Encyklopaedie der

Naturwissen...

Gustav Jäger, Wendelin Förster

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ENCYKLOPJEDIE

DER

NATURWISSENSCHAFTEN

HERAUSGEGEBEN VON

Prof. Dr. W. FÖRSTER, Prof. Dr. A. KENNGOTT, Prof. Dr. LADENBURG, Dr. ANT. REICHENOW, Prof. Dr. SCHENK, Geh. Schulrath Dr. SCHLÖMILCH, Prof. Dr. G. C. WITTSTEIN, Prof. Dr. von ZECH.

ZWÖLFTER BAND.

H. ABTHEILUNG.

I. THEIL:

HANDWÖRTERBUCH der MINERALOGIE, GEOLOGIE und PALÄONTOLOGIE

HERAUSGEGEBEN

VON

Prof. Dr. A. KENNGOTT.

BRESLAU,

VERLAG VON EDUARD TREW EN DT.

1885.

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HANDWORTERBUCH

DER

MINERALOGIE,

GEOLOGIE

UND

PALÄONTOLOGIE

HERAUSGEGEBEN VON

Prof. Dr. A. KENNGOTT.

UNTER MITWIRKUNG

VON

Prof. Dr. A. von LASAULX und Dr. Fr. ROLLE.

MIT 202 HOLZSCHNITTEN UND 2 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN.

ZWEITER BAND.

BRESLAU,

VERLAG VON EDUARD TREWENDT.

1885.

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1

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Das Recht der Uebersetzung bleibt vorbehalten.

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Inhal tsverzeichniss .

Seite

Geologie, ihre Aufgabe und Eintheilung von Prof. Dr. VON LasAULX I

Gestalten der Minerale von Prof. Dr. Kf.nnt.ott £

Die Gesteine von Prof. Dr. vus Las.M'lx 10

Gewicht, spee irisches, der Minerale von Prof. Dr. Kbnngott 64

Glänze von Prof. Dr. Kl.NNGOTT 66

Die Gletscher von Prof. Dr. von Lasaulx 88

Glimmer von Prof. Dr. Kknn<;utt 105

Harze von Prof. Dr. Kenngott 118

Hydrate von Prof. Dr. Kf.nngott 174

Hydroiden von Dr. Fr. Rolle 127

Infusorien von Dr. Kr. Rolle 132

Insekten von Dr. Fr. Rolle 133

Die Inseln von Prof. Dr. von L.vsai lx . 140

Isomorphismus von Prof. Dr. KENNGOTT 140

Jura-System von Dr. Fr. Koi.l.F. 159

Kiese von Prof. Dr. Kenngott 168

Kohlenbildung in den verschiedenen geologischen Epochen von Dr. Fr. Rolle .... 182

Kreidesystem von Dr. Fr. Rulle lotj

Kryptogamen von Dr. Fb.. ROLLE 211

Die Krystalle von Prof. Dr. KENNGOTT 277

Krystallgestalten, Krystallographie von Prof. Dr. Kenngott 292

Malachite von Prof. Dr. Kenngott 401

Das Meer und seine geologische Bedeutung von Prof. Dr. von Lasaulx 406

Messen der Krystalle von Prof. Dr. Kenngott 417

Metalle von Prof. Dr. Kenngott 423

Der Metamorphismus der Gesteine von Prof. Dr. VON LASAULX 431

Meteoriten von Prof. Dr. Kenngott 461

Myriapoden von Dr. Fr. Rolle 464

Opal und Opaline von Prof. Dr. Kenngott 466

Optische Eigenschaften der Minerale von Prof. Dr. Kenngott 470

Organismen als Vermittler geologischer Bildungen von Prof. Dr. VON Lasaulx .... 480

Paragenesis der Minerale von Prof. Dt. Kenngott 487

Permisches System von Dr. Fk. Rolle 4SS

Geologie, ihre Aufgabe und Eintheilung

von

Prof. Dr. A. von Lasaulx.

Geologie ist in des Wortes voller und umfassender Bedeutung die Wissen- schaft von der Erde, also die Erdkunde. Sie umfasst danach Alles, was auf und in der Erde Theil hat an der Entwicklung, Gestaltung, Beschaffenheit und Ver- änderung des Planeten und seiner zusammengehörigen Theile. In dieser weiten Umgrenzung würde sie auch die Kenntniss der gesammten organischen Wesen, die die Erde bevölkern, zu ihrem Gebiete zu rechnen haben. Sie wäre dann gewisser- maassen der Inbegriff aller die natürliche Beschaffenheit und Entwicklung der Erde, ihrer Theile und ihrer Bewohner betreffenden Einzelwissenschaften.

In einem so umfassenden Sinne wird nun das Wort Geologie allerdings von uns nicht verstanden. Aber eben weil es in einer der allgemeineren, natürlichen Bedeutung gegenüber nur durch Ucbereinkuntt eingeschränkteren Auffassung genommen wird, ist diese Begrenzung nicht an und für sich scharf und überall bestimmt Die Geologie und die ihr nächst verwandten Nachbarwissenschaften schwingen, so könnte man dieses bildlich ausdrücken, mit ineinander übergreifenden Schwingungsbogen z. Tb. über dieselben Gebiete hin.

Man versteht unter Geologie im engeren Sinne nur die Kenntniss von den unbelebten Stoffen, welche an der Zusammensetzung der Erde wesentlichen Antheil nehmen. Wenn auch die Entwicklungsgeschichte der Organismen un- trennbar ist von der Erde, die sie trägt, so bilden doch nur solche organischen Reste einen Theil des Gebietes der Geologie, die wieder der leblosen anorganischen Natur verfallen sind, mehr oder weniger mineralisirte oder versteinerte Ueberreste von Organismen.

Darin berühren sich denn auch die Gebiete der Geologie und der eigentlichen Palaeontologie.

Diese ist die Lehre von den früheren Lebewesen auf unserer Erde und basirt als solche wesentlich auf der Kenntniss der lebenden Thiere und Pflanzen, also auf Zoologie und Botanik. Da aber die untergegangenen Ueberreste von Thieren und Pflanzen, wie die Münzen oder alte Inschriften für den Historiker, für die chronologische Reihenfolge der anorganischen Bildungen, der Gesteinsschichten in der Erdrinde, die grösste Bedeutung haben, so ist die Palaeontologie eine not- wendige Hilfswissenschaft der Geologie.

Andererseits ist die Mineralogie, die Wissenschaft von den anorganischen

Kkkhgott, Min., G«ol. u. Pal. II. I

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Einzelwesen, den Mineralen, die in vielfacher und wechselnder Zusammensetzung und Vereinigung die Gesteine bilden, die wichtigste Grundlage der Geologie.

Und so sehr auch Mineralogie und Palaeontologie von einander verschieden sind und ihrerseits auf gänzlich verschiedenen Hilfswissenschaften basiren, jene auf Physik, Chemie, Geometrie, diese auf Zoologie, Botanik, so haben sie in der Geologie doch eine gemeinsame historische Aufgabe und ihr Ziel ist die Erklärung der Erde und ihrer Glieder als Ganzes nach ihrem Sein und Werden. So erscheint es vollkommen gerechtfertigt, dass auch in dieser Encyklopädie diese drei Wissenschaften in eine engere Vereinigung zusammengefasst wurden.

Auch die Geographie, die man auch als die Physiographie der Erdober- fläche bezeichnen kann, hängt innig mit der Geologie zusammen. Man pflegt im Deutschen vielfach den Namen Erdkunde in dem Sinne von Geographie zu nehmen. Die sogen, physische Erdkunde ist eigentlich nur ein Aggregat sehr verschiedener Lehren, die aber grösstentheils dem Gebiete der Geologie entnommen sind: es mischen sich damit einige astronomische, zoologische und botanische Abschnitte. Das, was als mathematische Erdkunde bezeichnet wird, ist ganz in den Bereich der allgemeinen Geologie und Astronomie zu verweisen.

Wenn die physische Erdkunde als eine Entwicklungsgeschichte unseres Planeten definirt wird1), ist sie eben nur Geologie.

Nur dadurch unterscheidet sich die Geographie von der Geologie, dass jene auf die jetzt lebende Thier- und Pflanzenwelt und ganz besonders auf den Menschen und dessen Werke Rücksicht zu nehmen hat, da eben die Vegetation, die Thierwelt und der Mensch mit allen Resultaten seiner Cultur und Industrie die Physiognomie der Oberfläche der Erde und ihrer Theile ganz wesentlich charakterisirt.

Die Geologie aber abstrahirt von allem Lebendigen, das auch die Erde in den ersten Stadien ihrer Entwicklung nicht bcsass, sie betrachtet nur den todten Erdball, entblösst von dem Schmucke des Pflanzcnkleides und beraubt der munteren Bevölkerung aus der Thierwelt; ihr gilt die Erdoberfläche als eine wüste, ausgestorbene Einöde und ihre Aufgabe beschränkt sich wesentlich darauf, die Natur dieser grossen, unbelebten und unbeseelten Kugel zu erforschen, um welche der ewig blühende Kranz der Vegetation, um welche die so bewegliche Kette von belebten und beseelten Wesen gewunden ist2).

Die Geologie ist aber die Wissenschaft nicht nur von dem heutigen Zustande, den Eigenschaften, den Kraftäusserungen der unbelebten Theile der Erde, sondern auch von der Geschichte dieser. Und wie die Geschichte der Menschheit darin vornehmlich für die Gegenwart Bedeutung hat, dass sie den Blick zu vorschauenden Schlüssen auf die Zukunft schärft, so kann auch in das Gebiet der Geologie Werden, Sein und Vergehen, Entwicklung, Beschaffenheit und Umbildung der Erde und ihrer unbelebten Glieder gerechnet werden. Darnach würde die Geo- logie in drei zeitlich gesonderte Theile zerfallen mit der Aufgabe, Vergangen- heit, Gegenwart und Zukunft des Planeten zu erklären.

Mit dem Worte Geogenie bezeichnet man die Lehre von der Entstehungs- geschichte des Erdganzen und der Erdglieder, und unter Geognosie versteht man die Beschreibung der heutigen Beschaffenheit derselben. Aus der Kenntniss beider ergiebt sich fast von selbst, wenn auch nur aus hypothetischer Folgerung

") I'rsciiki.-Lkipoldt, Physische Erdkunde. I. pag. 3. 2) Naumann, Geognosie. I. pag. 2.

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Geologie, ihre Aufgabe und Eintheilung.

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die Einsicht in die zukünftige Entwick hing der Erde, die man auch als Geotelesie bezeichnen mag.

Das Wort Geognosic ist auch wohl so ziemlich in derselben Weise wie Geologie gebraucht worden. Man wollte damit ausdrücklich bezeichnen, dass man die Beobachtungsgebiete der Geologie ganz frei von genetischer Folgerung beschreiben solle, die durch direkte Wahrnehmung festzustellende Thatsache ganz von theoretischer und nothwendig auch mehr oder weniger hypothetischer Anwendung trennen müsse.

Aber damit raubte man der Wissenschaft ihr eigentliches Ziel und auch das frische Interesse. Und wie die neueren zoologischen und botanischen Forschungen nicht mehr in der ausschliesslich beschreibenden Systematik, sondern gerade darin ihre wichtigste Aufgabe erkennen, die Theorie der Entwicklungsgeschichte zusammenzufügen und eine Lebenskunde, Biologie, im umfassendsten Sinne des Wortes (also auch Biogenie) zu sein, so darf auch die Geologie nur in der theoretischen Anwendung ihrer Erfahrungen auf die Erkenntniss allgemeiner Ent- wicklungsgesetze, also eigentlich in der Geogenie die als letztes Ziel anzustrebende Aufgabe sich stellen. Und von diesem Gesichtspunkte aus erscheint es richtig, die Bezeichnungen und Unterscheidungen Geognosie und Geogenie in dem um- fassenden Namen Geologie einfach aufgehen zu lassen.

Da aber der Erdball ein vielfach zusammengesetztes Ganzes ist, das schon an der Oberfläche drei deutlich und scharf von einander zu trennende Gebiete aufweist: das Reich der Atmosphäre, der Gewässer und die eigentliche Erd feste, von denen jedes wieder in verschiedener Art zu gliedern ist, so ergiebt sich die Beschaffenheit und Entwicklung des Ganzen nothwendig als die Summe der Eigenschaften und Entwicklungsvorgänge der einzelnen Glieder und ihrer Beziehungen zu einander.

Die Geologie findet also ihr Ziel in der Erkenntniss der Bedingungen der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Zustünde aller einzelnen Glieder der Erde. Und je mehr es schwierig erscheint, die zeitliche Unterscheidung von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft dieser Zustände als Basis einer Eintheilung der Geologie zu wählen, um so mehr wird es nothwendig, auf der räumlichen Unterscheidung der einzelnen Glieder die Ordnung des Gesammtstoffes zu be- gründen. Ganz besonders aber wird für eine encyklopacdische Darstellung der Geologie in einzelnen, wenn auch grösseren Artikeln diese Eintheilung nach räumlicher Gliederung die einzig mögliche sein.

Schon im Vorhergehenden sind die drei zunächst hervortretenden, oberfläch- lichen Glieder des Erdganzen genannt worden: die Atmosphäre, das Meer und das Festland. Diese drei Glieder begründen auch die wesentlichsten Abschnitte der Geologie. Meteorologie und Hydrographie, für sich selbständige Zweige, er- scheinen hier enge mit der Geologie verknüpft.

Die Geologie der Erdfeste ist aber der wichtigste und derjenige Theil der Geologie, der auch vorzugsweise und im engeren Sinne als Geognosic bezeichnet wurde.

Da es nach dem Vorhergehenden nicht möglich ist, genetische Erörterungen von der Geologie zu trennen, so ist es andererseits auch durchaus selbstverständ- lich, dass die Beschreibung der sichtbaren Eigenschaften des Erdganzen und der einzelnen Glieder auch die Aeusserungen der Kräfte mit umfasst, die mit den Eigenschaften in engem causalem Zusammenhange stehen.

So gliedert sich die Geologie der einzelnen Theilc des Erdganzen immer in

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

die Physiographie und die Mechanik derselben oder einen physischen und einen dynamischen Theil. Der erstere umfasst die Darstellung des jetzigen und der früheren Zustände des Erdganzen und seiner Glieder, nach Form, Grösse Lagerung und Strukturverhältnissen, der letztere die Schilderung der Kräfte, welche in und auf der Erde wirksam waren und noch sind, unaufhörlich an der Umgestaltung derselben arbeiten und theils physikalischer, theils chemischer Natur sind. Damit führt die Geologie unmittelbar auf das Gebiet der Physik und Chemie. Die Bezeichnung chemisch-physikalische Geologie kann als gleichbedeutend gelten mit der Lehre von den geologisch wirksamen Kräften.

Freilich ist im Einzelnen bei der für eine Encyklopaedie gebotenen alpha- betisch-lexikographischen Anordnung ein striktes Einhalten systematischer Ein- theilung nach den angegebenen Gesichtspunkten nicht durchzuführen. Im Allge- meinen aber ist dieselbe soweit als möglich inne gehalten worden. Und so fügen sich in eine entsprechende Ordnung gebracht, alle in diesem Werke ent- haltenen geologischenArtikel doch zu einer systematischenGeologie zusammen.

Dabei hat es sich, um den Anforderungen der Gegenwart möglichst zu ent- sprechen, von selbst ergeben, dass einzelne Gebiete, auf denen ganz besonders neuere Forschungen einen neugestaltenden Einfluss ausübten, etwas ein- gehender behandelt wurden. Für die anderen ergab der Hinweis auf die schon vorhandene Literatur auch die Möglichkeit einer weiteren, mehr ins Einzelne gehenden Orientirung. Das erscheint als die richtige Auffassung von der Aufgabe eines encyklopaedischen Werkes, dass es auf jede Frage die Mittel einer Beantwortung in ausgiebiger Weise dem Fragenden an die Hand giebt. Auf alle Fragen eine gleich ausführliche und umfassende Antwort zu geben, erscheint schon deshalb unmöglich, weil die Frage nicht auf dem Boden objektiver Be- herrschung des Gebietes, sondern im Gegentheil auf dem subjektiver Bedürftigkeit erwächst.

Die am Ende eines jeden Artikels angeführte Literatur giebt die wichtigeren allgemeinen und besonderen Werke jedesmal an, die den Stoff zu einer möglichst umfassenden Kenntniss des heutigen wissenschaftlichen Standpunktes auf dem einschlagenden Gebiete enthalten. Auf diese muss daher verwiesen werden, wo ein weiteres Eingehen in die Details durch den Umfang der betreffenden Artikel ausgeschlossen blieb.

Wer aber in systematischer Reihenfolge das Gesammtbild der Geologie aus den Artikeln der Encyklopaedie entwickeln will, für den wird der folgende Gang einzuschlagen sein. Man wird natürlich mit den Eigenschaften und der Ent- wicklung des Planeten als Ganzes beginnen. Der Artikel: Der Erdball und seine Beschaffenheit1) (i) behandelt diesen Abschnitt. Es schliesst sich die Geologie der einzelnen Hauptglieder zunächst an in den Artikeln: »Die Atmosphäre und ihre geologische Bedeutung« (2) und »Das Meer« (3).

Der wichtigste, die Erdfeste betreffende Abschnitt erfordert bei seinem Um- fange eine mehrfache Theilung. Die äusseren Formen der festen Erdober- fläche und ihre Gestaltung behandeln die Artikel: »Die Continente« (4) und »Die Inseln« (5), die Struktur des Inneren »Die Schichtenlehre« (6) und der Artikel »Die Gänge« (7). Hieran schliesst sich naturgemäss die Lehre von den »Gebirgen und ihrer Entstehung« (8) an, in denen äussere Ge- staltung und innerer Bau gleichmässig zu berücksichtigen sind.

') I>ie beigefügten Zahlen geben die systematische Reihenfolge der Artikel an.

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Gestalten der Minerale.

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Das Material der Erdfeste ist Gegenstand der Gesteinslehre, die auch als Lithologie oder Petrographie einen eigenen selbständigen Zweig der Geologie bildet Ihr ist der Artikel: »Die Gesteine« (9) gewidmet.

Ist nun Form und Stoff der Erdfeste erkannt, so kann in einem weiteren Abschnitte auf die Betrachtung der wirksamen Kräfte eingegangen werden, die jene Kenntniss voraussetzen. Dieser Abschnitt umfasst also die dynamische Geologie.

Hierhin gehören die Artikel: »Die Vulkane (10), »D ie Erdbeben« (n), > säkulare Schwankungen an der Erdoberfläche« (12), »Chemische Pro- cesse in der Geologie« (13), Organismen als Vermittler geologischer Bildungen« (14), » Geologische Wirkungen des Wasser (15). An diesen letzteren Gegenstand schliessen sich dann noch als besonders wichtige Einzel- fragen behandelnd die Artikel: »Die Quellen« (16), »Die D eltabildungen« (17), »Die Gletscher« (18) an. Eines der schwierigsten Gebiete und darum füglich erst nach den anderen folgend, behandelt der Artikel: »Metamorphis- mus« (19).

Der Artikel: »Geologische Zeitrechnung« (20) führt dann zu der eigentlich historischen Geologie hinüber, der Lehre von den verschiedenen Zeitaltern der Entwicklung der Erdfeste und den sogen, geologischen Systemen oder Formationen, die in den palaeontologischen Artikeln der Encyklopaedie ent- halten ist (s. Artikel: Allgemeine Einleitung in die Palaeontologie).

Gestalten der Minerale

von

Prof. Dr. Kenngott.

Da es nicht allein feste Minerale giebt, sondern auch tropfbare und gasige Körper als Minerale vorkommen, so ist zunächst selbstverständlich, dass die beiden letzteren gestaltlos sind. Nur sehr selten können tropfbare Körper eine kugelige Gestalt als eine selbständige, nicht von der Umgebung abhängige Gestalt zeigen, wie das Mercur auf anderen Mineralen aufliegend kleine Kugeln bildet und die Regentropfen selbständig gestaltet sind. Nur die festen Minerale haben eine Gestalt, durch welche sie als einzelne bestimmt abgegrenzt sind und die Gestalten, welche ausserordentlich mannigfaltig und Gegenstand der Mineral-Morphologie sind, werden als wesentliche, unwesentliche oder zufällige unterschieden. Die wesentlichen Gestalten eines Minerales werden durch andere Eigenschaften desselben bedingt und die sichtbare räumliche Begrenzung des Stoffes hängt zu- nächst von demselben ab, kann aber auch durch äussere Umstände beeinflusst werden. Die unwesentlichen Gestalten dagegen werden durch äussere Umstände bedingt und wechseln mit diesen oder sind Eigenschaften der Materie überhaupt, nicht an bestimmte Stoffe gebundene. So sind z. B. Gestalten, welche von der gegenseitigen Begrenzung der Minerale abhängen, unwesentliche, die Gestalten aber der Krystalle wesentliche. Als allgemein geltende aber lassen sich diese Unterschiede der Gestalten nicht auffassen, insofern diese Bestimmungen wechseln und verschiedene Werthe erhalten, je nachdem es sich um ein einzelnes Mineral oder um eine Reihe einzelner Minerale handelt, welche in eine Art zusammen- gestellt werden. Hierdurch können wesentliche Gestalten eines einzelnen Minerales unwesentliche für die Mineralart werden.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Ferner lassen sich alle an Mineralen vorkommenden Gestalten als krystal- linische und unkrystallinische unterscheiden. Ks ist nämlich eine Eigen- tümlichkeit unorganischer Körper überhaupt, dass bei der grossen Mehrzahl derselben die Ausbildung selbständiger Einzelkörper, unorganischer natürlicher Individuen beobachtet werden kann, welche Krystalle genannt werden. Alle Gestalten nun, welche von dieser individuellen Ausbildung, von der Krystallisation abhängen, werden krystallinische genannt. So scharf aber auch tatsächlich krystallinische Gestalten von unkrystallinischen verschieden sind, so ist doch die Betrachtung der Minerale mit dem unbewaffneten Auge nicht immer für die Unterscheidung ausreichend, weshalb man auch Minerale mit einer Loupe betrachten oder sogar Mikroskope verwenden muss, um krystallinische Gestaltung als solche zu erkennen. So kann z. B. ein Mineral als eine feinerdige Masse erscheinen, während eine entsprechende Vergrösscrung uns belehrt, dass die sehr kleinen, scheinbar erdigen Theilchen kleine Krystalle sind.

Andererseits müssen Gestalten von Mineralen unkrystallinische genannt werden, wenn sie bei unverkennbarer individueller Ausbildung doch von dieser unabhängig sind. So kann z. B. ein einzelner Calcitkrystall als Individuum in einem kugelig gestalteten Hohlräume entstanden sein und den ganzen Raum aus- füllend, eine kugelige Gestalt zeigen. Er ist ein krystalljnisches Individuum, ein Krystall, welcher nur durch die hindernde Umgebung beschränkt seine krystalli- nische Gestalt nicht ausbilden konnte und somit eine unwesentliche zufällige unkrystallinische Gestalt hat. So können z. B. viele mit einander verwachsene Krystalle, durch die Verwachsung gehindert, ihre Krystallgestalt nicht ausbilden, sondern bilden, wie dies bei CaJcit, Granat, Augit u. a. m. oft gesehen wird, nur unbestimmt eckige Krystallkörner, deren Gestalt eine unkrystallinische, von der Krystallisation unabhängige ist, nur durch die gegenseitige Begrenzung der verwachsenen Individuen erzeugt wurde.

Endlich kann man auch die an den Mineralen vorkommenden Gestalten als eigenthümliche und als fremdartige unterscheiden. Jene sind solche, welche durch das Mineral selbst gebildet wurden, gleichviel ob sie wesentliche oder un- wesentliche, krystallinische oder unkrystallinische sind; fremdartige Gestalten aber sind solche, welche von der vorhandenen Mineralmasse unabhängig sind. Solche sieht man an den Pseudokrystallcn (s. diesen Artikel) und Versteinerungen, indem gewisse Minerale die Gestalten anderer Minerale oder Gestalten von Thieren und Pflanzen oder deren Theilen zeigen. Die Gestalten der Pseudo- krystalle und der Versteinerungen sind also nicht von dem vorhandenen Minerale abhängige, sondern fremden Arten angehörige, anderen Mineralarten oder ver- schiedenen Arten von Thieren und Pflanzen oder Theilen derselben, weshalb sie fremdartige heissen.

Wenn man aus diesen Verschiedenheiten der an Mineralen vorkommenden Gestalten ersieht, dass die Beschreibung derselben jedenfalls für die Minerale wichtig ist, um so wichtiger, wenn die Gestalten wesentliche sind, so ist hier darauf aufmerksam zu machen, dass bei der Beschreibung irgend eines einzelnen Minerales oder einer einzelnen Mincralart gegenüber der Beschreibung von Thieren oder Pflanzen ein ganz anderes Verhältniss obwaltet. Wenn nämlich in der Naturgeschichte eine Thier- oder Pflanzenart beschrieben wird, so umfasst diese Beschreibung gewissermaassen die Gestaltung aller Thiere oder Pflanzen derselben Art. In der Mineralogie aber ist das Verhältniss ein ganz anderes, weil einerseits die zu einer Mineralarl gerechneten Krystalle oder Individuen als Individuen

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Gestalten der Minerale.

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derselben Art sehr verschieden gestaltet sein können, andererseits ausser den Krystallen auch noch andere Vorkommnisse zu derselben Mineralart gerechnet werden, welche keine Krystalle darstellen, unkrystallinische Gestalten zeigen, selbst fremdartige. Dies rührt nämlich davon her, dass der Begriff eines einzelnen Minerales ein ganz anderer ist als der Begriff eines einzelnen Thieres oder einer einzelnen Pflanze, und dass eine Mineralart nicht allein die mit den einzelnen Thieren oder Pflanzen als Individuen vergleichbaren Krystalle gewisser Gestaltung umfasst, sondern auch Vorkommnisse, welche es bisweilen schwierig machen, zu sagen, was ein einzelnes Mineral sei.

Man kann in der Mineralogie nicht wie in der Zoologie und Botanik sagen, dass im Mineralreiche die einzelnen Minerale Individuen sind, weil nur die Krystalle als solche aufzufassen sind, auch nützt es nichts, um Uber die Krystalle hinauszugreilen, zu sagen, dass das Individuum ein Mineral sei, welches einen von ursprünglichen Begrenzungen umschlossenen Raum einnimmt und denselben mit einer homogenen Materie stetig erfüllt, wie z. B. F. Mohs sich in den leicht fasslichen Anfangsgründen der Naturgeschichte des Mineralreiches ausdrückte. Wir müssen in diesen Beziehungen den Anschauungen des gewöhnlichen Lebens einige Rechnung tragen, ohne zu besorgen, zu wenig wissenschaftlich zu sein. Das Vorkommen der Minerale zwingt uns, den Begriff des Mineral-Individuums und den eines einzelnen Minerales (vergl. das pag. 56 im Artikel »Arten der Minerale c Gesagte) auseinander zu halten.

Mineral-Individuen sind und bleiben die Mineralkrystalle und Niemand wird daran zweifeln, dass ein einzelner Krystall ein Individuum und ein einzelnes Mineral sei, welches mit anderen Mi neralkry stallen als Individuen, als einzelnen Mineralen verglichen werden kann. Wenn dagegen ein einzelner Krystall, deren es zum Theil sehr grosse giebt, in einzelne Stücke zerschlagen worden ist, so kann man selbstverständlich nicht sagen, dass die einzelnen Stücke Individuen sind, während doch jedes einzelne Stück als ein einzelnes Mineral aufzufassen ist und mit anderen verglichen werden kann. Auch selbst bei solchen einzelnen Mineralen, wie sie in Sammlungen in grosser Zahl enthalten sind, kann man von der Gestalt derselben sprechen.

Man bezeichnete solche Gestalten als innere Gestalten gegenüber den äusseren, welche als natürliche Begrenzung der Materie gesehen werden und unterschied die inneren Gestalten als krystallinische und unkrystallinische. Jene werden durch die Spaltungs flächen gebildet, wenn Krystalle beim Zerschlagen (s. Artikel »Cohäsionc u. s. w. pag. 156) in Stücke zertheilt werden, welche ganz oder theilweise durch ebene Flächen begrenzt sind, deren gegenseitige Lage mit den Flächen der Krystalle in Zusammenhang steht, daher man solche Stücke Spaltungsstücke nennt und solche Stücke als einzelne Minerale miteinander und mit denen anderer Minerale vergleicht. Die unkrystallinischen inneren Gestalten werden durch die Bruch flächen (s. pag. 162 im Artikel: Cohäsion u. s. w) gebildet und die durch solche begrenzten Stücke heissen Bruchstücke, welche ebenfalls als einzelne Minerale im Vergleiche mit anderen aufzu- fassen sind.

Hiernach unterscheiden sich also die Gestalten aller zur Betrachtung kommen- den einzelnen Minerale als krystallinische und unkrystallinische, als äussere und innere, als wesentliche und unwesentliche. Die äusseren krystallinischen Gestalten werden im Artikel »Krystallgestalten« beschrieben, die inneren krystallinischen Gestalten wurden im Artikel »Cohäsionc u. s. w. be-

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

sprochen, in welchem auch die inneren unkrystallinischen erledigt wurden, sodass hier nur die äusseren unkrystallinischen zu beschreiben sind. Inwieweit Gestalten wesentliche und unwesentliche sind, ergiebt sich aus dem im Artikel »Arten der Minerale« Gesagten.

Zu den äusseren unkrystallinischen Gestalten gehören zunächst alle Gestalts- verhältnisse, welche nicht krystallisirte Minerale zeigen, ausserdem auch solche krystallisirter Minerale, welche von der Krystallisation unabhängig sind oder wo man den Einfluss der Krystallisation nicht erkennt. Hier sind jedoch diejenigen Gestalten zu trennen, welche durch fremde Körper den Mineralen gegeben werden. Solche sind vornehmlich die Gestalten der Petrefacten oder Ver- steinerungen, welche Gegenstand der Palaeontologie sind. Sie entstanden entweder dadurch, dass organische Körper, Thiere oder Pflanzen oder Theile solcher durch eine Veränderung der organischen Substanz sich in Mineralmasse umwandelten, oder dass ein organischer Körper gänzlich oder theilweise von einer mineralischen Substanz durchdrungen wurde, welche nach und nach die Räume solcher einnahm oder dass in den Raum, welchen ein von Mineralmasse um- gebener organischer Körper nach Entfernung seiner Bestandteile hinterliess, eine mineralische Substanz eindrang und die hohlen Räume ausfüllte. An diese schliessen sich auch die Abdrücke organischer Formen in Mineralmassen, welche organische Körper umhüllten.

Ausserdem erlangen Mineralmassen gewisse Gestalten durch äussere mechanische Einwirkung, wenn sie z. B. in Wasser abgerollt werden, wodurch die sogen. Geschiebe und Gerölle mit ihren mannigfachen, für die bezüg- lichen Minerale zufälligen und unwesentlichen Gestalten entstehen. Für solche ist eine Terminologie nicht nöthig, dagegen kann man unter Umständen, wenn man sie beschreiben will, Ausdrücke wählen, welche für unkrystallinische Gestalten überhaupt gebräuchlich sind.

Die äusseren unkrystallinischen Gestalten, welche bei der Beschreibung der Minerale zu berücksichtigen sind, werden durch krumme oder durch krumme und ebene Flächen oder durch ebene oder unebene Flächen begrenzt und bieten eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit, welche es kaum möglich macht, in jedem vor- kommenden Falle passende Benennungen zu finden. Man hat sich daher zunächst darauf beschränkt, die allgemeinen Di mensions Verhältnisse zu berücksichtigen, insofern solche Gestalten vorwaltend nach einer Dimension oder nach zwei Di- mensionen ausgedehnt sind oder nach drei Dimensionen annähernd gleiche Aus - dehnung zeigen, wonach man sie als lineare, lamellare und isometrische Gestalten unterscheidet und wobei die mannigfachsten Uebergänge bezüglich der Dimensionen vorkommen können. Ausserdem hat man auch einfache und aus einfachen zusammengesetzte Gestalten zu unterscheiden, und wenn es thunlich ist, Ausdrücke bei der Beschreibung zu gebrauchen, welche möglichst allgemein verständlich sind.

i. Die isometrischen Gestalten. Bei diesen ist, wenn sie krummflächig sind, die Kugelgestalt die vollkommenste und regelmässigste und es zeigen bisweilen Minerale eine ziemlich regelmässige Ausbildung derselben. Solche Kugeln sind gewöhnlich eingewachsen, während, wenn sie aufgewachsen oder verwachsen sind, sie natürlich nicht die volle Kugelform zeigen können, ohne dass es nothwendig ist, Kugeln und Halbkugeln oder grössere oder kleinere Theile der Kugel besonders hervorzuheben. Durch ungleichmässige Ausdehnung in einer oder der anderen Richtung werden von der Kugelform mehr oder weniger

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Gestalten der Minerale.

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abweichende Gestalten erzeugt, welche man als Sphäroide, Ellipsoide, Ei- formen u. dergl. bezeichnet. Auch gebraucht man bei der grossen Mannig- faltigkeit der so natürlichen Abweichungen von der vollkommenen Kugelform den allgemeinen Ausdruck sphärische oder kugelige Gestalten. Durch Gruppirung solcher sphärischen Gestalten gehen mannigfache Gestaltsverhältnisse hervor, zu deren Benennung kaum ausreichende Namen gefunden werden. Hierher gehören die traubigen oder traubenförmigen (wenn durch die Verwachsung von den verwachsenen Kugeln mehr als die Hälfte sichtbar ist), die nierenförmigen (wenn von den verwachsenen Kugeln weniger als die Hälfte sichtbar ist), die knolligen (wenn die verwachsenen sphärischen Gestalten verschiedener Grösse keine scharfe Trennung zeigen), die getropften und geflossenen (wenn die verwachsenen sphärischen Gestalten in ihrer Form weniger deutlich hervortreten, in einander verfliessen) u. a. Gestalten. Auch bilden sphärische Gestalten, in grosser Zahl mit einander verwachsen, Aggregate, bei denen die Gestaltung je nach der Ausbildung und Verwachsung mehr oder weniger deutlich hervortritt.

Sind die isometrischen Gestalten von unregelmässigen Flächen umschlossen, so nennt man sie Körner, unterscheidet dieselben als feine, kleine, grobe und grosse und nennt, wenn solche Körner mit einander verwachsen vorkommen, die so entstehenden Mineralmassen unkrystallinisch-körnige.

Wenn sphärische Gestalten nach einer Dimension abnehmen, so entstehen flache linsenförmige Gestalten, welche wesentlich durch zwei entgegengesetzt liegende flache Kugelsegmente begrenzt werden, auch bisweilen unregelmässig nach einer der zwei vorherrschenden Dimensionen gestreckt sind.

2. Die lamellaren Gestalten, welche auch flache oder platte genannt werden. Sie sind durch zwei vorrherrschend ausgedehnte, mehr oder weniger parallele, ebene oder unebene oder gekrümmte Flächen begrenzt, während die seitliche Begrenzung unwesentlich ist, oft kaum als solche bemerkbar. Hierher gehören die Benennungen Scheiben und Platten; bei jenen sind die Länge und Breite der vorherrschenden Flächen annähernd gleich, bei diesen nicht. Insbesondere nennt man nach der Dicke die Scheiben oder Platten dicke und dünne, die dünnen auch Blätter, bei Metallen Breche; in Bezug auf die vor- herrschenden Flächen gerade oder gebogene. Die lamellaren Massen heissen auch Ueberzüge und Anflüge, wenn sie auf anderen fest aufliegen, dick oder dünn sind; Gänge, Bänder und Adern, wenn sie in anderen Mineralmassen einge- wachsen sind. Durch mehr oder minder regelmässige Aufeinanderfolge solcher lamellarer Gebilde werden Massen mit blättriger bis plattenförmiger Absonderung gebildet

3. Die linearen Gestalten oder länglichen sind solche, welche nach einer Dimension vorherrschend ausgedehnt sind. Die Richtung solcher Gestalten oder der vorherrschenden Iüngendimension kann mehr oder weniger von der geraden Linie abweichen, sie sind gerade oder gebogen, auch kann die Dicke einer solchen Gestalt nahezu dieselbe sein oder nach der Länge regelmässig ab- nehmen oder wechseln. Die begrenzenden Flächen sind meist krumme oder un- ebene, auch bisweilen eben. Besondere Namen für linear Gestalten sind: prisma- tische, wenn sie von ebenen Flächen seitlich begrenzt werden und dadurch an prismatische Krystalle erinnern; stenglige, wenn sie von unregelmässigen Flächen begrenzt werden; kegel- oder zapfenförmige, wenn die Oberfläche krumm ist und die Dicke regelmässig abnimmt, walzen- oder röhrenförmige, auch cylindrische, wenn die Dicke nahezu dieselbe ist und die Hauptrichtung eine

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

gerade ist; keulenförmige, wenn die Dicke gegen das Ende zunimmt, die Oberfläche eine krumme ist; draht- oder haarförmige bis fasrige, wenn die Dicke gegenüber der Länge sehr gering ist, u. a. m.

Durch Gruppirung länglicher Gestalten entstehen Formen, welche man als ästige, geweihartige, baumförmige oder dendritische, moosartige, zähnige, kammförmige u. s. w. unterscheidet, Benennungen, welche leicht verständlich sind und nur die allgemeine Aehnlichkeit mit den zur Vergleichung dienenden Objekten ausdrücken sollen.

Bei allen diesen unkrystallinischen Gestalten Anden die mannigfachsten Uebergänge statt, wodurch isometrische in lamellare oder lineare durch Abnahme in den Dimensionen, lamellare in lineare übergehen, sowie auch bei Verwachsung oder Gruppirung die Dimensionsverhältnisse der einzelnen verwachsenen Gebilde wechseln können, ganz besonders bei den linearen Gestalten.

Aehnlich den Massen mit krystallinischer Absonderung findet man auch Mineralmassen mit unkrystallinischer Absonderung, wenn sie durch Ver- wachsung untereinander ähnlicher, unkrystallinisch gestalteter Körper Massen bilden, an denen man die einzelnen Gebilde trennen kann oder sie als einzelne durch das Auge unterscheidet. In diesem Sinne spricht man von unkrystallinisch körniger, kugliger, schaliger, blättriger, stengliger und fasriger Absonderung.

Die Gesteine

Prof. Dr. A. v. Lasaulx.

Gesteine (Felsarten, Gebirgsarten), nennt man solche Aggregate mehr oder weniger fest verbundener Mineralbestandtheile, die ihrer räumlichen Ausdehnung nach als wesentliche Theile der Erdfeste, d. i. als selbständige Gebirgsglieder gelten können und in der Art ihrer Zusammensetzung bei dieser räumlichen Ver- breitung eine gewisse Constanz aufweisen.

Durch diese Constanz bleibt auch auf grössere Entfernungen hin der in den Mineralbestandtheilen begründete Charakter eines Gesteines doch im Wesentlichen derselbe und es wiederholen sich in den verschiedensten Theilen der Erdrinde Gesteine von denselben wesentlichen Charaktereigenschaften. Trotz der überaus grossen Zahl der geologisch zu unterscheidenden Gebirgsglieder ist daher doch die Zahl mineralogisch distinetiver Gesteinstypen eine verhälmissmässig geringe.

Die Lehre von den Gesteinen, die Gesteinslehre, auch Petrographie oder Lithologie genannt, zerfallt in zwei Theile: einen rein descriptiven Theil und einen angewandten, geologischen Theil. Der erstere umfasst die Be- schreibung der Gesteine i. nach ihrer mineralogischen Zusammen- setzung und 2. nach ihren Struktur- und Lagerungsverhältnissen. Dieser letztere, den man auch als die Tektonik der Gebirgsglieder bezeichnet, greift als ein integrirender Theil in die allgemeinen Gebiete der Geologie hin- über und ist in den Artikeln »Schichtenlehre, Gänge, Gebirge« eingehend be- handelt.

Der geologische Theil umfasst besonders die Entstehung der einzelnen Gesteine, ihr Alter und die Rolle, die sie als Glieder der geologischen Systeme oder Formationen spielen. In den Artikeln: chemische Processe

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Die Gesteine.

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in der Geologie, Vulkane, Wasser und Metamorphismus, sowie in den die ver- schiedenen geologischen Systeme behandelnden palaeontologischen Artikeln wird hierüber das Nähere zu finden sein.

Hier bleibt also vorzüglich zu erörtern: die mineralogische Zusammensetzung und die Struktur der Gesteine.

I. Untersuchungsmethoden für die Gesteine.

Da die Beschreibung der mineralogischen Zusammensetzung eines Gesteines wesentlich auf der Erkennung und Bestimmung der Minerale beruht, welche als Gemengtheile desselben erscheinen, so sind die petrographischen Untersuchungs- methoden ausschliesslich auch mineralogische. Sie sind wesentlich dreierlei Art: chemische, mechanische und optische.

Da selbst bei Gesteinen, deren einzelne wichtigste Gemengtheile sehr wohl mit dem blossen Auge zu unterscheiden und an ihren mineralogischen Charakteren zu erkennen sind, doch auch versteckte, nicht ohne Weiteres sichtbare Bestand- teile vorhanden und von Bedeutung sein können und das Quantitätsverhältniss auch für die sichtbaren nicht durch den blossen Augenschein festzustellen ist, so sind deshalb andere Mittel nöthig, um in die wirkliche Mineralzusammensetzung einzudringen. Ganz besonders aber sind diese dann ganz unerlässlich, wenn die Gemengtheile so klein werden, dass man sie nicht mehr mit dem blossen Auge, auch nicht mit der Loupe zu unterscheiden vermag, wenn also scheinbar homogene, dichte Gesteine vorliegen.

Von den chemischen Untersuchungsmethoden sind sogen. Bauschanalysen, d. h. Analysen des ganzen Gesteines, der einfachste und gewöhnlichste Weg. Sofern sie an wirklich frischer unveränderter Gesteinsmasse und mit der die ver- schiedenen Schwierigkeiten berücksichtigenden Sorgfalt ausgeführt werden, gestatten sie allerdings einen Schluss auf die Mineralzusammensetzung und ermöglichen vor Allem die Vergleichung von Gesteinen bezüglich der procentischen Zusammen- setzung aus Säuren und Basen. Die richtige Interpretation der Resultate einer Bauschanalyse ist allerdings an und für sich schwierig, da auch bei gleicher mineralogischer Zusammensetzung doch analytische Differenzen und noch mehr bei gleicher chemischer Mischung doch Abweichungen in der mineralogischen Con- stitution möglich sind. Es darf hierbei nur an die z. Th. grossen Schwankungen erinnert werden, die ein und dasselbe Mineral bezüglich seiner chemischen Con- stitution aufweist. Verschiedene Methoden zur Berechnung der Bauschanalysen sind von Bischoff, Bunsen und Tschermak vorgeschlagen worden. Eine Con- trolle der Berechnung eines Gesteines auf seine einzelnen Gemengtheile gewährt auch das speeifische Gewicht.

Bessere Resultate ergeben die Sonder- oder fractionirten Analysen, welche soviel als möglich die einzelnen Gemengtheile für sich zu untersuchen bezwecken. Die erste, lange gebräuchliche Methode dieser Art war die von Gmei.in zur Analyse der Phonolithe angewendete, wonach der in Säuren lösliche Theil von dem unlöslichen getrennt analysirt wurde. Jedoch hat auch diese Methode zu so vielen anderweitig als irrig erkannten Resultaten geführt, dass man sich ihrer kaum mehr bedient. Gleichwohl erscheint die successive Behandlung von Gesteinsproben mit verschiedenen Säuren: Essigsäure, Salzsäure, Schwefelsäure, Fluorwasserstoffsäure als Hilfsmittel zur Diagnose der Gemengtheile in vielen Fällen empfehlungswerth. Ganz besonders kann bei der Untersuchung von Silicatgesteinen die Anwendung der Flusssäure, welche die verschiedenen minera.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

lischen Gemengtheile in diesen Gesteinen in auffallend verschiedenem Grade angreift, zu einer Fractionirung, d. i. Reinaussonderung eines oder mehrerer dieser Minerale sehr nützlich sein. Man kann z. B. in gewissen glasreichen Gesteinen den Feldspathbestandtheil ziemlich rein ausziehen. Die Combination der analytischen Resultate dieser Fractionirungen mit der Bauschanalyse ermöglicht eine ungleich sicherere Bestimmung der quantitativen mineralogischen Gesteinszusammensetzung.

Ganz besonders aber ist die Vereinigung einer mechanischen Sonderung oder Aufbereitung nach den einzelnen Gemengtheilen mit der chemischen Analyse von grossem Nutzen.

Das einfachste Mittel zu einer solchen ist das Aussuchen der einzelnen Gemengtheile aus dem zu gröblichem Pulver reducirten Gesteine mit der Loupe. Wenn man dieses auf einer Glasplatte vornimmt, der man je nach der Farbe des auszusuchenden Minerales eine möglichst contrastirende farbige Unterlage giebt, kann man damit schon recht gute Resultate erzielen. Aber freilich ist die Me- thode mühsam und zeitraubend; wenn die Gemengtheile sehr klein werden, wird sie unausführbar.

Zum Ausziehen magnetischer Minerale bedient man sich eines Magneten. Wendet man aber an Stelle eines einfachen Magneten einen Elektromagneten an, der mit einer starken elektrischen Batterie in Verbindung steht, so dehnt sich die Möglichkeit des Isolirens auf eine ganze Reihe von Mineralen aus, welche Eisenoxyd oder -oxydul in Verbindung mit Silicat enthalten; je nachdem man den Strom verstärkt, kann man Hornblende, Augit, Olivin, Glimmer, ja sogar eisenärmere Minerale ausziehen.

Von ganz besonderer Wichtigkeit sind aber die Methoden der Fractionirung, die auf die Unterschiede im specif. Gewichte der Minerale gegründet sind, also eigentliche Nachbildungen der Aulbereitungsmethoden der Erze auf den Hütten.

Einfaches Schlämmen in Wasser, Abgleitenlassen auf geneigten Holztafeln mit Wasser oder auch Gleiten auf trockener, rauher Unterlage sind die einfachsten Mittel dieser Art. Neuerdings ist ganz besonders der Anwendung von Flüssig- keiten, Lösungen, von beträchtlichem specif. Gewichte, die Aufmerksamkeit zu- gewendet worden. Alle diese Mittel setzen natürlich eine hinlänglich weit ge- führte Pulverung der Gesteine und damit eine möglichste Isolirung der einzelnen Minerale im Gemenge voraus.

Hat eine Lösung in stärkster Concentration ein hinlänglich hohes spec. Ge- wicht, so dass sie die meisten der gewöhnlich in Gesteinen vorkommenden Minerale darin übertrifft, so ist es möglich, durch successive Verdünnung der Lösung nach und nach deren spec. Gewicht zu erniedrigen und damit die in dieselben ein- geführten Minerale je nach ihrem höheren oder niedrigeren spec. Gewichte nach einander in derselben zum Untersinken zu bringen und bei Anwendung geeigneter Vorsichtsmaassregeln dadurch zu isoliren.

Als dazu geeignete Lösung ist schon früher das salpetersaure Quecksilber angegeben worden, das aber viele Minerale angreift und daher nur sehr beschränkte Anwendung gestattet. Dann wurde eine Lösung von Jodkalium-Jod- quecksilber vorgeschlagen, deren höchste Concentration das specifische Ge- wicht 2,8 besitzt. Die geringe Constanz und die giftige Wirkung beschränken unter anderm die bequeme Benutzung dieser Lösung. In Verbindung mit den Ex- tractionsmethoden durch den Elektromagneten und durch Flusssäure erzielte man aber damit schon recht gute Resultate.

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Die Gesteine.

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Ganz besonders geeignet erscheint aber eine neuerdings von Klein in Paris vorgeschlagene Lösung von borwolframsaurem Cadmium. Dieselbe hat in ihrer stärksten Concentration das hohe spec. Gew. 3,3, ist sehr constant und auch nach ihren sonstigen Eigenschaften vortrefflich zu dieser Verwendung geeignet. Sie umfasst nach ihrem spec. Gew. die Mehrzahl der in den gemengten Silicat- gesteinen vorkommenden Minerale und fast alle wichtigeren derselben.

Mit dieser Lösung lässt sich demnach ein gepulvertes Gestein oder Mineral- gemenge fractioniren oder seine einzelnen Gemengtheile möglichst rein aussondern, so dass diese dann gesondert analysirt werden können, und dann in Verbindung mit einer Bauschanalyse eine genaue Quantitätsbestimmung durchführbar wird.

Auch lässt sich die spec. Gewichtsbestimmung zunächst der einzelnen Ge- ' mengtheile und dann des ganzen Gesteines nach dieser Methode zu einer Be- rechnung des Mischungsverhältnisses combiniren.

Noch werthvoller aber wird diese Methode, wenn man mit ihr die folgende optische Untersuchung vereinigt. Bei noch etwas vervollkommneten Hilfsmitteln und Apparaten wird sich daraus eine vollkommene quantitative mineralo- gische Analyse für die Gesteine herleiten lassen.

Mit diesen und den vorhergehenden mechanischen Fractionirungsmethoden haben sich in der neusten Zeit vorzüglich Doelter1), FouquE2), Thoui.et3), Goi.ü- schmidt4) und GiSEVius5) eingehend beschäftigt, ihre resp. Anwendbarkeit geprüft und Apparate dazu angegeben.

Die wichtigste der Untersuchungsmethoden für Gesteine ist aber die optische und mikroskopische geworden.

Um diese vornehmen zu können, werden dtinne Platten aus den Gesteins- stücken geschnitten, mit Canadabalsam oder anderen Kittmitteln auf (»lasplatten (Objektträger) aufgeklebt und dann bis zur Durchsichtigkeit dünn geschliffen. Schneide- und Schleifapparate verschiedener Construction sind als Hilfsmittel er- sonnen worden.

Die erhaltenen Präparate können dann im durchfallenden Lichte unter dem Mikroskope untersucht werden. Dabei kommen alle Hilfsmittel der physikalischen und ganz vorzüglich der optischen Mineralbestimmung zur Anwendung. Zu diesem Zwecke sind nach und nach verschiedene Einrichtungen an den Mikroskopen angebracht worden, um dieselben zur Mineraluntersuchung unter Anwendung polarisirten Lichtes geeignet zu machen. Solche Verbesserungen sind vorzüglich von Rosenbusch6), Bertrand7), v. Lasaulx*) u. a. angegeben worden. Die vorausgehenden mineralogischen Untersuchungen des Cloizeaux's9), die hier als bahnbrechend hervorzuheben sind, die von Tschkrmak 10), von Lang11) u. a. dienten als Grundlage. Zum Ausbau einer eigenen Wissenschaft,

') Bcr. d. k. k. Akad. Wien 1882. (Elektromagnet.) *) Savants ctrangers XXII. II. (Klusssäure u. Elektromagnet.) 3) Compt. rend. 1878 u. Bullet. Soc. Mineral. 1879. (Jodkaliumjodquecksilber.) «) N. Jahrb. f. Min. 1880. (Jodkaliumjodquecksilber.; 5) Inaug. Dissertation. Bonn 1883. (Borwolframs. Cadmium.) N. Jahrb. f. Min. 1876. pag. 504.

7) Bullet. Soc. Mineral. 1878. pag. 22. 96.

8) N. Jahrb. f. Min. 1878. pag. 377.

*) Manuel de Mineralogie. Paris. Dunod 1862.

,0) N. Jahrb. f. Min. 1869. pag. 752.

») Sittungsber. Wien. Akad. 1858. pag. 55 u. fif.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

der mikroskopischen Physiographie der Minerale, trugen die ersten Ar- beiten von Sorby, Vogelsang, Zirkel, Rosenbusch und nach diesen einer grossen Zahl von weiteren Forschern bei. Des Näheren wegen muss auf die am Ende des Artikels in dem Literaturverzeichniss angegebenen Werke verwiesen werden.

Mit der mikroskopischen Methode ist es gelungen, die Gemengtheile auch der dichten Gesteine mit grosser Sicherheit zu bestimmen und zu unterscheiden, vielfach die Anwesenheit und grosse Verbreitung von Mineralen zu erweisen, deren Theilnahme an der Gesteinszusammensetzung man früher gar nicht oder nicht in diesem Maasse vorausgesetzt hatte. Ganz besonders aber wurde bezüglich der Struktur der Gesteine, sofern dieselbe auf der Gestaltung und Anordnung der erst mikroskopisch sichtbar werdenden Gemengtheile beruht (Mikrostruktur), be- züglich der Altersfolge der Gemengtheile, sofern sich dieselbe aus dem Verhältniss des gegenseitigen Einschljgssens und ähnlicher Erscheinungen ergiebt, endlich vor allem bezüglich der Umwandlungsvorgänge, die auch in anscheinend ganz frischen Mineralproben unter dem Mikroskop oft schon in bedeutend vorge- schrittener Entwicklung sich erkennen lassen, eine solche Fülle neuer That- sachen durch die mikroskopische Gesteinsuntersuchung zu Tage gefördert, dass dieselbe seit den zwei Jahrzehnten ihrer ersten Einführung vollkommen neugestaltend auf die Gesteinslehre gewirkt und dieser erst die Bedeutung eines selbständigen wissenschaftlichen Zweiges verschafft hat.

Im Anschlüsse an die mikroskopische Untersuchung haben sich auch als Hilfsmittel einer sicheren Bestimmung von Mineralen, die bei krystallographisch optischer Uebereinstimmung nur sehr schwer oder gar nicht von einander zu trennen waren, mikrochemische Bestimmungsmethoden herausgebildet. Bo- ricky1) schlug dazu die Aetzung der zu untersuchenden Mineralpartikel mit Kiesel- fluorwasserstoffsäure vor. Es bilden sich dann mit den gelösten Bestandteilen der geätzten Minerale Fluorsiliciumverbindungen, die sich in der Form kleiner Krystalle ausscheiden, deren Gestalten z. Th. hinlängliche Verschiedenheit zeigen, um daraus den Bestandtheil zu erkennen, der in dem untersuchten Minerale vorhanden ist. So bildet z. B. das Fluorsiliciumsalz des Kalium reguläre Würfel, das des Natrium dagegen hexagonale, vielfach verzwillingte Tafeln u. s. f.

Szabo") gab zur Unterscheidung der verschiedenen, in den Gesteinen als Gemengtheile vorkommenden Feldspatharten, bezüglich ihres Natron- oder Kali- gehaltes, eine auf der Benutzung kleinster Partikel beruhende Flammenreaction an, indem er den Grad der entsprechend gelben oder violettrothen Färbung genau schätzte, den die nach bestimmten Grundsätzen geregelte Einführung der Partikelchen in die Flamme eines BuNSEN'schen Brenners auf diese ausübt. Uebung und subjektive Geschicklichkeit des Untersuchenden gestattet sogar die quantitative Bestimmung der Alkalien auf diese Weise. Endlich lassen sich aber auch sehr viele der gewöhnlichen chemischen Reactionen, wie sie im Labo- ratorium gebräuchlich sind, besonders solche, bei denen die Rcaction mit auf- fallenden Farbenerscheinungen oder mit Bildung charakteristischer mikroskopischer Krystalle verbunden ist, als mikrochemische Methoden verwenden, indem sie an Mineral- oder Gesteinsdünnschliffen unter dem Mikroskope ausgeführt werden. Eine Reihe solcher Reactionen für den Nachweis verschiedener chemischer Ele- mentarstoffe hat neuerdings Th. H. Behrens3) zusammengestellt.

') Sitrungsber. d. k. böhm. Ges. d. VViss. 1877.

5) Ueber eine neue Methode, die Feldspathe in Gesteinen zu bestimmen. Buda-I'est 1876. 3) Medel. Afd. Naturk. Haarlem 1881. XVII. pag. 27.

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Die Gesteine.

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Uebrigens haben auch bezüglich der Feldspathe, dieser für die Silicatgesteine wichtigsten Mineralgruppe, die eingehenden und werth vollen Untersuchungen M. Schuster's1) dennoch die Möglichkeit ergeben, dieselben auch auf bloss optischem Wege bezüglich des jedesmal obwaltenden Mischungsverhältnisses von Kalkfeldspath- und Natronfeldspathsubstanz annähernd quantitativ zu bestimmen, so lange man in der Lage ist, an wenn auch noch so kleinen Splittern orientirte Spaltungslamellen zu erhalten. Auch auf die in den Gesteinsdünnschliffen sich bietenden mikroskopischen Feldspathquerschnitte lassen sich diese Angaben recht wohl anwenden und geben auch da angenähert zutreffende Resultate.

II. Struktur und Mineralzusammensetzung der Gesteine.

Die Struktur oder das Gefüge ist bedingt durch Gestalt, Dimensionen, Lage, Vertheilung und Art der Verbindung der einzelnen Gesteinsgemengtheile unter- einander.

Da in den meisten Fällen die äussere Gestaltung und Anordnung der Mineralbestandtheile eines Gesteines in unverkennbarem AbhängigKeitsverhältniss steht von genetischen Vorgängen, so werden auch die wichtigsten Strukturunter- schiede als genetische begründet.

Die Mineralbestandtheile sind entweder autogen, d. h. sie sind in dem Gesteine selbst oder mit dessen Ausbildung zu seiner gegenwärtigen Beschaffen- heit erst entstanden, oder sie sind allogen, d. h. sie sind früherund an anderer Stelle gebildet und erst bei der Entstehung des Gesteines in dieses als vorher fertige hineingekommen, oder beiderlei Arten von Bestandteilen vereinigen sich zur Bildung eines Gesteins. Die autogenen Minerale erscheinen im Ge- steine entweder als primäre, d. h. mit der ersten ursprünglichen Bildung des Gesteinskörpers gleichzeitig, wenn auch in der Folge verschiedener Phasen, zur Vollendung gelangt oder als secundäre, d. h. erst später durch Umwandlungs- und Neubildungsprozesse in das bestehende und sich in seiner Beschaffenheit unter irgend welchen Einflüssen ändernde Gestein hineingebildet.

In beiden Fällen nehmen die Minerale, soweit dieses räumlich möglich, die äussere Gestalt und die ganze physikalische Beschaffenheit an, wie sie dieselben auch bei isolirtem Wachsthum, wenn auch in letzterem Falle meist vollkommener entwickelt, aufweisen. Das ist überwiegend die k rystallinische Gestalt.

Ob diese für das blosse Auge wahrnehmbar, eine makrokrystallinc, oder eine mehr versteckte: mikro- oder kryptokrystalline ist, das macht keinen wesentlichen Unterschied; die Anwendung des Mikroskopes lässt die krystalline Entwicklung auch in den letzteren Fällen nachweisen. Nur das äussere Ansehen der Ge- steine wird hiernach ein verschiedenes.

Die Minerale, die auch für sich nur im amorphen Zustande bekannt sind, z. B. Opale, Kohlen, pflegen auch amorphe Gesteine zu bilden.

Die allogen gebildeten Mineralbestandtheile erscheinen im Gegensatze zu den autogen gebildeten nur als unregelmässig begrenzte Bruchstücke oder Rudi- mente einzelner Minerale oder Mineralgemenge, Trümmer früher gebildeter prä- existirender, aber wieder zerstörter Gesteine.

So ergeben sich die beiden grossen Hauptgruppen der Gesteine, die auch durch deutlich verschiedene Strukturunterschiede charakterisirt sind: Die

») Ueber die optische Orientirung der Plagioklase. Tschkrmak's Mittheüungen. Bd. ID., pag. 117.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

klastischen (xXasroc = zerbrochen) oder Trümmergesteine und die krystal- linischen Gesteine.

Bei den Trümmergesteinen bedingt die Grösse der einzelnen in ihnen vereinigten Bruchstücke wiederum Unterschiede äusserer Art. Die aus sehr kleinkörnigem, schlammartigem Material gebildeten Gesteine nennt man Pelite, (7TT)X«k = Schlamm), die sehr grosskörnigen bei abgerundeter Gestalt der Trümmer: Conglomerateoder Puddingsteine, bei scharfkantiger Form derselben : B r e c c i e n. Zwischen den beiden letzteren und der ersteren in der Mitte liegt die sandstein- artige oder psammitische Struktur.

Neben den Bruchstücken bildet Art und Menge des dieselben verbindenden Cämentes oder Bindemittels Verschiedenheiten der klastischen Gesteine aus. Das Bindemittel ist wieder ein autogenes und enthält daher auch häufig mehr oder weniger primäre krystallinische Elemente. Entweder besteht dasselbe aus einer Mineralsubstanz (krystallinisch oder amorph) oder aus fein geschlämmtem Gesteinschutt, der von einer solchen durchdrungen ist: die echten Conglo- merate und Breccien; oder es gehört einem auch örtlich mit dem Trümmer- gesteine verbundenen krystallinischen Gesteine an und muss dann diesem auch der Bildung nach zugerechnet werden.

Wo jegliches Bindemittel fehlt, erscheinen die Trümmergesteine als lose Agglomerate.

Alle echten Trümmergesteine haben in ihrer Struktur und ihren Lagerungs- verhältnissen die Zeichen einer successiven Scdimentirung, sei es auf trockenem subaerischem Wege oder unter Mitwirkung des Wassers, bewahrt. Sie erscheinen daher mehr oder weniger deutlich geschichtet, dünnplattig, schiefrig, lagenweise verschieden, gestreift, gebändert u. dergl.

Die krystallinischen Gesteine sind entweder Aggregate nur eines einzigen Minerals und werden dann einfache Gesteine genannt oder sie sind Aggre- gate mehrerer, verschiedenartiger Minerale und heissen dann gemengte Ge- steine.

Bei den einfachen Gesteinen pflegen neben dem einen herrschenden Minerale andere untergeordnet und zufällig vorkommende nur selten zu sein oder wenigstens nicht besonders hervorzutreten; auch erscheinen sie dann grösstentheils nicht als primäre Bildungen wie jenes.

Die einfachen Gesteine sind fast ausschliesslich solche, die ihrer Entstehung nach als Abscheidung aus wässrigen Lösungen anzusehen sind. Mit der krystal- linen Struktur (in wenigen Fällen auch amorph), die von einer mehr oder weniger grosskörnigen bis zur anscheinend dichten hinab variirt, verbinden sie daher die Lagerung und dadurch bedingten Strukturverhältnisse der Sedimente: sie sind geschichtet, schiefrig, lagenförmig verschieden, stenglig, fasrig. Eine besondere Art der Struktur, die einige derselben, besonders Kalksteine, aufweisen, und die wiederum mit ihrer Genesis durchaus zusammenhängt, ist die ool ithische oder Rogensteinstruktur. Dabei besteht das Gestein ganz oder zum grössten Theil aus kleinen kugelförmigen Concretionen, welche Aggregate krystallinischer Fasem sind, die eine radiale sowohl wie eine concentrisch-schaalige Anordnung erkennen lassen. Die sogen. Erbsensteine des Karlsbader Sprudels sind das beste Beispiel dieser Bildungen.

Bei den gemengten krystallinischen Gesteinen sind die Gemengtheile nach ihrer Bedeutung für das jedesmalige Gestein verschieden. Man bezeichnet sie als wesentliche Gemengtheile, wenn sie den Charakter des Gesteins be-

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Die Gesteine.

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dingen und durch ihr Eintreten oder Fehlen ändern. Auf diesen beruht die Constanz in der Zusammensetzung der einzelnen Gesteinstypen. Als unwesent- liche oder accessorische Gemengtheile erscheinen neben diesen solche, die nicht constant an der Zusammensetzung eines Gesteins Theil nehmen, fehlen können, ohne dadurch den Charakter desselben zu ändern.

In allen gemengten krystallinischen Gesteinen spielt die Kieselsäure entweder als freie Kieselsäure oder in der Verbindung zu Silicaten die Hauptrolle. Es können diese Gesteine daher auch als Silicatgesteine kurzweg bezeichnet werden.

Die krystallinischen Silicatgesteine sind durch zwei sehr wesentlich ver- schiedene Strukturausbildungen in zwei Gruppen getheilt: Die krystallinisch- massigen und die krystallinisch - sc hiefr igen Gesteine. Dass dennoch zwischen diesen beiden Gegensätzen Uebergangsglieder existiren, mag hier gleich bemerkt werden.

Die massige oder richtungslose Struktur zeigt die Gemengtheile nicht in einer bestimmten Anordnung, sondern regellos durcheinander gewachsen; die hierher gehörigen Gesteine besitzen keine schichtenförmige Ausbildung, wie sie der successiven Ablagerung der sedimentirten oder aus Lösungen niederge- schlagenen Gesteine eigenthümlich ist, sondern ein vollkommen einheitliches Ver- halten der ganzen Gesteinsmasse. In ihrer Struktur, wie in ihrer mineralogischen Zusammensetzung zeigen die massigen Gesteine sich als Produkte der Erstarrung aus eruptiven Magmen. Zwischen den jüngsten Gesteinen dieser Art, den Laven, und den ältesten Bildungen bestehen gleichwohl, ob auch der Bildungsprocess im Grossen und Ganzen ein gleichartiger gewesen, tiefgreifende Unterschiede.

Die massigen Silicatgesteine enthalten sehr oft auch noch Mineral- substanz in amorpher Form, glasig erstarrte Reste eben des Magma's, aus dem diese Gesteine fest geworden. Diese glasigen Reste, für welche im Gegensatze zu der in anderem Sinne gebrauchten Bezeichnung Grundmasse der Name Glas- basis gebräuchlich geworden ist, sind aber nur unter dem hemmenden Einflüsse gewisser Vorgänge und stofflicher Bedingungen nicht zu krystalliner Entwicklung und Diflerenzirung gelangt. Sie haben daher eine ganz andere Bedeutung als die oben angeführten amorphen Minerale. Die amorphe Glas -Substanz hat nicht die Mischung eines bestimmten Minerals, sondern gewisser Gesteine. Auch solche Gesteine müssen daher zu den krystallinischen gerechnet werden, welche zwar ganz oder zum grossen Theile aus amorpher, glasiger Masse bestehen, die aber eben nur als eine andere Ausbildungsmodification derselben Gesteine anzu- sehen sind, die unter anderen, der Entwicklung günstigeren Bedingungen voll- kommen krystallin wurden. Zwischen solchen glasigen Gesteinen und voll- kommen krystallinen bestehen daher nicht nur mannigfache Uebergänge, sondern auch eine gewisse Identität der chemischen Mischung.

Gewiss haben auch stoßliche Verschiedenheiten, ein Gehalt an einer bestimmten Substanz z. B. Wasser, eine grössere Acidität d. i. ein höherer Gehalt an Kieselsäure oder auch an anderen chemisch wirksamen Elementarstoffen und Verbindungen von vorneherein ein Magma disponirt, leichter zu vollkommen krystalliner Er- starrung zu kommen, als ein anderes, mit anderen Worten also die Struktur des fertigen Gesteins gewissermassen voraus bedingt. Ganz besonders mögen dabei auch äussere Einflüsse wirksam gewesen sein: Erstarrung in weithin an der Erd- oberfläche ausgebreiteten, schnell sich abkühlenden Massen, muss jedenfalls zu anderen Formen der Festwerdung führen als eine Erstarrung im Inneren mächtiger

K.RKKG4TT, Min., Cool. u. Pal. II. 2

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Massive oder in der Tiefe der Erde mit ausserordentlich langsam und allmählich fortschreitender Abkühlung. Dafür geben uns alle Versuche künstlicher Schmel- zungen hinreichende Belege.

Wenn aber auch im Allgemeinen die verschiedenen Modificationen der Er- starrung die Veranlassung bieten zu einer mit ganz allmählicher Abstufung verlaufenden Reihe von Strukturtormen der Gesteine, als deren äusserste Glieder einerseits vollkommen krystalline, andererseits vollkommen glasige Ausbildung erscheint, so treten doch mit einer gewissen Constanz wenige, bestimmt charak- terisirte Strukturformen hervor, welche für die Unterscheidung der wichtigsten Gesteinstypen von um so grösserer Bedeutung sind, als sie in ähnlicher oder gleicher Entwicklung bei allen mineralogisch differenten Reihen der krystallinischen Silicatsteine älterer und jüngerer geologischer Entstehung sich wiederholen.

Es haben ganz besonders die wichtigen experimentellen, von den über- raschendsten Erfolgen gekrönten Versuche F. Fouque's und Michel Levy's1) über die künstliche Darstellung der petrographisch wichtigen Minerale und der daraus zusammengesetzten Gesteine einen Einblick gewährt in die verschiedenen Phasen und Vorgänge, welche die primäre Bildung eines Gesteines umfasst. Hiermit vereinigen sich die vielfältigen Erfahrungen über die inneren Struktur- verhältnisse, die genetische Folge und die damit verbundenen Eigenthümlich- keiten in der Formentwicklung, wie sie die mikroskopische Durchforschung der massigen Silicatgesteine ergeben hat.

Die meisten derselben lassen zwei deutlich distinetive Phasen der Erstarrung der Gemengtheile aus dem Magma erkennen. Jede derselben weist besondere Eigenthümlichkciten der Krystallisation auf.

Die erste Erstarrungsphase umfasst die Bildung grösserer Krystalle, die vor der endgültigen Verfestigung des Gesteins bereits vorhanden waren und nun mechanischen und chemischen Veränderungen z. B. durch Bewegungen im Magma, durch partielle Wiedereinschmelzung und Auflösung unterworfen wurden, daher auch oft zerbrochen, in ihren Theilen verschoben, abgerundet und corrodirt erscheinen.

Eine zweite Phase umfasst die endliche Verfestigung der übrig bleibenden Reste des Magmas, der Grundmasse, in welcher sich meist kleinere Krystalle derselben Minerale der ersten Phase ausbilden und mehr oder weniger reich- lich nicht vollkommen difFerenzirte, d. h. zu einzelnen Mineralen gewordene oder endlich ganz glasige Erstarrungsprodukte.

Dieser zweiten Phase gehört vornehmlich auch die Ausbildung eigenthüm- licher Formen kleiner Krystallausscheidungen an, die erst das Mikroskop in den Gesteinen kennen gelehrt hat. Mit dem Namen Mikrolithe belegt man diese kleinen, meist leistenförmigen Krystallgestalten, die zwar keine scharfe Flächen- ausbildung erkennen lassen, aber dennoch mit bestimmten Mineralspecies identi- ficirt werden können. In ihrer Anordnung und Lage um die grösseren Krystalle der ersten Phase sprechen sich vornehmlich die stattgehabten magmatischen Bewegungen aus. Die hierdurch hervorgerufene Struktur pflegt man als die fluidale zu bezeichnen. Sie ist eines der charakteristischsten Kennzeichen eruptiver Gesteine. Die Mikrolithe pflegen auch die grösseren Krystalle zu umhüllen, vollkommene Kränze um dieselben zu bilden, so dass die Aus- scheidungen der ersten Phase hiernach als Strukturcentra für die der zweiten

') Synthese des Mineraux et des Rocbes. Paris. Masson 1882.

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Die Gesteine.

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Phase sich erweisen. Dass hierbei die theilweise Wiederauflösung der früheren Krystalle für die Bildung der umlagernden Mikrolithe eine Bedingung gewesen, erscheint nach den Beobachtungen kaum zweifelhaft. Oft zeigen auch die Krystallausscheidungen der ersten Erstarrungsphase gewisser Gesteine die Nei- gung zur Bildung lang leistenförmiger Gestaltung, sie nehmen eine mikrolithische Ausbildung an.

Neben den Mikrolithen mögen hier noch andere winzige Anfänge der Krystallisation genannt werden, gewissermassen embryonale Krystalle, die jedoch eine Zurechnung zu einer bestimmten Mineralspecies nicht gestatten. Man nennt diese letzteren Krystalliten. Dieselben bieten mannigfache Formverschieden- heiten dar: am häufigsten erscheinen sie wie kleine Stäbchen, oft mit Ver- dickungen oder Gabelungen an beiden Seiten (Belonite ßeA.<5vTj = Spitze) oder sie haben sphärische, ellipsoidische oder mandelförmige Gestalten (Globulite), deren sich oft mehrere perlschnurartig aneinander reihen oder bilden haar förmige, gebogene oder radial um einen Kern gruppirte Fäden (Trichite, 8p($, Tpt/6c = Haar). Besonders in den glasigen Parthien der Gesteine sind sie oft zu Tausen- den vorhanden und bewirken dann deren krystallitische Entglasung, die nach der Form derselben noch besonders als globulitische und trichitische unter- schieden wird. Zeigt die Glasmasse im Ganzen eine gekörnelte, schuppige, fasrige Struktur, ohne jedoch durch bestimmte Einwirkung auf das polarisirte Licht eine krystalline Ausbildung zu verrathen, so nennt man dieselbe auch m ikrofelsitisch. Hierdurch gehen die Glasmassen in diejenigen Porphyrgrundmassen über, die als mikrokrystallin oder mikrogranitisch zu bezeichnen sind.

In dem Wechselverhältnisse des Vorherrschens der Bildungen der einen oder anderen der beiden angeführten Erstarrungsphasen beruhen die wesentlichsten Strukturunterschiede der massigen Silicatgesteine.

Die der vollkommensten krystallinischen Entwicklung der einzelnen Gemeng- theile entsprechende Struktur ist die körnige oder granitische. Das Wesen dieser körnigen Struktur, wie sie typisch in den Graniten zur Ausbildung ge- kommen, besteht darin, dass die einzelnen Gemengtheile beinahe die gleichen Dimensionen in allen Richtungen angenommen haben, also Körnergestalt besitzen, dass keinerlei Reste des amorph oder glasig erstarrten Magmas mehr vorhanden sind, also eine wirklich holokrystalline Ausbildung vorliegt und dass neben den einer Phase der Erstarrung angehörenden gleich grossen Gemengtheilen keine solche vorkommen, welche einer anderen Phase angehören. Jeder Gemengtheil ist nur in einer bestimmten Phase des Gesteinsbildungsprocesses zur Ausbildung gelangt; die verschiedenen Gemengtheile können dabei gleichwohl eine gewisse Folge ihrer Festwerdung erkennen lassen.

Eine zweite sehr charakteristische Struktur ist die porphyrische. Charakte- risirt ist sie durch den Gegensatz, indem ein Theil der an Dimensionen grösseren Gemengtheile gegen eine aus kleiner ausgebildeten Individuen derselben Art bestehende oder auch nur theilweise oder gar nicht krystallin entwickelte Grund - masse steht, in welcher die grösseren Gemengtheile als Einsprengunge hervor- treten. Auch dieser äussere Gegensatz beruht im inneren Wesen der Gesteine, in den Erstarrungsvorgängen. Hier sind die beiden Bildungsphasen des Er- starrungsprocesses deutlich zu unterscheiden, eine frühere, der die grösseren Ge- mengtheile angehören und eine spätere, in der z. Th. dieselben Mineralbildungen in kleineren Dimensionen wiederkehrten oder auch andere an ihre Stelle traten. Je nach der Modalität der Erstarrung kann die Grundmasse vollkommen krystallin

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

geworden sein, also mikrogranitisch e Struktur besitzen oder krystalline Elemente mischen sich mit glasigen Resten. Hat nur eine unbestimmte, nicht zu vollkommen zu unterscheidenden Einzelindividuen gediehene Differenzirung im Magma stattgefunden, so erhält die Grundmasse die Struktur, die man als granophyrische oder felsophyrische bezeichnet, ist die glasige Ausbildung überwiegend, so nennt man dieselbe vitrophyrisch. Diese besitzt wiederum die verschiedenen vorher schon erwähnten Formen der Entglasung. Die verschiedenen Arten der Grundmassenausbildung mischen sich oft in demselben Gesteinskörper, ja in enger räumlicher Erstreckung mit einander. Generell machen daher diese Verschiedenheiten keine Unterschiede in der porphyrischen Struktur.

Der granitischen Struktur entsprechend und im Allgemeinen wie diese mit dem Begriff der körnigen Struktur sich deckend, aber dennoch auch äusser- lich doch davon verschieden, ist die Struktur, für welche der Name traehytische eingeführt ist1). Der Begriff körnig in Gesteinen dieser Struktur ist nicht immer auch der Ausdruck für vollkommen krystalline Entwicklung, wie bei den Ge- steinen der granitischen Struktur. Es sind stets mehr oder weniger bedeutende Reste glasig erstarrten Magmas betheiligt, die in seltenen Fällen geradezu wie granitische Körner zwischen den anderen Bestandteilen liegen. Neben grösseren Krystallen, die in ihrer Gestalt ebenfalls meistens eine Hinneigung zu der leisten- förmigen, mikrolithischen Ausbildung erkennen lassen, und die dennoch einer ersten Ausscheidungsphase angehören, liegen immer kleinere der zweiten Phase, die ganz besonders durch ihre fast stets vorhandene fluidale Anordnung deutlich diese zweite Phase markiren. Auch die traehytische Struktur geht durch eine ausgesprochen gegensätzliche Ausbildung der grösseren Bestandtheile und einer Grundmasse in die porphyrische Struktur über. Die gleichen Differenzen in der Grundmassenausbildung treten auch hier hervor. Da aber bei der traehytischen Struktur überhaupt die Mineralbildung deutlich die beiden Phasen der Entstehung unterscheiden lässt, so ist es verständlich, dass im Allgemeinen eine Neigung zur porphyrischen Struktur oder zu Uebergängen zu dieser mit jener sich verbindet.

Zwischen der granitischen Struktur und der traehytischen gewissermaassen in der Mitte liegt eine mediane Ausbildung der Gesteine, die bei einerseits über- wiegend holokrystalliner Entwicklung andererseits die leistenförmige, mikrolithische Gestaltung der krystallinischen Gemengtheile aufweist. Für diese hat Fouqu£ den Namen ophitische Struktur gewählt2). Vielleicht möchte ihre Mittelstellung, die auch in der Natur und geologischen Stellung der mit ihr ausgestatteten Ge- steine sich kennzeichnet, am besten durch die Bezeichnung grani totraehytische wiedergegeben werden. Auch dieser gehört eine porphyrische Ausbildung an. Als Endglieder in der Reihe der Erstarrungsmodificationen entsprechen allen diesen Strukturen glasige Ausbildungen der Gesteine.

Während bei den älteren massigen Silicatgesteinen vorherrschend oder fast auschliesslich die echt granitische und dazu gehörige porphyrische Ausbildung sich findet, ist bei den jüngeren Gesteinen die traehytische und die dieser ent- sprechende porphyrische Struktur die gewöhnliche. In der Mitte liegen auch dem Alter nach die Gesteine aus der Familie der Diorite und Diabase, welche durch die granito-traehytische Struktur charakterisirt sind; ihre porphyrische Ausbildung pflegt auch als Porphyrit bezeichnet zu werden. Der Mischung nach scheinen

l) FoVQüi u. M. Levy: Mineralogie micrographique. Paris 1879, pag. 152, Strukture gTanitoide et trachytoYde. *) 1- c 53-

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Die Gesteine.

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die kieselsäurereichen Gesteine mehr zu granitischer, die basischeren Gesteine älteren und jüngeren Alters mehr zu mikrolithischer Ausbildung der Gemengtheile geneigt gewesen zu sein.

Noch dreier besonderer Strukturformen mag hier vorweg Erwähnung ge- schehen, die als eigenthümliche Erstarrungsformen der porphyrischen und glasigen Gesteine vorzüglich vorzukommen pflegen: die pegmatitische, sphärolithische und perlitische.

Die pegmatitische Struktur wird durch die eigenthümliche Verwachsung zweier gleichzeitig ausgeschiedenen Gemengtheile bewirkt. Gewöhnlich sind diese Quarz und Feldspath; die bekannte Erscheinung der sogen. Schriftgranite zeigt die Art der Verwachsung. Lang gestreckte und meist abgeplattete Lamellen von Quarz sind dem Feldspath in regelmässiger Lage und z. Th. streng gesetz- mässig eingewachsen. Da dieses in verschiedener Richtung geschieht, so zeigen die Quarze im Querschnitte knieförmig umgebogene, dreiseitige oft zickzackförmige Gestalten, hebräischen Schriftzügen einigermassen gleichend. Aus der Gruppirung zahlreicher Quarzlamellen gehen feder- und palmenförmige Bildungen hervor, wobei die beiderseitig zum Stiel einer solchen Gruppe gelegenen Lamellen genau parallele Stellung und optische Orientirung erkennen lassen. Zwischen den Lamellen erscheint in der Regel eine grössere einheitlich polarisirende und daher einem Krystallindividuum zuzurechnende Feldspathparthie. Mikropegmatitisch nennt man diese Struktur, wenn sie in der anscheinend dichten Grundmasse mikrogranitischer Gesteine erst unter dem Mikroskop sichtbar wird. Seltener er- scheint eine pegmatitische Struktur auch bei anderen Mineralen z. B. Augit und Hornblende mit Feldspath; Quarz und Feldspath um Granat

Die sphärolithische Struktur ist eine derjenigen, welche intermediär sind zwischen der rein glasigen und krystallitisch entglasten und krystallinischen. Die Sphärolithe sind besonders struirte Entglasungsprodukte z. Th. allerdings auch schon zur vollkommenen Entwicklung krystallinischer Eigenschaften gediehen. Sie sind, wie das ihr Name bezeichnet, kugelförmige Ausscheidungen aus dem Magma, die bezüglich der Struktur und optischen Beschaffenheit eine Reihe von Verschiedenheiten erkennen lassen. Sind sie vollkommen ohne Einwirkung auf das polarisirte Licht, demnach also vollkommen amorph oder glasig, so sind es Bildungen, die mit den vorhin erwähnten Globuliten nahe verwandt sind. Durch Spannungen in denselben werden oft dennoch optische Interferenz- figuren (dunkle Kreuze) unter gekreuzten Nicols im parallel polarisirten Lichte sichtbar, wie sie z. B. auch die kugligen Bildungen des ebenfalls amorphen Hyalith und auch die Stärkekörner in den Pflanzenzellen zeigen. Andere Spärolithe sind kuglige Aggregate, aus einem oder mehreren deutlich bestimm- baren krystallinischen Mineralen zusammengesetzt, die gewöhnlich eine radiale Stellung um ein oder mehrere Centren besitzen. Sind sie nicht radial, sondern nur als ein regelloses Aggregat krystallinischer Körner gebildet, so haben sie die Bezeichnung Granosphärite erhalten.

In den meisten Fällen aber zeigen sich die Sphärolithe aus amorpher und krystallinischer Substanz gemischt. Die Unterschiede ihrer Struktur haben folgende Arten unterscheiden lassen. Cumulite nennt man die isotropen An- häufungen von Globuliten, diese gehören also eigentlich zu den ganz amorphen Sphärolithen. Auch die Globosphärite, aus radialer Anordnung von Globuliten hervorgehend, sind z. Th. vollkommen amorph. Selbst das Auftreten der Inter- ferenzkreuze spricht nicht dagegen. Belonosphärite sind radial strahlige

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Aggregate zwischen denen noch Strahlen eines z. Th. durch Spannung doppelt- brechenden Glases sich finden; diese sind also recht eigentlich gemischte Spbäro- lithe. Felsosphärite sind Gemenge aus mikrokrystalliner Grundmasse mit Theilen einer mikrofelsitischen oder glasigen Substanz.

In manchen Porphyren, besonders auch in den sauren Gliedern der Trachyt- reihe nehmen die sphärolithischen Bildungen einen hervorragenden Theil an der Gesteinszusammensetzung, so dass man solche Gesteine z. B. als Kugelporphyre und Sphärolithfelse bezeichnet hat.

Die perli tische Struktur ist den Gläsern der Porphyr- und Trachytreihe eigenthümlich, den sog. Pechsteinen. Das Gestein besteht ganz oder zum grossen Theil aus einem dichtgedrängten Haufwerke von glasigen Kugeln, die aber aus zwiebelschaalartig übereinanderliegenden Lagen sich zusammensetzen, welche Lagen durch deutlich hervortretende Risse getrennt werden. Die Kügelchen platten sich entweder durch gegenseitige Berührung ab, und erscheinen dabei oft zu ganz unregelmässigen Formen verquetscht, oder sie sind durch Zwischen- räume nicht perlitisch struirter Glasmasse von einander getrennt Die Ausbildung dieser Struktur erfolgte jedenfalls erst nach der Abscheidung und Verfestigung der krystallinischen Ausscheidungen, auf welche sich nie eine Einwirkung kund giebt. Sie beruht wohl auf einer mit der Erkaltung erfolgenden Contraction in diesen Gläsern.

Auf der Mitwirkung gasförmiger oder flüssiger Substanzen bei der Fest- werdung der Gesteine, ebenfalls vorzüglich der Silicatgesteine , aber auch der anderen beruht eine Reihe von Erscheinungen, die z. Th. äusserliche, schon makroskopisch sichtbare Strukturformen zur Folge haben, z. Th. aber auch in ihren Spuren erst unter dem Mikroskope zu erkennen sind.

Die blasenförmige Struktur mancher Gesteine, namentlich mancher jüngeren Eruptivgesteine und Laven beruht darauf, dass das Gestein von einer Menge rundlicher oder länglich mandelförmiger Hohlräume erfüllt ist, welche im festwerdenden Magma umschlossenen Gasblasen entsprechen. Solche hohlen Blasenräume kann man vielfach auch in künstlichen Schlacken und Gläsern wahr- nehmen. In Gesteinen älterer Entstehung sind diese Hohlräume durch secundär gebildete Minerale ganz oder grösstentheils erfüllt und so entstehen daraus die eigentlichen Mandelsteine, die amygdaloidische Struktur.

An Blasenräumen ganz besonders reiche Gesteine erscheinen schwammartig durchlöchert. Die Bimsteine sind vollkommen schaumartig erstarrte Gläser (Obsidian), nur dünne Glashäute trennen die zahllosen Blasenräume. Je reicher an solchen, um so ärmer pflegt ein Bimstein an krystallinischen Ausscheidungen zu sein. Durch die in Folge der Bewegungen des Magma's stattgefundene Streckung der Blasen sind die trennenden Wandungen fadenartig ausgezogen, wie dieses makroskopisch und mikroskopisch zu verfolgen ist. Es ist das also eine besondere Art der Fluidalstruktur.

Zahllos kommen aber auch winzige Gasblasen, die erst unter dem Mikroskop sichtbar werden, in den Gesteinen und ihren Gemengtheilen eingeschlossen vor. Da sie mit anderen, auch in der äusseren Form sehr ähnlichen Einschlüssen zusammen sich finden, das Auftreten derselben in den Gemengtheilen auch auf gleichen genetischen Bedingungen beruht, so mögen sie hier nebeneinander ge- stellt werden.

Alle sich ausscheidenden Krystalle (aus schmelzflüssigem Magma sowohl als aus der Lösung) umschliessen bei ihrem Wachsthum fremde Körper und Stoffe,

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Die Gesteine.

die sich in ihrem Bereiche befinden und auch in der Regel in irgend einer genetischen Beziehung zu jenen stehen. Diese Einschlüsse oder Interposi- tionen sind viererlei Art: i. Krystalle oder krystaliinische Bildungen, 2. Gas- blasen, 3. Flüssigkeiten, 4. Glaspartikel.

Vornehmlich die drei letzteren, die Gas-, Flüssigkeits- und Glasein- schlüsse sind es, von denen hier die Rede sein soll.

Die Gaseinschliisse erscheinen von runder oder länglicher Gestalt, sie sind leer und enthalten keine Libelle (zum Unterschied gegen die folgenden). Zu- weilen zeigen sie sich auch polyedrisch begrenzt, sie besitzen dann mehr oder weniger vollkommen die Gestalt des Minerals, von dem sie umschlossen wurden (die Form des Wirthes). In Folge des grossen Brechungsunterschiedes der Luft in ihnen und der umgebenden Mineralsubstanz zeigen sie unter dem Mikroskope einen starken dunkelrandigen Contur, wie ihn z. B. auch die Luftblasen im Canada- baisam aufweisen. In gewissen Mineralen erscheinen sie in grosser Zahl. Sie enthalten entweder Luft oder auch andere Gase: Kohlensäure, Kohlenwasser- stoffe u. dergl.; diese z. B. in gewissen Steinsalzen und Flussspathen.

Die Flüssigkeitseinschlüsse zeigen im Allgemeinen dieselben Conturen wie die Gaseinschlüsse. Oft besitzen sie lang schlauch- oder kanalförmige Gestalt Sie besitzen entweder eine in ihnen schwimmende, bewegliche Gaslibelle oder nicht. Im ersteren Falle unterscheiden sie sich ohne Weiteres von den Gasein- schlüssen, auch im zweiten Falle bietet die scharfe und dünnlinige Umgrenzung eine deutliche Verschiedenheit dar. Bei dem Vorhandensein einer Libelle ist die Be- weglichkeit derselben das sicherste Kennzeichen eines Flüssigkeitseinschlusses. Wenn die Libellen hinlänglich klein sind, besitzen sie eine eigenthümliche spontane Bewegung, die als Molekularbewegung zu bezeichnen ist. Sind die Libellen von einer gewissen Grösse, so sind sie an und für sich unbeweglich, zeigen jedoch sehr oft bei Erhöhung der Temperatur Bewegung oder Verkürzung ihrer Durch- messer. Die eingeschlossenen Flüssigkeiten sind verschiedener Art, meist farblos, aber auch leicht gefärbt. Die ersteren sind gewöhnlich wässrige Lösungen ver- schiedener Salze, die anderen flüssige Kohlensäure oder auch Kohlenwasserstoffe. Die merkwürdigsten Einschlüsse der letzteren Art sind die, wo ein Tropfen von Kohlensäure in einer zweiten Flüssigkeit schwimmt, in der Kohlensäure eine Libelle. Man hat einen gedoppelten Einschluss. In Folge der starken Aus- dehnungsfähigkeit der flüssigen Kohlensäure wird beim Erwärmen schon bis auf ca. 30° C. die Libelle verdrängt und verschwindet. Das ist das charakteristischste Kennzeichen der flüssigen Kohlensäure auch bei den einfachen Einschlüssen. In anderen Fällen ist der Kohlensäuretropfen von einer Gashülle umgeben und diese schwimmt in einer zweiten Flüssigkeit. Im ersteren Falle ist der Contur der Libelle stark, die beiden anderen concentrischen Umgrenzungen dünn; im zweiten Falle aber sind die beiden inneren Conturen stark und nur der äussere dünn und scharf. Auch die Flüssigkeitseinschlüsse finden sich in vielen Gemeng theilen der Gesteine in ausserordentlich grosser Zahl. Ganz besonders pflegt der Quarz der Granite damit manchmal ganz durchspickt zu sein. Auch makros- kopisch kennt man die Flüssigkeitseinschlüsse in verschiedenen Mineralen : Beryll, Topas, Quarz, Diamant, u. a. In den Flüssigkeitseinschlüssen finden sich nicht selten auch ausgeschiedene, kleine Krystalle.

Die Glaseinschlüsse gleichen in vielen Fällen den Flüssigkeitseinschlüssen sehr. Sie zeigen unter dem Mikroskope einen scharfen, äusseren Contur und be- sitzen oft eine Libelle, wie diese. Aber dieselbe ist unter allen Umständen

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

unbeweglich. Oft sind mehrere Libellen nebeneinander vorhanden, immer mit starken Conturen, und dann der Glaseinschluss sofort kenntlich. Wenn die glasige Basis eines Gesteines, in dessen Gemengtheilen Glaseinschlüsse sich finden, gefärbt ist, so zeigen diese in der Regel die gleiche, z. R lichtbraune Färbung. Auch die Glaseinschlüsse nehmen oft die Form ihres Wirthes an und sind in grosser Zahl demselben in regelmässiger Anordnung z. B. parallel der äusseren Flächenbegrenzung oder in axialen Richtungen eingeschaltet. Die Glaseinschlüsse zeigen vielfach Anfänge der Entglasung, indem in ihnen Krystallite, z. B. Trichite, Globulite u. a. oder Mikrolithe auftreten.

Von krystallinischen Interpositionen unterscheiden sich alle drei Arten von Einschlüssen, wenn sie polyedrische Gestalt haben, wie jene, dadurch, dass sie nur die Formen des Wirthes besitzen, dagegen die Krystalle unabhängig von diesem, ihre eigenen Formen aufweisen.

Die Zahl der Minerale, welche an der Zusammensetzung der Gesteine Theil nehmen, ist nicht sehr gross. Eine mineralogische Vorschule hat die wichtigsten Charaktere derselben für die petrographische Bestimmung anzugeben. Wir verweisen auf die einzelnen mineralogischen Artikel dieser Encyklopädie, in denen für jedes der folgenden Minerale das Wichtige zu finden ist.

Die physikalischen Charaktere sind im Allgemeinen für das Erkennen der Minerale in den Gesteinen am wichtigsten: ihre Krystallform, die an ihnen be- kannte Spaltbarkeit, ihre Härte, besonders aber ihre optischen Eigenschaften. Für das Erkennen der Kry stall Systeme der Minerale durch diese letzteren ist die Lage der optischen Achsen und die davon abhängigen Auslöschungsrichtungen im parallelen Lichte unter gekreuzten Nicols des Polarisationsmikroskopes, die charakteristischen Farben der chromatischen Polarisation und die Differenzen der Farben durch den Pleochroismus ganz besonders von Bedeutung. Auch die Farben eines Minerals überhaupt sind in vielen Fällen ohne Weiteres für die Be- stimmung desselben entscheidend. Die charakteristischen Zwillingsverwachsungen der Minerale lassen sich im polarisirten Lichte ganz besonders deutlich wahr- nehmen und sind ebenfalls für die Diagnose derselben unter dem Mikroskope von der grössten Wichtigkeit. Auch eine Reihe struktureller Besonderheiten ein- zelner Minerale und ihrer Krystalle erleichtert ihre Erkennung. Dazu gehören der zonale Bau, wie ihn im Grossen z. B. die Quarze häufig zeigen, die gesetz- oder regelmässig eingeschalteten Interpositionen verschiedener Art, Reflexe und Fär- bungen, die hierdurch bewirkt werden und dergl. mehr.

In der folgenden Uebersichtstabelle über die für die Gesteinszusammen- setzung wichtigsten Minerale sind dieselben in drei Gruppen gebracht. In der ersten Gruppe erscheinen diejenigen, welche als primäre Bestandteile der krystallinischen Silicatgesteine vorzüglich vorkommen; in der zweiten Gruppe die- jenigen, welche als secundäre Bestandtheile derselben Gesteine aufzufassen sind. Die dritte Gruppe umfasst die Minerale, welche die wesentlichen Bestand- theile der einfachen Gesteine ausmachen. Nur wenige Minerale sind in mehreren dieser Gruppen aufzuführen, dann aber nur einmal nummerirt. In der ersten Gruppe sind die wesentlichen und accessorischen Gemengtheile geschieden und ausserdem die Minerale nach Farbe und chemischer Constitution getrennt. Die andern Gesichtspunkte der Gruppirung ergeben sich aus der Tabelle von selbst.

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1

Die Gesteine.

25

I.

Wesentliche.

Accessorische.

1 Quarz, Tridymit

Kalkphosphat

Apatit

6

2 Feldspathe

farblose, weisse,

Cordierit

7

a) Orthoklas (Sanidin)

oder nur wenig

Sodali th

8

b) Mikroklin

gefärbte Silicate '

Hauyn (Nosean)

9

c) Pla^ioklase, Albit-Anorthit

der Alkalien und

Skapolith

10

3 Weisser Glimmer

Erden.

Mehlith

1 1

4 Nephelin (LJaohth;

farblos u. gefärbt.

Zirkon

12

5 Lencit

1 Titan lt

«3

braun.

Rutil

•4

15 Dunkler Glimmer

gefärbte Magne-

' Granat

18

16 Py roxen- Amphibolgruppc

sia -Eisensilicate.

1 Turmalin

19

a) Augit, Diopsid, Diallap

Spinell

20

b) Hornblenden, Aktinolithe

gefärbte und me-

Chrom it

31

c) rhombische Pjrroxene (En-

tallische Mg, Fe,

Magnetit

22

statit, Hypersthen)

Ti- Oxyde.

Eisenglanz

*3

17 Olivin

Titaneisen

*4

II.

Quarz

25 Chalcedon

26 Opal

27 Epidot

28 Talk

29 Chlorit

30 Asbeste

31 Serpentin

32 Zeolithe

Carbonate (Calcit u. a.), secundärc Erze

c a c

c 3 41

o tu c

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3 *"

c

C V

•« I

u C ■o 'S

m.

7

03

c

Andalusit

33

0

ET

Chiastolith

34

8

Cyanit

35

Staurolith

36

a

Korund

37

Wollastonit

38

0

i

SUlimanit

39

Graphit

40 Calcit

«T

Schwefel 49

41 Dolomit

2

Graphit 50

42 Magnesit

0

x>

a

if

Kohlen 51

43 Siderit (Spatheiscnstcin)

u

1

a.

ti

C/i

a) Steinkohlen

44 Gyps

ja

0

J3

1

W

0 .

b) Braunkohlen

45 Anhydrit

tlöslic

OL.

3

i?

c) Torf

46 Baryt

0

Pyrit 52

47 Steinsalz

ja 0

M

sr

3

Hämatit 53

48 Phosphorit

^0»

Brauneisenstein 54

Ausser diesen Mineralen, welche als eigentliche Bestandtheile des Mineral- aggregates erscheinen, welches das betreffende Gestein bildet, kommen aber aucli Aggregate von Mineralen vor, welche für das Gestein, in dem sie sich finden, fremd- artig, d. h. nicht zu seinem eigentlichen Bestände gehörig sind. Man pflegt die- selben als accessorische Bestandmassen zu bezeichnen und kann sie je nach ihrer Entstehung als Concretionen oder Secretionen unterscheiden. Beide sind aber für das Gestein, in dem sie sich finden, autogene (pag. 15) Bildungen.

Die Concretionen haben sich innerhalb eines Gesteines durch stoffliche Zusammenziehung und Krystallisation um ein oder mehrere Centren gebildet und erscheinen in der Gestalt kugliger oder ellipsoidischer, trauben- und nierenförmiger fremdartiger Körper in jenem. Solche Concretionen sind z, B. Kugeln von radial

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26 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

gestellten Gypskrystallen, Schwerspathkugeln, Pyrit- und Sphärosideritnieren, die knolligen Mergelconcretionen im Löss (Lösskindel), die eigentümlich gestalteten Kalkconcretionen, die als Kunkurs in Indien, Laukasteine in Böhmen, Imatrasteine in Finnland, Marleker in Schweden benannt werden, demnach in grosser Ver- breitung vorkommen.

Die Secretionen sind immer an die Präexistenz eines Hohlraumes im Gestein geknüpft, den sie als successive Mineralabsätze erfüllt haben. Der Bildungsprocess erfolgte also von den Wänden des Hohlraumes aus nach Innen fortschreitend. Zu diesen Secretionen gehören vor allem die vorhin schon einmal angeführten Mandeln in den Blasenräumen der Gesteine, aber ebenso die Erfüllungen solcher Hohlräume, die in die Gesteine erst durch Verwittening hineingebildet wurden. Mineralgänge, Trümmer, Adern, Nester gehören ebenfalls hierher.

Als allogene accessorische Bestandmassen der Gesteine sind auch noch die Einschlüsse anderer Gesteine, also klastische Bmchstücke zu erwähnen, sowie die Reste organischer Körper im versteinerten oder vererzten Zustand, die manchmal in grosser Menge in Gesteinen zusammengehäuft sind.

III. Classification und Beschreibung der Gesteine.

So wie man Thiere, Pflanzen und Minerale nach gewissen Grundsätzen in Systeme bringt und Klassen, Familien, Gattungen und Arten unterscheidet, so erscheint das auch bei den Gesteinen nöthig, um ihre Uebersicht zu erleichtern und den Zusammenhang derselben auszudrücken. Jedoch ist eine Classification der Gesteine nur in viel beschränkterem Maasse möglich und mehr noch wie bei den anderen Naturkörpern ist es unmöglich, feststehende und bestimmt durch- greifende Abgrenzungen der einzelnen Glieder aufzustellen. Nur einzelne be- sonders gut charakterisirte Typen treten hervor, denen sich die verschiedenen Gesteinsarten nur als Zwischenglieder unterordnen. So finden wir im Systeme der Gesteine Reihen, die in ihren äusseren Gliedern zwar deutliche Differenzen zeigen, nach der Mitte zu aber ohne irgend eine scharfe Trennung in einander verlaufen. Das bezieht sich sowohl auf die Mischungsverhältnisse aus den mineralischen und chemischen Gemengtheilen , als auch, wie wir im Vorher- gehenden schon gesehen haben, auf die Strukturformen.

Wenn auch die Zahl der angeführten Minerale, die als Gemengtheile vor- kommen, nicht sehr gross ist, noch kleiner die Zahl derjenigen, die als wesent- liche Gemengtheile eine Rolle spielen, so wäre doch nach diesen schon eine sehr grosse Zahl von Variationen möglich. Aber auch bezüglich ihrer Verbreitung und Association sind keinesweges diese Minerale gleichwerthig. Einige kommen sehr häufig, in fast allgemeiner Verbreitung vor, andere nur seltener. Einige finden sich stets in derselben Association mit anderen, andere wieder überwiegend selbständig. So kommt Quarz mit Orthoklas und Sanidin, auch mit Oligoklas, aber selten mit den Plagioklasen kalkreicher, basischer Mischung zusammen vor. Hornblende hat ebenfalls unzweifelhaft eine grössere Neigung zu den kieselsäure- reicheren Feldspathen und Quarz als Augit.

Wenn also auch die Bedeutung enggeschlossener Mineralassociationsgesetze mit ausschliessendem Charakter für gewisse Minerale, wie man sie früher auf- gestellt hat, durch die erweiterte Kenntniss der Gesteinsbestandtheile durch das Mikroskop sehr beschränkt worden ist, gewisse Beziehungen sind doch bestehen geblieben und finden in der chemischen Mischung der gemengt-krystallinischen Gesteine auch ihre Deutung. Um so mehr aber wird eine Classification der

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Die Gesteine.

27

Gesteine auf die Mineralbestandtheile in Verbindung mit den im Vorhergehenden erörterten Strukturunterschiede zu begründen sein. Auch von geologischen Be- ziehungen ist eine solche nicht ganz zu trennen und ganz besonders sind bei den Silicatgesteinen die älteren und jüngeren auch durch differente Strukturtypen auseinander zu halten.

Folgende Tabelle giebt eine Uebersicht der Gesteine.

1. Einfache Gesteine. Eis, Steinsalz, Anhydrit, Gyps, Kalksteine, Dolomite, Mergel, Phosphorit, Quarzite, Kieselschiefer, Erze, Kohlen, Graphit, Schwefel.

2. Gemengte Gesteine. A. Krystallinisch-massige Silicatgesteine. a) Aeltere Serie, a) Saure Reihe (SiO» ^ 80 60 # ca.») Glimmer, Amphibol. Augit).

Granitische Struktur.

1. Orthoklasquarrgesteine

Granite

2. Quarzfreie Orthoklasgesteine

Syenite

3. Orthoklasnephelingestcine

Eläolithsyenite

ß) Mediane Reihe (SiO»

Granitische Struktur z. Th. mit Neigung zu mikrolithischer Aus- bildung (granitotrachytisch).

1. Quarzplagioklasgesteine

Quarzdiorite

2. Quarzfreie Plagioklasgesteine

Diorite

3- '

Tcschenite

Gläser.

Felsitpechsteine

Porphyrischc Struktur. Quarzporphyre Quarzfreie Porphyre

Eläolithporphyre

70 50 g Amphibol, Glimmer, Augit). Porphyrische Struktur. Gläser.

Quarz porphyritc Dioritporphyrit

Dioritpcchstein

7) Basische Reihe (SiOs = 60 _ 4o{} Augit, Olivin).

Granitische Struktur z. Th. mit Neigung zu mikrolithischer Aus- bildung (granitotrachytisch).

1. Quarzplagioklasgesteine

2. Quarzfreie Plagioklasgesteine

Diabase \ divinhaltig Gabbro's > oder Norite J olivinfrei

3. Plagioklasolivingesteine

4. Feldspathfreie Gesteine

Olivingesteine oder Peridotite Eklogite

Porphyrischc Struktur.

Quarzdiabasporphyrit Diabasporphyrite

Melaphyre Pikritporphyrite

Gläser.

Glasiger Diabas

Melaphyrpech stein

') Die angegebenen Grenzwerthe der SiO* entsprechen nicht genau wirklich beobachteten Maximal- und Minimalwcrthcn, sie sollen nur die Amplituden in der Zusammensetzung im Allge- sowie die in einander Ubergreifenden Amplituden der einzelnen Gruppen angeben. Die Mineralnamen deuten die mit den in der Tabelle angegebenen combinirten Gomcng- theile der Varietäten der einzelnen Gesteine an, die vorausstehenden immer die häufigeren und für die ganze Gruppe wichtigeren und charakteristischeren-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologte.

b)

«) Saure Reihe (SiO*

Granitotrachy tische und traehytische Struktur.

1. Quarzorthoklas-(sanidin-)gesteine

Quarztrachyte (Liparite)

2. Quarzfreie Orthoklasgesteine

Trachyte

3. Orthoklasnephclingesteine (auch Lcucit)

Phonolithe

ß) Mediane Reihe (SiO»

Traehytische Struktur.

1. Quarzplagioklasgesteinc

Quarzandesit

2. Quarzfreie Plagioklasgesteinc

Andesite

3. Plagioklasnephelingesteine (auch Leucit) , Tephrite , Nephelinit , Leucitit

Jüngere Serie.

= 80 60 § Amphibol, Biotit, Augit).

Porphyrische Struktur. Gläser.

iTrachytpechstcin Oblidian Bi rastein

Trachyte

Leucitophyr

70 50$ Amphibol, Glimmer, Augit). Porphyrische Struktur. Gläser.

Quarzandesitporphyrit Andesitporphyrite

Pechsteine, \ Perlite u. a. J

z. Th.

Y) Basische Reihe (SiO'=6o 40$ Augit, Olivin).

1. Quarzplagioklasgesteine

Quarzaugitarulesite

2. Quarzfreic Plagioklasgesteine

Augitandesite (Diallagandesit ,

Enstatitandesit), olivinfrei

Basalte, Diallagbasalt , olivin- haltig

3. Plagioklasnephelingesteine (auch Leucit)

Nephelinbasalte Leucitbasalte

4. Feldspathfreie Gesteine: Magma-

Doleritc

Basaltgläser: Hya- lomelan, Tachylyt

Hydrotachylyt

B. Krystallinisch-schiefrige Gesteine. r) Quarzorthoklashaltige Gesteine: Granit-syenitische

1. Körnige, granitischc Struktur. 3. Felsitische Struktur.

Echte Gneissc. Hälleflinta.

2. Mikrogranitische Struktur. 4. Porphyrische Struktur.

Granulite. Orthoklasporphyroide.

b) Quarzplagioklashaltige Gesteine: Diorit-diabasische

1. Körnige Struktur. 3. Felsitische Struktur.

a) Amphibolite oder Dioritschiefer. Aphanitschiefer.

b) Pyroxenitc oder Diabasschiefer 4. Porphyrische Struktur. (Gabbroschiefer). PlagioklasporphyToide.

2. Mikrogranitische Struktur.

Trappgranulitc.

1.

C. Feldspath arme oder -freie Gesteine.

2. Phyllite (Thonglimmerschiefer).

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Die Gesteine.

29

3. Klastische Gesteine. A. Sedimente aus dem Wasser.

1. Thonschiefer. 3. Conglomerate.

2. Sandsteine. 4. Breccien.

B. Vulkanische Produkte.

1. Tuffe. 3* Reibungsbreccien.

2. Vulkanische Aschen.

C. Verwitterungsprodukte und lose Haufwerke. 1. Thone, Kaolin. 2. Sand, Kies, Gerölle.

Bezüglich der ersten Gruppe, der einfachen Gesteine sind die wesentlichen Angaben schon in den mineralogischen Artikeln enthalten, in denen das Mineral, aus dem ein einfaches Gestein besteht, beschrieben wird : wir verweisen daher hier auf die entsprechenden Artikel, z. B. Carbonate, Erze u. s. f.

Die Silicatgesteine werden hier der Reihe nach kurz charakterisirt werden. Die Folge ist dabei dieselbe wie in der vorstehenden Tabelle.

1. Granit. Die Granite sind ganz krystallinische Gemenge von Quarz, Orthoklas und Plagioklas mit ein oder zwei Varietäten von Glimmer, mit Horn- blende oder Augit. Die erstgenannten Gemengtheile sind allen Graniten ge- meinsam, nach den letzteren pflegt man sie zu unterscheiden in: 1. Muscovit- granit, ausser jenen einen meist hellfarbigen Kaliglimmer enthaltend; 2. Biotit- granit,- auch Granitit genannt, mit meist dunkelfarbigem Magnesiaglimmer. 3. eigentlicher Granit, beide Glimmerarten zugleich enthaltend. 4. Biotit- hornblendegranit, neben dem Magnesiaglimmer Hornblende führend. 5. Horn- blendegranit anstatt des Glimmers nur Hornblende enthaltend. 6. Augit- ftihrender Granit, Augit neben Biotit enthaltend. Am verbreitetesten scheinen die Biotitgranite zu sein, am seltensten die Muscovitgranite , in diesen kommt Hornblende nur in ganz geringer Menge vor.

Das Gemenge der genannten Minerale ist in der Regel ein ganz gleichmässiges, die Grösse der einzelnen Körner aber in verschiedenen Graniten sehr verschieden. Die wesentlichen Gemengtheile sind immer makroskopisch zu erkennen: Quarz durch seinen Glasglanz, muschligen Bruch, Mangel einer Spaltbarkeit, oft rauch- graue Farbe; Orthoklas, gewöhnlich überwiegend, durch vollkommene Spalt- barkeit von jenem, durch grösseren Glanz, fehlende polysynthetische Zwillings- streifung auf der einen der beiden Spaltungsflächen (oft aus nur 2 Hälften be- stehende Zwillinge nach den bekannten Gesetzen des Orthoklas) und meist frischere Beschaffenheit vom Plagioklas zu trennen. In manchen Graniten erscheint auch als Gemengtheil der trikline Kalifeldspath oder Mikroklin, durch eine lamellare Gitterstruktur ausgezeichnet, die in vielfacher Zwillingsverwachsung ihren Grund hat. Aehnlich erscheinen auch Verwachsungen von triklinem Feld- spath in Orthoklas, wo sie in kleinen Parthien erst unter dem Mikroskope sicht- bar sind und als Mikroperthit bezeichnet werden. Der Plagioklas ist ander wiederholten Zwillingsstreifung besonders unter gekreuzten Nicols im Mikroskope nachweisbar. Die Glimmer sind durch ihre Spaltbarkeit ganz besonders charak- terisirt und nach optischem Verhalten zu bestimmen; die Hornblende mit Magnesiaglimmer meist zusammen, an der Spaltbarkeit nach dem Prisma von 124° und dem optischen Verhalten. Unter dem Mikroskope: Zahlreiche Flüssigkeits- einschlüsse (wässrige Lösungen von Chlorverbindungen, Sulfate, auch flüssige Kohlensäure) in den wasserklaren Quarzen, die Orthoklase meist getrübt, zeigen

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Anordnung in Zonen, oft reichlich Umwandlungsprodukte. Glaseinschlüsse oder Reste von Glasmasse sind nur ganz ausnahmsweise in Graniten beobachtet worden.

Der Granit ist ziemlich reich an accessorischen Mineralen, von allgemeinerer Be- deutung sind jedoch nur Apatit, Augit, Granat, Turmalin, Zirkon, Chlorit, Talk u. a.

Die chemische Zusammensetzung der Granite ist natürlich entsprechend den wechselnden Quantitätsverhältnissen der Gemengtheile ebenfalls schwankend, im Mittel kann dieselbe etwa ausgedrückt werden durch: SiOJ 72, A1208 16, FeO-+-Fe»03 1,5, CaO 1,5, MgO 0,5, K»0 6,5, Na»0 2,5$, etwas H*0. Spec. Gew. 2,59—2,75.

Oft pflegen die accessorischen Minerale in grösserer Menge in Graniten vor- zukommen und diesen dann als Varietäten besondere Bezeichnungen beigelegt zu werden.

Protogingranit nennt man einen in den Alpen verbreiteten Granit (Alpen- granit), welcher neben dunkelgrünem Glimmer auch grünen Talk enthält;

Turmalingranit enthält viel schwarzen Turmalin an Stelle des Glimmers.

Aplit ist ein an Glimmer sehr armer, also fast nur aus Quarz und Feld- spath bestehender Granit.

Durch eigenartige Strukturverhältnisse charakterisirt sind:

Schriftgranite, in denen bei meist sehr grosskörniger Ausbildung die Feld- spathe von stengligen Quarzindividuen so regelmässig durchwachsen sind, dass diese auf Durchschnitten hebräischen Schriftzügen ähnlich erscheinen (pag. 21).

Pegmatite, sehr grosskörnige Granite mit oft fussgrossen Feldspathkrystallen und entsprechend grossen Quarzknauem und Glimmertafeln. Die Feldspathe oft von Höfen der Gemengtheile in pegmatitischer Verwachsung (pag. 21) umgeben.

Homblendereiche, dagegen quarzarme Granite bilden Mittelglieder zu den Syeniten, daher auch Syenitgranite genannt.

Tritt an Stelle der richtungslos körnigen Struktur eine Parallelanordnung der Gemengtheile, so entstehen Uebergänge zum Gneiss: Gneissgranite.

Ueberwiegen die Feldspathe an Grösse die übrigen Gemengtheile, sodass sie wie porphyrisch ausgeschieden erscheinen in einer vollkommen krystallinisch körnigen Grundmasse, so nennt man das Gestein Granitporphyr.

Die Granite erscheinen unter zwei durchaus verschiedenen Lagerungsformen in den Gebirgen. Einerseits bilden sie zugehörige Glieder der sogen, kryslallinischen Schieferformationen und treten dann auch wechsellagernd mit geschichteten Ge- steinen auf. Der Struktur nach pflegen sie dann auch dem Gneiss sich zu nähern, also Gneissgranite zu sein. Man nennt diese Granite auch Lagergranite.

Andererseits aber bilden sie durch geschichtete Formationen hindurchgreifende gang- oder stockartige Gebirgsglieder und sind dann als Eruptivgranite zu bezeichnen.

Während die Lagergranite der ältesten bekannten geologischen Formation angehören, sind die Eruptivgranite in späterer Zeit z. Th. innerhalb ziemlich junger Zeitalter gebildet

Regelmässig gewölbte Berge meist mit gewaltigen Blöcken von wollsackähn- licher Gestalt übersät (Felsenmeere) sind dem Granit eigenthümlich. Selten zeigt er säulenförmige Absonderung, z. B. am Cap Landsend in Cornwall, ge- wöhnlich roh quaderförmige Zerklüftung.

Von ganz besonderem Interesse ist bei den Graniten die Erscheinung oft sehr durchgreifender Veränderungen, welche die umgebenden sedimentären Ge- steine erlitten haben: die sogen. Contactmetamorphose. Granitmassivs und

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Die Ceyteine.

Granitdurchbrüche pflegen von einer Zone metamorphosirter Gesteine umgeben zu sein. Das Nähere hierüber findet sich in dem Artikel * Metamorphismus«.

2. Quarz porphyr. Darunter versteht man die echt porphyrische Aus- bildung der Granitmischung. In einer dicht erscheinenden, felsitischen, erst mikroskopisch auflösbaren Grundmasse liegen Krystalle von Quarz und Ortho- klas, daneben auch Plagioklas und Glimmer ausgeschieden.

Makroskopisch hat die Grundmasse oft eine sehr dichte, splittrige, hornstein- artige Beschaffenheit, in anderen Fällen ist sie thonsteinartig und erdig, letzteres in Folge der Zersetzung. Von neugebildeter Kieselsäure in der Form von Chal- cedon und Quarz pflegt sie dann oft in zahlreichen Lagen durchzogen zu sein. In derselben erscheint oft deutliche Fluidalstruktur. Die verschiedenartige Aus- bildung der Grundmasse, wie sie sich bei mikroskopischer Untersuchung ergiebt, wurde pag. 19 und 21 erörtert. Die ausgeschiedenen Quarze zeigen meist scharfe dihexaedrische Formen, unregelmässig gestaltet durch Einbuchtungen und Ein- schlüsse der Grundmasse. Die Einschlüsse zeigen meist die Form des Quarzes selbst. Flüssigkeitseinschlüsse kommen neben Glaseinschlüssen vor. Der Ortho- klas meist durch Zersetzung getrübt, zeigt je nach der Lage seiner Querschnitte, quadratische, rechteckige oder sechsseitige Formen. Der Plagioklas ist seltener, oft so verwittert, dass die ihn charakterisirende Zwillingsstreifung kaum noch sichtbar ist. Glimmer, Hornblende und Augit sind selten. An accessorischen Mineralen sind überhaupt die Quarzporphyre arm. Recht charakteristisch ist die kuglige und sphärolithische Struktur (pag. 21) an manchen Porphyren. Rothe und grüne Farben sind bei den meist licht gefärbten Gesteinen besonders häufig.

Nach den Strukturverhältnissen unterscheidet man:

Granitporphyr als Mittelglied zum Granit; Mikrogranit (dazu gehören die früher als Eurit, Elvan, Petrosilex bezeichneten Gesteine), Granophyr, Felso- phyr, Vitrophyr. Die Bedeutung ergiebt sich nach dem pag. 19 Gesagten.

Die Zusammensetzung der Quarzporphyre entspricht im Allgemeinen der der Granite. Als Mittel hat sich ergeben: SiO» 74, A1203 12—14, FesO\ FeO 2—3, CaO, MgO 2, KaO, Na*0 7—9$, wenig HaO. Spec. Gew. = 2,5—2,7.

Die Quarzporphyre sind durchweg als Eruptivgesteine charakterisirt, meist jüngeren Alters als die Granite. Die Hauptzeit ihrer Eruptionen ist die Dyas und ältere Trias.

3. Felsitpechstein. Dieses Gestein ist die überwiegend glasige Erstarrungs- form eines Magma's, welches bei vollkommenerer krystalliner Ausbildung Quarz- porphyr oder Granit hätte ergeben können. Die Gesteine sind daher auch schon äusserlich durch glas- oder pechartiges Aussehen, muschligen Bruch, streifige, wolkige Farbenvertheilung (grün, braunroth, schwarz) charakterisirt.

Unter dem Mikroskope zeigen sich in der amorphen Glasmasse mikrofelsitische Ausscheidungen (pag. 19) oft in zierlicher stern-, feder-, farnkrautartiger Gruppirung.

Auch sphärolithe Bildungen sind häufig. Liegen in der glasigen Grundmasse grössere Krystalle oder Körner von Quarz, Orthoklas, Plagioklas, Glimmer, Horn- blende oder anderen, so nennt man diese Gesteine Pechsteinporphyre. Sie decken sich dann z. Th. mit der vitrophyren Form der Quarzporphyre.

Die chemische Zusammensetzung der Felsitpechsteine stimmt im Wesent- lichen mit der der Felsitporphyrgrundmasse überein. Nur zeigen alle einen be- deutenderen Wassergehalt von 6- -8$. Die Pechsteinvorkommen von Meissen in Sachsen, wo das Gestein Gänge im Felsitporphyr bildet und die Pechsteingänge auf der Insel Arran (Schottland) sind die charakteristischsten Vorkommen.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

4. Syenit. Dieses Gestein ist ein quarzfreies (oder quarzarmes) Gemenge der granitiseben Bestandteile, auch durchweg von echt granitischer Struktur.

Man unterscheidet demnach: Hornblendesyenit oder Syenit im eigent- lichen Sinne, Glimmersyenit und Augitsyenit

Auch die Syenite zeigen z. Th. dichte, mikrogranitische Ausbildung; die echten Hornblendesyenite allerdings in der Regel recht gross- bis grobkörnige Struktur. Accessorische Minerale sind nicht selten, besonders charakteristisch Titanit, Epidot, Apatit, Magnet- und Titaneisen.

Die chemische Zusammensetzung der Syenite entspricht im Mittel: SiOa 58,4 A1*0* 19,2, FeO 8,3, CaO 5,6, MgO 2,9, K*0 3,2, Na»0 2,4 g, wenig H»0. Spec. Gew. = 2,75—2,9.

Das Vorkommen ist ganz wie das der Granite, in der Regel mit diesen zu- sammen. Auch die Syenite zeigen Uebergänge zu Gneiss (Syenitgneiss).

5. Quarzfreie Porphyre. Diese stellen die porphyrische Ausbildung des Syenitgemenges dar, sind daher auch als Syenit porphyr zu bezeichnen. Je nach ihren Gemengtheilen unterscheidet man sie wie die Syenite selbst als Hornblende, Glimmer oder Augit enthaltende. Die glimmerreichen Gesteine dieser Art wurden früher auch als Minette (Vogesen) bezeichnet. Die Ausbildung der Grundmasse ist überwiegend mikrokrystallin, nur selten finden sich Reste einer amorphen Glasbasis. Syenitpechsteine sind bis jetzt nicht bekannt; durch künstliches Schmelzen erhält man aus Syenit aber vollkommen pechsteinähnliche Gläser.

6. Eläolith syenite sind quarzfreie oder quarzarme Gemenge von Orthoklas, Plagioklas, Nephelin (Varietät Eläolith), mit Glimmer, Hornblende, Augit, acces- sorisch Sodalith, Zirkon, Titanit u. a. Die Struktur der Gesteine ist durchaus granitisch. Der Eläolith zeigt selten Krystallform, die unvollkommene Spaltbar- keit nach dem Prisma zeigt sich in parallelen Rissen, sicher nur optisch zu be- stimmen; die sehr schwache Doppelbrechung unterscheidet ihn vom Quarz. Er ist reich an Flüssigkeitseinschlüssen, zeigt auch Mikrolithe von Hornblende. Sogen. Cancrinit als Umwandlungsprodukt des Nephelin. Charakteristisch die Associa- tion mit grünlichem oder blauem Sodalith.

Zu diesen Gesteinen gehören: die Foyaite von den Foyabergen im süd- lichen Portugal, Hornblende, Glimmer und Augit führend, die Miascite vorzüg- lich reich an schwarzem Glimmer vom Ilmengebirge bei Miask, die Ditroite, schöne, durch blauen Sodalith gefärbte, grob bis feinkörnige Gesteine mit Horn- blende und Glimmer von Ditro in Siebenbürgen, endlich die Zirkoneläolith- syenite durch reichen Gehalt an Zirkon ausgezeichnete, meist sehr grosskörnige, pegmatitische Gesteine im südlichen Skandinavien und bei Miask. Dieselben sind ganz besonders durch grossen Reichthum an seltenen Mineralen und Elementen ausgezeichnet: Thorerde, Yttererde, Cer, Lanthan, Didym, Niob, Tantal u. a. kommen in verschiedenen Mineralarten darin vor.

Ein ähnliches Gestein ist das Eudialyt führende der grönländischen Südküste.

7. Eläolithporphyr. Als porphyrische Ausbildung der Eläolithsyenite müssen zwei Gesteine aufgefasst werden, welche allerdings nur noch die charakte- ristischen Umwandlungsprodukte des Nephelin enthalten: Der sogen. Liebe- neritporphyr (Liebenerit und Giesekit sind wasserhaltige Thonerde-Alkalisilikate in der Form des Nephelin) von Fredazzo im südlichen Tyrol und der Giesekit- porphyr von Grönland. In beiden Gesteinen erscheinen die genannten Minerale mit Orthoklas als porphyrische Ausscheidung in einer sehr feinkörnigen, bis dichten Grundmasse.

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Die Gesteine.

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8. Quarzdiorit. Mit dem Unterschiede, dass von den Feldspathen Plagio- klas stets bedeutend den Orthoklas überwiegt, oder ausschliesslich vorhanden ist, entsprechen diese Gesteine ihren Bestandteilen nach den Graniten und Syeniten. Sie bestehen aus Plagioklas, Orthoklas, Quarz, mit denen Glimmer, Hornblende, Augit sich vereinigen. Bezüglich ihrer chemischen Zusammensetzung s. unter (10.) quarzfreiem Diorit. Je nach dem Vorwalten des einen oder anderen dieser letzteren Minerale unterscheidet man: Quarzglimmerdiorite, Quarzhorn- blendediorite und Quarzhornblendeaugitdiorite.

Die Quarzglimmerdiorite führen neben den wesentlichen Gemengtheilen: Plagioklas, Magnesiaglimmer und Quarz untergeordnet Orthoklas, Apatit, Magnetit, (seltener Titaneisen) und sind entweder hornblendefrei oder hornblendehaltig. Durch einen grösseren Gehalt an Hornblende gehen sie in die Quarzhornblende- diorite über. Das sind also ganz dieselben Variationen wie bei den hornblende- haltigen Graniten und Syeniten.

Die Quarzglimmerdiorite zeigen immer eine rein körnige Struktur. Es sind keinesweges verbreitete Gesteine. Die sogen. Kersantone aus der Bretagne und die Kersantite aus den Vogesen sind z. Th. hornblcndefreie, dafür aber augit- haltige Quarzglimmerdiorite, in denen freilich ein Theil des Quarzes nicht als ursprünglicher, sondern nur als secundär gebildeter Gemengtheil anzusehen ist. Ein hornblendereicher Quarzglimmerdiorit, von ausgezeichnet granitischem Habitus, ist das auch mit dem besonderen Namen Tonaüt belegte Gestein, welches in der Adamellogruppe am Tonalepass im südlichen Tyrol vorkommt.

Die Quarzhornblendediorite oder eigentlichen Quarzdiorite, bestehen aus Plagioklas, Orthoklas, Quarz, Hornblende. Daneben ist fast immer auch Magnesiaglimmer, Apatit, Magnetit oder Titaneisen.

Die Hornblende bildet entweder breite und grosse Krystalle, zwischen die der Plagioklas sich einschiebt oder erscheint als lange Nadeln mit schmalen Feldspathleisten gemengt. Während die Gesteine der ersteren Art durchweg echt granitische Struktur besitzen, sind es die der letzteren Art, welche der trachytischen Struktur sich nahem (Nadeldiorite).

Die Farbe der Hornblende ist meist dunkelgrün, braun oder hellgrün. An Interpositionen ist dieselbe ziemlich reich z. B. von Magnesiaglimmer, opaken Eisenerzkörnern, Apatit und Titanit.

In manchen Dioriten findet sich die Hornblende überwiegend in der Form faseriger oder schilfiger Aggregate. Sie gleicht dann derjenigen Hornblende, die als Umwandlungsprodukt aus Augit sich entwickelt und Uralit genannt worden ist. Auch in vorliegendem Falle dürfte die faserige Beschaffenheit schon ein erstes Umwandlungsstadium der Hornblende andeuten. Chlorit und Epidot gehen u. A. aus der weiteren Umwandlung hervor.

Im Banat treten jüngere Eruptivgesteine auf, deren Alter noch nicht ganz sicher feststeht, die Cotta als Banatite bezeichnet hat Sie gehören zu den echten Quarzdioriten und enthalten Plagioklas, Quarz, Hornblende, Magnesia- glimmer, wenig Orthoklas, Magnetit, Apatit und Titanit Auch die Palaeo- phyre Gümbel's aus dem Fichtelgebirge gehören hierher. Quarzhornblendeaugit- diorite führen immer neben fasriger, uralitartiger Hornblende meist hellrothbraunen Augit. Hierzu sind die Epidiorite Gümbel's zu rechnen, die im Fichtelgebirge cambrische und silurische Formationsglieder durchsetzen, sowie ähnliche Gesteine aus den Vogesen. Auch zu Catanzaro in Calabrien im palaeozoischen Gebirge und zu Quenast und Lessines in Belgien kommen solche Gesteine vor.

Kenncott, Min., Geol. n. P»L II. 3

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

9. Quarzporphyrite. Diese stellen die porphyrische Ausbildung der Quarz- dioritmischung dar. Es finden sich gar nicht selten Vertreter dieser Struktur aus allen drei Abtheilungen der Quarzdiorite. Bezügl. der chemischen Zusammen- setzung vergl. unter n.

Die Grundmasse derselben zeigt dieselben Strukturformen wie die der Quara- porphyre. Sie ist entweder mikrogranitisch, mikrofelsitisch, oder auch, allerdings nur selten, vitrophyriscli. Auch sphärolithische Ausbildung kommt vor, sowie die als Fluidalstruktur bezeichnete Anordnung in der Grundmasse (pag. 18).

Die Quarzglimmerporphyrite führen in einer dichten Grundmasse Einspreng- linge von Plagioklas, Quarz, wenig Orthoklas, dunklen Magnesiaglimmer und Magneteisen. Hierher gehören Gesteine aus dem Altai, der Gegend von Lands- hut, dem Vicentinischen u. a. Als ein typischer Quarzglimmerdiorit kann auch das von Gümbel als Lamprophyr bezeichnete Gestein von Rödel im Fichtel- gebirge gelten, sowie einzelne der früher unter dem Namen Hemithrene be- kannten Gesteine der Auvcrgne.

Auch die Kersantitporphyre, die als Gänge im Erzgebirge vorkommen, gehören hierhin. Glimmerporphy rite mit einer vitrophyren, vornehmlich aus braunem Glase bestehenden Grundmasse sind die Gesteine von Monte Trisa und der Rasta im Vicentinischen, sowie der sogen. Pechsteinporphyr vom Korn- berge bei ErbendorfT im Bayrischen Gebirge. Reine Dioritpechsteine ohne jegliche krystalline Ausscheidung sind jedenfalls ganz ausserordentlich selten.

10. Quarzfreie oder gewöhnliche Diorite. Sie entsprechen unter den älteren Plagioklasgesteinen der syenitischen Mischung der Orthoklasgesteine. Wie diese und die quarzftihrenden Diorite unterscheiden sie sich in: Glimmer- diorite, Hornblende- oder echte Diorite und Hornblendeaugitdiorite.

Die quarzfreien Glimmerdiorite scheinen nur selten vorzukommen.

Am häufigsten sind jedenfalls die echten Diorite. Was bezüglich des charakteristischsten Gemengtheiles, der Hornblende vorher angegeben wurde, gilt auch hier; als accessoristhe Gemengtheilc sind Apatit, Magnetit oder Titaneisen, Titanit und sehr verbreitet auch Pyrit zu nennen. Epidot und Chlorit treten als secundäre Produkte auf. Diorite mit nadeiförmiger (mikrolithischer) Ausbildung der Hornblende und des Plagioklas, sogen. Nadeldiorite, sind ebenso verbreitet in manchen Distrikten, wie echt granitischkörnige Gesteine. Schiefrig werden die Diorite durch parallele Anordnung der Gemengtheile. Manche schiefrige Diorite gehören aber auch geradezu zu den krystallinischen Schiefern.

Bei radialer Gruppirung leistenförmiger Gemengtheile um gewisse Centra entstehen die sog. Kugeldiorite. Das schöne Gestein von Sartene auf Korsika ist der Vertreter dieser Art; auch in Dioriten der Auvergne finden sich ähnliche radialstruirte Kugelbildungen.

Die quarzfreien Epidiorite bilden ganz wie bei den quarzführenden Dioriten, die dritte, Hornblende und Augit gleichzeitig enthaltende Gruppe. Die Hornblende überwiegt fast immer über den Augit. Solche Gesteine kommen im Fichtelgebirge, in den Vogesen, in Schweden u. a. O. vor.

Auch unter den schon vorher erwähnten Hemithrenen, die früher für hornblendehaltige Kalksteine galten, stecken echte Diorite. Der Gehalt an Calcit rührt hier, wie in so vielen, besonders quarzfreien Dioriten, von der Zersetzung des Plagioklas und der Hornblende her. Die chemische Zusammensetzung der Diorite im Allgemeinen, darunter die quarzhaltigen und quarzfreien einbegriffen, ist natürlich schon bezüglich der Verschiedenheiten im Gehalte an freier Kiesel-

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Die Gesteine.

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säure ungemein schwankend, so dass hier Mittelwerthe ohne Bedeutung sind. Auch der sehr verschiedene Grad der Zersetzung bedingt hier bedeutendere Ab- weichung. Der Kieselsäuregehalt variirt von 48 74$, A1208 15 22, FeO, Fe2Os 4— 16, CaO, MgO 2,5—15, K'O 1—7, Na*0 2,2—5, HaO 0,8—2$. Specifisches Gew. = 2,75—2,95.

11. Quarzfreier Dioritporphyrit. Diese Gesteine sind von den quarz- fühienden nicht wesentlich verschieden in Struktur und Ausbildung. Auch bei ihnen sind je nach der Gegenwart von Magnesiaglimmer und Augit neben Horn- blende dieselben Gruppen zu unterscheiden und in denselben Gebieten kommen die quarzführenden und -freien Gesteine nebeneinander vor, so bei Ilfeld am Harz, in Sachsen, in der devonischen Formation des Saar-Nahegebietes.

Bezüglich der Grundmasse ergeben sich dieselben Verschiedenheiten der Ausbildung. Ein quarzfreier Dioritporphyrit mit kryptokrystalliner Grundmasse, braunen Hornblendeleisten und röthlichem zersetztem Plagioklas als Einspreng- lingen ist der bekannte in den Bauten des klassischen Alterthums so häufig ver- wendete Porfido rosso antico vom Djebel Dokhan an der Westküste des rothen Meeres. Derselbe findet sich dort übrigens auch in schwarzen und grün ge- färbten Abänderungen. Hierher gehören auch Porphyrite aus den südlichen Alpen z. B. der Umgegend von Recoaro im Vicentinischen.

Auch bei den Dioritporphyriten, quarzführende und quarzfreie zusammenge- fasst, ist die chemische Zusammensetzung entsprechend der mineralogischen schwankend: SiOa 59-67, Al'O3 16—18, FeO, Fe2Os 4— 8, CaO, MgO 3— 7, K*0 1,3—4,8, Na*0 2—3,2$, wenig H*0. Spec. Gew. = 2,6— 2,7.

Dass die basischeren, quarzfreien Porphyrite keine rein vitrophyre Ausbildung zeigen, steht im Einklang mit dem Fehlen der Pechsteine auch für die syenitische Mischung.

12. Plagioklasnephelingesteine (Teschenit). Die Gesteine aus der Um- gegend von Teschen in Oestreichisch-Schlesien und Mähren waren bis vor Kurzem die einzigen Vertreter dieser Gruppe. Sie sind Gemenge von Plagioklas, Nephelin, Augit, Hornblende, Apatit und Titaneisen, selten auch Orthoklas, Magnesia- glimmer, Olivin, Titanit und Magnetit. Analcim und andere Zeolithe scheinen aus der Umwandlung des Nephelin hervorgegangen zu sein. Die Struktur der Gesteine ist eine körnig-mikrolithische, Reste glasigen Magma's sind nicht vor- handen. Neuerdings hat Mac-Pherson1) das Vorkommen der Teschenite auch in Portugal nachgewiesen, wo sie die Kreideschichten durchbrechen, darnach also jüngeren Alters wären. Ihrer Zusammensetzung nach entsprechen sie ziemlich genau den Gesteinen der Gegend von Teschen.

13. Quarzdiabas. Unter den in der nächstfolgenden Abtheilung zu er- örternden Plagioklasaugitgesteinen, den eigentlichen Diabasen, finden sich nur spärlich quarzführende. Einige jedoch enthalten Quarz als unzweifelhaft ursprüng- lichen Gemengtheil. Im Uebrigen besitzen sie die gleiche Beschaffenheit wie die Diabase. Zu ihnen ist wohl auch der Leukophyr Gümbel's zu rechnen; ober- silurische Gesteine, die ein Gemenge aus umgewandeltem (in sogen. Saussurit) Plagioklas, mit wenig Augit, chloritischer Substanz und ziemlich reichlich Titaneisen darstellen, denen ein constanter Quarzgehalt eigenthümlich ist. Solche Leukophyre kommen im Fichtelgebirge, in den Vogesen und in dem Saar-Nahegebiete vor.

14. Quarzdiabasporphyrit Unter den im Folgenden zu erörternden Diabasporphyriten finden sich manche mit nicht ganz unbedeutendem Quarzge-

l) Bullet. Soc. geol. de France. ML Ser. t. IX. pag. 292.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologit:.

halte, die dann hierhin zu rechnen sein würden. Besonders von den eigentlichen Diabasporphyiiten abweichende Beschaffenheit kommt denselben aber nicht zu.

15. Diabas. Der Diabas ist wesentlich ein Gemenge von Plagioklas und Augit mit Magnetit oder Titaneisen. Von den nicht allen Diabasen eigenthüm- lichen Gemengtheilen ist doch für eine grosse Zahl der Olivin so charakteristisch, dass man hiernach die Diabase in olivinführende und olivinfreie unter- scheidet Die olivinhaltigen Diabase stehen den Melaphyren (19.) jedenfalls sehr nahe (vergl. hierzu pag. 48). Nur für einzelne Vorkommen sind Hornblende, Enstatit, Quarz (Quarzdiabas, s. vorhergehend) anzuführen. Dagegen erscheint Orthoklas sehr häufig und Apatit und vor Allem auch ein secundäres, aus der Zersetzung der pri- mären Gemengtheile hervorgehendes chloritisches Produkt in den Diabasen allgemein verbreitet. Dieser chloritische Gemengtheil bedingt auch die grüne Farbe dieser Gesteine (wie bei den Dioriten, daher für beide früher der gemeinsame Name Grünstein). Die chemische Zusammensetzung dieser chloritischen Produkte ist keinesweges eine constante, sowie auch ihre physikalische (optische) Beschaffen- heit sehr verschieden sein kann. Für dieselben ist, da sie oft genauer minera- logisch nicht zu definiren sind, der Name Viridit gebräuchlich geworden.

Der Plagioklas erscheint sehr oft schon stark zersetzt in feinkörnige oder strahlige Aggregate. Sehr charakteristisch ist auch die bis zur vollkommenen Verdrängung der Plagiokla -Substanz fortschreitende Umwandlung in Epidot. Der Augit erscheint meist in der Form unregelmässiger Körner oder Leisten zwischen dem Plagioklas. Er ist in der Regel vom Rande aus in chloritische Substanz oder in fasrige grüne Hornblende umgewandelt, welche vollkommene Pseudo- morphosen nach Augit bildet und dann als Uralit bezeichnet wird. Hornblende- reiche Diabase, in denen die Hornblende als selbständiger primärer Gemengtheil neben Augit erscheint, 1 at Gümbei. Proterobase genannt. In denselben kommen gesetzmässige Verwachsungen von Augit und Hornblende vor, der Plagioklas er- scheint meist in saussuritartige Produkte umgewandelt.

Der Olivin, der in vielen Diabasen sehr reichlich vorhanden ist, zeigt in der Regel fortgeschrittene Umwandlung zu Serpentin. Oft ist er durch diesen ganz verdrängt und dann nicht mit Sicherheit mehr nachzuweisen.

Das Titaneisen erscheint in den Diabasen mit dem charakteristischen Neu bildungsprodukte versehen, für welches Gümbel den Namen Leukoxen und v. Lasaulx die Bezeichnung Titanomorphit einführte. Dieses Produkt ist nach den Untersuchungen Cathrein's wohl in allen Fällen übereinstimmend und zwar Titanit. Mit der fortschreitenden Zersetzung der Diabase pflegt in denselben ein Gehalt an Kalkcarbonat zuzunehmen, der oft sehr beträchtlich ist.

Die Struktur der Diabase ist eine vollkommen krystallinisch-körnige; jedoch nur seltener von dem Typus der Granite, sondern meist ausgesprochen traehy- tisch-mikrolithisch (pag. 20.) Oft erscheinen die Gesteine äusserlich fast voll- kommen dicht; man nannte diese früher Aphanite.

Die chemische Zusammensetzung der Diabase (die Quarzdiabase mit einbe- griffen) ist schwankend, was auch mit dem sehr verschiedenen Grade der Zer- setzung zusammenhängt. Sie sind durchweg basischer als die Diorite. Sie ent- halten im Allgemeinen: SiO2 40 60, Al2Os 11 22, Fe803, FeOn 22, CaO, Mg04-i5» K'O, 0,3-6, Na»Oo,6-6, H»0 1,7-4$. Specifisches Gewicht= 2,7—2,9.

Die Diabase sind in der Form von Gängen oder Lagergängen in den älteren silurischen und devonischen Formationen überaus verbreitet. Sie zeigen

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Die Gesteine.

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recht charakteristische Contaktphänomene an der Grenze gegen die Nebengesteine, und zwar zeigen sie sich hierbei sowohl selbst in ihrer eigenen Gesteinsmasse und Struktur (endomorph) umgewandelt, als auch haben sie das Nebengestein metamorphosirt (exomorph).

Als ganz besonders charakteristische Ausbildung des endomorphen Prozesses ist die variolithische Struktur mancher Diabase zu bezeichnen. Die Variolen in diesen Variolithen sind sphärolithische Aggregate und zeigen auch Verschieden- heiten der Struktur wie diese (pag. 21). In den meisten Fällen scheinen sie voll- kommen aus krystallinen radialen Strahlen zusammengesetzt. An rundlichen Hohlräumen reiche Diabase nehmen, wenn diese mit Mineralen, vorzüglich Kalk- spath erfüllt sind, den Charakter der Mandelsteine an (Diabasmandelstein).

Ein grosser Theil der in den Pyrenäen auftretenden Gesteine, die man mit dem Namen Ophite belegt hat, gehören unzweifelhaft zu den Diabasen. Es kommen darunter gewiss auch Diorite und bei jüngerem Alter Andesite (s. d.) vor.

16. Diabasporphyrite. Diese verhalten sich zu den Diabasen genau so, wie die Quarzporphyre zu den Graniten oder die quarzfreien Porphyre zu den Syeniten. Die Minerale sind also dieselben wie in den Diabasen und erscheinen auch mit der gleichen Beschaffenheit. Die Grundmasse der Diabasporphyrite zeigt dieselben Strukturverschiedenheiten wie die der echten Felsitporphyre. Sie besteht ganz oder z. Th. aus krys&llinen Körnern, aus mikrofelsitischer oder endlich auch aus glasiger, vitrophyrer Substanz. Ganz wie von den Pechsteinen durch die vitrophyren Quarzporphyre eine Reihe zu den Mikrograniten und Granitporphyren hinüberleitet, so finden sich auch unter den Diabasporphyriten glasige Pechsteine einerseits, Mikrodiabase und rein körnige Diabase andererseits. Zu den nur porphyr- artig, also nach Art der Granitporphyre ausgebildeten Gesteinen gehört ein sehr grosser Theil der früher als Labradorporphyre bezeichneten, deren Grund- masse durchaus krystallin-körnig entwickelt ist.

Andere Labradorporphyre besitzen aber in einer mikrofelsitischen oder mehr oder weniger glasreichen Grundmasse die Erfordernisse echter Diabasporphyrite. Freilich ist eine durchaus vitrophyre und mikrofelsitische Ausbildung der Grund- masse selten, in der Regel zeigt dieselbe eine Verbindung vorherrschend mikro- oder kryptokrystalliner Masse mit untermischten felso- und vitrophyrischen Parthien. Sphärolithische Bildungen sind sehr selten; häufig, und zuweilen aus- gezeichnet schön zeigen die kleinen Plagioklasleisten eine fluidale Anordnung.

Als porphyrisch ausgeschiedener Gemengtheil ist in den meisten Fällen Plagioklas vorhanden und sonach sind die meisten sogen. Labradorporphyre dieser Gruppe angehörig, so die Porphyrite aus der Umgebung von Elbingerode am Harz, aus den Vogesen, dem Thüringer Wald u. a. Das schöne aus den Bauten des Alterthums bekannte Gestein, der Porfido verde antico von Marathon ist ein Diabasporphyrit. Diesem gleicht ganz auffallend ein Gestein von der Insel Lambay vor der Ostküste von Irland gelegen. Auch unter den Diluvial- geschieben der norddeutschen Ebene sind Diabasporphyrite verbreitet.

Als eine besondere Gruppe sind die enstatithaki^en Diabasporphyrite zu er- wähnen, gewissermaassen Uebergänge zu den Noriten (18.) darstellend. Eine eigent- liche glasige Grundmasse, Glasbasis, ist meist nur spärlich. Der Enstatit ist schwach pleochroitisch und zeigt Umwandlung in fasrigen Bastit.

Die aus den Umgebungen von St. Wendel von Laspeyres und Streng be- schriebenen Palatinite gehören dieser Gruppe an, die ausserdem in Tyrol bei Klausen und im Vicentinischen in den Umgebungen von Recoaro vertreten ist

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

17. Gabbro. Die Gesteine dieser Gruppe zeigen stets eine so charakteristische Ausbildung, dass sie es dadurch verdienen, von den Diabasen getrennt zu werden, mit deren enstatitführenden Gliedern sie sonst nahe verwandt sind. Da sie stets ausgezeichnete granitisch-körnige Struktur zeigen und ihre porphyrische Aus- bildung ganz zu fehlen scheint, so würde man ihre porphyrischen Glieder wohl dennoch unter den Diabasporphyriten zu suchen haben.

Die Gabbro's sind Gemenge wesentlich aus Plagioklas und Diallag, zu denen für einen Theil dieser Gesteine noch Olivin als charakteristischer Gemengtheil hinzu- kommt. Hiernach unterscheidet man Olivingabbro's und Gabbro's schlichthin.

Der Plagioklas dieser Gesteine scheint durchweg mehr anorthitischer, kalk- reicher Mischung sich zu nähern, wie sich auch aus seinen optischen Eigen- schaften erkennen lässt. In vielen Fällen ist er in verworren fasrige, strahlige, schuppige Aggregate umgewandelt (Saussurit). Der Diallag erscheint fast immer in der Form breiter Krystalloide, die sich zwischen den Plagioklasleisten aus- breiten. Die Spaltbarkeit nach den Querflächen, die charakteristischen Inter- positionen, seine nicht selten gesetzmässige Verwachsung mit rhombischem Pyroxen, z. B. Enstatit und auch mit Hornblende müssen um so mehr zur Charakteristik beachtet werden, als er sich sonst nicht von dem Augit unter- scheidet. Mannigfach sind die Umwandlungserscheinungen desselben in fasrige Hornblende, sogen. Smaragdit, in chloritische Substanz* und Serpentin. Acces- sorisch kommt dunkler Glimmer, Titaneisen, Apatit, Rutil und Quarz vor.

Die Olivingabbro's zeigen auffallende Verschiedenheiten in der Quantität der anwesenden Gemenglheile, manche sind fast ganz plagioklasarm und bestehen nur aus Diallag und Olivin; in anderen tritt der Diallag zurück und dann ent- stehen die Gesteine, welche unter dem Namen Forellensteine bekannt sind.

Die reichliche Neubildung von Magneteisen aus der-Umwandlung des Olivin bedingt die oft ganz schwarze Farbe dieser Gesteine. Ihre wirkliche Zusammen setzung ist dann erst in Dünnschliffen zu erkennen.

Die chemische Zusammensetzung schwankt von: 48—54,6, SiO', 10,4—28,9 A1*03, 4,8— 15.8. FeO. Fe«Os, 9— i8CaO,MgO, 0,01— 2,69KaO, 0,5— 6,2#Na»0. Spec. Gew. = 2,9 3.02.

Die Gabbro's bilden meist stockförmige Einlagerungen in Graniten, krystallini- schen und älteren sedimentären Schiefern. Gabbroschiefer kommen mit Gneiss zusammen vor und werden bei den krystallinischen Schiefern noch erwähnt werden.

18. Nor it. Unter diesem Namen fasst man nach Rosenbusch zweckmässig alle älteren Gesteine zusammen, die neben Plagioklas als wesentlichen Gemeng- theil einen rhombischen Pyroxen fuhren, also Plagioklas-Enstatit- oder Plagioklas- Hypersthengesteine. Die Bestimmung des rhombischen Pyroxen muss auf optischem Wege erfolgen. Es sind durchweg granitisch-körnige Gesteine, die früher z. Th. unter anderen Namen, so als Hypersthenit z. B. das bekannte schöne Gestein von der S. Paul's Insel an der Küste von Labrador, oder Schiller- fels, Bastitfels, wie die Gesteine von Harzburg, oder auch schon als eigentliche Norite bezeichnet wurden, wie die sehr plagioklasreichen nordischen Gesteine aus der Gegend von Hitteroe, Egersund u. a. O. Ganz analog wie bei den Gabbro's kann man auch Olivinnorite und Norite d. i. olivinfreie unterscheiden.

Dass übrigens auch die Norite ihre verschiedenen Strukturtypen haben, wie die Diorite und Diabase, das geht aus neueren petrographischen Untersuchungen der dem Thonglimmerschiefer -Complex des Eisackthales an der Strasse von Brixen nach Klausen in Tyrol eingelagerten, früher als Diorite bezeichneten

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Die Gesteine.

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Eruptivgesteine hervor1). Dieselben bilden eine geologisch wie petrographisch untrennbar verknüpfte Reihe, deren Endglieder einerseits an die Quarzglimmer- diorite, andererseits an die Norite sich anschliessen. Neben echt granitisch-körnigen hypersthen- oder enstatitflihrenden Norken treten hier Quarznorite und Norit- porphyrite auf, die sich in einzelnen Varietäten durch reichliches Auftreten von monoklinem Augit den Diabasporphyriten nähern. Alle Typen sind durch Ueber- gänge mit einander verbunden.

19. Melaphyr. Da die wesentlichen Gemengtheile : Plagioklas, Augit und Olivin dieselben sind, wie bei der Gruppe der Olivindiabase, so würde man darnach füglich diese beiden Gesteine vereinigen können, wenn nicht doch zweierlei Umstände eine gewisse Selbständigkeit der Melaphyre unzweifelhaft andeuteten (siehe unter Basalt pag. 48). Einmal scheint der Plagioklas derselben stets ein kalkreicher, der anorthitischen Mischung sich nähernder zu sein, dann aber ist die Struktur durch die leistenförmige Gestalt der Plagioklase eine stets mehr trachytische, also auch den jüngeren Basalten entsprechende. Auch das Verhältniss von Augit und glasiger Basis erinnert an dasselbe bei den Basalten, je reichlicher Glas vorhanden ist, um so spärlicher erscheint Augit. Olivin zeigt in den Melaphyren gewöhnlich ganz besonders schön die verschiedenen Stadien .seiner Umwandlung. Accessorisch erscheinen stets Magneteisen und Apatit, weniger Hornblende und Magnesiaglimmer.

