezeichnet wird, bedeutend vervollkommnet worden. In seinem Werke von 719 Stichen wirkt allerdings die Masse sehr ermüdend, einzelne Blätter sind aber gegen- ständlich und durch ihre technische Vollendung wertvoll und anziehend. Der Charakter des Kreidestriches ist in Demarteaus Reproduktionen fast täuschend wiedergegeben. Er wagte sich auch an die Zeichnungen alter Meister, besonders glücklich sind aber seine Faksimilestiche nach Stiftzeichnungen zeitgenössischer Künstler wie Huer, Cocain, Pierre und vor allem Francois Boucher. Vortrefflich ist z. B. das Bildnis des Carle Vanloo. Weiteren Kreisen hat sich Demarteau besonders durch seine Zeichenvorlagen bekannt gemacht. Die Crayonstiche werden, um den Originalen möglichst nahe zu kommen, oft in roter oder blauer Farbe auf farbig getöntes Papier abgedrukt, manchmal sogar mit dem Pinsel weiss gehöht. Auch Demarteau brachte es als Akademiker zu hohen Ehren.

Der mehrfarbige Druck mit Hilfe des Crayonverfahrens, den auch Demarteau versucht hatte, verdankt seine Ausbildung besonders Louis Marie Bonnet (174) 1 793). Auch er gab sich als Erfinder der Crayontechnik aus und hatte insoweit ein gewisses Recht dazu, als er nicht bloss die lineare Kreidezeichnung, sondern auch wirkliche Pastellbilder nachzuahmen verstand. Im Jahre 1769 gab er eine Schrift „le pastel en gravure invente et cxccutc par Louis Bonnct" heraus. Seine Drucke mit verschiedenfarbigen Platten in Crayonmanier haben allerdings weniger Bedeutung gewonnen als der Lavis- Farbendruck und die Punktiermanier, unter seinen über 1000 Stichen befinden sich aber zahlreiche mehrfarbige Pastellbilder von grosser Vorzüglichkeit. Bonnet kombiniert sein Verfahren häufig mit Schabkunst und anderen Techniken, er hat es sogar fertig gebracht, die Lichter in den Zeichnungen mit weiss und die Umrahmungen seiner Bilder mit Gold aufzudrucken. Trotzdem kann oder will er der Beihilfe des Pinsels oft genug nicht entraten. Wie Demarteau benutzt auch Bonnet in erster Linie Zeichnungen von Boucher und Huet als Vorlagen, er hat aber auch nach vielen anderen Meistern und nach eigenen Er- findungen Buntdrucke ausgeführt. In der Zeit der Revolution arbeitet Bonnct wie viele seiner Kunstgenossen stark für den patriotischen Augenblicksbedarf. Aktualitäten aller Art, Bildnisse und humoristische Darstellungen, wie die „cris de Paris" gingen ebenso wie Zeichenvorlagen in grosser Zahl aus seiner Wcrk- stättc hervor. Die Arbeit wird auch bei ihm, wie bei vielen anderen Crayon- Stechern, zum Teil recht geschäftsmässig und wenig künstlerisch betrieben.

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In Holland hat Cornelis Ploos van Amstel (1716 1 890), ein wohl- habender Amsterdamer Kunstsammlerund Dilettant, durch eine äusserst geschickte Verwendung des Crayon-Farbendruckes nach Zeichnungen alter Meister Faksimile-Reproduktionen von grosser Vollendung angefertigt. Seine 46 Nach- bildungen von Zeichnungen Ostades, Rembrandts, van Dycks, Metsus, Potters u. a. m., die 1765 8z erschienen, sind auch heute noch hoch geschätzt. Auch in Deutschland fand die Zeichnungsrcproduktion in Johann Theophil Prestcl (1739 1808) einen eifrigen Vertreter. Prcstcl arbeitete mit seiner Frau Catharina und mit seiner Tochter in Nürnberg und in Frankfurt und hat zum Teil in Crayonmanier, zum Teil in Aquatinta eine grosse Anzahl von Meisterzeichnungen, z. B. die des Praunschen Kabinetts in Nürnberg (1778 bis 1780) recht gut wiedergegeben.

Die Flächenpunktiermanier, das „stipple work", das Bartolozzi so glücklich für den Farbenkupferstich zu verwenden wusste, ist ebenso wie früher die Schabkunst in Frankreich von den bedeutenderen Künstlern fast unbeachtet ge- blieben. Fast alle Arbeiten, die in dieser Technik von Franzosen ausgeführt worden sind, stehen an Qualität und Geschmack unter dem Durchschnitte der französischen Kupfersticharbeiten ; sie sind wohl auch zum grössten Teil in Eng- land oder für den Export dorthin hergestellt worden.

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DER KUPFERSTICH IN ITALIEN.

EIT den Zeiten der Carracci und ihrer Schule hatte die Grabstichclkunst in Italien kaum mehr als den prak- tischen Bedürfnissen zu genügen vermocht. Neben der eifriger und erfolgreicher betriebenen Ra- dierung bleibt sie auf Gebrauchsware be- schränkt und wagt sich kaum über die Tech- nik der einfachen, genährten oder gekreuzten Taillen hinaus. Erst im XVIII. Jahrhundert beginnt der italienische Kufcrstich, angeregt durch die glänzenden Leistungen der Franzosen, wieder am künstlerischen Wett- bewerb teilzunehmen. Die italienische Kunst, die fremden Stechern eine Fülle von Vorbildern geliefert hatte, findet nun wieder auch in der Heimat glänzende Interpreten, freilich zu spät, als dass selbst Talent und innige Konzentration den Kontakt mit der grossen Kunst der Renaissance wiederherzustellen vermocht hätten. Die neue Technik führt Formenvorstellungen mit sich, die mit dem Geist der alten Kunst im Widerspruch stehen.

Wie es scheint wurde die französische Technik den Italienern zunächst durch einige deutsche in Italien ansässige Stecher vermittelt. JohannJacobFrey(i68i bis 1772), Westerhouts Schüler, in Rom und Joseph Wagner (1706 80) in Venedig sind die Lehrer zahlreicher italienischer Stecher gewesen. G i rolamo Rossi, (geb. in Rom um 1680), Girolamo Frezza (1659 1728), Antonio Pazzi (geb. Florenz 1706) und Freys Schüler Carlo Gregori (Florenz 1719 1759) und andere bleiben noch in den alten Bahnen und er- heben sich auch da, wo sie französische Vorbilder nachzuahmen suchen, nicht über die Handwerksmässigkeit. Wagners Schüler Giovanni Volpato (Bassano 1738 1805 Rom) ist der erste, der mehr Schwung und höheres künstlerisches Streben zeigt. In Venedig soll er besonders durch seinen Mit- schüler Bartolozzi gefördert worden sein und dann in Paris studiert haben. Nach- dem Volpato die ersten Proben seiner Geschicklichkeit in Venedig und in Parma abgelegt hatte, wandte er sich nach Rom, um sich hier fast ausschliesslich der Reproduktion der Gemälde RafFacls, seinem Lebenswerke zu widmen.

Volpato hat Gemälde von Leonardo, Correggio, Poussin, Claude Lorrain, Gucrcinos Aurora, Caravaggios Spieler gestochen, sein Ruhm gründet sich aber

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hauptsächlich auf seinen grossen Blättern nach Raffaels Stanzen und Loggicn- bildern. Seine Stiche hat er, wie das damals üblich wurde, nicht unmittelbar nach den Gemälden sondern nach Zeichnungen eines besonders damit beauf- tragten Künstlers ausgeführt. Der Schematismus, den diese Umzeichnung eines Fremden schon mit sich bringt, wird durch das starre Liniensystem der Technik noch gesteigert. Volpato sucht sich in der Taillenführung an Nanteuil, Edelinck und Drevet anzulehnen, das Fleisch, die Haare, die verschiedenen Stoffe usw. durch besondere, entsprechend geformte Strichlagen zu charakteri- sieren. Glcichmässigkcit und Sauberkeit der Strichgruppen und der einzelnen Linien und malerische Haltung der Töne werden erstrebt, aber die Systematik des Liniengewebes ist von unerträglicher Härte, die Gesamtwirkung flau und ohne farbige oder kompositionclle Accentuierung. Als sorgfältige, gefällige Nachbildungen der angebeteten Meisterwerke mochten Volpatos Stiche damals selbst für den, der die Schwächen der Formen, besonders der Köpfe, empfand, einen hohen Wert besitzen, als Werke des Bilddruckes verdienen sie, verglichen mit den Arbeiten der Franzosen, nicht den Ruf, den sie lange genossen haben.

Bei der Ausführung seines grossen Raffaelwerkes wurde Volpato ausser von anderen Gehilfen, wie Ottaviani und Domenico Cunego, besonders von seinem Schüler und Schwiegersohne RaffaelloMorghen (Florenz 1758 bis 18} 3) unterstützt. Heute, wo wir die Begeisterung der Zeitgenossen und der nachfolgenden Generationen für die Werke dieses glänzendsten Meisters der italienischen Grabstichel kunst kaum verstehen können, hat man mehr seine Vor- züge als seine Schwächen wieder hervorzuheben. Morghcn trat, nachdem er in Neapel seine ersten Versuche als Landschaftszeichner und als Stecher gemacht hatte, 1778 in Volpatos Werkstatt ein. Raffaels Deckenbilder der Stanza dclla segnatura und die Messe von Bolscna zeigen die Richtung, die er unter Volpatos Einfluss nimmt. Er ist ihr treu geblieben und hat sein ganzes Leben mit Hin- gebung und Liebe der Nachbildung der klassischen Werke der italienischen Malerei gewidmet.

In jenen Werken, die Volpatos Raffaelwerk vervollständigen sollten, hat Morghcn den harten, trockenen Stil seines Lehrers noch nicht überwunden. Erst in der Aurora nach Guido Reni (1787) entfaltet er seine eigene Kunst. Die Radierung benutzt er nur noch zur Vorzeichnung, alle Linien werden mit der grössten Sauberkeit und Klarheit mit dem Grabstichel ausgearbeitet. Die Flächen werden durch schräg sich kreuzende Lagen genau äquidistanter,

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kräftiger und geschmeidiger Taillen, die der Form folgen und durch die Um- biegung am Ende den Umriss andeuten, modelliert. Die Zwischenräume zwischen den Taillen sind durch kurze, feine Striche ausgefüllt, in den Halb- schatten sind die einfachen Lagen stärkerer Taillen durch dazwischenliegende feine Linien verbunden. Das System der schräg gekreuzten und in Einzelzügen und Punkten verlaufenden Taillen ist mit der grössten Konsequenz und peinlicher Sorgfalt durchgeführt, andererseits aber die Töne so mannigfaltig und so zart abgestuft, dass nicht allein der wohltuende Eindruck grösster Klar- heit und Glätte der Form, sondern auch starke plastische Wirkungen hervorgebracht werden. Allerdings schliesst das System die Andeutung der Farbe und der Stofflichkeit der Materie aus, aber die Gegensätze und Uebcrgängc in der Beleuchtung sind mit grösster Meisterschaft zu einer lebendigen Wirkung der For- men herausgearbeitet. Aller Nach- druck wird auf die Plastik und auf die Idealisierung der Form gelegt, man sucht die typische, die „reine Form" und vermeidet jede indivi- dualisierende Detaillierung. Mor- ghen steht den grössten Kupfer- stechern gleich in der Kunst, das richtige Verhältnis der einzelnen Linie zur Grösse der Form zu treffen,

die Linien zu Tönen zu verbinden und durch geschickte Verteilung und Ucbcr- leitung der Töne den Lichtern Glanz und den Schatten Kraft zu verleihen.

Morghens glatte, stilisierende Technik war für die italienischen Klassiker der Form und ihre Nachahmer berechnet und nur für sie verwendbar. Raffael und Leonardo, wie man sie damals auffasste, noch besser Rcni, Domcnichino, Sassofcrrata, Dolcc, Raffael Mengs, Angelica KaufFmann (s. Abb.) bewahren in dieser künstlichen Linienübertragung wenigstens noch einen grossen Teil ihrer

Kjfljcllo Morglicn, nach AOftltca kauAinann. Rildnis der Domcnica Volpaio.

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Schönheiten. Wo er sich ausnahmsweise an malerische Aufgaben, an Titian, Murillo oder Rubens und Van Dyck wagt, lässt seine kalte Systematik kaum ctvas von der Eigenart der Maler unberührt. Morghen gibt seinen Köpfen immer Ausdruck und Charakter, nur sind es nicht die der Originale. An Begeisterung für seine Aufgabe und an eifrigem Bemühen in den Geist seines Vorbildes ein- zudringen hat er es nicht fehlen lassen. Wenn er trotzdem den Charakter der alten Meisterwerke so wenig getroffen hat, so lag das nicht an einem Mangel an künst- lerischem Feingefühl, dass er in hohem Grade besass, sondern an seiner Abhängig- keit von den akademischen Kunstanschauungen seiner Zeit.

Innerlich noch fremder als den "Werken Raffacis bleibt Morghen seinem Vorbilde in dem grossen Stiche nach Leonardos Abendmahl, seinem berühm- testen Meisterwerke. Als stecherische Leistung und als wirkungsvolles Bild verdient er aber ohne Frage das hohe Lob, das man fast ein Jahrhundert ihm verschwenderisch hat zu Teil werden lassen, und mit Recht konnte es von Generationen von Grabstichelkünstlern als unerreichbares Ideal der Vollendung angestaunt werden. Morghen bleibt hinter den grossen französischen Meistern nur deshalb zurück, weil ihn seine Vorbilder zu sehr der Natur und der Kunst seiner Zeit entfremdet hatten. Welche Reize sein Talent auch der Wirklichkeit hätte abgewinnen können, das zeigen seine Gelegenheitsbildnisse nach dem Leben, besonders sein mit der kalten Nadel ausgeführtes Selbstbildnis.

Die Schwächen und Härten des linearen Systems Volpatos und Morghens zeigen sich noch viel stärker in den Werken ihrer Schüler, die sich meist noch enger als ihre Meister den französischen Vorbildern anschliessen. Selbstbewust- sein und beschränkter Eigensinn steigern sich in dem Maasse, in dem künstlerische Kraft und technische Selbständigkeit abnehmen, und führen die Grabstichelkunst zu leerem, gedankenlosem Schematismus. Die Stecher verlieren die Originale immer mehr aus den Augen und begnügen sich mit genauem, technisch virtuosem Nachstich der ihnen vorgelegten Zeichnungen nach den Gemälden. An An- erkennung und Beschäftigung hat es den Kupferstechern dieser Zeit nicht gefehlt. Das lebhafte Interesse für die klassische Kunst erzeugte einen grossen Bedarf an Reproduktionsstichen. Einzelne Blätter wurden als Zimmerschmuck und für die Mappen der Kunstfreunde und Italienfahrcr hergestellt, grosse Folgen von Nachbildungen der Hauptwerke der Gemälde- und Antikensammlungcn als Prachtpublikationen von den fürstlichen Besitzern in Auftrag gegeben.

Von den zahlreichen Stechern, die sich im XVIII. Jahrhundert und im

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Anfange des XIX. in Italien mit der Reproduktion von Kunstwerken beschäftigten, brauchen nur einige der Tüchtigeren aufgeführt zu werden. Sie besitzen weder eine persönliche Eigenart noch vermögen sie ihre Kunst über die Höhe der Morghenschen Technik hinauszuführen oder ihr eine neue Richtung zu geben. Unmittelbare Schüler Volpatos und Morghens sind Giovani Fol 6, Pietro Fontana, Galgano Cipriani, Andrea Toffanelli. Wie viele andere italienische Stecher hat sich auch Vincenzo Vangelisti in Frankreich bei Wille auszubilden gesucht. Aus der Kupferstecherschule, die er in Mailand leitete, ist unter anderen auch Giuseppe Longhi (1766 1831), der in seiner Zeit als einer der besten Künstler und Lehrer der Grabstichclkunst galt, hervor- gegangen. Seine Radierungen zeigen nur zu deutlich, wie dürftig sein eigenes Formenverständnis war. Longhis Schüler wieder waren viele der besten italieni- schen und deutschen Stecher des beginnenden XIX. Jahrhunderts wie Pietro Anderloni, Mauro Gandolfi und Giovita Garavaglia. Willcs Schüler ist auch der tüchtige Turiner Bildnisstecher Carlo Antonio Porporati, bei Bervic hat sich der Stecher Correggios, Paolo Toschi (1788 '854) aus- gebildet. Paolo Mercuri und Luigi Calamatta, zwei der virtuosesten und fernsten Meister des Grabstichels gehören schon ganz dem XIX. Jahrhundert an.

Im Gegensatze zu diesen Stechern, die sich die französische Technik an- zueignen suchen, haben einige venezianische Grabstichclkünstler eine nationale Eigenart des Kupferstiches ausgebildet. Die Technik Giovan Marco Pittcris (1703 1786) ähnelt, ebenso wie die seines Lehrers Giovan Antonio Faldoni, der Art des Claude Mellan, sie ist aber wohl eher eine direkte Weiterbildung der Manier des Giuseppe Caletti und des Guercinostechers Pasqualini. Ihre Modellierung durch gleichlaufende, anschwellende Linien ohne Kreuzungen war für die Wiedergabe der duftigen, lichten, verblasenen Mal- weise der Venezianer wie Piazzetta und Rosalba Carriera vorzüglich geeignet. Pitteri hat dies System zu grösserer Gleichmässigkeit der Formen und Töne vervoll- kommnet, indem er den Linien wesentlich eine perpendiculärc oder diagonale Richtung gab und die Modellierung durch Anschwellung und Abschwächung der Linien und durch punktartige Verdickungen erzielte. Er hat hauptsächlich nach Piazzetta gestochen, besonders eine Reihe lebensgrosser Bildnisse und Köpfe von Heiligen, die die weiche, flüssige Pinsclführung des Malers vortrefflich nach- ahmen und zu den charaktervollsten und formgewandtesten italienischen Grab- stichelarbeiten dieser Zeit gehören. Pitteri hat auch nach dem venezianischen

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Sittcnschildercr Pictro Longhi gearbeitet und nach eigenen Zeichnungen mehrere gute Bildnisse, z. B. das des Scipione Maffei, ausgeführt. In der gleichen Manier und mit gleicher Geschicklichkeit arbeiten Fclice Polanzani, von dem das charakteristische Bildnis Piranesis und das lichter und freier behandelte Doppel- bildnis des Feiice RamcMi und Camillo Tacchetti (s. Abb.) hervorzuheben sind, und einige andere tüchtige venezianische Stecher, wie Pietro Monaco, Gio- vanni Cattini und Domenico Lorenzi.

Hüchst interessant und bedeutungsvoll istnun die technische Verwandtschaft dieser Reproduktionsstiche mit den Radierungen der gleichzeitigen venezianischen peintres-graveurs. Nur selten hat die Maler-Radierung ihren zeichnerischen, skizzenhaften Charakter so vollkommen zu überwinden und so erfolgreich mit der koloristischen Wirkung des Gemäldes zu wetteifern vermocht wie hier. Die Absicht ist die gleiche wie in Rembrandts Radierungen, aber die Mittel sind die entgegengesetzten, dem verschiedenen Charakter der Malweise ent- sprechend. Der Holländer arbeitet aus dem dunklen Gesamtton die Lichte ffekte heraus, die Venezianer suchen durch die spärlichen, sorgfältig verteilten Schatten nur die Wirkung des Lichtes zu steigern, dem hellen, blendenden Sonnenlichtton die Herrschaft zu verschaffen.

Ein glänzendes künstlerisches Leben war der letzte Ruhm der venezianischen Republik vor ihrem Falle. Paolo Vcroneses farbige Zauberwelt schien noch einmal aufzuleben in Giovanni Battista Tiepolo und in seinen beiden Söhnen. Ihrer lebendigen Phantasie und ihrer Tatenlust genügten selbst die gewaltigen Flächen, die sie mit den lebensfreudigen Lichtgcbilden ihres Pinsels schmücken sollten, nicht. Auch die graphischen Künste konnten von ihrem Reichtum neuen Glanz empfangen. Giovanni Battista Tiepolo (Venedig 1695 bis 1770 Madrid) soll die Anregung zum Radieren von Benedetto Castiglione empfangen haben. Eine gewisse Verwandtschaft in der Phantastik der Erfindung wie in der Technik lässt sich wohl wahrnehmen, Tiepolos graphischer Stil ist aber viel mehr durch sein malerisches Sehen bestimmt. Eher als Piazzetta oder gar Lazzarini könnte man Paolo Veronese seinen Lehrer nennen. In den Radie- rungen seiner venezianischen Vorgänger, die im allgemeinen noch dem schwer linearen Stil der bolognesischen Radierer des XVII. Jahrhundert treu bleiben, in den Arbeiten ScbastianoRiccis, Antonio Balestras,Jacopo Am iconis oder Carlo Carlonis macht sich nur zaghaft und an einzelnen Stellen das Stre- ben nach malerisch leichten, durchsichtigen, hell silbrigen Tönen bemerkbar.

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hclicc Polanzani. Bildnis des Carinii« Tacchetti.

Der kalte Klassizismus, der bald nach seinem Tode die Herrschaft antrat, hat Tiepolos Werke ebenso sehr verabscheut und getadelt, wie seine Zeit- genossen sie liebten und erhoben. Dieser Wandel im Urteil ist durch den

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Wandel der Lebensanschauung bedingt. Glanz und Wonne des Lebens, Freude am Genuss des Daseins sind die Elemente seiner Kunst. Auch die Darstellung des Martyriums der Heiligen wird zur Glorie. Was ihn von den Franzosen am meisten unterscheidet, ist die reiche Phantastik der Schilderung. Erscheinungen von kühnster Realität der Formen und Gewandung erhebt er in den Allegorien seiner Deckenbilder in lichtdurchflutete Wolkenhühen, versetzt er in seinen Wandgemälden in Räume von märchenhafter Pracht oder in kulturferne Landschaften von tropischer Ucppigkeit und Sonnenglut. Orientalische Typen und Trachten steigern den fremdartigen Eindruck seiner Darstellungen, der über alle Oberflächlichkeit der Formgebung und über die Wiederholungen einzelner Motive und Typen leicht hinwegsehen lässt. Die perspektivische Ver- bindung der Gemälde mit dem wirklichen Räume zieht den erregten Beschauer hinein in dies Reich glänzender Visionen.

Was ein Meister wie Boucher an Eindrücken von den Tiepolo gewonnen haben mag, lässt sich schwer feststellen, ihr Einfluss auf naivere Naturen wie Fragonard oder Saint-Non ist leicht zu erkennen. Sie fanden in seinen Ge- mälden den in's Sublime, Emphatische gesteigerten Ausdruck ihrer eigenen Stimmungen und Farbenträume, in seiner Radiertechnik eine seiner Malwcise erstaunlich gleichartige und gleichwertige Darstellungsform.

Die frühesten Radierungen Tiepolos scheinen die 10 Blatt der „vari capricci" zu sein, die schon 1 740 publiziert worden sind. Hier ist in der Er- findung und in der Technik die Aehnlichkcit mit Castiglione noch am meisten bemerkbar. Es sind Skizzen nach der Natur, Krieger, Zigeunerweiber, Astro- logen, Tiere aller Art, dann Satyrn, Totengerippe und anderes mehr, phantastisch zusammenkomponiert zu Szenen undefinierbaren Inhaltes. Die Technik ist noch etwas kritzlich und derb, mit vielen dunklen Stellen in der Kreuzschraffierung. Jn den Z4 Blatt der „scherzi di fantasia" (s. Abb.) ist die Technik viel eigen- artiger, glcichmässiger und sonniger im Ton, die tiefen Schatten milder, die Linien fast nie gekreuzt, meist kurz und gleichlaufend. Durch einfache, rauhe Aerzstriche, die frei und leicht nebeneinandergesetzt sind, werden die grössten Feinheiten der Stoff behandlung und der Beleuchtung hervorgebracht, durch hart absetzende Schattenstriche wird das Licht zur höchsten Intensität gesteigert. Die scheinbar wirren Massen feiner Stxichclchcn sind zu Tönen verbunden, und die Umrisse gar nicht oder kaum merkbar angedeutet. Alte Astrologen und Schlangenbeschwörer mit ihren jungen Schülern , mythologische und moderne

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Gestalten mischen sich auch in diesen geistreichen Spielen einer zügellos schweifenden Phantasie. Trotz ihrer scheinbaren Regellosigkeit sind die Bilder doch höchst kunstvoll komponiert und entzückend fein im Ton des hellsten, flimmernden Sonnenlichtes abgestimmt. Die Zuschrcibung anderer Blätter an Giovan Battista ist nicht sicher. Von grösseren Kompositionen, die seine Ge- mälde wiedergeben, hat er, wie es scheint, nur eine einzige selber radiert, die Anbetung der Könige, seine vorzüglichste Arbeit in dieser Technik.

Giovan Battistas älterer Sohn Giovan Domenico Tiepolo (1727 bis 1 804), der treue und fleissige Gehilfe seines Vaters, hat als Radierer ein ungleich umfangreicheres Werk hinterlassen. Nach dem Tode des Vaters hat er zwei Gesamtausgaben der meisten ihrer Radierungen veranstaltet. Seine frühesten Arbeiten sind die 14 Stationen, die „via crucis", die er 1749 als Erstlingswerk Aloigi Cornclio widmete. Nur wenig später, 1750 1752, entstanden die 24 Blätter der „idee pittoriche sulla fuga in Egitto", in denen er seinen Er- findungsreichtum in der verschiedenartigen Abwandelung desselben Themas zeigen wollte. Ausser einer Reihe anderer Radierungen nach seinen eigenen Gemälden und Skizzen hat Giovan Domenico mit besonderem Eifer die berühmtesten Ge- mälde seines Vaters vervielfältigt und auch eine Anzahl einzelner Figuren und Köpfe aus diesen Bildern radiert. Aus den Inschriften wie aus der liebevollen Sorgfalt der Ausführung spricht seine hohe Verehrung für den Vater und Lehrer.