Die Melaphyre variiren in ihrer Struktur je nach dem Verhältniss glasiger Basis und ausgeschiedener Krystalle in allen Abstufungen zwischen porphyrischer und traehytischer Entwickelung. Die typisch porphyrische Struktur ist allerdings selten, als grössere Einsprenglinge treten dann die Augite hervor.

Die Melaphyre sind ganz besonders häu6g als Mandelsteine ausgebildet. Die oft sehr zahlreichen Blasrenräume sind mit den verschiedenartigsten Mineralneu- bildungen ganz oder z. Th. wieder erfüllt. Aus den Melaphyren stammen die bekannten schönen Achatmandeln; Chalcedon, Quarz, Calcit, Delessit, Zeolithe u. a. Minerale kommen darin vor. Die Farbe der Melaphyre ist meist dunkelgrün bis schwarz, bei der Verwitterung werden sie rostfarbig. Es bildet sich dabei Eisen- oxyd, so dass manche Melaphyre geradezu in Brauneisenstein übergehen. Ihre chemische Zusammensetzung ist sehr schwankend: 48— 58SiaO, 12,8 22 A1*03, 6-23FeO, Fe20», 3,7— isCaO, MgO, 0,6-4^0, 1,2— sNa'O, 0,7— 4,8ft H*0. Spec. Gew. = 2,55 2,87.

Kommen in weiter Verbreitung besonders im Gebiete der Dyasformation, als Kuppen, Gänge, Decken und Stöcke vor.

Manche sehr glasreichen Melaphyre können als Melaphyrpechsteine be- zeichnet werden, so z. B. das z. Th. auch äusserlich pechsteinartig aussehende Gestein vom Weisseistein bei St. Wendel, welches in einer vorherrschenden braunen Glasbasis zahlreiche z. Th. grössere Plagioklasleisten und Mikrolithe und Körner von Augit und Magnetit enthält.

20. Peridotit. Unter diesem Namen versteht man Gesteine, deren wesent- licher Gemengtheil Olivin ist, sei es, dass er nur mit Magnet- oder Chromeisen assoeürt ist, oder, dass er mit einem oder mehreren Mineralen der Pyroxen- oder Augitgruppe zusammen erscheint. Hiernach lassen sich die Peridotite unter- scheiden in Olivinchromeisengesteine oder Dunite, Olivindiopsiden- statitgesteine oder Lherzolite, Olivinenstatitgesteine und endlich in Olivinaugitgesteine oder Pikrite (Palaeopikrite mit Rücksicht auf ihr geo-

') F. Teller u. C. v. John, Jahrb. d. geol. Reichsanst Wien 1882. XXXIL 589 ff.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

logisches Alter). Allen diesen Gesteinen ist gemeinschaftlich, dass sie mehr oder weniger in Serpentine umgewandelt erscheinen, die überall, wo sie vorkommen, in ihrem jetzigen Zustande nur als das Resultat von Umwandlungsvorgängen anzusehen sind, welche z. Th. die ursprünglichen Gemengtheile vollständig verwischt haben.

Nicht alle Serpentine sind freilich aus Olivingesteinen hervorgegangen, aber unzweifelhaft ist dieses doch bei der Mehrzahl der Fall. Dass aus Amphibol- gesteinen und aus augitreichen Gesteinen, wie sie unter der folgenden No. zu nennen sind, ebenfalls Serpentine entstehen können, ist unzweifelhaft nachgewiesen. In allen Fällen aber kommt dem Serpentin nicht die Stellung eines selbständigen Gesteins zu, sondern er muss naturgemäss bei allen den Gesteinen als Umwand- lungsprodukt erwähnt werden, aus denen er hervorgegangen ist.

Als Dunit beschrieb v. Hochstetter zuerst von Neuseeland ein Aggregat von überwiegendem olivengrünem Olivin mit Körnern und Oktaedern von Chrom- eisen. Aehnliche Gesteine kommen in der Serrania di Ronda in Südspanien vor, sind aber in Serpentin umgewandelt. Accessorisch pflegt Granat vorzukommen, ebenfalls gänzlich in unbestimmte chloritische Aggregate mit Hornblende umge- wandelt, so z. B. in den Vogesen am Col du Pertuis u. a. O.

Die Lherzolithe haben ihren Namen vom Weiher Lherz in den Pyrenäen; in den verschiedensten Gegenden aber, in denen dieselben Gesteine auftreten, . zeigen sie eine überaus grosse Uebereinstimmung. Olivin erscheint mit mono- klinem Augit und rhombischem Enstatit oder Hypersthen zusammen und ausser- dem fehlt fast nie der Chromspinell oder Picotit und Magnet- oder Titaneisen. Der Olivin überwiegt an Menge; der monokline Augit hat meist das Aussehen und die hellgrüne Farbe des Diopsid, pflegt einen geringen Gehalt an Chrom zu besitzen und wird deshalb auch Chromdiopsid genannt.

Auch die Olivinbomben in den Basalten so vieler Gegenden, losgerissene Bruchstücke der in der Tiefe anstehenden Gesteine, gehören grösstentheils zu den Lherzolithen. Sie sind allerdings stark eingeschmolzen und dadurch auch manch- mal erheblich verändert. Chromdiopsid und Chromspinell sind auch in ihnen recht charakteristisch. Eine grosse Zahl von Serpentinen in verschiedenen Ge- bieten sind aus Lherzolithen hervorgegangen.

Die Olivinenstatitgesteine sind nicht sehr verbreitet, einige derselben sind durch reichlichen Gehalt an Granat ausgezeichnet.

Als ein Olivindiallaggestein, ebenfalls mit reichlich accessorischem Gehalte an Granat, ist der Eulysit, der nordischen Gneissen eingelagert ist, zu bezeichnen.

In den granatführenden Serpentinen, die z. Th. aus Olivindiallaggesteinen ent- standen sind, kehrt eine eigentümliche Umrandung des Granat durch fasrige, graue oder grüne Substanz wieder, welche aus der Umwandlung ursprünglicher Augit- oder Hornblendeleistchen hervorgegangen ist, die in radialer Stellung ein Granatkorn umgaben, welches als Strukturcentrum für diese bei ihrer Bildung wirksam war. Man hat den Namen Kelyphit ftir diese Substanz gewählt, was die nussschaalenähnliche Umhüllung bezeichnet1).

Mit dem Namen Palaeopikrite belegte Gümbel die ursprünglich olivinreichen Gesteine, welche in den palaeozoischen Formationen des Fichtelgebirges auftreten und neben dem Olivin vorzüglich Augit, aber auch Enstatit, Titaneisen und Magneteisen, spärlich auch Hornblende und Biotit enthalten, meistens aber in ein Gemenge serpentinöser und chloririscher Massen umgewandelt sind.

») Schrauff, Zeitschr. f. Krystallogr. 1882. VI. 4. v. Lasaüuc, Sitiungsber. Niederrhein. Ges. 1882. pag. 114.

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Die Gesteine.

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Ausser im Fichtelgebirge finden sich dieselben in einiger Verbreitung auch in der rechtsrheinischen devonischen Formation.

Die Pikritporphyrite sind nur durch das Auftreten einer mehr oder weniger reichlichen glasigen Basis charakterisirt, mit welcher Olivin, Augit, Magnetit vereint sind und gleichen in der äusseren Erscheinung den Melaphyren, von denen sie allerdings eine plagioklasfreie Modification darstellen würden. Auch sie sind keinesweges sehr verbreitet.

21. Eklogit. Unter diesem Namen versteht man körnige oder porphyrische Aggregate von grasgrünem Smaragdit, grünem Omphacit und Granat, im wesent- lichen also eine feldspathfreie Association von Granat mit einem Minerale der Pyroxen- und einem solchen der Amphibolgruppc. Die enge geognostische Ver- knüpfung, in der diese Gesteine mit krystallinischen Schiefern, vornehmlich Gneiss erscheinen, lässt es z. Th. unentschieden, ob sie nicht selbst eigentlich zu den krystallinischen Schiefergesteinen gerechnet werden müssen. Ihre Struktur ist übrigens in der Regel eine rein massige.

Der wesentlichste Gemengtheil ist jedenfalls der sogen. Omphacit, darunter ein lichtgrüner diopsidähnlicher Augit verstanden, für den in manchen Fällen ein Chromgehalt erwiesen wurde, daher auch Chromdiopsid (pag. 40). Darin spricht sich auch die genetische Beziehung dieser Gesteine zu den Peridotiten aus.

Der Granat ist keinesweges ein wesentlicher Gemengtheil, indem es auch granatfreie Omphacitgesteine giebr. Hiernach und je nach dem Gehalte an Omphacit, Smaragdit, d. i. der grasgrünen Hornblende oder an gewöhnlicher dunkelfarbiger Hornblende kann man diese Gesteine classificiren in: 1. Granat- freie Eklogite, aus Omphacit allein oder Omphacit und Hornblende bestehend. Untergeordnet kommt auch Enstatit, Olivin und Rutil vor. 2. Granatführende oder eigentliche Eklogite, entweder hornblendefrei, die eigentlichen Omphacit- eklogite oder hornblendeführend und dann z. Th. dafür omphacitfrei: Horn- blendeeklogite. Auch in den Eklogiten ist der Granat häufig ein Struktur- centrum für ihn umgebende Fasern oder Säulchen von üiopsid oder Hornblende.

Accessorisch treten Zoisit, Cyanit und Quarz auf, seltener auch Picotit

Ausgezeichnete Eklogite der verschiedenen Art kommen im Fichtelgebirge vor, an der Saualpe in Kärnthen, an einigen Stellen von Niederösterreich, in der Sierra Guadarrama nördlich von Madrid u. a. O.

22. Quarztrachyt (Liparit). Je mehr in der Reihe der jüngeren Gesteine die eigentlich granitische holokrystalline Struktur verschwindet, um der mikro- lithisch-trachytischen Platz zu machen, um so weniger bleiben auch die scharfen Unterschiede zwischen den körnigen und porphyrischen Gesteinen in der Weise bestehen, wie es zwischen Graniten und Felsitporphyren obwaltete. Die por- phyrische Struktur wird mehr oder weniger die vorwaltende bei den jüngeren Gesteinen und erscheint auch mit denselben Variationen in der Grundmassen- ausbildung; immerhin jedoch meist in einer Weise entwickelt, dass sie doch nur als ein Mittelding zwischen körniger und porpl yrischer Struktur nach dem Vorbilde der älteren Gesteine sich darstellt.

Die Quarztrachyte oder Liparite sind die jüngeren Aequivalente der Granite, die zu ihnen gehörigen Lithoidite und Sphärolithfelse die Aequivalente der Felsit- porphyre, die jüngeren kieselsäurereichen vulkanischen Gläser die der älteren Pechsteine.

Die erste Gruppe der echt granitisch entwickelten Liparite hat jedenfalls nur vereinzelte Vertreter. Ein zwar körnig erscheinendes Gestein vom Monte Amiata

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42 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

in Toscana, aus vorwaltendem Plagioklas, kleinen Augitkrystallen und rundlichen, muschlig brechenden Körnern eines braunen Glases bestehend, muss eben dieser Glaskörner wegen doch schon als porphyrisch, nicht als echt granitisch bezeichnet werden.

Ein Gestein von der Insel Mokoia im Rotorua-See auf Neu-Seeland ist aber ein holokiystallin kömiger Liparit aus einem Gemenge vorwaltenden Sanidins, Körnern von Quarz und schwarzen Glimmertafeln bestehend.

Auch die Nevadite der westamerikanischen Gebiete sind granitisch ent- wickelte Liparite, Gemenge von Quarz und Feldspath, nur selten und unter- geordnet Biotit und Hornblende enthaltend.

Die Zahl der Liparite von porphyrischer Struktur ist dagegen recht gross.

In einer in der Regel vorwaltenden Grundmasse erscheinen als Einspreng- linge Quarz, Tridymit, Sanidin, Plagioklas, Biotit, seltener Hornblende und Augit, daneben oft Apatit und Magnetit reichlich. Der Quarz zeigt dieselben Charaktere wie in den Quarzporphyren. Flüssigkeitseinschlüsse sind sehr selten, dagegen Glaseinschlüsse häufig. Der Sanidin von glasiger, rissiger Beschaffenheit, nur seltener dem Orthoklas der Granite mit getrübtem, mattem Aussehen gleichend. Plagioklas ist immer nur spärlich vorhanden. Recht charakteristisch ist die andere krystallinische Modification der Kieselsäure, der Tridymit.

Bezüglich der Grund masse gilt dasselbe, was bei den Felsitporphyren und pag. 19 im Allgemeinen angeführt worden ist. Am seltensten ist die mikrokrystalline Entwicklung der Grundmasse. Die mikrofelsitische Grundmasse ist auch als lithoiditisch und diese Gesteine als Lithoidite bezeichnet worden. Sie hat im frischen Zustande eine porcellanartige, homsteinähnliche Beschaffenheit, zer- setzt wird sie thonsteinartig und matt und ist dann mit neugebildeter Kieselsäure in der Form von Chalcedon und Opal mannichfach durchdrungen, wie dieses auch bei den Felsitporphyren der Fall ist. Mikrofelsitische und echt glasige Parthien bilden in der Grundmasse mancher Liparite mannigfache Gemenge. Andererseits giebt es Liparite mit sehr überwiegend rein vitrophyrer Grundmasse und perlitischer Struktur in dieser.

An Sphärolithen der verschiedenen Art ist gleichfalls die Grundmasse der Liparite reich, nicht selten verbunden mit schön fluidaler Struktur der letzteren zwischen jenen. Für an solchen Sphärolithen ganz besonders reiche Gesteine von porphyrischer Ausbildung ist der Name Sphärolithfels gebräuchlich.

Die chemische Zusammensetzung der Liparite schwankt: SiO* 73 82, Al20»8 13,7, FeO, Fe*03 1,2 3,7, CaO, MgO 0,42 3,8, K*0 1,7-5,6, Na30 2,5 6,5$. Spec. Gew. = 2,44 2,63.

Die Liparite sind jungvulkanische Gesteine und treten mit Trachyten zu- sammen in der Form von Kuppen, Strömen und Gängen auf. Verbreitet u. a. besonders in den Euganäischen Bergen bei Padua, auf den Liparen, in Ungarn.

23. Trachytpechstein. Unter diesem Namen begreift man die durch einen Wassergehalt ausgezeichneten jüngeren glasigen Gesteine, welche jedoch nur selten rein glasig, sondern meist als echte Vitrophyre ausgebildet sind, d. h. also mehr oder weniger zahlreiche krystallinische Einsprenglinge in glasiger Basis enthalten. Diese sind vollkommen übereinstimmend mit denen in den Lipariten: Sanidin, Quarz, Hornblende, Augit, Magneteisen. Gasporen, mikrofelsitische Fasern, sphärolithische Gebilde von verschiedener Struktur treten gleichfalls darin auf.

Diese Pechsteine sind in ihrem Auftreten meistens mit Lipariten enge verknüpft

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Die Gesteine.

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24. Perlit. Dieser ist von den Trachytpechsteinen wesentlich durch die perlitische Struktur unterschieden (pag. 22). Dieselbe hat keinerlei Einfluss auf die Anordnung der meist /ahlreichen Einsprenglinge, ist also späterer Entstehung als die Ausscheidung dieser. Der Wassergehalt der Perlite ist in der Regel etwas geringer als der der Pechsteine. Der Kieselsäuregehalt beträgt im Mittel ca. 76$. Es erscheint demnach nur quarztraehytisches oder liparitisches Material zu der eigenthümlich perlitischen Struktur geeignet.

Recht charakteristisch sind die Perlite aus dem Hltniker Thale in Ungarn und aus den euganäischen Bergen bei Padua.

25. Obsidian. Der Obsidian ist ein kieselsäurereiches, aber wasserfreies Glas, als glasiges Erstarrungsprodukt theils liparitischen, theils traehytischen Magmas anzusehen. Darnach schwankt der Gehalt an Kieselsäure zwischen 60 und 70$. In der Regel zeigt der Obsidian dunkle, fast schwarze Farbe, in dünnen Splittern rauchgraue. Jedoch kommen auch braune, braunrothe und auf den Hoch- ebenen Quito's fast farblose, künstlichen Gläsern vollkommen gleichende Varietäten vor. Der grüne sogen. Bouteillenstein, grünem Flaschenglase gleichend und frei von mikroskopischen, krystallitischen Ausscheidungen, wie er an der Moldau in Böhmen als lose Körner im Sande vorkommt, scheint kein natürliches, sondern ein künstliches Glas zu sein. Dagegen sind die braungrauen Körner von der Marekanka bei Ochotzk und aus den Tuffen von Mont Dore les bains wirklich Obsidian. Durch ausgeschiedene Krystalle von Sanidin u. a. wird der Obsidian porphyrisch. Zahlreiche winzige Krystalliten, vorzüglich von der Form, die man Trichite und Belonite genannt hat (pag. 19) und Sphärolithe sind in allen Obsi- dianen verbreitet und oft in zierlicher Fluidalstruktur angeordnet. Neben diesen erscheinen Dampfporen und Systeme paralleler Schaaren von Rissen, die in einigen Fällen einen farbigen Schiller auf den muschligen Bruchflächen des Ob- sidians hervorrufen (Lichtbeugungserscheinung).

Blasige, schaumige Obsidiane sind Bimsteine; oft wechseln Lagen dichten Glases mit solchen bimsteinartig ausgebildeten porösen Lagen ab. Die Obsidian- gesteine erhalten dadurch oder auch durch lagenweise Anordnung fremder Ein- schlüsse eine gebänderte Struktur und sind dann auch als Eutaxite bezeichnet worden.

26. Bim stein. Ein in Folge hindurchgedrungener Gasströmungen schwammig aufgeblähtes, schaumig poröses oder zu parallelen Fäden ausgezogenes Glas. Eine vollkommene Analogie zu demselben bildet die zu vielfacher Verwendung jetzt künstlich dargestellte sogen. Schlackenwolle. Eine solche kommt auch an Vulkanen natürlich vor. Vulkanische Asche, die im Jahre 1873 von Island nach Norwegen getragen wurde, bestand grösstentheils aus feinen, zertrümmerten Glas- faden.

Auch der Bimstein ist nach seiner chemischen Zusammensetzung nicht nur auf die sauerste Mischung liparitischer Gesteine beschränkt, sondern entspricht auch quarzfreiem traehytischem Magma. Es giebt Bimsteine, die weniger als 60 g Kieselsäure enthalten, während andere bis zu 73$ steigen.

Die mikroskopischen Ausscheidungen .sind dieselben wie beim Obsidian. Porphyrisch ausgeschieden kommt Sanidin, Plagioklas und Magnetit vor.

27. Trachyte. Unter Trachyten schlechthin pflegt man jetzt nur die quarz freien sanidin- und plagioklashaltigen Gesteine zu verstehen, welche also die jüngeren Aequivalente der älteren Syenite darstellen. Ueberwiegend ist denselben eine porphyrische Ausbildung eigen, sonst pflegen sie in charakteristischer Ent«

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Mineralogie, Geologie und l'alaeontologie.

wicklung die mikrolithisch-körnige Struktur zu besitzen (pag. 20). Eine ecl t grani- tische Struktur ist überaus selten.

Ganz nach Analogie der Syenite theilt man auch die Trachyte am besten nach den mit den Fcldspathen associirten Gemengtheilen ein in: Hornblende- traehyte, Glimmertrachyte und Augittrachyte. Zwischen den einzelnen Typen erscheinen aber zahlreiche Mittelglieder. Die Minerale liegen in der Regel in porphyrischer Ausscheidung in einer Giundmasse, deren porös-rauhe Beschaffen- heit den Namen des Gesteines bedingt hat (tpa/uc = rauh). Diese poröse Be- schaffenheit der Grundmasse ist in vielen Fällen keine ursprüngliche, sondern eine secundäre, durch Herauswittern gewisser Bestandteile entstanden. Die Struktur der Grundmasse zeigt dieselben Verschiedenheiten, wie sie bei den Quarzporphyren näher erörtert wurden. Eigentliche glasige Basis ist selten in grösserer Menge vorhanden, daher auch echt vitrophyre Ausbildung der Grund- masse selten; ebenso ist mikrofelsitische Ausbildung nicht häufig. Am meisten findet sich mikrokrystalline Entwicklung der Grundmasse, ähnlich der mikro- granitischen bei den Porphyren.

Von den Gemengtheilen erscheinen Sanidin und Plagioklas fast in allen Trachyten gleichzeitig vorhanden zu sein. Auch Hornblende, Biotit und Augit kommen in der Regel zusammen vor und schliessen sich nicht aus; Hornblende und Biotit enthaltende Trachyte scheinen aber häufiger zu sein, als solche, in denen der Augit vorherrscht. Sehr verbreitet sind als accessorische Gemengtheile Apatit, Magnetit, Titanit und Tridymit zu nennen, letzteres Mineral häufig hier in ganz besonders charakteristischer Ausbildung. Olivin ist sehr selten, aber in einigen echten Trachyten doch vorhanden. In einfgen Trachyten, so denen von Ischia, der Umgebung von Neapel und des Laacher Sees erscheinen auch Hauyn, Nosean und Sodalith als Gemengtheil.

Die Farben der Gesteine sind meist lichte, gelblich oder graue und röthliche.

Die chemische Zusammensetzung ist eine ziemlich schwankende: SiO'Ö2 64, A1*03 16 19, Fe'O3, FeOs 6, CaOi,5 2,5, MgOoj-0,8, K'03,5 5,5, Na»0 4,5 5, H*Oo,5 1 fl. Spec. Gew. = 2,6 2,7.

Die Trachyte erscheinen in Gängen, Strömen und Kuppen in weiter Ver- breitung in vielen vulkanischen Gebieten : Siebengebirge und Westerwald, Sieben- bürgen, Centralfrankreich, Henry Mountains in West-Amerika u. a. O.

28. Phonolithe. Die Phonolithe sind als die jüngeren Aequivalente der älteren Eläolithsyenite Gemenge aus Sanidin, Nephelin und Leucit. Dieser letztere Gemengtheil ist allerdings in älteren, vortertiären Gesteinen bis jetzt nicht gefunden worden. Mit den genannten Mineralen assoeiiren sich dann meist Nosean und Hauyn, sowie Augit und Hornblende. Plagioklas ist nicht häufig und scheint in einigen Phonolithen ganz zu fehlen, auch Biotit tritt nur spärlich auf. Apatit, Magnetit, Titanit sind fast immer vorhanden.

Auch bei den Phonolithen ist die porphyraitige Struktur die häufigere; ein- zelne der genannten Minerale liegen in einer aus denselben Mineralen, aber in feinkörnigerem Gemenge bestehenden Grundmasse. Glasige Basis ist immer nur in geringer Menge vorhanden. Die Phonolithe sind oft recht fest, plattenförmig abgesondert und geben unter dem Hammer hellen Klang (Klingstein). Die Farbe ist meist eine graugrünliche und dabei eigenthümlich fleckig. Aus der Umwandlung des Nephelin gehen Zeolithe hervor, welche im Gesteinsgewebe selbst liegen und auch die Hohlräume desselben erfüllen. Gleichzeitig bildet sich in diesen Kalk- spath. Das Mischungsverhältniss von Sanidin und Nephelin ist ein so schwanken-

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Die Gesteine. 45

des, dass auch die früheren Sonderanalysen durchaus wechselnde Mengen des in Säuren unter Gelatiniren löslichen Gemengtheiles (Nephelin) ergaben.

Als Mittel* der Zusammensetzung können folgende Werthegelten: SiO2 59,40, A1«03i9j5, Fe*0»3,5, MnOo,2, Ca0 2,3, MgOo,7, K20 6,o, Na*0 7,0, H20 i,6#. Spec. Gew. = 2,5.

Die Phonolithe bringt man am zweckmässigsten mit Rosenbusch in 3 Gruppen: Die Nephelinphonolithe oder Phonolithe schlichthin, die Leucitphonol ithe und die, welche Nephelin und Leucit zugleich enthalten, für welche der genannte Forscher den Namen Leucitophyr in Anwendung bringt. Die erste Gruppe ist die am weitesten verbreitete; die Leucitphonoüthe sind nur im mittleren Italien in den Albaner Bergen u. a. O. bekannt. Zu den Leucitophyren gehört auch das Nosean-Melanitgestein vom Perlerkopf bei Olbrück in der vulkanischen Eifel. Ausser im Laacher See-Gebiete findet sich die dritte Art auch im Kaiserstuhl- gebirge bei Freiburg im Breisgau. Dass auch glasige Modificationen des phono- lithischen Gemenges vorkommen, zeigen die obsidianartigen Salbänder an Phonolith- gängen der canarischen Inseln. Auch Eutaxite (pag. 43) mit lagenförmigem Wechsel glasiger, mikrofelsitischer und kryptokrystalliner Ausbildung finden sich unter den canarischen Phonolithen.

29. Quarzandesit. Die Quarzandesite sind die jüngeren Analoga der Quarzdiorite. Wie diese bestehen sie aus einem Gemenge von Plagioklas, Horn- blende und Quarz, zu denen sich stets Biotit gesellt. Eine Trennung in Quarz- hornblende- und Quarzglimmerandesite, wie bei den Dioriten, erscheint hier aber nicht durchführbar, da überhaupt diese Gemengt!. eile dem Plagioklas gegenüber eine mehr untergeordnete Rolle spielen.

Der Plagioklas zeigt fast ausnahmslos die leistenförmige, mikrolithische Ge- staltung und eine dem Sanidin gleichende sogen, glasige Ausbildung. Tschermak bat denselben mit einer besonderen Bezeichnung »Mikrotin« benannt. Derselbe zeigt ausgezeichnete polysynthetische Zwillingslamellirung oft gleichzeitig nach mehreren Gesetzen. Glaseinschlüsse, Dampfporen sind häufig, seltener Mikro- lithe der assoeiirten Minerale, noch seltener Flüssigkeitseinschlüsse. Zonale An- ordnung der Einschlüsse ist mit schaaligem Bau der Krystalle verbunden. Ortho- klas (lesp. Sanidin) ist selten. Quarz in Körnern und dihexaedrischen Krystallen. Neben den vorhin aufgeführten Gemengtheilen erscheint stets auch Augit. Ver- breitet Apatit, Magnetit, Titanit. Als jüngere secundäre Bildung Chalcedon und Opal.

Die chemische Zusammensetzung der Quarzandesite ist im Mittel: SiO2 66,1, Al»0>i4,8, FeOö,3, Ca05,3, MgO 2,4, Na20, K204,7> H2Oo,Sg, Spec. Gew. = 2,6.

Die Struktur ist selten eine rein mikrolithisch-körnige, meist porphyrartig mit mikrolithisch (mikrogranitisch z. Th.) ausgebildeter Grundmasse. Auch echt porphyrische Struktur, mit mehr oder weniger glasiger Basis in der Grundmasse kommt vor.

Die Quarzandesite treten in Siebenbürgen, Ungarn, den Euganäen, im Sieben- gebirge auf. Die ungarischen Gesteine dieser Art sind auch Dacite genannt worden. Auch die quarzh altigen Propylite gehören hierher. Siehe auch Ti- mazit unter No. 30. Ein Theil der vulkanischen Gläser: Pechsteine, Perlite, mit geringerem Gehalt an Kieselsäure können wohl als glasige Modification quarz- andesitischen Magmas angesehen werden.

30. Andesit (quarzfrei). Mit diesem Namen sollen die quarzfreien jüngeren

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Aequivalente der eigentlichen Diorite bezeichnet werden, die demnach als Horn- blendeandesite und Glimmerandesite zu unterscheiden sind.

Bezüglich der Gemengtheile, Strukturverhältnisse und Verbreitung gilt von ihnen dasselbe wie von den Quarzandesiten. Ihre Zusammensetzung ist in Folge der mangelnden freien Kieselsäure eine basischere: SiO* 50,8, Al2Os 17,3, Fe»03, FeG-7,6, CaO 6,0, MgOi,3, K20 3,i, Na20 4,o, H*0 i.og. Spec Gew. = 2,7.

Zu den Andesiten gehören die sogen. Propylite. Auch der Timazit aus dem Timokthale in Ostserbien ist z. Th. ein Andesit, z. Th. ein Quarzandesit. Der sogen. Isenit aus dem Eisthale (Isena) in Nassau ist nicht ein noseanhaltiges Gestein, sondern nur ein echter Hornblende-Andesit mit wenig Olivin und reich- lichem Augit, dessen Apatit mit Nosean verwechselt worden war. JedocI. kommen hauynführende Andesite auf Canaria vor.

31. Tephrite. Unter Tephrit versteht man nach dem Vorschlage von Rosenbusch die den jüngeren Orthoklas-Nephelin-, resp. Leucitgesteinen, d. i. also Phonolithen entsprechenden Plagioklasgesteine. Wenn jene den älteren Eläolithsyeniten, würden diese den Tescheniten äquivalent sein. Schon vorher wurde hervorgehoben, dass Leucit den älteren Gesteinen gänzlich fehlt. Wie bei den Phonolithen unterscheidet man auch bei den Tephriten drei Abtheilungen, die Nephelintephrite, Leucittephrite und Leucitnephelintephrite. Die erste Art ist die verbreiteteste.

Der Plagioklas zeigt dieselbe Beschaffenheit wie in den Andesiten, neben ihm tritt nicht selten Sanidin auf. Dadurch entstehen Uebergänge zu den Phono- lithen. Der Nephelin erscheint wie in den Nephelinbasalten und ist darüber dort nachzusehen. Auch bezüglich des Leucits gilt dasselbe, was über diesen Bestandteil bei den Leucitbasalten gesagt wird. Neben diesen Gemengtheilen ist der Augit am häufigsten. Daneben Hornblende, Glimmer, Magnetit, Apatit und Hauyn, der ganz so verbreitet ist, wie in den Phonolithen.

Die körnig-mikrolithische Struktur ist die häufigere bei diesen Gesteinen, echt porphyrische Ausbildung dieser Gruppe selten. Nur in wenigen Tephriten tritt glasige Basis in reichlicherer Menge auf.

Recht charakteristische Nephelintephrite finden sich auf Canaria und Teneriffa. Auch in Böhmen scheinen dieselben ziemlich verbreitet zu sein. Auch die sogen. Buchonite aus der Rhön müssen den Nephelintephriten zugerechnet werden. Die Leucittephrite treten an der Rocca monfina in Mittel-Italien am schönsten auf, auch in der Nähe von Rom. Nephelinleucittephrite finden sich am Kaiserstuhl und in Böhmen.

An die Tephrite reihen sich auch die Nephetinite und Leucitite an, ge- wissermaassen eine Mittelstellung zwischen jenen und den entsprechenden Basalten einnehmend.

Als Nephelinit sind die nephelinreichen, meist nur spärlich Plagioklas führenden Gesteine zu bezeichnen, welche olivinfrei, neben Nephelin Augit, Leucit, Hauyn, Nosean, Magnetit und Apatit enthalten. Das Gestein von Meiches im Vogelsgebirge ist einer der typischsten Nephelinite. Unter den früher als Nephelindolerite bezeichneten Gesteinen z. B. aus Böhmen gehören manche hierhin.

Die Leucitite sind ebenso fast frei von Plagioklas und unterscheiden sich dadurch von den eigentlichen Tephriten; sie sind olivinfrei und dadurch ver-

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Die Gesteine.

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schieden von den Leucitbasalten. Neben Leucit erscheint vorwiegend Augit, Nephelin, Hauyn, selten Amphibol.

32. Quarzaugitandesit Augitandesit. Die Augitandesite sind die jüngeren Aequivalente der älteren olivinfreien Diabase; wie diese in eine quarz- fiihrende und eine quarzfreie Abtheilung zu sondern. Sie bestehen also im Wesentlichen aus einem Gemenge von Plagioklas und Augit, neben denen jedoch nicht selten Hornblende und Biotit, und in geringer Verbreitung auch Quarz vorkommt. Die Abtheilung der Quarzaugitandesite hat daher nur geringe Be- deutung, ganz so wie dieses auch für die Diabase angegeben wurde (pag. 35).

Ausser den genannten Gemengtheilen finden sich noch Sanidin, Magnetit, Apatit, selten Tridymit. Amorphe Glasbasis ist verbreiteter als bei den Horn- blendeandesiten, eine rein krystalline, mikrolithische Ausbildung der Gesteins- grundmasse s;lten; überwiegend porphyrische Struktur. Die Abwesenheit von Olivin hat als Unterscheidungsmerkmal gegen die Basalte Bedeutung, denen die Augitandesite manchmal sehr nahe kommen. Eine zonale Struktur der Plagio- klase ist den Augitandesiten mehr eigenthümlich als den Basalten.

Die chemische Zusammensetzung der quarzfreien Augitandesite entspricht im Mittel: SiO* 57,2, Al8Os 16,1, Fe O 13,0, Ca O 5,8, Mg0 2,2, K20 1,8, Na»0 3,aj}, Spec. Gew. = 2,84. Bei den quarzhaltigen Gesteinen steigt der Kieselsäuregehalt bis zu 65

In weiterer Verbreitung finden sich Augitandesite in Ungarn und Sieben- bürgen. Von den Laven des Kaukasus und der südamerikanischen Anden, der vulkanischen Puys der Auvergne gehören manche zu den echten Augitandesiten. Auch die Laven von Santorin, die z. Th. olivinfrei, z. Th. sehr arm an Olivin sind, müssen demnach als Augitandesite bezeichnet werden. Sie zeigen, dass das augitandesitische Magma einer rein glasigen Ausbildung fähig ist; neben Obsidian mit porphyrisch eingesprengtem Plagioklas kommen dort reichlich auch Bimsteine vor.

Nur ganz vereinzelt scheinen jüngere Aequivalente der älteren Gabbro's und Norite vorzukommen. Als Diallagandesit ist ein Gestein aus dem Laufen- graben, dem höchsten Punkte des Smrkouz-Gebirges in Steiermark zu bezeichnen, das aus einem Gemenge von Plagioklas und Diallag mit einer serpentinartigen zersetzten Grundmasse besteht. Ebenso erscheint in demselben Gebirge bei St Egidi ein Enstatit- oder Hypersthenandesit.

33. Basalte. Unter der Bezeichnung »Basalte verstand man ursprünglich Gesteine, als deren wesentliche Gemengtheile Plagioklas und Augit, daneben Magnetit angesehen wurden, während der Olivin zwar meist als charakteristischer, aber nicht durchweg wesentlicher Gemengtheil aufgefasst wurde. Später, be- sonders durch die mikroskopische Forschung ergab sich dann, dass unter den äusserlich durch auffallende Uebereinstimmung in Habitus, Farbe, Struktur etc. als zusammengehörig erscheinenden Gesteinen, die man zu diesen Basalten rechnete, doch zahlreich solche sich finden, denen der Plagioklas ganz fehlt: es wurden die Nephelin- und Leucitbasalte aufgefunden und als Abtheilungen der grossen Gruppe der Basalte neben den Feldspathbasalten oder eigentlichen Basalten aufgestellt.

Mit dem Namen: Dolerit wurden die grob- bis mittelkörnigen, als Ana- mesit die sehr feinkörnigen, als Basalte schlichthin die vollkommen dichten, dem blossen Auge nicht in die Gemengtheile auflösbaren Gesteine bezeichnet. Nachdem die unter No. 31 besprochenen Tephrite als die olivinfreie Ausbildung

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Mineralogie, Geologie und Palaeontnlogie.

basaltischer Mischung abgetrennt waren, blieb nun der Begriff Basalt schon in engerer Fassung zurück. Um ferner die Aequivalente der jüngeren und älteren Gesteinsgruppen scharf hervortreten zu lassen, ist es dann auch nöthig, die plagioklasfreien, nephelin- und leucitführenden Gesteine von sonst ganz basaltischem Habitus, als eine selbständige Gruppe aufzuführen.

Hiernach ergiebt sich dann eigentlich von selbst der Begriff Basalt nach der heutigen petrographischen Auffassung. Die Basalte sind die jüngeren Aequiva- lente der älteren olivinhaltigen Diabase und Melaphyre. Da man bei den jüngeren Gesteinen dieser Mischung, den Basalten, eine Trennung, wie bei den älteren nicht wohl durchzuführen vermag, so wäre es deshalb wohl auch zweckmässiger, die olivinhaltigen Diabase mit den Melaphyren zu einer einzigen Gruppe zu ver- einigen (vergl. pag. 36 u. 39) und von den etwa hiergegen sprechenden besonderen Eigenthümliclikeiten beider Arten absehend, das Hauptgewicht auf den Olivin als wesentlichen Gemengtheil zu legen.

Die wesentlichen Gemengtheile des Basaltes sind demnach: Plagioklas, Augit und Oiivin, wozu sich stets Magnetit und Apatit gesellt. Ob die Ausbildung eine doleritische, also mit deutlich sichtbaren Gemengtheilen oder eine ana- mesitische ist, stets ist die Struktur eine mikrolithisch-körnige, wie sie pag. 20 definirt wurde, nie eine eigentlich granitisch-körnige. Durch Vorhandensein einer glasigen Basis nehmen die Basalte auch wohl porphyrische Struktur an, jedoch ist dieselbe in der Regel nicht von grosser Bedeutung für den Charakter des Gesteins, weil auch die glasige Basis nur selten sehr vorwaltet. Eine Unter- scheidung der Basalte nach diesen Strukturformen erscheint jedenfalls nicht von Wichtigkeit, sowie überhaupt gegenüber den durchgreifenden Unterschieden der älteren Gesteine rücksichtlich granitischer oder porphyrischer Ausbildung bei den jüngeren von mikrolithischer Entwicklung der Gemengtheile diese Struktur- unterschiede mehr und mehr zurücktreten.

Der Plagioklas der Basalte, der chemisch in den verschiedenen Gesteinen gewiss verschiedenen Mischungsverhältnissen der Feldspathreihe entspricht (s. d.) bildet stets leistenförmigc, vielfach zwillingslamellirte und meist frische Krystalle. Er ist ärmer an Einschlüssen als die Plagioklase der Augitandesite, zeigt seltener den zonalen Bau und zonal gruppirte Interpositionen. Nie bildet er unregel- mässig begrenzte Körner, wie das Augit und Olivin thun. Der Augit ist in den echten Basalten meist der vorwiegende Gemengtheil, sowohl in gut begrenzten Krystallen als auch in Körnern, oft zonale Struktur und Zwillingsbildungen auf- weisend. Neben Augit erscheinen: Hornblende immer nur als grössere Ein- sprenglinge, Glimmer auch im eigentlichen Gesteinsgemenge, beide nicht be- sonders verbreitet.

Der Olivin erscheint in den Basalten sowohl als eigentlicher, meist zuerst auskrystallisirter Gemengtheil, als auch als fremder Einschluss, aus Olivinge- steinen verschiedener Mineralzusammensetzung herrührend. Da er auch als Gemengtheil nicht immer scharfe Krystallumrisse, sondern oft rundlich umgrenzte Formen aufweist, so ist es keineswegs leicht, beiderlei Arten von Olivin zu unterscheiden. Die Grösse der Körner giebt keinen sicheren Anhalt. Wenn auch die Einschlüsse von Olivin oft bedeutende Dimensionen annehmen, sogen. Olivinbomben, so kommen doch auch winzige Splitter und Kömchen vor, die dennoch nur von Einschlüssen herrühren. Die Olivineinschlüsse sind grössten- theils in dem basaltischen Magma wieder zum Einschmelzen oder zur Auflösung gekommen und dann mit Zonen neugebildeter Minerale umgeben, welche ganz

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Die Gesteine.

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den Gemengtheilen der Basalte entsprechen: vornehmlich Augit, Olivin, Plagio- klas und Magnetit.

Manche Basalte sind sehr reich an Olivineinschlüssen, so dass sie fast wie Breccien von Olivingesteinbruchstücken mit basaltischem Bindemittel erscheinen. Das letztere scheint dann z. Th. als Product der Wiedereinschmelzung des Olivins gelten zu müssen. Andere Basalte dagegen sind sehr arm an Olivinein- schlüssen. Inwieweit in diesen etwa eine totale Einschmelzung und Wiederauf- lösung dennoch präexistirender Olivinbruchstücke stattgefunden hat, das lässt sich noch nicht sicher entscheiden. Nur soviel ergeben die erst neuerdings ge- machten Beobachtungen über die Einschmelzung der Olivineinschlüsse in Basalten und die daraus entstandenen Neubildungen, dass die Theilnahme des Olivins an der Basaltbildung eine ganz bedeutende gewesen ist.

Unzweifelhaft steht jedenfalls die Thatsache fest, dass die Olivinbomben der Basalte nicht etwa früheste Ausscheidungen aus dem Magma, sondern im Gegen- theil Reste wieder eingeschmolzener oder aufgelöster, wirklicher Einschlüsse von älteren Olivingesteinen sind. Mit den verschiedenen Abtheilungen der Peridotite (pag. 39) lassen sich diese Einschlüsse auch mineralogisch genau identificiren.

Der Olivin ist meist leicht kenntlich, ganz besonders durch seine Um- wandlungserscheinungen zu Serpentin, seltener zu Brauneisenerz und Carbonaten. Ganz charakteristisch sind im Olivin eingeschlossene Kryställchen von Chrom- spinell (Picotit).

Als secundäre Bestandteile treten in den Hohlräumen der Basalte Carbo- nate, Zeolithe und Quarzvarietäten vornehmlich auf. Manche Basalte erhalten dadurch eine ausgesprochene Mandelsteinstructur.

Die chemische Zusammensetzung der Basalte ist eine recht schwankende, was vornehmlich auch mit dem Zustande der Verwitterung zusammenhängt. Im Mittel entspricht dieselbe: SiO2 43,0, Al-O3 14,0, Fe*08, FeO 15,3, CaO 12,1, MgO 9,1, KaO 1,3, Na20 3,9, H40 1,3g. Specifisches Gewicht 2,8 3,0.

Die Basalte sind in Gängen, Kuppen, Strömen oder Decken meist mit ausgezeichnet prismatischer oder säulenförmiger, oft auch plattenförmiger Ab- sonderung, in weiter Verbreitung in vielen Gebieten vorhanden; ganz besonders in Mittel-Deutschland, in der Umgebung von Vicenza in Nord-Italien, in Centrai- Frankreich, in Irland und Schottland und in vielen aussereuropäischen Distrikten. Von den noch thätigen Vulkanen producirt der Aetna ganz besonders echt basaltische Laven.

Aus der Zersetzung der Basalte gehen die sogen. Basaltwacken oder Wackenthone hervor: wasserhaltige Thonerdesilicate mit mehr oder weniger bedeutendem Gehalt an Eisenoxyd; erdige, fette Thone, in denen die Gemeng- theile und die secundär gebildeten Minerale des Basaltes z. Th. noch unverändert erhalten sind.

Manche Basalte enthalten einen grösseren Betrag an Phosphorsäure und aus ihrer Verwitterung entsteht dann auf den Klüften der Basalte Phosphorit.

Als Diallagbasalte können tertiäre, mit echten Basalten in innigem Ver- bände stehende Gesteine von der westschottischen Küste und den Inseln Mull und Skye bezeichnet werden, in denen der Augit eine diallagartige Ausbildung, wie in den Gabbro's annimmt.

34. Glasbasalte. Die glasige Ausbildungsform des basaltischen Magma's kommt nur untergeordnet und keinesweges in grosser Verbreitung vor, zeigt aber ganz ähnliche Strukturverhältnisse, wie die sauren vulkanischen Gläser. Die mit

KjtwooTT, Min., Geol. u. Pal. U. 4

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

den Namen Tachylyt und Hyalomelan belegten Gläser sind vornehmlich hieT zu nennen, das erstere in Säuren löslich, das andere nicht. Das deutet auf Ver- schiedenheiten der chemischen Constitution, wie sie auch bei den sauren Gläsern bekannt sind. Solche allerdings seltene Vorkommen von basischen Gläsern, in denen reichlicher krystallinische Ausscheidungen: Krystalle, Mikrolithe, Krystallite (Trichite, Globulite u. dergl.) sich finden, nennt Rosenbusch passend Basaltvitrophyre. Eine sphärolithische Ausbildung fehlt im Gegensatz zu den sauren Gläsern fast ganz (im Tachylyt von Bobenhausen) perlitische Structur zeigt der Tachylytbasalt von Marostica. Eine echt bimsteinartige Ausbildung der Basalte kennt man nur vereinzelt. Die glasige Lava vom Vulkane Kilauea auf Hawai ist oft schaumig aufgebläht und zu feinen, haarförmigen Fäden ausgezogen, die als Haar der Königin F616 bezeichnet werden und der sogen. Schlacken- wolle vollkommen gleichen. Da dieselben eine durchaus basische Zusammen- setzung haben (SiOa 51 53$) so liegt in ihnen das einzige Vorkommen basaltischen Glases vor, das bimsteinähnlich genannt werden kann. Auch ist es durch die Massenhaftigkeit des Auftretens der glasigen Laven, theils echter Hyalomelan, theils Basaltvitrophyr in ganzen Strömen, bisher ohne Gleichen1).

Der sogen. Palagonit, ein wasserhaltiges, aus losen Körnern bestehendes braunes oder braunrothes Glas in basaltischen Tuffen verschiedener Gegenden, ganz besonders aus der Gegend von Palagonia und vom Aetna in Sicilien ist ebenfalls hier zu nennen2). Bezüglich des Wassergehaltes möchte man es für eine pechsteinartige Ausbildung des basaltischen Magma's ansehen. Die Palagonit- körner in den Tuffen sind in der Regel schon stark umgewandelt und daher ist es nicht leicht, den ursprünglichen und den durch Verwitterung bedingten Wassergehalt zu trennen.

34. Nephelinbasalt. Den echten Basalten äusserlich vollkommen gleichend, besitzt der Nephelinbasalt an Stelle des Plagioklas neben dem Augit und Olivin Nephelin als wesentlichen Gemengtheil, dazu Magnetit und Apatit. Das charakte- ristische Mineral ist der Nephelin, er zeigt sechsseitige oder rechteckige Quer- schnitte, schwache Polarisationsfarben, gelatinirt mit Salzsäure und scheidet Würfel von Chlornatrium dabei aus. Oft ist er nicht in wohl begrenzten Krystallen, sondern nur in ganz unbestimmt contourirten, zwischen den übrigen Gemengtheilen liegenden Parthien vorhanden und dann seine Bestimmung nur auf chemischem Wege sicher. Plagioklas ist neben Nephelin äusserst selten, das Quantitäts- verhältniss von Augit und Nephelin sehr wechselnd. Accessorisch treten auf: Leucit, Hauyn, Hornblende, Glimmer, Melanit und Melilith. Besonders das letztere Mineral scheint in manchen Basalten an Stelle des Nephelin als wesentlicher Gemenglheil aufzutreten: man hat dieselben als Melilithbasalte bezeichnet5).

Glasführende Nephelinbasalte sind selten, in der Regel sind dieselben voll- kommen krystallin entwickelt.

Die chemische Zusammensetzung der Nephelinbasalte ist: SiO* 45,5 A1503 16,5 Fe*03, FeO, 11,2, CaO 10,6, MgO 4,3, K»0 1,9, Na'O 5,4, H'O 2,7$. Spec. Gew. 3,0.

Wenn auch die Nephelinbasalte nicht so verbreitet sind, wie die echten Plagioklasbasalte, so sind sie doch auch sehr häufig im rheinischen Vulkangebiet, im Höhgau, Schwarzwald und rauhe Alp, in Sachsen und Böhmen u. a. Gegenden.

i) Cohen, Jahrb. f. Min. 1876. pag. 744.

») Sartorius-Lasaulx, Der Aetna. II. pag. 471.

*) Stelzner, N. Jahrbuch f. Min. 1882. Beüagcband II. pag. 369.

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Die Gesteine.

35. Leucitbasalt. Die Leucitbasalte sind Gemenge von Leucit mit Nephelin, Augit, Olivin und Magnetit, bald mit, bald ohne eine glasige Basis. Plagioklas ist in ihnen äusserst selten, sonst kommen accessorisch Sanidin, Melilith, Hauyn, Glimmer, Hornblende und Melanit vor.

Der Leucit zeigt die charakteristischen symmetrisch achtseitigen oder rund- lichen Querschnitte und ist ausgezeichnet durch die regelmässige Anordnung der Interpositionen. Dieselben sind entweder Mikrolithe oder Glaspartikel und liegen in centraler Anhäufung oder den äusseren Umrissen parallelen Zonen oder end- lich auch in radialen Reihen zahlreich im Inneren der Krystalle. Im polarisirten Lichte unter gekreuzten Nicols tritt die auffallende Zwillingslamellirung in den Querschnitten hervor. Die übrigen Gemengtheile zeigen keine bemerkenswerthen Besonderheiten.

Die Leucitbasalte werden oft porphyrartig durch hervortretende grössere Krystalle von Leucit oder Augit Erstere hat man auch als Leucitophyre be- zeichnet.

Die chemische Zusammensetzung ist: SiOa 48,9, Al8Oa 19,5, Fe508, FeO 9,2, CaO 8,9, MgO 1,9, K*0 6,5, NaaO 4,4%. Spec. Gew. = 2,5 2,9.

Leucitbasalte und ebenso Nephelinbasalte sind bis jetzt unter den zahlreichen Basalten von Centrai-Frankreich und des ganzen Nordens von Europa noch nicht gefunden worden; dagegen treten sie in ziemlich grosser Verbreitung im Thüringer Wald, der Rhön, dem Erzgebirge in Böhmen auf. Auch auf Java und Sumatra und anderen Sundainseln scheinen sie nicht selten zu sein.

Die Laven des Vesuv nehmen durch ihren Gehalt an Sanidin und Plagioklas neben vorherrschendem Leucit eine Mittelstellung ein zwischen den eigentlichen und den Leucitbasalten. Ihr ganz constanter Gehalt an Olivin unterscheidet sie aber von den Leucititen, z. B. des Albaner Gebirges (pag. 46) und den Tephriten. Solche olivinhaltigen, aber sonst doch den Tephriten sich nähernden Gesteine, wie sie auch auf der Ins#l Canaria und in der Umgebung des Laacher Sees vor- kommen, wären nach Rosenbusch's Vorschlag als eine eigene Mittelgruppe zwischen Basalten und Tephriten zweckmässig durch die besondere Bezeichnung Basanite zu unterscheiden.

Der sogen. Hydrotachylyt, ein dunkelgrünbraunes Glas mit geringerem Gehalte an Kieselsäure, aber mehr Wasser als Tachylyt, vom Rossberg bei Darm- stadt, kann wohl als ein Nephelinbasaltglas gelten.

36. Magmabasalt, Limburgit. Hierunter versteht man feldspathfreie, den Basalten gleichende Gesteine, die in einer vorwaltenden glasigen Basis Krystalle von Olivin und Augit enthalten, zu denen accessorisch Apatit, Hornblende, Magnetit hinzukommen.

Die Farbe und Menge der Glasbasis ist eine sehr wechselnde; man hat dunkle Magmabasalte mit braun gefärbtem, und lichte Magmabasalte mit gelbem oder lichtgrauem Glase unterschieden. In beiden Fällen zeigt die Glasbasis mikrolithische und krystallitische Entglasung (pag. 19). Die Limburgite zeigen oft auch Mandelsteinstructur.

Ihren Namen gab ihnen Rosenbusch von dem charakteristischen Vorkommen an der Limburg im Kaiserstuhl in Baden. Sehr verbreitet sind dieselben auch in Böhmen. Das sporadische Vorkommen von Nephelin und Leucit in Magma- basalten des letzteren Gebietes macht es wahrscheinlich, dass die Limburgite nicht nur als feldspathfreie Basalte, sondern auch als nephelin- und leucit-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

freie Basalte angesehen werden können. Die glasige Basis vertritt in allen Fällen den charakteristischen Gemengtheil: die Thonerde Alkalisilicate.

Krystallinische Schiefer.

37. Gneiss. Vom Granit unterscheidet sich der Gneiss nur durch die schiefrige oder meistens flaserige, nur unvollkommen schiefrige Struktur; die wesentlichen Gemengtheile beider Gesteine sind dieselben: Feldspathe, Quarz, Glimmer, Hornblende und Augit. Wenn auch das Quantitätsverhältniss dieser Gemengtheile in den Gneissen manchmal ein etwas anderes ist, wie in den Graniten, so ist doch Mir beide stets die Anwesenheit freien Quarzes und eines oder mehrerer Glieder der Thonerde-Alkalisilicate, der Feldspathe, und anderer- seits eines oder mehrerer Glieder der Magnesia-Eisensilicate charakteristisch. Eine scharfe Unterscheidung der Gneisse, die dem Gemenge nach echten Graniten und solcher, die dem Syenit entsprechen, ist noch nicht durchzuführen. Der zurücktretende Quarzgehalt ist hierbei das wesentlichste. Auch über die Be- schaffenheit der Gemengtheile, ihre Mikrostructur und andere physikalischen Verhältnisse gilt dasselbe wie bei den Graniten. Die bei diesen als Gemeng- theile angeführten besondem Feldspatharten, der trikline Kalifeldspath oder Mi- kroklin und der aus der Verwachsung von Plagioklas in Orthoklas hervorgehende Mikroperthit nehmen sogar in manchen Gneissen eine hervorragende Stelle ein. Eigentlicher Plagioklas ist dagegen im Allgemeinen im echten Gneiss seltener als in den echten Graniten. Jedoch giebt es auch plagioklasreiche Gneisse, die dann Uebergänge zu den dioritischen krystallinischen Schiefern bilden. Becke be- schreibt solche unter anderen von Marbach im niederösterreichischen Wald viertel.

Die Gneisse gehen bezüglich der Struktur einerseits in echte Granite, mit regellos körniger Anordnung der Gemengtheile über (Granitgneiss oder Gneiss- granit), andererseits bei vollkommenerer schiefriger Structur, bedingt in der Regel durch das Vorwalten eines lamellar, tafelförmig ausgebildeten Minerals, z. B. Glimmer oder Hornblende, und bei meist gleichzeitigem Zurücktreten von Quarz oder Feldspath in andere krystallinische Schiefer.

Bezüglich der chemischen Zusammensetzung zeigen die Gneisse Schwankungen, wodurch sie einerseits mehr mit echten Graniten (Kieselsäure ca. 75 anderer- seits mit Syeniten (Kieselsäure nur ca. 65 $) übereinstimmen. Die ersteren sind quarz- und feldspathreicher, die anderen dagegen reicher an Glimmer oder Horn- blende. Nach Struktur und mineralogischen Gemengtheilen lassen sich ver- schiedene Arten der Gneisse unterscheiden.

Solche Strukturvarietäten sind:

Gewöhnlicher Gneiss, unvollkommen schiefrig durch Lamellen von Glimmer, die einzeln zwischen dem körnigen Quarz-Feldspathgemenge liegen. Wenn die Glimmerlamellen sich zu zusammenhängenden, ziemlich eben verlaufen- den Lagen zusammenfügen, ist die Schieferung am vollkommensten. Wenn die Glimmerschuppen zwar reichlich, aber mit den Feldspath- und Quarzkörnern innig gemengt sind und das Gestein dünnplattig ist, nennt man solche Gneisse auch Schuppengneiss. Wenn die körnigen Gemenge von Quarz und Feldspath lauter einzelne linsenförmige Parthien bilden, welche von den Glimmerlamellen umsäumt werden, so dass auf dem Querbruche eine wellige Anordnung sichtbar wird, entstehen Flasergneisse. Sind die Gemengtheile in der Richtung der Schieferung stenglig angeordnet, so heisst das Gestein Stengelgneis s. Ab- wechselnd glimmerreiche und glimmerarme Lagen setzen die Lagengneisse zu-

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Die Gesteine.

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sammen. Treten aus dem schiefrigen Mineralgemenge einzelne grössere, meist ellipsoidisch abgeplattete Orthoklasindividuen hervor, so nehmen die Gneisse eine porphyrartige Struktur an und heissen dann auch wohl Au gen gneisse.

In allen diesen Varietäten steht die Form der einzelnen körnigen Gemeng- theile in einer unverkennbaren Beziehung zur parallelflächig schiefrigen Struktur. Die einzelnen Mineralkömer besitzen oft eine abgeplattete, anscheinend ge- quetschte oder ausgewalzte Gestalt, welche auf stattgehabte, starke Pressungen in bestimmter Richtung im Gesteine hindeuten. Ganz besonders deutlich erscheinen dieselben z. B. bei einigen Augengneissen, wo die Feldspathaugen auseinander gepresst und durch Quarz und Glimmer wieder verkittet erscheinen. Oft sind solche Augen zu einzelnen Fasern verquetscht, ausgefranzt und zerrissen und dann durch die Mineralneubildungen mit der umgebenden Masse wieder fest verwachsen. Die Gneisse sind ganz besonders reich an verschiedenen accesso- rischen Gemengtheilen, die olt so vorherrschend werden, dass sie den ganzen Charakter des Gesteines ändern.

Die gewöhnlichen nach den Gemengtheilen zu unterscheidenden Gneiss- varietäten sind die folgenden:

Zweiglimmeriger Gneiss enthält neben dem dunklen Biotit stets auch hellen Muscovit in bedeutenderer Menge. Jedoch tritt der letztere dann nur in einzel- nen, kleinen Schuppen auf. Der Feldspath ist oft zum grossen Theil Mikroperthit.

Muscovitgneisse enthalten nur oder in überwiegender Menge den heller gefärbten Muscovit, Bioti tgneisse den dunkler gefärbten Biotit, untergeordnet oft den einen Glimmer neben dem anderen. Die Biotitgneisse sind im Allge- meinen die verbreiteteren.

Als Syenitgneiss oder Hornblendegneiss werden diejenigen bezeichnet, in denen der Glimmer grösstentheils oder ganz durch Hornblende verdrängt ist. Zuweilen sind dieselben auch besonders plagioklasreich und bilden dann die schon erwähnten Uebergänge zu den Dioritschiefern. Jedoch kommen auch solche Gneisse vor, die mehr Plagioklas als Orthoklas, dabei aber doch nur reichlich Biotit enthalten. In diesen Plagioklasgneissen tritt accessorisch zuweilen ziemlich viel Turmalin auf.

Sehr viele Gneisse sind durch die reiche Gegenwart eines faserigen Minerals der Sillimanitgruppe : Sillimanit oder Fibrolith, ausgezeichnet, welches oft lagen- weise die Schichtflächen bekleidet, oft regellos durch das Innere des Quarzfeld- spathgemenges sich hindurchzieht und recht charakteristische büschelförmige Aggregate bildet. In diesen Fibrolithgneissen ist Granat ein verbreitetes accessorisches Mineral.

Durch einen oft ziemlich bedeutenden Gehalt an einem lichtgrünen Augit sind die Augitgneisse charakterisirt. Neben Augit erscheint in der Regel auch Biotit und Hornblende. Plagioklasreichere Varietäten dieser Augitgneisse bilden Uebergänge zu den Diabasschiefern. Diese Augitgneisse enthalten oft einen ziem- lich hohen Betrag von kohlensaurer Kalkerde, der die Gesteine imprägnirt. Damit in Verbindung steht auch das Vorkommen von kalkreichen Silicaten, dem Augit selbst und dem Skapolith, wie es Becke von Augitgneissen des niederösterreichi- schen Waldviertels beschreibt.

Im Cordieritgneiss erscheint an Stelle des dunklen Glimmers blauer Cordie- rit, in den Eisenglimmergneissen ist statt des Glimmers schuppiger Eisenglanz vorhanden. Graphitgneisse enthalten anstatt des Glimmers blättrigen Graphit.

Im Protogingneiss, der in den Alpen in grosser Verbreitung auftritt, ist

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

neben dunkelgrünem Glimmer ein hellgrünes, talkartiges Glimmermineral vor- handen; in den Chloritgneissen tritt Chlorit an die Stelle des Glimmers und geht auch wohl grösstentheils unmittelbar aus jenem hervor.

Von verbreiteten accessorischen Gemengtheilen sind ausser den schon ange- führten noch zu nennen: Epidot, Zirkon, Rutil, Apatit, Magnetit, Pyrit. Die beiden letztgenannten Erze treten häufig als Imprägnation, als dichte, zonenweise Anhäufung von Erzpartikelchen auf, man bezeichnet diese Vorkommen als Fall- bänder. Sie können parallel oder quer zur Gesteinsschieferung gerichtet sein.

Die Gneisse sind in vielen Fällen deutlich geschichtete Gesteine und auch den Schichten anderer krystallinischer Schiefer parallel eingeschaltet. Die Schichtung geht im Allgemeinen der Schieferung parallel, jedoch ist auch quer zu jener ver- laufende, falsche oder transversale Schieferung beobachtet worden. Einzelne Gneisse aber scheinen dennoch als Eruptivgesteine aufgefasst werden zu müssen. Man kann daher auch geologisch zweierlei Arten von Gneiss unterscheiden, die alten primitiven oder Urgneisse, die in den mächtigen Schichtencomplexen der sogen, laurentischen Gneissformation auftreten und die jüngeren Gneisse, welche hier und da über versteinerungsführenden Schichten, z. B. der devonischen For- mation gelagert sind oder als Eruptivgneisse erscheinen, die jüngere Formationen durchbrochen haben.

38. Granulit. Unter diesem Namen fassen wir alle schiefrigen Gesteine zusammen, die bei einer den Gneissen im Allgemeinen entsprechenden Zusammen- setzung aus Quarz, Orthoklas, Plagioklas, wenig Glimmer oder Hornblende, eine kleinkörnige bis dichte Struktur besitzen. Sie können demnach füglich als deut- lich schiefrig entwickelte Mikrogranite bezeichnet werden und bilden somit Uebergänge zu den porphyrisch entwickelten Gneissen.

Der Orthoklas zeigt in diesen Gesteinen ganz besonders häufig die Struktur und Verwachsung des Mikroperthits. Derselbe macht in der Regel mehr als die Hälfte der Gesteinsmasse aus. Der Quarz tritt gegen ihn zurück. Biotit fehlt oft vollständig, ist in anderen Granuliten aber reichlich vorhanden. Als ganz besonders charakteristisch muss das Auftreten des Granates in den Granuliten bezeichnet werden, der in einzelnen Krystallen oder Körnern von Hirsekorn- bis Hanfkorngrösse im dichten Feldspathquarzgemenge steckt. Auch kleine Bündel von Fibrolith fehlen in den Granuliten nicht. Neben diesen erscheint schön blau gefärbter Cyanit und in weiter Verbreitung braunrother Rutil.

Die chemische Zusammensetzung der Granulite entspricht so ziemlich der der Granite oder kieselsäurereicheren Gneisse. Als Mittel kann ungefähr gelten: SiO» 74,5, Ala03 10,7, FeO, Fe2Os 5,6, CaO 2,2, K80 4,0, Na'O 2,5$. Spec. Gew. = 2,6.

Neben ausgezeichneter Schieferung zeigt der Granulit auch deutliche Schichtung und erscheint als conform eingelagertes Glied in den Schichten- complexen der Gneisse und krystallinischen Schiefer.

39. Hälleflinta. Ein dichtes, felsitisch aussehendes Gestein, das unter dem Mikroskope auch manche charakteristische Erscheinung der Grundmasse der echten Porphyre zeigt, meist aber aus einem mikrograni tischen oder krypto- krystallinischen Gemenge innig mit einander verflösster Feldspath- und Quarz- körnchen besteht, dem feine Glimmer- oder Chloritschüppchen beigemengt sind. In abwechselnden Lagen zeigt das Gestein verschiedene (braunroth; grau, grün, gelb) Farbentöne und daher eine bandartige Streifung auf dem Querbruche. Als Cornubianit hat man einen dichten Gneiss mit undeutlicher Schieferung

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Die Gesteine.

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bezeichnet, der ebenfalls durch abwechselnd verschiedene Lagen gebändelt erscheint. Von der Hälleflinta ist er nicht wesentlich verschieden, beide sind nichts anderes als ein felsitartig oder mikrogranitisch gewordener Gneiss. Der Cornubianit erscheint meist an der Grenze des Gneiss gegen den Granit; die Hälleflinta bildet Uebergänge in den laurentischen Gneiss Skandinaviens und wechsellagert mit demselben.

40. Orthoklasporphyroide. Diese stehen zu den Gneissen in einer ganz analogen Beziehung wie die Quarzorthoklasporphyre zu den Graniten. In einer dichten, felsitähnlichen Grundmasse, die durch parallel angeordnete Blättchen von Glimmer eine schiefrige oder fasrige Struktur erhält, liegen als porphyrisch hervortretende Einsprenglinge Körner oder Krystalle von Quarz und Orthoklas. Durch Zurücktreten der Glimmerblättchen gehen die schiefrigen Gesteine in solche von dem massigen Aussehen wirklicher Quarzporphyre über, andererseits durch Verschwinden der Einsprenglinge bei einem mehr gleichmässigen Kome des Mineralgemenges in Gneisse oder Granitgneisse. Die ausgeschiedenen Quarz- und Feldspathindividuen besitzen ganz die Beschaffenheit dieser Minerale in den Gneissen oder Graniten.

Die sogen. Augengneisse gehören z. Th. auch hierher. Die darin liegenden Feldspathaugen sind grösstenteils Karlsbader Zwillinge. Auch die als Mikroklin bezeichneten Feldspathe sowie Mikroperthit kommen in ziemlicher Verbreitung vor.

Echte Orthoklasporphyroide bilden im Ostharze und auf der Halbinsel Michi- gan untergeordnete Glieder der älteren sedimentären Schichtenreihe.

41. Dioritschiefer. Amphibolit. Als Dioritschiefer im Allgemeinen sind solche Gesteine zu bezeichnen, die bei einer körnig-schiefrigen oder streifigen Struktur wesentlich aus dunkler Hornblende und aus Plagioklas zusammengesetzt sind. Sie erscheinen demnach als die schiefrigen Aequivalente der Diorite und enthalten wie diese mehr oder weniger Quarz. Wenn die Hornblende vorwaltet, dagegen der Plagioklas zurücktritt, gehen die eigentlichen Hornblendeschiefer oder Amphibolite daraus hervor.

Auch bei den Dioritschiefern schwankt die Struktur zwischen mehr gleich- raässig kömigen und einer lagenweise etwas verschiedenen, daher streifigen Aus- bildung. Als accessorische Gemengtheile treten in ihnen auf Orthoklas, Granat, Titanit, Apatit und Titaneisen, seltener auch Magnetkies.

Tritt neben der Hornblende auch Biotit in grösserer Menge in den Gesteinen auf, so bilden sie Uebergänge in plagioklasreichen Biotitgneiss. Solche Gesteine besitzen in der Regel auch eine mehr körnig -flasrige, granit -gneissähnliche Struktur.

Für die eigentlichen hornblendereichen Amphibolite ist ganz besonders das überaus reichliche Auftreten des Granat charakteristisch: Granatamphibolite. Dabei erscheint auch Quarz etwas häufiger. In diesen Gesteinen tritt besonders die eigentümliche an die meist rundlichen Granatkörner anknüpfende Struktur auf, deren schon bei den granatfuhrenden Olivingesteinen in den Eklogiten (pag. 40) Erwähnung geschah. Die Granatkörner fungiren als Strukturcentra so- wohl für Amphibol als auch für das Quarzfeldspathgemenge, welche demnach jene in radial struirten oder pegmatitisch verwachsenen Zonen umsäumen. Andere Amphibolite enthalten neben Hornblende auch ein augitisches Mineral, das der Varietät Salit nach seiner lichtgrünen Beschaffenheit zu entsprechen scheint: Salitamphibolit. In anderen Fällen zeigt der Augit die diallagartige Beschaffen- heit: Diallagamphibolit. Auch Zoisit bildet einen Gemengtheil gewisser Am-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

phibolite, wie sie z. B. im niederösterreichischen Waldviertel von Becke be- schrieben worden sind.

Dioritschieier sind fast in allen Gebieten der krystallinischen Schichtenreihe vorhanden und wechsellagem in denselben mit Gneissen und Glimmerschiefern, so z. B. in dem Gneissgebirge der hohen Eule in Schlesien, in Nieder-Oesterreich, im Fichtelgebirge u. a. Gegenden.

42. Diabasschiefer. Die schiefrigen Aequivalente der massigen Diabase, des Mineralgemenges Plagioklas-Augit, sind weniger häufig als die Dioritschiefer. Sie zeigen in der Regel eine feinkörnige bis dichte Struktur, dabei aber ziemlich vollkommene Schieferung. Augitführende Plagioklasgneisse (pag. 53) bilden Ueber- gänge der Diabasschiefer zu den echten Gneissen. Die Diabasschiefer pflegen stark mit kohlensaurer Kalkerde imprägnirt zu sein, die vornehmlich aus der Zer- setzung der kalkerdehaltigen Silicate des Augites hervorgegangen ist. Damit steht auch die secundäre Neubildung von Epidot in diesen Gesteinen in Verbindung.

Auch von den durch das Auftreten von Diallag oder eines rhombischen Pyroxen charakterisirten Gabbro's und Norken finden sich schiefrige Aequivalente in den Gabbroschiefern und schiefrigen Noriten in Sachsen, Norwegen u. a. Gebieten.

Diese Gesteine bilden dann ebenfalls eingelagerte Glieder der krystallinischen Schieferschichten.

43. Trappgranulite. Entsprechend den eigentlichen Granuliten erscheinen als die mikrogranitischen Aequivalente der schiefrig ausgebildeten Gesteine des Diorit- oder Diabasgemenges, gewisse den Granuliten in der Struktur vollkommen gleichende Gesteine, die aber bei einer bedeutend basischeren Zusammensetzung, (jene 74,5g SiO2, diese 52,3g), statt der Alkalien grössere Mengen von Kalkerde und Magnesia enthalten, reich sind an Magneteisenerz und aus einem feinkörnigen Gemenge von Plagioklas und Quarz, Hornblende, Augit oder Glimmer mit mehr oder weniger reichlichem Granat bestellen, welches Gemenge eine lagenförmige Anordnung besitzt. Deutlicher tritt die Schieferung mit der Verwitterung der Gesteine hervor.

Solche Trappgranulite erscheinen in Sachsen in vielfach wiederholter Wechsel- lagerung mit den sauren, normalen Granuliten. Auch unter den dichten sogen. Felsiten Schottlands finden sich grün gefärbte Gesteine, die diesen Trappgranu- liten vollkommen gleichen.

44. Aphanitschiefer. Diese äusserlich homogen, hornsteinartig und felsit- ähnlich erscheinenden Gesteine entsprechen der als Hälleflint bezeichneten felsitartigen Ausbildung der Gneisse, bei einer mineralogischen und chemischen Zusammensetzung, die den Dioriten und Diabasen entspricht. Sie besitzen meist eine grüne Farbe, erscheinen wie die Hälleflinta gebändert, graue und grüne Lagen wechseln ab, und führen als charakteristischen Gemengtheil neben Quarz und Plagioklas fasrige Hornblende oder Augit; wie es scheint in den bisher unter- suchten, hierhin gehörigen Gesteinen meist beide Minerale zugleich. Daneben pflegen sie auch Titanit zu enthalten. Ihnen gleichen die am Contact mit Dio- riten und Diabasen auftretenden grünen Hornsteinschiefer (cornes vertes), die im Harz und in der cambrischen Formation des Maconnais in Frankreich, auch in derselben Formation in Irland und in Asturien vorkommen und z. Th. als schiefrig gewordene Diabase z. Th. als metamorphosirte sedimentäre Schiefer anzusehen sind.

45. Plagioklasporphyroide. Als porphyrische Aequivalente der Diorit-

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Die Gesteine.

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und Diabasschiefer können die Gesteine gelten, welche bei einer combinirt schiefrig-porphyrischen Struktur in einer feinkörnigen bis dichten, felsitähnlichen Grundmasse ausgeschiedene grössere Krystalle von Plagioklas und Quarz führen. Der Plagioklas, schöne Krystalle mit scharfer Zwillingsbildung zeigend, ist als solcher an der meist deutlich sichtbaren Zwillingsstreifung zu erkennen; er be- sitzt in einigen Fällen die Zusammensetzung des Albites, so i. B. in den Por- phyroiden von Mairus in den Ardennen. Die eigentliche Grundmasse, gelblich, grünlich oder grauschwarz gefärbt, ist in der Regel reich an einem Glimmer- mineral, entweder einem Chlorit oder dem sogen. Sericit (SericitporphyToide im Harz und Taunus).

In manchen Fällen gleichen diese Porphyroide in Handstücken vollkommen den massigen Porphyriten, erst in grösseren Stücken oder an den anstehenden Felsen tritt die schiefrige Struktur sichtbar hervor. Sie ist in manchen Fällen ge- wiss erst an eigentlich massigen Gesteinen durch mechanische Pressung entstanden.

46. Glimmerschiefer. Der Glimmerschiefer ist ein schiefriges Aggregat von Quarz und Glimmer, bei gänzlichem Zurücktreten des Feldspathes. Derselbe fehlt nie ganz, namentlich nicht in den dunklen, aus Quarz und Biotit bestehenden Glimmerschiefern; die Muscovitglimmerschicfer enthalten oft nur ganz geringe Spuren von Feldspath. Die einen hellfarbigen Kaliglimmer ent- haltenden Glimmerschiefer sind die verbreiteteren. Das Quantitätsverhältniss von Quarz und Glimmer ist ein durchaus wechselndes, einerseits giebt es Gesteine dieser Gruppe, die fast nur aus Glimmer, andere, die fast nur aus Quarz be- stehen (Quarzitschiefer). Oft wechseln die Minerale lagenweise ab, meist steckt der Quarz vom Glimmer umhüllt in der Gestalt ellipsoidischer Körner im Gestein und wird dann erst auf dem Querbruche sichtbar.

Die Farben hängen von der Farbe des Glimmers und der Menge desselben ab. Nach dem grösseren oder geringeren Gehalte an Quarz schwankt die Zu- sammensetzung, besonders der Gehalt an Kieselsäure von 40 80

Als ein charakteristischer, fast nie fehlender Gemengtheil der Glimmerschiefer ist der Granat zu bezeichnen. Meist mit dem Glimmer verwachsen sind Erze: Eisenglanz, Magnetit und Titaneisen häufig. Turmalin, Staurolith, Cyanit, Fibro- lith, Epidot, Chlorit, Talk, Graphit, Pyrit, Apatit, Zirkon, Rutil sind ausserdem als accessorisch, mehr öder weniger reichlich auftretende Gemengtheile zu nennen. Treten dieselben oder besondere Glimmervarietäten besonders reichlich auf, so erhalten dann diese Schiefer darnach eigene Benennung. Solche Varietäten der Glimmerschiefergruppe sind z. B.:

Paragonitglimmerschiefer. Der Glimmer ist ein Natronglimmer (Para- gonit) von hellgelber oder weisser silberglänzender Farbe; die schönen Staurolith- und Cyanitreichen Gesteine auf der Südseite des St. Gotthard gehören hierhin.

Serici tglimmerschiefer. Lagen von hornsteinartigem Quarz wechseln mit solchen eines Gemenges von Sericit, Perlgümmer und Chlorit ab.

Amphilogitschiefer, ein talkreicher, feinschuppiger Glimmerschiefer des Zillerthales mit nur 40$ Kieselsäure.

Kalkglimmerschiefer mit Lagen oder linsenförmigen Parthien von körnigem Kalkspath.

Quarzitschiefer: wenige dünne Glimmerlagen trennen vorwaltende Quarz- lagen. Ist das Glimmermineral Talk, so entstehen Uebergänge zu den Talk- schiefern.

Itacolumit ist ein aus Quarz und hellgelbem Glimmer bestehendes Gestein,

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

das in Folge der Anordnung der Glimmerlamellen eine gewisse Biegsamkeit be- sitzt (Gelenkquarz).

Die Glimmerschiefer sind deutlich geschichtet und wechsellagern mit anderen krystallinischen Schiefern, mit Thonschiefern, Kalksteinen u. a.

47. Phyllite. Thonglimmerschiefer. Diese sind ausgezeichnet dünn- plattige, schiefrige Gesteine von feinkörniger oder dichter Struktur, meist dunklen Farben und einem durch die Glimmerlamellen bedingten seidenartigen Glanz auf den Schieferungsfugen. Sie können als äusserst feinkörnige, dichte Glimmer- schiefer bezeichnet werden. Die mineralogische und chemische Zusammensetzung ist eine recht schwankende.

Unter dem Mikroskope sind zahlreiche Kryställchen wahrzunehmen, die z. Th. auch schon makroskopisch sichtbar werden. Ueberhaupt bestehen die Phyllite aus zweierlei Arten von Bestandtheilen, aus klastischen und krystal- linischen, aus allogenen und authogenen Elementen (pag 15). Das regelmässige Auftreten gewisser Minerale charakterisirt besonders einige Thonglimmerschiefer, die als umgewandelte gewöhnliche Thonschiefer in der Umgebung und im Contact mit Eruptivgesteinen aufzutreten pflegen. Hierher gehören die Fleck-, Knoten-, Frucht- und Garbenschiefer, in denen eigenthümlich gestaltete Concretionen zahlreich inneliegen; die Chiastolith-, Andalusit-, Staurolith-, Ottrelit-, Chloritoidschiefer 11. a. Die Sericitschiefer sind dichte oder sehr feinkörnige Sericitglimmerschiefer.

48. Thonschiefer. Die Thonschiefer sind ausgezeichnet schiefrige, ver- schieden, aber meist dunkel gefärbte Gesteine, die ebenfalls neben dem sehr feinkörnigen Trümmermaterial auch deutliche krystalline Elemente in der Gestalt zahlloser winziger Nädelchen enthalten, deren Zugehörigkeit zum Rutil festgestellt werden konnte. Die fast allgemeine Verbreitung der Titansäure findet darin einen neuen Beleg. Schuppen von Glimmer und Eisenglanz, grössere Quarzkörner und Calcit, zahlreiche organische Reste, Pyrit und in Schnüren und Adern vorzüglich Quarz und Kalkspath sind in allen Thonschiefern verbreitet. Thonschiefer treten besonders in den älteren sedimentären Formationen im Silur und Devon in mächtiger Entwicklung auf. Dach-, Tafel-, Griffel-, Wetz-, Zeichnen- schiefer sind blosse Strukturvarietäten.

An kohliger Substanz reiche dunkle Schiefer sind die sogen. Alaun schiefer. Sie enthalten meist ziemlich viel Pyrit und daher gehen aus ihrer Zersetzung Eisenvitriol und Alaun hervor.

Als Schieferthon bezeichnet man die noch nicht vollständig erhärteten, daher z. Th. noch lehmig oder thonig beschaffenen Gesteine, welche die voll- kommene Schieferung der Thonschiefer besitzen. Auch in diesen finden sich die vorher erwähnten winzigen krystallinen Elemente. Thonschiefer und Schiefer- thone sind durch ganz allmähliche Uebergänge verbunden.

49. Sandsteine. Die Sandsteine sind Aggregate von vorwiegend Quarz- körnern, die durch ein mehr oder weniger festes Bindemittel cämentirt sind. Das Bindemittel ist selbst entweder ein vorherrschend aus krystallinischer oder amorpher Kieselsäure bestehendes, oder es ist ein kalkiges oder thoniges, letzteres meist aus sehr fein zermalmtem Gesteinstrümmermaterial gebildet. So- wohl in dem Bindemittel als auch zwischen den einzelnen Körnern, erscheint besonders häufig licht gefärbter Glimmer, der stets als ein neugebildetes Product in diesen Gesteinen charakterisirt ist. Auch die sogen. Griinerde oder der Glaukonit tritt in den Sandsteinen als Bindemittel auf und ist aus der Zersetzung der vor- handenen Mineraltrümmer hervorgegangen. Als ursprüngliche klastische Bestand-

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Die Gesteine.

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theile gesellen sich zuweilen zum Quarz reichlich Feldspathbruchstticke. Solche Sandsteine werden Arkosen genannt.

Man unterscheidet zahlreiche Varietäten von Sandsteinen in den ver- schiedenen Formationen, theils nach diesen, nach den durch bestimmte Ver- steinerungen charakterisirten Abtheilungen, theils nach der besonders hervor- tretenden mineralogischen Beschaffenheit benannt. Alle Sandsteine sind deutlich geschichtete Gesteine; die quaderförmige Absonderung der Schichtenbänke be- dingt die charakteristischen ruinen- und festungsartigen Felsformen, die oft zu seltsamen Felsenlabyrinthen sich gestalten. So z. B. die bekannten »Adersbacher Felsen c an der Grenze von Schlesien und Böhmen.

Wenn die abgerundeten Körner der Sandsteine eine gewisse Grösse erlangen, gehen daraus die Conglomerate hervor, die nach der petrographischen Be- schaffenheit der in ihnen verkitteten Trümmer und Rollstücke sehr verschiedene Beschaffenheit annehmen können.

Monogene Conglomerate nennt man solche, deren Bruchstücke nur von einem Gesteine herstammen, polygene solche, in denen Trümmer verschieden- artiger Gesteine gemengt vorkommen.

Ganz besonders charakteristische Conglomerate sind die sogen. Pudding- steine. Rundliche Feuersteinrollstücke erscheinen durch ein sehr festes quarziges Bindemittel verkittet

Die Nagel flu h der Schweiz ist ein polygenes Conglomerat von Sandsteinen, Quarziten, krystallinischen Silicatgesteinen, welche durch ein kalkig-thoniges Binde- mittel verbunden sind. Die rundlichen Geschiebe ragen wie Nagelköpfe an den Felswänden aus dem Gesteine hervor, daher sein Name.

Breccien sind wie schon früher (pag. 16) bemerkt, von Conglomeraten nur durch die scharfkantige, eckige Form der verkitteten (Gesteinsfragmente unter- schieden. Knochenbreccien sind in der Regel mit einem lockeren, kalkig- thonigen Bindemittel einigermaassen wieder verfestigte Agglomerate von ver- schiedenartigen Knochen und Schalen von Wirbelthieren und Conchylien. Eine solche Knochenbreccie ist auch das sogen. Bonebed.

50. Tuffe. Tuffe sind Agglomerate grösserer oder kleinerer vulkanischer Auswürflinge oder Aschen, die später durch ein neugebildetes Bindemittel mehr oder weniger verfestigt und in ihrer Beschaffenheit mannigfaltig umgewandelt worden sind. Sie bilden entweder durch lediglich subaerische Ablagerung, indem sie vom Vulkane ausgeschleudert, aus der Luft in weitem Umkreise niederfallen, oder durch wirkliche Sedimentirung, indem sie unter Wasserbedeckung hervorbrechend, im Wasser niedersinken, stets deutlich geschichtete, oft sehr mächtige Gesteinsbänke.

Das Material der Auswürflinge entspricht seiner mineralogischen Zusammen- setzung nach den festen Gesteinen, den Laven, die demselben vulkanischen Herde entstammen. So sind die meisten älteren und jüngeren Eruptivgesteine von Tuffen begleitet, die aus Trümmermaterial bestehen, das mit jenen Gesteinen im Grossen und Ganzen petrographtsch identisch ist. Hiernach pflegt man denn auch die Tuffe zu bezeichnen als: Porphyrtuffe, Diabas-, Trachyt-, Pho- nolith-, Basalttuffe u. a. Die sogen. Felsitic oder Greenstone ashes der Engländer sind ebenfalls solche Tuffe, jene den Quarzporphyrtuffen, diese den Schaalsteinen entsprechend. Unter diesem Namen versteht man die in Nassau auftretenden zum Diabas gehörigen Tuffe, die conglomerat- oder breccien- artig, oft auch feinkörnig dicht entwickelt, in der Regel stark mit Kalkcarbonat ünprägnirt sind, das aus der Zersetzung ihrer Gemengtheile entstand.

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Mineralogie, Gelogie und •Palaeontologic.

Von besonderen Arten solcher Tuffe sind noch zu nennen:

Palagonittuff (pag. 50), ein Gemenge von Gesteins- und Schlack enbruch- stücken mit zahlreichen, fast wie ein Bindemittel erscheinenden Parthien eines rothbraunen, wasserhaltigen Glases, in dem zahlreiche Mikrolithe von Plagioklas und Olivin ausgeschieden sind. Die braune Glasmasse zeigt auffallende Um- wandlungserscheinungen, die z. Th. auf die direkte Einwirkung des Wassers bei der Kruption zurückzuführen, denn diese Tuffe sind submariner Entstehung, z. Th. aber auch erst die Folge secundärer Umwandlungsprocesse sind. Die braune colophoniumähnliche Masse des vulkanischen Glases in diesen Tuffen ist oft der überwiegende Bestandteil. Es erhielt seinen Namen Palagonit von Palagonia im Val di Noto in Sicilien. Aehnliche Tuffe finden sich in Nassau, in Island und anderen Gegenden. Sie pflegen immer von basaltischer Beschaffenheit zu sein.

Bimsteint u ff e und Bimsteinbreccien kommen im Gebiete der rheinischen Vulkane ganz besonders im Rheinthale bei Neuwied in grosser Ausdehnung und Mächtigkeit vor. Sie bestehen aus abwechselnden Schichten von lockerer oder mehr verfestigter Beschaffenheit (letztere die sogen. Britzbänder), und sind Agglo- merate von Bimstein und andern vulkanischen Gesteinsbrocken, von Schiefer- scherben, losen Krystallen von Augit, Glimmer u. A.

Sehr feinkörnige Tuffe derselben mineralogischen Zusammensetzung sind auch die sogen. Trasse oder Ducksteine desselben Gebietes. Während ein Theil derselben als lediglich subaerische Bildung anzusehen ist, sind andere von ihrer ersten Lagerstätte durch erneuerten Transport durch Wasserfluthen fort geführt, zerrieben und an anderen Stellen zusammengeschwemmt worden (z. B. im Brohlthale). In einer besonderen Art dieser Tuffe finden sich weisse verwitterte Leucite. Diese sogen. Leucittuffe stehen in Beziehung zu den Phonolithen jenes Gebietes, Leucittuffe sind auch in Mittel-Italien verbreitet. Alaunstein ist ein durch Einwirkung von Schwefelsäure mit Alunit (s. d.) imprägnirter Trachyt oder Bimsteintuff, der im Mont Dore in Frankreich, bei Tokai in Ungarn, zu La Tolfa in Toskana vorkommt.

Sind unter den einen Tuff zusammensetzenden vulkanischen Auswürflingen zahlreiche lose Krystalle z. B. Augit, Hornblende, Glimmer u. a., die oft in un- geheurer Menge von dem Vulkane ausgeworfen werden, so erhält der Tuff ein krystallinisches, porphyrartiges Aussehen. Das ist z. B. der Fall bei dem sogen. Peperino des Albaner Gebirges bei Rom, in dessen feinkörnigem Gemenge Krystalle von Augit, Glimmer, Lcucit, Magneteisen wie ausgeschieden inne liegen, neben diesen Krystallen aber auch zahlreiche, verschiedenartige eckige Gesteins- trümmer.

Die Bindemittel, welche die Verfestigung der Tufle bewirken, sind von ver- schiedener mineralogischer Beschaffenheit, aber fast ohne Ausnahme aus der Verwitterung des Trümmermateriales der Tuffe selbst entstanden. Man kennt Tuffe mit kieseligem, thonigem, kalkigem, aragonitischem, oder zeolithischem Bindemittel.

Lose vulkanische Auswürflinge, Blöcke, sogen, vulkanische Bomben, Lapilli, Puzzolani, vulkanische Aschen oder Sande sind dasselbe Material, das in den Tuffen in einem später verfestigten Zustand erscheint. Diese losen Schuttmassen um die Vulkane erläutern daher auch die Bildung und Verbreitung der Tuffe.

Als Reibungsbreccien werden vulkanische Trümmergesteine anderer Art bezeichnet. Bei diesen ist das Bindemittel ein Eruptivgestein oder eine Lava, welche eckige Bruchstücke benachbarter, älterer Gesteine verkittet, die das

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Hie Gesteine.

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empordringende Eruptivgestein von diesen letzteren durch gewaltsame Zer- trümmerung losgerissen hat. Nach der Beschaffenheit des als Bindemittel auf- tretenden Gesteines werden sie bezeichnet z. B. Basaltbreccie, Porphyrbreccie u. a.

51. Thone. Aus der Zersetzung von Silicatgesteinen gehen verschieden- artige Producte hervor, die im Wesentlichen als wasserhaltige Silicate der Thon- erde, gemengt mit andern Silicaten, mit Carbonaten und mit Quarz zu bezeichnen sind. Die reinste Varietät dieser Thone ist der Kaolin, meist von fast ganz weisser Farbe, oft durch geringe Mengen von Eisenoxyd gelb oder braun gefärbt; eine erdige, zerreibliche Masse, die unter dem Mikroskope eine Zusammensetzung aus verschiedenartigen, auch krystallinischen Partikeln erkennen lässt Der Kaolin ist das wichtigste Material für die Porzellanfabrikation. Er geht aus der Zersetzung der orthoklashaltigen, granitischen Gesteine hervor, die oft in situ mit Beibe- haltung ihrer Struktur in Kaolin sich umwandeln.

Thone sind nur weniger reine Kaoline, meist durch Eisenoxyde braun oder roth, durch Eisenoxydulsilicate grün, durch Pyrit oder kohlige Substanzen grau oder schwarz gefärbt. Lehm ist durch Quarzsand, neugebildeten Glimmer und Eisenoxyd verunreinigter Thon. Nach ihrer Verwendung oder ihrem Gehalte an besonders wichtigen Mineralen oder ihrer genetischen Beziehung zu gewissen Gesteinen werden verschiedene Thone unterschieden: Töpferthon, Walkerdc, Salzthon, Alaunthon, Basaltwacke (pag. 49), Septarienthon u. a.

Löss (Bd. I. pag. 77) ist ein weit verbreiteter ganz besonders durch einen Kalk- gehalt ausgezeichneter Thon, welcher zahlreiche Mergelconcretionen, die sogen. Lösskindel und charakteristische Landschnecken, Säugethierreste u. dergl. enthält.

52. Sand, Kies, Gerolle, Geschiebe sind lose Anhäufungen von Gesteins- bruchstücken von verschiedener Grösse, die von ihrer ursprünglichen Lagerstätte fortgeführt und an anderem Orte niedergelegt worden sind. Wasser oder Eis haben diesen Transport bewirkt. Auch der Wind vermag Sandanhäufungen hervorzurufen (Bd. I. pag. 77). Da unter allen Gemengtheilen der Gesteine der Quarz eines der widerstandsfähigsten und härtesten ist, so ist es ganz natürlich, dass er in diesen Gesteinen, die die Trümmer älterer Gesteine sind, eine ganz vorherrschende Rolle spielt. Neben ihm erscheinen fast immer nur untergeordnet mannigfache Mineralbestandtheile : Glimmersand, Magnet- oder Titaneisensand, Arkosesand (mit Feldspath), Glaukonitsand u. a.

Durch Verfestigung vermittelst eines Bindemittels werden aus losen Sanden Sandsteine, aus Gerölleanhäufungen Conglomerate und Breccien.

IV. Entstehung der Gesteine.

Nach ihrer Bildung lassen sich die Gesteine natürlich nur soweit in bestimmte Gruppen bringen, als ihre Entstehung überhaupt feststeht. Da dieses für eine sehr wichtige Gruppe, die der granitischen Gesteine und krystallinischen Schiefer noch keinesweges der Fall ist, so kann für diese nur hervorgehoben werden, dass bei der so vollkommenen Uebereinstimmung ihrer mineralogischen Bestandtheile es kaum anders denkbar ist, als dass auch die Processe ihrer Entstehung viel Gemeinsames haben. In dem Artikel > Metamorphismus« wird insbesondere auf die Vorgänge der Umbildung echter Sedimente in krystallinische Schiefer eines Näheren einzugehen sein. Es wird auf diesen Artikel verwiesen.

So viel aber scheint Air die ganze Gruppe der granitischen Gesteine und ihre porphyrischen und glasigen Modificationen doch schon als feststehend gelten zu können, dass sie im Wesentlichen als Erstarrungsproducte schmelzflüssiger

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Magmen anzusehen sind, in denen allerdings im Vergleiche mit den heutigen Laven das Wasser eine viel bedeutendere, im Einzelnen noch keinesweges ganz aufgeklärte Rolle gespielt hat. Die Uebereinstimmung in der mineralogischen Constitution zwischen den krystallinisch-massigen Gesteinen des Granittypus und den krystallinischen Schiefergesteinen lässt ferner vermuthen, dass die Processe der Bildung beider Arten von Gesteinen eine grosse Analogie besessen haben müssen. Wenn sie demnach auch als hydatopyrogene oder vielleicht noch besser als hydatothermogene bezeichnet werden können, so müssen doch be- züglich der einzelnen Bedingungen und Vorgänge diese Gesteine einstweilen noch als kryptogene gelten.

Die übrigen Gesteine lassen sich nach ihrer Entstehung in folgende Gruppen bringen :

I. Pyrogene Gesteine.

a) Aus Magmen erstarrt, die den heutigen schmelzflüssigen Laven gleichen, und wie diese auf Spalten und Schloten an die Oberfläche der Erde traten und sich dort stromförmig ergossen. Die Modifikationen der Erstarrung bedingen die verschiedenen Arten der Ausbildung, körnig, porphyrisch, glasig; mit der Er- starrung verbundene Gasentwicklung, die mehr oder weniger blasige, schaumige Struktur.

Von den Gesteinen älterer, vortertiärer Entstehung gehören hierher: Die Quarzporphyre, Pechsteine, Diorite, Diabase, Melaphyr, Gabbros, Norite, Olivin- gesteine, von Gesteinen jüngerer, tertiärer und posttertiärer Entstehung: Die Andesite, Tephrite, Basalte, Nephelin- und Leucitgesteine, die Trachyte, Phono- lithe und die Pikrite.

b) Aus vulkanischen Auswurfsmassen von magmatischer Erstarrung gebildete Agglomerate: Tuffe, Conglomerate, Breccien der verschiedenen obigen Gesteine.

II. Hydatogene Gesteine. Gebildet durch chemische Ausscheidung aus wässrigen Lösungen oder chemische Umwandlung durch solche. (S. Art. : Chem. Processe in d. Geologie. I. pag. 127.)

a) Halogene Gesteine. Präcipitirte Salze in Wasserbecken.

1. Leicht lösliche Salze: Steinsalz und die begleitenden Salze: Carnallit, Kalisalze etc.

2. Weniger leicht lösliche Salze: Gyps, Anhydrit, Kalkstein, Spatheisenstein, Dolomit.

Bei den meisten Kalksteinen hat die Beihülfe der Organismen (s. u.) die Kalkausscheidung eingeleitet; gleichzeitig und nachher erfolgte aber auch eine chemische Ausscheidung deutlich krystalliner Elemente oder auch eine moleculare Umlagerung zu krystalliner Ausbildung in solchen Kalksteinen, die ursprünglich nur von Organismen gebildet wurden.

3. Schwer lösliche Minerale: Kieselsäure, vorzüglich als Bindemittel in den deuterogenen Gesteinen.

b) Hydatometamorphe Gesteine. Gebildet durch Umwandlung anderer Gesteine unter dem Einflüsse von Lösungen: Dolomite aus Kalksteinen hervor- gegangen, Kaoline u. a. Thone aus Silicatgesteinen , Serpentin aus Magnesia- silicate enthaltenden krystallinischen Gesteinen, Brauneisensteine aus Spatheisen- steinen u. a.

c) Concretionäre Bildungen durch Abscheidung aus Quellen und Wasser- becken, die mit solchen in Verbindung stehen:

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Die Gesteine.

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1. Incrustationen: Kalksinter, Travertin, Kieselsinter, Raseneisenstein u. a.

2. Concretionen; Accessorische Bestandmassen in verschiedenen Gesteinen: Gyps-, Pyrit-, Baryt-, Mergelknollen u. a.

3. Oolithe. Sphärische Concretionen aus aufwallenden Mineralquellen: Carlsbader Sprudel- oder Erbsensteine, Rogensteine und Oolithe.

4. Secretionen. Gangförmige Ausscheidungen von Mineralen: Quarz, Kalkspath, Baryt u. a.; Erzgänge z. Th.; Ausfüllung präexisttrender Hohlräume, z. B. der Blasenräume in den Gesteinen mit neugebildeten Mineralen: Mandelsteine.

III. Deuterogene Gesteine. Gebildet durch den doppelten Process einer mechanischen Sedimen- tirung klastischer Elemente und der chemischen Abscheidung krystalliner Elemente oder eines Bindemittels aus der Lösung.

1. Schlammförmige Sedimente: getrocknet, verfestigt und durch Pressung geschiefert oder nicht: Mergel, Schieferthon, Thonschiefer.

2. Sandförmig körnige Sedimente: Sandsteine und Grauwacken.

3. Grobe Sedimente: Conglomerate, Puddingsteine, Breccien.

IV. Reine Sedimente. Lose Haufwerke von Sand, Kies, Gerollen ohne ein verfestigendes Bindemittel; subaerische Sedimente: Löss und Dünen oder Wüstensande.

V. Organogene Gesteine. Ausschliesslich oder vorzüglich durch Thätigkeit von Organismen oder Ab- sterben derselben gebildete Gesteine.

1. Zoogene Gesteine. Kalksteine verschiedener Art, Korallenkalke, Nummulitenkalke, Fusulinenkalke, Litorinellenkalke u. a. Viele Kalksteine sind nur Conglomerate organischer Reste z. B. von Muschelschaalen mit einem durch krystallinische Ausscheidung entstandenen Bindemittel. Auch durch Anhäufung der Knochen von Wirbelthieren entstehen Gesteine, z. B. die sogen. Bonebed- Breccien.

2. Mikrontogene Gesteine. Gebildet durch die Anhäufung mikrosko- pischer Organismen: Diatomeen z. B. Tripel oder Kieseiguhr, Polirschiefer, Feuersteine in der Kreide, die Kreide selbst, manche Sumpfeisenerze.

3. Phytogene Gesteine. Torf, Braunkohlen, Steinkohlen, Anthracite, Erdöle.

Literatur: Blaas, Dr. J., Katechismus der Petrographie. Leipzig 1882. Credner, H., Elemente der Geologie. 4. Aufl. Leipzig 1880. II. Abschnitt: Petrographie. Doklter, C, Bestimmung der petrographisch wichtigeren Mineralien durch das Mikroskop. Wien 1876. Fouque, F. u. A. Michei. Lew, Mineralogie Micrographique, Roches eruptives francaises. Paris 1879. Lang, H. O., Grundriss der Gesteinskunde. Leipzig 1877. Lasaulx, A. von, Elemente der Petrographie. Bonn 1875. Rosenbusch, H-, Mikroskop. Physiographie der petrographisch wichtigen Mineralien. Stuttgart 1873. Derselbe, Mikroskop. Pbysiographie der massigen Gesteine. Stuttgart 1877. Roth, J., Zusammenstellungen der Gesteins- Analysen unter dem Titel : Beiträge zur Petro- graphie der plutonischen Gesteine. 3 Folgen. 1861—68. Berl. Akad. Rutley, France, The Stndy of Rocks. London 1879. Zireel, F., Lehrbuch der Petrographie. 2 Bde. Bonn 1866. Derselbe, Mikroskop. Beschaffenheit der Mineralien und Gesteine. Leipzig 1873.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Gewicht, specifisches, der Minerale

von

Prof. Dr. Kenngott

Das speeifische Gewicht, auch eigenthümliches Gewicht oder Volumgewicht der Körper, auch als Schwere oder Dichte derselben be- zeichnet, dem Begriffe nach als bekannt vorauszusetzen, ist für die Mineralogie von grosser Wichtigkeit, insoiern, wie schon im Artikel »Arten der Minerale« bemerkt wurde, das speeifische Gewicht der Minerale für die Bestimmung der Arten (Species) ein unbedingtes Erforderniss ist. Als physikalische Eigenschaft der Minerale steht dasselbe auch mit der chemischen Constitution derselben und selbst mit der Krystallisation in engem Zusammenhange und lasst sich, wie in der Physik gelehrt wird, durch verschiedene Apparate, wie durch die hydrostatische Wage, durch das NiCHOLsoN'sche Aräometer und andere Vorrichtungen mehr sehr genau bestimmen. Da man jedoch durch die genauen Wägungen einzelner Mineralproben einer und derselben Mineralart gefunden hat, dass die erhaltenen Zahlen nicht ganz genau übereinstimmen, so hat man sich überzeugen müssen, dass das speeifische Gewicht der Species nicht durch eine Zahl auszudrücken ist, sondern dass vielfache Gewichtsbestimmungen nothwendig sind, um die Grenzwerthe des speeifischen Gewichtes einer Species zu erhalten, wodurch dann dasselbe zu einer charakteristischen Eigenschaft der Arten oder Species wird.

In der Regel ergeben die genauen Wägungen bei Mineralarten, welche sehr häufig und in verschiedenen Varietäten vorkommen, Unterschiede im speeifischen Gewicht, auch wenn die Gewichtsbestimmungen nach allen Regeln für die Wägung vorgenommen werden. Deshalb giebt man die Grenzwerthe an, welche aus den Wägungen der Varietäten hervorgingen, welche jedoch nicht weit auseinander liegen und gewöhnlich liegt das speeifische Gewicht der reinsten Varietäten, das wahre eigenthümliche Gewicht der Art, in der Mitte. So wird z. B. für den Quarz, die hexagonal krystallisirende Kieselsäure Si02 das speeifische Gewicht = 2,5 2,8 angegeben, während für den reinsten Quarz, den sogen. Bergkrystall, das spec. Gew. = 2,65 gefunden wurde. Aus solchen Angaben für das speeifische Gewicht einer Art folgt aber nicht, dass es keine Varietät der Species Quarz geben könne, deren specifisches Gewicht die angegebenen Grenzwerthe über- schritte, weil die Ursachen des eventuellen Schwankens, das Ueberschreiten der Grenzwerthe sehr verschieden sein können und wohl bei keiner Art vorauszusetzen ist, dass die speeifischen Gewichte aller Varietäten wirklich bestimmt worden sind.

Als Regeln für die Wägung werden z. B. in der elften Auflage der Elemente der Mineralogie von Carl Friedrich Naumann, bearbeitet von Ferdinand Zirkel, Leipzig 1881, pag. 132, nachfolgende angegeben:

1. Das zu wägende Stück muss vollkommen rein, und frei von beigemengten fremdartigen Substanzen sein;

2. dasselbe muss frei von Höhlungen und Porositäten sein; diess ist besonders dann zu beachten, wenn man eine zusammengesetzte Varietät zu wägen hat;

3. dasselbe muss vor der Abwägung im Wasser sorgfältig benetzt und gleich- sam mit Wasser eingerieben oder auch im Wasser gekocht werden, um die der Oberfläche adhärirende Luft zu vertreiben;

4. saugt das Mineral Wasser ein, so muss man dasselbe sich völlig damit sättigen lassen, bevor man es im Wasser wägt.

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Gewicht, speeifisches, der Minerale.

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Bezüglich der ersten Bedingung ist zu bemerken, dass man sich durch das Auge, nöthigenfalles durch eine Loupe davon überzeugen muss, dass die zu wägende Probe homogen sei, keine sichtlich unterscheidbaren und trennbaren fremden Mineraltheile enthalte. Es werden daher am besten kleine Krystalle oder kleine Stückchen verwendet, welche man durch Zerkleinerung grösserer Stücke erhält und wobei man gleichzeitig bei der Zerkleinerung von der Homogeneität der Masse sich überzeugen kann. Solche Beimengungen dagegen, welche die Färbung einer Mineralvarietät bedingen und wegen ihrer Kleinheit nicht trennbar sind, sind kein Hinderniss der Gewichtsbestimmung. So z. B. wird der durch Eisen- oxyd roth gefärbte Quarz eben so genau gewogen werden müssen, wie der farb- lose, und die genaue Wägung wird nur den Beweis liefern, dass das beigemengte Eisenoxyd das speeifische Gewicht der durch dasselbe gefärbten Varietät etwas höher ergeben muss, als bei dem farblosen Quarze. Andererseits wird ein durch Kohlenstoff schwarz gefärbter Quarz, wie der sogen. Kieselschiefer, das speeifische Gewicht etwas niedriger ergeben als bei dem farblosen Quarze. Hieraus ersieht man, dass die Gewichtsunterschiede vom mittleren speeifischen Gewichte der Mineralart ihre Begründung finden und dass man in Rücksicht auf derartige Beimengungen die Grenzwerthe für die Art anzugeben hat, welche verschiedene Varietäten enthält.

Was die bei der zweiten Bedingung angegebenen Höhlungen und Porositäten betrifft, welche besonders dann zu oeachten sind, wenn man eine zusammenge- setzte Varietät zu wägen hat, so ist auf solche deshalb Rücksicht zu nehmen, weil sie entweder hohl oder mit Gas oder Flüssigkeit erfüllt sein können. Da man jedoch solche Höhlungen oder Porositäten nicht entfernen kann, so ist es dann zweckmässig, die Mineralprobe möglichst fein zu pulverisiren und das speei- fische Gewicht des Pulvers zu bestimmen.

Bezüglich der dritten Bedingung für eine genaue Wägung kann man sich leicht davon überzeugen, dass Luft an der Probe beim Eintauchen in das Wasser adhärirt, indem sich kleine Bläschen an dieselbe ansetzen. Dieselben sieht man bisweilen kaum, wenn der Bruch des Bruchstückchens uneben ist, zumal man die in das Wasser gebrachte Probe nicht von allen Seiten genau betrachten kann. Man muss daher die im Wasser abzuwägende Probe, gleichviel, ob man sie an einem Haare hängend oder in einem Fläschchen im Wasser wägen will, mit einem Pinsel oder mit einer feinen Bürste allseitig mit Wasser benetzen, und wenn man das Mineral in Pulverform anwendet, das Pulver durch Auskochen von der adhärirenden Luft befreien.

Ausserdem ist es zweckmässig, die Wägungen nach Umständen zu verviel- fachen, an mehreren Proben derselben Mineralvarietät das speeifische Gewicht zu bestimmen, weil dadurch die Sicherheit der gewonnenen Zahlen erhöht wird. Jedenfalls ist es für die wissenschaftliche Bestimmung der Mineralarten und ihre Varietäten wichtig, zahlreiche Resultate zu besitzen, durch sie die Grenzwerthe und das Gewicht der reinsten Varietäten bei der Vergleichung beurtheilen zu können.

Wenn es sich um ganz genaue Bestimmungen handelt, ist auch die Tempe- ratur des Wassers zu berücksichtigen, wofür man 40 C. als diejenige des destil- lirten Wassers gewählt halt, bei welcher das Wasser die grösste Dichtigkeit be- sitzt. Bei weniger genauen Wägungen geht man von der gewöhnlichen mittleren Temperatur aus, i5°C. oder giebt am besten die Temperatur des Wassers an, um das Resultat auf 40 C. umrechnen zu können.

Ksnngott, Min Ceol. u. PaL II. 5

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Minerale, welche im Wasser löslich sind, wiegt man in einer anderen Flüssig- keit, in welcher sie nicht löslich sind und deren spec. Gew. vorher bestimmt wurde, wie z. B. in Alkohol oder Terpentinöl und rechnet dann dasselbe auf Wasser um. Tropfbarflüssige Minerale werden auch mit dem destillirten Wasser, Gase mit der atmosphärischen Luft als Einheit verglichen, können aber auch aut das Wasser bezogen werden.

In früheren Zeiten legte man keinen so grossen Werth auf möglichst genaue Bestimmungen, weil man die Wichtigkeit der Beziehungen des specifischen Gewichtes zu den anderen Eigenschaften nicht kannte, welche sogar auf die Systematik der Minerale einflussreich geworden ist, auch auf die Charakteristik der Abtheilungen in Systemen anwendbar ist. Auch in technischer Beziehung ist es wichtig, die spec. Gew. der bezüglichen Minerale und ihrer Varietäten benützen zu können, wie z. B. bei der Beurtheilung der Edelsteine, weshalb schon der Araber Abul-Rihan im 1 1. Jahrhundert das Eigen- gewicht der Edelsteine und Metalle auffallend genau bestimmte. Daher sind auch Tabellen der spec. Gew. der Minerale von Nutzen, wie die von M. Websky, die Mineralspecies nach dem für das spec. Gew. derselben angenommenen und gefunde- nen Werthen geordnet. Ein Hilfsbuch zur bestimmenden Mineralogie. Breslau 186S.

Aus solchen Tabellen ersieht man, sowie aus den Angaben über das specifische Gewicht überhaupt bei der Beschreibung von Mineralen, dass jede Wägung mit möglichster Genauigkeit vorzunehmen ist, dass aber die einzelnen Mineralspecies kein unveränderliches spec. Gew. haben, sondern dass dasselbe bei verschiedenen Varietäten einer Species innerhalb gewisser, durch die bekannt gewordenen Wägungen bekannten Grenzen schwankt. Die Ursachen dieser Schwankungen sind aber durch gewisse Umstände der Ausbildung der Varietäten bedingt und es haben darauf besonders die Pigmente verschieden ge- färbter Varietäten, sowie diejenigen Wechsel in der Zusammensetzung Einrluss, welche durch die stellvertretenden Bestandteile hervorgerufen werden. Da aber auch diese nur bis auf einen gewissen Grad innerhalb der wesentlichen chemischen Constitution, für welche die chemische Formel der Ausdruck ist, zu den Bestandtheilen der bezüglichen Art gerechnet werden können, so kann auch das durch sie bedingte wechselnde spec. Gew. der Art nur bis zu gewissen Extremen auf- und absteigen. Es dient daher jederzeit die genaue Bestimmung des spec. Gew. zur Controle und muss bei Ueberschreitung der bekannten Grenzwerthe zu anderweitiger Untersuchung der fraglichen Minerale Veranlassung geben.

Glänze

von

Professor Dr. Kenngott.

Im Eingange des Artikels »Blenden« (I. pag. 81) wurde bemerkt, dass bei der Häufigkeit des Vorkommens von Schwefelverbindungen gegenüber den noch viel häufigeren Sauerstorfverbindungen die Blenden als eine besondere Gruppe von Schwefelverbindungen mit Metallen von anderen getrennt wurden, insofern sie sich wesentlich als solche von unmetallischem und halbmetallischem Aussehen unterscheiden. Weit häufiger sind die Verbindungen des Schwefels mit Metallen, welche metallisches Aussehen haben und es wurden bei diesen schon in älterer Zeit zwei Gruppen unterschieden, wie die Namen Bleiglanz, Silberglanz, Kupfer-

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Glan«.

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glänz u. a. gegenüber den Namen Eisenkies, Nickelkies, Kobaltkies u. a. zeigen, ohne dass man anfangs an eine bestimmte Begründung der Verwandtschaft dachte. Erst später wurden diese zwei Gruppen in Systemen eingeführt, die Glänze und die Kiese, und man fügte, gestützt auf gewisse Übereinstimmende Eigenschaften und verwandte Zusammensetzung diesen beiden Gruppen noch andere Verbin- dungen bei, welche in analoger Weise wie die des Schwefels mit gewissen Me- tallen vorkommen, wonach zu den Glänzen noch Verbindungen des Selen und Tellur, zu den Kiesen noch solche des Antimon und Arsen gerechnet wurden, welche Stoffe auch gleichzeitig neben dem Schwefel in Schwefelverbindungen ge- funden werden, wie bei den Blenden, wenn auch selten, der Sauerstoff neben Schwefel.

Da es sich bei der Zusammenstellung der Minerale in grössere Gruppen hier wesentlich darum handelte, in irgend welcher Beziehung verwandte Minerale zusammenzustellen, so erschien in dieser Weise die Trennung der Schwefelver- bindungen mit metallischem Aussehen in Glänze und Kiese mit Beifügung noch anderer analoger Verbindungen geeignet, obigem Zwecke zu entsprechen.

Wie bei den Blenden eine Species, der Sphalerit, die Zinkblende, die auch selbst ausschliesslich Blende genannt wurde, den Ausgangspunkt der Gruppirung bildete, so ist auch bei den Glänzen eine Species, der Galenit oder der Blei- glanz, welcher selbst ausschliesslich der Glanz genannt wurde, der Ausgangspunkt der Gruppe der Glänze, welche auch auf den Galenit hinweisend Galenit e oder Galenoide genannt werden. Da aber kaum bei einer systematischen An- ordnung der Minerale, selbst wenn sie eine rein chemische ist, alle Ordnungen bestimmt zu begrenzen sind, so ist hier um so weniger die Gruppe der Glänze mit Bestimmtheit zu charakterisiren, im Allgemeinen aber lässt sich von den Glänzen sagen, dass sie wesentlich Schwefel Verbindungen mit gewissen Metallen sind, namentlich mit Silber, Kupfer, Blei, Wismuth und Antimon, denen sich sogen. Sulfosalze anreihen, in denen vorwaltend Ag3S, Cu2S und PbS Ver- bindungen mit Schwefelarsen, Schwefelantimon und Schwefelwismuth bilden. An diese schliessen sich Verbindungen des Selen oder des Tellur mit ge wissen Metallen. Alle diese Minerale haben metallisches Aussehen und sind der grossen Mehrzahl nach grau bis schwarz oder andererseits bis weiss und haben als milde, geschmeidige, selten wenig spröde Minerale eine geringe Härte bis etwa 3,5 hinauf. Bis jetzt sind gegen 80 Species bekannt geworden, von denen hier die wichtigeren beschrieben, andere nur kurz erwähnt werden.

1. Der Argentit, auch Silberglanz genannt Ag,S. Dieses wegen seines hohen Gehaltes an Silber (argentum daher der Name Argentit und Silberglanz), sehr geschätzte Mineral krystallisirt tesseral; die gewöhnlichste Gestalt der Krystalle ist das Hexaeder für sich oder in Combination mit dem Oktaeder. Dazu kommt auch das Rhombendodekaeder und das Deltoidikositetraeder 202, selten andere; auch finden sich Zwillinge nach O. Die Krystalle sind meist un- regelmässig ausgebildet, verzerrt und verzogen, aufgewachsen, bilden oft reihen- förmige, trepp enförmige u. a. Gruppen, zähnige, drahtförmige u. a. Gestalten. Auch bildet er Platten bis dünne Ueberzüge oder rindet sich derb bis eingesprengt, bisweilen pseudomorph nach Silber und Pyrargyrit. Von Spaltungsflächen sind nur Spuren bemerkbar, der Bruch ist uneben bis hakig.

Der Argentit ist schwärzlich bleigrau, metallisch glänzend, undurchsichtig, oft schwarz oder braun angelaufen, im Striche unverändert und glänzend, sehr milde bis geschmeidig und lässt sich mit dem Messer leicht schneiden, hat die Härte

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

= 2,0 2,5 und das spec. Gew. 7,0 7,4. Als Ag2S enthält er 87$ Silber und i3lr Schwefel. V. d. L. ist er auf Kohle unter Anschwellen schweflige Säure entwickelnd leicht schmelzbar und giebt ein Silberkorn; in concentrirter Salpeter- säure ist er auflöslich, Schwefel abscheidend.

Er ist nächst dem Silber das wichtigste Mineral zur Gewinnung des Silbers und findet sich besonders auf Gängen in älteren und jüngeren krystallinischen Silicatgesteinen, wie Gneiss, Granit, Glimmer-, Amphibolsehiefer, Phyllit, Felsit- porphyr, Trachyt u. a. Als Fundorte sind beispielsweise anzuführen: Freiberg, Marienberg, Annaberg, Schneeberg und Jol anngeorgenst „dt in Sachsen, Joachims- thal in Böhmen, Schemnitz und Kremnitz in Ungarn, Kongsbcrg in Norwegen, Beresowsk in Sibirien, Guanoxuato und Zacatecas in Mexiko, Catemo unweit San Felipe de Ac.oncagna und San Pedro Nolasco in f. 'title und Pasco in Peru.

Interessant ist der Dimorphismus des Halbschwefelsilbers Ag2S, indem das- selbe noch eine zweite Species, den Akanthit bildet, welcher orthorhombisch krystallisirt und besonders spitzpyramidale bis dornförmige (daher der Name von dem griechischen vakantha -<> l.)orn) Krystallc zeigt, im Aussehen dem Argeutit gleicht und zu Joachimsthal in Böhmen, Freiberg und Annaberg in Sachsen und bei Wolfach in Baden gefunden wurde.

An diese beiden Species schliessen sich an der tesserale Jalpait von Jalpa in Mexiko und von der Grube Buena F.speranza bei 'Pres Puntes in Chile und der orthorhombische Stromeyerit, isomorph mit Akanthit, vom Schlangenberge in Sibirien, von Rudolstadt in Schlesien, von S. Pedro und Catemo in Chile, von Arizona in der Provinz Catamarca in Argentinien und aus Peru, welche beiden Species bei schwärzlich bleigrauer Farbe wesentlich aus Agj,S und CusS bestehen.

2. Oer Chalkosin (von dem griechischen Worte ^ehalkos^ Kupfer) oder Kupferglanz. Derselbe krystallisirt orthorhombisch, isomorph mit Akanthit. Die Krystalle desselben sind gewöhnlich tafelartig bis kurzprismatisch von hexa- gonalem Habitus, auch pyramidal. Die einfachsten tafelartigen Krystalle zeigen die Combination der vorherrschenden Basisflächen mit dem Prisma o©P und den Längsflächen, welche die scharfen Prismenkanten gerade abstumpfen, mit ihnen Winkel von 120 12' 50" bildend, während die stumpfen Prismenkanten »19° 35' messen, weshalb diese Combination im Aussehen hexagonalen Tafeln gleicht. Dazu treten auch, die Combinationskanten von oP mit 00 P schräg abstumpfend die Flächen einer stumpfen orthorhombischen Pyramide \ P, welche gegen die Basisflächen unter 1470 50', geneigt sind und die Flächen des l.ängsdoma '-JP^, welche die Combinationskanten zwischen den Basis- und l.ängsliächen schräg abstumpfen und gegen die Basisflächen unter '•17" 6' geneigt sind, so dass es das Aussehen hat, als wäre eine hexagonale Tafel combinirt mit einer hexagonalen Pyramide gleicher Stellung mit dem Prisma. Auch finden sich die Basisflächen combinirt mit IP und JPoo, erinnernd an die Combination einer stumpfen hexagonalen Pyramide mit den Basisflächen. Ausser- dem finden sich auch noch andere Gestalten in den Combinationen und oft Zwillinge, auch Drillinge nach 00 V, seltener andere. Ausser krystallisirt findet sich der Chalkosis derb und eingesprengt, bildet Platten, Ueberzüge, Knollen oder wuistlörmige Gestalten, auch Pseudomorphosen nach Chalkopyrit und Galenit selbst Versteinerungen, wie von Pflanzenresten des Cupressites Ullmarni.

Kr i>t unvollkommen spaltbar parallel dem Prisma 00 P, hat muschligen bis unebenen Bruch, ist schwärzlich blcigrau, metallisch glänzend, undurchsichtig, oft

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Glänze.

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angelaufen, wodurch der Glanz an den Krystallen weniger hervortritt, ist im Striche gleichfarbig, glänzend, ist sehr milde, hat Härte = 2,5 3,0 und das spec. Gew. = 5,5 5,8. Nach der Formel Cu2S zusammengesetzt enthält er 79,8°- Kupfer und 20,2$ Schwefel. Vor dem I.öthrohre erhitzt färbt er die Flamme bläulich, schmilzt in der Oxydationsflamme auf Kohle leicht unter starkem Spritzen, er- starrt in der Reductionsflamme und giebt mit Soda geschmolzen ein Kupferkorn. In erwärmter Salpetersäure ist er löslich, Schwefel abscheidend.

Das zur Gewinnung des Kupfers benützte Mineral findet sich ziemlich häufig auf Gängen und Lagern in Granit, Gneiss, Glimmerschiefer, Thon- und Grau- wackeschiefer, Kupferschiefer, buntem Sandstein, Kalkstein u. a. m. Unter den zahlreichen Fundorten sind Bristol in Connecticut, Redruth in Cornwall (daher auch Redruthit genannt), Kupferberg und Rudolstadt in Schlesien, Mannsfeld in der Provinz Sachsen, Saalfeld in Thüringen, Dognaczka und Szaska im Banat, Kapnik in Siebenbürgen, Schwatz in Tyrol, Freiberg in Sachsen, Siegen in Westphalen, Frankenberg in Hessen (hier früher die sogenannten Frankenberger Kornähren im Zechstein, kleine Zapfen und Zweige von Cupressites Ullmanni) Kongsberg in Norwegen und der Ural anzuführen.

Bei dem Isomorphismus des Cu.,S mit Ag2S in Verbindungen und als Chalkosin mit Akanthit kann man noch eine tesscrale Species analog dem Argentit erwarten, zumal man durch Zusammenschmelzen des Kupfers mit Schwefel tesserale Kry^talle, Oktaeder von Cu2S erhalten hat und der oben erwähnte tesserale Jalpait auch auf die Möglichkeit einer tesseralen Species hinweist.

Bemerkenswerth ist auch das Zusammen vorkommen des Cu2S mit PbS, wie die beiden seltenen Species, der tesserale Cuproplumbit Cu2S -+- '.»PbS aus Chile und der Alisonit 3Cu2S-MM>S von Mina grande in der Nähe von Coquimbo in Chile zeigen.

3. Der Galenit (der Name gebildet aus dem lateinischen Namen desselben, gaknä) oder Bleiglanz, auch schlichthin der Glanz genannt, wie schon Georg Agricola (1420 1555) dieses Mineral unter diesem Namen aufführte. Dieses für die Gewinnung des Blei ausserordentlich wichtige, häufig und massenhaft vorkommende Mineral krystallisirt tesseral, bildet meist Hexaeder, auch Oktaeder und das Rhombendodekaeder, gewöhnlich Combinationen dieser, in denen meist das Hexaeder vorherrscht. Ausser diesen finden sich in den Combinationen, welche bisweilen sehr flächenreiche sind, verschiedene Triakisoktaeder, Deltoid- ikositetraeder und Tetrakontaoktaeder. Die Krystalle, grosse bis kleine sind aufgewachsen (selten eingewachsen), und oft gut ausgebildet, häufig jedoch auch unregclmässig und gruppirt. Nicht selten bilden sie Zwillinge nach O. Ausser krystallisirt findet er sich meist krystallinischkörnigc Massen von verschiedener Grösse des Kornes bildend, gross-, grob-, klein-, bis sehr feinkörnige und fast dichte, derb bis eingesprengt. Bisweilen ist er auch stengligblättrig. Ferner findet er sich knollig, traubig, nierenförmig, in geflossenen Gestalten, röhrenförmig, zer- fressen, gestrickt, Platten, Ueberzüge und Anflug: bildend, durch Rutschflächen sogen. Spiegel. Selten ist er erdig (der sogen. Bleimulm). Er ist vollkommen spaltbar parallel den Flächen des Hexaeders, weshalb Bruchflächen nur bei Aggre- gaten als körnige, bei fast dichtem als flachmuschlige bemerkt werden. Er ist bleigrau mit einem Stich ins Röthliche, wenig nuancirend, bei feinkörnigen bis dichten Vorkommnissen etwas heller, durch Anlaufen etwas dunkler, auch bunt anlaufend; der metallische Glanz ist meist stark. Er ist undurchsichtig, hat

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

graulichschwarzen Strich, ist milde, doch leicht zersprengbar, hat Härte = 2,5 und spec. Gew. = 7,4—7,6.

Als PbS enthält er 86,6$ Blei und 13,4$ Schwefel, bisweilen in Folge von Beimengungen etwas Silber, Antimon und Eisen. Im Glasrohre erhitzt entwickelt er schweflige Säure und giebt ein Sublimat von schwefelsaurem Bleioxyd, vor dem Löthrohre auf Kohle zerknistert er, schmilzt, nachdem der Schwefel verflüchtigt ist und giebt ein Bleikorn, auf der Kohle gelben Beschlag von Bleioxyd, der nach aussen in weissen von Bleisulfat übergeht, absetzend. In Salpetersäure ist er auf- löslich unter Entwickelung salpetriger Säure und Abscheidung von Schwefel und Bleisulfat In verdünnter Chlorwasserstoffsäure ist er langsam löslich und aus der kalten Lösung scheidet sich Chlorblei. Bei der Zersetzung in Königswasser scheidet sich Bleisulfat und Chlorblei ab. Bei seinem häufigen Vorkommen giebt er durch Zersetzung Veranlassung zur Bildung verschiedener Bleioxyd enthaltender Minerale, sowie er selbst auch pseudomorph vorkommt, besonders nach Pyro- morphit (das sogen. Blaubleierz) wie bei Bernkastel an der Mosel, bei Huelgoet und Poullaouen in der Bretagne und bei Zschopau in Sachsen.

Bei dem häufigen und oft massenhaften Vorkommen des Galenit ist es nicht nothwendig, Fundorte besonders anzugeben. Er findet sich besonders auf Gängen, stellenweise von grosser Mächtigkeit, ausserdem auf Lagern in verschiedenen Formationen und wurde schon in alten Zeiten reichlich gewonnen. So z. B. im Kalkgebirge der Alpujarras, der südlichen Vorkette der Sierra Nevada in Spanien. Zu Carthagena sollen die Alten schon 200 Jahre v. Chr. Gruben gehabt haben, die jetzt wieder aufgenommen jährlich 25,000 Tonnen Blei mit 50,000 Klgrm. Silber liefern. Der oben erwähnte an sich sehr geringe Silbergehalt, der ge- wöhnlich nur 0,5$ beträgt, auch bis 1$ ansteigt, ist nämlich bei dem überaus reichen Vorkommen des Galenit sehr lohnend zur Gewinnung des Silbers, wie die obige Angabe von einem Orte zeigt. Auch die reichen Vorkommnisse in England wurden von Plinius erwähnt. Ihnen reihen sich die Vorkommnisse am Harz, in Westphalen, Nassau, an der Eifel, in Oberschlesien u. a. an. Ueberaus reich findet er sich in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wie in Missouri, Iowa, Illinois und Wisconsin.

4. Der Antimonit (benannt wegen seines Gehaltes an Antimon) oder Antimonglanz. Dieses ausgezeichnet krystallinische Mineral krystallisirt ortho- rhombisch und die Krystalle desselben sind vorherrschend langprismatisch bis nadei- förmig und fasrig. Sie zeigen gewöhnlich in den Combinationen das Prisma 00 P, dessen stumpfe, brachydiagonale Kanten = 900 54' sind, also fast rechtwinklig erscheinen und woran die scharfen makrodiagonalen Kanten durch die Längs- flächen gerade abgestumpft sind. An den selten deutlich ausgebildeten Enden bildet die als Grundgestalt gewählte Pyramide P eine vierflächige Endzuspitzung und ihre Endkanten sind = 1090 26' und 1080 21', während sie mit den Prisma- flächen 00P den Combinationskantenwinkel = 1450 15' bilden. Auch sind sie durch eine stumpfere Pyramide ^P begrenzt, welche mit den Prismaflächen 00 P den Combinationskantenwinkel =115° 40' bildet, oder es kommen beide Pyramiden zugleich vor, wozu auch noch andere Pyramiden treten, bisweilen sehr spitze. Die Krystalle sind oft gebogen, gekrümmt und geknickt, die verticalen Flächen meist vertical gestreift, überhaupt sehr unregelmässi^ ausgebildet und sind voll- kommen parallel den Längsflächen spaltbar, undeutlich nach anderen Gestalten. Als aufgewachsene sind sie gewöhnlich radial gruppirt oder unregelmässig ver- wachsen, oft findet sich das Mineral derb mit krystallinisch-stengliger bis fasriger

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Glänze.

Absonderung, auch körnig-blättrig und bei grosser Kleinheit der verwachsenen Individuen übergehend in scheinbar dichte Massen.

Der Antimonit ist bleigrau (wegen der grauen Farbe auch Grauspiess- glanzerz im Gegensatz zu anderen Antimon enthaltenden Verbindungen, wie dem Roth- und Weissspiessglanzerz), oft schwarz oder bunt angelaufen, stark metallisch glänzend, undurchsichtig, hat schwarzen Strich, ist milde und leicht zerbrechlich, hat die H. = 2,5 und das spec. Gew. = 4,6 4,7. Nach der Formel Sb,S3 zu- sammengesetzt enthält er 71,5^ Antimon und 28,5$ Schwefel. V. d. L. auf Kohle schmilzt er sehr leicht, färbt die Flamme grünlich, verflüchtigt sich und giebt auf der Kohle einen weissen Beschlag von Antimonoxyd; im Glasrohre erhitzt giebt er zuerst ein weisses Sublimat von antimoniger Säure (antimonsaurem Antimonoxyd) und dann von Antimonoxyd. In Salpetersäure wird er unter Ab- scheidung von Antimonoxyd zersetzt; in erhitzter Chlorwasserstoffsäure ist er vollkommen löslich; in Kalilauge wird er gelb gefärbt und aufgelöst; aus der Lösung wird durch Zusatz von Säuren orangegelbes Schwefelantimon gefällt.

Er ist fast das einzige Mineral, aus welchem das Antimon im Grossen ge- wonnen wird und er findet sich ziemlich häufig auf Gängen und Lagern im Granit, krystallinischen Schiefern und in Uebergangsformationen , beispielsweise bei Schemnitz, Kremnitz und Felsöbanya in Ungarn, Przibram in Böhmen, Neu- dorf, Wolfsberg und Andreasberg am Harz, Brännsdorf, Mobendorf bei Freiberg und Niederstriegis in Sachsen, Arnsberg in Westphalen, Wolfach in Baden, Gold- kranach in Bayern, Peretta in Toscana, Toplitza in Siebenbürgen, Allemont im Dauphin ö in Frankreich, auf der Insel Choros und Borneo, in Neubraunschweig und Nevada.

Durch Zersetzung des Antimonit entstehen der Stibilith, Antimonocher und andere Verbindungen des Antimonoxyd und der Antimonsäure mit Wasser (Siehe I. pag. 405 im Artikel Erze).

5. Der Bismuthin (benannt nach Bismuthum, Wismuth) oder Wismuth- glanz. Derselbe steht dem Antimonit am nächsten, findet sich jedoch viel seltener; er krystallisirt orthorhombisch, isomorph mit Antimonit und die Kiystalle sind langprismatisch bis nadelformig, stark vertical gestreift und zeigen das Prisma *>P, dessen stumpfe oder brachydiagonale Kanten = 91 0 52' sind, mit 00 PY, den Längs- und Querflächen, am Ende begrenzt durch das Querdoma Pöö mit dem Endkantenwinkel = 890. Sie sind meist eingewachsen, häufiger findet er sich körnige und stenglige Aggregate bildend, derb bis eingesprengt. Er ist wie der Antimonit vollkommen spaltbar parallel den Längsflächen, weniger deutlich parallel den Querflächen, unvollkommen parallel dem Prisma «oP und den Basisflächen. Er ist bleigrau bis zinnweiss, oft gelblich oder bunt angelaufen, metallischglänzend, undurchsichtig, hat schwarzen Strich, ist milde, hat Härte = 2,0—2,5 und spec. Gew. = 6,4— 6,6.

Als Bi,S, enthält er 81,4g Wismuth und i8,6# Schwefel. Im Glasrohre er- hitzt entwickelt er schweflige Säure, giebt ein Sublimat von Schwefel und kommt ins Kochen ; auf Kohle schmilzt er in der Reductionsflamme leicht mit Spritzen, jnebt gelben Beschlag von Wismuthoxyd und Wismuthkörner; mit Jodkalium be- handelt giebt er auf der Kohle einen rothen Beschlag. In Salpetersäure ist er leicht löslich und scheidet Schwefel aus. Er findet sich beispielsweise bei Johann- georgenstadt und Altenberg in Sachsen, Riddarhyttan in Schweden, Redruth und Botallack in Cornwall in England, Rezbanya in Ungarn und im Illampu-Gebirge in Bolivia.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

6. Der Molybdänit oder Molybdänglanz bildet undeutlich ausgebildete, tafelartige Krystalle, welche für hexagonal gehalten wurden, doch auch als klino- rhombische angesehen worden sind; Blätter bis Schuppen, blättrige bis schalige Aggregate. Er ist vollkommen basisch spaltbar, die Spaltungsflächen sind bisweilen hexagonal federartig gestreift, dünne biegsam. Er ist bleigrau, mit einem Stich ins Röthliche, metallisch glänzend, undurchsichtig; Strich grau, auf Porzellan grün lieh; milde, etwas seifenartig anzufühlen, hat H. = 1,0 1,5 und speeifisches Ge wicht = 4,6 4,9. Nach der Formel MoS2 zusammengesetzt enthält er 60$ Mo lybdän und 40$ Schwefel. Er ist in Salpetersäure auflöslich, Molybdänsäure als weisses Pulver abscheidend, bei der Auflösung in Königswasser wird die Säure grünlich, bei der in kochender Schwefelsäure blau gefärbt. V. d. L. ist er un- schmelzbar und verdampft langsam, dabei in der Zange oder vom Platindraht gehalten, die Flamme zeisiggrün färbend, auf Kohle erhitzt dieselbe weiss be- schlagend und schweflige Säure entwickelnd. Die mit Salpeter versetzte Borax- perle wird in der Reductionsflamme dunkelbraun; mit Salpeter geschmolzen de crepitirt die Masse, löst sich vollkommen in Wasser auf und die Lösung wird durch Behandlung mit Zink und ChlorwasserstofTsäure oder mit Zinkchlorür all- mählich blau, grün und braun.

Das zur Bereitung einer blauen Farbe benutzbare Mineral findet sich nicht gerade selten, aber gewöhnlich nur spärlich, eingewachsen in älteren Gesteins- arten, wie Granit, Gneiss, Syenit-, Chlorit-, Glimmer- und Talkschiefer, auch auf Lagern und Gängen, beispielsweise bei Zinnwald und Schlackenwald in Böhmen, Altenberg und Ehrenfriedersdorf in Sachsen, Hochstätten bei Auerbach an der Bergstrasse, im Baltschiderthale bei Visp und im Binnenthale in Wallis in der Schweiz, bei Traversella und Macchetto in Piemont, in Hessen, Cumberland, Corn- wall, Schottland, im Säters-Kirchspiele in Schweden, bei Arendal in Norwegen, bei Nertschinsk in Sibirien, Narksack in Grönland und Haddam in Connecticut.

Abgesehen von den später anzuführenden einfachen Selen- und Tellurver- bindungen, sind noch als bemerkenswerthe einfache Verbindungen anzuführen der Beyrichit, Diskrasit und Melonit.

7. Der Beyrichit aus dem Bergwerke Lommerichkauls-Fundgrube am Wester- wald, ein sehr eigenthümliches Mineral, bildet schilfähnliche, prismatische Krystalle von bis 7 Centim. Länge, die oft schraubenförmig gewunden und radial gruppirt sind. Sie sind milde und so zähe, dass sie schwer zu zerbrechen sind, bleigrau, schwach metallisch glänzend, undurchsichtig, haben die H. = 3,0 3,5 und das spec. Gew. = 4,7 und enthalten Nickel in Verbindung mit Schwefel, nahezu der Formel 3NiS*2NiS2 entsprechend. Im Kolben erhitzt giebt er ein Sublimat von Schwefel, wird gelb und härter. V. d. L. auf Kohle schmilzt er leicht zu einer stark magnetischen Kugel. In Chlorwasserstoffsäure ist er leicht löslich und die Solution ist smaragdgrün.

8. Der Diskrasit (benannt von den griechischen Worten doppelt und »Arasis* Mischung, in Rücksicht auf seine zwei Bestandteile) oder Antimon- silber, eine Verbindung des Silbers mit Antimon, Ag2Sb, analog der Schwefel- verbindung Aga und in der Form an den Akanthit erinnernd, kurz-prismatisch bis dicktafelig, anscheinend hexagonal, jedoch orthorhombisch, die Combination des Prisma 00 P (dessen stumpfe Kanten nahezu = 1200 sind) mit den Längs- und Basisflächen bildend. Die Prismaflächen sind vertical gestreift und oft ein- wärts gekrümmt. Zu obigen Gestalten tritt auch noch die als Grundgestalt ge- wählte Pyramide P, die Combinationskanten zwischen oP und 00 P abstumpfend

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Glänze.

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und gegen die Basisflächen unter i26°4o' geneigt, sowie das Längsdoma 2PoS, welches gegen die Basisflächen ebenso geneigt ist und die Combinationskanten zwischen den Basis- und Längsflächen abstumpft, die Aehnlichkeit mit hexago- gonalen Krystallen vermehrend. Gewöhnlich ist der Diskrasit derb bis einge- sprengt, krystallinisch körnig abgesondert. Er ist deutlich spaltbar parallel den Basisflächen und dem Iüngsdoma Po£, undeutlich parallel den Prismaflächen ooP. Er ist silberweiss bis zinnweiss, gelblich, auch schwärzlich anlaufend, wenig metallisch glänzend, undurchsichtig, wenig spröde bis milde, hat H. = 3,5 und spec. Gew. = 9,4— io,o.

Nach der Formel Ag2Sb zusammengesetzt würde der Diskrasit 64,3$ Silber und 35,7$ Antimon enthalten, doch wechselt der Silbergehalt, wie auch das steigende spec. Gew. andeutet, indem oft mehr Silber vorhanden ist, welches wahrscheinlich von beigemengtem Silber abhängig ist. Beim Erhitzen im Glas- rohre giebt er ein Sublimat von Antimonoxyd und die Probe umgiebt sich mit gelbem verglastem Antimonoxyd ; v. d. L. auf Kohle schmilzt er leicht, beschlägt die Kohle weiss und hinterlässt nach langem Blasen ein Silberkorn. In Salpeter- säure ist er auflöslich und die eingedampfte Lösung hinterlässt einen gelblichen Rückstand von salpetersaurem und antimonsaurem Silberoxyd. Das seltene Mineral fand sich bei Altwolfach in Baden, bei Andreasberg am Harz, Allemont im Dauphine" in Frankreich und Chanarciilo in Chile.

9. Der Maldonit von Maldon in Victoria in Australien, röthlich silberweiss, metallisch glänzend, undurchsichtig, grau bis schwarz anlaufend, schneid- und hämmerbar mit H. = 1,5 2,0 und spec. Gew. = 9,7 ist eine Verbindung von Gold mit Wismuth AusBi.

Uebergehend zu den Verbindungen der in der Gruppe der Glänze hervor- tretenden Sulfobasen mit Schwefelwismuth, Schwefelantimon oder Schwefelarsen, welche als Sulfosalze eine ansehnliche Zahl von Species ergeben, ist zunächst zu bemerken, dass in ihnen als Sulfobasen vorwaltend Ag2S, Cu2S und PbS vor- kommen. Der Verbindungsweise nach sind sie sehr mannigfaltig, entweder ent- halten sie vorwaltend nur eine Basis, oder es kommen auch wesentlich zwei zusammen vor, oder es sind die Verbindungen noch complicirter. Um eine grössere Uebersicht zu gewinnen, beginnen wir mit den einfacheren. Als solche sind zunächst die des Halbschwefelsilbers Ag2S mit Schwefelantimon Sb2Sj oder mit Schwefelwismuth Bi2S3 anzuführen.

Bemerkenswerth ist hierbei, dass im Anschluss an die als Blenden vor- kommenden Species Miargyrit Ag2S'Sb2S3, Pyrargyrit 3Ag8S-Sb2S., (s. I. pag. 87 und 88 im Artikel Blenden) bezüglich der Verbindung von Ag2S mit Sb2S3 sich als Glänze solche herausstellen, in denen der Silbergehalt hoher ist. Diese sind der Stephanit 5Ag2S Sb^S,, der Polybasit 8Ag2SSb2S3 und der Polyargyrit 12Ag.,S-Sb4S3, während mit Schwefelwismuth nur die dem Miar- gyrit entsprechende Verbindung Ag2SBi2S:{ vorgekommen ist. der bkigrauc Schapbachit von der Grube Christian Friedrich im Schapbarhthale in Baden und von Morococha in Peru. Die drei Antimonverbindungen sind eisenschwarz mit schwarzem Striche. Der Polyargyrit von Wolfach in Baden krystalüsirt tesseral, kleine Krystalle bildend, an denen das Oktaeder, Hexaeder und Rhom- bendodekaeder beobachtet wurden und ist hexaedrisch spaltbar. Er ist ge- schmeidig, hat H. = 2,5 und spec. Gew. = 6,97. Weniger selten ist

10. der Polybasit (benannt von dem griechischen ^polys*. viel, wegen des hohen Gehaltes an Sulfobasis gegenüber anderen Silberverbindungen, welche weniger Basis

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Mineralogie, Geologie und PaUeontologie.

enthalten, wie auch der Name Polyargyrit auf den hohen Gehalt an Silber >argyros< hinweist). Die KrystaHe desselben wurden früher flir hexagonal gehalten, sind tafelartig, bis sehr dünn und undeutlich basisch spaltbar; auch findet sich das Mineral derb bis eingesprengt. Es ist eisenschwarz, metallisch glänzend, undurch- sichtig, jedoch in sehr dünnen Blättchen roth durchscheinend, so dass sogar die optischen Achsen bestimmt werden konnten. Ks ist milde, hat schwarzen Strich, H. Ä 2,0 2,5 und spec. Gew. = 6,0—6,23. Neben Silber enthält es etwas Kupfer und neben Antimon erheblich Arsen, so dass auch die Formel NAg2SSb,, As2S, geschrieben wird. V. d. L. zerknistert es etwas und schmilzt sehr leicht; im Glasrohre entwickelt sich schweflige Säure und es giebt ein weisses Sublimat, auf Kohle Antimonoxydbeschlag und mit Soda ein kupferhaltiges Silberkorn. Der Polybasit findet sich bei Freiberg in Sachsen, Joachimsthal und Przibram in Böhmen, Andreasbeig am Harz, Schemnitz und Kremnitz in Ungarn, Guanaxuato in Mexiko u. a. O. und wird bei reichlichem Vorkommen zur Gewinnung von Silber benützt.

1 1. Der Stephanit(zu Ehren des Erzherzog Stephan von Oesterreich benannt) krystallisirt auch orthorhombisc.h und hat in seinen Combinationen auch Aehn- lichkeit mit hexagonalen Krystallen. Die KrystaHe, dick tafelartig bis kurz pris- matisch, zeigen die Combination der Basisflächen mit dem Prisma 00P, dessen stumpfe Kanten = ii5°39' sind, und mit den Längsflächen. Dazu kommen auch als Abstumpfungsflächen der Combinationskanten zwischen den Basis- und Prisma- flächen die Flächen der als Grundgestalt gewählten Pyramide P gegen die Basis- flächen unter 127° 50' geneigt und als Abstumpfungsflächen der Combinations- kanten zwischen den Basis- und Längsflächen die Flächen des Längsdoma 2P^, gegen die Basisflächen unter 1260 6' geneigt. Die letzteren beiden Gestalten in Verbindung mit den Basisflächen erinnern an stumpfe hexagonale Pyramiden in Combination mit den Basisflächen. Die KrystaHe Hessen auch noch ver- schiedene andere Gestalten finden, wie die Pyramiden $P, JP, |P, die Längs- domen £Poo, |Po6, Poo, die Querflächen, das Querdoma Pöö u. a. m. Häufig sind Zwillinge nach 00V und Drillinge oder Verwachsungen von noch mehr In- dividuen. Ausser krystallisirt findet er sich körnig, blättrig, derb bis eingesprengt, als Ueberzug und Anflug. Er ist unvollkommen spaltbar parallel dem Längs- doma 2 Po© und den Längsflächen, der Bruch ist muschlig bis uneben. Er ist eisenschwarz bis schwärzlich bleigrau, metallisch glänzend bis undurchsichtig, bis- weilen bunt angelaufen, hat schwarzen Strich, ist milde, hat H. = 2,0—2,5 spec. Gew. = 6,2— 6,3. Nach der Formel 5Ag,S Sb2S3 zusammengesetzt ent- hält er bisweilen wenig Cu,S und As. Im Kolben erhitzt zerknistert er, schmilzt und giebt ein Sublimat von Schwefelantimon; im Glasrohre schmilzt er und giebt ein Sublimat von Antimonoxyd, bisweilen etwas arsenige Säure. V. d. L. auf Kohle schmilzt er zu einer dunkelgrauen Kugel, welche in der Reductions- flamme, leichter bei Zusatz von Soda ein Silberkorn hinterlässt. In erwärmter Salpetersäure ist er auflöslich und Schwefel und Antimonoxyd wird ausgeschieden.

Das zur Gewinnung des Silbers sehr geschätzte Mineral findet sich beispiels- weise bei Schemnitz und Kremnitz in Ungarn, Freiberg, Schneeberg, Annaberg und Johanngeorgenstadt in Sachsen, Andreasberg am Harz, Przibram in Böhmen, Zacatecas in Mexiko und auf dem Comstockgange in Nevada. Er wird, weil er weniger milde als der geschmeidige Argentit ist, auch Sprödglaserz, trivial Röschgewächs gegenüber dem Argentit als Weichgewächs genannt.

Von den einfacheren Sulfosalzen des Halbschwefelkupfer sind zwar mehrere Vorkommnisse bekannt geworden, doch sind dieselben mehr vereinzelte, wie der

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Clanie.

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tetraedrisch hemiedrische Tennantit von Redruth in Cornwall, der tesserale Julianit von der Grube Friederike-Juliane bei Rudolstadt in Schlesien und der Annivit aus dem Annivier-Thale in Ober-Wallis in der Schweiz, welche annähernd nach der Formel 3CuaS- AsaSs zusammengesetzt sind und von denen der letztere SbjSj und Bi8S3 enthält. Weniger Gehalt an Kupfer zeigt der Wolfsbergit von Wolfsberg am Harz und von Guadiz in Granada, welcher orthorhombisch krystallisirt und der Formel Cu2S-Sb3S3 entspricht, noch weniger der ortho- rhombische Guejarit aus einem Sideritgange am Fusse des Mulay-Haveu im District Guejar in der Sierra Nevada in Andalusien in Spanien. Als Wismuth enthaltende sind der orthorhombische Wittichenit von den Gruben Neu- glück und König Daniel bei Wittichen in Baden, der Formel 3CuaS-Bi2Ss entsprechend, der orthorhombische Klaprothit von Wittichen in Baden, Alpers- bach, Freudenstadt, Bulach und Königswart in Württemberg und von Sommer- kahl im Spessart, welcher der Formel 3Cu,S'2Bi2S3 entspricht und der gleich- falls orthorhombische Emplektit CuaS- BiaS3 zu nennen, welcher letztere sich auf der Grube Tannenbaum bei Schwarzenberg in Sachsen, bei Freudenstadt in Württemberg und bei Copiapo in Chile gefunden hat. Dieselben sind pris- matisch bis nadeiförmig ausgebildet oder finden sich derb und eingesprengt und lassen sich bei einiger Aehnlichkeit mit Bismuthin leicht von diesem durch die Reactionen auf Kupfer unterscheiden.

Noch reicher ist die Zahl der analogen Sulfosalze des Einfach-Schwefelblei mit Schwefelarsen, Schwefelantimon und Schwefelwismuth. Die grösste Mannig- faltigkeit zeigen in den Formeln die Verbindungen mit Schwefelantimon, Sb3S3. Als solche wurden gefunden:

Der derbe körnig blättrige bis dichte bleigraue Kilbrickenit von Kilbricken in Irland, 6PbSSb2Ss; der licht bleigraue Geokronit von Sala in Schweden, Meredo in Galicien in Spanien, und Pietrosanto in Toscana, 5PbSSbaS,, welcher orthorhombisch, aber selten krystallisirt, gewöhnlich in kryptokrystallinischen Massen mit versteckter linearer Absonderung, scheinbar dicht vorkommt; der bleigraue Meneghinit 4PbSSbaSi( welcher kleine, bisweilen flächenreiche klinorhombische prismatische bis nadeiförmige Krystalle bildet und bei Bottino unweit Seravezza in Toscana, später auch am Ochsenkopf bei Schwarzenberg in Sachsen und bei Goldkronach in Bayern gefunden wurde. Ferner der körnige, stenglige, fasrige bis dichte Boulangerit mit schwärzlich bleigrauer Farbe, welcher der Formel 3PbS-SbaS3 entspricht und bei Wolfsberg am Harz, Przibram in Böhmen, Oberlahr und Mayen in Rheinpreussen, Molieres im De*part. du Gard m Frankreich, Bottino in Toscana, Nertschinsk in Sibirien und Nasafjeld in Lapp- land gefunden wurde. Sein spec. Gew. ist = 5,8 6,0, während das der blei- reicheren vorangehend genannten höher ist, 6,3 6,6, weshalb es noch zweifelhaft ist, ob man zu ihm die substantiell fast gleichen Vorkommnisse, den Embri- thit und Plumbostib von Nertschinsk rechnen könne, welche das höhere spec. Gew. = 6,18— 6,32 haben, zumal auch bei ihnen keine bestimmbaren Krystalle gefunden wurden, die Angaben über einfachen Blätterdurchgang bei Embridiit, Uber zweifachen bei Plumbostib an den Individuen der krystallinisch körnigen oder stengligen Aggregate nicht dafür sprechen.

12. Der Jamesonit, 2PbS'SbaSs, orthorhombisch, liess an langprismatischen Krystallen, welche parallel oder radial gruppirt vorkommen, die Combination des Prisma 00P (ioic4or) mit den Längsflächen bestimmen, ist deutlich basisch spaltbar, undeutlich parallel dem Prisma und den Längsflächen. Gewöhnlich

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

findet er sich derb mit stengligcr Absonderung. Er ist bleigrau bis dunkel stahigruu, metallisch glänzend, undurchsichtig, milde, hat H. = 2,0— 2,5 und das spec. Gew. = 5,56 5,62. V. d. I,. zerknistert er, schmilzt und lässt sich bis auf geringen von Beimengungen herrührrenden schlackigen Rückstand verflüchtigen, die Kohle gelb und weiss beschlagend. In heisrer Chlorwnsserstoffsäure wird er unter Abscheidung von Chlorblei zerlegt. Er findet sich beispielsweise bei Nert- schinsk in Sibirien, in Cornwall in England und in Estremadura in Spanien. Zu ihm rechnet man neuerdings das früher als eigene Speeles Federerz oder Plumosit genannte, fein fasrige Krystalle und filzartige Aggregate solcher bildende Mineral vom Harz und von Felsöbanva in Ungarn u. a. O., welches auch ähnlich ausgebildeten Vorkommnissen des Antimonit gleicht, sich aber leicht durch seinen Bleigehalt unterscheiden lässt; sowie den mit dem Federerz ver- einigten Hetcromorphit vom Harz, welcher fein krystallinisch fasrige bis dichte Massen bildet und das spec. Gew. = 5,68— 5,72 hat.

13. Der Plagionit, von dem griechischen Worte ^plagios^ schief, benannt wegen der klinorhombischen Krystalle, welche er bildet. Dieselben zeigen durch die Basisflächen als dick tafelartige eine vordere klinorhombische Pyramide, deren klinodiagonalc Endkante nach G. Rosk i2oc 49' ist und welche durch ihr Vor- herrschen selbst prismatische Krystalle bildet. Neben ihr tritt auch noch die vordere Hemipyramide P mit dem Endkantenwinkel = 142 0 3' auf, gegenüber welcher die zuerst erwähnte als 2P aufgefasst wurde. P stumpft die vorderen stumpfen Combinationskanten zwischen oP und 2P ab, welche 1380 52' betragen und bilden mit den Basisfläclien die Combinationskanten von 154° 20' Neigung. Die scharfen Combinationskanten zwischen oP und 2P erscheinen auch durch die hintere Hemipyramide P' abgestumpft, deren klinodiagonale Endkanten •34° 3°' messen und die Combinationskante zwischen oP und P' beträgt 1490. Die so auffallend schief ausgebildeten Krystalle sind klein und in Drusen des derben krystallinisch-körnigen aufgewachsen, spalten ziemlich deutlich nach 2P. Ausser krystnllisirt und derb erscheint er auch in traubigen bis nierenformigen Gestalten. Er ist schwärzlich bleigrau, spröde, hat H. = 2,5 und spec. Gew. = 5,4. In der Reihe der angeführten Blciantimonglanze entspricht er der Formel 4Pl>S-3Sb8S3, zerknistert beim Erhitzen heftig, entwickelt im Glasrohre schweflige Säure und Antimonoxyd, schmilzt auf der Kohle sehr leicht, zieht sich in die Kohle und hinterlässt ein Bleikorn. Er findet sich bei Wolfsberg am Harz, Arnsberg in Westphalen und Goldkronach in Bayern. Den Schluss der Reihe bildet:

14. Der Zinckenit, PbS'Sb2S3, welcher bei Wolfsberg am Harz scheinbar hexagonal prismatische Krystalle mit verticaler Streifung bis Furchung bildet, welche nach G. Rosk als Durchdringungsdrillinge orthorhombischer Krystalle anzusehen sind, die Combination des Prisma <x>P (120° 39') mit einem stumpfen Querdoma von 150° 36' Endkantenwinkel darstellend. Bei grosserer Zahl der verwachsenen Individuen übergehend in polysynthetrische Krystalle und büschlige Gruppen, auch derb mit stengliger Absonderung. Er spaltet unvollkommen nach dem Prisma 00 P und hat unebenen Bruch; ist bleigrau bis dunkel stahlgrau, metallisch glänzend, undurchsichtig, ziemlich milde, hat H. 3,0—3,5 und das spec. Gew. 5.3° 5.35- V. d. L. auf Kohle zerknisternd, schmelzbar, Antimondampf ent- wickelnd und verflüchtigt sich bis auf geringen von Beimengungen herrührenden eisen- und kupfcrhaltigen Rückstand, die Kohle gelb und weiss beschlagend. In heisser Chlorwasserstoffsäure wird er Chlorblei abscheidend zersetzt

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Glänze.

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Den angeführten mannigfachen Antimonverbinrlungen reihen sich drei Arsen- verbindungen an, welche in dem an Mineraleinschlüssen reichen weissen fein- körnigen Dolomit im Hinteigrunde des Binncnthales in Ober-Wallis in der Schweiz nacheinander aufgefunden und als verschiedene Arten unterschieden wurden, während sie alle drei orthoihombisch krystallisircn. Diese sind:

Der Jordanit 4PbS-As2S3, der Rinnit 2PbS-As2S3 und der Skleroklas PhS-AsoS^.

15. Der Jordanit, der seltenste unter diesen dreien, auch bei Nagyag in Siebenbürgen vorgekommen, zeichnet sich durch seine Hachenreichen Krystalle aus, welche besonders reich an Pyramiden und Fängsdomen sind, nach 00 P (123° 2c/) Zwillinge, Drillingeu. s. w. bilden, diese leicht an der Basisfläche erkenntlich, ist deutlich nach den I. ängstlichen spaltbar, hat bei dunkel bleigrauer Farbe schwarzen Strich, das spec. (iew. =6,38—6,40 und schmilzt, ohne zu decrepitiren, schwieriger als die anderen beiden. In der Zusammensetzung mit dem Meneg- hinit vergleichbar, welcher klinorhombisch krystallisirt, weist er auf Dimor- phismus innerhalb der Formel 4PbS-R3S3 hin.

16. Der Binnit, welcher am häufigsten vorkommt, ausser krystallisirt auch derb bis eingesprengt, ist mit dem orthorl ombiscl en J am eson it 2 Pb S SbvS3 zu vergleichen, auch wie dieser vollkommen basisch spaltbar, bildet meist flächen- reiche, orthorhombische, prismatische bis dick tafelartige Krystalle \ erschiedener Grösse bis zu 2 Centim. Fänge, ist dunkel b'.eigrau, metallisch glänzend, un- durchsichtig und hat röthlichbrannen Strich, H. - 3,0 und spec. Gew. = 5,55 bis 5,57 und decrepitirt sehr stark auf Kohle bei der ersten Kinwirkung der Föth- röhrtlamme, schmilzt leicht und giebt einen weissen Beschlag von arsensaurem Bleioxyd, welcher bei Krhitzung in der Reductionsflamme mit Arsengeruch und Hinterlassung von Bleikügelchen sich rasch verflüchtigt.

17. Der Skleroklas, mit dem orthorhombischen Zinckenit vergleichbar, bildet auch orthorhombische, prismatische bis nadeiförmige Krystalle, ist aber deut- lich basisch spaltbar und wie der Binnit flächenteich, besonders durch Quer- und Fängsdomen ausgezeichnet. Kr ist licht bleigrau, stark metallisch glänzend und erscheint durch den starken Glanz dunkler, hat röthlichbraunen Strich, ist sehr zerbrechlich und spröde, hat H. = 3,0 und spec. (iew. = 5,39. Kr decripitirt heim Krhitzen im Kolben stark und giebt rothes Sublimat von Schwefelarsen, ist v. d. F. auf Kohle leicht schmelzbar, entwickelt Arsendämpfe und giebt Bleikörner.

Ais Sulfosalze das Schwefelblei mit Schwefelwismuth wurden vier Species bekannt: der Kobellit von Vena in Ncrike in Schweden, derb, stenglig, bis fasrig, dunkel bleigrau mit schwarzem Strich, nach der Formel 3PbS- Bia, SbaS:, zusammengesetzt, dem Boulangenit vergleichbar, specifisch schwerer wegen des Wismuthgehaltes, indem sein Gewicht = 6,1 1 —6,32 ist. Der Cosalit von Cosala in der Provinz Sinaloa in Mexiko, ausser derb bis eingesprengt, un- deutliche, längsgestreifte, scheinbar orthorhombisch prismatische Krystalle bildend, wahrscheinlich isomorph mit Jamesonit 2PbS-Sb3S;l und Binnit 2 PbS As^S,. Er ist nach der Formel 2PbS-Bi_S., zusammengesetzt, blei- bis stahlgrau und hat das entsprechend höhere spec. Gew. = 6.2 6,33. Der gleichfalls seltene, derbe, strahlige, zinnweisse G alenobism utit PbS-BiaS3 von der Kogrube in Wermland in Schweden mit spec. Gew. = 6,88 und der b'.eigraue, krystallinisch -blättrige, im Aussehen an Bismuthin erinnernde Chiviatit von Chiviato in Peru, welcher hei spec. Gew. •= 6,92 der Formel 2PbS»3Bi2S:t entspricht und nach drei in einer Zone liegenden Flächen spaltbar ist.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Da in allen diesen einfachen Verbindungen die drei Sulfobasen Ag,S, CujS und PbS als charakteristisch für die Gruppe der Glänze hervortreten, in com- plicirteren auch Schwefeleisen und Schwefelzink mit jenen zusammen auftreten, so ist noch als bemerkenswerthe Species

18. der Berthierit zu nennen, welcher bis jetzt nur derb, krystallinisch- stenglige bis fasrige Aggregate bildend gefunden wurde, wie zu Bräunsdorf bei Freiberg in Sachsen, bei Anglar im Departement de la Creuse, auf der Grube Martouret bei Chazelles in der Auvergne in Frankreich, bei Arany-Idka in Ober- Ungarn und bei San Antonio in Nieder-Californien. Derselbe zeigt auch Spaltungs- flächen, ist dunkel stahlgrau, metallisch glänzend, undurchsichtig, gelblich, röth- lich oder bunt angelaufen, wenig milde, hat Härte = 2,0 3,0 und das spec Gew. = 4,0 4,3 und ist eine Verbindung des Einfach Schwefeleisen mit Andert- halb Schwefelantimon nach der Formel FeS-Sb2S3, bisweilen auch etwas Schwefelmangan MnS als Stellvertreter neben FeS enthaltend. V. d. L. schmilzt er leicht zu einer schwarzen magnetischen Schlacke, die Kohle weiss mit Antimon- oxyd beschlagend.

Ferner ist noch hervorzuheben, dass sowohl Schwefelarsen als auch Schwefel- antimon in einigen einfachen Verbindungen mit Cu3S eine höhere Schwefelungs- stufe bilden, As2S:i und SbaS-. Die dadurch erzeugten Minerale sind:

19. Der Dufrenoysit*) welcher in dem weissen, feinkörnigen Dolomit hinter Imfeid im Hintergrunde des Binnenthaies in Ober-Wallis in der Schweiz kleine, höchstens bis erbsengrosse, eingewachsene, tesserale Krystalle bildet, vorwaltend in der Combination o*0-202, woran auch noch Oktaeder, Hexaeder u. a. Formen untergeordnet beobachtet wurden. Auch fand er sich derb bis eingesprengt. Er ist dunkel stahlgrau bis eisenschwarz, stark metallisch glänzend, undurchsichtig, hat röthlichbraunen Strich, ist sehr spröde, hat H. = 3,0— 4,0 und spec. Gew. = 4,4—4,7. Er ist nach der Formel 3Cu2S- As8Ss zusammengesetzt und schmilzt v. d. L. auf Kohle, schweflige Säure und Arsendämpfe entwickelnd unter Auf- kochen und Schäumen zu einer schwarzen Kugel, welche mit Soda reducirt ein Kupferkorn hinterlässt. Dieser seltenen Species steht zur Seite

20. der Enargit (dessen Name von dem griechischen Worte xnargcsi deut- lich, sichtbar, gebildet wurde, weil er deutliche Spaltungsflächen zeigt), welcher nach derselben Formel zusammengesetzt ist, aber orthorhombisch krystallisirt, wonach diese Substanz dimorph, ja sogar, wie der nachher zu erwähnende klinorhombische Clarit zeigen wird, trimorph ist. Die Krystalle bilden gewöhnlich die Combination des Prisma 00 P (dessen stumpfe Kanten 97 0 53' messen) mit den Quer-, Längs- und Basisflächen, wozu auch noch das Längsdoma P©o (Endkantenwinkel = ioo° 58') u. a. Gestalten kommen. Er ist vollkommen spaltbar parallel den Flächen des Prisma 00P, ziemlich deutlich parallel den Quer- und Längsflächen, undeutlich parallel den Basisflächen, bildet ausser den Krystallen gewöhnlich derbe Massen von krystallinisch körniger, seltener stengliger Absonderung. Er ist eisenschwarz, metallisch bis fast halbmetallisch glänzend, undurchsichtig, hat schwarzen Strich, ist spröde, hat H. = 3,0 und das spec. Gew. = 4,36— 4,47. Im Kolben erhitzt, sublimirt er zuerst Schwefel, schmilzt dann und entwickelt Schwefelsäure; im Glasrohre entwickelt er schweflige Säure; v. d. L. auf Kohle schmilzt er sehr leicht zu einer schwarzen Kugel, deren Pulver nach vorangeganger Röstung mit

•) In Betreff dieses Namens ist zu bemerken, dass er auch dem oben pag. 77 angeführten Binnit gegeben wurde, und umgekehrt der Name Btnnit für den Dufrenoysit gebraucht wird.

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Glantc.

Borax die Kupferfarbung zeigt. Aetzkali zieht aus dem Pulver Schwefelarsen aus, bisweilen, wenn etwas stellvertretendes Antimon da ist, auch Schwefelantimon.

Er findet sich in grosser Menge zu Morococha in Peru, in der Sierra Famatina in Argentinien, auch bei Coquimbo in Chile, in Chesterfield County in Südcarolina, am Colorado, in Alpine County in Califomien, bei Cosihuiachi in Mexiko, in Neu-Granada, bei Mancayan auf der Insel Luzon, bei Paräd in Ungarn und bei Brixlegg in Tyrol.

Als dritte Species derselben Zusammensetzung wurde der stahlgraue Luzon it von Mancayan auf der Philippinen-Insel Luzon von Weisbach aufgestellt, welcher derbe Massen und undeutliche Krystalle bildet, mit welchem der von Sandbergek aufgefundene bleigraue Clarit von der Grube Clara bei Schapbach im badischen Schwarzwald zu vereinigen ist , dessen Krystalle als klinorhombische erkannt wurden, die Combination eines Prisma mit den Basis- und Längsflächen und einer Hemipyramide bilden, vollkommen nach den Längsflächen, weniger vollkommen nach den Querflächen spalten. Der Strich ist bei beiden schwarz und die H. =3,5. Das spec. Gew. des Luzonit fand Weisbach = 4,42, das des Clarit Sandberger = 4,46.

Diesen interessanten Species schliesst sich der mit Enargit isomorphe Famati nit aus der Sierra de Famatina in der Provinz la Rioja in Argentinien an, welcher mit Enargit vorkommt, derb und eingesprengt, auch sehr kleine Krystalle bildend. Seine Farbe liegt zwischen kupferroth und grau und er läuft stahlgrau an, der Strich ist schwarz. Seine Härte ist =2,5 und das spec. Gew. = 4,57. In seiner Zusammensetzung entspricht er dem Enargit, dagegen enthält er Antimon anstatt Arsen und seine Formel ist 3Cu8S-SbjS5. Ihm nahestehend ist der noch wenig bekannte Pascoit von Cerro de Pasco in Peru, welcher der Formel 3Cu,S«Sba, As2S5 entsprechend zwischen Famatinit und Enargit stehen würde, insofern er auch in der Form entspräche.

Ausser den angeführten Sulfosalzen mit den Sulfobasen Ag2S, Cu3S und PbS finden sich auch einige Doppelsalze, welche entweder Ag3S oder CusS neben PbS wesentlich enthalten. Solche sind:

21. Der Brongniartit aus Mexiko, welcher Halbschwefelsilber und Einfach - Schwefelblei in Verbindung mit SbaS3 enthält, entsprechend der Formel 2AgaS •SbjS8 -+- 2PbS'SbJlS3. Derselbe findet sich derb, bisweilen tesseral krystallisirt, Oktaeder oder die Combination dieses mit den Khombendodekaeder bildend; ist dunkelgrau bis graulichschwarz, metallisch glänzend, undurchsichtig, hat grau- lichschwarzen Strich, H. 2,5 und spec. Gew. = 5,95. Dieselben Bestand- theile, aber in anderen noch nicht genügend bestimmten Verhältnissen enthält der Freies lebenit von Freiberg in Sachsen, Felsöbanya in Ungarn und Hiende- läncina in Spanien, welcher flächenreiche klinorhombische prismatische Krystalle bildet, auch derb und eingesprengt vorkommt. Derselbe ist stahlgrau bis schwärzlich-bleigrau, hat H. = 2,0 2,5 und spec. Gew. = 6,19 6,35 und ent- spricht nahezu der Formel 3Ag,S-Sb8S3 ■+- 2(2PbS-Sb,S3). Von diesem wurde der mit ihm verwechselte flächenreiche Diaphorit von Przibram in Böhmen und von Felsöbanya in Ungarn unterschieden, welcher gleich zusammengesetzt ist, jedoch orthorhombisch krystallisirt und ein wenig geringeres spec. Gew. hat

Auch das Schwefelwismuth hat in dieser Richtung in dem grauen feinkörnigen Schirmerit der Treasury-Grube in Colorado einen Repräsentanten aufzuweisen, welcher nach der Formel 2Ag2S-Bi2S3 H-PbS-Bi,S3 zusammengesetzt ist

In ähnlicher Weise wie das Halbschwefelsilber findet sich auch Halbschwefel-

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8o

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

kupfer unj Einfach-Schwefelblei und bildet zunächst eine durch Reichhaltigkeit des Vorkommens gegenüber jenen Seltenheiten ausgezeichnete Species:

22. den Bournonit (benannt nach dem französischen Krystallographen Graf von Boi rnon, welcher die Formen desselben an dem Vorkommen von der Grube Hucl Boys bei Endellion, daher dieses Endellionit genannt, im nördlichen Cornwall in England schon 1804 beschrieb). Derselbe krystallisirt orthorhombisch und bildet dicktafelartige bis prismatische, zuweilen flächenreiche Krystalle, welche zum Theil an quadratische erinnern. An den durch die vorherrschenden Basis- flächen dicktafelartigen Krystallen sind ausser den Quer- und Längsflächen und dem Prisma o©P, dessen stumpfe, durch die Querflächen gerade abgestumpften Kanten 93° 40' messen, noch die Flächen des Querdoma Pöö, welche die Cotn- binationskanten zwischen den Quer- und Basisflächen abstumpfen und lc :on die Basisflächen unter 1360 17' geneigt sind, sowie auch die des Längsdoma h'x> zu bemerken, welche die Combinationskanten zwischen den Basis- und Längsflächen abstumpfend gegen die Basisflächen unter 138 ' 6' 30" geneigt sind. An compli- cirteren Combinationen finden sich noch andere Gestalten, wie z. B. ^Pöö, £P£o, P u. a. m. Sehr häufig sind Zwillinge, Drillinge u. s. w. nach 00 P zu beobachten, ähnlich wie bei Aragonit. Er ist unvollkommen spaltbar parallel den Quer- und Längsflächen und hat muschligen bis unebenen Bruch. Er ist stahlgrau, einerseits in bleigrau, andererseits in eisenschwarz geneigt, stark metallisch glänzend, undurchsichtig, wenig spröde und leicht zersprengbar, hat dunkelgrauen Strich, 11. = 2,5—3.0 und das spec. Gew. = 5,7—5,86.

Nach der Formel 2(3PbS-Sb3Ss) 3Cu2S.Sb2S., zusammengesetzt enthält er 42,5 g Bei, 13,1 Kupfer, 24,7 Antimon und 19,7 Schwefel, entwickelt im Glas- rohre erhitzt schweflige Säure und weisse Dämpfe, welche nach oben Sublimat von Antimonoxyd, nach unten von antimonigsaurem Bleioxyd bilden. V. d. I„. auf Kohle decrepitirend schmilzt er leicht, dampft eine Zeit lang und erstarrt zu einer schwarzen Kugel, welche bei weiterem Erhitzen auf der Kohle einen Beschlag von Bleioxyd erzeugt und mit Soda zu Kupfer reducirt wird. In Salpetersäure ist er löslich, Schwefel und Antimonoxyd abscheidend, die Lösung ist blau; bei der Auflösung in Königswasser scheidet er Schwefel, Chlorblei und antimonigsaurcs Bleioxyd ab.

Er findet sich häufig krystallisirt und grosse Individuen sind mehr oder weniger abgerundet, ausserdem derb, krystallinisch-kömige Aggregate bildend, eingesprengt, als Ueberzug und Anflug und wird, wo er reichlich vorkommt, zur Gewinnung von Blei und Kupfer benützt. Er findet sich auf Gängen, in krystallinischen Schiefem und Uebergangsgebirgen , wie bei Wolfsberg, Harz- gerode, Neudorf, Clausthal und Andreasberg am Harz, Bräunsdorf bei Freiberg in Sachsen, Przibram in Böhmen, St. Gertraud im Lavantthale, Olsa bei Friesack, Waldenstein in Kärnthen, Oberlahr in der Grafschaft Sayn-Altcnkirchen, Kapnik und Nagyag in Siebenbürgen, im Kirchspiel Endellion bei Redruth in Cornwall u. a. a. O.

Analog zusammengesetzt, aber Schwefelwismuth enthaltend ist der seltene Patrinit, auch Nadelerz genannt, 2(3 PbS- Bi 2S3) -+- 3Cu2S Bi^Sj von Bere- sowsk am Ural und aus Georgia in Nordamerika, welcher nadellörmige noch nicht genau bestimmte in Quarz eingewachsene Krystalle bis Fasern bildet. Der- selbe ist schwärzlich bleigrau bis stahlgrau und hat das spec. Gew. = 6,757.

Gegenüber den angeführten Doppelsalzen von Halbschwefelsilber oder Halb- schwefelkupfer mit Einfach-Schwefelblei, welche bis auf den Bournonit mehr

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Glänze.

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vereinzelte Vorkommnisse bilden, ist eine durch übereinstimmende Krystallisation ausgezeichnete Reihe von Mineralen zu erwähnen, welche in Rücksicht auf ihre Zusammensetzung trotz vielfacher Analysen bis jetzt keine vollständige Ueberein- sümmung in der ihnen jedenfalls zukommenden allgemeinen Formel ergeben haben. Dies sind eine Reihe von Vorkommnissen, welche vorwaltend stahlgrau gefärbt sind und desshalb vor alter Zeit den Namen Fahlerz erhielten, auch Fahlglanz genannt wurden, insofern sie in die Gruppe der Glänze gehören. Sie stellen keine einzelne Species dar, weil ihre Zusammensetzung bezüglich der Bestandteile sehr mannigfaltig ist, auch ist der von der Krystallisation entlehnte Name Tetraedrit nur für eine Art dieser verschiedenen Minerale einer Gruppe in Gebrauch. Sie sollen daher unter dem vielbekannten Namen Fahlerz hier zusammengestellt werden.

23. Die Fahlerze kommen sehr oft krystallisirt vor und die Krystalle entsprchen als tesserale dem Gesetz der tetraedrischen Hemiedrie. Sie bilden gewöhnlich

Combinationen, in denen entweder das Tetraeder oder das Trigondodekaeder ^

seltener das Rhombendodekaeder vorherrscht. So findet man das Tetraeder

2

mit dem Gegentetraeder , welches die Ecken jenes gerade abstumpft, oder mit

dem Hexaeder, welches die Kanten gerade abstumpft, oder mit dem Trigondode- 2O2

kaeder welches die Kanten zuschärft, oder mit dem Rhombendodekaeder,

welches die Ecken dreiflächig zuspitzt, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt, oder das Tetraeder ^ mit je zwei dieser Gestalten oder mit

dreien oder es treten alle vier untergeordnet am Tetraeder auf. Oder es ist das

2O2 1 o

Trigondodekaeder ^- vorherrschend und untergeordnet daran das Tetraeder ,

die dreikantigen Ecken gerade abstumpfend, oder das Hexaeder, die Hauptkanten

gerade abstumpfend, oder das Deltoiddodekaeder die Nebenkanten gerade

abstumpfend, oder das Rhombendodekaeder, die sechskantigen Ecken dreiflächig

zuspitzend, die Flächen gerade auf die Nebenkanten aufgesetzt oder es sind zwei

2O2

oder mehr als zwei dieser Gestalten an combinirt. Bei vorherrschendem

2

Rhombendodekaeder sind vier abwechselnde dreikantige Ecken desselben durch

das Tetraeder j gerade abgestumpft, oder es sind alle dreikantigen Ecken gerade

abgestumpft, vier abwechselnde mehr als die anderen, indem beide Tetraeder mit dem Rhombendodekaeder in Combination auftreten, auch kommen die Hexaederflächen als gerade Abstumpfung der vierkantigen Ecken vor. Durch- gehends tritt, auch wenn noch andere Gestalten in den Combinationen auftreten, der tetraedrisch-hemiedrische Typus der Krystalle hervor, wesshalb, wenn man alle Vorkommnisse als einer Species angehörig betrachten könnte, der Name Tetraedrit recht passend wäre, noch passender als der Name Fahlerz, weil auch andere Glänze dieselbe graue Farbe zeigen. Eine vollständige Monographie gab S adebeck im 24. Bande der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesell- schaft pag. 427 ff. Ausser einzelnen Krystallen finden sich sehr häufig Zwillinge, wobei beide Individuen einander durchwachsend erscheinen. Ausser krystallisirt finden sich die Fahlerze derb und eingesprengt. Die Spaltbarkeit ist unvollkommen parallel den Oktaeder- beziehungsweise parallel den Tetraederflächen, der Bruch ist muschlig bis uneben. Die Fahlerze sind stahlgrau, hell bis dunkel, bis eisen- schwarz, metallisch glänzend, undurchsichtig, mehr oder weniger spröde, haben

Kmxgott, Min., Geol. u. P»l. II. 6

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

schwarzen bis dunkel -kirschrothen Strich, H. = 3,0 4,0 und das spec. Gew. = 4»36 5,36, was schon darauf hinweist, dass mehr als eine Species die Gruppe der Fahlerze bilden, wie auch die überaus zahlreichen Analysen derartiger Minerale gezeigt haben.

Die Zusammensetzung ist im Allgemeinen sehr schwankend; die Fahlerze sind Sulfosalze verschiedener Sulfobasen, unter denen Einhalbschwefelkupfer CusS als in allen vorkommend hervorzuheben ist, gegenüber den anderen den Hauptbestandteil bildet, bis zu 44$ ansteigend. In vielen Vorkommnissen ver- tritt Einhalbschwefelsilber Ag,S jenes in wechselnden Mengen, von Spuren an bis zu 31$ in dem von der Habacht-Fundgrube bei Freiberg in Sachsen, weshalb dasselbe als Freibergit eigends benannt wurde. Der wechselnde Silbergehalt war auch Veranlassung zu den Namen Schwarz-, Grau- und Weissgiltigerz, in- sofern sie wegen des Silbergehaltes einen gewissen Werth erlangten, wogegen die Unterscheidung nach den Farben weniger Bedeutung hat, weil diese überhaupt mit dem Silbergehalt allein nicht zusammenhängt. Neben den beiden Sulfobasen der Formel RaS enthalten die Fahlerze Einfachschwefeleisen FeS und an Stelle dessen oft Einfachschwefelzink ZnS, als wechselnden Vertreter, wobei die Menge des Schwefelzink auf die Farbe des Striches Einfluss zu haben scheint, bei zink- reichen der Strich bis dunkel-kirschroth beobachtet wurde. Bemerkenswerth ist in manchen Fahlerzen der Gehalt an Einfachschwefelmercur HgS, wie z. B. in denen von Kotterbach bei Iglo in Ungarn, von Schwatz in Tyrol, von Moschel- landsberg in Rheinbayern, welches in anderen zu den Glänzen gerechneten Schwefelverbindungen nicht vorkommt, hier bis 18$ Mercur enthaltenden an- steigt und als Vertreter von FeS und ZnS zu betrachten ist. Einfach-Schwefel- blei PbS, welches bei einigen der oben angeführten Glänze als wichtiger Bestandtheil neben CuaS oder Ag8S vorkommt, ist hier nicht vorhanden oder nur in sehr geringer Menge, wahrscheinlich nur in Folge von Beimengungen. Selten findet sich auch wenig CoS, wie z. in dem Kaulsdorfit genannten von Kaulsdorf bei Saalfeld in Thüringen.

Bei diesem Wechsel in den Sulfobasen zeigen die Fahlerze auch einen Wechsel in den Sulfosäuren, insofern jene Basen RaS und RS nebeneinander, stets mit überwiegendem Mehr an den Basen R.^S gegenüber den Basen RS vor- waltend mit Sb8Ss verbunden sind. Eine Reihe von Fahlerzen enthalten nur Sb,S3 als Sulfosäure, eine erhebliche Zahl enthalten in wechselnden Mengen AsaSs neben Sb,Ss bis zum Ueberwiegen des Arsengehaltes, weshalb man auch Antimonfahlerze, Antimon-Arsenfahlerze und Arsenfahlerze unterschied.

Es war daher bei einer so mannigfaltigen Zusammensetzung trotz zahlreicher Analysen nicht möglich, eine allgemeine Formel aufzustellen, welche mit Sicher- heit die Gruppe der Fahlerze nach ihrer chemischen Constitution als überein- stimmende erkennen Hess. Nach H. Rose's Vorgange wurde annäherungsweise eine Formel gegeben, welche, wenn man Antimon oder Arsen oder beide mit Q bezeichnet, angiebt, dass die Fahlerze m(4RaS*QaS>1) -+- 4RS,Q,S3 sind, wo- bei R2S entweder CuaS allein oder Cu2S mit stellvertretendem AgaS ausdrückt, RS entweder FeS allein (was sehr selten ist), FeS mit stellvertretendem ZnS be- zeichnet, in den mercurhaltigen HgS auch als RS in dem Bereiche von RS ent- halten ist. Selten wurde auch Anderthalbschwefelwismuth BiaS3 in geringen Mengen gefunden, welches dann zu Q2S8 zu rechnen wäre.

Wenn so die Bestandtheile wechseln, kann das pyrognostische Verhalten nicht allgemein dasselbe sein, dagegen lassen sich leicht die wichtigsten Bestand -

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Glänze. 83

theile durch dasselbe erkennen. V. d. L. auf Kohle schmelzen die Fahlerze leicht zu einer grauen Kugel, welche nach dem Abrösten auf Kupfer und Eisen reagirt. Die Antimonfahlerze geben im Kolben erhitzt ein dunkelrothes , aus Schwefelantimon und Antimonoxyd bestehendes Sublimat, während die Arsen enthaltenden hellrothes bis orangegelbes Sublimat von Schwefelarsen geben oder wenn Antimon und Arsen zusammen da sind, beiderlei Sublimate entstehen; auch lässt sich das Arsen bei Behandlung der Probe mit Soda durch den knoblauch- artigen Geruch erkennen. Beim Erhitzen im Glasrohre entwickeln sie schweflige Säure, nach Umständen Antimonoxyd oder arsenige Säure. Salpetersäure zersetzt das Pulver unter Abscheidung von Schwefel und Antimonoxyd oder arseniger Säure. Silberhaltige hinterlassen bei der Lösung in Königswasser Schwefel und Chlorsilber, während auch die v. d. L. auf Kohle erhaltene Kugel nach dem Abrösten mit Borax und Blei geschmolzen nach dem Abtreiben auf der Kapelle ein Silberkorn giebt.

Die Fahlerze finden sich besonders auf Erzgängen, sowie in Erzlagern und werden bei reichlichem Vorkommen zur Gewinnung von Kupfer, Zink, Silber und Antimon benützt. Als Fundorte sind beispielsweise zu nennen: Clausthal, Andreasberg, Neudorf, Zellerfeld und Harzgerode am Harz, Freiberg, Gersdorf, Annaberg und Schönborn bei Mitweida in Sachsen, Camsdorf und Saalfeld in Thüringen, Gablau in Schlesien, Christophs-Aue bei Freudenstadt in Württem- berg, Wolfach in Baden, Dillenburg in Nassau, Kahl bei Biber und Mornshausen bei Biedenkopf in Hessen, Moscheilandsberg in Bayern, Siegen und Müsen in Westphalen, Markirchen im Elsass, Schwatz und Brixlegg in Tyrol, Herrengrund, Schemnitz, Schmöllnitz und Poratsch in Ungarn, Kapnik und Nagyag in Sieben- bürgen, Aegina bei Pietrasanta in Toscana, Baigorry in Navarra in Spanien, Liskeard in Cornwall in England, Beresowsk am Ural, Punitaqui in Chile, Huallasca in Peru, Durango in Mexiko und Grube Soto bei Sta. City in Nevada.

Dass auch noch andere Verbindungen des Einhalbschwefelkupfer und Ein- fachschwefeleisen, wie sie der Hauptsache nach bei den Fahlerzen auftreten, vor- kommen, zeigt der Stylotyp von Copiapo in Chile, welcher orthorhombische, nahezu rechtwinklig vierseitige Prismen bildet und nach der Formel 2(3Cu,S •Sb,S8) -f- 3FeS SbaSj zusammengesetzt ist. Er ist eisenschwarz, metallisch glänzend, undurchsichtig, hat schwarzen Strich, H. = 3,0 und spec. Gew. = 4,29.

Wie schon oben erwähnt wurde, kommen ausser Schwefelverbindungen auch Selen verbindungen vor, welche zu den Glänzen gezählt werden, im Allgemeinen aber seltene Vorkommnisse sind. Als solche sind anzuführen:

24. Der Naumannit, das Selensilber Ag9Se von Tilkerode am Harz, in der Zusammensetzung und den hexaedrischen Spaltungsflächen nach zu vergleichen mit dem Argentit AgaS. Er findet sich derb, krystallinisch-körnig, Platten und Ueberzüge bildend, ist eisenschwarz, metallisch glänzend, undurchsichtig, ge- schmeidig, hat H. = 2,5 und in Folge des Selengehaltes das höhere spec. Gew. 8,0. Er ist beim Erhitzen im Kolben schmelzbar, Sublimat von Selen und seleniger Säure bildend, schmilzt v. d. L. auf Kohle in der Oxydationsflamme ruhig, in der Reductionsflamme mit Aufschäumen, glüht beim Erstarren auf und giebt mit Borax und Soda ein Silberkorn. In rauchender Salpetersäure ist er ziemlich leicht löslich.

25. DerEukairit, Aga, Cu,Se, in der Zusammensetzung zu vergleichen mit dem Stromeyerit (pag. 68), bis jetzt aber nur derb in feinkörnigen Aggregaten vorgekommen, wie zu Skrikerum in Smaland in Schweden, nördlich von Tres

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Puntas in der Wüste Atacama und an mehreren Orten in Chile. Er ist bleigrau, weich und im Striche glänzend. Ihm schliesst sich an das dem C! alkosin (pag. 68) entsprechende, Berzelin genannte Selenkupfer Cu3Se, welches krystallinisch dendritisch als Ueberzug und Anflug bei Skrikerum in Smaland in Schweden und bei Lerbach am Harz gefunden wurde. Derselbe ist silberweiss, läuft bald schwarz an, ist weich und geschmeidig. Als eine Thallium enthaltende und dadurch sehr interessante Varietät kann das von Nordenkiöld zu Ehren von Crookes, dem Entdecker des Thallium Crookesit genannte Mineral von Skri- kerum in Smaland in Schweden angesehen werden, welches in derben Parthien vorkommend, bleigrau, metallisch glänzend, undurchsichtig und spröde ist, H. = 2,5 3,0 und spec. Gew. = 6,90 besitzt und auf 9CujSe lTh2Se enthält. Es schmilzt v. d. L. zu grünlichschwarzem Email und färbt dabei die I^Öthrohr- flamme intensiv grün.

26. Der Clausthalit, Selenblei PbSe, analog dem Galenit, hcxaedrisch spaltbar, bis jetzt nur klein- bis feinkörnige Aggregate bildend, derb bis eingesprengt vorgekommen, wie zu Clausthal, Tilkerode, Lerbach und Zorge am Harz, zu Reinsberg bei Freiberg in Sachsen und im La Plata-Staate Mendoza in Südamerika. Er ist bleigrau, metallisch glänzend, undurchsichtig, milde, hat grauen Strich, H. = 2,5—3,0 und spec. Gew. = 8,2—8,8, wahrscheinlich durch Beimengungen so wechselnd. Er decrepitirt im Kolben erhitzt, verdampft v. d. L. auf Kohle behandelt ohne zu schmelzen unter Entwicklung von Selengeruch, die Flamme blau färbend und giebt auf der Kohle einen grauen, rothen und gelben Beschlag; im Glasrohre giebt er ein graues bis rothes Sublimat von Selen. In erwärmter Salpetersäure ist er löslich, Selen abscheidend.

27. Der Ticmannit, Selenmercur HgSe von Clausthal, Zorge und Tilke- rode am Harz, derb bis eingesprengt, kleinkörnige Aggregate bildend, dunkel blei- grau, metallisch glänzend, undurchsichtig, spröde, mit H. = 2,5 und speeifischem Gewicht = 7,10— 7,37, welches gegenüber dem höheren specirischen Gewicht des Zinnobers (I. pag. 85) als analoger Schwefelverbindung HgS auffallend niedrig ist. Derselbe zerknistert im Kolben erhitzt, schwillt an und verflüchtigt sich vollständig, ein schwarzes, in weiterer Entfernung braunes Sublimat bildend, des- gleichen beim Erhitzen im Glasrohre, wobei das äusserste Sublimat weiss ist V. d. L. auf Kohle verflüchtigt er sich auch und färbt die Löthrohrflarame blau.

Zwischen diesem und dem Clausthalit steht

28. der Lerbachit als Selenmercurblei Hg, PbSe, welcher auch krystallinisch- körnig ist und der bei Lerbach und Tilkerode am Harz vorkommt und an den Körnern hexaedrische Spaltbarkeit erkennen Hess, wonach zu vermuthen ist, dass auch der Tiemannit tesseral ist. Er ist bleigrau, stahlgrau bis eisenschwarz, ist milde und hat das spec. Gew. = 7,8 7,88 wechselnd mit dem schwankenden Gehalte an Blei und Mercur. Er giebt im Kolben erhitzt ein graues krystallinisches Sublimat von Selenmercur, dagegen mit Soda gemengt ein Sublimat von Mercur. Im Glasrohre giebt er ein tropfbar-flüssiges Sublimat von selenigsaurem Mercuroxyd.

An diese interessanten, wenn auch selten vorkommenden Selenverbindungen von Silber, Kupfer, Blei und Mercur reiht sich auch der dem Bismuthin (s. pag. 71) analoge Frenzelit von der Grube Santa Catalina in der Sierra de Santa Rosa bei Guanaxuato in Mexiko, welcher als Selenwismuth Bi8Se3 langprismatische orthorhombische Krystalle bildet, an denen das dem Bismuthin und Antimonit entsprechende Prisma <»P vorkommt und die auch stark vertical gestreift schilf- artig ausgebildet sind und Spaltbarkeit nach den Längsflächen zeigen. Ausser-

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dem bildet er wie seine beiden Analoga derbe Massen mit blättriger, stengliger bis faseriger, auch feinkörniger Absonderung, ist bleigrau, metallisch glänzend, undurchsichtig, hat grauen glänzenden Strich, H. = 2,5 3,5 und das spec. Gew. = 6,25. Er schmilzt v. d. L. auf Kohle leicht, Selengeruch entwickelnd und die Flamme blau färbend und giebt mit Jodkalium geschmolzen einen schön rothen Beschlag von Jodwismuth.

Andere complicirtere Verbindungen des Selen sind nicht bekannt geworden, wenn auch bei den interessanten Vorkommnissen vom Harz noch Verbindungen gefunden wurden, welche Selenkupfer mit Selenblei, oder Selenkobalt mit Selen- blei enthalten, da aber derartige Verbindungen nur derb in feinkörnigen Aggregaten auftreten, so ist es schwer zu entscheiden, ob sie wirkliche Verbindungen in be- stimmten Verhältnissen darstellen oder nur Gemenge sind.

Die schliesslich noch in der Gruppe der Glänze vorkommenden Tellur- verbindungen haben es auch mit Silber, Blei und Wismuth zu thun, während auch noch das Gold in die Reihe Glänze bildender Minerale tritt und selbst das Nickel ein hierher zu rechnendes Mineral in Verbindung mit Tellur bildet, wie in dieser Weise der Beyrichit (s. pag. 72) als Schwefelverbindung einen Glanz bildet. Als Tellurverbindungen, welche gegenüber den Selenverbindungen grösstentheils durch eine entschieden grössere Krystallisationstendenz ausgezeichnet sind, sind nachfolgende Species aufzuführen, welche jedoch im Allgemeinen seltene Vorkommnisse bilden, in technischer und wissenschaftlicher Beziehung wichtig sind.

29. Der Hessit, das Teil ursilber AgsTe, krystallisirt tesseral, bildet zum Theil, wie am Berge Botes im siebenbürgischen Bergrevier Zalathna flächenreiche Krystalle, welche wohl vorherrschend hexaedrisch ausgebildet vorkommen, aber auch oft unregelmässig linear ausgedehnt erscheinen. Gewöhnlich erscheint er derb bis eingesprengt mit krystallinisch-körniger Absonderung. Er ist dunkel- bleigrau bis stahlgrau, metallisch glänzend, undurchsichtig, etwas geschmeidig, hat H. = 2,5 3,0 und das spec. Gew. =8,13 8,45. Nach obiger Formel zu- sammengesetzt enthält er auch zum Theil etwas Gold als Stellvertreter des Silbers. Er ist im Glasrohre schmelzbar, ein Sublimat telluriger Säure bildend, schmilzt auf der Kohle v. d. L. leicht zu einer spröden tellurhaltigen Kugel und giebt einen weissen rothbesäumten Tellurbeschlag. Bei der Behandlung mit Soda und Kohlenpulver im Kolben bildet sich Tellurnatrium, welches in Wasser mit rother Farbe löslich ist. In erwärmter Salpetersäure ist er löslich und es scheidet sich nach einiger Zeit aus der Lösung krystallinisches tellurig- saures Silberoxyd.

Er wird bei reichlichem Vorkommen zur Gewinnung von Silber und (wenn er goldhaltig ist) auch von Gold benützt und findet sich ausser am oben ange- gebenen Fundorte bei Nagyag in Siebenbürgen, Rezbanya in Ungarn, auf der Grube Sawodinskoi am Altai in Russland, auf der Stanislaus-Grube in Calaveras- County in Californien und auf der Grube Condarioco in Chile.

30. Der Petzit, Tellurgoldsilber Ag8, Au8Te mit wechselndem Gold- und Silbergehalt, daher im spec. Gew. von 8,7 9,4 nach der Zunahme des Goldes an- steigend, gewöhnlich derb vorkommend und sonst ähnlich dem Hessit, wie die Vorkommnisse von Nagyag in Siebenbürgen, von der Stanislaus-Grube in Cala- veras County, von der Golden-Rule-Grube in Tuolumna County und von der Red-Cloud-Grube in Californien zeigen. Auch sie werden bei reichlichem Vor- kommen zur Gewinnung von Gold und Silber benützt.

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Mineralogie, Geologie und Paläontologie.

Reicher an Tellur ist der durch seine flächenreichen orthorhombischen, prismatischen bis tafelartigen Krystalle, welche vollkommen basisch spaltbar sind, ausgezeichnete Krenneri t von Nagyag in Siebenbürgen, welcher nach der Formel Ag, Au Te zusammengesetzt ist und das auffallend geringe spec. Gew. = 5,598 zeigt. Derselbe ist silberweiss bis stahlgrau, metallisch glänzend und undurchsichtig. Relativ noch reicher an Tellur ist der undeutlich (orthorhombisch) krystallisirende, auch körnig vorkommende bronzegelbe, metallisch glänzende, undurchsichtige, milde Calaverit von der Stanislaus-, Red-Cloud u. a. Gruben in Calaveras County in Californien, welcher bei H. = 2,5—3,0 das spec. Gew. «9,043 besitzt und der Formel AuTe, entsprechend auch etwas Silber enthält.

31. Eine wesentlich Gold und Silber enthaltende, an den Calaverit sich an- schliessende Species ist der seit langer Zeit bekannte Sylvanit, Au,AgTe8 von Offenbanya und Nagyag in Siebenbürgen (Transsylvania, daher der Name Sylvanit entlehnt), welcher sich durch seine flächenreichen klinorhombischen Krystalle auszeichnet Dieselben sind prismatisch bis tafelartig ausgebildet und durch zwillingsartige Verwachsung unterstützt zu eigenthümlichen, an orientalische Schrift- züge erinnernden Gruppen verwachsen, welche auf Gesteinsklüften aufliegend dem Minerale den Namen Schrifterz oder Schrifttellur verschafften. Er ist nach den Basis- und Längsflächen spaltbar und findet sich auch derb und eingesprengt. Er ist silberweiss, zinnweiss bis licht stahlgrau, auch lichtspeis- gelb, vielleicht durch Anlaufen, metallisch glänzend, undurchsichtig, milde, hat H. = 1,5—2,0 und spec. Gew. = 7,99—8,33. Im Glasrohre erhitzt giebt er ein Sublimat von telluriger Säure, schmilzt v. d. L. auf Kohle, einen weissen Beschlag bildend zu einer dunkelgrauen Kugel, welche nach längerem Blasen (um das Tellur zu verflüchtigen), leichter mit Soda geschmolzen ein geschmeidiges hellgelbes Korn von Silbergold giebt, welches im Momente des Erstarrens aufglüht. In Königswasser ist er löslich, Chlorsilber abscheidend, in Salpetersäure unter Aus- scheidung von Gold. In concentrirter Schwefelsäure erwärmt ertheilt er der- selben eine rothe Farbe, welche bei stärkerer Verdünnung wieder verschwindet Bei reichlichem Vorkommen wird er zur Gewinnung von Gold und Silber benützt.

32. Der Altait, das Tellur bl ei PbTe von der Grube Sawodinskoi am Altai in Russland, von Bontddu zwischen Dolgelly und Barmonth in Nordwales, aus dem Calaverasdistrict in Californien, von der Red-Cloud-Grube in Colorado in Nord-Amerika und von der Grube Condorioco in Chile, derb in krystallinischen körnigen Aggregaten vorkommend, oder eingesprengt, mit hexaedrischer Spalt- barkeit, also isomorph mit Galenit und Clausthalit, im Bruche uneben, zinnweiss, ins Gelbliche geneigt, metallisch glänzend, undurchsichtig, milde, mit H. = 2,0—2,5 und spec. Gew. = 8,1— 8,2 Im Glasrohre erhitzt, entsteht um die Probe ein Ring von weissen Tröpfchen und die sich entwickelnden Dämpfe geben ein weisses Sublimat, welches erhitzt schmilzt. V. d. L. auf Kohle erhitzt färbt er die Löthrohrflamme blau, schmilzt in der Reductionsflamme zu einer Kugel, welche sich fast gänzlich verflüchtigen lässt, während um dieselbe sich ein metallisch glänzender, in grösserer Entfernung ein bräunlichgelber Beschlag bildet. In Salpetersäure ist er löslich und die Lösung giebt bei Zusatz von Schwefelsäure einen reichlichen Niederschlag.

33. Eine relativ an Tellur reichere Verbindung des Blei mit Tellur bildet der früher für quadratisch gehaltene Nagyagit von Nagyag (daher der Name) und von Offenbanya in Siebenbürgen, welcher selten deutliche flächenreiche, durch die Längsflächen tafelartige orthorhombische Krystalle bildet, gewöhnlich nur in

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Glänze.

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Gestalt dünner Blätter vorkommt und daher Blättertellur genannt wurde. Er bildet auch derb und eingesprengt Aggregate mit blättriger Absonderung und ist parallel nach den Längsflächen, welche früher als quadratische Basisflächen an- gesehen wurden, vollkommen spaltbar, wobei die dünnen Blättchen biegsam sind. Er ist schwärzlich bleigrau, stark metallisch glänzend, undurchsichtig, sehr milde, hat die H. 1,0 1,5 und das spec. Gew. = 6,85 7,20. Er scheint wesentlich der Formel PbTe9 zu entsprechen, während die Analysen auch noch Gold, Silber, Kupfer, Schwefel und Antimon in verschiedener Menge neben Blei und Tellur finden Hessen. V. d. L. auf Kohle schmilzt er leicht, beschlägt die Kohle durch Bleioxyd gelb und in grösserer Entfernung weiss, welcher weisse Beschlag in der Reductionsflamme mit blaugrünem Lichtscheine verschwindet und hinterlässt nach längerm Blasen ein Gpldkorn; im Glasrohre erhitzt entwickelt er schweflige Säure und giebt ein weisses Sublimat. In Salpetersäure ist er unter Abscheidung von Gold auflöslich, in Königswasser unter Abscheidung von Chlorblei und Schwefel. Beim Erwärmen in concentrirter Schwefelsäure wird dieselbe trüb und bräunlich, dann hyazinthroth und bei Zusatz von Wasser scheidet sich ein schwärz- lichgrauer Niederschlag aus.

Im Hinblick auf die Selenverbindungen ist auch noch der seltene Coloradoit aus der Keystone-, Mountain -Lion- und Smuggler- Grube in Colorado in Nord- Amerika zu erwähnen, welcher Tellurmercur nach der Formel HgTe zusammen- gesetzt, analog dem Tiemannit (s. pag. 84) bildet. Derselbe fand sich derb mit undeutlich-körniger oder stengliger Absonderung, ist im Bruche uneben bis un- vollkommen muschlig, eisenschwarz bis stahlgrau, metallisch glänzend, undurch- sichtig, oft bunt angelaufen, hat die H. = 3,0 und das spec. Gew. = 8,63. Beim Erhitzen im Kolben v. d. L. decrepitirt er ein wenig, schmilzt und giebt ein starres Sublimat von Mercurtröpfchen und Tropfen von telluriger Säure, zunächst der Probe von metallischem Tellur. Auf der Kohle färbt er die Flamme grün und setzt einen weissen, beim weiteren Erhitzen flüchtigen Beschlag ab. In kochen- der Salpetersäure ist er löslich, tellurige Säure abscheidend.

Bemerkenswerth ist das seltene Tellurnickel Ni4Tev Melonit genannt, von der Stanislaus-Grube in Calaveras County in Califomien, welcher undeutlich körnige bis blättrige Parthien, auch sehr kleine hexagonale Tafeln mit voll- kommener basischer Spaltbarkeit bildet und röthlichweiss ist. In Salpetersäure löslich giebt er eine grüne Lösung, aus welcher sich beim Verdampfen Krystalle von telluriger Säure abscheiden und färbt v. d. L. auf Kohle behandelt die Flamme blau, einen weissen Beschlag absetzend und graulichgrünen Rückstand hinterlassend.

Schliesslich ist noch das Tellurwismuth zu erwähnen, BiaTe3, welches auch als eine isomorphe Mischung von Tellur und Wismuth angesehen wurde, weü diese beiden hexagonal krystallisiren und das Tellurwismuth gewöhnlich blättrig und in einer Richtung vollkommen spaltbar ist, basisch wie Wismuth. Da jedoch die reinsten Vorkommnisse, wie die aus den Goldgruben in Fluvanna- County in Virginien, von Dahlonega in Georgia und aus den Goldwäschen von Highland in Montana auf obige Formel führten und andere Vorkommnisse, welche gleichzeitig etwas Schwefel enthalten und nach der Formel Bi2Te3,Sj zusammengesetzt aufzufassen sind, wobei der Schwefel das Tellur z. Th. ersetzt, so kann man eine bestimmte Verbindung BisTea vorziehen. Die gleich- zeitig Schwefel enthaltenden Vorkommnisse, Tetradymit genannt, (von dem griechischen ttetradymos* vierfach, wegen der beobachteten Vierlinge spitzrhom-

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

boedrischer Krystalle, wie sie z. B. bei Schoubkau unweit Schemnitz in Ungarn vorkommen) scheinen noch häufiger zu sein, wie die Fundorte Orawitza in Ungarn, Whitehall in Spotsylvania County in Virginien, Washington in Davidson County und die Phönixgrube in Cabarras County in Nord -Carolina und die Uncel SamsgTube in Montana in Nord-Amerika zeigen. Sie sind zinnweiss bis stahl- grau, metallisch glänzend, besonders auf den vollkommen basischen Spaltungs- flächen, undurchsichtig, sind milde, dünne Blättchen biegsam, haben H. = 1,0—2,0 und spec. Gew. = 7,4 7,5 und finden sich oft derb, krystallisch-blättrige Aggregate bildend. V. d. L. auf Kohle schmelzen sie leicht unter Entwickelung schwefliger Säure, was bei dem schwefel freien Tellurwismuth nicht der Fall ist, die Kohle gelb und weiss beschlagend und ein Metallkorn gebend, welches fast gänzlich verflüchtigt werden kann. In Salpetersäure löslich, Schwefel abscheidend.

Die Gletscher

von

Professor Dr. A. v. Lasaulx.

Gletscher sind stromähnlich sich fortbewegende Eismassen von oft ungeheurerAusdehnung und Mächtigkeit, die in sogen. Firnschnee- feldern entspringen und daraus genährt werden. Die Gletscher sind eines der bemerkenswerthesten Werkzeuge der an der Oberfläche der Erde wirk- samen dynamisch-geologischen Kräfte.

Ihre Thätigkeit ist aber eine zweifache, erstens hervorgehend aus der un- mittelbaren mechanischen Einwirkung auf ihre Unterlage und die Seitenwände ihres Bettes und zweitens bedingt durch die Fortbewegung und Translocirung von Gesteinstrümmern in ihrem Bereiche.

Die Bedingungen ihrer Entstehung, ihre Beschaffenheit und die Gesetze ihrer Bewegung in der Gegenwart bieten den Schlüssel zum Verständniss ihrer heutigen und ihrer vergangenen Verbreitung und geologischen Bedeutung.

Die Gesammtheit aller Erscheinungen, welche durch die Thätigkeit der Gletscher jetzt und in früheren geologischen Epochen erzeugt worden sind, pflegt man als dasGlacial- oder Gletscherphänomen zu bezeichnen. Die Wichtig- keit, Grossartigkeit und allgemeine Verbreitung desselben hat eine ausgedehnte wissenschaftliche Literatur hervorgerufen. Man spricht mit Recht von einem selbst- ständigen Zweige der Geologie: Der Glacialgeologie.

Die erste Bedingung zur Bildung von Gletschern ist das Vorhandensein reichlicher, ausdauernder Schneemassen. Diese wiederum sind abhängig von einer ergiebigen, durch die Wärme bedingten Verdunstung in den Gegenden, aus denen die Winde dem Gletschergebiete die Niederschläge zuführen, von dem Vorhandensein von Gebirgen, welche auf diese Niederschläge eine con- densirende Wirkung ausüben und endlich von der hinlänglichen Erkaltung der Atmosphäre, um die Niederschläge als Schnee zum Fallen zu bringen. Die- selben Bedingungen sind es auch, die mit der Breitenlage eines Ortes die Höhe der sogen, ewigen Schneegrenze für denselben bestimmen.

Die Lage der ewigen Schneegrenze fällt keinesweges überall mit der dem Null- grade der Temperatur entsprechenden isothermalen Linie zusammen, sondern ist sehr verschieden, auch bei gleicher geographischer Breite, je nach der Menge der Nieder- schläge. Auf den südlichen Abhängen des Himalaya liegt trotz der wärmeren Lage die

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Die Gletscher.

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Schneegrenze um 800 Meter tiefer als auf der kälteren nördlichen Seite, weil die mit Dämpfen gesättigten Luftströmungen vom Golf von Bengalen reichliche Nieder- schläge auf die südliche Seite des Gebirges bringen. Aehnliche Unterschiede zeigen die Alpen, die norwegischen Gebirge, der Kaukasus u. a. In den Alpen hält sich die ewige Schneegrenze noch über der isothermalen Linie von 40, ohne Zweifel wegen der verhältnissmässig geringen Menge von Niederschlägen; am Aequator hingegen, mit dem grossen Reichthum an solchen, steigt die untere Grenze des ewigen Schnees bis zu der Isotherme von -r-i°5 hinab. In den po- laren Gegenden steigt dort, wo trockene Kälte herrscht, oft diese Grenze bis zu der Isotherme von hinauf.

Da von der Höhe der Grenze des ewigen Schnees die Bildung und Aus- dehnung der hier entspringenden Gletscher in einer gewissen Abhängigkeit steht, andererseits jene und die Möglichkeit der Bildung dieser auch von der Menge der Niederschläge, so wird es von vorn herein klar, dass keinesweges niedrige Temperatur allein das Glacialphänomen zu erklären vermag.

Aber die Gletscher sind doch noch etwas ganz anderes als ewiger Schnee. In den grössten Höhen über der Schneegrenze bildet der Schnee einen feinen, flockigen, krystallinischen Staub, so wie wir ihn an recht kalten Wintertagen fallen sehen. Erst tiefer abwärts nimmt der Schnee in den Hochgebirgen die Beschaffen- heit an, die man im Deutschen als Firnschnee bezeichnet. Dieser geht aus dem losen Schnee durch den Druck mächtiger Anhäufung zugleich verbunden mit einer durch die Insolation bewirkten Umschmelzung hervor. Daher auch die Umwandlung des Schnees in Firnschnee nur unterhalb gewisser Höhen erfolgen kann, dort wo die Sonnenwärme einzudringen und eine theilweise Schmelzung im Flockenschnee hervorzurufen vermag.

Der Firnschnee ist ein Aggregat wenig zusammenhängender Eiskörner, die aus der Umschmelzung und Pressung der ursprünglichen Flocken hervorgingen. Die stattgefundene Verdichtung lässt sich deutlich daran erkennen, dass 1 Cbmeter Flockenschnee nur 85 Kilos, dagegen ein solcher von Firnschnee 5 600 Kilos wiegt.1) Diese Verdichtung nimmt nach der Tiefe einer Firnschneemasse zu. Die Beschaffenheit der Körner wird fester und ihre Vereinigung dichter und end- lich geht daraus ein milchig aussehendes, viele Luftblasen umschliessendes, aber fast compactes Eis hervor, dessen Cbmeter nun 900—1000 Kilos Gewicht hat. Jetzt ist die Firnschneemasse schon zu Gletschereis geworden. Dieses nimmt aber nach der Tiefe immer noch an compacter Beschaffenheit zu und erscheint end- lich als bläuliches, fast durchsichtiges, homogenes Eis. Gleichwohl hat dasselbe in gewissem Grade seine körnige Struktur bewahrt, wie es die optischen Unter- suchungen des Gletschereises durch Klocke darthun.2) Auch durch künstliche Färbung des Eises mit blauen oder violetten (Anilin) Lösungen kann die körnige Struktur des anscheinend homogenen Eises wieder sichtbar gemacht werden.8)

Die Firnschneemassen sind demnach die Quelle der Gletscher. Je nachdem sich jene in geeigneten grösseren Vertiefungen oder Thalmulden, wie in Reservoirs anzusammeln vermögen, oder nur auf den flachen, wenn auch steilen Gehängen lagern, bilden sich entweder Gletscher 1. Ordnung oder solche 2. Ordnung. Jene ergiessen sich aus den Firnreservoirs durch die Thäler abwärts und sind durch deren Form in ihren Dimensionen bedingt, diese, meist breiter als lang,

') Ch. Martins, Von Spitzbergen bis zur Sahara, pag. 341.

*) N. Jahrb. für Mineral. 1881. I. pag. 23.

3) Grad und Dlprk, Club, alpin frangais. 1874. pag. 444.

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Mineralogie, Geologie und PaUeontologie.

sind mehr Eisplatten an steilen Felsenwänden hängend, als eigentliche Eis- ströme. Vornehmlich die Gletscher i. Ordnung haben geologische Bedeutung.

BeimAustritte aus dem Firnreservoir entsteht der eigentliche Gletscherstrom, der sich von hier aus abwärts bewegt und in seiner Ausdehnung abhängt von der Ernährung im Firnschneefelde und dein Maasse des Abschmelzens über seine Eismasse hin.

Die Ernährung beruht, wie schon aus dem Vorhergehenden folgt, auf dem Zuwachs an Schnee und Firnschnee. Jedes Jahr liefert einen bestimmten, aller- dings sehr variabeln Beitrag, der nach seiner Bedeckung durch nachfolgende Jahresschichten in der Masse des eigentlichen Gletschereises noch lange als eine besondere Schicht sichtbar bleibt. So ist der ganze Bau eines Gletschers schon an und für sich als ein geschichteter zu bezeichnen, ynd diese Schichtung oder lagenförmige Struktur wird noch mehr ausgeprägt und z. Th. fast schiefrig voll- kommen durch den mechanischen Druck, den die Eismasse auf ihre eigenen tieferen Lagen ausübt. Die Deutlichkeit der Schichtung wird nicht nur erhöht durch Schlamm- und Sandlagen, welche die jährlichen Intervalle in den Nieder- schlägen und somit die Oberfläche der jährlichen Firn- und Eisstraten bezeichnen, sondern auch durch deutliche Strukturunterschiede in den verschiedenen, nur wenige Zoll mächtigen Lagen, die mit einander wechseln.

Die Form der einzelnen Lagen ist von den Conturen der Unterlage, des Gletscherbettes abhängig, daher meist eine muldenförmige. Mit der Bewegung der Gletschermasse vermag jedoch ihre Gestalt mannigfach zu variiren.

Wenn nicht der Gletscher, aus dem Fimschneereservoir austretend, in seinen unteren Theilen einer Abschmelzung unterläge, würde die Anhäufung ins Unend- liche zunehmen. Das Verhältniss von Ernährung und Abschmelzen regulirt also das Maass des Wachsthums der eigentlichen Gletschermasse.

Die Abschmelzung erfolgt aber durch verschiedene Ursachen. Forel hat dieselben genauer untersucht und festgestellt.1) Eine oberflächliche Schmelzung findet statt durch die directe Berührung mit wärmerer Luft, durch die Sonnen- strahlen, sowie auch durch die freiwerdende latente Wärme, wenn der in der Luft enthaltene Wasserdampf sich auf der Oberfläche des Eises condensirt. Eine innere Schmelzung erfolgt auch durch das Eindringen der Wärmestrahlen in das Eis. Gleichzeitig an der Oberfläche und im Inneren verursacht der auffallende und eindringende warme Reger Schmelzung. An der Unterfläche schmilzt der Gletscher durch die Berührung mit dem felsigen Boden, dessen Temperatur eine höhere ist als die des Gefrierpunktes. Endlich aber verdunstet das Eis direct in einer Luft, deren Sättigungspunkt niedriger liegt, ab die Tem- peratur dieser.

Das Maass der Abschmelzung nimmt mit der tieferen Lage des Eisstromes zu und ist daher am grössten am unteren Knde des Gletschers. Je nach den Umständen vermag es für verschiedene Gletscher und für denselben Gletscher an verschiedenen Stellen sehr variabele Werthe anzunehmen. An einigen Gletschern der Schweizer Alpen gehen durch Abschmelzen am unteren Ende 6 8 Meter Eis jährlich verloren.

Das Gesammtvolumcn eines Gletschers ist demnach das Resultat des jedes- maligen Verhältnisses von Ernährung und Abschmelzung; halten sich beide das Gleichgewicht, so bleibt jenes constant. Das ist in der Regel aber nicht der

') Echo des Alpes 1881, pag. 22.

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Fall. Daraus folgt die wichtigste Erscheinung im ganzen Gletscherphänomen, die des Wachsthums oder des Schwindens, des Vorrückens oder des Zurück- weichens der Gletscherenden.

Hiervon unabhängig ist die eigentliche Bewegung der Gletscher. Sie füllen die aus den Firnschneereservoirs abwärts führenden Thäler in ganzer Breite bis zu beträchtlicher Höhe aus und gleiten in denselben unaufhaltsam thalabwärts. Diese Erscheinung ist den Bergbewohnern eine altbekannte. Gegen- stände, die auf den oberen Theilen eines Gletschers liegen blieben, fand man später tief unten auf dem Gletscher wieder. In dieser Bewegung der Gletscher liegt der grösste Theil ihrer Bedeutung als Mittel geologischer Anhäufung und Translocirung.

Die Ursache und die Gesetze der Gletscherbewegung sind der Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen. Auf dem Eise eingepflanzte Signalpflöcke und Stangen werden von beiden Ufern des Stromes aus mit für die kleinsten Bewegungen angepassten Messinstrumenten, Theodoliten, beobachtet und ihr Vor- rücken, sowie die Aenderungen ihrer gegenseitigen Stellung gemessen. So fand man, dass die Fortbewegung des Eises gleichen Gesetzen folgt, wie «He des Wassers in einem Flusse: die Bewegung ist schneller in der Mitte als an den Rändern, schneller an der Oberfläche, als auf dem Grunde. Die Schnelligkeit der Bewegung nimmt zu in den Stromengen, sie nimmt ab in den Erweiterungen. Bei den Biegungen liegt das Maximum der Geschwindigkeit an der Seite des coneaven Ufers.

Die Schmutzbänder auf der Oberfläche eines Gletschers bilden zungenfönnig abwärts sich vorstreckende Linien, deren convexe Spitzen das grössere Maass der Bewegung im Centium, die zurückbleibenden nach vorne convergirenden Schenkel die Verzögerung derselben längs der Uferränder ausdrücken. Die Geschwindigkeit eines Gletschers an der Oberfläche schwankt von 0,025 Meter bis zu 1,25 Meter in 24 Stunden1). Die Geschwindigkeit der grossen Flüsse Ubersteigt aber meistens 1 Meter in der Secunde, ist also mindestens ca. 70 000 mal grösser.

Beim Gletscher hängt die Bewegung auch von der Temperatur ab, sie ist im Winter und in der Nacht geringer als am Tage. Sie hängt also mit dem grösseren Maasse des Abschmelzens zusammen und kann sonach nicht die blosse Folgj einer Ausdehnung der Eismasse durch Gefrieren des Wassers in seinen Spalten sein.

Die Bewegung des Gletschers ist ermöglicht durch eine Art von plastischem Verhalten des Eises, das durch die Regelation und durch die gelockert körnige Beschaffenheit des meist in einer Temperatur über dem Gefrierpunkt befindlichen, daher partieller Schmelzung unterliegenden Gletschereises im höchsten Maasse gesteigert werden kann.

Es verhält sich in der That das Eis ganz analog wie die zu den seltsamsten Verschlingungen zusammengestauchten Gesteine, deren ebenfalls scheinbar plastisches Verhalten im Artikel »Gebirge« näher erörtert ist So ist auch bei dem Eise das Maass wirklicher Plasticität nur ein sehr geringes, aber das unter dem mechanischen Drucke der eigenen abwärts ziehenden Schwere erfolgende Biegen der Eismasse, führt doch nicht zu einer Zertrümmerung derselben, da die in den kleinsten Theilchen erfolgende Zerbrechung und Lockerung durch un- mittelbar und schnell erfolgendes Wiedergefrieren ausheilt Das zeigen die Ev

') Lapparknt, Geologie, pag. 258.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

perimente von Helmholtz und Tyndall, die Eisstücke in beliebige Formen zu pressen vermochten und zuerst die Erklärung der Bewegung durch die sogen. Regelation gaben. Auch zu diesen Versuchen ist allerdings eine Temperatur am günstigsten, die über dem Gefrierpunkt liegt.

Wenn aber in einer durchaus körnig zusammengesetzten Eismasse, wie dem Gletschereis, zwischen den einzelnen Körnern eine Schmelzung durch hinein- filtrirendes Wasser erfolgt und unzählige Capillarröhrchen die Wege dieser Schmelzung andeuten, dann ist auch hierdurch eine gewisse Beweglichkeit der Eismasse verständlich.

Diese scheinbar plastische Beschaffenheit des Eises, durch das Zusammen- wirken mehrerer Bedingungen hervorgerufen, wird nun dadurch die Ursache der Gletscherbewegung, dass sie ein Nachgeben unter dem Einflüsse der Schwere in den einzelnen Theilen des Eises gestattet. Dadurch gleiten dieselben auf ab- schüssiger, selbst auf nur sehr schwach geneigter Unterlage abwärts und die tieferen Theile des Eises werden unter der Belastung der oberen heraus- und vorwärtsgequetscht.

Nun wird das Nachgeben, wie Heim hervorhebt, aber noch durch folgende Erscheinungen vermehrt. Unter hohem Drucke sinkt der Gefrierpunkt des Wassers; bei sehr hohem Drucke, der auf das Eis wirkt, findet daher eine theil- weise Schmelzung des Eises zu Wasser von unter Null Grad statt. Dieses wird herausgepresst und die thalaufwärts gelegenen, abwärts drückenden Eismassen rücken um den Betrag der Volumverminderung nach.

Das ausgequetschte Wasser treibt auf seinem Wege einen Theil der im Gletschereise so häufigen Luftblasen aus und nimmt deren Stelle ein. Vom Drucke frei, gefriert es wieder, da seine Temperatur unter Null liegt. So wird das Eis körniger und dichter und einerseits gewinnt der Gletscher an Dichte, was er an Volumen verliert, andererseits wird dadurch eine auf der Druckrichtung senkrecht stehende Bänderung erzeugt.

So bewegt sich der Gletscher also auf seiner Unterlage wesentlich nur durch die Kraft seiner eigenen Schwere und die Bewegung wird vermittelt durch eine, wenn auch sehr geringe Plasticität des Eises, durch Zerbrechen und Wiederver- frieren dessen kleinster Theilchen (Regelation), durch Verflüssigung eines Theiles des Eises und Lockerung desselben durch Gletscherkorn- und Haarspalten- bildung.

Dass die letzteren Umstände jedenfalls wirksamer sind, als eine eigentliche Plasticität des Eises und dass diese gegenüber Erschütterungen oder Zug so gut wie ganz fehlt, das zeigen am besten die mannigfachen und ausgedehnten Zer- reissungen und Spaltenbildungen in einer Gletschermasse. Sie sind eine der charakteristischsten und nie fehlenden Erscheinungen der Gletscher. Drei Arten von Spalten sind vornehmlich zu unterscheiden: Querspalten, Längsspalten und Stirnspalten.

Die Querspalten entstehen dadurch, dass der Gletscher über eine in der Richtung seines Gleitens auf- oder abwärts gebogene Unterfläche sich hinbewegt. Im ersteren Falle sind seine äusseren, oberen Theile einer starken Dehnung unterworfen und zerreissen daher in Spalten, welche normal oder quer gestellt sind zur Bewegungsrichtung. Die Spalten sind am breitesten an der Oberfläche und verengen sich keilförmig nach unten. Im zweiten Falle, wo die Unterlage eine Concavität bildet, unterliegen die tiefsten Theile des Eises der stärksten Dehnung. Die sich wiederum quer zur Thalrichtung bildenden Spalten, steigen

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sich verengend vom Boden des Gletschers empor und erreichen meist dessen Oberfläche gar nicht. Aus der Vereinigung von Spalten beiderlei Art entstehen Querspalten, welche mit oft weit klaffender Oeffnung die ganze Mächtigkeit des Gletschers von oben bis unten durchsetzen.

Aber auch durch die ungleichmässige Fortbewegung der einzelnen Theile der Oberfläche eines Gletschers entstehen Querspaiten. Da die Mitte sich schneller bewegt als die beiden Ränder, so unterliegt also das Eis in der Mitte einem stärkeren Zuge. Dieser bewirkt, dass von den Rändern des Gletschers aus Spalten einreissen, die am Rande breiter, nach der Mitte sich verengen, nach rückwärts von beiden Seiten convergiren, meistens gebogen erscheinen und demnach eine Curve bilden, die entgegengesetzt gerichtet ist der Curve, welche die Schmutz- bänder auf der Oberfläche des Gletschers in Folge der schnelleren Bewegung der Mitte bilden (pag. 91). Diese Spalten sind als marginale oder Randquer- spalten von den erstbeschriebenen noch zu unterscheiden.

Längsspalten, d.h. solche, die in der Richtung der Fortbewegung liegen, entstehen da, wo das Bett des Gletschers eine Erweiterung oder eine Verengerung erfahrt. Im ersten Falle wird das Eis gezwungen, an der Oberfläche sich auszu- dehnen, die Zugkraft wirkt also normal zur Thalrichtung und dieser parallel liegen demnach die entstehenden Spalten. Ist der Gletscher gezwungen, durch eine Verengung der Thalwände hindurchzugehen, so erleidet er eine starke Pressung, eine Art Auswalzung, die ebenfalls zu Zerreissungen im Sinne der Bewegung führt.

Die Stirnspalten entstehen nach Art der gewöhnlichen Querspaiten am unteren Ende oder der Stirn des Gletschers, indem hier die oberen Theile sich fächerförmig nach unten zu neigen vermögen und hierdurch das Eis in eine Reihe mehr und mehr geneigter, steiler Platten mit zwischen diesen eindringenden Spalten gegliedert wird.

Wo plötzliche Abstürze und Terrassen im Thalgrunde vom Gletscher über- schritten werden, da findet eine vollkommene Zertrümmerung der Eismasse statt, es bildet sich eine wahre Eiscascade. Die sich kreuzenden Spaltensysteme lassen zwischen sich vielförmige Eispolyeder, Eisthürme, Eisnadeln u. dergl.

Ueberhaupt hängt das Maass der Zertrümmerung einer Gletschermasse von den Neigungsverhältnissen des Thalbodens ab. Die durchschnittliche Neigung kann sehr verschieden sein. Am Mer de Glace bei Chamonix beträgt sie nur 5—6°, der mächtige Aletschgletscher besitzt nur 3— 40 Neigung, dagegen die Gletscher am M. Rosa und Finsteraarhorn stellenweise bis zu 20° und andere sogen, hängende Gletscher bilden bis zu 50° aufgerichtete Eisplatten. Auch die Mächtigkeit der Gletscher hängt ausser von den vorhin besprochenen Verhält- nissen der Ernährung und des Abschmelzens von den Relief bedingungen ihres Bettes ab.

Der Querschnitt eines Gletschers zeigt im Allgemeinen eine nach oben con- vexe Linie. Es hat das in der Aufwölbung der Eismassen zwischen den Thal- wänden und ferner darin seinen Grund, dass längs der Ufer unter dem Einflüsse der erwärmten Felswände die Abschmelzung am stärksten ist. Nur seltener ist das Umgekehrte der Fall, wenn die auf beiden Rändern in ganz besonders grosser Menge sich aufschüttenden Gesteinstrümmer hier das Eis vor der directen Bestrahlung durch die Sonne schützen und dann das Maass der Abschmelzung in der Mitte des Gletschers grösser ist. Sein Profil wird dann concav, wie es z. B. am Vemagtgletscher im Oetzthale sich darbietet.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Das in Folge der Abschmelzung des Gletschers entstehende Wasser fliesst durch die Spalten und durch selbsterweiterte, röhrenähnliche Canäle (Gletscher- mühlen) der Unterfläche des Gletschers zu, um dann an dieser sich einen Weg zu bahnen und endlich durch eine in der Regel höhlenförmig erweiterte Oeffnung, das Gletscherthor, als ein kräftiger Bach hervorzubrechen. Die trübe, gelblich- weisse Färbung des Wassers zeigt, dass dasselbe reichlich mit suspendirten, festen Bestandteilen beladen ist. Auch die von Gletscherwasser gespeisten Seen in den Alpen haben diese Farbe des Wassers, daher die mehrfach vorkommende Benennung als weisser See im Gegensatze zu den schwarzen Seen, deren klares, tiefgrünes Wasser nicht aus einem Gletscher kommt. So unter anderen bei dem lago bianco und lago nero, die dicht nebeneinander auf der Passhöhe des . Bemina liegen. In den ersteren fliesst das weissliche Wasser des Cambrena- gletschers.

Die untere Grenze eines Gletschers, sein Ende, kann in sehr verschiedener Höhe liegen. Es hängt das davon ab, in welchem Niveau für die geographische Lage eines Gletschers sich der Zuwachs an Gletschermasse und der Verlust durch Abschmelzen das Gleichgewicht hält.

Nach dem, was im Vorhergehenden über die untere Grenze des ewigen Schnees gesagt wurde, ist es verständlich, dass auch die Gletscherenden selbst für dieselben Gegenden in sehr verschiedener Höhe liegen können. In den polaren Gegenden schreiten dieselben bis zum Meeresniveau herunter; die Schmelzlinie der Gletscher des tropischen Amerika liegt im Allgemeinen in einer Höhe von 4000 5000 Meter, in den Alpen geht sie bis zu 1700 Meter Höhe hinab, in Norwegen, unter 60 61 0 nördlicher Breite, bis zu 3—400 Meter.

Da aber die Verhältnisse der Temperaturen und der Niederschläge in den auf- einanderfolgenden Jahren keinesweges für ein Gebiet constant sind, sondern oft eine sehr bedeutende Verschiedenheit aufweisen, so gehen daraus für den Haushalt der Gletscher, d. i. das Verhältniss von Zuwachs im Firnreservoir und Abschmelzung im Gletschergebiete ebenfalls sehr bedeutende Schwankungen hervor, die in einer Auf- und Abwärtsbewegung des Gletscherendes, der Gletscherstirn, sich äussern. So lange über die Ausdehnung der Gletscher z. B. im Bereiche der Alpen historische Nachrichten zurückreichen, bestätigen dieselben, dass die Gletscher solchen Schwankungen oder Oscillationen unterworfen waren, wodurch in dem einen Falle ihr Ende vorrückt, im anderen Falle sich zurückzieht: >der Gletscher stösst oder schwindet«, nennt es der Volksmund. Oit ist dieses Vor- oder Zurück- gehen ein hinlänglich bedeutendes, um es schon im Zeiträume weniger Jahre nach langen Strecken messen zu können.

Wie sehr aber anscheinend im Ganzen gleiche atmosphärische Verhältnisse doch in sehr verschiedener Weise zur Wirkung kommen können, auch bei garu nahe gelegenen Gletschern, das zeigt unter anderen das Beispiel der aus demselben Gebirgsmassiv niedergehenden beiden Gletscher, des Gornergletschers und des Findelengletschers, die nur durch den Kamm des Riffelhorns und Gornergrats von einander getrennt sind. Der erstere war noch im Jahre 1859 im Vorschreiten begriffen, während der letztere schon mit dem Jahre 1854 zurückzuweichen begann. Aber diese Discordanz war in Wirklichkeit nur eine scheinbare, und Gruner wies schon zutreffend darauf hin, dass nur der eine Gletscher hinter dem anderen in Folge einer geringeren Empfindlichkeit gegen die allgemeine Ein- wirkung der atmosphärischen Bedingungen zurückgeblieben sei1). Es besitzt in

l) BulL de U Soc. geol. de France, 3. Serie, IV. pag. 73, auch Lafpaaznt, Geologie, pag. 379.

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der That der Gornergletscher ein Firnschneereservoir von grosser Ausdehnung, das ihm lange unverändert Nahrung zuzuführen vermag und zudem ist er in engem Bette fast ganz von Moränen zugedeckt und so dem Einflüsse der Sonnen- strahlen entzogen. Dagegen ist der Findelengletscher überhaupt viel kleiner und schlecht gegen die Sonne geschützt, sowohl durch seine Lage, als auch durch den Mangel an bedeckendem Schuttmaterial. So müssen sich in ihm die Schwankungen in den klimatischen Bedingungen sehr viel schneller bemerkbar machen als an dem Gornergletscher. In der That begann auch für diesen, nach einer bis zum Jahre 1860 fortdauernden Periode des Vorrückens, welches mehr und mehr abnahm und zuletzt unmerkbar wurde, mit den folgenden Jahren eine rückwärts gerichtete Bewegung, die aber erst im Jahre 1866 deutlich warnehmbar und erst im Jahre 1875 eine bedeutende geworden war. Der Rückgang der Gletscher entsprach einer Periode der Abnahme der Niederschläge im Winter, die schon vor dem Jahre 1854 begonnen hatte und noch bis zum Jahre 1875 fortdauerte. Jedenfalls würde aber, wenn der entgegengesetzte Fall eintritt, dass durch eine periodische Steigerung in den Schneefällen ein Vorsclireiten der Gletscher veranlasst wird, auch dann der Findelengletscher diese Bewegung wieder fTÜher beginnen, als der Gornergletscher, dieser gegen jenen wiederum zurückbleiben.

Nach den Beobachtungen von Forel kann für die verschiedenen Gletscher der Schweiz ein Zwischenraum von 20 Jahren bestehen bezüglich des Anfanges einer Periode des Vor- oder Zurückgehens, welche durch dieselbe klimatische Periode eingeleitet wird. Der Rückgang der Gletscher am Mont Blanc fing schon im Jahre 1854 an, der Rhonegletscher ging erst im Jahre 1857, der Aletsch- gletscher 1860, der Unteraargletscher erst 187 1 zurück. Aber in den Jahren 1872 74 waren alle Gletscher der Schweiz ohne Ausnahme im Rückgange be- griffen, sowie sie auch alle zugleich in den Jahren 1817 und 18 im Vorgehen gewesen waren. Das zeigt auch am besten, dass gemeinsame klimatische Ursachen diese Bewegungen bedingen, für welche nur durch besondere Umstände die einen Gletscher eine schnellere Nachgiebigkeit besitzen, als die anderen1).

In welchem Maasse diese periodischen Schwankungen der Gletscherausdehnung sich vollziehen können, darauf wird noch im Folgenden, wo von der grossen Ver- breitung und Ausdehnung der Gletscher in früheren Perioden die Rede sein wird, zurückzukommen sein. Jedenfalls ist in dieser Erscheinung vor Allem die geologische Bedeutung des Glacialphänomens begründet.

Auf der doppelten Art der Bewegungen, die ein Gletscher ausübt, einmal der fliessenden oder gleitenden Bewegung der Eismasse in sich, dann auf dem Vorrücken oder Zurückgehen des Gletscherendes, welches von jener vollkommen unabhängig ist und nicht damit verwechselt werden darf, beruht aber die mechanische Einwirkung des Gletschers auf die Wände seines Bettes und die Fähigkeit der Translocirung enormer Schuttmassen innerhalb seines Bereiches. Das wurde schon am Anfange des Artikels als seine eigentlich geologische Thätigkeit bezeichnet.

Ueberall wo ein Gletscher zwischen nackten Felswänden sich abwärts bewegt, werden die aus der Verwitterung derselben hervorgehenden Schuttmassen auf beiden Rändern des Gletschers sich ablagern. Der Frost des Winters, der schnelle

l) Lapparknt, Geologie pag. a8o.

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Mineralogie, Geologie und Pakeontologie.

Wechsel von Kalt und Warm, intensive Regengüsse steigern an steilen Felswänden die Zertrümmerung sehr beträchtlich, und ungeheure Massen von Gesteinsblöcken und kleineren Trümmern stürzen daher auf den Gletscher nieder. In Folge seiner langsamen Abwärtsbewegung werden diese Trümmermassen zu langen Zügen auf beiden Seiten des Gletschers angeordnet, die man seine Seiten- raoränen nennt. Oft lassen sie eine breite unbedeckte Gletscherzone zwischen sich, wo aber der Gletscher schmal ist, vermögen sie auch, in der Mitte sich berührend, seine ganze Oberfläche mit Trümmern zu überschütten.

Wenn zwei Gletscher sich vereinigen, so bildet die rechte Seitenmoräne des einen mit der linken Seitenmoräne des anderen nach der Vereinigung einen ein- zigen mittleren Trümmerzug: eine Mittelmoräne. Diese bezeichnet weithin abwärts noch die Grenze der beiden Zuflüsse in dem gemeinsamen Hauptstrome. Eine Mittelmoräne bildet also immer einen longitudinalen Schuttrücken inmitten der Gletscheroberfläche. Wo mehrere Seitengletscher sich zu einem einzigen ver- einigen, bilden sich auch mehrere Mittelmoränen. Aus der Vereinigung mehrerer Mittelmoränen gehen ganz besonders mächtige longitudinale Schuttrücken her- vor und der Gletscher selbst, der durch dieselben auch noch vor dem Ab- schmelzen geschützt wird, besitzt dann oft in diesen Theilen eine um 10—25 Meter grössere Höhe als zu beiden Seiten. Dieser Schutz gegen die abschmelzende Ein- wirkung der Sonnenstrahlen, welche die Moränen dem Eise unter ihnen ge- währen, ist überhaupt der Grund, warum die Schuttanhäufungen höher aufragen, als dieses in der blossen Masse ihres Gesteinshaufwerkes bedingt ist.

Auf der schützenden Einwirkung, welche grössere Blöcke gegen die Sonnen- strahlen ausüben, beruhen auch die sogen. Gletschertische. Es sind Felsblöcke ott von gigantischen Dimensionen, die von einem Eisstiele getragen werden. Dieser letztere ist beim Abschmelzen der Eisfläche rings umher unter dem Blocke, der jetzt die Tischplatte bildet, stehen geblieben. Die schräg und einseitig einfallen- den Sonnenstrahlen bewirken, dass dieser Stiel an der einen Seite zuerst fort- schmilzt; der Block kommt in eine schräge Stellung, bekommt endlich das Uebergewicht und stürzt nach der Sonnen- oder Mittagsseite herunter, um dann nach und nach auf einem neuen Stiele wieder aufzusteigen.

Die ganzen gewaltigen Anhäufungen und der Transport von Schuttmassen in den Seiten- und Mittelmoränen findet aber sein natürliches Ende an der Stirn des Gletschers. Hier legt er seine ganze Belastung in der Form einer End- oder Stirnmoräne nieder, die natürlich eine um so mächtigere Aufschüttung bilden muss, als hier das gesammte auf dem ganzen Wege des Gletschers aufge- nommene Material zusammenkommt.

Die Stirnmoräne bildet einen nach unten etwas vorgebogenen Querwall, je nach der Vertheilung der Moränen auf dem Gletscher mächtiger in der Mitte oder an den Seiten. Oft reisst ein starker Gletscherbach die Endmoräne auch in der Mitte auseinander und so entsteht ein sich rechts und links ausbreitendes Trümmerfeld, das sich mit den Sandablagerungen des Baches mischt.

Ein grosser Theil des auf den Gletscher niederfallenden Gesteinstrümmer materiales gelangt aber während der Abwärtsbewegung auch in die zahlreichen Gletscherspalten und durch diese auf die Unterlage des Gletschers. Hier häuft sich dieses Material zu der Grundmoräne zusammen. Für die glaciale Geo- logie und insbesondere für die Beweise einer früheren Gletscherausdehnung sind gerade diese Grundmoränen ein sehr wichtiges Element. Charles Martins hat ihre

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Die Gletscher.

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Beschaffenheit und Bedeutung zuerst richtig geschildert1). Zwischen dem Boden und der Unterfläche des Gletschers findet sich nach ihm ein Lager von Ge- schieben und feinem mit Wasser imprägnirtem Sand. Entfernt man dieses Lager, so erkennt man, dass das unterliegende Gestein durch die Reibung geglättet, polirt, abgenutzt und mit geradlinigen Kritzen bedeckt ist, welche wie mit einem Grabstichel eingravirt erscheinen. Der Mechanismus, durch weichen diese Kritzen eingegraben sind, ist derselbe, den die Industrie anwendet, um Steine oder Metalle zu poliren. Man bedient sich dazu eines Schleifpulvers. Das Lager von Geschieben und Schlamm zwischen Gletscher und Untergrund ist das Schleif- pulver. Die Masse des Gletschers, welche das Schlammlager fortwährend drückt und bewegt, indem sie selbst abwärts gleitet, ist die Hand des Polirers. Daher sind die Kritzen in dem Sinne der Gletscherbewegung gerichtet, aber da diese localen seitlichen Abweichungen unterworfen ist, so kreuzen sich auch die Schrammen und schneiden sich unter verschiedenen Winkeln. Auch zwischen die Seitenwände des Gletschers und die Thalwände gerathen zahlreiche Gesteins- trümmer. Alle diese, zwischen Fels und Gletscher eingeengt, werden von der unauthörlich wirkenden Presse gedrückt, gestossen und zerrieben. Sie werden zu feinem Schlamm zermalmt oder wenn sie länger Widerstand zu leisten ver- mögen, so werden doch die Ecken abgestossen, die scharfen Kanten runden sich ab und die Trümmerstückc nehmen die Gestalt von Flussgeschieben an. Auch erhalten sie oft eine Menge in allen Richtungen sich kreuzender Kritzen; dieses zeigen am besten die wenig harten Kalksteine. Diese gek ritzten Geschiebe sind von grosser Bedeutung für das Studium der Ausdehnung alter Gletscher. »Es sind,« sagt Martins, »die abgenutzten Münzen, deren Gegenwart in fast unzweifel- hafter Weise die frühere Existenz eines verschwundenen Gletschers anzeigt.«

Alle diese zerriebenen, gerundeten und gekritzten Materialien gelangen durch die Bewegung des Gletschers allmählich an das untere Ende desselben und ver- einigen sich demnach hier mit seiner Endmoräne. Wirken hier die austretenden Gletscherwasser auf die herbeigeführten Materialien der Grundmoräne ein, indem sie dieselben auswaschen und in der Gestalt von Geröll, Kies, Sand und Schlamm forttransportiren, so kann auch ein flacher und aus nach vorne geneigten Schichten zusammengesetzter Schuttkegel entstehen, der eben in dieser Schichtung von der Struktur der gewöhnlichen Endmoräne abweicht8).

Soweit ist an diesen mechanischen und transportirenden Wirkungen des Gletschers nur seine fliessende Bewegung betheiligt. Es ist klar, dass wenn das Ende eines Gletschers immer an derselben Stelle liegen bliebe, dann hier allein die Anhäufung einer gewaltigen Endmoräne aus den Oberflächen- und Grund- moränen sich vollziehen würde. Hier greift aber nun die oscillatorische Vor- und Rückwärtsbewegung des Gletscherendes ganz bedeutend umgestaltend ein.

Ein vorrückender Gletscher schiebt noth wendig auch seine Endmoräne vor sich her. Die Grundmoräne wird sich kaum zu einem Walle aufzuthürmen ver- mögen, denn der Gletscher schiebt sich über dieselbe, zerstört sie und bedeckt sie aufs Neue. Alles Material, das die vorrückende Gletscherstirn auf dem Fels- grunde antrifft, der vor ihr gelegen ist, schiebt sie mit vor sich her und ver- einigt es mit dem Materiale, das auf und in dem Eise selbst abwärts wanderte.

') Revue des deux Mondes. 1847. I. pag. 704 vergl. auch Penk, Die Vergletschcrung der deutschen Alpen, pag. 34. *) Penk 1. c. pag. 117. Krnmgott, Mia., Ucol. u. Pal. II. 7

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Aber bei weiterem Vorrücken gerathen doch alle die Trümmermassen allmählich wieder unter das Eis und werden so zur Grundmoräne. Diese bleibt also immer das Hauptwerkzeug allen Gesteinstransportes.

Erst wenn nun der Gletscher beim Umsetzen seiner Vorwärtsbewegung in die rückwärtsgerichtete eine Zeit lang fast stationär bleibt, wie es das Beispiel des Gornergletschers pag. 95 zeigte, dann vermag sich erst wieder eine ordent- liche Endmoräne anzuhäufen. Die äusserste Endmoräne, die ein Gletscher zurück- gelassen hat, ist nothwendig auch die älteste und zugleich die äusserste Grenze, bis zu welcher er überhaupt einmal vorgedrungen war. Die Grösse der in der äussersten Endmoräne vorliegenden Anhäufung ist gewissermaassen der Ausdruck für die Zeitdauer der Unterbrechung zwischen zwei oscillatorischen Schwankungen.

Dass der vorwärtsschreitende Gletscher auch in den Schichten seines Unter- grundes Zusammenschiebungen und Stauchungen bewirkt, ist nun durch zahlreiche Beobachtungen festgestellt1).

Geht aber ein Gletscher zurück, so kann er ebenfalls keine eigenüiche End- moräne anhäufen, er legt das Material nicht in einem einzigen Walle, sondern in einem rückwärts sich ausdehnenden, aus vielen regellos gruppirten Hügeln sich zusammensetzenden Moränengebiete nieder. Auch die Grundmoräne lässt er vor sich liegen und schmilzt über derselben ab.

Successive entblösst er nun aber die Wirkungen, die er bei seinem Vorschreiten ausgeübt Unbedeckt erscheint nun die Grundmoräne mit allen ihren charak- teristischen Eigenthümlichkeiten. Die felsige Unterlage erscheint geschliffen und polirt, zu eigenthümlich geformten Rundhöckern, den sog. roches moutonndes gestaltet, die die gerundete Seite nach oben, also der Gletscherwirkung zuwenden. In dem entblössten, feinen Gletscherschlamm liegen gerundete und eckige, grosse und kleine Blöcke mit und ohne Polirung und Kritzen. Die Gesteine dieser Blöcke stellen eine Sammlung aller der Gesteinsarten dar, in deren Bereich der Gletscher sich bewegt hat, zwischen und über welchen er seinen Weg zurück- gelegt. Oft befinden sich dieselben sehr weit von ihrem Ursprungsorte und werden dann erratische oder Findlingsblöcke genannt. Ihr Vorkommen hat vor Allem das Studium des Glacialphänomens angeregt.

So werden diese Anhäufungen ein wichtiges Mittel, auch die Herkunft verschwundener Gletscher zu bestimmen, sowie andererseits die Moränen eines Gletschers werthvolles Material liefern zur Erkennung der geognostischen Zu- sammensetzung seiner oft unzugänglichen Uferfelswände.

Unter den Erscheinungen alter Gletscherbette mögen noch die Riese ntöpfe oder Strudellöcher genannt werden, die der Gletscherbach mit Hilfe von harten Geschieben in den Fels der Unterlage einzubohren vermochte.

Zu den Producten der Gletscherwirkung müssen aber endlich auch die- jenigen Ablagerungen gerechnet werden, welche in den mit Gletschern genetisch zusammenhängenden Wassern sich bildeten.

Nicht selten ist die Erscheinung, dass ein vorrückender Gletscher ein in das Hauptthal, in dem er sich abwärts bewegt, einmündendes Seitenthal wie mit einem Riegel absperrt. Die in dem letzteren Thale fliessenden Wasser werden nun zu einem See aufgestaut. Bei dem Zurückweichen des Gletschers finden dann plötzliche Entleerungen dieser Wasseransammlungen statt, welche für die tiefer gelegenen Theile der Thäler die grössten und zerstörendsten Ueber- schwemmungen bewirken. Der Vemagtgletscher im Oetzthal hat seit dem

') Pknk, 1. c. pag. 120.

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Die Gletscher.

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1 6. Jahrhundert fünfmal das Thal, in welches er mündet, abgesperrt und dessen oberen Theil in einen See verwandelt. Einmal hat dieser See, der innerhalb 14 Tagen gebildet wurde, sich in einer Stunde wieder entleert, indem er dem Inn mehr als 2 Millionen Kubikmeter Wasser zuführte1). Solche Katastrophen zerstören die vorliegenden Moränen und bilden aus ihrem Material geschichtete Ablagerungen aus Gerollen, Kies, feinerem Sande und Schlammassen.

Aber auch durch die regelmässig dem Gletscherthor entströmenden Wasser werden Ablagerungen gebildet, die aus Schottermaterial bestehen, das mit den Moränen in Verbindung tritt. Und mit der Verschiebung des Gletscherendes verschiebt sich der Ausgangspunkt dieser Wasserwirkungen2).

Nur eine Art der Gletscherthätigkeit ist in ihrer Bedeutung noch nicht über- einstimmend zugegeben und anerkannt, wenngleich ein geringes Maass derselben auch schon in den vorhin angeführten abschleifenden und polirenden Wirkungen unzweifelhaft sich ausprägt: es ist die eigentliche Erosionsthätigkeit.

Während andererseits eine Reihe von Forschern so weit gehen, der ero- direnden Wirkung des Gletschereises nicht nur jene glättenden und abrundenden Wirkungen zuzuschreiben, sondern auch die Ausfurchung mancher Thäler, die Aushobelung von Seen und die Ausfeilung der tief einschneidenden Fjorde, haben andere Forscher die physikalische Möglichkeit einer Gletschererosion überhaupt durchaus bestritten.

Physikalisch ist zunächst das Eine festzuhalten, dass keinesweges das Eis an und für sich die erodirende Wirkung ausüben kann, sondern wie dieses auch in den Erscheinungen der Grundmoräne ausdrücklich hervorgehoben wurde (pag. 97) lediglich dadurch, dass es unter sich Gesteinstrümmer als Schleifmaterial fortbe- wegt, die es zugleich mit dem Drucke einer oft 1000 Meter hohen Eissäule belastet

Wenn wir in den Gletscherschliffen, in der unzweifelhaften Abglättung der Unebenheiten und Rauhigkeiten ihres Betten ein allerdings quantitativ nicht schätz- bares Maass von Erosion sehen, so finden wir andererseits in der Menge fein zerriebenen Sandes, den der Gletscherbach in oft mächtigen Straten mit der Grundmoräne abgelagert hat, fernere Andeutung, dass doch die Gletschererosion eine nicht unbedeutende sein mag. So kommen denn auch Forscher wie Daubree und Dollfuss- Ausset 3) zu der Ansicht, dass die Wirkung der Gletscher auf ihr felsiges Bett und die Thal Vertiefung eine bedeutend grössere sei, als die des fliessenden Wassers. Freilich rührt nur ein Theil des Materiales in der Grundmoräne von der directen abschleifenden Arbeit des Gletschers an seiner Unterlage her, der vielleicht grössere Theil stammt von der Oberfläche. Penk, der neuerdings noch der Gletschererosion das Wort redet4), hebt hervor, dass wie die jetzigen Gletscher Zwerge seien im Vergleich mit den früheren, so auch die Wirkungen der letzteren durchaus grossartigere gewesen sein müssen: ihre erodirende Thätigkeit erkenne man aus ihren Spuren, vorzüglich aus der oft ungeheuren Masse des glacialen Schuttes in der Grundmoräne, die hier, wo die Inlandseismassen keine Oberflächenmoränen besassen, durchweg als Resultat der Gletschererosion anzusehen sei. Der Nordabfall der Alpen sei durch die glaciale Erosion im Mittel um 36 Meter erniedrigt worden. Auch Helland5)

') Reklus, La terre I. pag. 259. *) Penk, 1. c. pag. 11. >) Penk, 1. c. pag. 385. «) L c pag. 386.

') Zeitschr. d. deutsch, geol. üesellsch. 1879. pag. 100.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

glaubt fiir Skandinavien den Nachweis erbringen zu können, dass das Niveau des Landes während der Diluvialzeit durch Glctscherthätigkeit um 80 Meter erniedrigt worden sei.

Die grösste Bedeutung hat die Frage nach der Möglichkeit und dem Maasse der Gletschererosion für die Deutung der Entstehung der zahlreichen Seebecken, welche eine unverkennbare Eigentümlichkeit vieler alter Gletschergebiete dar- stellen. Es sei hier nur an die Seebecken der südlichen Alpen, an den Seen- reichthum Süd-Uayerns, an die Binnenseen von Skandinavien erinnert. Es ist unzweifelhaft, dass eine ursächliche Beziehung zwischen dieser Scebildung und der Gletschcrausbrcitung besteht. Aber während die einen Forscher dieselben als das ausschliessliche Werk der Gletschererosion ansehen, glauben andere im Gegentheile, dass dieselben schon vor der Gletscherausdehnung vorhanden ge- wesen und nur durch deren Eisbedeckung conservirt, d. h. nicht durch spätere Sedimente wieder ausgefüllt worden seien. Zahlreich sind die Untersuchungen und Schriften in beiden, einander diametral gegenüberstehenden Richtungen.1) Der Umstand, dass in der That diese Seen last übereinstimmend als Erosions- bildungen aufgefasst werden, und dass, wie Penk dieses für die alpinen, süd- deutschen Seen wahrscheinlich gemacht hat, dieselben erst während der letzten Yergletscherung ihrer Gebiete entstanden sind, lässt allerdings ihre Entstehung durch glaciale Erosion trotz mancher entgegenstehender Bedenken durchaus an- nehmbar erscheinen.

Was aber für die Binnenseen gilt, das hat auch Gültigkeit für die Fjorde, es sind dieses eben nur die liroralen Erscheinungen der Glacialerosionsgebiete. Sie sind gleichwohl nicht ausschliessliche Producte glacialer Wirkungen. Vor der Verglet.schcrung schuf das rinnende Wasser die Thäler und das Eis erodirte diese Thäler zu tiefen Becken weiter, die uns heute als die Fjordtiefen ent- gegentreten.2)

Aber wie auch im Verlaufe der weiteren Entwicklung der glacialen Geologie sich die Lösung dieser Fragen in dem einen oder anderen Sinne gestalten möge, das scheint eine unbestreitbare Thatsache zu sein, dass das gesellige Auftreten solcher tiefen Seebecken und der fjordartigen Thäler in einem engen Connex steht mit der ehemaligen Gletschervcrbreitung und dass daher auch diese als eines der Anzeichen einer früheren Glctscherentfaltung in einem Gebiete ange- sehen werden können. In ihnen zeigt sich der bodengestaltende Einfluss der Gletscher jedenfalls in ganz besonders ausdrucksvoller Weise.

Alle diese Erscheinungen in ihrer Gesammtheit bilden also das Glacial- phänomen und so vielgestaltig sie auch sind, so sind sie doch grösstentheils so charakteristisch, dass daraus eine ungemein ausgedehnte Gletscherentfaltimg in einer früheren geologischen Epoche mit grosser Sicherheit hergeleitet werden kann.

Heutzutage sind die Gletscher fast nur auf die Hochgebirge der heissen und gemässigten Zonen beschränkt mit einziger Ausnahme der polaren Gletscher, welche als eine zusammenhängende Eisdecke (Inlandseis) sich über die arktischen Landmassen ausdehnen und überall bis zum Meere hinabsteigen und hier in schwimmende Eisschollen und Eisberge sich auflösen.

Die hohen Gebirgsketten des centralen Asiens, der Himalaya und der

l) Kine Zusammenstellung der einschlägigen Literatur giebt Penk 1. c. png. 370 ff. 1*i.\k, 1. \' \-. 430.

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Die Gletscher.

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Karakorum besitzen Gletscher von riesigen Dimensionen, ebenso finden sich auf der Westseite der Coast ränge in Nord-Amerika und in den südamerikanischen Anden echte Gletscher. Der Kaukasus besitzt mehrere ausgedehnte Gletscher, ebenso Norwegen und Island, die Fyrenäcn dagegen besitzen nur wenige Gletscher 2. Ordnung (pag. 80) in dem Centraigebiete der Maladetta. Um so ausgezeichneter ist die Entwicklung der Gletscher in dem ganzen Gebiete der schweizer und tyroler Alpen und dieses ist auch für alle Gletscherstudien der Ausgang und das classische Uebungsfeld gewesen.

Der im Allgemeinen beschränkten Verbreitung der heutigen Gletscher gegenüber stehen nun die fast über ganz Kuropa nach und nach erkannten Spuren ihrer einstigen ungeheuren Entwicklung. Wie schon erwähnt, waren es wohl zu- erst die erratischen Blöcke, welche die Aufmerksamkeit der Naturforscher er- regten und sowohl in ihrer Verbreitung über den niedrigen Vorbergen und Gehängen der Alpen, als auch in den Ebenen des nördlichen Europa's, mit einer früheren grösseren Eisentwicklung in Zusammenhang gebracht wurden. Erst durch die Forschungen von Venetz, Charpentier und L. Agassiz1) wurde das Studium der erratischen Blöcke mit dem der übrigen Gletscherspuren, der GletscherschlirTe , der Reste alter Moränen u. dergl. die sich in der Schweiz räumlich dicht nebeneinander fanden, combiniit und damit zuerst eine frühere grössere Gletscherausdehnung erkannt und zum ersten Male im Anschlüsse daran die Lehre von einer Eiszeit entwickelt.

Auch aus Schweden, England und Schottland wurde nun die Verbreitung erratischer Blöcke, der Gletscherschliffe und Rundhöcker bekannt und wiederum war es Agassiz, welcher diese Erscheinungen im Norden mit den in der Schweiz studirten verglich. In dem »Till«, dem Geschiebe- oder Blocklehm Schottlands, erkannte er jene Gesteinsschicht, welche die Eismassen unter sich fortbewegt hatten und die in demselben befindlichen zahlreichen gekritzten Geschiebe wurden von ihm als das sicherste Kennzeichen einer einstigen Gletscherbedeckung be- zeichnet. Ch. Martins erkannte zuerst in diesen geschiebereichen Lehmschichten, den unter dem Eise forttransportirten Detritus, die Grundmoräne und damit vorzüglich waren nun wenigstens die charakteristischsten Anzeichen für die frühere Anwesenheit von Gletschern richtig erkannt.

Nun wurde zuerst die einstige Ausdehnung der Gletscher auch über ganz Skandinavien nachgewiesen, schnell folgte der Nachweis eines einstigen Vorrückens der Eisströme bis in die Ebenen der Lombardei hinunter und Schottland, Eng- land und Irland zeigten überall die gleichen Spuren. Eine fast unübersehbare Literatur gab Kunde von den Gletscherspuren in fast allen europäischen Ländern. In gleicher grossartiger Ausbreitung wurden dieselben über den ganzen nördlichen Theil des nordamerikanischen Continents gefunden. Ueberall wurden in eigen- artigen Hügelzügen die Endmoränen der einstigen Gletscher wiedererkannt. Die schwedischen Asars, wallartig sich hinziehende, sehr häufig theilweise auch geschichtete Geröll- und Sandansammlungen gingen aus alten Gletscherab- lagerungen hervor. Es sind Moränen, die durch Wnsserfluthen eine Umlagemng erfuhren. Eine ganz ähnliche Erscheinung sind die Eskers in Irland und die Kames in Schottland. Aus der Verbreitung der Glctscherablagerungen und Gletscherspuren wurden für die verschiedenen Gebiete die Richtungen der einzelnen Gletscherströme hergeleitet und so die Centren gefunden, aus denen

') Vcrgl. des Naheren hei Pf..\k, 1. c. 0|>. I. Ccschiehte der Olacialgcologic.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

diese ihren Ursprung nahmen. Eine einstige, gänzliche Uebereisung wurde für viele Länder zur Gewissheit und in Grönland lernte man dann ein Gebiet kennen, das noch heutigen Tages unter solcher Eisbedeckung verborgen ist.

Nur ein Gebiet, in welchem das Phänomen der erratischen Blöcke in ganz besonders ausgezeichneter Weise entwickelt ist, das weite Gebiet der nord- europäischen Ebene, wurde zunächst von den Glacialgeologen anders gedeutet. Man nahm an, die Ausstreuung der zahlreichen erratischen Blöcke, die man un- zweifelhaft als nordischen, skandinavischen Ursprungs zu erkennen vermochte, über diese Länder hin, sei durch schwimmende Eisberge geschehen, die sich von den Gletschermassen der nordischen Länder losgelöst hätten, mit Felsen- trümmern beladen südwärts gestrandet wären und hierbei auch die FelsschlifTe am Strande zu erzeugen vermocht hätten. Diese Theorie, welche man die Drift- theorie nannte, behielt für die Glacialerscheinungen der nordeuropäischen Ebene noch Giltigkeit, nachdem man längst von der einstigen Vergletscherung aller europäischen Bergländer überzeugt war.

Aber die Drifttheorie wurde vornehmlich durch das vergleichende Studium der Erscheinungen in der norddeutschen Tiefebene mit denen in Skandinavien, dessen einstige gänzliche Ueberdeckung mit Gletschern nun unzweifelhaft fest- stand, dennoch als unzureichend erkannt. Auch auf dem einstigen klassischen Gebiete der Drifttheorie fanden sich überall, selbst bis in die Gebirgszüge hinein, dieselben auf unmittelbare Gletscherthätigkeit zurückzuführenden Er- scheinungen, wie sie in Skandinavien und Schottland vorlagen. Nirgendwo Hess sich, von diesen Ländern vorschreitend, die Stelle erkennen, wo die Grenze zwischen Gletscher und Eisbergsdrift gezogen werden konnte. Von den Hoch- ländern ausgehend setzen sich die Gletscherspuren überall ununterbrochen bis in die Ebenen hinein fort. In dem weitverbreiteten norddeutschen Geschiebelehm wurden alle Charaktere einer echten Grundmoräne wiedergefunden und die mit ihm auftretenden geschichteten Ablagerungen fanden überall ihre Deutung als An- schwemmungen der Gletscherbäche. So trat an Stelle der Drifttheorie die Gletschertheorie. Die Annahme fand mehr und mehr Begründung, dassvon den skandinavischen Gebirgen ausgehend, eine Entwicklung mächtiger Gletscher stattgefunden habe, welche fast bis zu der Mitte von Deutschland südwärts vor- zudringen vermochte.

Von Skandinavien aus erstreckte sich dieses Meer von Gletschereis bis tief nach Russland hinein, bis in das Flussgebiet des schwarzen Meeres, es schob sich über die Ostsee hinweg bis nach Schlesien, Sachsen, den Harz hinein, griff über die Nordsee und erstreckte sich nach Grossbritannien hinüber, um sich hier mit dem vom schottischen Centrum ausstrahlenden Gletschersysteme zu vereinigen. Ueberall über dieses Gebiet hin wurden die Erscheinungen in voll- kommener Uebereinstimmung mit denen alter alpiner Gletscherdistricte gefunden und erklärt.

So war es denn eine natürliche Folge dieser Erkenntniss, dass nun auch für Süddeutschland eine einstige ausgedehnte Gletscherbedeckung, die aber vom alpinen Centrum ausging, nachgewiesen wurde.

Auch dort wurden die Grundmoränen dieser Eisströme in weiter Verbreitung erkannt. Sie tragen denselben Charakter wie der norddeutsche Geschiebelehm und die gleichen Bildungen in Schottland (boulderclay) und Skandinavien; sie treten mit ganz ähnlichen geschichteten Gebilden auf, wie jene. Zittel erkannte zuerst die ungemeine Aehnlichkeit der Bodenbeschaffenheit der bayrischen Hoch-

Die Gletscher.

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ebene mit den skandinavischen, glacialen Ablagerungen und wiess unzweifelhafte Gletscherspuren auf jener nach1). Und neuerdings hat A. Penk alle bisherigen Forschungen über diese Gebiete zusammenfassend und mit zahlreichen eigenen Beobachtungen vereinigend ein überaus lehrreiches Gesammtbild von der Ver- gletscherung der deutschen Alpen entworfen. Sieben grosse Gletscher, der Rhein- Iiier-, Lech-, Isar-, Inn-, Chiem- und Salzachgletscher schoben einst ihre Eis- massen nordwärts bis in die Höhe von München nach Schwaben und Bayern hinein. Gleichzeitig hatte auch eine Vergletscherung über den Höhen der rauhen Alp und des Schwarzwaldes Platz gegriffen und diese Gletscher begegneten sich südwärts mit den Eismassen, die von den Alpen niederstiegen.

Diese grossartige Entwicklung des Glacialphänomens fällt allenthalben in die gleiche geologische Epoche, die man als die Diluvialzeit oder als das quaternäre System zu bezeichnen pflegt In dem diesem Gegenstande gewidmeten Artikel wird ein Weiteres darüber nachzusehen sein.

Das Auffallende bei dem Glacialphänomen und der Umstand, der bei der Frage nach der Ursache dieses gewaltigen geologischen Vorganges in erster Linie zu berücksichtigen ist, ist die Allgemeinheit dieser Erscheinung auf der ganzen Erde. Nord-Amerika besitzt dieselben Glacialablagerungen wie die Alpen und Nord-Europa, in Asien, Neu-Seeland, Süd-Amerika, sogar im aussertropischen Süd- Afrika, sind die Anzeichen einer gleichen Vereisung gefunden worden. Als in Europa 1 15000 Meilen Land unter dem Eis vergraben lagen, überzog von Grönland ausgehend in Nord-Amerika das dort noch viel mächtigere Inlandseis ein Areal von 361000 Meilen und dehnte sich bis zum 39. Breitengrade aus. Wenn auch nicht gleichzeitig, so hat doch auch die südliche Hemisphäre eine Zeit gleich ausgedehnter Eisbedeckung durchgemacht.

Darnach sind also alle nur local, örtlich wirksame Ursachen, die zur Erklärung dieses glacialen Phänomens dienen möchten, von vornherein ausgeschlossen, es können nur die ganze Erde gleichmässig betreffende und mit ganz allgemeinen klimatischen Schwankungen zusammenhängende Vorgänge, kosmische Aenderungen gewesen sein. Auch folgt aus der genauen Erforschung der glacialen Erscheinungen nothwendig, dass es periodisch wiederkehrende Ursachen gewesen sein müssen. Nicht bloss einmal, sondern dreimal sind die Alpen während der grossen Eiszeit vergletschert gewesen'2). In allen anderen grossen Gletscherbezirken aber lässt sich eine ähnliche Wiederholung glacialer Bildungen erkennen.

Sie zeigt sich in den verschieden weit vorgeschobenen Endmoränen, sowie in den mehrfach übereinanderliegenden Grundmoränen, zwischen welche sich nichtglaciale Bildungen einschieben. O. Heers*) Forschungen haben eine zwischen zwei Eiszeiten liegende milde, fast tropische Zwischenperiode, eine Interglacial- zeit, nachgewiesen.

Die Meteorologie und Astronomie muss die Erklärung der periodischen, klimatischen Schwankungen geben, welche allein die Eiszeit zu erklären vermögen.

Während früher vielfach die Meinung ausgesprochen wurde, dass nur die Veränderung in der Vertheilung von Wasser und Land eine hinlängliche Erklärung für so durchgreifende klimatische Aenderungen biete, wie sie die Eis-

l) Sitzungber. d. math.-phys. Klasse d. Akad. d. Wiss., München 1874, pag. 252. ') Penk, 1. c. pag. 442.

3) Urwelt der Schweiz. Zürich 1865. 2. Aufl. 1879.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

zeit voraussetzt, ist neuerdings mehr und mehr die Unnahbarkeit und Unzuläng- lichkeit dieser Ursache nachgewiesen worden. Ganz besonders entscheidend ist der Umstand, dass die Eiszeit im Allgemeinen keinesweges so durchweg ver- schiedene orographische Beschaftenheit der Erdoberfläche vorfand, sondern dieselbe im Allgemeinen eine der heutigen conforme Gestaltung schon angenommen hatte.

Nur eine Theorie, die wohl zuerst von J. Herschf.i. schon im Jahre 1830 angedeutet, später aber besonders in einer Reihe von Einzelarbeiten von J. Croll1) eines weiteren ausgeführt wurde, scheint in der That am besten mit allen that- sächlichen Beobachtungen und Verhältnissen im Einklang zu stehen und wird daher auch von den Glacialgeologen ziemlich allgemein adoptirt. Croll schreibt die grossen klimatischen Aenderungen dem periodischen Wechsel in dem Ver- hältnisse der Erde zur Sonne zu, den Schwankungen in der Excentricität der Erdbahn.

Die Erde durchläuft bekanntlich eine zur Zeit ziemlich kreisähnliche Bahn um die Sonne. In Wirklichkeit ist diese Bahn aber doch eine Ellipse, in deren einem Brennpunkt sich die Sonne befindet. Aber die Bahn ist einer im Laufe langer Zeiträume sich vollziehenden Veränderung unterworfen. Sie wird mehr und mehr elliptisch oder oval; dann aber nimmt die elliptische Gestalt wieder ab und die Bahn wird wieder fast kreisförmig. Ehe jedoch die Kreisform erreicht ist, nimmt die Ellipticität wieder zu und so folgen sich lange Epochen dieser Schwankungen. Augenblicklich nähert sich die Erdbahn noch der Kreisform: etwa nach 24000 Jahren hat sie das Maximum der Kreisähnlichkeit wieder erreicht. Mit diesen Schwankungen der Erdbahn ändert sich nicht nur die Ent- fernung des Abstandes der Sonne vom Mittelpunkt der Erdbahnellipse d. i. ihre Excentricität, sondern auch der Zeitunterschied zwischen der Dauer des Laufes der Erde in der sonnennahen und Sonnenfernen Hälfte ihrer Bahn. Jetzt be- finden wir uns am 1. Januar der Sonne um 672000 deutsche Meilen näher als am 2. Juli und haben, weil sich die Sonne in der sonnennäheren Bahnhälfte nach Maassgabe der Excentricitätsgrösse rascher fortbewegt als in der anderen, auf der nördlichen Halbkugel ein um 6 Tage kürzeres Winterhalbjahr, auf der südlichen Halbkugel natürlich ein ebensoviel kürzeres Sommerhalbjahr. Aber nicht nur ist der Winter für die nördliche Halbkugel kürzer, die Erde ist auch in der Mitte des Winters der Sonne am nächsten und die vermehrte, auf diese Weise erhaltene Wärme mildert die Kälte des Winters. Aber dieser Zustand ändert sich mit zunehmender Excentricität.

Es gestaltet sich also nun für jede Erdhalbkugel, wenn man gleichzeitig den Vorgang der Präcession mit in Betracht zieht, das Verhältniss so, dass in gewissen Perioden die Mitte des Winters in die Sonnenähe fällt und dann ist auch der Winter kurz und milde, nach 10500 Jahren aber fällt für dieselbe Erdhälfte die Mitte des Winters in die Sonnenferne und der Winter ist dann lang und kälter, der Sommer entsprechend kurz und weniger warm.

Durch die hierdurch bedingte verschiedene Dauer der Jahreszeiten kann der Fall eintreten, dass die eine Halbkugel die Sonne bis zu 36 Tagen länger über sich hat, als die andere.

Von der Einwirkung der Sonne ist aber die Lage der Calmen, der Passate, der Meeresströmungen, kurz die ganze Circulation der Wärme auf der Erde ab- hängig. Wird in den Perioden grosser Excentricität der Erdbahn also die eine

') Climate and Time in their Geological relations: a Theory of the Sccular Changes of the Earth's Climate, London 1S75.

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Glimmer.

Halbkugel beträchtlich länger von der Sonne beschienen, als die andere, so müssen noch weit grössere Temperaturdifferenzen zwischen den beiden Halb- kugeln entstehen, als wir sie heutigen Tages bei geringer augenblicklicher Excentricität wahrnehmen. Die Meere der einen Halbkugel werden vorwiegend kalt, die der andern vorwiegend warm sein. Die erstere hat dann ein kaltes, maritimes Klima. Es gewährt reichliche Niederschläge und niedrige Temperatur, die Existenzbedingungen der Gletscher, ist demnach der Gletscherentfaltung in ausgedehntem Maasse günstig und kann Mir die eine Halbkugel zu einer wahren Eiszeit führen.

Nach abermaligem Verlaufe der Periode treten dieselben Verhältnisse für die andere Halbkugel ein.

Wenn also hierin auch die periodische Wiederkehr bestimmter Aenderungen in den Klimaten eine Erklärung findet, so ist damit doch noch nicht nothwendig, dass jedesmal aus der entsprechenden Kälteperiode auch eine gleichgrosse Eis- entwicklung hervorgehen müsse. Dazu bedarf es dann auch des vollkommenen Zusammenwirkens aller der Factoren theils meteorologischer, theils orographischer Art, welche zur Zeit der letzten glacialen Entwicklung zusammentrafen. Ob das aber gerade so wiederum der Fall sein wird und sein kann, das ist eine andere Frage. Und so möchte der Ausspruch von Penk1) Giltigkeit haben, dass wenn auch die Ursache periodisch wiederkehrt, darum das Glacialphänomen doch nicht in regelmässigen Intervallen aufzutreten braucht.

Literatur: Agassi/., L., Untersuchungen Uber die Gletscher. Solothurn 1841, u. Systeme glaciaire. 1847. Berendt, G., Gletscher oder Drifttheorie in Norddeutschland. Zeitschr. der deutsch, geol. Ges. 1879. XXXI., pag. 1. Charpentier, J. DE, Essai sur les glaciers et lc terrain erratique du Bassin du Rhone. Lausanne 1841. Crepner, II., Geologie Abschnitt, III. Cap. II. und verschiedene Aufsätze in der Zeitschr. d. deutsch, geolog. Ges. 1879 81. Crom., James, Climate and Time in their geological relations. London 1875. Desor, E., Lc paysage morainique, son origine glaciaire etc. 1875. Dou.fuss-Ausset, Materiaux pour l'etude des glaciers. IV Bde. Paris 1864. Geikie, James, The great Ice Age. London 1874. 2. Aufl. 1877. u. Prehistoric Europe 1881. Hekr, O., Die Urwelt der Schweiz. Zürich 1865. 2. Ausgabe 1879. Helland, A., Ueber die glacialen Bildungen der nordeuropäischen Ebene. Zeitschr. d. deutsch, geolog. Ges. XXXI. 63. Lapparent, A. du, Geologie. Paris 1882. Cap. V. Action de glace. Penk, A., Die Vergletschcrung der deutschen Alpen, ihre Ursachen, periodische Wiederkehr u. ihr Einfluss auf die Bodengestaltung. Gekrönte Preisschrift. Leipzig 1882. RECLUS, E., La terre I. Rütimever, L., Pliocän u. Eisperiode auf beiden Seiten der Alpen. Basel 1875. Stoppani, A., Corso di Geologia; Milano 1871. Cap. XII u. XIII. Bd. I. Tyndau., The glaciers of the Alps, London 1857. Venetz, Memoire sur l'cxtension des anciens glaciers. Denkschrift d. Schweiz. Ges. für Naturwiss. XVIII. 1801. Ausserdem zahlreiche zerstreute Abhandlungen.

Glimmer

von

Professor Dr. Kenngott.

Mit dem Namen Glimmer, entlehnt von glimmern, glänzen, auf starken Glanz hinweisend, wurden verschiedene Minerale benannt, welche anfangs nicht scharf als Arten von einander getrennt wurden, nach und nach eine nicht un- bedeutende Zahl von Species unterscheiden Hessen, welche als mannigfach zu- sammengesetzte Silicate nach ihrem Aeusseren sich leicht in eine Gruppe

») 1. c. pag. 452.

Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

zusammenstellen Hessen, deren Individuen vorherrschend lamellar ausgebildet in einer Richtung vollkommene bis ausgezeichnete Spaltbarkeit zeigen und auf dieser Spaltungsfläche in der Regel stark perlmutterartig glänzen. Sie kommen oft in gewissen Gesteinsarten als wesentlicher Gemengtheil vor und fallen in denselben sofort durch ihren starken Glanz und ihre vollkommene Spaltbarkeit in einer Richtung auf, wie z. B. in Granit, Gneiss, Glimmerschiefer u. a. m. weshalb es bei ihrem ausgezeichneten Charakter zweckmässig erschien, dieselben von andern Silicaten getrennt zu behandeln.

Obgleich die vollkommne Spaltbarkeit, welche bei einzelnen Arten von keinem anderen Minerale übertroffen wird, sowie die vorherrschende lamellare Aus- bildung, welche sie selbst in Gestalt der feinsten Blättchen bis Schüppchen, wie man die kleinsten lamellaren Gebilde bezeichnet, erkenntlich ist, auf eine grosse Krystallisationstendenz der in der Gruppe der Glimmer zusammengestellten Mineralarten hinweist, so erscheint es von vornherein bemerk enswerth, dass ihre Krystalle genauen Formenbestimmungen viele Schwierigkeiten entgegensetzen, weshalb z. Th. die Krystallgestalten bei manchen noch nicht genau bestimmt sind, bei manchen noch keine bestimmbaren Krystalle gefunden wurden. Dagegen machen es die in verschiedener Dicke erhältlichen Spaltungslamellen, welche bis in die feinsten Blättchen theilbar sind und selbst bei anscheinend undurchsichtigen Krystallen genügend fein gespalten durchscheinend bis durchsichtig erhalten werden können, möglich, sie optisch zu untersuchen und ihre Lichtbrechungs- verhältnisse zu bestimmen, wodurch die krystallographischen Verhältnisse con- trolirt und bestimmt werden können. Immerhin aber bleiben dieselben bei manchen Glimmerarten noch mehr oder weniger zweifelhaft und hindern ihre genaue Begrenzung als Species.

Ausserdem wird die Feststellung der Arten wenig durch die Untersuchung der Härte und des speeifischen Gewichts gefördert, weil sie in beiden keine erheb- lichen Unterschiede zeigen, im Allgemeinen geringe Härte haben und im spec. Gew. nicht weit auseinanderliegen, die Bestimmung desselben bei den Glimmern auf Schwierigkeiten stösst, welche mit der lamellaren Bildung und der Schwierig- keit, sie zu pulverisiren im Zusammenhang stehen.

Schliesslich hat auch die chemische Untersuchung bei den Glimmern viele Schwierigkeiten zu überwinden und es ist deshalb die chemische Constitution bei der Mehrzahl der Arten noch nicht genau bestimmt, wozu auch noch besonders die Art des Vorkommens beiträgt, indem bei der ähnlichen Ausbildung und dem ähnlichen Aussehen oft zweierlei Glimmer mit einander verwachsen sind und sich schwierig von einander trennen lassen, um zuverlässig reines Material des einen oder des anderen zu erhalten. Als wasserhaltige Silicate von Thonerde und gleichzeitig von anderen Basen wie Kali, Natron, Lithion, Magnesia und Kalk- erde lassen sie auch den Wassergehalt nicht immer genau bestimmen, dessen procentische Menge ftir die Unterscheidung von Wichtigkeit ist und häufig schwankend gefunden wird, weil oft nur durch starkes Glühen die ganze Menge des Wassers ausgetrieben wird. In dieser Richtung ist z. B. der ausgezeichnetste Glimmer, der Muscovit ein Beleg, dessen Wassergehalt früher ganz Übersehen wurde und erst in neuerer Zeit als wesentlich constatirt wurde. Auch enthalten mehrere Fluor, dessen Anwesenheit sehr die Schwierigkeit erhöht, die Quantität gewisser Stoffe genau zu bestimmen und es meist noch zweifelhaft ist, in welcher Verbindungsweise das Fluor in einem Glimmer enthalten ist. Selbst die Anwesen- heit gewisser Sauerstoffverbindungen von Metallen, wie Eisen, Mangan und Chrom

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Glimmer.

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vermehrt die Hindernisse, die chemische Constitution durch eine bestimmte Formel ausdrücken zu können, weil es nicht immer möglich ist, z. B. das Eisenoxydul neben Eisenoxyd quantitativ genau zu bestimmen, zumal auch eintretende Ver- änderungen in anscheinend frischen Glimmern die gegenseitigen ursprünglichen Mengenverhältnisse geändert haben können.

Die wichtigsten Glimmer sind nachfolgende, denen noch einige Minerale an- gereiht werden können, die weniger hervortretend den Charakter der Glimmer zeigen, wie selbst derselbe bei einzelnen Glimmern in gewissen Varietäten so unterdrückt ist, dass man ihn nur mit Hülfe starker Vergrösserung erkennen kann, indem sie so feinschuppige Aggregate bilden, dass dieselben als feinerdige oder selbst scheinbar dicht erscheinen.

1. Der Muscovit oder Kaliglimmer. Der Name Muscovit bezieht sich auf die Bezeichnung dieses Minerals als Handelsartikel, verre de Muscovie, in- dem der in Sibirien vorkommende grossblättrige zu Fensterscheiben, besonders auf Schilfen, geeignete russisches Glas oder auch verre de Muscovie genannt wurde, während der Name Kaliglimmer auf den wesentlichen Gehalt an Kali hindeutet. Der Muscovit krystallisirt klinorhombisch, wie durch die neusten Be- stimmungen an gut ausgebildeten Krystallen dargethan worden ist, welche jedoch selten vorkommen und hat in seinen gewöhnlichen Vorkommnissen in Drusen- räumen oder auf Klüften aufgewachsener Krystalle das Aussehen hexagonaler Tafeln. Nachdem aber durch die optischen Untersuchungen festgestellt war, dass das Mineral optisch zweiachsig ist, weshalb es auch optisch zweiachsiger Glimmer genannt wurde, wurden die Tafeln tür orthorhombische gehalten, gebildet durch die vorherrschenden Basisflächen in Combination mit einem orthorhombischen Prisma, dessen stumpfe Kanten nahezu =s 1200 gefunden wurden und dessen scharfe Kanten durch die Längsflächen gerade abgestumpft sind. Ausser solchen tafel- artigen Krystallen finden sich auch dickere, an denen die Randflächen gewöhn- lich nicht gut ausgebildet sind. An guten zu Messungen geeigneten Krystallen fanden sich besonders ausser den Basis- und Längsflächen verschiedene Hemi- pyramiden, Längsdomen und Querhemidomen, meist jedoch unvollzählig ausge- bildet und bisweilen haben auch grössere eingewachsene Krystalle pyramidalen Habitus. Die Deutung der vorkommenden Krystalle wird auch noch durch Zwillings- bildung nach 00P erschwert, insofern die Individuen dabei eigenthtimlich nach der Basis aufeinander gewachsen erscheinen, in Folge welcher Zwillingsbildung auch die vollkommenen Spaltungsflächen bisweilen nicht vollkommen glatt er- scheinen, sondern in Folge der Verwachsung federartige Streifung oder eine eigenartige Fältelung zeigen. Bruchflächen sind wegen der ausgezeichneten Spalt- barkeit kaum bemerkbar.

Die Krystalle sind auf- oder eingewachsen, wobei die letzteren bisweilen wie in Sibirien, Brasilien und Nord-Amerika ansehnliche Grösse erreichen, Tafeln bis zu einem halben Meter Breite erreichen, welche sich wegen ihrer ausgezeichneten basischen Spaltbarkeit zu Fensterscheiben und zu verschiedenen anderen Zwecken verwenden lassen, wie zu Lichtschirmen, Lampenrosetten, Lampencylindern u. s. w. Gewöhnlich bildet er in Gesteinsarten eingewachsen oder als wesentlicher Gemeng- theil derselben, wie in Granit, Gneiss und Glimmerschiefer Lamellen verschiedener Grösse, Blätter und Blättchen, die bei abnehmender Grösse als Krystallschuppen bis Schüppchen bezeichnet, bis zu verschwindend kleinen Dimensionen herab- sinken, oft finden sich blättrige bis schuppige Aggregate.

Der Muscovit ist wohl wesentlich farblos entsprechend seiner wesentlichen

Mineralogie, Geologie und Pnlaeontologie.

Zusammensetzung, dagegen zeigt er meist einen Stich ins Gelbe oder Graue oder ist weiss mit verschiedenen Niiancen, wie gelblich-, grünlich-, graulich- und röthlichweiss, bis gelb, grau, grün, roth oder braun, gewöhnlich nicht dunkel ge- färbt, hat auf den Basisflächen und den basischen Spaltungsflächen verschieden starken Parlmutterglanz, auf Krystall flächen, wenn solche ausser den Basisflächen sichtbar sind, Glas- bis Wachsglanz, ist durchsichtig bis durchscheinend, milde, dünne Lamellen sind elastisch biegsam; er hat H. —2,0—3,0 und das speeifische Gewicht = 2,76—3,1.

Obgleich die Analysen dieser viel verbreiteten und oft analysirten Specie> untereinander oft abweichende Resultate zeigen, so kann man doch annehmen, dass der Muscovit wesentlich ein wasserhaltiges Kalithonerde-Silicat ist, ent- sprechend der Formel 2 (.H^ Ala04-Si204) H- K2Ali04-Sii04 oder kürzer aus- gedrückt entsprechend der Formel H4K3A1601 2 SitiO, 2, welcher in 100 Theilen 45,13 Kieselsäure, 38,58 Thonerde, 11,78 Kali und 4,51 Wasser erfordert. Er enthält dabei oft etwas Natron als Stellvertreter für Kali, auch geringe Mengen anderer Stoffe, wie Magnesia, Eisenoxyd, Eisenoxydul, Manganoxydul, Chromoxyd, auch mehrfach geringe Mengen von Fluor. Die Metalloxyde können z. Th. als Stellvertreter geringer Mengen von Thonerde angesehen werden oder sind mit oder ohne Wasser auch als Pigment vorhanden, während die Anwesenheit von Magnesia im Hinblick auf später anzuführende Glimmer auch auf Stellvertretung bezogen werden könnte, meist jedoch auf Begleitung anderer Minerale hinweist, die, wenn auch in geringen Mengen vorkommend, oft in Muscovit gesehen werden, besonders wenn man ihn mikroskopisch prüft. Interessant ist, dass, wenn auch früher etwas Wasser gefunden wurde, oft keines, der Wassergehalt sich als wesentlich herausgestellt hat, nachdem mehrere Vorkommnisse auf denselben ge- führt hatten, welche man, solange man den Muscovit für wasserfreien Glimmer hielt, als eigene Species mit den Namen Damourit, Margarodit, Didymit und Sericit belegte, gegenwärtig aber nicht mehr zu trennen sind.

Er schmilzt v. d. L. mehr oder weniger leicht zu grauem, z. Th. wenig ge- färbtem Email und ist in Salzsäure oder Schwefelsäure nicht löslich. Beim Er- hitzen dünner durchsichtiger Blättchen über der Spiritusflamme werden dieselben trübe bis schwach durchscheinend, selbst fast undurchsichtig und sehr dünne Blättchen zeigen dabei, selbst ohne Anwendung des Löthrohres an den scharfen Rändern eine Abrundung bis Schmelzung. Im Glasrohre erhitzt zeigt er nicht Wasser durch Absatz desselben an der Wandung des Glasrohres, weil das wesent- liche Wasser erst durch sehr starkes Glühen entweicht, es sei denn, dass hygro- skopisches Wasser vorhanden ist, weshalb auch bei manchen Muscoviten etwas mehr Wasser als oben angegeben wurde, bei den Analysen angegeben ist. Auch kann eine beginnende Zersetzung einen grösseren Wassergehalt ergeben oder der selbe von färbendem Eisenoxydhydrat abhängen.

Wie oben erwähnt wurde, findet sich in verschiedenen Muscoviten Natron in untergeordneter Menge als Stellvertreter von Kali und es ist deshalb von Interesse anzuführen, dass sich auch ein ausgesprochener Natronglimmer findet, welcher den Namen Paragonit (von dem griechischen Worte *parag(im verführen, weil er gewissen Vorkommnissen des mikrokrystallischen, Talk genannten Steatit sehr ähnlich ist) erhielt und analog dem Muscovit als Natronglimmer nach der Formel 2(HaAl804 Si204)-+-NaaAls04Sis04 oder kürzer ausgedrückt nach der Formel H4Na2Al6OiaSi6Oia zusammengesetzt ist. Er enthält wesentlich in 100 Theilen 47,0 Kieselsäure, 40,2 Thonerde, 4,7 Wasser und 8,1 Natron. Dieser

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Glimmer.

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interessante Glimmer findet sich als schiefrige feinschuppige Gesteinsart bei Monte Campione unweit Faido im Canton Tessin in der Schweiz, die von dort bekannten schönen Disthen- und Staurolithkrystalle führend, im Pfitsch- und Zillerthale in Tyrol, die Krystalle der sogen. Strahlsteine enthaltend, auch auf der griechischen Insel Syra, wo er Disthen, Staurolith und Dichroit eingewachsen enthält. Kr ist gelblich bis graulichweiss, schwach perlmutterartig glänzend, an den Kanten schwach durchscheinend, milde, hat H. = 2,0—2,5 uncl sPec Gew. 2,778. V. d. L. ist er nicht schwierig zu grauem Email schmelzbar und wird von concentrirter Schwefelsäure zersetzt.

Ausser dem Natron spielt auch das Lithion in gewissen Kaliglimmern eine Rolle, indem Lithion einen Theil des Kali vertritt, wesshalb sie Lithiongl immer oder Li thionit genannt wurden. Nach zwei besondern Arten des Vorkommens wurde auch der Zinnwaldit und Lepidolith unterschieden. Der erstere von Zinnerzlagerstätten, wie zu Altenbcrg und Zinnwald im Erzgebige, von St. Just und Trewavas-Head in Cornwall in England, klinorhombisch ähnlich dem Muscovit, durch Zwillings- Verwachsung ausgezeichnet, bildet gewöhnlich aufgewachsene fächer- förmige, rosettenförmige oder wulstige Gruppen tafcliger Krystalle, an denen die frei heraustretenden Theile Messungen gestatten, ist grau, braun oder dunkelgrün, hat spec. Gew. = 2,81— 3,19 und ist v. d. L. sehr leicht unter Aufwallen zu farblosem, braunem bis schwarzem Glase schmelzbar, wobei die Flamme durch das Lithion roth gefärbt wird, besonders deutlich bei Zusatz eines Gemenges von Kluoritpulver und saurem schwefelsaurem Kali. Er wird von Säuren unvoll- standig, nach vorangegangener Schmelzung aber vollständig zersetzt. Der Zinn- waldit, wozu auch der sogen. Kryophyllit vom Cap Ann in Massachusetts ge- rechnet werden kann, ist im Gegensatz zu dem Lepidolith durch einen nicht unerheblichen Eisengehalt charakterisirt, enthält relativ wenig Lithion bis zu 5$, sehr wenig Wasser, dagegen mehr Fluor als der Muscovit, bis zu und es konnte bis jetzt keine übereinstimmende Formel aufgestellt werden.

Dies ist auch bei dem Lepidolith der Fall, welcher gewöhnlich nur blättrige bis feinschuppige, auch körnig-blättrige bis körnig-schuppige Aggregate bildet und pfirsichblüthroth, rosenroth, röthlichweiss, grünlichweiss bis weiss, nach optischen Bestimmungen auch klinorhombisch ist und sich v. d. L. und gegen Saure wie der Zinnwaldit verhält. Er ist eisenfrei und hat ebenfalls erheblich Fluor, sowie ausser Lithion, wie im Zinnwaldit auch noch die seltenen Oxyde von Rubidium, Cäsium und Thallium in geringen Mengen enthalten sind. Als Fundorte sind der Berg Hradisko bei Rozena in Mähren, Chursdorf bei Penig in Sachsen, Utöe in Schweden, Paris und Hebron im Staate Maine in Nord-Amerika, Schaitanka, Alabaschka und Juschakowa bei Katharinenburg am Ural anzuführen.

2. Der Biotit und Phlogopit, beide auch Magnesiaglimmer genannt, wurden früher als zwei verschiedene Magnesiaglimmer aufgefasst, welche in der Zusammensetzung übereinstimmend oder wenigstens nahe verwandt erschienen, von denen aber der Biotit als hexagonal, der Phlogopit als dem Muscovit gleich gestaltet angesehen wurde. Da aber gegenwärtig auch die z. Th. complicirten Krystalle, wie sie z. B. sehr gut ausgebildet am Vesuv vorkommen, für klinorhombische erklärt wurden, so könnte man sie als zusammengehörig betrachten, wenn nicht noch ge- wiss; Unterschiede in den Gestalten und im optischen Verhalten vorlägen. In den einfachsten Gestalten haben sie Aehnlichkeit mit Krystallen des Muscovit, als sechs- seitige Tafeln bis kurze Prismen, die vollkommen basisch spaltbar sind, auch finden sie sich lamellar, blättrig bis schuppig, besonders, wenn sie in Gesteinsarten ein-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

gewachsen sind, erreichen aber selten Grössen, wie sie bei Muscovit vorkommen. Der Biotit ist grün, braun bis schwarz, seltener grau bis weiss, auf den Basis- flächen und den entsprechenden Spaltungsflächen stark perlmutterartig glänzend, auf anderen Krystallflächen glas- bis wachsglänzend, bei dunkler Farbe ist der Perl- mutterglanz bis halbmetallisch. Er ist wenig durchscheinend, bis fast undurch- sichtig, in dünnen Blättchen doch immer eine gewisse Durchscheinheit bemerkbar. Dünne Blättchen sind elastischbiegsam. Er ist milde bis wenig spröde, hat H. = 2,5— 3,0 und spcc. Gew. = 2,8— 3,2. Der Phlogopit ist (benannt von dem griechischen Worte Tphlogoposi von feurigem Aussehen, im Gegensatz zum Biotit, der nach dem französischen Physiker Biot benannt wurde, weil derselbe zuerst auf die optische Verschiedenheit der Glimmer aufmerksam machte, roth, gelb bis braun gefärbt, die dünnen Lamellen sind meist durchsichtig, während Glanz und Härte wie bei Biotit sind, das spec. Gew. = 2,75 3,0 gefunden wurde.

Beide Glimmerarten, der Biotit und Phlogopit als Magnesiaglimmer, auch wenn man sie von einander getrennt halten will, verhalten sich v. d. L. ziemlich gleich, sie schmelzen gegenüber dem Muscovit mehr oder weniger schwierig zu grauem, grünem bis schwarzem Glase, reagiren meist mit Flüssen stark auf Eisen, werden von Chlorwasserstoflfsäure wenig angegriffen, werden aber in concentrirter Schwefelsäure vollständig zersetzt und hinterlassen die Kieselsäure in Form von feinen Schüppchen oder als weisses Kieselskelett.

Bezüglich ihrer Zusammensetzung enthalten sie, worauf auch der Name Magnesiaglimmer hinweist, reichlich Magnesia und nebenbei Eisenoxydul als Ver- treter derselben, ausserdem aber auch wesentlich Kali, nebst etwas stellvertreten- dem Natron, Thonerde und z. Th. stellvertretendes Eisenoxyd, als Silicat Kieselsäure und oft etwas Fluor, nach neueren Bestimmungen immer etwas Wasser. Das Sauer- stoffverhältniss der Basen, mit Einschluss des Wassers zu Kieselsäure scheint wie bei Muscovit 1:1 zu sein und es darf angenommen werden, dass Magnesia-Silicat als 2MgO-Si02 neben dem Wasser-Alkali-Thonerde-Silicat als wesentlicher Be- standtheil vorhanden ist. Immerhin aber gestatteten sie bis jetzt noch keine all- gemeine Formel aufzustellen.

Bei dem wechselnden Eisengehalte der Magnesiaglimmer kann auch der- selbe im Procentgehalte ziemlich hoch ansteigen, wodurch die Farben sehr dunkel werden und es wurden daher mehrere solche Vorkommnisse als Lepidomelan (benannt von dem griechischen Worte *üpts* Schuppe wegen der kleinen lamellaren Formen und von *melas«. schwarz, wegen der oft vorkommenden schwarzen oder schwärzlichgrünen oder schwärzlichbraunen Farben) bezeichnet und getrennt, welche in der Gestalt und dem optischen Verhalten als klino- rhombische sich dem Biotit anreihen, während auch einzelne derselben als eisen- reiche Muscovite aufzufassen wären, in denen die Thonerde reichlich durch Eisenoxyd ersetzt ist. Bei dem gleichzeitigen Vorkommen von Muscovit oder Kaliglimmer mit Magnesiaglimmer könnten auch eisenreiche Muscovite neben eisenreichen Biotiten und Phlogopiten vorkommen, ohne dass es möglich ist, sie bei der analytischen Untersuchung getrennt zu halten, weil sie im Aussehen gleich sind und in Gesteinsarten, wie in Granit und Gneiss in gleicher Weise als Krystallblätter bis Schuppen vorkommen.

Wenn so in den angeführten Glimmern Kali (nebst Natron), Lithion, Magnesia, Thonerde, die Oxyde von Eisen, FeO und Fe203 oder untergeordnet von Mangan, selbst Chrom (wie z. B. in dem zu Muscovit gezählten smaragd- bis grasgrünem Fuchsit von Schwarzenstein in Tyrol) vorkommen und so zu den Benennungen

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Glimmer.

III

Kali-, Natron-, Magnesiaglimmer, oder bei Eintreten von Lithion zu den Lithion- glimmern Veranlassung geben, so findet sich in diesen selten auch Kalkerde unter den unwesentlichen Bestandtheilen und es ist desshalb auch das Vor- kommen eines Kalkglimmers, des Margarit (benannt nach dem griechischen *margaritesi Perle, wegen des ausgezeichneten Perlmutterglanzes) zu erwähnen. Derselbe zuerst am Greiner im Zillerthale in Tyrol, ausserdem auch auf Naxos, in Kleinasien, bei ehester in Massachusetts, in Pennsylvanien und in Nord- Carolina gefunden, bildet auch dünne sechsseitige Tafeln, welche klinorhombisch und bisweilen reich an Flächen sind, gewöhnlich aber körnig-blättiige bis schuppige Aggregate, ist rein weiss, graulich- oder blassröthlichweiss bis perl- grau, durchscheinend, stark perlmutterartig glänzend, spröde, nicht elastisch bieg- sam, hat H. = 3,5—4,5 und das spec. Gew. = 2,92—3,10.

Derselbe ist nach der Formel H2A1204 «Si02 -+- CaAl204 «SiO, oder in kürzerer Schreibweise H2CaAl408-Si204 zusammengesetzt, also viel basischer als die vorher angeführten Glimmer und schmilzt v. d. L. unter Aufschäumen und Leuchten mehr oder weniger leicht an den Kanten zu grauem glasigen Email.

Ihm verwandt ist, vielleicht zugehörig der Diphanit in den Smaragdgruben am Ural, im Aussehen dagegen dem Margarit nur sehr ähnlich und daher mit ihm verwechselt der Barytglimmer von Sterzing in Tyrol und der Oellacherit aus dem Habachthaie in Salzburg, welche um 6$ Baryterde enthalten, dagegen noch mehr Kali, und wegen des Baryterdegehaltes erwähnenswerth sind.

Von den angeführten Glimmern ist eine kleine Gruppe z. Th. seltener Arten dadurch verschieden, dass sie bei vollkommener Spaltbarkeit nach einer Richtung und bei entschieden höherer Härte spröde nicht biegsame Spaltungslamellen er- geben, während sie noch der Perlmutterglanz auf den Spaltungsflächen und das vorherrschende Vorkommen lamellarer Krystalle als Glimmer charakterisirt, die- selben als wasserhaltige Silicate in der Zusammensetzung den obigen verwandt sind. Als solche sind zu erwähnen:

3. Der Holmesit (auch Clintonit, Seybertit und Chrysophan genannt) von Amity und Warwick in New -York, welcher klinorhombische sechsseitig- tafelartige Krystalle und Krystallblätter bildet, sowie blättrige Aggregate, voll- kommen basisch spaltbar ist, durch eine röthlichbraune, gelblichbraune bis gelbe Farbe dem Phlogopit ähnlich ist, starken perlmutterartigen Glanz hat, der in halbmetallischen übergeht, mehr oder weniger durchscheinend, in dünnen Blättchen durchsichtig ist, H. = 5,0 5,5 und spec. Gew. = 3,15 hat und wesentlich ein an Kieselsäure armes Silicat von Thonerde, Magnesia und Kalkerde mit wenig stellvertretendem Eisenoxyd und Eisenoxydul und wenig Wasser darstellt. Zu ihm dürfte auch der Brand isit vom Monzoniberg in Tyrol zu rechnen sein. Sie sind v. d. L. unschmelzbar, der Holmesit in Chlorwasserstoffsäure zersetzbar, keine Kieselgallerte abscheidend, nicht aber der Brandisit, welcher nur in kochender concentrirter Schwefelsäure langsam zersetzt wird.

Auch der Xanthophyllit (wegen der gelben Farbe und des Vorkommens als Krystallblätter nach den griechischen Worten ixanthos«. gelb und >phyllon< Blatt benannt) von Slatoust am Ural, mit Einschluss des deutlich krystallisirten Waluewit von Achmaiowsk am Ural, scheint nahe verwandt. Die Krystalle sind klinorhombisch, sechsseitig tafelartig, zum Theil flächenreich und ausgezeichnet dichromatisch, grün in der Richtung der Hauptachse, röthlichbraun senkrecht darauf gesehen, wie man dies oft auch bei andern Glimmern, z. B. bei Biotit und Diphanit bemerkt, der blättrige Xanthophyllit wachs- bis weingelb, der Glanz

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

ist perlmutterartig auf den Basis- und den ihnen parallelen vollkommenen Spaltungsflächen, glasartig in Wachsglanz neigend auf den Randflächen, dünne Blättchen sind durchsichtig. Das Mineral ist spröde, die Spaltungslamellen nicht biegsam, die H. ist r= 4,5 6,0 und das spec. Gew. = 3,0— 3,1. In der Zu- sammensetzung steht er als an Kieselsäure armes Silicat mit hohem Thonerde- gehalt, im Verhältniss der Magnesia und Kalkerde u. s. w. nahe dem Holmesit, doch Hess sich auch hier, wie bei dem Holmesit und Brandesit noch keine end- giltige Formel aufstellen. Er ist gleichfalls v. d. L. unschmelzbar und wird von erhitzter ChlorwasserstofTsäurc schwierig zersetzt.

4. Der Astrophyllit, zuerst im Zinkonsyenit bei Barkevig unweit Brevig in Norwegen von Th. Schekkkk als eigene Species erkannt und bestimmt, später auch in El Paso County in Caiifornien gefunden, hat grosse Acl nlw 1 keit im Aussehen mit Phlogopit- Vorkommnissen, doch sind die sechsseitig tafelartigen klinorhombischen Krystalle nach der Längsachse meist langgestreckt und ge- wöhnlich zu strahligen oder sternförmigen Gruppen verwachsen, worauf sich auch der Name bezieht, gebildet von dem griechischen tasiron* Stern und *phyllon<. Blatt. Er ist gelb, braun bis schwärzlichbraun, glasglänzend bis halbmetallisch, daher die Farbe als broncegelb bis tombackbraun bezeichnet werden konnte, wenig durchscheinend, spröde, hat H. = 3,5 und spec. Gew. = 3,3—3,4 und die Spaltungsflächen sind nicht biegsam. V. d. L. schmilzt er leicht zu einer schwarzen magnetischen Kugel und ist in seiner Zusammensetzung ein Silicat von Eisenoxydul mit stellvertretendem Manganoxydul, von Kali und Natron, Eisenoxyd, wenig Thonerde und Wasser und zeichnet sich durch einen nicht unerheblichen Gehalt an Titansäure aus, welche als Stellvertreter für Kieselsäure aufzufassen ist. Eine Formel Hess sich mit Sicherheit noch nicht aufstellen, weil die Resultate der Analysen sehr differiren.

5. Der Pyrosmalith von Nordmarken bei Philipstad in Schweden, hexagonal, prismatische bis tafelartigc Krystalle durch die Gestalten «sP und oP, je nach dem Vorherrschen der einen oder der anderen bildend, bisweilen auch com- binirt mit der hcxagonalen Pyramide £P, welche die Combinationskanten zwischen 00P und oP abstumpfend mit der Basisfläche die Combinationskanten = 148° 30' bildet, sowie mit der Pyramide P, deren Flächen gegen die Basisflächen unter 1290 13' geneigt sind u. a. Ausser krystallisirt findet er sich auch derb, krystallinisch-körnige oder blättrige Aggregate bildend. Er ist vollkommen parallel den Basisflächen, in Spuren bis undeutlich nach den Prismaflächen spalt- bar, leberbraun bis olivengrün oder graulichgrün, hat halbmetallischen Perlmutter- glanz auf den Basis- und den ihnen parallelen vollkommenen Spaltungsflächen, sonst Wachsglanz, ist durchscheinend bis undurchsichtig, spröde, hat H. = 4,0 4,5 und spec. Gew. = 3,0 3,2. Das seltene Mineral ist ein wasserhaltiges Silicat von Eisen- und Manganoxydul, welches im Gegensatz zu dem oft in Gümmer vor- kommenden Fluor einen um \% herum schwankenden Chlorgehalt finden Hess, in Folge dessen verschiedene Formeln gegeben wurden. Ks scheint das Chlor ähnlich dem Fluor anderer Glimmer als Stellvertreter für etwas Sauerstoff an- gesehen werden zu können und der Sauerstoff der Kieselsäure zu dem der Basen, das Wasser mit inbegriffen 1 : 1 zu sein. Der Wassergehalt beträgt um 8$.