Seine Radiermanicr weicht von der Giovan Battistas, den er als Maler nur nachzuahmen sucht, stark ab. Er arbeitet seine Platten mehr bildmässig in kräftiger, eingehender Modellierung und in dunkleren Tönen aus. Die Umrisse sind mehr betont und die Tiefen durch Kreuzschraffierungen verstärkt. Die radierten Bilder des Vaters scheinen unmittelbar aus der Phantasie in malerische Formen geflossen zu sein, in den Arbeiten des Sohnes ist der Cha- rakter der Reproduktion unverkennbar, besonders in dem Missverhältnis der Detailbehandlung und der starken Farbenkontraste zur Grösse der Blätter. Als Reproduktionen aber sind sie bewunderungswürdig. Sie geben die grossen Altargemälde Giovan Battistas, wie sein Martyrium der heiligen Agathe, seine Madonna mit den drei Dominicanerinnen, den heiligen Jacobus, die Szenen aus Ariost und andere mehr, die gewaltigen Deckcnbildcr, ihre Fülle von Licht und von lebhaft bewegten, allegorischen und mythologischen Gestalten mit der grössten zeichnerischen Sicherheit und Genauigkeit und mit richtigster Ab- wägung der Farbenwerte verständnisvoll wieder (s. Abb.).

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Dem älteren Bruder schliesst sich Loren zo Tiepolo (1736" bis nach 1772) als Radierer eng an. Er hat neun Radie- rungen nach Gemälden des Vaters, darunter das Wun- der des heiligen Antonius, drei Darstellungen von Rinaldo und Armida und den Plafond mit dem Triumph der Venus, aus- geführt. Er behandelt die Formen weniger energisch, weichlicher, mit feineren und engeren Linienzügen, die Farbe toniger und satter, aber oft auch fleckiger.

Wie in der dekora- tiven Malerei grossen Stils erhebt sich die venezia- nische Kunst des XVIII. Jahrhunderts auch in der Landschaft wieder zu einer originalen male- rischen Anschauung. Seit Giovanni Bellini ist das goldige Licht ihrer unver- gleichlichen Heimat der Schutzgeist der venezia- nischen Maler geblieben auch in den Zeiten, da man dem künstlerischen Dunkel nervenreizende Wirkungen abzugewinnen

C, 10 van Domenico Tiepolo. Die h. Marirlicriia da Coriona.

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suchte. Der eigenartige Eindruck der venezianischen Landschaftsdarstellungen dieser Zeit wird vor allem durch die Konzentration des Blickes auf einen kleinen Umriss und durch die Näherung des Beobachtungsstandpunktes an das darzustellende Objekt hervorgebracht. Man betrachtet die Dinge in der Nähe und sucht sie mit allen ihren Einzelheiten, allen Feinheiten der Form und der Beleuchtung zu schildern. Die malerische Architekturvedute ist, in Italien wenigstens, eine Schöpfung des XVII I. Jahrhunderts.

Marco Ricci (1679 1729), den Neffen und Schüler Sebastiano Riccis, kann man als den vorzüglichsten venezianischen Landschafts- und Architckturmalcr um die Wende des XVII. Jahrhunderts bezeichnen. Er geht von der alten carraccesken, grosszügigen, aber nur andeutenden Manier schon zu einer feineren und präziseren Detaillierung über. Seine zwanzig Radierungen zeichnen sich durch malerische Effekte, Gegensätze von Licht und Schatten, und durch Schraffierungen mit gleichlaufenden Linien, die stellenweise schon ganz feine, silbrige Töne ergeben, vor allen gleichzeitigen Arbeiten aus. Riccis sehr beliebte Landschaftsgemälde sind von Bartolozzi, Volpato, Davide Antonio Fossati und von englischen Künstlern viel gestochen worden.

Riccis Kunst zeigt schon manche der Eigenschaften, die in den Werken Guardis und Canalettos zur Vollendung ausgebildet sind, der beiden Meister, die den Ruhm der venezianischen Vendutenmalerei bis in unsere Zeit lebendig erhalten haben. Francesco Guardi, der Schwager Giovan Battista Tiepolos, hat, so viel wir wissen, leider nie die Radiernadel geführt, von Canaletto sind uns dagegen 30 Radierungen erhalten, die seinen Gemälden an künstlerischem Werte ebenbürtig sind. Giovan Antonio Canalc gen. Canaletto (1697 bis 17 68) ist zuerst Schüler seines Vaters Bernardo, eines Theaterdekorations- malers, gewesen, dann bciLuca Carlcvaris, genannt de Zenobio (1665 bis 173 1) in die Lehre gegangen. Die 100 radierten Ansichten von Venedig, die Carlcvaris 1705 herausgegeben hat, sind uns deshalb über ihren eigentlichen Wert hinaus als Vorbilder des grösseren Schülers interessant. Canaletto konnte hier gegenständliche und technische Anregung gewinnen und auch manche der künstlerischen Effekte, aus denen er einen neuen Stil der Architekturradierung entwickelt hat, wenigstens angedeutet finden. Auch Guiseppe Baronis grosse Regatta von 1709 nach Luca Carlcvaris nähert sich schon dem Stil Canalettos. Der junge Venezianer hat sich dann einige Jahre in Rom aufgehalten, wo er Reissig nach alten und neuen Monumenten zeichnete. Hier soll der

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römische Architckturmalcr Giovan Paolo Panini Einfluss auf ihn gewonnen haben. Canaletto ist aber Paninis System, die Monumente phantastisch umzugestalten und mit Willkür malerisch zu gruppieren, nicht gefolgt. Es sind vielmehr, wie wir sehen werden, die Radierungen des Venezianers Piranesi, in denen Paninis pomphafter Stil widerklingt.

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Nur eine Radierung Canalettos ist mit einer Jahreszahl, 1741, versehen. Es ist dies eine der 1 z grossen Ansichten, die Oertlichkcitcn der Umgebung von Venedig, Mestre, den Hafen von Dolo, das Prä della Vallc, S. Giustina in Padua u. a. m. darstellen. Die Serie kleineren Formates gibt einige der schönsten Punkte der Stadt Venedig und des Festlandes wieder, z. B. die An- sichten der Libreria, der Procurazie nuovc, der Prigioni und der Piazzetta. Diese kleinen Bilder sind meist flüchtiger und breiter radiert und in den Tongegen- sätzen kräftiger behandelt als die grösseren (s. Abb.).

Es wird erzählt, dass Tiepolo die Figuren in Bilder Canalettos hincingesetzt habe. Die Zeichnungen und Radierungen des Meisters widersprechen dem ent- schieden. Hier sind die Gestalten so eigentümlich mit weichlichen, rundlichen Parallelstrichen hingeworren und vor allem so kunstvoll für die malerische und perspektivische Wirkung des Ganzen verwertet, so organisch mit der Kompo- sition verbunden, dass der Gedanke an fremde Einmischung nicht aufkommen kann. Canalctto bezeichnet seine „vedute" in ihrem Titel selber als zum Teil nach wirklichen Ocrtlichkeiten , deren Namen er dann meist angibt, und zum Teil aus der Phantasie geschaffen. Aber sicher liegen auch diesen Ansichten, die er „idcate" nennt, Studien nach der Natur zum Grunde. Der realistische Sinn und der enge Anschluss an die 'Wirklichkeit tritt in seinen Bildern überall deutlich hervor.

Canalettos Absicht geht offenbar hauptsächlich auf die klare, präzise "Wiedergabe der Gebäude in ihrer Umgebung, der Personen und Gegenstände vor ihnen. Er sucht die Lichtwirkungen für diesen Zweck möglichst auszu- nutzen und wählt meist leicht bewölkten Himmel, um in dem starken und kühlen diffusen Lichte die Umrisse und Formen durch maassvolle Gegen- sätze von Licht und Schatten klar und scharf hervortreten zu lassen, während Tiepolo dagegen für seine poetische Stimmung blendendes und reflektierendes Sonnenlicht braucht. Canalettos Ansichten sind perspektivisch kunstvoller und delikater ausgeführt, schärfer und täuschender, aber auch viel nüchterner als die farbig reicheren und stimmungsvolleren Gemälde Guardii. Es ist be- zeichnend, dass Guardi des äusseren Erfolges, den Canalctto in reichem Maasse genoss, fast ganz entbehren musstc, und dass unser Künstler seine grössten Ver- ehrer in England, das er zweimal besuchte, gefunden hat, wie er denn auch die Gesamtausgabe seiner Radierungen einem englischen Gönner, dem Konsul Joseph Smith widmete.

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Canalcttos Radierungen geben bei einem gewissen Mangel an Farbigkeit, d. h. Varietät der Töne, die weichen und zarten Abstufungen des venezianischen Lichtes mit grösster Vollendung wieder. Die feine Differenzierung der Töne der tiefer oder höher liegenden, also mehr oder weniger stark beschatteten Gebäudeteile und der verschiedenen Gründe von den stark umrissenen Gegen- ständen der Nähe bis zum klaren, aber zarten Hintergrunde ist in den guten, frühen Abdrücken von höchstem Reiz. Canalcttos Technik ist der Tiepolos verwandt, im Grunde das venezianische Prinzip der gleichlaufenden Schraffierungen, aber Tiepolo radiert wie er malt, Canaletto fast genau so wie er zeichnet, nur etwas zarter. Die glcichmässigc Schraffierung der ganzen Bildfläche mit gleich- laufenden, aber sehr frei bewegten, im Schatten kräftigen, im Licht feinen und langen Linien ohne scharfe Kontraste, bringt einen eigentümlich milden Silber- ton hervor, der das Auge lockt und ihm wohltut.

Canalettos bedeutendster Schüler und Nachahmer war sein Neffe Bernardo Bei Otto, der sich ebenfalls Canaletto nannte (Venedig 1710 1780 War- schau). In jungen Jahren, 1 746, wurde er nach Dresden gerufen und hat dort, dann in Wien, in England und endlich auch in Russland gearbeitet. Einige frühe kleine italienische Veduten ähneln sehr den Zeichnungen Canalettos. Seine Hauptwerke als Radierer sind die Ansichten grossen Formates, die er in Dresden, Pirna (s. Abb.) und "Warschau ausgeführt hat. An Sicherheit der perspektivischen Darstellung und an Präzision der Zeichnung steht er seinem Vorbilde nicht nach. Er hat sich aber trotz dieser Nachahmung künstlerisch seinen eigenen Stil gebildet. Die härtere Wirkung der Formen und der trüben grauen Schatten in seinen Gemälden und Radierungen ist nicht allein auf die Atmosphäre der Landschaft, die er darzustellen hatte, zurückzuführen. Seine Linienbildung ist in den Radierungen viel unsicherer und unruhiger als die Canalettos, die Schattengebung Rachenhaftcr und fleckiger, seine Figuren un- gleich steifer und aufdringlicher. Er erstrebt in seinen grossen Blättern eine bild- artige, kräftige Wirkung und muss auf die Detaillierung der Formen und auf die feine Differenzierung der Töne verzichten. Den zarten, grauen Silberton, der in Canalettos Radierungen entzückt, hat er nirgends erreicht und es sich an topographischer Treue und an gröberen, mehr auf die Entfernung berechneten Effekten genügen lassen.

Canalettos Gemälde sind von zahlreichen Stechern mit Eifer vervielfältigt worden, besonders von Gio. Batt. Brustoloni und Antonio Visentini,

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Bcrnardo Bclotto. Das Oberthor der Stidt Pirna. Mc>er 14. Ausschnitt.

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die aber von seiner Radiertechnik sich wenig anzueignen verstanden haben. Einen ernsten Rivalen hat Canaletto auch unter seinen Nachahmern nicht ge- funden. Seinen Einfluss zeigen die „delizie dcl fiume Brenta" eine Reihe von Ansichten venezianischer Landhäuser, die Giov. Francesco Costa 1750 bis 1756 herausgab. Erwähnenswert sind noch die hübschen, leichten Land- schartsradierungen im Stile Marco Riccis von Dom. Bernardo Zilotti (1730 bis um 1780) und die Arbeiten des Giacomo Leonardis (1713 bis 1775), eines Schülers Tiepolos, der in seinem Viehmarkt nach Crespi sich offenbar die Technik der Watteaustechcr zum Muster genommen hat.

In Florenz fand die malerische Architckturvcdute besonders in Giuseppe Zocchi einen geschätzten Vertreter. Seine Ansichten von Florentiner Gebäuden und Plätzen und von den Villen der Umgegend (1744), sind aber meist von anderen Stechern wie Gregori, Pazzi, Marieschi und Vasi ausgeführt worden. Auch an anderen Orten erschienen derartige Veröffentlichungen grösseren Um- ganges wie Audifredis „regiae villae" in Turin, Luigi Vanvitellis „Aquedotto di Caserta" und sein „Palazzo di Caserta" (Neapel 1756) mit Stichen von Carlo Nolli, in Parma Ferd. Bibienas Architettura civile (171 1) und andere mehr.

In diesen und vielen anderen ähnlichen Werken erhebt sich die künstlerische Ausgestaltung nicht über das Maass dessen, was für die gefällige und anziehende Erscheinung des gebotenen Stoffes erforderlich war. Nur in Rom, das schon im XVII. Jahrhundert eine grosse Anzahl von ähnlichen, allerdings mehr für bescheidenere künstlerische Ansprüche berechneten Arbeiten hervorgebracht hatte, gewinnt die malerische Architekturvedute im XVIII. Jahrhundert eine imponierende Eigenart der künstlerischen Form. Ein venezianischer Künstler ist es, der den in seiner Heimat ausgebildeten Stil des Kupferstiches und der Radierung mit genialer Kühnheit der Grandiosität des römischen Stadtbildes anzupassen versteht. Giovanni Battista Piranesi (Venedig 1707? bis 1778 Rom) bewundert die römischen Denkmäler vor allem als Architekt und als Archäologe. Nur sein Enthusiasmus für die Grösse der Welthauptstadt, dem der in Wort und Bild Ausdruck gegeben hat, kann veranlasst haben, dass ihn die Tradition als römischen Bürger anerkannte. Seine Familie stammte aus Pirano in Istrien, und er selber nennt sich oft genug mit Stolz einen Venezianer. Seine Technik kann auch, wenigstens an seiner künstlerischen Abstammung kernen Zweifel aufkommen lassen. Er bedient sich zumeist, wie Pittcri, der parallelen, der Längsrichtung der Formen nach verlaufenden Schraffierungen

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und gewinnt die farbigen Tiefen durch gewaltige Anschwellung und Ver- dichtung der Taillen. Durch geschickteste Verbindung farbig behandelter Radierung mit markiger Grabstichelarbeit und auch durch seine grosse Kunst des Druckens erreicht er eine malerische Kraft der Tonwirkung und eine Monumentalität der Formen wie sie bis dahin noch nicht gesehen worden waren. Mit seinen starken Effekten tiefschwarzer, breiter Schatten und greller Streiflichter, die die Ruinenmassen gespensterhaft beleuchten, konnte Piranesi natürlich keinen glcichmä'ssigen Gesamtton erzielen wie der feine, diskrete Canaletto. Er lässt vielmehr die Töne in rascher Stufenleiter amteigen. Die Wirkung ist packend, in der Nähe fast beunruhigend, aus einer gewissen Ent- fernung sehr plastisch und äusserst dekorativ.

Die eigentümliche perspektivische Wirkung der Ansichten Piranesis beruht im wesentlichen darauf, dass der Zeichner von dem Gebäudekomplex, den er darstellen will, einen ganz kurzen Abstand nimmt und, ohne die entfernten Gründe hervorzuheben, die unmittelbar vor ihm stehenden Gegenstände nicht wie die früheren Meister als Seitenkulissen benutzt, sondern in den Mittel- punkt der Darstellung rückt. Das einzelne Gebäude steigt so vor dem Be- schauer zu gigantischer Grösse empor. Durch Uebertreibung der wirklichen Grössenverhältnisse liebt der Künstler diesen Eindruck noch zu steigern. Piranesi hat in dieser malerischen und phantastischen Art der Ruinendarstellung in dem römischen Architekturmaler Giovan Paolo Panini einen bedeutenden Vorgänger gehabt. Während jedoch Panini nur auf malerische Gruppierung ausgeht und, wie Claude Lorrain und seine Schüler, aus den antiken Ruinen ganz willkürliche Bilder zusammenstellt und sie romantisch belebt, prätendiert Piranesi archäo- logische Treue. Seine Stiche sind meist von archäologischen Abhandlungen begleitet oder mit Erläuterungen versehen, die sich auf die an ihre Stellen im Bilde eingefügten Buchstaben und Zahlen beziehen. Die wissenschaftliche Ab- sicht tritt oft sogar etwas störend hervor, umsomehr als der Gelehrte sich Ab- weichungen von den Maasscn und Formen und willkürliche Rekonstruktionen erlaubt, zu denen er nur als Künstler das Recht besässe.

Giovan Battista Piranesi wurde ausser von anderen Mitgliedern der Familie besonders von seinem Sohne Francesco (1756— 1810) unterstützt. Unter der Masse der in der Gesamtausgabe 20 grosse Bände füllenden Werke der Piranesi sind vom künstlerischen Standpunkte besonders hervorzuheben die zwei zuerst 1748 erschienenen Bände der „vedute di Roma", dann die „antichitä

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Romane" von 1756 in vier Bänden, die „magnificenza dell' architettura dei Romani" (1761), die „archi trionfali", die „trofei d'Augusto" usw. ($. Abb.). Sein starr römischer Standpunkt als Archäologe hat Piranesi in heftige Fehden besonders mit französischen Gelehrten verwickelt. Sein Ruhm als Künstler wird durch seine wissenschaftlichen Irrtümer kaum geschmälert. Er ist eine der aus- geprägtesten Erscheinungen seiner Zeit, ein Mann von einer schier unerschöpf- lichen, glühenden Phantasie und von grösstem dekorativen Talent. Die zahlreichen ornamentalen Kompositionen, Titelblätter, Initialen (s. Abb. S. 50p) und der- gleichen in seinen Werken, dann die architektonischen Phantasien der „carceri" entfalten einen geradezu üppigen Reichtum an Formen.

Eine grosse Zahl von Künstlern wetteifert mit den Piranesi in der Schilderung Roms und seiner Umgebungen. Zum Teil sind es Radierer, die in feinen leichten Tönen skizzieren, Nachzügler der secentistischen Nieder» länder, wie der Römer Paolo Anesi, zum Teil Stecher, die, wie Guiscppe Vasi, ihren Stil dem der Piranesi anzunähern suchen. In einer Sammlung römischer Ansichten nach Francesco Paninis Zeichnungen, einer der zahlreichen, die damals erschienen, an der auch Künstler wie Volpato und Ottaviani mitge- arbeitet haben, finden wir eine Reihe von Stichen von Polanzani, Antonio Cappellan, Francesco Barbazza, Domenico Montagu und anderen, in denen der Einfluss Piranesis deutlich zu erkennen ist. Luigi Rossini (geb. um 1 790) ist unter den zahlreichen Nachkommen der römischen Vedutenstecher im XIX. Jahrhundert der tüchtigste, aber auch er hat wie die anderen von der poetischen Phantasie Piranesis nichts geerbt.

Als vereinzelte Erscheinungen auf dem Gebiete det Maler-Radierung haben Pier Leone Ghezzi (1674 1755), ^cr Karikaturist der römischen Gesell* schaft und Bartolomeo Pinelli (gest. 1835), der Schilderer des römischen Volkslebens noch eine gewisse historische Bedeutung. Ghezzis eigene Radierungen können kaum Beachtung beanspruchen, von Interesse sind nur seine eigenartig mit gleichlaufenden dicken Strichen gezeichneten Karikaturen, die Matthias Oesterreich gestochen hat. Pinelli hat ausser schwülstigen Illustrationen zur römischen Geschichte und zum Don Quixotte eine grosse Anzahl ebenfalls schwach und manieriert gezeichneter und in reizlosem Umrissstich radierter Typen und Szenen aus dem Leben des Volkes in Rom und um Rom veröffentlicht.

Was in Italien in der Schabkunst geleistet wurde, ist gegenüber den Arbeiten der Engländer an Zahl und Wert verschwindend. Auch für den französischen

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Farbendruck haben sich die Italiener nicht zu erwärmen vermocht. Nur eine dieser Modetechniken des XVIII. Jahrhundert, die Punktiermanier, hat ihren hervorragendsten Vertreter in Italien gefunden. Francesco Bartolozzi (Florenz 1727 1815 Lissabon) hat diese Technik allerdings erst in England kennen gelernt und hauptsächlich dort ausgeübt, man darf aber trotzdem diesen Stern ersten Ranges seinem Vaterlande nicht vorenthalten. Bartolozzi hat seine Ausbildung bei Joseph Wagner in Venedig erhalten und längere Zeit in seinem Stil Gemälde reproduziert. Ein Auftrag, Zeichnungen Guercinos zu stechen, führte ihn 17 64 nach London, wo er von seinem Freunde und Landsmann, dem Maler Cipriani und von Angelica Kauffmann auf den Crayonstich, der sich damals grosser Beliebtheit zu erfreuen begann, hingewiesen wurde. Barto- lozzi ist also keineswegs, wie früher behauptet wurde, der Erfinder dieser Technik, wohl aber hat er sie vervollkommnet und ihre Wirkungen mit grossem Geschick dem englischen Geschmacke anzupassen gewusst.

Für die breiten, nervigen Pinselstriche Reynolds' und Gainsboroughs, für ihre Individualisierung reicht diese weichliche Technik nicht aus, für die ver- schwommenen Formen und den süsslichen Ausdruck der Gestalten Ciprianis, Angelicas und anderer in England damals angebeteter Empfindlinge war sie wie geschaffen. In den zarten Ilmrisslinien ahmt Bartolozzi, wie Demarteau, die Linienzüge des Pastellstiftes nach, im Fleisch und den Gewändern modelliert er aber nicht mehr mit punktierten Kreidestrichen sondern nur mit breiten Massen von Punkten , durch die er weiche Flächen und die grösste Zartheit und Ver- triebenheit der Töne erreicht. Das ist der Crayonmanier gegenüber das Neue an seiner Technik, die von den Engländern „stipple work" genannt wurde. Nur in den tiefsten Schatten kann er die Radierlinie nicht entbehren.

Angelica Kauffmanns Penelope, ihre Venus, Sappho und Amor (s. Abb.), Annibale Carraccis Clythia, der Tod Lord Chathams nach Copley, Gemälde von Cipriani und Zuccarelli und vor allem Bartolozzis treffliche Bildnisse, wie die Elizabeth Forster nach Reynolds, Miss Farren nach Lawrence, Marie Cos- way nach Cosway u. a. m. sind noch heute sehr gesucht und hochbezahlt. Be- sonders sind es die in mehrfarbigen Tinten gedruckten Blätter, die Beifall fanden und finden. Bartolozzi liebte es, seine Platten nicht in schwarzer Farbe, sondern in matteren Tönen, in grau, bräunlich oder rötlich zu drucken, er hat aber in manchen Abdrücken seiner Platten auch ein vorher nur gelegentlich, z. B. von Herkules Seghers versuchtes Buntdruckverfahren angewendet. Die Platte wird

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mit verschiedenen Tinten cingefärbt, so dass im Abdruck |die einzelnen Teile verschiedene Färbung zeigen. Da vor jedem Abdrucke die Platte so zu sagen neu bemalt werden muss, so erhalten diese Abdrücke ein mehr individuelles Gepräge. Neben matteren bräunlichen, grauen oder rötlichen Tönen ist öfter mit be- sonderem Geschick die blaue Farbe verwendet.

Bartolozzi hat mit Unterstützung seiner Schüler eine ausserordentlich

Francesco Bartoloz/i. Sappho und Amor.

grosse Zahl von Blättern in dieser bequemen, rasch fördernden Technik aus- geführt. Seine Arbeit wurde nicht nur zur Reproduktion von Kunstwerken aller Art gesucht und hoch bezahlt, er musste auch, der Mode folgend, Ein- ladungs- und Einlasskartcn, sogenannte Bencfit-Tickcts, Empfchlungs- und Visitenkarten und dergleichen in Punktiermanier ausführen. Besonders berühmt ist das von Cipriani gezeichnete Diplom der Royal Acadcmy, die damals ge-

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gründet wurde, und die auch Bartolozzi zu ihren ersten Mitgliedern zählte. Ausser den schon erwähnten Zeichnungen Gucrcinos hat Bartolozzi noch zahlreiche andere nachgebildet Castigliones Manier sucht er glücklich durch eine Ver- bindung der Radierung mit Schabkunstarbeit nachzuahmen, für Zeichnungen Ciprianis hat er gelegentlich auch Aquatinta verwendet. Sein Hauptwerk dieser Art sind die Stiche nach Holbeins berühmten Bildniszeichnungen in Windsor, die er in Punktiermanier ausführte und durch mehrfarbigen Druck den Origi- nalen zu nähern suchte.