Im Kolben erhitzt giebt er Wasser und gelbe Tropfen von Eisenchlorid und wird schwarz, v. d. L. auf Kohle zeigt er bei gelindem Erhitzen einen sauren Geruch (worauf sich der Name Pyrosmalith, zusammengesetzt aus den griechischen Worten tpyr*. Feuer, *osme« Geruch und »lithosi Stein bezieht), schmilzt leicht

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Glimmer.

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zu einer stahlgrauen magnetischen Kugel und giebt mit Borax und Phosphorsalz die Reactionen auf Eisen, Mangan und Kieselsäure. Von concentrirter Salpeter- säure wird er vollständig zersetzt.

6. Chloritoid, benannt wegen Aehnlichkeit mit Chlorit im Aussehen (auch Chloritspath genannt) selten bestimmbare klinorhombische sechsseitige Tafeln bildend, gewöhnlich nur Blätter von verschiedener Grösse, welche einzeln ein- gewachsen oder zu schaligen, blättrigen bis schuppigen Aggregaten verwachsen sind, selbst als Gesteinsart in Canada den Chloritoidschiefer bildend. Vollkom- men spaltbar nach den Basisflächen, dunkel lauchgrün bis schwärzlichgrün, wenig perlmutterartig glänzend, schwach in dünnen Blättchen durchscheinend, gewöhn- lich undurchsichtig, spröde, hat H. = 6,5 und spec. Gew. = 3,52 3,56. Er ist nach der Formel H2O Al2Os 4- FeO SiOa zusammengesetzt mit 23,8$ Kiesel- säure, 28,4 Eisenoxydul, 40,6 Thonerde und 7,1 Wasser, wobei gewöhnlich ein wenig Magnesia als Stellvertreter für Eisenoxydul vorkommt. V. d. L. ist er nur schwierig zu fast schwarzem, etwas magnetischem Glase schmelzbar. Das Wasser wird nur bei starker Glühhitze ausgetrieben. In Chlorwasserstoffsäure ist er nicht, dagegen in concentrirter Schwefelsäure vollständig löslich.

Das eigenthümliche Mineral fand sich zuerst bei der Hütte Mramorskoi un- weit Katharinenburg am Ural und wurde später im Saasthale in Ober-Wallis in der Schweiz, bei Pregratten in Tyrol, am Gumlegh Dag in Kleinasien und in Canada gefunden. Mit demselben ist sehr wahrscheinlich der Sismondin von St Marcel in Piemont und der Masonit von Middletown in Rhode-Island zu vereinigen, während es noch zweifelhaft ist, ob auch der kleine sechsseitige Tafeln bildende in Thonglimmerschiefer eingewachsene Ottrelit von Ottrez bei Stavelot in Belgien dazu gehört.

Wenn die im Vorangehenden beschriebenen Glimmer zwei Gruppen dar- stellen, von denen die eine diejenigen Glimmer enthält, welche mehr oder weniger elastisch biegsame Spaltungsblätter zeigen, zuerst ausschliesslich den Namen Glimmer erhielten, die zweite Gruppe relativ sparsam vorkommende Species ent- hält, welche bei vollkommener Spaltbarkeit in einer Richtung, starre, nicht elastisch biegsame Spaltungsblätter ergeben, wegen ihrer Aehnlichkeit aber in der vorherrschenden Ausbildung auch zu den Glimmern gerechnet werden können, so schliesst sich diesen beiden Gruppen noch eine dritte Gruppe ausgezeichnet phyllitischer Minerale an, die der Chlorite, welche gleichfalls wasserhaltige Silicate sind und bei vollkommener basischer Spaltbarkeit gemein biegsame Spaltungsblätter ergeben, ausserdem auch vorherrschend lamellare Bildung zeigen und in derben krystallinisch blättrigen bis schuppigen Massen vorkommend als Gesteinsart Schiefer bilden. In diese Gruppe gehören:

7. Der Chlorit (benannt von dem griechischen ichbros* grünlichgelb, grün, im Hinblick auf die vorherrschende Farbe), krystallisirt hexagonal, tafelartige Krystalle bildend, welche gewöhnlich hexagonale Tafeln mit geraden Randflächen, die Combination der vorherrschenden Basisrlächen mit dem hexagonalen Prisma 00P bilden, oder auch hexagonale Tafeln mit der hexagonalen Pyramide P, deren Seitenkanten = 106 0 50' sind. Die in Drusenräumen oder auf Kluftflächen auf- gewachsenen Krystalle sind gewöhnlich klein und bilden oft durch Gruppirung fächerförmige, kammförmige, wulstformige und kugelige Gruppen, welche aus übereinander gewachsenen, reihenförmig angeordneten Tafeln bestehend durch Verschiebung der einzelnen Tafeln diese eigenthümlichen Gestalten zeigen. Bei grosser Kleinheit der so aneinander gereihten Tafeln entstehen dünne, lange,

Kdwgott, Min., Gcol u. Pal. II. 8

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

wurmförmig gekrümmte, prismatische Kryställchen (der sogen. Helminth), wie sie besonders schön als Einschluss in Bergkrystall in der Schweiz vorkommen. Undeutlich begrenzte Tafeln erscheinen als Blätter bis Schuppen, oft von aus- nehmender Kleinheit, wie sie z. B. auf Bergkrystallen und den Adular genannten Orthoklaskrystallen u. a. m. gefunden werden, einen scheinbar feinerdigen Ueber- zug bildend. Häufig findet er sich derb mit krystallinisch-blättriger, schuppiger bis scheinbar feinerdiger Absonderung und bildet bei paralleler Anordnung als Ge- steinsart Schiefer, die Chlorit schiefer.

Er ist vollkommen basisch spaltbar und die Spaltungsblättchen sind gemein biegsam. Er ist vorherrschend grün gefärbt, lauch-, pistazien-, berg-, seladon-, grasgrün, selbst bis schwärzlichgrün und bläulichgrün, dichromatisch, indem die Krystalle senkrecht gegen die Hauptachse gesehen roth bis gelb durchscheinend sind, längs der Hauptachse aber grün, mehr oder weniger durchscheinend (dünne Lamellen bis durchsichtig), perlmutterartig glänzend auf den Basis- und den ihnen entsprechenden Spaltungsflächen, glas- bis wachsartig auf den Randflächen der Tafeln, milde, hat grünlichgrauen Strich, H. = 1,0 1,5 und spec. Gew. = 2,78—2,96.

Die Zusammensetzung des Chlorit ist eine sehr schwankende in Betreff der Mengen der einzelnen Bestandtheile, welche wesentlich Magnesia und stellver- tretendes Eisenoxydul, Thonerde, Kieselsäure und Wasser sind, indem 12 bis 25 § Magnesia, 30—15$ Eisenoxydul, 26— 17g Thonerde, 24—28$ Kieselsäure und 9—12$ Wasser gefunden wurden. Es wurden sehr verschiedene Formeln auf- gestellt, wobei besonders die Thonerde Schwierigkeiten machte, um sie im Sili- cat mit Kieselsäure verbunden auffassen zu können, weshalb es nicht unwahr- scheinlich ist, die Thonerde Al2Os als Stellvertreter für einen Theil von Magnesia- Silicat MgO'SiOa zu betrachten, wie dies auch bei Augit und Amphibol zweck- mässig erschien. In diesem Sinne lassen sich die Mehrzahl der Analysen so interpretiren, dass der Chlorit der Formel 2H20"MgO 2(MgOSiOJ) entspricht, wobei ein wechselnder Theil des Magnesia-Silicates durch Thonerde ersetzt ist, wäh- rend das Eisenoxydul wechselnde Mengen der Magnesia ersetzt. Schreibt man daher in der Formel AlsOa als stellvertretenden Bestandtheil neben das Magnesia-Silicat und Fe neben Mg, so wäre die Formel des Chlorit 2H2OMg, FeO-h2(Mg, FeOSi03, AlaOs) und wenn z. B. ein Drittel des Silicates durch Al2Os, nahe- zu die Hälfte der Magnesia durch Eisenoxydul ersetzt ist, so würde ein solcher Chlorit 25,81 Kieselsäure, 22,15 Tl.onerde, 17,20 Magnesia, 23,23 Eisenoxydul und 11,61 Wasser enthalten, wie der Chlorit vom St. Gotthard nach C. Rammels- berg. Andere, ja selbst solche von demselben Fundorte ergeben wieder andere Procentzahlen, meist aber zu der angegebenen Formel führend.

Im Kolben erhitzt giebt der Chlorit, sich mehr oder weniger aufblätternd, etwas Wasser, wobei er aber stark geglüht werden muss; v. d. L. ist er mehr oder weniger schwierig zu dunklem bis schwarzem Glase schmelzbar, je nach dem Eisengehalte; in concentrirter Schwefelsäure wird er langsam zersetzt, von Chlor- wasserstofifsäure sehr wenig angegriffen.

Dem Chlorit sehr nahe verwandt ist der Penn in, welcher sich besonders schön bei Zermatt in Ober- Wallis in der Schweiz gefunden hat und durch seine spitzrhombo- edrischen Krystalle ausgezeichnet ist. Er bildet kleine bis grosse Krystalle, welche entweder (die kleinen) nur ein spitzes Rhomboeder darstellen, dessen Endkanten- winkel nahezu 65 0 messen, während die grösseren meist noch die Basisfläche in Combination zeigen, als gerade Abstumpfung der Endecken des Rhomboeders.

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Climmer.

"5

Diese Basisflächen, welche nicht mit den basischen Spaltungsflächen zu ver- wechseln sind, erscheinen rauh, trigonal getäfelt, während meist an den käuflichen Exemplaren die Endecken abgeschlagen sind und daher glatte, basische Spaltungsflächen zeigen. Die Krystalle, bis 15 Centim. in der Richtung der Hauptachse ausgedehnt, sind in Drusenräumen und auf Kluftflächen aufge- wachsen, während eingewachsene Krystallblätter selten sind. Er ist grün wie der Chlorit, ausgezeichnet dichromatisch, was man besonders gut sieht, wenn Platten parallel der Hauptachse geschnitten werden, welche dann granatroth bis bräunlichroth durchscheinen, während dünne basische Spaltungsblätter die grüne Farbe zeigen und bei hinreichender Dünne selbst durchsichtig wer- den. Dicke Spaltungsstücke sind undurchsichtig. Kleine, dicktaflige Krystalle sind, in der Richtung senkrecht auf die Hauptachse gesehen, ölgrün bis weingelb durchscheinend, senkrecht auf die Basisfläche gesehen, fast smaragdgrün, aber weniger durchscheinend. Der Glanz auf den basischen Spaltungsflächen ist perlmutterartig, z. Th. in Glasglanz geneigt, auf den fast immer horizontal gestreiften Rhomboederflächen wachs- bis fast glasartig. Er ist milde, die dünnen Blättchen sind mehr oder weniger biegsam, die Härte ist = 2,0 3,0, das spec. Gew. = 2,63—2,75.

In der Zusammensetzung stimmt er mit dem Chlorit darin überein, dass er auch dieselben Bestandtheile in wechselnden Mengen enthält, sich durch die oben an- gegebene allgemeine Formel ausdrücken lässt, dagegen keinen so grossen Wechsel zeigt, wie es bei Vorkommnissen desselben Fundortes erklärlich ist. Die Kiesel- säure beträgt 32—34}}, Magnesia 32—37, Eisenoxydul 11—20$, Thonerde 9— 18, und Wasser 12—133. Das chemische Verhalten ist nahezu dasselbe wie das des Chlorit. Der Hauptunterschied liegt in der rhomboedrischen Ausbildung, welche jedoch insofern kein Hinderniss der Vereinigung mit Chlorit sein dürfte, wenn man die bei letzterem vorkommende Pyramide als eine in diagonaler Stellung auffasst, wie auch bei Pennin eine solche untergeordnet beobachtet wurde.

8. Der Klinochlor (früher auch Ripidolith genannt) ist dem Chlorit sehr ähnlich, nur sind seine Krystalle klinorhombische, sechsseitig tafclartige bis kurz- prismatische, auch bis spitzpyramidale, welche im Allgemeinen ein hexagonales Aus- sehen haben und nur bei guter Ausbildung als klinorhombische deutlich unterschieden werden können. Die ebenen Winkel der sechsseitigen Basisflächen sind = 1200, da- her die gewöhnlich kleinen in Drusenräumen und auf Kluftflächen aufgewachsenen Krystalle wie die des Chlorit erscheinen, nur etwas flächenreicher. Sie bilden auch durch ihre Gruppirung dieselben fächerförmigen, kämm- und wulstförmigen u. a. Gestalten und finden sich, derbe krystallinisch - blättrige bis schuppige Aggregate bildend, selbst schiefrig kommt er vor. Er ist vollkommen basisch spaltbar und dünne Spaltungsblättchen sind gemein biegsam. In Farbe, Glanz und Durchsichtigkeit gleicht er dem Chlorit, er ist milde, hat H. = 1,0—3,0 und spec. Gew. = 2,65—2,78.

Bei dieser äusseren Aehnlichkeit ist es bemerkenswerth, dass die Zusammen- setzung des Klinochlor (welcher so benannt wurde, um im Namen die Aehnlich- keit der Farben mit Chlorit und die verschiedene, klinorhombische Krystallisation auszudrücken) auf dieselben Bestandtheile mit ähnlichem Wechsel in den Mengen- verhältnissen führte und da man auch für ihn dieselbe allgemeine Formel wie für den Chlorit und Pennin aufstellen kann, so liegt hier Dimorphismus vor. In den relativen Mengenverhältnissen der wechselnden Bestandtheile steht der Klino- chlor dem Pennin nahe, zeigt aber grössere Schwankungen, weil sich die Analysen

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

auf mehr Fundorte beziehen. Er schwankt im Gehalte an Kieselsäure zwischen 30 und 34$, in der Thonerde zwischen 13 und 20$, in der Magnesia zwischen 29 und 37, im Eisenoxydul zwischen 9 und 4<{, und im Wassergehalt zwischen 10 und 13$.

Dass bei solchem Wechsel in den Mengenverhältnissen der wesentlichen Bestandtheile, gleichviel, ob man obige allgemeine Formel für Chlorit, Pennin und Klinochlor annimmt oder andere Formeln aufstellt, besondere Vorkommnisse unter besonderen Namen als Species aufgestellt werden, ist sehr leicht erklärlich. So z. B. wurde der gTünlichweisse bis blassgelbe Leuchtenbergit von Schischimskaja-Gora bei Slatoust im Ural als eigene Species betrachtet, welcher grosse tafelförmige hexagonale Krystalle bildet, ferner der grossblättrige bläulich- grüne Tabergit vom Tabergc in Wermland in Schweden, der kryptokrystallische Grochauit von Grochau in Schlesien und Pseudophit vom Berge Zdiar bei Aloysthal in Mähren, der stenglige Aggregate bildende Epichlorit von Neustadt am Harz u. a. m., welche sich den obigen anschliessen, sowie auch eisenreiche Chlorite als Delessit oder Eisenchlorit bezeichnet wurden.

Bemerkenswerth sind auch zwei Vorkommnisse, welche als chromhaltige nicht die gewöhnliche grüne Farbe der Chlorite zeigen, sondern pfirsichblüthroth, carmoisinroth bis violblau gefärbt sind, wie der in der Form dem Pennin nahe- stehende hexagonale Kämmererit vom See Itkul und von Miask am Ural, von Bissersk im Gouvernement Perm in Sibirien, von Texas in Pennsylvanien, aus Baltimore und von der Insel Tino, wozu auch die Rhodochrom und Rhoodo- phyllit genannten Varietäten desselben gehören, und der in der Form dem Klinochlor nahestehende Kotschubeyit von Karkadi nsk im District Ufaleisk am südlichen Ural, welche als Varietäten, resp. des Pennin und Klinochlor an- gesehen werden können.

Andere in die Gruppe der Chloritglimmer gehörige Minerale sind wohl noch mehrere als eigene Arten unterschieden worden, da jedoch bei ihnen zum Theil die Gestaltsverhältnisse, zum Theil die chemische Constitution noch mancher Aufklärung bedürfen, so möge ihre Beschreibung hier übergangen werden. Solche sind z. B. der mikrophyllitischc Allophit von Langenbielau in Schlesien, der blättrige Eukamptit von Presburg in Ungarn, der chloritähnliche Epiphanit von Tväran in Wermland in Schweden, der chloritähnliche Voigtit von Ehren- berg bei Ilmenau in Thüringen, der mikrokrystallische feinschuppige bis schuppig- körnige Thuringit von Schmiedefeld bei Saalfeld in Thüringen nebst dem dazu gerechneten Owenit von Harpcrs Ferry am Potomacflusse in Nord-Amerika, der eisenreiche feinschuppige Aphrosiderit von Weilburg in Nassau, der ihm nahe- stehende Striegovit vonStriegau in Schlesien, diedurch ihre Eigenschaft, sich v.d.L. erhitzt mit grosser Heftigkeit stark aufzublättern, ausgezeichneten Minerale, der Ver- micul ith vonMilbury bei Worcester in Massachusetts, derjefferisit von Westchester in Pennsylvanien, der Culsageeit aus Jenk's Smaragdgrube am Culsagee-Fluss in Macon County in Nord-Carolina uud der Hallit aus Chester-County in Pennsyl- vanien, welche auch für Umwandlungsproducte des Phlogopit erklärt wurden, ferner der Euralit aus dem Kirchspiele Eura in Finnland, sowie die eisenreichen Silicate Stilpnomelan von Zuckmantel und Bennisch in Oesterreich-Schlesien, Kriesdorf bei Hof in Mähren, Weilburg und Vilmar in Nassau und Nordmark in Wermland in Schweden, Uillit von Przibram in Böhmen, der Chronstedtit von Przibram in Böhmen und von Lostwithiel in Cornwall, der Chalkodit von Sterling in Jefferson County in New York und einige andere.

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Glimmer.

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Schliesslich ist noch der Steatit und Agalmatolith anzuführen, welche gewöhnlich nicht zu den Glimmern gezählt werden.

9. Der Steatit, welcher zwei Varietäten bildet, den deutlich krystallinischen Talk und den kryptokrystallinischen Speckstein, welche früher als zwei ver- schiedene Arten aufgefasst wurden, in der Zusammensetzung aber übereinstimmen. Der häufig vorkommende Talk, welcher sechsseitige oder rhombische tafelartige Krystalle bildet, dem Krystallsystem nach noch nicht bestimmt ist, kommt ge- wöhnlich derb mit krystallinisch-blättriger, kömig-blättriger bis schuppiger Anord- nung vor und ist selbst als Gesteinsart, Talkschiefer, ähnlich dem Chloritschiefer wichtig. Er zeigt vollkommen basische Spaltbarkeit, und die gemein biegsamen Spaltungslamellen erweisen sich als optisch-zweiachsig, wonach man ihn im Verein mit den Umrissen einzelner Krystallblätter für Ortho- oder klinorhombisch hält. Er ist weiss (in dünnen Blättchen selbst farblos) meist grünlich-weiss bis apfel- grün, auch lauchgrün, grünlichgrau, ölgrün bis gelblichgrün und grünlichgelb, gelb- lich, oder grünlichgrau, mehr oder weniger durchscheinend (dünne Blättchen selbst durchsichtig) bis schwach an den Kanten durchscheinend, perlmutter- glänzend bis schwach wachsartig, milde bis fast geschmeidig, hat H. = 1,0 (das niedrigste Härteglied in der Mons'schen Härtescala darstellend, s. Bd. I. pag. 164) und spec. Gew. = 2,69—2,80. Charakteristisch ist das seifenartige Anfühlen. Er ist wesentlich nur ein wasserhaltiges Magnesia-Silicat, nach der Formel 3(MgO SiOa) -r-H2OSi()2 oder kürzer geschrieben H2Mg304 Si4Oft zusammengesetzt, welche 31,7g Magnesia, 63,5 Kieselsäure und 4,8 Wasser erfordert; enthält meist ein wenig Eisenoxydul als Stellvertreter für Magnesia. Er giebt im Glaskolben er- hitzt kein Wasser, welch.es erst durch sehr starkes Glühen ausgetrieben werden kann, ist v. d. L. sich z. Th. etwas aufblätternd unschmelzbar oder schmilzt nur an den Rändern dünner Blättchen ein wenig, leuchtet stark und brennt sich hart, dabei die Härte bis zu 6 hinauf erreichend. Mit Kobaltsolution befeuchtet und stark geglüht wird er blassroth, die Anwesenheit der Magnesia anzeigend. Von Säuren wird der Talk weder vor noch nach dem Glühen zersetzt.

Der Speckstein ist kryptokrystallinisch, scheinbar dicht, findet sich seltener als der Talk, derb bis eingesprengt, auch in nierenförmigen und knolligen Ge- stalten und Pseudokrystalle bildend, wie nach Quarz, Dolomit, Augit u. a. Er ist weiss, gewöhnlich unrein, wie graulich-, gelblich- und grünlichweiss, auch hell- grau, gelb, grün und roth gefärbt, einfarbig oder bunt, matt, im Striche wachs- artig glänzend, an den Kanten durchscheinend, weich, milde, fühlt sich sehr seifenartig an, hat die H. = 1,0— 1,5 und das spec. Gew. = 2,6—2,8. Er ist nach derselben Formel wie der Talk zusammengesetzt, v. d. L. unschmelzbar, sich hart brennend und zeigt mit Kobaltsolution befeuchtet und geglüht blassroth werdend die Magnesia-Reaction. Beim Erhitzen im Kolben wird er vorüber- gehend schwarz durch beigemengte organische Substanzen und giebt etwas Wasser, hygroskopisches, während sein eigentlicher Wassergehalt erst durch starkes, lange anhaltendes Glühen bestimmt werden kann. Von Chlorwasserstoff- säure wird er nicht angegriffen, dagegen durch kochende Schwefelsäure zersetzt, weil er im Gegensatz zum Talk weniger krystallinisch ist.

Der Talk wird wegen seiner grossen Weichheit und Geschmeidigkeit zum Schmieren von Maschinenteilen benützt, desgleichen auch der Speckstein, letzterer auch zum Schreiben und Zeichnen auf Seide, Tuch und Leder (spanische Kreide genannt), zum Ausbringen von Fettflecken und verschiedenen anderen Zwecken.

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n8 Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

10. Der Agalmatolith (von den griechischen Worten >agalmai und >lithcn gebildeter Ausdruck des Namens Bildstein), auch Pagodit genannt, weil er in China zu allerlei Bild- und Schnitzarbeiten verarbeitet wird und so vielfach im Handel nach Europa gebracht wird, derbe Massen bildend und mit undeut- lich schiefriger Bildung und unter dem Mikroskop auf feinschuppige, krystallinische Aggregate hinweisend, im Bruche splittrig, ist ähnlich dem Speckstein gefärbt, gelblich bis röthlichgrau, isabellgelb, fleischroth, grünlichgrau bis blass berg- und ölgriin, einfarbig oder bunt, gefleckt, gestreift, geflammt u. s. w. matt bis schimmernd, im Schnitte schwach wachsartig glänzend, durchscheinend bis an den Kanten, milde und zähe, hat H. = 2,0—3,0 und spec. Gew. = 2,8 2,9. V. d. L. brennt er sich weiss und schmilzt wenig an den scharfen Kanten, mit Borax giebt er ein klares Glas, von Phosphorsalz wird er nicht zerlegt, mit Kobaltsolution befeuchtet und geglüht wird er blau. In kochender Schwefelsäure wird er zer- setzt, Kieselsäure abscheidend. Er enthält wesentlich Kieselsäure, Thonerde, Kali und Wasser, nebenbei wenig Kalkerde, Magnesia, Eisen- und Manganoxyd und lässt sich am besten in den Mengen der wesentlichen Bestandteile mit Muscovit vergleichen, nur ist er ärmer an Kali und reicher an Kieselsäure. Aus Allem scheint hervorzugehen, dass der Agalmatholith nicht homogen ist, unbe- stimmbare Beimengungen enthaltend an eine kryptokrystallinische Gesteinsart erinnert, deren wechselnde Vorkommnisse zu ähnlichen Zwecken benützt werden, und dass nicht alle solche Bild- und Schnitzwerke aus China einer Mineralart, dem echten Agalmatolith zugehören. Ihm sehr nahestehend ist ein Vorkommen von Nagyag in Siebenbürgen, vom Ochsenkopf bei Schwarzenberg und von Schemnitz in Ungarn, in Wales in England oder bei Beavcr-dam Creek, westlich von Washington in Georgia in Nord- Amerika.

Harze

von

Professor Dr. Kenngott.

Als Harze werden eine Reihe eigenthümlicher Mineralvorkommnisse be- zeichnet, welche unzweifelhaft organischen, der Mehrzahl nach pflanzlichen Ur- sprunges sind, d. h. mit den in der Erde vorkommenden Ueberrcsten pflanzlicher, z. Th. thierischer Körper im Zusammenhang stehen. Bei ihrer grossen Ver- schiedenheit im Aussehen und in der chemischen Constitution werden verhältniss- mässig zahlreiche Arten unterschieden, welche jedoch mit anderen Mineralarten verglichen keine strenge Unterscheidung als Arten zulassen; namentlich in der Zusammensetzung insofern schwierig als Arten aufgefast werden können, als bei der Mehrzahl es nicht möglich ist, Formeln aufzustellen. Die chemische Unter- suchung kann wohl bei vielen dazu führen, die procentischen Mengen der wesent- lichen Bestandteile, Kohlenstoff und Wasserstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, bisweilen auch etwas Stickstoff zu bestimmen, die wirkliche Ver- bindungsweise aber dieser Bestandteile lässt sich kaum mit Sicherheit feststellen, wenn auch aus den procentischen Mengen Atomzahlen der verbundenen Bestand- teile nebeneinander gestellt werden.

Als sichtliche unmittelbare Reste von Pflanzen oder als Umwandlungs- oder Ausscheidungsproducte, durch chemische Einwirkungen verschiedener Art, pflanz- licher oder auch, nur selten thierischer Ueberreste zeigen sie zunächst ver-

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Harze.

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schiedenes Aussehen, sind entweder amorphe, durchaus unkrystallinische Substanzen oder können auch krystallinisch vorkommen, selbst Krystalle bilden, bei welchem krystallinischen Zustande auch die Zusammensetzung sicherer bestimmbar ist. Bei der grossen Anzahl solcher Vorkommnisse, welche beständig zugenommen hat, sollen nur einige als Beispiele angeführt werden.

1. Der Bernstein oder Succinit. (Der Name Bernstein soll von dem alt- deutschen bömtn für brennen herrühren, weil das Mineral angezündet brennt, während der Name Succinit aus dem lateinischen Namen des Bernstein, succinum gebildet wurde, welcher auf succus, Saft bezogen auf den Ursprung hindeutet, auf einen aus Bäumen ausgequollenen Saft. Derselbe findet sich vorwaltend in der Braunkohlen- und Diluvialformation vieler Länder, besonders an der preussischen Gstseeküste von Memel bis Danzig, wo er von den Wellen des Meeres aus den den Meeresgrund bildenden Lagern ausgewaschen und an das Ufer ge- schwemmt wird (Seebernstein) oder auch im Boden der Küstengegend oder weiter landeinwärts vorkommend durch Ausgraben gewonnen wird (Landbernstein). Er ist unzweifelhaft ein Baumharz wie arabisches Gummi, Mastix, Kirschharz, Copal u. a. aber von vorweltlichen ausgestorbenen Bäumen der Tertiärformation, dem Pinites succinifer üöppert's und acht anderen Coniferen und Cupressineen. So lange er weich war, konnte er Mücken, Ameisen, Käfer, Spinnen u. a. Insekten, Pflanzentheile, selbst Spinngewebe mit Thautropfen einschliessen, welche Ein- schlüsse schon in alter Zeit bemerkt wurden, wie sie auch Plinius schon er- wähnte. Die Benützung des Bernsteins und der Handel mit demselben ist uralt und schon in Homf.r wird Bernstein erwähnt und bei den Griechen wurde er bereits mit den Dichtungen und Mythen über die ältesten Nationalgötter in Ver- bindung gebracht. Durch den Handel wurde er in alle Theile der alten Welt verführt. Seine Benutzung zum Schmuck und als Räuchermittel ist uralt, während er in neuerer Zeit auch zur Anfertigung von Luxusartikeln, wie Pfeifenspitzen, zu technischen und medicinischen Zwecken vielfach gebraucht wird.

Er bildet gewöhnlich als amorphe Substanz stumpfeckige und rundliche Stücke bis Körner oder findet sich in tropfenartigen und aus Tropfen zusammen- gesetzten bis geflossenen Gestalten und hat vollkommen muschligen Bruch. Er ist wesentlich gelb, honiggelb, weissgelb (die alten Römer schätzten besonders den von der Farbe der Falerner Weine), ins Röthliche bis hyazinthroth, bräunlich- gelb bis braun, hellgelb bis fast weiss, einfarbig oder auch gefleckt oder gestreift in helleren und dunklen Farbentönen; bisweilen fluorescirend; er ist durchsichtig bis an den Kanten durchscheinend, was jedoch nicht mit den helleren und dunkleren Farben zusammenhängt, indem gerade die fast gelblichweissen weniger durchscheinend sind als die dunkleren; wachsartig glänzend, wenig spröde, hat H. = 2,0 2,5 und spec. Gew.— 1,0 1,1. Beim Reiben auf Tuch oder Seide wird er negativ elektrisch und zieht leichte Körper, wie Papierschnitzel, Sand- körner u. a. an. Der griechische Name T>clcktron* des Bernsteines gab Veran- lassung, diese Eigenschaft Elektricität zu nennen und da diese Anziehungskraft des Bernsteines schon den Alten bekannt war, so vermuthete man, dass ihm der Name ncUktrom deshalb gegeben worden sei, dass er der Zieher genannt worden sei, von dem Zeitworte ifuJkcint ziehen, während nach Plinius der Name von der gelben Farbe abhängt, die mit der der strahlenden Sonne %eIector* verglichen wurde. Es sollen sogar die griechischen Frauen im Alterthume bei ihren weib- lichen Arbeiten Spindeln von Bernstein oder mit Bernstein verzierte Spindeln be- sonders geschätzt haben, weil diese durch die Reibung elektrisch, anziehend

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Mineralogie, Gelogie und Talaeontologie.

geworden, kleine sich von der Wolle ablösende Fasern anzogen und abstiessen, dadurch einen unterhaltenden Anblick gewährten.

Nach den verschiedenen Analysen werden die bezüglichen Mengen der Elementarbestandtheile Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff durch die Formel C10H16O ausgedrückt, welche 79$ Kohlenstoff, 10,5 Wasserstoff und 10,5 Sauer- stoff erfordert, jedoch nicht der Ausdruck der wirklichen Verbindungsweise, wie bei anderen Mineralen ist, indem der Bernstein verschiedene mit einander ver- bundene Stoffe enthält, wie die ihn ausschliesslich charakterisirende Bernstein- säure C4H604, welche als Aethylendicarbonsäure aufgefasst durch die Constitu-

{COOH COOH' oc*er als ^'metliylencarDonsäure aufgefasst durci

fCOOH

die Constitutionsformel (CH)2 |£qoh ausgedrückt wird, ein ätherisches Oel,

zweierlei Harze und einen unlöslichen bituminösen Stoff. Er enthält auch sehr wenig Stickstoff und 0,24—0,48$ Schwefel, der bei der trockenen Destillztion Entwicklung von Schwefelwasserstoff veranlasst.

Der Bernstein ist unlöslich in Wasser; kochender Alkohol und Aether lösen eine kleine Menge eines weichen gelben Harzes; auch flüchtige und fete Oele lösen nur einen kleinen Theil des Bernsteins. Nach Draper löst er sich in 20 Theilen Cajeputöl; in kochendem Leinöl wird er weich und biegsam, fast undurchsichtige Stücke werden dabei oft durchscheinend. In einem zuge- scbmolzenen (Ilasrohre mit Leinöl oder Terpentinöl auf 350 400° erhitzt, löst er sich nach Violette unter Zersetzung. Kr schmilzt bei etwa 2800, sich dabei zersetzend unter Entwicklung eines eigenthümlichen gewürzhaften Geruches (da- her seine Anwendung zum Räuchern). Er wird zuerst weich und bläht sich auf, schmilzt und zersetzt sich. Angezündet verbrennt er mit heller Flamme und eigenthümlichen angenehmen Geruch verbreitend und kohligen Rückstand hinterlassend. Bei der trockenen Destillation bilden sich als flüchtige Producte: Wasser, Bernsteinsäure und Bernsteinöl; der Rückstand ist geschmolzener Bernstein oder Bernsteinkolophon; wird dieser weiter erhitzt, so zersetzt er sich zuletzt unter Verkohlung und es destillirt ein dickflüssiger Theer, später nahe bei Glühhitze eine weiche, wachsartige Masse, der Bernsteincampher über.

Alle diese Angaben dienen als Beweis, dass die Mehrzahl der Harze, wenn auch ihre Elementarbestandtheile durch Zahlenverhältnisse der Atome ausgedrückt werden können, aus verschiedenen Verbindungen bestehen, ohne dass deshalb angenommen werden kann, dass die durch chemische Behandlung als Producte erhaltenen Stoffe in dieser Weise in den Harzen enthalten sind. Sie dienen wesentlich nur als Kennzeichen, wie für den Bernstein die Bemsteinsäure als Charakteristiken anzusehen ist.

Wie überaus reichlich der Bernstein vorkommt, der seit den ältesten Zeiten an der Ostseeküste gefunden wurde, erhellt daraus, dass die jährliche Ausbeute auf 200000 Pfd. sich beläuft und dass nach bis zum Jahre 1535 reichenden Tabellen die Ausbeute nahezu dieselbe gewesen ist. Die gefundenen Stücke werden nach der Grösse sortirt, wonach der Preis sehr variirt. Grosse Stücke sind selten. So wurde 1803 zwischen Gumbinnen und Insterburg ein Stück von 12$ Pfd. Schwere gefunden, welches einen Schätzungswerth von 30000 Mark hat In neuerer Zeit wurde bei Cammin ein unansehnliches gelblichweisses Stück von

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H.ir7C.

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20 Pfd. Schwere gefunden und schon Puntus erwähnte ein Stück im Gewichte von etwa 13 Pfd.

2. Der Retinit (benannt von dem griechischen -»retina Harz\ dem Bernstein verwandt, vorwaltend in Braunkohlen und in den Braunkohlenlagern, doch auch in älteren oder jüngeren vegetabilischen Ablagerungen vorkommend, findet sich auch in Gestalt rundlicher oder stumpfeckiger Stücke mit rauher Oberfläche und muschligem Bruch oder eingesprengt, ist ocher-, wachs-, isabellgelb, gelblichbraun, röthlichbraun, grünlichgelb, wachsglänzend, mehr oder weniger durchscheinend, spröde, hat H. = 1,0 2,0 und spec. Gew. = 1,05— 1,2. Wird durch Reiben negativ elektrisch. Ausserdem findet er sich erdig, derbe, selbst lagerartige Massen von leberbrauner bis bräunlich-grauer Farbe bildewl, eingesprengt und als Ueberzug.

Er enthält auch als Elementarbestandtheile Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, deren Verhältnisse aus den wenigen nicht übereinstimmenden Analysen nicht festgestellt sind, weshalb es auch nicht sicher ist, ob die als Retinit be- kannten Vorkommnisse aus der Umgegend von Halle, von Laubach am Vogels- gebirge, von Bovey in Devonshire in England, von Cap Sable in Maryland in Nord-Amerika, von Radnitz in Böhmen, von Höllenstein an der Ybbs in Oester- reich, aus der Gegend von Osnabrück in Westphalen, u. a. O. zu einer Art ge- hören. Er schmilzt in geringer Hitze, etwa bei 120°, brennt angezündet mit Flamme und entwickelt dabei einen angenehmen aromatischen Geruch. Er ist ziemlich leicht in Aether löslich, woraus er durch Alkohol gefällt wird, wogegen bei der Lösung in Alkohol ein Niederschlag durch Wasser erfolgt, doch zeigen verschiedene Vorkommnisse kein übereinstimmendes Verhalten. Nach Johnston soll auch in dem von Bovey eine eigentümliche Retinsäure enthalten sein, der Retinit dieses Fundortes der Formel CnH2803 entsprechen. So wurde auch

3. der Walchowit von Walchow in Mähren, welcher in Braunkohle amorphe rundliche Knollen von Faustgrösse und selten darüber bildet, zum Retinit gerechnet, dagegen von A. Schrötter als eigene Species getrennt, weil er eine Zusammensetzung der Formel C12H180 entsprechend finden liess und es würde fast jeder besondere Fundort eine eigene Art ergeben. Der Walchowit ist im Bruche muschlig, stroh- bis wachsgelb, auch braun gestreift, wachsglänzfnd, durchscheinend bis an den Kanten, spröde, hat H. = 1,5—2,0 und speeifisches Gewicht = 1,035—1,069, wird bei 1400 durchscheinend und elastisch, schmilzt bei 250 °, brennt angezündet mit etwas russender Flamme, aromatischen Geruch entwickelnd. Auch er ist ein Gemisch mehrerer Harze, welche sich durch Alkohol und Aether trennen lassen. Bei der trockenen Destillation liefert er Kohlen wasserstoffgas, Theer und eine saure Flüssigkeit, welche Ameisensäure enthält. Aehnliche solche Harze sind der Berengelit aus der Provinz St. Juan de Berengela in Peru, der Guayaquilit von Guayaquil in Columbien, der Middletonit von Middleton bei Leeds in England u. a. m.

4. Die Naphta oder das Erdöl (auch Bergöl, Steinöl, Petroleum genannt). Dünn- bis dickflüssig, farblos bis gelb oder braun, durchsichtig bis durch- scheinend, hat spec. Gew. = 0,7 0,8 und verflüchtigt sich an der Luft mit aro- matisch-bituminösem Geruch, leicht entzündlich und mit aromatischem Gerüche verbrennend. Dieses höchst interessante und in technischer Beziehung überaus wichtige Mineral besteht wesentlich aus Kohlenstoff und Wasserstoff, ohne eine bestimmte procentische Zusammensetzung zu haben, indem, wie die Unter- suchungen der in den vereinigten Staaten Nord-Amerika's und in Canada in un-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

erschöpflicher Menge sich findenden gezeigt haben, in denselben eine Reihe homologer Kohlenwasserstoffverbindungen der Formel CH^-k» enthalten sind. Dieselben beginnen mit dem gasförmig sich entwickelnden Aethylhydrür C2H6 und gehen bis zu dem Cethylhydrür C16H34, so dass sie mit 80 Kohlenstoff und 20 Wasserstoff beginnen und bis nahe 86 $ Kohlenstoff und 14 Wasserstoff ansteigen.

Die Naphtha, welche sich im Inneren der Erde auf noch nicht tiberein- stimmend erklärte Weise bildet, in Höhlungen ansammelt und mit oder ohne Wasser herausquillt, findet sich an vielen Orten, wie z. B. in Galizien, im Elsass, in Braunschweig, Hannover, Tyrol, Italien, zu Baku u. a. O. am caspischen Meere, in Persien, Ostindien, China u. s. w. Durch den Einrluss der Luft scheint die Naphtha eine allmähliche Veränderung zu erleiden, worauf sich zum Theil die zunehmende Färbung bezieht und die Leichtflüssigkeit abnimmt, so dass ein Uebergang durch eine braune, klebrige, zäheflüssige Masse, Bergtheer genannt, in den Asphalt vermittelt wird.

5. Der Asphalt (auch Erdpech oder Bergpech genannt) ist fest, amorph, derb und eingesprengt vorkommend, auch lose, auf dem Wasser schwimmend, wie im todten Meere, wo er von dem Wasser in grosser Menge ausgeworfen wird, bildet auch getropfte und geflossene Gestalten, Ucbcrzüge, Ausfüllungen von Klüften und Nestern und ist im Inneren oft blasig, selbst lagerartige Massen wie bei los Angelos in Californien, wo er eine Schicht von 10 Meter Mächtigkeit bildet und einen Raum von etwa 20 Hektaren einnimmt, oder er durchdringt innig Gesteinsmassen, wie Sandsteine. Der Asphalt hat muschligen bis unebenen Bruch, ist pechschwarz bis dunkelbraun, wachsglänzend bis matt, undurchsichtig, im Striche braun, milde, hat H. 2,0 oder etwas darunter, spec. Gew. = 1,1 1,2, riecht an sich schon, stärker beim Reiben stark bituminös und wird durch Reiben negativ elektrisch. Er schmilzt bei etwa 100 °, entzündet sich leicht und ver- brennt mit heller Flamme und starkem Rauch, erdige Beimengungen als Rückstand hinterlassend; ist in Aether grösstentheils löslich, einen harzigen, Asphalthen genannten Rückstand hinterlassend, welcher in Terpentinöl gelöst wird. Er ent- hält als Elementarbestandtheile Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff in nicht bestimmten Verhältnissen.

Das technisch wichtige und vielfach gebrauchte Mineral, welches als Deck- material von Dächern, Plattformen und Altanen, im Gemenge mit grobem Sande zu Strassenpflaster, zu Kitten, Anstrichen auf Eisen, Holz oder I^der, zu schwarzem Siegellack, zu Fackeln, zum Betheeren der Schiffe u. s. w. benützt wird, findet sich häufig, so ausser den oben angegebenen Fundorten beispielsweise bei Avlona in Albanien, Vergorez in Dalmatien, bei Prymont unweit Seyssel im Departement de l'Ain in Frankreich, im Val Travers im Canton Neuenburg in der Schweiz, bei Hannover, Münster, bei Lobsan im Elsass, Dannemora in Schweden, Kho- rassan u. a. O. im Kaukasus, auf der Antillen-Insel Trinidad u. s. w.

6. Der Ozokerit (benannt wegen der an Wachs erinnernden Weichheit und des eigenthümlichen aromatischen Geruches von dem griechischen toseinc riechen und ->kcros< Wachs, auch Erdwachs genannt) ist amorph, derbe bis lagerartige Massen bildend , bisweilen eigenthümlich fasrig, aber nicht krystallinisch , hat flachmuschligen bis splittrigen Bruch, je nach der Richtung, lauchgrün bis grün- lichbraun, bei durchgehendem Lichte gelblichbraun bis hyazinthroth, wachsartig glänzend bis schimmernd, stark durchscheinend an den Kanten, sehr weich, ge- schmeidig und biegsam, zwischen den Fingern wie Wachs knetbar und klebrig werdend, hat spec. Gew. = 0,94—0,97. Er entspricht der Formel CH, oder

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Harze.

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CnH>„ mit 85,7 j( Kohlenstoff und 14,3 Wasserstoff, enthält auch zuweilen etwas Sauerstoff, welcher vielleicht wie bei der Naphta nachtraglich dazu tritt und zu anderen ähnlichen Harzen führt. Bei 620 und darüber schmilzt er zu einer öligen klaren Flüssigkeit, welche beim Abkühlen erstarrt, verbrennt angezündet mit stark leuchtender, russender Flamme bis auf geringen kohligen Rückstand, ist in Aether oder Alkohol ungleich löslich, dagegen leicht löslich in Terpentinöl. Er wird zur Bereitung von Kerzen gebraucht und findet sich bei Slanik und Zietrisika in der Moldau unter einem mit Bitumen durchdrungenen Sandstein in der Nähe von Kohlenlagern und Salzmassen, bei Truskawiez und Boryslaw in Galizien, New-Castle in England, Wettin unweit Halle in preuss. Sachsen, Baku am caspischen Meere, wozu auch die auf der Insel Tschelekän in demselben vorkommende mehr an Bergtheer erinnernde Ncftedegil oder Neftgil genannte Substanz gerechnet wurde, welche etwas Sauerstoff enthält.

Nahe verwandt ist auch der sogenannte Elaterit (das elastische Erdpech), welcher auf Gängen bei Castleton in Derbyshire, Montrelais im Departement der unteren Loire und bei Neu-Haven in Connecticut vorkommend, derb, eingesprengt, nierenfönnig und als Ueberzug gefunden wird, geschmeidig, oft etwas klebrig ist und eine an Kautschuk erinnernde Elasticität besitzt. Derselbe ist schwärzlich-, röthlich- und gelblichbraun, wenig wachsartig glänzend und kantendurchscheinend und hat das spec. Gew. = 0,8— 1,23, zeigt starken bituminösen Geruch und wie Ozokerit nach der Formel CnH2„ zusammengesetzt, zum Theil auch etwas Sauerstoff enthaltend. Er ist leicht entzündlich und mit heller Flamme und bi- tuminösem Geruch verbrennbar und mehr oder weniger ungleich in Aether und Alkohol löslich, z. Th. auch in Kalilauge.

7. Der Piauzit von Piauze unweit Neustadtl in Krain und von Markt Tüffer. Gouze u. a. O. in Steiermark in und mit Braunkohle vorkommend, Nester und Lager bildend, z. Th. dünnblättrig bis stenglig abgesondert, derb und eingesprengt, im Bruche muschlig. Sammt- bis bräunlichschwarz, wachsglänzend, in dünnen Splittern braun durchscheinend, hat braunen Strich, ist leicht zersprengbar, milde, hat H. = 1,5 2,0 und spec. Gew. = 1,18 1,22. Beim Zerreiben zwischen den Fingern entwickelt er aromatischen Geruch. Auf Platinblech gelinde erhitzt schmilzt er zu schwarzer pechartiger Masse, verbrennt angezündet mit heller Flamme, starkem Rauche und eigentümlichem empyreumatischen Gerüche, schwarzen, blasigen kohligen Rückstand hinterlassend, der v. d. L. grau wird und zu grünen Kügelchen schmilzt, auf kieselsäurehaltige Beimengung hinweisend. Im Kolben erhitzt ist er leicht schmelzbar, schwere graue bis braune Gase ent- wickelnd, die ein grünlichbraunes sauer reagirendes Oel absetzen. Er ist theil- weise in Alkohol und Steinöl, ganz in Aether löslich. Er schmilzt bei 31 50. Seine Elementarbestandtheile sind Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Beim Liegen an der Luft zerfällt er in kleine Stückchen.

Aehnliche Harze sind der hyazinthrothe Ixolyt von Oberhart bei Gloggnitz in Oesterreich, der hyazinthrothe Jaulingit aus der Jauling nächst St. Veit an der Triesting in Nieder-Ocsterreich, der rothbraune Rosthornit von Guttaring in Kärnthen, der gelbe bis hyazinthrothe Siegburgit von Siegburg unweit Bonn, der gelbe, braune bis schwarze, elastische Krantzit von Lattorf bei Nienburg unweit Bemburg, der schwarze Pyroretin zwischen Salesi und Proboscht unweit Aussig in Böhmen u. a. m.

8. Der Pyropissit (benannt von *ßyc* Feuer und ^pissa* Harz, weil er im Glaskolben zu einer schwarzen pechähnlichen Masse schmilzt; auch Wachskohle

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Mineralogie, Geologie und 1'aJaeontologie.

genannt) von Gerstewitz und Weissenfeis in Thüringen, von Helbra bei Eisleben, und von Zweifelsreuth unweit Eger in Böhmen, mehr oder minder mächtige Schichten bildend, ist sehr feinerdig, zerreiblich, hellbraun bis bräunlichgTau, matt, im Striche wachsglänzend, undurchsichtig, hat spec. Gew. == 0,9, wird zwischen den Fingern gerieben etwas klebrig. Durch Erwärmen wird er dunkler und schmilzt unter starkem Aufwallen und Entwickelung hellgrauer Dämpfe zu einer schwarzen, asphaltähnlichen Masse und verbrennt angezündet mit heller russender Flamme und brenzlichem, schwach aromatischen Gerüche bis auf einen geringen Rückstand kieselsäurehaltiger Asche. In Alkohol ist er wenig, reich- licher in Aether und Terpentinöl löslich, giebt verschiedene Extractions- und Destillationsproducte und dient zur Darstellung von Paraffin, Kerzen und Leucht- gas. Seine Elementarbestandtheile sind Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstofl.

Einige Harze sind krystallinisch, selbst krystallisirt gefunden worden, so z. B.

9. Der Hartit von Oberhart bei Gloggnitz in Oesterreich, Rosenthal bei Köflach und Oberdorf bei Voitsberg in Steiermark. Derselbe bildet paraffin- oder wallrathähnliche Massen, welche Klüfte und Risse der Braunkohle ausfüllen und vollkommene Spaltungsflächen zeigen, selbst, aber selten kleine prismatisch- tafelige anorthische Krystalle, die Combination der Quer-, Längs- und Basisflächen zeigend, woran auch noch andere Gestalten bemerkt wurden. Er ist vollkommen nach den Quer-, weniger deutlich nach den Längsflächen spaltbar, farblos, weiss oder durch bituminöse Stoffe oder Kohle grau, gelb bis braun gefärbt, wachsarrig glänzend, halbdurchsichtig bis durchscheinend, hat H. = 1,5 und spec. Gew. = 1,04 1,06. Seine Elementarbestandtheile sind Kohlenstoff und Wasserstoff entsprechend der Formel C3H5 mit 87,8 $ Kohlenstoff und 12,2 Wasserstoff. Er ist bei 730 schmelzbar, beginnt bei ioo° zu verdampfen und die Dämpfe condensiren sich an der Wandung des Kolbens zu Tropfen und krystallinischen Parthien. Er verbrennt angezündet mit heller Flamme, starkem Rauch und aromatischem brenzlichem Gerüche; ist in Alkohol wenig, reichlicher in Aether löslich, beim Verdunsten desselben Krystallblättchen hinterlassend. Von Schwefelsäure wird er erst bei Erhitzen über ioo° angegriffen, wobei sich schweflige Säure entwickelt und die Säure dunkel wird.

Aehnliche, aber minder reichlich vorkommende krystallinische Harze sind der Scheererit von Uznach in St. Gallen in der Schweiz, der Könleinit von da und von Redwitz in Bayern, der Fichte Ii t von Redwitz in Bayern, der Tekoretin von Holtegaard in Dänemark und der Hatchettin von Merthyr- Tydvil in Wales in England, von Loch-Fyne und Inverary in Schottland, von Sooldorf bei Rodenberg in Nassau, von Rossnitz in Mähren und Wettin bei Halle.

Hydrate

von

Professor Dr. Kenngott. Dass bei der allgemeinen Verbreitung des Wassers in der Erde und bei der grossen geologischen Bedeutung desselben bezüglich der Mineralbildung und Um- bildung dasselbe in vielen Mineralen als Bestandteil vorkommt, ist bekannt, doch ist die Rolle, welche es in diesen Verbindungen spielt, nicht immer genau bestimmbar. Wenn demnach in verschiedenen Mineralsystemen bei gewissen Reihen von Verbindungen wasserhaltige und wasserfreie getrennt gehalten werden,

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Hydrate.

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so kann man doch nicht allgemein die wasserhaltigen als Hydrate auffassen. Be- schränkt man daher ohne Rücksicht auf die neuere chemische Auffassung des Wassers in den Verbindungen diese Bezeichnung Hydrate auf die einfachsten Verbindungen des Wassers mit gewissen Sauerstoffverbindungen (Oxyden im All- gemeinen), so lässt sich wohl eine Reihe solcher zusammenstellen, in denen das Wasser in Verbindung mit Oxyden der Formeln R O, R2Oa, RO, Ra05 und ROH auftritt. Da aber die bezüglichen Minerale sich nach anderen Beziehungen anderen Mineralgruppen anreihen lassen, wie z. B. die Verbindungen des Wassers mit Eisen- oder Manganoxyd zu den Erzen, die Verbindungen des Wassers mit Borsäure oder Schwefelsäure zu den Säuren gestellt werden, so bleiben nur wenige Minerale als Hydrate übrig, welche, weil sie sich nicht anderen in diesem Buche aufgestellten Mineralgruppen einverleiben Hessen, hier besonders beschrieben werden sollen, dies sind die Hydrate der Magnesia und der Thonerde. Die- selben bilden nachfolgende Mineralarten:

1. Brucit H20«MgO (benannt nach dem amerikanischen Mineralogen A. Brl'Ce) mit 69 Magnesia und 31-JJ- Wasser, doch gewöhnlich etwas Eisen- oxydul als Stellvertreter für Magnesia enthaltend. Derselbe bildet hexagonale tafelartige, bisweilen ziemlich grosse aufgewachsene Krystalle, an denen mit der vorherrschenden Basisfläche, schräge Randflächen bildend, verschiedene Rhomboeder vorkommen, von denen die Flächen des als Grundgestalt ge- wählten Rhomboeders R mit dem Endkantenwinkel gleich 82° 22^' mit den Basisflächen die Combinationskanten = 1 19 0 39' bilden. Dazu treten auch noch das spitzere Rhomboeder 2 R, dessen Flächen *egen die Basisflächen unter 105° 53' geneigt sind, das spitze Rhomboeder 4R', dessen Flächen gegen die Basisflächen unter g&°6', geneigt sind und das stumpfe Rhomboeder £R', welches mit den Basisflächen die Combinationskanten = 149 0 39' bildet. Meist erscheint er als Ausfüllung von Klüften derb mit krystallinisch -blättriger bis stengliger Absonderung.

Er ist vollkommen spaltbar parallel den Basisflächen und die dünnen Spaltungsblättchen sind biegsam, wodurch er, wie in der lamellaren Aus- bildung und im Aussehen an Talk erinnert. Er ist farblos, grünlich- oder graulich weiss, perlmutterartig glänzend auf den Basis- und den entsprechenden Spaltungsflächen, glasartig bis wachsartig glänzend auf den Randflächen der tafeligen Krystalle, halbdurchsichtig bis durchscheinend, milde, hat H. = 2,0 und spec. Gew. = 2,2 2,3. Beim Liegen an der Luft verliert er an Glanz und Durch- scheinheit, indem er etwas Kohlensäure aufnimmt. Im Kolben erhitzt giebt er viel Wasser, v. d. L. ist er unschmelzbar und wird mit Kobaltsolution befeuchtet und geglüht blassroth gefärbt. In Säuren ist er leicht auflöslich. Er findet sich nicht häufig, beispielsweise bei Texas und Lancaster in Pensylvanien, Hoboken in New-Jersey in Nord-Amerika, Philipstad in Schweden, auf der Insel Unst, im Gouvernement Orenburg in Russland und bei Preddazzo in Tyrol, woselbst er innig dem Marmor beigemengt zur Aufstellung der beiden Predazzit und Pen - catit genannten Minerale Veranlassung gab.

Zum Brucit rechnet man auch, gestützt auf die übereinstimmende Zusammen- setzung ein weisses bis blaulich- oder grünlich weisses, seidenglänzendes, mehr oder weniger durchscheinendes Vorkommen des Magnesiahydrates, welches parallel- laufend feinfaserig ausgebildet als Ausfüllung von Klüften in Serpentin auftritt, wogegen es möglich sein könnte, dass gegenüber dem entschiedenen phyllitischen Charakter des Brucit, dieses eine andere Krystallisation besitzt. Es erhielt den Namen Nemalith von dem griechischen >nema* Faser und >/*'M<w« Stein.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Als interessantes Seitensttick zum Brucit ist der auf der Grube Pajsberg bei Philipstad in Schweden, schmale Trümmer in Magneteisenerz ausfüllende P y ro- ch roit zu erwähnen, welcher krystallinisch körnig-blättrig ist, ursprünglich weiss, perlmutterglänzend und in dünnen BläUchen durchscheinend, an der Luft bald braun und zuletzt schwarz wird. Derselbe ist ein analoges Hydrat des Mangan- oxydul HjO'MnU mit wenig Magnesia und Kalkerde, auch etwas Kohlensäure enthaltend, welche wie bei dem Brucit und Nemalith eine allmähliche Aufnahme derselben und Umwandlung anzeigt.

2. Der Hydrargillit (benannt von dem griechischen »Ayder*. Wasser und *argillost Thon, hinweisend auf die Zusammensetzung) ein Tiionerdehydrat der Formel 3HaO'Al.,Ü3 mit 34,5$ Wasser und 65,5g Thonerde. Dieses an der Schischimskaja und Nasimskaja Gora bei Slatoust am Ural, Villarica in Brasilien, Richmond und I.enox in Massachusetts, Unionville in Pennsylvanien und in New York gefundene Mineral bildet entweder kleine anscheinend hexagonal tafelige bis prismatische Krystalle, welche klinorhombisch sind, die Combination der Basisflächen mit einem klinorhombischen Prisma 00 P darstellt, dessen klino- diagonale Kanten fast = 60 0 und durch die Querflächen gerade abgestumpft sind, welche letzteren mit den Basisflächen die Combinationskanten = 87 0 47' und 92 0 13' bilden. Ausser Krystallen finden sich kuglige bis halbkuglige Ge- stalten mit radialfasriger Zusammensetzung und körnig-schuppige Aggregate. Er ist vollkommen basisch spaltbar und dünne Blättchen sind biegsam; farblos, griin- lichweiss bis blassgrün, röthlichweiss und blaulichweiss, perlmutterartig glänzend auf den Basis- und den ihnen entsprechenden Spaltungsflächen, glasglänzend auf den anderen Krystallflächen, seidenartig glänzend bei fasriger Bildung, mehr oder weniger durchscheinend, milde, hat H. = 2,5— 3,0 und spec. Gew. = 2,34 bis 2,39. V. d. L. wird er weiss und undurchsichtig, blättert sich auf, leuchtet sehr stark und ist unschmelzbar ; mit Kobahsolution befeuchtet und geglüht wird er blau, die Thonerde anzeigend; im Kolben stark geglüht giebt er viel Wasser. In heisser Salz- oder Schwefelsäure löst er sich langsam auf.

Der Hydrargillit mit fasriger Bildung, wie der von Richmond in Massachusetts und Villa rica in Brasilien, Gibbsit genannt, wurde entgegen der übereinstimmen den Zusammensetzung früher für eine eigene Species gehalten und soll nach W. Haidinger orthorhombisch sein. Er verhält sich etwa wie der Nemalith zum Brucit.

3. Der Diaspor (benannt von dem griechischen >diaspeirein^ zerstreuen, wegen des eigentümlichen starken Zerspringens eines Vorkommens vor dem Löthrohre), auch ein Thonerdehydrat, aber nach der Formel H20*A1303 zu- sammengesetzt mit 14,9 j Wasser und 85,1 {{-Thonerde, krystallisirt orthorhombisch, isomorph mit dem analog zusammengesetzten Eisenoxydhydrat H2C»- Fe., 03, dem Pyrrhosiderit (s. Artikel Erze, Bd. I. pag 375) nnd bildet prismatische Krystalle durch das l'risma 00 P (129° 47') in Combination mit den besonders breit ausgebildeten Längsflächen, wozu auch noch andere Prismen, wie treten. An den Enden sind sie begrenzt durch die Pyramide P mit den End- kanten = i5i°3i' und 116" 40', in Verbindung mit aPT u. a., wozu auch noch das Längsdoma zY^ (n 7 0 45') tritt, selbst vorherrscht.

Ausser krystallisirt, wie in Dillnit eingewachsen bei Schemnitz in Ungarn, in Do- lomit bei Campolongo bei Dazio grande im Canton Tessin in der Schweiz, bei Union- ville in Pennsylvanien, weniger deutlich bei der Hütte Mramorskoi unweit Kossoibrod am Ural findet er sich derb, blättrige Aggregate bildend in Gängen im Chloritschiefer

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Hydroiden.

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am letzteren Fundorte, auch bei Ephesus in Klein-Asien, bei Chester in Massa- chusetts u. a. O., selbst fasrig, ist vollkommen spaltbar parallel den Längsflächen, weniger deutlich prismatisch. Er ist selten farblos, meist gelblich oder blaulich- weiss, grünlich weiss, blass violblau, etwas perlmutterartig glänzend auf den Spaltungsrlächen, sonst glasglänzend, durchsichtig bis durchscheinend, sehr spröde, hat H. = 6,0 und spec. Gew. = 3,3—3,46. V. d. L. ist er unschmelzbar, wird, besonders als Pulver, mit Kobaltsolution befeuchtet und geglüht blau, giebt im Kolben erhitzt kein Wasser, weil dieses nur bei sehr starker, bei Weissglühhitze erst vollständig ausgetrieben wird. Von Salzsäure wird er nicht gelöst, dagegen ist er nach starkem Glühen in Schwefelsäure löslich.

Da das Eisenoxyd noch andere Hydrate bildet, ist dies auch für die Thonerde möglich, weshalb zu erwähnen ist, dass bei Beaux unweit Arles in Frankreich und an einigen anderen Orten ein Beauxit genanntes Mineral vorgekommen ist, welches ein anderes Hydrat der Thonerde zu sein scheint, als Species aber nicht sicher gestellt ist.

Schliesslich ist noch anzuführen, dass auch im Schischimskischen Gebirge bei Slatoust am Ural ein Völcknerit genanntes Mineral und bei Snarum in Norwegen ein ähnliches Hydrotalkit genanntes Vorkommen als eine wechselnde Verbindung von Magnesiahydrat und Thonerdehydrat betrachtet wurde, vielleicht aber nur ein Gemenge ist.

Hydroiden

von

Dr. Friedrich Rolle.

Die Klasse der Hydroiden oder Quallenpolypen (Hydrozoen, Hydropo- lypen) mit den Quallen, Acalephae, die man nach den Entdeckungen der letzten Jahrzehnte ungeachtet der weitgehenden Gestaltverschiedenheit zusammenbegreifen muss, ist in ihrer jetzigen Ausdehnung eine der formenreichsten und wunder- barsten der ganzen Thierwelt. Sie begreift jetzt sehr verschieden gestaltete und sehr verschieden organisirte Thiere, deren ursprüngliche Stufe die Form von sogen. Pflanzenthieren (Zoophyten) einhält und Stöcke oder zusammenhängende Familien (Colonien) darstellt. Diese hat man lange mit den Anthozoen oder Corallen zusammengefasst und mit diesen kommen sie z. Th. auch in der äusseren Gestalt einigermaassen überein. Aber die höhere Stufe der Klasse weicht von diesen weit ab. Sie entwickelt sich auf Stöcken von Thieren der niederen Stufe in Knospenform, gewinnt dann eine den Blumen mancher Phanerogamen ziemlich ähnliche Gestalt, löst sich nunmehr von dem gemeinsamen pflanzenähnlichen Polypenstock los und schwimmt frei davon. Diese höhere frei schwimmende Stufe des Generationswechsels stellt die Medusen oder Hydromedusen unserer Meere dar, aus deren Eiern wieder je ein Hydropolyp hervorgeht, der zunächst wieder zu einer pflanzenförmigen Gesellschaft ausknospt. An die Medusen schliessen sich dann noch andere Quallen-Formen, namentlich die Rippen- quallen oder Kammquallen, Ctenophora an, mit denen die Vielgestaltigkeit der Klasse wieder um einen neuen Betrag anwächst.

Die Hydroiden und Quallen sind der grossen Mehrzahl nach Meeresbewohner und nur eine Familie lebt im Süsswasser. Fossil kennt man nur wenige Formen, stellt aber noch vermuthungsweise eine Anzahl räthselhafter Fossilien aus sehr alten Formationen hierher, die sich keiner der heute lebend vertretenen Familien

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

unmittelbar zur Seite stellen lassen. Ueberhaupt aber stellen die Hydroiden und Quallen nach dem heutigen Stande des palaeontologischen Archivs sei es in Sammlungen, sei es in der Literatur ein sehr missliches Gebiet dar, welches für die Zukunft noch viel zu wünschen übrig lässt.

Die ursprünglichste unter den heute noch lebend vertretenen Formen der Hydroiden sind die gemeinen Süsswasser-Polypen unserer stehenden Ge- wässer, Gattung Hydra, Familie Hydridae. Es sind kleine, länglich runde, sack förmige schleimige Thiere von ein paar Linien Länge, die im Süsswasser an Wasserlinsen u. dergl. festsitzen oder herumkriechen. Den am freien Ende des Körpers befindlichen Mund umgiebt ein Kranz von 5 oder 6 bis 8 langen Fang- armen. Der Mund führt in eine einfache Magenhöhle. Ausgestreckt wird das Thier 2 bis 5 Centim. lang und darüber.

Diese Hydren kann man als die wenig veränderten Nachkommen der An- fangsformen betrachten, von denen alle Hydroiden mit den Medusen und über- haupt allen Quallen abstammen. Nach E. Häckel s Annahme mögen die Hy- droiden der Gewässer der ältesten Epochen aus Spongien und vielleicht in gleicher Linie mit den ursprünglichsten Anthozoen sich entwickelt haben. Aber diese primitiven Formen konnten nach ihrer weichen schleimigen Körper- beschaffenheit sich nicht fossil erhalten, wie auch noch die heute lebenden Hydren mit dem Absterben zerfliessen, ohne feste Reste zu hinterlassen.

Den Hydren des Süsswassers schliessen sich eine grössere Anzahl von mehr oder minder ähnlichen im Meereswasser lebenden und mit gemeinsam auf- knospenden Gesellschaften festsitzenden Hydroiden an. Sie bilden meist baum- artig verzweigte Stöcke, steigen aus einer gemeinsamen häutigen Grundlage her- vor und vermehren sich durch Knospung, wobei die Verdauungshöhle der nach- einander hervorknospenden Einzelthiere in offener Verbindung mit dem Nahmngs- kanale des gemeinsamen Stammes bleibt, sodass die ganze Individuen-Gesellschaft eine z. Th. gemeinsame Ernährung besitzt. Dahin gehören die Gattungen Campanularia, Sertuiaria, Tubularia u. s. w. Bei einigen ist die gemeinschaftliche Stammröhre gallertartig oder knorplig, bei anderen hornartig oder chitinos. Noch andere sondern auf der gemeinsamen Unterlage eine feste schwammähnliche Kalk- masse ab, die fossiler Erhaltung fähig ist, aber über die Organisation der Thiere, von denen sie ausgesondert wurde, nur höchst dürftigen Aufschluss gewährt.

An diesen Hydroiden-Stöcken entstehen dann aber oft noch besondere Knospen von abweichender Scheiben- oder glockenförmiger Gestalt und höherer Organisation. Sie lösen sich bei einer gewissen Reife von der Gesellschaft ab und schwimmen dann als freie gallertartige Scheiben oder Glocken im Meere umher. Diese Generation stellt dann die Medusen dar, aus deren Eiern wieder Individuen der polypenförmigen stockbildenden Generation hervorgehen. In süssem Wasser kennt man keine Medusen, wie überhaupt keine Quallen.

Auch die Hydroiden des Meeres eignen sich nur sehr wenig zur fossilen Er- haltung. Selbst die mit einer härteren Chitinhülle oder einem Periderma ver- sehenen Formen hinterlassen nur seltene und dürftige Reste. Besser eignen sich Kalkausscheidungen der Basis gewisser stockbildenden Formen und diese bieten dann auch Anhaltspunkte zur Deutung mancher problematischen Fossilien älterer Formationen.

Die Hydractinien sind Stöcke von verschieden gestalteten Hydroid-Polypen, die aus einer gemeinsamen häutigen Grundlage hervorknospen und auf Schnecken- schalen u. dergl. aufsitzen. Sie erzeugen auf diesen eine feste Kalkkruste mit

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Hydroiden.

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stacheliger und warziger Oberfläche. Man kennt solche Hydractinien-Krusten auch auf Schneckenschalen in tertiären Meeresablagerungen. Seitdem hat man auch einige Fossilien aus Jura- und Kreideschichten, die man zuvor auf Spongien bezog, hierhergestellt

Ebenso stellt man jetzt die Stromatoporen des devonischen Kalkes, die man bisher meist fiir Spongien-Stöcke nahm, vermuthungsweise zu den Hydroiden mit basaler Kaikabscheidung. Stromatopora begreift halbkuglige oder knollen- förmige Massen von concentrisch-blättrigem Bau mit engen Zwischenräumen. Auf der Oberseite einer Blattschichte erheben sich zarte Pfeiler, die bis zum nächsten Blatt reichen und den Zwischenräumen ein maschiges Ansehen ertheilen, welches einigermaassen an manche Seeschwämme erinnert. Merkwürdig sind auf der Oberseite der Blattschichten der Stromatoporen auch noch gewisse sternförmige von einem Mittelpunkt ausstrahlende Zeichnungen, die noch nicht recht erklärt sind. Diese spongienartigen Stöcke sind sehr schwer zu deuten, sie lassen sich weder den heute unsere Meere bewohnenden Spongien noch den Hydroiden un- mittelbar vergleichen. In den Kalksteinlagern der devonischen Formation treten sie stellenweise in grosser Häufigkeit auf und nehmen grösseren Antheil an der Bildung der damaligen Corallenrifle. Zn Gerolstein in der Eifel erreichen sie bisweilen eine Grösse von einigen Fussen.

Frei schwimmende Scheiben- oder glockenförmige Medusen mit radiär ge- ordneten Wülsten der Scheibe finden sich nur unter sehr günstigen Umständen fossil erhalten. Im lithographischen Schiefer des oberen Jura's von Solenhofen fanden sich deutliche Reste von solchen Medusen und zwar in mehreren Gattungen. Auch in Feuersteinknollcn der Kreideformation hat man neuerdings Reste verschiedener Quallen gefunden Nach diesen spärlichen nur durch be- sonders günstige Erhaltungsbedingungen auf uns gekommenen Exemplaren mögen übrigens die Meere der älteren Epochen mindestens von der Juraformation an einen grösseren Reichthum an Medusen und mancherlei anderen Formen von Quallen enthalten haben. Sie waren wohl meist von zarter gallertartiger Körperbeschaflfenheit und zur Erhaltung in Gesteinsschichten sehr wenig geeignet, erhielten sich daher nur ausnahmsweise in feinerdigen Plattenkalken und Feuer- steinen.

Als eine besondere erloschene Ordnung der Hydroiden betrachtet man die nur aus einer sehr alten Formation fossil bekannten Graptolithen, Graptoliihidae (graptos, geschrieben). Ihre systematische Stellung war lange sehr zweifelhaft, bis Barrande mit Bestimmtheit an ihnen einen offenen cylindrischen Kanal nach- wies, der dem gemeinsamen Nahrungskanal der Stöcke von Strtularia und anderen Hydropolypen des heutigen Meeres entspricht und offenbar einer Menge von Einzelthieren, die besondere Zellen oder Theken bewohnten, zugleich an- gehörte. Auf Verwandte der Sertularien deutet auch das öftere Vorkommen ver- bogener Exemplare, die eine biegsame Consistenz und eine chitinartige Zusammen- setzung des Stockes und seiner besonderen Zellen annehmen liessen. Wohl- erhaltene Exemplare, die bestimmten Aufschluss über den Bau des Stockes ge- währen können, sind übrigens sehr selten. Pennatuliden (Anthozoen) wie man wohl auch vermuthete, sind es nicht, denn deren Einzelthiere sind weich, ohne alle Chitinhülle und nicht leicht erhaltungsfähig, während die Graptolithen oft zu vielen Tausenden neben einander fossil vorkommen. Von den heute lebenden Formen der Hydropolypen aber unterscheidet sie das Auftreten einer besonderen

KlKNCarrr, Mio., Geol. u. PaL 11. 9

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

stabförmigen Achse, die dem Nahrungskanal gleichläuft und dem ganzen Stock grössere Festigkeit ertheilt.

Der feste fossiler Erhaltung fähige Graptolithen-Stock bestand also haupt- sächlich aus einer chitinosen Hülle oder dem Periderma, an welcher man die stabförmige Körperachse, den gemeinsamen Nahrungs-Kanal und die meist in grosser Anzahl entwickelten, oft zahnartig vortretenden Wohnzellen oder Theken der Einzelthiere unterscheidet.

Der Achsenstab mit dem daran aufsteigenden Nahrungskanal ist meist linear, bald gerade, bald gekrümmt oder spiral eingerollt, auch wohl in einer kegeligen Spirale ausgezogen. Im einfacheren Falle sitzen nur an einer Seite dieser Achse die mehr oder minder gedrängt übereinander hervorknospenden, wie die Zähne einer Säge übereinanderfolgenden Wohnzellen und münden in den gemeinsamen Nahrungskanal, während die stabförmige Achse die Rückenseite darstellt.

Andere Graptolithen- Stöcke sind zweizeilig oder gleichsam aus zwei be- sonderen, aber mit der Rückenseite verwachsenen Stöcken zusammengesetzt Diese haben eine gemeinsame feste mittlere Achse und zu beiden Seiten der- selben je einen besonderen Nahrungskanal, aus dem die Wohnzellen der Einzel- thiere hervorknospen. Diese zweizeiligen Graptolithen gleichen dann einer an zwei Seiten gezähnten Säge. Noch andere bilden vierzeilige Stöcke.

Die einer fossilen Erhaltung fähige Substanz der Graptolithen oder das Periderma war biegsam und allem Anschein nach chitinartig. Sie erscheint im fossilen Zustande meist als dünnes kohliges Häutchen oder auch in Schwefelkies umgewandelt. Meist aber und besonders in schiefrigen Gesteinen sind die Graptolithen plattgedrückt. Selten sind der Nahrungskanal und die Wohnzellen mit Gestein erfüllt und lassen dann den zu Lebzeiten der Thiere mit weicher Sarkode erfüllten Hohlraum von der festeren Chitinhülle unterscheiden. Dann erkennt man auch, dass der Nahrungskanal in cylindrischer Form und in nahe gleichbleibender Weile durch den ganzen Stock verlief und nie Scheidewände bildete. Dann erkennt man auch deutlicher den Bau der Wohnzellen oder Theken. Sie blieben vermittelst ihres offenen Endes mit dem Nahrungskanal, von dem sie ausgehen, in dauernder Verbindung. Sie sind von länglicher Ge- stalt, kegelig oder länglich sackförmig, gerade oder etwas auf und abgebogen. Meist stehen sie mehr oder minder schief zur Achse und meist auch dicht übereinander, so dass je eine jüngere die obere Seite der nächst älteren deckt. Seltener, wie bei der Gattung Rastrites stehen die Wohnzellen entfernt und be- rühren einander nicht.

Bei vollständiger erhaltenen Exemplaren von Graptolithen verschwinden am basalen Ende des Stockes die Wohnzellen und es verbleibt nur ein glatter aus Achse und Nahrungskanal bestehender Stiel. In gewissen Fällen zeigen sich auch mehrere solcher Stiele verwachsen, sogar noch am Ursprung durch eine scheibenförmige Ausbreitung verbunden.

Gleichwohl kennt man keine auf einer fremden Basis festgewachsenen Exemplare. Wahrscheinlich sassen daher die Graptolithen in lockerem schlammigen Boden fest und wurden auch wohl vom bewegten Meere umhergetrieben. Oder sie sassen an zarten Seepflanzen fest. Von Schwimmorganen ist an ihnen nichts zu bemerken und von sicheren Anheftungsorganen auch noch nichts beobachtet.

Jedenfalls bewohnten sie besonders seichtere Meeresgebiete mit schlammigem Boden, der thonige oder mergelige Schichten absetzte. Häufig erfüllen sie die

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Hydroulen.

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Schichtungsflächen schiefriger Gesteine zu vielen Tausenden und oft ohne Be- gleitung von anderen Fossilresten.

Die Graptolithen gehören nach ihrer auffallenden Gestalt und nach dem In- dividuen-Reichthum, mit denen sie in besonderen Schichten abgelagert erscheinen, zu den bezeichnendsten Fossil-Einschlüssen der silurischen Ablagerungen. Am häufigsten sind sie in feinerdigen Schiefern, hier aber meist zu sehr dünnen glänzend schwarzen Blättern zusammengedrückt. Seltner sind sie in dichten Kalk- steinen, hier auch bisweilen besser erhalten.

Graptolithen findet man schon in den untersten Schichten des Unter-Silur. Im cambrischen System scheinen sie noch zu fehlen. Sie erlöschen in der oberen Abtheilung des Ober-Silur und gehören daher zu den wichtigsten Leit- fossilien des silurischen Systems. Im devonischen System fehlen sie bereits wieder. Die Gattungen und Arten sind z. Th. wichtig für die Kennzeichnung der silurischen Unterabtheilungen.

Von den verschiedenen Gattungen der Graptolithen zeichnet sich die Gattung Monograptus (Graptolithus h.J durch eine einzige Reihe von Wohnzellen (theccu) aus, die vom gemeinsamen Nahrungskanal in gedrängter Folge übereinander hervorknospen. Die stabförmige Achse verläuft an der Dorsalseite in einer Furche. Der ganze Stock ist bald gerade, bald spiral eingerollt, bald in Schraubenform ausgezogen. M. Nilssoni Barr, ist eine der Arten mit geradliniger Axe. Alaun- schiefer von Schieitz. M. turriculatus Barr, aus dem schwarzen Schiefer des oberen Silur bei Prag ist in Form einer kegligen Spirale oder Schraube aufgerollt und zeigt oft noch zahlreiche Umgänge.

Bei der Gattung Rastrites ist der Stock einfach und spiral eingerollt, der Kanal sehr eng, die Wohnzellen weit von einander entfernt und ganz gerade.

Diplograptus ist eine der Gattungen mit zwei Reihen von Wohnzellen an einer mittleren Achse, die aus der dorsalen Verwachsung zweier Achsen hervorging. Wohnzellen schief zur Achse. Beide Wohnzellen-Reihen alterniren miteinander. Die Achse ragt meist am Oberende des Stockes noch hervor, während das Unter- ende stielförmig ausgezogen erscheint.

Es giebt auch vierreihige Graptolithen. Bei der Gattung Phyüograptus sind vier zellentragende Achsen an ihrer Rückenseite zu einem einzigen Stamm verwachsen. Der Querschnitt des Stockes ergiebt ein rechtwinkliges gleichstrahliges Kreuz. Diese Gattung beginnt schon in den ältesten Schichten des Silur-Systems.

Wie die Graptolithen betrachtet man auch die Dictyonemen der älteren Formationen als Hydroiden, ohne indess die Beziehungen derselben zu den lebenden Formen näher feststellen zu können. Sie weichen von den Graptolithen durch den Mangel einer besonderen stabförmigen Achse ab und sind in ihrer systematischen Stellung noch zweifelhafter als dieselben.

Bei der Gattung Dictyonema ist der Stock trichterförmig, korbförmig oder fächerförmig und treibt zahlreiche bald radiale, bald mehr einander gleichlaufende und mehrmals sich gabelnde Aeste. Diese sind durch quer verlaufende Fäden zu einem Netze verbunden. Aber die austrahlenden Aeste werden weiterhin frei und sollen dann auf der einen Seite zackenförmige Wohnzellen tragen. Die letzteren sind sehr selten erhalten und waren wohl sehr dünnwandig. Dictyonema- Arten kennt man nur aus silurischen und devonischen Schichten, sie beginnen schon in der untersten silurischen Abtheilung. Sie kommen gewöhnlich mit Graptolithen zusammen vor.

Von ebenso unsicherer systematischer Stellung ist die Gattung Oldhamia,

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

eine der ältesten bekannten Fossilformen. Sie ist schwer zu deuten, man hat sie als Hydroiden-Stöcke betrachtet, aber auch wohl für Bryozoen, ja selbst für Algen genommen. Oldhamia antiqua Forbes aus den cambrischen Schiefern von Wicklow (Irland) stellt einen zweizeilig gebauten Stock mit hin und hergeknickter Achse dar. Aus den Einknickungen knospen abwechselnd zur rechten und zur linken Seite fächerförmig angeordnete Gruppen von zahlreichen geraden Zweigen hervor Diese Zweige scheinen biegsam gewesen zu sein und waren also wohl hornartig (chitinos). Sie sind ein oder mehrmals gegabelt. Ueber diese dürftig erhaltenen Reste aus einer der ältesten fossilfiihrenden Schichten lässt sich nur wenig mit Bestimmtheit sagen. Wahrscheinlich sind es Ueberbleibsel chitinoser Hydroiden-Stöcke. Sie finden sich in cambrischen Schiefern in grossen Mengen beisammen.

Infusorien

von

Dr. Friedrich Rolle.

Die Infusorien oder Aufgussthierchen, Infusoria, gehören zu den niedersten Anfangsformen der Thierwelt und schliessen sich den Moneren und Amöben noch nahe an, besitzen aber charakteristische Hautgebilde eine äussere Mem- bran mit Wimpern oder Borsten. Ihre Entstehung mag ebenfalls schon den ältesten Epochen der Schöpfung angehören. E. Häckel sieht in ihnen die hypo- thetische Hauptwurzel der Würmer, Anneliden u. s. w.

Ihre Individuen bewohnen in zahllosen Mengen das Süsswasser, namentlich wo faulende organische Substanzen reichliche Nahrung bieten, aber auch das Meer. Ihre Keime treiben sich zusammen mit denen anderer mikroskopischer Organismen, z. B. Algen und Rotatorien staubförmig in der Atmosphäre umher.

Hierher gehören nach Ausscheidung von mancherlei von älteren Mi- kroskopikern, namentlich auch noch von Ehrenberg hierher gezählten kleinsten Formen des organischen Lebens in erster Linie noch die Wimper-Infu- sorien, Infusoria eiliata. Sie sind mit zahlreichen Wimpern oder Cilien ver- sehen, die unaufhörlich in schwingender Bewegung sind. Mittelst des Wimper- kleides bewegen sie sich meist frei umher. Nur wenige grössere Arten sind dem blossen Auge sichtbar, die Mehrzahl aber mikroskopisch klein. Alle Ciliaten sind weich und zerfliesslich, daher zur fossilen Erhaltung nicht geeignet

Den Ciliaten nahe verwandt sind die bewimperten Geisseischwärmer, Ciitoflagdlata. Sie führen einen langen beweglichen peitschenförmigen Anhang, die Geissei, fiagdlum, und ausserdem noch einen Kranz von kurzen Haaren oder Wimpern.

Zu diesen Cilioflagellaten gehören namentlich die mit einer erhärteten Aussenmembran oder einer Kieselschale versehenen Peridinien, welche sowohl im Süsswasser als im Meereswasser vorkommen. Von diesen kennt man auch fossile Reste, aber nur unter sehr eigenthümlichen Erhaltungsbedingungen. Bei der Gattung Peridinium ist der Kieselpanzer regelmässig und rundlich. Eine Art Peridinium monas var., fuhrt Ehrenberg schon aus der Steinkohlenformation auf und zwar aus einem schwarzen Hornsteine (Lydit) von Potschappel bei Dresden. Es sind braune runde Körperchen, welche die quere Wimperfurche der Peri- dinien erkennen lassen und der in der Ostsee lebenden Art Peridinium monas sehr ähnlich sind. Peridinien fand Ehrenberg auch in einem Hornsteine des

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Insecten.

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oberen Jura von Krakau. Zwei andere Arten, Peridinium Delitiense und P. pyro- p hör um fanden sich im Feuerstein der Kreide-Formation zu Delitsch in Sachsen.

Es beweist dies, dass kieselpanzerige Cilioflagellaten schon in der Stein - kohlenformation reichlich lebend vertreten gewesen sein mögen. Aber es be- durfte eines besonders günstigen Verhältnisses, wie der Umschliessung in einem hinreichend durchsichtigen Lydit, um ihre Reste in einer deuüichen Gestalt auf uns zu erhalten. Diese wenigen nachgewiesenen Fossilreste von kieselschaligen mikroskopischen Thieren setzen noch zahlreiche schalenlose Formen voraus, die seit den ältesten geologischen Epochen in den Gewässern lebten und wieder ver- gingen, ohne fossile Erhaltung zu finden.

Die älteren Zoologen und Palaeontologen , namentlich noch Ehrenberg, zählten den Infusorien auch die kieselschaligen Diatomeen zu, die im palaeon- tologischen Archiv, namentlich in Tertiärablagerungen reichlich vertreten sind. Man rechnet sie jetzt auf Grund besserer Kenntniss fast einstimmig zu den Algen, denen sie sich jedenfalls näher anschliessen.

Insecten

von

Dr. Friedrich Rolle.

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Die Insecten oder Kerbthiere, Insccta, Hexapoda, sind gleich den Myria- poden und Arachniden mit denen sie zusammen auch auf dem geologischen Schauplatz hervortreten luftathmende Gliedftisser, Arthropoda tratheata, aber von beiden vorigen Klassen bereits durch die Dreizahl der Beinpaare genügend verschieden.

Sie begreifen meist Landbewohner, seltener Süsswasserbewohner, nur sehr wenige Arten leben im Meer. Dasselbe Verhältniss hat auch seit der frühen Zeit ihres ersten geologischen Auftretens statt gehabt. Sie finden sich fossil nur in sehr wenigen Schichten in einigermaassen grösserer Individuen -Menge und zwar meist in Süsswasser-Ablagerungen, seltener in besonderen zur Fossiliener- haltung vorzugsweise geeigneten örtlichen Meeresablagerungen, wie z. B. in dem aus zarten Kalkschwamm entstandenen plattenförmigen Jurakalk von Solenhofen, endlich auch im Bernstein des Samlandes, einem von Fichten der Tertiärepoche ausgeflossenen, seither wenig veränderten Harz, welches im weichen Zustand häufig Landinsecten u. dergl. einhüllte und z. Th. ausgezeichnet wohlerhalten bis auf unsere Tage bewahrte. Die geologische Geschichte der Insecten besteht daher gleichsam nur aus wenigen aber z. Th. sehr inhaltreichen Blättern.

Die Insecten stellen nach der Zahl der Gattungen und Arten die bei weitem umfangreichste Klasse der Landbewohner dar, aber ihr Bauplan ist verhältniss- mässig sehr gleichförmig. Ihr Körper besteht stets aus drei deutlich getrennten Hauptabschnitten, dem Kopf, der Brust oder dem Thorax und dem Hinterleib oder Abdomen. Diese Dreitheilung unterscheidet sie von den Arachniden einer- seits, den Myriapoden andererseits.

Der Kopf trägt die Augen, gewöhnlich ein Paar gegliederter Fühlfäden (An- tennae) und den Mund mit den Kauwerkzeugen. Die letzteren bestehen ur- sprünglich aus drei Kiefer-Paaren, die aber bei den verschiedenen Ordnungen der Klasse verschiedentlich ausgebildet erscheinen. Ursprünglich dienen sie zum Kauen. Bei einigen Insecten -Ordnungen aber erscheinen die Mundorgane zum

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134 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Saugen, zum Stechen oder zum Lecken umgestaltet. Die Brust oder der Thorax besteht aus drei Segmenten, von denen jedes an der Bauchseite ein Beinpaar trägt. Die Insecten heissen darnach auch Sechsfüsser oder Hexapoden. Auf der Rückenseite tragt das Bruststück gewöhnlich zwei Flügelpaare und zwar sind diese ursprünglich in Gestalt und Gewebe wesentlich unter einander gleich- artig. Erst mit dem wachsenden Auseinandergehen der Gestaltung treten ver- schiedene Umbildungen in den Flugorganen ein und können auch das eine oder beide Paare verkümmern. Ungeflügelte Insekten (Aptera) treten in verschiedenen Ordnungen auf, z. Th. in Folge von Anpassung an parasitische Lebensweise. Bisweilen sind auch nur die Männchen einer Art geflügelt, die Weibchen aber ungeflügelt. Der Hinterleib der Insecten trägt wie bei den Spinnen keinerlei gegliederte Anhänge, aber hin und wieder Springfaden, Zangen u. s. w.

Die Insecten eröffnen in der Steinkohlenformation bereits mit ausgebildeten Vertretern aus den Ordnungen der Pseudoneuropteren, der Neuropteren, der Orthopteren und der Käfer. Was diesen vorausging, ist nur hypothetisch zu er- gänzen. In dieser Hinsicht ergiebt die vergleichende Entwicklungsgeschichte, dass der Brusttheil auf der Rückenseite ursprünglich zwei einander wesentlich gleichartige Flügelpaare besass, wie sie jetzt namentlich den Pseudoneuropteren und Neuropteren zukommen und dass die Dipteren und Apteren erst durch Ver- kümmerung ein oder beide Paare einbtissten. Wahrscheinlich entstanden die Flügel der Insecten durch Umbildung aus Tracheen-Kiemen, wie sie noch jetzt z. B. die im Wasser lebenden Larven der Eintagsfliegen (Ephemera) aus der Ordnung der Pseudoneuropteren zeigen. Am ursprünglichsten von den lebend und in der Steinkohlenformation bereits fossil vertretenen Ordnungen erweisen sich Uberhaupt die Pseudoneuropteren, vierflüglige Insekten mit kauenden Mund- werkzeugen und unvollständiger Verwandlung. Die nächste Stammform dieser ist unbekannt, mag aber nach E. Häckel beiläufig den heutigen Scorpion- spinnen (Solifuga) ähnlich gewesen sein, sie muss drei Beinpaare und zwei Flügel- paare besessen haben. Als entlegenere Stammform der Arthropoda tracluata also der Arachniden, Myriapoden und Insecten zusammen kann endlich ein Arthropode von der Organisation der Zoea-Yoxm der Malakostraken gelten. Aber noch kein fossiler Fund aus Schichten älter als die Steinkohlenformation unter- stützt bis jetzt diese hypothetische Zurückleitung des Insecten-Stammes.

Wichtig für die systematische Abtheilung und für die Beurtheilung der geo- logischen Geschichte der Insecten ist noch ein Blick auf die mehr oder minder weitgehende Ausprägung der individuellen Umgestaltung oder Metamorphose der- selben.

Die ursprünglicheren Formen der Klasse haben nur eine wenig ausgeprägte Metamorphose. Diese heissen Ametabolen oder Hemimetabolen. Bei einigen hat das aus dem Ei geschlüpfte Thier schon wesentlich die Körperform und Verhältnisse, die den reifen Zustand bezeichnen und weicht nur geringfügig ab. Von Zeit zu Zeit häutet es sich dann und nach der letzten Häutung wird es ge- schlechtsreif. Meistens aber durchläuft das Thier einen ausgeprägten Larvenzu- stand, ohne eine ruhende Puppe zu werden. Die Larve hat in jeder Stufe der Verwandlung freie Ortsbewegung und nimmt fast ununterbrochen Nahrung zu sich. Flügel und Geschlechtsreife stellen sich mit der letzten Häutung ein. Erst in diesem letzteren Zustand ist das Thier fortpflanzungsfähig. Zu den Insecten mit einer solchen unvollständigen Verwandlung gehören die Ordnungen Pscudoneu- roptera, Orthoptera und Htmiptera.

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Inscctcn.

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Diese Abtheilung begreift den ursprünglicheren Insectentypus. Pseudoneu- ropteren, wie auch Orthopteren, sind in der Steinkohlenformation schon vertreten . Vom Lias an werden aber die Ametabolen von den höheren Insectenformen überholt. In der heutigen Fauna bilden sie nur noch eine Minderzahl, nament- lich in kalten und gemässigten Klimaten.

Eine spätere stärker in der Verwandlung vorgerückte Form sind die Metabola oder Holometabola mit vollkommener Metamorphose. Das aus dem Ei aus- schlüpfende Thier weicht in Körperform und Organisation noch wesentlich ab von der reifen Stufe. Es ist eine sich bewegende und fressende Larve. Aus ihr geht eine ruhende Puppe hervor und aus dieser erst entsteht das geschlechts- reife Thier. Diese Metabolen stellen eine vorgeschrittenere Stufe dar und zeigen im Allgemeinen eine höhere Organisation als die Ametabolen. Insecta metabola sind die Ordnungen Neuroptera, Lepidoptera, Diptera, Hymenoptera und Cokoptera.

Die Metabolen sind in der Steinkohlenepoche erst spärlich durch einige Käfer vertreten und auch diese bedürfen noch weiterer Bestätigung. Im Lias ist schon eine formenreiche Metabolen-Fauna nachgewiesen. Die Käfer sind hier sehr zahlreich, namentlich trifft man im Lias schon eine Menge von Buprestiden. In der Jetztwelt übertreffen die Metabolen die übrigen Insecten an Artenzahl bei weitem um mehr als das zehnfache. Die Metabolen sind also eine stetig zu- nehmende, die Ametabolen eine bereits längst überflügelte Abtheilung. Am schwächsten vertreten in der heutigen Lebewelt sind von ersteren die Neuropteren, von letzteren die Pseudoneuropteren und Orthopteren. Die übrigen Ordnungen sind alle zahlreich.

Für Systematik und geologische Geschichte von Bedeutung ist auch die Ge- staltung der Mundwerkzeuge, die bald zum Kauen, bald zum Stechen, Saugen, Lecken gebaut sind.

Der ursprünglichere Typus sind die kauenden Insecten, Insecta masticantia. Zum Beissen und Kauen sind die Mundtheile bei jenen vier Ordnungen Pseudoneuroptera, Neuroptera, Orthoptera und Coleoptera gebaut, deren älteste fossile Vertreter schon aus der Steinkohlenformation bekannt sind. Jüngerer Epoche gehören die leckenden, saugenden und stechenden Insecten an. Nament- lich scheinen die mit einem langen sich spiral einrollenden Saugrohr ausgestatteten und vorzugsweise von süssen Blüthen-Säften lebenden Schmetterlinge erst in einer verhältnissmässig späten geologischen Epoche hervorzutreten.

Wir wenden uns nun zur ursprünglichsten Ordnung der Insecten-Klasse, den Pseudoneuropteren, Pseudoneuroptera oder Archiptera. Es sind Netzflügler mit unvollkommener Verwandlung. Hierhergehören die Eintagsfliegen, Ephemeridae, deren geschlechtsreifes Thier nur wenige Stunden lebt und die Wasserjungfern oder Libellen, Libellulidae , die auch nach ihrem starken Gebiss und ihrer räuberischen Lebensweise Odonaten heissen. Hierher gehören femer die in wärmeren Ländern lebenden Termiten, Termitidae, welche gesellschaftlich leben, zum Theil ansehnliche Bauten aufführen und sich durch ihre Verheerungen ge- fürchtet machen, endlich auch einige flügellose Formen wie die sogenannten Zuckergäste, Lepismidae.

Dies ist unter den noch lebenden und fossil vertretenen Ordnungen der In- secten die ursprünglichste und wahrscheinlich auch zuerst entstandene. Es sind kauende Insecten mit unvollkommener Verwandlung. Sie zeigen zum Theil noch die ursprünglichen zwei in Gestalt und Gewebe wesentlich einander gleichen Flügelpaare, während andere diese rasch verlieren und noch andere Formen sie

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

schon ganz verloren haben. Auch zeigt die im Süsswasser lebende Larve von Epkemera wahrscheinlich in ihren Tracheen-Kiemen noch die Organe, aus deren Umbildung die ersten Insectenflügel hervorgingen. Das Alles sind Gründe, es annehmbar zu machen, dass die Pseudoneuropteren die älteste Ordnung der In- secten sind, die aus einer noch nicht fossil gefundenen vermuthlich den heutigen Solifugen mehr oder minder verwandten uralten Tracheaten-Form hervorging.

Ephemeriden-Reste (Dictyoneura) kennt man aus der Steinkohlenformation von Saarbrücken. Mit ihnen kommen hier auch schon Termiten vor. Letztere finden sich häufig in den Tertiärschichten von Radoboj in Kroatien, auch im Bernstein des Samlandes haben sich deren erhalten. Jetzt sind die Termiten der europäischen Fauna fremd, haben sich aber hier und da durch Verschleppung nachträglich wieder eingebürgert, unter anderem bei La Rochelle und in Italien.

Libellen finden sich häufig und in grossen Arten im oberen Jurakalk von Solenhofen, zum Theil mit Erhaltung des feinsten Aderverlaufes der Flügel. Larven von Libellen kennt man aus dem tertiären Süsswasserkalk von Oeningen.

Von den Pseudoneuropteren zu den echten Neuropteren oder Netzflüglern, Neuroptcra, ist nur ein kleiner Schritt. Diese durchlaufen eine vollkommene Verwandlung, sie haben fressende Larven und ruhende Puppen. Im Uebrigen kommen sie noch nahe mit der vorigen Ordnung überein. Sie tragen ebenfalls zwei Paar im Bau wesentlich gleiche, netzförmig gegitterte Flügel. Dahin gehören die Sialiden, die Hemerobiden oder Landjungfern, die Phryganiden oder Schmetter- lingsfliegen (Köcherjungfern) u. s. w.

Die Neuropteren sind offenbar sehr frühe schon aus den Pseudoneuropteren durch tiefere Ausprägung der Metamorphose hervorgegangen. Beispielsweise gehört dahin ein 6,2 Centim. {z\ Zoll) langer Flügel aus den Eisensteinnieren der Steinkohlenformation von Coalbrookdale (Shropshire) Corydalis Brogniarti. Er deutet auf Sialiden der heute in Nord -Amerika (Carolina) durch grosse Arten vertretenen Gattungen Corydalis.

Wichtiger sind die Phryganeen, deren in süssem Wasser lebenden raupen - förmigen Larven aus Sandkörnern, kleinen Schneckengehäusen u. dergl. eine Röhre bauen, die auch in Tertiärschichten an mehreren Orten fossil vorkommt Reste von ausgebildeten Insecten aus der Familie der Phryganiden kennt man aus dem oberen Jura und aus verschiedenen Tertiär-Schichten. Sie sind bedeut- sam als muthmasslicher Ausgangspunkt der Ordnung der Schmetterlinge.

Fossile Phryganeen-Larvenröhren heissen Indu sien. Sie finden sich nament- lich im oligoeänen Süsswasserkalk der Auvergne. Es sind Röhren von allerlei fremdartigen Gegenständen zusammengeklebt, namentlich sind daran kleine Hydrobien-Gehäuse und Sandkörner angekittet. Sie werden hier bis 5 Centim. lang und 6 bis 9 Millim. (3—4 Linien) dick und sind auffallend dickwandig. Dieser Indusien-Kalk der Auvergne bildet ausgedehnte Lager von ein paar Fuss Mächtigkeit. Gewöhnlich nimmt man die Indusien für Köcher von Phryganeen- Larven. Doch kennt man heutzutage keine Schichten-Bildung durch Phryganeen- Anhäufung, sondern nur vereinzelte Röhren in seichtem Wasser. Lyell nimmt daher an, bei Bildung der Indusien-Kalke seien die Köcher durch Wind und Strömung zusammengeschleppt worden und konnten daher sich in Menge an- häufen.

Man kennt Phryganeen -Köcher auch aus dem Litorinellenkalk von Mainz, und Wiesbaden, ebenfalls reich an eingekitteten Schneckenhäuschen.

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Tnsecten.

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Gleich den beiden eben erörterten Ordnungen ist auch die der Geradflügler oder Orthoptera bereits in der Steinkohlenformation vertreten, und andererseits in der heutigen Fauna eine verhältnissmässig artenarme Abtheilung der Klasse.

Die Orthopteren schliessen an die Pseudoneuropteren an, mit denen sie die unvollkommene Metamorphose und die kauenden Mundwerkzeuge gemeinsam haben. Aber die beiden Flügelpaare haben sich bereits ungleichartig entwickelt, das vordere Flügelpaar ist lederartig oder pergamentartig geworden, es stellt sogenannte Flügeldecken dar.

Dahin gehören drei Hauptfamilien, die Ohrwürmer, Schaben und Heuschrecken, von denen die beiden letzteren bereits in der Steinkohlen-Fauna vertreten er- scheinen.

Die Schaben oder Blattiden, Blattidae, mit drei ziemlich gleichartig ge- stalteten Beinpaaren sind durch die erloschene Gattung Blattina mit verhältniss- mässig zahlreichen Arten schon in der Steinkohlenformation von Saarbrücken und von Wettin bei Halle vertreten. Man kennt von ihnen in den die Steinkohle begleitenden Schieferthonen die pergamentartigen Vorderflügel oder Flügeldeckel mit einem netzförmig ausstrahlenden Geader, welches Fiederblättchen von Farnen täuschend nachahmt (vielleicht eine Vermummung oder mimicry). Blattina di- dyma Germ, von Wettin wurde zu Anfang unter dem Namen Dictyoptcris didyma beschrieben und für ein Blatt einer besonderen Farn-Gattung gehalten. Die Gattung Blattina steht der lebenden Gattung Blatta schon sehr nahe und ist auch im unteren Lias (Schambelen im Aargau) noch vertreten.

Die lebende Gattung Blatta erscheint fossil in Tertiär-Schichten, namentlich auch in Bernstein eingeschlossen.

An die Schaben schliesst sich die Familie der Ohrwürmer oder Oehrlinge, Forficulidac, an, die ebenfalls drei ziemlich gleichartig gestaltete Beinpaare be- sitzen, aber durch starke zangenförmig gestaltete Anhängsel am hinteren Körper- ende eigenthümlich ausgezeichnet sind. Sie stehen den Käfern schon sehr nahe, Linne stellte sie noch zu diesen. Besonders sehen sie den Staphylinen sehr ähnlich, haben aber noch nicht die vollkommene Verwandlung der Käfer. Die Forficulen sind erst in Tertiärschichten fossil nachzuweisen und erscheinen namentlich auch wieder im Bernstein eingeschlossen.

Die gTosse Familie der Heuschrecken und ihrer Verwandten, Saltaioria, be- greift namentlich ausgezeichnete Springer mit verdickten Schenkeln an den oft ungewöhnlich stark verlängerten Hinterbeinen, zerfällt übrigens in mehrere Unter- familien, Gryllidae, Locustidae, Acrididae u. s. w. und enthält auch Formen, die nicht springen.

In der Steinkohlen formation kennt man zu Wettin Acrididen, den heutigen Feldheuschrecken ähnlich (Acridites), zu Saarbrücken eine besondere Gattung Gryllacris. Acrididen finden sich auch im unteren Lias. Am reichlichsten sind die Heuschrecken und übrigen heuschreckenartigen Tliiere in den Tertiärschichten vertreten.

An die Orthopteren schliesst sich die vierte und am höchsten stehende Ordnung der beissenden und kauenden Insecten an. Ks sind die Käfer, C0U0- ptera, heute eine der am artenreichsten vertretenen Thierordnungen (mit mindestens 30000 lebenden Arten). Von den Orthopteren scheidet sie am meisten die vollkommene Verwandlung. Die zwei F'lügelpaare sind ungleich diflerenzirt, die Vorderflügel sind lederartig oder pergamentartig, gewöhnlich stark erhärtet, sogen. Klügeldecken.

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Mineralogie, Geologie und Talaeontologie.

Die Käfer sind wahrscheinlich sehr frühe aus einer mit gleichartigen Lauf- beinen versehenen Form der Orthopteren vielleicht der Blattidae oder der Forfkulidae hervorgegangen, die Stammform fehlt aber im heute vorliegenden Archiv noch.

Kater-Reste erscheinen bereits in der Steinkohlenformation, namentlich in Eisenstein-Nieren der lewer coal measures von Coalbrookdale (England). Es sollen Rüsselkäfer (Curculioides) gewesen sein, also Pflanzenfresser und Waldbe- wohner, doch bleiben noch Zweifel. Seitdem hat man auch zu Saarbrücken Reste von Käfern gefunden.

Reichlich vertreten erscheinen die Käfer in den insectenfilhrenden Schichten des Lias und Jura. Hier sind die Prachtkäfer oder Buprestidae sehr reichlich zu finden. Der untere Lias der Schambelen im Aargau hat allein 23 Bupre- stiden -Arten geliefert, darunter eine Art, Euchroma liasina, die den grossen bra- silianischen Prachtkäfern nahekommt und etwa 50 Millim. lünge erreichte. Die Insecten-Schicht der Schambelen hat überhaupt 58 Arten von Käfern geliefert, meist Prachtkäfer, aber auch Schnellkäfer (Elateridae) Pilzkäfer, Laufkäfer, Wasser- käfer — von letzteren unter anderem grosse Hydrophilus-krten.

In der Tertiär-Formation sind Käferreste zahlreich, namentlich wieder in der unteroligoeänen Fauna des Bernsteins der samländischen Küste.

Die Hautfl ügler oder Immen, Hymenoptera, sind eine Ordnung mit kauenden und leckenden Mundtheilen. Der Oberkiefer ist noch unverändertes Kauorgan. Sie haben zwei fast gleiche Flügelpaare, die Verwandlung ist vollkommen. Hier- her gehören die Ameisen, Bienen und die in eine Reihe von Familien zerfallenden Wespen (Siricidac, Vespidae u. s. w).

Die Hymenoptera sind vor der Zeit des Lias entstanden und gingen wahr- scheinlich aus Pseudoneuropteren oder Neuropteren hervor. Man kennt einige wenige, z. Th. noch zweifelhafte Hymenopteren-Reste im Lias und im oberen Jura, dann auch zahlreiche Arten aus der Tertiär-Formation.

Die Bienen gingen allem Anschein nach aus Wespen (Grabwespen) hervor, die mit ihrer Legeröhre Pflanzen anbohrten, um das Ei an einer geeigneten Brutstätte unterzubringen. Sie nahmen dann die Gewohnheit an, der Laive Blüthenstaub und Honig als Futter zuzutragen. Daraus gingen dann die eigent- lichen Honig-Bienen hervor, die einzigen Hautflügler, die vom Ei an mit ihrer ganzen Ernährung auf Blumen-Speise angewiesen sind. Aus der Legeröhre ist bei ihnen eine Waffe hervorgegangen.

Die Halbflügler, Hemiptera oder Rhynchota sind Insecten mit stechenden Mundorganen und unvollkommener Verwandlung, Insecta pungentia ametabola. Sie haben theils zwei Flügelpaare, theils sind ein oder beide Paare verkümmert. Man unterscheidet gleichflüglige Formen und ungleichflüglige ; die ersteren stellen offenbar den ursprünglichen Typus dar und dürften von den Pseudoneuropteren ausgegangen sein.

Die gleichflügeligen oder Homoptera haben gleichartige Vorder- und Hinter- flügel. Hierher gehören die Schildläuse, Blattläuse und Cicaden. Bei den Schildläusen, Coecidae, sind die Weibchen ungeflügelt, die Männchen haben Vorder- flügel, selten auch Hinterflügel. Man erwähnt Cocciden aus Tertiärschichten. Bei den Blattläusen, Aphidae, hat eine fliegende Generation, Männchen wie Weibchen, vier Flügel. Man kennt Aphis- Arten aus dem Purbeck-Kalkstein (oberer Jura) von England, andere Aphiden aus Tertiärschichten, unter anderen im Bernstein. Ansehnlichere Grösse erreichen die Cicaden, Cicadidae. Sie

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Insecten.

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haben stets zwei Flügelpaare und diese sind meist glashell, die vorderen sind aber zuweilen lederartig geworden. Cicaden sollen schon im oberen Jura vor- kommen. Mehrere Gattungen, Cicada, Tettigonia u. a. kennt man aus tertiären Schichten.

Die ungleichflügeligen oder eigentlichen Hemipteren, HeteropUra begreifen die theils das Festland, theils das Süsswasser, aber auch das Meer bewohnenden Wanzen. Sie haben wo nicht durch parasitische Lebensweise eine Ver- kümmerung eingetreten ist vier Flügel. Die Vorderflügel sind in der inneren Hälfte lederartig, verdickt, in der äusseren Hälfte häutig und dünn oder ganz in hornige Flügeldecken umgewandelt, die Hinterflügel immer häutig. Wanzen kennt man fossil im Lias und in jüngeren Ablagerungen. Der untere Lias der Schambelen (Aargau) hat Reste von drei Arten von Baumwanzen geliefert. Eine Wasserwanze, Nepa primordialis, fand sich im oberen Jura von Solenhofen.

Die Ordnung der Zweiflügler oder Fliegen, DipUra, begreift Insecten mit stechenden Mundorganen und vollkommener Verwandlung, Insecta pungentia metabola. Bei ihnen sind von dem ursprünglich doppelten Flügelpaar nur noch die Vorderflügel übrig geblieben. Die Hinterflügel sind der Rückbildung ver- fallen. Die Schwingkölbchen vertreten ihre Stelle ; es sind verkümmerte Hinter- flügel. Die Dipteren schliessen sich am nächsten den gleichflügeligen, z. Th. zweiflügeligen Hemipteren (Homoptera) an und sind aller Wahrscheinlichkeit nach aus solchen hervorgegangen. Die Hinterflügel sind dabei verkümmert, die Meta- morphose aber ist vollkommen geworden. Reste von Dipteren finden sich zuerst, aber noch spärlich in jurassischen Ablagerungen. Von tertiären Gebilden ist be- sonders der Bernstein reich an Dipteren.

Eine gleich den Käfern hochausgebildete Ordnung der Insecten sind die Schmetterlinge, Lepidoptera. Das spiralig einrollbare, aus zwei Halb- kehlen bestehende Saugrohr, auch Rüssel genannt, zeichnet sie aus. Es sind Insecten mit saugenden oder schlürfenden Mundtheilen und vollkommener Ver- wandlung, ferner zwei fast gleichartigen Flügelpaaren, die ganz oder zum grossen Theile mit kleinen Schuppen bedeckt sind.

Die nahe Verwandtschaft der Schmetterlinge mit den Schmetterlingsfliegen (Phryganidae, Ordn. Neuroptera) macht es wahrscheinlich, dass die Schmetterlinge aus phryganeen artigen Netzflüglern hervorgegangen sind. Diese Umgestaltung be- ruht auf der Gewöhnung an Blüthennahrung. Die Stammeltem der Schmetter- linge haben nach aller Wahrscheinlichkeit schon begonnen, den Honig von Blüthen aufzusuchen. Es giebt auch jetzt unter ihnen noch Formen mit unansehnlichen Anfangen des Saugrohrs, wie dasselbe bei den die Umbildung von Phryganiden in Schmetterlinge vermittelnden Zwischenformen einst beschaffen gewesen sein mag. Wann diese Umbildung vor sich ging, ist zur Zeit noch nicht recht er- mittelt. Man kennt zwar aus dem oberen Jura schon einige Reste schmetterlings- artiger T'niere, sie sind aber nur unvollständig erhalten und gewähren noch keine Sicherheit. Durch sichere Reste vertreten sind die Lepidoptera in mehreren tertiären Ablagerungen.

Jedenfalls ist ein naher Zusammenhang der geologischen Geschichte der Schmetterlinge mit der der Dicotyledonen anzunehmen. Schon abgesehen da- von, dass die Raupen meist von weichen Blättern leben, sind die Schmetterlinge im ausgereiften Zustand in ihrer Nahrung meist von den Blüthenpflanzen und zwar hauptsächlich von grossblumigen Dicotyledonen abhängig. Sie leben meistens vom Nektar der Blumen, den sie z. Th. mittelst des zu einem langen

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Mineralogie. Geologie und Palaeontologie.

Faden ausstreckbaren, nur in der Ruhe spiralig eingerollten Saugrüssels auch aus dem tiefgelegenen Grunde der Blumenkrone zu schöpfen im Stande sind. Ja es ist anzunehmen, dass der eigenthümliche Bau vieler Dicotyledonen-Blumen Schritt für Schritt mit dem ihrer Ausbeutung entsprechenden eben so ungewöhnlichen, nur auf Nektar-Genuss zn beziehenden Bau des Saugrohres entstanden ist und der Fortschritt in beiderlei Hinsichten sich wechselseitig bedingt hat Die fossile Vertretung, soweit sie in sicher erkennbaren Resten vorliegt, kommt damit über- ein. Die Hauptentwicklung der Dicotyledonen mag beiläufig gegen Mitte der Kreide-Epoche anzunehmen sein. Die Lepidoptera, gestützt auf die vorausge- gangene Ausbildung der Dicotyledonen-Flora, stellen sich im dermaligen palaeon- tologischen Archiv mit sicheren Resten wie schon bemerkt erst im Verlauf der tertiären Ablagerungen ein.

Auch ein Theil der Hymenoptera und der Diptera sind in Bezug auf ihre Nahrung von Blüthenpflanzen abhängig und in der Steinkohlen-Formation fehlt überhaupt noch jede Spur von Blüthen-Insecten , vielleicht selbst noch in der jurassischen Schichtenfolge, namentlich dem Lias.

Die Inseln

von

Prof. Dr. A. v. Lasaulx.

Zwischen den von Oceanen umgebenen Continentalmassen und den eigent- lichen Inseln liegt das Unterscheidende nur in der Grösse. Eine bestimmte Grenze zwischen den grossen Inseln, wie z. B. Neuguinea und Borneo und zwischen den kleinsten Continenten z. B. Australien, ist nicht wohl zu ziehen. Australien könnte darnach füglich auch als eine blosse Insel, Neuguinea als ein kleiner Continent angesehen werden. Man hat desshalb noch andere unter- scheidende Charaktere für diese verschiedenen Festlandsformen hervorgehoben. H. Wagner bezeichnet nur solche als Inseln, bei denen der Einfluss des Meeres in klimatischer und anderer Beziehung bis zur Mitte zu spüren ist1). Nach Ratzel sind nur solche Landmassen als Continente zu bezeichnen, die insofern eine volle Selbständigkeit zeigen, dass sie durch ihre Grösse alles zur Cultur einer grösseren Menschenzahl Nothwendige hervorzu bringen vermögen '*). Das Abhängigkeitsverhältniss von einer Continentalmasse, das sich auch in der Lage vieler Inseln ausspricht, würde also vornehmlich deren insularen Charakter be- dingen.

Auf dem Verhältnisse der Lage von Inseln zu den Continenten wurde auch zunächst eine Eintheilung derselben begründet. Man unterschied Gestade- Inseln und oceanische Inseln oder Con tinen tal-Inscln und pelagische Inseln wie F. Hoffmann dieselben benannte.

Die ersteren liegen dicht an der Küste der Continente und sind mit dem nahen Festlande auch ihrer ganzen Beschaffenheit nach verwandt, so dass man sie geradezu als Glieder desselben betrachten kann. Die oceanischen Inseln liegen fern von den Küsten der Continente und stehen zu denselben in keinerlei unmittelbarer Beziehung.

l) Guthe-Wagner, Lehrbuch d. Geographie. 5. Aufl. Bd. I. pag. 8$. *) Anthropogeographie. Stuttgart 1882. pag. 90.

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Die Inseln.

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Auch nach ihrer Form und der Art ihres Auftretens lassen sich die Inseln unterscheiden. Langgestreckte Inseln liegen auch meist gesellig, in grösserer Zahl reihenförmig zu Inselketten angeordnet bei einander. Die rundlichen Inseln, die keine vorwaltende Streckung erkennen lassen, liegen theils ziemlich vereinzelt, einzelne gänzlich isolirt, oder zu Inselgruppen vereinigt.

Diesen Unterschieden äusserer Art, die in der Lage und Form der Inseln unmittelbar sich kund geben, entsprechen meistens auch innere, mit der Ent- stehung der Insel zusammenhängende Verschiedenheiten.

Recht auffallend tritt das Zusammenfallen der Unterschiede morphologischer und genetischer Art z. B. bei den hohen und niederen Inseln hervor. Jene sind fast durchweg oder wenigstens zum grossen Theil vulkanischer Entstehung, oder durch vulkanische Producte erhöht worden, diese sind von Korallen erbaute flache Eilande und wenig aufragende Riffe.

Aehnlich ist es auch bei den langgestreckten und runden Inseln, deren Entstehungsweise ebenfalls meistens verschieden ist. Jene erscheinen als losge- löste Trümmer oder Glieder der Continente, diese meist als selbständige, ursprüngliche Inseln, die nie früher einem der noch jetzt bestehenden Con- tinente angehört haben. Darin liegt in der That eine ganz fundamentale Ver- schiedenheit und mit vollem Rechte wird das als erster Eintheilungsgrund für die Inselsysteme auch fernerhin festgehalten. A. Kirchhoff1) hat neuerdings ein System der Inseln aufgestellt, bei dem im Wesentlichen die verschiedene Art der Entstehung berücksichtigt ist. Er unterscheidet:

I. Festländische Inseln.

1. Abgliederungsinseln.

2. Restinseln.

II. Ursprüngliche Inseln.

1. Submarin entstandene Inseln.

2. Aufschüttungsinseln (Vulkane und Koralleninseln).

3. Nichtvulkanische Hebungsinseln.

Eine andere Classificirung der Inseln, aber ebenfalls auf orographischen und geologischen Verhältnissen gegründet, schlägt vor Kurzem auch F. G. Hahn in seinen > Inselstudien «*) vor. Er trennt:

A) Tektonische Inseln.

1. Durchaus vulkanisch,

a) kein deutlicher Krater vorhanden,

b) ein Hauptkrater vorhanden,

c) zwei oder mehr selbständige Krater vorhanden.

2. Nur theilweise vulkanisch.

3. Ohne vulkanische Bildungen.

B) Erosions-Inseln.

Bei diesen werden fünf Typen nach orographischen Verschiedenheiten auf- gestellt.

C) Aufschüttungs-Inseln.

1. Minerogenej

2. Phytogene \ Aufschüttungsinseln.

3. Zoogene )

') Zeitschr. ftlr wissensch. Geogr. Bd. 3, pag. 169 ff. *) Inselstudien. Leipzig 1883.

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Mineralogie, Geologie und PaUeontologie.

Ein Blick auf die beiden Systeme zeigt, wie in jedem derselben noch einige Unsicherheit und Unklarheit bezüglich gewisser Gruppen obwaltet. Nicht ganz glücklich ist der Versuch Hahn's, einen Theil der vulkanischen Inseln als tektonische von den Aufschüttungsinseln zu trennen. Dass die Vulkane über- haupt fast ganz Producte der Aufschüttung seien, soll damit nicht etwa von ihm bestritten werden. Es liegt jener Auffassung der geologisch allerdings wohl zu- treffende Gedanke zu Grunde, dass die vulkanischen Bildungen mit tektonischen Vorgängen in der Erdrinde, mit Faltungen, Hebungen und Senkungen in ursäch- lichem Zusammenhange stehen und dass ihre Vertheilung an der Erdoberfläche thatsächlich erkannten, tektonischen Linien folgt Aber wenn dieses auch richtig ist, so bleibt doch der unmittelbare Vorgang dieser Inselbildung in allen Fällen die vulkanische Aufschüttung. Der weiter zurückliegende, z. Th. noch dazu hypothetische, vor Allem aber keinesweges unmittelbar klar zu erkennende tektonische Vorgang ist nicht deutlich und entscheidend genug, um als Grund- prineip einer geographischen Eintheilung annehmbar und praktisch zu erscheinen1). Die Klasse der tektonischen Inseln umfasst in Folge dessen äusserlich und inner- lich gänzlich verschiedene Inseln wie Madagaskar, Santorin, Sumatra und Irland. Die Unterabtheilungen der tektonisch- vulkanischen Inseln, wie sie Hahn aufführt, sind ferner desshalb unzweckmässig, weil jede erneute Eruption die Zahl und Anordnung der vorhandenen Krater gänzlich umzugestalten vermag. Dadurch würde für einzelne Inseln ein Hin- und Herschwanken durch die verschiedenen Unterabtheilungen sich ergeben.

In dem Systeme von Kirchhoff fehlt dagegen der gewiss richtige Unter- schied in den Abgliederungsinseln, je nachdem dieselben durch tektonische Vor- gänge oder nur durch die Erosion gebildet sind. Die submarin gebildeten Inseln werden nach Bau und Material sich einer der anderen Gruppen einfügen lassen und kaum eine selbständige Stellung verdienen.

Solche Inseln, welche auf nicht vulkanischer Unterlage mehr oder weniger reichlich vulkanische Aufschüttung tragen, können nur nach dem Charakter ihrer Basis dem Systeme eingereiht werden. Als Inseln wären sie auch ohne die vulkanische Bedeckung vorhanden gewesen. Diese ist hier nur ein acces- sorischer Umstand. Nur da, wo die Aufschüttung Uberhaupt erst eine Insel ge- bildet hat, ist sie ein wesentliches Merkmal fiir die Ciassinkation.

Wenn man aber an den beiden Hauptgruppen, den Festlands- und den oceanischen Inseln, wie sie aus der Entwicklung der Kenntnisse über den Bau der Inseln immer bestimmter sich ergeben haben, in erster Linie festhält, lassen sich die Gesichtspunkte Hahn's in zweiter Linie für die Gliederung der Unter- abtheilungen verwerthen.

Die Abgliederungsinseln Kirchhoff's werden dann in zwei Gruppen zu trennen sein: die tektonischen und die Erosionsinseln. Jene sind durch Vor- gänge von den continentalen Massen abgetrennt worden, die mit den Ver- änderungen im Bau der Erdrinde, mit der Gebirgsbildung zusammenhängen, diese sind durch die Wirkungen der Erosion allein abgelöst worden.

Nicht eigentlich als Abgliederungsinseln, sondern als solche, die den letzten Rest eines untergehenden Continentes oder einer grösseren Landmasse darstellen.

l) Vollends unannehmbar erscheint es, wenn Hahn, 1. c. 174, die Inseln, welche einen Auf- schllttungskegcl , einen Vulkan tragen, von solchen trennt, die nur durch Ausbreitung der Auswurfsstofte eines Vulkans, also 1. B. durch Lavaströme gebUdet werden. Sie gehören uniweifel- hau tusammen.

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Die Inseln.

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durch diesen Zusammenhang aber in gewissem Sinne den Begriff der continentalen Inseln sich bewahren, erscheinen die sogen. Restinseln, für welche, um den Gegensatz zu den Abgliederungsinseln noch mehr hervorzuheben, vielleicht auch der Name Rumpfinseln passend erscheint.

So würde eine einfache Vereinigung der beiden vorhin aufgeführten Ciassi- nkationen folgendes System der Inseln ergeben:

I. Continentale oder Trümmerinseln.

A. Abgliederungsinseln:

1. Tektonische Trümmerinseln.

2. Erosionsinseln.

B. Rumpf- oder Restinseln.

II. Oceanische oder ursprüngliche Inseln.

A. Aufschüttungsinseln.

1. Vulkanische Inseln.

2. Nichtvulkanische Inseln.

a) Minerogene, b) phytogene, c) zoogene.

B. Erhebungsinseln.

Folgende Beispiele für die einzelnen Gruppen werden den Charakter der- selben noch besser erläutern.

I. A. Abgliederungsinseln.

Dass viele Inseln, besonders solche, die auch ihrer Lage nach einem Continente angehören, mit diesem auch geognostisch zusammenhängen, dass sie aus denselben Formationen und Gesteinen gebaut sind, welche an den ihnen gegenüberliegenden continentalen Küsten erscheinen, ist eine längst bekannte Thatsache. Nur wie abgelöste Splitter des continentalen Ganzen erscheinen sie uns dann auch auf geologischen Karten. So gehören zur Bretagne die kleinen Inseln im Canal, so die Klippen der Scilly-Inseln zu Cornwall, so Irland zu Grossbritannien und Schottland und so diese hinwiederum zu Europa. Aber die geologischen Vorgänge, welche die Abtrennung bewirkt haben, sind doch ver- schiedene. Während bei den Scilly-Inseln lediglich die erodirende Brandung ihre Loslösung von England und ihre Zersplitterung bewirkt, waren es Vorgänge ganz anderer Art, welche England vom Continente, Irland von England lostrennten. Das Meer zwischen Irland und England füllt ein altes, durch die Faltungsvorgänge in den beiderseitigen Gebirgen hervorgerufenes Querthal aus und in Folge einer langsamen Abwärtsbewegung der ganzen continentalen Masse wurde erst der heutige Canal gebildet.

Dreierlei Arten der Abgliederung begegnen uns in den wenigen Beispielen: die eine, die als tektonische bezeichnet wurde, erscheint wieder als eine zwei- fache, je nachdem eine Zerreissung oder nur eine Einsenkung, ein Einsturz, das Zwischenschieben trennender Meeresarme bedingte, die andere, durch Erosion bewirkt, kann morphologisch sehr verschieden sich gestalten, je nach der Form, Lage und Höhe der Küste, an der sie wirksam wird.

So haben wir in den Inseln des griechischen Archipels, soweit dieselben nicht ausschliesslich vulkanische Aufschüttungen tragen, z. Th. die Reste eines alten Gebirges zu sehen, das von zahlreichen Bruchlinien durchsetzt, in den einen Theilen einsank und verschwand, in anderen Theilen aufragend zurückblieb. Diese aufragenden Theile bilden die zahlreichen Inseln und Halbinseln. Auch

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Mineralogie, Geologie und l'fdacontologie.

die Abtrennung Siciliens von Italien ist durch alte gebirgsbildende Vorgänge bedingt. Zwei Festlandsschollen wurden hier durch eine Querspalte auseinander- gerissen, die nicht durch spätere Processe wieder geschlossen wurde.

Westlich der ganzen italienischen Halbinsel liegt ein anderes grosses Senkungsgebiet. Die Inseln sind z. Th. durch diese tektonischen Vorgänge isolirte Trümmer des grossen, alten Gebirges, dessen eine ruinenhafte Hälfte Italien selbst darstellt, z. Th. hat vulkanische Aufschüttung über dieses Senkungsgebiet hin neue Inseln geschaffen. So ist Ceylon, die Japanischen Inseln, Formosa und Hainan, vielleicht auch ein grosser Theil der Sundainscln, deren Gliederung im Einzelnen durch die Erosion weitergeführt wurde, vom asiatischen Continent, Madagaskar vom afrikanischen, die Feuerland- und die Falklandsinseln vom amerikanischen, Tasmanien vom australischen Continent durch tektonische Vorgänge geschieden worden.

Dass auch auf solchen durch tektonische Abgliederung entstandenen Inseln vulkanische Aufschüttungen statthatten, wie es z. B. in Sicilien, Sardinien u. a. der Fall ist, kann die Stellung dieser Inseln im System nicht ändern; die Inseln würden, wenn auch in kleineren Dimensionen, doch bestehen bleiben, wenn man die vulkanischen Producte von ihnen abgehoben dächte.

Die Erosion, welche an den Küsten die Lostrennung von Inseln bewirkt, beruht vornehmlich auf der Einwirkung der Meereswellcn, mit denen aber auch die Tliätigkeit der Winde, Niederschläge, des Frostes, Eises, und der fliessenden Wasser in geringerem Maasse sich vereinigt.

Die zerstörende Kraft der Brandungswellen, die in Folge der Veränderungen der Meeres- und Festlandsgrenze immer andere Angriffspunkte findet, ist das wichtigste Agens zur Inselbildung. Die wild zerrissenen Westküsten von Schott- land und Irland liefern deutliche Beispiele solcher Küstenzertrümmerung und hier überall lässt sich erkennen, wie die geognostische Zusammensetzung, die härtere oder weniger harte Beschaffenheit der Gesteine und deren Wechsel an den Küsten die Formen und den Reichthum der Inseln bedingt, welche durch die Erosion abgelöst werden.

Auch die Kreideschollen von Rügen und anderen Inseln der Ostsee, sowie endlich in der Nordsee die ganze Kette der holländisch-friesischen Küsteninseln, auch die Insel Helgoland sind Beispiele von Erosionsinseln. Hier hat überall die Veränderung der Meeresniveaulinic ganz besonders die Wellenthätigkeit in ihrer fortschreitenden Zerstörung unterstützt.

Auch alle Fjordregionen gehören hierhin. Die Gletscherwirkung hat vielleicht hier an der Ausmeisselung der tiefen Wasserschluchten bedeutend mitgearbeitet (vergl. Art. Gletscher. Bd. IL, pag. xoo). Ausgezeichnet sind durch ihren Reichthum an Fjordinseln in Europa die Küsten von Skandinavien, Schottland, Irland und die Bretagne. Auch die Nordwestküste von Spanien, die Küstengebiete an der Südseite der Mittelmeerländer und an der Ostseite des adriatischen Meeres sind reich an Erosionsinseln. Ein sehr ausgedehntes, an Inseln überaus reiches Gebiet dieser Art verläuft längs der Küste des östlichen Asiens; die koreanischen, japanischen, chinesischen und indischen Archipele verdanken ihre Gestaltung vornehmlich der zerstörenden Thätigkeit der Wellen in Verbindung mit der tektonischen Ver- schiebung der Küstenlinie selbst. Auch Australien und das von ihm durch tektonische Vorgänge abgetrennte Tasmanien besitzen zahlreiche Erosionsinseln längs der Küste, Neuseeland endlich ist überaus stark, in seinem südwestlichen Theile vornehmlich, zu Küsteninseln zersplittert. Zu den besonders inselreichen

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Küstenstrecken des amerikanischen Continentes gehört vornehmlich die Küste nördlich vom Puget Sound in Nordamerika und die Westküste von Chile, Pata- gonien und Feuerland. So ist denn die Gruppe der Abgliederungsinseln un- zweifelhaft die an Vertretern reichste überhaupt. In wie weit nicht nur in ein- zelnen Gebieten, sondern in allgemeinerer Verbreitung tektonische Vorgänge mit der Erosion zusammengewirkt haben, derart, dass Spalten, tektonische Thäler oder Senkungszonen dieser gewissermaassen die Wege vorzeichneten, das ist nicht durchweg zu entscheiden. Es bedarf dazu vor Allem einer ganz genauen Kenntniss der geognostischen Zusammensetzung des fraglichen Gebietes. Ist z. B. doch auch für die Fjordregionen von Skandinavien die Annahme keinesweges von der Hand zu weisen, dass an der Vorbildung der Richtungen, in denen Meeres-Erosionen und glaciale Thätigkeit die tiefen Einschnitte ausarbeiteten, eine tektonische Spaltenbildung als bedingend betheiligt gewesen sei. Dass geo« gnostische Verhältnisse, tektonische Thäler, wie z. B. im westlichen Irland die Mulden der Kalksteine im Oldred auch für die Erosion grundlegend waren, ist unzweifelhaft. So möchte denn wohl in sehr vielen Fällen eine scharfe Trennung tektonischer und blosser Erosions-Inseln Schwierigkeiten bereiten, während beide als Abgliederungsinseln unzweifelhaft erkannt werden können.

B. Rumpf- oder Restinseln.

Manche Inseln und Inselgruppen zeigen nach Grösse, Lage, Bau und um- gebenden Meerestiefen eine solche Selbständigkeit, dass sie nicht füglich als eigentliche Glieder des nächst gelegenen Continentes angesehen werden können, sondern unzweifelhaft den Eindruck machen, dass es die Reste oder die Rumpf- theile einer grösseren Landmasse von continentaler Bedeutung seien. Neuseeland ist das gute Bild einer solchen Rumpfinsel. In dem mächtigen, aus altkrystalli- nischen Gesteinen bestehenden Gebirgsgerüste trägt es die Anzeichen einer geologischen Selbständigkeit. Diese ist durch die grossen Meerestiefen noch bestimmter ausgeprägt, die es allseitig umgeben und vornehmlich von Australien und Tasmanien scheiden. Tektonische Vorgänge haben den Rumpf einer einst grösseren Landmasse in zwei Theile gespalten, Erosionswirkungen sie mannigfach gegliedert.

Auch Neu-Caledonien mit seinen krystallinischen Gesteinen und Serpentinen, die Tonga-, Samoa- und Fidschi-Inseln sind als die Rumpftheile eines einst zu- sammenhängenden grösseren Ganzen charakterisirt, das vielleicht nach Westen durch die Neu-Hebriden und Salomoninseln einen alten Zusammenhang auch mit Neu-Guinea erkennen lässt.

Im Süden deuten die sedimentären Gesteine auf der Cambellinsel und den Kergtielen ebenso Reste einst grösserer Landmassen an. In den südpolaren Gebieten lassen sich drei Gruppen solcher Restinseln unterscheiden.

Auch die Antillen sind trotz ihrer grossen Nähe am amerikanischen Continente durch grosse Meerestiefen von ihm geschieden. Sie können nicht wohl als lediglich von diesem abgegliedert, sondern müssen als die Reste eines grösseren Festiandcomplexes gelten, der in sich durch tektonische Vorgänge zer- theilt wurde.

So auch die Inseln des arktischen Ringes. Grönland würde den eigentlichen Rumpf des Ganzen darstellen. Dazu gehören auch Spitzbergen und Franz Joseph's-Land. Nowaja Semlja dagegen ist eine vom sibirischen Festland abge- gliederte Fortsetzung des uralischen Gebirgszuges.

Kknngott, Min., Gcol. u. Pal. 11. 10

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146 Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

Ohne Zweifel haben einst zu einem grösseren Ganzen auch die Inseln der Sundasee zusammengehört: Borneo, Celebes, Gilolo, Buru, Ceram und vielleicht Neu-Guinea. Freilich erscheinen dieselben der Lage nach einerseits zu Süd-Asien, andererseits zu Australien zu gehören. Ihre selbständige Gebirgsentwicklung, ihre Bedeutung und Grösse, die bedeutenden, die ganze Sundabank, auf der sie auf- sitzen, umgebenden Meerestiefen lassen es doch wohl richtiger erscheinen, sie als Reste eines selbständigen, continentalen Mittelgliedes zwischen Asien und Australien aufzufassen. Dafür würden auch die continental-klimatischen Verhältnisse sprechen, welche im Inneren von Borneo und Neu-Guinea obwalten. Sumatra, Java und die kleinen Sunda-Inseln gehören zu ihnen und stellen den Rest der letzten Verbindung dar, welche einst jene Landmassen mit dem asiatischen Continent verband. Man wird sie als Abgliederungs- oder Restinseln bezeichnen können, je nachdem man sie zu der Halbinsel Malaka oder zu den erstgenannten Sundainseln in Beziehung setzt. Ueberall wird in mehr oder minder grosser Verbreitung auf Sumatra und Java älteres sedimentäres Gebirge als die Grundlage der vulkanischen Bildungen gefunden. Sonach dürfen sie nicht als eigentliche vulkanische Inseln gelten, nicht durch die vulkanische Aufschüttung sind sie erst als Inseln geworden.

Das ist noch bei manchen anderen Inseln der Fall. Auch die Azoren und Capverdischen Inseln sind nicht durch vulkanische Aufschüttung erst gebildet- Auf Restinseln hat diese erst stattgefunden und die älteren sedimentären und krystallinischen Bildungen nur überdeckt und zum grossen Theile unsichtbar gemacht.

II. A. Aufschüttungsinseln.

Nur solche Inseln können in die Klasse der vulkanischen Aufschüttungs- inseln gerechnet werden, welche ganz ausschliesslich aus vulkanischem Materiale bestehen. Es sind ihrer nur wenige. Mit Sicherheit sind hierher zu rechnen die in der inneren Bay von Santorin gelegenen Kaymeni-Inseln, die aus aufgeschütteten Kratern und mächtigen Lavabänken bestehen. Eine ausgezeichnete Gruppe von vulkanischen Aufschüttungsinseln bilden die Columbrctes östlich von der Küste der spanischen Provinz Valencia gelegen. Auch die Liparen, die Ponza-Inseln, die Insel Pantelleria gehören hierher.

Von anderen ganz ausschliesslich aus vulkanischen Massen gebildeten Inseln sind noch zu nennen: St. Paul und Neu-Amsterdam, die Macdonald- und Heard- Insel nahe am Südpol, die Galapagosinseln westlich von Centrai-Amerika, die einsame Osterinsel oder Rapanui, die Sandwichsinseln, soweit ihre gepgnostische Zusammensetzung zuverlässig erkannt ist, jedenfalls Kauai, Niihau, Oahu und Hawai selbst, die Marquesasinseln, die isolirten vulkanischen Klippen von Fernando Noronha, Salas y Gomez u. a., Tristan d'Acunha und Ascension, St. Helena, Island und noch viele kleinere Inseln im Sundameere und im stillen Occan.

Die nicht vulkanischen Aufschüttungsinseln sind dreierlei Art. Die mine- rogenen, deren Material wesentlich aus Gesteinstrümmern besteht, welches ans den Continenten durch die Flüsse ins Meer gebracht und hier unter gewissen Bedingungen abgelagert wird, können natürlich nur in der Nähe der Küsten gefunden werden. Die Voraussetzungen ihrer Entstehung sind dieselben, wie sie bei den Deltabildungen (I. pag. 201) erörtert wurden. Dielnseln der verschiedenen Deltagebiete gehören daher vornehmlich hierher.

Phytogen e Aufschüttungsinseln bilden sich durch Zusammenschwemmungen grösserer Massen von Pflanzen, die auf einer Untiefe sich ablagern oder als

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Die Inseln.

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Flösse zum Stranden kommen. Dieselben tragen z. Th. noch lebende Pflanzen. Der La Plata und Amazonenstrom, der Congo und Orinoco, Ganges u. a. sind Ströme, die solche schwimmenden Pflanzeninseln in das Meer senden.

In unmittelbarer Nähe der Küsten tragen auch gewisse Pflanzen, z. B. Rhizo- phoren, zur Inselbildung bei, indem sie mit ihrem dichten Wurzelgeflecht den Schlamm zurückhalten, Seetange und Treibholz festlegen und so bleibende Inseln schaffen.

Die wichtigsten und verbreitetsten Aufschüttungsinseln, die Aufschüttung freilich hier nicht ganz wörtlich verstanden, sind aber die zoogenen, die Ko- ralleninseln. Dass die Korallen überhaupt Inseln aufzubauen vermögen, wusste man schon seit dem Ende des 16. Jahrhunderts, aber die Art und Weise dieser Inselbildung wurde sehr verschieden erklärt.

Die charakteristischste Gestalt der Koralleninseln ist die der kreisförmigen Lagunenriffe oder Atolls: entweder nur bestehend aus einem eine Binnenlagune umschliessenden barrierähnlichen, einen oder mehrere Eingänge offenlassenden Riftwalle oder aus einem solchen mit einer oder mehreren inneren Inseln oder Felsenklippen. Oft ist die innere Lagune auch durch spätere Erfüllung mit ein- geschwemmtem Material, in einigen Fällen auch durch vulkanische Auswurfs- massen erfüllt worden. Dann ist die charakteristische Form der Koralleninsel nicht mehr zu erkennen. Das ist nach Darwin z. B. bei den Paumotu-Inseln der Südsee der Fall.

Die kreisförmige Gestalt der Koralleninseln führte zuerst zu der Annahme, dass es Bauten seien, die auf submarinen Kraterrändern aufgesetzt seien. Diese von Chamisso ausgesprochene Ansicht fand auch darin eine Stütze, dass die Korallenarchipele eine deutliche, reihenförmige Anordnung zeigen, wie sie sonst auch Vulkanen eigen zu sein pflegt.

Darwin aber gab den Koralleninseln eine andere Erklärung. Er ging von dem Saue aus, dass riffbildende Korallen (siehe den betreff paläontolog. Artikel Anthozoen) in grossen Meerestiefen nicht leben können: nicht unter 20—30 Faden. Ebensowenig aber können sie in geringeren als 15 Faden gedeihen. Es ist diesen Thieren also eine beschränkte Zone angewiesen. Von dieser Tiefen- zone ausgehend können dieselben also nur dann einen eigentlichen Korallen- bau auflühren, wenn der felsige Grund, auf dem sie zu bauen anfangen, allmählich tiefer versinkt, während sie fortfahren, nach oben weiter zu bauen. Ist also z. B. eine Insel im Untersinken begriffen, so bilden von der bestimmten Tiefenzone ausgehend die Korallen einen Ring um dieselbe. Zwischen Insel und Ring entsteht eine Lagune. Die Insel sinkt tiefer, im Inneren sind zuletzt nur noch einige Klippen übrig, endlich verschwinden auch diese und so entstehen die charakteristischen Formen der Atolls. Auf dem Korallenriffe bildet eine rein mechanische, durch Wind und Wellen bewirkte Anschwemmung den eigentlichen Inselboden. Koralleninseln sind daher nach Darwin überall die Anzeichen grosser Senkungsgebiete. Man würde sie nach dieser Auffassung auch als die Grabsteine von continentalen Restinseln bezeichnen können. Dana nennt deshalb die ganze Südsee eine mit diesen Denkzeichen überdeckte grosse Grabstätte.

Freilich stellten sich der DARwiN'schen Korallentheorie später doch erhebliche Bedenken entgegen, die vornehmlich durch die Forschungen von Semper und J. J. Rein zu einer Erschütterung jener Theorie führten. Semper zeigte, dass

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

mehrere der oben angeführten Stadien in der Formentwicklung der Korallen- inseln nebeneinander vorkommen und dass ein Korallenstock, der von einer submarinen Bank aufwärts wächst und bei einer Hebung derselben an die Meeresoberfläche kommt, sein Wachsthum unter dem störenden Einflüsse der Wellenbewegung im Centrum d. i. an seinem Gipfel einstellt und nur an den Seiten noch weiter wächst. So entsteht bei weiterer Hebung ein ringförmiges Korallenriff, und die von Darwin angenommene Senkung ist dann nicht vorhanden. Auch eine wiederholte Auf- und Abwärtsbewegung der Atolle, wie sie spater Darwin annahm, vermag die SEMPER'schen Beobachtungen nicht zu entkräften. Die umfassenden Senkungen, die Darwin zu seiner Theorie annahm, scheinen zudem thatsächiich nicht stattgefunden zu haben ; sie sind wenigstens nicht sicher zu erweisen.

Auch die Mächtigkeit der Korallenbildungen der Jetztzeit ist zu gering, um sie mit der Senkungshypothese in Einklang bringen zu können. Denn nach dieser müsste die Mächtigkeit dem ganzen Betrage der Senkung entsprechen.

Die grosse Höhe mancher Koralleninseln, die z. B. in der Inselgruppe der Bermudas bis zu 79 Meter beträgt, ist ebenfalls mit der DARwiN'schen Theorie schwer vereinbar. Alles, was im Meere lebt und kalkige oder kieselige Skelette bildet, hat nach Rein Baumaterial zu diesen Inseln geliefert. Alle möglichen Seethiere: Echinodermen, Seeigel, Muscheln und Polythalamien betheiligen sich an der allmählichen Erhöhung des Seegrundes, auf welchem dann die rifle- bauenden Korallen fussen.

Ueberall, wo unterseeische Berge oder Plateaus und Sedimentbänke sich finden, werden dieselben also von den Korallenbauten überzogen; wo solche submarine Rücken oder Bänke in grosser Menge vorhanden sind, werden auch dichte Gruppen von Koralleninseln entstehen: dort, wo aber grosse Meerestiefen sich finden, war auch die Möglichkeit zur Bildung solcher Inseln nicht gegeben. Westwärts von Amerika liegt darum ein ganz inselarmes Meeresgebiet, während auf dem langgestreckten, gipfelreichen Rücken in der Mitte und im Westen der Südsee die langen Reihen der Koralleninseln sich aufbauten.

Ganz besonders zeigt sich z. B. im rothen Meere, wo eine leichte Hebung des Seebodens wahrscheinlicher ist, als eine Senkung, dass die dortigen Korallenbauten einfach dadurch entstanden sind, dass sie die Oberfläche sub- mariner Rücken überzogen.

Dass sonach auch vulkanische Kegel auf dem Meeresboden die Ansatzpunkte für Korallenbauten sein können, erscheint kaum zweifelhaft.

Ueberhaupt sind in der Gegenwart die Korallenriffe am verbreitetsten in der Südsee. Von den Palau-Inseln und Karolinen im Westen zieht sich ihre Reihe über die Marshall- und Gilbertinseln und über die zerstreuten Gruppen Centrai- polynesiens zu den niedrigen Inseln im Südosten hinüber. Im Indischen Ocean bestehen die Reihen der Laccadiven, Malediven und Chagos aus zahlreichen Lagunenriflen. Im atlantischen Ocean erscheinen nur die Bermudas-Inseln.

B. Erhebungsinseln.

Erhebungsinseln sind, sofern eine Aufwärtsbewegung einzelner Theile der Erdrinde zu ihrer Entstehung die Veranlassung giebt, also auch tektonische Inseln. Ob die Erhebung eine wirkliche oder nur eine scheinbare, durch Sinken des Meeresniveaus bewirkte ist, das mag dabei auch hier zunächst unentschieden

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Isomorphismus.

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bleiben. Sowie wir aber auf der Erdoberfläche über die Conrinente hin in der (iebirgsfaltung eine Bewegung sehen, die einzelne Theile aufwärts zu Bergzügen empordrängt, so kann es doch an und für sich nicht zweifelhaft erscheinen, dass solche Bewegungen, wenigstens in der Nähe der Festlandsmassen auch dem Boden des Meeres in gleichen Wirkungen sich mittheilen müssen. Die emporgefalteten Theile einer submarinen, als Fortsetzung einer festländischen Kette erscheinenden Faltungszone, werden die Oberfläche des Meeres erreichen können und dann als Inseln hervortreten. Längs der Küsten, an denen auch heutigen Tages fort- schreitende Abwärtsbewegung der Niveaulinie des Meeres sich findet, sind solche Insclbildungen am wahrscheinlichsten zu erwarten. Eine genauere Erforschung der geognostischen Beschaffenheit mancher Abgliederungsinseln mag dieselben in die Klasse der Erhebungsinseln verweisen lassen. Da z. B. die ganze Ostküste von Nord-Asien in einer aufsteigenden Bewegung begriffen ist, so mögen hier besonders solche Inseln, deren Obergrund aus sehr jungen, marinen Ablagerungen besteht, als Erhebungsinseln angesehen werden können. Dasselbe gilt z. B. auch von den Bahamainseln westlich der Halbinsel von Florida.

Restinseln und Erhebungsinseln sind nur durch die geognostische Beschaffen- heit ihrer Oberfläche zu unterscheiden. Die unbedeckten, granitischen Höhen der Seschellen können nicht eben erst aus dem Meere auftauchen; die mit Meeres- sedimenten überschütteten, mit ganz jungen Muschelbreccien bedeckten Inseln an der Westküste Siciliens dagegen können nicht wohl anders als durch Erhebung gebildet sein. Nur die endgültige Entscheidung über die Frage der Niveau- schwankungen der Küstenlinien, ob dieselben auf Bewegungen des Festlandes oder auf (Schwankungen des Meeresspiegels beruhen, kann (vergl. den Ar- tikel: Säculäre Schwankungen) natürlich auch für diese Art von Inseln eine be- stimmtere Bezeichnung ergeben. Ursprüngliche, neugebildete Inseln, die vorher nicht Land waren, bilden aber jedenfalls eine eigene Gruppe, die den Gegensatz zu den Restinseln continentalen Ursprunges bezeichnet.

Literatur: Guthe-Wagner , Lehrb. d. Geogr. 5. Au6. Hannover 1882. Bd. I, pag. 85. Hahn, F. G. Insebtudien. Leipzig 1883. Kirchhokf, A. Deutsche Revue, Jahrg. 3, pag. 96 und Zeitschr. f. wissensch. Geogr. Bd. 3, pag. 169. Peschel-Leipoldt. Physische Erdkunde, Leipiig 1879. Cap. XIV und XV.

Isomorphismus

von

Prof. Dr. Kenngott.

Den Ausdrücken dimorph und Dimorphismus (s. Artikel Dimorphismus, Bd. I, pag. 227) wurden die Ausdrücke isomorph (gleichgestaltig) und Isomor- phismus entgegengesetzt, um eine andere Beziehung des Zusammenhanges der chemischen Constitution der Minerale und anderer krystallisirter Körper zu der Kristallisation auszudrücken. Wenn nämlich dimorphe Körper oder dimorphe Species solche sind, welche bei gleicher chemischer Constitution verschiedene Krystallisation zeigen, so werden isomorphe solche genannt, welche bei ver- schiedener chemischer Constitution Uebereinstimmung in der Krystallisation zeigen. Beide Erscheinungsweisen, der Dimorphismus und der Isomorphismus wurden wesentlich von E. Mitscherlich wissenschaftlich begründet, nachdem

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

verschiedene Minerale gezeigt hatten, dass der von Hauy aufgestellte Satz >zu jeder besonderen Grundform gehört auch eine besondere chemische Zusammen- setzung« nicht in dieser allgemeinen Fassung beizubehalten sei.

Wenn hier von (ibereinstimmender Krystallisation die Rede ist, so ist, wie in dem Artikel »Arten der Minerale« (Bd. I, pag. 58) angegeben wurde, der Aus- druck Krystallisation in dem Sinne aufzufassen, dass damit alle Krystallgestalten desselben Minerales zusammengefasst werden, welche auf dieselbe Grundgestalt zurückzuführen sind, so dass auch isomorphe Species solche genannt werden können, welche bei verschiedener chemischer Constitution gleiche Grundgestalten zeigen oder gleiches Achsenverhältniss haben.

Da nun die Grundgestalt einer Species bestimmte Kantenwinkel hat, aus welchen das Achsenverhältniss berechnet wird, so ist zunächst in Betreff der Aus- drücke isomorph und Isomorphismus zu bemerken, dass diese streng genommen nur bei tesseralen Species wirklich richtig sind, dass dagegen bei Krystallen anderer Systeme, bei Species, welche nicht tesseral krystallisiren, die Winkei- grössen in der Grundgestalt und das daraus berechnete Achsenverhältniss nicht vollkommen übereinstimmen, wenn sie auch als isomorphe bezeichnet werden. Bei solchen Species könnte man in der That nur von einer Aehnlichkeit der Krystallisation sprechen und es wurde deshalb auch für sie der Ausdruck ho- möomorph oder Homöomorphismus (von dem griechischen ihomoios* ähnlich gebildet) in Anwendung gebracht.

Obgleich diese Benennung für sie die richtige ist, so hat man doch aus gutem Grunde die zuerst gewählte Benennung beibehalten, wohl wissend, dass bei nicht tesseralen Species die Zahlenverhältnisse nicht genau dieselben sind. So gelten z. B. die beiden hexagonal, rhomboedrisch-hemiedrisch krystallisiren- den Species Hämatit, das Eisenoxyd, Fe2Os und Korund, die Thonerde, das Aluminiumoxyd, Ala03 als isomorphe, während nach N. v. Kockscharow bei Hämatit das als Grundgestalt gewählte Rhomboeder die Endkantenwinkel = 86° hat und die Hauptachse = 1,3656 ist, wenn die Nebenachsen = 1 gesetzt werden, bei Korund das als Grundgestalt gewählte Rhomboeder die Endkantenwinkel = 86° 4' hat und die Hauptachse = 1,3629 ist. So nahe die Zahlen einander stehen, so sind sie doch nicht gleich und in diesem Sinne wäre der Ausdruck homöomorph richtiger, immerhin aber zieht man die Benennung isomorph vor, um nicht der allgemeinen Erscheinungsweise die übereinstimmende Bezeichnung zu nehmen, weil die tesseralen Species wirklich isomorphe sind und doch nicht als homöomorph aufgefasst werden können.

Bei anderen isomorphen, nicht tesseralen Species zeigen die Zahlenver- hältnisse noch grössere Differenzen, wie z. B. bei den Carbonaten (s. d. Artikel), wo die mit Calcit isomorphen Species im Endkantenwinkel des als Grundgestalt gewählten Rhomboeders bis zu z\° Differenz und darüber aufweisen. Die Hauptsache bleibt immer die mehr oder minder nahestestehende Ueberein- stimmung in der krystallinischen Gestaltung bei verschiedener chemischer Con- stitution und der Zusammenhang dieser Gestaltung mit letzterer. Bei der grossen Anzahl isomorpher Species oder isomorpher Gruppen von Species erscheint es auch nicht nöthig, hier dieselben einzeln aufzuführen, deren Zahl durch nicht mineralische Krystalle bedeutend erweitert wurde, sowie die historische und sach- liche Entwicklung des Isomorphismus zu verfolgen, wie sie z. B. von C. Rammels- berg in dem allgemeinen Theile seines Handbuches der Mineralchemie,

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Isomorphismus.

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Leipzig 1875 m umfassender Weise besprochen wurde. Es sollen hier nur die wichtigsten Folgerungen aus der als Isomorphismus oder Isomorphie bezeichneten Erscheinungsweise mineralischer und nicht mineralischer Krystallspecies hervorge- hoben werden. Den grossen Einfluss des Isomorphismus auf die Krystallographie und Chemie drückte in dem erwähnten Werke pag. 57 Rammelsberc treffend aus, wenn er sagte: Mitscherlich's Entdeckung vernichtete Hauv's Satz: Die Krystallform ist bedingt durch die chemische Natur der Elementaratome. Sie setzte an seine Stelle den Satz: die Krystallform ist bedingt durch die Zahl und die Stellung der Elementaratome.

Wenn z. B. oben als zwei isomorphe Species der Hämatit und der Korund, das Eisenoxyd, Fe203 und das Aluminiumoxyd, A1203 hervorgehoben wurden, so tritt sofort die übereinstimmende Formel hervor, welche eine Verbindung von 2 Atomen Metall mit 3 Atomen Sauerstoff anzeigt.

Die Krystalle der beiden isomorphen Species muss man sich, wie die Krystalle überhaupt aus gleichgestalteten und gleich grossen Krystallmoleculen (vergl. pag. 161 und 229 in Bd. I) zusammengesetzt denken und es enthält ein jedes Krystallmolecul der beiden Species eine gleiche Anzahl von Moleculen AlaOj einerseits und Fe803 andererseits und durch die in beiderlei Krystallmo- leculen gleiche Anordnung der Metall- und Sauerstoffatome untereinander resultirt die gleiche Gestalt und Grösse der Krystallmolecule des Hämatit und Korund. In der chemischen Natur des Eisens und Aluminiums, welche beiden Metalle durch ihre gleiche Verbindungsweise mit Sauerstoff dieselbe Formel R8Ot er- geben, ist nicht die gleiche Anordnung der Atome begründet, nur dürfte in dem verschiedenen Atomgewicht und in der davon abhängigen verschiedenen An- ziehungskraft der Atome die kleine Differenz in den Winkeln ihre Erklärung finden.

Vergleichen wir mit den beiden isomorphen Species, Korund und Hämatit, den Verbindungen zweier Metalle mit Sauerstoff in gleichem Zahlenverhältniss der Atome andere Verbindungen derselben Sesquioxyde, so wird auch in diesen Iso- morphismus gefunden werden können, wenn die Atome der mit diesen Sesqui- oxyden verbundenen anderweitigen Molecule gleiche Zahlenverhältnisse zeigen, sowie überhaupt in Verbindungen verschiedener Art Molecule von Thonerde und Eisenoxyd einander ersetzen können als Folge des Isomorphismus derselben. Thonerde und Eisenoxyd in gleicher Verbindung mit Wasser bilden die beiden isomorphen Species Diaspor, H20-A1203 und Pyrrhosiderit, H20-Fea03, welche orthorhombisch krystallisiren, auch kleine Differenzen in den Winkeln der Krystallgestalten und den Achsenverhältnissen zeigend. Die Molecule beider werden durch gleichviel Elementaratome gebildet, und sie enthalten auf 2 Atome Metall 2 Atome Wasserstoff und 4 Atome Sauerstoff, die elektropositiven Atome stehen zu den elektronegativen Sauerstoffatomen in dem Verhältniss 4:4.

Thonerde und Eisenoxyd in gleicher Verbindung mit Magnesia bilden die beiden isomorphen tesseralen Species Spinell, MgOAl803 und Magnefer- rit, MgO Fe303. Die Molecule beider werden durch gleichviel Elementaratome gebildet und sie enthalten auf 1 Atom Magnesium und 2 Atome Aluminium oder Eisen 4 Atome Sauerstoff, die Zahl der elektropositiven, der Metall-Atome zu der der elektronegativen Sauerstoffatome zeigt das Verhältniss 3:4.

Zwei complicirtere Verbindungen der Thonerde einerseits und des Eisen- oxyds andererseits mit Kalkerde und Kieselsäure bilden die beiden isomorphen

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152 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

tesseralen Species Grossular und Allochroit oder der Kalkthongranat, Ca3Al2Gy Si306, und der Kalkeisengranat, Ca3Fe20y Si.,06, bei denen sich die Anzahl der Metallatome zu der der Sauerstoflatome wie 8: 12 verhält.

Zwei noch complicirtere isomorphe Verbindungen sind die beiden hexagonal- rhomboedrischen Species Alunit nnd Jarosit, von denen der für die Alaun- fabrikation wichtige Alunit, KsAl2()4 S4Ol 3 -+- 2(3H20 Ala03), als Grundgestalt das Rhomboeder mit dem Endkantenwinkel = 89°io' und der seltene Jarosit, K2Fe2GyS4012 + 2(3H2OFe203), als Grundgestalt das Rhomboeder mit dem Endkanten winkel = 89 °6' hat.

Aus allen diesen Beispielen konnte man folgern, dass der in der Verbindung der beiden Metalle Aluminium und Eisen mit Sauerstoff, R2Os hervortretende Isomorphismus sich auch in anderen Verbindungen der Thonerde oder des Eisen- oxydes zeigen kann, wenn diese in der Zahl der Atome übereinstimmen und dass die übereinstimmende [Gestaltung bei gleicher Zahl der Elementaratome durch die gleiche Stellung oder Anordnung der Elementaratome in den Krystall- moleculen bedingt sei.

Ein ferneres Beispiel des Isomorphismus bieten die rhomboedrisch-krystalli- sirenden Carbonate, ROC02, welche schon früher beschrieben wurden. Bei ihnen zeigte sich, dass wenn das durch R ausgedrückte Atom eines Metalles, wie Calcium, Magnesium, Eisen, Mangan, Zink oder Kobalt vorhanden ist und die Verbindung zu obiger Formel führt oder zu einer der modernen theoretischen Formeln, welche zeigen, dass ein solches Metallatom mit einem Atom Kohlen- stoff und drei Atomen Sauerstoff verbunden ist, derartige Verbindungen Isomor- phismus zeigen können. Dadurch ergeben sich die isomorphen Species Calcit, Magnesit, Siderit, Rhodochrosit, Smithsonit und Kobaltspath und noch andere, in welchen die Molecule CaO, MgO, FeO, MnO, ZnO und CoO einander ver- treten können, ohne die übereinstimmende Gestaltung der Krystallmolecule zu stören.

Dass aber in diesen isomorphen Species der Isomorphismus nicht allein in der Anwesenheit der genannten Molecule allein beruht, sondern wesentlich in der Zahl der Elementaratome und ihrer Stellung in den Krystallmoleculen zeigt der Dimorphismus der Verbindung CaO CO,, der kohlensauren Kalkerde oder des Calciumcarbonates durch die beiden Species Calcit und Aragonit.

Dass dieser Dimorphismus sich bis jetzt nicht in den Verbindungen MgO«C02, FeO-C02, MnO-C02 u. s. w. in gleicherweise gezeigt hat, sondern dass andere Carbonate, wie der Witherit, BaOC08, der Strontianit, SrO-CÜ} und der Cerussit, PbO C02 isomorph mit Aragonit sind, beweist nicht, dass er sich nicht noch zeigen könnte, beweist nicht, dass er nur an das Calcium gebunden sei. Varietäten des Calcit, wie der sogen. Plumbocalcit und Neotyp, welche stellvertretend Bleioxyd oder Baryterde enthalten, weisen darauf hin, dass auch noch andere Carbonate als die bis jetzt mit Calcit isomorph gefundenen isomorph mit ihm gefunden werden können, wie selbst der Barytocalcit CaÜ-CO« H-BaOC02 durch seine klinorhombische Gestaltung auf Trimorphismus der Carbonate ROC02 hindeutet.

So wie nun entsprechend den isomorphen Species Korund und Hämatit weitere Beispiele von Isomorphismus angeführt werden konnten, welche Thon- erde oder Eisenoxyd enthalten, so giebt es auch viele Beispiele von Isomorphis- mus, in denen die bei den Carbonaten auftretenden Metalle vorhanden sind,

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Isomorphismus.

wie selbst die Species Periklas MgO, Manganosit MnO und Bunsenit NiO als tesserale Isomorphismus der einfachsten Verbindungen R O aufweisen, während das Zinkoxyd ZnO durch den hexagonalen Zinkit auch auf die Mög- lichkeit anderer hexagonaler Species RO schliessen lässt.

So sind z. B. im Anschluss an die beiden oben angeführten tesseralen Species Spinell und Magneferrit der Hercynit FeO Al20;, und der Magnetit FeOFe303 anzuführen, in denen die Magnesia des Spinell und des Magneferrit durch FeO ersetzt ist, während das den Isomorphismus bedingende gleiche Zalilenverhältniss der Atome und die anzunehmende gleiche Anordnung der- selben übereinstimmend sind. Ihnen schliesst sich der tesserale Automolit ZnO-AljOj und Franklinit ZnO-Fe2Os an, während der in die sogenannte Spinellgruppe gehörige Chromit, wesentlich FeO-Cr203 das Chromoxyd als Stellvertreter des Eisenoxydes zeigt. Dasselbe hätte schon oben bei dem Korund und Hämatit angeführt werden können, da sogar nichtmineralische Kryslalle des Chromoxydes als isomorph mit Hämatit befunden wurden und es im Anschluss an die oben angeführten Granate, den Kalkthongranat und Kalkeisengranat den Kalkchromgranat oder Uwarowit Ca3Crj06Sis06 bildet.

Vertritt in der Granatgruppe FeO oder MnO die Kalkerde, so resultiren der Almandin oder Eisenthongranat Fe3Al2Ofl.Si306 und der Spessartin oder Manganthongranat Mn3Al306-Si306.

Abgesehen von anderen isomorphen Species in der Reihe der Silicate, welche die Basen CaO, MgO, MnO, FeO und ZnO enthalten, sind die isomorphen orthorhombischen Sulfate BaO SO, der Baryt, SrO- SO, der Cölestin, PbOSOs der Anglesit und ZnO-S03 derZinkosit anzuführen, desgleichen die z. Thl. seltenen und in geringer Menge auftretenden isomorphen klinorhombischen, wasser- haltigen Arseniate, der Erythrin 3(H80-CoO) 4- 5H90- As205, der Annabergit 3(H20-NiO) -t- 5H20-As205, der Köttigit 3(H2O ZnO) 5HaO- As2Os, der Symplesit 3(H2OFeO) -+- 5HuO-As205 und der Hörnesit 3(H20-MgO) -+- 5HaOAsa05, denen sich der Vivianit 3(H2O FeO) 4- 5H20- P,05 an- schliesst, in welchem die Phosphorsäure an Stelle der Arsensäure vorhanden ist

Es sind nämlich nicht allein die Basen als wechselnde mit einer gewissen Säure in Verbindung, isomorphe Species ergebend, sondern es können auch Säuren in gleicher Weise als wechselnde mit derselben Basis verbunden sein, wie z. B. die mit Apatit 3(3CaO- P8Ob) -h CaFa isomorphen hexagonalen Species Pyromorphit 3(3 PbO P804) -h PbCl2, Mimetesit 3(3PbO- As20.,) -r-PbCl3 und Vanadinit 3(3PbO- V805) -t- PbC)2 bemerkenswerthe Mineral- species sind.

Aus allen bisher angeführten Beispielen des Isomorphismus konnte man entnehmen, dass homologe Verbindungen der verschiedensten Art isomorphe Species bilden können, von den einfachsten an bis zu sehr complicirten und dass, wenn man die homologen Verbindungen durch allgemeine Formeln aus- drückt, wie RO-COa oder RO-S03 oder H2OR203 u. s. w. diese Formeln isomorpher Species notwendig gleiche Zahlenverhältnisse der Atome ergeben und die übereinstimmende Anordnung der Atome in den Krystallinoleculen die übereinstimmenden Formenverhältnisse ergiebt. Man konnte von isomorphen Basen oder isomorphen Säuren in den Verbindungen sprechen und selbst ele- mentare Körper konnten isomorph gefunden werden, wie z. B. die tesseralen Species Kupfer, Silber und Gold oder die rhomboedrischen Species Arsen, Anti- mon und Wismuth.

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154 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Eine Erweiterung der Auffassungsweise des Isomorphismus aber trat ein, als man fand, dass Verbindungen verschiedener Formel unbedingt als isomorphe Species sich herausstellten. Hierher gehören in erster Linie die quadratischen mit Anatas TiOa isomorphen Species Scheelit CaO-W03l Reinit FeO- WOs,StolzitPbO-W03, Wulfenit PbO-MoO, und Fergusonit Y203 -Nbj05, ferner die quadratischen mit Rutil Ti02 und Kassiterit SnOa isomorphen Species Tapiolit FeO>Ta,05 und Xenotim Y208-P205 und die mit Brookit Ti02 isomorphen Species Tantalit FeO-Ta205 und Niobit FeO«Nb,05.

Bei diesen konnte gegenüber den beiden Säuren TiOa und SnOa, von denen die Titansäure trimorph ist, den Rutil, Anatas und Brookit bildend, nicht von einer Vertretung im Sinne der früher angeführten Beispiele die Rede sein, sondern es trat hier lediglich das gleiche Verhältniss in der Zahl der Atome von Metall und Sauerstoff hervor. Der Trimorphismus der Titansäure, welche ein Atom Metall und zwei Atome Sauerstoff enthält, erfordert in den aus mehreren Moleculen Ti02 gebildeten Kxystallmoleculen eine verschiedene An- ordnung, während das Verhältniss 1:2 dasselbe bleibt, gleichviel wieviel Mole- cule TiOa in ein Krystallmolecul des Rutil, Anatas oder Brookit aufgenommen werden. Dasselbe Verhältniss 1:2 ist in den isomorphen Species vorhanden, als 2:4 z. B. im Scheelit, als 3:6 z. B. im Tantalit, als 4:8 z. B. im Xenotim und darin liegt zunächst die Möglichkeit des Isomorphismus mit Anatas, Brookit oder Rutil, während die besondere Anordnung der in diesen Verhältnissen vor- handenen elektropositiven Atome und der des Sauerstoff übereinstimmend mit der Anordnung der Atome Titan und Sauerstoff in Anatas, Brookit oder Rutil den Isomorphismus mit je einer der drei Modifikationen der Titansäure bedingt.

An diese Beispiele des Isomorphismus, welche deutlich zeigen, dass nicht die Qualität der Stoffe, sondern die Zahl und Anordnung der Elementaratome in den Krystallmoleculen den Isomorphismus bedingen, reihen sich andere, welche diese Auffassung als die richtige im Weiteren bestätigen.

So ist z. B. der Nitrit oder Kalisalpeter K2O-N20s isomorph mit Aragonit CaO-C02 und der Nitratin oder Natronsalpeter Na20-N205 isomorph mit Calcit CaOCOa. Von irgend welcher Verwandtschaft der Stoffe kann nicht die Rede sein, dagegen ist das Zahlenverhältniss der elektropositiven und elektronegativen Atome dasselbe, in Calcit und Aragonit sind 2 elektro- positive Atome (lCa und IC) mit 3 Atomen Sauerstoff verbunden, im Nitrit und Nitratin sind 4 elektropositive Atome (*2K oder 2 Na und 2N) mit 6 Atomen Sauerstoff verbunden, das Verhältniss also dasselbe 4:6 = 2(2:3) und die be- sondere Anordnung der Elementaratome in den Krystallmoleculen bedingt den Isomorphismus mit Aragonit in dem einen, mit Calcit in dem anderen Falle.

Solche Beispiele zeigen mehrfach die Silicate, wo, wenn auch die Säure dieselbe ist, die Basen andere sind und dabei doch die Elementaratome auf gleiche Zahlen und gleiche Verhältnisse untereinander führen.

Als solche Beispiele können der Albit und Anorthit angeführt werden. Sie sind anorthisch und isomorph. Der Albit ist ein Natronthonerde-Silicat der Formel Na2Al204-Si601 .,; er enthält 26 Atome und auf 10 Atome Metall 16 Atome Sauerstoff. Der Anorthit dagegen ist ein Kalkthonerde -Silicat der Formel CaAl204- Si204, er enthält 13 Atome und auf 5 Atome Metall 8 Atome Sauerstoff". Hiernach sind zwei Molecule Anorthit einem Atome Albit gleich- zustellen und es enthalten dann zwei Molecule Anorthit und ein Molecul Albit

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Isomorphismus.

gleichviel Atome und diese zeigen untereinander das gleiche Verhältniss der Metall- und Sauerstoffatome, wesshalb bei gleicher Anordnung der Atome in den Krystallmoleculen dieselbe Gestaltung den Isomorphismus ergeben kann.

Als zweites Beispiel ist der klinorhombische Diopsid anzuführen, welcher mit dem klinorhombischen Spodumen isomorph ist. Der letztere ist ein Lithion- thonerde-Silicat entsprechend der Formel Li3Ala04 Si408; er enthält in einem Molecul 20 Atome, von denen 8 Metall-Atome sind, 1 2 dagegen Sauerstoff-Atome. Das Verhältniss ist also 8:12. Der Diopsid ist ein Silicat von Kalkerde und Magnesia und hat die Formel CaO-SiOj -+- MgO-SiOs. Er enthält demnach 10 Atome, von denen 4 Metall-Atome sind, 6 Sauerstoff-Atome, das Verhältniss ist also 4:6. Bei beiden Species ist also dieses Verhältniss dasselbe, indem 2 Molecule Diopsid auf dasselbe Verhältniss und auf dieselbe Zahl der Atome führen, wenn man 2 Molecule Diopsid mit einem Molecul Spodumen vergleicht. Die gleiche Anordnung der Atome in den Krystallmoleculen führt zum Iso- morphismus.

Aus allen angeführten Beispielen isomorpher Species, denen noch andere an- gereiht werden könnten und welche sich nicht allein auf Sauerstoffverbindungen beschränken, ergiebt sich der Isomorphismus als bedingt durch gleiche Anzahl und Anordnung der Elementaiatome in den Krystallmoleculen und sie unter- scheiden sich nur insofern, als bei den zuerst angeführten eine homologe Formel möglich ist, innerhalb welcher gewisse Atome als stellvertretend aufzufassen sind, und bei den anderen keine homologe Formel aufgestellt werden kann. In Be- treff dieser Verschiedenheit der isomorphen Species unterschied J. D. Dana den isomeren Isomorphismus von dem heteromeren, je nachdem die isomor- phen Species eine homologe Formel haben oder nicht.

In wieweit mit dem Isomorphismus auch übereinstimmende Spaltbarkeit in Zusammenhang steht, und ob für isomorphe Species auch eine Uebereinstimmung in der Zahl und La^e der Blätterdurchgänge als Bedingung aufgestellt werden könne, darüber lässt sich zur Zeit nicht entscheiden, obgleich es im Allgemeinen wahrscheinlich ist, dass die gleiche Anordnung der Elementaratome in den Krystallmoleculen mit der Spaltbarkeit in Zusammenhang gebracht werden kann, sowie auch die Anordnung der Krystallmolecule in den Krystallen.

Jedenfalls fordert die gegenwärtig allgemein geltende Atomtheorie gegenüber früheren Ansichten über Zusammensetzung und Gestaltung der Krystalle, dass wir uns dieselben aus Atomen zusammengesetzt vorstellen und damit ist un- mittelbar die Vorstellung verbunden, dass die Atome, welche einen Krystall bilden eine bestimmte Anordnung haben müssen, auch wenn wir dieselbe niemals zu sehen Gelegenheit haben oder haben werden. Aus der durch chemische Formeln ausdrückbaren chemischen Constitution zusammengesetzter Körper und aus der Möglichkeit, durch Spalten der Krystalle diese in chemisch gleich constituirte gleich gestaltete Spaltungsstücke zn zertheilen, entstand der Begriff der Krystall- molecule, welche die materiell und formell kleinsten Theile der Krystalle sind, welche dieselbe chemische Constitution haben, wie die aus ihnen zusammen- gesetzten Krystalle. Da aber die durch die Formeln gegebenen chemischen Molecule unbedingt nicht immer im Stande sind, Krystallmolecule zu ergeben, so musste man annehmen, dass die Krystallmolecule aus zwei oder mehr chemi- schen Moleculen bestehen und damit diese bei den Krystallen einer und der- selben Species vollkommen gleichgestaltet sind, musste eine bestimmte und gleiche

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Anordnung der in den Krystallmoleculen vorhandenen Elementaratome an- genommen werden.

Mit dieser Vorstellung über den Aufbau der Krystalle aus Krystallmoleculen und dieser aus Atomen stimmen auch die Krystalle chemisch-einfacher Stoffe, krystallisirt vorkommender Elemente überein, welche aus gleichen Atomen be- stehen, insofern man sich auch hier die Krystalle aus gleichen Krystallmoleculen bestehend denken kann, welche selbst wieder durch die bestimmte Anordnung der gleichen Atome gebildet werden, so dass auch hier bei isomorphen Elementen, wie Kupfer, Silber, Gold oder Wismuth, Antimon, Arsen, der Isomorphismus die Folge der in den Krystallmoleculen enthaltenen Atome ist, welche bei gleicher Anzahl eine gleiche Anordnung haben müssen. Ist die Anordnung und Zahl bei denselhen Elementen eine andere, so rcsultiren dimorphe Beispiele desselben Elementes, wie z. B. bei Kohlenstoff (Diamant und Graphit).

Da jedenfalls die Gestaltung der Krystalle, der unorganischen Individuen, von der Anordnung der Atome abhängig ist und der Isomorphismus unzweifelhaft auf eine gleiche Anordnung hinweist, so muss auch in der Auflassung isomorpher Species eine gewisse Grenze stattfinden. Es erscheint daher nicht zulässig, durch die Ucberschreitung der Grenze Species als isomorphe aufzufassen, welche ent- weder bei einer gewissen Ucbereinstimmung in der Zusammensetzung nur unter gewissen Voraussetzungen aut dieselbe Grundgestalt bezogen werden können, oder bei einer wirklichen Ucbereinstimmung in der Form durch ihre Zusammen- setzung nicht auf eine gleiche Anordnung der Atome führen können.

So lassen sich z. B. Augite und Amphibole auf eine übereinstimmende Formel zurückführen, auf die Formel RO-Si02, ihre Gestalten aber und Spaltungs- flächen sind verschieden. Sie gestatten dabei wohl, ihre Grundprismen o©P mit dem klinodiagonalen Kantenwinkel =87° 6' bei Augit und = 1240 30' hei Amphibol von einander abzuleiten, aber damit ist auch der annehmbare Isomor- morphismus erschöpft

Anderseits zeigen z. B. alle tesseralen Species eine Uebereinstimmung in der Gestalt, ohne dass man sie, selbst nur solche mit gleichen Spaltungsflächen, für isomorphe Species erklären kann. Man hatte auch deshalb von Anfang an die gleiche Gestaltung tesseraler Species nicht auffallend gefunden und erst nach Begründung des Isomorphismus überhaupt auch durch die Analogie in der Zu- sammensetzung sich veranlasst gefunden, gewisse tesserale Species als isomorphe aufzustellen wie z. B. die Species der Spinellgruppe, der Granatgruppe u. a. m.

Dasselbe gilt auch bei anderen Krystallsystemen. So sind z. B. die hexa- gonalen Krystalle der beiden unter sich isomorphen Species, des Pyrargyrit 3AgsS Sb3S3 und des Proustit 3AgaSAsaS3 sehr ähnlich denen des Calcit CaO-COa, dessen ungeachtet aber sind sie nicht isomorph, weil in Calcit das Verhältniss der elektropositiven und elektronegativen Atome 2:3 ist, bei jenen beiden Species 8:6, ebensowenig als die beiden quadratischen Species Braunit Mn3Os und Chalkopyrit Cu3S-Fe2S3, deren Grundgestaltcn fast identisch sind, für isomorph gehalten werden können, weil bei jenem das Verhältniss 2:3, bei diesem 1 : 1 ist.

In gleicher Weise widersprechen auch solche Fälle, in denen HaO als Ver- treter für eine Verbindung RO angenommen wird. So z. B. wurde der ortho- rhombisch krystallisirende Diaspor H^O A1803 für isomorph mit Chrysoberyll BeOAl203 erklärt, der selbst wieder mit Olivin 2MgO-SiOa isomorph ist. Dass die beiden letzteren Species wirklich, wie auch ihre Kantenwinkel

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Isomorphismus. 157

zeigen, als isomorph anzusehen sind, steht im Einklänge mit der gleichen An- zahl der Atome und dem gleichen Verhältnisse 3:4 der Metall- und Sauerstoff- atome. Der vermeintliche Isomorphismus aber des Diaspor mit Chrysoberyll bei ziemlich entfernt stehenden Winkeigrössen an sich stösst auf den Wider- spruch, dass im Diaspor 8 Atome und im Chrysoberyll 7 Atome vorhanden sind, dass im Diaspor die elektropositiven Atome zu den SauerstofTatomen im Verhält- niss 1:1 stehen, im Chrysoberyll im Verhältnisse 3:4. Der Widerspruch, den Isomorphismus betreffend, hat aber keinen Einfluss auf die Ansicht über die chemische Verbindung, dass zwei Wasserstoffatome durch ein Atom Beryllium er- setzt werden können.

Ebenso verhält es sich mit dem vermeintlichen Isomorphismus des Dioptas HgCuOj-SiOj und des Phenakit 2BeO>Si02, bei welchen man auch vom chemischen Standpunkte aus eine Vertretung von 2 Atomen Wasserstoff durch 1 Atom Be, neben der Vertretung von 1 Atom Kupfer durch 1 Atom Beryllium annehmen kann. Die Zahl der Atome aber und das gegenseitige Verhältniss ist nicht übereinstimmend, wie es für den Aufbau isomorpher Krystalle erforderlich erscheint. Durch eine solche Erweiterung der Ansicht über Isomorphismus wird der von Mitscherlich ausgesprochene Satz: »Die Krystallform ist bedingt durch die Zahl und die Stellung der Elementaratome« aufgehoben, wenn die überein- stimmende Zahl nicht mehr erforderlich angesehen wird und dadurch auch die Ubereinstimmende Stellung unmöglich gemacht wird.

Schliesslich ist auch derjenigen Erweiterung des Isomorphismus zu gedenken, durch welche, wie zuerst Laurent annahm, die Uebereinstimmung des Krystall- systems nicht mehr als erforderlich anzusehen sei, sondern nur eine Gleichheit oder Annäherung der Winkel erforderlich sei, weshalb Zehme den Isogonismus an Stelle des Isomorphismus zu stellen geneigt ist, welcher über die Schranken der Krystallsysteme hinausreicht. Auch C. Rammelsberg betrachtet in diesem Sinne die Krystallsysteme als künstliche Fächer, welche die Natur in der Viel- seitigkeit der Erscheinungen überspringt und welche für den Isomorphismus kein Hinderniss bieten.

Wenn aueh diese Ansicht über die Krystallsysteme nicht allgemein sein kanu, weil gerade die Vielseitigkeit der Erscheinungen dazu geführt hat, sie aufzustellen und bei keiner Species Uebergänge aus einem System in ein anderes beobachtet worden sind, so erscheint doch die Erweiterung des Isomorphismus über die Grenzen der Krystallsysteme in gewisser Beziehung begründet. Wir finden ohne Rücksicht auf den Isomorphismus, dass die Gestalten irgend einer Species in ihren Combinationen des für sie angenommenen Systems eine gewisse Aehnlich- keit mit Gestalten eines anderen Systems zeigen und in dieser Beziehung zeigt sich dann auch ein gewisser Isomorphismus, welcher durch die analoge Zusammen- setzung unterstützt wird. Solche Fälle rechtfertigen dann auch die oben erwähnte Benennung Homöomorphismus, insofern eine Aehnlichkeit der Gestaltsverhältnisse eintritt, welche bisweilen bei Krystallen verschiedener Krystallsysteme noch näher liegt als bei isomorphen Species desselben Krystallsystems. Wenn man nun bei letzteren den Ausdruck isomorph als allgemeinen gebraucht, so kann man auch von Isomorphismus bei Krystallen verschiedener Krystallsysteme sprechen, wenn die Gestalten und die Verhältnisse der Elementaratome dies gestatten.

So sind z.B. die klinorjiombischen Krystalle des Orthoklas K2A1804-Si60ia in ihren Winkelverhältnissen nahestehend den anorthischen Krystallen desAlbit Na2Alj04'Si6Oia und die analoge Zusammensetzung rechtfertigt dann auch die

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

Erweiterung des Begriffes Isomorphismus über die Grenzen der Krystallsysteme. Trotz dessen aber wurde der anorthische Mikroklin K8A1S04 Si6014 vom Orthoklas getrennt, diese Substanz als dimorph aufgefasst, während ihre Winkel- verhältnisse weit weniger von denen des Orthoklas abweichen als die des Ortho- klas von denen des Albit.

Aus Allem ersieht man, dass der Grund des Isomorphismus, wie bereits mehr- fach hervorgehoben wurde, wesentlich in der Zahl und Anordnung der Atome liegt und dass die Qualität der Stoffe nicht die Formen bedingt. Daraus ergeben sich auch die wichtigen Folgerungen, welche man aus den isomorphen Species für die chemischen Formeln der Species gezogen hat, dass nämlich die chemische Formel einer Species die wesentlichen Bestandteile ausdrückt, dass aber unter- geordnete Mengen anderer Bestandtheile in Folge des Isomorphismus bei den verschiedenen Vorkommnissen einer Species als stellvertretende, aber unwesent- liche Bestandtheile vorkommen können.

Wenn daher zwei Species wie Korund, Al2Os und Hämatit, Fe^O, isomorph sind, so folgt daraus, dass ein Molecul Thonerde und ein Molecul Eisenoxyd in Krystallmoleculen solcher Species, welche Thonerde oder Eisenoxyd als wesentliche Bestandtheile enthalten, einander ersetzen können, ohne dass dadurch die Krystallisation der Species gestört wird und bei der Berechnung der durch die Analysen gefundenen Bestandtheile wird, wo die Thonerde als wesentlicher Bestandtheil vorhanden ist, das vorhandene Eisenoxyd der Thonerde zugerechnet, um die Formel der Thonerdverbindung zu berechnen und umgekehrt. So ent- hält z. B. der Spinell, welcher wesentlich der Formel MgO*Al9Os entspricht, oft Eisenoxyd und dieses wird, wenn es nicht als eine unwesentliche Beimengung betrachtet werden soll, in der Weise vorhanden sein müssen, dass mehr Magnesia vorhanden ist, als die Formel MgO Al303 erfordert und dass das Mehr an Magnesia mit dem Eisenoxyd zu der isomorphen und stellvertretenden Verbindung MgOFe303 führen muss.

In gleicher Weise kann der Grossular, welcher wesentlich als Kalkthonerde- Silicat durch die Formel Ca, Ala 06 Si3 06 ausgedrückt wird, wechselnde Mengen von Eisenoxyd enthalten, welche eine entsprechende Menge der Thonerde er- setzend bei der Berechnung mit ihr zusammen gerechnet 1 R203 auf 3 CaO aus- machen.

Andererseits können beide Species, der Spinell und Grossular auch neben der Basis RO wechselnde Mengen einer anderen solchen Basis enthalten, wie bei Spinell Eisenoxydul FeO, bei Grossular Magnesia MgO vorkommt, weil aus dem Isomorphimus der Carbonate, Silicate und anderer Verbindungen folgt, dass MgO, CaO und FeO stellvertretende Basen sind.

Was von so einfachen Verbindungen gilt, gilt auch von complicirteren, so dass, wenn z. B. bei den Feldspathen der Isomorphismus von Albit NasAls04- SittO,2 und Anorthit CaAl204 Si.,04 constatirt ist, bei Vorkommnissen von Albit untergeordnete Mengen von Kalkerde in dem Sinne bei der Berechnung zu be- rücksichtigen sind, dass sie als Theil des Kalkthonerde-Silicates CaAl8O4Sis04 enthalten ist und dieses als Stellvertreter neben dem Natronthonerde-Silicat im Albit vorkommt. Ebenso ist z. B. die Anwesenheit von Zinnsäure SnOa in Tan- talit FeO'Ta^Oj und Tapiolit FeOTa20:> nicht zur Berechnung einer Verbindung von Zinnsäure mit Eisenoxydul neben dem Tantalat (welches auch z. Th. durch das gleich formulirte Niobat ersetzt wird) zu verwenden, sondern es wird wegen des Isomorhpismus der Zinnsäure und Titansäure und wegen des Isormophismus

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Jura-System.

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der Titansäure in der Form des Brookit mit Tantalit und in der Form des Rutil mit Tapiolit die vorhandene Zinnsäure als stellvertretend aufzufassen sein.

Durchgehend dient die Kenntniss des Isormophismus dazu, solche unterge- ordneten Bestandteile als isomorphe Vertreter bei der Construction der Formeln für die Species zu verwenden, sowie auch der Isomorphismus auf die richtige Verbindungsweise gewisser Stoffe führte, wie z. B. der Vanadinsäure, Beryllerde, Zirkonsäure und Yttererde.

Jura-System

von

Dr. Friedrich Rolle.

Ueber dem Trias-System und der noch dem letzteren beigezählten rhätischen Gruppe, (dem feinkörnigen Keupersandstein und dem Bone-bed) folgt in Deutschland sowie in der Schweiz, Frankreich und England die vorwaltend kalkige und bei weitem zum grössten Theiie meerische Schichtenfolge des Jura- Systems. Es hat seinen Namen nach seinem mächtigen Auftreten im Jura-Ge- birge in Nordwest von den Schweizer Alpen. Die Engländer unterscheiden in demselben den Lias (the layers) und den Oolith (Rogenstein). In Deutschland nimmt man drei über einander folgende Abtheilungen an, den Lias, den mittleren oder braunen Jura und den oberen oder weissen Jura.

Fast die ganze Schichtenfolge stellt in dem angegebenen Gebiet, und in ähnlicher Weise auch in den Alpen eine in der Facies mannigfach abändernde Reihe von Meeresabsätzen dar. Kalksteine, Mergel, Thone und Sandsteine wechseln vielfach ab. Sie sind fast alle entschieden unter dem Meeresspiegel in verschiedenen Tiefen gebildet, manche in der Nähe der Festlandküsten, andere entfernter aus offenem Meere. Ansehnliche Riffbauten von Korallen kommen wiederholt vor, auch Riff bauten von Seeschwämmen, die aus einer tieferen Meereszone stammen.

Dagegen erscheinen Süsswasserabsätze verhältnissmässig spärlich in diesem Gebiete und bieten nur selten wohlbezeichnete Charaktere. Im Einklang hiermit erscheinen im Jura-System auch nur selten Steinkohlen-Flötze in Sandstein und Schieferthon-Absätzen eingebettet und auch diese Flötze werden nur selten ein paar Fuss mächtig.

Mit den Meeresablagerungen treten auch die Einschlüsse der damaligen Meeresbevölkerung stark in den Vordergrund und bieten hier eine erstaunliche Fülle der Formen und zwar in vielen Schichten von ausgezeichnet guter Erhaltung. Versteckter liegen die gleichzeitigen Pflanzen- und Thierarten des Festlandes und des süssen Wassers. Um ein allgemeineres Bild von ihnen zu gewinnen, muss man schon viele zerstreute Vorkommnisse zusammen fassen und manchen Fund von dürftigem Erhaltungszustand mühsam in Rechnung bringen, wenn er auch den marinen Fossilien weit nachsteht.

Die Meeres-Flora tritt im Jura nur in einzelnen Schichten in bemerkenswerther Weise hervor. Einige Fucoiden, wie Chondrites BoUensis Kurr und Phymatoderma granulatum Brongn. (Sphacrococcites granulaius Bronn) beide früher der Ab- theilung der Florideen zugeschrieben, aber eher erloschenen Fucoiden-Y &rn\\\en an- gehörend, erscheinen häufig in den Schiefern des Lias (Posidonomyen-Schiefer des oberen Lias) und erfüllen namentlich bei Boll ganze Schichten mit ihrem

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i6o

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

vielfach und meist dichotomisch zerschlitzten Laubwerk. Das sogenannte See- gras, Zostera, eine marine Monocotyledone erfüllt Schichten im oberen Jura (Purbeck-Gruppe).

Die Meeres-Fauna des Jura-Systems zeigt im Vergleiche zu der der Trias namentlich aber der meist litoralen Triasablagerungen von Deutschland, England, Nordamerika einen überraschenden Reichthum der Arten, Gattungen und Familien und enthält in besonderen Schichten, die nach den Bedingungen der besonderen Oertlichkeit sich in speeifischer Weise gestalteten die Vertreter verschiedener Meeresregionen und ungleich tiefer Zonen. So verkünden die Hochseefaunen viele an Ammoniten und anderen schwimmenden Cephalopoden reichen Kalksteine und Mergel, unter Anderem auch in den Alpen. Die Acephalen- Facies ist in zahlreichen Schichten des Jura entwickelt und enthält oft individuen- reiche Austern- und Gryphäen-Bänke. Die Spongien-Facies erscheint namentlich im oberen Jura, wo sie z. B. an der Lochen bei Balingen in Württemberg, mächtige Kalkbänke mit mancherlei Schwamm-Gestalten dicht erfüllt. Korallenriffe mit zahlreichen Sternkorallen, Spongien, Crinoideen und Echiniden, Mollusken ver- schiedener Art, sind namentlich im oberen Jura häufig. Nattheim in Württemberg ist hier eine an verkieselten Resten der Korallenfacies sehr reiche Localität. Andere Meeresschichten wie die bituminösen Liasschiefer von England, Württem- berg und Franken zeigen einen unerschöpflichen Reichthum an Fischen und an Skeletten mächtiger Meeres-Saurier. Ueberhaupt tritt Fülle der Formen, Menge der Individuen und trefflicher Erhaltungszustand in zahlreichen Schichten und Localitäten der Jura-Formation zugleich auf und überhäuft den Sammler mit einem Ueberfluss an paläontologischen Schätzen, wie es sich an wenig anderen Fundstätten wiederholt.

Wenig bekannt ist die Foraminifcren-Fauna und fällt nicht sonderlich in die Augen. Einen grossen Reichthum an Formen entwickeln in besonderen Riff bildungen die Spongien oder Seeschwämme, deren nähere Untersuchung aber erst den letzten Jahren angehört. Die Spongien-Kalke oder Scyphien-Kalke sind im oberen Jura in der Mittelregion des weissen Jura von Franken und Schwaben am mächtigsten und stellen wahre Spongien-Riffe dar, die ein paar hundert Fuss Mächtigkeit erlangen. Sie lassen sich von da durch die Schweiz und in abnehmender Mächtigkeit nach Frankreich verfolgen. Häufig sind nament- lich Scyphia reticulata Goldf., Cnemidium rimulosum Goldf., Tragos patella Golüf. u. a.

Eine ausgezeichnete Korallenbank, vorzugsweise aus Stöcken von Asträen bestehend, zeigt sich im oberen Jura (Unterregion der Oxford-Zone) von England und Norddeutschland, hier 1,3 Met. mächtig. Sie enthält namentlich Thamnastraea concinna Goldf., hastraea helianthoides Goldf., Montlivaltia-Arlen u. s. w. Die Korallen-Riffbildung des Jura in Schwaben, besonders zu Nattheim reichlich ent- wickelt, liegt in etwas höherem Niveau als in England (in der obersten Region der Oxford-Zone) und besteht ebenfalls vorwiegend aus Asträen. Sie führt nament- lich Isastraca helianthoides Goldf., mehrere Thamnastraea -Arten, Maeandrina Soemmeringi Goldf. Thccosmilia trichotoma Goldf. Stylina limbata Gold. u. a. In beiden Horizonten sind überhaupt die Hexacorallien weitaus vorwiegend und stellen den Haupt-Bau der Riffe dar, begleitet von einigen Schwämmen, wie Myrmecium.

Die Echinodermen sind im Jura besonders durch Crinoideen und Echiniden vertreten. Die Crinoideen (Abtheilung der Crinoidea articulatd) spielen in

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Jura-System.

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mehreren Schichten von Lias und Jura eine wichtige Rolle mit der Gattung Pcntacrinus. Oft sind ihre abgelösten Stielglieder reichlich abgelagert. Kelche mit einem breit ausgedehnten Busch vielfach verzweigter Arme, mittelst eines schlanken Stieles festsitzend, kommen in schöner Erhaltung in Lias von England (Lyme Regis) und Württemberg (im Posidonomyenschiefer von Boll u. a. O.) vor.

Stiele und kräftig getäfelte Kelche von Apioerinus, Kelche frei umherkriechen- der Comatulinen (Solanocrinus) finden sich hie und da in den Korallenriffen des oberen Jura, mit den Armen versehene Comateln auch im lithographischen Kalk- schiefer von Solenhofen in Bayern. Noch häufiger sind in letzterem Lager die den Comateln ähnlichen, aber in Einzelheiten des Baues weit abweichenden Saccocomen. Die Echiniden treten mit Arten von Cidaris, Hemicidaris, Diadema häufig auf, namentlich in den Riff bildungen. Neben den rein radiären Echiniden stellen sich auch vom mittleren Jura an die symmetrischen Formen ein und ge- winnen mit Nucleolites, Clypeus u. s. w. bald an Häufigkeit und Artenzahl.

Im oberen Jura (Streitberg, Nattheim) verkündigen sich auch zum ersten Male die Holothurien durch kleine ankerförmige Häkchen, wie sie bei den lebenden 6>7Mj//<i-Arten in der äusseren Haut befestigt erscheinen (Synapta Sitboldi Münst).

Fast alle marinen Kalke und viele Mergel des Jura sind reich an Brachiopo- den. Vor allen glänzen durch Artenreichthum die Gattungen Terebratula und Rhynchonclla. Die Spongiten- und die Korallenkalke sind durch das Vorkommen einiger anderen Brachiopoden ausgezeichnet, von denen Tercbratulina sub striata Schloth., Megerlea pectunculus und Tcrcbratclla loruata genannt zu werden verdienen. Die im paläozoischen System so artenreich vertretene Gattung Spirifer erscheint in mehreren Arten noch in den Kalken und Mergeln des Lias und erlischt bald darüber.

Unter den zweimuskeligen Acephalen treten Trigonien und Pholadomyen sehr hervor. Für die jurassische Epoche allein bezeichnend ist das Auftreten eines Diceraten-Horizontes im oberen Jura des französischen und Schweizer Ge- bietes, in welchem Diceras den Hauptbetrag der Gesteinsbildung liefert Er fällt an die Grenze der Oxford- und Kimmeridge-Zone oder in das Niveau des Nattheimer Korallenkalkes. Er ist angefüllt von zahllosen Gehäusen von Diceras arietinum Lam.; Austern mit Gryphäen und Exogyren erscheinen zahl- reich in manchen Schichten abgelagert, so namentlich in überraschender Häufig- keit der Individuen Gryphaea arcuata Lam. in gewissen Kalkbänken des unteren Lias von Deutschland, Frankreich und England.

Von den zahlreichen Gasteropoden des Jura-Systems sind Nerineen und Strombiden als neue Erscheinung zu nennen, sie treten besonders in gewissen Regionen des oberen Jura in den Vordergrund. Canalmundige Seeschnecken (Siphonostomen, Canaliferen) treten überhaupt mit dem Jura zum ersten Male in sicheren Formen auf und nehmen von da an rascli zu. Pteroceras steht von ihnen nach Häufigkeit und Grösse des Gehäuses im Vordergrund. Pt. Oceani Brogn. ist häufig im oberen Jura. (Kimmeridge-Stufe.)

Ammoniten erscheinen von der untersten Lias-Zone an in einer Anzahl von Arten, in Deutschland zuerst mit den Psilonoten (Ammonites planorbis Sow.) und den gekielten und gerippten Arieten (Am. Bucklandi Sow. u. a.). Ihnen gesellen sich auch bald die ersten Belemniten zu und beide Ordnungen erhalten sich von da an in überraschender Fülle der Arten. Von einem Horizont zum anderen treten gewöhnlich neue Arten hinzu und bevölkern einzelne Schichten in grosser Zahl der Individuen. Ammoniten und Belemniten überragen überhaupt an Menge

KjuiKCOTT, Min., GwL u. Pal. Ii. II

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

der Arten und Individuen mehr oder minder alle übrigen Meeresmollusken ihrer Periode. Mit ihnen, aber spärlicher vertreten, erscheinen gewöhnlich einige Nautilus-Arien. Von Dibranchiaten mit breiter Rückenschulpe und Tintenbeutel und zum Theil auch an den Armen mit Krallen bewaffnet erscheinen eine Reihe von Gattungen. Ihre Reste sind aber gewöhnlich nur in besonderen schiefrigen oder plattenförmigen Schichten wohlerhalten (Boll, Solenhofen).

Die Crustaceen, am reichlichsten zu Solenhofen eingeschlossen, bieten be- sonders langschwänzige Krebse (Decapoda macroura) aber auch schon Formen, die sich zu den Krabben hinneigen, wie die Prosopon- Arten (Decapoda anomura).

Wir wenden uns zu den Fischen der jurassischen Meeresfauna. Die Knorpelfische sind noch reichlich vertreten durch zerstreute Zähne und Flossen- stacheln von Haien (Hybodonten), Chimäroiden und Cestracionten (Acrodus und Strophodus). Rochen in fast vollständig erhaltenen Exemplaren kennt man aus den jurassischen Kalkschiefern von Solenhofen und Cirin. Thaumas alifer Müxst. aus ersterem Fundort verknüpft die Rochen mit den Haien, besonders Squaiina.

Eckschuppige Ganoiden sind reichlich im Jura vertreten, namentlich in schiefrigen oder plattenförmigen Gesteinen oft in vollständigen Skeletten erhalten. Sie setzen die in den älteren Formationen eröffneten Reihen der Eckschupper zum Theil deutlich fort, wobei die Verknöcherung der Wirbelsäule im Fort- schreiten ist. Homocerke Ganoiden mit gleichlappiger Schwanzbildung erscheinen zuerst im Lias und Jura. So folgen den heterocerken Platysomen des permischen Systems als nächste Verwandte im Jura-System die homocerken Pycnodonten.

Von gepanzerten Ganoiden erscheint als einziger Fund im ganzen Jura- System ein Stör, Chondrostcus, im unteren Lias von England und deutet an, dass der Zusammenhang zwischen den Panzerganoiden des devonischen Systems und den Stören der Tertiär-Formation und der heutigen Fluss-Fauna nur durch die Bedingungen der geologischen Erhaltung und also nur scheinbar unterbrochen ist, mit vereinzelten Funden aber allmählig und abschlagsweise noch ans Licht treten wird. Dazwischen fällt hier der Uebergang aus der Meeres- in die Fluss- Fauna.

Während sich die heterocerken Eckschupper vom Lias an in homocerke Formen umsetzen, geht von den Rundschuppern (Ganoides eyeliferi) der heute herrschende Stamm der Knochenfische (Teleostci) aus. Mittelformen im Lias und Jura verknüpfen rundschuppige Ganoiden mit rundschuppigen Teleostiern. Dahin gehören namentlich die im Schiefer des mittleren Lias schon häufigen, namentlich aber die Kalkplatten im oberen Jura von Solenhofen zahlreich be- deckenden L(ptolcpi$- Arten, kleine den Häringen ähnliche Seefische mit gleich- lappiger Schw.mzbildung, wohlverknöcherten Wirbeln und kleinen rundlichen Schuppen, die nur noch eine dünne Decke des für die Ganoiden bezeichnenden Schmelzes tragen. Dies sind wahrscheinlich die ältesten echten Knochenfische, an die sich unmittelbar die Häringe oder Clupeiden anschliessen.

Die Reptilienfauna des jurassischen Meeres bestand aus zahlreichen, zum Theil bedeutende Grösse erreichenden Crocodiliern und Enaliosauriern , erstere durch freie, letztere durch flossenförmig verwachsene Zehen bezeichnet, beide mit biconeaven oder amphicölen Wirbeln versehen.

Teleosaurier (Crocodilii amphicoeli) mit langer schmaler Gavial -Schnauze sind durch mehrere Gattungen, wie Mystriosaurus, Tdeosaurus u. s. w. vertreten und stehen abgesehen von der biconeaven Bildung der Wirbelköper den heutigen Crocodilen, namentlich aber den langschnauzigen Gavialen Süd-Asiens,

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Jura-System. 163

schon sehr nahe, waren auch gleich ihnen mit dicken viereckigen Knochen- schildern bepanzert. Vermuthlich waren sie auch zum Betreten des Festlandes geschickt, wo sie wenigstens ihre Eier abgelegt haben mögen.

Weit abweichend von allen heute lebend vertretenen Reptilien-Ordnungen waren die Enaliosaurier oder flossenfüssigen Meeressaurier der Jura-Epoche, die schon in der Trias mit den nahe verwandten Nothosauren eröffneten. Sie zer- fallen in kurzhalsige oder Ichthyosauriden und langhalsige oder Plesiosauriden. Beide sind ausschliessliche Meeresbewohner, die aber wie die Wale des heutigen Meeres Luft athmeten und mit platten Flossenfiissen ausgestattet waren, indem Fusswurzel und Zehen durch ein vielzähliges Tafelwerk von kleinen rundlichen Knochen vertreten erscheinen. Ihre Haut war allem Anscheine nach nackt, wenigstens haben auch die am besten erhaltenen Funde keine Spur von Knochenplatten oder Schuppen geliefert.

Die langhalsigen kurzköpfigen Plesiosauren, unmittelbar an die Nothosauren der Trias anschliessend, eröffnen im Lias, wo sie drei Meter (nach einzelnen Bruchstücken zu schliessen vielleicht selbst das doppelte) an Länge erreichten. Sie erloschen in der oberen Kreide.

Neben den schlanken schwanenhalsigen Plesiosauren lebten in den Meeren des Lias die kurzhalsigcn und langschnauzigen Ichthyosauren , die mehr die ge- drungene Gestalt der Delphine besassen und 6 10 Meter Länge oder noch etwas darüber erreichten. Sie beginnen spärlich in der Trias, liefern stattliche Skelette im unteren Lias von England, sowie im mittleren Lias von Franken und Schwaben und werden dann spärlicher. Im oberen Jura von Solenliofen kennt man noch einen Ichthyosaurus, die letzten sollen in der Kreideformation erlöschen.

Während alle Enaliosaurier der europäischen Formationen durch ein kräftiges Gebiss, dessen kegelförmige in Alveolen eingekeilte Zähne mit denen der Crocodile wetteifern, ausgezeichnet sind, liefert Sauranodon natans Marsh aus dem oberen Jura der Rocky mountains das bis jetzt einzige Beispiel eines zahnlosen Ichthyosauriden. Der wahre Ichthyosaurus ist in Amerika noch nicht nachgewiesen.

Als weiteres Beispiel von der Mannigfaltigkeit der Reptilien -Formen im Meer der Jura-Epoche führen wir noch Pliosaurus aus dem oberen Jura (Kimmeridge-Zone) von England auf. Es ist ein kurzhalsiger Saurier von der Halsbildung des Ichthyosaurus, aber in allen übrigen anatomischen Charakteren mit PUsiosaurus eng verwandt, also ein Plesiosaure, der die Gestalt der Ichthyo- sauren imitirt. Er soll 40 Fuss (13 Meter) Länge erreicht haben.

Schliesslich erwähnen wir noch das erste spärliche Auftreten der Meeres- schildkröten im oberen Jura. Kein näherer Vorfahre von ihnen ist bekannt, aber einige Anomodonten älterer Ablagerungen ergeben eine gewisse Aehnlich- keit in Schädelgestalt und Gebiss, welche wenigstens vermuthen lässt, Schild- kröten und Anomodonten möchten verwandte Ausläufer aus gleicher Wurzel sein.

Seesäugethiere aus den Gewässern der Jura-Formation kennt man noch nicht mit Sicherheit, wiewohl man im oberen Jura von England eine Andeutung eines solchen gefunden zu haben vermeint.

Die Flora und Fauna des Festlandes und des süssen Wassers während der Jura-Epoche kennt man mir aus wenigen Zonen der Schichtenfolgc, die zudem auch nur in geringerer örtlicher Ausdehnung aufzutreten pflegen. Dazu kommen hie und da auch in Meeres-Absätzen eingeschwemmte Individuen von Festland- bewohnern.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Für die Festland-Flora ergiebt sich aus der Vergleichung der getrennten Funde schon zur Genüge, dass im Verlaufe der rhätischen Schichtengruppe (oder der Oberregion des Keupers) während der ganzen Jura-Epoche und selbst noch in der zur unteren Kreideformation gezählten VVealden-Gruppe verhältnissmassig nur geringe Umgestaltungen des Pflanzenreiches vor sich gingen. Wollte man die Land-Flora allein zum Ausgangspunkte nehmen, so müsste man jene drei Schichtenfolgen als ein einziges System zusammenfassen.

In der Land-Flora herrschen durch das ganze Jura-System Cycadeen und Coniferen und bildeten offenbar wie schon in der Trias-Epoche vor- herrschend die Waldungen der Festland-Gebiete, namentlich in niederen Küsten- strecken. In ihrem Schatten wuchsen noch einige baumartige Farnen und ein paar grosse Equiseten.

Nur selten und in sehr örtlicher Ausdehnung haben sich Hölzer von Coni- feren, Cycadeen und Farnen zu Steinkohlenflötzen aufgehäuft. In einem Theile der Ostalpen erscheinen statt der gewöhnlichen Meeres-Schichten des Lias, wie des rothen an Ammoniten reichen Kalkes von Adneth, thonigsandige Absätze, namentlich Schieferthon, Mergel und Sandstein mit zahlreichen Pflanzen-Resten und mit zum Theil mächtigen Flötzen von Steinkohle. Es sind offenbare Süss- wassergebilde, hie und da mit kalkigen Meeres-Schichten wechsellagernd. Diese Kohlenbildung erscheint in der nördlichen Kalkzone der Ostalpen und deutet den Rand des damals in Nord vorliegenden böhmischen Festlandes an. Sie fällt in den unteren Lias, die Wiener Geologen bezeichnen sie als Grestener Schichten. Die Flora steht derjenigen der rhätischen Schichtenzone sehr nahe und begreift Equiseten, Farnen, Cycadeen (Zamites, Pterophyllum u. s. w.) und Coniferen.

Eine ähnliche Kohlenbildung enthält der untere Lias von Fünfkirchen im südwestlichen Ungarn. Es erscheinen hier, zwischen Sandstein, Schieferthon und Kohlenschiefer eingeschaltet, 25 verschiedene Kohlenflötze mit einer gesammten Mächtigkeit von 26 Meter. Es sind die Grestener Schichten der Ostalpen, aber mit viel mächtigerem Kohlen-Absatz. Die begleitende Fossilflora ist wesentlich die gleiche.

In ähnlicher Weise muss zur Zeit des mittleren Jura in Yorkshire und Schottland die marine Ablagerung vorübergehend und örtlich durch eine Erhebung unterbrochen gewesen sein. Das gehobene Gebiet wurde zu flachem Festland und bedeckte sich mit einer Sumpf- Vegetation, deren Holzproduktion bis zur Kohlenflötz-Bildung anwuchs. Jetzt erscheint die Land- und Süsswasserformation zwischen Meercsschichten eingeschlossen. In Yorkshire folgen sich zwei solcher Süsswasserbildungen, jede ein paar Hundert Fuss mächtig und zwischen beiden liegt eine marine Kalkschicht mit Ammonites Humphriesianus Sow. und Belemnitts giganteus, Sow. Die Kohlenflötze erreichen in Yorkshire bis 42 Centim., zu Brora in Sutherlandshire (an der Nord -Ost-Küste von Schottland) bis zu 1,3 Meter Mächtigkeit. Die in dieser kohlenführenden Süsswasserbildung des 'mittleren Jura auftretende Flora enthält Equiseten, zahlreiche Farnen (Neuropteris, Sphenopteris, Taeniopteris, Hymenophyllites) zahlreiche Cycadeen (Zamites, Otozamites, PodozamUes, Pterophyllum), zahlreiche Coniferen (unter anderem Gingko- Arten) und einige Monocotyledonen.

Auch aus Sibirien kennt man aus jurassischen Schichten eine ähnliche Fest- landflora, die noch auf allgemeines tropisches Klima der damaligen Erdoberfläche deutet.

Eine wohlbezeichnete Süsswasser- und Festlandablagerung, hie und da mit

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Jura-System.

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brackischen und mit meerischen Zwischenschichten wechsellagernd, ist auch die Purbeck-Zone in England und in Norddeutschland, in welchem letzteren Gebiete aber brackische Absätze vorwalten. Diese Zone folgt über den Meeres- absätzen der oberen Jura-Schichten als Ablagerung auf einem zu Ende der Jura- Epoche und zu Anfang der Kreide-Epoche mehrfach auf- und abschwankenden flachen und von Flüssen zeitweise ausgesüssten Strand- und Sumpf-Gebiete oder einem sogen. Aestuarium. Gleichzeitig setzten im übrigen Meeresgebiete die Ab- sätze von der oberen Jura-Zone zur unteren marinen Kreidezone fort und ergeben die synchronistischen Aequivalente der in Süd-England und Nord -Deutschland verbreiteten limnischen und brackischen oder fluviomarinen Bildungen.

Besonders interessant sind die in der unteren Region der Purbeck-Formation auf der Halbinsel Purbeck und der Insel Portland in Dorsetshire auftretenden Festland-Schichten mit versteinerten Waldungen. Es sind zwischen Süsswasser- kalken eingeschaltete Zwischenlager von dunkelbrauner oder schwarzer Dammerde mit verkieselten, zum Theil noch mit den Wurzeln festsitzenden, rum Theil um- gebrochenen Baumstämmen, welche ein getreues Bild einer an Ort und Stelle ihres Wachsthums verschütteten Waldvegetation gewähren. Diese Schichten heissen Dirt-Beds, (Erdschichten, Kothschichten, Humusboden). Alle Stämme sind verkieselt, die meisten kommen von Coniferen und diese sind nahe über dem Wurzelstock abgebrochen. Seltener sind Cycadeen-Stämme, sogen. Mantellien oder Cycadoideen). Man unterscheidet bei ihnen zwei Arten Zamites megalo- phyllus Bückl. (Mantelita nidiformis Brocn.), und Zamites microphyllus Buckl.

Die Coniferen- Stämme, theils aufrecht und wurzelnd, theils abgebrochen und niederliegend,, erscheinen bis 0,6 oder 1 Meter (2 oder 3 Fuss) dick. Die weit seltneren Cycadeen-Stämme sind bis 32 Centim. dick, 22—25 Centim. hoch. (Die Steinbrucharbeiter nennen sie nach ihrer breiten rundlichen Gestalt tKrähen- nesterc).

Man kennt auf der Insel Portland drei oder vier solcher dirt beds. Das liegende ist hier der marine Portland-Kalk (Kimmeridge-Zone). Darauf folgt 2,5 Meter mächtig ein SUsswasserkalk mit Süsswasserconchylien und Ostrakoden. Darüber das fiaupt-dirtbed. Es ist 32 bis 48 Centim. dick und besteht aus dunkelbrauner oder schwarzer Humuserde mit erdigem Lignit, Geröllen und ver- kieselten Nadelholzstämmen. Andere dirtbeds führen auch Cycadeen-Strünke. Diese dirtbeds entsprechen einer vorübergehenden mehrmaligen Trockenlegung eines Theiles der fluviomarinen Ablagerungen, die wohl einer Delta-Bildung am Meeresstrande eines ausgedehnten Festlandes angehörten. Die Bedingungen zur Dammerde-Bildung und Bewaldung waren hier gegeben, aber zu einer Morast- bildung mit Torf- und Holz-Ansammlung kam es nicht.

Die Fauna der Land- und Süsswasser-Mollusken der Jura-Epoche kennt man aus den älteren Absätzen nur spärlich. Die Süsswasser- Ablagerungen des mittleren Jura von Schottland (Brora) führen Süsswasser-Acephalen (Cyrena und Cyclas) nnd Süsswasser-Gasteropoden (Paludina). Aehnlich, aber weit reicher an Süsswasserconchylien ist die Fauna der Purbeck-Zone im südlichen England. Sie enthält von Acephalen die Gattungen Cyrena, Cyclas, Unio, von Gasteropoden sind Paludina, Vatvata, Limneus, Physa, Planorbis vertreten. Brackisch ist Melania. Man bemerkt darunter schon luftathmende Süsswasserschnecken. Aber Land- schnecken fehlen noch unter den bisherigen Funden des Jura-Systems.

Land- und Süsswasser bewohnende Insecten finden sich in einigen wenigen Ablagerungen des Jura-Systems, z. B. im unteren Liasmergel der Schambelen

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Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

bei Möllingen im Aargau; Käfer, Heuschrecken, Schaben, Baumwanzen, Libellen u. s. w. kennt man schon in zahlreichen Arten, was alles nach dem bereits in der Steinkohlenformation ziemlich reichlichen Hervortauchen der In- sekten nicht mehr auffallt. Ausgezeichnet durch Häufigkeit und zum Theil durch die vortreffliche Erhaltung der feinen Vernetzung des Adergeflechtes der Flügel :;ind die grossen Libellen des lithographischen Kalkschiefers von Solenhofen in Bayern, in dessen meerischem Absatz sie gelegentlich eingestreut erscheinen.

Von den Süsswasserfischen der Jura-Epoche ist wenig bekannt. Es mögen meist eckschuppige Ganoiden gewesen sein, wie u. a. Lepidotus in den Süsswasser- schichten der Purbeck-Zone vorkommt.

Von Amphibien weiss man hier nichts. Die Labyrinthodonten und die übrigen Batrachier der paläozoischen und der triasischen Zeiten scheinen wie weggeblasen. Ihre Nachkommenschaft mag im jurassischen Zeitalter in anderen Festlandgebieten als jenen, von welchen uns Fossilien erhalten sind, gelebt haben. Sie lassen hier eine grosse Lücke, werden aber wohl im Lauf der Zeit auch noch hie oder da fossil nachgewiesen werden.

Dagegen scheinen die Reptilien in der Jura-Epoche, wie im Meere so auch auf dem Festlande durch Zahl der Arten, Grösse der Individuen und räuberische Ausstattung die unbestrittene Hegemonie behauptet zu haben.

Mächtige Dinosaurier durch Aushöhlung der grossen Gliedmaassenknochen und durch kräftigen Bau des Kreuzbeins (sacrum) und des Beckens das Landleben verkündend, hausten auf dem bewaldeten Festland und vielleicht namentlich auch in den Morästen der Meeresküsten. Manche scheinen gelegentlich aufrechten Gang angenommen zu haben.

Scelidosaurus aus dem unteren Lias von Charmouth (Dorsetshire) ist der älteste eigentliche Dinosaurier, ein pflanzenfressender Landbewohner mit breiten, an den Rändern gezähnelten Zähnen. Mcgalosaurus, ein grosser fleischfressender Dinosaurier, erscheint im mittleren Jura, u. a. zu Stonesfield und seine Reste finden sich noch häufig in den Purbeck- und Wealden- Schichten von Süd-England.

Hüpfende fleischfressende Dinosaurier, deren lange Hinterbeine bei der Sprungbewegung ähnlich wie bei den Känguru's von Australien durch einen kräftig gebauten Schwanz unterstützt wurden, waren die Compsognathen. Ein fast vollständiges Skelett hat sich im Kalkschiefer des oberen Jura von Solenhofen gefunden. Ein reichliches Contingent seltsamer, zum Theil in riesenhafter Grösse auftretender Dinosaurier und zwar wieder sowohl Pflanzenfresser wie Fleischfresser lieferten die fluviomarinen Lager (estuary deposits) des oberen Jura von Colorado und Wyoming, die auch schon der Wealden-Zone zugezählt wurden. Unter ihnen ragt durch riesenhafte Grösse Atlantosaurus immanis Marsh hervor, man schreibt ihm mehr als 26 Meter (80 Fuss) Länge zu. Es war die grösste aller bisher bekannt gewordenen Reptilien- Arten und ein Pflanzenfresser, nach Marsh von plantigradem Fussbau (Familie der Sauropoden). Morosaurus grandis Marsh, aus Wyoming, ebenfalls ein plantigrader Herbivore, ist nach einem fast vollständigen Skelett bekannt. Andere Dinosaurier aus dem oberen Jura der Rocky mountains waren Fleischfresser, unter ihnen Nanosaurus, ein Thier von der Grösse einer Katze und verwandt mit dem Compsognathus aus dem oberen Jura von Solen- hofen.

Fliegende Saurier, Pterosaurier der Gattungen Dimorphodon, Rhamphorhynchus, Pterodactylns, u. s. w. belebten vom Lias an die Atmosphäre und erloschen mit der oberen Kreide. Sie waren Raubthiere und mögen auf Insekten, kleine

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Jura-System. 167

Wirbelthiere, Sauriereier u. dgl. Jagd gemacht haben. Bei diesen Flugsauriern war der zur ganzen Rumptlänge ausgestreckte, äusserste Finger der VorderfUsse der Hauptträger des Flugvermögens und spannte die Flughaut jederseits des Körpers aus. Manches in ihrem Bau zeigt Analogie mit Vögeln, namentlich waren ihre meisten Knochen pneumatisch, d. h. hohl und mit dem Athemorgan durch eigene Canälchen verbunden.

Ausserdem bewohnten das Festland auch Süsswasser-Schildkröten. Man kennt deren aus dem oberen Jura von Solenhofen, Cirin, Solothurn u. a. O. auch andere aus der Purbeck-Zone von England.

Dem oberen Jura von Solenhofen gehört der erste sichere Fund von Vögeln an, die sicherlich von Reptilien vielleicht mit den Dinosauriern und den Pterosauriern aus gemeinsamer Wurzel sich abzweigten. Aus der Trias hat man noch keine sichere Kunde vom Dasein der Vögel, wenn auch hier schon drei- und vierzehige Fussspuren vorliegen, die mit solchen von manchen Vögeln eine auffallende Aehnlichkeit zeigen. Sichere Reste von Vögeln in ein paar fast vollständigen Skeletten hat der lithographische Kalkstein von Solenhofen geliefert. Archaeopteryx lithographica Mev., A. macrurus Owen, ist ein kleiner, ächter Flugvogel von massiger Grösse. Aber merkwürdige Charakterzuge ent- fernen ihn noch weit vom heute herrschenden Typus der Vögel und geben einen deutlichen Fingerzeig von seiner Abkunft aus der Reptilienwelt eines ent- legneren Zeitalters. Die bezahnten Kiefern und der langgestreckte vielgliedrige Eidechsenschwanz des Archaeopteryx weisen deutlich genug auf entfernte Ver- wandtschaft mit den Pterodactylen und auf Abstammung von irgend einer älteren Saurier-Familie zurück, vielleicht von jener Gesellschaft, die im Trias-Sandstein von Conecticut ihre Fusstapfen als entsprechendes Wahrzeichen zurückliess.

Zahlreiche kleine Säugethiere müssen in der Jura-Epoche wie schon im Keuper das Festland bewohnt haben, ihre Reste deuten mehr oder minder bestimmt auf Beutelthiere , Marsupialia. Ihr Gebiss ist meist insectivorer Art, doch kennt man neuerdings auch solche von anderem Gebiss-Typus.

Wir betrachten zuerst die Säugethier-Reste von Stonesfield bei Oxford. Sie finden sich in einem ebenplattigen Kalkschiefer, dem Stonesfield-slate, zusammen mit Cycadeen- und Farnwedeln, Insecten, Pterodactylen und Atega/osaurus-Resten. Er liegt über der VValkererde (Füllers earth) und bildet die untere Region des Bath-Ooliths (great oolithe). In der unteren Region dieses Kalkschiefers kommen die Säugethierreste vor. Man kennt eine Anzahl von Unterkiefern mit Zähnen, andere Skelett-Theile fehlen. Hier fanden sich besonders Amphitherium Prevosti Owen, Amphilestes Broderipi Owen und Phascolotherium Bucklandi Owen.

Diese Unterkiefer mit Zähnen entsprechen mehr oder minder nahe denen von heute in Australien lebenden insectenfressenden Beutelthieren u. a. der Gattung Myrmecobius. Es zeigen sich aber auch manche auffallende Abweichungen. So führt der Unterkiefer von Amphitherium Prevosti jederseits 16 Zähne (was für Ober- und Unterkiefer zusammen auf 64 Zähne schliessen lassen könnte) jedenfalls eine bei einem landbewohnenden Säugethier sonst unerhörte Zahl der Zähne.

Ein ganz anderer Typus taucht mit der Gattung Stereognathus auf. Man kennt ein Unterkiefer-Bruchstück mit drei Molaren, ebenfalls aus dem Stonesfield- slate. Die Krone der Backenzähne ist quadratisch und sechshöckerig, sie deutet auf ein Säugethier von herbivorer oder omnivorer Lebensweise, vielleicht ein Hufthier. Mehr ist zur Zeit noch nicht daraus zu entnehmen.

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168 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Vom Stonesfield-slate an ist im Jura-System wieder eine grosse Lücke der Säugethier-Fauna bis zu der fluviomarinen Purbeck-Zone, die dann aber wiederum eine reichliche Zahl von bezähmen Säugethier- Unterkiefern geliefert hat Die Fundstätte ist eine nur wenige Zoll mächtige Lage. Die Mittelregion der Purbek- Zone eröffnet mit einer Schieferthon-Schichte mit Resten von ZosUra. Darüber folgen abwechselnde Brackwasser- und Meeres-Absätze. Aus dieser mittleren Purbeck-Zone stammen die Säugethier-Funde.

Spalacotherium tricuspidens Owen zeigt einen Unterkiefer mit Zähnen von insectivorem Charakter, ähnlich wie Amphitherium.

Triconodon mordax Owen ebenfalls aus dem Purbeck-Kalk ist schon mehr von zoophager Art, schliesst sich im Uebrigen näher an Phascolotherium an.

Noch weiter weicht Plagiaulax Becklesi Falc. ab. Man kennt den Unter- kiefer mit 6 Backenzähnen (2 Molaren und 4 Prämolaren), davor steht ein mächtig entwickelter (falscher) Eckzahn. Dies Gebiss ist entschieden carnivorer Art und deutet auf ein fleischfressendes Beutelthier, ähnlich dem heute in Australien lebenden Wombct. (Phascolomys).

Reste eines kleinen Beuthelthieres, DryoUstes montanus Marsh, hat auch der obere Jura (estuary deposits) der Rocky mountains in Nord-Amerika geliefert.

Der auf den ersten Anschein seltsame Umstand, dass von den Beutelthieren der Trias und des Jura nur Unterkiefer mit Zähnen gefunden wurden, entspricht offenbar nur gelegentlichen, an sich unerheblichen Erhaltlingsbedingungen. Der Unterkiefer ist ein verhältnissmässig fester Knochen und löst sich von einer im Wasser schwimmenden und verwesenden Thierleiche leicht ab. Er gelangt für sich, während der Cadaver weiter treiben mag, auf den Grund der Gewässer und wird hier von Schlammabsätzen eingeschlossen. So erklärt es sich schon zur Genüge, dass vom Dromatherium des Keupers an bis zur Purbeck-Zone hin- auf — - von verhältnissmässig einer grossen Anzahl von Beutelthier-Arten bis jetzt blos Unterkiefer gefunden wurden und alle übrigen Körpertheile derselben uns verborgen geblieben sind.

Noch ist Häckel's Vermuthung zu erwähnen, ein Theil der aus Keuper und Jura bekannt gewordenen Säugethiergebisse könnten auch von bezahnten Monotremen -Formen herrühren und von diesen erst die Marsupialien sich ab- gezweigt haben.

Kiese

von

Professor Dr. Kenngott

Wie bereits im Artikel >Glanze« pag. 67 bemerkt wurde, sind die Kiese als eine besondere Gruppe metallisch aussehender Minerale neben den Glänzen unterschieden worden, welche entweder Schwefelverbindungen gewisser Metalle darstellen, oder denen analoge Verbindungen des Arsen und Antimon mit diesen Metallen angereiht wurden, insofern sie in gewissen allgemeinen, die Kiese charakterisirenden Eigenschaften übereinstimmen. Die Kiese wurden auch ähn- lich den Glänzen nach einer wichtigen Species, dem Pyrit FeS8 Pyrite oder Pyritoide genannt. Die Kiese zeigen ausser weissen, grauen bis schwarzen Farben gelbe, braune und rothe, sie sind spröde bis wenig milde und haben die Härte gewöhnlich über 3,5 bis 6,0, in seltenen Fällen auch darüber und die

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Kiese.

169

charakteristischen Metalle in der Gruppe der Kiese sind Eisen, Nickel, Kobalt und Kupfer. Bis jetzt sind über 40 Species bekannt, von denen die wichtigsten nachfolgende sind:

1. Der Pyrit (nach dem griechischen Namen *fiyriffs*) oder Schwefelkies (weil er zur Darstellung von Schwefel und Schwefelsäure benützt wird) oder Gelbeisenkies (als ein gelber Eisenkies), das am häufigsten vorkommende Mineral unter den sogen. Kiesen. Er krystallisirt tcsseral und die Krystalle

(Min. 88-90.)

Fig. I.

Fig. 2.

zeigen am ausgezeichnetsten die parallelflächige Hemiedrie des tesseralen

00 On

Systems, wenn an ihnen die bezüglichen Hernieder, die Dyakishexaeder

und Trapezikositetraeder

mOn

2

ausgebildet sind und finden sich sowohl aufge- wachsen als auch eingewachsen. Am häufigsten findet sich für sich allein das Hexaeder

oo02

und das Dyakishexaeder ^ (F'g- 0 (nach dem Vorkommen am Pyrit Pyrito- eder genannt), dessen Hauptkantenwinkel = 1260 52' 12" und dessen Neben- kantenwinkel = 1 13° 34' 41" sind, oder es sind diese beiden Gestalten mit einander combinirt (Fig. 2). Auch finden sich am Hexaeder und in Combinationen überhaupt noch andere Dyakishexaeder, deren über 20 verschiedene beobachtet wurden. Seltener findet sich für sich allein das Oktaeder (z. B. am St. Gotthard) oder das Rh

ombendodekaeder (z. B. bei Freiberg in Sachsen), sowie in Combination

mit anderen Gestalten. Häufig finden sich in Combinationen die Trapezikosi- mOn

tetraeder <j— , deren auch über 20 bekannt sind und unter denen am häufigsten

die Hernieder von 30$ und 402 vorkommen. Auch wurden verschiedene Deltoid- ikositetraeder mOm und Triakisoktaeder mO beobachtet und die Combinationen der zahlreichen einfachen Gestalten (etwa 70) sind bisweilen sehr flächenreich. Ausser einzelnen Krystallen kommen auch Zwillinge vor, so Durchkreuzungs- zwillinge nach O bei Hexaedern, wie bei Fluorit (Fig. auf pag. 432 des ersten Bandes) oder Durchkreuzungszwillinge mit parallelen Achsen, die bei Ausbildung

der Dyakishexaeder

02

durch rechtwinklige Kreuzung der Hauptkanten bei-

der Individuen erkenntlich sind (beispielsweise die im Keupermergel von Vlotho bei preuss. Minden, von Elba, von Traversella in Piemont, von Shohary in New-York).

Die Hexaederflächen sind häufig gestreift (Fig. 3), parallel den Combinations- kanten mit -— , die Flächen von ~ä~ parallel den Combinationskanten mit dem Hexaeder (Fig. 4) oder parallel Höhenlinien der Pentagone.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Die Grösse der Krystalle wechselt sehr, sie finden sich von etwa 20 Centim. Durchmesser an bis zu sehr kleinen, sind aufgewachsen, eingewachsen oder ver- wachsen, bilden durch Gruppirung kugelförmige, nierenförmige, traubige bis

knollige Gestalten mit stengliger bis fasriger radialer Absonderung; bisweilen sind auch einzelne Krystalle, wie Hexaeder für sich oder Combinationen desselben / ^ mit dem Oktaeder einseitig bis zu nadeiförmigen

Krystallen ausgebildet.

Häufig ist der Pyrit krystallinisch-körnig, derb und eingesprengt und bildet auch das Versteinerungsmittel von Organismen, z. B. Ammoniten und Holz. Er ist (Min 91 } Fig 4 unvollkommen spaltbar parallel den Hexaederflächen,

hat muschligen bis unebenen Bruch, ist speisgelb (gfaulichgelb), im Gegensatz zum Markasit mehr gelb als grau, daher auch Gelbeisenkies genannt, zuweilen fast goldgelb, läuft oft roth bis braun, selten bunt an, ist metallisch glänzend, undurchsichtig, hat bräunlichschwarzen Strich, ist spröde, hat H. = 6,0 6,5 und spec. Gew. = 4,9 5,2 und ist thermoelektrisch.

Als Eisenkies nach der Formel FeSa zusammengesetzt enthält er 46,7$ Eisen und 53,3$ Schwefel. Unter den etwaigen Beimengungen ist besonders Gold zu erwähnen, wie z. B. in Pyrit von Aedelfors in Schweden, Beresowsk in Sibirien, Marmato in Neugranada und in mexikanischem. V. d. L. ist er ziemlich leicht zu einem schwarzen magnetischen Korne schmelzbar, wobei er auf der Kohle in der Oxydationsflamme behandelt eine blauliche Flamme durch Verbrennen des Schwefels zeigt und Geruch nach schwefliger Säure entwickelt. Beim Erhitzen im Kolben bildet sich schweflige Säure und Schwefel und die Probe wird magnetisch. In Salpetersäure ist er löslich und Schwefel wird aus- geschieden, in Chlorwasserstoffsäure wird er fast gar nicht angegriffen.

Er erleidet oft eine durch die rothe und braune Anlauffarbe angezeigte Ver- änderung, sich durch Austreten des Schwefels und Aufnahme von Sauerstoff in Hämatit und von Wasser in Pyrrhosiderit oder Limonit umwandelnd, daher Pseudokrystalle dieser nach Pyrit bildend; weniger häufig vitriolescirt er und zerfallt. Durch langsames und vorsichtiges Erhitzen von Krystallen, wie in einem Sandbade wird der ganze Schwefel ausgetrieben und diese in Eisenoxyd umge- wandelt.

Der Pyrit ist ein sehr häufig vorkommendes Mineral und bildet oft reichlich eingewachsene Krystalle in verschiedenen Gesteinsarten, wie in Thonschiefer, Schieferthon, Mergel, Talkschiefer, Dolomit, Marmor, Kalkstein, Gyps, Thon u. a. auch in Kohlenlagern, oft ist er derb und eingesprengt in Diorit, Gabbro, Trachyt, Felsitporphyr, Mergel- und Alaunschiefern u. a., findet sich oft in Drusen- räumen, auf Gängen und Lagern. Als Beispiele, besonders für das Vorkommen von Krystallen sind anzuführen: Rio auf Elba, Brosso und Traversella in Piemont, der St. Gotthard, das Binnenthal in Wallis, das Tavetschthal in Graubünden in der Schweiz, Schemnitz in Ungarn, Horzowitz in Böhmen, Potschappel bei Dresden, Freiberg und Johanngeorgenstadt in Sachsen, Gross- Almerode in Hessen, Rinteln und Vlotho an der Weser in Rheinpreussen, Arendal in Nor- wegen, Fahlun in Schweden, Cornwall und Derbyshire in England, Warstein in Westphalen, Dillenburg in Nassau, Wolfach in Baden, Waldenstein in Kärnthen, Beresowsk am Ural, Rossie, Johnsburg, ehester in New- York.

Er wird bei reichlichem Vorkommen zur Darstellung von Schwefelsäure,

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Kiese.

Schwefel, Eisenvitriol, Eisenoxyd (englisches Roth), als Zuschlag bei Gold- und Silherhltttenprocessen, selten als Schmuckstein benützt (als solcher selbst in den Gräbern der Inca von Mexiko gefunden), wurde früher als sogen. BUchsenstein (Feuerstein) bei Feuerwaffen gebraucht, die Luntenschlösser verdrängend, bis er selbst wieder durch die Flint- oder Feuerstein genannte Quarzvarietät verdrängt wurde.

2. Der Markasit, dessen Name arabischen Ursprunges sein soll, ist in der Zusammensetzung mit dem Pyrit (ibereinstimmend, krystallisirt aber orthorhombisch und seine Krystalle sind gewöhnlich aufgewachsene, oft in der Richtung der Hauptachse verkürzt bis tafelartig, auch verlängert bis fasrig (der sogen. Haar- kies, wie bei Andreasberg am Harz), bisweilen pyramidal. In den Combinaüonen finden sich besonders das Prisma <x>P (io6° 5'), das Längsdoma Poo mit dem Endkantenwinkel = 8o° 20', das Querdoma P££ mit dem Endkantenwinkel = 64° 52', die Basisflächen oP, auch die als Grundgestalt gewählte Pyramide P (Endkanten = 89 0 6' und 1 1 5 0 10', Seitenkanten = 1260 io'), die stumpferen Längsdomen |P»£ mit dem Endkanten winkel = 136 0 54' und gegen die Basis- flachen unter 1580 27' geneigt, ^Poo mit dem Endkantenwinkel = 1180 44' und das Längsdoma |P^ mit dem Endkantenwinkel 147 °. Die Individuen sind meist zwillingsartig, z. Th. mit mehrfacher Wiederholung verwachsen, nach 00P bei tafelartiger Bildung den sogen. Speerkies darstellend) auch nach dem Querdoma Pöö, selbst Zwillinge nach 00 P zu Doppelzwillingen nach PöS ver- wachsen (wie bei Littmitz und Altsattel in Böhmen). Meist sind die Krystalle gruppirt, kammförmig (sogen. Kammkies), zellig (sogen. Zellkies), radial, da- durch die Gruppen übergehend in kuglige, nierenförmige und knollenförmige, auch traubige Gestalten mit radialstengliger bis fasriger Absonderung, (daher Strahlkies genannt) und an der Oberfläche rauh bis glatt (sogen. Leberkies, Hepatopyrit) auch findet sich das Mineral derb bis eingesprengt, selten dicht oder erdig (der sogen. Schreibkies). Die Krystalle sind undeutlich spaltbar parallel dem Prisma 00P, der Bruch ist uneben.

Im Vergleich mit dem Pyrit ist der Markasit graulich speisgelb, mehr ins Graue geneigt (daher auch Graueisenkies genannt), bisweilen auch ins Grüne geneigt, oder ins Gelbe, dann dem Pyrit ähnlich, häufig braun, oder bunt an- gelaufen, metallisch glänzend, undurchsichtig, hat dunkel grünlichgrauen Strich, ist spröde, hat die Härte = 6,0—6,5 ur,d das spec. Gew. = 4,65 4,9.

Wie Pyrit der Formel FeSa entsprechend enthält er bisweilen mehr oder weniger Arsen als Stellvertreter für Schwefel und wird dadurch auch heller bis fast zinnweiss (wie der Lonchidit oder Kausimkies von der Grube Churprinz bei Freiberg und derKyrosit von der Grube Briccius bei Annaberg in Sachsen. Vor dem Löthrohre und gegen Säuren verhält er sich wie der Pyrit, zersetzt sich auch wie dieser in feuchter Luft und im Inneren der Erde, Eisenvitriole bildend, daher Vitriol kies genannt, ja sogar noch öfter als dieser, während die Um- wandlung in Eisenoxydhydrat weniger oft aufzutreten scheint.

Der Markasit ist ziemlich verbreitet und bildet sich noch fortwährend auf nassem Wege durch Reduction schwefelsaurer Eisensalze unter dem Einfluss organischer Substanzen, wie in Torfmooren, im Meerwasser und in Mineralwassern, womit auch sein Vorkommen als Versteinerungsmittel von Organismen zusammen- hängt, sowie die Trennung eines minder festeren und schwereren Vorkommens, welches als Wasserkies oder Weicheisenkies unterschieden wurde, sogar etwas Wasser enthalten soll, wogegen Hausmann den Namen Wasser kies als

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Speciesname anstatt Markasit gebrauchte, um auf die öftere wässrige Bildung hin- zuweisen. Er findet sich häufig in Gängen und Lagein, besonders in jüngeren Formationen, in Höhlungen und Nestern, in Klüften, oft in Braunkohlenlagern, in Torf, Sandstein, Thon u. s. w. ohne dass jedoch in denselben das Vorkommen von Pyrit ausgeschlossen wäre. Der Dimorphismus des Zweifach-Schwefeleisen lässt zwar auf verschiedene Bedingungen der Bildung des Pyrit und Markasit schliessen, die aber nicht durchgehend ein verschiedenes Vorkommen bedingen, da sogar bisweilen, wie z. B. bei Tavistok und Falkstone in England Markasit mit Pyrit verwachsen gefunden wird. Als Fundorte sind beispielsweise Claus- thal, Zellerfeld, Goslar, Blankenburg, der Iberg bei Grund am Harz, Freiberg, Schneeberg und Johanngeorgenstadt in Sachsen, Przibram, Littmitz, Altsattel, Joachimsthal und Teplitz in Böhmen, Lehesten im fränkischen Wald, Grossalmerode in Hessen, Hameln an der Weser, Kochendorf und Laubach in Württemberg, Schem- nitz in Ungarn, Derbyshire und Cornwall in England anzuführen. Die Benützung bei reichlichem Vorkommen zur Darstellung von Schwefelsäure und Eisenvitriol ist dieselbe wie bei dem Pyrit.

3. Der Pyrr hotin (benannt von dem griechischen *pyrrhoUs* röthlich in Bezug auf die Farbe) oder Magnetkies oder Magneteisenkies (benannt wegen seines Magnetismus), dessen Krystalle selten und klein bis sehr klein vorzukommen pflegen, krystallislrt hexagonal und bildet meist tafelartige bis kurzprismatische Combinattonen der Basisflächen mit dem hexagonalen Prisma normaler Stellung 00P, woran auch die Flächen der als Grundgestalt gewählten Pyramide P vor- kommen, die Combinationskanten zwischen oP und <x>P abstumpfend. Für diese Pyramide wurden die Endkanten =126° 56' und die Seitenkanten = 126 0 38' oder wenig davon verschieden gefunden. Dazu kommen auch noch andere Pyramiden, wie ^P, 2P, P2 u. a. Grosse Krystalle scheinen sehr selten zu sein, wie z. B. bei St. Leonhard in Kärnthen bis 2 Centim. erreichende gefunden wurden und Pseudokrystalle von Pyrit nach Pyrrhotin von Freiberg in Sachsen auf noch grössere Dimensionen hinwiesen. Bemerkenswerth ist daher, dass im Gotthardtunnel auf der Südseite ein prismatischer Krystall von 10 Centim. Länge und 6,5 Centim. Dicke erbohrt wurde, welcher ähnlich den eben so grossen Pseudokrystallen des Pyrit nach Pyrrhotin von Freiberg in Sachsen ausser dem Prisma mit der Basisfläche eine spitze Pyramide in der Combination zeigt und dass bei Antonio Pereira in der Provinz Minas Geraes in Brasilien dicke tafel- artige Krystalle, erinnernd an die tafelartigen bis 5 Centim. breiten Pseudo- krystalle des Pyrit nach Pyrrhotin von Freiberg in Sachsen vorkommen, wie ein von den Herren Dr. Ch. Heusser und G. Claraz der mineralogischen Sammlung des eidgen. Polytechnikum in Zürich geschenktes Exemplar zeigt Dasselbe bildet eine Gruppe unregelmässig aufeinander gehäufter tafelartiger Krystalle, von denen der grösste 9 Centim. Breite hat Sie bilden die Combination der Basisflächen mit dem Prisma, dessen Flächen stark horizontal gekerbt sind in Folge der in oscillatorischer Weise eintretenden spitzen hexagonalen Pyramide 2P.

An den Krystallen sind meist die Prismenflächen horizontal gestreift, bei grossen gekerbt, der Bruch ist muschlig, die Spaltungsflächen parallel dem Pris- ma unvollkommen, dagegen oft schalige Absonderung nach den Basisflächen stark hervortretend, an Spaltungsflächen erinnernd, da sie auch bei den körnigen Aggregaten bemerkt werden kann. Ausser krystaJÜsirt findet er sich meist derb bis eingesprengt, grosskörnig bis dicht.

Auf frischen Bruchflächen hat er eine dunkle, röthlichgelbe Farbe, welche

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zwischen kupferroth und speisgelb liegt, ist meist broncegelb bis tombackbraun angelaufen, metallisch glänzend, undurchsichtig, hat grünlichschwarzen Strich, ist spröde, hat H. = 3,5— 4,6 und spec. Gew. = 4,54—4,64, ist mehr oder weniger stark magnetisch, bisweilen selbst polarisch.

Er ist nach der Formel FeS zusammengesetzt, welche 63,6 Eisen und 36,4 Schwefel erfordert, entsprechend den hexagonalen Species Wurtzit ZnS, Greenockit CdS und Millerit NiS als analogen Schwefelverbindungen und den Species Nickelin NiAs und Breithauptit NiSb, welche sämintlich isomorph zu sein scheinen. Nur die reinsten Vorkommnisse jedoch führen zu obiger Formel, während die Mehrzahl der Analysen einen sehr wechselnden Gehalt an Eisen und Schwefel finden Hessen, wahrscheinlich in Folge innig damit verwachsenen Pyrits, wie man dieses auch in den derben Vorkommnissen von Bodenmais in Bayern erkennen kann. Wegen des meist gefundenen und wechselnden Mehr an Schwefel hat man daher verschiedene Formeln aufgestellt, wie Fe6S7, Fe7S8, Fe8S9 u. a. oder dem Pyrrhotin die allgemeine Formel, FenSn+i gegeben. In diesem Sinne sprach sich C. Rammelsberg (dessen Handbuch der Mineral- chemie II, 56) auf Grund eingehender Discussion der Mehrzahl der bis dahin bekannten Analysen aus, im Uebrigen die Frage nach der chemischen Natur noch nicht für erledigt erachtend, weil eine derartige wechselnde Formel nicht den Grundsätzen entspricht, nach welchen die Formel einer Species aufgestellt wird.

Beim Erhitzen im Kolben ist er unveränderlich, im Glasrohre entwickelt er schweflige Säure; v. d. L. schmilzt er in der Reductionsflamme zu einem grau- lichschwarzen magnetischen Korne. In Chlorwasserstoffsäure wird er unter Ent- wickelung von Schwefelwasserstoff zersetzt und scheidet Schwefel aus.

Er findet sich seltener als Pyrit und Markasit, wird bei reichlichem Vor- kommen zur Darstellung von Eisenvitriol benützt. Ausser den bereits genannten Fundorten sind Kongsberg in Norwegen und Andreasberg am Harz, Bottino bei Serravezza in Piemont, wo Krystalle vorkommen, ausserdem noch Kupferberg in Schlesien, Annaberg und Breitenbrunn in Sachsen, Joachimsthal in Böhmen, Dognatzka in Ungarn, Fahlun in Schweden, Slatoust am Ural und Horbach im Schwarzwald beispielsweise zu nennen. Bemerkenswerth ist auch das Vorkommen in Meteoreisen und Meteorsteinen, welches von Haidinger als Troilit unterschieden wurde, insofern bei diesem kein Zweifel über die Formel FeS in Folge der Analysen obwaltete. Bisweilen enthält der Pyrrhotin etwas Nickel neben Eisen, als Stellvertreter desselben, weshalb auch als interessant das Vorkommen von NiS als Mineralspecies anzuführen ist. Dieselbe Millerit (auch Haarkies) genannt, bildet feine nadel- bis haarförmige Krystalle mit messinggelber Farbe, welche hexagonal sind, wie z. B. bei Johanngeorgenstadt in Sachsen, Joachimsthal und Przibram in Böhmen, Riechelsdorf in Hessen, Oberlahr im Westerwald, Saarbrücken in Rheinpreussen u. a. O. Die Fasern sind auch zu radialen Parthien oder verworren verwachsen. In krystallographischer Beziehung ist das selten bei Lillehammer im südlichen Norwegen vorkommende Eisennickelkies genannte Mineral anzuführen, welches licht tombackbraune derbe krystallinisch-körnige Massen, deren Individuen oktaedrisch spaltbar sind, bildet und nach der Formel 2FeS-hNiS zusammengesetzt ist.

Eine andere Verbindungsweise zeigen die seltenen tesseralen Species Poly- dymit, Siegenit und Linneit, welche nach der Formel RS-RaS3 an die tesseralen Sauerstoffverbindungen RO-RaOa erinnern. Von diesen enthält der

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

licht stahlgraue Polydymit von Grünau in der Grafschaft Sayn-Altenkirchen in Westphalen wesentlich Nickel, der röthlich silberweisse Siegenit von Siegen in Westphalen wesentlich Nickel und Kobalt und der gleichfarbige Linneit von Biddarhytta in Schweden und Müsen in Westphalen wesentlich Kobalt. Sie bilden als Krystalle Oktaeder oder dieses mit dem Hexaeder und finden sich auch derb bis eingesprengt.

Den angeführten Species Pyrit, Markasit und Pyrrhotin, welche als Schwefel- verbindungen des Eisens als solche der einfachsten Art vorangestellt wurden, während Nickel und Kobalt, den Millerit NiS ausgenommen, nicht in dieser Ver- bindungsweise bekannt sind, reiht sich der Misspickel an.

4. Der Misspickel, auch Arsenkies genannt, steht in der Krystallisaüon und Zusammensetzung dem Markasit am nächsten. Derselbe ist nämlich als wesentlich Eisen enthaltender Kies nach der Formel FeAs2 -+- FeS2 zu- sammengesetzt, woraus ersichtlich ist, dass das Arsen in ihm mit dem Eisen eine ähnliche Verbindung Fe As, bildet, wie der Schwefel mit dem Eisen und dieser Verbindungsweise entspricht auch die orthorhombische Krystallisation des Minerals. Seine auf- und eingewachsen vorkommenden Krystalle sind lang- bis kurzprismatisch durch das Prisma 00V (m° 12'), zeigen gewöhnlich am Ende das Längsdoma \?^>, dessen Endkantenwinkel = 1460 28' ist und dessen Flächen horizontal parallel der Endkantenlinie gestreift sind, oder das Längs- doma Poo mit dem Endkantenwinkel =79° 22'. Auch werden ausser diesen Domen noch das Längsdoma .^Poo mit dem Endkantenwinkel = 1 1 7 0 52', das Querdoma Pöö mit dem Endkantenwinkel = 59° 12', die Basis- und Längs- flächen gefunden. Bisweilen sind auch gleichmässig das Querdoma Pöö und das Längsdoma Poo in Combination mit einander oder mit andere \ ausgebildet Oft finden sich Zwillinge wie bei dem Markasit nach 00 P oder nach Pöö, und polysynthetische Krystalle durch homologe Verwachsung.

Ausser krystallisirt findet sich der Misspickel krystallinisch-körnig, oder dick- bis dünnstenglig, derb bis eingesprengt. Er ist ziemlich deutlich parallel dem Prisma 00 P spaltbar, sein Bruch ist uneben. Er ist silberweiss bis fast licht stahlgrau, metallisch glänzend, undurchsichtig, meist grau oder gelb, selbst bunt angelaufen, spröde, hat H. = 5,5 6,0 und spec. Gew. = 5,8 6,2. Er enthält nach der obigen Formel 34, 35 g Eisen, 46, 01 Arsen und 19, 64 Schwefel, doch lassen sich aus den Analysen auch Schwankungen in dem gegenseitigen Verhältnisse der beiden Haupttheile FeAs2 und FcS3 entnehmen, welche auf die Winkeigrössen der Krystalle Einfluss zeigen, sowie auch neben Eisen bisweilen Kobalt vor- kommt, wodurch Uebergänge in den seltenen Glaukodot angezeigt sind, welcher mit dem Misspickel isomorph der Formel Co, FeAs2 -+- Co, FeS2 entsprechend zusammengesetzt ist.

Im Kolben erhitzt giebt der Misspickel ein schwarzes Sublimat von Arsen- suboxyd und nach unten zunächst der Probe ein metallisches von Arsen, nach oben rothes und gelbes von Schwefelarsen; beim Erhitzen im Glasrohre giebt er, schweflige Säure entwickelnd ein krystallinisches weisses Sublimat von arseniger Säure. V. d. L. auf Kohle schmilzt er leicht, die Kohle weiss mit arseniger Säure beschlagend zu einer grauen magnetischen Kugel mit rauher Oberfläche, welche mit Borax auf Eisen, zuweilen auf Kobalt reagirr. In Salpeter- säure ist er auflöslich, Schwefel und arsenige Säure ausscheidend. Nach Potvka wird sogar das sehr feine Pulver des Misspickel durch Wasser, kochendes bis kaltes zersetzt.

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Das vorzüglich zur Darstellung von Arsen (daher Arsenkies genannt), arseniger Säure und Auripigment benützte Mineral ist nicht selten und findet sich auf Lagern und Gängen, oder in Gesteinsarten eingewachsen, wie beispielsweise bei Freiberg, Altenberg, Zinnwald und Munzig in Sachsen, bei Joachinisthal und Schlackenwald in Böhmen, Kupferberg, Altenberg und Reichenstein in Schlesien, Göllnitz und Orawicza in Ungarn, Zalathna in Siebenbürgen, Sala und Nora in Schweden, bei Edinburg in Schottland, in Cornwall in England, Schladming in Steiermark, Skutterud in Norwegen u. a. a. O.

5. Der Löllingit (benannt nach dem Vorkommen in der Lölling bei Hütten- berg in Kärnthen) auch Glanzarsenkies gegenüber dem Misspickel als Arsen- kies genannt, ist die dem Markasit analoge Verbindung des Eisens mit Arsen, FeAs2, welche diesem und dem Misspickel entsprechend auch orthorhombisch krystallisirt. Es wurden zwar Krystalle desselben in der Combination des Prisma (1220 26' nach Mohs) mit dem Querdoma Pöö (Endkantenwinkel = 51° 20') auch das Längsdoma Poo (Endkanten winkel = 82 0 21') gefunden, dagegen aber andere Gestalten, welche von jenen sehr verschieden sind. Hieraus geht hervor, dass die Krystallisation von FeAsa nicht sicher gestellt ist und die Messungen der gewöhnlich kleinen eingewachsenen Krystalle mit der Zusammensetzung nicht Hand in Hand gehen, zumal noch ein zweites Arseneisen in orthorhombischer Form Fe2As3, der sogen. Leukopyrit, z. Th. an gleichen Fundorten vor- kommt, welches im Aeusseren dem Löllingit sehr ähnlich ist und bei dem ge- wöhnlichen Vorkommen beider Species, Aggregaten mit kömiger bis stengliger Absonderung, derben Parthien bis eingesprengt auch der Ermittelung der Zu- sammensetzung beider Species Schwierigkeiten bereitet.

Der Löllingit soll ziemlich vollkommen basisch und unvollkommen dem Längsdoma Poo parallel spaltbar sein, was auch nicht dem Markasit und Misspickel entspricht. Der Bruch ist uneben. Beide Species sind silberweiss bis zinnweiss, grau anlaufend, metallisch glänzend, undurchsichtig, spröde und haben die H. = 5,0— 5,5. Auch die Angaben über das spec. Gew. difteriren bedeutend, doch scheint der Löllingit dasselbe = 6,8—7,4 zu haben, wenn auch höhere Angaben, sogar bis weit über 8 vorliegen.

Nach der Formel FeAs2 würde der Löllingit 27,2 J Eisen und 72,8g Arsen ent- halten, doch ist ihm auch meist ein geringer bis selbst erheblicher Schwefelgehalt eigen, der z. Thl. von einer Vertretung des Arsen durch Schwefel, aber auch von Beimengung herrühren kann, jedenfalls das spec. Gew. beeinflusst. Ausserdem finden sich auch geringe bis grössere Mengen von Kobalt oder Nickel an Stelle von Eisen, auch selten etwas Antimon neben dem Arsen. Beide Vorkommnisse geben beim Erhitzen im Kolben Sublimat von Arsen und Arsensuboxyd, im Glas- rohre Sublimat arseniger Säure, sind v. d. L. in der Reductionsflamme unter Entwickelung von Arsengeruch schwierig zu nicht magnetischer Kugel schmelz- bar, wobei durch grösseren Schwefelgehalt der Probe um diese sich eine drusige Rinde von tombackbraunem magnetischen Schwefeleisen FeS bildet. In Salpeter- säure sind sie löslich, arsenige Säure abscheidend. Das Vorkommen ist ähnlich dem des Misspickel und als Fundorte sind beispielsweise für den Löllingit Hütten- berg in Kärnthen, Schladming in Steiermark, Andreasberg am Harz, Breitenbrunn und Geyer (der von hierGeyerit genannt) in Sachsen, Reichenstein in Schlesien Dobschau in Ungarn, Wolfach in Baden, Sätersberg bei Fossum in Schweden Guadalcanal in Andalusien in Spanien (der von hier Glaukopyrit genannt) an- zuführen, für den Leukopyrit Schladming in Steiermark, Reichenstein in- Schlesien,

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176 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Andreasberg am Harz, Geyer in Sachsen, Przibram in Böhmen und die Grube von Carriso in Chile. Bei reichlichem Vorkommen wird auch das Arseneisen zur Gewinnung von Arsen und arseniger Säure benützt.

Als Mittelglied zwischen Löllingit und Safflorit ist der orthorhombische Spa- thiopyrit von Bieber bei Hanau in Hessen und von Schneeberg in Sachsen zu nennen, welcher nach der Formel Fe, Co As 8 zusammengesetzt ist.

Bei dem Dimorphismus des Zweifach-Schwefeleisen, der sich im Pyrit und Markasit zeigt, erscheint es eigentümlich, dass bei der Vertretung des Schwefel durch Arsen hier die orthorhombische Krystallisation in den Vordergrund tritt, wie im Misspickel FeAsa 4- FeSs und im Löllingit FeAss, bis jetzt keine tesse- rale Species dieser Eisenverbindungen gefunden wurde, auch Antimon analog dem Arsen keine hierhergehörige Species bildet. In dieser Richtung zeigt das Kobalt und Nickel eine grössere Mannigfaltigkeit, während beide keine dem Pyrit oder Markasit entsprechende Schwefelverbindung bis jetzt ergaben. Von den Verbindungen dieser Metalle sind nachfolgende Species anzuführen.

6. Der Smaltit (benannt wegen seiner Verwendung zur Darstellung der sogen. Smalte) oder Speiskobalt (benannt wegen der bei der Smaltebereitung entstehenden sogen. Speise, Kobaltspeise) ist die dem tesseralen FeS2 ent- sprechende tesserale Verbindung CoAsa, deren gewöhnlich aufgewachsene Krystalle sehr selten die dem Pyrit entsprechende parallelflächige Hemiedrie finden Hessen, indem die Krystalle besonders nur das Hexaeder und Combina- tionen desselben mit dem Oktaeder und Rhombendodekaeder zeigen, selten auch untergeordnet das sogen. Leucitoeder 202. Ausser krystallisirt findet er sich staudenförmige, traubige oder nierenförmige Gestalten bildend, gestrickt durch unterbrochene Krystallisation und Verwachsung, oft derb bis einge- sprengt, krystallinisch-körnig bis fast dicht, zeigt nur Spuren von Spaltungsflächen parallel dem Hexaeder oder Oktaeder und hat unebenen Bruch. Er ist zinn- weiss bis stahlgrau, meist grau, auch bunt angelaufen oder roth beschlagend, metallisch glänzend, undurchsichtig, spröde, hat H. = 5,5 und spec. Gew. =r 6,4 bis 6,8.

Nach der Formel CoAs2 zusammengesetzt, würde er 28,1 Kobalt und 71,9 Arsen enthalten, es ergaben jedoch die verschiedenen Analysen auch mehr oder weniger Eisen oder Nickel als Stellvertreter des Kobalt, auch etwas Schwefel neben Arsen, sowie auch bisweilen einen geringeren oder grösseren Gehalt an Arsen, Differenzen, welche wohl nicht die wesentliche Formel aufheben, sondern meist auf Beimengungen ähnlicher Arsenverbindungen oder wirkliche Vertretung durch Eisen und Nickel, auf Beimengung von Pyrit, Arsen u. a. oder auf Ver- änderungen in Folge beginnender Zersetzung hinweisen. Im Kolben erhitzt zeigt er ein Sublimat von Arsen, im Glasrohre von arseniger Säure; v. d. L. auf Kohle behandelt schmilzt er ziemlich leicht, Arsengeruch entwickelnd zu einer hell oder dunkelgrauen magnetischen Kugel, welche mit Borax behandelt die Reaction auf Kobalt, oft auch auf Nickel zeigt In Salpetersäure ist er löslich, arsenige Säure ausscheidend und die Lösung ist roth durch das Kobalt gefärbt

Er findet sich meist auf Gängen, weniger auf Lagern und wird besonders zur Bereitung der Smalte, auch in der Email- und Glasmalerei, zur Färbung von Glasuren und zur Gewinnung der arsenigen Säure benützt. Als Fundorte sind Schneeberg, Marienberg, Annaberg und Johanngeorgenstadt in Sachsen, Joachims- thal in Böhmen, Riechelsdorf und Bieber in Hessen, Schladming in Steiermark,

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Wittichen in Baden, Allemont im Dauphine" in Frankreich, Dobschau in Ungarn und Cornwall in England beispielsweise anzuführen.

Bemerkenswerth ist in Folge von Zersetzung des Smaltit die Bildung des sogen. Erythrin (auch Kobaltblüthe genannt), welcher sich auf Smaltit oder in der Nachbarschaft durch erdige bis feinfaserige pfirsichblüth farbige Beschläge (Kobaltbeschlag) und Effiorescenzen anzeigend auch bisweilen nadeiförmige klinorhombische Krystalle bildet und als eine interessante Verbindung der Arsen- säure bekannt ist, zusammengesetzt nach der Formel 3(H20'CoO) -+- 5HaO- AsaOs. Der Erythrin ist der Repräsentant einer kleinen Gruppe isomorpher Species, wozu auch der aus dem später anzuführenden Chloanthit in gleicher Weise entstehende grüne Annabergit (die Nickelblüthe), der Formel 3(HaO"NiO)H- 5HjO,As805 entsprechend, der blaue bis blaulichgrüne Sym- plesit als eine analoge Eisenoxydulverbindung und der Köttigit anzuführen, welcher weiss oder durch etwas Kobaltgehalt röthlichweiss bis roth gefärbt ist und eine analoge Verbindung des Zinkoxyd mit Arsensäure darstellt.

7. der Chloanthit (benannt von dem griechischen *chloanthcst aufkeimend, grün ausschlagend, wegen des aut ihm entstehenden grünen Beschlages durch den Annabergit) ist als Nickelverbindung die in jeder Beziehung dem Smaltit analoge Species von der Zusammensetzung NiAs2, welche tesseral und mit den- selben Gestalten krystallisirt, von Groth ebenfalls als parallelflächig-hemiedrisch beobachtet wurde, indem ausser dem Hexaeder, Oktaeder, Rhombendodekaeder

00 02

und dem Leucitoeder auch ^ gefunden wurde. Ausser krystallisirt findet er

sich derb, feinkörnig bis dicht, bisweilen stenglig abgesondert, zeigt auch nur Spuren von Spaltungsflächen und unebenen bis ebenen Bruch. Er ist zinnweiss, metallisch glänzend, undurchsichtig, läuft grau bis schwarz an und beschlägt oft grün. Er hat graulichschwarzen Strich, H. = 5,5 und spec. Gew. = 6,4 6,8. Er enthält nach obiger Formel 28,1$ Nickel und 71,9 Arsen, gewöhnlich aber noch etwas stellvertretendes Eisen oder Kobalt. Im Kolben erhitzt giebt er Sublimat von Arsen, kupferroth werdend, im Glasrohre solches von arseniger Säure; v. d. L. schmilzt er leicht, entwickelt starken Arsenrauch, bleibt lange glühend, umgiebt sich mit Kryställchen von arseniger Säure und hinterlässt ein sprödes graues Metallkorn. In Salpetersäure wird er zersetzt und die Lösung wird grün durch das Nickel oder etwas gelblich bei Eisengehalt. Das zur Darstellung von Nickel, Arsen und arseniger Säure benützte Mineral scheint seltener als der Smaltit vorzukommen, beide bilden auch Uebergänge in einander und als Fund- orte sind beispielsweise Schneeberg in Sachsen, Riechelsdorf in Hessen, Gross- kammsdorf in der Provinz Sachsen, Joachimsthal in Böhmen, Dobschau in Ungarn, Allemont im Dauphine* in Frankreich und Chatam in Connecticut zu nennen.

Beiden Species, dem Smaltit und Chloanthit, welche dem Pyrit analog sind, stehen noch zwei dem Markasit entsprechende zur Seite, indem noch, aber selten CoAs8 als Saflorit und NiAs, als Rammelsbergit mit orthorhom- bischer Krystallisation vorkommen, welche ein etwas höheres spec. Gew. = 6,9 bis 7,2 haben und gewöhnlich stenglig bis faserig gebildet auch kugelige oder nierenförmige' Gestalten zeigen.

Wie schon oben hervorgehoben wurde, dass neben der Verbindung Fe As, -hFeSa, dem Misspickel, als der orthorhombischen dem Markasit ent- sprechenden Species keine tesserale dieser Formel bekannt sei, ist nun bei dem

Kwkcott, Min., Geol. u. Pal. II. 12

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Mineralogie, Geologie und F'alaeontologie.

Kobalt und Nickel hervorzuheben, dass bei diesen Metallen tesserale Ver- bindungen vorkommen, nämlich CoAs3 + CoSj als Kobaltin, NiAs, -+- NiS, als Gersdoffit und selbst auch NiSba -f- NiSa als Ullmannit.

8. Der Kobaltin (auch Glanzkobalt wegen des Kobaltgehaltes und seines meist starken Glanzes genannt) in gleicher Weise wie der Smaltit benützt, aber viel seltener vorkommend, krystallisirt tesseral und parallelflächig hemiedrisch.

Die meist eingewachsenen Krystalle zeigen gewöhnlich Combinationen des Oktaeder und des bei Pyrit so

<»02

häufig vorkommenden Dyakishexaeder ^ » wonn bald die eine, bald die andere Form vorherrscht oder auch die an das geometrische Ikositetraeder erinnernde Mittelform (Fig. 5) vorkommt Dazu treten auch die Hexaederflächen oder es findet sich dieses vorherr- schend ausgebildet mit schiefer Abstumpfung der 00 02

(Min. 92.) *ig- 5- Kanten durch ^ Ausser krystallisirt findet er sich

derb, krystallinisch körnig, seltener stenglig, auch eingesprengt. Er ist ziem- lich vollkommen hexaedrisch spaltbar und hat unebenen bis unvollkommen muschligen Bruch.

Er ist röthlich-silberweiss, läuft grau an, glänzt meist stark metallisch, be- sonders die Krystalle, ist undurchsichtig, spröde, hat graulichschwarzen Strich, H. = 5,5 und spec. Gew. = 6,0—6,1. Nach der Formel CoAsa -+- CoSa zu- sammengesetzt, enthält er 35,4$ Kobalt, 45,3$ Arsen und 19,3 SchwefeJ, wobei auch etwas Eisen stellvertretend für Kobalt gefunden wurde. Beim Erhitzen im Kolben verändert er sich nicht, bei starkem Glühen im Glasrohre entwickelt er schweflige und arsenige Säure, v. d. L. auf Kohle schmilzt er, starken Arsenrauch entwickelnd, zu einer grauen, schwach magnetischen Kugel, welche nach dem Abrösten mit Borax geschmolzen ein sapphirblaues Glas giebt. In Salpetersäure ist er unter Abscheidung von Schwefel und arseniger Säure löslich; die Lösung ist roth und wird nicht durch Zusatz von Wasser getrübt. Er findet sich auf Lagern in krystallinischen Schiefern bei Tunaberg und Vena in Schweden, Skuttcrud in Norwegen, Auerbach in Schlesien, Siegen in Westphalen, Markirchen im Elsass und bei Daschkessan unweit Elisabethpol am Kaukasus, hier 1 2 Fuss mächtige Lager bildend.

9. Der Gersdoffit (Nickclarsenkies), die analoge Nickelverbindung, NiAs24-NiS, mit 35,4g Nickel, 45,3]} Arsen und 19,3g Schwefel, nebenbei auch Eisen und Kobalt als Stellvertreter von Nickel enthaltend, krystallisirt auch tesseral und parallelflächig hemiedrisch, gewöhnlich das Oktaeder mit dem

Hexaeder, auch mit bildend, meist derb, krystallinisch körnig bis fast dicht

Ist deutlich hexaedrisch spaltbar, hat unebenen Bruch, ist silberweiss bis stahlgrau, läuft grau bis schwarz und bunt an, ist metallisch glänzend, undurchsichtig, hat graulichschwarzen Strich, ist spröde und hat H. = 5,5 und spec. Gew. = 6,0—6,7. Im Kolben erhitzt zerknistert er, giebt stark erhitzt ein Sublimat von Schwefel- arsen und hinterlässt einen rothen Rückstand, welcher sich wie Nickelin verhält. Im Glasrohre giebt er schweflige und arsenige Säure, schmilzt v. d. L. auf Kohle, Arsenrauch entwickelnd zu einer schwarzen magnetischen Kugel, welche auf Nickel, auch auf Eisen und Kobalt reagirt. In Salpetersaure wird er zerseUt Schwefel und arsenige Säure abscheidend und die Lösung ist grün gefärbt. Als

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Kiese.

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Fundorte des zur Gewinnung von Nickel benutzten Minerales sind Loos in Heisingland in Schweden, Harzgerode und Tanne am Harz, Schladming in Steiermark, Kammsdorf in Thüringen, Lobenstein im Voigtlande und Müsen in Westphalen zu nennen.

10. Der Ullmannit (Nickelantimonkies), NiSb2-f-NiS2 mit 27,8$ Nickel, 57,0 Antimon und 15,2 Schwefel, krystallisirt tesseral, gewöhnlich Combinationen des Oktaeder, Hexaeder und Rhombendodekaeder bildend, ist jedoch merkwürdigerweise nicht parallelflächig hemiedrisch, wie man nach der Analogie mit Kobaltin und Gersdoffit erwarten sollte, sondern tetraedrisch-hemiedrisch, wie V. von Zepha- rovich an Krystallen aus der Lölling in Kärnthen fand, welche Durchkreuzungs- zwillinge mit parallelen Achsen bilden. Er findet sich ausser krystallisirt krystal- linisch-kömig bis fast dicht, derb und eingesprengt. Er ist vollkommen hexae- drisch spaltbar und hat unebenen Bruch. Blei- bis stahlgrau, schwarz oder bunt anlaufend, metallisch glänzend, undurchsichtig, ist spröde, hat H. = 5,0 5,5 und spec. Gew. = 6,2 6,5. Beim Erhitzen im Glasrohre entwickelt er schweflige Säure und giebt ein Sublimat von Antimonoxyd, schmilzt v. d. L. auf Kohle, stark dampfend und oft Arsengeruch entwickelnd, zu graulichschwarzer Kugel. In concentrirter Salpetersäure wird er zersetzt und dabei Schwefel und Antimon- oxyd, bei Anwesenheit von stellvertretendem Arsen auch arsenige Säure abge- schieden; in Königswasser wird er unter Ausscheidung von Schwefel vollständig aufgelöst und die Lösung ist grün. Als Fundorte sind beispielsweise Harzgerode am Harz, Lobenstein im Voigtlande, Lölling, Waldenstein nnd Rinkenberg in Kärnthen, Gosenbach, Eisern und Freusberg im Westerwald und die Grafschaft Sayn-Altenkirchen in Rheinpreussen zu nennen.

Gegenüber der tetraedrisch-hemiedrischen Krystallisation des Ullmannit und der parallelflächigen Hemiedrie des Gersdoffit ist die Vertretung des Antimons in jenem durch wechselnde Mengen von Arsen und die Vertretung des Arsen in letzterem durch Antimon hervorzuheben, die bei diesem sogar zur Aufstellung einer eigenen Species, des Korynit von Olsa in Kärnthen führte. Die krystal- lographische Differenz bezüglich der Hemiedriegesetze ist deshalb um so interes- santer, weil sie nicht in dem Gehalt an Antimon, beziehungsweise Arsen zu liegen scheint, zumal auch die Verbindung NiAs8 -4- NiS2 im Einklänge mit den ange- führten Species der allgemeinen Formel RQ2 orthorhombisch wie Misspickel krys- tallisirend und etwas Antimon neben Arsen wie der Korynit enthaltend gefunden wurde, den Wolfachit von Wolfach in Baden bildend.

Als Nickelkiese sind noch anzuführen:

11. Der Nickelin (Arsennickel nach der Zusammensetzung NiAs, auch Rothnickelkies nach der Farbe genannt) und der Breithauptit (Antimon- nickel nach der Zusammensetzung NiSb), zwischen welchen als Mittelspecies noch der Arit unterschieden wurde, welcher der Formel NiAs, Sb entspricht. Das häufigste Vorkommen von diesen drei Species weist der Nickelin auf, welcher selten deutlich krystallisirt ist z. B. wie bei Sangerhausen in Thüringen, hexagonal, Combinationen des Prisma 00 P mit der Pyramide P (deren Endkantenwinkel r= 1390 48', der Seitenkantenwinkel = 86° 50' ist) oder mit der Basis oP, oder mit beiden bildend, die Krystalie oft gehäuft und verwachsen, schliesslich da- durch kuglige, nierenförmige , traubige, staudenförmige u. a. Gestalten dar- stellend; meist findet er sich nur derb bis eingesprengt. Von Spaltbarkeit nur Spuren, der Bruch ist muschelig bis uneben. Auf frischem Bruch ist der Nickelin licht kupferroth, weshalb er auch Kupfernickel genannt wurde, gewöhnlich ist

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

er grau bis schwarz angelaufen, der Strich ist bräunlich-schwarz; H. =5,0— 5,5 und spec. Gew. = 7,4 7,7. Nach der Formel Ni As zusammengesetzt, enthalt er 43,8$ Nickel und 56,2 Arsen, oft etwas Antimon als Stellvertreter des Arsen. Im Kolben erhitzt giebt er kein Sublimat von Arsen, v. d. L. auf Kohle schmilzt er, Arsendämpfe entwickelnd zu einer weissen, spröden Metallkugel, welche mit Borax oder Phosphorsalz auf Nickel reagirt. In concentrirter Salpetersäure ist er unter Abscheidung von arseniger Säure löslich, leichter in Königswasser, die Lösung ist grün. Als Fundorte sind Sangerhausen und Saalfeld in Thüringen, Freiberg, Schneeberg, Annaberg und Marienberg in Sachsen, Joachimsthal in Böhmen, Riechelsdorf und Bieber in Hessen und Andreasberg am Harz zu nennen, an welchem Fundorte sich auch der Breithauptit, NiSb mit 32,8$ Nickel und 67,2 $ Antimon findet. Derselbe ist auch licht kupferroth und bildet meist kleine dünne tafelartige hexagonale Krystalle, die Combination oP o©P, woran auch die hexagonale Pyramide P (Seitenkantenwinkel = 86°56', also sehr wenig verschieden von der des Nickelin) und die stumpfere ^P auftritt. Ausserdem findet er sich dendritisch, derb bis eingesprengt. Die Mittelspecies Arit, gleich- falls licht kupferTOth, fand sich derb in der Grube Wenzel bei Wollach in Baden und am Berge Ar unweit Eaux bonnes, Basses Pyre*ne"es in Frankreich.

Allen angeführten Kiesen, welche in verschiedener Beziehung Gruppen ver- wandter Species darstellen, sowohl in Betreff ihrer Zusammensetzung, als auch ihrer analogen Gestaltsverhältnisse ist noch eine Arsenverbindung des Kobalt bei- zufügen.

12. Der Sk utterud it (benannt nach dem Fundorte Skutterud in Norwegenl auch Tesseralkies genannt nach der Krystallisation, welcher die seltene Ver- bindungsweise CoAs3 mit 20,7 # Kobalt und 79,3 Arsen darstellt, eine Ver- bindungsweise, wie sie weder bei Eisen- noch Nickelkiesen vorkommt. Dieser Kies bildet auch tesserale Krystalle mit parallelflächiger Hemiedrie, ähnlich dem Kobaltin, an denen gewöhnlich das Oktaeder vorherrscht, andere Gestalten untergeordnet auftreten, wie das Hexaeder, Rhombendodekaeder, Hernieder von 00 02 und 30 J u. a. Ausserdem findet er sich auch derb bis eingesprengt auf einem Erzlager in Glimmerschiefer am oben genannten Fundorte. Er ist deut- lich hexaedrisch spaltbar, hat muschligen bis unebenen Bruch, ist zinnweiss bis weisslich bleigrau, metallisch glänzend, undurchsichtig, spröde, hat H. = 6,0 und das spec. Gew. = 6,74 6,86, giebt im Kolben erhitzt Sublimat von Arsen, im Glasrohre starkes Sublimat von arseniger Säure und schmilzt v. d. L. zu einem grauen Korne.

Eine besondere Gruppe bilden die Kupfer enthaltenden Kiese, unter denen nachfolgende hervorzuheben sind:

13. Der Chalkopyrit, ausschliesslich auch Kupferkies genannt, weil er das häufigste Kupfer enthaltende Mineral ist, aus welchem das meiste Kupfer dargestellt wird, während der Name Chalkopyrit der durch griechische Worte gegebene Name Kupferkies ist. Das weit verbreitete und oft sehr reichlich vor- kommende Mineral findet sich gewöhnlich derb oder eingesprengt, doch ist es nicht selten krystallisirt und die meist aufgewachsenen Krystalle sind quadratische, in ihrer einfachen Gestalt jedoch sehr ähnlich tesseralen Krystallen, indem die einfachste Gestalt, eine quadratische Pyramide mit dem Endkantenwinkel = 109 0 53' und dem Seitenkantenwinkel = 108 "40' sehr nahe dem Oktaeder des tesse- ralen Systems steht, dessen Kantenwinkel = 1090 28' 16" sind. Diese quadratische Pyramide, als Grundgestalt gewählt und mit P bezeichnet, erscheint in Folge sphe-

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Kiese.

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noidischer Hemiedrie, welche der tetraedrischen Hemiedrie des tesseralen Systems

entspricht, gewöhnlich mit vier ausgedehnten abwechselnden Flächen als Combi-

P P' nation des Sphenoides mit dem Gegensphenoid y entsprechend der Combina-

O Or

tion der beiden Tetraeder ^ und y (vergl. F»g- pag.82, Bd .1) und die beiden P P'

Sphenoide ^ und sind meist in den Combinationen die vorherrschenden Ge- stalten. Der Endkantenwinkel der Sphenoide ist == 7 1 0 20'. Untergeordnet finden

P

sich die Basisflächen oP als gerade Abstumpfung der Endkanten von ^> das

diagonale quadratische Prisma 00 Po© als gerade Abstumpfung der Seitenkanten, die diagonalen quadratischen Pyramiden Poo und 2P<x>, das normale quadratische Prisma 00 P und mehrere Disphenoide. Die Krystalle sind fast immer zwillings- artig verwachsen, besonders nach P, oder nach Poo und die Zwillingsverwachs- ung wiederholt sich oft mehrfach, wodurch die Bestimmung der Combinationen erschwert wird.

Ausser krystallisirt findet sich der Chalkopyrit undeutlich krystallinisch-körnig bis dicht, derb und eingesprengt, bildet auch bisweilen stalaktitische traubige, nierenförmige oder knollige Gestalten. Er ist ziemlich deutlich spaltbar parallel den Flächen der spitzeren diagonalen quadratischen Pyramide 2 Poo, deren Endkantenwinkel = 1010 49' und deren Seitenkantenwinkel = 1260 11' sind. Der Bruch ist unvollkommen muschlig bis uneben.

Der Chalkopyrit ist messinggelb, läuft goldgelb, blau, roth, grün oder schwarz an, ist metallisch glänzend, undurchsichtig, hat schwarzen Strich, ist wenig spröde und hat die Härte = 3,5—4,0 und spec. Gew. = 4,1—4,3. Nach der Formel Cu,S-Fe,S3 zusammengesetzt enthält er 34,5 % Kupfer, 30,6 Eisen und 34,9 Schwefel, welche Mengenverhältnisse sich auch durch die weniger wahrscheinliche Formel CuS-t-FeS ausdrücken lassen. V. d. L. zerknistert er, wird dunkler nnd ent- wickelt schweflige Säure, auf Kohle schmilzt er ziemlich leicht unter Aufkochen und Funkensprühen zu einer schwarzen magnetischen Kugel und reagirt mit Flüssen aut Kupfer und Eisen. In Königswasser ist er, Schwefel abscheidend, löslich, schwieriger in Salpetersäure. Durch Zersetzung giebt er besonders zur Bildung von Malachit und Azurit Veranlassung. Er findet sich sehr häufig auf Gängen und Lagern .und wird bei reichlichem Vorkommen besonders zur Kupferge- winnung, bisweilen auch zur Darstellung von Kupfervitriol benützt.

14. Der Bornit (benannt zu Ehren des österreichischen Metallurgen J. von Born, welcher ihn zuerst als eigene Species unterschied), auch Buntkupferkies wegen der häufig bei ihm vorkommenden bunten Anlauffarben genannt, ist auch eine Verbindung des Halbschwefelkupfer und Anderthalbschwefeleisen, aber weit kupferreicher, da er nach der Formel 3 Cu2S-Fe2S3 zusammengesetzt 55,5$ Kupfer, 16,4 Eisen und 28,1 Schwefel enthält. Er krystallisirt tesseral, doch sind die Krystalle selten deutlich ausgebildet, das Hexaeder, oder dieses mit dem Oktaeder combinirt zeigend, oder auch die Combination des Hexaeder oder des Rhombendodekaeder mit dem Deltoidikositetraeder 202. Oft finden sich Zwillinge nach O. Die Krystalle, sehr selten eingewachsen, (wie bei Berggies- hübel in Sachsen) sind gewöhnlich in Drusenräumen aufgewachsen und gruppirt und haben meist rauhe und unebene Flächen. Gewöhnlich findet er sich dicht, derb bis eingesprengt, bisweilen bildet er Knollen, Platten, Ueberzüge bis Anflüge.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Er ist unvollkommen spaltbar parallel O oder parallel »O«»; der Bruch ist muschlig bis uneben.

Er hat eine bräunlichrothe, zwischen kupferroth und tombackbraun liegende Farbe, die man fast nur auf frischen Bruchflächen sieht, weil er rasch bunt an- läuft, besonders roth, blau oder lila: ist metallisch glänzend, undurchsichtig, wenig spröde bis fast milde, hat schwarzen Strich, H. = 3,0 und spec. Gew. = 4,9—5,1. Im Glasrohre erhitzt entwickelt er schweflige Säure, wird v. d. L. auf Kohle dunkel bis schwarz, (nach dem Erkalten roth,) schmilzt zu einer stahlgrauen, schwach magnetischen Kugel, welche spröde und im Inneren graulich- roth ist, mit Borax oder Soda behandelt Kupferkörner ausscheidet In concen- trirter Salzsäure ist er löslich, Schwefel ausscheidend.

Er wird bei reichlichem Vorkommen zur Darstellung von Kupfer benützt, findet sich aber weniger häufig und massenhaft als der Chalkopyrit, auf Gängen und auf Lagern in krystallinischen Schiefern, Thonschiefer, Grauwacke, Kalkstein, Gneiss u. a. Als Fundorte sind beispielsweise Redruth in Cornwall in England, Freiberg, Annaberg, Marienberg und Berggieshübel in Sachsen, Mansfeld, Eis- leben und Sangerhausen in der Provinz Sachsen, Kupferberg in Schlesien, Ora- wicza in Ungarn, die MUrtschenalp am Wallensee in der Schweiz, Monte Catini in Toscana, Wilkesbarre in Pennsylvanien, Chesterfield in Massachusetts zu nennen, auch findet er sich in Chile, Bolivia, Mexiko, Canada, Norwegen, Schweden u. s. w.

An diese wichtigen Kupferkiese schliessen sich noch einige Kupfer ent- haltende Minerale an, welche bei ihrem selteneren Vorkommen in Bezug auf ihre Zusammensetzung noch nicht ganz sicher festgestellt sind, wie der Horn ich - lin, Barnhardtit und Cuban, welche wesentlich Kupfer, Eisen und Schwefel enthalten, der Carrolit eine Verbindung von Kupfer, Kobalt und Schwefel und der Stannin oder Zinnkies, welcher eine eigenthümliche Verbindung von SnS2 mit Cu2S \md FeS, z. Th. auch mit ZnS darstellt. Zum Schlüsse sind noch drei bemerkenswerthe Verbindungen des Kupfers mit Arsen zu erwähnen, welche gegenüber allen angeführten Arsenverbindungen auffallend sind, diese sind der zinn- bis silberweisse Domeykit Cu3As, der stahlgraue bis silberweisse Algodonit Cu6As und der röthlich-silberweisse Whitneyit Cu9As.

Kohlenbildung in den verschiedenen geologischen* Epochen

von

Dr. Friedrich Rolle.

Die verschiedenen Arten von mineralischer Kohle, die mehr oder minder massenhaft als eigene Lager vorkommen oder in anderen Lagern untergeordnet oder auch als gelegentliche Einmengung auftreten, bilden vom Torf an, der unter unseren Augen fortwächst, bis zum Anthracit wenn nicht bis zum Graphit eine vielgestaltige Reihe, die in chemischer Hinsicht eine stufenweise Umgestaltung von Kohle-Hydrat (Holzfaser u. s. w.) in Kohle (Anthracit und Graphit) darstellt. Abgeschieden wurden dabei namentlich Kohlensäuregas (C02) und Kohlenwasserstoffgas (CH4), sowie auch Wasser.

Torf entsteht noch fortwährend in seichten Seeen, in Sümpfen und an feuchten Waldstellen aus vermodernden Pflanzenstoffen, namentlich Holzfaser Cellulose, C6Hl0O5) und mancherlei anderen organischen Substanzen. Er ist

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Kohlenbildung in den verschiedenen geologischen Epochen.

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nach dieser Art der Entstehung durch Uebergangsglieder mit Dammerde (Humus- boden) verbunden. Andererseits geht er im Verlauf langer Zeiträume in eine ausgesprochene Braunkohle über. Hiervon ist die diluviale Braunkohle oder sogen. Schieferkohle der Schweiz (Utznach und Dürnten) ein Beispiel. Sie ist nach Osw. Hef.r's Untersuchungen ein Torf von interglacialem Alter, aber durch den Druck aufgelagerter Gerölle-Massen dichter und schiefrig geworden.

Der Torf ist je nach den örtlichen Bildungsbedingungen, besonders der Wasserzufuhr, je nach der Art der Sumpfpflanzen, die ihn hervorbringen und auch nach dem gelegentlichen Einfluss des Windbruchs einer angrenzenden Wald- vegetation (besonders Föhren) sehr verschieden zusammengesetzt. Noch weiter wächst die Verschiedenheit der Torfarten mit zunehmender Vermoderung und Zerkleinerung der eingeschlossenen Pflanzenreste. Frischer neugebildeter Torf ist gewöhnlich locker und enthält noch mehr oder minder deutlich erhaltene Pflanzenreste, bald Schilf, bald Moos, bald Holzstücke. Eine ausgezeichnete Sorte ist der Moostorf, der aus dicht verfilzten Stengeln und Blättern von Moosen (Sphagnum und Hypnum) besteht. Alter Torf aus den tieferen Lagen der Torf- moore ist stärker zersetzt und stellt einen schwarzen Schlamm dar, welcher ge- trocknet eine ziemlich grosse Festigkeit erlangt und dann auf Bruchflächen mehr oder minder das äussere Ansehen einer gleichartigen Masse zeigt. Dahin gehört der sogen. Pechtorf, der in getrocknetem Zustande äusserlich den Pechkohlen der älteren Formationen einigermaassen nahekommt. Diese schwarzbraune oder schwarze scheinbar gleichartige Torfart wird im Strich wachsartig glänzend.

Der Torf ist bereits schon reicher an Kohlenstoff, als die reine Cellulose und als der in der Natur vorkommende Holzkörper der Vegetabilien. Torf bei ioo° getrocknet und aschenfrei berechnet enthält im Durchschnitt 58—60$ Kohlen- stoff — die reine Cellulose 52,65$ die verschiedenen Holzarten enthalten im Durchschnitt 49,47 Während die Cellulose ein Kohlehydrat ist, dessen Wasser- stoff und Sauerstoff im Verhältniss der Wasserbildung (H80=i:8) stehen, kommen im Torf auch wasserstoffreichere Bestandtheile vor. Im Durchschnitt enthält der Torf 58 60$ Kohlenstoff, 6 Wasserstoff, 34 Sauerstoff, 1 1,5 Stick- stoff. Solche mittlere Zusammensetzung besitzt z. B. der Torf von Linum (im Norden des Havellandes) und der aus Friesland. Der Aschengehalt schwankt beim Torf in weiten Grenzen, er beträgt im Durchschnitt 6 12$.

Die Ermittelung der näheren Bestandtheile des Torfs lässt noch zu wUnschen übrig. Mulder fand, dass der Torf in Friesland harzige Bestandtheile enthält, die sich durch kochenden Alkohol ausziehen lassen. Der von diesen befreite Torf enthält dann noch verschiedene Humus-Substanzen, die theils indifferent, theils sauer und z. Th. braun, z. Th. schwarz sind. Von diesen sind die schwarzen Humuskörper noch Kohlehydrate im Wasserbildungsverhältniss (= 1 : 8), die braunen dagegen enthalten etwas mehr Wasserstoff, als ihr Sauerstoff zur Bildung von Wasser bedarf.

Braunkohle oder Lignit erscheint als Lager in allen Stufen des tertiären und secundären Systems und zwar in verschiedenen Varietäten, die z. Th. ver- schiedenen Stufen der chemischen Umwandlung oder Metamorphose entsprechen, die sich auch in Braunkohlen-Gruben häufig noch durch fortdauernde Aus- scheidung von kohlensaurem Gas kundgiebt. Die Farbe ist braun in allen Abstufungen bis zum Schwarzen. Durch den Druck aufgelagerter Schichten hat sich oft eine schiefrige Absonderung eingestellt, sowie denn auch eingeschlossene Holzstücke gewöhnlich platt gedrückt erscheinen. Häufig in tertiären Ab-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

lagerungen sind Schichten von erdiger Braunkohle oder Erdkohle, es sind lockere zerreibliche Massen. Daran schliesst sich die gemeine Braunkohle, die schon dichtere festere Massen bildet. In beiden Sorten erscheinen gewöhnlich ganze Baumstämme und kleinere Stammstücke, Aeste u. s. w. eingemengt. Dies ist dann das sogen, bituminöse Holz oder die holzartige Braunkohle. Sie ist in manchen Lagern reichlich eingestreut.

Daran schliessen sich übergangsweise die stärker umgewandelten und gleich- artiger gewordenen Kohlen der secundären Formationen an. Sie sind im Allge- meinen dicht, hart, schwarzbraun oder pechschwarz, im Bruch muschelig und fettglänzend oder wachsglänzend. In der Regel sind sie frei von noch deutlich verbliebenen Holztheilen. Diese secundären Lignite zählt der Bergmann den Steinkohlen noch zu. Man nennt sie gewöhnlich Pechkohle, auch Glanzkohle, Gagat u. s. w. Richtiger ist schon die Bezeichnung Pechbraunkohle. Man muss sie von den ähnlichen pechartigen Steinkohlen unterscheiden. Solche Lignite in steinkohlenartiger Bildung zeigen sich auch stellenweise bereits in der mittleren Tertiärstufe z. B. zu Eibiswald und Wies in Steiermark.

Die Braunkohle enthält (bei ioo° getrocknet und aschenfrei berechnet) im Durchschnitt 50— 80 Kohlenstoff, 3—5—7 Wasserstoff, 25—36 Sauerstoff und 0—2 Stickstoff. Die Braunkohle ist darnach in der Regel reicher an Kohlenstoff als der Torf. Der Wasserstoffgehalt ist bald eben so hoch, bald niedriger, bald auch höher, endlich der Sauerstoffgehalt meist viel niedriger, selten ebenso hoch als beim Torf. Merkwürdig ist ein dunkler Lignit schwarzbraunes bitu- minöses Holz mit erkennbarer Holzstructur vom Westerwald, insofern er in procentischer Zusammensetzung aufs Nächste mit dem Durchschnittsgehalt der verschiedenen Torfarten übereinkommt. Diese holzige Form des Lignits enthält Kohlenstoff 58,20$, Wasserstoff 5,9, Sauerstoff, nebst etwas Stickstoff 35,1 (Asche 1,7).

Ueber die näheren Bestandteile der Braunkohlen weiss man nur wenig, sie enthalten bituminöse Substanzen (Kohlenwasserstoffverbindungen), die sich ge- wöhnlich beim Erwärmen lebhaft dem Gerüche zu erkennen geben und bilden mit Kalilauge behandelt Humussäure u. dergl.

Steinkohle oder Schwarzkohle findet sich in mehr oder minder mächtigen Lagern oder Flötzen in der Steinkohlenformation (oder dem carbonischen System) und noch in dem darüber abgelagerten Rothliegenden (untere Abtheilung des permischen Systems), erscheint aber durch allmähliche Uebergänge mit den ganz ähnlichen Mineralkohlen der secundären Formationen verknüpft.

Steinkohle ist im Allgemeinen schwarz oder schwarzbraun, hart und ge- wöhnlich brüchig, seltener zähe, in der Regel mehr oder minder geschichtet, seltener geschiefert, meist ohne Einschluss deutlich erkennbarer Pfianzenreste. Man unterscheidet noch eine Anzahl von Varietäten theils nach der Art der Structur, theils nach der mit der chemischen Zusammensetzung zusammen- hängenden Brennbarkeit und dem Verhalten im Feuer. Manche schwellen beim Erhitzen an, schmelzen ein wenig und hinterlassen unter Entbindung brennbarer Gase einen kohlenstoffreicheren schlackenartigen Rückstand oder Coak. Dies sind die sogen. Backkohlen. Eine ausgezeichnete Varietät ist die Pechkohle. Sie ist dicht, mehr oder minder stark wachsglänzend und von muscheligem Bruch nicht zu verwechseln mit den jüngeren pechartigen Ligniten oder Pech- braunkohlen. Ihr schliesst sich die äusserlich ähnliche, aber etwas weniger glänzende und zähere Cannel-Kohle (candle coal, Kerzenkohle) an. Sie ist so

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Kohlenbildung in den verschiedenen geologischen Epochen.

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reich an Kohlenwasserstoff, dass sie nach dem Anzünden wie eine Kerze fort- brennt

Der Kohlenwasserstoffgel alt der Steinkohlenarten ist überhaupt verschieden und bei vielen Lagern, besonders in England und Belgien, in fortdauernder Ab- nahme. Dies giebt sich dann durch die Ausscheidung von brennbarem Kohlen- wasserstoffgas — Grubengas oder Sumpfgas, Methan, CH4 kund. Es ist nicht nur brennbar, sondern giebt auch mit einer mehrfachen Raummenge at- mosphärischer Luft gemischt1) ein höchst explosives Gemenge, die »schlagenden Wetter« der Kohlengruben, welche in denselben oft furchtbare Verheerungen an- richten.

Die Steinkohle ist in der Regel reicher an Kohlenstoff als die Braunkohle und dabei ärmer an Sauerstoff, wobei der Wasserstoff beiläufig derselbe verbleibt. Der Kohlenstoffgehalt schwankt zwischen 80 und 88$, höhere Beträge leiten zum Anthracit über. Steinkohle überhaupt enthält im Mittel vieler Analysen Kohlen- stoff 84 #, Wasserstoff 5, Sauerstoff 10, Stickstoff 1.

Die chemische Natur der näheren Bestandtheile der Steinkohlen ist nur wenig bekannt. Die Hauptmasse der Steinkohlen giebt an Lösungsmittel wenig oder gar nichts ab. Ein Gehalt an Humussäuren fehlt. Aus einigen Arten ziehen Aether und wasserfreier Alkohol eine geringe Menge von Bitumen, d. h. von schwarzer pechartiger Harz-Substanz aus. Sie findet sich darin nach Lam- padius bis zu 3 und 5$ des Gewichts. Dieser Bitumen-Gehalt wasserstoffreicher Steinkohlen ist die Ursache der Eigenschaft dieser Kohlensorte bei starker Er- hiuung einen zusammengeschmolzenen blasigen Kohlenrückstand oder Coak zu liefern. Die bituminösen Steinkohlen sind die einzigen Backkohlen. Steinkohle, der man durch Alkohol oder Aether ihr Bitumen entzogen hat, giebt keinen Coak mehr wie denn auch der Anthracit beim Verbrennen nicht schmilzt.

Anthracit (oder auch Glanzkohle genannt), weicht äusserlich von gewissen Steinkohlen nur gering ab, ist aber etwas schwerer, noch reicher an Kohlenstoff und schwieriger in Brand zu setzen. Dabei ist der Anthracit schwarz und im Allgemeinen von stärkerem Glanz als Steinkohle, spröde und brüchig. Er ist offenbar ein Rückstand von der fortdauernden Umwandlung von Steinkohle, namentlich ist sein Gehalt an Kohlenwasserstoffverbindungen fast ganz abgedunstet.

In manchen Ländern ist die Steinkohle ihrer ganzen Verbreitung nach in Anthracit verwandelt, in anderen nur nach einem Theile derselben, so nament- lich in Pennsylvanien. (Die Flötze sind hier im Osten Anthracit, im Westen aber bituminöse Steinkohle.) Ausserdem findet sich Anthracit in den devonischen und in den silurischen Ablagerungen.

Der Anthracit reiht sich also durch Mittelstufen ebenso der Steinkohle an, wie diese der Braunkohle und letztere dem Torfe und keine dieser Stufen kann als Mineral als gleichartige oder krystallinische Masse gelten. Es sind nur ver- schiedene Stufen andauernder Umwandlung pflanzlicher Substanz, die mit Cellu- lose u. dergl. beginnt und mit Anthracit abschliesst oder hier wenigstens für unsere Wahrnehmung verschwindet.

An die Steinkohle und den Anthracit schliesst sich weiterhin der Graphit an, der im krystallinischen Schiefergebirg mehr oder minder ansehnliche Lager bildet. Aber dazwischen fällt eine bestimmte Kluft. Der Graphit ist ein Mineral, zeigt krystallinische Structur und besteht nur aus Kohlenstoff mit gelegentlichen

') Methangas wird mit dem doppelten Volum Sauerstoffgas zu explosivem Gemenge. Mit 7—8 Volum atmosphärischer Luft werden nach Davy die schlagenden Wetter am heftigsten.

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l86 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

mineralischen Beimengungen. Er ist unter gewöhnlichen Umständen, namentlich in den häuslichen Feuerstätten, nicht verbrennbar. Gleichwohl kann der Graphit auch noch der Reihe der vegetabilischen Mineralkohlen angehören und wird jedenfalls von der Mehrzahl der Geologen zusammen mit dem Anthracit als letztes Ergebniss der chemischen Umwandlung angehäufter vegetabilischer Materien betrachtet.

Vergleichen wir die Reihenfolge der Kohlenhydrate und der aus ihnen her- vorgegangenen Kohlen Substanzen von der Pflanzenfaser und dem Torfe bis zum Anthracit und Graphit nochmals in Bezug auf chemische Zusammensetzung und chemische Vorgänge, so können wir dieselbe noch durch folgende Einzelheiten näher erläutern.

Die Cellulose oder reine Holzfaser (mit 52,6$ Kohlenstoff) bildet gemengt mit anderen Kohlehydraten und verschiedenen anderen z. Th. an Wasserstoff reicheren Pflanzenstoffen den Ausgangspunkt der Torfbildung auf dem Wege der Verwesung und Vermoderung. Verwesung ist langsame Oxydation bei reichlichem Luftzutritt, mässiger Gegenwart von Wasser und mittlerer Temperatur. Die Cellulose nebst den ihr folgenden anderweiten Pflanzen- stoffen wird unter allmählicher wachsender Bräunung zu Humus-Substanz, die noch mehr oder minder einem Kohlehydrat nahe steht, aber etwas kohlenstofif- reicher ist. Ausgeschieden wird Kohlensäure und Wasser. Ausgeschieden wird auch Stickstoff oder es entsteht Ammoniak und verbindet sich mit einem oder dem anderen sauren Humuskörper. Dieser Vorgang hat an abgestorbenem Holz und in der Dammerde, auch an der Oberfläche trocken gelegter Torfmoore statt. Hier ist die Oxydation noch vorwaltend. Eine Verwesung bei reichlicher Anwesenheit von Wasser und beschränktem Luftzutritt, heisst Vermoderung. Die Oxydation ist verlangsamt oder es treten reducirende Verhältnisse ein. Die ein- mal gebildeten Humuskörper werden zwar vorwiegend fort erhalten, dabei tritt aber Wasserstoff in Verbindung mit etwas Kohlenstoff aus und entweicht als Sumpfluft (Grubengas, Methan).

Das Hauptergebniss dieses zusammengesetzten Vorganges ist der je nach Verschiedenheit des zu Grunde liegenden Pflanzenmaterials und nach dem Ver- lauf der Zersetzung auch in seiner Zusammensetzung verschiedentlich schwankende Torf mit durchschnittlich 58—60$ Kohlenstoff. Er steht im Ganzen den Kohlenhydraten noch ziemlich nahe. Er enthält zugleich auch noch harzige Bestandteile, die aus dem pflanzlichen Substrat stammen, aber auch wohl neu- gebildete Zersetzungsprodukte sein können. Die Wirkung reducirender Verhält- nisse bei der Torfbildung verkünden die öfteren Beimengungen von Eisenkies, Vivianit oder Blaueisenerde u. dergl.

Mittelstufen bilden einen Uebergang vom Torf zur Braunkohle, sie hat im Allgemeinen einen höheren Kohlenstoff-Gehalt (50—80$). Sie enthält noch Humussubstanzen, aber die Bildung bituminöser Materien ist im Zunehmen. Vor- wiegend ist die Ausgabe von kohlensaurem Gas. Weitere Mittelstufen leiten zur Steinkohle über. Der Kohlenstoffgehalt ist wieder gestiegen (80 84 —86 $). Die Humussubstanzen sind zersetzt, die bituminösen Materien stehen theils im Vorder- grund, theils sind sie bereits wieder abgedunstet. Aushauchungen von brenn- barem Kohlenwasserstoffgas sind örtlich vorherrschend; andere Flötze geben Kohlensäure ab. Uebergänge leiten weiterhin zum Anthracit Mit ihm erreicht der Kohlenstoffgehalt den höchsten Betrag (über 90$). Der Zersetzungsprocess tritt damit in Ruhe. Das Endglied der Kette scheint erreicht zu sein.

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Kohlenbildung in den verschiedenen geologischen Epochen.

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Keine Mittelstufe leitet vom Anthracit zum Graphit über. Er ist reiner krystallinisch ausgeschiedener Kohlenstoff. Sind die Graphitlager auch aus Steinkohlen- oder aus Anthracitlagern hervorgegangen, so ist dabei doch jeden- falls an die Stelle der Vermoderung ein anderer Umwandlungsvorgang die krystallinische Umlagerung der Elementartheilchen eingetreten. Damit ist der Zusammenhang der Reihe gebrochen.

Es bleibt uns nun noch die geologisch-palaeontologische Seite der Aufgabe. Jede geologische Formation vom krystallinischen Schiefergebirge an beherbergt in einer oder der anderen Abtheilung Kohle und kohlenhaltige Gesteine in irgend einer Form und dies gilt als Beweis dafür, dass im gesammten Verlaufe der Formationen stellenweise mehr organische Substanz abgelagert wurde, als seither durch die im Inneren der Bodenschichten vor sich gehenden chemischen Processe wieder aufgelöst wurde.

Dies ist in der heutigen Epoche in erheblichem Maasse nur bei einer lebhaften Sumpfvegetation der Fall, wie sie auf dem Festland an feuchten flachen Stellen häufig erscheint und auch wohl an sehr flachen Meeresrändern, nament- lich in Strandlagunen vorkommen kann. Spärlicher scheinen die Fälle zu sein, wo das Meer die Reste meerischer Pflanzen Fucoiden und Zosteren in grösseren Mengen aufhäuft. Auf dem trockenen Festlande aber, wo die Reste abgestorbener Pflanzen auf der Oberfläche unter ungehindertem Zutritt der Luft verwesen, können sich während Jahrtausenden mächtige Wald - Generationen folgen, ohne im Boden eine Spur ihres ehemaligen Daseins zu hinterlassen. Ebenso hinterlässt die Wiesenvegetation in Jahren und Jahrtausenden kaum eine Spur von vegetabilischer Substanz.

Wo sich dagegen heutzutage Pflanzenreste, denen auch thierische Stoffe beigemengt sein können, in solcher Menge und unter solchen Umständen an- häufen, dass unter mehr oder minder beträchtlicher Ansammlung von Wasser im Verlaufe der Fäulniss und Verwesung ein an Kohlenstoff reicherer Rückstand verbleibt, ist der Grund zu einer Bildung von Kohlenlagern gegeben. Unter unseren Augen vollzieht sich dieser Vorgang noch fortwährend mit der Vegeta- tion der Torfmoore, in denen mehr an abgestorbener Pflanzensubstanz zur Ablagerung gelangt als in der gleichen Zeit der Sauerstoff der Atmosphäre und die übrigen auf Wegräumung der Pflanzen- und Thierleichen wirkenden Agenden zu entfernen vermögen.