Bartolozzis Erfolge lockten eine ganze Reihe italienischer Stecher zur Nach- ahmung seiner Technik und zur Uebersiedelung nach England. Unter anderen Luigi und Nicola Schiavonetti, Giovanni Vendramini, Pietro Bettel ini, und Mario Bovi, von denen aber keiner sich mit dem Meister messen kann. Auch unter den Engländern selber fand Bartolozzi zahlreiche ge- lehrige Schüler, wie Thomas und Carolina Watson, Thomas Burke, WiliamNutter, William Wynne Ryland, Peter William Tomkins, Charles W. White, Joseph Collyer, Joh. Keyse Sherwin. Auch einige bedeutende Schabkünstler wie Earlom und John Raphael Smith haben der Mode folgend einzelne Arbeiten in stipple work ausgeführt und von ihren geschabten Platten öfters Abdrücke in verschiedenen Farben genommen. In Deutschland fand die Punktiermanier ebenfalls schnell Anklang und zahlreiche geschickte Vertreter.

Die Reproduktion von Handzeichnungen besonders alter Meister wurde wie in Frankreich auch in Italien vornehmlich durch die damals mit Eifer auf- genommenen kunstgeschichtlichen Studien lebhaft gefördert. Francesco Novelli in Venedig hat sich hauptsächlich für Mantegna und für Rcmbrandt interessiert, der Mailänder B e n i g n o B os s i hat zur Wiedergabe der Zeichnungen Parmigianinos und anderer Meister die Aquatinta herangezogen. In dieser Technik hat sich neben anderen Künstlern, wie Carlo Labruzzi und Luigi Ademollo, besonders Francesco Rosaspina (1760 184z) in Bologna, ausgezeichnet. Er gehört auch unter den Linienstechern und Radierern zu den gediegensten Künstlern seiner Zeit. Den Buntdruck mit mehreren geschabten Platten scheint in Italien nur Giovan Paolo Lasinio, der mit seinem Vater Carlo Umrissstiche nach den Fresken des Campo santo zu Pisa herausgegeben hat, in einigen Bildnissen ohne grossen Erfolg versucht zu haben.

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Daniel Chodotriecki. Da» Brandenburger Tor zu Berlin.

DER KUPFERSTICH IN DEUTSCHLAND.

NGHERZIGE Kunsttheorien und das, freilich nicht bewusstc, Gefühl der eigenen Schwäche liessen dem deutschen Künstler des XVIII. Jahrhunderts die Nachahmung fremder Vorbilder als eine selbstverständliche Notwendigkeit erscheinen. Die Zeit Lessings und Goethes hat der bildenden Kunst keinen Genius erstehen lassen, der sich durch die Kraft der unmittelbaren Natur-

anschauung über die Autorität französischer Vorbilder oder über die unumstöss- lichcn Maximen, die man aus den italienischen Klassikern, dann aus der Antike ableitete, hinwegzusetzen vermocht hätte. Die Kupferstichkunst bleibt voll- ständig unter französischem Einfluss, nur die Radierung nimmt hier und da eine eigenartige, lokale Färbung an.

Wie an grossen Künstlern fehlt es in Deutschland auch an bedeutenden Mittelpunkten, in denen die Kräfte durch die Tradition und durch den Wett- eifer gesteigert werden können. Auch dem grossen Friedrich konnte es in seiner künstlerischen Einseitigkeit nicht gelingen, seine Residenz zu einer Pfleg- stätte der bildenden Künste zu machen. Er verstand es aber wenigstens die

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besten Kräfte heranzuziehen und zu fesseln, und hat jedenfalls das Verdienst, den vorzüglichsten Meister der Grabstichelkunst, Georg Friedrich Schmidt der Heimat zurückgewonnen zu haben. Ohne Zweifel wäre Schmidt in Paris ganz zum Franzosen geworden, wie das mit 'Wille tatsächlich geschehen ist, wenn ihn nicht der Ruf des Königs nach Deutschland zurückgeführt hätte. Ja, man wäre trotzdem berechtigt, ebenso wie Wille auch den Berliner Meister ohne Vorbehalt der französischen Schule zuzuzählen. Denn von seinen ersten Anfängen an hat sich Schmidt an Werken französischer Kunst gebildet.

Georg Friedrich Schmidt, der 1712 bei Berlin geboren wurde, konnte hier bei dem Kupferstecher Georg Paul Busch nicht mehr als einen notdürftigen technischen Unterricht finden. Lieber die Mittelmässigkeit er- hoben sich auch die Leistungen der übrigen, damals in Berlin tätigen Kupfer- stecher nicht. Nach Johannes Heinzelman war Samuel Biesendorf bis zu seinem Tode 1706 hier tätig gewesen. In Schmidts Jugend vertrat Johann GcorgWolfgang aus Augsburg (1664 »744) als Hof kupferstecher das Fach. Seine Bildnisse des Königs Friedrich Wilhelm I. und der Königin, Samuel Coccejis und besonders das des Goldschmiedes Johann Melchior Dinglingcr nach Pesne sind vortreffliche, sorgfältige Arbeiten, aber von ihrer trockenen, kleinlichen Manier konnte ein Talent wie Schmidt keine tiefere künstlerische Anregung empfangen. Mehr als seine Berliner Lehrer werden ihn die Kopien, die er mit grösstem Eifer nach Stichen Edelincks ausführte, gefördert haben. Er gewann aus all' dem die Ueberzeugung, dass Paris allein der Ort sei, an dem er sich zu einem Künstler des Grabstichels ausbilden könnte.

Im Jahre 1757 endlich wurde ihm die Reise nach Frankreich ermöglicht. Mit Wille zusammen langte er in Paris an und blieb sein ganzes Leben lang mit ihm in enger Freundschaft verbunden. Durch Empfehlungen des Malers Antoine Pesne und durch Stiche, die er nach Bildern Lancrets angefertigt hatte, führte er sich bei dem Pariser Meister gut ein, der ihn seinerseits wieder mit Larmessin in Verbindung brachte. Als Gehilfe dieses vorzüglichen Stechers konnte er an den Reproduktionen der Gemälde Lancrets mitarbeiten und in alle Geheimnisse der französischen Technik eindringen. Daneben fertigte er eine Reihe von kleben Bildnissen für Odieuvres „Europe illustre". Er erwarb sich nun durch Bildnisse wie die des Henry Louis de la Tour d'Auvergnc nach Rigaud und des Grafen d'Evrcux (1759), des Erzbischofs St. Aubin von Cambray nach Rigaud (1741) und besonders durch das erste Bildnis des

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Malers Quentin de la Tour (1741) allgemeine Anerkennung und wurde 1744 mit seinem Porträt des P. Mignard nach Rigaud, obwohl er Protestant war, in die französische Akademie aufgenommen. In demselben Jahre verliess er jedoch Paris wieder, um als Hofkupferstecher und Lehrer an der Akademie nach Berlin überzusiedeln. Seine Vaterstadt hat Schmidt nur noch einmal für einige Jahre (1757 17^*) verlassen, um in Petersburg Bildnisse zu stechen und eine Schule zu gründen. In Berlin ist er im Jahre 1775 gestorben.

Schmidts glänzendste Leistungen sind die Arbeiten seiner Pariser Jahre geblieben. Schnell hatte er hier die höchste Höhe technischer Meisterschaft erreicht und in der sympathischen, anregenden Umgebung nach den vortreff- lichen Werken der französischen Maler mit ganzer Liebe und mit jugendlichem Enthusiasmus schaffen können. Schmidt folgt nicht der malerischen Richtung der Watteaustecher, auf die ihn sein Lehrer und seine ersten Vorbilder hätten führen können, sondern dem streng linearen Stil, den die Drevet aus Edclincks Meistertechnik sich gebildet hatten. Wie sie bleibt er bei der klaren, regelmässigen Linie und sucht die Plastik der Formen und die Eigenart der Stoffe allein durch die Mannigfaltigkeit der Liniengruppierungen, ihrer Biegungen und Stärkegrade wiederzugeben. Seine Strichbildung ist im allgemeinen viel dünner und zarter als die fast aller französischen Grabstichelkünstler. Er bewahrt trotz- dem eine viel grössere Freiheit und Breite der Töne als Wille, besonders ver- meidet er den harten Mctallglanz, der in Willes Stichen oft störend wirkt. Obwohl seine Liniensysteme in langen Taillen breit und einheitlich durchge- führt sind, so ist doch jede einzelne Form nach ihrer Art und Farbe selbständig behandelt. Die farbigen Gegensätze, alle Details der Form sind höchst ge- schickt zur Belebung der Flächen ausgenützt. Er ist dabei immer geschmack- voll und verliert die Begeisterung für sein Werk auch bei der stärksten tech- nischen Geduldsprobe nicht. Seine Bildnisse bewahren so die Lebensfrische und die farbigen Reize der Originale vollkommen.

Am Hofe Friedrichs des Grossen blieb Schmidt in der Einflusssphäre der französischen Kunst. Des Königs Hofmaler Antoine Pesne lieferte ihm Vor- bilder, die denen der Pariser Grossen durchaus gleichartig und zum Teil auch gleichwertig waren. Schmidt scheint in seinen Berliner Arbeiten die Effekte et- was zu verstärken und den blendenden Glanz seiner Technik mehr zur Geltung bringen zu wollen als in den diskreter und harmonischer behandelten Pariser Werken. So zeichnen sich z. B. das Selbstbildnis des Malers Pesne

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(i75*)» ^ie Porträts des Königs und der Königin vonPolen durch besonders farbensatte Schattentiefen und durch glänzende Stoff- lichkeit aus. Eine seiner ersten Berliner Arbeiten ist das kleine Bildnis des Königs von 1746 (Wesscly 41 s. Abb.). Im Laufe der Jahre hat er die Bildnisse einer ganzen Reihe von Per- sönlichkeiten der Ber- liner Gesellschaft ge- stochen, f ahrend seines fünfjährigen Aufent- haltes in Petersburg ent- standen ausser den Bild- nissen der Kaiserin mehrere andere, wie die des PeterSchu walow, des Grafen Woronzow und des Generals Cyrill Rosumowsky.

Schmidt ist durch- aus ein technisches Ta- lent. So unfehlbar rich- tig und feinfühlig er die gemalten Formen in Linien aufzulösen weiss,

so unsicher, fast hilMos bewegt er sich bei der W iedergabe der Natur. Seine Schwäche als selbständiger Zeichner scheint er aber nicht gefühlt zu haben, denn in der letzten Zeit seines Lebens hat er sich vorwiegend mit der Radierung und

Georg Friedrich Schmidt

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Bildnij König Friedrichs II, von Preußen.

mit Illustrationen, bei denen er auf die eigene Erfindung und Beobachtung an- gewiesen war, beschäftigt. Seine Titelbilder und Vignetten zu den Poesien Friedrichs des Grossen (17Ä0) und für die grosse Ausgabe der „memoircs pour servir ä l'histoire de Brandcbourg" (1767) suchen vergeblich die leicht an- deutende, den Inhalt nachklingen lassende Darstellungsweise und den duftigen Radierungsstil der Franzosen nachzuahmen. Hierin ist der Berliner Meil jenen Meistern viel näher gekommen. Schmidts Radierungen können seine Gewöhnung an die Linienmanier nicht verleugnen. Die Begeisterung für Rembrandt führt ihn auf den wenig glücklichen Gedanken, Gemälde des Meisters und seiner Schüler in der Manier ihrer Radierungen zu reproduzieren. Er hat es sogar versucht, eine unvollendete Platte von Rembrandt (B. 150), die er in seinen Besitz gebracht hatte, fertig zu stellen. Er erreicht eine gute Gcsamthaltung der Töne und eine ansprechende Bild Wirkung, aber auch seine besten Blätter, wie die Judenbraut und Simson bleiben trocken und kalt, kleinlich in der Schraffierung und ohne Feuer und Kraft der Töne. Man möchte meinen, er habe überhaupt nie andere als schwache Abdrücke von Rembrandts Radierungen gesehen. Seine Technik erinnert auch meist viel mehr an Vliet oder höchstens an Bol und Livens als an den Meister selber. Auch nach Gemälden Dietrichs hat Schmidt einige Blätter ausgeführt. Seine Radierungen nach eigenen Er- findungen sind noch weniger erfreulich. Zu seinen besten Leistungen dieser Art gehören einige Bildnisse, z. B. die des Grafen Algarotti, des Grafen Schuwalow und das seiner Gattin (s. Abb.). Das bekannte Selbstbildnis, in dem der Künstler sich vor seinem Zeichenpult am Fenster sitzend dargestellt hat, gibt eine lebendige Anschauung von dem sympathischen Wesen des klugen und tüchtigen Mannes, der in der Zeit der Unfruchtbarkeit der deutschen Kunst hohes Ansehen zu verschaffen gewusst hat.

In den alten Heimstätten deutscher Kunst im Süden, in Augsburg und in Nürnberg, war der französische Einfluss schon am Ende des XVII. Jahrhunderts herrschend geworden. Die strebsameren Künstler suchten an der Quelle selber die Belehrung zu gewinnen. Wille ist in Paris zahlreichen deutschen Stechern ein liebevoller Helfer und ein erfolgreicher Lehrer geworden. Von den deutschen Stechern, die sich in Italien heimisch gemacht und dort einen bedeutenderen Wirkungskreis gefunden haben, von Joseph Wagner in Venedig und von Joh. Jacob Frey in Rom, ist schon oben die Rede gewesen.

Ein Schüler Willes ist Johann Georg Prcislcr (1757— 1808), der bc-

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deutendste der zahlreichen Künstler dieser Nürnberger Kupfcrstechcrfamilic, die an mehreren der grossen Gallericwerkc dieser Zeit beteiligt sind und auch als Porträtstecher Beachtung verdienen. Auch in Wien ist ein Schüler Willcs, Jacob Mat- thias Schmut- zer (1733 bis 181 1), der

Stammvater mehrerer Gene- rationen von Stechern gewor- den. Er ahmt Willes Technik nach, ohne sein feines Kunstge- fühl oder seinen Geschmack zu besitzen. Seine Bildnisse, wie die der Kaiserin Maria Theresia und des Grafen Kaunitz, und sei- ne Stiche nach Rubens, denen er seinen Ruhm verdankt, sind technisch tüch- tige Arbeiten,

aber im Grunde nur eine Häufung stccherischcr Effekte ohne Gesamthaltung. In Leipzig arbeitet Johann Friedrich Bausc (1738 18 14), der sich auto- didaktisch an den Werken Willes und Schmidts zu einem trefflichen Porträt- stecher herangebildet hatte, und der uns viele der literarischen Berühmtheiten, meist nach Gemälden von Anton GrafF, in treuen und schlichten, freilich auch etwas hausbackenen Bildnissen überliefert hat.

Georg Friedrich Schmidt. Bildnis seiner Gattin. Wessel)- lor.

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Der vorzüglichste deutsche Meister des Grabstichels neben Georg Friedrich Schmidt ist der Begründer der Stuttgarter Kupferstecherschule Johann Gott- hard von Müller (1747 1830), auch er ein Schüler Willcs. In seinen besten Werken, den Bildnissen Ludwigs XVI. nach Duplessis, Louis Galloches nach Tocquc, Dalbergs nach Tischbein, dem Selbstbildnis der Elis. Vigec- Le Brun und in seiner Schlacht von Bunkershill nach Trumbull behandelt er die französische Grabsticheltechnik mit einer wohltuenden Weichheit in der Model- lierung des Fleisches. Den streng linearen Klassizismus, der in Gotthard von Müllers späteren Werken, besonders in seiner Madonna della Scdia herrscht, hat sein hochbegabter, früh verstorbener Sohn Friedrich Wilhelm Müller (1781 1 8 1 6) bis in seine äussersten Konsequenzen verfolgt. Sein Stich nach RafFaels sixtinischer Madonna hat in Deutschland lange fast dieselbe Autorität als Meisterwerk der Technik und als Vorbild genossen, wie Raffacl Morghcns berühmteste Werke. Zahlreiche mehr oder minder technisch geschickte und geschmackvolle Kupferstecher haben neben und nach ihm mit staunenswertem Fleiss und mitleidenerregender Geduld sich gemüht, malerische Formen durch ein künstliches Geflecht sauberster Grabstichellinien in marmorkalte Plastik zu verwandeln. Kein Wunder, dass dies rein technische System im Verein mit aka- demischer Einseitigkeit de« Kunsturteils jede Ursprünglichkeit der Auffassung und die Wärme der natürlichen Empfindung vernichteten. Im Kultus der schattenhaften Linie ging man so weit, sich bei der Wiedergabe von Kunst- werken für wissenschaftliche Zwecke mit einfachen Umrisszeichnungen zu begnügen.

Käme es nur auf die Masse der Erzeugnisse an, so könnte das XVIII. Jahr- hundert als eine Blütezeit der deutschen Radierung angesehen werden. Viele arbeiten und die Vielen vieles, oft mit ernstem Wollen und eifrigem Streben. Aber das Niveau bleibt niedrig, so dass sich oft die Grenzen zwischen dem Künstler und dem Dilettanten, in der Qualität wie auch in der Schätzung der Leistungen, verwischen. Ursprüngliche Kraft und Schwung der Phantasie fehlen auch den tüchtigsten und verdienstvollsten deutschen Meistern der Radierung von Elsheimer bis zur Zeit der Romantiker. Von der genussfrohen, fran- zösischen Rokokograzie hat die deutsche Kunst sich nur den Zopf gerettet. Nur selten erquickt den Betrachter dieser mühseligen Anstrengungen, sich über die unselbständige MitteJmässigkeit zu erheben, ein Zug liebenswürdiger Frische,

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humorvoller Selbstbespiegclung und intimer Milieuschilderung oder bescheidener Freude an zierlichem Schmuck.

In Augsburg hat sich der Schlachtenmaler Georg Philipp Rugendas (1666 1743) mit seinen Sühnen und anderen Familienmitgliedern mit der Radierung beschäftigt. Er ist, da er eben wesentlich Nachahmer war, wie viele andere nur Fortsetzer der Kunst des XVII. Jahrhunderts. Cerquozzi, Bour- guignon und Tempesta sind hauptsächlich seine Vorbilder gewesen. Als Maler hat er lange nicht geringes Ansehen genossen. Seine Radierungen sind in einer veralteten, reizlosen Technik ausgeführt. Die schweren, grossen Figuren des ersten Planes kontrastieren mit den dünnen, zarten Hintergründen. Selbst seine nach der eigenen Anschauung radierten Bilder von der Belagerung Augsburgs im Jahre 1 704 zeigen die verletzende Materialität seines Stils und eine grosse Eintönigkeit der Motive. Seine „capricci", seine Gruppen und Figuren von Kriegern zu Ross und zu Fuss, im Kampf und in der Ruhe bringen wenig Ori- ginales zu der Nachahmung der Typen Baurs und Courtois' hinzu und sind auch in der Komposition kaum weniger konventionell. Seinem unermüdlichen Eifer fehlt der Erfolg, die zündende Wirkung der Handlung und die Feinheit der Technik. Rugendas hat auch Blätter in Schabkunst ausgeführt und andere, in denen die kräftige Umrisszeichnung mit Schwarzkunst schattiert sind. Unter seinen Söhnen hat besonders Johann Christian Rugendas sich der Ver- vielfältigung der Kompositionen des Vaters eifrig gewidmet. Er führt die Darstellungen meist in Umrissradierung mit Schabkunstschattierung und mit einer zweiten Schabkunsttonplatte in Ockerfarbe aus.

Feinerer künstlerischer Geschmack wird ebensowenig wie an diesen Arbeiten der Rugendas an den meist sehr überschätzten Leistungen ihres Landmannes Johann Elias Riedinger (1695 oder 1698 1767) Befriedigung finden. Sein Darstellungsgebiet ist die Tierwelt, vornehmlich die jagdbaren Tiere, die er mit Leidenschaft beobachtet und mit unermüdlichem Eifer dargestellt hat. Man darf nun allerdings nicht ausser Acht lassen, dass Riedingers Interesse wesent- lich ein fachmännisches, gegenständliches und seine Absicht mehr eine lehrhafte als eine künstlerische gewesen zu sein scheint. Der Tierfreund soll aus seinen Radierungen die verschiedenen Vicrfüssler in ihrer Eigenart kennen lernen, der Jagdlicbhaber Belehrung über die Formen, die Gewohnheiten des Wildes ge- winnen. So fehlen unter den Bildern fast nie die nötigen Erläuterungen und Angaben, die schematische Darstellung der Spuren der einzelnen Tiere oder Verse

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des Dichters Brockes. Aus diesem ihrem Charakter erklärt sich die grosse Beliebt- heit, die sich die 1300 Blätter Riedingers, vornehmlich seine Jagdbilder, die „Fürstcnjagdlust", die „Par-forcc Jagd der Hirschen", die „Abbildungen jagd- barer Tiere mit beigefügten Fährten" bis in unsere Zeit bewahrt haben. Durch künstlerische Vorzüge in der Zeichnung der Tiere und der Umgebung, und in der technischen Ausführung würde sich die hohe Schätzung seiner Werke nicht rechtfertigen lassen. Uebrigens hat Riedinger ebenfalls einen Teil seiner Kompositionen in Schabkunst ausgeführt.

Die Einheitlichkeit der Gegenstände und des Stiles, die man vielleicht als einen Vorzug der Arbeiten der Rugendas und Riedinger ansehen könnte, fehlt den anderen süddeutschen Radierern fast durchgehends. Sie schwanken zwischen der Nachahmung verschiedener Vorbilder hin und her, ohne einen eigenen, charakteristischen Stil ausbilden zu können.

Die Landschaften des Müncheners Joachim Franz Bcich (1Ö65 1748) in der Art JanBoths, Salvator Rosas und Poussins sind schon oben erwähnt worden. Ferdinand Kobell (Mannheim 1740 1799 München), ein Schüler Willes, ahmt in seinen Genrefiguren und Landschaften die niederländischen Stecher nach, in erster Linie Evcrdingen, dann auch Ruisdael und Waterloo. Seine Be- handlung der Formen, besonders des Baumschlags und der Wolken ist kleinlich und schwer, aber sehr zierlich und fein abgewogen in der Beleuchtung. Vor- nehmlich in seinen deutschen Landschaften trifft er oft einfache, klangvolle Akkorde reiner, friedlicher Stimmung. Er hat auch in Aquatinta gearbeitet. In gleicher Richtung bewegen sich Franz und Wilhelm v. Kobell und Jo- hann Georg von Dillis. Etwas selbständiger ist Franz Edmund Wei- rotter (Innsbruck 1730 1771 Wien), ebenfalls ein Schüler Willes. Er hat nur einige von seinen z 1 4 Radierungen nach van Goyen oder van der Neer ausgeführt, der grösste Teil seiner Landschaften ist nach der Natur gezeichnet, allerdings auch im Stile der Niederländer. Anziehende Motive sind mit Sorg- samkeit, Geschick und Geschmack zu feinen Bildchen zusammengearbeitet, in denen wohl reizvolle Einzelheiten interessieren, die aber doch zu wenig leicht und natürlich sind, um den Beschauer erwärmen zu können. Nur als Werke einer malerischen Berühmtheit mögen die Radierungen der anmutigen Schwei- zerin Angelica Kauffmann ( 1 741 1807) Erwähnung finden. An sich sind sie zeichnerisch und technisch nichtssagend. Die allegorischen und mytho- logischen Gestalten, die „Allegra", die „Penserosa", die Hebe, und Juno zeigen

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nicht einmal die weichliche, sentimentale Lieblichkeit ihrer Gemälde. Interesse können höchstens die Bildnisse Winckelmanns erregen.

Eine eigene poetische Stimmung hat unter den zahlreichen süddeutschen Radierern nur Salomon Gessner (1730 1 788), der liebenswürdige Züricher Idyllendichter, seinen Landschaften und Vignetten zu geben vermocht. Zeich- nerisch und technisch sind Gessners Radierungen kaum mehr als dürftige Dilet- tantenarbeiten, aber es ist ihnen eine natürliche Anmut eigen, die einer gewissen Originalität der Naturbeobachtung entspringt. Nicht eigentlich der Radierer

Salomon Gessner. Landschaft. Aus den Contes moraux et nouvellcs td)Ues. 177J.

als solcher ist interessant, sondern seine ganze künstlerische Erscheinung. Gessner ist ganz Autodidakt und hat seine Kunst haupts'ächlich in der Illustration seiner eigenen Schriften geübt. In den drei Folgen der Landschaften grösseren For- mates macht sich die Schwäche der Formgebung meist allzu störend bemerkbar. Sein Bestes gibt Gessner in den kleineren Landschaften (s. Abb.) und in den Vignetten und Ornamenten mit spielenden Putten (s. Abb. S. 547.). Der Arkadismus seiner Poesie und seiner Kunst neigt, im Gegensatze zur französischen Schäfcridylle, der Antike, horazischer Stimmung zu und bewahrt immer sinnliche Lebendigkeit und einen leichten Anflug von Humor. Von den Formen des Rokoko geht er zum Klassizismus über und findet aus der Nachahmung

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Waterloos, Berchems, Claudes und Poussins den Weg zum Ausdrucke des eigenen frischen Naturempfindens. Er besitzt nicht die Formenkenntnis, die Geschick- lichkeit und Grazie französischer Dilettanten wie Saint-Non, dem er in der Technik nahe zu kommen sucht, aber in seiner glücklichen Unkenntnis des Konventionellen mehr Unbefangenheit der Auffassung.