Die Pflanzenwelt entzieht ununterbrochen der atmosphärischen Luft und den Gewässern Kohlensäure und verwendet sie zum Aufbau der organischen Substanz (des Protoplasma's oder der Eiweisssubstanzen, der Pflanzenfaser oder Cellulose u. s. w.). Wo nun die Bildungen zur Anhäufung grösserer Mengen von Pflanzensubstanz gegeben sind, tritt bald auch der Verkohlungsprocess ein. Eine wesentliche Bedingung zu seinem Eintritt ist ein genügender Luftabschluss, sei es nun durch neu zugeführte organische Substanz oder durch aufgelagerte mineralische Bodenschichten oder durch Wasserbedeckung.

Es entstehen dann Lager von organischer Substanz oder Kohlengesteine, die auf die Dauer von Millionen Jahren sich fort erhalten können, wobei aber eine allmähliche Umwandlung des organischen Substrats und eine wachsende Concentration des Kohlenstoffes stattfindet. Dieser Prozess kann sich aufs äusserste verlangsamen, geht aber unter allen Umständen in wesentlich gleicher Weise vor sich. Moderige Substanzen pflegen zuerst zu entstehen, mineralähnliche schein-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

bar homogene Kohlensubstanzen bilden sich später aus, neben ihnen auch flüssiger oder gasförmiger Kohlenwasserstoff u. s. w.

Der Beginn ist die gewöhnliche Pflanzensubstanz, namentlich die Cellulose. die in trockenem Zustand im Mittel 53$ Kohlenstoff enthält. Kohlensäure, Kohlenwasserstoffgas und Wasser werden allmählich ausgeschieden. Dabei findet im vergrabenen Pflanzenlager auch bei Luftabschluss noch eine Abnahme des Kohlenstoffgehaltes statt aber sie ist langsamer als die von Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Das Ergebniss ist immer eine Concentration , eine Verminderung unter relativer Anreicherung des Carbongehaltes, die bis zu einem Rückstand von fast reinem Carbon führen kann, wie ihn der Anthracit und in noch höherem Grade der Graphit darstellt.

Eine solche Kohlenbildung hat offenbar seit dem ersten Beginn des orga- nischen Lebens auf Erden bald hier, bald da stattgefunden. Wir sind im Stande von der Jetztwelt an bis zur Zeit der Bildung der krystallinischen Schiefer (Glimmerschiefer, Gneiss u. s. w.) den Vorgang der Kohlenbildung rückwärts zu verfolgen. Dabei stellt sich im Allgemeinen die Reihenfolge Torf, Braun- kohle, Steinkohle, Anthracit und Graphit heraus. Der Torf ist das jüngste noch fortwährend nachwachsende Kohlengebilde. Der Graphit aber stellt sich als das älteste von den fortwirkenden Agentien der Erdrinde am weitesten um- gewandelte Glied der Reihe heraus welches bereits den Charakter eines wahren Minerals angenommen hat und in Krystallgestalten auftritt. Ob auch der Diamant dahin gehört, steht noch in Zweifel.

Die Beziehungen des Graphits zur Reihenfolge der Kohlenbildungen sind für Geologie und Palaeontologie von grossem Belang und erläutern namentlich den ersten Beginn des organischen Lebens in krystallinisch gewordenen Lagern, die gewöhnlich sonst keine deutlichen Formen organischer Einschlüsse mehr aufzuweisen haben. Graphit ist abfärbender krystallinisch-schuppiger, auch wohl scheinbar dichter Kohlenstoff reiner Kohlenstoff ohne Gehalt an Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff aber mit Thon, Kieselsäure, Eisenoxyden mehr oder minder mechanisch verunreinigt. Er erscheint in krystallinischen Gesteinen als Lager oder in Nestern, besonders in Gneiss und in Glimmerschiefer, auch wohl in Begleitung von krystallinisch-körnigem Kalkstein, dann auch als Stellvertreter des Glimmers in Gneiss (Graphit-Gneiss).

Er gehört vorzugsweise dem Urschiefergebirge oder archäischen System an und gilt hier als der letzte Rückstand der Ablagerung und seitherigen Umwand- lung ehemaliger Pflanzenreste. Was das für Pflanzen waren, ist unermittelt Man hat Grund, ihn hier da Landpflanzen (Eopteris und Lepidodendron) zuerst spärlich im silurischen System deutlich und nachweisbar auftreten von einer reichlichen Vegetation von dickstämmigen und verholzenden Meeres-Algen (Tangen oder Fucoiden) herzuleiten, wiewohl auch das kaum sicher erweisbar ist In diesem Gebiete ist überhaupt noch vieles problematisch, aber die Analogie im Auftreten der Graphitlager des krystallinischen Schiefergebirges mit dem der jüngeren unzweifelhaft aus Pflanzensubstanzen entstandenen Kohlenlager ist so gross, der Uebergang in geologischer (wenn auch nicht mineralogischer) Hinsicht so allmählich, dass man nach dem jetzigen Stande der Kenntniss, Grund hat, im Graphit den letzten Rückstand der Umwandlung von pflanzlichen Absätzen gleichviel ob marinen oder festländischen Urspmngs anzunehmen.

Dem Graphit reiht sich der Anthracit an. Er ist dichter, nicht schuppig abfärbender Kohlenstoff, der noch einige Procente Sauerstoff, Wasserstoff und

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Kohlenbildung in den verschiedenen geologischen Epochen. 189

Stickstoff enthält und sowohl in dieser chemischen Zusammensetzung als auch in der geologischen Lagerung eine Mittelstellung zwischen Graphit und Steinkohle einnimmt während in mineralogischer Hinsicht allerdings ein wesentlicher Abstand zwischen Anthracit und Graphit vorliegt. Der Antliracit findet sich vor- zugsweise in den Schichtenfolgen der silurischen und der devonischen Formation. Doch kommt Anthracit auch im Bereich der eigentlichen Steinkohlen-Formation vor und zwar, wie es scheint, vorzugsweise in Gegenden, in denen die Steinkohle in örtlicher Begrenzung und unter Einfluss reichlicheren Zusammenhanges mit der Atmosphäre eine stärkere Umwandlung erlitt So in Nordamerika (Pennsyl- vanien) und in den Alpen (Turrach in Steiermark, Wallis).

Die eigentliche Steinkohle folgt in der geologischen Formations-Reihe im Allgemeinen dem Anthracit nach und ist im Verkohlungsvorgang minder weit vorgerückt. Sie enthält im Durchschnitt 82— 86— 88$ Kohlenstoff, 12 14—18$ Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff, abgesehen von wechselnden Beträgen mineralischer Beimengungen oder Aschenbestandtheile. Ihre wichtigste Lager- stätte ist im Allgemeinen das sogenannte Hauptsteinkohlengebirg oder das car- bonische System oberhalb der devonischen Formation und überlagert vom Rothliegenden.

Ihr Substrat waren besonders Gefässcryptogamen, namentlich Sigillarien, Lepidodendren u. s. w., in anderen Lagern Coniferen. Ihre ausserordentlich reich- liche Ablagerung in der Hauptsteinkohlenepoche beruhte vorzugsweise auf gross- artiger Entwicklung sumpfbewohnender und mächtige Holzmassen erzeugender Sigillarien-Bäume, deren weit ausstrahlende Wurzelstöcke oder Rhizome, die sogenannten Stigmarien, nach Art der heutigen an sich sehr unansehn- lichen, aber reichlich vegetirenden Torfmoose (Sphagnum) ein geschlossenes ver- filztes Netz in Sümpfen und Morästen gebildet zu haben scheinen. In keiner Epoche der geologischen Geschichte hat die Land- und Sumpf- Vegetation eine so üppige Fülle erreicht, so zahlreiche und mächtige Kohlenflötze hinterlassen, wie in jener, als die Sigillarien die Niederungen des Festlandes überwucherten.

Manche Steinkohlen, wie auch Anthracite, lassen noch vegetabilische Structur erkennen. Noch mehr Pflanzenreste finden sich in den darin eingelagerten oder darüber folgenden Schieferthonen. Wurzelwerk von Sigillarien und nicht selten auch noch aufrecht stehende Stämme erweisen die Entstehung aus einer an Ort und Stelle ihres Wachsthums vergrabenen Morast- Vegetation, alles Erscheinungen, die ähnlich noch bei manchen heutigen Torfmooren sich nachweisen lassen.

In Steinkohlen hat man vielfach und selbst in anscheinend structurlosen, scheinbar ganz dichten Sorten Reste von Pflanzenzellen, namentlich dickwandige Prosenchym-Zellen mit Hilfe des Mikroskops nachgewiesen bald schon in einfachen Dünnschliffen bald in einer durch Kochen mit gereinigtem Steinöl durchsichtiger gemachten Kohle bald in der Asche einer mit Salpetersäure der Alkalien beraubten Kohle, welches letztere Verfahren besonders Göppert einhielt. Witham und W. Hutton erkannten schon 1833 in verschiedenen Steinkohlensorten von Newcastle mehr oder weniger deutlich das pflanzliche Gewebe. Göppert behandelte Steinkohlen mit Salpetersäure, um daraus die alkalischen Bestandteile zu entfernen und das Zusammenschmelzen der Aschen- bestandtheile zu vermeiden. Er entdeckte in der Asche verschiedener, selbst der dichtesten Sorten der so vorbereiteten Steinkohle deutliche Skelette von parenchymatischen und prosenchymatischen Zellen. So namentlich auch in der sogen. Faserkohle oder Araucariten-Kohle.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

In der Steinkohle, die schon viele Millionen Jahre zwischen Sandstein- und Schieferthon-Lagern vergraben liegt und von der Atmosphärilien-Einwirkung bis zu einem sehr geringen Betrag abgeschlossen war, dauert die langsame Zersetz- ung noch fort. Ununterbrochen entwickeln sich aus ihr örtlich in verschiede- nen Maassen je nach der Zerklüftung der Lager und der Tiefe der in ihrer Decke stattgehabten Erosion kohlensaures Gas (böse Wetter Mofetten) und brennbares Kohlenwasserstoff-Gas oder Methan (schlagende Wetter).

So dauert der Process der Abscheidung von Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasser- stoff und Stickstoff unter wachsender Concentration des ersteren noch immer fort. Der Kohlenstoff verbleibt dabei in concentrirterer Form und das Lager nähert sich langsam und unmerklich der Zusammensetzung des Anthracits. Ungestörte flach lagernde Kohlengebilde haben meist bituminöse (wasserstoff- reichere) Steinkohlen. Stark aufgerichtete, geknickte und zerstückte Kohlenab- lagerungcn zeigen gewöhnlich Anthracit, z. B. im östlichen Pennsylvanien, zufolge der weiter vorgeschrittenen Umwandlung desselben Substrats.

Mit dem Erlöschen der Sigillarien zu Ende der Steinkohlenformation ver- liert sich auch die Häufigkeit und Mächtigkeit der Steinkohlen-Flötze. Das Roth- liegende (die untere Abtheilung des Permischen Systems) hat noch manche Stein- kohlenlager, aber sie zeigen meist geringere, oft unbauwürdige Mächtigkeit. Hier finden sich noch die letzten spärlichen Sigillarien. In den späteren geologischen Formationen hat man zwar noch mehr oder minder häufig Einschaltungen von Kohlenlagern, aber auch diese erscheinen nur selten in bauwürdiger Mächtigkeit.

Dahin gehören die vorwiegend aus Holzstämmen von Coniferen, Cycadeen und Baumfarnen entstandenen Kohlen in der Trias, im Lias, Jura und Wealden. Diese »jüngeren Steinkohlenlagerc vermitteln in zahlreichen Uebergangsgliedern den Gegensatz der älteren Steinkohle zur viel jüngeren Braunkohle und dem Torf. Welches die eigentliche Sumpfvegetation der mittleren Epochen die eigentlichen Torf-Erzeuger an der Stelle von Sigillaria und von Sphagnum waren, ist nur wenig ermittelt. Gewöhnlich scheinen die Equiseten stark dabei betheiligt gewesen zu sein.

Die Braunkohle oder der Lignit ist eine in den verschiedenen Stufen des Tertiär-Systems verbreitete Kohle von sehr wechselnder Beschaffenheit und oft von einem noch sehr steinkohlenartigen Ansehen. Sie hat aber durchschnittlich geringere Grade der Zersetzung als die Kohle in den Lagern der älteren Perioden erlitten und die jüngeren Braunkohlen sind gewöhnlich vom älteren Theile der Torfmassen nicht wohl zu unterscheiden. Der Kohlenstoffgehalt beträgt 50, 55 75 jf, der Bitumengehalt ist oft noch sehr ausgesprochen, andererseits er- scheint hier auch noch ein Gehalt an humusartigen Substanzen, die durch Aetz- kali-Lauge ausgezogen werden können.

Gewöhnlich zeigen sich in Braunkohlenlagern zwischen Massen von torf- artiger zerfallender Erdkohle (Mulmkohle) oder von schiefriger Kohle (Schiefer- kohle, Blätterkohle, Papierkohle) deutlich erhaltene, meistens etwas zusammen- gedrückte Baumstämme, fast stets im Flötze niederliegend. Es sind meist Stämme von Coniferen und zwar Arten von Pinus, Taxodium, Scquoia, Cupressinoxylon u. s. w. aber auch wohl von Laubhölzern, namentlich Kätzchenblüthlern. Bei der Bildung mancher älteren Braunkohlenßötze erscheinen ferner auch Palmen betheiligt Aber immer stellen Coniferen den Hauptbetrag der Holzmasse dar.

Die Entstehung der Braunkohlenlager hat zu vielen Controversen'Anlass ge- geben und wahrscheinlich sind nicht alle auf genau dieselbe Weise entstanden.

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Kohlenbildung in den verschiedenen geologischen Epochen.

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Bald scheint die Entstehung mehr von Holzmassen, die von angeschwollenen Strömen in flache Süsswasserseen oder Seestrand-Lagunen geführt wurden und hier zusammen mit Thonschlamm und mannigfachen Sumpfpflanzen untersanken bald mehr von einer auf torfigem Boden heranwachsenden an Ort und Stelle vergrabenen Waldvegetation von Cypressen, Föhren u. s. w. herzurühren. Für beide Erklärungen lassen sich Vorgänge des heutigen Tages in Erinnerung bringen. In einzelnen Fällen mag der erstere Vorgang eröffnet haben, der letztere nachgefolgt sein. Aufrecht stehende Baumstämme in Braunkohlenlagern sind eine seltnere Erscheinung als im alten Steinkohlengebirge.

Auch in und an Torf-Bildungen kommt eine Baumvegetation vor; namentlich sind Föhren, Rothtannen, Birken im Torf häufig. Das grosse Torflager von Vir- ginien und Nordcarolina, bekannt unter dem Namen >Dismal swamps oder schrecklicher Sumpfe trägt stellenweise Cypressen (Cupressus thyoides und C. disticha). Diese Baumvegetation des dismal swamp von Nord-Amerika hat einige Aehnlichkeit mit der von gewissen Braunkohlengebilden der mittleren Tertiär-Formation von Europa, Spitzbergen, Grönland u. s. f., wo namentlich auch Cupressus disticha L., Taxodium distichum Rich. in vielleicht speeifischer Identität sich wiederholt.

Ein Gegenstand ausgedehnter Studien während der letzten Jahrzehnte waren die Torfmoore von Dänemark und der in denselben nachgewiesene mehrfache Wechsel des Waldbestandes in der Zeit zwischen dem Ende der europäischen Glacialepoche (Eiszeit) und dem Beginn der geschichtlichen Jahre. Diese Torf- lager erfüllen in Dänemark besonders kleinere kesselartig vertiefte Becken der Glacial-Ablagerungen und die Baumstämme erscheinen besonders am Rande um- gebrochen, wobei ihre Spitzen gegen die Mitte des Moors gerichtet liegen, was offenbar andeutet, dass dasselbe nur zeitweilig und nicht ununterbrochen von Waldvegetationen umgeben war. Während jetzt die Waldungen in Dänemark aus Buchen bestehen, enthalten die alten Torfmoore noch keine Spur von Buchen, sondern umschliessen an deren Stelle zahlreiche Stamme von Kiefern und von Eichen. Die älteste Bewaldung bestand aus Kiefern oder Föhren (Pinus sylvestris Lra.) einer Holzart, die seither in Dänemark wieder verschwunden ist und zwar schon vor Beginn der ältesten geschichtlichen Ueberlieferung sich hier verloren hat. Man fand in dieser unteren, durch Kiefernstämme bezeichneten Region bearbeitete Steingeräthe (Axt-Keile). Die darüber liegenden Schichten der Torf- moore enthalten Stämme mächtiger Eichen und zwar zunächst die Wintereiche oder Steineiche (Quercus sessiliflora Smith), höher oben aber die Sommereiche (Quercus peduneulata Ehrh.).

Den heutigen Waldbestand Dänemarks bildet die Buche (Fagus syhatica Lin.), welche in den alten Torfschichten nicht vertreten ist. Föhren fehlen dagegen heutzutage als einheimische Art, man hat deren erst in geschichtlicher Zeit neu wieder eingeführt. Im Verlaufe der Torf bildung in Dänemark hat sich also der Waldbestand wiederholt geändert. Er zeigte zuerst Föhren, später Eichen und an ihre Stelle trat schliesslich die Buche. Dieser Verlauf aber hat sich offenbar innerhalb vieler Jahrtausende vollzogen.

Soweit reichen die Arbeiten von S. Steenstrup. Daran schliessen sich die von Nathorst. Unterhalb der Zone der Kiefer ergab sich eine noch tiefere mit der Espe oder Zitterpappel (Populus tremula L.). In dieser tiefsten Torfschicht entdeckten Steenstrup und Nathorst in Seeland Reste der eigentlichen arktischen oder glacialen Flora. Namentlich fanden sich in derselben zahlreiche Reste von

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

arktischen Zwergweiden (Salix hcrbacea L., Salix polaris Wahlenb., Salix reti- culata L.) und anderen Glacialpflanzen, wie z. B. Dryas octopetala L.

Damit stellt sich in den betreffenden Torfmooren eine Reihenfolge der Vegetation, namentlich der Holzgewächse heraus, die mit dem Verschwinden der Eisbedeckung im nördlichen Europa anhebt, der allmählichen Milderung des Klimas entspricht und die gleichzeitige Wanderung der Pflanzen milderer Klimate nach dem damals wieder bewohnbar werdenden Norden verkündet. Eine ähn- liche Aufeinanderfolge derselben Arten ergiebt sich auch noch in der Zusammen- setzung der heutigen Waldvegetation des europäischen Russlands in der Richtung von Südwesten nach Nordosten, wobei die Buche in Südwest eröffnet, die Zwerg- weiden im Nordosten den am weitesten vorgeschobenen Posten einnehmen. Was sich in den Torfmooren in verticaler Richtung abspiegelt, zeigt sich also in der heutigen geographischen Verbreitung mit der Horizontalprojection.

Aehnliche Ergebnisse wie die Torfmoore von Seeland lieferten auch seither die von Scandinavien. Auch hier ergab sich im Umkreise der auf dem Gruss- Lager der Glacialepoche ausgebreiteten Torfmoore eine Aufeinanderfolge und zwar von Espen (Populus tremula) mit arktischen Glacial-Arten, dann der Kiefer (Pinus sylvestris), der Eiche (Qutrcus sessiflora), der Weisserle (Alnus incana) und schliesslich der Buche (Fagus sylvatica), letztere auch hier als der am letzten an- gekommene Einwanderer vertreten.

Aehnliche Nachweise vom Vorkommen arktisch-glacialer Gewächse erhielt man auch aus den tieferen Schichten der Torflager von Mittel-Europa und bis an den nördl. Fuss der Alpen. Nathorst fand deren in den Mooren der niederen Schweiz, wo sie heute nicht mehr fortleben, wohl aber höher oben im Hoch- gebirge in 2000 Meter Meereshöhe und darüber sich wieder einstellen und die der Nordpolarflora nahe verwandte und mit derselben in der Mehrzahl der Arten idente Hochalpenflora zusammensetzen. So fanden sich zu Schwarzenbach im Canton St. Gallen in den auf Glacial-Ablagerungen unmittelbar ruhenden Torf- schichten die Zwergbirke (Betula nana L.) mit Zwergweiden (Salix retusa L. und Salix reticulata L.), dem Gamshadach Azalea procumbens L. und anderen heute hochalpinen Pflanzenarten. Wie also die glacialen Gewächse der untersten Torf- schichten von Dänemark und Scandinavien seither weiter in Nord und Nordost gerückt sind, haben sich die der niederen Schweiz mit der inzwischen ein- getretenen Milderung des Klimas aus der Niederung auf die kalten Höhen der Alpen zurückgezogen.

Ein näheres Eingehen verdient noch die schichtenweise Einstreuung der Baumstämme in den Torfmooren. A. Blytt nimmt zur Erklärung des Wechsels von Torflagen mit verschiedenen Waldschichten einen eben so oft wiederholten Wechsel der klimatischen Verhältnisse an. Es wechselten regenreichere und trocknere Perioden. Wenn die Feuchtigkeit in einem Waldgebiet zunimmt, werden viele bis dahin trockene und bewaldete Stellen in Folge der zunehmenden Bewässerung vermooren. Die abgestorbenen und umgebrochenen Stämme werden dann zunächst von Torfmoosen, namentlich Sphagnum-Axten bedeckt. Bei weiterer Zunahme der Wasseransammlung erfolgt endlich eine vollständige Unterwasser setzung des Moores. Jetzt treten auch Wasserpflanzen ein. Dieser Vorgang kann lange Zeit dauern und während desselben ist eine Baumvegetation ausge- schlossen.

Tritt nun eine trocknere Periode ein, so ändert sich ensprechend auch die Vegetation. Zunächst verschwinden die Wasserpflanzen. Die Sphagnum- Vegetation

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Kohlenbildung in den verschiedenen geologischen Epochen. 193

entwickelt sich weiter und bildet immer mächtigere Polster. Die Sp/iagnum-THasen werden damit aber auch nach oben trockener. Nun gelangen Kiefern und Birken zur Entwicklung. Daneben entwickelt sich trockene Haide-Flora und damit hört die Torfbildung auf. Nun kann eine Wald-Generation nach der anderen folgen. Ihre absterbenden Reste verwesen an der Oberfläche mit dem ungehinderten Zutritt der Luft Eine Generation folgt der anderen, ohne eine Spur ihres Da- seins zu hinterlassen, ohne einen Beitrag zur Erhöhung des Bodens zu bringen.

Anders wird es erst, wenn der Cyclus sich wiederholt und eine neue Epoche mit regenreichem Klima eintritt. Die Feuchtigkeit nimmt wieder zu und so be- ginnt auch die Torfbildung wieder. Die letzte um den Morast oder auf seiner Fläche angesiedelte Generation des Waldbestandes wird in der neueren Torf- masse begraben. Dann wechselt baumlose Torfmasse mit Holzschichten im Moorabsatz.

Nach dieser Erklärung bedeutet also eine in der Torfmasse eingeschlossene Schicht von Waldbäumen den Schluss einer mehr oder minder langen Folge von Wald Vegetationen. Dieses trockene Zeitalter kann sehr lange gedauert haben, hinterliess seine Spur aber nur mit den Baumleichen einer einzigen Generation. Nur die Moorvegetation erhöhte den Boden. Zwei Waldschichten können also in einem Moor von einer Torfschicht, die kein Holz enthält, getrennt werden, und diese bezeichnet dann allein den ununterbrochenen Verlauf der Boden- erhöhung durch Vegetation und Humificirung.

Auffallender Weise giebt es heut zu Tage in wärmeren Ländern, namentlich in den Tropenzonen, keine nennenswerthen Torf bildungen, auch nicht in bleibenden Morästen, sei es weil die heutige Tropenflora keine zu lebhafter Torfbildung ge- eigneten am Grunde vermodernden und zugleich am Gipfel fort wachsenden Sumpfgewächse enthält, sei es weil der von der absterbenden Vegetation erzeugte Humus hier zu rasch wieder in den Kreislauf der Elemente hereingezogen wird. In den Tropen findet sich daher keine Torfbildung ausser auf Gebirgsplateaus von bedeutender Meereshöhe. Aber in der gemässigten und kalten Zone der antarktischen Region mit ihrem feuchten und sehr gleichmässigen Seeklima stellt sich an geeigneten Stellen wieder eine den Verbrauch überschreitende Erzeugung und massenhafte Ansammlung von Humus-Substanzen ein. Die torfbildenden Pflanzenarten sind hier andere als auf der nördlichen Hemisphäre.

Nach Ch. Darwin scheint auch die gemässigte Zone von Südamerika bis nach Chiloe und bis zum Südende der patagonischen Ebene noch ohne Torf- bildung zu sein. Selbst auf Chiloe in 42 43 0 S. B. soll trotz des feuchtkalten Klima's, der dichten Waldungen und des ausgedehnten Morastbodens noch keine Torfbildung vorkommen. Erst etwas weiter südlich auf den Chonos-Inseln ist fast jeder Fleck ebenen Landes von zwei Pflanzenarten, Astelia pumila Brown (Anthtricum trifarhtm Sol. Farn, der Liliaceen) und Donatia magellanica (eine Saxifragee) besetzt und deren absterbende Theile haben ein dickes Lager von elastischem Torf erzeugt. Auf Feuerland sind die Gebirgsabhänge mit Buchen- waldungen überdeckt, auf jedem flachen Stück Land aber erscheint eine dicke Lage von Torfboden und die ganze Gebirgsregion von der oberen Grenze der Waldungen (300—450 Meter M. H.) bis zur unteren des ewigen Schnees ist torfiger Boden. Auf Feuerland wie auf den Chonos-Inseln ist die Torfbildung auffallender Weise nicht wie in Europa und überhaupt auf der nördlichen Hemisphäre durch Moose bedingt, sondern durch Phanerogamen (Liliaceen, Saxifrageen u. s. w.) von denen die Astelia am wirksamsten ist. Auf Feuerland erscheinen neben

Kenwgott, Min., Geol. u. Pal. II. 13

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Mineralogie, Geologie und Falaeontologie.

den Astelien auf den Morastflächen noch eine kleine Myrte mit einem kriechenden holzigen Stamm (Afyrtus nummularia), eine Rauschbeere ebenfalls von heideartigem Aussehen (Empetrum rubrum), endlich eine Binse (Juncus grandiflorus). Es sind antarktische Arten, denen der arktischen Region und der nordeuropäischen Sumpf- vegetation nahe verwandt. Von diesen wenigen gesellig wachsenden Pflanzen ist die Astelia am thätigsten in Hervorbringung von Torfschichten. Ihre unteren Blätter sterben ab, während derselbe Stengel nach oben immer neue Blätter treibt.

Ebenso herrscht auf den Malvinen nordöstlich von Feuerland die Torfbildung und bedeckt alle Niederungen mit einer schlammigen Schichte, auf deren grasiger Oberfläche einige Kräuter und niedere strauchartige Gewächse erscheinen. Alle diese Pflanzen, auch die Gräser, gehen beim Absterben in die Torfbildung über. An einzelnen Stellen fand sie Darwin bis über 3,5 Meter mächtig und die Pflanzen- substanz in den tieferen und älteren Lagen vollständig in erdigen und beim Aus- trocknen fest werdenden Torf umgesetzt.

In den Tropen bildet sich Torf wohl nur in bedeutenden Meereshöhen, wo die klimatischen Bedingungen der hohen Breiten, namentlich anhaltend durch- nässter Boden an flachen Stellen seine Bildung begünstigen. Pöppig fand in den Anden von Peru auf einem breiten Rücken (zwischen Lima und Pasco, 1 1 0 S. B., 4385 Meter Meereshöhe) Torfboden mit moosiger Vegetation, ähnlich wie er in unseren Alpen in 2000 3000 Meter Meereshöhe getroffen wird.

Wir wollen nach dieser Erörterung der Vegetationsverhältnisse in Torfmooren nochmals einen vergleichenden Blick auf die Bildungsweise und Mächtigkeit der Steinkohlenflötze werfen. Von der Grossartigkeit der Kohlenablagerung während der carbonischen oder Hauptsteinkohlen-Epoche, giebt ein Rechenexempel, welches Gustav Bischof, einer der thätigsten Reformatoren der neueren Geologie, aut- stellte, eine annähernde Vorstellung.

Nimmt man an, dass die Vegetation zu der Zeit, als die Pflanzen wuchsen, deren Reste wir jetzt in den Steinkohlen-Flötzen begraben finden, in gegebener Zeit eine ebenso grosse Holzmasse erzeugte, als diese Production heutzutage und unter unseren Augen beträgt, so haben wir zunächst die Landwirthe und Gärtner zu befragen, wie viel auf einer gewissen Fläche jährlich an Getreide oder Gras oder Holz oder Torf erzeugt wird. Fragen wir dann die Chemiker, wie viel Kohlenstoff in diesen heutigen pflanzlichen Produkten enthalten ist, so lässt sich berechnen, welche Schichte dieser Kohlenstoff auf gegebener Fläche bilden würde, angenommen die in einem Jahre gewachsenen Pflanzen sollten statt eingeerntet zu werden, der Fäulniss und Vermoderung anheimfallen und ihren Kohlenstoffgehalt zurücklassen, wie dies bei den in Dammerde und Torf- mooren eingeschlossenen Pflanzen-Resten in ähnlicher Weise, aber spärlich der Fall ist. Das Ergebniss der chemischen Berechnung wird dann sein, dass eine auf demselben Boden wachsende und sich aufspeichernde Vegetation selbst im Verlauf von hundert Jahren eine Schicht von noch nicht ganz 5 Linien (1 1 Millim.) Höhe liefern würde.

Vergleichen wir nun die Masse der Kohlen-Aufspeicherung während der Steinkohlen-Epoche. In vielen Gegenden folgt eine grössere Zahl von mächtigen Steinkohlen-Lagern auf einander, getrennt durch mehr oder minder ansehnliche Schichten von sandigen oder schlammigen Absätzen und unter Umständen, welche schliessen lassen, dass die Pflanzen, aus deren Ueberresten die Steinkohle her- vorging, grosstcntheils auf demselben Boden gewachsen sind, auf dem wir letztere

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Kreide-System.

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noch abgelagert vorfinden. Bischof geht nun auf die Zahl und Mächtigkeit der Flötze in dem fast unerschöpflich reichen Steinkohlen-Revier von Saarbrücken ein. Er nimmt hier die Zahl der übereinander folgenden Kohlen-Flötze zu 164 an und giebt ihnen zusammen eine Mächtigkeit von 338^ Fuss. Daraus ergiebt sich dann die folgende Rechenaufgabe. Wenn eine Schicht von Kohle von un- gefähr 5 Linien (11 Millim.) Höhe durch das heute zu beobachtende Pflanzen- wachsthum in 100 Jahren erzeugt wird, wie viel Jahre sind erforderlich durch eine ebenso lebhafte Vegetation eine dem Saarbrückener Steinkohlen-Revier entsprechende Schiebt von Kohle von 338^ Fuss oder 48744 Linien zu erzeugen? Nehmen wir nur eine Schicht von 10 Millim. in 100 Jahren und die Saarbrückener Kohlenmächtigkeit nur zu 100 Meter an, so ergiebt sich daraus unter obigen Voraussetzungen für letztere eine Bildungszeit von bereits einer Million Jahre.

Diese Berechnung soll übrigens nur eine annähernde Vorstellung geben. Sie enthält nämlich die Voraussetzung, dass in den Waldmorästen der Steinkohlen- epoche die Energie der Holz Vegetation nur den Höchstbetrag des heutigen Pflanzenwachsthums erreichte. Nun beträgt allerdings in den heutigen Hoch- waldungen die Kohlenstoff-Production nur etwa 10 Millim. in 100 Jahren. Der Betrag der Holzbildung und der Kohlen-Aufspeicherung durch die üppig empor- schossende Sigillarien- und Lepidodendren- Vegetation in den warmen Sumpf- waldungen der Steinkohlenepoche ist aber eine unbekannte Grösse und war offenbar weit beträchtlicher als jener unserer heutigen Hochwaldungen von trocknerem Boden. Noch weniger lässt sich der Betrag der Moos-Vegetation in den heutigen Torfmooren in Anschlag bringen. Sie ist auch nach den Ortsbe- dingungen sehr ungleich und die Angaben schwanken darüber. Man kann viel- leicht für das Anwachsen eines Torfmoores von grösserer Ausdehnung und günstigen Bedingungen 300 325 Millim. in einem Jahrhundert annehmen. Aber dieser neue Zuwachs ist noch locker, schwammig und arm an Kohlenstoff. Meist ist er auch bei weitem nicht so beträchtlich.

Kreide-System

von

Dr. Friedrich Rolle.

Das Kreide-System (terrain crötaed) besitzt in der Reihenfolge der über- einander abgelagerten Schichten und ebenso in den verschiedenen Ablagerungs- gebieten eine grössere Mannigfaltigkeit der Gesteine und überhaupt der geologischen Facies als das unter ihm gelegene Jura-System, in welchem marine Kalksteine und Mergel meistens vorwalten, und Sandsteinablagerungen verhältnissmässig spärlich auftreten.

Die Ablagerungen der Kreide-Epoche sind zwar auch vorwaltend marin, aber Sandstein, Mergel und Thon, namentlich grüne glaukonitische Sande und Sandsteine spielen eine bedeutendere Rolle als im Jura-System. Grüne durch Glaukonit-Körner gefärbte Sand- und Mergel-Schichten bilden in England, Frank- reich, Westphalen, Nordamerika ausgedehnte Ablagerungen, namentlich in der unteren und mittleren Region des Systems. Sandstein, sogen. Quadersandstein, setzt in Sachsen, Böhmen und Schlesien vorwiegend die Kreide-Formation zusammen.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Die weisse Kreide oder Schreibkreide, nach der das System seinen Namen trägt, ist ein weicher oft zerreiblicher Kalkabsatz, ein ausgesprochener Tiefsee- schlamm mit vorwiegenden mikroskopischen Kalkpartikeln organischen Ursprungs (Kokkolithen) und weniges grösseren, ebenfalls noch mikroskopischen Foramini- feren-Schalen. Sie herrscht in der Oberregion des Systems in England, Nord- frankreich, Westphalen, Pommern und erscheint auch noch in Libyen und in Palästina. Sie geht aber oft in dichte Kalksteine über.

Die Kreide-Formation folgt gewöhnlich mit Meereschichten auf den eben- falls mit Meeresschichten schliessenden oberen Jura. An einigen Stellen schaltet sich hier aber eine mächtige Süsswasser- und Brackwasser-Ablagerung ein. So ist es namentlich im südöstlichen England und in Norddeutschland. Hier er- scheint eine Reihenfolge von fluviomarinen Absätzen oder estuary deposüs, deren untere Zone, die Purbeck-Zone, man den obersten Meeresschichten des Jura- Systems und dessen obere Region, die Wealden-Zone, wealdclay, man den untersten Meereschichten des Kreide-Systems gleich stellt wiewohl man auch die ganze fiuviomarine Gruppe schon dem Jura und schon der Kreide zuge- zählt hat.

Die Einleitung zur Bildung dieser Zwischenformation bildete eine örtliche Hebung des Meeresbodens gegen Ende der Jura-Epoche, welche über marinen Jura-Absätzen (Portland-Kalk) die limnischen und brackischen Schichtenbildungen der Purbeck-Zone hervorrief. Auf demselben Gebiete lagerten sich dann noch gleichzeitig mit Meeresbildungen der unteren Kreide-Formation über einem morastigen lagunenreichen Küstenstrich mächtige Sand- und Thonmassen ab. Eine üppiche Flora gedieh in diesem Morastgebiete und ihre Holzproduction lagerte sich in Norddeutschland stellenweise in ansehnlichen Kohlenflötzen ab.

Auf alle Fälle, sowohl wo die Grenzregion marin, als wo sie limnisch ist, ist der Gegensatz der Flora und Fauna vom Jura- und Kreide-System nicht so beträchtlich, als der, welche die Bevölkerung der Meere und des Festlandes in der letzten Zeit der Kreide-Epoche von der in den darüber folgenden ältesten Tertiär-Schichten vertretenen Pflanzen- und Thierwelt scheidet. Auf diese letztere Formationsgrenze fallen grossartige geologische Veränderungen, namentlich Heb- ungen ausgedehnter Strecken von Tiefseeboden und bedeutende Abtragungen eben erst abgelagerter Schichten. Die Erscheinungen, mit welchen diese Vor- gänge sich verkündigen, sind Gegenstand grosser Aufmerksamkeit und mannig- facher Deutungen, aber noch liegt Vieles hier im Dunkeln. Je mächtiger die geologischen Ereignisse waren, um so bedeutendere Unterbrechungen erlitt auch das uns vorliegende geologische Archiv und um so lückenhafter erscheinen auch die Materialien, auf deren Untersuchung wir die Erklärung der zu Grunde liegenden Ereignisse zu stützen haben.

Während des Verlaufes der Kreide-Epoche selbst setzen im Meere und auf dem Festlande Flora und Fauna im Allgemeinen die Reihenfolgen fort, welche sie im Jura und in den älteren Formationen einhielten. Manche ältere Form stirbt im Verlaufe der Kreide-Epoche aus und neuere treten für sie ein. Charakte- ristisch in letzterer Hinsicht sind für das Kreide-System das plötzliche und als- bald schon ziemlich reichliche Hervortauchen der Dicotyledonen-Flora und die wachsende Ausbreitung der Knochenfische (TeUostei).

Das Aussterben der älteren Formen geht allmählich von Stufe zu Stufe seinen gewöhnlichen Gang, aber ein bedeutender Wendepunkt fällt in die oben gedachte grosse Kluft, welche obere Kreide und untere Tertiärformation in greller Weise

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Kreide-System.

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scheidet. Oberhalb dieser grossen Lücke fehlen namentlich in allen bekannten Meeresablagerungen die Ammoniten und Belemniten. Ihr Zurücktreten ist aller- dings schon im Verlaufe der Kreide- Ablagerungen deutlich ausgedrückt, aber ihr letztes und definitives Ende ist erst mit den grossen Ereignissen anzunehmen, die zwischen Kreide- und Tertiärsystem eintraten und hauptsächlich nur in Form einer grossen Lücke vor unser Auge treten, die auf ausgedehnte Vorgänge schliessen lässt.

Mit dem Abschlüsse der Kreide-Formation stellt sich auch in der Reptilien- Fauna von Meer und Festland eine weitgehende Veränderung ein. Noch ist im Zeitalter der Kreide, soweit unsere Kenntnisse von der damaligen Thierwelt reichen, die Hegemonie der Reptilien deutlich ausgesprochen, aber sie nimmt von den älteren zu den jüngeren Stufen ab und jenseits der grossen Kluft in den ersten Tertiär-Ablagerungen folgt eine ganz andere Thierwelt, in welcher bald die Säugethiere an der Stelle der Reptilien die Herrschaft antreten.

Fliegende Saurier Pterodactylen und Pteranodonten bewohnten noch in der Kreide-Epoche das Festland. Aber sie verlieren sich dann, wir wissen nicht aus welcher Ursache, können aber vermuthen, dass die steigende Concurrenz der an Ausbreitung gewinnenden Vögel eine Rolle dabei spielte. Nach der grossen Lücke wird kein Flugsaurier mehr fossil gefunden, die Vögel sind ganz an ihre Stelle getreten.

Im Meer sind die Ichthyosauren und Sauranodonten schon vor Beginn der Kreide-Formation entfallen. Die Plesiosauren sind in England und Nordamerika noch in Kreide-Schichten vertreten, erlöschen hier aber und nach der grossen Lücke fehlt in den Meeresabsätzen jede Spur von ihnen und die ganze Ordnung der flossenfüssigen Meeressaurier ist definitiv ausgestorben.

Aehnlich ist es mit den grossen landbewohnenden Reptilien aus der Ordnung der Dinosaurier. Noch in der Wealden-Epoche erfüllten sie sumpfige Festland- gebiete mit zahlreichen riesenhaften Gestalten, Fleischfresser wie Pflanzenfresser. Aber bald treten sie zurück. Der obere Grünsand (upper cretaceous grecnsand) von New Jersey liefert die letzten bekannten Dinosaurier-Gattungen. In der Tertiär-Formation erscheint keinerlei Spur von ihnen mehr.

Welches auch die Ursachen des Zusammenbruchs der Hegemonie der grossen Festlandreptilien waren und man kann nur einen der Factoren in der Ver- tilgung ihrer schutzlos der Sonnenwärme überlassenen Eier durch Vögel und kleine Säugethiere erkennen so entgingen doch Crocodile, Eidechsen und Schildkröten dem Erlöschen. Wie und warum dies möglich war, entzieht sich im Ganzen wieder der Ergründung, nur scheint bei den Crocodilen der Rückzug aus dem Meer in das Flusswasser ein maassgebender Factor gewesen zu sein. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich wenigstens auch in anderen Thierklassen wie bei den Stören, den eckschuppigen Ganoiden, den Lurchfischen u. s. w.

Unter den allmählich wirkenden Ursachen der Veränderung der Lebens- formen tritt die zunehmende polare Abkühlung unseres Planeten mehr und mehr in den Vordergrund. Die Ausbildung der klimatischen Zonen beginnt an und für sich unmerklich. Ihr erster Anfang in den Polarregionen ist überhaupt nicht zu ermitteln. Gewisse Andeutungen glaubt man schon in der Meeresfauna der jurassischen Ablagerungen zu erkennen. Die jurassische Landflora, so weit man sie auch in die arktische Region zu verfolgen vermochte, ergiebt noch keinen Beweis von einer bestimmten Sonderung in klimatisch verschiedene Zonen.

Ersichtlicher sind die Wirkungen der zunehmenden polaren Abkühlung be-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

reits in der Kreide-Epoche. Namentlich deuten die in Südeuropa und in Texas entwickelten, dagegen in den nördlicheren Gebieten fehlenden Rudisten-Zonen auf eine bereits eingetretene klimatische Sonderung der Meeresgebiete und ihrer Fauna. Wahrscheinlich war sie für die Bevölkerung des Festlandes noch be- trächtlicher. Wenigstens scheint das plötzliche Erscheinen der Dicotyledonen- Flora in der Mittelregion des Kreidesystems von Deutschland (Cenoman-Stufe) die Folge einer von der arktischen Region ausgehenden Wanderung von Land- pflanzen zu sein. Die ersten Dicotyledonen waren jedenfalls Arktiker und die Fortsetzung der Wanderungen vom Nordpol her gegen den Aequator sehen wir in deutlicherer Weise im Verlaufe der tertiären Floren sich wiederholen. In der antarktischen Region mögen ähnliche Vorgänge statt gehabt haben. Wir wissen aber aus diesem Gebiete überhaupt noch weit weniger als von dem bereits besser aufgeschlossenen Umkreis des Nordpols und augenfällig ist der Gegensatz beider Pole in der Continentalgestaltung. Jedenfalls hat der Nordpol oder vielmehr das ihn umgebende Festlandgebiet sich im Laufe der letzten Jahrzehnte mehr und mehr als die Wiege eines bedeutenden Theils der neueren Lebewelt, zu- nächst der Dicotyledonen und weiterhin der Säugethiere herausgestellt.

Wir wenden uns zur Flora und Fauna des Meeres des Kreide-Systems,

Die Meeresflora ist reich an Fucoiden, die aber wenig von denen der älteren Formationen abweichen. Zoster a- Arten marine Monocotyledonen werden hie und da aus Meeresschichten der Kreide-Epoche erwähnt

Weit mehr interessirt uns der Aufbau der Ablagerung der weissen Kreide (obere Kreide-Formation, Senon-Stufe, dtage senonien) aus mikroskopischen Kokkolithen und Foraminiferen.

Die weisse Kreide oder Schreibkreide ist nach ihren organischen Resten eine ausgezeichnete Meeresablagerung. Fast alle in ihr fossil vertretenen Formen gehören dem Meer und namentlich der offenen Hochsee und zum Theil den grossen Tiefen der See an. Gehäuse von Foraminiferen, Reste von Spongien, Korallen, Gehäuse und Bruchstücke von Conchylien sind überall häufig und namentlich fehlen mikroskopische Foraminiferen, Textularia- Arten, kaum in irgend einem nach geeigneter Vorbereitung unter das Mikroskop gebrachten Kreide-Stückchen.

Ausser diesen gröberen und leichter erkennbaren organischen Einschlüssen ent- hält die weisse Kreide noch einen viel feineren scheinbar erdigen Bestandteil, der sich beim Zerreiben und Abschlämmen als milchige Flüssigkeit absondern lässt. Er überwiegt im Allgemeinen die Masse der Foraminiferen und bildet oft den Hauptbetrag des Gesteins. Untersucht man die Bestandteile der von der Kreide abgeschlemmten milchigen Flüssigkeit unter einem Mikroskop von stärkerer (1000 bis isoofacher) Vergrösserung, so erkennt man, dass auch diese feinsten Theilchen aus regelmässig gestalteten Körperchen bestehen, die vermuthlich eben- falls organischen Ursprunges sind. Man erkennt namentlich runde oder elliptisch- runde Scheiben, die auf der einen Seite abgeplattet, auf der anderen Seite ge- wölbt sind.

Ehrenberg hat 1838 diese feinsten geformten Bestandteile der Kreide ent- deckt. Er betrachtete sie als mineralische Concretionen und nannte sie Krystalloide. Huxi.ey wiederholte 1868 bei Gelegenheit der Untersuchung des kreidearrigen Schlammabsatzes der Tiefen des heutigen Oceans die Prüfung dieser mikro- skopischen Partikelchen und erkannte sie mit Bestandteilen des letzteren im Wesentlichen ident Er erteilte den bis dahin ganz rätselhaften Scheiben-

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Kreide-System.

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körperchen aus der Kreide und den ganz ähnlichen, aber noch reichlicher speci- ficirten und besser erhaltenen des heutigen Tiefseeschlammes den Namen Kokko- lithen (Kemsteine). Er nahm die einen wie die anderen als unzweifelhaft organischen Ursprunges.

Ueberhaupt haben in den letzten zwei Jahrzehnten die Untersuchungen der Tiefseebildungen und die Ermittelung ihrer Entstehung aus theils schwimmenden, theils auf dem tiefen Meeresgrunde lebenden Organismen unerwartet reiche Er- gebnisse geliefert und die Bedeutung dieser neuen Aufschlüsse Mir die weitere Umgestaltung der Geologie und Palaeontologie ist vorläufig noch nicht ganz ab- zusehen.

Aus grossen Meerestiefen wie namentlich vom Boden des sogenannten Telegraphen-Plateaus, welches in beiläufig 10000 Fuss Tiefe = 3048 Meter (von 1450 Faden = 8700 Fuss bis zu 2400 Faden = 14400 Fuss) zwischen Irland und Nord-Amerika (Neufoundland) sich hinzieht, brachte das Loth fast nur einen kreideartigen feinen Kalkschlamm empor. Ausser Kokkolithen enthält der- selbe zahlreiche Kalkschalen kleiner Foraminiferen, vorzugsweise von Globigerina. Mehr oder minder reichlich eingestreut erscheinen darin auch einige Kieselschalen von Polycystinen oder Radiolarien (wie z. B. Haliomma) und Diatomeen (wie namentlich Coscinodiscus). Diese Bodenablagerung auf dem tiefen Telegraphen- Plateau und überhaupt auf einem grossen Theile des tiefen Grundes der Hoch- see muss eine grosse Mächtigkeit haben und ebnet offenbar allmählich den Boden aus, wie jeder andere feine Schlammabsatz, der in einem ruhigen Wasserbecken sich zu Boden schlägt. Er hat eine unbestreitbare Aehnlichkeit mit der Bildung der weissen Kreide oder Schreibkreide, die unter dem Mikroskop neben einer vorwiegenden Menge von Kokkolithen immer eine reichliche Einmengung von Foraminiferen (namentlich Tcxtularia) zu erkennen giebt. Die Aehnlichkeit ist evident, die Abweichungen bestehen in geringen Verschiedenheiten der Gestalt der Kokkolithen, im Vorherrschen der Globigerinen im heutigen Tiefseeschlamm und der Textularien in der Kreide. Dazu kommt die Häufigkeit kieselschaliger Diatomeen und Radiolarien im Tiefseeschlamm und ihr Fehlen in der Kreide.

Mit diesem letzteren Umstand hat es ganz eigene Bewandtniss. Man findet nämlich in gewissen grösseren Tiefen des Oceans einen gefärbten Schlammabsatz mit zahlreichen Kieselschalen von Diatomeen und Polycystinen, aber ohne kalkige Bestandtheile, ohne Kokkolithen und ohne Foraminiferen-Gehäuse. Die Er- klärung geht dahin, dass diese kalkfreien Schlamm-Sedimente des Oceans an Stellen vor sich gehen, wo eine Wiederauflösung von niedersinkenden Kalk- theilchen statt hat. Dies ist nur durch die Annahme abzurunden, dass in ge- wissen Regionen des Meeresbodens eine Anhäufung von Kohlensäure statt hat, (die aus dem tieferen Felsboden sich entwickeln mag) dass diese saure Reaction niederfallende Kalktheilchen auflösst und daher die Kieselschalen von Diatomeen und Radiolarien allein zurücklässt. Diese sehr plausibele Erklärung ist aber auch vice versa auf die Bildung der Kreide anwendbar. Kann aus einem Bodensatz die kohlensaure Kalkerde durch freie Säure ausgezogen werden, so ist auch möglich, dass lösliche Kieselsäure daraus durch eine alkalische Lösung entfernt werden kann. Es ist also anzunehmen, dass die Kreide -Absätze ur- sprünglich auch kieselige Diatomeen, Radiolarien und kieselige Spongien-Skelett- theile enthielten, dieser kieselige Bestandtheil aber nachträglich durch Einfluss alkalischer Reaction aufgelösst und anderen Orts wieder abgelagert wurde. Da- mit ergiebt sich auch die Lösung der Frage nach dem Ursprung der Feuersteine

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

in der Kreideformation. Diese sind dann das Produkt der Auflösung zu Boden gesunkener kieseliger Theile von Diatomeen, Radiolarien und Spongien durch natronhaltige Gesteinsfeuchtigkeit und nachmaligen Absatz der Kieselsäure um besondere Anziehungsmittelpunkte z. B. einzelne grössere Fossil-Einschlüsse.

Es erübrigt uns nun noch, ein Eingehen auf die Frage nach dem besonderen Herkommen der Kokkolithen. Sie sind offenbar organischer Entstehung, aber es war lange zweifelhaft, von welchen Organismen man sie herleiten solle. Huxley 1868 nahm eine die Tiefe aller Oceane zu $ der Erdoberfläche um- spannende teppichartig verfilzte Anhäufung von niederorganisirten schleimigen hüllenlosen Lebewesen an und stellte dafür die Benennung Bathybius auf. Von diesem belebten Meeresgrund-Ueberzug sollten dann die Kokkolithen abgeschieden werden. Aber schon 1875 ist von den Gelehrten der Cballenger- Weltumsegelung dargelegt worden, dass der Bathybius nicht existirt. Dagegen ergab sich mit besserer Beobachtung der Vorgänge, dass im ruhigen Ocean ein fortwährendes und unausgesetztes Niedersinken fester theils schleimiger, theils kalkiger, theils kieseliger organischer Stoffe, namentlich aber kalkiger Theile von theils pflanzlicher, theils thierischer Abkunft statt findet Dieser »Regen« fester Stoffe in der Meerestiefe erzeugt auf etwa \ des Erdumfanges den kalkigen Tiefsee- schlamm und hat wohl in älteren geologischen Perioden so lange schon be- standen, als überhaupt ein Ocean bestand. Was nun im besonderen den Ur- sprung der Kokkolithen der Tiefsee und mithin auch Ehrenberg's Krystalloide der Kreide betrifft, so sind sie nach den neuesten Forschungen der Challenger- Expedition kalkige Abscheidungen aus Meeresalgen. Damit sind die Meeres- algen oder Fucoiden, denen man bisher diese Rolle anzuweisen keinen Anlass gehabt hatte, in die Reihe der am ausgedehntesten wirkenden Agenden mariner Bodenbildung getreten. Wir stehen damit am Rande einer bevorstehenden sehr weit gehenden Veränderung geologischer und palaeontologischer Deutungen der grossen Meeresformationen aller Epochen.

Wir wenden uns wieder zur Meeresfauna des Kreide-Systems. Die Foramini- feren erscheinen in den Gesteinen der Oberregion desselben, namentlich in der Senon-Bildung, der die weisse Kreide angehört, in reichlicher Fülle der Indi- viduen, grosser Anzahl der Arten und Gattungen. Ausgezeichneter Tiefsee- schlamm ist die weisse Kreide oder Schreibkreide und besonders reich an Arten von Jextularia, Globigerina und Rotalia. Auch in glaukonitischen Sand- und Mergel-Lagern erkennt man bei geeigneter Untersuchung noch zahlreiche Stein- kerne von Foraminiferen. Eine Anzahl von denselben Arten leben noch in den heutigen Meeren fort.

In der Meeresfauna der Kreide erscheinen die Spongien noch in demselben, wenn nicht in noch grösserem Formenreichthum wie im oberen Jura, wiewohl sie keine so mächtigen Kalkbänke mehr erfüllen, wie im oberen Jura von Schwaben dies der Fall war. Ausgezeichnet sind besonders die grossen, die Form eines Schirmpilzes nachahmenden Arten von Coeloptychium, namentlich C. agarieoides Gf. in der oberen Region der Senon-Stufe.

Die Anthozoen sind in der Meeresfauna des Kreidesystems nicht minder reichlich als im oberen Jura vertreten, doch sind Riffbildungen nur in wenigen Horizonten entwickelt und nur in geringer Mächtigkeit und Ausdehnung bekannt Korallenrciche Riffe erscheinen in der alpinen Facies der mittleren und oberen Kreide oder den Gosau-Ablagerungen von Salzburg und Nieder-Oesterreich. Am häufigsten sind hier sechszählige Sternkorallen mit den Gattungen Synastraea,

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Thamnastraea , Maendrina, Astrocoenia , Anthophyüum u. s. w. Besonders be- zeichnend für die Gösau-Schichten sind auch die grossen scheibenförmigen Indi- viduen der Gattung Cyclolites (Familie der Fungiden) mit ausserordentlich zahl- reichen Septen. Korallenriffe erscheinen auch in der obersten Kreide von Faxoe in Dänemark. Der Kalkstein von Faxoe ist ein mindestens 13 Meter (40 Fuss) mächtiges Lager von gelblichem Korallenkalk, er besteht fast ganz aus Caiamophyüia Faxoensis.

Die Echinodermen sind in der Meeresfauna der Kreide noch reichlich ver- treten. Die Crinoideen werden spärlicher, die Echiniden dafür reichlicher an Arten und Gattungen. Die Comatulinen oder ungestielten gegliederten Crinoideen vertritt die für die Kreideformation besonders bezeichnende Gattung Marsupites, welche aber an die Crinoidea tesselata der älteren Formationen sich anreiht Dies ist der letzte der Tesselalen (Crinoidea brachiaia tesselata). Bourgueticrinus setzt die Apiocrinen des Jura fort. Die Echiniden erreichen in der Kreide- epoche den Gipfel ihrer Entwicklung, erscheinen in reichlicher Menge der Arten und Gattungen, schichtenweise auch oft in grosser Individuen-Zahl. Die regulären Echiniden sind noch so zahlreich wie in der Jura-Formation, die symmetrischen Formen treten mit den Gattungen Discoidea, Holaster, Galeri/es, Mieraster. Toxaster, Ananchytes stark in den Vordergrund. Asterien erscheinen wie in den älteren Formationen gelegentlich eingestreut.

Von den Bryozoen gewinnen in der Meeresfauna der Kreide mehrere Gattungen, namentlich die blattartig ausgebreiteten Stöcke von Eschara einen wichtigen Einfluss auf die Schichtenbildung, indem manche Lager, wie nament- lich der sogen. Kreidetuff oder die craie tuffeau von Mastricht vorwiegend daraus bestehen.

Die Brachiopoden sind in der Meeresfauna des Kreidesystems beiläufig noch so zahlreich an Gattungen und Arten wie in der Jura-Epoche vertreten. Nament- lich erscheinen Terebratula und Rhy tu hone IIa noch in zahlreichen Arten. Wichtig sind auch noch die Gattungen Terebraieüa, Megerlea, Argiope, Crania, Theeidium. Allein aus der Kreide bekannt ist Magas. Manche noch im Jura vertretenen palaeozoischen Brachiopoden-Formen fehlen der Kreide schon, nament- lich die Spiriferen, die noch im Zeitalter des Jura erloschen.

Die Acephalen-Fauna des Meeres der Kreideepoche entspricht noch sehr der des Jura und setzt deren Reihen fort Namentlich treten die Trigonien und Pholadomyen noch reich an Arten auf. Inoceramus liefert zahlreiche grosse Arten. Wichtig für die Austernbank-Bildung sind noch Ostrea und Exogyra nebst Gryphaea.

Die Rudisten gehören alle dem Meere an und sind in der Kreideformation vertreten durch die Gattungen Hippurites, Sphaerulites, Radiolites, Caprina, Capro- tma. Rudisten in überwiegender Zahl der Individuen fast für sich allein oder in Gesellschaft einiger Korallen und Gasteropoden erfüllen gewisse Lager der Kreideformation im südlichen Frankreich und treten hier bankbildend auf wie sonst Austern und Korallen. Ueberhaupt ist im südlichen Europa in Süd- Frankreich und den Alpen das bankweise Wuchern der Rudisten für die Kreideformation bezeichnend. Auch im südlichen Theile von Nord-Amerika treten Rudistenbänke auf (Kreide von Texas). In den nördlicheren Gebieten, namentlich in Mittel- und Norddeutschland und in England sind Rudisten nur in vereinzelten Exemplaren vertreten, nicht in ganzen Bänken.

Die unterste Rudisten-Zone fällt in den Pyrenäen und Alpen in die oberste

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Region des Neocomien, die von anderen Geologen auch als unterste Regton des Gault betrachtet wird. Es ist der Caprotinenkalk oder Schrattenkalk mit Capro- tina ammonia d'Orb. (Etage Urgonien). Die zweite Rudistenzone fällt in die Ce- nomanstufe und besteht in Süd-Europa aus Kalkstein. Diese führt namentlich Caprina adver sa d'Orb., Caprina triangularis d'Orb., Sphatrulites foliaceus Lam. Die dritte Rudistenzone ist wieder eine kalkige Ablagerung in Süd-Europa, sie ist auch in den Gosauablagerungen der Ostalpen vertreten und lässt sich von Portugal bis Klein-Asien verfolgen. Sie entspricht der Turonstufe und führt Hippurites cornu vaccinum Bronn und Hippurites organisans Desm. Die vierte Rudistenzone in Süd-Frankreich wiederholt zum letzten Male das bankweise Aul- treten der Rudisten. Dahin gehören gewisse ganz aus Rudisten bestehende Kalk- lager der Senon-Stufe. Hier herrschen Radiolites fouanneti d'Orb. und Radioütts Bournoni d'Orb. Dies ist das letzte bekannte Niveau der Rudisten. Aus der Tertiärformation kennt man keine Rudisten mehr. Sie erloschen offenbar mit der grossen Kluft, die Kreide und Eocän scheidet. Mit ihnen erloschen um die- selbe Zeit auch andere Acephalen-Gattungen, wie Exogyra und Inoeeramus.

Aehnlich wie die Acephalen verhalten sich in den Meeresablagerungen des Kreide-Systems die Gasteropoden. Besonders reichlich erscheinen sie in den litoralen Mergelablagerungen der Gösau, die man nach dem Auftreten vieler Gasteropoden-Gattungen, welche man sonst nur aus tertiären Schichten kannte, lange für eine ältere Tertiärschicht nahm. Eine ähnliche Facies zeigt der dem obersten Niveau der weissen Kreide zugezählte Pisolith-Kalk der Umgebungen von Paris. Canalmundige Schnecken sind in der Meeresfauna der Kreide-Epoche schon viel reichlicher als im Jura vertreten. Im Grossen und Ganzen nimmt die marine Gasteropoden-Fauna der Kreide-Epoche eine ausgesprochene Mittel- stellung zwischen der des Jura und des Eocän ein und wird von dem grossen Hiatus, der sie vom letzteren scheidet, nicht in so auffälliger Weise berührt, wie mehrere andere Klassen und Ordnungen der Meeresfauna. Doch fehlt es auch nicht an Gegensätzen. So ist die Gattung PUurotomaria vom palaeozoischen System an bis in die obere Kreide im Allgemeinen reichlich vertreten, oberhalb derselben aber nur noch in sehr wenigen Arten nachweisbar. Nerinea erlischt mit der oberen Kreide und fehlt im Tertiärsystem vollständig.

Die Cephalopoden sind in der Meeresfauna der Kreide-Epoche besonders durch Ammoniten und Belemniten reichlich vertreten. Doch fehlt es auch hier nicht an vereinzelt auftretenden Nautilus- Arten.

Die Ammoniten-Familie gewinnt in diesem Zeitalter noch eine ungewöhnliche Entfaltung in zahlreichen Arten und verschieden gestalteten Gattungen, verliert sich aber noch in den obersten bekannten Schichten bis auf sehr spärliche Ver- tretung und fehlt darnach in allen jüngeren Epochen. Typische Ammoniten mit spiraligem, in einer Ebene eingerolltem Gehäuse und in Berührung bleibenden Umgängen sind in den verschiedenen Etagen der Kreideformation noch in zahl- reichen Arten und häufig auch in grosser Zahl der Individuen vertreten. Dabei zeigen sich in der oberen Kreide (Etage Senonien) noch Exemplare von ansehnlicher Grösse. Ammonites peramplus Sow. erreicht noch i Meter im Durchmesser. Neben diesen typisch eingerollten echten Ammoniten erscheinen aber vom Neocomien an in einzelnen Fällen bereits schon in der Jura-Epoche verschieden ge- staltete Abweichungen in der Einrollung des Gehäuses und mit häufig verkrüppel- ten und regellos verbogenen Exemplaren. Es wird dabei schwer, zwischen einer blossen individuellen Abänderung oder Verkrüppelung, einer eigenen Art und

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Kreide-System.

einer eigenen neuen Gattung eine bestimmte Grenze zu ziehen und für viele Fälle sind die Meinungen der hervorragendsten Palaeontologen getheilt Am grellsten weichen die Meinungen zwischen d'Orbigny und Quenstedt ab, aber es scheint, dass Quenstedt, wie vor ihm L. von Buch, in der Hauptsache auf dem richtigsten Wege waren. Man muss aber auch jetzt noch diesen Gegen- stand mit grosser Vorsicht behandeln.

Bei einer Anzahl von Ammoniten ist das Gehäuse bis zu einer gewissen Altersstufe noch in einer Ebene eingerollt und die Windungen berühren sich noch in geschlossener Spirale. Dann löst sich der letzte Umgang ab, streckt sich gerade aus und biegt sich schliesslich hakenförmig oder knieförmig wieder um. Dies ist die Gattung Scaphites. Das ausgebildete Gehäuse hat eine ge- wissermaassen kahnförmige Gestalt. Die Scaphiten sind besonders im Cenoman, im Turon und im Senon ziemlich zahlreich vertreten.

Andere Ammoniten erscheinen mit Gehäusen, deren Umgänge sich nicht mehr berühren, sondern sich in freier Spirale entwickeln. Dabei treten sehr verschiedengestaltete Gehäuseformen hervor. Crioceras hat spiral gewundene Schale, die Umgänge berühren sich nicht, ' bleiben aber im Grade der Windung sich noch sehr gleich. Arten im Neocomien und im Galt verbreitet Bei Toxoceras ist das Gehäuse nur noch sanft gekrümmt und stellt ein Horn von höchstens einem halben Umgang dar. Die Toxoceren begleiten die Crioceren, von denen sie sonst nicht abweichen. Quenstedt bezweifelt ihre generische Selbständigkeit.

Bei Hamites und Atuyloceras erscheinen langgestreckte Gehäuse, bei denen mit einer gewissen Altersstufe eine hakenförmige Umbiegung eintritt. Bei An- cyloceras hat der erste Anfang des Gehäuses die Crioccras-Form, dann tritt die gerade Ausstreckung und schliesslich noch eine hakenförmige Umbiegung ein. Ancyloceras kommt meist mit Crioceras und Toxoceras in der Unterregion der Kreideformation (Nöocomien, Urgonien und Galt) vor. Hamiten sind häufiger und treten auch noch in der oberen Kreide auf. Die Acten sind aber auch hier noch nicht geschlossen, manches, was man für eigene Arten nahm, mögen blosse Variationen sei es individuelle Verkrüppelung, sei es erbliche Abände- rung — darstellen. Ptychoceras gehört der Crioeeras-Region an und stellt Hamiten dar, bei denen nach der Umknickung der gestreckten Schale, der jüngere Theil sich so dicht an den älteren anlegt, dass er denselben theilweise umschliesst und einen Eindruck von demselben erhält.

Andere Ammoniten-Formen der Kreide-Formation winden ihr Gehäuse in kegliger Spirale, wie das bei Gasteropoden Regel ist, aber die Spirale ist meist links gewunden. Dies ist die Gattung Turrilites. Die unsymmetrische Spiral- windung des Gehäuses hat auch eine entsprechende unsymmetrische Gestaltung der Lobenlinie zur Folge. Auch hier tritt die individuelle Variation oft grell in den Vordergrund. Quenstedt zeigt, dass z. B. unter den Turriliten des Pläners von Böhmen auch Individuen vorkommen, bei denen die Schale anfangs eine rechts gewundene Spirale bildet, dann umbiegt und den jüngeren Theil der Schale in links gewundener Spirale folgen lässt. Die Gehäusespitze steckt hier umgekehrt in der Achse der jüngeren Spirale! (Plänermergel von Postelberg in Böhmen.) Man thut wohl daran, das Auge auf solchen Erscheinungen verweilen zu lassen, um sich klar darüber zu werden, wie nicht blos nach Beispielen der lebenden Welt, sondern auch solchen des geologischen Archives, individuelle Variationen auftauchen und entweder wieder spurlos verschwinden, oder den Grund zur Ausbildung neuer Arten oder Gattungen bilden. Turrilites verdankt

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

offenbar seine Entstehung einer inviduellen Variation eines Ammoniten, die ge- eignet war, sich mit ihrer neuen Erworbenschaft zu erhalten und deren Nach- kommen dann in specirischen und generischen Abstand von der Stammart traten. Der Turrilit mit doppelter Spirale ist auch wieder eine neu hervortauchende Variation, die Ausgangspunkt einer neuen Art und einer neuen Gattung hätte werden können, in diesem Falle aber nicht geworden ist. Turrilitts beginnt im Ndocomien und erhält sich mit einer Anzahl von Arten bis in die obere Kreide.

Weiter abstehend von den eigentlichen Ammoniten verhält sich die Gattung Baculites. Das Gehäuse streckt sich geradlinig aus und bildet einen langen geraden, etwas an den Seiten zusammengedrückten Stab. Die Scheidewände stehen wag- recht zur Streckung des Gehäuses. Die Mündung ist an der Siphonalseite des- selben stark nach vorn ausgezogen und die Zeichnung der Schale wiederholt diese Mündungsform. Die Gattung Baculites, im Jura erst durch eine einzige Art vertreten, reicht in der Kreideformation vom Ndocomien bis in die obere weisse Kreide. Die letzte Art, Baculites Faujasi Lam. erscheint noch im Kreide- tuff von Mastricht und in Korallenkalk von Faxoe, dem höchsten bekannten Horizont der Kreidelormation, in welchem schon kein echter Ammonit mehr gefunden wird.

So erlischt die ganze Ammoniten-Fauna mit Ende der Kreide-Epoche in allen Meeren auf eine noch immer ziemlich räthselhafte Weise. Die darauf folgenden Eocän-Schichten haben nie etwas von Ammoniten geliefert, ebenso wenig irgend eine Tiefe des heutigen Oceans.

Die Belemniten sind zu Anfang der Kreideformation in der Meeresfauna noch ziemlich artenreich vertreten, namentlich noch im Ndocomien. Später werden sie spärlicher. In der Oberregion der Kreide erscheint zuletzt noch die von den echten Belemniten etwas verschiedene Gattung Belemnitella mit einem eigentümlichen Schlitz am Oberrande der Scheide. Belemnitella tnucronata Schloth. ist hier noch zahlreich und weit verbreitet und reicht bis in den obersten bekannten Horizont. Im KreideturT von Aachen und Mastricht ist Belemnitella tnucronata noch allein vertreten und findet sich auch noch in der Korallenschicht von Faxoe auf Seeland. Mit diesen Belemnitellen erlischt die Belemniten-Ordnung für immer und fehlt namentlich, gleich wie die der Ammo- niten, schon in den eoeänen Ablagerungen.

Die Crustaceen sind in der Meeresfauna der Kreide-Epoche hie und da reichlich vertreten. So die Cirrhipedier in manchen Schichten durch Kalkschalen von Pollicipes. Neben den langschwänzigen Dekapoden, die im Verlaufe der Kreide-Epoche in zahlreichen Gattungen und Arten vorkommen, treten hier Mittelformen, wie die Anomuren, endlich die echten Krabben, Decapoda braehyura, die im Jura noch fehlen, zum ersten Male in reichlicher Vertretung auf. Unter Anderem sind Scheeren von Einsiedlerkrebsen (Pagurus oder Mesostylus Faujasi Desm.) häufig in der oberen Kreide von Mastricht u. a. O. Diese gehören zu den Anomuren oder der mittleren Ordnung.

Fische sind in der Meeresfauna der Kreideformation namentlich durch Knorpelfische und echte Knochenfische reichlich vertreten.

Am häufigsten sind vereinzelte Zähne und Flossenstacheln von Knorpelfischen. Die breiten vierseitigen auf der Krone quergerunzelten Mahlzähne von JPtychodus, Ordnung der Cestracionten, sind für Kreideformation bezeichnend. Sehr häufig

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Kreide-System.

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sind scharfe schneidige und spitze Zähne von Haien aus den Gattungen Lamna, Oxyrrhina, Otodus, Corax u. s. w.

Die in der Meeresfauna der Juraformation noch reichlich vertretenen Ganoi- den sind in den Meeresabsätzen der Kreide-Epoche stark vermindert und ziehen sich in die Flüsse zurück, wo sie ein bleibendes Asyl finden.

Die im oberen Jura schon in namhafter Zahl vertretenen Teleostier oder echten Knochenfische setzen in der Kreide-Epoche in wachsender Zahl fort und haben in der oberen Kreide die Ganoiden bereits stark überflügelt.

Die Fauna der Meeresreptilien ist in der Kreide-Epoche arm im Vergleich zu der des Jura. Die ruderfüssigen Enaliosaurier sind in allmählichem Erlöschen, während die Crocodilier anhalten. PUsiosaurus erlischt mit den letzten spärlichen Arten, auch Ichthyosaurus erlischt hier, wenn nicht schon im Jura.

Eine hervorragende Erscheinung in der oberen Kreide sind riesenhafte Meeres-Eidechsen oder Mosasauren. Sie besassen einen hohen schmalen Ruder- schwanz, die Gliedmaassen scheinen mit ausgebildeten aber durch Schwimmhäute verbundenen Zehen versehen gewesen zu sein. Sie sind durch mehrere Gattungen vertreten und nur aus der Kreideformation bekannt.

Ehe wir mit der Meeresfauna der Kreide-Epoche schliessen, müssen wir noch einen vergleichenden Blick auf die obersten bekannten Kreide-Ablagerungen werfen, die im nördlichen Europa in der Richtung SW. und NO. auf eine Ent- fernung von etwa 150 geogr. Meilen in getrennten Fetzen vorkommen.

Dahin gehört der Pisolithkalk der Umgebungen von Paris mit vorherrschen- der Acephalen- und Gasteropoden-Fauna, der Kreidetuff von Mastricht mit Bryo- zoen-Facies, der Korallenkalk von Faxoe auf Seeland. Sie gehören noch der obersten Kreide-Zone an, BelemnUelia mucronata und Baculites Faujasi finden sich noch zu Mastricht und zu Faxoe und erweisen noch die Zugehörigkeit zur cretaceischen Schichtenfolge. Der Pisolithkalk zeigt diese beiden Arten schon nicht mehr und seine Fossilfauna komme der der unteren Eocän-Schichten schon so nahe, dass man ihn bereits für eoeän nehmen würde, wenn er nicht Nautilus Danicus Schloth. mit Faxoe gemeinsam hätte.

Die obersten bekannten Schichten, die man noch zum Kreide-System zieht, zeigen also Bryozoen-, Korallen-, Acephalen- und Gasteropoden-Facies. Es sind demnach Ablagerungen aus seichterem Meere als die darunter liegende weisse Kreide. Es begann also schon eine Hebung des betreffenden Meeresgebietes innerhalb der Kreide-Epoche. Damit verschwindet für uns im erhaltenen Theile des geologischen Archives schon ein Theil der charakteristischen Fauna der tiefen See dieses Zeitalters und sie wiederholt sich auch in der Reihenfolge der Eocän-Ablagerungen nicht wieder. Damit sehen wir uns schon vor der Pforte der Lösung der grossen Frage nach dem Wesen des weit klaffen- den Hiatus zwischen oberer Kreide und unterem Eocän. Wir erkennen, dass die weisse Kreide aus einem viel tieferen Meere stammt, dass die Bryozoen- schichten von Mastricht, der Korallenkalk von Faxoe und die pisolitischen Kalke von Paris schon einer beträchtlichen Erhebung des Meeresbodens entsprechen und dass diese Hebung schon einen namhaften Theil der speeifischen Kreide- Meeresfauna aus dem geologischen Archiv ausgeschlossen hat Wir können weiter schliessen, dass eine noch beträchtlichere Festlanderhebung gefolgt sein muss, vielleicht begleitet von Einsenk ung anderer grosser Festlandgebiete in die unergründliche Tiefe des Oceans. Wir wissen nichts genaueres davon. Wir sehen statt dessen nur eine grosse Lücke im geologischen Archiv. Aber diesem

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206 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

schwierigen Problem kommt die heutige Tiefseeforschung mit überraschenden Funden entgegen, namentlich berührt uns die Nachricht, dass Ananchytiden (wie Pourtalesia) und andere Organismen von cretaceischem oder auch wohl jurassi- schem Typus, die man vordem längst ausgestorben vermeinte, heute noch in den erst kürzlich durch die Sonde des Seefahrers zugänglich gewordenen Tiefen des Meeres fortleben. So reichen sich die Meeresfauna der weissen Kreide und die der heutigen Tiefsee über die ganze tertiäre Schichtenfolge hinaus die Hand und die Untersuchung der Beziehungen zwischen den übereinstimmenden Bestand- teilen derselben stellt neue Aufschlüsse in Aussicht, deren Betrag heute noch nicht abzusehen ist. Wenn wir also über den Ursprung des grossen Hiatus zwischen Kreide und Eocän auch zur Zeit das letzte Wort noch nicht aussprechen können, so sehen wir doch schon, dass ihm bedeutende Aenderungen in der Gestaltung von Festland und Meer zu Grunde lagen, die wohl bedeutender und eingreifender waren, als alle, welche seither stattfanden, und grössere Einwirkung auf die Meeresfauna halten, die der tiefsten Seezonen aber am mindesten be- rührten.

Wir wenden uns zur Flora und Fauna des Festlandes und des süssen Wassers der Kreide-Epoche. Sie ist nur aus einzelnen Horizonten der Schichtenfolge und nur aus wenigen Regionen der Erdoberfläche einigermaassen näher bekannt.

Im südöstlichen England und im nordwestlichen Deutschland, wo gegen Ende der Jura-Epoche unter Eintritt einer Hebung und unter nachmaliger all- mählicher Senkung die fluviomarine Schichtenfolge der Purbeck-Formation ab- gelagert wurde, dauerte, während aus dem Meere die Schichten des unteren Neocomitn abgesetzt wurden, die Süsswasser- und Sumpfbildung fort. Dies ist die Wealden-Formation (Wälder-Bildung), also genannt nach ihrem Vor- kommen in demjenigen Theile der Grafschaften Kent, Surrey und Sussex, welcher the Weald heisst. Es sind theils Sandsteine, theils und zwar in der oberen Region, thonige Absätze, namentlich dunkle Schieferthone voll limnischer und brakischer Conchylien. In Norddeutschland (Deister, Osterwald u. a. O.) kommen in der unteren oder sandigen Region der Wealden-Bildung bauwürdige Kohlen- lager vor, die i 2 Meter und darüber mächtig werden. Es sind besonders bi- tuminöse Kohlen, sie sind meist aus der Anhäuiung von Conifem-Hölzern her- vorgegangen, aber auch Cycadeen und Farnen nahmen daran Antheil. Eine üppige Flora gedieh auf einem morastigen lagunenreichen Küstenstrich und ihre Holzproduction sammelte sich, begünstigt durch eine toribildende Morastvege- tation, zu Kohlenflötzen an. Ihre Abdrücke finden sich trefflich erhalten in den begleitenden Schieferthonen, ähnlich wie die der älteren palaeozoischen Steinkohlenformation. Aber diese Flora schloss sich eng an die der Jura-Epoche an. Es sind besonders dieselben Gattungen von Coniferen, Cycadeen und Farnen in dieser Sumpf- und Strandlagunen-Flora vertreten, die man schon von der rhätischen durch alle jurassischen Zonen kennt. Bezeichnend für diese Vege- tation ist durchweg das reichliche Auftreten der Cycadeen und Farnen. Sie ent- spricht jedenfalls noch einem tropischen feuchtwarmen Klima.

An Zahl der Arten wiegen die Gefässcryptogamen vor. Es sind Equisetaceen (Equisetum), Farnen (Laccopteris, Sagetwpteris u. a.) und Marsiliaceen. Die Cyca- deen sind durch PterophyUumy Anomozamitcs, Podozamites vertreten. Die Coniferen zeigen sich nur in verhältnissmässig wenigen Arten, die aber in grosser Individuen- zahl erscheinen, wie namentlich Abictitts Linkt Roem. Die Monocotyledonen sind nur durch eine zweifelhafte Form vertreten. Die Dicotyledonen fehlen noch,

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Kreide-System.

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doch ist anzunehmen, dass sie damals schon in anderen trockneren Festland- regionen vielleicht um den Nordpol herum ausgebildet waren, denn sie tauchen etwas später und gleich in reichlicher Zahl der Gattungen hervor.

Die Entstehung der Kohle äus Vegetabilien ist auch hier evident. In der Steinkohle der Wealden-Schichten von Stadthagen (Schaumburg) fand Göppert bei mikroskopischer Untersuchung Prosenchym-Zellen mit sogen. Tüpfeln oder Poren, wie sie für Coniferen und Cycadeen bezeichnend sind, ferner kieselige Skelette von Oberhaus-Zellen ähnlich denen der Farnen, kenntlich an der flachen Beschaffenheit und den wellenförmigen Wandungen.

Die Landflora der Kreide-Epoche ist oberhalb der limnischen Wealden- Bildungen bei dem vorwaltend meerischen Charakter der darauf folgenden Ab- sätze — nur in wenigen Horizonten vertreten, oft nur in spärlichen in Meeres- gebilde gelegentlich eingeschwemmten Landpflanzen-Resten. Es sind zum Theil noch Pflanzenformen von dem erörterten Typus der Jura- und Wealden-Flora. In einer etwas jüngeren Schicht in Grönland (unter 70^° B.) fand sich ein ein- zelnes Pappel-Blatt.

Aber in der mittleren Kreide-Region, der cenomanischen Stufe, erscheinen plötzlich in einzelnen Ablagerungen von Europa, wie auch von Nordamerika (Grönland, 70 0 B.) die ersten einigermaassen reichlichen Vertreter der ächten oder angiospermischen Dicotyledonen , von denen bisher wenigstens in Europa im Jura und in Wealden noch keine Spur gefunden worden ist Es sind für Europa muthmasslich neue Einwanderer einer schon längst zuvor ausgebildeten Flora, die bis dahin irgendwo vielleicht auf einem arktischen Festlandgebiete oder in einer Gebirgsregion, von der wir sonst keine Kennt- niss haben uns unbemerkt herangediehen sein mag. Sie scheint der wachsenden polaren Abkühlung der Erde zu entsprechen. Eine Wanderung einer arktischen Flora der Kreide-Epoche in ein südlicheres Gebiet hat aber an sich wenig Auffallendes, da wir solche Verschiebungen der arktischen Festland- flora, wie auch der Fauna in den tertiären Epochen wiederholt und bestimmter sich vollziehen sehen. Osw. Heer's Untersuchungen der verschiedenen Fossilfloren der Nordpolargegend haben diese Annahme der Gewissheit nahe gebracht.

Ausgezeichnete Fundstätten der ersten Dicotyledonen-Flora des europäischen Festlandes sind im Cenoman-Horizonte Mittelregion der Kreide-Formation Niederschöna bei Freiberg in Sachsen, Blankenburg und Quedlinburg am Harz, sowie mehrere Stellen in Böhmen. Zu Niederschöna bei Freiberg erscheint ein Schieferthon, der dem untersten Quadersandstein (oder Cenoman-Quader) ange- hört und Laubhölzer nebst dicotyledonischen Blättern führt Es ist eine auf krystallinischem Grundgebirg abgelagerte Süsswasserbildung, welche nur örtliche Vertiefungen desselben ausfüllt und vom meerischen unterem Quadersandstein überlagert wird. Hier und in den entsprechenden Süsswasser- und Sumpf- Schichten am Harz und in Schlesien finden sich auch geringmächtige Kohlen- flötze abgelagert.

In diesen Ablagerungen der Cenoman-Stufe erscheinen die Dicotyledonen plötzlich mit einer ganzen Reihe von Gattungen und Familien, Salicineen, Erlen, Crednerien, Acerineen, Laurineen u. s. w. Neben diesen Dicotyledonen finden sich auch noch Cycadeen (Pterophyllutn), tropische Coniferen-Formen (Cunning- hamites), Famen und letztere auch noch in baumförmigen Arten. Aber dieser ältere aus dem Jura herüberkommende Bestandtheil der damaligen Festlandflora tritt nach dem Beginn der Dicotyledonen bald merklich zurück, und verliert sich

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

in den mittleren Breiten, theils indem er erlischt, theils indem er weiter gegen den Aequator zu sich verschiebt.

Beiläufig in derselben Schichtenhöhe wie die pflanzenfiihrenden Lager der Cenoman-Stufe von Sachsen und Böhmen finden sich an der Westküste von Grönland (Atanekerdluk anf der Halbinsel Nursoak, 70° nördl. Br.) pflanzenreiche Schichten, welche ausser Farnen, Cycadeen und Coniferen auch eine grössere Anzahl von Dicotyledonen lieferten, darunter Crednerien, Pappeln, Feigen, Magno- lien u. s. w. Diese grönländische Cenoman-Flora schliesst sich der gleichzeitigen von Sachsen und Böhmen sehr nahe an, doch soll die genaue Vergleichung ihrer Bestandtheile darauf hindeuten, dass in Grönland unter 70 0 Br. damals die polare Abkühlung schon merklich weiter vorgerückt war als im sächsisch-böhmischen Gebiet unter 50 0 nördl. Br. G. de Saporta fügt hinzu, dass die Cenoman-Flora von Beausset bei Toulon 43 0 Br. durch geringere Zahl der Dicotyledonen sich auszeichnet und auf wärmeres Klima schliessen lässt, als das nördliche Deutsch- land damals besass. Jedenfalls deutet das Alles sehr darauf hin, dass man die Wiege der Dicotyledonen-Classe in der Nordpolarregion zu suchen hat und dass ihr Vortrab beiläufig um die Mitte der cretaceischen Epoche in Europa Schritt für Schritt vordrang und hier erst die Arten einem wärmeren Klima sich an- passten.

In der oberen Region der Kreide Formation des Westens von Nordamerika in der Dacota-group der Rocky Mountains und noch unterhalb der untersten Eocän-Schichte (Coryphodon-bcds) erscheint in Gesellschaft von Reptilien-Resten eine reiche Fossilflora, die namentlich eine Menge von Dicotyledonen-Blättern aus Gattungen enthält, die jetzt noch im wärmeren gemässigten Klima des öst- lichen Nordamerika lebend vorkommen. Es sind darunter namentlich Arten von Quircus, Salix, Magnolia, Batanus, Liriodendron, Fagus, Alnus, Liquidambar, Sassa- fras, Hedera u. s. w.

Manche dieser Arten aus der oberen Kreide-Region der Rocky Mountains entsprechen deutlich gewissen Arten der heutigen Flora. So entspricht Liqui- dambar integrifolium Lesq. dem lebenden Liqu. styracifluum L. des Ostens der Unionsstaaten. Püttanus primaeva Lesq. ist der Vorläufer von Hat. occidentalis L. einer bekannten Art des atlantischen Ostens. Auch eine Art des sogenannten Tulpenbaumes, Liriodendron erscheint in den pflanzenführenden Lagern der Da- cota-Gmppe und entspricht dem Liriodendron tulipifera L. einer nur in den amerikanischen Oststaaten noch lebend vertretenen Art, der einzigen noch er- haltenen dieser Gattung. Die Dicotyledonen-Flora der DacotaSchichten der Rocky Mountains trägt überhaupt schon so nahe den Charakter der miocänen Flora von Europa, so wie der gleichzeitigen der miocänen Ablagerungen von Nordamerika und der heutigen Vegetation der Oststaaten desselben Gebietes, dass man diese fossile Flora der >Western Territories« anfänglich für miocän zu halten vermeinte. Die neueren Untersuchungen in den Rocky Mountains haben aber herausgestellt, dass die betreffende Fossil-Flora wirklich der jüngeren Kreide- Epoche angehörte und lebende Gattungen schon zu dieser und noch weiter zu- rückreichen.

Darnach waren während der Epoche der oberen Kreide in Nordamerika schon Typen einer Flora vertreten, die in allen wesentlichen Zügen bereits mit jener übereinkommt, welche heute noch in demselben Festland-Gebiet im Be sonderen im milderen Klima der sogen. Oststaaten vertreten erscheint. Auch in der eocänen und der miocänen Epoche war diese dicotyledonische Waldflora

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Kreide-System.

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offenbar in dem gleichen Gebiete verbreitet, wenn auch nicht in identen, so doch in verwandten, die ältere und die heutige Flora verknüpfenden Arten. Es geht daraus das merkwürdige Ergebniss hervor, dass die milden, massig warmen, massig feuchten Waldregioncn der amerikanischen Oststaaten, wie Virginien, Mary- land u. s. w. heutzutage die Hauptzufluchtsstätte einer Dicotyledonen-Flora sind, die in der Kreideepoche in Nordamerika verbreitet war, in ähnlicher Art in Enropa nachzuweisen ist und damals also wohl ein circumpolares Gebiet einnahm. Noch in der mioeänen Epoche waren die Gattungen Liquidambar, Lir'wdendron, Pia- tanus u. a. in der europäischen Flora vertreten, später erloschen sie hier, neuer- dings hat man sie wieder eingebürgert.

Weiterhin ist anzunehmen, dass die cretaeeische Dicotyledonen-Flora ihre ältere Heimath und wohl auch ihre eigentliche Ursprungsstätte in der Nordpolar- Region hatte. Von da strahlte sie nach allen Radien der Festlandgebiete aus. Am getreuesten aber erhielten sich ihre heutigen Ausläufer und nächsten Ver- wandten im atlantischen Ostgebiet der Unionsstaaten. Im wärmeren Asien finden sich auch noch einige Ausläufer jener Flora, z. B. Platanus- und Liquidambar- Arten, hier aber schon mehr zersprengt und vereinzelt.

Wir wenden uns wieder zur Thierwclt. Die Land- und Süsswasser-Fauna der Wealden-Gruppc weicht nur wenig von der der Purbeck-Gruppe ab. Die Süsswasser-Acephalen sind reichlich vertreten durch Arten der Gattungen Cyrcna, Cyclas und Unio. Von Süsswassergasteropoden ist Paludina fluviorum Sow. be- sonders häufig. Ebenso häufig in brakischen Schichten ist Melania strombiformis Schloth. Dazu kommen zahlreiche kleine Cyproiden.

Die Fische sind durch ein paar eckschuppige Ganoiden, namentlich Lepi- dolus Mantelli Ag. vertreten. Auch einige Teleostier der Gattung Lcptoltpis sind zu bemerken.

Von Reptilien erscheinen als Süsswasserbewohner in der Wealden-Gruppe einige Schildkröten (Emys, Trionyx), sowie einige gavialähnliche Crocodile.

Die Dinosaurier bieten im Wealden noch eine ebenso seltsam und aben- teuerlich gestaltete Landbevölkerung, wie wir sie schon aus dem Jura kennen lernten. Sie bewohnten namentlich das ausgedehnte Aestuarium oder Fluvio- marin-Gebiet, in welchem sich die Wealden-Schichten des südöstlichen Englands ablagerten. Hierher gehören von Pflanzenfressern Iguanodon und Hylaeosaurus, von Fleischfressern Megalosaurus und Pelorosaurus.

Von ihnen sind namentlich die riesenhaften plump gebauten Iguanodonten häufig und gut bekannt. Ihr mit starken durch den Gebrauch sich abkauenden Mahlzähnen ausgestattetes Gebiss verräth Pflanzenfresser, die mit Markhöhlen versehenen Gliedmaassenknochen und das starke Heiligenbein deuten auf einen Landbewohner von einer gewissen Analogie mit den grossen Säugethieren der späteren Epochen. Sie bewohnten in grosser Individuenzahl die sumpfige Flussniederung von Südwest-England und mögen besonders von Cycadeen gelebt haben. Tilgate Forest hat zahlreiche Zähne und Skelett-Theile geliefert. Igua- nodon und seine Begleiter bilden in Europa eine geographisch beschränkte Ge- sellschaft. So ist Iguanodon z. B. im Wealden von Nord-Deutschland nur in vereinzelten Zähnen vertreten.

Reichlicher leben sie um diese Zeit in Nord-Amerika. Die Atlantosaurus- Beds der Rocky mountains mit zahlreichen Resten von Dinosauriern, theils Pflanzenfressern, theils Fleischfressern, stellte man eine Zeitlang der Wealden-

Kkkngott, Min., Geol. u. Pal. II. 14

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Formation von Europa gleich, Marsh erklärt sie neuerdings für jurassisch, nimmt aber auch in der oberen Kreide von Nord-Amerika noch Dinosaurier an.

Von der Festland- und Süsswasserfauna der mittleren und oberen Region der Kreide-Formation weiss man bei dem vorwaltend meerischen Charakter der Absätze nur wenig. Süsswasser-Gasteropoden der Gattungen MeJania, Melanopsis, Tanalia und Deianira kennt man aus einigen kohlenführenden Thon- und Mergel-Ablagerungen der Gösau-Bildung der nordöstlichen Alpen. Mit ihnen eine Landschnecke der in Ost-Indien noch lebend vertretenen Gattung Boysia.

Dinosaurier wie Madrosaurus liefert noch die Kreideformation (upper creta- ceous greensand) von New-Jersey.

Die Pterosaurier erlöschen in der oberen Kreide. In Nord-Amerika er- scheinen in der Kreideformation von Kansas als ihre letzten Vertreter die zahn- losen Flug-Saurier oder Pteranodonten und zwar mit ungewöhnlich grossen Arten, deren Flugweite bis auf fünf und zwanzig Fuss (8 Meter) veranschlagt wird.

Sehr merkwürdig sind die Vögel der Kreideformation von Nord-Amerika (Pttranodon-Beds von Kansas). Sie zeigen noch bezahnte Kiefern wie der Archäopteryx des oberen Jura und die Pterodactylen, aber auch Formen mit biconeaven Wirbeln, wie sie bei keiner lebenden Art der Vögel mehr gefunden werden. Diese Zahnvögel, Odontorniihes, der Kreideformation von Nord-Amerika weichen in den vorliegenden Funden weit ab vom Archaeopteryx des Jura und von den Vögeln der Jetztwelt und verkünden eine Phase der geologischen Ent- wicklungsgeschichte der Vögel-Klasse, von der man bis vor Kurzem noch keine Ahnung hatte.

Hcsperornis war ein grosser straussartiger Wasservogel mit verkümmerter Flügelbildung, aber die Kiefern waren bezahnt und die Zähne sassen mit dicken Wurzeln in einer Rinne der langgestreckten Kiefern.

Ichthyornis war ein kleiner fliegender Vogel, aber seine Wirbel waren bi- concav wie die der Fische und der Fischlurche, die Kiefern waren ebenfalls bezahnt, aber die Zähne sassen in eigenen Alveolen.

Während diese beiden Odontornithen-Gattungen aus der Kreide von Kansas Typen von weit untereinander und weit von allen lebend vertretenen Ordnungen der Vögel darstellen, kennt man aus der Kreideformation von Europa nur zer- streute Bruchstücke von Vögeln, aus denen noch nichts Entscheidendes zu ent- nehmen ist, unter Anderem von einem schnepfenartigen Vogel.

Säugethiere-Reste sind im ganzen Bereich der Kreideformation noch nicht beobachtet, aber das Vorkommen von mindestens einem Dutzend Gattungen in der mesozoischen Schichtenfolge vom Keuper an bis zur Purbeckzone lässt mit grosser Sicherheit darauf schliesscn, dass auch während der Kreideepoche das Festland eine schon ziemlich reichhaltige Säugethierfauna beherbergte. Fossile Reste einer solchen treten erst wieder nach Ende der Kreideablagerung in den untersten Eocänschichten hervor. Aber sicher war in Wirklichkeit auch hier der Faden des Lebens nicht unterbrochen, sondern setzte sich in reich- licherer Entfaltung fort.

Ergänzen wir uns diesen Faden in Gedanken nach Maassgabe der aus dem Jura einerseits, den älteren Eocänschichten andererseits wirklich vorliegenden Fossilreste so gelangen wir zur Annahme, dass auf dem Festlande der Kreide-

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epoche ausser Beutelthieren auch schon Nager, ungleichzehige Hufthiere (Ungu- lata perissodaclyla von primitiverer Form als Coryphodon) und Carnivoren (von primitiverer Form als Arctocyon) lebten, deren Reste bisher noch nicht gefunden sind, deren Fund aber früher oder später zu erwarten ist.

Der erste Ursprung der Pflanzenwelt liegt, wenn wir nur an deutliche Fossilfunde uns halten, gleich dem der Thierwelt in räthselhaftcm Dunkel. In den ältesten fossilführenden Schichten des cambrischen Systems und noch sicherer in den darauffolgenden unteren Lagern des silurischen Systems treffen wir beide Reiche mit ihren ältesten Fossilfunden bereits neben einander vertreten und aller Wahrscheinlichkeit nach haben sie auch damals schon, wie es heute der Fall ist, in ihrer Stellung zum allgemeinen Naturhaushalt sich com- pensirt. Die Pflanzenwelt hat offenbar von Anfang an schon Kohlenstoff und Stickstoff aus der unbelebten Umgebung an sich gezogen und damit den für das Gedeihen der Thierwelt erforderlichen Vorrath an organischer Nahrung ange- sammelt. Thiere lebten von Anfang an schon von solcher Pflanzen-Nahrung und gaben mit ihrem Absterben der Pflanzenwelt wieder Gelegenheit, das ge- borgte Material einzuziehen.

Weiter zurück greift die Hypothese vom gemeinsamen Ursprung aller Lebensformen. Nach ihr waren die ältesten einfachsten Organismen nicht Pflanze nicht Thier, sondern erst belebte gallertartige Eiweiss- oder Sarkode-Klümpchen vom primitivsten Bau und entsprechend einfachen Verrichtungen. Aber von ihrem ehemaligen Dasein zeugt kein Blatt des palaeontologischen Archivs und wir können es daher mit kurzer Andeutung der die Lücken des Archivs er- gänzenden Hypothese bewenden lassen. Noch jetzt schwanken zahlreiche primi- tive Lebewesen zwischen Pflanze und Thier und stellen wenig veränderte Ab- kömmlinge der Urformen dar.

Von den ersten noch sehr dürftigen Pflanzenresten der cambrischen und der silurischen Formation an verfolgen wir in den über einander gelagerten Schichten jüngerer Epochen bis dicht an die Schwelle der Jetztwelt die fossilen Ueberbleibsel der ehemaligen Meeres- und Festlandflora erst noch spärlich und dürftig dann in wachsender Mannigfaltigkeit und schliesslich in einem schier unabsehbaren Reichthum der Formen vertreten und je nach dem Mittel des Einschlusses mehr oder minder vollkommen auf uns erhalten.

Aber nicht blos wird die Flora mit der geologischen Aufeinanderfolge mannig- faltiger und reicher. Wir erkennen häufig auch im successiven Auftreten der einzelnen Klassen und Ordnungen des Pflanzenreichs eine chronologische Ab- stufung, die zwar manche Schwierigkeit der Deutung bietet, im Ganzen aber ent- schieden der wachsenden Höhe der Organisation entspricht und einen allmählichen Fortschritt vom einfachen und niederen zum zusammengesetzteren und leistungs- fähigeren darstellt. Algen bilden den Anfang dieser Reihe, Dicotyledonen folgen erst in verhältnissmässig später Epoche. Diese Stufenfolge der Pflanzen- formen haben die Palaeontologen frühe schon erkannt, aber ihren genaueren Ver-

Kryptogamen

Dr. Friedrich Rolle.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

lauf kennt man nur bruchstückweise und Vieles liegt hier noch im Dunklen oder harrt auf die Bestätigung durch glücklichere neue Funde.

Erstlich erscheint die Reihe durch das Fehlen zahlreicher zur fossilen Er- haltung nicht geeigneten weichen und zarten Formen sehr lückenhaft und wird es auch voraussichtlich mehr oder minder immer bleiben. Ausserdem aber ent- hält die Reihe der wirklich fossil vertretenen Formen viele im System der lebenden Pflanzen nicht mehr vorhandene Ordnungen und Familien, die nur schwierig in das botanische System sich einordnen lassen. Dazu kommt der Umstand, dass bei solchen erloschenen Pflanzenformen die besonderen Theile sich oft nur von einander getrennt vorfinden z. B. die holzigen Stämme nur in kieseligen Sandsteinen, die beblätterten Zweige in zarten Schieferthonen. End- lich fehlen die für die botanische Bestimmung und die Feststellung der Organi- sationshöhe so wichtigen Blüthen-Organe bei fossilen Pflanzen in Folge ihres zarten zur Erhaltung in Gesteinsschichten nur sehr wenig geeigneten Gewebes fast durchweg und gehören, sei es an Zweigen, sei es ganz vereinzelt zu den grössten Seltenheiten. Das Alles trägt dazu bei, die Uebersicht des Zu- sammenhanges der urweltlichen Floren unter sich und mit der heute lebenden Pflanzenwelt sehr zu erschweren und nöthigt häufig die Lücken durch annähernde Hypothesen zu ergänzen deren dann zuweilen mehrere möglich sind.

Sicher ist, dass in der geologischen Reihenfolge Kryptogamen voraus gehen und Phanerogamen erst später nachfolgen und sehr wahrscheinlich auch, dass letztere von ersteren abstammen. Aber welche vermittelnde Formen die beiden heute so scharf geschiedenen Hauptklassen des Pflanzenreiches einst mit einander verbanden, ist nicht mehr bestimmt zu erweisen. Vielleicht waren viele der- selben zu weich und zart, um sich fossil erhalten zu können und ihre Reste fehlen daher im heutigen Bestände des palaeontologischen Archivs, werden viel- leicht auch nie mit Bestimmtheit nachgewiesen werden. Es ist z. B. keinesweges nöthig anzunehmen, dass verholzende Cycadeen und Coniferen unmittelbar aus verholzenden Farnen oder Lycopodiaceen hervorgingen. Die vermittelnden Formen können auf beiden Seiten weiche krautartige zur fossilen Erhaltung wenig oder gar nicht geeignete Gewächse gewesen sein, von denen wir nie sichere Funde auftreiben werden. Ebenso problematisch ist die Herleitung der Dicotyledonen von den Gymnospermen.

Während unermesslich langer geologischer Zeiträume war das Pflanzenleben auf Erden im Meer und muthmasslich auch im Süsswasser nur durch Algen und vielleicht auch andere nieder organisirte Ausgangsformen vertreten. Luft-Algen, Lichenen und Pilze folgten ihnen vielleicht schon frühe auf dem Festland, aber ohne fossile Reste zu hinterlassen. Was wir aus diesen frühen Zeiten der Geschichte unseres Planeten positiv kennen, sind dürftig erhaltene Meeres-Algen'(Fucoiden) im cambrischen System. Auch aus dem darauffolgenden unteren silurischen System kennt man bis jetzt fast nur Reste von Meeres- Algen fossil. Um diese Zeit müssen allerdings noch höhere Ausbildungen der Flora des Süsswassers und des Festlandes vor sich gegangen sein. Wir kennen aber aus dieser Epoche keine Festland- und Süsswasser-Ablagerungen und daher auch noch keine reichlicher angesammelten Reste der dahin gehörigen Flora. Hier hat unser Archiv eine weite Lücke. Man kennt aus einer untersilurischen Schicht eine einzelne Farn-Art (Eopteris Morieri). Im oberen Silur-System tritt ferner plötzlich die erste fossil erhaltene Lycopodiacee auf. Dies sind Prothallo- phyten, Landpflanzen von einer bereits höheren Organisations-Stufe, holzige Ge-

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Kryptügamcn.

wächse aus der Verwandtschaft der heutigen Famen und der Lycopodien oder Bärlapp-Gewächse, die zahlreiche uns noch unbekannt gebliebene Zeitgenossen und Vorläufer voraussetzen lassen.

Prothallophyten herrschen neben Meeres-Algen im Devon-System und in der Steinkohlenformation. Auch die ersten Vertreter der Coniferen treten schon im devonischen Horizont auf. In der Steinkohlenformation macht sich darnach eine reichliche Land- und Süsswasser- Vegetation geltend. Die Prothallo- phyten bilden hier grossartige Waldungen von Farnen, Calamiten, Lycopodiaceen, Sigillarien u. s. w. Ihre Kohlenstoff-Ansammlung überwog den Betrag der nach- folgenden Verwesung, wie dies heut zu Tage in Torfmorästeu der Fall ist. Der Mehrbetrag verblieb uns in Gestalt von ausgedehnten mehr oder minder mächtigen Steinkohlen-Lagern und bezeugt die Ueppigkeit und Energie, welche die Land- und Sumpfvegetation in einer so frühen Epoche der Erdgeschichte bereits er- reichte. Zu keiner anderen Zeit haben seitdem so beträchtliche Kohlen-Ab- lagerungen mehr stattgefunden. Unsere heutigen Torfmoore sind zwar ähnliche, aber weit schwächere Anhäufungen von abgestorbener Pflanzen-Substanz und mit viel geringeren Kohlenstoff-Beträgen.

Zur Zeit der Vorherrschaft der baumartig entwickelten Prothallophyten be- gannen auch Holzpflanzen aus den Ordnungen der Cycadeen und Coniferen, das heisst, sie treten bereits fossil in damals abgelagerten Gesteinsschichten auf. Wann diese Ordnungen in ihren frühesten Formen entstanden, können wir nicht mehr ermitteln. Wir vermögen nur zu bestimmen, in welcher Schichtenhöhe ihre ersten hinreichend festen oder verholzten Reste in fossiler Erhaltung an- heben. Coniferen-Hölzer finden sich schon in den devonischen Schichten ver- treten, noch mehr im Steinkohlengebirge. Um diese Zeit mögen auch die ersten Anfangsformen der Cycadeen, vielleicht die ersten Vorläufer der Palmen und anderer verwandter Ordnungen sich ausgebildet haben. Einzelheiten liegen noch mehr oder minder im Dunkeln. Manche fossil erhaltenen Reste aus diesen frühen Epochen kennt man nur bruchstückweise, wie z. B. Trigonocarpum in der Steinkohlenformation allein nur in Form von harten Fruchtkapseln. Solche erst in vereinzelten Theilen bekannt gewordenen Pflanzenreste aus früher Zeit sind überhaupt nur schwer ins System einzuordnen und bleiben oft vor der Hand problematisch, wie die Trigonocarpen, die man bald für Früchte von Cycadeen, bald von Palmen, bald von einer besonderen Familie der Monocotyledonen er- klärt hat. Die ältesten sicher erhaltenen Cycadeen-Reste zeigen sich in spär- lichen Funden in der Steinkohlenformation, die ersten Coniferen spärlich im devonischen System, dann reichlicher in Steinkohlenschichten. Die ersten einiger- maassen sicher erhaltenen Reste von Palmen fallen mit anderen mehr oder minder problematischen Vertretern der Klasse der Monocotyledonen in den Horizont der Steinkohle. Neuere Botaniker ziehen ein so frühes Auftreten dieser Klasse überhaupt noch in Zweifel. Sehr problematisch ist der erste Ursprung der Di- cotyledonen, der von Cycadeen, aber auch wohl von Coniferen und von Mono- cotyledonen hergeleitet werden kann. Die ersten sicher bestimmbaren Dicoty- ledonen-Reste stammen aus der Kreide-Formation und gehören besonders zu den einhüllig blühenden Formen oder Monochiamydeen (Apetalen). Ihr ältester bekannter Vertreter ist ein Pappelblatt aus einem Nttocomien-Lager in Grönland was auf arktischen Ursprung der Dicotyledonen-Klasse überhaupt deutet.

Es bleibt also zwar Vieles in der geologischen Geschichte der Pflanzenwelt noch lückenhaft und problematisch, im Ganzen ergiebt sich aber aus der Ueber-

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Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

sieht der uns in Gestalt von fossilen Funden zahlreich vorliegenden Bruchstücke eine von Epoche zu Epoche fortschreitende Stufenfolge von niederer zu höherer Organisation, ähnlich wie sie auch die geologische Geschichte der Thierwelt herausstellt.

Von den Algen des cambrischen und silurischen Systems an stieg mit dem Verlaufe der successiven Formationen die Pflanzenform zur höheren und höchsten Stufe der Organisation und erst verhältnissmässig spät tauchen die Dicotyledonen hervor. Dabei erhielten sich Vertreter vieler niederer Ordnungen und Familien mehr oder minder fort, insoweit sie eine gegen die Mitbewerbung höherer Formen gedeckte Stellung im Naturhaushalt einnahmen, wie dies namentlich im Meer, in Flüssen und Sümpfen der Fall gewesen ist. Hieraus ging die von Epoche zu Epoche zunehmende Mannigfaltigkeit der Typen sowohl der Familien als der Ordnungen und Klassen hervor, wie sie namentlich aus der Vergleichung der verhältnissmässig gut bekannten Steinkohlenflora mit der heutigen Epoche in schlagender Weise sich darstellt. Die Flora der Steinkohlen- Epoche enthält nach unserer dcrmaligen Kenntniss der fossilen Funde nur etwas über 800, höchstens 1000 Arten, darunter einige Algen, sehr zahlreiche Pro- thallophyten, einige Cycadeen, Coniferen und einige mehr oder minder zweifel- hafte Monocotyledonen. Nehmen wir auch an, dass damals noch eine Anzahl anderer zu fossiler Erhaltung nicht wohl geeigneter Ordnungen lebend vertreten waren, so bleibt es doch unverkennbar, dass die Flora jener Epoche eine grosse Einförmigkeit zeigte, die von der reichlichen Mannigfaltigkeit der heute lebenden Pflanzenwelt grell abweicht. (Diese letztere enthält allein schon an Phanerogamen weit über 100000, vielleicht 160000 Arten).

Aehnliches ergiebt die Vergleichung der der Steinkohlenepoche folgenden Floren der jüngeren Formationen, nur dass in diesen die Ordnungen und Familien von höherer Organisation successiv bald hie bald da anwachsen und der Gegen- satz zur Flora der heutigen Erdoberfläche allmählich schwindet. Wie in der Steinkohlenepoche und noch in der permischen Epoche die Prothallophyten die Hauptrolle spielen, so im Trias und Jura die Cycadeen und Coniferen. Die Kreide-Epoche erscheint als ein nach Ort und Zeit schwankender Kampf um die Hegemonie zwischen Cycadeen und Coniferen einer-, Dicotyledonen anderer- seits. Aber mit Beginn des Tertiärsystems haben die Dicotyledonen auf dem Festland schon ziemlich so die Hegemonie erstritten, wie sie heute noch sie be- haupten. Die niedriger organisirten Pflanzenordnungen erscheinen jetzt aus zahl- reichen Stellen des Naturhaushaltes, die sie ehedem einnahmen, verdrängt und müssen gleichsam mit dem Gebiete vorlieb nehmen, welches die Dicotyledonen ihnen übrig lassen. Dies ist z. B. für die letzten heute nur noch in unansehn- lichen Formen ihr Dasein fristenden Equiseten und Lycopodiaceen ersichtlich. Sie leben gleichsam nur noch als geduldete Gäste oder herabgekommene Epi- gonen, wo die übrige Vegetation ihnen eine Stätte gönnt.

Nach dieser allgemeinen Uebersicht der geologischen Geschichte der Pflanzenwelt können wir im Besonderen zu den Kryptogamen, auch Sporo- phyten oder Acotyledonen, übergehen.

Die Kryptogamen oder die blüthenlosen und geheim blühenden Gewächse, welche Linne in der XXIV. Klasse seines auf die Biüthenorgane gestützten Systems vereinigte, haben im Verlaufe der eingehenderen besonders der mi- kroskopisch-anatomischen ~t Forschung eine grosse Mannigfaltigkeit der Ab- theilungen und einen grossen Abstand in deren Organisation ergeben. Dieser

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Kryptogamen.

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Gegensatz der engeren Abtheilungen der Kryptogamen hat sich auch in der geologischen Geschichte soweit überhaupt die Erhaltungsbedingungen der die Fossilien beherbergenden Gesteinsschichten es gestatteten in ausgezeichneter Weise für eine zahlreiche Reihe von fossilen Formen aus verschiedenen Ordnungen und Familien herausgestellt. Die Kryptogamen sind somit sowohl im System der Pflanzenwelt, als auch in ihrer geologischen Geschichte eine natürliche Abtheilung, die man festhalten darf und muss. Aber noch in ihrer heute lebenden Vertretung verknüpfen sie im Gegensatz zu den Phanerogamen fast nur negative Charaktere. Am meisten durchgreifend ist die Vermehrung durch Sporen, sie findet sich aber auch bei den niedersten Formen noch nicht ausgebildet.

In der Flora der Jetztwelt liegt jedenfalls eine weite Lücke zwischen Krypto- gamen und Phanerogamen. Sie wird nur wenig ausgeglichen durch gewisse Analogien zwischen dem Vegetativkörper der Moose und Lycopodiaceen einer- seits, dem der Coniferen andererseits wie auch zwischen Farnen einerseits und Cycadeen andererseits. Dies sind hauptsächlich nur Aehnlichkeiten in der äusseren Tracht des vegetativen Pflanzentheils, die nicht gerade sicher leiten, gewöhnlich auch in einer Klasse nicht vollständig durchgreifen. Wichtiger aber sind die Züge von Affinität zwischen den Fructificationsorganen und der Keimung der Selaginellen und Isoeten (Lycopodiaceae heterosporae) einerseits und denen der Cycadeen und Coniferen (Phanerogamcu gymnospermae) andererseits. Auf diese lässt sich schon eher fussen. Sie deuten schon näher die Stelle des Systems an, auf welche die geringste Distanz fällt.

Für die geologische Entwicklung der Pflanzenwelt hat man aber auch die meistentheils negativen Charaktere, welche die Kryptogamen heutzutage von den Phanerogamen unterscheiden lassen, als hinfällig zu nehmen, insofern als Gründe zur Hypothese vorliegen, dass in älterer Zeit etwa in der silurischen oder mindestens in der devonischen Epoche Cycadeen und Coniferen aus gewissen Formen der Kryptogamen sei es nun der Farnen oder der Equisetaceen oder der Lycopodiaceen durch Umgestaltung der Organisation hervorgingen und mit- hin vermittelnde Formen einst bestanden, welche von Kryptogamen zu Phanero- gamen überführten. Ueberdies sind die Sigiliarien der Steinkohlenformation (mit den Stigmarien) schon zur einen und schon zur anderen Hauptklasse gerechnet worden, ebenso die Nöggerathien und die Trigonocarpen.

Die Kryptogamen in ihrer heute lebenden Vertretung zerfallen naturgemäss nach äusserer Form und innerem Bau in zwei grosse Hauptabtheilungen 1 . Thalluspflanzen oder Lagerpflanzen, Thallophyta und 2. Prothalluspflanzen oder Prothallophyten, Prothaüophyta. Aber schon die Characeen nehmen eine Mittel- stellung ein, sie werden von einigen Botanikern den Algen (Thallophyten), von anderen den Moosen (Prothallophyten) zugesellt und nehmen offenbar eine mittlere Stellung ein. Noch mehr solcher vermittelnder Formen muss es in den älteren Formationen (beiläufig in der cambrischen und der silurischen Epoche) gegeben haben, denn man hat guten Grund die Thallophyten als Wurzel der Prothallophyten wie letztere als Wurzel der Phanerogamen zu betrachten. Wie dem nun auch sei, bleibt jedenfalls die Unterscheidung von Thallophyten, Prothallophyten und Phanerogamen der wichtigste Ausgangspunkt für Uebersicht der lebenden Pflanzenwelt und der fossilen Pflanzenreste, sowie für Ergründung ihrer geologischen Geschichte.

Nächstdem ist auch für die Botanik wie für die Palaeontologie die Unter-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Scheidung von Zellenpflanzen (plantae ctüulares) und Gefäss pflanzen (plantae vasculares) von Wichtigkeit. Aus blossem Zellgewebe bestehen die Thal- lophyten (Algen, Flechten und Pilze), die Characeen und einige Prothallophyten (die Moose und die Lebermoose). Gefässe oder Tracheiden (vasa) zeichnen die meisten Prothallophyten und fast sämmtliche Phanerogamen aus. Die Bezeichnung > Gefäss-Kryptogamcn* fällt also mit der Mehrzahl der Prothallophyten zu- sammen. Sie kommt den Equiseten, Farnen und Lycopodiaceen zu. Bei einem Theil der Lebermoose kommen die frühesten Andeutungen von Gefässsträngen vor, aber noch fehlen ihnen wahre Gefässe.

Wir beginnen mit der am einfachsten organisirten Hauptabtheilung des Pflanzenreichs, den Lagerpflanzen oder Thallophyten, Thallophyta.

Ihr Körper ist entweder eine einzelne Zelle oder ein mehrzelliges Lager (thallus), ein Zellgewebe ohne Ausbildung von Gefässen und Gefässbündeln, meist «auch ohne Andeutung eines Gegensatzes von Stamm-, Wurzel- und Blatt- bildung. Nur einige höhere Formen praludiren in dieser Hinsicht gewissen Ge- stalten von Prothallophyten und Phanerogamen, ohne übrigens deren Ver- schiedentlichung von Achsen- und Anhangs -Organen zu erreichen, auch ohne einen eigentlichen Holzkörper auszubilden.

Die Thallophyten stellen drei einander fast gleichwerthe Klassen dar, in denen sich oft sehr ähnliche Typen in bemerkenswerther Parallele zeigen, so dass bisweilen eine Artengruppe nur nach reiflicher Untersuchung ihrer wahren Klasse eingeordnet werden kann.

Diese drei Thallophyten-Klassen sind die Algen, die Pilze und die Flechten.

Die Algen, Algae, besitzen chlorophyllhaltige Zellen und kommen darin mit den Prothallophyten und Phanerogamen überein, deren ältere Wurzel auch allem Anschein nach in ihnen zu suchen ist. Sie werden auch mit denselben als besondere Abtheilung, Grünpflanzen (plantae chlorophylkae) zusammenge- fasst. Sie finden ihre Ernährung in Wasser und Atmosphärilien, athmen Kohlen- säure ein und hauchen Sauerstoff aus. Die Algen sind fast alle Wasser- und be- sonders Meeres-Bewohner.

Die Pilze, Mycetes, wiederholen in ihren niederen Formen noch mehr oder minder die Gestaltung der Algen, was namentlich von den sogen. Algen- pilzcn (Phycomycetes) gilt. Aber ihre Zellen sind sämmtlich chlorophyllfrei. Ihre Ernährung ist der der Thierwelt zu einem gewissen Grade ähnlich, sie ernähren sich von bereits gebildeter Pflanzen- oder Thiersubstanz und hauchen Kohlen- säure aus. Sie sind fast ohne Ausnahme Festlandbewohner und bewohnen oft als Schmarotzer lebende Pflanzen und Thiere.

Die Flechten, Lichcnes, vereinigen Charaktere der Algen und der Pilze und ahmen zuweilen Gestalten der einen oder der anderen Parallelklasse nach. Ihr Thallus besteht aus zwei besonderen Lagen, einem inneren Gewebe von chlorophyllhaltigen algenartigen Zellen oder Gonidien und einem umgebenden chloropliyllfreicn pilzartigen Gewebe. Nach neueren Untersuchungen ist über- haupt die Flechte ein Pilz, der sich im Keimen einer grünen Alge bemächtigt hat und sie gleichsam in dienstbarem Verhältniss erhält. (Also eine fortdauernde Synthese heterogener Elemente zu einem einheitlichen Pflanzenkörper.) Die Flechten leben an der Luft und sind fast ohne Ausnahme Festlandbewohner. Einige leben sogar ähnlich wie Pilze unter der obersten Rinde von pha- nerogamischen Holzgewächsen.

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Kryptogamen.

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Im geologischen Archiv spielen die drei Klassen der Thallophyten eine sehr ungleiche Rolle. Jedenfalls war während ungeheuer langer Zeiträume das Pflanzenleben auf der Erde nur durch Thallophyten vertreten. Unter ihnen spielten die Tange oder Algen des Meeres die Hauptrolle. Wenigstens gehören noch alle wirklich fossil erhaltenen Pflanzenreste der ältesten fossilführenden Schichten namentlich im cambrischen System, in der Primordialzone und der Mehrzahl der übrigen untersilurischen Ablagerungen den Meeresalgen an. Süsswasser- Algen und landbewohnende Luft-Algen, Pilze und Flechten können gleichzeitig schon vermuthet werden, sind aber durch Fossilreste in sehr alten Schichten noch nicht oder wenigstens noch nicht sicher erwiesen. Sie treten mit Evidenz erst in weit höheren Schichten auf, in denen sich gelegentlich die Erhaltungsbedingungen günstiger für sie gestalteten wie dies zumal während der Tertiärepoche im Bernstein der Fall war, der sogar die Reste von Proto- kokken und von zahlreichen Pilzen und Flechten uns erhalten hat.

Wir beginnen mit der grossen, auch im geologischen Archiv reichlich ver- tretenen Klasse der Algen (AcotyUdoneac cellulares chlorophylleac). Es sind Zellenpflanzen mit chlorophyllhaltigen Zellen. Die grosse Mehrzahl bewohnen das Meer oder das Süsswasser, nur sehr wenige das Festland (Baumrinden und feuchte Felsoberflächen.*)

Diese zahlreiche Klasse begreift eine grosse Mannigfaltigkeit der Formen und Organisationsstufen von der einfachen mikroskopisch kleinen Zelle der Protococcus-Kx\.fzxv und den linear an einander gereihten Zellen der Faden-Algen (Conferven, Zygnemen u. s. w.) an bis zu den hoch organisirten Braun- oder Schwarztangen und Rothtangen unserer Meere, deren Thallus oder Lager ob- schon die Zellen noch untereinander sehr gleichartig oder nur wenig differenzirt sind doch zum Theil schon in einer an Stengelpflanzen erinnernden Weise in Stengel, Blätter und Wurzeln abgegliedert erscheint. Von diesen hoch orga- nisirten Algen -Formen erreichen besonders die Macracystis- Arten, namentlich M. pyrifera Ag. an den Küsten von Süd-Amerika (57 42 0 südl. Br.) eine riesige Grösse. Diese wachsen bis zu der im ganzen übrigen Pflanzenreich nicht mehr vorkommenden Länge von 1 2 300 Metern und darüber. Von diesen höheren Algen-Formen treten auch die Sargassu/H-Arten auffallend in den Vordergrund. Weit ausgedehnte Sargasso-Wiesen, aus schwimmenden und vegetirenden Exem- plaren von Sargassum baeeiferum Ag. (Fucus natans L.) bestehend, bedecken einen grossen Theil des Atlantischen Meeres zwischen den Azoren und den An- tillen.

Bei einer grossen Anzahl von Algen ist das Lager so dünnwandig und zart, oft auch so mikroskopisch klein, dass wenig oder gar keine Möglichkeit fossiler Erhaltung vorliegt. Sie fehlen bis auf spärliche Funde im geologischen Archiv.

Bei anderen ebenfalls mikroskopisch kleinen Algen scheidet die zarte Zell- membran ein festeres, oft sehr zierlich geformtes Kieselskelett ab. Dies ist namentlich bei den Diatomeen (den kieselpanzerigen Infusorien älterer Natur- forscher) der Fall. Sie sind in ausgezeichneter Weise der fossilen Erhaltung fähig, finden sich häufig in Tertiärablagerungen und setzen zuweilen in Süss- wasserbecken ansehnliche Schichtenfolgen zusammen.

Sehr häufig in den Meeresabsätzen der verschiedenen geologischen Forma-

*) Die Benennung Fucoiden, Futoidcae, bezeichnet bald Meeres-Algcn Uberhaupt, bald die Braun- oder Schwarttange im Besonderen. Die fossilen sind in der Regel nicht genauer zu classificiren und werden daher schlechtweg als Tange, Meerestange, Fucoiden aufgeführt.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

tionen bereits vom cambrischen und silurischen System an sind die festeren lederartig zähen Stengel, Zweige und Blätter von grösseren Brauntangen und Rothtangen und stellen einen grossen Reichthum an Familien, Gattungen und Arten dar. Aber ihre Erhaltung ist meist sehr unvollständig und ihre nähere Bestimmung lässt oft viel zu wünschen übrig. Schon im silurischen System er- scheinen sie in besonderen Schichtenzonen z. B. im Fucoiden-Sandstein von Schweden in ungeheurer Individuenzahl, aber in meistens oder durchweg üblem Erhaltungszustand. Sie scheinen hier zuweilen Anlass zur Bildung von Alaun- schiefern und von dünnen Anthracit- Klötzchen gegeben zu haben. Ja auch die zuweilen mächtig entwickelten Graphitlager in Gneiss und Glimmerschiefer leitet man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von reichlich angehäuften Absätzen von Meeresfucoiden her, allerdings ohne es näher erweisen zu können.

Von anderer Bedeutung ist die reichliche Kaikabscheidung im Inneren der Zellen von Nulliporen (Rothtangen). Ihr Stock versteinert gleichsam schon bei Lebzeiten. Sie bilden in mässiger Meerestiefe dem Strande entlang ansehnliche Riffe. Mächtige Nulliporenlager erscheinen als Randbildungen in den mioeänen Meeresablagerungen des Wiener Beckens.

Auch die mikroskopisch kleinen aus Kalk bestehenden Kokkolith en des heutigen Tiefseeschlammes und der weissen Kreide, die Ehrenberg aus letzterer zueist unter der Bezeichnung Krystalloide oder Morpholithe beschrieb, werden von neueren Forschern als kalkige Ausscheidungen mikroskopischer Meeresalgen betrachtet. Sie häufen sich auf dem Boden grosser Meerestiefen in beträchtlichen Mengen an und derselbe Vorgang fand wohl auch schon in älteren Epochen statt.

Was die Fortpflanzung der Algen betrifft, so vermehren sich zahlreiche, meist mikroskopisch kleine einzellige oder zu mehreren locker angehäufte Formen noch durch einfache Zelltheilung. Eine höhere Stufe von theils einzelligen, theils Fadenalgen zeigt ausser der Zelltheilung auch mehr oder minder häufig eine Vermehrung durch Conjugation, d. h. Vereinigung zweier benachbarter Zellen (zum Theil selbst von verschiedenen zufällig nebeneinander liegenden Fäden), Zusammenballung des gesammten Inhalts beider Zellen und Ausbildung einer grossen Spore oder Zygospore. Dies sind die Zygosporeen, zu denen die Diatomeen, Desmidiaceen und Zygnemen gehören. Bei den übrigen Ordnungen der Algen, sowohl bei einigen einzelligen und fadenbildenden Formen, als auch bei den höchsten Stufen der Organisation, die von der Algenklasse überhaupt erreicht wird besonders bei den Brauntangen und den Rothtangen kommen noch verschiedene Arten der Fortpflanzung vor, so namentlich eine durch freie Zellbildung eingeleitete Erzeugung von frei schwimmenden Schwärmsporen (Zoosporen) und eine durch geschlechtlich verschiedentlichte Organe (Oogonien und Antheridien) bedingte Erzeugung einer Eispore oder Oospore. Wir haben für palaeontologische Zwecke nicht nöthig, auf diese verschiedenen, oft höchst merkwürdigen Arten der Fortpflanzung der Algen näher einzugehen, auch nicht nöthig, das ganze auf dieselbe gestützte, sehr complicirte und dermalen theil- weise selbst noch sehr schwankende System der Klasse zu erörtern. Der Grund davon liegt darin, dass von der Art der Fortpflanzung der vorweltlichen Algen so gut wie gar nichts bekannt ist und selten mehr als die sehr derben Theile des Thallus in den verschiedenen geologischen Ablagerungen fossil auftreten, überhaupt deren bestimmte Beziehung zum natürlichen System der heute lebenden Algen gewöhnlich nur annähernd zu ermitteln ist.

Wir gehen nunmehr zur Erörterung der fossil vorkommenden Vertreter der

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Kryptogamen.

verschiedenen Ordnungen der Algen über, doch ohne eine gleichmässige Be- rücksichtigung aller Ordnungen zu treffen und selbst ohne eine bestimmte systematische Unterbringung aller fossilen Ueberbleibsel verbürgen zu können. Die einzelligen Algen (Unicellulariae) gehören nach den neueren Botanikern zwei Hauptabtheilungen der Algen an, den Phycochromaceen, deren Chloro- phyllgehalt durch andere Farbstoffe versteckt gehalten wird und den Chloro- phyllaceen, bei denen derselbe im Vordergrund steht. An fossilen Resten ist dieser Unterschied nicht durchzuführen. Die Mehr/ahl der einzelligen Algen sind ohnehin von so geringer Grösse und von so zarter Beschaffenheit, dass sie unter gewöhnlichen Umständen zu fossiler Erhaltung nicht geeignet erscheinen. Dahin gehören unter anderen die Protocoeeas-kxtew, die z. Th. an feuchten Fels- wänden und manchen Baumrinden gedrängte pulverige Ueberzüge bilden (sogen. PMKSTLEY'sche grüne Materie). Während diese zarte winzig kleine Vege- tation in unseren Tagen zu vielen Tausenden jährlich kommt und so gut wie spurlos wieder schwindet, hat sich gleichwohl unter sehr günstigen Bedingungen auch eine vorweltliche Art fossil erhalten. Sie ist in Bernstein als Ueberzug auf Rindeneinschlüssen nachgewiesen worden.

Ebenso ungünstig gestellt in Bezug auf deutliche Erhaltung in Gesteins- schichten jeder Art sind die Fadenalgen, deren Zellindividuen sich vorzugs- weise durch Theilung vermehren und eine mehr oder minder gestreckte cylin- drische Gestalt zeigen. Fadenalgen von mehr oder minder zartem Gewebe treten in verschiedenen Ordnungen der Algenklasse auf. Namentlich gehören dahin die Con/erueae, mehrzellige Grünalgen, deren Stock Spitzenwachsthum zeigt und einfache oder verästelte Zcllenreihen darstellt. Einfach sind die Fäden bei Can- ferua, verästelt bei Cladophora. Diese grünen Fadenalgen mit mancherlei anderen Algenformen, z. B. Zygnemen und Oscillarien gemischt, bilden in Bächen und Flüssen, Teichen und Sümpfen bald verworrene Watten, bald gestreckte fluthende Rasen. Sie nehmen einen gewissen hin und wieder beträchtlichen An- theil an der Bildung des Torfes, wobei aber ihre nähere organische Gestalt un- kenntlich wird, sodass die Merkmale der Bestimmung verloren gehen. Denselben Antheil nahmen zahlreiche Fadenalgen allem Vermuthen nach auch schon im tertiären Zeitalter an der Bildung der Braunkohlenlager. Confervenartige nicht wohl näher bestimmbare Reste sind häufig in gewissen papierartig dünnblättrigen Braunkohlenschichten, der sogen. Papierkohle.

Geologisch wichtig ist auch die kalkabscheidende Thätigkeit zahlreicher ein- und mehrzelliger Algen des süssen Wassers, namentlich der Conferven. Indem sie aus kalkhaltigem Wasser insbesondere den aus Kalkgebirgen hervortreten- den Quellen Kohlensäure aufnehmen, veranlassen sie einen Niederschlag von kohlensaurer Kalkerde, welche die Algcnvegetation allmählich einwickelt Manche Kalktuffe oder Travertine sind auf diese Weise entstanden andere mehr unter Einfluss von Moosen. Auch viele tertiäre Süsswasserkalke mögen unter wesent- licher Mitwirkung grüner Algen abgesetzt worden sein, z. B. ein Theil des mittelter- tiären Landschneckenkalkcs von Hochheim bei Mainz (Confcrva crinalis Ludw.).

Die Ulven (Ulvaccac) sind grüne Chlorophyllalgen (Chlorophyllaccae), deren Lager durch eine in zwei Richtungen vor sich gehende Zellentheilung eine flächen- hafte Ausbreitung erlangt und bald flache oder gekräuselte Bänder oder Häute, bald hohle Schläuche darstellt. Einige Ulven, wie die in Schlauchform sich ent- wickelnden Enteromorphen bewohnen das Süsswasser und das Brackwasser. Die meisten Ulven gehören dem Meere an, wo sie besonders in der Ebbelinie des

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Strandes vegetiren. Sie erreichen bis i Fuss Länge. Bei allen Ulven ist das Lager, auch wenn es ansehnliche Flächenausbreitung erlangt, von zarter Be- schaffenheit und wenig oder gar nicht zur fossilen Erhaltung geeignet. Bisweilen gelangen sie mit anderen Meeresalgen in Torfbildungen an flachen Meeresküsten.

Etwas mehr kommen für Geologie und Palaeontologie die Sip hone en oder Schlauchalgen, Siphoncae, in Betracht. Es sind Chlorophyllaceac von einzelligem aber mehr oder minder reichlich verzweigtem Vegetativkörper, der, sobald er aus der vegetativen in die generative Stufe tritt, die Fortpflanzungsorgane in be- sonderen Zellen abscheidet. Die einzige meist sehr grosse sack- oder schlauch- förmige vegetative Zelle vergrössert sich durch Spitzenwachsthum und mehr oder minder hervortretende Verästelung und Verzweigung. Zugleich wächst sie mit einem wurzelartigen Gebilde fest, das eine untere Verzweigung desselben ein- zelligen Individuum ist. Dadurch entstehen oft ansehnliche mannigfaltig differen- zirte Gewächse und zwar zum Theil in Gestaltungen, die höheren Pflanzenformen, selbst beblätterten Phanerogamen, auffallend präludiren und Stengel, Wurzeln und wohlgestaltete Blätter unterscheiden lassen. Hier kommen die grössten Pflanzen- zellen vor und ihre Membran erlangt auch eine entsprechende Derbheit Die Fortpflanzungsorgane bilden sich aber meist erst in Ausstülpungen, die zu be- sonderen Zellen sich gestalten. Schwärmsporen sind vorherrschend.

Siphoneen kommen im Süsswasser und im Meere vor. Im Süsswasser auch zuweilen auf feuchtem und zeitweise überschwemmten Boden leben die Vau- cheria- und Botrydium- Arten, letztere birnförmig, erstere vielfach verzweigt. Die unter Wasser vegetirenden Vaucherien betheiligen sich sowohl bei der Torf- bildung, als bei der Fällung von Kalk aus kalkhaltigen Quellen. Ludwig glaubt eine aus dünnen Verzweigungen einer Zelle bestehende Vatuheria in der plio- cänen Braunkokle von Dorheim zu erkennen (V. antiqua L.).

Zahlreicher sind die Siphoneen-Gattungen des Meeres. Bei Cauurpa bildet die Zelle einen kriechenden Stengel mit wurzelartigen Ausstülpungen und auf- rechten blattartigen Ausbreitungen, welche ganzrandige oder am Rande gesagte oder gefiederte Blätter darstellen. Der ganze vegetative Körper ist eine einzige Zelle, welche in der Gestaltung ihrer Ausstülpungen einer oder der anderen höheren Pflanzenform z. B. Lycopodiaceen oder Coniferen präludirt. Man kennt eine Anzahl hierhergehöriger Formen im Kupferschiefer und Zechstein fossil er- halten, andere in jurassischen Schichten, auch eoeän. Die aus den älteren Schichten hat man öfter für Lycopodien, Cypressenzweige u. s. w. genommen und manche scheinen noch zweifelhaft zu sein. In Eocänschichten gelten Cau- lerpenreste als sicher.

Den Siphoneen schliesst sich die Familie Dasycladeat an. Ihr Thallus ist eine einzige eigentümlich verschiedentlichte, namentlich aber durch Ein- schnürungen abgegliederte Zelle. Dazu kommen dann noch Verästelungen, die um die Achse im Quirl stehen und sich zum Theil zu Sporangien ausbilden. Achse und Aeste setzen meist eine dicke Kalkkruste auf der Oberfläche ab, was die fossile Erhaltung sehr begünstigt. Hierher gehören die Gattungen Acctabu- laria, Cymopolia und mehrere andere. Sie gehören meist wärmeren Meeren an, Acetabularia kommt noch im Mirtelmeer vor. Dazu kommen nach neueren Untersuchungen noch eine grössere Anzahl von fossilen Gattungen und Arten, die in der Trias (im Keuper der Alpen), dann in Jura und Kreide, auch noch zahlreich im Eocän auftreten. Diese wurden von früheren Palaeontologen bald den Korallen, bald den Bryozoen oder den Foraminileren zugetheilt.

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Kryptogamen.

Bei der noch lebenden Gattung Cymapolia ist der Thallus dick fadenförmig, in Ringe gegliedert und mehrfach zweitheilig. Die Achse ist eine einzige, nur scheinbar durch Einschnürungen abgetheilte Zelle. Ihre Glieder oder Intemodien tragen zahlreiche Astquirle mit kolbig verdickten Aesten. Einzelne derselben schwellen stärker an und stellen dickere auf einem kürzeren Füsschen sitzende Kugeln dar. Dies sind die Sporangien. Ueber der Thalluszelle und um die Astquirle der Intemodien scheidet sich eine kalkige Incrustationsröhre ab, welche zu fossiler Erhaltung sich eignet und im letzteren Zustand an der Stelle der Quirläste und der Sporangien Röhren und kugelige Hohlräume zeigt. Man kennt solche Cymopolien fossil im eoeänen Grobkalk von Paris (Polytrypa elon- gaia Defr.).

Den Cymopolien steht Dactylopora nahe. Es sind 2 4 Millim. dicke Kalk- röhren aus dem Pariser Grobkalk. Sie bestehen aus kurzen dickwandigen Gliedern oder Intemodien, deren Oberfläche mit regelmässigen trichterförmigen Poren (durchgehenden Canälen) besetzt erscheint. Die Thallusachse erscheint als weiter Hohlraum, von dem zahlreiche Röhrchen nach aussen abgehen. Genauere Betrachtung ergiebt darin die Abgüsse horizontal von der Achse aus- strahlender Astquirle mit theils unfruchtbaren Aestchen, theils Sporangien. Die Aestchen erscheinen als durchgehende Canälchen. Die kugelig aufgeblähten Sporangien haben je eine kurzgestielte kugelige Höhlung hinterlassen. Dactylo- pora cylindracea Lam. aus dem Grobkalk von Grignon bei Paris stellt 10 bis 12 Millim. lange mit Poren bedeckte Kalkröhren dar und wurde von Lamarck für einen freien Polypenstock genommen. Andere Palaeontologen erblickten darin Bryozoen oder Rhizopoden. Jetzt gelten sie als kalkige Incrustationen von Algen.

Die wichtigste Ordnung der einzelligen Algen für Geologie und Palaeonto- logie sind die durch eine zusammenhängende Kieselausscheidung der Zellmem- bran zur fossilen Erhaltung wohlgeeigneten Diatomeen (Diatomeat, Diatomaceae). Ihre systematische Stellung war lange schwankend. Namentlich Ehrenberg be- schrieb sie als kieselpanzerige Infusorien und hielt sie für eine niedere Form der Thierwelt. Aber nach dem übereinstimmenden Urtheil der meisten, wenn nicht aller neueren Botaniker sind die Diatomeen wahre einzellige Algen mit einem gewissen Chlorophyllgehalt, der aber durch andere Farbstoffe verdeckt wird, so dass ihr belebter Zellinhalt meist bräunlich gelb erscheint. Die Diatomeen überhaupt sind nach ihrer Zellbildung einzellige, auch wohl zu mehreren in Fadenform zusammenhängende Algen, Unicellulariac, nach ihrem Zellinhalt Phycochromaceae, nach ihrer Fortpflanzung Zygosporeae.

Sie sind alle Süsswasser- oder Meeresbewohner, manche Arten kommen so- gar in Süsswasser, Brackwasser und im Meer zugleich vor. Alle sind mikro- skopisch klein, die grössten erreichen eine Länge von \ Linie (Stauroptera cardi- nalis Ehr. von \ \ Linie, 0,28 0,75 Millim.).

Manche sind frei beweglich und namentlich die an beiden Enden zuge- spitzten Formen, wie z. B. Navicula, zeigen eine eigenthümliche langsam vor und rückwärts gehende Bewegung, deren Ursache noch nicht sicher ermittelt, aber wahrscheinlich diosmotischer Art ist. Jedenfalls zeigt sie kein Merkmal von thierischcr Willkürbewegung. Sie sind nach ihrem Chlorophyllgehalt an das Licht gebunden und manche ihrer frei beweglichen Arten steigen in unseren stehenden Gewässern zusammen mit mancherlei einzelligen oder fadenförmigen grünen Algen unter Einfluss von hellem Sonnenlicht zum Wasserspiegel empor und senken sich mit eintretender Dämmerung wieder zu Boden.

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222 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Ihre dünnen einzelligen Kieselschalen zeigen auffallend symmetrische und oft mannigfach verzierte Gestalten, z. B. flache, kreisrunde Platten, gestreckte Stäbchen, Spindeln, Schiffchen u. s. w. Genau genommen sind es Scheiben von zerschnittenen Cylindern letztere bald regelmassig mit kreisförmigem Quer- schnitt, bald symmetrisch plattgedrückt mit abgerundet vierseitigem oder ellip- tischem Querschnitt. Bei manchen erscheint sogar ein krummflächiger Quer- schnitt.

Die Diatomeenpanzer zeigen darnach zweierlei Seiten zwei Hauptseiten, die einander parallel laufen, ein nahe gleiches Aussehen zeigen und Cylinder- grundflächen entsprechen und eine Ringseite der gekrümmten Seitenfläche eines Cylinders entsprechend oder wo der Cylinder plattgedrückt und die Schnittflächen langgestreckt sind, statt der einen Ringseite zwei Nebenseiten und zwei Abrundungen. Die Ringseite oder statt ihrer die Nebenseiten zeigen die Verbindung zweier fast gleich grosser Hälften der Scheibe, sie sind in einander geschachtelt. Die Halbirung wird durch eine leichte Einschnürung angedeutet, an der auch die Zelltheilung stattfindet.

Der Kieselpanzer ist nur eine nachträgliche Ausscheidung in der weichen Zellmembran. Der Zellinhalt besteht aus Protoplasma, Chlorophyll und anderen Farbstoffen. (Ausstülpungen von Pseudopodien fehlen.)

Die Diatomeen leben theils als Einzelwesen, theils bilden sie Glieder (frus- tula) einer zusammenhängenden Kette, ähnlich wie die Conferven und andere Fadenalgen. Die Fortpflanzung geschieht meist durch Theilung. Die Theilung beginnt in der Einschnürung der Ringseite, welche die Zelle halbirt. Dann er- gänzt sich jede Hälfte symmetrisch, wobei aber die ältere Hälfte übergreift und sich wie ein Schachteldeckel mit ihrem Rand über den der jüngeren Hälfte über- schiebt. Die jüngere Hälfte ist also immer kleiner und die beiden Zellindividuen, die bei dieser Theilung aus einer Mutterzelle hervorgehen, sind jedes kleiner als letztere. Aber diese successive Verkleinerung der nachwachsenden Individuen hat ihre Grenze und grössere Individuen gehen wieder aus der Verschmelzung zweier kleinerer hervor. Sie sprengen ihren Kieselpanzer, der belebte Inhalt tritt heraus, verschmilzt und erzeugt eine grosse Zygospore (hier auch Auxospore genannt). Aus dieser erwächst dann wieder ein grösseres Individuum, das den Theilungs- vorgang von Neuem aufnimmt.

Durch die Kieselausscheidung ihrer Zellmembran werden die Diatomeen in ausgezeichneter Weise zur fossilen Erhaltung bestimmt und erhielten sich auch in fast allen geologischen Formationen, sofern nicht in den Gesteinen kiesel- säurelösende Verhältnisse (alkalische Reaction) eintraten. (Die Kieselsäure der Diatomeen-Panzer ist die in Kali-Lauge leicht lösliche Modifikation.)*)

*) Die Kieselsäure der Diatomeen-Panzer ist gleichwie die in der Epidermis der Equiseten infiltrirtc und die von der Sarkode der Spongien und Radiolarien ausgeschiedene eine wasser- haltige amorphe Kieselsäure. Sie ist zwar in Wasser unlöslich, löst sich aber in heissen wässerigen Lösungen von ätzenden wie auch von kohlensauren Alkalien, während die wasser- freie krystallinische Modification derselben Substanz, namentlich der Quarz, selbst von kochender Kali-Lauge nur unbedeutend angegriffen wird.

Dies erläutert denn auch die leichte WegfUhrbarkcit der von Organismen ausgeschiedenen Kieselsäure in manchen Gebirgsschichtcn, während deren Reste in anderen Lagern sich gut er- hielten. Wahrscheinlich genügte zur Wegführung des Kieselsäure-Hydrats im Verlaufe von Jahr- tausenden bereits eine geringe Mengen von kohlensauren Alkalien enthaltende Gebirgsfcuchtigkeit

Die Diatomeen- Erde oder sogen. Infusorien-Erde ist von ungleichen Graden der Reinheit.

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Kryptogamcn.

Die Kieselpanzer der Diatomeen bleiben beim Absterben des organischen Zell-Inhalts unverändert zurück und häufen sich in stehenden Wasserbecken, an seichten Flussmünchingen, in Sümpfen und Morästen im Laufe von Jahrtausenden oft zu mächtigen Lagern an. Diese stellen die sogen. Infusorienerde oder Kieseiguhr, auch den Polirschiefer dar. Solche Diatomeen-Absätze finden sich in den verschiedensten Theilen des Festlandes in oft ansehnlicher Mächtig- keit als Absätze ehemaliger Wasserbecken und nicht selten als unterste Lage von Torfmooren, in welchem Falle dann Jahrtausende lang eine Diatomeen- Vegetation der massenhafteren torf bildenden Vegetation von Schilfrohren, Ried- gräsern, Torfmoosen u. s. w. vorausging. In reinerem Zustand erscheint eine solche Kieseiguhr als lockere oder staubartige weisse oder graue Masse, die grosse Mengen Wasser aufzunehmen fähig ist. So z. B. im Torfmoor von Franzens- bad bei Eger, wo sie vorherrschend aus Navicula viridis E. besteht.

Ein ausgezeichnetes Lager von Kieseiguhr findet sich am Südrande der Lüneburger Haide zu Oberrohe (Amt Ebsdorf), wo es unter einer 0,4 Meter mächtigen Lage von Dammerde (Haideboden) liegt Es erreicht eine Mächtig- keit von 9 Meter und enthält 14 Arten von Diatomeen, unter welchen Synedra ulna und Gallionella aurichalcea vorherrschen. Die unteren Lagen sind mit Fichten- Pollen gemengt, der aus Nadelholzwaldungen durch Winde zugeführt wurde.

An anderen Orten sind die Diatomeen-Lager mit anderem schichtenbildendem Material gemengt. Ein Theil der Stadt Berlin steht auf einem grauen oder schwarzen schwammigen und torfartigen Lager, das 4—5 Meter unter der heutigen Bodenfläche liegt. Es besteht zu \ bis zu \ Raumtheilen aus Diatomeen-Panzern, besonders von Gallionella- und Navicula- Arten. Es zeigt von 1,6 bis zu 22 und zu 32 Meter Mächtigkeit und stellt die Ausfüllung eines ehemaligen tiefen Sumpf- beckens dar.

Aus Morästen und Teichen führt das stärker bewegte Wasser der Flüsse die abgesetzten Diatomeen -Schalen zusammen mit mannigfachen feinen schlammigen Substanzen in das Meer, wo daraus neue Bodenschichten hervorgehen. Absätze entstehen hier besonders durch die Aufstauung der Flussbewegung an der Mündung in seichtes Meer oder in Becken mit schwacher Ebbe und Fluth. Bei Verschlämmung von Flussmündungen und Häfen spielen die Diatomeen daher oft eine bedeutende Rolle, u. A. in der Ostsee. Eine Untersuchung des Schlammes im Hafen von Wismar ergab einen beträchtlichen Gehalt an- Diatomeen (von 5 bis 25$). Es sind lebende Süsswasser-Arten und brakische Ostsee-Arten. Das- selbe Ergebniss gewährte der Schlamm aus dem Hafen von Pillau bei Königs- berg (hier von 25 bis 50$).

Diatomeen-Schichten sind häufig in Süsswasser-Ablagerungen der verschiedenen Stufen des Tertiär-Systems, hier aber von der inzwischen vor sich gegangenen Gesteins-Metamorphose schon mehr oder minder umgebildet und zum Theil in opalartiges Gestein umgesetzt.

Dahin gehört namentlich der durch Ehrenberg's Untersuchungen berühmt gewordene Polirschiefer von Bilin in Böhmen, eine feinerdige zarte gelbliche Schiefennasse von zahllosen Diatomeen-Panzern, die bis zu 4, 5 Meter mächtig wird. Es kommen etwa 7 Arten vor. Vor- herrschend ist von ihnen Gallionella distans Ehk. (Melosira distans KüTZ.) Die Einzel-Zelle dieser fadenbildenden Diatomee erreicht im Durchschnitt y^r Linie (0,01 Millim.) Länge. Ehrenberg berechnete darnach, dass eine Cubiklinie des Büiner Polirschiefers 23 Millionen einzelner In-

Reinere Sorten enthalten im Allgemeinen 80— 90 J amorphe Kieselsäure, 6—15 20g Wasser und geringe Mengen von Thonerde, Eisenoxydhydrat, organischer Substanz u. dgl. Von der Kie»elsäure sind etwa 76— %o% in verdünnten Alkali-Laugen löslich.

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Mineralogie, Geologie und Palneon tologie.

dividuen der Galliondla distans enthalten könne. (Oder ein Cubikzoll 41,000 Millionen.; Neben Diatomeen enthält dieses Gestein auch Kieselnadeln von SUsswasserschwämmcn (Sfxmsplk) und Fische (Uuchcus fxipyracais Ar,.).

Bemerkenswerth ist beim Biliner Diatomeen-Schiefer die seit seiner Ablagerung stattgehabte Veränderung durch theilweisc Auflösung der Kieselschalen der Diatomeen und nachmalige Ab- lagerung des Stoffes derselben an anderen Stellen desselben Lagers. An manchen Diatomeen- Resten sieht man zarte ringförmige Ansätze von Kieselsäure oder sogen. Kieselringe. Der Saug- schiefer des Biliner Lagers ist ein von opalartiger Kieselsäure-Ausscheidung durchdrungener und erhärteter Polirschiefer. Eine noch weiter vorgeschrittene Stufe der Gesteins-Metaraorpho<e in demselben Lager ist die Bildung grösserer Knollen von Opal , in welchem man gleichwohl noch einzelne Reste von Diatomeen und Spongillen nachweisen kann.

Diese Beobachtungen von Ehrenuerg über Auflösung abgelagerter Diatomeen- Panzer sind von grossem Belang für das Verständniss der Rolle, welche die Diatomeen in noch älteren Formationen spielten und der Vorgänge, durch welche ihre Reste in deren Gesteinen zum Theil wieder schwanden. Diatomeen- Panzer wurden allem Anschein nach auch in älteren Epochen aus süssen Ge- wässern häufig abgelagert, ihre Reste aber je nach Verlauf der inzwischen statt- gehabten chemischen Vorgänge in den betreffenden Lagern z. B. durch alkalihaltige basisch reagirende Gebirgsfeuchtigkeit wieder aufgelöst.

Andere Diatomeen-Lager der Tertiär-Formation sind stärker mit kohligen oder bituminösen Substanzen gemengt und erst durch sorgfältigere mikro- skopische Untersuchung als solche erweisbar. So z. B. die braune Blätterkohle oder Papicrkohle von Rott bei Bonn mit vielen Blattresten und Fischen (Leuciscus papyraceus Ao.). Das braune Diatomeen-Lager von Liessem bei Bonn besteht fast ganz aus Cocconema kptoecros Ag. Ein bituminöses NavicuJa-hagtx ist der Dysodil in Sicilien.

Zahlreiche Diatomeen bewohnen auch das Meer. Sie leben und sterben nahe der Meeresoberfläche. Ihre Zone ist durch das Licht bestimmt. Ihre Kiese'schalen fallen nach dem Absterben der Individuen zu Boden. In die kalkigen Absätze des Tiefseegrundes gelangen sie nur nach dem Erlöschen ihres Lebens. Man trifft solche Diatomeen-Schalen im kalkigen Bodensatze fast aller Meerestiefen in mehr oder minder grosser Häufigkeit. Es sind besonders flach- scheibenförmige Arten von Linie (0,11 Millim.) Durchmesser und darüber, wie Coscinodiscus, Actinocyclus und Actinoptychus. Im arktischen und antarktischen Meere treten die Diatomeen stärker in den Vordergrund, besonders da die Ra- diolarien und Polythalamicn (Foraminifeien), die in wärmeren Meeren vorwiegen, hier zurücktreten. Der Grund davon ist theihveise darin zu finden, dass das Eis in den Polar-Meeren im Allgemeinen eine salzärmere Meeres-Oberfläche be- dingt, die den Diatomeen noch zusagt, während sie dem Gedeihen mancher anderen mikroskopischen Meeres-Organismen unzuträglich zu sein scheint.

Man kennt aus der mittleren und der jüngeren Tertiär -Epoche mehrere Lager mariner Diatomeen. So zu Richmond und anderen Orten in Virginien, wo ein solches Lager 4 bis 8 Meter Mächtigkeit erreicht. Ehrenberg fand hier und in denen von anderen Stellen der atlantischen Küstenregion von Nord- Amerika über 200 Arten fossiler Meeres-Diatomeen. Ein ähnliches Lager findet sich auch auf den Bermuda-Inseln.

Eine ähnliche Flora von Meeres-Diatomeen enthalten auch einige mittel- tertiäre Meeres-Mergel der Mittelmeerländer, z. B. zu Caltanisetta auf Sicilien und zu Oran in Algerien. (Ehrenherg beschrieb sie unter der Bezeichnung >mittelmeerische Kreide-Mergel«, sie sind aber tertiär.) In diesen Mergeln sind

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die marinen Diatomeen noch von Gehäusen kalkabscheidender Polythalamien oder Foraminiferen begleitet. Zu Oran kommen darin auch Fische vor (Alosa e long ata Ao.).

Diatomeen scheinen zu den ältesten Bewohnern der Gewässer zu gehören, sind aber in den älteren Formationen nur selten zu deutlicher fossiler Erhaltung gelangt. Es scheint namentlich, dass in kalkigen Ablagerungen ihre Kieselpanzer durch alkalische Einwirkung oft rasch wieder aufgelöst wurden. In Hornsteinen und Feuersteinen erhielten sie sich hin und wieder deutlich.

In verschiedenen Hornstein-Knollen der silurischen und devonischen Forma- tion ergaben sich unter dem Mikroskop mehrere Arten von Diatomeen in Be- gleitung von Spongien-Nadeln u. dergl.

Arten einer besonderen Diatomeen-Gattung Bactryllium fand Escher in ver- schiedenen triasischen Meeresablagerungen der Alpen, sie erreichen ungewöhnliche Grösse und sind schon mit blossem Auge erkennbar.

In der oberen Kreide-Formation hat Ehrenberg eine grössere Anzahl von Diatomeen nachgewiesen, namentlich in Feuersteinen eine Pyxidicula-Art.

Die Zahl der Diatomeen-Gattungen ist durch Ehrenberg's anhaltende Arbeit auf einen hohen Grad gestiegen.

Eine der am meisten in die Augen fallenden ist die Gattung Navieula (Farn. Naviculaeeae). Sie begreift einzeln lebende und frei schwimmende, gewöhnlich sehr lebhaft bewegliche Diatomeen von genau symmetrischer Form. Die Zellen haben die Gestalt von geraden Querschnitten eines regelmässigen seitlich stark zu- sammengedrückten Cylinders. Die Hauptseite (der Cylinderquerschnitt) ist bald mehr lanzettlich, bald mehr elliptisch, er zeigt einen Centraiknoten und zwei Endknoten. Die Oberfläche ist glatt oder zeigt nur zarte Querstreifung. Von der flachgedrückten Seite aus gesehen erscheint die Zelle bandförmig mit abge- rundeten Ecken. Die Navieula- Arten sind häufig in süssem Wasser, in Teichen und Sümpfen, Bächen und Flüssen. Letztere führen ihre Panzer dem Meere zu, wo auch noch andere Arten derselben Gattung leben. Die grössten dieser Arten werden ^ bis ^ Linie (0,11 bis 0,15 Millim.) lang. Mehrere Arten kommen in mitteltertiären Schichten vor.

Melosira oder Gallionella (Fam. Melosireae) besteht aus fadenförmigen Zellen- Ketten mit walzenförmigen Einzel -Zellen. Hauptseite oder Cylinderquerschnitt kreisrund, etwas gewölbt. Melosira oder Gallionella distans, 2fa Linie (0,01 Millim.) gross, ist eine in stehendem Süsswasser häufige Art und setzt den mitteltertiären Polirschiefer von Bilin in Böhmen zu zahllosen Millionen fast für sich allein zu- sammen.

Pyxidicula (Fam. Melosireae) hat ähnliche, aber schon mehr scheibenförmige Einzel-Zellen mit kreisrunder Theilungsfläche. Der Panzer trägt zahlreiche kleine in regelmässigen Kreisen geordnete Wärzchen. Arten im Süsswasser und im Meere. P. prisca Ehr. kommt in Feuersteinen der Kreide vor, ist der lebenden P. opereulata ganz ähnlich und ^ Linie (0,11 Millim.) gross.

Coscinodiscus (Fam. Melosireae) begreift noch flachere kreisrunde Scheiben, deren Hauptseite eine sehr zierliche vom Mittelpunkte ausstrahlende Gitterung (in zarten Sechsecken) zeigt. Die Coscinodisken leben in Brackwasser und im Meer. Sie finden sich häufig mit Globigerinen im Tiefseeschlamm des atlantischen Meeres. Sie erreichen bis ^ Linie (o, 1 1 Millim^) Durchmesser. Fossil erscheinen die Coscinodisken häufig in tertiären Meeresdiatomeen-Ablagerungen, z. B. zu Cal- tanisetta in Sicilien, Oran in Algerien, Richmond in Virginien und an anderen Orten.

Kbnngott, Min., Geol. u. Pal. U. 15

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Bactryllium begreift mehrere Arten von Diatomeen, welche die ungewöhn- liche Grösse von i bis 4^ Linien (2,25 bis 10 Millim.) erreichen und häufig in Meeresablagerungen der Trias, namentlich in den Alpen auftreten, wo sie zu- sammen mit Meeres-Conchylien und oft in grosser Zahl der Individuen vor- kommen. Es sind stabförmige, dickwandige, wahrscheinlich aus einem Kiesel- panzer bestehende an beiden Enden stumpf zugerundete Körper mit einer oder zwei Längsfurchen. Die Oberfläche ist zum Theil feingestreift. Man zählt die Bactryllien zu den Diatomeen, aber ihre bestimmtere Stellung im System ist noch nicht festgestellt.

Sehr nahe den Diatomeen stehen die Desmidiaceen, Desmidiacecu. Es sind einzellige, oder reihenweise zu Fäden verbundene Grün-Algen (Chloropkyl- laceae), die sich sowohl durch fortgesetzte Zweitheilung, als auch durch Conju- gation mit Zygosporen-Bildung vermehren. Sie sind symmetrisch und meist durch eine ziemlich tiefe Furche in zwei gleiche Hälften abgetheilt Sie linden sich am häufigsten und mannigfaltigsten in Sümpfen und Torfmooren, einzelne auch auf dem Festland, z. B. an feuchten Moosen und Flechten.

Die meisten Desmidiaceen sind weich und zu fossiler Erhaltung wenig oder gar nicht geeignet. Xanlhidium ist eine der wenigen Desmidiaceen-Gattungen, deren Zell-Membran wie bei Diatomeen verkieselt ist, daher auch fossile Arten von ihr erhalten sind. Die lebenden finden sich vorzüglich in Torfsümpfen. Die Xanthidien sind fast kuglig und in der Mitte tief eingeschnürt, aber auch wohl kettenförmig verbunden. Sie bestehen aus zwei gleichen Hälften. Die Zellhaut ist dicht mit Stacheln besetzt. Stacheln bald einfach, bald an der Spitze gespalten. Xanthidien fanden sich schon zahlreich in Hornstein-Knollen aus der sibirischen und devonischen Formation von New York. Ehrenberg be- schrieb zahlreiche Xan/Aidium-Arien aus den Feuersteinen der oberen Kreide. Xanthidium fureahtm ist eine lebende Art, die bis \ Linie (0,7 Millim.) gross wird, sie ist fast kugelrund, durch eine tiefe Einschnürung in zwei gleiche Hälften getheilt, mit gablig-getheilten Stacheln besetzt. Diese Art ist schon lange aus Feuersteinen der oberen Kreide-Formation bekannt Turpin erklärte 1836 diese fossile Form für Eier von Bryozoen.

Wir wenden uns nun zu den höheren Algen oder den Tangen den Brauntangen und den Rothtangen, welche in Gestalt von vielzelligen, oft in ausgezeichneter Weise in Stengel, Zweige oder Blätter und wurzelartige Theile differentiirten und bisweilen ansehnliche Grösse erreichenden Gewächsen an den Meeresküsten unterseeische Waldungen bilden und von der Ebbe-Linie an bis zu Tiefen von 15,20 auch wohl 50 Faden (= 27 bis 36 oder 91 Meter) ver- breitet vorkommen. Man bezeichnet sie zusammen auch als Fucoiden, Fucoi- deae, namentlich in der Geologie, da bei den fossilen Formen die Merkmale der beiden Ordnungen der Brauntange und der Rothtange sich gemeinig- lich nicht unterscheiden lassen und die systematische Bestimmung oft sehr im Argen liegt.

Wahrscheinlich bildeten Brauntange und Rothtange schon von der silurischen Epoche an ausgedehnte Tangwälder ähnlich der Tang- Vegetation, die in unseren heutigen Meeren die Küsten besäumt und in flachen Küstenmeeren breite Strecken überzieht. Auch mögen sie in den älteren Epochen wohl mitten im Ocean schon solche ausgedehnte^ schwimmende Wiesen gebildet haben, wie sie heute mitten im atlantischen Meer der schwimmende Sargasso darstellt. Wenig- stens findet man in den verschiedenen älteren Meeresablagerungen vom silurischen

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Kryptogamen. 227

System an aufwärts bis zum unteroligocänen Wiener Sandstein oder Fucoiden- Sandstein zahlreiche Schichtenfiächen ganz tiberdeckt von zahllosen Fucoiden- Resten. Bei allem dem finden sich aber nur Reste von einer gewissen Grösse und einer gewissen Festigkeit des Gewebes erhalten und auch diese nur in meist unvollständigem Zustand, namentlich in der Regel ohne Spur von Fructification. Kaum besser erhalten sind gewöhnlich auch die kalkabsondernden Rothtange oder Nulliporen.

Die B raunt an ge (Phaeophyccac, Phacosporeac), auch Schwarztange genannt (Mclanophyccac, Melattospernuae, Mdanosporeac) sind ausgezeichnet durch den olivenbraunen Farbstoff ihres Zellinhaltes, werden aber beim Trocknen meist schwarz. Sie stellen eine von den Confervaceen sich abzweigende höhere Ent- wickelungsreihe dar, welche in ihren niedrigsten Formen mit denselben noch nahe Ubereinstimmt. Aber mit ihren höheren Stufen ergiebt die Ordnung der Brauntange die vollkommensten Formen der eigentlichen Seetange und begreift namentlich die durch den riesenhaftesten Wuchs ausgezeichneten Arten, wie Macrocystis pyrifera Ac (Fam. Laminar icac), deren fadenförmiger Stengel bis zu 300 Meter Länge erreicht.

Das vegetative Lager dieser höheren Formen ist entweder stengeiförmig und mit blattartigen Ausbreitungen versehen oder gestreckt laubartig und dann oft von einer Mittelrippe durchzogen, die dem Stengel entspricht, immer mit einem wurzel- oder schildförmigen Haftorgan am festen Boden ansitzend. Das Lager erreicht dabei einen hohen Grad von Festigkeit, bleibt aber immer paren- chymatisch. Das mehrschichtige Achsenorgan zeigt oft eine festere Rindenschicht, die aus kleineren Zellen als das Grundgewebe oder Mark besteht. Letzteres hat weitere locker verbundene Zellen. Der untere Theil des Lagers gewinnt bei diesen höheren Tangen oft eine holzartig feste Beschaffenheit.

Die Fortpflanzung geschieht auf verschiedenen Wegen. Bei den meisten Gattungen bilden sich Schwärmsporen (Zoosporen). Eine höhere Stufe nimmt in dieser Hinsicht die Familie Fucaceae (mit den Gattungen Sargassum, Cysto- seira, Fucus u. a.) ein. Ihre Fortpflanzungs- Organe sind einerseits männliche oder Antheridien, andererseits weibliche oder Oogonien. Sie sitzen in grubigen Vertiefungen der Thallus-Oberfläche und diese werden als Frucbtbehälter oder conceplacula bezeichnet Die Ränder der Oberfläche heben sich bei ihrer Aus- bildung mehr oder weniger wallartig um sie empor und dies kann so weit gehen, dass die Fruchtbildungsorgane in der Thallusmasse ganz eingesenkt erscheinen und nur ein enger Ausgang frei bleibt. In dieser Ausbildungsstufe gleicht das conccptaculum der Fucaceae dem Perithecium der Kernpilze (Pyrenomycetes), aber die Analogie ist keine ganz vollständige, indem das erstere keine eigene Wandung besitzt, sondern nur von kleinzelliger Thallus-Rinde umgeben erscheint. Diese conceptacula der Fucaceae stehen bei der Gattung Fucus an den Enden der dicho- tomen Thallus-Zweige in Gestalt kleiner kopfartiger Fruchtstände vereinigt. Bei Sar- gassum stehen sie auf besonderen kleinen verzweigten Aestchen. Mit diesen Frucht- ständen der Fucaceen darf man aber die oft beerenartigen Luftbehälter (veskulae) des Thallus derselben nicht verwechseln, welche Schwimm-Organe darstellen.

Die Brauntange gehören im Allgemeinen den höheren Meeres-Regionen an und bilden neben Ulven und dergl. vorzugsweise den grünen Gürtel, der die Küsten zu umsäumen pflegt. In der Nordsee und an den britischen Küsten be- ginnt gleich unterhalb der äussersten Fluthgrenze eine Vegetationszone von reichlicher Entwickelung von braunen Tangen, besonders Fucus- Arten (auch Varcc

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228 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

genannt), die täglich mehrere Stunden während der Ebbe noch entblösst liegen. Mit der tiefsten Grenze der Ebbe folgt die Regbn der Laminarien, die eine be- ständige Benetzung bedürfen oder doch nur eine kurze Blosslegung ertragen. Hier herrschen in ganzen Wäldern ellenlange blattförmige breite Laminarien und gehen bis 15 Faden (27 Meter) Tiefe herab. Im fluthlosen Aegeischen Meer finden sich Fucus und Laminaria auch nicht auf besonderen Zonen vertheilt Alle Brauntange sind Meeresbewohner. Sie stammen wahrscheinlich von zarteren Confervaceen ab. Es giebt auch in den heutigen Meeren noch einige niedrig stehende Formen der Brauntange von so weichem Gewebe, dass sie sich nur wenig oder gar nicht zur Erhaltung in fossilem Zustande eignen dürften. Andere lebende Formen zeigen festere Achsenorgane, Stengel und Zweige, auch wohl festeres Laubwerk. Aehnliche Brauntange von derberem Parenchym sind in den älteren Meeren sicher in grosser Anzahl und üppiger ^Vegetation entwickelt ge- wesen. Ihre fossilen Reste aus den älteren Epochen sind aber nur ungenügend erhalten, manche nur schwer nach Art und Gattung zu unterscheiden, andere selbst nur unsicher in eine oder die andere Ordnung unterzubringen. Es können darunter auch Formen sein, die weder der heutigen Ordnung der Brauntange noch der der Rothtange angehörten. Es ist daher auch kaum möglich, eine einigermaassen begründete Uebersicht über die dahin zu zählenden fossilen Formen herzustellen.

Man kennt mehrere noch lebende Gattungen der Brauntange fossil, nament- lich in eocänen Meeresablagerungen, z. B. Sargassum, Cystoseira und Laminaria.

Sargassum (Farn. Fucaceae), wozu die oft genannte schwimmende, in der Mitte des atlantischen Meeres in grossen Mengen umhertreibende Form »S. batci- ferum Ac. (Fucus natans L.) gehört, zeichnet sich durch einen dünnen walzen- förmigen Stengel aus, der sich vielfach verzweigt. Die Zweige sind laubartig verbreitert und stellen ausgezeichnete lanzettliche Blätter dar. Dazu trägt der Stengel noch gestielte kugelige mit Luft erfüllte Anhänge, sogen. Luftblasen (vesiculae), die das Gewächs im Schwimmen unterstützen und besondere blatt- winkelständige verästelte Fruchtstände. Man kennt Sargassum-Arten fossil, z. B. im eocänen Plattenkalk des Monte Bolca fS. globiferum Sternb.)

Haliseris (Farn. Dictyotcae), zeigt einen dünnen Stengel, der gegen oben jn verschiedenen Abständen sich regelmässig gabelt. Beiderseits des Stengels ver- läuft als regelmässiger, fast gleichbleibender Saum das dünnere Laub, so dass Stengel mit Laub zusammen ein lineares Blatt mit durchgehendem Mittelnerv darzustellen scheinen. Haliseris-Arttn sind im fossilem Zustande noch nicht sicher erwiesen. Haliserites Dechcnianus Goepp. aus dem devonischen Grau- wackenschiefer von Hachenburg und Coblenz stellt ein langes bandförmiges Blatt mit deutlicher Mittelrippe dar, was sehr an Haliseris erinnert. Aber diese Blätter sind an der Spitze eingerollt, was sonst bei Algen nie vorkommt. HaliseriUs Dechenianus ist also kein Tang, man hat auf Blätter von lycopodienartigen Ge- wächsen gerathen (Psilophyton u. dgl.), wie deren in devonischen Schichten von Nordamerika nachgewiesen sind.

Die Rothtange oder Florideen (Rhodophycccu , Rhodaspermecu , Rhoda- sporeae) sind in den heutigen Meeren ausgezeichnet durch rothe, oft rosenrothe oder purpurrothe Farbe. Ihre Zellen enthalten neben Chlorophyllkörnern einen rothen, seltener violetten oder braunen Farbstoff. Abgesehen von den kalkab- scheidenden Formen, die wir weiter unten besonders abhandeln, stellen die Roth- algen des Meeres, ähnlich wie die Brauntange mehrzellige Gewächse dar, die in

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Kryp togainen.

ihren höheren Stufen ein centrales Achsenorgan, den Stengel, und seitliche Organe, sogen. Zweige oder Blätter zeigen, mit ihrem Basaltheile aber auf einer festen Grundlage aufgewachsen sind. Bei diesen höheren Formen ist der Stengel auch von einer oder mehreren besonderen Zellenschichten rindenartig umhüllt. Häufig sind buschartige aus Stengel und stengelartigen Aesten und Zweigen bestehende Formen, bald stielrund, bald bandartig verbreitert. Endlich kommen auch solche mit laubartigen Ausbreitungen einer verästelten Mittelrippe vor, die am Grunde als Stiel sich darstellt.

Die Fortpflanzung der Rothtange ist verschieden von der der Brauntange. Namentlich treten bei ihnen zweierlei Organe der Fortpflanzung in den Vorder- grund, die Cystocarpien oder Kapselfrüchte und die Tetrasporen oder Vierlings- früchte. Eisporen, Oosporen entstehen in nackten Bruthäufchen oder in umhüllten Cystocarpien und werden durch Samenzellen (Spermatozoiden), die in besonderen Organen, den Antheridien entstehen, befruchtet. Die Cystocarpien mit eigenen Hüllen stehen theils an den Zweigen frei hervor, theils liegen sie im Lagerge- webe eingesenkt und stellen sich an der Oberfläche als Höcker dar. Sie sind am Gipfel mit einer Oeflfhung versehen. Die Tetrasporen sind ruhende auf vege- tativem Wege entstehende Brutzellen. Sie bilden sich je zu vieren in Special- Mutterzellen oder Tetragonien. Sie erscheinen je nach Familie und Gattung in verschiedener Gestalt, z. B. als gestielte Kapseln oder als kurze Aeste oder in der äusseren Schicht des Lagergewebes zerstreut. Sie treten hier an die Stelle der Schwärmsporen, die den rothen Meeresalgen fehlen. Von allen diesen wichtigen Merkmalen der lebenden Rothtange zeigen sich aber bei fossilen Formen leider nur wenige oder gar keine Spuren, man ist bei ihrer Bestimmung meist ganz auf die nur wenig entscheidenden Formen des vegetativen Lagers angewiesen.

Die Rothtange gehören fast ausschliesslich dem Meere an. Einige wenige Gattungen bewohnen auch das Süsswasser, z. B. Gebirgsbäche in Deutschland, letztere aber unter Bedingungen, die wohl jede fossile Erhaltung ausschiiessen dürften. Auch die meisten Rothtange des heutigen Meeres sind von so zartem Zellgewebe, dass sie sich kaum zu fossiler Erhaltung eignen. Andere besitzen einen härteren knorpeligen Thallus, wie Sphaerococcus, Chondria, Deiesseria und von Rothtangen dieser Art werden manche fossile Formen hergeleitet. Aehnliche Reste findet man schon in silurischen und devonischen Meeresablagerungen, auch im Jura und späteren Formationen, doch sind ihre Formen dürftig wiedergegeben und nach ihrer systematischen Stellung nur annähernd zu deuten.

Die Rothtange erlangen in unseren Meeren nicht die gewaltigen Grössen der Brauntange. Sie bewohnen im Allgemeinen eine tiefere Strandzone, in der sie aber einen grossen Reichthum an zierlichen, namentlich durch feine Ver- zweigung oder Fiederung des Lagers ausgezeichneten Formen zeigen. Im öst- lichen Mittelmeer gehen weichlaubige Florideen gewöhnlich nur bis zu Tiefen von 50 Faden (300 engl. Fuss oder 91 Meter). Die verkalkenden Nulliporen aber herrschen hier auf dem Meeresgrund von 50 bis 80 Faden Tiefe (91 bis 146 Meter).

Fossil kennt man Reste von mehreren Arten der lebenden Gattung Deiesseria im eocänen Plattenkalk des Monte Bolca in Oberitalien, auch Sphaerococcus- Arten u. s. w. Ihr Thallus ist laubartig verbreitert mit hervortretender Mittel- rippe, welche abwärts als längerer oder kürzerer Stiel sich fortsetzt

Baliostickus ornatus Sternb. aus dem lithographischen Kalkschiefer des oberen Jura von Solenhofen wurde lange für einen Rothtang gehalten. Der Stengel ist

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

walzig und in einfache oder dichotomirende Aeste verzweigt Die Oberfläche ist mit Spirallinien bedeckt, die sich regelmässig kreuzen und rhombische Felder bilden. Die Spirallinien sind erhaben. In der Mitte jedes Rautenfeldes zeigt sich eine feine Vertiefung, die man als Ausmündung eines im Rindengewebe einge- senkten Sporenbehälters ansehen konnte. Nach Ad. Brogniart sind diese Baliostichen aber nur Coniferen-Zweige.

Die heute lebende Gattung Chondria (Chondrus) hat einen glatten aufrechten in mehr oder weniger zahlreiche, theils stielrunde theils bandartig abgeplattete Aeste getheilten Lagerkörper, dessen anatomischer Bau dem der Fucaceen sehr nahe kommt. Chondrus crispus Lyngb., der Knorpeltang, ist an den Küsten der Nordsee und an England verbreitet und hat keilförmig-lineare oder gleichbreit- bandförmige Verzweigungen. Der ganze Thallus ist von zartem Gewebe, knorpel- artig und zu fossiler Erhaltung kaum geeignet.

Der Gattung Chondria in der äusseren Tracht ähnlich sind die in den meisten Meeresablagerungen von der silurischen und der devonischen Formation an bis aufwärts in den oligocänen Fucoiden-Sandstein reichlich verbreiteten Chon- driten. Es sind (aus mehreren sehr derben Zellenlagen zusammengesetzte?) buschartige vielverzweigte Gewächse mit cylindrischen oder leicht abgeplatteten Aesten und Aestchen. Aber sonst fehlen alle Beweise von einer Zugehörigkeit zu den Rothalgen, denen man sie herkömmlicher Weise zuzählt, Fortpflanzungs- organe hat man an ihnen noch nicht beobachtet. Arten lassen sich nur nach der Tracht des Thallus unterscheiden. Neuerdings nähert sie G. de Saporta den Siphoneen.

Man kennt solche Chondriten schon in untersilurischen Ablagerungen, z. B. Bythrothrephis antiquata Hall in Nordamerika. Man vermuthet auch, dass in dieser geologischen Zone durch massenhafte Anhäufung solcher und anderer Fucoiden Lager von Anthracit oder Alaunschiefer gebildet wurden. Ganz ähnliche Chondriten-Formen folgen im devonischen System, namentlich im Grauwacken- schiefer der Mittelrheingegend, z. B. zu Coblenz u. a. O. Chondrites antiquus Goepp,

Häufig im oberen Lias von Schwaben ist Chondrites bolUnsis ZrETEN, nament- lich im obersten Lager des Posidonomyenschiefers. Thallus strauchartig, die Zweige sind stielrund, bald gegabelt bald etwas gefiedert, i 2 Millim. dick.

Ganz ähnlich dieser liasischen Art ist der tertiäre Chondrites Targionii Brogn. Er zeichnet sich aber durch grössere Neigung zur Fiederbildung aus, der Thallus dichotomirt nicht. Die Zweige sind oft sehr lang, gleichbreit und gerade. Diese letztere Art ist häufig im tertiären (oligocänen) Fucoiden-Sandstein oder Flysch der Alpen, oft ganze Schichten mit ihrem Laubwerk überdeckend. Uebrigens sind die in den verschiedenen Formationen vom Lias an bis in die Tertiär- formation häufig auftretenden Chondriten gewöhnlich nur mit Mühe oder gar nicht von einander zu unterscheiden. Immerhin neigen die älteren Formen mehr oder minder zu gabeliger Theilung, während die tertiären sich mehr in Fiedern verästeln.

Etwas ganz anderes ist die Gattung Phymatoderma Brogn., die man lange für Rothtange nahm und auf die lebende Gattung Sphaerococeus bezog, die aber vielleicht gar nicht derselben Ordnung angehört. Es sind gleich den Chondriten strauchartig verästelte Gewächse mit walzenförmigen, oft mehrfach dichotomirenden Zweigen, aber die Oberfläche ist bedeckt mit zahlreichen flachen durch schmale Querfurchen getrennten Erhabenheiten, die man erst am äusseren Abdruck der Pflanze deutlich erkennt. Phymatoderma granulatum Brogn. (Sphatrococeitts

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granulatus Bronn) ist häufig im oberen Lias von Schwaben (Unterregion des Posidonomyenschiefers), auch zu Banz in Franken. In Schwaben bildet dieser Tang mehrere bis über einen Fuss mächtig werdende Schichten, in welchen ge- wöhnlich keine anderen Fossilreste gefunden werden. Neuerdings reiht auch diese Gattung Saporta den Siphoneen an.

Aeusserlich von den Rothtangen sehr abweichend, aber nach den Fructifi- cationsorganen sicher dahin gehörig sind die kalkabscheidenden Corallineen und Nulliporen. Ihre Zellen verkalken rasch und nur die jüngsten vegetiren- den und fructificirenden Gewebeschichten erhalten sich weich und biegsam, später erhärten sich auch diese durch Kalkausscheidung. Das ganze Gewächs erhält dadurch ein korallenähnliches Ansehen, es versteinert gleichsam bei Lebzeiten. In dem noch nicht verkalkten Theile des Lagers bemerkt man ein- gesenkte Fruchtorgane (Cystocarpien und Tetragonien).

Diese verkalkenden Florideen finden sich in den heutigen Meeren zum Theil in grösserer Tiefe als die grünen und rothen knorpeligen Tange. Im britischen Meer herrschen die Nulliporen nach Forbes bis zur Tiefe von etwa 20 Faden (120 Fuss oder 36,5 Meter). Im Mittelmeer gehen sie bis 100 und 190 Meter herab und stellenweise noch tiefer. Nullipora begrenzt die eigentliche Tang- vegetation in der Tiefe. Doch finden sich deren auch schon an seichten Meeres- ufern, wo sie Korallen, Conchylien, Gerolle u. dergl. überziehen. .

Bei den Corallinen ist das Lager aufrecht, walzenförmig und buschartig ver- ästelt, entweder mehrfach gegabelt oder in Fiederform verzweigt. Sie finden sich zum Theil schon in der Litoralzone der heutigen Meere an Felsen oder auf Steinen aufgewachsen. Fossil kennt man einige wenige Arten in Tertiärschichten, u. a. im Grobkalk von Paris.

Bei den Nulliporen ist das Lager anfangs flach und breit aufgewachsen. Es erhebt sich aber dann in knolligen vielgestaltigen Stämmchen oder bildet strauch- artige oder traubige Knollen von korallenartigem Ansehen. Die Spitzen der Aeste sind meist verdickt und abgerundet

Nulliporenreste kennt man schon im oberen Jura, sowie in verschiedenen Kreideablagerungen, z. B. bei Mastricht. Diese älteren Nulliporen sind wenig bedeutsam. Eine grosse Bedeutung aber gewinnen die Nulliporen in der Mio- cänepoche im Wiener Becken, in Steiermark und Ungarn, wo sie dem Meeres- rande entlang Kalklager von ansehnlicher Mächtigkeit erzeugten (Nulliporenkalk oder Leithakalk). Dieses Gestein besteht fast ganz aus vielgestaltigen oft traubigen Knollen von concentrischschaliger Zusammensetzung, die man früher für minera- lische Concretionen oder für Korallenstöcke nahm. Unoer zeigte, dass man bei mikroskopischer Untersuchung dünner Platten dieser Kalkknollen ein sehr feines Zellgewebe erkennt. Die Einzelzellen stehen zugleich in concentrischen und in radialen Reihen und zwar so dicht gedrängt, dass sie dadurch eine vielkantig- säulige Gestalt erlangen. Diese Zellen erreichen eine Länge von ^ Millim. Der Nulliporenkalk, fast ganz aus Nulliporen aufgebaut, hie und da auch mit Schichten von Sand oder Mergel abwechselnd, erreicht stellenweise eine be- deutende Mächtigkeit, so im Leithagebirge bei Wien und zu Wildon bei Gratz bis 150—160 Meter. Er entstand hier allem Anschein nach successiv empor- wachsend in einem allmählich sich senkenden Meeresgebiete.

Eine eigene vollständig erloschene Ordnung der Algenklasse scheinen die Schnuralgen, Chordophyceae Schimp., der ältesten Formationen darzustellen und haben lange für Reste von Meereswürmern gegolten. Eine räthselhafte Stellung

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

aber nehmen sie so wie so ein. Ihr Lagerkörper zeigt eine lange, meist unver- zweigte halbcylindrische, schnür- oder bandförmige Achse mit dicht gedrängten kurzen, gleichgrossen, blatt- oder schuppenförmigen Anhängen. Diese letzteren stehen meist zu beiden Seiten zweireihig angeordnet, seltener mehrreihig. Es kommen aber auch gabiig getheilte Stränge vor, was entschieden auf Tange deutet.

Solche Chordophyceae kommen oft in grosser Menge auf Schichtenflächen im silurischen und devonischen System vor, sie sind bisweilen scharf ausgeprägt und deuten im Allgemeinen auf ziemlich feste knorpelartige und biegsame Organismen. Man hat sie lange unter dem Namen Nereiten und Myrianiten beschrieben und für Würmer (Nereiden) gehalten. Die seitlichen Anhänge galten für breite Fuss- stummeln. Aber es ist nie ein Kopfstück mit Fühlern oder mit Fresswerkzeugen beobachtet worden. Alle neueren besser erhaltenen Funde deuten eher auf lang- gestreckte knorpelige Meeresalgen. Manche Funde im silurischen System von England zeigen eine Länge von mehreren Metern.

Bei der Gattung Phyllochorda Schimp. ist der Stengel sehr lang, 8 20 Millim breit und vielfach gewunden oder hin und her gebogen, auf der Oberseite rinnen- förmig vertieft, nicht gegliedert. Die Anhänge stehen zweireihig und meist gegenständig. Sie sind oval oder kreisrund, platt oder blasenartig aufgetrieben, in der Regel unter sich von gleicher Grösse. Phyllochorda simtosa Ludw. findet sich in den oberen devonischen Schichten von Thüringen.

Eine Parallelklasse zu den Algen stellen die Pilze, Afycetes, dar, vergleiche pag. 216. Es sind chlorophyllfreie, meist blasse Thallophyten, die in der Art der Ernährung mehr mit den niederen Thierformen als mit der grünen Pflanzenwelt übereinkommen.

Diese grosse und äusserst formenreiche Klasse steigt in ihrer heutigen Ver- tretung von sehr primitiv gebauten einzelligen Arten bis zu sehr eigenthümlich differenzirten Formen an und ergiebt dabei mehrfach eine bemerkenswerthe Parallele mit gewissen Algen. So entsprechen die aus einer einzigen vielfach verästelten schlau chartigen Zelle bestehenden Algenpilze oder Phycomyceten (z. B. Saprolegnia) noch in hohem Grad gewissen Algen (den Vaucherien und Siphoneen). Auch bei höheren Formen beider Parallelklassen kommen noch augenfällige Analogien vor, wie z. B. zwischen dem coneeptaculum der Fucaceat (Brauntange) und dem perithecium der Kempilze (Pyrenomyectcs). Immer aber unterscheiden sich die Pilze von den Algen durch das durchgängige Fehlen des grünen Farbstoffes oder Chlorophylls und die an niedere Thierformen anschliessende Lebensweise und Ernährung. Sie siedeln sich an verwesenden oder vermodernden Pflanzen- und Thiersubstanzen an oder schleichen sich als Parasiten in lebende Pflanzen oder Thiere ein. Kein Pilz vermag aus Wasser und Atmosphärilien organischen Stoff hervorzubringen, alle schmarotzen vom Ergebniss der Arbeit anderer Organismen und geben deren Reste der leblosen Natur zurück.

Im geologischen Archiv treten die Pilze nur sehr spärlich hervor und nie mals in schichtenbildender Menge.

Das Gewebe oder Mycelium der verschiedenen Ordnungen der Pilze, sowohl der lockeren flockigen Schimmelformen als der ansehnlichen und höher organi- sirten Hutpilze ist meist so weich und von so kurzer Dauer, dass ihre Gestalten mit dem Absterben rasch wieder verschwinden und daher auch zur fossilen Er- haltung sich gewöhnlich nicht eignen. Nur wenige Formen von holzartig er härtendem Zellgewebe, wie z. B. einige Kernpilze (Sphacria u. A.) und die Zunder

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schwämme (Polyporus) machen davon eine Ausnahme und können sich eher schon fossil erhalten, finden sich auch, besonders in Tertiärschichten, wiewohl nur in vereinzelten Exemplaren. Bei dieser geringen Fähigkeit längere Zeiträume zu überdauern und sich fossil fortzuerhalten, ist auch die geologische Geschichte der Pilze nur sehr fragmentarischer Art. Ihr geologisches Alter mag sehr weit in der Reihenfolge der Formationen zurückreichen. Sie können schon unter den ältesten Festlandbewohnern gewesen sein und auf den am Meeresstrand aus- geworfenen Tangen sich angesiedelt haben. Ihr frühester Beginn ist aber nicht mehr zu ermitteln.

In der Steinkohlen-Formation und im Rothliegenden kennt man einige Blatt pilze auf Farn-Wedeln u. dgl., so eine spirale Form, Gyromyces ammonius Goepp., die aber von anderen für eine Wurmröhre oder eine Schnecke gehalten wird.

Aus der pflanzenfllhrenden Schichte zwischen Keuper und Lias (der Rhätischen Stufe) zu Baireuth kennt man mehrere Pilzarten, von denen Xyhmites Zamitae Goepp. auf Cycadeen-Blättern sitzt. Es sind erhabene in der Mitte vertiefte Scheibchen, wahrscheinlich Ascomyceten.

Etwas zahlreicher erhalten erscheinen Pilzreste auf Baumblättern in tertiären Schichten, namentlich in einigen Süsswasser-Ablagerungen.

Der Bernstein hat verschiedene Arten von Pilzen eingeschlossen und vor- trefflich conservirt, unter anderen auch Schimmelbildungen auf Insekten. Sporo- trichites heterospermus Goepp. bildet gleichförmige ästige Fäden mit eingestreuten runden einfachen Sporen. Dieser sitzt auf manchen im Bernstein eingeschlossenen Insekten. Die heute lebende Gattung Sporotrichum gehört zur Ordnung Phy- comycetes (Hyphomycetes, Fadenpilze), Schimmelpilze (Mucorinen) mit einem deut- lichen einzelligen Mycelium von verästelten Fäden und findet sich auf Baum- rinden, todten Insekten u. dgl.

Die höheren Pilze zerfallen nach ihrer Sporenbildung in die zwei Haupt- ordnungen Ascomycetes und Basidiomycetes. Die Ascomyceten oder Schlauch- pilze erzeugen Sporen zu mehreren durch freie Zellbildung im Inneren besonderer schlauchförmiger Mutterzellen oder asci.

Hierher gehört unter Anderem die Ordnung der Kernpilze oder Fyrenotny- cetes (Sphaeriacei), bei denen die Früchte oder Perithecien kugelige oder riaschen- förmige, mit eigener Wandung versehene Behälter darstellen und in ihrem Inneren eine Schichte von sporenbildenden Schlauchzellen hervorbringen. Die Frucht- hülle oder das Peridium ist gewöhnlich derb und fest, daher unter sonst günstigen Bedingungen einer fossilen Erhaltung fähig. Die Kernpilze finden zieh meist auf den höheren Landpflanzen angesiedelt, besonders auf Blättern und Rinden. Es sind in der Regel kleine unansehnliche, aber meist dunkel gefärbte Pflänzchen. Aus tertiären Schichten kennt man namentlich eine Anzahl von Sphärien, Phaci- dien, Hysterien u. s. w., die aber nur dürftige Aufschlüsse gewähren.

Sphatria bildet Perithecien mit fester Umhüllung, mehr oder minder kugelig oder schildförmig, in reifem Zustand mit kreisrunder Scheitelöffnung zum Aus- tritt der »Sporen. Diese Fruchtkörper sitzen an der Oberfläche von Blättern oder Zweigen. Anfänglich erscheinen sie eingesenkt, später treten sie mehr an die Oberfläche hervor. Perithecien von Sp/iaeria-Arten findet man häufig auf ter- tiären Baumblättern als flache rundliche Körperchen mit porenförmiger Aus- mündung. So u. A. Sphaeria Braun/ Heer auf Pappelblättem im tertiären Schieferthon zu Münzenberg in der Wetterau u. a. O. Es sind einzeln stehende

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Mineralogie. Geologie und Palaeontnlogic

runde Scheibchen von \ | Millim. Durchmesser. Die Oberseite zeigt ein von einem vertieften Ring umgebenes und durchbohrtes Wärzchen.

Die Hauptordnung der Basidiom yceten, Basidiomycetcs, bildet Sporen auf Basidien, d. h. Zellen, die auf fadenförmigen und gipfelständigen Ausstülpungen je eine Spore abschnüren. Hierher gehören die Ordnungen der Gallertpilze (Tremtllini), der Hutpilze (Hymenomycetei) und der Balgpilze (Gasteromycttes).

Nur wenige Arten dieser zahlreichen Hauptordnung bilden ein so derbes holzartiges Gewebe, dass sie fossiler Erhaltung fähig werden, wie dies nament- lich bei den Zunderpilzen oder Pofyporus- Arten der Fall ist, deren Fruchtkörper korkartig oder fast holzartig wird und mehrere Jahre ausdauert. , Bei den meisten Arten der Gattung Pofyporus (Ordnung Hynunomycetts) bildet der Fruchtkörper einen gestielten Hut oder eine halbirte mit breitem Rand an einem Baumstamm angewachsene Scheibe. Die Unterseite desselben führt eine ansehnliche Röhrenschicht, Traroa genannt, deren Höhlungen das eigentliche Sporenlager (Hymtnium) einnimmt Meist ist der Fruchtträger zähe, korkig, fast holzig. Alsdann dauert er mit dem Trama mehrere Jahre und ver- grössert sich mit jedem neuen Jahr durch eine neue Schicht. Alle ausdauernden Arten wachsen an Stämmen lebender oder abgestorbener Bäume. Mehrere der- selben dienen zur Bereitung von Zunder.

Ein solcher Löcherpilz, Pofyporus foliatus Ludw., dem lebenden P. igniarius Lin. nahe verwandt, fand sich in 3 4 Zoll (8 n Centim.) grossen Exemplaren häufig und wohlerhalten in der plioeänen Braunkohle von Dorheim in der Wetterau (das Lager ist jetzt abgebaut). Es ist ein ausdauernder korkartig erhärteter Fruchtträger mit Röhrenschicht, ähnlich dem P. igniarius L. und von der lebenden Art kaum zu unterscheiden. Hut und Röhrenschicht sind deutlich gesondert. Der Hut ist halb glockenförmig und sass mit breiter Anwachsstelle an Baumstämmen fest. Die äussere oder obere Seite des Huts ist rauh und in concentrischen Zonen quergemnzelt. Im Querschnitt erscheint er radial gefasert, die Fasern oder Hyphen setzen an den successiven Zonen, die dem periodischen Zuwachs des Huts entsprechen, deutlich ab. Die unter dem halbirten Hute befindliche Aushöhlung wird von einer ansehnlichen Röhrenschicht eingenommen, die aus eben so vielen besonderen Lagen als der Hut sich angehäuft hat Die Röhren dieser dem Hymenium angehörenden Schicht beginnen in der ersten Anwachszone mit einer der radialen Stellung der Fasern des Hutes entsprechen- den radialen Krümmung und verlaufen dann geradlinig und senkrecht nach unten, aus jeder Jahres-Zone in die nächst jüngere geradlinig anhaltend. Ihr Querschnitt ist vollkommen kreisrund. (Auf der Oberfläche der Röhren sassen beim lebenden Gewächs die Basidien oder sporenbildenden Zellen).

Eine dritte Classe der Thallophyten sind die Flechten, Liehtncs, ver- gleiche pag. 216. Sie bestehen zum Theil aus einem grünen Gewebe mit chloro- phyllhaltigen Zellen, zum Theil aus einem fadenförmig-filzigen Gewebe von Hyphen oder chlorophyllfreien gemeiniglich blassen Zellen. Schon lange ist die Aehnlichkeit des ersteren mit dem Lagergewebe der Algen und die grosse Ueber einstimmung zwischen dem filzigen Gewebe der Flechten und dem der Pilze und nicht minder die Identität des Baues der Früchte von Flechten und derer von gewissen Pilzen, namentlich Kernpilzen, aufgefallen. Aber die entscheidenden Aufschlüsse über diese seltsamen Thatsachen sind erst das Ergebniss einer Reihe von Untersuchungen aus dem letzten Jahrzehend und haben zur Annahme eines im ganzen Übrigen Naturhaushalte bis dahin unerhörten Zusammenlebens von

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Alge und Pilz in der Flechte geführt. Der Pilz hat sich bei Bildung der Flechte einer grünen Alge bemächtigt, erhält sie in Dienstbarkeit und pflanzt sich unter Einbeziehung derselben zu einem neuen Flechten-Individuum weiter fort, in welchem derselbe Dualismus, Pilz und Alge, sich wiederholt.

Die Flechten-Classe in ihrer heutigen Vertretung begreift ziemlich zahlreiche und verschiedengestaltete meist kleine Thallophyten, von denen einige in Gestalt und Bau mit gewissen niederen Algenformen nahe übereinkommen, andere aber von gewissen Pilzen nur schwer zu unterscheiden sind. Ihre Fructificationen oder Apothecien kommen mit denen der Schlauchpilze, Ascomycctes (z. B. der Kernpilze) auffallend nahe Uberein. Sie bewohnen in der grossen Mehrzahl die Oberfläche des trockenen Festlandes. Einige wurzeln auf dem Erdboden, die meisten siedeln sich auf Baumrinden oder nacktem Gestein an, einige leben auch nach Art der Pilze im Oberflächen-Gewebe lebender Pflanzen. Nur wenige Arten halten sich in Süsswasser auf, eine einzige Gattung (Lichina) wächst auf zeitweise überflutheten Felsen des Meeresstrandes. Am meisten in den Vorder- grund treten sie in Gebirgswaldungen und in den kalten Klimaten. Aber auch hier betheiligt sich keine Flechte in hervortretender Weise an der Bildung von Bodenschichten. Höchstens erscheinen die Steinflechten als Mitarbeiter bei der oberflächlichen Zerstörung fester Felsen, während andere an der Bildung von Wald- und Haideboden einigen Antheil nehmen, wie z. B. in der sogen, weissen Tundra oder Flechten-Tundra Sibiriens.

Fast alle Bedingungen ihres heutigen Vorkommens sind nur wenig vereinbar mit einer Wahrscheinlichkeit fossiler Erhaltung. Zwar ist das Lager vieler Flechten hinreichend gross und derb, um sich unter sonst günstigen Bedingungen deutlich in Gesteinsschichten erhalten zu können. Aber Haide, Waldboden und Baum- rinden werden nur selten Gelegenheit zu fossiler Erhaltung von Pflanzen-Resten geben. Das geologische Archiv ist sehr arm an derartigen Funden, nur der Bernstein hat viele vorweltliche Flechtenreste auf unsere Zeiten gebracht.

Die heute lebenden Flechten zerfallen in zwei an Zahl der Formen sehr un- gleiche Hauptordnungen, die Honweomerici, deren Lager gleichmässig gebaut ist und die Heteromerici, deren Lager in ausgezeichneter Weise in drei oder vier Schichten angeordnet ist.

Die Liclunes homocomerici oder gleichartigen Flechten stellen die niederste, am wenigsten ausgestattete Abtheilung dar. Ihr Lager ist in trockenem Zustand knorpelig oder spröde, in der Nässe quillt es zu einem umfangreichen gallert- artigen Körper auf, der oft von gewissen Algen kaum zu unterscheiden ist. Die . Gestalt desselben ist meist laubartig, seltener strauchartig und verzweigt. Hier- her gehören die Gallertflechten oder Coüemaceae, die Seestrandflechte Lichina und die Byssaceen mit der Gattung Ephebe. Sie erscheinen auf feuchten Erd- boden, auf Steinen und an Baumrinden, spielen nur eine sehr unansehnliche Rolle und sind in fossilem Zustand noch nicht nachgewiesen.

Ungleich wichtiger ist die an Gattungen und Arten sehr reiche Abtheilung der geschichteten Flechten, Licherus heteromerici. Diese Abtheilung ist höher organisirt, reichlicher ausgestattet. Hierher gehören die auf Baumrinden, Haide- boden und vorragenden Felsmassen allerwege vorherrschenden eigentlichen Flechten mit wohlgeschichtetem Thallus. Seine Gestalt ist bald laubartig wie bei Peltigera, bald strauchartig verzweigt wie bei Gadonia und Usnea, bald krustenartig wie bei den meisten Steinflechten. Ansehnliche Länge erreichen die von Baumästen herabhängenden Usneen, 1—2 Meter und darüber.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Der Thallus zeigt in der Regel drei Gewebeschichten, i. eine dünne, aber ziemlich dichte, gewöhnlich durchscheinende Rinde, aus einem gedrungenen Ge- flechte von Fadenzellen bestehend, 2. ein von der Rinde umgebenes Mark als lockeres Fadengeflecht und 3. an der Grenze von Rinde und Mark eine Schichte von kugeligen oder vieleckigen chlorophyllhaltigen Zellen oder Gonidien (Algen- Zellen).

So zahlreich verbreitet auch die Flechten heut zu Tage auf dem Festlande auftreten, so erscheinen sie doch, da die Bedingungen zu fossiler Erhaltung in allen geologischen Epochen für sie sehr ungünstig gewesen sind, nur selten in unserem Archiv vertreten.

Aus der pflanzenführenden Schicht zwischen Keuper und Lias bei Baireuth kennt man eine dürftig erhaltene Flechte, Ramalinites.

Einige Arten kennt man aus tertiären Braunkohlen-Lagern z. B. eine Imbri- caria, Thallus-Lappen mit Apothecien, auf einem Aststück aus der Braunkohle von Salzhausen.

Verhältnissmässig zahlreich sind die Flechtenarten, die als Einschlüsse im Bernstein der Ostseeküste nachgewiesen sind. Darunter hefinden sich die in Nadelholzwaldungen heute noch häufige Bartflechte, Usnea barbaia L., femer einige Cladonien, Ramalinen u. s. w., fast alle in heute noch lebenden Arten.

Die Flechten können auch schon in der ältesten Festland-Flora vertreten gewesen sein. Man kennt aber keine Reste von ihnen aus den dieser entsprechenden älteren Ablagerungen und erst mit dem Tertiär-System erscheint ihre Vertretung sicher.

Eine mittlere Stellung zwischen Thallophyten (Algen) und Prothallophyten (Moosen) nimmt die in der heutigen Lebewelt nur durch die zwei Gattungen Chara und Nitella vertretene Klasse der Characeen, Charaecac, ein. Ihre Stellung im System der Botaniker ist sehr schwankend, die meisten stellen sie als besondere Ordnung zu den Algen, denen (und zwar besonders den Confervaceen) sie im Bau des vegetativen Lagers sehr nahe sich anschliessen.

Die Characeen sind vielzellige verzweigte grüne Zellpflanzen des Süßwassers und zeigen ein sehr ausgebildetes Spitzenwachsthum. Ob man sie zu den be- blätterten Gewächsen zählen soll, darüber sind die Botaniker nicht einig.

Der lange grade aufrechte Stengel besteht aus abwechselnd kurzen und un- gewöhnlich langen confervenähnlichen Zellen. Bei Nitella stellen sie noch eine einfache Reihe dar, bei Chara bekleidet sich die anfänglich ebenfalls einfache Zellenreihe des Stengels mit mehreren meist etwas spiralverlaufenden Zellenreihen, die dann eine gestreifte Rinde darstellen.

An den Abgliederungen der Stengelzellen entspringt ein Quirl von mehreren (5 6 8) Achsenorganen zweiter Ordnung oder Zweigen von begrenztem Spitzen- wachsthum. Diese Zweige tragen an ihren Spitzen noch 2 oder 3 kürzere walzige Zellen, die Zacken oder Blättchen. Neuere Botaniker betrachten die Quirl- strahlen der Achse als Blätter, weil in ihren Achseln wahre Aeste sich entwickeln.

Soweit schliessen sich die Characeen den Conferven noch als höhere Stufe gleichen Gepräges sehr nahe an. Aber die Fortpflanzungsorgane sind von ganz eigener Art und erheben sich weit über die der Algen und überhaupt aller übrigen Thallophyten. Sie bestehen aus Oogonien oder Sporangien und aus Antheridien, welche beide an den Zweigen (in den Winkeln der Blätter) sitzen. Die Oogonien sind sporenbildende Knospen, können als umgewandelte Zweige betrachtet werden und erzeugen je nur eine einzige verhältnissmässig grosse

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Spore. Diese hat eine äussere Hülle oder einen Mantel, der aus fünf walzen- förmigen, um die Spore spiralig gewundenen Zellen, den sogen. Hüllzellen be- steht. Nach der Befruchtung vergrössert sich die Sporenknospe und stellt dann eine nussartige Frucht dar. Die äussere aus den fünf Spiralen Zellen bestehende Rindenschicht bildet sich dabei stärker aus und ihre Wandungen verdicken sich in ausnehmender Weise. Die fünf um das Ntisschen gewundenen spiralen Zellen bilden auch noch bei Chara auf dem Scheitel je eine, bei Ntteüa je zwei ab- gegliederte Zellen. Dies ist das Krönchen, welches bei fossilen Funden aber nicht erhalten ist. Endlich fallt die hartschalig-nussartige Frucht ab und die eingeschlossene Spore keimt in der Folge. Neben den Sporenknospen ent wickeln sich die kugeligen oder linsenförmigen Antheridien mit einer Hülle von acht tafelförmigen Zellen. Im Inneren entwickeln sich die Spermatozoiden oder Schwärmfaden, welche die Sporen befruchten.

Die Pflanze ist mit zarten gestreckten fadenförmigen Zellen, die als Wurzeln dienen, im Boden der Gewässer befestigt. Beim Keimen der Spore erkennen einige Botaniker bereits einen besonderen fadenförmigen Vorkeim, ein Protonema, aus dem dann erst der eigentliche Thallus hervorwächst.

Ihr Stengel erreicht % bis 1 Meter Länge.

Die Charen finden sich oft reichlich in Teichen, an flachen Seeufern, in Torfmooren und in sanft fliessenden Bächen, auch noch im Brackwasser der Ostsee. Sie sind fast über das ganze Festlandgebiet verbreitet und man kennt bereits über hundert lebende Arten. Sie nehmen hie und da Antheil an der Bildung von Torfschichten in seichten Seeen und kleineren stehenden Wassern, besonders wo diese kalkreich sind. Bei den meisten Charen überzieht sich auch der Stengel noch bei Lebzeiten mit einer mehr oder minder starken Kalkrinde und sie tragen dadurch zur Bildung kalkiger Bodensätze in stehen- den Gewässern bei, wie dies Lyell in Seeen von Forfarshire (Schottland) beob- achtete.

Die dickwandige Beschaffenheit der äusseren, aus ftinf spiralgewundenen Zellen bestehenden Hülle der Sporenknospe oder des Sporangiums eignet die- selben vortrefflich zu fossiler Erhaltung. Man kennt solche spiralgezeichnete Charenfrüchte, von den älteren Palaeontologen Gyrogoniten genannt, schon in SUsswasser- Ablagerungen der Secundärperiode, namentlich in denen zwischen dem oberen Jura und der unteren Kreide. In Süsswasserschichten des Tertiär- systems, namentlich in feinerdigen Mergellagern sind die Gyrogoniten eine häufige Erscheinung und gewöhnlich gut erhalten. Doch findet sich das sogen. Krönchen auf ihrem Scheitel nicht mehr vor.

Der zarte dünnwandige Bau der Zellen des Stengels und der Zweige ist weit weniger der fossilen Erhaltung günstig. Doch findet man hin und wieder auch von ihnen noch undeutliche Reste in gewissen Ablagerungen. Es sind berindete Stengel, welche der Gattung Chara entsprechen. Die zarteren, der fossilen Erhaltung noch ungünstigeren Stengel der Gattung NittUa hat man noch nicht beobachtet. Die fossilen Früchte können auf beide Gattungen bezogen werden, da der für die Unterscheidung maassgebende Theil derselben, das sogen. Krönchen, an denselben nicht erhalten ist.

Wahrscheinlich sind die Characeen eine in geologischer Hinsicht sehr alte Pflanzenform und haben sich allem Anschein nach schon frühe mit den Moosen zu- sammen von den Conferven abgezweigt. Aber man kennt aus den älteren For- mationen, namentlich aus den Steinkohlengebilden, noch keine Reste von ihnen.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Chara Eschert Braun. Tertiär von Schönstem in Steiermark. 43:1 d. nat. Grösse, a Ein Sporangium in aufrechter Stellung, b Dasselbe von oben gesehen. Scheitel nach abgeworfenem Krönchen. c Das- selbe von unten gesehen.

Die Früchte erreichen höchstens eine Grösse von 1,4 Millim. bei den fossilen Arten. Unter den lebenden kennt man keine so grossen Früchte.

Chara Jaccardi Heer erscheint in den Süsswasserschichten des Ndocomien (Wealden) im Canton Neuchatel.

Chara medicaginula Brogn. ist häufig im oligoeänen SüsswasserquaTz oder (Min. »3.) der Meuliere von Paris. Es sind kugelige Früchte

von i,i Millim. Grösse. Jede der fünf spiralge- wundenen HUllzellen bildet etwas mehr als einen Umgang. Es kommen daher auf die Seitenansicht deren sechs. Der freie Theil eines Umganges ist flach, gegen jede Naht zu mit einem Kiel versehen.

Chara Eschert Braun, häufig im plioeänen Süss- wassermergel von Schönstein in Steiermark, hat länglich -ovale Früchte von 0,7 Millim. Länge. Die 5 Hüllzellen ergeben in der Seitenansicht 9—12 Um- gänge.

Wir gelangen nunmehr zu den Prothallo- phyten, ProthaUophyta , oder der höheren Ab- theilung der Kryptogamen, die mit der der Ge- fäss-Kryptogamen, Cryptogamae vasculares , bei- nahe, aber nicht ganz zusammenfällt Vergl. II. pag. 216. Hierher gehören die Moose und Leber- moose, die Equiseten, Farnen und Lycopo- diaeeen. Bei den Prothallophyten geht aus der keimenden Spore eine zellige Zwischenstufe hervor, der Vorkeim oder das Pro- thallium. Es ist ein rein zelliges Lager, welches dem Thallus der Lagerpflanzen entspricht. Aber während die letzteren zeitlebens auf ähnlicher Stufe stehen bleiben, geht bei den Prothallophyten aus dem Vorkeim eine zweite Generation hervor, welche eine höhere Organisation erlangt und meist in Stengel und Blätter sich differenzirt, zum Theil auch in der Wurzelbildung eine höhere Stufe erlangt Die Prothallophyten zerfallen in zwei Hauptabtheilungen, die Muscinen oder Moosgewächse und die Gefässkryptogamen, die einen verschiedenen Verlauf des Generationswechsels zeigen.

Bei der primitiveren Hauptabtheilung oder den Muscinen, Muscintat, ent- stellt auf dem Prothallium (Protoncma) sogleich die stammbildende Generation oder das Moospflänzchen. Es stellt meist, aber noch nicht immer einen be- blätterten Stengel, hier surculus genannt, dar. Er entbehrt noch stets einer wahren Wurzel. Diese zweite Generation entwickelt geschlechtliche Fortpflanzungs- Organe, nämlich männliche oder Antheridien und weibliche oder Archegonieo, beide auf den Stämmchen, wo deren gebildet werden. Die stammbildende Generation dauert aus. Der aus der geschlechtlichen Befruchtung hervorgehende Embryo entwickelt sich auf ihr zur sporenbildenden Generation. Aber diese besteht nur aus der Mooskapsel, Theca, einem zusammengesetzten Organ (Sporogonium), welches auf der Pflanze dauernd stehen bleibt. Zu den Muscinen gehören nur die Lebermoose und die Laubmoose mit den Torfmoosen, bei denen (auch im Stämmchen) noch keine wahren Fibrovasalstränge gebildet werden. Diese Abtheilung nimmt in der Flora der Jetztwelt eine sehr abge- schlossene Stellung ein und auch von ihren drei Gliedern gilt Aehnliches.

Eine höher organisirte, reichlicher ausgestattete Hauptabtheilung der Pro-

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thallophyten sind die Gefässkryptogamen, Cryptogamat vascuiares. Bei ihnen entstehen die Geschlechtsorgane die Antheridien und Archegonien als- bald auf dem Prothallium. Sie erzeugen einen Embryo, der zur sporenbilden- den Generation heranwächst Diese Generation stellt eine stamm- und blatt- bildende Pflanze mit ächten Fibrovasalsträngen oder Gefassbündeln dar, die zum Theil eine ansehnliche Höhe erlangt. Sie erzeugt Sporen in besonderen Behältern oder Sporangien, die oft an gewissen Theilen der Blätter entstehen, in anderen Fällen auf besonderen Zweigen auftreten. Ansehnliche verholzte Stämme kommen hier schon vor und waren bei den vorweltlichen Vertretern noch häufiger und noch ansehnlicher. Hierher gehören die Equiseten, Farnen und Lycopodiaceen, von denen die Isoeten und Selaginellen vor allen Krypto- gamen am nächsten an die Phanerogamen (Cycadeen und Coniferen) heran- treten.

Die moosartigen Gewächse, Muscineae, stehen durchweg auf einer viel tieferen Ausbildung als die Equiseten, Farnen und Lycopodiaceen. Sie nehmen mit den Characeen sowohl in anatomischer als auch in physiologischer Hinsicht, nach Bau wie nach Verrichtungen, im Allgemeinen eine Mittelstellung zwischen den Grünalgen, namentlich Conferven, einerseits, den Gefässkryptogamen andererseits ein. Damit wird auch ein ähnlicher genealogischer Zusammenhang wahrscheinlich, wenn er auch in Folge der mangelhaften Vertretung, welche Pflanzen und Pflanzentheile von weichem leicht verwesendem Gewebe im geo- logischen Archiv überhaupt, in den älteren Formationen im Besonderen fanden, nicht näher erweisbar ist. Land und Süsswasser bewohnende Zellenpflanzen "und mit ihnen auch Characeen und Muscineen fehlen in den älteren fossilführenden Formationen, namentlich auch noch in der Steinkohlenformation fast vollständig, während in der letzteren die Gefässkryptogamen aufs reichlichste und als mächtige Sumpf- und Waldvegetation erhalten erscheinen. Hier liegt offenbar eine weite Lücke im geologischen Archiv der genealogischen Deutung im Wege. Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach anzunehmen, dass der umfangreichen Holz- vegetation der Gefässkryptogamen, welche im devonischen System und in den Steinkohlenablagerungen sich erhalten findet, in noch älterer Epoche eine formen- reiche Vegetation von gr ünen Zell pflanzen auf dem Festland und im süssen Wasser vorausging, von der aber zufolge ihrer weichen zarten leicht verwesenden Zellwandungen wenig oder gar nichts auf unsere Zeit sich erhalten hat.

Man kann trotz dieser grossen' Lückenhaftigkeit des uns vorliegenden Archivs mit Fug annehmen, dass in einer sehr frühen geologischen Epoche aus grünen Land- und SUsswasseralgen fProtokokken, Conferven u. dergl.) die Mus- cinen hervorgingen und weiterhin aus irgend welchen unbekannten moosartigen Gewächsen die ersten Gefässkryptogamen entstanden. Die entscheidenden Mittelglieder sind allerdings nicht erhalten. Sie müssten, wenn überhaupt, in Schichten des silurischen oder cambrischen Systems gefunden werden, wozu keine Aussicht ist. Nach dem heutigen Stande des palaeontologischen Archivs kennen wir sichere Reste von Muscinen in unzweifelhafter Vertretung erst in Tertiär- schichten, hie und da in fein erdigen Braunkohlenabsätzen, häufiger im Bernstein erhalten, besonders Arten der Gattung Hypnum. Problematisch ist das Vor- kommen grosser stammbildender strauchartiger Muscinen (Aphyllum) im devo- nischen System.

Wir beginnen mit der Classe der Lebermoose, Hepaticae. Es sind kleine und meist unansehnliche, aber sehr verschiedentlich gestaltete und oft sehr zier-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

liehe Gewächse, welche theils an feuchten oder sumpfigen Stellen, z. B. an Quellen und Bächen auftreten, theils neben Flechten und Moosen auf Felsen oder auf Baumrinden vegetiren (lebend etwa 1400 Arten).

Ihr Vegetativkörper zeigt eine sehr verschiedene Gestaltung und besteht bald aus einem ulvenähnlichen Lager, bald aus einem beblätterten Stengel, wo- nach man Hepaticae frondosae und Joliosae unterscheidet. Bei Riccia und Antho- ceros ist das Lager ein lappiges, flach ausgebreitetes Laub mit strahlig hervor- wachsenden Lappen, das Zellgewebe ist hier noch rein parenehymatisch. Bei Marchantia ist das Lager auch noch lappig, flach aufliegend und die läppen gablig-getheilt. Die Hauptmasse des Lagers ist ebenfalls noch rein parenehy- matisch. Aber die Lappen enthalten eine Mittelrippe, die aus langgestreckten Zellen besteht und dies gilt als erster Anlauf zur Bildung von Gefässsträngen. Auch bei einigen Gattungen der Ordnung Jungermanniaceae ist das Lager noch laubartig ausgebreitet, lappig oder linealisch -gabeltheilig. So bei Afetsgeria, Aneura und Blasia (Jungermanniaceae frondosae). Bei der Mehrzahl der Gattungen derselben Ordnung aber hat die Pflanze einen deutlichen Stengel mit deutlichen Blättern. Stengel meist niederliegend, mehr oder minder verzweigt. Blätter zweizeilig gestellt, stets nervenlos. Ausserdem auf der Unterseite des Stengels noch besondere Nebenblätter. So bei den Gattungen Jungermannia, Lejeunia, Frullania, Radula, Madotheca u. s. w. (Jungermanniaceae foliosae).

Archegonien und Antheridien kommen bei den Lebermoosen an sehr ver- schiedenen Stellen vor, oft auf eigenen gestielten schildförmigen Ständen, so z. B. bei Marchantia die Archegonien auf gestielten sternförmig gestrahlten Ständen, die Antheridien auf besonderen gestielten schildförmigen Ständen. Die Sporenfrucht ist eine Kapsel, theca, die bei der Reife meist vierklappig aufspringt.

Die Kleinheit der Lebermoose, ihr vereinzeltes und zerstreutes Vorkommen an Baumrinden, Felsen u, s. w. ist einer fossilen Erhaltung derselben wenig zu- träglich. Allem Vermuthen nach waren sie schon in den ältesten Festlandfloren vertreten. Aber im geologischen Archiv finden wir nur sehr dürftige Reste uod erst in der Tertiärformation hat der Bernstein der Ostseeküste, der so manche zarte Organismen, die sonst rasch der Verwesung anheimfallen, durch Luftab- schluss auf unsere Zeiten in kenntlicher Weise erhielt, auch eine Anzahl rinden- bewohnender Lebermoose eingehüllt und wohlerhalten uns überliefert. Man kennt von Lebermoosen im Bernstein nur Arten aus der Ordnung Jungermannia- ceae, die als Baumrindenbewohner oder anderweitig dem aus Fichten hervor- quellenden Harze erreichbar waren und daher in dessen weiche Masse einge- schlossen wurden. Sie gehören zu den Gattungen Aneura, Lejeunia, Frullania, Radula, Jungermannia und entsprechen meistens heute noch lebenden Arten. Man kennt übrigens auch von diesen nur Bruchstücke, welche keine ganz sichere Bestimmung zulassen. Auch die Gattung Marchantia ist neuerdings in mehreren Arten in Tertiärschichten nachgewiesen worden, namentlich in zwei Arten im untereoeänen Süsswasserkalk (Et. Suessonien) von Sezanne östlich von Paris. M. Sesannensis Brogn. hat ziemlich grosses gelapptes Laub mit länglichen Lappen, ähnlich der heute bei uns lebenden M. pofymorpha. Man kennt von ihr auch den männlichen Blüthenstand und dieser erinnert mehr an heutige tropische Arten derselben Gattung.

Im Allgemeinen auf höherer Organisationsstufe als die Lebermoose stehen die Laubmoose, Musci frondosi. Ihr vegetativer Körper stellt immer einen cylindrischen beblätterten Stamm (surculus) dar. Ein flächenhaft ausgebreitetes

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Kxyptogamen. 241

laubiges Lager kommt bei ihnen schon nicht mehr vor. Die generativen Organe die Archegonien und Antheridien sind in ihrer ersten Anlage denen der Lebermoose noch ganz ähnlich, im weiteren Verlauf und namentlich in der Frucht bildung ergeben sich jedoch Unterschiede.

Die Laubmoose zerfallen in ihrer heute lebenden Vertretung in zwei ungleich grosse Abtheilungen, die Torfmoose und die eigentlichen Laubmoose. Aeltere Botaniker betrachteten erstere nur als besondere eigenthümlich abweichende Gattung oder Familie der letzteren. Neuere Untersuchungen ergaben aber tiefer gehende Unterschiede, namentlich in der Fructification, wonach man jetzt beide Abtheilungen gewöhnlich als eigene Classen auffasst.

Die Torfmoose, Sphagnaceae, begreifen in der Jetztwelt nur die einzige Gattung Sphagnum mit einer massigen Anzahl von Arten (etwa 20). Es sind blasse, meist grünlichweisse chlorophyllarme Moose, die an feuchten Stellen in gedrängten Rasen oder Polstern vegetiren und grosse Mengen Wasser aufsaugen können, wozu namentlich einzelne durchbohrte und leere Zellen der Stengelrinde und des Blattgewebes dienen.

Der Stengel ist aufrecht und verzweigt und kann grosse Länge erreichen. Er besteht aus drei Schichten, einer Aussenschicht oder Rinde, die aus einem lockeren Gewebe weiter Zellen besteht, einer mittleren Schicht, oder einem holz- artigen Stammkörper aus dickwandigen gestreckten Zellen, endlich zu innerst aus einem Achsencylinder oder Mark. Diese innere Schichte besteht aus dünn- wandigen gestreckten Zellen, besorgt die Saftleitung und wird daher auch mit einem Gefässstrang verglichen. Aber wahre Gefässe fehlen noch. Die Blätter stehen dicht gedrängt am Stengel, sind eiförmig zugespitzt oder zungenförmig und bestehen aus einer einzigen Gewebeschicht von zweierlei mit einander abwechseln- den Zellen, kleineren und grösseren; letztere sind durchlöchert

Die Archegonien-Stände sind knospenförmig, die Antheridien-Stände sind zapfen- oder kätzchenförmige Zweige. Aus dem Archegonium wächst nach der Befruchtung die zweite oder sporenbildende Generation in Gestalt einer länglich- kugeligen Kapsel oder Büchse (Capsula, theca) hervor, die anfangs ungestielt ist, später auf einem Stiel (Pseudopodium) sich emporhebt. Sie springt bei der Reife mit einem Deckel auf. Die Sporen sind ungleich, grössere und kleinere. Die grösseren keimen und bilden dabei ein ausgebreitetes lappig- laubiges Pro- thallium.

Die Sphagnum- kttew spielen in den gemässigten und kälteren Zonen eine bedeutende Rolle im Naturhaushalte und gewinnen auch eine namhafte geologische Bedeutung. Dies begründet sich einerseits mit ihrer Fähigkeit eine verhältniss- mässig grosse Menge von Wasser aufzusaugen und zurückzuhalten, andererseits ist es eine Folge der unbegrenzten Endsprossung (vegetatio terminalis) ihrer Primär-Achse, die selbst noch fortdauert, wenn der ältere Theil der Pflanze ab- gestorben ist.

Anfänglich bilden sie nur dicht gedrängte schwammartige Rasen oder Polster auf feuchten Waldlichtungen, besonders in Waldwiesen, an Quellen und Flössern. Zugleich sind die Sphagnen ausdauernde Moose, verlängern nach oben ihren Stengel, so lange überhaupt die Ortsbedingungen ihnen günstig bleiben und ver- mögen, während die unteren Partien absterben, mit der fortwachsenden Spitze und ihren Verzweigungen ein bedeutendes Alter hie und da wohl von vielen Jahr- tausenden — zu erreichen.

Die Torfmoose tragen auf diese Weise in Wald- und Gebirgsgegenden be-

Kuwgott, Mia., G«ol. u. Pal. IL 16

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242 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

trächtlich zur Torfbildung bei. Hierdurch entsteht ein Moostorf, der vorherrschend aus einigen SpAagnum-Arten gebildet wird. Einige grüne Laubmoose namentlich Hypnum-Anen betheiligen sich ebenfalls dabei.

Solche vorzugsweise aus Sphagnen hervorgehende Torflager vermehren sich fortwährend in der Richtung von unten nach oben, indem das Torfmoos aus seinen Spitzen sich verlängert und überhaupt so lange emporwächst, als die äusseren Bedingungen seine Vegetation begünstigen. Während dessen sterben die unteren Theile derselben Gewächse alimählich ab, gehen in Humus-Substanzen über und erzeugen dadurch neue obere Torfmasse. Begünstigt wird die Fort- dauer der obersten Vegetation durch das lockere, ebenfalls das Wasser andauernd zurückhaltende Flechtwerk der abgestorbenen Theile. Den Stengel ein und der selben Pflanze kann man bisweilen im Moostorf von Gebirgsgegenden zu ansehn- licher Tiefe (angeblich bis 10 Meter) hinabverfolgen.

Die Sphagnen fehlen in kalkhaltigen Wassern und sind daher auch bei der KalktufT-Bildung nicht betheiligt.

Wahrscheinlich haben sich die Pflanzen dieser Klasse zusammen mit Laub- moosen schon in einer frühen geologischen Epoche von den Lebermoosen ab- gezweigt, aber das Zeitalter ihres ersten Auftretens ist nicht näher bekannt An der Bildung der Braunkohlen-Lager der Tertiär-Periode mögen sie oft lebhaften Antheil genommen haben, aber meist durch Vermoderung bald unkenntlich ge- worden sein. Man findet wohl zuweilen Moosschichten zwischen anderen Lignit- Gebilden und sie deuten auf eine Torfbildung, doch lässt die schlechte Erhaltung keine nähere Bestimmung zu. Bis jetzt konnte die Gegenwart von Sphagnen in denselben noch nicht nachgewiesen werden. Schimper erwähnt eine Sphagnum- Art aus einem mioeänen Brauneisenstein von Dernbach im Westerwald, Sphagnum ferrugineum Ludw. (Sp/i. Ludwigi Schimp.) Sie ist mit Früchten erhalten.

Die eigentlichen Laubmoose, Bryaceac, stellen nach Ausschluss der Gattung Sphagnum eine formenreiche Klasse dar, deren Ordnungen und Familien sich in der Höhe der Organisation beiläufig gleich stehen, deren Gattungen und Arten aber eine grosse Mannigfaltigkeit der Formen zeigen. (Lebend über 2000 Arten.)

Sie sind sämmtlich grüne beblätterte Stengelpflanzen, deren Stengel meist eine in die Augen fallende Länge erreicht. Sie erscheinen auf dem Festlande sehr allgemein verbreitet und treten besonders an Bäumen und Felsen, aber auch auf Waldboden, Wiesen u. s. w. auf. Wenige Moose leben im Süsswasser, wie Fontinaiis, dessen fluthender Stengel oft ein Meter lang wird und einige Hypnum- Arten, die an der Torfbildung sich betheiligen.

Die meisten Moose sind ausdauernde Gewächse. Ihr Stengel ist entweder aufrecht, oder kriechend, dabei oft reich an blattwinkelständigen Aesten. Er besteht bei den ausdauernden Arten vorwiegend aus gestreckten und bisweilen dickwandigen Zellen. Der Querschnitt ergiebt zwei oder drei Schichten und ändert je nach den besonderen Gattungen mannigfach ab. Bei der dick- stämmigsten Moosgattung Dawsonia in Australien, deren Stämmchen einen Durchmesser von 0,6 Lin. (1,1 1,2 Millim.) erreicht, finden sich drei Schichten. Die Umfangsschicht oder Rinde ist stark entwickelt und besteht aus engen dick- wandigen Zellen. Die mittlere Schicht oder Stamraröhre hat weite mässig dick- wandige Zellen. Dazu kommt ein Achsencylinder, der auch als Markkörper aufgefasst werden kann, er besteht aus zweierlei Zellen (weiten dünnwandigen und engen dickwandigen spindelförmigen Zellen) und scheint nach der Ver-

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Kryptogaroen.

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richtung einem Gefässstrang zu präludiren. Aehnlich ist der dreischichtige Stengel des in unseren Waldungen häufigen Hylocomium oder Hypnum triquetrum Lind., Rindenschicht und Stammkörper sind ähnlich wie bei Daivsonia. Der Central- oder Markkörper ist dünn und besteht aus engen dickwandigen Zellen. Andere Moose z. B. Fontinaiis und Barbula besitzen zweischichtige Stengel, in denen der Stammkörper vorwiegt und noch kein besonderes Mark ausge- bildet ist Gefässe fehlen im einen wie im anderen Falle noch dem Moos- stengel.

Die Blätter stehen bei den Laubmoosen wie bei den Torfmoosen meist dicht gedrängt am Stengel und den Aesten, sie sind in der Regel schmal, bald lang zugespitzt, bald mehr zungenförmig, stets ungestielt, meist ganzrandig. Sie bestehen meist aus einer einzigen Schicht von polygonal gedrückten Paren- chymzellen, oft aber zeigen sie auch noch einen Mittelstrang von gestreckteren Zellen oder einen sogen. Blattnerven.

Archegonien und Antheridien entwickeln sich meist auf getrennten Ständen, umgeben von einem Kranze grösserer, oft gefärbter Deckblätter (Ptrigamium). Aus dem Archegonium wächst nach der Befruchtung die zweite oder sporen- bildende Generation in verschiedener Gestalt, meist als eine gestielte und mit einem Deckel versehene Urne (Büchse, Capsula, theca) hervor und zersprengt dann die ältere Hülle gewöhnlich in zwei Stücke, von denen das obere, die Haube oder Mütze (calyptra) oft noch lange auf der Urne sitzen bleibt. Dabei verlängert sich der Stiel der Urne bisweilen noch ansehnlich und erreicht z. B. bei Polytrichum bis ein halb Fuss Länge (Borste, seta). Gewöhnlich springt die Moosbüchse bei der Reife mit einem Deckel auf. Die Sporen sind gleichartig.

Bei der Keimung entsenden die Sporen einen fadenförmigen Vorkeim, der sich auch noch verästelt (Protonema). Er gleicht sehr einer Conferve, und man hat solche Vorkeime früher für Algen gehalten. Diese Fadengestalt des Vor- keimes der Moose kann als erblich übertragenes Merkmal ihrer Abstammung von Conferven gelten.

Die Laubmoose spielen namentlich in den gemässigten und der kalten Zone eine wichtige Rolle im Naturhaushalt und betheiligen sich hier auch an der Bildung neuer Bodenschichten durch Massenhaftigkeit ihrer Vegetation, wenn auch nicht in so auffälliger Weise wie die Torfmoose.

Mehr oder minder grossen Antheil an der Torfbüdung nehmen einige Laub- moose, namentlich Hypnum-hrtzn. In den feuchten Ebenen des nördlichen Sibirien bilden Moose, unter anderem Polytrichum-Artexx zusammen mit Sphagnen, die vorwaltende Vegetation und erzeugen weit ausgedehnte Lager von torfigem Boden, der sich dadurch allmählich erhöht, Dies ist die sogen, nasse Tundra oder Moos-Tundra, deren Untergrund das ganze Jahr über gefroren bleibt.

Hie und da erscheinen Moose, z. B. Hypnum commutatum, auch massenhaft an der Bildung von Kalktuffen betheiligt. Sie vegetiren oft reichlich in kalkabsetzendem Quellwasser und werden rasch vom Kalkabsatz incrustirt. Oft grünen die Spitzen einer Moospflanze noch fort, während ihr älterer Theil schon im erhärteten Kalk- tuff vergraben erscheint. Dies sind besondere kalkbewohnende Moosarten, Musci calckolae. (SpAagnum- Arten sind bei Kalktuffbildungen nicht betheiligt.)

Die Laubmoose wie die moosartigen Gewächse überhaupt nehmen sowohl in anatomischer als in physiologischer Hinsicht eine mittlere Stellung zwischen Grünalgen (Conferven und Ulven), denen ihre Prothallien ähneln, einerseits und den Gefäss-Kryptogamen andererseits ein. Damit wird auch ein ähnlicher genea-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

logischer Zusammenhang wahrscheinlich, wenn er auch in Folge einer mangel- haften Vertretung im geologischen Archiv niemals näher erwcisbar werden sollte. Namentlich darf man annehmen, dass aus Conferven oder Ulven in unbestimm- bar alter Epoche laubige Lebermoose (Hepaticac frondostu) und aus diesen nach- mals Torfmoose und Laubmoose hervorgingen. Dies muss schon lange vor der silurischen Epoche stattgefunden haben. Aber die zarten Parenchym-Gebilde, die damals die Festlandvegetation eröffneten, fanden in den Gesteinen, die uns aus jenen frühen Epochen vorliegen, keine fossile Erhaltung.

Aus alten und mittleren Formationen kennt man noch keine sicheren fossilen Reste von Laubmoosen. Zarte Lycopodien- oder auch wohl Coniferen-Zweige sind öfter für Moosreste genommen worden, z. B. Musettes SUrnbergianus Dunk. aus dem Thoneisenstein der norddeutschen Wealden-Formation. Dieses Fossil hat sich inzwischen als Zweig einer Conifere herausgestellt, AraucariUs Danken Ett. Man kennt jetzt davon auch Zweige mit kleinen Fruchtzapfen.

Reichlicher finden sich Moosreste in Süsswasser-Ablagerungen der tertiären Formationen. Häufig mögen Moose an der Bildung tertiärer Braunkohlenlager Antheil genommen haben, aber auch hier sind ihre zarten Reste meist undeut- lich geworden. In der mitteltertiären Braunkohle von Salzhausen (Wetterau) kommen, durch das ganze Lager zerstreut, erkennbare beblätterte Stengel einer ffyßnurn-ATt und vielleicht auch noch andere Moose vor. Aber diese zarten Reste zerbröckeln beim Austrocknen der Kohle so leicht, dass man sie in diesem Zustand leicht übersieht.

Moose mögen auch bei der Bildung mancher tertiären Süsswasserkalke in Gesellschaft von Conferven u. dgl. betheiligt gewesen sein, wie sie z. B. bei dem Travertin-Absatz in Italien (Tivoli) mitwirkten und noch heute mitwirken.

Reichlicher kennt man Einschlüsse der tertiären Moosflora im Bernstein der Ostseeküste erhalten. Er überlieferte uns deutliche Reste von Arten der Gattungen Polytrichum , Hypnum, Barbula, Dicranum u. s. w. Ein Theil der Arten sind ident mit heute noch lebenden. Doch kennt man auch diese nur in geringen Bruchstücken.

Bemerkenswerth ist noch das Vorkommen arktischer ffypnum-Arten in dem diluvialen oder der Glacial - Epoche angehörigen Torf von Schussenried am Bodensee zusammen mit Knochen und bearbeiteten Geweihen vom Renthier.

Wahrscheinlich gab es in der silurischen und der devonischen Epoche an- sehnliche stammbildende moosartige Landpflanzen. Hierauf deutet die eigen- thümliche Stamm-Structur von Aphyllum paradoxum Ung. aus dem devonischen Lager von Saalfeld. Diese Pflanze hat eine centrale Holzröhre von gestreckten dickwandigen Parenchym-Zellen; einen spärlichen parenehymatischen Mark-Cylinder und eine reichliche parenehymatische Rinde. Es fehlen ihr Markstrahlen, Ge- fässe und Gefässbündel, auch Prosenchymzellen. Uncer vermuthet, dass dieser moosartige Stamm breit ansitzende dünne moosartige Blätter trug. Aber ausser dem Stamm ist nichts von ihr erhalten.

Um einen beträchtlichen Grad höher organisirt als die Muscinen sind die Gefäss-Kryptogamen, Cryptogamae vascularcs, vergl. IL, pag. 216. Sie sind eine geologisch sehr alte Abtheilung der Pflanzenwelt und derselbe weite Abstand, der sie heutigen Tages von den Moosgewächsen scheidet, ist auch in ihren ältesten fossilen Vertretern aus silurischen, devonischen und carbonischen Schichten bereits zu erkennen, die schon beiläufig auf derselben Organisationshöhe stehen, wie die heute lebenden Formen, sie wohl in dieser Hinsicht zum Theil auch

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Kryptogamen.

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überragen mochten. Beide grosse Abtheilungen sind Prothallophyten, aber ihr Generationswechsel verläuft, wie oben schon hervorgehoben wurde, in ganz anderer Weise.

Die Gewächse, von denen die im silurischen und devonischen System fossil erhaltenen Gefäss-Kryptogamen abstammten, sind unbekannt und werden es vielleicht auch immer bleiben. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aber können wir annehmen, dass es Chlorophyll-Gewächse waren, die von Conferven oder von Ulven sich abzweigten und vielleicht in der Gestaltung des Thallus, theils Marchantien, theils beblätterten Jungermannien, theils auch wohl Charen ähnelten. Die Ursprungs-Forschung wird diese Klippe wohl nie anders denn hypothetisch überwinden.

Im devonischen, wenn nicht schon im silurischen System beginnen die Ge- fäss-Kryptogamen in fossiler Erhaltung bereits mit stattlichen und kräftig ver- holzten Formen aus den Ordnungen der Farnen, der Lycopodiaceen und gewissen den heutigen Equiseten nahe verwandten Abtheilungen. Sie bildeten damals schon eine reichliche, theils mehr dem Sumpfboden, theils wohl auch einem trockenen Boden angehörige Waldvegetation, in der auch noch zahlreiche Gewächse von zarterem Parenchym, welches sich nicht fossil zu erhalten ver- mochte, vegetirt haben mögen. Sie überwiegen noch in der Steinkohlenformation und im Rothliegenden alle übrigen Pflanzenformen des Festlandes als waldbildende Land- und Süsswasser-Vegetarion und erreichen hier auch gewaltige Grösse, wie namentlich die L*pidodtndron-kt\.tn mit Stämmen von 30 Meter Länge und 1 Meter Dicke.

Neben ihnen waren in der Waldflora jener Zeiten nur eine verhältnissmässig geringe Anzahl von Coniferen und eine noch spärlichere von Cycadeen vertreten, auch eine kleine Anzahl von Monocotyledonen von mehr oder minder pro- blematischer Stellung. Aber in der permischen Epoche zeigt sich schon eine merkliche Abnahme in der Zahl und dem Wuchs der Gefass-Kryptogamen und nachmals werden sie von der allmählich reichlicher sich gestaltenden Phanero- gamen-Flora Schritt für Schritt in den Hintergrund gedrängt Mannigfache Ursachen mögen hier zusammengewirkt haben. Von ihnen ist eine unverkennbar, die schon von Buffon im vorigen Jahrhundert erkannte polare und allmählich dem Aequator näher rückende Abkühlung der Rinde des Erd-Planeten. Sie führte in der Polarregion zur Entstehung neuer dem periodischen Wechsel der Jahres- zeiten vortheilhafter angemessener Pflanzengestalten. Diese rückten von Zone zu Zone vor, fast überall die alten Typen der Gefäss-Kryptogamen-Flora zurück- drängend und schliesslich selbst unter dem Aequator sie im Ringen um Raum und Nahrung überwindend.

Wälder von hochstämmigen Gefäss-Kryptogamen sind heut zu Tage eine spär- liche Erscheinung. Sie finden sich nur noch auf einzelnen feuchten Stellen wärmerer Klimate, besonders auf Inseln der Tropenzone, aber auch noch in der südlichen gemässigten Zone, u. a. auf Neuseeland und auf gewissen Höhen von Gebirgen heisser Länder, besonders in Südamerika. Sie bestehen jetzt nur noch aus baumartigen Farnen (zwischen 23 0 nördl. Br. und 40 0 südl. Br.). Die heutige Flora der Gefäss-Kryptogamen ist nur noch eine spärliche Nachkommenschaft der älteren Florenfolge. Artenarm und auf kümmerlichen Wuchs zurückgegangen er- scheint sie bei Equiseten, Wurzel farnen, Natterzungen, Lycopodien, nur etwas reichlicher an Artenzahl und gelegentlich auch durch Höhe des Wuchses ausge- zeichnet bei Laubfarnen. Sie überziehen in niederen krautartigen Formen viele

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Haidenflächen der gemässigten Zonen und bieten an feuchten Stellen warmer oder heisser Klimate auch noch einzelne baumartige Gewächse von 10 bis zu höchstens 17 Meter Höhe.

Die Gefäss-Kryptogamen erheben sich in der Organisation von Stengel oder Stamm und Laubwerk bereits beträchtlich über die Moose und schliessen sich in denselben Stücken in ihren höheren Formen schon den gymnospermischen Blüthenpflanzen nahe an. Während bei den Moosen und ihren Verwandten der ganze Pflanzenkörper noch aus Zellen, die noch ziemlich gleichartig oder nur wenig verschiedentlicht erscheinen, aufgebaut wird, entwickeln sich im Achsenorgan der Equiseten, Farnen und Lycopodiaceen bereits eigenthümliche Stränge ge- streckter Zellen und Gefässe, die Gefassbündel oder Fibrovasalstränge, fasekuh vasorum, wie sie bei den höherstehenden Blüthenpflanzen allgemein vorkommen. Wahre Gefässe treten darin auf, Tracheiden, namentlich sogenannte Treppenge- fässe, vasa scalariformia.

In ihrer äusseren Tracht folgen die Gefässkryptogamen verschiedenen Typen- Ausgezeichnet gequirlt sind die Equiseten, sie gehören gleich den Charen, Casuarinen und Ephedren dem Typus verticiüatus an. Moosartige Tracht zeigen die Lycopodien und Selaginellen und in ähnlicher Weise wiederholt sich dieser Typus bei manchen Coniferen. Grasartig sind die Isoeten und Pilularien. Laubig und oft palmenartig erscheinen die Farnen. Man muss solche Analogien aber vorsichtig nehmen und nicht gleich Affinitäten darin erblicken.

Wichtigere Merkmale der Affinität sehen wir an Prothallien und Sporen. Sie dienen der neueren Classification der Gefass-Kryptogamen. Laubig und einem flachen Lebermoos ähnlich ist das Prothallium bei Farnen und Equiseten. Knollenförmig und unterirdisch ist das Prothalium bei Lycopodien und Ophio- glossen. Sehr unansehnlich und meist noch in der Spore eingeschlossen er- scheint das Prothallium bei den Rhizocarpeen, Isoeten und Selaginellen.

Gleichsporig sind die Equiseten, die Farnen mit den Ophioglossen und die Lycopodien (Cryptogamae vasculares isosporae).

Ungleichsporig sind die Rhizocarpeen, Isoeten und Selaginellen {Cryptogamae vasculares heterosporae). Sie entwickeln grössere Sporen oder Makrosporen, die weiblich sind und kleinere Sporen oder MikroSporen, die männlich sind. Bei diesen ungleichsporigen Gefässkryptogamen verringert sich die Ausbildung des Prothalliums, welches nunmehr innerhalb der aufreissenden Spore verbleibt Hier treten nun auch in der Gestaltung des Archegoniums und des aus diesem hervorkeimenden jungen Pflänzchens Charactere auf, die denen der Phanerogamen, namentlich der Cycadeen und Coniferen, sich schon nahe anschliessen. Dies ist namentlich bei den Selaginellen der Fall.

Die wichtigen Charactere der Fructification und der Keimung lassen sich bei den fossil auftretenden Formen der Gefässkryptogamen nur sehr spärlich ver- folgen. Von ihrer Keimung weiss man gar nichts. Fruchtgebilde findet man nur selten erhalten und auch dann in der Regel nur nach den roheren Umrissen zu erkennen und oft vom übrigen Pflanzenkörper abgetrennt. Die Systematik der fossilen Formen rückt daher auch nur langsam vor und bedarf noch gar mancher glücklicheren Funde. Ganze Classen und Ordnungen, wie z. B. die Sigillarien und Xöggerathien, schwanken in ihrer Stellung überhaupt noch zwischen Gefässkryptogamen und gymnospermischen Phanerogamen oder nehmen vielleicht auch wirklich eine vermittelnde Stellung ein, die noch nicht zur Genüge er- kannt ist.

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Kryptogamen.

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Wir beginnen mit den Calamophyten, Calamophyta oder Calamaritae. Es sind Gefass-Kryptogamen vom typus verticillatus, mit vorwiegendem Stengel oder Stamm, Schaft. Er ist in ausgezeichnete Geschosse oder Internodien abgegliedert, an den Abgliederungen mehr oder minder deutlich eingeschnürt und den Ge- schossen entlang mit gleichlaufenden, mehr oder minder starken Längsrippen oder Streifen versehen. Blätter, Zweige und Wurzeln treten in Quirlen an den Ab- gliederungen (Gelenken, Articulationen) hervor. Die Hauptentwicklung des Pflanzenkörpers fällt hier auf die Achse, in der der GefässbUndelkörper eine grossmaschige Netzröhre bildet und der centrale Markkörper wie auch das peripherische Rindengewebe beträchtliche langgestreckte Luftcanäle enthalten. Die Beblätterung ist quirlig und meist unbedeutend. Die Früchte entwickeln sich an der Spitze des Stengels oder der Zweige an quirlförmig gestellten ge- stielten Schildern, die als umgewandelte Blätter zu betrachten sind, und die Fruchtstände haben die Gestalt von Aehren oder Kolben.

Die Calamophyten stehen sowohl unter den Gefass-Kryptogamen, als Über- haupt in der ganzen Pflanzenwelt sehr vereinzelt und auch die hierher gestellten fossilen Formen ergeben keinen näheren Anschluss an eine andere Classe. Was ihr Verhältniss zu den Thallophyten anbelangt, so kommen sie allerdings in der äusseren Tracht mit den Charen nahe Uberein, aber diese Aehnlichkeit ist nur eine trügerische Analogie und erstreckt sich nicht auf den inneren Bau des vegetativen Gerüstes, ebensowenig auf die Bildung der Früchte. Man kann zwar annehmen, dass die Calamophyten von quirlförmig gebauten Thallophyten älterer geologischer Epochen abstammen, aber die heute lebenden Charen gewähren darüber keinen näheren Aufschluss. Die erste Erscheinung wohl charakterisirter Calamophyten reicht übrigens auch sehr weit zurück. Sie sind in der devonischen Formation schon reich an Familien und Gattungen vertreten. Unger führt aus dieser drei Abtheilungen Haplocalanuae, Stereocalameat und Aster ophyüiteae auf, was auf eine in jener frühen Zeit schon sehr reichliche Entfaltung deutet und den ersten Ursprung noch viel weiter hinaus schiebt.

Der Hauptausgangspunkt für das Verständniss der gesammten Calamophyten liegt in der allein noch lebend vertretenen Gattung Equisetum oder Schachtel- halm, deren aufeinanderfolgende Internodien je in eine umfassende Blattscheide des nächst älteren eingeschachtelt erscheinen. Daran schliessen sich unmittelbar die von der Steinkohlenformation an fossil auftretenden Equisetiten mit dicker ansehnliche Höhe erreichender Stammbildung. Eine eigene Classe bilden die ebenfalls baumhohen Calamiten älterer Formationen. Sie sind nur fossil bekannt und zeigen nie Blattscheiden. Diesen schliessen sich die nur in denselben Schichten auftretenden, aus beblätterten Zweigen bestehenden Asterophylliten an. Aeltere Botaniker betrachteten sie als eine besondere Pflanzen- Abtheilung, neuere sind mehr geneigt, in ihnen die beblätterten Zweige der Calamiten zu erkennen. Aber mikroskopische Untersuchungen fossiler Hölzer von calamitenartiger Tracht, namentlich von Unger angestellt, deuten darauf hin, dass auch der Bau des Holzstammes der Calamiten sehr verschiedener Art war und man unter denselben verschiedene Familien und Gattungen zu unterscheiden hat. Hierher gehört zu- nächst Cotta's Gattung Calamitea, die auf mikroskopischen Querschnitten ver- kieselter Stammstücke beruht Die hier angedeuteten Schwierigkeiten sind noch nicht gehoben. Man muss einstweilen hier noch besonders erörtern, was in einer oder der anderen Weise zusammengehört. So kann es sein, dass man Stämme einer Art als Calamiten, Zweige als Asterophylliten und mikroskopische

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Schnitte tinter einem dritten Namen beschreibt, ohne ihre Zusammengehörigkeit näher erweisen zu können.

Wir beginnen mit der ersten Classe der Calamophyten, den Equisetaceen oder Schachtelhalmen, Equisetaceae , welche in der heutigen Flora nur die einzige Gattung Equisetum begreift.

Es sind unansehnliche Stengelpflanzen mit meist krautartigen, seltener halb- weges verholzenden aufrechten, mehrere Fuss (höchstens 10—12 Meter) Höhe er- reichenden Stengeln, die genauer genommen oberirdische Aeste von weit umher- kriechenden Rhizomen oder unterirdischen Stämmen sind. Die Stengel und ebenso auch die Rhizome sind an den Abgliederungen von gezähnten Blatt- scheiden umgeben, von denen jede einen Wirtel seitlich verwachsener einfacher und einnerviger Blätter darstellt. Die Aeste brechen einzeln oder in Wirtein dicht unterhalb dieser Blätter hervor, dies ist eine in der ganzen Pflanzenwelt einzig dastehende Erscheinung. (In ihrer ersten Bildung stehen sie aber auch noch in den Blattachseln, werden dann überwallt und brechen nachmals darunter hervor.)

Der cylindrische und in gewissen Abständen quergegliederte Stengel oder Ast trägt am Umfange flache Längsleisten oder Rippen, die durch schmale Furchen getrennt werden. Sie alterniren bei den übereinander folgenden Ge- schossen oder Internodien , jedes Stück mit seinem Blattantheil. Diese längs- und quergehende Abtheilung der Stengeloberfläche ist der äusserliche Ausdruck des Aufbaues des Achsenorgans. Die Hauptmasse der Achse besteht aus einem parenchymatischen Grundgewebe, welches durch ein grossmaschiges Gefässbündel- Gerüste, eine vernetzte Röhre, in einen peripherischen Theil, die Rinde und einen centralen Theil, das Mark abgetheilt wird. Durch die Lücken der Netz- röhre des Gefässsystems steht das peripherische und das centrale Parenchym- gewebe in Verbindung und dies ist die erste Andeutung der Markstrahlen höherer Gewächse. Die Gefässbündelstränge verlaufen in den Internodien gerade und aufrecht, treten aber am Oberende eines jeden seitlich zusammen und bilden hier einen Ring. Dieser Gefässbündelring erzeugt die äussere Abgliederung des Achsenorgans und bedingt die Bildung der Blattscheide, die das nächst- folgende Geschoss schachtelartig einfasst. In jedes einzelne Blatt der Blatt- scheide tritt ein Gefässstrang, der dicht unter der Ringbildung von einem der Stränge des Achsengerüstes sich abzweigt. So viele Stränge das Achsengerüst enthält, so viel Zähne d. h. Partialblätter zählt die Blattscheide und so viel Längsleisten der Stengel. Die Gefassstränge erscheinen in der Zahl von sieben oder zehn oder mehr und bestehen aus Netz- und Leitertracheiden , einigen Spiralgefässen und einer Anzahl langgestreckter Zellen. Ihr Querschnitt ist rund oder eirund. Man unterscheidet einen der Innenseite zugewendeten Holztheil und einen dem Stengelumfange zugewendeten Basttheil.

Der peripherische wie der centrale Parenchymkörper der Achse enthalten mehr oder minder weitläufige Luftcanäle oder Lacunen, die in jedem neu zu- wachsenden Geschoss durch Auseinanderweichen des zarten Grundgewebes ent- stehen. Am umfangreichsten ist der centrale Luftcanal des Markes. Er nimmt bei krautartigen Equiseten den grössten Theil des Stengeldurchmessers ein und verdrängt hier den Markcylinder bis auf eine geringe Spur. Enger sind die im Kreise gestellten Luftcanäle des Rindenkörpers. Sie stehen vor den Gefäss- strängen und alterniren regelmässig mit denselben. Die Luftcanäle erstrecken sich nur auf die Länge der einzelnen Internodien. An den Abgliederungen der

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Achse enden sie. Hier erhält sich innerhalb uno1 ausserhalb des Ringes der Gefässstränge ein Rest des Parenchymgewebes. Er bildet eine Scheidewand, das diaphragma. Dies ist eine rein parenchymatische Scheibe, die zur fossilen Erhaltung wenig geeignet ist und bei fossilen Exemplaren daher in der Regel nicht mehr zu erkennen ist.

Zu den Equiseten mit am meisten verholzenden Stamme gehört Equisetum variegatum Schleich, eine der deutschen Arten (in Waldungen und auf trockenen Sandhügeln). Bei ihr ist das System der Gefässstränge in der Siebenzahl ent- wickelt, der Rindenkörper stark vorwiegend und hier auch bei der Verholzung betheiligt. Wie die Zahl der Gefässstränge, ist auch die der Luftcanäle des Rindenkörpers sieben, ebenso die der Längsleisten der Stengeloberfläche. Der centrale Luftcanal ist nur ein Wenig weiter, als die peripherischen, der Rest des Markkörpers unansehnlich. Diese centralen Theile umstehen die sieben an- sehnlichen Gefässstränge. Der Rindenkörper ist mächtig entwickelt und nimmt f des Stammdurchmessers ein. In seinem inneren lockeren Parenchymtheile verlaufen die sieben peripherischen Luftcanäle, an Weite dem centralen nur wenig nachstehend. Die äussere Rinde besteht aus dickwandigen Parenchym- zellen, die eine einschichtige Oberhaut oder Epidermis umgiebt. Die äussere Wand der letzteren ist stark verdickt und kieselsäurehaltig. Bei dieser Equiseten- art entwickelt der Stengel sieben äussere stark vortretende Längsleisten, die im Radius vor den Gefässsträngen gelegen sind und dies trägt dazu bei, dem Stamme grössere Festigkeit zu verleihen. Die älteren Botaniker bezeichneten diese festere Aussenrinde mit Unrecht als Bast. Es sind Sclerenchymbtindel, gestreckte dickwandige Zellen, die Bastfaserzellen gleichen.

Das kriechende Rhizom der Equiseten erzeugt ausser aufsteigenden Stengeln und absteigenden Adventivwurzeln hie und da noch einzelne oder nach einan- der folgende unterirdische Knollen, welche vegetationsfähig sind. Es sind ver- kürzte Internodien, sie tragen an der Spitze noch eine Blattscheide. Man kennt solche Rhizomknollen auch fossil in Tertiärschichten und nennt sie Physagenien.

Die Fruchtstände der Equiseten sind gipfelständige längliche Kolben, die an der Spitze eigener Schäfte oder des Stengels, auch wohl der Aeste stehen. Sie tragen gestielte quirlständige, eckig-gedrängte, meist sechseckige Schildchen, welche umgewandelten Blättern entsprechen. An ihrer einwärtigen, der Achse zugewendeten Seite entwickeln sie Sporangien in Form länglicher Kapseln. Die mikroskopisch kleinen Sporen sind gleichförmig und kugelig. Ihre äussere Haut zertheilt sich in zwei Spiralbänder. Aus der Keimung der Sporen gehen flache lappiggetheilte grüne und oberirdische Prothallien hervor. Von diesen ent- wickeln kleinere die Antheridien, grössere die Archegonien.

Man kennt etwa 25 lebende Equisetum- Arten. Die Mehrzahl gehört den gemässigten Klimaten der nördlichen Halbkugel an. Mehrere Arten überschreiten den Polarkreis; einige Arten sind heisseren Klimaten eigenthümlich und erreichen zum Theil eine grössere Höhe und Dicke des Stengels als die übrigen. Equi- setum hiemale L. wird bei uns in Wäldern und an Flussufern 0,6— 1 Meter hoch. Auch der Stengel tropischer Arten (Equ. giganteum L. in Südamerika) erreicht nur etwa 10—12 Meter Höhe und 20—25 Millim. Dicke. Diese tropischen Equiseten schwingen sich zwischen Bäumen kletternd empor. Bei Eq. arvense Linn, kann das kriechende Rhizom eine Länge von 6—9 Meter erreichen, der aufsteigende Stengel wird nur 0,3—0,6 Meter hoch.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Eine viel ansehnlichere Rolle spielten die Equisetaceen in der Flora der älteren geologischen Formationen, namentlich in der Steinkohlenformation und im Keuper, wo sie in Gestalt ansehnlicher Bäume auftraten. Das generische Ver- hältniss dieser älteren Equisetaceen zur heutigen Gattung Equisctum ist noch nicht zur Genüge ermittelt. Die älteren Formen bezeichnet man mit dem Namen Equisetites, weiss aber die genauere Grenze zwischen Equisetiten und Equiseten noch nicht zu ziehen.

Mehrere baumförmige Equisetites- Arten erscheinen schon in der Steinkohlen- formation. Man kennt von ihnen Stämme mit Blattscheiden, die denen der Equiseten gleichen. So von Equisetites infundibuliformis Bronn zu Saarbrücken u. a. O. Ihre Fruchtstände kennt man noch nicht. Ihre generische Stellung bleibt daher zweifelhaft.

Im Buntsandstein der Vogesen folgt Equisetites Mongeoti Brocn. Der Stamm erreicht eine Dicke von 2—5 Centim. Die Rinde ist glatt. Die scharfgestreiften, an der Abgliedemng eingeschnürten Steinkerne galten früher für Calamiten. Es sind die mit Sand und Thon erfüllten Ausgüsse der centralen Luftcanäle von Equisetitenstämmen, deren lockere parenchymatische Diaphragmen durch Ver- wesung geschwunden sind.

Allgemein verbreitet im unteren und mittleren Keuper, namentlich im grünen Keupersandstein von Stuttgart ist Equisetites arenaceus Jaeg. it. Brongniart, die am besten bekannte Art der fossilen Equisetaceen. Der Stamm hat eine voll- kommen glatte Rinde und wird 10 15 Centim. dick. Bezeichnend sind die oft wohlerhaltenen, gegen 3 Centim. langen festen Blattscheiden. Sie zeigen die lanzettlich-pfriemlichen Zipfel der bis zu 120 zählenden Wirtelblätter, deren ver- wachsener Grund je eine jüngere Abgliedemng des Stammes scheidenförmig um- fasst. Man kennt auch Rhizom und Rhizomknollen , frei liegende Stammdia- phragmen, die am Rande noch Spuren von Gefässbündeln zeigen, dann auch Ueberreste vom Fruchtstande. Letztere sind grosse eiförmige Kolben, die nach aussen sechseckige, ziemlich gedrängt stehende Schilder, also die Aussenflächen der Sporangienträger erkennen lassen. Stammstücke tragen nur selten Astnarben. Die Aeste scheinen dem oberen dünneren Theile des Stammes angehört zu haben.

Der innere Steinkern, dem weiten centralen Luftcanal der Internodien ent- sprechend, ist wie bei den Calamiten der I,änge nach gerippt, doch sind die Rippen desselben schwächer und minder regelmässig als bei Calamiten. In grösseren oder geringeren Abständen zeigen sie quere Einschnürungen, die den Articulationen der Achse entsprechen. Aber diese Steinkerne des centralen Luftcanales hängen an den Einschnürungen unmittelbar zusammen, jedenfalls weil vor dem Eindringen von Sand und Schlamm in die Höhlung des einzelnen Geschosses die trennende parenchymatische Scheibe oder das Diaphragma schon der Auflösung anheim gefallen war. Man hat diese im Holzkörper von Equi- setites arenaceus entstandene Steinausfüllung früher für Stämme von Calamiten gehalten und unter dem Namen Calamites arenaceus beschrieben. Werden heut zu Tage vermodernde Equiseten in Thonabsätze von Sümpfen eingeschlossen, so dringt der Schlamm in die Luftlücken derselben ein oder tritt an die Stelle des ganzen lockeren Zellgewebes. Die dichten Querwände an den Abgliederungen der Equiseten werden der innerlichen Ausfüllung nicht hinderlich, weil dieselben sich von allen Seiten mehr oder weniger lostrennen und von dem eindringenden Ausfüllungs-Material bei Seite geschoben werden. Dadurch erklärt sich das gleiche Verhalten bei fossilen Equisetaceen-Resten.

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Man hat bisher von Eq. arenaeeus ein Stück der Pflanze nach dem anderen, Stamm und Blattscheide, dann Rhizom-Theile, Fruchtstand u. a. kennen gelernt, es fehlt nur noch die Kenntniss des mikroskopischen Baues des Stammes. Aber Alles, was man kennen gelernt hat, stimmt so nahe mit den entsprechenden Theilen lebender Equiseten, dass die neueren Botaniker die Equisetiten der Trias schon der Gattung Equisetum zuschreiben.

Von baumartigem Wuchs wie die triasischen Arten ist auch noch Equisetites columnaris Brogn. aus dem mittleren Jura oder inferior Oolite von Whitby in England, sie ist von Eq. arenaeeus kaum zu unterscheiden.

Aber mit den folgenden Formationen nehmen die Maasse der Nachfolger ab. Equisetites Phillipsi Dunk, aus der Wealden- Formation von Oberkirchen (bei Rinteln) hat nur noch 2—2^ Centim. dicke Stengel.

Die aus Tertiär-Schichten bekannt gewordenen Equiseten haben meist nur die Grössenverhältnisse der heute noch lebenden Arten. Aus Tertiär-Schichten kennt man auch Rhizome mit wirteiförmig abgehenden Knollen-Reihen. Sie wurden unter dem Namen Physagenia beschrieben.

Eine besondere Abtheilung der Calamophyten sind die nur aus der Trias bekannten Schizoneuren, deren nähere systematische Stellung aber noch problematisch bleibt. Es sind gleich den Equiseten gegliederte, an den Inter- nodien .längsgestreifte Stengelpflanzen mit Blatt- und Astquirlen, sie weichen aber in vielen wesentlichen Zügen ab. Der bis 5 Centim. Dicke erreichende Stamm der Schizoneureae ist an den Gliederungen stark eingeschnürt und aus denselben treten die am Grunde scheidenartig verwachsenen Blätter hervor, aus den Blattachseln aber die im Quirl entwickelten Aeste. Die Blätter stehen zu 4 6 oder mehr um den Grund des höheren Geschosses. Sie sind anfänglich scheidenartig verwachsen, trennen sich aber darnach und stellen alsdann schmale längsstreifige Bänder dar, sie werden länger als die Internodien. Von dieser Calamophyten-Abtheilung kennt man den Fruchtstand noch nicht, auch noch nicht den mikroskopischen Bau des Stammes. Ihre nähere Verwandtschaft ist daher noch zu ermitteln.

Schizoneura paradoxa Schimp., früher unter dem Namen Convallarites be- schrieben, in der äusseren Tracht manchen Monocotyledonen ähnlich, findet sich in feinerdigen Schichten des oberen Buntsandsteines im Elsass und zwar nicht selten. Einzelne Stengelstücke erreichen eine ziemliche Dicke. Andere Arten von Schizoneura kennt man im Keuper und in der rhätischen Stufe.

Eine besondere Classe der Calamophyten bilden die erloschenen, nament- lich der Steinkohlenbildung und dem Rothliegenden angehörigen Calamiten, Calamiteae. Es waren den Equiseten mehr oder minder verwandte baumartige Gewächse, aber ihre Blattbildung war abweichend. Man trifft bei ihnen keine Blattscheiden und wahrscheinlich waren die Blätter in freien Quirlen angeordnet. Die Holzbildung ist theils noch nicht näher bekannt, theils war sie von sehr eigenthümlicher Art und deutet auf sehr verschieden organisirte Gattungen, deren Stammoberfläche, Beblätterung u. s. w. noch nicht ermittelt ist. Dazu kommen noch die Asterophylliten und Annularien als beblätterte Zweige, die muthmasslich baumartigen Calamiten oder anderen Calamophyten angehörten. Aber systematisch durchgeführt ist auch diese Zusammengehörigkeit noch nicht, weil Stämme und beblätterte Zweige nur getrennt gefunden werden. Man muss also hier einstweilen noch für sich abhandeln, was künftig vielleicht zusammen- gezogen werden kann.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Wir beginnen mit den in Baumform erhaltenen Calamiten, einer von den Equisetaceen bestimmt verschiedenen, aber längst erloschenen und nur unvollständig bekannten Abtheilung der Calamophyten.

Es sind ansehnliche Baumstämme, die ähnlich wie die Equiseten durch ringförmige Einschnürungen oder Articulationen in eine Reihe von Geschossen oder Internodien abgetheilt erscheinen. Der Stammkörper bildet gewöhnlich eine verhältnissmässig dünne Röhre. Darum liegt eine noch dünnere äussere, meist verkohlte Schicht, die man als Rinden - Parenchym deutet. Luftcanäle durchziehen die Internodien der Länge nach, wahrscheinlich mehrere in der inneren Rindenschicht, jedenfalls aber ein sehr weiter in der centralen Mark- schicht. Letzterer ergiebt auch in Folge der Ausfüllung durch Sand und Schlamm besondere Steinkerne. An den Abgliederungen des Stammes verläuft je eine quere Scheidewand oder ein Diaphragma.

Die Stammoberfläche zeigt im gewöhnlichen Erhaltungszustande auf den Internodien breite flache durch engere Furchen getrennte Längsrippen, die bis zur nächsten Ringlinie hinaufreichen und hier mit denen des nächstjüngeren Ge- schosses alterniren. Bei der lebenden Pflanze mit noch ansitzender äusserer prenehymatischer Rinde und Oberhaut war die Stammoberfläche wahrscheinlich schwächer gestreift oder nahezu glatt.

An den Abgliederungen des Stammes gingen Blätter und Aeste von dem- selben ab. Aber man weiss nur wenig von ihnen. Aeste standen meist nur am oberen Theile des Stammes, vereinzelt oder zu mehreren im Quirl. An der Astnarbe convergiren die Rippen der Stammoberfläche zu mehreren. Auf den Rippen des Stammes dicht unter der Ringlinie bemerkt man bei wohlerhaltenen Exemplaren meist ein erhabenes Knötchen. Es gilt als Rest von einem Gefäss- Strang, der aus dem Holzkörper des Stammes in ein Blatt austrat. Aber von den Blättern selbst weiss man nur wenig. Jedenfalls waren sie nicht zu einer Blattscheide verwachsen. Nach einigen Angaben sollen sie schmal, linienförmig oder schmallanzettlich und bis auf den Grund getrennt gewesen sein. Sie zeigen sich nur selten als Abdrücke. Wahrscheinlich fielen sie schon früher ab. Noch weniger weiss man von den Fruchtständen, wahrscheinlich waren es quirlförmige Kolben oder Aehren mit Bracteen-Quirlen und achselständigen Sporen-Kapseln, die nur kugelige Sporen von einerlei Art hervorbrachten (Calamostaehys) .

Noch manche merkwürdige Einzelheiten sind von den Stämmen bekannt geworden. Sie stiegen aus' einem unterirdischen Rhizom auf und erschienen gegen ihren Ursprung zu allmählich kegelförmig verjüngt, auch in der Richtung des Rhizoms verzogen. Dieser Stammgrund war mit zahlreichen dünnen ver- ästelten Wurzeln besetzt. Die Internodien sind am Stammgrunde kurz, gegen oben zu erscheinen sie länger und zum Theil sehr lang gestreckt. Die grösste Höhe der Calamiten wird auf 6— 10—12 Meter, auch wohl noch darüber ver- anschlagt. Die grösste Stammdicke etwas oberhalb des Grundes des aufsteigenden Schaftes geht bis 0,3 und 0,5, in einzelnen Fällen angeblich auch bis 0,9 Meter.

Die Calamiten finden sich in fossiler Erhaltung zuerst in der devonischen Formation. Ihre Hauptentfaltung zeigen sie in den Morast-Gebilden der Stein- kohlen-Epoche neben Lepidodendren, Sigillarien und Baumfarnen, wo sie nament- lich im Hangenden der Stcinkohlen-Flötze fast nie fehlen, bisweilen auch noch in aufrecht stehenden Stämmen beobachtet worden sind. In der Regel erscheinen die niederliegenden Stämme und Stammstücke platt gedrückt, die aufrecht- stehenden aber noch in der ursprünglichen walzenförmigen Gestalt. Es scheint

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auch, dass die Calamiten- Vegetation in der carbonischen Epoche lebhaften Antheil an der Bildung der .Kohlenlager nahm, namentlich wenn wie man annimmt ein Rhizom zahlreiche rasch aufschiessende und bald wieder absterbende Schäfte emportrieb.

Im Rothliegenden erscheint ihre Häufigkeit stark verringert. Hier schliesst das Zeitalter der ausgedehnten Morast-Bildungen und mit ihm erlöschen die Calamiten. In der Trias fehlen sie schon. Was man hier für Calamiten nahm, sind Steinkerne aus dem centralen Luftkanal von Equisetiten. Die Calamiten waren vermuthlich Sumpfgewächse und verloren sich daher mit den ausgedehnten Morastbildungen, die während der Zeit der Steinkohlenformation und des Roth- liegenden mit mehr oder minder vorwaltender Sigillarien- Vegetation die Ebenen des Festlandes überwucherten. An der Zusammensetzung mancher Steinkohlen- Flötze nehmen sie wesentlichen Antheil.

Man kennt zahlreiche Arten, namentlich in der Steinkohlen-Formation, auch noch einige im Rothliegenden. Man unterscheidet sie in Ermangelung besserer Merkmale gemeiniglich nach dem Verhältniss der Dicke und Länge der Inter- nodien, der Breite von Längsrippen und Furchen u. s. w. Für das Rothliegende ist Calamites gigas Brogn. bezeichnend; diese Art fehlt noch in der Steinkohlen- formation.

Ein ganz anderes Arbeitsfeld, welches auch entsprechend andere Ergebnisse gebracht hat, ist die mikroskopische Untersuchung von Dünnschliffen verkieselter Stammstücke von Calamophyten.

Im Vordergrund steht die durch Unger's Untersuchungen 1841 bekannter gewordene CorTA'sche Gattung Caiamilea (Calamodcndron Brogn.). Sie stützt sich auf verkieselte Stammstücke aus dem Rothliegenden von Sachsen.

Sie zeigen an der äusseren Fläche eine calamitenartige Längsstreifung, die übrigens nicht zu genauerer Bestimmung genügt und auch nur der Holzoberfläche entspricht. Erhalten ist nur der Holzkörper und ein Theil des Markkörpers, diese aber auch zu mikroskopischer Untersuchung trefflich geeignet. Wie der Rindenkörper beschatten war, weiss man nicht. Das Holz bildet eine radial ge- baute, der Jahresringe ermangelnde Röhre von Holzgewebe mit gestreiften Ge- fässen, spindelförmig gestreckten Prosenchym-Zellen oder Holzfasern und paren- chymatischen Markstrahlen. Es zeigt ansehnliche Dicke. Diese Holzröhre be- steht aus radial gestellten keilförmigen Gewebeplatten, von denen jede aus zwei Elementen besteht Gefässplatten wechseln ab mit Prosenchymplatten. Die Gefässplatten bestehen aus weiten dünnwandigen Treppengefassen (quergestreiften Gefässen, vasa scalariformia) . Zwischen ihnen verlaufen dünne Markstrahlen von mauerartig angeordneten Parenchym-Zellen. Abwechselnd mit diesen Gefäss- platten erscheinen die Prosenchymplatten. Sie bestehen aus dickwandigen lang- gestreckten Prosenchym-Zellen. Auch zwischen ihnen setzen Markstrahlen durch, aber sie sind dicker und erscheinen spärlicher.

Innerhalb dieser aus dickwandigen Holzfasern, dünnwandigen Gefässen und dünnwandigen Parenchym-Zellen zusammengesetzten Holzröhre findet sich bei Calamitta noch eine parenchymatische Markröhre. Sie besteht aus dünnwandigen polygonal gedrückten Parenchym-Zellen und ist gegen aussen mit einem System enger in der Länge verlaufender Luftcanäle versehen. Es sind deren soviel als die Holzröhre Gewebe-Platten zählt. Das Innere dieser Markröhre erfüllt bei den verkieselten Stämmen eine Chalcedon-Masse, die man als Andeutung eines weiten centralen Luftcanals betrachtet.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Dieser mikroskopische Bau des verkieselten Stammes von Calamitca striata weicht weit ab von dem der lebenden Equiseten (oben pag. 248 auf Z. 49) und mahnt schon sehr an den Holzbau gymnospermischer Phanerogamen. Unger bezog ihn auf Calamiten des Rothliegenden. Göppkrt trennte ihn von den Calamiten und stellte ihn als Vertreter einer besonderen Pflanzenabtheilung zu den Gymno- spermen. Die schliessliche Entscheidung aber hängt von den Aufschlüssen vollständiger erhaltener Fundstücke ab.

Ausserdem beschrieb Unger 1856 den mikroskopischen Stammbau einer An- zahl noch weiter abweichender Calamophyten-Formen aus den Cypridinenschiefer (obere Abtheilung der devonischen Formation) des Thüringer Waldes. Unger unterschied diese in zwei besondere Ordnungen Haplocalameae und Stereocalamecu, erstere mit vier, letztere mit einer Gattung. Die Haplocalameen reihen sich von ihnen noch am meisten den Equiseten an. Sie aeigen einen weiten Markkörper.

Calamopitys Saturni Ung., Ordnung Stereoealameae, aus dem Cypridinenschiefer von Saalfeld in Thüringen weicht stärker ab und zeigt eine centrale und eine peripherische Holzbildung. Die Achse des Stammes besteht aus einem dünnen geschlossenen Holzcylinder von radiärem Bau. Er ist aus zahlreichen Gewebe- platten zusammengesetzt und enthält wahre Holz-Zellen. Ein Markkörper ist darin nicht zu erkennen oder war nur sehr unansehnlich. Die Holzachse umgiebt ein mächtiger Mantel von Parenchym-Gewebe. Dies ist also die Innenrinde, dem äussern Marktheil der Haplocalameen entsprechend. In diesem Mantel verlaufen zerstreute Holzbündel, die aller Vermuthung nach in bestimmten Ab- ständen von der Holzachse abgingen und nach den Anhangsorganen des Stammes, also Blättern oder auch Aesten, verliefen. Ihre Stellung deutet auf einen ge- gliederten Stamm mit Wirteln. Im Umfang dieses mächtigen Parenchym-Gcwebes erscheint eine unansehnliche peripherische Holzbildung vielleicht eine ver- holzte Rindenschicht. Sie besteht aus einer Abwechslung von schmalen radial gestellten Holzbündeln und Parenchym-Strahlen. Unger bezeichnet sie als corpus lignosum periphericum und nimmt ausserhalb von ihr noch eine dicke paren- chymatische Rindenschicht an, die aber bei der Versteinerung verloren ging. Von Blättern, Aesten u. s. w. ist nichts erhalten.

Die Haplocalameen aus den devonischen Schichten des Thüringer Waldes zeigen dieselbe peripherische Holzbildung und einen weiten Markkörper, in welchem kreisförmig gestellte Holzbündel aufsteigen. Ein centraler Holzcylinder fehlt ihnen. Auch ist von Luftcanälen nichts zu bemerken. Wir können nicht näher darauf eingehen.

Es genügt dies aber schon zum Nachweis, dass unter den Calamophyten der devonischen, carbonischen und permischen Epoche sehr verschiedene Ordnungen, Familien und Gattungen vertreten sein mögen und die bisherige Gattung Cola- mites wohl nur als provisorisch gelten darf.

Wir gehen jetzt zu den beblätterten Zweigen der Calamophyten der älteren Formationen über. Dies sind die Asterophylliteen, Asterophylliteae. Aeltere Botaniker betrachteten sie als eine eigene Klasse oder Ordnung der Gefässkryp- togamen. Neuere sind mehr geneigt, in ihnen die beblätterten Zweige derselben Gewächse zu erkennen, deren Stämme wir als Calamiten zu bezeichnen pflegen und bezeichnen sie daher als Calamocladen (Calamitenzweige, Calamocladi) . Wenn auch zuzugeben wird, dass letztere Ansicht Vieles für sich hat, ist doch die Zusammengehörigkeit bestimmter Asterophylliteen und bestimmter Calamiten noch

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nicht systematisch durchzuführen und daher auch die getrennte Erörterung der- selben zur Zeit noch nothwendig.

Die Asterophylliteae gehören dem devonischen, carbonischen und permischen System an und verschwinden zusammen mit den Calamiten, ohne das Triassystem zu erreichen. Nach ihren vegetativen Charakteren haben sie Vieles mit einander gemeinsam. Ihre Stengel sind gegliedert, längsstreifig, hohl und bleiben dünn. Die Zweige stehen in Blattachseln und erscheinen meist in derselben Ebene gegenständig. Die Beblätterung tritt stark in den Vordergrund und ist ausge- zeichnet wirtelständig. Die Blätter sind immer lang, oft fast pfriemenförmig oder bandartig. ^ Man unterscheidet Asterophylliten und Annularien.

AsterophylliUs begreift Zweige mit langen schmalen vorn zugespitzten, oft fast borstenförmigen Blättern. Die einzelnen Blätter in jedem Wirtel gleich lang, jedes Blatt mit einem ziemlich starken Mittelnerven.

Die älteste bekannte Art ist Askrophyllitcs coronata Ung. aus den devo- nischen Schichten von Saalfeld in Thüringen. Bei dieser Art stehen die Zweige einzeln in Blattachseln. Die linearen, vorn zugespitzten, am Grunde breiten Blätter hinterlassen beim Abfallen breite Blattbasen, die als wirtelige Krone um die Ab- gliederungen des Zweiges stehen bleiben.

Bei den Asterophylliten der Steinkohle und des Rothliegenden hinterlassen die abfallenden Blätter keine besonderen Basalstücke.

Was von den verschiedenen, in diesen Formationen vereinzelt gefundenen Fruchtständen hierhergehört, ist zur Zeit nicht sicher auszumachen. Wahrschein- lich haben sie im Allgemeinen die Gestalt kleiner gequirlter Aehren mit Wirtein von Bracteen und von Sporangienträgern. Was aber als vegetative oder als fruchttragende Zweige zu den baumförmigen Calamiten gehören mag und was auf selbständige, von den Calamiten verschiedene Asterophylliten zu beziehen bleibt, ist noch gar nicht abzusehen.

Die Annularien sind ebenfalls Zweige mit wirteliger Beblätterung. Bei Annularia ist die Blattform flächenhafter. Die Blätter sind bald mehr lanzettlich, bald mehr bandförmig, vorn abgerundet oder zugespitzt, an der Basis etwas ver- wachsen, mit starkem Mittelnerv versehen. Die Blätter eines und desselben Wirteis sind oft sehr ungleich lang. Die Stengel sind glatt, gegliedert, unter den Articulationen etwas verdickt und ihre Zweige stehen in zwei Zeilen. Die Fruchtstände der Annularien sollen lange cylindrische Aehren sein, in deren Blattquirlen schildförmig verbreiterte, an der Unterseite mit je vier Sporangien besetzte Sporangienträger stehen. Diesen Fruchtständen nach würden die Annu- larien wohl eine von den Calamiten ganz verschiedene Familie darstellen. Sie finden sich hauptsächlich in der Steinkohlenbildung und nur noch sehr spärlich im Rothliegenden.

Früher zählte man zu den Asterophylliteen auch die im gleichen geolo- gischen Horizont verbreiteten Sphenophyllen. Sie scheinen aber eher Lepi- dophyten von quirliger Tracht (typus verticillatus) zu sein (s. weiter unten).

Wir gehen über zur grossen Classe der Farnen oder Laubfarnen, Füices, Filuacecu, Geopttridcs.

Sie begreift Gefässkryptogamen mit endsprossendem, mehr oder minder ver- holzendem, auch wohl baumartigem Stamm und ansehnlichen in der Knospenlage spiralig eingerollten Blättern, die hier den Namen Wedel erhalten. Die Spo- rangien sitzen auf der Unterseite der Blätter und sind Bildungen der Epidermis- zellen derselben. Die Sporen sind gleichartig. Das Prothallium ist flach, blatt-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

artig, grün und oberirdisch (die kleine Abtheilung der Ophioglosseen schliessen wir aus).

Fossil vertreten erscheinen die Farnen vom silurischen und devonischen System an und die älteren Vertreter weichen von den heute lebenden Formen verhältnissmässig nur wenig ab. Man darf daraus folgern, dass der erste Ursprung der Farnen noch weit vor der Zeit der Ablagerung der silurischen Schichten liegt und daher auch wohl nie festgestellt werden wird.

Der Stengel ist bald kriechend, bald ein halb öder ganz unterirdisches Rhizom, bald auch ein ansehnlicher Baumstamm. Unansehnlich ist er meist bei den Farnen der gemässigten und kalten Klimate. Aber eine Anzahl von Farnen wärmerer I^änder entwickeln einen baumartigen, in der Regel einfachen Stamm, der mehr oder minder fest verholzt und 10 12 oder 16 Meter Höhe erreicht. Er trägt die Blätter meist in Gestalt eines mehr oder minder zusammenge- drängten Schopfes um den sprossenden Scheitel und gewinnt damit ein den Cycadeen und den Palmen ähnliches Ansehen eine Analogie der Tracht, die man noch nicht geradezu als Affinität nehmen darf.

Bei den niedersten Formen der Farnen enthält der Stengel nur einen einzigen sehr zarten, in der Mitte befindlichen Gefässbündelstrang. So bei der Familie Hymenophylieae. Bei den übrigen Farnen bildet das Gefässbündelsystem im Stengel oder Stamme eine maschenweise vernetzte Röhre, welche Mark und Rinde scheidet und in den Maschen von einem die beiden letzteren Gefächer verbindenden Parenchym, dem Vorläufer der Markstrahlen höherer Pflanzen- formen, durchsetzt wird. So ist es namentlich bei den Rhizomen unserer ge- meinen einheimischen Arten, wie z. B. Nephrodium filix mas und Pteris aquüina.

Die Gefässbündel sind bald von rundlichem, bald von mehr bandförmigem Querschnitt. Sie bestehen aus einem Holztheil und einem Basttheil. Der Holztheil oder Gefässtheil (Xyletna) besteht hauptsächlich aus weiten prismatischen Treppentracheiden oder Treppengefässen. Er nimmt die Mitte des Stranges ein. Ihn umgiebt rings der Basttheil (Phloema) mit faserförmigen gestreckten und stark verdickten Zellen (Bastfaserzellen). Sie werden vom Rinden- und Mark- parenchym in der Regel durch eine Scheide von mehr oder minder dickwandigen, häufig faserartig gestreckten Zellen getrennt (Sclerenchym, Strangscheide). Diese zeichnen sich gewöhnlich durch dunkle Farbe ihrer Cellulosemembran aus. In der Mitte der Gefässbündelröhre befindet sich ein mehr oder minder dicker Markcylinder von lockerem Zellgewebe.

Von der Vernetzung jeder Masche des Gefässbündelsystems gehen eine An- zahl (2, 3 oder mehr) Gefässbündelstränge ab und treten durch die Blattstiele in die Blätter ein. Ihre Querschnitte ergeben oft auffallende Figuren, z. B. in ausgezeichneter Weise beim Adler-Farn, Pteris. Ausserdem gehen von demselben noch zahlreiche Stränge ab, welche die Adventiv- Wurzeln erzeugen, die bald un- mittelbar hervortreten, bald (wie bei der Ordnung der Marattiaccen) noch eine Strecke weit schief abwärts im Rindenparenchym verlaufen, bevor sie austreten.

Diese zu Blättern und Wurzeln abgehenden Stränge durchsetzen den Rinden- körper und ergeben gewöhnlich im Querschnitt des Stämmchens rundliche oder längliche Zeichnungen. Die Querschnitte der zu den Blättern abgehenden Bündel sind gewöhnlich rundlich und zeigen in der Mitte den bandförmigen und halb- mondförmig gebogenen Gefässtheil. Die der Adventiv-Wurzeln sind rundlich oder bandförmig und zeigen in der Mitte den rundlichen oder auch wohl stern- förmigen Gefässkörper.

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Aehnlich, aber etwas zusammengesetzter ist der Bau des Stammes der grossen Baumfarnen wärmerer Klimate. Bei der westindischen, 5 6 Meter Höhe er- reichenden Cyathea arborea ergiebt der Querschnitt zwischen der Rinde und dem Mark einen lückenhaften Ring, der die Durchschnitte der einzelnen Gefäss- bündel der Maschen-Röhre erkennen lässt und darum auch je nach der Höhe des Schnittes etwas abändert. Im Allgemeinen sind die Gelassbündel-Durch- schnitte halbmondförmig und wenden die gewölbte Seite dem Markkörper zu. Jedes Bündel erscheint umgeben von einer mehrschichtigen Scheide von festen verholzten Parenchymzellen (Sclerenchym-Scheide). Hie und da, besonders in den parenchymatischen Lücken des Ringes sieht man kleinere bandförmige oder rundliche Querschnitte. Es sind die Stränge, die von der Maschenröhre abgehen und in die Blattstiele eintreten. Im Inneren des Ringes der maschenförmig ver- netzten Gefässstränge sieht man einen ausgedehnten Markcylinder von ziemlich lockerem Zellgewebe. Während bei den kleinen Strünken unserer einheimischen Farnen meist nur ein einziger Gefässbündel-Kreis aufzutreten pflegt, entwickeln sich im Markkörper der grossen tropischen Baumfarnen noch besondere kleinere Gefässbündel. Sie biegen sich in die Lücken, welche die Maschen des Haupt- netzes zwischen sich lassen, nach auswärts, um in die Blätter überzugehen.

Die Oberfläche des Stammes bedecken bei Cyathea arborea und anderen Baum- farnen länglich rautenförmige Blattnarben, die der Ansatzstelle älterer abgefallener Wedel entsprechen. Die Blattnarben enthalten kleinere Narben, welche die Stelle der abgerissenen Gefässbündel andeuten, die in die Blattstiele eintraten. Am oberen Stammtheil unmittelbar unter dem Schopf der noch vegetirenden Wedel stehen die Narben noch mehr oder minder gedrängt neben einander und lassen zwischen sich nur kleinere Partien der eigentlichen Rinde frei. Am unteren inzwischen durch Nachwuchs verlängerten Stammtheil erscheinen die Blattnarben allmählich weiter auseinander gerückt. Hier rinden sich noch an ihrem Grunde lange abwärts verschmälerte Schwielen, die der Streckung des anfangs viel kürzeren Blattkissens oder Polsters entsprechen.

Bei der in den Tropen, besonders in Ostindien und auf den Südseeinseln einheimischen Ordnung der Marattiaceae ist der Stamm sehr kurz und knollen- förmig. Er erreicht hier höchstens $ Meter Höhe. Er enthält mehrere con- centrisch angeordnete Systeme von Fibrovasal-Strängen.

Die Wurzeln der Farnen sind wie auch bei den übrigen Gefässkrypto- gamen nur Nebenwurzeln (radices adventwae) , eine Pfahlwurzel wird nicht ausgebildet.

Die Blätter oder Wedel der Farnen zeigen eine je nach Gattungen und Arten sehr verschiedene Gestalt. Einfach, lanzettlich oder zungenförmig und ganzrandig sind sie bei der Hirschzunge, Scolopendrium. Bei der Mehrzahl der Farnen aber gefiedert, bald einfach bald mehrfach gefiedert. Sie bestehen fast immer aus mehreren Zellschichten. Sie werden in sehr mannigfacher Weise von Nerven oder Strängen von gestreckten Zellen und Gefässen durchzogen, die aus dem Stamm durch den Blattstiel in die Blätter aufsteigen. In den Blättern ändert der Verlauf der Nerven je nach den Gattungen vielfach ab. Er ist bald einfach, bald einfach verästelt, bald einfach oder mehrfach gefiedert.

Die Art der Nervation ist für die Sichtung der fossilen Formen sehr wichtig und auch für manche Gattungen lebender Farnen bezeichnend. So sind die Blätter der Hymenophylleen moosähnlich und bestehen fast nur aus einer einzigen parenchymatischen Zellenschicht, aber die Nerven enthalten wahre Gefässbündel

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

und unterscheiden sie dadurch von denen der Moose. Ausgezeichnet ist die Cyclopteriden-Nervation, hier ist keine Mittelrippe vorhanden. Aus dem Blatt- grunde strahlen eine Anzahl gleich starker Nerven in gerader Richtung nach allen Seiten gegen den Rand aus. Dabei findet eine einmalige oder wiederholte Gabeltheilung statt. Sehr selten erscheint bei Farnen eine Vernetzung der Blatt- nerven, z. B. bei Dictyoptcris aus der Steinkohlenformation.

Die erwachsenen Blätter werden meist periodisch abgeworfen. Die Basen der Stiele verbleiben dann bald in Form unregelmässig abgebrochener Stümpfe an der Achse stehen. Bald gliedern sie sich in der Nähe des Grundes glatt ab und dabei bleiben Narben von bestimmter Form. Letzteres wird bei fossilen Farnen sehr wichtig, namentlich bei baumartigen Stämmen.

Blätter von Baumfarnen erreichen mächtige Grösse. So werden die gefiederten Blätter der australischen Dicksonia antaretica (Farn. Cyatheaceae) bis gegen vier Meter lang.

Die Blattstellung ist bei allen Farnen mit aufrechtem Stamm ausgezeichnet Spiral und die Blätter bilden dabei, namentlich bei den Baumfarnen einen mehr oder minder gedrängten Schopf, der ihnen ein palmenartiges Ansehen verleiht Eine zweireihige Blattstellung kommt bei Farnen mit kriechendem Stengel vor, die Blätter stehen hier in zwei Zeilen auf der dem Lichte zugewendeten Ober- seite des Stengels. Eine zweizeilige Blattstellung der Baumfarnen fehlt heutigen Tages, ist aber für eine carbonische Gattung Megaphytum nachgewiesen.

Die Sporangien oder Sporen-Capseln der Farnen sitzen meist in Häufchen auf der Unterseite der Blätter nur bei wenigen Gattungen, wie Osmunda an blattlosen Blattspindeln oder einem anscheinenden Blatt-Skelett. Sie entstehen je aus einer einzigen Oberhaut-Zelle. Es sind kugelige oder ovale Capseln auf längeren oder kürzeren Stielen. Ihre Wandung besteht aus einer Zellschicht. Bei den meisten Sporangien verläuft senkrecht über den Scheitel ein Ring, (gyrus) von dickwandigen Zellen. So bei den Polypodiaceen. Er veranlasst bei der Reife das Aufspringen der Capsel. Seltener verläuft der Ring in söliger Richtung um die Capsel oder bildet einen Turban auf ihrem Scheitel. Im Inneren des Sporangium entwickeln sich die mikroskopisch kleinen gleichartigen Sporen. Sie sind bald kugelig, bald nierenförmig oder bohnenförmig. Die Oberfläche derselben ist bald glatt, bald körnig-warzig oder trägt auch wohl einen Stern von drei Leisten. Die Sporangien stehen in grösserer Anzahl beisammen. Dies sind die Fruchthäufchen, sori. Sie sind je nach den Gattungen verschieden ge- staltet, bald rundlich, wie bei Polypodium vulgare, bald linienförmig gestreckt, wie bei Asplenium und Scolopendrium. Selten sind sie nackt, wie bei Polypodium vulgare. Meist werden sie von einem zarten fast durchsichtigen Häutchen be- deckt. Dies ist das Schleierchen, indusium. Es ist ausgezeichnet nierenförmig bei Nephrodium filix mos, becherförmig bei Hymenophyllen. Fruchthäufchen in fossilem Zustand kennt man namentlich an den in zarten Schieferthonen der Steinkohlen-Formation wohl erhaltenen Farnblättchen. Mikroskopische Farn-Sporen finden sich in Braunkohlenlagern.

Man kennt in der Flora der letztweit über 3000, vielleicht 3500 Arten von Farnen, wovon die grosse Mehrzahl der Ordnung Polypodiaceae angehört, etwa 2800 Arten. Die meisten Gattungen und Arten gehören der tropischen und den subtropischen Zonen an, wo auch die Baumfarnen fast ausschliesslich zu Hauie sind. In den kühleren gemässigten und kalten Klimaten erscheinen nur Farnen mit unansehnlichen unterirdischen oder kriechenden Stämmchen. Einige Arten

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derselben reichen bis Lappland und Grönland. Bisweilen erscheint eine Art in gemässigteren Klimaten in grosser Individuenzahl über ausgedehnte Flächen ver- breitet, so besonders Pteris aquilina in Gebirgswäldern und auf Heiden in fast allen Theilen von Europa (»Teufelsfedern» genannt). Die Baumfarnen gehören meist der Tropenzone an, reichen aber auf der nördlichen Halbkugel nur bis 230 (Mexiko) auf der südlichen bis 460 (Dusky Bay auf Neuseeland). Sie finden sich besonders in gleichmässig feuchtwarmen Klimaten, daher vorzugsweise in niederen Küstenländern und auf den Inseln der Südsee, aber auch noch auf Gebirgen des tropischen Südamerikas in 2000 bis 3000 Fuss (650—970 Meter) Meereshöhe und darüber. Sie erfordern eine mittlere Iahreswärme von 18 bis 2i° C. oder darüber. Cyathea deaJbata auf Neuseeland wird gegen 13 und die australische Dicksonia antarctica auf Tasmanien, (beide aus der Familie Cyathea- ceat) gegen 16 Meter hoch. In der grössten Artenzahl (im Verhältniss zur Pha- nerogamen-Flora) erscheinen die Farnen auf den von den grossen Festländern abgelegenen Inseln des Oceans, z. B. auf St. Helena und auf der Norfolk-Insel. Der Grund davon liegt in der Leichtigkeit der Verwehung ihrer mikroskopisch kleinen Sporen.

In fossiler Erhaltung beginnen die Farnen in den Ablagerungen des silurischen Systems mit der Gattung Eopteris im untersilurischen Dachschiefer von Angers. Etwas häufiger finden sie sich schon in Schichten des devonischen Systems, wo Blätter von mehreren Gattungen, namentlich von Cydopteris und Sphenopteris auftreten, unter Anderem zu Saalfeld in Thüringen. In den Morast-Ablagerungen der Steinkohlen-Formation sind die Farnen durch zahlreiche Gattungen und Arten vertreten. Sie mögen zwar im Allgemeinen zur Bildung der Steinkohle nur ge- ring beigetragen haben, einzelne Flötze aber scheinen vorzugsweise aus Farn- stämmen entstanden zu sein. Man findet in dieser Formation neben zahlreichen Wedeln auch einige Stämme von Baumfarnen, wie Caulopieris und Megaphytum, Die dazu gehörigen Wedel sind aber noch nicht zu ermitteln. Im Rothliegenden bilden die Famen noch einen ansehnlichen Theil der Flora. Eine der Arten derselben, Caüipteris oder Neuropteris conferta Sternb. ist wichtig für die For- mationsgrenze. Sie fehlt noch in der Steinkohlenformation und ihr frühestes Auftreten gilt als Merkzeichen des Beginnes der permischen Epoche. In manchen Gegenden führt das Rothliegende verkieselte Farnstämme, besonders bei Chemnitz in Sachsen, dahin gehören die Gattungen Tubicaulis und Psaronius.

Mit dem Zurücktreten der während der carbonischen und permischen Epoche weit vorherrschenden Sumpfvegetation treten auch die Farnen rasch in den Hintergrund. In der Kreide-Formation von Schlesien und Böhmen finden sich noch einzelne verkieselte Farnstämme der Gattung Protopteris- In der Tertiär- formation von Europa sind die Reste von Farnen spärlich und unansehnlich. Beiläufig um Beginn der eocänen Epoche mögen die Baumfarnen aus der Flora von Europa verschwunden sein, während sie sich näher gegen den Aequator forterhielten.

In der heutigen Farn-Flora stehen die durch die moosartige Tracht ihres ganzen vegetativen Körpers ausgezeichneten Hymenophylleen am niedrigsten. Man kennt sie auch schon in der Steinkohlen-Formation. Ihre generativen Or- gane erweisen sie aber als wahre Farnen.

Bei den fossilen Farnen kommen Stämme und Wedel stets getrennt vor und sie lassen sich nicht auf einander zurückführen, selbst da nicht, wo sie in einer und derselben Ablagerung nahe beisammen gefunden werden. Wedel und

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Stämme müssen daher in der Palaeontologie vorläufig noch getrennt gehalten werden, bis es einmal vollständig gelingt, das Zusammengehörige mit Sicherheit wieder zu vereinigen.

Bei den Wedeln ist oft ausser der einfachen oder mehrfachen Fiederung auch der Verlauf der Blattnerven noch so deutlich zu erkennen, wie bei heute lebenden Arten, und Beides gewährt Anhaltspunkte zur Bestimmung. In einzelnen Fällen z. B. in feinerdigen Schiefeithonen der Steinkohlen-Formation zeigen sich auch die auf der Unterseite des Blattes entwickelten Fruchthäufchen (sori) deutlich erhalten, doch immerhin nur in einem Zustande, welcher wenig mehr als die allgemeine Form und Anordnung derselben erkennen lässt. Es ist daher auch in zahlreichen Fällen unmöglich, die genauere Beziehung fossiler Farnwedel zu den nach Form und Entwicklung der Sporen und Sporangien abgetheilten Familien und Gattungen der lebenden Farnen zn ermitteln. Dieses Ziel wird wohl auch nie vollständig erreicht werden.

Von den zu mehr als 50 sich belaufenden Gattungen fossiler Farnen können wir nur wenige näher betrachten.

Eopttris Morien Sap. aus dem untersilurischen Dachschiefer von Angers in Frankreich hat einfach gefiederte Wedel mit gegenständigen Fiederblättchen und kleineren etwas unregelmässigen Zwischenfiederchen. Die Nerven gehen zu mehreren vom Grunde aus und gabeln sich dann mehrmals (Cyclopteriden- Nervation). Dies ist die älteste aller bis jetzt bekannt gewordenen fossilen Farn- Arten.

Die Gattung Sphenopteris gehört zu den in der Geologie und der Palaeonto- logie am häufigsten genannten, ist aber gleichwohl nur von provisorischer Art und ein Theil ihrer wesentlichen Organe sind noch unbekannt. Der Wedel ist zwei bis dreifach gefiedert mit lappig getheilten, manchmal handförmig ein- geschnittenen Blättchen, deren Lappen sich vom Grund an mehr oder minder keilförmig ausbreiten. In jedes Blättchen tritt am Grund ein Mittelnerv, der sich an dessen Theilungen gabelt und gewöhnlich in den einzelnen Lappen noch zarte Gablungen bildet. Diese Blattform nähert sich der von Vielen unter ein- ander verschiedenen Gattungen z. B. Davallia, Aspidium, Asplenium, Die Gattung Sphenopteris begreift daher wahrscheinlich auch Vertreter verschiedener in der Fructification untereinander abweichender Gattungen, die sich zur Zeit noch nicht bestimmt sondern lassen. Die Sphenopteris-Arten treten zuerst in devonischen Schichten auf, z. B. zu Saalfeld in Thüringen. Sie sind zahlreich in der Stein- kohlen-Formation, wo die Gattung überhaupt am reichlichsten entwickelt erscheint. Arten, die man als derselben Gattung angehörig erachtet, finden sich auch in den folgenden Formationen, namentlich mehrere noch in der Wealden-Formation.

Die Gattung Taeniopteris begreift Reste von zungenförmigen oder band- förmigen ganzrandigen, vorn abgerundeten oder leicht zugespitzten Wedeln, welche denen unseres Zungenfarn, Scolopcndrium, sehr ähnlich sehen, aber wohl auch noch verschiedenen noch nicht sicher zu entwirrenden Gattungen angehören. Den Wedel durchzieht ein starker, die Blattspindel fortsetzender Mittelnerv, der auf der Oberseite eine Furche trägt. Von ihm gehen unter spitzem Winkel zahlreiche feinere Seitennerven aus, die sich aber bald seitlich abbiegen. Sie theilen sich nahe über ihrem Ursprung, oft auch weiterhin noch ein zweites Mal. Gegen den Blattrand zu sind die Nerven zweiter und dritter Ordnung sehr dünn und untereinander fast gleichlaufend. Sie vernetzen sich nicht. Die Taeniopteris- Arten beginnen spärlich in der Steinkohlen-Formation und sind häufig in den

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Landpflanzen führenden Lagern von Keuper, Lias und Jura. Wahrscheinlich sind es Wedel von Marattiaceen. Taenioptcris marantacea Prf.sl. (Danaeopsis marantacea) findet sich in Trias-Schichten (Lettcnkohle und Keuper). Die Wedel sind sehr lang, oft bis 16 Centim. lang und 5 Centim. breit. Sie sind zuweilen noch mit Fructificationen versehen. Man kennt auch Taeniopteriden mit einfach gefiedertem Wedel. Schimper nennt diese Angiopteridium und vergleicht sie mit Marattiaceen.

Die lebend bei uns vertretene Gattung Seolopendrium , Zungenfarn (Ordn. Polypodiaceae , Farn. Aspleniaceac) begreift krautartige Farnen mit schwachem Wurzelstock und einfachen unzerthcilten, zungenfürmigen, ganzrandigen Wedeln. Die Fruchthäufchen sitzen auf Seitennerven, sind lang gestreckt und je paarweise genähert. Seolopendrium officinarum ist der einzige deutsche Farn mit einfachen Wedeln. Diese Art wächst an feuchten schattigen Stellen und findet sich fossil in Wedeln und Wurzelstöcken zusammen mit Mammuthresten in grosser Menge im Kalktuff von Burgtonna in Thüringen.

Stämme von Baumfarnen kennt man von der Steinkohlenformation an bis aufwärts zum Quadersandstein der Kreideformation, namentlich aber in ver- kieselten, zu mikroskopischen Untersuchungen wohlgeeigneten Exemplaren im Rothliegenden der Gegend von Chemnitz in Sachsen, immer aber von ihren Wedeln getrennt. Man unterscheidet nach ihnen eine Anzahl besonderer Gattungen, die aber nicht so zahlreich wie die nach den Wedeln aufgestellten Gattungen sind. Dahin gehören aus der Steinkohlenformation Cauloptcris, aus dem Rothliegenden Tubicaulis und Psaronius, aus der Kreideformation Protopteris.

Aber auch von diesen kennt man bald nur die Gestaltung der Stammober- fläche, bald nur den Bau des Stamminneren, seltener beides zusammen.

Protopteris Sternb. begreift Stämme von Baumfarnen der Kreideepoche, die den heutigen Cyatheen nahe gestanden haben mögen. Die Stammoberfläche ist bedeckt von spiral (im Quincunx) geordneten Blattnarben. Das Kissen derselben ist verkehrt eiförmig, gegen oben abgerundet, nach unten zugespitzt. In der Mitte steht die grosse Gefässbündelnarbe. Sie ist zangenförmig, dreilappig, an beiden Enden etwas eingebogen und wendet die offene Seite gegen oben. Am unteren Rand des Blattkissens treten noch 7 oder 9 kleinere rundliche Gefass- bündelnarben auf. Aehnliche Blattnarben kommen bei lebenden Dic&sonia- Arten vor (Farn. Cyatheae). Andere verkieselte Exemplare derselben Gattung lassen den Bau des Stamminneren erkennen. Der Querschnitt zeigt gegen den Umfang ring- förmig angeordnete Bänder, also die Gefässbündel der vernetzten Gefässbündel- röhre, jedes von einer dunkler gefärbten Scheide eingefasst.

Protopteris punctata Sternb. findet sich vereinzelt in der Kreideformation von Böhmen und Schlesien. Früher schrieb man diese Art der Steinkohlenfor- mation zu, sie kommt aber im Quadersandstein (Cenomanien) vor. Sie wurde zuerst einem Lepidodendron zugeschrieben.

Cau/opteris Lindl, begreift grosse cylindrische Stämme aus der Steinkohlen- bildung. Die Oberfläche ist mit (verhältnissmässig) grossen, spiralig gestellten Blattnarben bedeckt, die bald mehr oval, bald mehr in die Länge gestreckt er- scheinen. Die Narbe ist von einem breiten, gegen oben geöffneten, fast hufeisen- förmigen Ring umzogen, welcher die Gestalt des aus dem Stamm in den Wedel- stiel verlaufenden Gefässstranges wiedergiebt. Die Structur des Holzcylinders bei Cau/opteris deutet auf Verwandte der heutigen Marattiaceen.