Einen starken Gegensatz zu dem dilettantischen, aber frisch zugreifenden Gessner bildet der routinierte Techniker Christian Wi IhclmErnstDictrich, oder Dietericij, wie er sich zu nennen liebte (171z 1774), der hervor- ragendste Maler-Radierer des Dresdener Ktlnstlerkreiscs. Sein keineswegs un- bedeutendes Talent erschöpft sich aber in der Nachahmung der Manieren alter Meister, vornehmlich Rcmbrandts, Ostadcs, Everdingens, Boths usw. Auch wo er unmittelbar nach der Natur zu arbeiten scheint, wie in einigen Land- schaften und Tierstudien, sieht er mit ihren Augen und stellt die Dinge in ihrer Art zurecht. Seine radierten wie seine gemalten Bildchen setzt er in der gleichen geschickten Weise aus entlehnten oder nachgeahmten Motiven zu- sammen. Er zeichnet sehr sicher und radiert in zarter Strichführung und mit feinster StofFbehandlung. Dietrichs studierten Imitationen, die das Publikum, dem die Originale meist nicht bekannt waren, damals entzückten, fehlt die frische Lebendigkeit, die nur aus der Freude der eigenen Beobachtung fliesst, und der Humor des Miterlebenden. Dabei besitzt Dietrich nicht einmal ein wirkliches Verständnis für seine Vorbilder; einzelne Landschaften, besonders aber das grössere Blatt, Christus die Kranken heilend, in denen er mit Rem- brandt zu wetteifern wagt, zeigen recht deutlich, dass er nur die äussere Mache, die Effekte ihm abgesehen und übertrieben hat.

In Dresden arbeiten als Radierer auch der Sachse Johann Eleazar Zeissig (1740 1806), der sich nach seinem Geburtsorte Schenau nannte und, wie man sagt aus Bescheidenheit, seine Radierungen unter dem Namen „Heimlich" herausgab, und der Schweizer Adrian Zingg (17)4 18 16), beide Schüler Willcs, Christian Friedrich Stölzel (175 1 181 5) und der Dilettant und Akademiedirektor Christian Ludwig von Hagedorn (17 17 1780), die zum Teil recht ansprechende, aber wenig bedeutende Land- schaften, Genreskizzen, Buchillustrationen und dergleichen radiert haben. Wegen seiner Beziehungen zu Goethe darf Adam Friedrich Oescr (1717 1799) nicht vergessen werden.

In der Dürftigkeit des künstlerischen Schaffens in Deutschland erringt sich

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Berlin eine verhältnismässig bedeutende Stellung. Von den Radierungen Georg Friedrich Schmidts, des vorzüglichsten deutschen Stechers im XVIII. Jahrhundert, ist schon gesprochen worden. Die widrigen Verhältnisse, der Mangel eines Mittelpunktes den die Akademie in ihrem damaligen Scheindasein nicht bieten konnte verhindern den Zusammenschluss der kleinen Künstlergemeinde und den fördernden Austausch. Es fehlt auch die Persönlichkeit, von der eine riefergehende Anregung hätte ausgehen können. Unter den berufsmässigen Radierern, die in der aufstrebenden Stadt ein nicht ungünstiges Arbeitsfeld fanden, bringt es keiner über die gute Mittelmässigkeit hinaus.

Da war zunächst der Maler Christian Bernhard Rode (17z 5 1 797), Pesnes Schüler, der in Paris und in Italien studiert hatte, aber nichts als einen schwülstigen, impotenten Manierismus mit nach Hause gebracht hatte. Seine biblischen und historischen Darstellungen wirken in ihren leeren Posen und in ihrer weichlichen, ungeschickten Formgebung fast lächerlich. Für seine Technik scheint er sich besonders Castiglione, mit dem er auch die Vorliebe für Tiere gemein hat, und vielleicht auch Tiepolo zum Muster genommen zu haben. Unter seinen etwa 5 00 Radierungen besitzen nur die niedlichen Putten, einzelne kleine mythologische Genreszenen, mehrere Bildnisse und dann die Masken sterbender Krieger nach Schlüter einen gewissen künstlerischen Wert.

Als Techniker ist Johann Wilhelm Meil (1 73 z 1 805) neben Schmidt der vorzüglichste Berliner Radierer. Er bewegt sich mit voller Freiheit und mit Geschick in den Formen des französischen Illustrationsstiles und kommt in ein- zelnen Arbeiten, besonders in seinen geschmackvollen und farbig feinen Vi- gnetten und Titelblättern Gravelot und ChofFard sehr nahe (s. die Initialen S. V und 5 $ z). In seinem reichen Werke von über 1 000 Blättern nehmen Ornament- stiche nach eigenen und fremden Entwürfen einen breiten Raum ein. Vom Rokokostil geht er der Mode folgend zum Klassizismus über und nimmt an den Illustrationen von Kalendern, Almanachen usw. mit Eifer und Geschick teil.

Es ist charakteristisch für die deutschen Kunstzustände dieser Zeit, in der der Zwang der Nachahmung Hand und Geist lähmte, dass es, ähnlich wie im Süden Salomon Gessncr, auch in Norddeutschland ein Autodidakt ist, der es, wenn auch in bescheidenen Grenzen, zu einer Originalität der Betrachtung und der Darstellung zu bringen vermag. Daniel Chodowiecki (geb. in Danzig 1716, gest. in Berlin 1801) hat sich mühevoll auf eigene Faust seinen Weg zur Kunst suchen müssen und hat sein Leben lang mit seiner mangelnden

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künstlerischen Vorbildung zu kämpfen gehabt. Dafür bewahrt er seine Unab- hängigkeit von der Konvention und die volle Unbefangenheit der Natur- anschauung. Während er seine Emaillen und Miniaturen, mit denen sich ganz allmählich seine kaufmännische Tätigkeit in eine handwerklich-künstlerische verwandelt, nach französischen Vorbildern, nach Kompositionen von Watteau, Lancret, Chardin, Moreau, Eisen mühselig zusammenschweisst, strebt sein sehn- suchtsvoller Wunsch nach dem höchsten Ruhm des „Historienmalers". Seine ehrliche, kritische Natur und sein gesunder Sinn für die Realität führen ihn sicher an beiden gefahrvollen Klippen vorbei. Sein selbständiges Talent be- wahrt ihn davor, sich in der Nachahmung französischer Vorbilder zu verlieren, seine Selbsterkenntnis veranlasst ihn, auch nach nicht unbedeutenden äusseren Erfolgen, die Versuche in der Malerei grossen Stils aufzugeben. Sein guter Genius und das Glück führen ihn zur rechten Zeit auf das Gebiet, auf dem seine Begabung allein zur Geltung kommen konnte, auf die Schilderung seiner un- mittelbaren Umgebung.

Chodowiecki ist kein Maler, er ist auch nur in beschränktem Sinne ein Künstler. Ihm fehlt es nicht nur fast vollständig an Phantasie, sondern auch an der Fähigkeit und Schulung, die Form in ihrem Wesen und in ihrer Aktion zu erfassen. Grössere Figuren und ausgedehntere Kompositionen misslingen ihm fasst immer; er bleibt steif und ungeschickt, wo er sich Vorgänge in der Phantasie konstruieren muss. Er vermag nur unmittelbare Eindrücke, nur das in seinem Kreise körperlich geschaute Leben wiederzugeben. Hier zeigt er aber eine ausserordentliche Schärfe der Beobachtung, Delikatesse der Empfindung und technische Subtilität der Darstellung. Chodowiecki fehlt jeder Schwung, die grossen Ereignisse seiner Zeit berühren ihn nicht, er ist und bleibt ein Spiess- bürger unter seinen Mit-Spiessbürgern, nüchtern und kleinlich, aber gerade deswegen der treueste und liebenswürdig selbstgenügsamste Schilderer seiner Umgebung, den je eine Zeit gefunden hat.

Ihn und seine Kunst charakterisiert vorzüglich das Meisterwerk seiner feinen Nadel, das „cabinet d'un peintre" (1771). Von der Arbeit aufblickend beobachtet der Künstler seine Frau und seine Kinder, die traulich um den Familicntisch versammelt sind. Das ist seine Welt! Seine eigentlich künst- lerische Tätigkeit nimmt auch von gezeichneten Skizzen aus seiner Familie und Freundschaft ihren Ausgangspunkt. Erst 1757 beginnt er, auch hierin fast Autodidakt, seine Versuche in der Radierung, mit Darstellungen aus dem Leben,

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z. B. der russischen Gefangenen, der türkischen Gesandtschaft in Berlin, den beiden Schwestern Quantin usw. Seit Ende der sechziger Jahre findet seine Radierkunst ausgedehntere praktische Verwendung für die Buchillustration, so dass von nun an seine Tätigkeit durch die Radierung und durch die Zeichnung für den Stich fast vollständig in Anspruch genommen wird.

Chodowiecki ist der einzige, der in die sonst ganz von französischen Vor- bildern abhängige deutsche Buchillustration einen nationalen und volkstümlichen Zug zu bringen versteht. Freilich boten nun auch die Literatur und die philantropischen Be- strebungen dieser Zeit, der wir so viel ver- danken und so wenig danken, dem sinnigen Künstler vielfältige neue Anregungen. Kalen- der, Almanache und andere derartige Taschen- büchlein, die das praktische Bedürfnis vielen in die Hand brachte, wurden nun wichtige Ver- mittler der neuen Literatur und der neuen Ideen durch Wort und Bild.

Das kleine Format der Kalender, wie über- haupt der meisten damals gedruckten Werke der schönen Literatur war Chodowieckis Talent besonders günstig. Der grosse Beifall, den seine ersten Kalenderkupfcr zu Lessings Minna von Barnhelm (1770, s. Abb.) fanden, machten ihn schnell zum gesuchtesten deutschen Illustra- tor. Die Schärfe und Einfachheit seiner Charak- terisierung der Personen und ihres Wesens, die Präzision und Sauberkeit der Zeichnung und die Feinheit seiner zarten Nadelarbeit bewundert man am herzlichsten in den kleinen Schilderungen aus dem Leben, die für uns nicht ohne Humor sind, und in den „Randcinfällcn", den auf den Rand der Platte skizzierten Figürchen und Grup- pen, die dem Künstler während der Arbeit gerade in den Sinn kamen, und die vor der Zurichtung der Platte für den Gebrauch ausgcschliffcn wurden. Besonders reizvoll sind die Illustrationen zu Nicolais „Sebaldus Nothankcr" C 1 77 3)' Iu Gessners Idyllen (177J), Gellerts Fabeln (1775), zum „Blaise Goulard" von Lc Noble (1776), die Folgen der Heiratsanträge, der natürlichen

Daniel Chodowiecki. Illustration zu Lctsingi Minna von Barnhclm.

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und affektierten Handlungen, dann die Bilder aus dem Leben eines Liederlichen (1774) und eines schlecht erzogenen Frauenzimmers (1780), in denen ihn allerdings die moralisierende Tendenz etwas zu Ucbertreibungen verleitet hat. Wenig glücklich sind die historischen Darstellungen, wie die Geschichte der Kreuzzüge und andere Illustrationen ihm fernstehender Stoffe, wie zum Don Quixote und zum rasenden Roland. Seine grösseren Blätter, wie die venig lebendige Darstellung Friedrichs II. auf der Wachtparade, Ziethen vor dem

Könige sitzend und bei der Tafel schlafend, dann die „Zelten", haben meist nur ein histo- risches und lokales Interesse.

Diskret und geschmackvoll wie die Interieur- schildcrung ist auch Chodowicckis Ornamentik, die in zahlreichen Büchertitcln und Vignetten bescheidene Erfolge erzielt. Die künstlerische Qualität der Arbeiten dieses eigenartigen Mannes hängt wesentlich von seinem persön- lichen Verhältnis zum Gegenstande ab. Die Sorgfalt und die Feinheit der technischen Ausführung bleibt bis zum letzten seiner Z075 Blätter die gleiche. Mit ihren dünnen Aetz- linien und der zarten Nadelretusche entbehrt seine Technik der Pikanterie und des stofflichen Raffinements des französischen Stils, sie passt aber vortrefflich zu der ehrlichen Schlichtheit seines Vortrages und bringt es zu Raum- und Lichtwirkungen von überraschender Wahrheit und Delikatesse.

Seiner ganz beschränkten und bescheidenen Natur nach war Chodowiecki nicht der Mann, Schule zu machen. Berlin war auch nicht der Ort, an dem sich bedeutendere Talente hätten entwickeln können. Wer höher strebte, ging damals nach Italien, um sich dort an den alten Meistern und an den heroischen Landschaftsbildcrn zu begeistern, wie Johann Philipp Hacke rt (1737 1807) und sein Bruder Georg Abraham (1755 1805) es taten, die freilich trotzdem in ihren Landschaftsradierungen über die Nachempfindung Poussins nicht hinauskommen konnten. Chodowieckis Bruder Gottfried und

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sein Sohn Wilhelm sind nicht mehr als seine Gehilfen gewesen. Ebensowenig besitzen die idyllischen Landschaften seine» Verwandten Karl Wilhelm Kolbe (1757 1835) grösseren Kunstwert. Nur für Daniel Berger (1744 '8*4) ist der Einfluss Chodowieckis von einiger Bedeutung gewesen. Wie sein Schüler Johann Friedrich Bolt (1769 1 8 3 6), hat er ziemlich unselbständig Illustrationen nach Chodowieckis Zeichnungen und in seiner Art, Reproduktionsstiche nach zeitgenössischen Gemälden und wenig hervorragende Bildnisse angefertigt.

Berger und Bolt haben auch eine Reihe hübscher Stiche in Bartolozzischcr Punktiermanier gearbeitet. Diese Technik hat überhaupt, besonders wegen ihrer leichten Verwendbarkeit für farbige und mehrfarbige Drucke in Deutsch- land damals viel Anklang gefunden. Georg Sigmund und Johann Gott- lieb Facius aus Regensburg und besonders Heinrich Sintzenich aus Mannheim (1752 1812) ausser vielen anderen haben einzelne sehr an- sprechende Arbeiten, Reproduktionen und Bildnisse in dieser Technik ge- liefert. Auch die Schabkunst und die Aquatinta wurde von vielen der genannten deutschen Stecher und Radierer gelegentlich, aber ohne grossen Erfolg in An- wendung gebracht.

Salomon Gestner Aui den Contes moraux et nouvelles idy lies. 177}.

ir

Johann Georg Ungcr, nach Mal

DER HOLZSCHNITT IN DEUTSCHLAND.

^£3^ AS regere Interesse für künstlerische Illustrierung und Ausschmückung der Bücher, das in erster Linie dem Kupferstich zu gute kam, gibt (f f J) auch dem Hollschnitt, der seit dem XVII. Jahrhundert als Kunst " ')is>^ kaum mehr in Betracht kommt, wieder einen neuen Anstoss. Der -^LZw&sSl- Mann, der in Deutschland mit der alten Technik zuerst wieder höhere künstlerische Anforderungen zu befriedigen versucht hat, Johann Georg Unger (geb. zu Goos bei Pirna 1715, gest. zu Berlin 1788), war von Beruf Buch- drucker. Er beginnt damit, für den Bedarf der Druckereien, in denen er tätig ist, Initialen und Verzierungen in Holz zu schneiden und gelangt nach und nach, unermüdlich an der Vervollkommnung seiner Technik arbeitend, zu Leistungen von künstlerischer Sauberkeit und Rundung. Es handelt sich für ihn als Techniker zunächst wesentlich um die technische Aufgabe, da wo das Bild mit dem Typensatze abgedruckt oder in grossen Massen vervielfältigt werden soll, den Kupferstich wieder durch den billigeren und typographisch ungleich ergiebigeren Holzschnitt zu ersetzen. Er beschränkt sich deshalb auch meist darauf, Kupferstiche in Holzschnitt zu kopieren, und zwar sind es vornehm- lich die Blätter des Berliner Stechers Joh. Wilh. Meil, die er sich zu Vorbildern nimmt. Etiketten für die Tabaksmanufaktur gaben ihm, seit er sich aus- schliesslich der Holzschneidekunst gewidmet hatte, neben Ornamenten und kleinen Bildchen für Kalender und andere Bücher einen dürftigen Broterwerb (s.Abb.) Nur selten wagte ersieh angrösscrcKompositionen.wicinden fünfGcnrc- darstcllungcn nach Meil, die er 177p herausgab. Ungcr ist in der Ornamentik weniger fein, im Figürlichen aber viel geschickter und geschmackvoller als Papillon, mit dem er technisch manche Berührungspunkte aufweist.

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Johann Georgs Sohn und Schüler Johann Friedrich Gottlieb Unger (1753 1804) arbeitet mit Eifer und Pietät an der Vervollkommnung der Technik, die er später als Lehrer an der Berliner Kunstakademie weiter zu ver- breiten berufen wurde. Auch er nimmt sich hauptsächlich Kupferstiche von Mcil zu Vorbildern und sucht dabei die dem Holzschnitte eigene Kernigkeit der Linie und Kraft der Töne zur Geltung zu bringen. Seine eigene Zeichenkunst, die er öfters in Bildnissen, Vignetten und Illustrationen zeigt, ist recht dürftig. Auch sein Verdienst liegt nur im Technischen, in der Sauberkeit und Sorgfalt der Ausführung und in der Abstufung der Töne vom kräftigen Vordergrunde zum matten, offenbar durch Beschaben des Holzstockes tiefer gelegten Hintergrunde. Unger der Jüngere hat auch Versuche im Farbendruck gemacht, z. B. in dem Medaillonbildnis des B. Chr. Breitkopf, das mit drei bräunlichen Tonplatten in eine grün überdruckte Umrahmung eingepasst ist.

Die beiden Unger und auch ihre unmittelbaren Nachfolger wie Joh. Chr. Friedrich und Friedrich Wilhelm Gubitz, der später Lehrer an der Akademie wurde, schneiden noch in der alten Weise mit dem Messerchen in Langholz. Der moderne Ton- Holzstich, der mit dem Stichel in Hirnholz arbeitet, und der zuerst in glänzender Weise von Unzelmann in Menzelschen Illustrationen verwendet worden ist, scheint in Deutschland erst durch die englischen Vorbilder, vor allem durch Bewicks Arbeiten, Eingang gefunden zu haben. Doch ver- dankt der deutsche Holzschnitt, besonders der volkstümliche Illustrationsstil, der sich an Ludwig Richters Meisterwerken entwickelte, dem Beispiel der Unger ohne Zweifel wertvolle technische Anregungen. Sie sind jedenfalls die ersten, die die alte Kunst durch ihre hingebende Begeisterung wieder zu Ehren ge- bracht haben.

DER KUPFERSTICH IN ENGLAND.

IS in das XVIII. Jahrhundert lebt die englische Kunst fasst aus- schliesslich von fremden Anlehen. Im XVI. Jahrhundert geht von Hans Holbein das Licht aus, das aber in dem künstlerischen Dunkel Englands nur einen schwachen Wiederschein erweckt. Dann haben die beiden Hogenbergh, Crispin de Passe und besonders Wenzel Hollar hier glänzende Erfolge errungen. Die stärkste künst- lerische Anregung verdankt man aber Antonis van Dyck, dessen Kunst das Stilgefühl der Engländer für lange Zeit bestimmend beeinflusst. Passes Nachahmer Rcnold Elstracke, Francis Dclaram, William Rogers, John Paync (geb. um 1607) bringen nur dürftige Leistungen hervor. Als Hollarschüler lernen wir Francis Barlow und C. T. Dudley in den Illu- strationen zu Aesops Fabeln (1666), die sie gemeinschaftlich mit ihrem Meister radiert haben, kennen. William Faithornc (1616 91) strebt durch das Studium der Rubensstecher, aber nur mit geringem Erfolge, nach höheren Zielen. Robert Gaywood (geboren um 1630) ahmt Hollar und Van Dyck nach. David Loggan aus Danzig (gestorben 1 693), der in England eine lebhafte Tätigkeit als Porträtstecher nach dem Leben entfaltet, und sein Schüler R o b e r t White (JÖ45 1704) schliessen sich mehr dem Stil Edelincks an. Ebenso- wenig wie sie bringt es der gleichstrebende George Vertue (London 1684 bis 175 6) zu einer hervorragenderen Stellung im Kunstgetriebe.

Erst im XVIII. Jahrhundert gewinnt die englische Kunst, vor allem die Malerei, eigene, schöpferische Kraft und Selbständigkeit des Stils und der Technik. Nun aber wird das Gebiet der graphischen Kunst so vollständig von der Schab- kunst und dann von der Punktiermanier, dem stipple work, beherrscht, dass für den eigentlichen Kupferstich nur wenig Kraft und Interesse übrig bleibt. Die ausserordentlich hohen Anforderungen, die die Schabkunst, besonders in ihrer glänzenden Entwickelung in England, an die technische Fertigkeit des Künstlers stellt, trägt wesentlich dazu bei, ihre Arbeit auf die Reproduktion von Gemälden zu beschränken. Die Vorliebe des englischen Publikums für geschabte und punktierte Reproduktionen ihrer malerischen Lieblinge zwingt auch die Linienstecher sich diesen Wünschen anzubequemen.

Wenn auch der Kupferstich in England hinter der Schabkunst und der

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Punktiermanier zurückstehen muss, so hat er doch im XVIII. Jahrhundert einige Meister des Grabstichels aufzuweisen, die mit den glänzendsten Vertretern der französischen Technik, die ihre Meister und Vorbilder gewesen sind, in Wett- streit treten können. Sir Robert Strange (17ZI 179t) verdankt seine Ausbildung als Stecher Philippe Le Bas in Paris. In der Art dieses Meisters hat er Wouwermans RQckkehr vom Markte gestochen. In England, wohin er im Jahre 1751 zurückkehrte, widmete er sich hauptsächlich der Wiedergabe von Gemälden italienischer Meister, RafFaels, Tizians, Correggios, Parmigianinos, Guercinos, Domenichinos, Dolces und besonders Guido Renis. Auch nach Van Dyck hat Strange einige vorzügliche Blätter gestochen, z. B. das grosse Bild- nis Karls I mit dem Herzog von Hamilton. In diesen Arbeiten nähert er sich mehr der linearen Strenge Willes. Auch im Lichte sucht er dem Fleische durch zarte Arbeit mit feinen, kurzen Strichen und Punkten einen weichen, farbigen Ton zu geben, um die Glätte der Linien durch die Weichheit der Flächenver- bindung zu mildern und sich dem malerischen Eindruck zu nähern. Die Ge- wänder und die Hintergründe behandelt er freier und kontrastreicher mit vielen Glanzlichtern und starkem Wechsel der Strichlagen.

Luke Sullivan (1705 1771), der vorzügliche Stecher nach Claude Lorrain, Francis Vivarcs (1709? l7%i) und William Woollett (1755 bis 1 7 8 5) sind vornehmlich als Landschartsstecher geschätzt. In seinen englischen Parkansichten und Landschaftsbildcrn nach Hannan, Stubbs (Shooting), Wright (Fishery), Wilson (Niobe) und besonders charakteristisch in der „Solitude" nach R. Wilson hat Woollett, der bedeutendste der drei gleichstehenden Künstler, eine eigenartige englische Auffassung der Naturdarstellung zur Geltung gebracht. Die freie, malerisch leichte Strichführung, die in geschicktester Weise Aetzung mit Grabstichelarbeit verbindet, gibt den Formen eine gewisse Schärfe und Härte, der Atmosphäre eine kühle, oft etwas nüchterne Stimmung. Die Gewänder seiner Figuren behandelt er in der Art der Watteaustecher mit farbig schillernden Lichtern, aber in viel kälteren, härteren Tönen. W>ollett hat auch Claude Lorrain etwas anglisiert und eine Reihe von Schweizer Ansichten gestochen. Seme berühmtesten, aber nicht seine besten Werke sind der „Tod des Generals Wolfe" und die „Schlacht von La Hoguc" nach Benjamin West, denen es etwas an Einheitlichkeit der technischen Ausführung fehlt.

Den Höhepunkt der englischen Kupferstichkunst bezeichnet William Sharp (London 1746 1814), der seine Studien bei Benjamin West und bei

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Bartolozzi gemacht hat, der aber doch mit Recht als ein Schöler der Kumt Stranges und Woollctts und als der Vollender ihrer Bestrebungen angeschen wird. Natürlich hat auch er von der Technik der Franzosen sich viel angeeignet. Man könnte ihn wohl Bervic an die Seite stellen. Auch bei ihm ist der Gegensatz zwischen der glänzenden, regelmässig linearen Grabstichelarbeit des Fleisches und der Gewänder zu der freien Behandlung des in kräftiger Radierung ausgeführten Bodens und der Hintergründe auffallend. In seinen Stichen nach italienischen Meistern, z. B. in der h. Cäcüie nach Domenichino und in den vier Kirchenvätern nach Reni ist seine Stechweise von ganz linearer Glätte und Kälte. Die ganze Meisterschaft seiner Technik zeigt er in den Stichen nach Gemälden englischer Künst- ler, vor allem in seinen vorzüglichen Bildnissen. Die grossen, viclfigurigen histo- richen Darstellungen sind die einzigen Gegenstände der monumentalen Kunst, die die Schabkunst dem Linienstich und der Radierung ganz überlassen musste.

Sharp hat seine Lorbeeren deshalb auch vornehmlich auf diesem Gebiete gesucht und gefunden. Die Belagerung von Gibraltar nach Trumbull, Alfred der Grosse, die Landung Karls II. in Dower nach B. West und andere historische Darstellungen von malerischer Wirkung haben wohl mehr zu seiner Berühmt- heit beigetragen als seine künstlerisch vorzüglicheren Bildnisse, die mit den ge- schabten und punktierten Arbeiten einen harten Kampf um die Gunst des Publikums zu bestehen hatten. In den Bildnissen des Dr. Hunter und des Boulton nach Reynolds, des Robert Dundes nach Raeburn, des John Hyde nach Home, des Sir William Curtis nach Lawrence und anderen mehr hat Sharp vor allem die ganze Lebendigkeit des Ausdrucks und der Bewegungen zu bewahren gewusst, dann aber auch die malerische Haltung der Originale. Wenige Meister des Grabstichels haben das lineare System der Schraffierungen mit gleicher Freiheit und Beweglichkeit zur unmittelbaren Wiedergabc malerischer Formen zu verwenden verstanden. Die strengen Linienstecher machten ihm den Vor- wurf, dass er sklavisch den Pinselstrichen des Malers folgte. In der Tat setzt er oft, besonders in der Gewandung, die Töne fleckenhaft nebeneinander wie Pinselstriche. Durch Zwischenlagen feiner Taillen erzielt er Effekte, die an die Rubensstecher erinnern und die Formen ausserordentlich fein detaillieren und farbig beleben. Ueber diese feinen Licht- und Schattentöne geht er dann mit breiten, wellenförmigen Taillen hinweg und sucht alles wieder zu einem ein- heitlichen Tone zusammen zu schliessen. Unter den grossen Linienstechern ist Sharp einer der vorzüglichsten und ein Meister von interessanter Eigenart.

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Ausser anderen, veniger bedcutendenKünstlern wie AbrahamRaimbach (1766 1843) und Francis Engleheart (1775 1849), die besonders Genrebilder nach Wilkie stechen, sind als Kupferstecher auch noch einige Meister der Schabkunst und des stipple work zu nennen, wie Richard Earlom, der in der Art Wagners gestochen hat, William WynncRyland (1752 1 783)1 der Schüler Francois Ravenets, und John Keyse Sherwin (1746 179z). Eine bedeutende Stellung im Betriebe des englischen Kupferstiches hat John Boy d eil (17 19 1804) eingenommen, der, selber ein nicht mittelmässiger Künstler, den Kupferstichverlag in England zuerst in grossem Stil und mit grossem Erfolge betrieb und als sachkundiger und geschickter Auftraggeber auf die Produktion einen grossen Einfluss gewann.

Im Dienste der Malerei, ausschliesslich als reproduzierende Kunst ist der Kupferstich in England zu reicherer Blüte gediehen; er bleibt in Abhängigkeit von der monumentalen Kunst und teilt ihre Schicksale. Die Malerradicrung, die Kunst der Intimität, die nur für sich und für wenige Eingeweihte schafft, konnte sich hier, wo alles mehr als sonst irgendwo für das grosse Publikum und für den indifferenten Kreis der Reichen, auf den Erfolg hin arbeitet, nicht entwickeln. Sie hat im XVIII. Jahrhundert als einzigen bedeutenden Vertreter nur William Hogarth (London 1697 17^4) aufzuweisen. Streng ge- nommen dürfte auch Hogarth nicht zu den Maler-Radierern gerechnet werden, da er fast immer nach seinen ausgeführten Gemälden gearbeitet hat, also in Wirklichkeit nur sein eigener Stecher gewesen ist. Zudem sind wohl auch unter den von ihm bezeichneten und herausgegebenen Stichen viele nur zum Teil oder gar nicht von ihm eigenhändig ausgeführt worden. Die künstlerische Form tritt in seinen Stichen dem Inhalte gegenüber sehr in den Hinter- grund. Man ist so weit gegangen , Hogarth überhaupt nicht als Künstler an- erkennen zu wollen, sondern nur als einen Satiriker und Moralisten, der sich zufällig zum Ausdrucke seiner Gedanken statt des Wortes des Bildes bedient hat. Hogarth zeigt jedoch in seinen Gemälden, besonders in seinen Bildnissen hervor- ragende künstlerische und malerische Begabung und auch als Zeichner eine ungewöhnliche Kraft der Charakteristik. Seine Berühmtheit verdankt er wesentlich seinen Radierungen, die aber nicht durch künstlerische Vorzüge sondern lediglich durch den gegenständlichen Inhalt Interesse erregten. Histo- rische Bilder grossen Stils sind ihm durchgehends vollkommen misslungen.

Hogarth ist der Schöpfer einer Art von satirisch-moralisicrenderSittcnschildc-

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rung, die man eigentlich kaum als Kunst betrachten darf, weil jede Spur von Mit- gefühl mit den Unglücklichen, jedes Miterleben, daher auch jeder Humor und jede Poesie der Auffassung fehlen. Ein krasser Gegensatz gegen die liebens- würdigen, gefühlvollen Sittenbilder der Franzosen! Die tendenziöse Häufung von Motiven, von Anspielungen in jedem Beiwerk und Anzüglichkeiten auf bestimmte Personen machen die meisten Kompositionen Hogarths zu un- künstlerischen, geradezu abstossend wirkenden Karikaturen. Mit widerwärtig auf- dringlicher Deutlichkeit, in einem brutalen Moralpredigertone werden die Laster und die Torheiten der Menschen in ihren rohesten Formen geschildert und ihre Folgen breit ausgemalt. Oft genügt ihm das einzelne Bild mit all seinem Wust von Anspielungen noch nicht, er entwickelt den Gegenstand in novel- listischen Folgen von Bildern, die mit ihren Unterschriften der Phantasie des Be- trachtenden auch nichts mehr zu tun übrig lassen. Die Blätter gefielen aber ausserordentlich, weil es viel zu schauen und zu beklatschen gab, dem Rohen viel zu lachen und dem Moralisten Stoff zu erbaulichen Betrachtungen. Es ist merkwürdig, dass man an diesen mehr als deutlichen Darstellungen noch so unendlich viel zu erklären gefunden hat.

Die unverhüllte Tendenz, der man selbst die edle und ideale Absicht be- streiten möchte, vernichtet jede künstlerische Wirkung der Darstellungen als Ganzes. Das Einzelne ist aber oft mit sicherem Blick dem Leben abgesehen, mit grosser Kraft und Geschicklichkeit der Formgestaltung und mit viel beissen- dem Witz dargestellt. Technisch sind Hogarths Stiche wenig anziehend. Sie sind meist grob und flüchtig radiert und mit dem Grabstichel hart überarbeitet, zum Teil mehr skizzenhaft als Zeichnungen behandelt, zum Teil mehr bild- mässig nach französischer Art durchgeführt, in beiden Fällen ohne zeichnerische oder malerische Reize. Der „Schönheitslinie", seiner fixen Idee, die er in seiner „analysis of beauty" zur Freude aller Pedanten entwickelt hat, ist die Hand des Künstlers, in diesen Stichen wenigstens, nicht gefolgt. Seine Theorien wie seine Werke zeigen Hogarth als einen Menschen von scharfen Sinnen und von grossem Geschick, dem aber jede künstlerische Stimmung fremd ist.

Hogarths Stiche werden durch ihre Titel genugsam charakterisiert. Zu seinen frühesten Arbeiten gehören „Maskerade und Oper" (1714), die Bilder zu Butlers „Hudibras" (1716) und andere Buchillustrationcn. Den ersten grossen Erfolg brachte ihm die an Bezüglichkeiten reiche Folge „Lebenslauf einer Dirne" (1712), der 17 j 5 der „Lebenslauf eines Wüstlings" folgte. Aus der-

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selben Zeit stammen die „moderne Mittcrnachts-Unterhakung", der „Jahrmarkt von Southwarck", „die Hinrichtung der Sarah Malcolm" 1733), „Vorher und

William Hogarth. Die lachenden Zuhörer.

Nachher" (1736), die vier Tageszeiten (1738) und eine Reihe satirischer Dar- stellungen von aktuellem Interesse. Von seinen späteren Kompositionen hat

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Hogarth nur einzelne, wie die Folge „Fleiss und Trägheit", die auf- und ab- steigenden Lebensläufe zweier Lehrlinge (1747) und eine der vier Darstellungen der „Wahlkampagne" (175 5 1758) selber gestochen, die meisten Blätter licss er von anderen Stechern auf seine Rechnung ausfuhren, so z. B. die „vier Stufen der Grausamkeit", die „Bierstrasse" und den „Schnapsweg", die der Temperenz- bewegung dienen sollten, und andere mehr. Besonders witzig und harmloser sind einige kleinere, eigenhändig mit grösserer Sorgfalt ausgeführte Radierungen auf den Subskriptions-Billetts für die grossen Kupferstichfolgen, wie z. B. die „lachenden Zuhörer" (s. Abb.) auf der Abonnementsquittung für den „Lebens- lauf des Wüstlings".

Hogarths Kompositionen wurden in seinem Auftrage, oft auch gegen seinen Willen und besonders eifrig nach seinem Tode von zahlreichen eng- lischen und ausländischen Stechern vervielfältigt. Ausser einigen französischen Stechern, wie Scotin, Baron und Ravenct, die einzelne Bilder nach der „mariage ä la mode" und anderes ausgeführt haben, sind der schon erwähnte Schüler Hogarths Luke Sullivan, der unter anderem den „Marsch der Garde nach Schott- land" gestochen hat, William Woollet, Mac Ardell, Dickinson und Bartolozzi hervorzuheben. Obwohl Hogarth nicht eigentlich Schule gemacht hat, so ist doch das Beispiel seiner herben, rücksichtslosen Satire nicht ohne Einfluss auf die englische Karikatur geblieben. Die geistvolleren seiner Nachfolger haben allerdings glücklicherweise mehr Humor besessen und es vorgezogen, eher lächerlich als abschreckend zu wirken.

Von den übrigen englischen Maler-Radierern des XVIII. Jahrhunderts bringen es nur wenige über den Dilettantismus, der hier üppig blüht, hinaus. Thomas Stothard (1755 1834) hat nur seine acht Zeichnungen für den von der Stadt London dem Herzog von Wellington gewidmeten Schild radiert, Benjamin Wilson (1750 1788) hat eine Reihe von Porträtradierungen ausgeführt, der Visionär William Blake (1757 1827) hat zu eigenen und fremden Dichtungen phantastische Illustrationen geliefert. Als Rembrandt-En- thusiasten und -Nachahmer haben sich Thomas Worlidge und Captain Wil- liam B ail 1 ie ( 1 7 2 3 bis 1810), der die Platten des grossen Meisters retuschiert und seine Zeichnungen in verschiedenen Techniken reproduziert hat, ohne grosse Talente oder Verdienste eine gewisse Berühmtheit erworben.

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Thom»» Bewick. Aui den British Birdj,

DER HOLZSCHNITT IN ENGLAND.

NGEFAEHR gleichzeitig in Frankreich, in Deutschland und in England tritt der Holzschnitt nach langem vollständigen Ver- falle wieder in den künstlerischen 'Wettkampf ein. Die Vorteile die er im Typendruck und für Massenvcrvielfältigung gewährte, waren zu gross und augenfällig, als dass man lange auf seine Hilfe hätte verzichten können. In Frankreich knüpft Papillon an die alte Tradition unmittelbar an, in Deutschland sucht Ungcr den Holzschnitt durch die Nachahmung von Kupferstichen den höheren künstlerischen Ansprüchen anzupassen. Beide bleiben bei der alten Schnitttechnik und bei reiner Linien- arbeit stehen. Nur in England schlägt der Holzschnitt technisch und künst- lerisch ganz neue Bahnen ein.

Das Verdienst, dieser Umgestaltung der Technik, die für die Folge be- deutungsvoll geworden ist, gebührt Thomas Bewick (geb. in Cherriburn 1753, 8cst" 1 828). Auch er muss, wie Ungcr, mit dem Kupferstich in 'Wett- streit treten, aber er begnügt sich nicht mit dem Liniennachschnitt, sondern sucht den Kupferstich mit seinen eigenen Mitteln zu übertreffen. Er verlässt die alte Schnitttechnik mit dem Messer in Langholz und geht zum Holzstich, zur Arbeit mit dem Grabstichel in hartes Hirnholz über. Statt die Linien der Zeichnung mit dem Messer zu umschneiden und dann das überflüssige Holz zu entfernen, hebt er die Linien und Flächen, die beim Drucke weiss bleiben sollen, mit dem Stichel aus. Achnlich wie beim Schrotschnitt und Weiss-

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schnitt erarbeitet er die Formen mit weissen Linien aus dem dunklen Grunde. Seine Technik ist also sozusagen umgekehrter Kupferstich. Hierdurch wird nicht nur die technische Arbeit wesentlich erleichtert sondern auch eine ganz neue Art der Tonbildung durch die schwarzen, nur durch weisse Linien ge- gliederten und modellierten Flächen erreicht. Statt der Linien werden Schatten- tüne das formbildcnde Element dieser Technik, die man deshalb auch ganz richtig Tonstich genannt hat, und die mit dem alten linearen Holzschnitt kaum mehr als das Material und die Drucktechnik gemein hat.

Die Holzstichtechnik ist schon vor Bewick bekannt gewesen, aber er ist der erste, der sie systematisch und mit Meisterschaft zu bis dahin unbekannten malerischen "Wirkungen zu verwenden weiss. Ueberhaupt war der Holzschnitt selbst in England keineswegs so vollständig ausser Ucbung gekommen wie Bewick, der sich als der Wiederhersteller der verlorenen Kunst fühlte, glauben machen wollte. An zahlreichen, allerdings recht dürftigen Arbeiten besonders für den Buchschmuck hat es nicht gefehlt. So wurden z. B. Hogarths „Stufen der Grausamkeit" für die Agitation gegen Tierquälerei 1750 von J. Bell in Holz geschnitten. Auch eine Reihe interessanter und nicht unbedeutender Blätter ist in Farbenholzschnitt von englischen Künstlern ausgeführt worden. Edward oder Elisha Kirkall, dem wohl auch manche der Illustrationen in englischen Büchern der ersten Jahrzehnte des XVIII. Jahrhunderts zuzuschreiben sind, hat 1 7 z z 1 7 z 4 zwölf Clair-obscurs nach italienischen Meisterzeichnungen heraus- gegeben, in denen die Holzschnitttonplatte mit ausgesparten Lichtern in der Art Bloemaerts und Le Sueurs auf eine Kupferstichplatte- aufgedruckt ist. Aehnliche Arbeiten kennen wir von Arthur Pond. John Baptist Jacksons grosse Clair-obscurholzschnitte nach venezianischen Gemälden (174 z) sind schon er- wähnt worden (S. ^06). Jackson hat über den Farbholzschnitt und über seine Verwendung für Papiertapeten eine Schrift herausgegeben. In seiner Art hat auch John Skippe eine Reihe von Zeichnungen italienischer Meister in Clair- obscurholzschnitt nachgebildet (1781).

Alle diese Versuche sind aber ohne Bedeutung geblieben und durchaus retrospektiven Charakters. Man wird Bewick wohl glauben dürfen, dass er ganz unabhängig von ihnen vorgegangen sei und sich seine Technik ganz selb- ständig ausgebildet habe. Als er bei dem Metallgraveur und Kupferstecher Beilby in Newcastle seine Lehrzeit durchmachte, wurde er durch gelegentliche Aufträge auf den Holzschnitt geführt, dessen Technik er sich ganz autodidaktisch

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aneignete. Schon 1775 erhielt er von einer kunstfördernden Gesellschaft eine Prämie für einen Holzschnitt, der 1779 unter seinen Illustrationen zu Gays Fabeln erschien. 1784 gab er eine neue Folge von Fabclillustrationen heraus und 1789 eines seiner Meisterwerke, den „Chillingham Bull". Seit 1785 be- schäftigte ihn die Arbeit an seinen Hauptverken, den Bildern zur „general history of cjuadrupeds", die 1 790 in erster Auflage erschien, und zu der „history of birtish birds", von der 1797 der erste, 1804 der zweite Band herausgegeben wurde (S. Abb.). Liebe und Verständnis für die Natur führte ihn auf dieses grosse Unternehmen, das seine langjährige Arbeit mit grossem Erfolge belohnte. Den Text zu beiden Werken schrieb sein früherer Lehrer und späterer Genosse Beilby unter seiner Mitwirkung. Das Werk seiner Liebe und seiner Müsse ist sein Lebenswerk geworden.

Bewick ist nicht nur Techniker, er ist auch Künstler, mit allen seinen Vorzügen und Schwächen ein echt englischer Künstler. So stark bei ihm das gegenständliche und wissenschaftlich- praktische Interesse, oft auch die morali- sierende Tendenz mitspricht, er ist überall selbständiger und scharfsichtiger Be- obachter der Natur, ein feinsinniger, oft humorvoller Schilderer des heimat- lichen Bodens und seiner Bewohner. Bewick hat fast durchgehends nach eigenen Zeichnungen nach der Natur gearbeitet. Die kleinen Genrebildchen am Schlüsse der Abschnitte sind nicht weniger fein gezeichnet und farbenreich gestochen wie die grossen Illustrationen und die Tierbilder. Bewicks Talent hätte für grosse Kompositionen wohl nicht ausgereicht, wie er auch im Ornament schwach ist, aber in diesen zierlichen Bildchen ist er Meister. Gern stellt er hier die beschriebenen Tiere in ihrer Umgebung, ihre Gewohnheiten und ihre Ver- wendung dar, oft aber auch gefallt er sich in freien, humorvollen Genredarstellungen und mutwilligen kleinen Scherzen (s. Abb. S. 560 und VIII.). Auch in den Dar- stellungen der Tiere bilden die Hintergründe von Landschaft und Baumwerk, die ihren Aufenthalt charakterisieren sollen, einen Hauptreiz der Holzstiche. Die Tiere selber sind höchst lebendig und charakteristisch und machen den Eindruck der exaktesten Naturtreue bis in die feinsten Einzelheiten. Besonders die Vögel sind Meisterwerke der Auffassung und der präzisesten Zeichnung.

Dem Charakter der Stichtechnik gemäss herrscht in der Führung der weich gebogenen Linien die Längsrichtung vor. Gekreuzte schwarze Linien finden sich fast niemals, dagegen sind die Schatten oft durch gekreuzte feine weisse Striche aufgehellt. Durch die gleichlaufenden modellierenden Linien erreicht

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Bewick, besonders vorzüglich in der Wiedergabe des Gefieders der Vögel, eine Weichheit und Fülle der Töne und der Uebergänge vom glänzend leuchtenden Schwarz zum Weiss, wie sie der Kupferstich mit seinen immer scharfgeränderten Linien kaum hervorzubringen im stände ist. Die feinen, detaillierenden weissen Linien in den dunklen Formen z. B. des Bodens lassen das Schwarz in der grüssten Intensität hervortreten ähnlich wie in den Stichen Bervics oder Sharps. Die zarten Schattentöne hat Bcwick oft durch Beschaben der Platte an den be- treffenden Stellen (Tiefcrlegen s. Einl.), vor allem aber durch die fernste Ab- stufung der Stärke und der Abstände der Linien erzielt. Erstaunlich ist die Weichheit der Uebergänge und die Mannigfaltigkeit der Farbentöne und der Formbildungen, die er mit dem Stichel zu erreichen verstanden hat.

In den SchlussstUcken der „britischen Vögel" und mehr noch in den späteren Werken, wie den Fabeln Aesops von 1818 und anderen, hat Bcwick einen grossen Teil der Arbeit seinen Schülern überlassen, zu denen er ausser seinem Bruder John und seinem Sohne eine Reihe vortrefflicher Künstler zählen konnte. Robert Johnson ist von ihm vornehmlich als Zeichner be- schäftigt worden, als Holzstecher sind LukeChennell (geb. 1781), William Templc, William Harvey, Charlton Nesbit (geb. 1775), Robert Allen Branston (geb. 1778) und John Thompson seine vorzüglichsten Schüler und Helfer gewesen. Sie bilden seine Technik weiter, und zwar suchen sie, oft mit nur zu grossem Erfolge, den Eindruck des Stahlstiches, der damals in England beliebt wurde, in ihren Holzstichen hervorzubringen. Ihre Bestrebungen führen dann unmittelbar zu dem ganz frei malerischen Tonstich, der in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts seine technischen Triumphe feiert und allgemein, in Europa wie in Amerika, herrschend wird.

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DER KUPFERSTICH IN SPANIEN.

VF die Entwickelung der graphischen Künste in ' Spanien ist die hohe Blüte der Malerei im XVII. Jahrhundert ohne jeden Einfluss geblieben. Das 'zeigt, wie wenig tiefgreifend und volkstümlich die künstlerische Bewegung hier gewesen ist. Keiner der grossen Maler hat die Graphik seines Interesses gewürdigt, denn alle Zuschreib ungen einzelner Stiche er. an Meister wie Velazquez, Murillo und Cocllo sind willkürlich und unbegründet. Abcrauch was Künst- " ler zweiten und dritten Ranges, wie VinccnzoCar- ducho, Pedro Angelo, Matthias Arteaga, Jose Garcia Hidalgos, Juan Bautista Catenaro und andere mehr, im XVII. Jahrhundert an Radie- rungen ausgeführt haben, erhebt sich nicht über mittclmässige Nachahmung italienischer Vorbilder. Die besseren Arbeiten rühren durchgehends von frem- den, besonders niederländischen Stechern her. Am besten zeigt die Dürftig- keit und Roheit der Buchausstattung, wie gering die künstlerischen Bedürfnisse weiterer Kreise in Spanien damals waren. Auch im XVIII. Jahrhundert bringt die Nachahmung der französischen Meisterwerke keinen Aufschwung, wohl aber eine regere Tätigkeit in der Grabstichclkunst. Manuel Salvator Car- mona (1730— 1807) kann mit seiner geringen Fertigkeit, die er sich in Paris bei Dupuis angeeignet hat, in Madrid den ersten Platz behaupten und eine Schule gründen. Seine Bildnisse Bouchers und des Hyacinthe Collin, die er 1761 für die Aufnahme in die Akademie ausführte, sind recht ansehnliche Leistungen, die meisten seiner übrigen Arbeiten sind aber wesentlich schwächer. Unter Carmonas Schülern sind Blas Amctllcr, Francisco Muntaner, Fernando Selma, Bartolome Vasquez zu nennen. Pasqual Pedro Moles ist ebenfalls Schüler Dupuis' (s. die Initiale auf dieser Seite). Französischen Vorbildern folgen auch die anderen spanischen Stecher wie Tomas Lopez Enguidanos, Luis Fernandcz Noseret, Juan Bernabc Palomino, Manuel Esquivel de Sotomayor und Rafacl Estcvc. Alle diese durchgehends mittelmässigen Stecher beschäftigen sich hauptsächlich mit der Reproduktion der Meisterwerke Murillos, Velazquez' und anderer spanischer und fremder Maler. Juan Barcclon und Nicolo Barsanti halten sich in der

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Wiedergabe der Fresken Luca Giordanos noch an die alte französische Radier- technik Dorignys und seiner Schule, Jose de Castillo scheint dagegen in seinen Radierungen nach Luca Giordano schon von Tiepolo beeinflusst zu sein, der neben Raphael Mengs damals in Spanien einen grossen Einfluss ausübte. Tiepolos Technik nimmt sich auch Ramon Bayeu y Subias ( 1 746 l79l)* der beste dieser spanischen Radierer in seinen Arbeiten nach Guercino, Ribera und nach Francisco Bayeu und mehr noch in seinen Radierungen nach eigener Erfindung zum Muster.

Die gesamte Produktion der graphischen Künste in Spanien hätte hier sehr wohl mit Stillschweigen übergangen werden können, wenn sich nicht aus dieser Schar gleichgiltiger Gestalten eine künstlerische Erscheinung von feurigem Temperament und von fascinicrender Originalität abhübe. Die gesamte spanische Künstlerschaft dieser Zeit bildet kaum mehr als einen trüben Hinter- grund für die markante und kraftvolle Persönlichkeit Goyas, der ihrer aka- demischen Weisheit kaum etwas schuldet. Francisco Goya y Lucientes (geb. 1 746 in Fuendctodos) knüpft über ein Jahrhundert künstlerischer Leere an Velazquez und an Rembrandt an, von seinen Zeitgenossen haben nur Tiepolo und die französischen Sittenschilderer, vor allem Watteau, einen gewissen Einfluss auf ihn ausgeübt.

Goyas Kunst ist nicht der Abschluss einer älteren Entwickelung, in ihrer Umgebung erscheint sie wie ein Phänomen; sie weist in die Zukunft und ent- hält in der Auffassung und in der Behandlung von Licht und Farbe bedeutungs- volle Ansätze für die malerische Richtung des späteren XIX. Jahrhunderts. Ganz modern ist sein scharfer kritischer Wirklichkeitssinn in der Schilderung des Lebens und der Sitten seiner Heimat, seine leidenschaftliche Parteinahme in der Darstellung der Ereignisse bewegter Zeiten, die soziale Tendenz, die sich in vielen seiner Werke ausspricht. Modern ist er auch darin, dass er allgemeine, alle- gorische Gedanken nicht durch die konventionellen symbolischen Gestalten ausdrückt, sondern durch paradigmatisch zugespitzte Vorgänge aus dem gewöhn- lichen Leben. Einen stark persönlichen Charakter empfängt seine Kunst durch die grausig wilde Phantastik seiner kühnen Vorstellungen, durch die gewaltsame Rücksichtslosigkeit, mit der er alle Schcusslichkeiten des menschlichen Treibens in das grelle Tageslicht stellt und das Schändliche und Törichte mit herbster Satirc geisselt.

Goyas Schöpfungen sind sehr ungleich an künstlerischem Werte, viel

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Erdiges, die Spuren persönlichen Ehrgeizes und niedriger Begierden haften ihnen an, ihrem schneidenden Realismus scheint warmes Gefühl und Idealität zu fehlen. In ihren freien Acusserungen ist die Kunst dieses Rousseau ein Protest gegen Konvention und Klassizismus, ein gewaltiges Drängen nach Wahrheit und Licht.

Klarer und stärker als in seinen Gemälden treten Goyas Ideen und Ten- denzen in seinen Radierungen hervor, die er fast mehr für sich und seine Freunde ausgeführt zu haben scheint als für das grosse Publikum, dem er sie nur mit diplomatischem Geschick und mit manchem geistigen Vorbehalt mit- teilen konnte, zum Teil sogar ganz vorenthalten musstc. Die Technik der Radierung hat Goya ohne Zweifel dem damals in Madrid tätigen Giovan Battista Tiepolo abgesehen. Er bildet dessen System der freien Parallelschraffierung aber eigenartig zu stark farbigen, fleckenhaft tonigen Kontrasten aus, die er durch die Verbindung mit der Aquatinta zu ganz bildmässigen Helldunkel-Effekten von unheimlichem Eindruck steigert.

Goyas früheste Radierungen sind einige leichte Skizzen in der Art Tiepolos und eine Reihe freier Reproduktionen von Gemälden seines grossen Vorbildes Velazquez (1778). Sein erstes Werk von bedeutender Eigenart sind die „Ca- prichos", an denen er seit 1793 arbeitet (s. Abb.). Eine Ausgabe von 71 Tafeln soll schon 1796— 1797 erschienen sein, die ganze Folge von 80 Blättern ist aber erst 1803 veröffentlicht worden. Die gegenständliche Bedeutung der „caprichos" (Einfälle) ist schwer zu charakterisieren. Man hat zahlreiche politische und persönliche Anspielungen aus den Bildern herausgelesen, und in der Tat wäre es schwer gewesen, über das weltliche und geistliche Regime im damaligen Spanien keine Satire zu schreiben. Viel Unerklärliches in den Dar- stellungen und in den Unterschriften lässt wohl auf Hintergedanken schliessen. Man spürt zu deutlich den scharfen Luftzug der französischen Revolution. Wenn aber Goya auch wirklich nur im allgemeinen Unsitten, Bosheit und Torheit an den Pranger zu stellen beabsichtigt hätte und nur seinen Phantasien gefolgt wäre, es hätten sich doch genug einzelne Personen getroffen fühlen müssen. Er selber entschuldigt alle Sarkasmen und Ungeheuerlichkeiten mit dem vieldeutigen Motto: „der Schlaf der Vernunft erzeugt Ungeheuer", und sucht in eigenen Er- klärungen diesen unerhört scharfen Angriffen auf staatliche und religöse Ein- richtungen eine allgemeine, harmlose Bedeutung unterzulegen. Als Hofmaler und Akademieprofessor wird er seine guten Gründe dazu gehabt haben.

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Goya verbindet hier die Radierung mit der Aquatinta, die er aber durchaus eigenartig behandelt. Er benutzt sie nicht wie die Franzosen, von denen er sie gelernt hat, zur Nachahmung zarter, lichter Gouachetöne sondern im Sinne Rembrandtscher Helldunkeltcchnik , um für die grell beleuchteten Gestalten dunkle, magisch wirkende Hintergründe und Schatten zu gewinnen. Wie in seinen Gemälden geht er aber auch in den Radierungen weniger auf plastische und räumliche Wirkungen aus als auf impressionistische Wiedergabc des flächenhaften Bildes, das der erste Eindruck auf die Netzhaut zeichnet. Seine Gestalten sind von packender Naturwahrheit, aber die Formen ganz unbestimmt, durch Flecken und Farbkontraste angedeutet.

Aehnlichen Charakters wie die „caprichos" sind die sogenannten „pro- verbios" oder „suefios'" eine Reihe von 1 8 Einfällen, die erst nach Goyas Tode, von fremder Hand mit Aquatinta Uberarbeitet, herausgegeben worden sind. Daneben entstanden einige Einzelblätter, in denen die Qualen der Gefangenen der Inquisition ergreifend geschildert sind, und anderes mehr. Die blutigen Kämpfe und Aufstände gegen die französische Invasion unter Napoleon spiegeln sich in „desastres de la guerra". Auch diese Folge von 80 Blättern, in denen die patriotische und menschliche Teilnahme mit tragischer Kraft ihre Stimme erhebt, ist erst später in die Oeffentlichkeit gelangt. Goyas letztes Werk der Radierung scheint die „Tauromaquia" gewesen zu sein, die in 33 Bildern die historische Entwickclung der Kunst des Stierkampfes darstellt. Goya ist auch einer der ersten bedeutenden Künstler gewesen, die sich in der Lithographie versucht haben. Nach der Rückkehr der Bourbonen auf den spanischen Thron ist Goya, um sich dem Wüten der Reaktion zu entziehen, freiwillig in 's Exil nach Bordeaux gegangen, wo er 1 8 z 8 gestorben ist.

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VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

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5 Initiale D von G. Fr. Schmidt.

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Lchrs LiL

Nr Seite

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ul 6_i Meister E. S. Thronende Madonna. Pass. 14;.

2j 6L Schongauer. Die Verkündigung. B^

24 6j> VeirStoß. Madonna mit dem Kinde. B. j.

2_j 21 Meister des Amsterdamer Kabiners.

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B. i_7_4_.

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AusderDansemacabre. Paris,Guv Marchanr. 1 499. Verkleinert. Initiale V der Pariser Drucker Gering u. Renbolr. Aus: La Mer des histoires. Paris, Le Rouge 14.SS-H9. Aus: L Art de bien vivre et mourir. Paris, Vc-rard. 149:. Todrentanz aus dem Livre d"hcures. Paris, S. Yosrre 1496. Aus dem Livre d'heures ä l'usage de Rome. Paris, Ph. Pigouchet pour S. Ymtre.

Aus den Komödien des Terenz. Lyon, Joh. Trcchsel. 149;. Leiste aus: La Mer des histoires. Parisi +jl 8 -89. Orig. } 8X1 6 1 mm. Teil des Druckerzeichens des Wynkyn de Wörde. Initiale A aus: Intrationum liber. London, R. Pynsorj. 1511. Leiste von der Umrahmung in David Abu Derahim. Ordo prae- cum. Lissabon

Initiale A aus: Spejo de la viJa humana. Zaragoza. 1491. Druckerzeichen des Paulus Hunas in Zaragoza. Orig. 84X1 :y mm. Aus der Biblia cum postillis Nicolai de Lyra. Venedig 1489. Initiale X aus der Biblia Malermi. Venedig, Giunra. 149-- Orig. c8X<r8.

Aus dem venezianischen Block- buche, die Passion. Berlin. Orig. ;:^Xi45 mm-

Aus: Valrurius. De re militari. Verona. 1471.

Aus der Malermi-Bibel. Venedig. 1+90.

Aus der italienischen Bibel. Vene- dig, G. de Tridino. 149;. Aus derHypnerotomachiaPolitili. Venedig. Aldus 1499. Aus dem Missale Romanum, Venedig, B. Stagninus. isz6. Bildnis der Trivulzia. Aus Foresti. De claris mulieribus. Ferrara.

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Aus den Laude devote di diversi autori. Florenz.

Aus Savonarolas Compendio di rivelazione. 1496. Pacini. Aus Pulcis Morgante maggiore. ltcc. P. Pacini.

Aus dem Acsop. Neapel, Fran- cesco Tuppo. 1485. Aus der Hypneroromachia Poünli. Venedig. 1499.

Florentiner Kupferstich. B. XIII, p. t < w.Xr. 1 Orig. 18t mm breit. Initiale t aus: S. Hieronymi (iommentarii in Bibliam. Vened ig. 1498.

Unbekannter Florentiner Stecher. Bildnis einer Dame. Berlin. Orig. 11 5X1 4c mm.

Amor. Nielloabdruck. Berlin. Samml. Durazzo 1896. Unbekannter Florentiner Stecher. Der Triumph der Zeit. Ausschnitt. Unbekannter Florentiner Stecher. Der Prophet Samuel. B. j_. (Bal- dini.)

Cristoforo Robetrju Zwei Musen. B. zji Stuck oben abgeschnitten. Unbekannter venezianischer Stecher. Blatt aus der Folge der Tarocchi.

Andrea Mantegna. Die Grab- legung. B. Ausschnitt. Nicoletro da Modena. Der h. Anronius der Eremit. B. z±. Benedetto Montagna. Der h. Hie- ronymus. B. LL Ausschnitt. Giulio Campagnola. Christus u. die Samariterin. B. 1. Jacopo de' Barbari. Der h. Hiero- nymus. B. Zi

Bologneser Meister. Tobias mit dem Engel. Dutuit i_ Meistet J. B. mit dem Vogel. Saryrweibchen. B. 2- Unbekannter Florentiner Stecher. Der Fang des Einhorns. B. XIII, p. i4T- Nr. Orig. 1 47 mm. Albrecht Dürer. Der Schmerzens- mann. B. LfL

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Initiale A aus Hans Holbeins Todrenranz-Alphaber. Albrecht Dürer. Der Liebes- handel. B. 2ii

Albrecht Dürer. Madonna auf dem Halbmond. B. jo. Albrecht Dürer. Aus der Apoca» lypse. B. 6%. Ausschn. Wenig verkleinert.

Albrecht Dürer. Der h. Georg zu Pferde. B.

AlbrechtDürer. Petrus u. Johan- nes den Lahmen heilend. B. 1 8. AlbrechtDürer. Derh. Antonius der Eremit. B. 5 IL Albrecht'Dürer. Der Dudelsack- pfeifer. B. 91.

Albrecht Dürer. Bildnis des Phi- lippus Melanchrhon. B. iot. Albrecht Dürer. Die Fußwa- schung. Aus der kleinen Passion.

b.

Albrecht Dürer. Die Herodias empfangt das Haupt des Täufers. B. i_uL

Albrecht Dürer. Bildnis des

Eobanus Hessus. Pass. nü.

Hans Burgkmair. Bathseba. B. 5.

Hans Weidirz. Kaiser Maximilian

die Messe hörend. B. Dürer j

App. jl Ausschn.

Hans Baidung Grien. Der h. ;

Sebastian. B. 16.

Hans Holbein d.J. Derh. Paulus.

Hans Holbein d. J. Aus den

Bibelbildern.

Hans Holbein d. J. Aus dem Totentanz.

Lucas Cranach. Christus u. die Samariterin. B. 2.2- Original 1 50X1 60 mm.

Albrecht Altdorfer. Das Liebes- paar im Walde. B. 6^. Albrccht Altdorfer. Die Ii. Fa- milie. B. s.

Bartel Beham. Die Madonna am Fenster. B. IL

Hans Sebald Beham. Bauern- gesellschaft. B. 164-

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Hans Sebald Beham. Kains Brudermord.

Meister J. B. Kampf nackter Männer. B. 21.

Heinrich Aldegrever. Aus der Folge der Hochzeitstänzer. B. 164.

Augusrin Hirschvogel. Land- schaft. B. 6a. Virgil Solis. Judith. Tobias Stimmer. Bildnis des Stephan Brechte!. A. i_. Peter Flötner. Maureske. Marcantonio Raimondi. Alle- gorische Darstellung. B. 356. Initiale H aus: Marozzo, L .irre de l'armi. Venedig isto.

Alle-

in: Lucre-

Jupitcr

Marcantonio Raimondi gorische Darstellung. B. Marcantonio Raimondi. tia. B. 192. Marcantonio Raimond Amor küssend. B. 242. Ausschn Giorgio Ghisi. Der Sieg. B. Obere Hälfte.

Francesco Parmigianino. Die Annunziata. B. 2- Federico Barocci. Madonna mir dem Kinde in Wolken. Meyer. Annibalc Carracci. II Cristo di Caprarola. B. 4^ L Agostino Carracci. Bildnis des Schauspielers Sivel. B. rsj. Ornament aus: Ostaus, La vera perfectione d. ricami. Vcn. 1 > (1 7 . Initiale V aus: Boiardo, Orlando inamorato. Venedig. 1 «148. Unbekannter venezianischer Meister. Bildnis des Fr. Pri- scianesi.

1 18 284 Titelbild zu der Anatomie des

Vesalius. Basel 1542. Ausschn. 1 29 287 CristoforoCoriolano. Aus Vasaris

Vite dei pittori. Florenz 1 <r 27. 1 20 191 Ausschnitt aus dem Titelblarte

zu Fantis Trionfo della Fortuna.

Venedig 1527. t \ 1 292 Domenico Cumpagnola. Der

h. Hieronymus. B. 1^ Ausschn.

5"

57«

Sr. Seite

1 3 1 293 Nicolo Boldrini, nach Tizian.

Venus und Amor. B. XII, p. 126.

Nr. 13. Ausschn. LH 3°3 Ugo da Carpi, nach Raffael.

Raffael und seine Geliebte.

B. XII, p. 140, Nr. ix 1 34 307 Lucas von Leyden. Ornamenr.

B. 169.

1 3 y Initiale F der Plantinschen Druckerei in Antwerpen. j£2 Lucas von Leyden. Der h. | Christoph. B. 108-

1 37 Lucas von Leyden. Madonna.

b.

128 322 Lucas von Leyden. Pallas. B.Iis- i 39 2Jj Lucas von Leyden. Abraham |

führt Isaak zur Opferung. B. 3. 1

Ausschn.

140 3 i c Jacob Corneliszcn. Die Hand- j

Waschung Pilati.

141 3 1 7 Dirick Vellern Der Fischzug

Petri. B. 3.

141 319 Johannes Wierix. Bildnis. Alvin

1851.

143 po Hans Bol. Der Winter.

144 321 Hendrik Golrzius. Der h. Paulus.

B. 16,

142 3-4 Hendrik Goltzius. Landschaft.

B. 114. Strichplatte.

146 322 Wappen von Friesland. Aus:

Guicciardini , Dcscr. dei paesi bassi. Antwerpen 1567.

147 3 16 Jean Gourmont. Der h. Eligius.

R.-D. Suppl. 4. Pass. liL

148 Initiale O. Aus einem Pariser Druck von iy 62.

149 3 18 Jean Duver. Judas. Ausschnitt 1

aus dem Blatte B. 11.

150 322 Geoffroy Tory. Aus dem Livre

d'heures, Paris 1 5 3 1 .

i 5 1 3 34 Jean Cousin. Aus dem Livre de perspective. Paris 15Ä0.

521 3 36 Bernard Salomon. Aus den Qua- drins de la Bible. Lyon 1558.

122 3 37 ErienneDelaune. Goldschmiede- werksratt. R.-D. 166.

1 $4 3 39 Jacques Androuer Ducerccau. Der Zeichner in den Ruinen.

1 ee 540 Leiste aus Oronce Fine, Pro- 1

Sr. Seite

thomathesis. Paris 1532. Orig. i3V»Xiy8 mm. 1 y6 322 Rembrandt. Selbstbildnis. B. LiL II.

1 y 7 Initiale D aus Krul, Pampiere

Wereld. Amsterdam 1644. 1 y8 349 Paulus Pontius, nach Rüben«.

Thomyris. Ausschn. 1 59 3f o Boethius Bolswerth. Ausschnitt

aus der Kreuzigung, t Cu t j 5 1 Schelte A. Bolswerth. Ausschnitt

aus der Landschaft mit dem

Regenbogen.

161 3_j_£ Lucas van Uden. Landschaft. B. (L

162 3 56 Antonis Van Dyck. Selbsbildnis.

W±.L

1 (•> \ 32_Ü Christoph De Jegher, nach Rubens. Christus und der Johannisknabe. Ausschnitt von 1:5X140 mm Originalgröße.

164 3 59 Jonas Suyderhoef, nach Frans Hals. Bildnis des Wickenburg. Wussin 9_7_. Ausschn.

i6f ;6 1 Cornelis Visscher. Bildnis des Justus Vondeel. Wussin 46. Ausschn.

1 (\(\ ;C>i Hendrik vanGoudt. Hinrichtung Johannis des Taufers.

167 36 3 AUaert van Everdingen. Land- schaft. D. 1^

1JI8 Jacob van Ruisdael. Die Land- schaft m. d. drei Eichen. B. 6. II.

1 69 36g Nicolaes Berchem. Die Kuh und

Schafe. B. ui.

170 368 Paulus Potter. Kopf eines Stiers.

B. HL

171 370 Adriaen vanOstade. DerBrillen-

verkaufer. F. ig. II.

172 375 Rembrandt. Der Rattengiftver-

käufer. B. 1 1 1 1 7 3 377 Rembrandt. Joseph seine Träume erzählend. B. 37.

174 380 Rembrandt. Die Landschaft mir

den beiden Schwänen. B. 235.

175 383 Rembrandr.Selbstbildnis.B.i-.lI. 1 16 ; S4 Rembrandr.DieOpferunglsaaks.

B. 35.

1 77 385 Rembrandr. Christus in Geth- semane. B. 72^

Nr. Seite

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Rembrandt. Männlicher Akr, sitzend. B. 193. Jan Livens. Bildnis. B. £Ll Simone Canrarini. Heil. Familie. B. 1^.

Initiale I ausTasso, Gerusalemme liberata 1617. Genua. Orig. 43X42 mm.

Guido Reni. Madonna mit dem Kinde. B. Wenig verkleinert. Guercino. Der h. Antonius. B. 1. GiulioCarpioni. Kinderbacchanal. B. fg. Ausschnitt, wenig ver- kleinert.

Giovan. Bencdetto Castiglione. Satyrscene. B. iJL Ausschn. Stefano Deila Bella. Im Hafen. Jombert ij4j u Carlo Maratra. Die Verkündi- gung. B. 2, Obere Hälfte. Michelangelo Amerigi da Cara- vaggio. Die Verleugnung Perri. Meyer l.

Giuseppe Ribera. Amor züchtigt einen Satyr. B. li* Salvator Rosa. Tritonenkampf. B. ljl- Wenig verkleinert. Jacques Callot. Aus den Balli di Sfcssania. Mcaume 659. Initiale M von Le Pautre. Aus: Les Cesars. Paris 1683. Orig. 46X43 mm.

Jacques Callot. Aus den „petires miseres de la guerre". Meaume

Claude Lorrain. Der Hafen. R.-D. u_. L Wenig verkleinert. Claude Mellan. Bildnis des Pierre Gassendi. M. 1 89. Ausschn. Jean Morin. Bildnis des Jean Pierre Camus. R.-D. 49. Ausschn. Robert Nanreuil. Bildnis des Francois Le Vayer. R.-D. 14;. Ausschnitt.

Anroine Masson. Bildnis des Pierre Dupuis. R.-D. 2 £. Ausschn. Gerard Edelinck. Bildnis des Robert Nanteuil. R.-D. 1Ü1. Ausschnitt.

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Jean Le Pautre. Einrichtung eines vornehmen Schlafgemaches. We- nig verkleinert.

Adam Elsheimer. Die ranzende Nymphe. Nagler <L InirialcN ausJoachim v.Sandrarts Teutscher Akademie. Nürnberg 1683.

Aegidius Sadelcr. Bildnis des Arnold von Reyger. Jeremias Falck. Bildnisdes Daniel Dilger. Block 230. Ausschnitt. Johann Wilhelm Baur. Reiter- kampf. Meyer 24. Wenig ver- kleinert.

Johann Heinrich Roos. Schafe und Ziegen. B. 4. Wenzel Hollar. Rheinlandschaft. Parthey 702.

Initial D aus einem Nürnberger Druck von 1725. Prinz Rupprecht von der Pfalz. Der Kopf des Henkers. Andresen 2^ Ausschn.

Wallerant Vaillant. Bildnis seines Sohnes. Wessely James Mac Ardeil, nach Reynolds. Bildnis der Lady Elizabeth Mon- tague. Ausschn. Wenig ver- kleinert.

467 PierrePhilippeChoffard. Vignette aus dem Ovid. Paris 1769. Initiale D aus Moliere. Oeuvres. Paris 1734.

Pierre Jouberr Drevet. Bildnis der Herzogin von Orleans. Didot i_t_.

Etienne Ficquer. Bildnis Lafon- taines. Faucheux Nicolas Henri Tardieu, nach Watteau. Die Einschiffung nach Cythera. G. n8- Ausschn. Fran^ois Boucher. Schlafende Kinder. Baudicour j_. Wenig verkleinert.

Honorc Fragonard. Die beiden Frauen zu Pferde. Baudicour £. Richard de Sainr-Non, nach Le Prince. Landschaft.

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Claude Gillor. Aus La Mottes Fables nouvelles. Paris 1719. Fliparr, nach tL F. Gravelor. Aus Boccaccios Decamerone 1757- Nach Charles Eisen. DerTausch. Aus Lafonraines Conres et nou- velles. 1761.

Jean Michel Moreau jeune. La Dormeuse. Aus De Labordes Choix de Chansons. Paris 1773. Kopfleiste von Jean Michel Papillon.

Initiale D von Papillon. Initiale E aus Molicre. Oeuvres. Paris 1734.

Jean Baptisre Le Prince. Die Reisenden. Hedou 1 7»? . I. Schluß Verzierung, Blumenge- winde von Jean Michel Papillon. Initiale S von Giov. Bart. Piranesi. RaffaeUoMorghen.nachAngelica Kauffmann. Bildnis der Domenica Volpato.

Feiice Polanzani. Bildnis des Camillo Tacchctti. Giovanni Battista Tiepolo. Aus den Scherzi di Fantasia. Orig. 130X L91 mm.

Giov. Domenico Tiepolo. Die h. Margerita da Cortona. Antonio Canale. Die Brücke mit der Osteria. Meyer ji. Bernardo Beiotto. Das Oberthor der Stadt Pirna. Meyer Aus- schnitt.

Giov. Battista Piranesi. Der Tempel des Jupiter. Ausschn. Francesco Bartolozzi, nach Ange- lica Kaulfmann. Sappho und Amor.

Daniel Chodowiecki. Das Bran- denburger Tor zu Berlin. Engel- mann ^9.

Initiale E von Joh. Wilh. Meil. Georg Friedrich Schmidt. Bildnis

Nr. Seite Hl l±i

König Friedrichs II . von Preußen. Wessely ±i.

Georg Friedrich Schmidt. Bildnis seiner Gattin. Wessely toc. Salomon Gessner. Landsclufr. Aus den Contes moraux et nouv. idylles. 1773.

Daniel Chodowiecki. Illustration zu Lessings Minna von Barn- helm.

144 f 4<? Daniel Chodowiecki. Illustration

zu Lessings Minna von Barnhelm.

145 $47 Salomon Gessner. Schlußvignette

aus den Contes moraux et nouv.

idylles. 1773. 14^) 54S Johann Georg Unger. Die Pagode. 247 Inirialenverzierung. Deutscher

Holzschnitt des XVIII. Jahrh.

148 S49 Johann Georg Unger. Schluss-

verzierung.

149 550 Inititial B aus: Book ofcommun

prayers. London 1717. i?o 5_j_£ William Hogarth. Dielachenden Zuhörer.

ISA SSI Thomas Bewick. The coal tit-

mouse. Aus derHistoryofbritish

birds. 1797—1804. 1 y 2. Initialenverzierung, englisch,

XVIILJahrh. 153 t6o Thomas Bewick. Schlußsrück aus

der Hisr. of british birds. 1 797—

1 804.

i<>4 £Äi Initiale A von P. P. Molcs, nach

Tramullas. JS5 £^_1 Francisco Goya. Volaverunr. Auj

den Caprichos. iy 6 s6t Schlußverzierung aus Tearro de

las grandezas de Madrid. 1613. i_5_Z 1&1 Kopfleiste von J. M. Papillon.

T74 s. Seite 549. it8 f 8 1 Florentiner Stecher. Teil eines

Rahmens. B. XIII p. 146 Nr-73.

Orig. yoXi 1 7 mm. 2>9 £9_£ Schlussvignette vonJohannGeorg

Unger.

REG I

ST ER.

Aachen, Johann v. 441 Ademollo, Luigi 5 ; 1 Agostino Veheziano 117 263 ff. Albani, Francesco 1,97 Alberti, Cherubino 278 Aldegrever, Heinrich 141 ff. Aliamer, J. Jacques 477 488 491 Alix, Pierre Michel yof Allais, Louis Jean ?o? Almeloven, Jan j6j

Alfdorfer, Albrecht a_i_2 H2 232—35 aj8

141 =12

Erhard j -j :

Amaro, Francesco 40 l Amettler, Blas y6i Amiconi, Jacopo y 14 Amman, Jobst 248 - j_i Anderloni, Pietro £ij Andreae, Hieronymus 2 r 7 Andreani, Andrea 289 304fr. Anesi, Paolo yi8 Anijclico, Fra Uid Angelo, Pedro £61 Antonio da Monza, Fra 191

da Trento s. Fantuzzi

di Giov. di Ser Francesco 2_a Antoniszen, Cornelis 3 1 t Aquila, Franc. Faraonc 408

Pietro 408 Ardizoni, Simone Uli 184 Arteaga, Matthias Aspurck, Franz y 06 Aubert, Michel 477

Audran, Bt-noit 4 ;<S 474 476 488

Germain 468

Gcrard 42 1 4 34 f. l^j 47° 474 476

Audran, Jean 426

Augsburg, Holzschneider in ±0

Avcline, Pierre 476 48H

Badalocchio, Sisto 398 Baillie, William < <. Bakhuisen, Ludolf 367 Baldini, Baccio 172

Baidung, Hans, Grien ±6 ff. 2 30 324

Balcchou, Jean Joseph 470

Balesrra, Antonio 5 1 4

Bamberg, Holzschneider in jjj

Bandinelli, Baccio srii 264

Baquoy Pierre-Charles 496

Barbazza, Francesco <r 18

Barcelon, Juan y6i

Barlacchi, Tommaso 2iSÄ

Barlow, Francis y?o

Barocci, Fed. 272 f. 276 278 222 35; 407

Baron, Bernard 476 y ?6

Baroni, Giuseppe y 20

Barriere, Dominique 424

Barsanti, Nicolo 5_6i

Bartoli, Pietro Santo 407 f.

Bartolo//i,l''r.4t8 $o8f. f 20 52Cjff. t t2 TT 6"

Basaiti, Marco jlBJS

Basel, Holzschneider in ±i ff.

Bassano, Jacopo 306 122 44 1

Baudouin, P. A. y 02

Baur, Johann Wilh. 448 f. y 39

Bause, Joh. Friedrich y 37

Bavicra s. Carocci

Bayeu, Francisco t6i

Ramon y6a

Bazzicaluve, Lrcole 402

Beatricetto (Beautrizet), Nie. 316 127

582

Beauvarler, Jacques Firmin. 470

Bcccafumi, Domenico 233

Beck, Leonhard 21 S

Becketr, Isaak 460

Bega, Cornelis 3_7j

Beham, Barrel 236-39 141 f. aüfi

Hans Seb. 236" 238-402 41 f. 1 1 9 3 17 Beich,Joach. Franz 450 540

Be'dby, Ralph jj8f*. Bell,). £18

Beilange, Jacques 4 1 f> 4 : c Bellini, Giovanni 1 30 187 f. 5 r9 Belorro, Bernardo £23 f. Benedictas 1 38 BiTain, Jean 4 ; 8

Berchem, Nicolaes jäs 366 450 4K4 ^41 Berger, Daniel 547 Berretrini, Pietro 40t 40.'! 4 1 1 Berthanet 4S1

Bervic, Charles Clement 472 jjj 5*2 560 Bertelini, Pietro £ji Bewick, John ?6o

Thomas 549 557—60 Bibiena, Ferdinande. 525 Bickart, Jodocus 4^6 Binck, Jacob 243 Biner, Louis 487 497 Blscaino, Bartolomeo 401 Blake, William j_j_6 Bleekcr, Gerrit Clacsz 369 Biesendorf, Const. Frid. 456

Samuel 456 522

Bloemaerr, Abr. jj_£ 250 jjjS 4j_i ±4_^ Li!

Cornelis 225

Frederik 256 Blootcling, Abraham 458 ff. Bocholt, Franz von 2i Bodenehr, Joh. Georg 456 Boener, J. Alex. 4_?d Boissieu, Jean Jacques 484 Bol, Ferdinand 188 536

Hans 2 20 3 54 Boldrini, Nicolo 293 ff. 296 201 Bologna. Holzschneider in 14JI

Kupferstecher in mff. Bolognini, Giov. Bart. ; 96 Bolswerrh, Boerhius 349 f. 3J2f. 356

Schelte A. li^ff. Bolr, Joh. Friedrich t47

Bonasone, Giulio 265 Bonner, Louis Marie 506 f. Borel, Antotne 497 Borgiani Orazio 409 1 Borgognone, Ambrosio 144 Borreken, Matthaeus 353 Bosch, Hieronymus 78 f. 2j_£ 416 419 Bosse, Abraham 1 4i9f. Bossi, Benigno 5 3 1 Both, Andries 3JS2

Jan 162 4_i£ üo 542

Borricelli, Sand. i_j_a ij_if. 1 54 170 ff. 344

Bouchardon, lidm. 485

Boucher, Franc,ois 470 477 ff. 48 1 484 ff. 491 f. 494 500 1 07 y »6

Boucher-Desnoyers, Aug. 472

Bourdon, Sebastien 42t

Bourguignon s. Courtois

Bovi, Marino j } 1

Boydell, John 553

Boyvin, Rene 329

Bramante 192 , Bramanrino 146 | Bramer, Leonard 389 ; Branston, Rob. Allen 560

Brant, Sebastian 42 t*. 44 t*.

Braun, Georg 252 37 t

Brebierre, Pierre 4_2j

Breenbcrg, Barthol. 365

Brcntel, Friedrich 448

Brescia, Holzschneider in 1 42 f.

Brctschncidcr, Andreas 44 t

Breu, Jörg ui

Brill, Paulus 3 2 t 422 442

Brior, Isaac 4 1 y

Britio, Giovanni 294

Brizio, Francesco 278

Bronkhorst, Jan Gerritsz 365

Brosamer, Hans 232

Brouwer, Adriaen 362 369 371 459

Brueghcl,Jan 320

Pierer 3j_j 3 2of. 347 416 419 442 Brun, Franz 241

Brustoloni, Giov. Batt. 523 Bruyn, Abraham 3 1 7 Burani, Francesco 413 Burgkmair.Hans 2I7ff. 230 2 34 244 joof. 1*4

I Burke, Thomas jji

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Busch, Georg Paul jjj Businck, Ludwig 440 Buytenwech, Willem j6_2

Caccianemici Vincenzo 271 Calamatra, Luigi jij Calcar, Joh. Stefan v. i8j Caletti, Gius. jjjj £ü CaHer, Ant. Fr. 472

CaHot, Jacques j_7j 401 f. 409 415—19

412 ff. 448 450 484 48g f. Camassci, Andrea 397 Cambiasio, Luca 299fr Campagnola, Domenico 19 2 f. 29? 20 i

Giulio 188 f. 19^ 264 3:8 290 f 06 Canale, Bernardo $ 20

Giov. Antonio 5 20 ff. <i6 Canragallina, Remigio 402 f. 418 Cantarini, Simone 192 395 f. 398 410 449 Canuti, Dom. Maria 397

Capitelli, Bernardo 409 f. Cappellan, Antonio £_2_H Capriolo, Aliprando 278 Caraglio, Giov.Jac. 24; 265 Caravaggio, Michelangelo da 322 373 292

J9_£ 408 409t*. 420 ?Q9

Carducho, Vincenzo y f> 1 Caresme, Philippe to2 Carlevaris, Luca uo Carloni, Carlo ji^ Carmona, Man. Salv. $6± Carocci, Baverio 26 > Carotto, Giov. Franc. 28 3 Carpioni, Giulio jjjff. 410 449 Carracci, die i^<; , 1 1 f. 1^2 UZi 121 597 f- 406 4c 8 412 41 1 44 I 446 509 5 20

Agostino 276fr. 222

Annibale 27« ff. ^ : 2 298 4*f 478 599

Lodovico 276 Carriera, Rosalba 3_oj> jjj Cars, Laurent 476 48 ü 47: Cartaro, Mario ififi Casanova, Fran^ois 48 1 Casolano, Aless. jo;

Casriglione, Giov. Bened. 399 f. 4- 1 i±±

LH Castillo, Jose de f 62

Catenaro, Juan Bautista s_6i

Cathelin, Louis Jacques 471 488

Cattini, Giov. y 14

Cavalieri, Giov. Batt. x66.

Caylus, Cl. Phil. Comte de 474 477 485

489 i9_ 499 Cerquozzi, Michelangelo y 19 Cesare da Sesto 147 19; Cesio, Carlo 278 Chapron, Nicolas ±1 1 Chardin, Jean Simon 477 544 Charlier 502

Chauveau, Franc,ois 42 1 477 Chennell, Luke 560 Chcreau, Franc,ois 470

Jacques 470

Chodowiecki, Daniel $_j_2 543-47

Gottfried T47

Wilhelm ^47

Choffard, Pierre Phil, v + 6- 4:: 1 41)6 54;

Chrieger s. Guerra

Ciamberlano, Luca 278

Cignani, Carlo 297

Cima da Conegliano, G. B. 1 9 1

Cipriani, Galgano jjj

Cipriani, Giov. Batt. 529 ff.

Claeszen, Allaert ; 16

Cleyn, Franz 448

Clovio, Giulio 222

Coello, Claudio 56 1

Cochin, Ch. Nie. 477 484 49 ' 493 f. 507 Cock, Hieronymus 267 jüaf.

Peter j_2o Collaert, Adriaen 31&

Johann 31 8. Collignon, Franc,ois 419 Collin, Richard jjj Collyer, Joseph jji Como, Holzschneider in 147 Copia, Jacques Louis 497 Copley, John Singleton s 29 Coriolano, Bartol. ;o6

Cristoforo 286f. 306 440 , Corneille, Claude 122 Iii

Corneliszen, Jac. v. Oostszanen 9JI 3 14 Corrcggio, Ant. 1 y4 2 ; o 269 276 373 39;

398 447 *oi £ü9_ LH Cort, Cornclis 269 276 294 3 2 1 f. 418 1 Costa, Giov. Francesco 525 ' Cosway, Rieh, y 29 ! Cortarr, Pierre 438

5«4

Courtois, Jacques 411 481 y 39 Cousin, Jean 3 19 f. 333 36 Cousins, Samuel 464 Coypel.Ch. Ant. 4; 6 470 476 483 4JU Cozza, Francesco 397 Cranach, Hans 131

Lucas fifi 119—31 300 314

Lucas d.J. 1 3 1 Cresci, Giov. Franc. 188 Crespi, Gius. Maria 397 ? 1? Creutzberger, Paul 441 Crivelli, Carlo 1 78 Cuerenhert, Dirck Volk. 316 313 Cunego, Domenico ;io Custos, Domen. 441

Raphael 441 Cuyp, Aelbert 368

Dagoty, Jacques-Gaultier joy

Edouard-Gaulrier yoi D'Angeli, Giov. Batt. 171

Marco 171 Darer, Pierre 4; 1 Da Sera, Dom. 1M Daughty, William 464 D.iulle.Jean 470 Dauphin, Olivier 41 1 David, Jacques Louis 48 3 48^ 497 Dean, John 464 De Balliu, Perer 353 De'Barbari, Jacopo 141 190 106 164 De Bray, Dirck De Bry, Joh. Theodor j_j_i

Joh. Israel if 1

Theodor 1; 1 340 4<ro Debucourr, Louis Philibert $o±f. De Bye, Adriaen 4^0 De Champaigne, Phil. 417 419 4_j}f. 444 De Ghendr, Emanuel 48K

De Gheyn, Jacob 3 1? Degli Arrighi, Lod. 187 f. De Grebber, Pieter 389 De Heem, David 464 De Heusch, Willem j6j De Hooghe, Romcyn 371 Dejegher, Christoph 3 1 7 f . 443 De Jode, Peter d. f. 3_j_i ? ?6 De Laer, Pieter ;6i 367 369 De la Fage, Nie. 411 4s~o

De la Hyre, Laur. 411

Delaram, Francis ? ? o

De Largilliere, Nicolas 434 469

De Larmessin, Nicolas 470 477 n3

Delauue, Etienne, t_ f.

De Launay ±88

Del Barbiere, Dom. 17J

De Leu, Thomas 340 4:6

Delff, W. Jacobsz 1^6 j6o

DelP Abbare, Nie.

Deila Bella, Stefano ±03 f. ±10 ±jH ±±H

Deila Casa, Nicolo 166, ; :t

Delle Greche, Dom. 19^

De LongueU, Josephe 488

De Lorrain, Louis Jos. 48 3

Del Pi>, Pierro

Del Porto, Gio. Batr. i±8

Del Sarto, Andrea 161, 164 418 446

Del Vaga, Pernio 162 40 7

De Marne, Jean Louis 411

Demarteau, Gilles joiSf. 5 19

De Moor, Carle 5^2

De Nanto, Francesco 196 f.

De Negker, Jobst ui 300

Denon, Dom. Vivant 485 f.

Dente, Marco 164

De Passe, Crispin 3_+j>

Crispin d.J. 340 349 y ? o

Magdalena 349

Simon 349

Willem 3j_2 De'Pasri, Marteo

, De'Rossi, Giov. Batt. i6< 170 f. 311 3 19

De Sa'mt-Igny, Jean 419

De Sanctis, Orazio 178

Descourtis, Charles Melch. <ro$

De Son, Nicolas 419t*.

Desplaccs, Louis 470 474

Descrais, Claude Louis 497

De'Uberti Lucantonio iCin 1 74 ff. 1 De Vadder, Lodewyck 3 C4

De'Valenrini, Scb. 171

De Vlieger, Simon 3_6j 1 De Vos, Marten 318, ;n

De Wies, Joh. Vredeman 3_ii

De Waerdr, Abr. 441

De Wir, Jacob ; y 1

Diamantini, Gius. 399

Dickinson, William 464 ft6

5*5

Dietrich, Chr. W. E. 471 4S 3 <j6 $42

Dillis, Joh. Georg v. V40

Ditterlin, Wendel j£i

Dixon, John 461

Dolce, Carlo £11 ££i

Dolendo, Barthol. 3 24

Dolivar, Jean 438

Domenech, Fr. m

Domenichino 397 405 £ 1 1 ££j f.

Dorigny, Michel 4 20 f. 476 ;6i

Oossi, Dosso xüa 122

Giov. Batt. 2JL1 Dow, Gerard 472 Drever, Claude 470

Pierre 46K <r 1 d y 34

Pierre Imbert 469 f. 471 > 1 o % 34 Ducerceau, Jaques Androuer 112 ff. Duchetti, Claudio 1A6

Duclos, Anr. Jean 496

Dudley, C. T. ££0

Duflos, Claude 4^2

Dugher, Gaspard ig8 422

Du Hamccl, Allaert 2fi f.

Dujardin, Karel 366 368 f. j£i 4^0 484

Dumonstier, Geoffroy 3 29 426

Dunkarton, Robert 464

Du Perac, Etienne 3 29 3_j_8

Duplessi-Bertaux 481 484

Duplessis, Jos. Sifrede £38.

Dupuis, Charles 477 561

Nicolas 470

Dürer, Albrecht 4_jf. 48t". 65 67 7_£ ' 'q 1 2 1 1 j_8 1 4 1 148 1 76 1 Hj ff. 184 ff. f.

199— 217 UI 2_2_1*226 22£f. 2_J2 f. OJ£f.

i_3_8ff. i?4ff- i^jf- 179 291 -94 ^07 jopff. 114 316319 112 3_22^

III ±12 ±±1

Hans 2 1 7

Dusart, Cornelis 3_7_i 459 Duval, Marc 3 29 Duvet.Jean 1 m 193 328 Duvivier, Ignacc 482

Earlom, Richard 464 jjj f £3 Ebelmann, Joh. Jac. 2£i Eck, Veit 2 <; 1

Edelinck, Gerard 435 ff. 436 <r 1 a jjj y yo Eisen, Charles 492 494 544 Eisenhoit, Anton 2T2

Elsheimer, Adam 347 362 373 378 422k

4391". 446ff- Iii Elstracke, Renold ££0 Eli, Joh. Friedr. v. 456 Engicheart, Francis sjj Enguidanos, Tom. Lopez ;6i Ermels, Joh. Franz 449 Errard, Charles 4 3 K Erringer, Franz 4£o Eskrich, Pierre 3 36 Esquivel de Sotomayor, Man. y6i Esteve, Rafacl £61 Evelyn, John 460

Everdingen, Allaert 3JS3 ff. T40 *4i Eysenhut, Johan j_9_

Faber, Jacob 3 30 John d.J. 461 Facius, Georg Siegm. $47

Joh. Gottlieb ££2 Faithorne, William cyo Falck, Jeremias 445 Falcone, Angelo 4 1 1 Falda, Giov. Batt. 408 f. Faldoni, Giov. Ant. £ 1 3

1 Fantuzzi, Antonio 271 302fr. 3 29 Farinati, Orazio 222

Paolo 27a Fenirzer, Georg 4^6

: Michael 4^6 Ferrara, Holzschneider in i±±f.

Kupferstecher in 1 8o. Fialetti, Odoardo 398 f. 449 Ficquef, Etienne 470 f. Finiguerra, Maso 1 6? 169 Fischer, Joh. 44 1

Fisher, Edward 46 1

Flamen, Albert 437

Flipart, Jean Jacques 477 491 f.

Florenz, Holzschneider in »49 ff.

Kupferstecher in 16? ff. Florini, Marteo iM Floris, Frans. i±H jnf. Flötner, Peter 246 Fogolino, Marcello jJiü Fokke, Simon 391

Folö, Giovanni y 1 3

Fontaineblcau, Schule von 270t". 1 29 ff. . Fontana, Carlo 409

58<J

Fontana Giov. Bart. i_7_2

Giulio 171

Pierro jij Fossati, Dav. Ant. yao

Fragonard, Honore 478 480 f. j_oj tot c 16 Francia, Francesco i48f. 162 193^- 154k iy8 16} 197

Jacopo 16; Francisque s. Miller Franco, Giacomo 172

Giov. Barr. 171 Fran^ois, Jean Charles yo6 Frank, Hans Ulrich 44«; f. Freidhoff, Joh. Jos. 4>-h Freudeberg, Sigism. 496 Frey, Jacob 509 <r \6 Frezza, Girolamo C09 Friedrich, Joh. Chr. 549 Frye, Thomas 461 Fürstenberg, Theod. Kasp. v . 4^6 Fyr,Jan ^

Gainsborough, Thomas 460 r*. 464 ; 19 Galestruzzi, Giov. Barr. 40s 488 Galle. Cornelis 3 18 346 4;;

Philipp 318

Theodor % 1 8 Gallo, Giovanni 306 Gandolti, Mauro jjj Garavaglia, Giovira ti^ Garfagnino s. Porta, Gins. Garofalo, Benv. iq_i (jarnier, Nocl ? 17 Gassei, Lucas ? io Gatti, Olivicro j£8 Gaucher, Ch. Etienne ±21 Gaultier, Leonard 340 426 Gaywood, Rob. j_c_o

Gellee, Claude 3JS2 422_25 44 8 4<?4 f 09

5_i6 £4_i 5_5_! Genoels, Abr. 367 Gcrard, Franc,ois 473 497 Gerardini, Melch. 403 Gessner, Salomen 541 ff. C47 Ghandini, Aless. 30? Gherardo Miniarore 1 74 Ghezzi, Pier Leone t 18 Ghirlandaio, Dom. 1 ? 4 Ghisi, Giorgio 167 f.

Ghisi Teodoro 267

GUlor, Claude 474 489 ff. 499

Gimignani, Giacinro 396

Giordano, Luca 41 3 f. <:6i

Giorgione 188 191 45-6

Giovanni da Bologna 304

Giovan Antonio da Brescia 1 84 fF. 19;

Giraudet 497

Girolamo da Trcviso 196

Giulio Romano 2±i

Giuseppe Nicolo Vicentino 304

Glaser, Joh. Heinr. 441

Glauber, Jan 367

Glockenton, Alb. 62

Godefroy, A. P. Fr. 497

Gole, Jacob 4S9

Golrzius, Hendrik 312 ff. 3 46 ff. Jt6f. 44c

Gossarr, Jan s. Mabuse

Goudt, Hendrik v, 361 373 44' 4> :

Goujon,Jean 234K

Gourmonr, Jean ii6f.

Goya, Francisco c6a— 6j

Graf, Urse njf.

GrafF, Anron 1 37

Grahlen, Konrad 44t

Grandhomme, Jacques 340 426

Grandi, Girol. 197 f.

Grateloup, J. Bapr. 47 1

Gravelor, Hub. Fran^ois 49; ff. ?4j

Green, Valenrine 464

Gregori, Carlo <oy yiy

Greurer, Joh. Friedr. 446

Matthaeus 446

Greuze, Jean Bapr. ±7_j 477 48 1 483 r". Griemer, Adam 448 Grien s. Baidung Grimaldi, Giov. Franc. 398 Grünewald, Matthias 110 Guardi, Francesco 5 10 c zi Gubitz, Wilh. 549 Guckeisen, Jacob ay 1

Guercino, Gio. Fr. 596 ff. 411 426 509

L£l PjH)' III Gucrra, Crisrofbro 183 440 Guidi, Raffaello

(Arrenberg, Ch. u. Henri ±8 1 496 Guyor, Laurenr yoc

Haas, Georg 1t 1

5«7

Hackaerr.Jan ijSj Hackert, Joh. Phil. j_j6

Georg Abr. ^46 Hagedorn, Chr. Ludw. v. ^42 Haid, Joh. Gottfr. 4> - Halle, Noel ±8f Hals, Frans 3 j 9 f. 369 Hammer, Wolf 67 Hannan, William jji Hannas, Marx Anr. 44» Hans v. Kulmbach 11 1 Harms, Joh. Osw. 441; Harvey, Will. jjSo Haspel, Jörg jj

Heemskerck, Marren van j_i6 3_2_i Heimlich s. Zeissig Heinz, Jos. 441 Heinzelmann, Elias 444 Johann 4^ jjj Heiss, Elias Chrisr. 4^6 Helman. Isid. Sranisl. 488 496 Hendrickx, Gilles 353 Henrier, Israel 419 Heremberck, Jacques 1 1 3 Heyden, Jacob v. d. 444 Hidalgos, Jose Garcia yjSi Hirschvogel, Augustin i4_£ff. Hobbema, Meinderr 464 Hodges, Ch. Howard 464 Hogarrh, William 5_£j— £6 s y8 Hogenbergh, Franz iy 2 ; 7 1 TT c Holbein, Ambrosius i_2_£

Hans d. /\. 7_£ - 14

Hans d. J. 4j> lli i_i 6 f. 2. 1 7 224-

U2 125 3*1 33° Hl 12± L3_l 55° Hollar, Wenzel 4 ? 1 f. j_£o

Home, Rieh, t r 2

Hondius, Abraham 369

Willem is6 446 Honthorsr, Gerard 4t? Hopfer, Daniel 244 f.

Hieronymus + f.

Lambert 144 f. Houbraken, Jacob 391 Houston, Richard 40 1 Huber, Wolfg. ^ 3 <r Hudson, Thomas 461

Hui:t,J. B. £0J £02

Huquier, Pierre 477 489

Hürnig, Hans 5JS Hurin, Charles 481 Huybrechrs, Gaspard jjj ' Huysum, Jan v. 464

j

I Jackson, John Bapr. 306 558 i Jacob von Oostzanen s. Corneliszen Jacob von Srraßburg (Argentorarensis) ^6

. Li«

! Janiner, Franc.ois y o 2 ff.

Ingouf, Fr. Robert 496

Jordaens, Jacob 352 ff.

Johnson, Roberr y 60

Jones, John 464 , Joullain, Franc/ns 489

Isabey, Jean Baptiste 497

Israel von Meckenem 7_i 7_4.f. 7.8 ; Isselburg, Perer 444 j Junghans Briefmaler

1 Kauffmann,4Angelica 1 1 1 y29f. $40 | Kilian, Barrhol. 44:

Barrhol. d. J. 443

| Georg Christoph 444

Lucas 442

~ Philipp üJ

Phil. Andreas 444

Wolfgang 44J

I Kirkall, Elisha oder Edward 5 ?8 Kleinmeisrer, die 236 -44 3 27 Kneller, Gottfr. 434 460 f. Kobell, Ferdinand 940

Franz T40

Wilhelm v. $40 Kobell, Hendrick jqj

Jan 391

Kolbe, Karl Wilh. £±2

Köln, Holzschneider in 49 f.

Köninck, Philipp 389 h I Salomon ; 8y

Krabbe, Franz s. Meister m. d. Krebs \ Kramer, Gabriel 2£i I Joh. Jac. 4J6 i Krieger s. Guerra ! Krug, Jacob 1 16

Ludwig f. Krüger, Theodor 446 Kussel, Melchior 448

588

Labnizzi, Carlo j j i Ladenspelder, Joh. 243 Lafreri, Am. 166 Lagrence, Jean Jacques 48 3 Lallemand, George 440 Lancrer, Nicolas 477 491 $ 33 ^44 Lanfranco, Giov. 397 f. 408 478 Lasinio, Carlo 531

Giov. Paolo £oj «r 3 1 Lasne, Michel 347 410 416 Lastman, Pieter 171 Lautensack, Hans Sel>. 146 f. Lauwers, Conrad

Nicolaes ; 5 3 356 Lavreince, Nicolas toi f. Lawrence, Nicolas Thomas y 19 yyi Lebarbier, J. J. Fr. 494 49-

Le Bas, J. Philippe 4_n 4j_& 49J Iii

Le Blon, Jac. Christ. <j coof. 50;

Le Brun, Charles 4a 1 419 431 4;; f. 436

4l8 476 Le Clerc, Seb. 419 490 f. Lederer s. Coriolano Lc Duo), Jan 369 Legare, Gcdcon 438

Gilles 4_i8 Leigel, Gottfr. 232 Lclu, Pierre 48 1 Lely, Peter 4> 9 f. Lembke, Joh. Phil. 4f o

Le Mire, Noel 471 488 491

Lenfanr.Jean 4 ; 1

Leonardis, Giacomo s_oj

Leonardo da Vinci 146t". 1 y8 1 ?6 1 84

I92f. 222 il* UJ 5o9r*. LL2 Leonarr, Georg Andr. 456 Leoni, Otravio 274 407 Le Pautre.Jean 437 t*. Lepicie, Bernard. 470 47 7 488 Le Prince,Jean Bapt. 481 f. 484 501t". Le Royer, Jean Le Sueur, Eustache 4jj 43<S

Nicolas 499 j«8 Leu, Hans 234

Thomas s. De Leu Liagno, Filippo 4J 1 Licf'rinck, Hans 3 1 6 Ligozzi, Jacopo 30? Limousin, Leon. 3 29

Liorard, Jean Erienne 476

Jean Michel 476

Lippi, Filippino i ?4 1 74 1 76

Filippo 169 1 7 1 Livens,jan 388 f. 3_9_o \->6 Lochon, David 420

Lodovico Vicenrino s. Degli Arrighi Loggan, David f ?o Loir, Alexis 4 ; 8

Nicolas 4; 8 Lolli, Lorenzo 396 Lombard, Lambert jifj Lombardo, Pietro 1 34 Longhi, Gius. ? 1 3

Pietro ; 1 4 Lorenzi, Dom. ? »4 Lorrain, Claude s. Gelice Loutherbourg, Phil. Jacques 4jj 1 Lübeck, Holzschneider in £02

Lucas van Leyden 38 190 236 2t 7 f. 2 94

307-14 u_6 Jjj f. Ludwig ze Ulm 3JS Lutma.Janus 390 f. f 06 Lürzelburger, Hans 21s ff. 239 Luykens, Jan i_t_i Lyon, Holzschneider in 1 1 1

Mabuse,Jan i_lq 242 3 1 1 ; 1 (t Mac Ardeil, James .j/u 4^3 s ?6 Maglioli, Giov. And. 278 Magny, M. $06

Mailand, Holzschneider in ff.

Kupferstecher in i£i ff. 328 Mainz, Holzschneider in u £if*- Mair, Nik. Alex. 7_j

Manetti, Rutilio 4 1 o Manglard, Adriaen 48 ; Männl, Jacob 4^7 Mansart, Jules Hardouin 438

Michel Hardouin 438 Manregna, Andrea 1 30

180- 84 192 202 204

121 HL Manruaner Stecher 241 Manuel, Hans Rudolf 1:4

Nicnlaus, Deutsch 2 24 Mararta, Carlo 406 ff. ;oo Marcantonio Raimondi f. üb. f. läA

193 199 2ä£ - 1 - 2 3? f. 240 254-64

8 f. 1 4 1 170 254f. 297

5*9

167 ff. 17- 190 301 3 1 2 32 1 327 3 38 407

Marcolini, Franc. 2Ä2 f. Marconi, Rocco 17 1 Marieschi, Micheie f 2f Marillier, Pierre Clement 497 Maror, Daniel 438

Jean, 438

Martini, Pierre Anr. 496 Martino da Udine 1 9 1 Masaccio 1 fid

Masquelier, Louis Jos. 488 497 Massard, Jean 47 -

J. B. Raph. Urbin 471 Masson, Antoinc ±jif. Matrham, Jac. 314 i+j^ Mattioli, Lod. joj Maturino 304 Mauperche, Henri 414 Maupin, Paul 498 Maurer, Christoph Mazzuola, Fr. s. Parmigianino Meckenem s. Israel v. Meckenem Meil.Joh. Wilh. £4J £±8

Meister J. Amsterd. Kah. (d. Hausbuchs) £i 68 ff. 7_j 9_o !<•><•> 109

mit den Band rollen 111

der Berliner Passion 21

des Bileam da

des h. Erasmus 5^

der Krarcrographie i£i

mit dem Krebs 318

der Liebesgärren da jl

der Rcnouvier-Passion £y

der Sibylle 6j

der Spielkarten j_£ j^ff. 6j t_£

des Todes Mariae

von 1515 1 H K

mit dem Zeichen AAM 148 A.G. 62

A.G oder A.S. 46

B. auf dem Würfel 164 f.

b 1 ;o ijiff.

b fj?(i oder S. 62 2-

B. M.

b.

B.R. 67

CC. m

D.S. 2-Ui

Meister mit dem Zeichen E. S. fLiff. 6^ 7_j 7_8 9jd 1 1 H i<Si 1 74

b . i_Li L£i

F.P 270

F.V.B. 21 77t".

G.G. F. 18 1 297

G.G. N.FE ioü

G L. 2_3_2

H.K. ; i 1

ia ijj qH

I. A.'M /wolle 2^ 7 8 f.

J. B. mit dem Vogel i_±Sf. lM

194 f.

J.B. 140 f. 204

J.C (21

J.D. 11 j 1 20 f.

J F- 3

J. M. 290

J.M.S. s. Mabuse

LA. 16a

LA'. 20J

L.A.F.F u6

L.Cz. dB

L.fjfcS. ^

L.V. ijjj

m.p. f. 298

M.Z. 2J

N. 134 f.

N.B.(N.D.B-) loj.

M.H. 3JJ

O.P.D.C. ioj.

P.M. 22

PP. 191

P.P.W. 21

P.V. s. Eskrich

S. 317

S. mit Anker 197

W.B. da

W H. 62

W^, 78 113

z.a. 1 4 1 1 84

Mcldolla, And. s. Schiavone Mellan, Claude jo_2 416 f. 429 jjj Meloni, Alrobello j_8J Menestrier, Cl. Fr. 437 Mengs, Raffael ti_i ^62 Menzel, Adolf ^49 Mercuri, Paolo 5 1 3 Merian, Kaspar 4fo

59°

Merian, Marie Sibylle 4^2

Marthaeus 450 fF. +,6

Marthaeus d. J. 4^0 Merimee 471 Mersu, Gabr. 470 ?o8 Metsys, Cornelis 3 1 7 Meyer, Conrad yoo

Dietrich 4?o Meyssens,Jan 35; Michelangelo z (< .1 irtrt

295 208 3iif. Miereveldt, Mich. j_£o ?6o Mieris, Will. v. ^21 47 - Mignard, Pierre ±j}f- 4?6 533 Miller, Franqois 422 Mitelli, Gius. Maria 298 Mocerto, Girol. 187 f. Modena, Holzschneider in 147 Mola, Gio. Bart.

Pierro Franc. 396 Moles, Pasq. Pedro £61 Moller, Anton 441 Molyn, Pieter 261 Monaco, Pietro 5 1 4 Monnet, Charles 497 Monoyer, J. B. 427 Monsiau, Nie. And. 497 Monragna, Bartol. r H6

Benedcrto rjj 186 f. Montagu, Dom. £28

Moreau, J. Mich. 492 494 fr. ^44

Mureelse, Paulus

Morghen, Raff. j 1 o ff. y 2 8

Morin.Jean 427 ff.

Morland, George 464

Moser, Lucas an

Moyreau, Jean 477

Muller, Jan ; 2? 346

Müller, Friedr. Wilh. j_3_8

Joh. Gotrhart 1 28 Mulrscher, Hans $ 9 Mulrz, Paul 4^6 Muntaner, Fr. 561 Murillo, Barr. 461 s ' 2 ^61 Murphy, John 464

Musi s. Agosrino Veneziano

Naiwmx, Hendrik.

Nanteuil, Rob. 429fr*. 4_2ir*. 4 ; f> 468

! Natoire, Charles ajn Neapel, Holzschneider in Ldiff. Neefs, Jacob jjj Neil, Johann 447 Nelli, Nicolo iM iM Nesbir, Charlron £60 Nerscher, Caspar 472 $04 Neyrs, Gillis j6j Nicolerto da Modena s. Rosex Niellen 16? 1^2 L2i Nolli, Carlo Nooms, Reynier ^67 Norblin.Jean Pierre 4*h Noseret, Luis Fern. tf>i Novelli, Francesco y_2_i Nürnberg, Holzschneider in 46 ff. Nutrer, William { ? 1

Oeser, Adam Friedr. {42 ) Oesterreich, Martinas 528 Olivier, Aubin jjj Ollivier, Mich. Barrhel. 481 Onorri, Crescenzio 298 Osrade, Adriaen van u 3JS0 369 fr. 459

?Q2 ?p8 j±2

Ostaus, Giov. 2JL2. 2.8JI Ostendorf'er, Michael 22V Ottaviani, Giov. y 10 ; 28 Oudry,Jean Bapt. ±8i 499

Palatino, Giov. Batt. 2JL8 Palma, Jac. il vecchio i_9_i i_22 44: Palma giovine 272 Palomino, Juan Bernabc jöi Panini, Francesco <, 28

Giov. Paolo t 21 y 26 Panneeis, Willem a ?4 Papillon, Jean 498

Jean Michel 498 ff. y y 7 Parasola, Elis. Catanea

Girolama 286 Parigi, Alfonso 402

Giulio 402 412 f- Paris, Holzschneider in 102 ff. Parmigianino,Franc.Mazzuola265 f. 269 ff.

222 2^2 3_D2 204t'- iH ülüi Iii Parrocel, Charles 481

Pierre Ignacc 483

1 o Pasinciii, Lorenzo 396

Pasqualini, Giov, Barr. i^l 4*6 SJJ Passari, Bernardo 171 Passarotti, Bartol. 272 Pater, Jean Bapr. 477 492 Pavia, Holzschneider in 144 fr. Payne, John y yo Pazzi, Antonio ^09 Peeters, Bonaventura j68 Pellegrino da S. Daniele s. Martino Udine

Pencz, Georg 2 36 140 f. 317 Penni, Luca 167 Peregrino da Cesena 1 94 Pcrellc, Adam 419

Gabriel 419

Nicolas 419 Perissin, Jacques 340 371 Perrier, Franc,ois 42 1 Pcruzzi, Bald. 258 301 Pesne, Antoine 471 jjj f. £4J Pether, William 462 Peyron, J Fr. Pierre 48; Piazzetta, Giov. Batt. £ijf. Picart, Bernard 490 f. Pichler, Joh. Peter 458 Piero di Cosimo 1 ^ 7 Pierre, J. B. Marie 481 Pilsen, F. in

Pinelli, Bart. j_a8 Pino, Marco 306 Piranesi Giov. Batt. jai J2£ff.

Francesco ? 16 Pitau, Nicolas 419 4; t Pitteri, Giov. Marco Jijf. ^25 Place, Francis 460 Pleydenwurff, Willi. 46 48 200 Ploos van Amstel, Com. ^07 f. Podestä, Giov. Andrea 40 1 Poelenburg, Corn. j6£ 417 Poilly, Franqois 4; 1 444

Nicolas 43 1 Polanzani, Feiice 514t*. j_o8 Polidoro da Caravaggio 278 398 4

4Q?

Pollaiolo, Antonio 1 ^ 2 169 fr*. 1 76 K Pomer, iL ia

Pompadour, Marquise de 48s 494 Ponce, Nicolas 488 Pond, Arthur <r 58

T07

Ponrius, Paulus 348 f. 3_£j jjfi

Pordenone, Giov. Ant. ^o_i 194 398 t".

Porporari, Carlo Anr. £lj

Porta, Gius. Salviati 281 f.

Potter, Paulus 368 391 £08

Poussin, Nicolas 411 43 1 436 4^0 y 09

540 14_i £4_Z Preisler, Joh. Georg 5 3 f> f . da Prenner, Ant. Jos. v. 4^7 Prestel, Catharina ?o8 Joh. Theophil yo8 Prevost de Gray, Jacques 319 Primaticcio, Franc. 170 f. 319 Procaccino, Camillo 27 1 Prud'hon, Pierre Paul 497 Punt, Jan 3_o_i Purcell, Richard 461

Quast, Pieter Jansz. 371 Quellinus, Erasmus 3$ 2 3 > 4 Quesnel, Fr. 416 Qucverdo, Fr. Marie 7 Quita, Herrn. Heinr. 4^6

Rabe), Daniel 340 4iQ

Jean 41 9 Raeburn, Henry y ? 2

Raff ael 6_£ i_fiü 2 y 7 f. 26? f. 2 9 o 192 298 301 ff. 3_22 327f. 344 19Ji 4o6ff. 421

421 509 5 38 Iii

RatFaello da Reggio 262 l£i

Ragot, Fran$ois 431

Raimbach, Abr. <; s 3

Raimondi s. Marcantonio.

Raven« Franqois ? <r 3 ££6

Regnesson, Nie. 429.

Rembrandt 1 1 f. lUi 307 344 -6y j 69 57I-S8 442 414 4jVif- Mj 4jLi

£08 <r 1 4 y 3 1 5 36 542 y{6 162 t6y

Renesse, C. A. 390

Reni, Guido 306 joj f*. 397 40 3 406 410

410 f. Iii 442 Li! Reverdy, Georges 317 Rewich, Erhart £2 Reynolds, Joshua 460 ff. 5 29 y <> a Ribera, Giuseppe 410-13 410 4f 6 {62 Ricci, Marco <"2o y 2 ?

Sebasriano 478 y 14 Richter, Ludwig T49

59*

Ridc £0£

Riedinger, Joh. Elias jj^ f. Rigaud, Hyacinthe 434 469 f. $33 Rizzo, Antonio 1 34 Robert, Hubert 481 48 3 50 3 Roberti, Ercole 191 Robert a, Cristoforo 1 76 f. Robin, Marinus 252 Rode, Chr. Bernh. $43 Rodelstedt, Peter i^l Rodermont M. 300 Rogers, William 550 Roghman, Roelanr j6j Rom, Holzschneider in 1A1 Romanet, Ant. Louis 496 Romney, George 460 Roos, Joh. Heinrich 4*0 f. Rosa, Francesco 397 Rosa, Salvator 399 41 3 f. 450 48; $40 Rosaspina, Franc 1 3 1 Rosex, Nicoletto da Modena i8r f. Rossel! i, Matteo 418 Rossi, Giov. Giac. 166. - Girolamo £09 Rossini, Luigi 5 : H Rora, Martino xfia 340 446 Rottenhamer, Johann 44a Rodler, Jean Louis 4_j_i Roussellet, Gilles 431. Rubens, P. P. i9_i ^07 3_i8 344-54 jr6 ff. 4_i6 4jj ijfi ü2 Iüü2±i0 42i Iii SJ_Z

Rugendas, Georg Philipp 456 £j9f.

Joh. Christ. £39!*. Ruggieri, Guido 171, 319 Ruina, Gasparc 198 f.

Ruisdael, Jacob van 3641". 484 540 Rupprecht v. d. Pfalz. 460 4** ff- 4<8 Ryland, Will. Wynne 5_j_i £_£j

Sacchi, Andrea 406 Sudeler, Aegidius 441 f. 444 -Johannes 44 1

Raffael ±±if.

Raffael d. j. 441 Saenredam, Jan 3 14 Safrleven, Hermann 363 Sainr-Non, Rieh, de 480 ff. c 16 T41 Salamanca, Antonio

Salimbeni, Ventura 174 409 416 f. 410 Salomon, Bernard 13 J f. Saluzzo, Holzschneider in 146 f. Salviari s. Porta, Giuseppe Sandrarr, Jacob von 444

Joachim von 413 444

Joachim d. j. 44 1

Johann Jacob 44?

Johann Lorenz 444

Susanna 44 t Savart, Pierre 47 1 . Savery, Jacob 3*0 3 t 4 441

Roelant 3 2 1 ;t4 Savona, Holzschneider in 147 Savot, Louis 4^8

Say, William 464 Scarsclla, Girolamo 396 Schau ffelein, Hans Leon. iiaf. Scheits, Matthias 4t o Schenau s. Zeissig Schenk, Peter 4*9 Schiaminossi, Raff. 274. Schiavone, Andrea 270 449 Schiavonetti, Luigi r 2 1

Nicolö ? 3 1 Schidone, Bartol. 398

Schmidt, Georg Friedr. 531—38 £4_3_ Schmutzer, Jac. Matth. 537 Schon, Erhard a-u. Schönfeld, Joh. Heinr. 449 Schongauer, Barrel 6j

Ludwig 62

Martin 4j. -jYl ^ 6jff. 7_j Li_a I_l8 1 3g 141 1 74 1 76 i H6 190 ioa 202 ioÄ

Iii III Schramm, Konr. 441 Schuf, Cornelis 353 f. Schwarz, Christoph 442 Scolari, Giuseppe 29? f. j£7 ; Scotin, Louis Gerard 477 488 f. ££6 Sculptor, Adamo 167 Diana 166.

Giov. Batt. 262

Seghers, Herkules 352 174 270 roo 529 Selma, Fernando 5JS1 Semolei, s. Franco, G. B. Sergenr, Ant. Fr. ror Sharp, William ££j f. y6o. Sherwin.John Keyse jjj ££3

593

Sherwin, William +6q

Sibmachcr, Hans 151

Sichern, Christoph von 224 3f 6 440

Siegen, Ludwig von 454 ff.

Signorelli, Luca ijj^

Silvestre, Israel 4 1 9

Simon, John 461

Pierre 419 Simoneau, Charles 431 474 Sinzenich, Heinrich 4?8 f47 Sirani, Elisabetta 396

Giov. Andrea 396 Skippe, John ;y8 Smirh, John 460 f.

John Raphael 464 £j 1 Snyders, Fr. ^4, 464 Solario, Andrea 146 Solis, Virgil 147 f. 250 f.

Sourman, Pieter 147 160 i*Si 447

Specchi, Aless. 409

Sporer, Hans i&f.

Spranger, Barth. ]ii 44:

Springinklee, Hans 2 1 7 m i jo

St. Aubin, Augustin 47» 481 49* 49^

Gabriel 497 Steen, Jan 4*9 Stella, Jacques 498 Stimmer, Abel a_£i

Hans Christoph iji

Tobias 249 ff. 1 Hfi. Stock, Andreas 146 jyjS Stölzel, Chr. Friedr. {42 Stoop, Dirck 169 Storck, Abraham jjSj Stoß, Veit d&f. Stothard, Thomas Srrada, Vespasiano 174 Stradanus s. Van Straeten Strange, Robert ££ 1 f. Straßburg, Holzschneider in 44 ff. ya Srubbs, George j_ü

Suavius, Lambert 316. Subeyran 1 Subleyras, Pierre 4H ; Sullivan, Luke ££d Suyderhoef, Jonas 359t". 4*8 Swanenburg, Willem 346 4 Swaneveld, Herrn. 367 Swart,Jan

Syrlin.Jörg 68

Taglienre, Giov. Ant. iM Tanje, Peter 291

Tardieu, Nie. Henri 474fr". 488 492

Pierre Alex. 47 a Tassi, Agnsrino 422 Taunay, Nie. Ant. yot

Tempesta, Antonio iäA 401 f 418 $ 19 Temple, William f 60 Teniers, David 3_£4_ ££5 ±J_° ±JJ 48*. Terborch, Gerard 472 f 04 Testa, Pietro 40; f. Teuniszen, Corn. s. Antoniszen Theotocopulo, Dom. 29_> Thomassin, Henri Simon fils 474

Philippe 2_7_8 418 Thompson, John £60 Tibaldi, Dom. 276

Tiepolo, Giov. Batt. 40$ 478 48 1 5i4ff.

5 20 ff. £2_£ £4_1 irtl £64

Giov. Dom. £ 1 8 f.

Lorenzo £ij

Tintoretto,Jac. 27J 278 jo6 362 442 478

Tiry, Leonard 27J 329

Tischbein, Joh. H~ £38

Tizian aiUi aTjf. 28 a ff. 285 f 292 ff. 294 ff. joi f. 106 121 144 $6j j_9_2 122 401 4f6 460 joi s 1 » n8 5 f 1

Tocque, L. 472

Toffanelli, Andrea £13.

Tomkins, Pet Will. £_jj

Torbido, Francesco 122

Torre, Flaminio 196

Tortebat, Franqois 420 f.

Tortorel, Jean 340 37J

Tory, Geoffroy 3 3 x ff.

Toschi, Paolo 472 £ 1 1

Traut, Wolf 2 1 7 441

Troosr, Cornelis 39_i 4*9

Troostwyck W. Joh. v. 391

Trouvain, Ant. 4U

Trumbull, John £jj| ££2

Tura, Cosmc 142 LÄo

Turner, Charles 464

Uffenbach, Phil. 448 £01 Ugo da Carpi 1M 300 f. 204 Ulm, Holzschneider in 40 t*.

594

Umbach, Jonas 449 Unger,Joh. Friedrich 549 Job.. Georg 548*". 5^7 Unzelmann, Fricdr. Ludw. s*9

Vaenius, Otto 318.

Vaillanr, Wallerant 4f 8

Valesio, Giov. Luigi 278

Valk, Gerard 460

Van Aken, Jan |6j

Van den Emden, Marten jyj

Van den Wyngaerde, Fr. H4

Van der Bnrchr, Pierer 1 16

Van der Does, Ant. ?n

Van der Hecke, Jan ]6y

Van der Kabel, Adr. 3 67

Van der Neer, Arr. y 40

Van der Velde, Adriaen ?<S8 f. t

Esaias 162

Jan 362t*. ££j

Van der Weyden, Roger Hi 84^ yo !

Van Diepenbecke 1 ^4

Van Dyck, Anr. 346 f. im 352 ff. j <> 9 f . '

417 4 34 447 4?i 4^Q t". 4M4 >o 1 ypH

Van Eeckhout, Gerbrant 5^

Van Eyck jLi «4_ M ^ >jj. 1 12 107

Vangelisti, Vinc. fjj

Van Goyen.Jan jj^if f 40

Van Hoogstraeren, Sam. 389

Vanloo, Carle 48;

Vanni, Francesco 174 401 f. 409

Van Orley, Barend llq 141 1 16

Richard jtj

Van Pandoren, Egbert 346

Van Schuppen, Peter 419 4j 1

Van Somer,Jan 4^9

Van Stalburch, Jan ; 1 6

Van Staren, Dirck s. Vellerr.

Van Straeten, Jan ^ 1 8 \ 21 40 1

Van Thulden, Theod. j£jf.

Van Uden, Lucas 2?4t".

Van Uytenbroeck, Moses jrt: ; 7 3

Vanvitelli, Luigi y 1 <;

Van Vlier, Jan Joris 3_88 $^6

Varotari, Alessandro

Vasari, Giorgio aJÜSf.

Vase, Pierre s. Eskricli.

Vasi, Gius. s ay, ü_k VauquerJ.

Vavassorc, Zoan Andrea i_4j 1 84

Vazquez, Bartol. £6_i

Vccellio, Cesare 2JL8

Velazquez, Diego j_6j f. $64

Vcllert, Dirick 3 1 7 f.

Vendramini, Giov. jji

Venedig, Holzschneider in 49 1 14 ff. 2 79 ff.

Kupferstecher in 176 ff. Venturini, Giov. Fr. 409 Verboom, Adr. a6y. Verdizotti, Giov. Maria 385 Verini, Bened. 165

Giov. Batt. sM Verkolje.Jan 45»;

Nicolas 45 9 f.

Vermeulen, Com. Marinus 419 431. Vernet, Carle yoy

Claude Josephe 477 481 Verona, Holzschneider in liä Veronese, Paolo 178 206 441 y 14 Verrocchio, Andrea 1 <; 2 1 76 Verschuring, Hendrik ■>,(■> 7 Vertue, George yfo Vespasiano, Amphiareo 288 Viani, Dom Maria i<)X

Giov. Maria

Vicenrino, Lod. s. Degli Arrighi

Gius. Nie. s. Giuseppe Nie. Vic. Vico, Enea 2iS£ 3 16

Vien.Jos. Marie 483

Vigee-Le Brun, Elis. j_o£ ? j_8.

Vignon, Claude 420-

Villamena, Franc. i_7_8 410 416.

Vinckboons, David } 50

Visentini, Ant. y a 3

Visscher, Cornelis ifio ff. 4^8

Vivarcs, Francis f ? 1

Vivarini, Barrol. 178, 1 90

Vleughels, Nicolaus 492

Vlier s. Van Vliet.

Vogel, Bernh. 4?8

Vogtherr, Heinr. 223

Volpato, Giovanni £oj>f. jnf. 520 y 28

Vorsrerman, Lucas 347 f. 35 2 f. m6

Vouet, Simon 420 416.

Voyez, Fr. u. Nie. Jos. 496

Vuiherr, Remy 111

595

Wächtlin, Joh. uif. 3oo Wagner, Joseph yoy f 19 5 36 553 Waldfoghel, Procop lo^ Walker, James 464 Walther, Friedr. $6

Joh. Georg 441 Ward, James 464

William 464

Wateier, Henri Claude 483 f. Waterloo, Ant. £40 542 Watson, Caroline

James, 46a

Thomas, 464 531 Wart, John 46a

Watteau, Antoine 47J ff . 483 48 £ f. 4M

490 ff. 4_yj. 406 500 5J4 jji j_6i Waumans, Conrad Weidirz, Hans nof. iaj Weigel, Christ. 4y8 Weirotter, Franz Edm. ^40 Wenzel von Ol mutz dB. 2 L r- West, Benjamin £ £ 1 f. Westerhout, Arnold v. yoo White, Charles W.

George 46 1

Robert 460 £j_o

Wierix, Anton j l8 f. 140 444 47-.

Hieronymus ji&f.

Johannes 3 1 8 r*. Wilborn, Nicolas 141 Wilhelm Briefdrucker üi

Wille, Georg 4z_if. 484 jjj Lii H^ff-

540 £41 üi Williams, R. 460 Wilson, Benj. jjjS

Wilson, Rieh. 5 £ i Wirdoeck.Jan j£2f". Witz, Konrad yo Woeiriot, Pierre jjdf. Woensam, Anton >n Wolfgang, Andreas Matthias 4+j

Georg Andreas 444 cy<

Joh. Georg 444 £jj Wolff, Licnhart

Wolgemut, Michael 4; 46 48 f. fLit 199 f.

Wolle«, WU1. *jif. £id

Wbrlidge, Thomas y f 6

Wouwermans, Phil. 477 ££i

Wrenk, Franz f 02

Wrighr, Joseph 46t ££i

Wyck, Thomas 167 ^ 7 s

Young, John 464

Ypern, Joh. Thom. v. 4^6

Ysenhut s. Eysenhut

Zancarli, Polifilo jjj8 Zanetti, Ant. Maria iJLa 306 Zasinger Marth. 7J Zecman, s. Nooms, Reynier Zeissig, Joh. Eleazar £^1 Zilotti, Dom. Bern, Tay Zingg, Adrian f 4a

Zoan Andrea 13? lJü ^84 f. löJ n^a i9_o

Zocchi, Giuseppe Tay

Zuane de biaxo 13

Zuccarelli, Francesco £ao_.

Zuccari, Francesco 167 321 401

Taddeo 322.

Zu mit, Matthias i£i

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KVPFERSTICH VND HOLZSCHNITT IN VIER CMHRHVNPEKTEM AKT 254 ABBILDVNGEN* VON PAVL FJUSTELLER»

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