Megaphytum Art. begreift ansehnliche Stämme von eigenthümlich zweizeiligem

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Bau, die der Steinkohlenformation angehören. Die grossen Blattnarben stehen auf zwei entgegengesetzten Seiten des Stammes in alternirenden Längsreihen. Diese zweizeilige Anordnung des Stammes mit zwei Gruppen von Narbenreihen ist ohne Analogie bei den heute lebenden Baumfarnen. Man kennt bei einigen lebenden Farnen mit kriechendem oder rankendem Stengel zwar auch eine zwei- zeilige Ordnung der Wedel, aber sie erscheint hier an der Lichtseite desselben. Die Blattnarben von Megaphytum sind rundlich, mit concentrischem Ring ver- sehen, wie die von Caulopteris und die Gattung dürite gleichfalls zur Verwandt- schaft der Marattiaceen gehören.

Die Gattung Psaronius Cott. begreift dicke Stammstücke in verkieseltem Zustande, zuweilen mehrere Fuss Durchmesser erreichend. Stammkörper und Rindenparenchym treten hier in auffallenden Gegensatz, wie dies in ähnlicher Weise auch bei Stammbasen lebender Baumfarnen vorkommt. Der eigentliche Stammkörper besteht aus mehreren, in conccntrischen Ringen angeordneten bandförmigen, mehr oder minder gebogenen oder gefalteten Gefässbündeln oder Fibrovascularsträngen, deren jeden eine dunkler gefärbte Scheide umgiebt. Diese Stränge liegen im parenehymatischen Grundgewebe, ohne dass ein centraler Markcylinder ausgebildet erscheint. Eine solche Bildung des Stammkörpers erinnert am meisten an die heutigen Marattiaceen von Süd-Asien und Australien. Doch bleibt der der letzteren niedrig und knollenförmig, während er bei den Psaronien grössere Höhe erreichen soll. Den Stammkörper umgiebt ein mächtiges Rindenparenchym mit zahlreichen, aus dem ersteren absteigenden ein- fachen Adventivwurzeln. Es war bei der lebenden Pflanze wohl fleischig. Diese Wurzeln sind cylindrisch und enthalten eine längs gerippte Gefässbündelachse, die im Querschnitt sternförmig erscheint. Von der sternförmigen Zeichnung der- selben haben die Psaronien auch ihren älteren deutschen Namen Staarsteine oder Sternsteine. Diese dicken, von einem mächtigen Schopf von Adventivwurzeln umgebenen Stammstücke von Psaronius gehören offenbar dem Grunde von höheren Stämmen an, die weiter oben Wedel trugen. Man kennt auch höhere schlanke cylindrische Stammstücke, an denen ebenfalls noch die Oberfläche von einem Geflecht von sogen. Luftwurzeln verdeckt erscheint.

Die Psaronius-Arten kommen fossil in der Oberregion der Steinkohlenforma- tion und im Rothliegenden vor. Man betrachtet die Psaronien als Vorläufer der heutigen Marattiaceen, wiewohl mit dem Unterschiede, dass bei den heutigen Ver- tretern der Stamm ein niedriger knollenförmiger Stumpf bleibt, während er bei den nur fossil bekannten Psaronien grössere Höhe erreichte und sich cylindrisch ausstreckte.

Der Klasse der Famen schliesst sich die mehrfach abweichende, nur durch wenige Gattungen vertretene Abtheilung der Natterzungen, Ophioglosseat , an. Sie galten lange für eine Familie der Farnen. Neuere Botaniker betrachten sie als besondere Ordnung oder als eigene Klasse. Ihr Prothallium weicht ab, es ist knollenförmig und unterirdisch. Die vegetativen Theile der sporenbildenden Generation zeigen auch manches Eigenthümliche. Der Wedel zerfällt in einen älteren vegetativen und einen jüngeren generativen Abschnitt. Die Sporangien sind lederartige, parenehymatische Kapseln, die aus umgewandeltem Blattpa- renehym entstehen und sich an besonderen Wedelzweigen bilden. Hierher ge- hören namentlich die beiden Gattungen Natterzunge, Ophioglossum und Mondraute, Botrychium, mit wenigen Arten von unansehnlicher Grösse und krautartiger Bildung. Man kennt etwa 12 lebende Arten. Eine oder zwei Ophioglossum-

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Arten kommen in Tertiärschichten vor (Monte Bolca). Diese Abzweigung vom Farn-Typus gehört aber wahrscheinlich schon einer viel älteren geologischen Epoche an. Schimper betrachtet die Gattung Chiropteris aus dem unteren Keuper von Württemberg als hierhergehörig. (Es wird auch vermuthet, die Nöggerathien der Steinkohlenformation möchten etwa in die Verwandtschaft der Ophioglosseen gehören).

Viel weiter abweichend von den echten Farnen ist die gleichfalls nur wenige Gattungen umfassende Klasse der Wurzelfrüchtler, Rhizocarpeae, auch Wurzelfarnen, Rhizopterides und Wasserfarnen, Hydropterides genannt. Sie weichen aber auch untereinander weit ab, namentlich in der Gestaltung des vege- tativen Körpers der sporenbildenden Generation, was auf einen geologisch sehr alten Ursprung deutet. Gleichwohl sind sie auch im geologischen Archiv nur spärlich vertreten. Es sind auch hier nur unansehnliche Gewächse von theils farnartiger, theils binsenartiger Tracht, wie noch in der heutigen Flora. Sie zer- fallen in die zwei Familien Marsiliactae und Sahiniaccae.

In Bau und Entwicklung der generativen Theile stimmen die Rhizocarpeen mehr mit den Lepidophyten (Lycopodiaceen) überein. Die Früchte oder Sporen- behälter (coneeptacula, sporocarpia) sitzen theils an eigenen kurzen Stielen an der Basis der Blattstiele, theils zwischen den Wurzelzasern. Die Sporen sind von zweierlei Art, grössere oder weibliche Sporen, Makrosporen und viel kleinere männliche Sporen oder Mikrosporen. Bald bilden sich in derselben Frucht Makrosporangien und Mikrosporangien gemischt, bald sind auch die Früchte schon getrennten Geschlechts und entwickeln, die einen nur weibliche Makro- sporangien, die anderen nur männliche Mikrosporangien. Aus den weiblichen oder Makrosporen entwickelt sich ein kleines Prothallium mit einem Archego- nium. Das Prothallium bleibt stets mit der Makrospore in Verbindung, es hat eine grüne Rindenschicht und sitzt in Form einer Kappe auf der Makrospore. Die Mikrosporen entwickeln dagegen Antheridien mit Spermatozoiden, entweder aus einem sehr kleinen Prothallium oder selbst mit Ueberspringung eines solchen. Diese Art und Entwicklung der generativen Organe entfernt die Rhizocarpeen weit von den Equiseten und Farnen und lässt bereits eine Annäherung an die niedersten Phanerogamen durchblicken.

Die zweite oder sporenbildende Generation der Rhizocarpeenpflanze stimmt . noch mehr mit den Farnen überein. Es sind Süsswasserpflanzen mit unansehn- lichem Stengel, welche theils auf der Oberfläche des Wassers frei schwimmen, theils auf dessen Grund umherkriechen, seltener Bewohner von feuchtem Fest- land. Der Stengel ist meist ein kriechendes ästiges Rhizom mit einem einfachen centralen Gefässbündel, einer verholzenden Scheide und einer parenchymatischen Rinde.

Diese bald an Famen erinnernden, bald mehr mit Lycopodiaceen gemein* samen Charaktere der Rhizocarpeen lassen die Vermuthung zu, dass letztere Klasse mit beiden ersteren von gemeinsamem und nach geologischem Maasstabe uraltem Ursprünge ist, und dass sie mit ihnen zusammen vielleicht schon vor der silurischen Epoche entstand. Indessen erscheinen ihre Vertreter erst spät und nur spärlich im geologischen Archiv. Die heutigen Arten sind ziemlich kleine und unansehn- liche Gewächse von ziemlich zartem Gewebe und im Ganzen wenig geeignet zu fossiler Erhaltung. Dies mag auch bei den Arten älterer geologischer Epochen der Fall gewesen sein und ihr spätes und spärliches Vorkommen erklären.

Die Familie der Marsiliaceen, Marsiliaccac, begreift kriechende Wurzel-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

früchtler, deren Früchte zugleich Makrosporangien und Mikrosporangien enthalten und zwei Gattungen Marsilia und Pilularia. Marsilia hat vierblätterige Wedel auf einem geraden aufrechten, ziemlich langen Stiel (einem vierblätterigen Klee- blatt ähnlich). Diese Gattung ist in Tertiärschichten nachgewiesen.

Man zählt hierher auch die nur fossil bekannte Gattung SagcnopUris. SJe hat ziemlich lang gestielte, handförmig getheilte Wedel mit je vier ovalen odsr länglichen Blättchen. Das Blatt enthält einen kurzen, gegen vorn bald ver- schwindenden Mittelnerven und zahlreiche feinere, sehr schief verlaufende Secun- därnerven, welche letztere zu einem fächerartigen Netz von länglichen Maschen zusammentreten und die ganze Blattbreite bedecken. Mit diesen Blättern kommen auch kugelige Früchte vor. Sagenopteris rhoifolia Presl. erscheint in der Kohlenformation an der Grenze von Keuper und Lias (rhätische Stufe) zu Baireuth.

Bei der Gattung Pilularia besteht das Laub aus aufrechten, pfriemlich-faden- förmigen, während der Entwicklung eingerollten Blättern, die der Pflanze ein binsenartiges Ansehen erthcilen. Man kennt eine Pilularia aus der tertiären Ab- lagerung von Oeningen.

Die Familie der Sal viniaeeen, Salviniaecae, begreift einjährige, zum Theil wurzellose, auf dem Wasser schwimmende Gewächse, die zweierlei Früchte ent- wickeln. Die Blätter stehen bei Salvinia zu dreien im Quirl, zwei obere sind oval und ganzrandig, das dritte hängt im Wasser herab und ist zerschlitzt, es vertritt die hier fehlenden Wurzeln. Die zwei Schwimmblätter enthalten grosse Luftkammern. Man kennt Blätter mehrerer Arten der Gattung Salvinia in Tertiär- Ablagerungen z. B. zu Bilin und Oeningen. Salvinia Reussi Ett. von Bilm ist sehr vollständig erhalten. Die rundlich-elliptischen Blätter sind ziemlich lang ge- stielt, auch das dritte in Fäden zertheilte wurzelartige Blatt des Quirls findet sich erhalten. Die Blattquirle stehen am horizontalen Stengel durch ziemlich grosse Internodien getrennt.

Die in der heutigen Flora gleich den Rhizocarpeen nur durch wenige und weit von einander abweichende Gattungen vertretene, in den älteren geologischen Epochen reichlicher entwickelte Hauptabtheilung der Lepidophyten, Lepidophyta (oder Lycopodiaceen im weiteren Sinn) begreift derzeit die drei Klassen Isoetaceae, Lycopodiaceae u. Selaginelleae.

Die Gattungen derselben weichen in der Gestaltung ihres vegetativen Körpers weit von einander ab. Die Isoeten sind grasartige Wasserpflanzen. Die Lyco- podien sind Landpflanzen von moosartiger Tracht und präludiren auch schon in bemerkenswerther Weise dem Habitus mancher Nadelhölzer. Endlich die Selaginellen ähneln beblätterten Jungermannien. Diese Charaktere der äusseren Tracht sind von keiner grossen Bedeutung, können aber leicht (z. B. bei unvoll- kommenem Erhaltungszustande fossiler Reste) Anlass zu Täuschungen geben.

Gemeinsam allen drei Klassen ist das klappenweise Aufspringen der Spo- rangien. Diese entstehen in den Achseln der Blätter oder abweichend gebildeter Deckblätter. Bei einem Theile der Lycopodicn stehen sie auf einem besonderen, bisweilen von einem Stiele getragenen ährenförmigen Fruchtstand. Die Sporen sind von zweierlei Art bei den Isoeten und Selaginellen, gleichartig bei den Lycopodien.

Zu diesen drei in der heutigen Flora nur durch wenige Gattungen mit Arten von unansehnlichem Wuchs vertretenen Klassen kommen in den Ab- lagerungen der älteren geologischen Epochen noch eine Anzahl von mächtigen

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Kryptogamen.

baumartigen Formen, deren genauere Verwandtschaft mit den lebenden Typen der Lepidophyten aber zum Theil noch nicht vollständig festgestellt ist Einen Theil derselben, die Sigillarien, haben namhafte Botaniker auch schon zu den gymnospermischen Phanerogamen gezählt, deren Ursprung man jedenfalls auch mit gutem Grund in Lepidophyten der ältesten geologischen Epochen anzu- nehmen befugt ist.

Wir beginnen mit der sowohl in der heutigen Flora als auch im geologischen Archiv sehr spärlich vertretenen Klasse der Isoetaceen, Isoetcueae. Sie begreift in der heutigen Flora nur die einzige Gattung Brachsenkraut, Tso'eies, mit etwa 50 Arten. Zwei davon kommen in Deutschland vor, eine grössere Anzahl in der Flora der Mittelmeer-Provinz. Es sind unansehnliche Wasserpflanzen von binsen- oder grasartigem Ansehen, die von den Lycopodien und Selaginellen in den vegetativen Theilen stark abweichen. Sie wachsen bald untergetaucht in Seen und Sümpfen, bald auf sumpfigem Boden. Der Stengel ist kurz und Scheiben- artig verdickt, mit centralem Gefassbündelkörper und ansehnlicher parenehy- matischer Rinde. Er treibt einen Busch von langen schmalen pfriemlichen und straffen Blättern mit scheidenartig verbreitertem Grunde. Sie enthalten nur einen einzigen Fibrovasal- Strang. Diese binsenartigen Blätter bergen in ihrem ver- dickten Grunde die Früchte; Makrosporangien sitzen in den unteren, Mikrospo- rangien in den oberen. Die Sporen sind von zweierlei Art, Makrosporen und Mikrosporen, erstere weiblicher, letztere männlicher Art. Die Prothallium-Bildung ist wie bei den Rhizocarpeen sehr unansehnlich. Der Stengel wurzelt im Boden mit zahlreichen langen, wiederholt dichotomirenden Wurzelzasern. Die Arten sind von sehr gleichförmiger Tracht und zum Theil nur nach der Gestaltung der Blattbasis zu unterscheiden.

fsot/es-Reste kennt man aus mehreren tertiären Süsswasser- Ablagerungen. Sie weichen wenig von den lebenden Vertretern ab. Iso'etes Bräunt Ung. er- scheint wohlerhalten in dem obermioeänen Kalkschiefer von Oeningen am Boden- see und ist nahe verwandt mit dem in Seen und Teichen von Europa weit ver- breiteten Isoctes leuustris L. Wann diese Isoeten sich vom gemeinsamen Stamme der Lepidophyten abgezweigt haben, ist noch nicht ermittelt.

Die Klasse Selaginelltae begreift in der heute lebenden Flora kleine und zarte unansehnliche moosartige Gewächse, welche rasenartig auf feuchter Erde und an Felsen wuchern und bei uns (in zwei Arten) besonders in Gebirgs- gegenden vorkommen. Man kennt nur eine einzige Gattung Selaginella mit 200—300 schwer zu unterscheidenden Arten. Die meisten finden sich in den Tropen und auf der südlichen Halbkugel.

Der Stengel der Selaginellen ist wie der der meisten Lycopodien nieder- liegend und ebenfalls gabelig getheilt, aber die Verzweigungen breiten sich in einer Ebene aus und er treibt auf der dem Boden zugekehrten Seite eine Anzahl von Adventiv-Wurzeln. Diese Art der Verzweigung, wie auch die Beblätterung ertneilt dem Vegetativkörper der Selaginellen eine gewisse Aehnlichkeit mit dem der Jungcrmanniaceae foliosae. Die Blätter sind einfach, im Allgemeinen spitz- oval, sitzend, von einem Mittelncrven durchzogen. Sie sind bei den meisten Arten am Stengel vierzeilig angeordnet und von zweierlei Grösse. Die seitlichen oder unteren Reihen enthalten grössere, die beiden anderen Reihen kleinere Blättchen. Letztere bedecken die Oberseite des liegenden Stengels. Der dünne krautartige Stengel enthält eine Gefässbündel-Achse und einen Mantel von Rinden- parenehym. Zwischen Achse und Rinde liegt ein schwammartig lockeres Zell-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

gewebe mit Luftlücken. Der Fibrovascular-Körper hängt hier also fast frei in der parenchymatischen Rinden- Röhre, nur durch einzelne Zellen mit letzterer verbunden. Die Wurzeln sind lang und mehrmals dichotom getheilt.

Die Früchte der Selaginellen stehen einzeln in Blattwinkeln endständiger Aehren oder Kätzchen, die sonst den vegetativen Aesten noch ziemlich ähnlich sind. Diese Früchte sind theils Makrosporangien , theils Mikrosporangien, beide frei und nackt. Die Prothallium-Bildung ist wie bei Rhizocarpeen und Isoeten unansehnlich. Die Makrosporen sind wieder weiblich und entwickeln ein kleines Prothallium, welches in Gestalt einer Kappe auf derselben sitzen bleibt und Archegonien entwickelt. Aus den Mikrosporen gehen Antheridien hervor, wobei die Zwischenstufe, das Prothallium, nur noch spurweise angedeutet erscheint Aus der Befruchtung der Archegonien entsteht ein Embryo, der dem der gymno- spermischen Phanerogamen schon sehr nahe kommt und mit zwei Keimblättern ' oder Cotyledonen keimt. Die Selaginellen sind auch die einzigen Kryptogamen, bei denen die Makrospore unterhalb vom Prothallium noch ein besonderes Ei- weiss-Gewebe (Endosperm, Albumen) angelegt zeigt. Ein solches Organ kommt nur bei Selaginellen und bei Phanerogamen vor. Man kann daraus entnehmen, dass die heutigen Selaginellen die nächsten Verwandten jener uralten silurischen oder vorsilurischen Lepidophyten sind, aus denen die Gymnospermen und vielleicht überhaupt alle Phanerogamen hervorgingen.

Die Selaginellen gehören also aller Vermuthung nach zu den nach geologischem Maasstabe sehr alten Klassen des Pflanzenreiches. Aber mindestens die Art des Vorkommens und die zarte krautartige Beschaffenheit ihrer Gewebe macht die heute lebenden Arten derselben wenig geeignet zu einer fossilen Erhaltung. Eigentliche Selaginellen fehlen auch im heutigen Bestände des geologischen Archivs zur Zeit noch.

Man kennt zwar in älteren Formationen, namentlich schon in den Stein- kohlengebilden eine Anzahl von sogenannten Lycopoditen, die durch ihre feinen dichotomen Zweige und die vierzeilige Anordnung ihrer Blätter eine ge- wisse Aehnlichkeit mit der Tracht der heute lebenden Selaginellen zeigen. Aber eine bestimmte Zusammengehörigkeit ist noch nicht erwiesen. Eine der Arten aus der Steinkohlen-Formation von Sachsen kennt man mit Fruchtähren.

Die Klasse der Lycopodiaceen oder Bärlapp-Gewächse, Lycopodiaceat (im engeren Sinn) begreift in der heutigen Flora einige wenige Gattungen (Lycopodtum, Psilotum, Tmesipteris, Phylhglossum) mit meist nur wenigen Arten und meist sehr gleichförmiger Tracht, clie halb an gewisse Moose, halb an manche Nadelhölzer erinnert. Es sind meist krautartige oder doch nur schwach verholzende Gewächse mit kriechendem, meist wiederholt dichotomirendem Stengel, seltener halb strauchartig aufgerichtet. An der dem Boden zugekehrten Seite treibt der Stengel reichlich Adventiv-Wurzeln, die sich oft noch gabelig theilen.

Die Lycopodien überhaupt sind heute über alle grossen Festländer vom Aequator an bis zum Polarkreis verbreitet. Europa besitzt nur die eine Gattung Lycopodium, Bärlapp, mit zusammen etwa 400 Arten, worunter 6 deutsche. Die Mehrzahl der Arten gehören aber der tropischen Zone an, in der auch die vier Gattungen vertreten sind.

Die Tracht dieser Gewächse kommt einerseits der mancher Laub-Moose und andererseits der mancher Nadelhölzer näher. Diese Aehnlichkeit geht so weit, dass vereinzelte fossile Zweige derselben von älteren Palaeontologen zum

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Kryptogamen.

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Theil den Moosen zugezählt, andere unter dem Namen Lycopoditen beschrieben, später aber als Coniferen-Reste erkannt wurden. Die Unterscheidung ist auch jetzt noch zuweilen unsicher, dichotomirende Zweige gehören am ersten den Lycopodiaceen, gefiederte in der Regel den Coniferen an.

Der Stengel der Lycopodiaceen - Gattung Lyeopodium besteht aus einem centralen Holzkörper und einem überwiegenden Mantel von parenchymatischem Rindengewebe oder Grundgewebe. Ein centraler Markcylinder erscheint nicht ausgebildet, oder wenigstens nicht abgeschlossen. Der centrale gegenüber dem umgebenden Parenchym verhältnissmässig dünne Holz-Cylinder besteht aus einer Anzahl von bandförmigen, gewöhnlich gefalteten oder verschiedentlich verbogenen Gefässbündeln, die in einem das Mark vertretenden Parenchym eingebettet liegen. Zuweilen sind sie in einer gewissen seitlichen Symmetrie angeordnet, die der kriechenden Lage des Stengels entspricht. Die Gestaltung dieser Gefass- bündelgruppe im Querschnitt ändert je nach der Höhe, in der der Schnitt ge- führt wurde, etwas ab. Diese Gefassbündel der Lycopodien bestehen hauptsäch- lich aus Gelassen und zwar Treppengefassen (Treppengänge, vasa scalariformia). Das Prosenchym ist darin untergeordnet. Den Holz- oder Gefasstheil des Bündels umschliesst der Basttheil scheidcnartig. Bei manchen Arten umgiebt den cen- tralen Holzkörper auch noch eine feste mehrschichtige Scheide von dickwandigen faserähnlich gestreckten Zellen, die Faserscheide oder Schutzscheide. Darum liegt der umfangreiche Mantel des dünnwandigen parenchymatischen Rinden- gewebes und zu äusserst noch eine dünne Oberhaut oder Epidermis von dick- wandigen Parenchym-Zellen. Die Faserscheide und den Rindenkörper durch- setzen in verschiedenen Höhen die vom Holzkörper sich ablösenden Gefass- bündel, die in die Blätter austreten. Die Adventivwurzeln führen ebenfalls einen centralen Gefässbündelkörper.

Bei den tropischen Lycopodiaceen Gattungen FsUotum und TmesipUris um- schliesst der Holzkörper einen centralen Mark-Cylinder.

Die Beblätterung von Stengel und Zweigen ertheilt den Lycopodien ein mehr oder minder moosartiges Ansehen. Die Blätter sind einfach, klein, zu- gespitzt-schuppenförmig und sitzend. Sie führen einen Mittelnerv. Sie sind spiralig am Stengel vertheilt und erscheinen im Allgemeinen gleichgross.

Die Sporangien entstehen einzeln in der Achsel von Blättern des Stengels oder der von besondern Deckblättern (Bracteen). Bei einem Theil der Arten stehen sie auf einem besonderen gipfelständigen gestielten Fruchtstande oder einer gedrängten Aehre im Winkel verbreiterter Deckschuppen, z. B. bei dem auf Ge- birgs-Haiden von ganz Europa verbreiteten Bärlapp, Lyeopodium clavatum L. Man kennt bei den Lycopodien nur eine einzige Art von Sporen (officinell unter dem Namen semen fyeopodü, Hexenmehl). Sie entsprechen den Mikrosporen der Selaginellen, erzeugen aber ähnlich wie die Ophioglosseen ein unter- irdisches farbloses knollenförmiges Prothallium, welches beiläufig die Grösse einer Haselnuss erreicht. (Der Keimungsvorgang der Sporen ist im Uebrigen bei den Lycopodien zur Zeit nur unvollständig bekannt).

Die kleinen unansehnlichen, meist krautartigen Lycopodien der heutigen Kpoche eignen sich nach der Art ihres Vorkommens in Wäldern und auf Haiden nur wenig zur fossilen Erhaltung. In der Tertiärformation sind diese jüngeren Lycopodien nur spärlich und in ungenügenden Exemplaren vertreten.

Aus älteren Formationen kennt man eine grössere Anzahl fossiler und er- loschener Lepidophyten-Formen, die sich mehr oder weniger nahe den heute

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

lebenden Lycopodiaceen anschliessen. Meist kennt man sie nur bruchstückweise, bald als beblätterte Zweige, bald als Stammstlicke und im letzteren Fall ent- weder mit erhaltener narbentragender Rinde oder in rindenlosen Stücken mit mikroskopisch zu unterscheidender Structur. Manche dieser alten Lepidophyten- Formen mögen den heute lebenden Lycopodien schon sehr nahe verwandt ge- wesen sein. Andere zeigen wohl eine gewisse Aehnlichkeit, ergeben aber in einer oder der anderen Einzelnheit wesentliche Abweichungen. Diese Vorläufer der echten Lycopodien beginnen fossil schon im devonischen System, sie werden in der Regel als Lycopoditen bezeichnet, können aber nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse nur in besonderen Gruppen anhangsweise den Lycopodien an- gereiht werden.

Schon im devonischen System, noch reichlicher in der Steinkohlen-Formation, auch noch in den kohlenführenden Lagern der Jura-Formation kennt man dünne krautartige, stellenweise dichotomisch verzweigte Aeste mit sichelförmig gebogenen schuppenartigen Blättchen, die beim Abfallen spiralig geordnete Narben hinter- lassen. Man fasst sie in der provisorischen Gattung Lycopodites zusammen. Manche Arten, namentlich Aeste mit fiederständigen Zweigen, hat man auch aus ihr bereits wieder entfernt und bei den Coniferen untergebracht. Andere vergleicht man den Selaginellen.

Schon günstiger gestellt ist man bei Stammstücken mit mikroskopisch er- haltener Structur, wenngleich bei diesen wieder die Kenntniss der äusseren Stamm- oberfläche und der Beblätterung abgeht. So hat Unger aus den devonischen Schichten von Saalfeld in Thüringen eine Gattung Arctopodium beschrieben, deren mikroskopischer Bau im Allgemeinen mit dem von Lyeopodium tiberein- stimmt, aber ihre Gefässbiindel bestehen nur aus dickwandigem Prosenchym. Man kennt nur Stammstücke, die aus einem Holzkörper und einem über diesen vorwiegenden Rindenkörper bestehen. Der Holzkörper ist dünn, walzenförmig, scharf umschrieben und excentrisch im Stamme gelegen. Er besteht aus Gefäss- bündeln und Parenchym. Die Gefässbündel sind kleinere und grössere, die letzteren sind bandförmig und bilden zum Theil nach aussen geöffnete Halb- kreise, zeigen aber auch zugleich eine Neigung zu strahliger Anordnung. Ausser den Gefässbündeln enthält der Holzkörper noch ein dickwandiges Parenchym, welches Mark und Scheide zugleich vertritt. Ein besonderer Markcylinder ist nicht vorhanden. Die Gefässbündel bestehen nur aus dickwandigen Faserzellen (Prosenchymzellen). Den Holzkörper umgiebt ein mächtiger Rindenkörper. Eine besondere Aussenrinde ist nicht erhalten. Merkwürdig ist bei dieser devonischen Gattung Arctopodium besonders, dass ihre Gefässbündel nur einerlei Elementar- Organe enthalten und nach Unger noch keine Gefässe darin vorkommen. (Ein Längsschnitt hätte aber wohl an ihren Faserzellen quere Streifung ergeben.)

Wieder anderen Stammbau zeigt die Gattung C/adoxylon, ebenfalls aus de- vonischem Sandstein von Saalfeld. Man kennt von ihr auch nur die Holzachse ohne den Rindenkörper. Der Holzkörper enthält verschiedengestaltete breit- bandförmige Gefässbündel, die mannigfach verlaufen, einerseits gegen innen ringartig zusammentreten und dadurch eine Art von Mark-Cylinder abgrenzen, andererseits strahlenförmige Ausläufer gegen den Umfang aussenden, wobei einzelne noch gegen aussen dichotomiren. Diese Gefässbündel bestehen aus langgestreckten, engen, ziemlich dickwandigen Zellen, die im Querschnitt sich wie Bastzellen aus- nehmen, im Längsschnitt aber die parallele Querstreifung der Treppengänge zeigen. Die Gefässbündel umgiebt eine mehrschichtige Scheide von weitmaschigen

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Kry ptogamen .

etwas zusammengedrückten Zellen, die in Bezug auf dieselben strahlenweise ge- ordnet stehen. Der äussere Theil der Scheide zeigt enge sehr dicke Prosenchym- Zellen, die am meisten zur Festigkeit der Holzachse beitrugen. Der Rinden- körper ist nicht erhalten, die Beblätterung u. s. w. ganz unbekannt.

Nach Stamm- und Zweigbildung, Blättern und Früchten bekannt ist die von Dawson aufgestellte Lycopodiaceen-Gattung Psilophyton aus den devonischen Schichten von Nord-Amerika. Der Stamm ist ein unterirdisches kriechendes Rhizom, walzenförmig, hie und da gegabelt. Seine Oberfläche bedecken rund- liche Wurzelnarben, die in der Mitte einen abgerissenen Gefässstrang erkennen lassen. Der Querschnitt soll eine holzige Achse mit unvollkommenem Holzgewebe und Treppengefässen, sowie eine zellige nach aussen hin dichter werdende Rinde ergeben. Aus diesem cylindrischen Rhizom gehen in den Boden zahlreiche cylindrische Wurzelzasern ab, welche rundliche Narben mit einem Gefassbündel- Närbchen hinterlassen. Nach oben aber erheben sich aufrechte dichotom verzweigte Stengel. Die jungen Zweige sind spiralig eingerollt, wie bei Pilularia. Sie sehen mit ihrer Beblätterung moosartig aus. Die Blätter sind pfriemlich, fadenförmig und an der Spitze eingerollt. Die Früchte sollen taschenartig und kurzgestielt sein und an den Zweigen sitzen. Nach anderen Angaben sind es spindelförmige, zu zweien oder mehreren neben einander stehende Sporangien. Psilophyton princcps Daws. findet sich in einem oberdevonischen Lager zu Gaspe" in Canada und soll in demselben Horizont auch in New- York und Ohio häufig auftreten.

Haliserites Dechenianus Goepp. aus dem devonischen System (Grauwacken- schiefer) der Rheingegenden, früher für eine Art von Meeres-Fucoiden gehalten, soll nach neuerer Deutung das gabligverzweigte und z. Th. eingerollte Laub einer ähnlichen Lycopodiacee sein (vergl. IL pag. 228). Doch bedarf die Feststellung noch besserer Funde.

Eine besondere Klasse der Lepidophyten scheinen die während der Stein- kohlen-Epoche mächtig entwickelten und zum Theil riesenhafte Stämme dar- stellenden Lepidodendreen, Schuppenbäume, Ltpidodendrcac, zu bilden. Sie stehen wohl den heutigen Lycopodiaceen in allgemeinen Characteren schon ziem- lich nahe, unterscheiden sich von ihnen aber in wichtigen Einzelnheiten, nament- lich auch im Bau des eine geschlossene Röhre darstellenden aus Treppengefässen bestehenden, einen centralen Markcylinder einschliessenden Holzkörpers. Er zeigt keine Markstrahlen (auch keine Jahresringe).

Diese Lepidodendren zeigen sich bereits schon in einigen spärlichen Arten in Schichten des oberen silurischen und des devonischen Systems. Aber eine grossartige Entfaltung erlangten sie auf den morastigen Niederungen des Fest- landes der Steinkohlen-Epoche, während welcher sie wesentlichen Antheil an der Zusammensetzung mancher Waldungen nahmen und bedeutend zur Bildung der Steinkohlenflötze beitrugen. Es mögen damals wohl um hundert Arten gelebt haben, die in verschiedene Gattungen Lepidodendron, U/odendron, Knorria u. s. w. zerfielen, aber alle nur stückweise bekannt sind. Man kennt einzelne Stämme, die eine Höhe von 20 bis 30 Meter, wenn nicht mehr erreicht haben mögen. Stammbruchstücke aus der Basalregion gehen bis zu 1 Meter Dicke und noch etwas darüber. Gegen oben verdünnt sich der Stamm sehr allmählich. In der oberen Abtheilung der Steinkohlenbildung sind die Lepidodendren schon merklich in Abnahme und im Rothliegenden erlöschen die letzten spärlichen Arten, wie es scheint im Verlaufe von Veränderungen in der Gestaltung des Festlandes,

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

welche dem Ueberwuchern der Morast-Vegetation ein Ziel setzten und die Lepi- dedendren zusammen mit den Sigillarien zum Aussterben brachten.

Der Stamm der Lepidodendren besteht, wie Brongniart zuerst an einem Exemplare von Ltpidodendron Harcourti Lind, nachwies, aus einem rings geschlossenen röhrenförmigen Holzkörper, der keinerlei Lücken für den Austritt von Markstrahlen zeigt, einen parenchymatischen Markcylinder umschliesst und seinerseits von einem umfangreichen parenchymatischen Rindenkörper umgeben erscheint. Bei manchen Arten ist der umschlossene Markcylinder ansehnlich, bei anderen sehr dünn oder er fehlt auch ganz. Es giebt aber auch Formen, bei denen statt einer geschlossenen Holzröhre nur eine Anzahl von kreisförmig gestellten entfernteren Strängen auftreten, die einen Markcylinder umgeben.

Der Holzkörper besteht aus Gefässen und zwar Treppengefassen (Treppen- Tracheiden), die im Querschnitt kantig erscheinen. Er ist im Verhältniss zur Dicke des parenchymatischen Rindenkörpers und meist auch des Markcylinders ziemlich unansehnlich. Der innere Theil desselben besteht aus weiteren, der äussere aus engeren Gefässen. Vom Holzkörper gehen zahlreiche dünne cylin- drische Gefassbündel oder Blattspurstränge ab, durchsetzen nach aussen und oben verlaufend das Parenchym des Rindenkörpers und treten dann in die Blätter ein. Auf dem Querschnitt des Stammes sieht man sie im Rindenkörper in mehreren Kreisen, die noch mehr oder minder die spiralige Anordnung erkennen lassen.

Die Stämme erhoben sich schlank und einfach zu ansehnlicher Höhe und theilten sich dann gegen oben wiederholt in Gabelform. Die äussersten Zweig- spitzen trugen die verhältnissmässig grossen zapfenförmigen Fruchtstände.

Die äusserste parenchymatische Rindenschicht der Stämme und der Ver- zweigungen erscheint dicht bedeckt mit spiralig gestellten verschieden gestalteten, im Allgemeinen aber querrhombischen Blattnarben, die noch auf besonderen, etwas erhöhten, meist mehr in die Länge gezogenen Polstern sitzen.

Die Blattnarben (sigilla, cicatriccs) zeigen in der Mitte noch zwei oder drei kleinere quer gestellte Narben, die dem Austritt der Gefässstränge entsprechen, (was wenigstens für die mittlere dem Mittelnerven des Blattes entsprechende Narbe zu gelten scheint).*)

Die Gestalt der Blattnarben und ihrer Polster ändert mit dem Alter und ist daher an älteren Stammstücken anders als an den Zweigen. Die Blattnarben der jungen noch beblätterten Zweige sind breiter als hoch, querrhomboidal. Sie stehen noch dicht gedrängt und ihre Polster sind noch kurz. Mit dem Alter und im Verlauf der allmählichen Streckung von Stamm und Zweigen streckt sich auch die Blattnarbe etwas in die Länge. Noch mehr ändert sich das darunter gelegene Polster, welches sich nun nach unten lang und verschmälert herabzieht. Im Alter zeigt daher die Stammrinde grosse, quincunxial alternirende, bald mehr rhombisch, bald mehr lanzettlich oder umgekehrt eiförmig gestreckte Polster und in deren Mitte oder etwas darüber die kleinen noch mehr oder minder quer- rhombischen Blattnarben. Das Polster ist meist in der Mitte gekielt.

•) W. P. Schwer schreibt den Lepidodendreen Blätter mit einem starken, breiten Mittel- nerven zu und erklärt von den drei kleineren Närbchen der Blattnarbc nur die mittlere für die Spur eines Blattgcfässbündels, wogegen er in .den beiden seitlichen Närbchen die Spuren von Luftgängen vermuthet.

G. UE Saporta nimmt aber drei Gcfässbtindel auf dem Schildchen an und dem entsprechend drei Nerven, einen mittleren stärkeren und dicht daneben rwei seitliche Blattnerven, von denen dann die letzteren drei fast zu einem einzigen Mittelnerven verschmelien sollen.

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Haben die Stämme die äusserste in Kohle verwandelte Rinde schon ver- loren, so ist auch ihre Oberflächenzeichnung wieder etwas anders. Polster und Blattnarben fehlen dann, man erkennt aber noch die drei Gefässbündelnarben der letzteren.

Die Blätter der Lepidodendren sind steif, mehr oder weniger lang, pfriemen- förmig oder nadeiförmig, oit sehr verlängert, einnervig oder dreinervig?), ganz- randig und sitzend, bald mehr denen der Lycopodien, bald mehr denen der Gräser ähnelnd. Die Zweige tragen oft noch ihre Beblätterung, mit dem Alter aber fallen die Blätter ab, ihre Narben zurücklassend.

Der Fruchtstand der Lepidodendren oder Lepidostrobus ist ein endständiger, bald mehr ovalei, bald oblong -cylindrischer, verhältnissmässig grosser Zapfen und dem der Nadelhölzer (Tannen) nicht unähnlich. An seiner Achse, die eine Zweigspitze ist, sitzen in rechtem Winkel kurzgestielte, dicke, kurze, verholzte Schuppen, welche als umgewandelte Blätter (Deckblätter oder Tragblätter) anzu- sehen sind. Diese Zapfenschuppen decken sich von unten nach oben gedrängt und ziegeldachartig. Sie sind gegen vorn und aussen zu einer rhomboidalen Scheibe aufgebläht, die vertical mit dem Zapfen ansteigt und einer Erweiterung des Mittelnervs entspricht. Der Fruchtstand trägt am unteren Theil Macrospo- rangien, am oberen aber Mikrosporangien. Sie sitzen auf gestielten länglichen Blättchen (Sporangienträgern). Die Makrosporen sind sphärisch, die Mikrosporen tetraedrisch. Die Lepidodendren sind also wie die Selaginellen ungleichsporige Lepidophyten (Heterosporeae).

Die Stammbasis der Lepidodendren geht in wagerecht ausstrahlende und wiederholt in Gabelform sich theilende Wurzeln aus, ähnlich wie bei den Sigil- larien, bei denen diese Bewurzelung als Stigmaria bezeichnet wird. Bei beiden fehlt jede Spur einer Pfahlwurzel.

Dawson erkannte in vielen Steinkohlen von Canada und den Unionsstaaten auf mikroskopischem Wege Sporangien und Sporen von Lepidodendren, nament- lich in Cannelkohlen und Schiefern von Neuschottland (Nova Scotia) und Kap Breton. Es sind senfkorngrosse Sporenkapseln, thcils kugelig, theils abgeflacht. Nach Dawson gehören sie so gut wie ausser Zweifel zu Lepidodendron eorru- gatum. Diese Art kommt in denselben Schichten reichlich vor, bildet auch an einer Stelle einen förmlichen Wald von einzelnen Stumpfen. Die Sporangien finden sich nicht gleichmässig in allen Flötzen. Am häufigsten sind sie in Cannelkohlen und Schiefern, welche sich aus seichten Gewässern in der Nähe von Lepidodendren- und anderen Lycopodiaceen- Wäldern abgelagert haben mögen.

Eine besondere Gattung der Lepidodendreae , ausgezeichnet durch zwei- zeiligen Bau der Stämme ist Ulodendron Lindl. Es sind ansehnliche Stämme, deren Oberfläche wie bei Lepidodendron von rhombischen Blattpolstern, die am oberen Ende die Blattnarbe tragen, dicht bedeckt erscheinen. Alle Stämme und Aeste, auch die stärksten zeigen zwei gegenständige und alternirende Reihen grosser runder oder eiförmiger Vertiefungen, die gewöhnlich auch noch mit Blatt- spuren bedeckt sind. Im Mittelpunkt aber zeigen sie noch eine besondere runde Narbe, welche der Ansatzstelle eines anderen Organs entsprechen dürfte. Was diese in zwei Längsreihen angeordneten grossen Vertiefungen der Aeste be- deuten, ist noch nicht ermittelt. Man vermuthet, dass hier grosse breite zapfen« förmige Fruchtstände sassen, die im Verlaufe ihrer Ausbreitung sich über die umgebenden Blattspuren ausdehnten. Es können aber auch vegetative Organe (beblätterte Knollen oder Brutknospen) gewesen sein. Die [//odendron-Arten gc

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hören der Steinkohlenformation an, besonders der Unterregion, sie sind in der mittleren Region schon selten. Man muss Ulodendron von der ebenfalls mit zweizeiligem Stamm versehenen Farngattung Megaphytum unterscheiden. VergL pag. 261.)

Die Gattung Knorria Sternb. begreift dicke Stämme, die gegen oben wieder- holt sich gabeln. Die Oberfläche bedecken bei vollständiger Erhaltung der ganzen Rinde sammt der Epidermis langgezogene rhombische Blattpolster. Entrindete Stämme, wie sie gewöhnlich vorkommen, tragen an deren Stelle halb- eiförmige oder halbkegelförmige, gegen oben zipfelartig vortretende Erhabenheiten, die in täuschender Weise das Ansehen kurzer, dicker, sitzender, ziegelartig geordneter Blätter nachahmen, in der That aber subcorticale Gebilde sind, welche Blattkissen trugen. Die Deutung dieser eigenthümlichen Rinden- und Blattkissenbildung hat die Botaniker vielfach beschäftigt und manche nahmen wirklich die Höcker des Steinkernes für Reste wahrer und vollständiger Blätter oder Blattbasen. Knorria-Arten sind häufig in der Unterregion der Steinkohlen- formation, namentlich in den Culmschichtcn von Schlesien, dem Harz u. a. 0.

Da die Fruchtstände der Lcpidodendreae oder Lepidostroben meistens von den Stämmen getrennt vorkommen, so ist die Zusammengehörigkeit nur in seltenen Fällen zu ermitteln. Es ist daher noch nicht zu sagen, ob die nach dem Bau von Stamm und Rinde unterschiedenen Gattungen auch in der Fruchtbildung entsprechend auseinandergehen, wie dies im Voraus anzunehmen sein möchte. Auch unter den Lepidostroben finden sich mannigfache Verschiedenheiten der Gestaltung. Es giebt unter Anderem Lepidostroben mit lang gespitzten (gleich- sam begrannten) Schuppenenden.

Eine besondere Klasse des Pflanzenreiches bilden die während der Stein- kohlen-Epoche zusammen mit den Lepidodendren mächtig entwickelten und gleichfalls ansehnliche Stämme darstellenden Sigillarien oder Siegelbäume, SigiUarUae nebst den das Wurzelorgan derselben darstellenden Stigmarien. Aber während die Lepidodendren in allen wesentlichen Charakteren den heute lebenden Lycopodiaceen sich noch mehr oder minder nahe anschliessen, weichen die Sigillarien im Bau des keilig-gestrahlten Holzkörpers weiter ab und kommen darin schon nahe mit den gymnospermischen Phanerogamen überein. Die meisten Palaeophytologen zählen sie noch zu den Gefäss-Kryptogamen, Brongniart und Göppert betrachten sie bereits als Gymnospermen.

Die Sigillarien bildeten ansehnliche schlanke cylindrische Stämme, die sich aus einem mächtigen strahlig verzweigten Wurzelstock erhoben und einfach unter schwacher Verjüngung zu einer Höhe von 12 bis 20 oder 25 Meter emporstiegen. Am Grunde erreichten sie 1 bis 1,5 und 2 Meter Dicke, am Gipfel dichotomirten sie einmal oder wiederholt in Aeste und Zweige. Ihre Beblätterung war gleich der der Lepidodendren unansehnlich und moos- oder grasähnlich, der Frucht- stand vielleicht zapfenartig.

Von den meisten Sigillarien -Stämmen kennt man wenig mehr als die Zeichnung der äussersten mit zahlreichen Blattnarben besetzten Rinden Schicht, die gewöhnlich für sich allein als dünnes Kohlenhäutchen erhalten ist, während das darunter gelegene Rinden-Parenchym zerstört und durch Thon oder anderen Schlamm ersetzt erscheint. Diese äusserste von Blattnarben bedeckte Schicht der Rinde dürfte also ziemlich fest und zähe gewesen sein.

Wohlerhaltene noch mit ihrer Kohlenhaut versehene Sigillarien-Stamme be- sitzen meist eine ausgeprägte Längszeichnung. Breite parallele, etwas gewölbte

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Kryptogamen.

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Längsrippen werden durch schmale Furchen getrennt. Die Blattnarben stehen in spiraligen Reihen (oder quincunxialer Anordnung) je in zwei Reihen alter- nirend auf den breiteren Leisten.

Die Blattnarben (Sigilla, cicatriccs) sind dann bald mehr oval, bald mehr elliptisch, an den Seiten oft kantig, dabei meist länger als breit, am unteren Ende aber weder zugespitzt noch in einen Kiel verlängert.

Bei anderen Sigillarien fehlen die Längsleisten der Stamm-Oberfläche. Die siegeiförmigen Blattnarben grenzen hier dicht aneinander und drücken sich eckig. Sie sind aber immer noch in Längsreihen geordnet und alterniren in den be- nachbarten. Zwischen ihnen bleiben nur schmale Furchen in Form eines regel- mässigen Netzes.

Die Gestalt der Blattnarben und überhaupt die Stammoberfläche ändert auch mit dem Alter eines Achsentheils und ist daher in verschiedenen Höhen des- selben Stammes verschieden. An älteren Stammtheilen erscheinen die Blatt- narben etwas in die Länge gestreckt und in grösseren Abständen.

Die Blattnarben fuhren in ihrer Mitte oder etwas darüber drei kleinere quer gereihte Narben, die Gefässbündelnarben. Es sind die Austrittspunkte von ebenso vielen Strängen (Blattspur-Strängen) die vom inneren Gefassbündelsystem in die Blätter abgingen. Die mittlere Narbe ist rundlich, beide seitliche sind längs gestreckt und gewöhnlich sichelförmig (die Höhlung nach innen gewendet). Sonst gilt von den drei Närbchen dasselbe wie von denen der Lepidodendren.

Die der äusseren Kohlenrinde beraubte Oberfläche der Stämme lässt die Leisten und Furchen derselben gewöhnlich noch deutlich erkennen. Die Blatt- narben oder Scilla sind undeutlich geworden oder nur noch wenig ausgesprochen, die Gefässbündelnarben aber oft nicht mehr zu erkennen. Zudem ist die Ober- fläche dieser der obersten Rinde verlustiggegangenen Steinkeme fein längsstreifig geworden. Solche entrindete Sigillarien-Stämme sind die sogen. Syringodendren.

Seltener sind Stammstücke von Sigillarien, an denen der Bau des inneren Stammes sich im Längs- ,und Querschnitt ermitteln lässt. Sie ergeben einen Markcylinder, einen strahlig gebauten Holzkörper mit Markstrahlen und ein um- fangreiches von zahlreichen Gefass-Strängen durchsetztes Rinden -Parenchym. Der parenchymatische Mark-Cylinder ist dick. Ihn umgiebt ein verhältnissmässig dünner Holzkörper in Form einer bald mehr geschlossenen, bald aus strahlig gestellten und im Querschnitt keilförmigen Gewebeplatten (Holzkeilen) zusammen- gesetzten Röhre. Er besteht aus Treppengefässen (Treppengängen oder Treppen- Tracheiden). Den Holzkörper durchsetzen Markstrahlen in Form radial gestellter schmaler Platten von Parenchym-Zellen. An der inneren Seite der Holzröhre erscheint noch ein besonderes Gefässbündelgerüst von einzelnen Strängen, ähn- lich einer Mark-Krone (itui medullaire). Von ihm gehen die peripherischen Stränge ab, durchsetzen Holzkörper und Rinde und treten aus dieser in die Blätter ein. Dies sind die sogen. Blattspur-Stränge. Den Holzkörper umgiebt wie bei den Lycopodien und Lepidodendren ein umfangreiches Rindenparenchym, welches die Blattspurstränge in bogenförmig nach oben und aussen gewendetem Verlauf durchziehen. Darum erst folgt die äusserste Rindenschicht mit Blattnarben.

Zweige von Sigillarien mit ansitzenden Blättern findet man nur selten. Die Blätter sind schmal, linear, fast nadeiförmig, steif, ungestielt, sehr lang, mit starkem Mittelnerv. Sie sassen an Aesten und Zweigen dicht gedrängt

Die Fruchtstände der Sigillarien sind noch nicht mit völliger Gewissheit und namentlich noch nicht in Zusammenhang mit beblätterten Zweigen gefunden

Kxnncott, Min., Geol. u. Pal. U. 18

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

worden. Nach den Angaben einiger Beobachter waren es Aehren oder Zapfen, denen der Lycopodien und der Lepidodendren ähnlich und bestanden aus einer Spindel, Bracteen und Sporangien. Die Sporen sollen ungleichartig gewesen sein. Dies bedarf aber noch weiterer Bestätigung.

Sehr eigenthümlich ist die Bewurzelung der Sigillarien. Es sind dies, wie sich aus einer Reihe von hinreichend sicheren Beobachtungen im Steinkohlen- Gebilde von England, Deutschland und Nord -Amerika herausgestellt hat, die Stigmarien, die man früher für eigene Gewächse hielt und in die Nähe der Isoeten stellte. Es sind Rhizome von horizontal ausstrahlender gabelspaltiger Verästelung, dicht bedeckt mit langen fleischigen Wurzelzasern (fibrillat radicales) die man nach ihrer spiraligen Stellung und anderen auflallenden Eigentümlich- keiten — namentlich da sie beim Abfallen Narben hinterlassen lange für Blätter nahm und die wohl auch eine Mittelstellung zwischen Blättern und ge- wöhnlichen Wurzelzasern einnehmen.

Der erste mit wagerecht ausstrahlenden und dann wiederholt sich gabelnden Wurzeln noch versehene Stamm einer Sigillaria fand sich in der Steinkohlen- formation bei Liverpool (Lancashire). Binney (1843) schloss daraus, dass die Stigmarien die Wurzeln von Sigittaria-Stämmen sind. Diese Beobachtung wurde nachmals durch eine Reihe von Funden bestätigt; unter anderen auch zu Neunkirchen bei Saarbrücken. Die Zusammengehörigkeit der Sigillarien und Stigmarien kann jetzt als sicher erwiesen gelten.

Göppert gelang es die individuelle Entwicklungsfolge der Stigmarien weiter zurück zu verfolgen. Die älteste bekannte Stufe ist nach seiner Darlegung eine rundliche Knolle und einige Zoll lang. Sie ist schon mit Wurzelzasern in spiraliger Stellung besetzt. Die Knolle dehnt sich allmählich in cylindrische und später sich gabelnde Zweige aus. In der Folge entsteht ein mächtiges kuppei- förmiges Gebilde. Erst aus der Kuppel erhebt sich der eigentliche, in seinem Aeusseren ganz verschiedene Sigillarien-Stamm , um in derselben Flucht 20 bis 25 Meter Höhe zu erreichen.

Stigmarien mit domförmigem Centralkörper wurden namentlich nach dem Vorkommen zu Newcastle im nördlichen England von Lindley und Hutton beschrieben. Der kuppelartige Mittelstock erreicht 1 bis 1,3 Meter Durchmesser. Von ihm strahlen ziemlich zahlreiche (10 bis 12 und mehr) starke Wurzeläste nach allen Richtungen wagrecht aus, gabeln sich in verschiedenen Abständen und werden 6—9 Meter lang und darüber. Diese domförmigen Mittelstöcke mit ihren gabelspaltigen Ausläufern umspannten also einen Umkreis von mindestens 12 bis 20 Meter Durchmesser. In dieser Stufe der Gestaltung und bevor man ihren Zusammenhang mit den Sigillarien kannte, hielt man die Stigmarien für mächtige Wasserpflanzen, die nach Art der heutigen Isoeten in Sümpfen umher- krochen oder aut dem Wasser schwammen.

Die ausstrahlenden Wurzeln der Stigmarien zeigen zu äusserst eine gewöhn- lich verkohlende Rinde mit spiralig gestellten Narben. Der Rindenkörper über- haupt ist ansehnlich, parenehymatisch und von den nach den Wurzelzasern gehenden Gefässsträngen durchzogen. Der von diesem Mantel eingeschlossene Holzkörper ist wie bei den Stämmen eine aus Treppengefässen in radialer An- ordnung bestehende Röhre. Zwischen ihren Gewebeplatten verlaufen kleine Markstrahlen, welche nur aus einer über einander stehenden Reihe von Zellen bestehen. Die Holzröhre umschliesst einen parenehymatischen Mark -Cy linder, er ist aber dünner als bei den Sigillarien-Stämmen.

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Kryptogamen.

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An den ausstrahlenden sölig ausgebreiteten Wurzeln der Stigmarien bemerkt man in spiraliger (oder quincunxialer) Stellung zahlreiche kreisrunde, von einem doppelten Kreise umzogene Narben von 4 6 Millimeter Durchmesser und in deren Mitte ein kleines Höckerchen, welches dem Austritt eines einfachen cen- tralen Gefässbündels entspricht.

Diese Narben sind die Ansatzstellen der Wurzelzasern oder Fibrillen, die man früher für Stigmarien-Blätter nahm. Sic sind lang, dünn und walzenförmig, an der Basis etwas verschmälert und gehen rechtwinklig von den Wurzeln ab. In fossiler Erhaltung erscheinen sie gewöhnlich flachgedrückt und waren auch vorherrschend aus lockerem fleischigem Gewebe zusammengesetzt Sie wurden ein Fuss lang und darüber. Anfangs verzweigen sie sich einfach, dann dichotom. Wo sie gabeln, hat man im Theilungswinkel noch eine besondere Narbe erkannt Wohl erhaltene Exemplare der Wurzelzasern führen eine festere centrale Achse. Es ist ein Gefässbündel von Treppengefässen. Um diese Achse verlief ein Mantel von Parenchym, der Rindenkörper. Die Aussenrinde war etwas fester.

Nach diesen Einzelheiten des Baues schliessen sich die Sigillarien mit ihren Stigmarien wohl noch in manchen wichtigen Characteren den Lycopodien und Lepidodendren deutlich an, in anderen Stücken aber den Calamiteen (Calamitea Cotta) und erinnern auch schon an Gymnospermen. Man kann sie also mit Fug als eine der sonst räthselhaften Formen betrachten, welche den Uebergang von Kryptogamen zu Phanerogamen vermittelten und hauptsächlich in der silurischen und devonischen Landflora noch zu finden sein dürften. Die Wurzelknollen der Stigmarien sind vielleicht eine Umbildung eines unterirdischen knollenförmigen Prothalliums.

Was Standort und Vegetation anbelangt, so mögen die von Göppert zuerst erkannten Knollen der Stigmarien und deren nachmalige Verzweigungen unter- irdisch als rhizomatoses Gebilde in schlammigem Moorboden längere Zeit vegetirt haben. Dann erhob sich aus diesem mächtigen Unterbau der hohe säulenförmige schwachbeblätterte Stamm und erreichte vielleicht rasch 20 und 25 Meter Höhe.

Das Vorkommen dieser ansehnlichen, von einem 6— 9 Meter weit ausstrahlenden Wurzelstern getragenen Bäume war gesellig. Sie scheinen meist jeden anderen Baumwuchs verdrängt zu haben, wie dies namentlich die Stigmarien-Lager an- deuten. Sie bildeten die Wälder auf Moorboden des Festlandes während der Steinkohlen-Epoche und eine so massenhafte Moorbewaldung scheint in keiner anderen geologischen Zeit sich wiederholt zu haben. Im Rothliegenden waren sie schon spärlich und darnach fehlen sie. Ihnen verdankt man die Anhäufung des Hauptbetrages der Steinkohlenflötze, indem ihre Vegetation so lebhaft vor sich ging, dass mehr Holzmasse abgelagert wurde, als in der gleichen Zeit durch Fäulniss und Verwesung wieder der Atmosphäre anheim fiel. Ihr Wurzelwerk erfüllt noch heute das von einer thonigen Boden-Schicht gebildete Liegende der Flötze, welches dadurch oft eine verworrene Beschaffenheit erlangt. Dies war der Morast-Boden der Sigillarien-Wälder. Reste der Stämme findet man dagegen häufig in flachgedrückter Form in den Kohlenflötzen und noch häufiger in deren Hangendem, hin und wieder auch noch auf ihrem ursprünglichen Standort in auf- rechter Stellung. Diese Stämme der Sigillarien, wie auch die der Lepidodendren und der Calamiten mochten nach der verhältnissmässig unansehnlichen Dicke ihres Holzkörpers rasch emporschiessen, aber auch leicht von Stürmen nieder- geworfen werden, während ihr im Moor vergrabener Unterbau weiter fortwucherte und die gebrochenen Schossen alsbald wieder ersetzte.

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I

276 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Man kennt etwa 80 bis 100 Arten, wenn auch meist nur nach der Stamm- Oberfläche.

Die ältesten bekannten Sigillarien und Stigmarien erscheinen in spärlichen Resten in Schichten des devonischen Systems. In grosser Menge der Arten, in durchweg reichlicher Menge der Individuen' und mit üppigem Wuchs erscheinen sie in allen auf sumpfigem Festlandboden gebildeten Ablagerungen der Stein- kohlen-Epoche und scheinen, wie aus dem stigmarienreichen Liegenden der Kohlenflöze hervorgeht, die erste vorherrschende Vegetation aller Kohlen bildenden Moore gewesen zu sein und überhaupt die Flötz-Bildung eingeleitet zu haben In der Oberregion der Steinkohlenbildung sind sie schon in merklicher Abnahme und im Rothliegenden erscheinen die letzten Arten, mit denen die ganze Klasse Sigillariecu erlischt. Mit diesem Zurücktreten der Sigillarien hängt auch die ge- ringe Mächtigkeit der im Rothliegenden noch auftretenden Kohlenflötze zu- sammen, die meist denen der sogenannten produetiven Steinkohlen bildung weit nachstehen. An manchen Stellen im Steinkohlengebirge trifft man auch in ge- wissen Schichten zahlreiche Stigmarien angehäuft, während hier Sigillarien in der- selben Formation ganz fehlen. Es kann dies dadurch erklärt werden, dass die betreffende Stigmarien-Schichte als Boden eines nicht sonderlich morastigen Waldes betrachtet wird. Die Sigillarien-Stämme verwesten hier an ihrem ur- sprünglichen Standort, ohne Reste zu hinterlassen, bildeten auch keine Kohlen Motze. Es erhielt sich hier nur Waldboden mit Wurzeln. Meist erscheinen da gegen die Stigmarien-Thone als Liegendes oder Sohlgestein von Steinkohlen- flötzen und wimmeln von Wurzelzasern der Sigillarien, die hier auf sandig thonigem Morastboden wuchsen und deren umgebrochene Stämme mit anderen Pflanzenresten zusammen die Kohlenansammlung erzeugten. Diese Thone sind ge- wöhnlich auch durch eine eigenthümlich verworrene Absonderung ausgezeichnet, die der Verfilzung zahlreicher Würzelchen entspricht.

Was die Unterabtheilungen der Sigillarien betrifft, so nimmt man nach der glatten oder gefurchten Oberfläche der Rinde und nach der getrennten oder zusammenstossenden Lage der Blattnarben einige Untergattungen an, die aber nur von vorläufiger Bedeutung sind. So begreift Favularia Sigillarien-Stämme mit längsgestreifter Rinde und zusammenstossenden Blattnarben.

Die sogenannten Syringodendren sind nur entrindete Sigillarien-Stämme, die nach dem Abfallen der äusseren Rindenschichte an der Stelle der Blattnarben nur noch zwei neben einander liegende flache Grübchen zeigen, in deren Mitte! punkt auch wohl noch ein schwaches Gefässnärbchen zu erkennen ist. Die Ober fläche der inneren Rindenschicht erscheint an solchen Exemplaren fein längs streifig.

Was die systematische Stellung der Sigillarien betrifft, so kann die Ent- scheidung darüber nur von einer genaueren Kenntniss der Fruchtstände und ihrer Erzeugnisse ob Sporangien oder nackte Samen ausgehen, von diesen wei.« man aber noch nichts Zuverlässiges, wiewohl einige Angaben auf eine den Lepi dostroben ähnliche Fructification mit Bracteen und Sporangien weisen. Der schlanke, oben gabiig verzweigte, unten in dichotom sich theilende Wurzeln ver- laufende Stamm kann zunächst nur dem der Lepidodendren verglichen werden. Auch Blätter und Blattnarben sind bei Sigillarien und Lepidodendren ähnlich. Das alles würde auf Geiass-Kryptogamen und zwar Lepidophyten deuten. Ge- ringer ist die Verwandtschaft der Sigillarien mit Gymnospermen, im Besonderen Cycadeen. Sie besteht hauptsächlich nur im Bau des aus strahlig gestellten Ge-

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Die Krystalle.

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webekeilen und Markstrahlen zusammengesetzten Holzkörpers der Sigillarien, der dem der Cycadeen wenigstens einigermaassen nahe kommt. Diese Holz-Structur ist zusammengesetzter und höheren Ranges als die der Lepidodendren.

Aehnlich den Asterophylliten in der Tracht, nach neueren Untersuchungen aber im inneren Bau verwandter den Lycopodiaceen sind die Sphenophyllen der Steinkohlenformation. Es waren, wie man meint, kleine kraut- oder strauch- artige Gewächse mit dünnem ästigem, äusserlich gegliedertem und längsriefigem Stengel und quirlständiger Beblätterung.

Der Stengel enthält einen centralen Gefäss-Strang von dreieckigem Quer- schnitt. Er besteht aus Netz- und Leiter-Tracheiden und umschliesst eine Art von Markkörper. Sein Bau weicht also von dem der Lepidophyten und noch mehr von dem der Calamophyten ab, überhaupt von dem aller übrigen Klassen des Pflanzenreiches.

Die Blätter stehen an den Abgliederungen des Stengels (in der Dreizahl) zu 6 oder 12 oder 18 im Quirl. Sie sind am Grunde frei, keilförmig, vorn ab- gestumpft, am Vorderende oft zweispaltig, mit zuweilen wieder zweispaltigen Lappen. Der Nervenverlauf ist dichotomisch. (Diese Form der Blätter erinnert etwas an die der chinesischen Conifere Gingko biloba. Bei den Lycopodiaceen ist sie immer einfach).

Der Fruchtstand ist ährenförmig mit quirligem Bau. Es sind schlanke, walzenförmige, kurzgestielte Aehren, die am Gipfel eines Stengels oder in der Achsel eines Stengelblattes sitzen. Sie zeigen in zahlreicher Wiederholung Quirle von je sechs kugligen Fruchtkapseln oder Sporangien. Jede Kapsel steht in der Achsel eines kurzen, schmalen, grannenförmigen Deckblattes oder Hüllblattes. Die Sporen sollen ungleich, grössere und kleinere, sein. Man vermuthet, dass Makro- sporangien und Mikrosporangien in Quirlen abwechselten.

Die Sphenophyllen waren nach diesen Einzelheiten Lepidophyten von der Tracht der Calamophyten, gehörten also vielleicht zu einer älteren, in früheren Epochen reichlicher vertretenen Abtheilung der Gefässkryptogamen, von der die beiden in der devonischen Epoche bereits geschiedenen Klassen, die Calamo- phyten und die Lepidophyten, zusammen ausgingen. Ihre Fruchtstände und Sporangien erinnern an die der Selaginellen, aber bei diesen, wie bei den übrigen Lycopodiaceen kennt man sonst nie gegliederte Stengel mit quirlständigen Blättern, wie bei Sphenophyllen und Calamophyten.

Die Gattung Sphenophyllum mit etwa 12 Arten ist nur aus der devonischen und aus der Steinkohlenformation bekannt und fehlt schon im Rothliegenden. Sphenophyllum Schlotheimi Brogn. ist häufig in der oberen Abtheilung des Stein- kohlen-Gebirges (Wettin bei Halle). Ihre Wirtel sind sechszählig, die Blätter breit-keilförmig, vorn abgerundet-gestutzt und fein gezähnelt.

Die Krystalle

von

Prof. Dr. Kenngott

Bei der Betrachtung der Minerale, der natürlichen Zusammensetzungstheile der Erde findet man, dass dieselben als natürliche unorganische Körper auch eine eigenthümliche individuelle Gestaltung zeigen, und es wurden diese natür- lichen unorganischen Individuen mit dem Namen Krystalle belegt. Ursprüng-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

lieh wurde von den alten Griechen das Eis >krystallos« genannt und schon zu Zeiten des Plinius der Name crystallus insofern auf die Individuen eines Minerales, des Quarzes, übertragen, als die Meinung galt, dass die wasserhellen durchsichtigen Quarzindividuen, die noch heute Bergkrystall genannt werden, wirklich Eis seien. Durch Verdichtung des Eises bei intensiver Kälte, sagte er, entsteht der Krystall, den man nur da findet, wo vorzüglich der Winterschnee erstarrt, denn sicher besteht er aus Eis. Diese eigenthümliche, aus der Aehnlich- keit des Aussehens hervorgegangene Meinung wurde lange Zeit aufrecht erhalten und selbst im Anfange des 18. Jahrhunderts bekämpfte noch Johann Heinrich Hottinger, Arzt in Zürich, diese Meinung.

Die bereits von Plinius bemerkte bestimmte geometrische Gestaltung der Quarzindividuen war wahrscheinlich die Veranlassung, dass man den Namen Krystalle auf die Individuen der Minerale überhaupt übertrug und da man auch nichtmineralische unorganische Stoffe mit solcher selbstständigen individuellen Gestaltung beobachtete, so nennt man gegenwärtig alle natürlichen unorganischen Individuen Krystalle. Dass man den Mineralkrystallen, als den natürlichen Krystallen, die anderen nichtmineralischen Krystalle oft auch als künstliche Krystalle gegenüberstellte, hat lediglich darin seinen Grund, dass die nicht mineralischen krystallisirten Stoffe meist durch den Einfluss des Menschen hervorgehen. Es ist aber der Ausdruck künstliche Krystalle nicht richtig, weil die selbständige individuelle Gestaltung solcher Stoffe, wie z. B. die Krystalle des Zuckers, der in Fabriken erzeugten Alaune, Vitriole u. s. w. von den Stoffen selbst ausgeht, wie bei den Mineralkrystallen, weshalb es richtiger ist, alle Krystalle solcher Stoffe, welche nicht Minerale sind, nichtmineralische Krystalle zu nennen.

Alles, was aber die Krystalle ausser dem Unterschied ihres Vorkommens betriffi, gilt auch für die mineralischen Krystalle, oder es kann Alles, was die mineralischen Krystalle betrifft, auch abgesehen vom Vorkommen auf die nichtmineralischen Krystalle übertragen werden. Wenn nun die wissenschaftliche Erforschung der Gestalten mineralischer Krystalle zu einer eigenen Disciplin, zur Krystallo- graphie Veranlassung gab, so ist diese darum nicht ein Theil der Mineralogie, sondern eine für sich bestehende, aus welcher die Mineralogie das entlehnt, was für ihre Zwecke nothwendig ist, was auch von den besonderen Zweigen Krystallonomie (Berechnung der Krystal lgestalten), Krystallometrie (Messung der Krystalle) u. a. gilt. Ja man könnte der Zoologie und Botanik, als den natur- wissenschaftlichen Disciplinen, welche die Thiere und Pflanzen behandeln, die Krystallologie als Disciplin gegenüberstellen, welche alle Krystalle, mineralische und nichtmineralische umfasst.

Wenn nun hier zunächst von den Krystallen der Minerale die Rede ist, so sind die Mineralkrystalle als mineralische natürliche unorganische Individuen bei vollkommener Ausbildung auf bestimmte Weise geometrisch gestaltet \md es werden in dem Artikel »Krystallgestalten* diese Gestalten als geometrische be- schrieben werden, und da dabei weder auf die die Krystalle bildenden Substanzen, noch auf den Unterschied des Vorkommens Rücksicht genommen wird, so gelten diese Angaben über die Krystallgestalten auch für alle nichtmineralischen Krystalle. Hier soll jedoch noch auf andere Verhältnisse der Krystalle eingegangen werden, welche bei der Beschreibung der Minerale zu berücksichtigen sind.

Die Ubergrosse Mehrzahl der Mineralarten weist Krystalle auf, doch können selbstverständlich die Krystalle nicht in der Weise die Gestalten zeigen, wie sie

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Die Krystalle.

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in der Krystallographie überhaupt gelehrt werden. Das Studium der Gestalten, wie sie die Krystalle zeigen, hat dazu geführt, aus allen Einzelnerscheinungen der Gestaltung gewissermaassen ideale oder abstracte Gestalten in ihrem geo- metrischen Zusammenhange zusammen zu stellen, während in der Natur die Ge- stalten der Krystalle mehr oder weniger davon entfernt sind.

Die Krystalle der Minerale, wo immer sie auch in der Erde oder auf ihrer Oberfläche oder selbst in der Atmosphäre sich bilden können, sind immer in ihrer vollkommenen Ausbildung durch äussere Umstände, durch die Umgebung beschränkt und durch diese äusseren Hindernisse müssen die Individuen in ihrer Gestaltung gehindert werden, so dass man mit Sicherheit sagen kann, dass keine Krystallgestalt so gefunden wird, wie sie in der Krystallographie beschrieben wird. Auch unterscheiden sich durch ihre gestaltliche Ausbildung von vornherein die Krystalle als unorganische natürliche Individuen von den organischen In- dividuen dadurch, dass ihre individuelle Bildung noch erkannt werden kann, auch wenn das Individuum keine selbstständige Gestaltung zeigt

Theoretisch soll jeder einzelne Krystall als vollständig ausgebildetes Indi- viduum ringsum von ebenen Flächen begrenzt sein, welche miteinander Kanten und Ecken bilden und diese Begrenzungselemente der Gestalt sollten von der Art sein, wie sie in der Krystallographie beschrieben werden. Die wirk- lichen Krystalle aber zeigen diese theoretischen Gestalten niemals so, sondern sie durchlaufen im Allgemeinen eine Reihe von Un Vollkommenheiten, welche selbst so weit gehen können, dass man alle Begrenzungselemente verändert sieht. Darauf hat zunächst die Art des Vorkommens der Krystalle den grössten Ein- fluss, indem nämlich sehr häufig bei den Krystallen der Minerale nicht allein einzelne Krystalle vorkommen, sondern sehr oft zwei gleiche Individuen der- selben Art nach einem bestimmten Gesetz miteinander verwachsen Zwillinge bilden (s. Artikel »Zwillingsbildung«) und dass eine derartige regelmässige Ver- wachsung auch von drei, vier oder mehr Individuen gleicher Art stattfinden kann, ausser Zwillingen Drillinge, Vierlinge u. s. w. gebildet werden. Bei solcher Verwachsung der Individuen gleicher Art kann natürlich die theoretische Gestalt der einzelnen Individuen nicht vollständig zur Ausbildung gelangen. Ja es können eine grössere Anzahl von Individuen gleicher Art auf irgend welche Weise zu Gruppen verwachsen vorkommen, welche Gruppen z. Th. aus der Wieder- holung der Zwillingsbildung hervorgehen, sonst aber auch ohne solche stattfinden können. Durch solche Verwachsung vieler Individuen derselben Art können an den Individuen nur einzelne Begrenzungselemente zur Ausbildung gelangen oder selbst diese gänzlich unsichtbar gemacht werden.

In zweiter Linie können einzelne Krystalle, Zwillinge, Drillinge u. s. w. oder Gruppen von Krystallen eingewachsen oder aufgewachsen vorkommen, in welchem letzteren Falle wieder die Ausbildung der Begrenzungselemente, die bestimmte theoretische Gestaltung beschränkt wird. Bei dem Vorkommen der Krystalle als eingewachsene wirkt in vielen Fällen die umgebende Mineralmasse, in welcher die Krystalle eingewachsen sind, störend auf die Entwickelung der regelrechten Gestaltung ein, weil die eingewachsenen Krystalle bei ihrem Wachsthum von der umschliessenden Mineralsubstanz allseitig gehindert werden, ihre eigenthümliche Gestalt zu bilden. In ähnlicher Weise wird auch die regelrechte Ausbildung der eingewachsenen Zwillinge, Drillinge u. s. w. beeinflusst und selbst einge- wachsene Gruppen von Krystallen derselben Art zeigen die dadurch bedingte

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Störung in der Ausbildung der nach aussen sichtbar werdenden Begrenzungs- elemente der Individuen mehr oder weniger auffallend.

Sind dagegen einzelne Krystalle, Zwillinge, Drillinge u. s. w. oder Gruppen irgend welcher Art aufgewachsen, so wird wiederum da, wo dieselben auf- gewachsen sind, in Folge der Berührung die Ausbildung der Gestalt gehindert, gleichviel, ob die Mineralmasse, auf welcher das Aufgewachsensein stattfindet, derselben Art angehört, zu welcher die aufgewachsenen Krystalle bis Gruppen gehören, oder ob sie einer anderen Art angehört oder ein Mineralgemenge ist.

Bei der Beschreibung der Minerale, vornehmlich der Krystalle muss das gegenseitige Verhältniss angegeben werden und da von selbst aus der Angabe hervorgeht, in welcher Weise Störung der Form krystallisirender Substanzen ein- tritt, so dass die Individuen nur partiell ausgebildet erscheinen, so genügt bei der Beschreibung meist die einfache Angabe, ob die Krystalle, Zwillinge, Drillinge u. s. w. oder Gruppen ein- oder aufgewachsen sind.

Besondere Bildungen der ersteren werden noch besprochen werden, welche oft wiederkehren, was jedoch die Gruppirung gleichartiger Individuen betrifft, so wurde bereits erwähnt, dass dieselbe eine Folge wiederholter Zwillingsbildung sein könne oder davon unabhängig erscheint. Jedenfalls aber ist, um eine richtige Vorstellung des Vorkommens gruppirter Krystalle zu erhalten, die Gruppirung in der Totalität ihrer Erscheinung anzugeben und in dieser Richtung muss hier bemerkt werden, dass die Mannigfaltigkeit der Gruppirung eine sehr ausgedehnte ist, so dass kaum Ausdrücke genug ausgedacht werden können, um alle Fälle der Gruppirung zu beschreiben. Die wichtigsten sind nachfolgende:

Häufig finden sich die Krystalle gleicher Art so gruppirt, dass sie ein ge- meinschaftliches Centrum haben, um einen Punkt gruppirt sind, wobei die Indi- viduen entweder sich gegenseitig durchwachsend gleichsam einen gemeinschaft- lichen Mittelpunkt haben oder von einem Tunkte ausgehend von ihm aus sich nach allen Richtungen erstrecken. Man bezeichnet daher diese Gruppirung als eine centrale oder die Gruppen der Krystalle als radiale und da in der Regel die radial gruppirten Krystalle gleicher Art annähernd gleich gross sind, so ent- stehen Gruppen, welche kugelförmige oder sphärische sind und sich durch Ungleichheit in der Grösse der gruppirten Krystalle mehr oder weniger von der Kugelform entfernen. An der Oberfläche solcher sphärischen Gruppen treten Theile der verwachsenen Krystalle mit ihren Flächen, Kanten und Ecken hervor und lassen die Gestalt derselben annähernd beurtheilen, wie man dies z. B. an sphärischen Gruppen hexaedrischer Pyritkrystalle, oder stumpf rhomboedrischer Calcit- oder Dolomitkrystalle, an solchen Gruppen prismatischer Quarzkrystallc oder Markasitkrystalle oder tafelartiger Azuritkrystalle u. a. m. sieht, wobei an der Oberfläche der Gruppen beziehungsweise Hexaederecken, die stumpfen End- ecken der Rhomboeder, die pyramidalen Zuspitzungen der prismatischen Krystalle oder die Randflächen der Tafeln hervortreten.

Diese hervorragenden Krystalltheile sind oft sehr klein und die Oberfläche der Gruppen ist dadurch rauh oder es können auch bei Mangel an hervorragenden Theilen die Oberflächen fast glatt erscheinen. Zerschlägt man derartige kugelige Gruppen mit verschiedener Oberflächenbeschaffenheit, so sieht man im Inneren die radiale Anordnung der verwachsenen Individuen in Folge stengliger, strahliger oder fasriger Absonderung.

Sind die kugeligen Gruppen aufgewachsen, so erscheinen sie als Halbkugeln oder als grössere oder kleinere Theile der allgemeinen kugeligen Form, ohne

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Die Krystalle. 281

dass man dies bei der Beschreibung als eine selbstverständliche Erscheinung be- sonders zu benennen braucht. An solche partielle Erscheinung radialer Gruppirung anschliessend ist noch zu erwähnen, dass oft nur eine geringere Anzahl von Krystallen von einem Punkte aus mit einander verwachsen vorkommen, welche Gruppen büschelförmige genannt werden, sowie auch auf einer mehr oder minder ebenen Fläche aufliegend aufgewachsene Krystalle radial um einen Punkt angeordnet erscheinen, wodurch die sternförmigen Gruppen entstehen.

Eine zweite Art der Gruppirung ist die axiale, wenn Krystalle um eine als Achse der Gruppe gedachte Linie angeordnet sind. Die Bildungsweise solcher. Gruppen sieht man oft in der Weise mit gleichsam verkörperter Achse, wenn, wie z. B. bei Quarz ein prismatischer, also linear ausgedehnter Quarzkrystall vorhanden ist, um welchen herum kleinere prismatische Quarzkrystalle auf- gewachsen sind, entweder recht- oder schiefwinklig gegen die vorhandene ver- körperte Achse gestellt. Auf diese Weise entstehen nach dem allgemeinen Um- risse der Gruppe walzenförmige (cylindrische) oder kegelförmige Gruppen, welche auch in derselben Anordnung der gruppirten Krystalle vorkommen können, ohne dass ein gleichartiger Krystall als Achse der Gruppe sichtbar ist, so dass sie wirklich um eine Linie als gedachte Achse herum gruppirt erscheinen. An der Oberfläche solcher axialer Gruppen zeigen sich bezüglich der hervor- ragenden Krystallenden ähnliche Erscheinungen, wie bei den radialen oder cen- trischen Gruppen. Beim Zerschlagen der axialen Gruppen sieht man im Inneren, wenn die Gruppe quer gegen die Achse zerschlagen wird, die radiale Anordnung um die Achse, dagegen wenn die Gruppe längs der Achse zerschlagen ist, die fortlaufende Folge der gleichmässigen Stellung der einzelnen Individuen gegen die gemeinschaftliche Achse.

Ist die Gruppirung um eine Linie, beziehungsweise um einen die Achse bildenden Krystall nicht allseitig ringsum vor sich gegangen oder sind die axial gruppirten Krystalle auf einer mehr oder weniger ebenen Fläche aufliegend auf- gewachsen, so entstehen ästige, baumförmige oder dendritische Gruppen, die durch Wiederholung um so mehr an die zur Benennung gewählten Objecte erinnern.

Eine weitere Art der Gruppirung ist die homologe und reihenartige, wenn gleichartige Krystalle in annähernd paralleler Stellung mit einander ver- wachsen sind. Im letzteren Falle erscheinen sie im Sinne einer bestimmten krystallographischen Fläche oder Linie aufeinander folgend parallel verwachsen oder weichen auch in der Lage wenig von einander ab, wie man dies z. B. bei Quarz-, Orthoklas-, Epidot-, Turmalin- und Schwefelkrystallen sieht. Eine solche homologe Gruppirung kann aber auch in der Art eintreten, dass viele Krystalle auf einer mehr oder weniger ebenen Fläche aufgewachsen im Allgemeinen eine parallele Anordnung zeigen, wodurch sie auf Gesteinklüften aufgewachsen platten- förmige Gruppen bilden, welche gegenüber der Unterlage in frei ausgebildete Krystalle endigen. Oder es können gleichartige und gleichgestaltete Krystalle wie um eine gemeinschaftliche Achse, welche eine bestimmte krystallographische Linie darstellt, angeordnet sein und bilden dadurch Gruppen, welche in ihrem allgemeinen Umriss die Gestalt der Einzelkrystalle wiederholen oder selbst eine andere krystallographische Gestalt der Art darstellen. Solche Gruppen werden oft polysynthetische Krystalle genannt, wie sie z. B. bei Aragonit, Manganit, Pyrolusit, Fluorit, Pyromorphit, Hämatit u. a. vorkommen und wenn dabei die einzelnen verwachsenen Krystalle von der homologen Stellung etwas abweichen

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

oder gewisse Deformitäten zeigen, so entstehen garbenförmige, rosetten- förmige, tonnenförmige, knospenförmige u. a. Gruppen.

Wenn so bei aufgewachsenen und verwachsenen Krystallen die Krystalle nicht ringsum ausgebildet sind und die fehlenden Theile in Gedanken zu erganzen sind, so treten ausserdem an der Oberfläche der Krystalle Unvollkommenheiten in der Ausbildung ein, welche dieselben von der theoretischen Gestaltung mehr oder weniger abweichend erscheinen lassen. Solche Unvollkommenheiten be- treffen meist die Flächen, oder durch sie auch die Kanten und Ecken. Die ge- wöhnlichste hierher gehörige Erscheinung ist:

i. Die ungleiche Ausdehnung der Flächen. Theoretisch zeigen die Krystalle (s. Artikel »Krystallgestalten«) einfache Krystallgestalten oder combinirte (Combinationen einfacher) und einfache Krystallgestalten sind solche, deren Flächen einerlei Art sind, combinirte solche, welche durch die Flächen von zwei oder mehr einfachen Gestalten gebildet werden und woran die Flächen jeder einzelnen, in der Combination auftretenden einfachen Gestalt einerlei Art sind, so ist z. B. das Hexaeder (der Würfel) ooO<» eine einfache Gestalt des tesseralen Systems (Fig. i) und das Oktaeder (Fig. 2) O desgleichen, in den Figuren 3, 4

(Min. 94-96.)

und 5 sind Combinationen des Hexaeders und des Oktaeders dargestellt Das Hexaeder, 00 0<» ist von 6 gleichen Quadraten und das Oktaeder O von 8 gleichen gleichseitigen Dreiseiten umschlossen. In der Combination (Fig. 3) bildet das Hexaeder 6 gleiche symmetrische Achtseite und das Oktaeder 8 gleiche gleichseitige Dreiseite, in der Combination (Fig. 4) bildet das Hexaeder 6 gleiche Quadrate und das Oktaeder 8 gleiche gleichseitige Dreiseite und in der Com- bination (Fig. 5) bildet das Hexaeder 6 gleiche Quadrate und das Oktaeder 8 gleiche symmetrische Sechsseite. Krystalle, welche diese einfachen oder com- binirten Gestalten darstellen, müssten in dieser Weise die Flächen ausgebildet /.eigen, was jedoch nie in dieser Vollkommenheit zu sehen ist, weil die Flächen der Krystalle in Folge äusserer Einflüsse ungleich ausgedehnt sind.

Betrachten wir in diesem Sinne die einfache Gestalt, das Oktaeder, welches durch seine 8 gleichen gleichseitigen Dreiseite 12 gleiche regelmässige Kanten und 6 gleiche regelmässige vierkantige Ecken bildet, an unendlich vielen Krystallen als einfache Gestalt sichtbar ist, so wird man finden, dass kaum ein als Oktaeder ausgebildeter Krystall diesen Anforderungen entspricht, insofern die Flächen, und wenn es auch nur ein Wenig wäre, ungleich ausgedehnt erscheinen. Dies kann nun in der verschiedensten Weise stattfinden, wie man sich z. B. an den Krystallen einer Species, des Magnetit überzeugen kann, welche sehr häufig als eingewachsene, ringsum ausgebildete vorkommen.

So zeigen z. B. wie Fig. 6 es darstellt, Oktaeder zwei parallele Flächen auf

Fig. 1.

Fig. 2.

Fig. 3-

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Die Krystalle.

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Kosten der anderen sechs ausgedehnt, wodurch diese dann 6 gleiche Paralleltrapeze bilden, während die zwei vorherrschend ausgedehnten Flächen symmetrische Sechs- seite sind. Anstatt 12 Kanten hat die Gestalt jetzt 18 Kanten zweierlei Art und anstatt der 6 vierkantigen Ecken zeigt die Gestalt jetzt 12 dreikantige und trotz dieser Deformität bildet ein solcher Krystall das Oktaeder, aber mit ungleicher Ausdehnung der Flächen. Nach der Gestaltung der Flächen könnte man ein solches Oktaeder für die Combination der hexagonalen Basisflächen mit einem

(Min. 97-99.)

Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6.

spitzen Rhomboeder halten, welchen Irrthum jedoch die Messung der Kantcn- winkel und die Beschaffenheit der Flächen aufklären würde.

Eine andere ungleiche Ausdehnung der Oktaederflächen zeigt die Fig. 7, indem nämlich diese ein Oktaeder darstellt, bei welchem vier in einer Kanten- zone liegende Flächen vorherrschend erweitert sind. Dadurch bilden diese 4 Flächen gleiche Paralleltrapeze und die vier kleineren Flächen gleichseitige Dreiseite. Die Gestalt hat anstatt der 6 regelmässigen vierkantigen Ecken des Oktaeders 4 unregelmässige vierkantige Ecken und 4 unregelmässige dreikantige Ecken, anstatt der 12 gleichen regelmässigen Kanten 2 längere, 2 mittlere und 2 kürzere regelmässige und 8 unregelmässige Kanten und könnte für die ortho- rhombische Combination eines Quer- und Längsdoma gehalten werden. Die Messung aber der Kantenwinkel und die gleiche Beschaffenheit der Flächen würde auf das Oktaeder mit ungleicher Ausdehnung der je 4 und 4 Flächen

führen, die Gestalt als eine tesserale erkennen lassen. nti <M

(Min. 100-102.)

Fig. 7- Fig. 8. Fig. 9.

Die Fig. 8 endlich zeigt ein Oktaeder, woran 2 parallele Flächen zurück- gedrängt sind, welche als gleichseitige Dreiseite erscheinen, während die anderen 6 Flächen Fünfseite darstellen. Die Form hat jetzt 18 Kanten dreierlei Art, nämlich 6 regelmässige, je 6 und 6 unregelmässige und je 6 und 6 unregel- mässige dreikantige Ecken. Sie gleicht der hexagonalen Combination eines spitzen Rhomboeders mit den Basisflächen und wieder muss die Messung der Kantenwinkel den richtigen Thatbestand feststellen, dass sie ein Oktaeder mi* ungleicher Flächenausdehnung ist.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Diese wenigen Beispiele zeigen, wie ein und dieselbe und dazu noch ein- fache Krystallgestalt durch ungleiche Ausdehnung der Flächen verschieden ge- bildet erscheinen kann und dabei ist noch die ungleiche Ausdehnung mit einer gewissen Regelmässigkeit erfolgt, wie es an Krystallen nicht einmal zu erwarten ist. Die ungleiche Ausdehnung der gleichen Flächen ist eine so allgemeine Erscheinung, dass man bei der Beschreibung der Krystalle sie gewöhnlich gar nicht erwähnt, als selbstverständliche Erscheinung allgemein voraussetzt. Nur wenn eine solche ungleiche Ausdehnung der Flächen local mit einer gewissen Constanz auftritt, kann man dieselbe bei der Beschreibung des localen Vor- kommens erwähnen. Beachtet muss sie aber doch werden, weil, wie die Bei- spiele zeigten, die Krystalle falsch gedeutet werden könnten, wie es mitunter vorgekommen ist.

Diese ungleiche Ausdehnung der Flächen geht bisweilen so weit, dass durch sie einzelne ganz verdrängt werden, ein Fehlen einzelner Flächen bemerkt wird als Folge der Ausdehnung der anderen, und man muss dann die fehlenden Flächen hinzudenken, um die Gestaltung der Krystalle theoretisch richtig angeben zu können. Dies ist besonders bei Combinationen oft zu bemerken, kann aber auch selbst bei einfachen Gestalten beobachtet werden. Gewöhnlich werden alle diese Erscheinungen unregelmässiger Ausdehnung einzelner Flächen durch äussere Umstände bedingt, durch die Art des Vorkommens. Wenn jedoch bei den Krystallen einer Art eine gewisse Regelmässigkeit in der vorherrschenden Aus- dehnung gewisser Flächen derselben Krystallgestalt bemerkt wird »^[welche bis zum regelmässigen Ausfall einzelner Flächen führen kann, so wird dadurch die Hemiedrie gewisser Krystallgestalten bedingt, welche als eine gesetzmässige Er- scheinung angesehen werden muss, ohne dass man sie erklären kann.]*

In dem Artikel »Krystallgestalten « werden daher bei den sogen. Krystall- systemen 'auch diejenigen Gestalten als besondere unterschieden, welche durch die regelmässige Ausdehnung der halben Anzahl gleicher zusammengehöriger Flächen bis zum Fehlen der übrigen Flächen hervorgehen. Diese sind dann die Hernieder oder halbzähligen Gestalten der Holoeder oder vollzähligen Gestalten, aus denen sie hervorgehen.

So ist z. B., um an die obige ungleiche Ausdehnung verschiedener Art bei

(Min. 103-105.)

Fig. 10. Fig. n. Fig. 12.

den Flächen des Oktaeders anzuschliessen, in Fig. 9 ein Oktaeder dargestellt, an welchem vier abwechselnde Flächen in gleicher Weise vorherrschend ausgedehnt

sind. Dies sind die mit ~ bezeichneten Flächen, während die anderen vier mit

2

O'

bezeichneten Flächen gleichmässig zurückgedrängt sind. Dies tritt in Fig. 10

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Die KrystaUe.

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noch auffallender hervor und in Fig. 1 1 sind die zurückgedrängten Flächen noch kleiner, und wenn sie endlich gänzlich fehlen, Fig. 12, so bilden die allein übrig

O

gebliebenen Flächen ^ eine neue einfache Gestalt, das Tetraeder, das Hernieder

des Oktaeders. Das Oktaeder ist das Holoeder, das Tetraeder sein Hernieder.

Derartige Erscheinungen sind an den Krystallen stets zu beachten und bei der Beschreibung der Arten anzugeben, weil sie gesetzmässig sind und zu den wichtigen Hemiedriegesetzen der Krystallsysteme führen. Auch der Hern im or- phismus (s. pag. 382 Bd. I) beruht auf dem Fehlen der halben Anzahl von Flächen einer einfachen Gestalt, ist aber eine ganz andere Erscheinung, welche sich bisher nur an wenigen Species beobachten Hess, aber ursächlich nicht be- gründet werden konnte. Jedenfalls ist jedoch der Hemimorphismus nicht von äusseren Zufälligkeiten abhängig, sondern mit Eigenschaften der Krystallmasse in Zusammenhang stehend.

In allen Fällen zeigen aber die Kry stallflächen, gleichviel ob sie durch äussere Umstände oder durch innere Ursachen in ihrer Ausdehnung verändert werden, ihre bezüglichen Neigungswinkel mit einander unverändert, und es ist deshalb immer möglich, durch die Messung derselben zweideutige Verhältnisse aufzuklären, so lange die. Krystallflächen als Ebenen erscheinen, wie sie den geometrischen Polyedern eigenthümlich sind. Es ist somit diese Art der Unvoll- kommenheit bei ihrer Allgemeinheit kein Hinderniss, die vorkommenden Krystall- gestalten mit den theoretischen in Zusammenhang zu bringen. Es können aber noch weitere Grade unvollkommener Bildung eintreten, und zu diesen gehören als sehr häufige

2. die gestreiften Flächen. Man beobachtet nämlich an selbst sehr gut ausgebildeten Krystallen eine eigenthümliche Erscheinung der Flächen, für welche man fast allgemein ,den Ausdruck Streifung der Flächen gebraucht, die aber selbst wieder in solcher Mannigfaltigkeit auftritt, dass man sich veranlasst fand, auch andere Ausdrücke zu gebrauchen, solche Flächen gereifte, gekerbte oder gefurchte Flächen zu nennen. So zeigen z. B. häufig als Hexaeder aus- gebildete Krystalle des Pyrit, wenn man sie schräg gegen das Licht hält, eine Erscheinung der Art, dass, wie Fig. 13 zeigt, es den Schein hat, als wären parallel den Kanten äusserst feine Streifen in den Ebenen vorhanden, welche nur durch das schräg auffallende Licht sichtbar werden. Bei anderen hexaedrischen Krystallen desselben Minerals tritt die angeführte Erscheinung in der Weise schärfer hervor, dass es den Anschein hat, als wären in der Richtung der Kantenlinien feine Einschnitte in den Flächen vorhanden, von deren Anwesenheit man sich auch durch das Gefühl überzeugen kann, wenn man über solche Flächen mit der Fingerspitze fährt Einschnitte sind es im wahren Sinne des Wortes nicht, sondern man kann die Erscheinung mit Einschnitten vergleichen, wie man sie durch ein Instrument in einer ebenen Fläche machen könnte.

Bei noch stärkerer Ausbildung dieser Flächenbeschaffenheit bemerkt man noch tiefere Einschnitte bis Furchen, welche die Ebenen durchziehen, und wenn man diese genauer betrachtet, bemerkt man, dass äusserst schmale Flächen sich in Kanten berührend in beständigem Wechsel der Lage aufeinander folgen und nach Art feiner Leisten selbst auch in der Höhe etwas abweichen, so dass man mit einem gewissen Rechte die Ausdrücke gekerbte oder gefurchte Flächen vor- zog, während der Ausdruck gereifte Flächen, auf die Reifen eines Fasses hin- deutend, weniger bildlich ist.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Aus der angeführten Erscheinung, wie man sie oft an den hexaedrischen Pyritkrystallen sehen kann, ergiebt sich sofort, dass sie nicht von äusseren um gebenden Mineralen herrühren kann, weil die Hexaederrlächen nach einer bestimmten Richtung gestreift sind, und aus dem verschiedenen Grade der Er- scheinung lässt sich entnehmen, dass eine ganz besondere krystallographische Ausbildung vorliegt. Die bezüglichen Krystalle bilden Hexaeder, die Flächen aber sind nicht eben, sondern es treten andere Flächenelemente dazu, zumal bei genügender Vergrösserung auch die Krystalle, welche keine durch das Gefühl

(Min. 106 -108.)

Fig. 14.

Fig. 15.

wahrnehmbaren Einschnitte zeigen, diese mit dem oscillatorischen Wechsel schmaler Flächenelemente erkennen lassen.

Man findet aber ausser den hexaedrischen Krystallen bei demselben Minerale

auch sehr oft Krystalle, welche die Gestalt des Dyakishexaeders - haben und

woran, wie Fig. 14 zeigt, die Pentagone parallel den Hauptkanten gestreift sind und dass in gleicher Weise, wie bei den gestreiften Hexaederflächen auch Krystalle 00 O2

- gefunden werden, welche für das Gefühl bemerkbare Einschnitte bis

Furchen zeigen, dass wie bei den Hexaederflächen die Erscheinung durch oscilla- torischen Wechsel schmaler Flächenelemente hervorgerufen wird. Eine genaue Beobachtung lehrt nun, dass sowohl bei den Hexaedern, als auch bei den Dyakis- hexaedern die oscillatorisch wechselnden Flächenelemente dieselben sind, dem

00 O2

Hexaeder und dem Dyakishexaeder entsprechende.

Beide Gestalten finden sich aber nicht allein für sich an Pyritkrystallen, sondern man findet auch solche, welche die Combination des Hexaeders mit dem

Dyakishexaeder darstellen, dessen Flächen die Kanten des Hexaeders schief

abstumpfen, wie Fig. 15 zeigt, oder Pyritkrystalle, welche die Combination des 00 O2

Dyakishexaeders

mit dem Hexaeder bilden, dessen Flächen die Haupt-

kanten des ersteren gerade abstumpfen, wie Fig. 16 zeigt, überhaupt die ver- schiedensten Zwischenstufen in dieser Verbindung der beiden Gestalten. Auch bei solchen Krystallen bemerkt man oft die eine oder die andere Art der ange- führten Streifung, und man erklärt die Streifung durch einen oscillatorischen Wechsel im Auftreten der Hexaeder- und Dyakishexaederflächen. Ein Durch- schnitt senkrecht gegen die Richtung der Streifen würde bei dem Hexaeder mit gestreiften Flächen gegenüber einem ungestreiften Hexaeder (in ver- grössertem Masstabe) theoretisch anstatt einer geraden Linie eine vielfach ge- brochene Linie darstellen (Fig. 17), bei welcher die horizontalen Theile dem

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Die Krystaüe.

287

Fig. 16.

Fig. 17.

unterbrochenen Durchschnitt durch die Hexaederflächen entsprechen, während die schiefen Linien aus dem Durchschnitt durch die abwechselnd auftretenden Dyakis- hexaederflächen hervorgehen. (Min. 109—110.)

Da derartige gestreifte Flächen oft vor- kommen und mit den Krystallgestalten im Zu- sammenhang stehen, so werden sie als eine charakteristische Erscheinung angegeben und dienen bei der früher geschilderten ungleich- mässigen Ausdehnung gleicher Krystallflächen dazu, die krystallographisch gleichen Flächen als solche trotz ungleichmässiger Ausdehnung zu erkennen, weil an demselben Krystalle krystallographisch gleiche Flächen in gleicher Weise gestreift sind.

Die StTeifung tritt jedoch nicht nur in so einfacher Weise auf, wie an den beispielsweise angeführten Pyritkrystallen, welche einfach ge- streifte waren, sondern es finden sich auch zweifach-, dreifach-, vierfach u. s. w. gestreifte Flächen, indem in einer Fläche sich zwei, drei, vier oder mehr Systeme solcher Streifen zeigen können. Ist dies der Fall, dann können noch Unter- schiede in der Weise sich zeigen, dass die verschiedenen Systeme der Streifen sich durchkreuzen, die gitterförmige Streifung hervorbringen oder dass die verschiedenen Systeme der Streifen sich längs einer Linie berühren, die feder- artige Streifung erzeugen.

Nächst gestreiften Flächen beobachtet man an Krystallen

3. rauhe Flächen. Die allgemein so benannten Flächen sind in ihrer be- sonderen Ausbildungsweise noch mannigfaltiger als die gestreiften Flächen, wes- halb auch noch andere Ausdrücke im Besonderen gebraucht werden, um ver- schiedene Grade der Rauhigkeit zu bezeichnen oder das durch sie bedingte Aus- sehen mit Worten auszudrücken. Im Allgemeinen kann man sagen, dass rauhe Krystallflächen im Gegensatz zu glatten solche sind, welche in der gesammten Ausdehnung der Fläche regelmässige oder unregelmässige Erhöhungen und Ver- tiefungen zeigen, welche für das Gefühl beim Berühren mit dem Finger den Ein- druck des Rauhen erzeugen- Sind solche Erhöhungen und Vertiefungen so minim, dass man sie nicht fühlen kann, so sind die rauhen Flächen für das Auge dadurch erkenntlich, dass sie bei schräg auffallendem Lichte besehen, dasselbe unvollständig reflectiren, matt erscheinen.

Wie man bei einem Fluor enthaltendem Minerale die Anwesenheit des Fluor dadurch nachweist, dass man das Mineralpulver mit Schwefelsäure in einem Platintiegel erwärmt, welcher mit einer Glasplatte bedeckt ist, die vorher mit einer Wachsschicht überzogen und in welcher letzteren mit einem Holzstift Linien ein- gezeichnet wurden, diese vom Wachs befreiten Stellen des Glases durch das Fluor geätzt werden, dem Auge matt erscheinen, während die vom Wachs nachträglich befreite Glasplatte an den nicht geätzten Stellen wie vorher glänzt, so ist das Matt durch Vertiefungen in der Glasfläche hervorgerufen, welche nicht fühlbar sind. In diesem Sinne sind matte Krystallflächen rauhe, zeigen den mindesten Grad der Rauhheit, während stärkere Vertiefungen oder Erhöhungen Krystall- flächen auch für das Gefühl rauh erscheinen lassen, und die Rauhheit kann sich

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

steigern und verschieden ausprägen, weshalb man im Besonderen verschiedene Benennungen rauher Flächen gebraucht findet, wie drusige, warzige, ge- körnte, getäfelte, gemusterte, scharfe, geschuppte, grubige, zer- fressene u. a. m. Solche Ausdrücke sollen die Ausbildungsweise rauher Flächen beschreibend unterscheiden lassen, können daher nach Umständen ver- mehrt werden und sollen leicht verständlich sein.

Vergleicht man, von der Verschiedenheit der Erscheinungsweise rauher Flächen absehend, das Auftreten rauher Flächen mit dem gestreifter Flächen, so lässt sich nicht verkennen, dass in vielen Fällen die rauhen Flächen mit der Krystallisation Hand in Hand gehen, weshalb im Allgemeinen in diesen auch krystallographisch gleiche Flächen desselben Krystalles in gleicher Weise rauh sind. So sind z. B. an manchen Krystallen des Fluorit, welche die Combination des Hexaeders mit dem Oktaeder zeigen, die Hexaederflächen glatt und die Oktaederflächen rauh, im besonderen Falle drusige, und eine genaue Betrachtung dieser drusigen Flächen zeigt, dass die Oktaederflächen als solche durch viele kleine dreiseitig pyramidale Erhöhungen gebildet werden, welche den Ecken des Hexaeders entsprechen. Bei demselben Minerale findet man oft Hexaeder, deren Flächen als rauhe getäfelt genannt werden, indem es den Anschein hat, als seien sie mit flachen quadratischen Täfelchen bedeckt, welche in Grösse verschieden mehr oder weniger hervorragen, während die Lage der Täfelchen mit den Quadratflächen des Hexaeders übereinstimmt und die Täfelung als eine mit der Krystallisation zusammenhängende Erscheinung er- kennen lässt, auf eine Störung während der letzten Periode der Krystallbildung hinweisend.

In vielen Fällen ist aber die Rauhigkeit durch spätere Einwirkungen hervor- gerufen, insofern z. B. wie bei der Aetzung einer Glasfläche durch Fluorwasser- stoffsäure die Oberfläche eines Krystalles durch ein Auflösungsmittel angegriffen wurde und dieses mehr oder minder tiefe Vertiefungen in den Flächen erzeugte. Solche Vertiefungen zeigen meist eine bestimmte Gestaltung und wenn dadurch grubige, zerfressene, erodirte Krystallflächen als rauhe entstanden, so lassen wiederum krystallographisch gleiche Flächen sich als in gleicher Weise rauhe erkennen und das genaue Studium solcher erodirten Flächen hat sogar dazu ge- führt, Krystallflächen auf künstliche Weise durch Lösungsmittel anzugreifen, um aus der Erscheinung der erzeugten Vertiefungen, aus ihrer Form und Lage wichtige Schlüsse auf die Krystallisation ziehen zu können. Solche Aetzfiguren, wie sie bereits schon (Band I, S. 162) im Artikel Cohäsion berührt wurden, lassen zunächst krystallographisch gleiche Flächen desselben Krystalles bei un- regelmässiger Ausbildung, beziehungsweise Ausdehnung als gleiche erkennen und können in vielen Fällen nicht allein diese erkennen lassen, sondern selbst in zweifelhaften Fällen zur Bestimmung des Krystallsystems führen, wie dies ausser Beobachtungen an vereinzelten Mineralen ganz besonders die zahlreichen Unter- suchungen H. Baumhauer's dargethan haben. Eine weitere unvollkommene Aus- bildung zeigen Krystalle

4. durch die gekrümmten Flächen. Diese sind gegenüber der theoretischen Feststellung, dass die Gestalten der Krystalle geometrische Polyeder sind und als solche ebene Flächen zeigen, eine abnorme Erscheinung, welche Verhältnis* mässig selten beobachtet wird, bisweilen jedoch in so vollkommener Weise auf- tritt, dass es schwierig wird, dieselbe zu erklären. Es finden sich nämlich

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Die Krystalle.

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Krystalle, an denen anstatt ebener Flächen concav oder convex gekrümmte bemerkt werden, in Folge dessen auch die Kanten gekrümmte Kantenlinien zeigen und die Krümmung der Flächen zeigt sich verschieden, indem entweder nur ein- zelne Flächen oder alle gekrümmt sind oder gleiche Flächen auf gleiche oder auf verschiedene Weise.

So sind z. B. an den in Braunkohlenlagern vorkommenden quadratischen Krystallen der Mellit oder Honigstein genannten wasserhaltigen Verbindung der Thonerde und Mellit- oder Honigsteinsäure, welche auf 1 Molecul Al8Os 3 Molecule C4Os und 18 Molecule H20 enthält, die stumpfen quadratischen Pyramiden P, deren Endkanten winkel = 1 180 14' und deren Seitenkanten winkel 93° 6' ist, mit den Basisflächen combinirt. An dieser Combination sind bis- weilen die Basisflächen convex gekrümmt, glänzend und glatt, während die Pyramidenflächen eben sind. So sind z. B. bei dem Diamant die Krystalle meist krummflächige, besonders wenn sie eine Krystallgestalt, wie das Rhomben- dodekaeder, oder ein Triakisoktaeder oder ein Tetrakishexaeder oder ein Tetra- kontaoktaeder darstellen, während oft, wenn das Oktaeder dazu in Combination tritt, die Flächen desselben eben sind. An Gyps krystallen der Combination ooP.ooP^.p (vergl. Fig. 1, S. 157 im I. Bande), besonders an solchen, welche in der Richtung der Hauptachse vorherrschend ausgedehnt sind, erscheinen bis- weilen die Prismen- und Längsflächeti verschieden gekrümmt, die Krystalle der ganzen Länge nach hin und her gebogen, während die Pyramidenflächen eben sind. An Rauch quarz krystallen in der Combination des hexagonalen Prisma und der hexagonalen Pyramide gleicher Stellung, an denen bisweüen zwei paral- lele Prismenflächen und die zugehörigen Pyramidenflächen vorherrschend ausge- dehnt sind, erscheinen sowohl Prismen- als Pyramidenflächen windschief ge- bogen.

Häufig hängt die Krümmung der Flächen mit homologer Gruppirung zu- sammen, durch welche grössere Krystalle aus vielen kleinen zusammengesetzt erscheinen und wobei durch äussere Störungen der Parallelismus der kleinen Krystalle ein wenig gestört wurde, oder es sind nur äussere Einflüsse während des Wachsthums der Krystalle die Ursache der Krümmung. Gekrümmte Flächen können nebenbei auch noch eine andere Un Vollkommenheit zeigen, sie können rauh oder gestreift sein und bisweilen geht die Krümmung mit der Streifung Hand in Hand, insofern der die Streifung hervorrufende oscillatorische Wechsel der Elemente von zweierlei Flächen durch einseitige vorherrschende Ausbildung der Elemente einer Art von Flächen die Krümmung der Flächen bedingt.

Schliesslich sind noch

5. die unvollendeten Krystalle zu erwähnen, als welche solche Krystalle aufzufassen sind, bei welchen ein Mangel an Stoff die vollständige Ausfüllung des körperlichen Raumes hinderte, den das Individuum bei vollendeter Aus- bildung ausgefüllt haben würde. Solche lückenhaft ausgebildeten Krystalle, welche sich zum Theil den extremen Erscheinungen der gestreiften Flächen als gekerbten und der rauhen Flächen als grubigen anschliessen, zeigen durch ihre Umrisse an, welche Flächen oder Kanten und Ecken, und in welcher Grösse sie ausgebildet sein sollten, während Mangel an Stoß" die vollständige Ausbildung hinderte, auch äussere Einflüsse noch dazu beitrugen. So erscheinen z. B. Quarz- krystalle, wie bei dem sogenannten Rauchquarz, Amethyst und Bergkrystall mit zahlreichen, grösseren oder kleineren Hohlräumen erfüllt, welche bis an die

KtMMCorr, Min., Geol. u. P»L II. 19

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Mineralogie, Geologie and Palacontologie.

Oberfläche sich fortsetzend in den Flächen tiefe Gruben, unterbrochen aus- gebildete Kanten und Ecken hervorrufen. Wenn auch solche Krystalle bis- weilen als zerfressene bezeichnet werden, so sind sie es nicht, sondern es fehlte nur an Stoff, dessen Absatz an den nicht erfüllten Stellen z. Th. durch fremd- artige Substanzen verhindert wurde. Zu den unvollendeten Krystallen gehören auch die treppenförmig ausgebildeten Krystalle und Krystallgerippe, die sehr oft bei metallurgischen und halurgischen Processen entstehen.

Wenn aus dem Vorhergehenden ersichtlich ist, dass die Krystalle als natür- liche unorganische Individuen von den vollkommensten an in verschiedenem Grade unvollkommen ausgebildet erscheinen, so ist doch noch immer möglich, die Krystallgestalt krystallographisch zu bestimmen. Sie können aber auch noch unvollkommener ausgebildet sein, so dass sie nur noch erkennen lassen, dass sie unorganische Individuen sind, insofern die mathematische Gestaltung so un- kenntlich wird, dass nur noch vereinzelte Begrenzungselemente sichtbar werden oder solche gar nicht vorhanden sind. Derartige unorganische Individuen hat man gegenüber denen, welche die Gestalt bestimmen lassen, mit dem Ausdruck Krystalloide bezeichnet, um anzudeuten, dass sie wie die Krystalle unorganische Individuen sind, welche durch die Krystallisation der Materie entstehen, nur fehlt ihnen die krystallographische äussere Begrenzung. Sie sind den Krystallen ähnlich durch die natürliche Individualisirung der unorganischen Materie, ent- behren aber der bestimmbaren äusseren Form und haben als unvollkommene Krystalle mit den bestimmbaren derselben Art die Spaltbarkeit gemein, zum Beweise, dass sie krystallinische Individuen sind.

Bei dem Mangel bestimmbarer Begrenzungselemente, auch selbst wenn solche noch vereinzelt vorkommen, pflegt man die Krystalloide nach den an ihnen hervortretenden Dimensionsverhältnissen bei der Beschreibung der Mineral- vorkommnisse zu unterscheiden und zwar als isometrische, lamellare und lineare, ohne dass diese Dimensionsunterschiede noth wendig mit den Krystall- systemen zusammenhängen.

i. Isometrische Krystalloide sind solche unvollkommen ausgebildete Krystallindividuen, welche nach den drei Dimensionen, welche bei Körpern be- rücksichtigt werden, annähernd gleiche Ausdehnung zeigen. Im Deutschen benennt man gewöhnlich derartige Krystalloide Krystallkörner und da die absolute Grösse derselben sehr verschieden sein kann, worauf der Ausdruck isometrische Krystalloide nicht Rücksicht nimmt, so fand man es zweckmässig, die Körner nach ihrer absoluten Grösse als grosse, grobe, kleine und feine zu unterscheiden. Bei dieser Unterscheidung handelte es sich aber darum, ge- wisse Maassverhältnisse festzustellen und da man doch nicht gut ein wirkliches lineares Maass für die lineare Ausdehnung der Dimensionen festsetzen konnte, so wurden die Grössenverhältnisse ungefähr durch Vergleichung festgestellt. So konnte man feine Körner solche nennen, welche kleiner als Hirsekörner sind, kleine nannte man sie, wenn sie bis zur Grösse der Hanfkörner ansteigen, grobe solche, welche von der Grösse der Hantkörner bis zur Grösse der Erbsen reichen und grosse solche, welche darüber hinausgehen. Da jedoch selbstver- ständlich der gebräuchlich gewordene Ausdruck Krystallkörner bei bis zu ge- wissen Graden ansteigender Grösse dem Begriffe von Körnern nicht mehr ent- spricht, so wurde für solche isometrische Krystalloide der Ausdruck indi- vidualisirte Massen eingeführt. Man ersieht nur hieraus, dass es unter Umständen, wie dies in anderer Beziehung bei der unvollkommenen Aus-

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Die Krystalle.

bildung der Flächen, den gestreiften und rauhen der Fall ist, nicht immer möglich ist, einen gemeinsamen Namen zu geben, wenn derselbe im ge- wöhnlichen Sinne des Wortes auf gewisse Grenzen beschränkt ist. Mit dem Ausdruck isometrische Krystalloide wird der Unterschied der wirklichen Grösse nicht berührt, während bei der Bezeichnung solcher mit dem Aus- drucke Krystallkörner auch die Möglichkeit gegeben ist, das annähernd gleiche Maass nach den drei Dimensionen nicht so genau zu nehmen, da man ja auch von Getreidekörnern spricht. Isometrische Krystalloide sind in der Regel an ihrer ganzen Oberfläche uneben, immerhin können noch einzelne ebene Flächen- theile als Erinnerung an die vollkommene Krystallbildung bemerkt werden, wie man dies z. B. bei dem Zusammenvorkommen von Granat- oder Augitindividuen sieht, wenn einzelne noch die Form annähernd bestimmen lassen, andere keine Theile von Krystallflächen zeigen.

2. Lamellare Krystalloide sind sehr unvollkommen ausgebildete tafelige Krystalle, von deren Flächen gewöhnlich nur die beiden die Tafelform bedingen- den Krystallflächen sichtbar sind, während die Randflächen nicht oder nur theil- weise zur Ausbildung gelangten. Sie sind als individuelle Gebilde demnach wesentlich nach zwei Dimensionen vorherrschend ausgebildet, während die dritte Dimension gegenüber den zwei vorherrschenden bedeutend zurücksteht. Die wirkliche Grösse solcher lamellaren Krystalloide ist sehr verschieden, sowie das Verhältniss der Dicke zu der Breite und Länge. Im Deutschen unterscheidet man daher zunächst Krystallblätter und Krystallschuppen, hat auch noch die Verkleinerungswörter Blättchen und Schüppchen eingeführt, während für grosse die Bezeichnung Kry stall tafeln dient. Bei der Schwierigkeit, über- einstimmende Maassverhältnisse festzustellen, überlässt man wohl in der Regel dem natürlichen Gefühl die Wahl des Ausdruckes, zumal bei solchen Vor- kommnissen selbst nebeneinander vorkommende lamellare Krystalloide bei dem- selben Minerale oft sehr wechseln. Die Ausdehnung nach den beiden vor- herrschenden Dimensionen wechselt mehr oder weniger und es können Krystall- blätter nach einer derselben ziemlich gestreckt erscheinen, sowie auch bisweilen gekrümmte oder gebogene Blätter vorkommen.

3. Lineare Krystalloide sind solche sehr unvollkommen ausgebildete Krystalle, welche vorherrschend nach einer Richtung ausgedehnt sind, während die anderen beiden Dimensionen bedeutend gegen die Länge zurücktreten. Bei der verschiedenen Grösse wurden daher auch verschiedene Ausdrücke eingeführt, wonach in absteigender Grösse solche Individuen als Krystallstengel, Spiesse, Nadeln, Haare, Fasern bezeichnet werden und wobei der gewählte Aus- druck auf die Grösse hindeutet. Lineare Krystalloide können auch gebogen, gekrümmt oder geknickt erscheinen.

Bei der grossen Mannigfaltigkeit derartiger unvollkommener individueller Gebilde finden auch Uebergänge statt, doch richtet man sich in der Regel nach dem Haupteindruck, welchen dieselben gewähren, da es nicht möglich ist, für alle besonderen Fälle eigene Bezeichnungen, bestimmte Ausdrücke zu gebrauchen, weshalb im Allgemeinen die Unterscheidung isometrischer, lamellarer und linearer Krystalloide genügt.

Krystalloide rinden sich wie Krystalle einzeln oder verwachsen und bilden, wenn sie in grosser Zahl mit einander verwachsen sind, derbe Massen mit krystallinischkörniger, blättriger, schuppiger, stengliger, fasriger u. s. w. Ab- sonderung, wobei sich die einzelnen Individuen, die Absonderungsstücke

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

mehr oder minder leicht oder schwierig von einander trennen lassen. Bei grosser Kleinheit derselben gehen solche krystallinische Massen in dichte über, erscheinen unkrystallinisch , wobei dann mikroskopische Untersuchungen dazu dienen müssen, krystallinische Ausbildung von unkrystallinischer zu unter- scheiden.

Ausser der krystallinischen Absonderung bei derben Massen findet sich bis- weilen an einzelnen Krystallen eine eigenthümliche Erscheinung der Art, welche als schalige oder blättrige Absonderung bezeichnet gestattet, dass man nach einzelnen oder nach mehreren, selbst, aber selten nach allen äusseren Flächen eines Krystalles mit einem Messer oder vermittelst eines leichten Schlages mit einem Hammer von dem Krystalle mehr oder minder dünne Lamellen abtrennen kann. Sie lassen sich in gewissem Sinne mit Spaltungsflächen vergleichen, insofern sie wie diese ihrer Lage nach Krystallflächen entsprechen und in gleicher Weise weiter verfolgt werden können, so dass nach derselben Richtung mehrere bis zahlreiche Absonderungslamellen abzutrennen möglich ist, jedoch mit dem Unter- schiede gegenüber den Spaltungsflächen, dass an Krystallen mit schaliger oder blättriger Absonderung die abtrennbaren Lamellen als solche vorhanden sind und die Krystalle aus ihnen zusammengesetzt erscheinen. Diese Absonderung ist eine Folge des unterbrochenen Wachsthumes gewisser Krystalle, kann aber auch durch eine chemische Veränderung hervorgerufen worden sein, und es lassen sich die Absonderungslamellen nicht in beliebiger Weise herstellen, weil sie in den bezüglichen Krystallen als solche vorhanden sind. Ihre Erscheinung ist, wie z. B. an Krystallen von Vesuvian, Wolframit, Quarz, Turmalin, Granat, Smaltit u. a. m. in jedem Falle interessant, dient aber nicht zur wirklichen Be- stimmung der Krystallgestalten, weshalb auch diese Absonderungsflächen nicht zu den inneren Krystallgestalten gerechnet werden.

Krystallgestalten, Krystallographie

von

Prof. Dr. Kenngott

Wie Theorie und Praxis, wie Ideale und die Wirklichkeit sich gegenüber- stehen, so verhalten sich die Krystallgestalten, wie sie die theoretische oder reine Krystallographie lehrt gegenüber den Krystallgestalten, wie sie an den Krystallen gesehen werden, gleichviel ob an denen des Mineralreiches oder an nicht mineralischen, weshalb auch die Krystallographie in diesem Sinne nicht als ein besonderer Theil der Mineralogie zu betrachten ist, sondern als eine mathematische Disciplin selbständig dasteht, aus welcher nach Bedürfniss das entlehnt wird, was flir den jedesmaligen vorgesteckten Zweck noth wendig ist Es kann daher hier nicht die Absicht vorliegen, die Krystallgestalten oder die Krystallographie in der Ausführlichkeit zu behandeln, wie dies in selbständigen Lehrbüchern der Krystallographie der Fall ist, wie solche im allgemeinen Literaturverzeichniss am Schluss des Werkes neben anderen mineralogischen Schriften angegeben werden sollen. Es handelt sich hier wesentlich darum, eine Uebersicht der wichtigsten Krystallgestalten zu geben, sie nicht nach allen Richtungen umfassend darzustellen, weshalb auch nicht die verschiedenen krystallographischen Methoden zu behandeln sind, welche von der ersten Ent- wickelung der Disciplin an bis zur gegenwärtigen Zeit zur Geltung kamen, des-

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Krystallgestalten, Krystallographie.

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gleichen auch nicht die überaus reichhaltig gewordene Synonymik und Symbolik der Krystallgestalten und die Berechnungsmethoden in ihrer Vielseitigkeit anzu- geben sind. Dies ist nur Sache des specielleren Studium der Krystallographie.

Bei der Beschreibung der Krystallgestalten muss man zunächst von allen Unvollkommenheiten der individuellen Ausbildung absehen, wie solche im voran- gehenden Artikel in gedrängter Kürze beschrieben wurden und sich die Gestalten in ihrer grössten Vollkommenheit vorstellen, wie sie sich durch das Studium der Krystalle als abstracte Gestalten, als geometrische Polyeder ergeben haben. In diesem Sinne zeigen sie als Begrenzungselemente die Flächen, Kanten und Ecken, und die Flächen sind Ebenen. Flächen, Kanten und Ecken stehen der Zahl nach in einem bestimmten Verhältnisse, welches nach Euler durch die Gleichung E~h E JC+ 2 ausgedrückt werden kann, wenn F die Anzahl der Flächen, E die Anzahl der Ecken und K die Anzahl der Kanten bezeichnet. So sind z. B. bei dem vielbekannten Würfel, dem Hexaeder des tesseralen Systems 6 Flächen, 8 Ecken und 12 Kanten zu sehen und 6+8=12 + 2.

Die Flächen werden wie m der Planimetrie bei der Beschreibung als Drei- seite (Trigone oder Triangel), im Besonderen als gleichseitige, gleichschenklige und ungleichseitige, als Vierseite (Tetragone), im Besonderen als Quadrate, Rhomben, Oblonge, Rhomboide, Trapeze, unter denen gewisse eigentümlich aus- gebildet sind, wie bei den bezüglichen Gestalten angegeben werden wird, als Fünfseite (Pentagone), Sechsseite (Hexagone), Achtseite (Oktogone) und Zwölf- seite (Dodekagone) unterschieden, spwie auch bei den Vielseiten (Polygonen) im Allgemeinen regelmässige, symmetrische und unregelmässige vorkommen. In be- sonderen Fällen sind auch für das Bedürfniss der Krystallographie andere als die gewöhnlich üblichen Ausdrücke für die Beschreibung gewählt worden.

Bei den Kanten, welche durch zwei sich schneidende (berührende) Krystallflächen gebildet werden, ist die Länge der Kantenlinien und die Grösse der Kantcnwinkel zu berücksichtigen, und es werden bei der Ver- gleichung der Kanten dieselben als gleichlange benannt, wenn die Kanten- linien gleichlange sind, als gleichwinklige, wenn die Neigungswinkel der die Kanten bildenden Flächen zu einander gleich gross sind und gleiche genannt, wenn sie gleichlange und gleichwinklige sind. So sind z. B. bei dem Würfel, dessen 6 Flächen Quadrate sind, die zwölf Kanten gleichlange und gleichwinklige, also gleiche.

Ausserdem werden die Kanten als regelmässige, symmetrische und unregelmässige unterschieden. Wenn nämlich die beiden eine Kante bilden- den Flächen gleiche sind, so kann man sie sich unter verschiedenen Neigungs- winkeln gegeneinander geneigt denken, und wenn man sich den Neigungswinkel = denkt, sie aufeinander, in einer Ebene zusammenfallend gedacht werden, so werden sie entweder congruent sein oder nicht. Congruiren die Flächen so bei gedachter Lage, so sind die Kanten entweder regelmässige oder sym- metrische; congruiren sie bei nicht, so sind sie unregelmässige. Unregel- mässig sind'daher auch alle Kanten, welche durch zwei verschiedene Flächen gebildet werden. Ob sie bei Congruenz regelmässige oder symmetrische genannt werden, hängt davon ab, dass man sich im Halbirungspunkte der Kantenlinie eine Senkrechte auf diese in der Fläche gezogen denkt und wenn durch diese die Flächen in zwei congruente, rechts und links in gleicherweise an der Senkrechten anliegende Hälften getheilt werden, so heissen die Kanten regelmässige. So sind z. B. am Würfel die Kanten regelmässige, oder es sind Kanten, welche durch zwei gleichseitige

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Dreiseite gebildet werden, regelmässige. So können auch Kanten, welche durch zwei gleiche gleichschenklige Dreiseite gebildet werden, regelmässig sein, wenn die dritten ungleichen Seiten derselben die Kantenlinie bilden. Werden aber die gleichen Flächen durch die im Halbirungspunkte gezogene Senkrechte nicht so in zwei congruente Hälften getheilt, so heisst die Kante eine symmetrische.

Die Ecken, welche durch drei oder mehr in einem Punkte, dem Scheitel- punkte der Ecke, sich schneidende Flächen gebildet werden, unterscheidet man zunächst nach der Zahl der zugehörigen Kanten oder Flächen als drei-, vier- u. s. w. kantige oder flächige Ecken, ausserdem aber noch als regelmässige, sym- metrische oder unregelmässige. Regelmässige Ecken werden alle Ecken genannt, welche durch gleiche Kanten und Flächen gebildet werden. Symmetrische heissen sie bei gerader Anzahl der Kanten und gleicher Flächen, wenn die Kanten abwechselnd gleiche sind oder bei gerader Anzahl gleicher Kanten und ungleicher Flächen, wenn die Flächen abwechselnd gleiche sind._ Alle anderen Ecken werden unregelmässige genannt.

Vergleicht man die in der angegebenen Weise zu bestimmenden gleich- namigen Begrenzungselemente, so rindet man solche, welche in allen Stücken übereinstimmen, und diese heissen gleich werth ige, die von einander ver- schiedenen sind ungleichwerthige.

Jede Krystallgestalt hat einen Mittelpunkt, von welchem die untereinander gleichwerthigen Begrenzungselemente gleich weit entfernt sind. Alle geraden Linien, welche man sich durch diesen Mittelpunkt gezogen denkt, werden, wenn sie zwei gleichwerthige Begrenzungselemente verbinden, durch den Mittelpunkt halbirt, und einige dieser Linien werden Achsen genannt.

So bilden z. B. am Würfel die durch die Mittelpunkte je zweier paralleler Flächen gezogenen geraden Linien, welche durch den Mittelpunkt halbirt werden, Achsen des Würfels. In gleichem Sinne kann man auch die durch die Scheitelpunkte je zweier gegenüberliegenden Ecken gezogenen geraden Linien, welche gleichfalls durch den Mittelpunkt halbirt werden, Achsen nennen. Auch kann man die Halbirungspunkte je zweier gegenüberliegender Kantenlinien durch durch den Mittelpunkt gezogene gerade Linien verbinden und diese Achsen nennen.

Bei der Möglichkeit, so verschiedene solcher Linien Achsen nennen zu können, ist es nothwendig geworden, die Achsen von einander zu unterscheiden. So nennt man z. B. im Würfel die dreierlei möglichen Achsen verschieden, wie später bei der Betrachtung der Krystallgestalten angegeben wird.

So wie die durch den Mittelpunkt gezogenen Linien unendlich zahlreiche sind und nur einzelne besonders benannt und bei der Beschreibung berück- sichtigt werden, so können auch durch den Mittelpunkt unendlich viele Ebenen gelegt gedacht werden, welche Schnitte heissen, und unter ihnen werden dann, wie die Beschreibung der Krystallgestalten zeigen wird, einzelne besonders her- vorgehoben und eigens benannt.

Die P'lächen haben gegen die Achsen eine bestimmte Lage, nach welcher sie geometrisch bestimmt werden können und zeigen ausserdem oft eine eigen- thümliche Vertheilung, nach welcher man von Flächenpaaren und Flächen- gruppen spricht. Alle Flächen endlich, welche einer durch den Mittelpunkt gezogenen geraden Linie parallel gehen, heissen in einer Zone liegende (t autozonale) Flächen. Die derselben Linie parallelen Kanten, welche durch die tautozonalen Flächen gebildet werden, heissen in einer Zone liegende (tautozonale) Kanten.

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Krystallgestalten, Krystallographie.

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Wenn man durch die im Vorangehenden angegebenen Ausdrücke die Be- grenzungselemente einer jeden Krystallgestalt beschreiben kann, so wird man finden, dass die Flächen, welche einen vollständigen Krystall als unorganisches Individuum räumlich begrenzen, in der Voraussetzung, dass derselbe in jeder Beziehung vollkommen ist oder vollkommen gedacht wird, entweder gleiche Flächen sind oder zweierlei, dreierlei oder mehrerlei Flächen einen Krystall umgrenzen. Eine von gleichen Flächen gebildete Gestalt heisst eine einfache Krystallgestalt, eine durch zweierlei, dreierlei u. s. w. Flächen gebildete Gestalt heisst eine zusammengesetzte oder combinirte Gestalt, bildet eine Combination. Gleiche Krystallflächen sind solche, welche ihrer geometrischen Beschaffenheit nach keinen Unterschied zeigen.

Nicht jede einfache, d. h. durch gleiche Flächen gebildete Gestalt kann durch ihre Flächen einen Krystall als ein räumlich abgeschlossenes Ganzes, als ein unorganisches Individuum vollständig begrenzen, weshalb man die einfachen Gestalten als geschlossene oder endliche und als offene oder unendliche Gestalten unterscheidet. Zu den Flächen einer offenen Gestalt müssen die Flächen einer zweiten oder dritten Gestalt hinzutreten, um das Individuum voll- ständig zu begrenzen.

Um den geometrischen Zusammenhang der Gestalten richtig aufzufassen, sie selbst bei ihrer Mannigfaltigkeit leichter tibersehen zu können, hat man sie in gewisse Gruppen vereinigt, welche Krystallsysteme (kürzer als der richtigere Ausdruck Krystallgestaltensysteme) genannt werden, und diese Gruppirung wird durch die für die geometrische Bestimmung nothwendigen Achsen bedingt. Man stellt gewöhnlich sechs Krystallsysteme auf, welche aus den bis jetzt be- kannten Krystallgestalten hergeleitet worden sind.

Jede einfache Krystallgestalt erhält einen eigenen Namen, doch sind die den einfachen Gestalten gegebenen Namen nicht Ubereinstimmend dieselben, sondern es giebt sogar zahlreiche Synonyme, bei einzelnen Gestalten wenige, bei anderen mehr. Die Synonyme sind an sich für das Studium der Krystalle beschwerlich, doch nicht in dem Maasse, als man auf den ersten Blick glauben möchte, weil die meisten Namen auf geometrische Verhältnisse der Gestalten gegründet sind. Namen einfacher Gestalten, welche von Mineralnamen entlehnt wurden, sind weniger verständlich und werden deshalb mehr und mehr ver- mieden, weil man sich überzeugt hat, dass ein so oder so benanntes Mineral nicht immer Krystalle derselben Gestaltung bildet.

Weil jede einfache Gestalt als Ganzes einen Namen erhält, so heissen auch ihre einzelnen Flächen gleichnamige Flächen oder es sind gleichnamige Flächen die einzelnen Flächen einer einfachen Gestalt. Wird somit eine be- stimmte einfache Gestalt das Oktaeder genannt, so sind ihre einzelnen Flächen gleichnamige, sind Oktaederflächen. Die verschiedenen Flächen einer Combi- nation sind in diesem Sinne ungleichnamige. Ausser dem Namen erhält auch jede einfache Gestalt ein eigenes krystallographisches Zeichen, Symbol um bei Beschreibungen sich kürzer oder Ubersichtlicher ausdrücken zu können und das Symbol oder Zeichen der Gestalt kann auch auf die einzelnen Flächen angewendet werden, insofern das Symbol ein kürzerer Ausdruck an Stelle des Namens ist und die Flächen gleichnamige sind. Unter gewissen Umständen ist es auch zweckmässig, die einzelnen Flächen einer einfachen Gestalt symbolisch zu unterscheiden, dann kann aber nicht das Symbol irgend einer einzelnen Fläche gleichzeitig das Symbol der ganzen Gestalt sein.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Anfänglich bezeichnete man ohne Rücksicht auf den Namen der Gestalten oder die geometrische Lage der Flächen die Flächen mit beliebigen Buchstaben des Alphabetes, lateinischen, grossen und kleinen, auch griechischen und zwar alle Flächen derselben einfachen Gestalt mit denselben Buchstaben, was be- sonders bei den Abbildungen der Krystalle vortheilhaft war, weil diese Symbole kurz waren und die gleichen Flächen in den Abbildungen, wo die Gleichheit nicht immer deutlich hervortritt, als solche erkennen liessen. Dieses Verfahren wird auch jetzt noch beibehalten und hat im Hinblick auf die Abweichungen in der Symbolik grosse Vortheile, zumal wenn dieselben Buchstaben beibehalten werden. Da aber doch diese willkürlich gewählten Buchstaben einen zu gelingen Zusammenhang mit dem Namen oder mit der geometrischen Lage der Krystall- flächen haben, so erfand man andere krystallographische Zeichen, welche jedoch bei den abweichenden Ansichten und Methoden der Krystallographen zu ver- schiedenen Symbolen für dieselben Gestalten und Flächen führten, Hand in Hand mit den Synonymen^ Alle derartigen Verhältnisse können hier nur kurz ange- deutet werden, werden aber später bei der Beschreibung der Krystallsysteme und der zugehörigen Gestalten deutlicher werden, ohne dass die Absicht vorliegen kann, die verschiedenen Namen und Zeichen, welche bis jetzt ausgedacht wurden, in ihrem ganzen Umfange anzugeben.

In allen Systemen der Krystallgestalten endlich zeigt sich bei der Ver- gleichung der einfachen Gestalten ein eigentümliches Verhältniss darin, dass gewisse einfache Gestalten eines Krystallsystems durch die halbe Anzahl der Flächen anderer einfacher Gestalten gebildet werden. Man nennt dann jene die halbzähligen oder die Hälftengestalten oder die Hernieder dieser und diese die vollzähligen oder Vollgestalten oder Holoeder jener. Somit werden in den einzelnen Krystallsystemen zuerst die Holoeder beschrieben, denen dann die Hernieder folgen und wenn der Fall eintritt, dass aus Hemiedem noch- mals Hernieder gebildet werden können, so heissen diese die Viertelgestalten oder Tetartoeder der Holoeder. Holoeder finden sich an den Krystallen am häufigsten, Hernieder weniger, zumal nicht alle Holoeder Hernieder ergeben und Tetartoeder sind am seltensten.

Nachdem in den einzelnen Krystallsystemen so die einfachen Gestalten in einer gewissen Reihenfolge beschrieben worden sind, werden noch die Combi nationen zu besprechen sein, bei denen in der Regel eine einlache Gestalt als vorherrschende Gestalt hervortritt, deren Begrenzungselemente durch die mit ihr in Combination auftretenden Gestalten gewisse Verändeningen erleiden. Die für solche Veränderungen gebräuchlichen Ausdrücke werden später bei den Com- binationen selbst erörtert werden. Im Allgemeinen beruhen sie darauf, dass Kanten oder Ecken der vorherrschenden Gestalt durch Flächen der mit ihr com- binirten, an ihr untergeordneten Gestalt ersetzt werden. Tritt so bei Combi- nationen eine Fläche an Stelle einer Kante oder Ecke auf, so nennt man dies eine Abstumpfung der Kante oder Ecke oder sagt> dass die Fläche die Kante oder Ecke abstumpft. Treten an Stelle einer Kante oder Ecke zwei gleiche Flächen einer untergeordneten Gestalt auf, so bilden diese beiden Flächen eine Zuschärfung der Kante oder Ecke, oder man sagt, die Kanten oder Ecken werden zugeschärft. Treten endlich an Stelle einer Ecke drei oder mehr gleiche Flächen einer untergeordneten Gestalt auf, so bilden diese eine Zuspitzung der Ecke oder die Ecke wird zugespitzt, dreiflächig, vierflächig u. s. f., je nach der Zahl der die Zuspitzung bildenden Flächen. Besondere bei diesen Ver-

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Krystallgestalten, Krystallographie.

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änderungen eintretende Verhältnisse, welche die Art und Weise der Abstumpfung, Zuschärfung oder Zuspitzung näher bestimmen, sollen später angegeben werden.

Durch die Combination einer einfachen Gestalt mit einer anderen einfachen entstehen neue Kanten und Ecken, welche Combinationskanten und Com- binationsecken genannt werden und durch neu hinzutretende einfache Ge- stalten werden Veränderungen dieser eintreten können, welche auch durch obige Ausdrücke benannt werden.

Schliesslich ist noch die bestimmte Stellung der Krystallgestalten zu erwähnen, welche zur richtigen und übereinstimmenden Beurtheilung nothwendig geworden ist und von der Stellung der ftir die Gestalten ausgewählten Achsen abhängt Eine dieser Achsen wird senkrecht gestellt und wenn verschiedene Achsen vorhanden sind, so wird die senkrecht gestellte die Hauptachse ge- nannt Dies ist in fünf Systemen der Fall, gegenüber welcher dann die Neben- achsen unterschieden werden. Das Weitere enthält die nachfolgende Darstellung der sechs Krystallsysteme mit ihren zugehörigen Gestalten. Die Reihenfolge der zu schildernden Systeme ist willkürlich, da man aber fünf dreiachsige und ein vierachsiges unterscheidet, erscheint es zweckmässig, die ersteren voran zu stellen und sie nach der abnehmenden Symmetrie zu ordnen.

I. Das tesserale Krystallsystem. Der von Naumann gegebene Name des Systems wurde von dem lateinischen »tesstra* Würfel gebildet, weil der Würfel eine sehr charakteristische Gestalt des Systems ist, weshalb auch darauf bezüglich die Namen Tesselarsystem, tessularisches oder cubisches System gegeben wurden. Dasselbe umfasst alle Krystallgestalten, welche drei gleichlange, sich unter rechten Winkeln halbirende Achsen enthalten. Wegen dieser drei gleichlangen Achsen nannte Weiss das System das gleichachsige, Hausmann das isometrische, während es auch oktaedrisches, reguläres, gleichgliedriges, sphäroedrisches und vielachsiges genannt wurde. In gleicher Weise wurden auch andere Systeme mit verschiedenen Namen belegt, welche sich meist auf bestimmte Verhältnisse der Systeme beziehen. Bei der Betrachtung und Beschreibung der Gestalten stellt man eine der drei Achsen senkrecht, wodurch die beiden anderen horizon- tal liegen, und ausserdem stellt man die Krystalle so vor den Beobachter hin, dass eine der beiden horizontalen Achsen quer vor ihm zu liegen kommt, wo- durch dann die andere horizontale gerade auf ihn zugerichtet ist. Weil die drei Achsen gleiche sind, ist es gleichgiltig, welche der drei Achsen senkrecht gestellt wird, es kann keine, wie in anderen Systemen dies nothwendig wurde, als Hauptachse unterschieden werden. Legt man durch je 2 Achsen eine Ebene, so entstehen drei untereinander gleiche Hauptschnitte, und der Krystallraum wird in acht Theile getheilt, welche Oktanten heissen. Bezeichnet man die Länge einer jeden Achse oder einer halben Achse, was auf dasselbe hinaus- kommt, mit a, so ist das Verhältniss a:a:a das Achsenverhältniss des Systems, wofür man auch 1:1:1 schreiben kann.

A. Holoedrische einfache Gestalten. 1. Das Oktaeder. O.

Das Oktaeder (Fig. 1 a) ist von acht gleichen gleichseitigen Drei- seiten umschlossen, welche zwölf gleiche regelmässige Kanten und sechs gleiche regelmässige vierkantige Ecken bilden,

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Der Kantenwinkel ist = io9°28'i6" und die Scheitelpunkte der Ecken sind die Endpunkte der Achsen (Fig. i, b). Das krystallographische Zeichen des Oktaeders ist der Buchstabe O.

Die Kantenlinien sind die Verbindungslinien von je 2 Achsenendpunkten, die Hauptschnitte sind Quadrate und in jedem Oktanten liegt eine Oktaeder- fläche, denselben begrenzend und durch die Endpunkte der 3 zu dem Oktanten

gehörigen Halbachsen gelegt, weshalb jede Oktaederfläche das Achsenverhältniss (Min. 111-1130

a:a:a oder 1:1:1 hat. Man nennt auch dieses Verhältniss das Parameter- verhältniss der Flächen, weil die Entfernungen der Durchschnittspunkte von Ebenen mit den Achsen in der Mathematik Parameter genannt werden. So wie die einzelnen Flächen der Oktaeder genannten Gestalt gleichnamige, d. h. Oktaederflächen sind, so sind, wenn man die Gestalt mit dem Buchstaben O be- zeichnet, die einzelnen Flächen als O flächen zu bezeichnen und O ist gleichzeitig der Repräsentant des allgemeinen, allen O flächen zukommenden Parameterver- hältnisses a : a : a oder 1:1:1.

Will man dagegen jede einzelne Oktaederfläche besonders unterscheiden, so geht man dabei von der entgegengesetzten Lage der Halbachsen aus. Man be- zeichnet die eine Hälfte einer jeden Achse als positive Halbachse, die andere als negative Halbachse (Fig. 1 c), wodurch von den 8 Oktanten einer drei positive Halbachsen hat, der positive genannt wird, der entgegengesetzte drei negative Halbachsen hat, der negative genannt wird. Die anderen 6 Oktanten sind gemischte. Bei dieser Auffasung kann man die Parameter einer jeden Fläche als Zeichen der einzelnen Flächen benutzen und die 4 in der Fig. ic vorn liegenden Flächen so bezeichnen, wie angegeben ist, wenn man die Reihen- folge so wählt, dass man den Parameter der vertikal gestellten Achse voranstellt, als zweiten den der quer vor dem Beobachter liegenden folgen lässt, die auf den Beobachter zulaufende als dritte auffasst. In diesem Sinne sind die Parameter die Zeichen der einzelnen Flächen, wobei der über die 1 gezogene Strich die nega- tive Halbachse anzeigt. So sind die Zeichen der 4 vorderen Flächen in, 111, tti, Tu; die 4 hinteren, den vorderen entgegengesetzt liegenden Flächen haben dann die Zeichen tit, ttt, iit und itt. Häufig fasst man die Reihenfolge der Achsen umgekehrt auf, indem man die Parameter der dem Beobachter zuge- wendeten horizontalen Achse zuerst schreibt, den der querliegenden horizontalen Achse folgen lässt und den Parameter der vertikal (senkrecht) gestellten Achse zuletzt schreibt.

In den Abbildungen der Krystallgestalten können selbstverständlich die wirk- lichen Längen der Achsen oder der Parameter nicht gleich erscheinen, weil man

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Krystallßestalten, Krystallographie.

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bei den Abbildungen, um ein anschaulicheres Bild der Gestalt zu erhalten, sich die Gestalt anders gestellt denkt, wie in dem Artikel »Zeichnen der Krystallge- stalten« erörtert werden wird.

Der ausschliessliche Name »das Oktaeder« wurde von Naumann, Mohs, Haid inger u. a. vorgezogen, weil diese Gestalt in ihrer Art einzig dasteht, während andere achtflächige von Dreiseiten begrenzte Gestalten, welche in der Mathematik auch Oktaeder heissen, in der Krystallographie andere Namen er- hielten. Wollte man dies nicht thun, dann müsste das Oktaeder, welches auch Achtflach oder Achtflächner genannt wurde, von anderen Oktaedern unter- schieden werden, wie es die Namen reguläres oder regelmässiges Oktaeder zeigen.

Schliesslich ist noch beizufügen, dass man ausser den drei Linien, welche ausschliesslich die Achsen der tesscralen Krystalle genannt werden, noch andere bemerkenswerthe Linien, wie bereits oben bei dem Würfel (pag. 294) angeführt wurde, durch den Mittelpunkt des Oktaeders und anderer tesseralen Krystall- gestalten ziehen kann. So erhält man durch Verbindung der Mittelpunkte je zweier parallelen Flächen des Oktaeders 4 gleichlange Linien, welche trigonale Zwischenachsen genannt wurden. Sie werden durch den Mittelpunkt halbirt und wenn man ihre Hälften mit / bezeichnend, ihre Länge mit der der als Ein- heit aufgefassten Länge der Halbachsen vergleicht, so ist / = -~ . Ausser diesen

trigonalen Zwischenachsen kann man noch eine zweite Art von Zwischenachsen angeben, die Verbindungslinien der Halbirungspunkte je zweier gegenüber- liegenden Kantenlinien, welche gleichfalls durch den Mittelpunkt halbirt werden. Sie werden rhombische Zwischenachsen genannt und die Länge der Hälften mit r bezeichnet ergiebt im Vergleich mit der als Einheit aufgefassten Länge der

Halbachsen r -4= .

Solche Zwischenachsen erlangen in anderen Gestalten eine gewisse Be- deutung und lassen sich für die Vergleichung der Gestalten verwerthen, auch bei dem Zeichnen der Krystallgestalten zweckmässig verwenden.

2. Das Hexaeder. o©Ooo.

Die hier ausschliesslich »das Hexaeder« genannte Gestalt ist der sogenannte Würfel, nur wurde der Name Hexaeder (Sechsflächner) vorgezogen, weil bei den Namen der Krystallgestalten des tesseralen Systems in erster Linie die An- zahl der Flächen berücksichtigt wurde. Das Hexaeder (Fig. 2) ist von sechs gleichen Quadraten umschlossen und hat zwölf gleiche regelmässige rechtwinklige Kanten und acht gleiche regelmässige dreikantige Ecken. Die Endpunkte der Achsen liegen in den Mittelpunkten der Flächen. Da nun jede einzelne Hexaederfläche durch den Endpunkt einer Achse oder Halbachse gelegt ist, den anderen beiden Achsen parallel geht, sie nicht schneidet, so ist das Parameterverhältniss jeder einzelnen Fläche 1:00:00 oder a .ooa: 00 a. Auf diese Weise unterscheidet sich das die Lage der Hexaederflächen allgemein ausdrückende Parameterverhältniss a:<x>a:<x> a von dem die Lage der Oktaeder- flächen allgemein ausdrückendem Parameterverhältniss a.a.a dadurch, dass bei 2 Halbachsen das Zeichen 00 steht und desshalb wird nach Naumann's Vor- gange das Hexaeder als 00O00 bezeichnet, wobei die beiden Zeichen 00 auf den Unterschied der Lage hindeuten. Der Symmetrie wegen wurde das eine 00 vor, das andere hinter das O gestellt.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Die Verbindungslinien der Scheitelpunkte je zweier gegenüberliegenden Ecken, welche durch den Mittelpunkt halbirt werden und dieselbe Lage wie dk trigonalen Zwischenachsen im Oktaeder haben, sind die trigonalen Zwischen- achsen des Hexaeders und die Länge verglichen mit der als Einheit aufgefassten Länge der Achsen wird, wenn mit / die Hälfte bezeichnet und mit i die halbe Achse ausgedrückt wird, durch / = Y3 bestimmt. Die rhombischen Zwischen-

(Mln. 114-118.)

Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4-

achsen sind die Verbindungslinien der Halbirungspunkte von je zwei gegenüber liegenden Kantenlinien und es ist r = -/2 . 3. Das Rhombendodekaeder. 00O.

Dasselbe (Fig. 3) ist von zwölf gleichen und ähnlichen Rhomben (daher der Name) umschlossen, hat vierundzwanzig gleiche symmetrische Kanten, sechs gleiche regelmässige vierkantige Ecken, deren Scheitel- punkte die Endpunkte der Achsen sind und acht gleiche regelmässige dreikantige Ecken. Die ebenen Winkel der Rhomben sind = 1090 28' 16" und = 70 0 31 ' 44"; die Kantenwinkel sind = 1200. Jede Fläche ist durch die Endpunkte von zwei Halbachsen gelegt parallel der dritten Halbachse desselben Oktanten und das Parameterverhältniss ist a:a:ooa, welches von dem der Oktaederflächen a.a.a sich dadurch unterscheidet, dass eine Halbachse den Coefficienten 00 hat, wesshalb von Naumann das Zeichen 00 O gegeben wurde. Die trigonalen Zwischenachsen sind die Verbindungslinien der Scheitelpunkte je

Ys

zweier gegenüber liegender dreikantigen Ecken und es ist t = ^ ; die rhom- bischen Zwischenachsen sind die Verbindungslinien der Mittelpunkte von je 2 gegenüberliegenden Flächen und es ist r = ~= .

Diese Gestalt wurde wegen des häufigen Vorkommens an Granatkrystallen von Werner Granatdodekaeder, von Weiss Granatoeder, von Haidinger Granatoid genannt, während Mohs sie einkantiges Tetragonal- Dodekaeder nannte.

Die drei angeführten Gestalten, das Oktaeder, Hexaeder und Rhombendo- dekaeder, welche an tesseralen Krystallen sehr häufig vorkommen, entweder für sich oder in Combination mit einander oder mit anderen Gestalten, sind als Holoeder dadurch ausgezeichnet, dass ihre Flächen keine Gruppen bilden und eine geringe Anzahl von Flächen haben. Sie sind ihrer Art nach einzig, während die weiter anzuführenden holoedrischen einfachen Gestalten eine grössere An- zahl von Flächen haben und die Flächen bestimmte Gruppirungen zeigen, wo- durch sie sich besonders in Combinationen leicht erkennen lassen. Ausserdem sind diese anderen Gestalten dadurch bemerkenswerth, dass von jeder Art

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KrystaUgcstalten, Krystallographie. 301

mehrere vorkommen, ja sehr viele vorkommen können, welche wohl alle den- selben Namen führen, gewisse Ubereinstimmende Eigenschaften haben, sich aber doch in gewisser Beziehung von einander unterscheiden und Reihen von Ge- stalten desselben Namens zwischen den obigen drei Gestalten bilden. 4. Die Triakisoktaeder. mO.

Ein jedes Triakisoktaeder (wie Fig. 4 ein solches darstellt) ist von 24 gleichen und ähnlichen stumpfwinkligen gleichschenkligen Dreiseiten umschlossen, welche 8 dreizählige Flächengruppen (daher der Name) und 1 2 Flächenpaare darstellen, je nachdem man die Triakisoktaeder mit dem Oktaeder oder mit dem Rhomben- dodekaeder vergleicht, zwischen welchen sie eine variable Reihe bilden, deren Endglieder einerseits das Oktaeder, andererseits das Rhombendodekaeder bilden.

Ein jedes Triakisoktaeder hat 12 gleiche längere regelmässige und 24 gleiche kürzere symmetrische Kanten, von denen jene gewöhnlich die Hauptkanten, diese die Nebenkanten genannt werden, wogegen man sie auch als oktaedrische und dodekaedrische unterscheiden kann. Die Ecken sind zweierlei Art, 6 gleiche symmetrische achtkantige, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Achsen sind und 8 gleiche regelmässige dreikantige, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der trigonalen Zwischenachsen sind.

Je drei in einem Oktanten liegende, dadurch die dreizähligen Gruppen bildende Flächen bilden über den Flächen des eingeschriebenen Oktaeders gleichseitige dreiseitige Pyramiden, daher der von Weiss gegebene Name Pyramiden- oktaeder. Jede einzelne Fläche eines Triakisoktaeders ist durch die Endpunkte von zwei zu dem bezüglichen Oktanten gehörigen Halbachsen gelegt, während die dritte Halbachse nicht unmittelbar von der Fläche geschnitten wird, sondern man dieselbe um ein Stück verlängert denken muss, damit die erweitert ge- dachte Fläche sie schneide. Diese so verlängerte Halbachse ist ein Multiplum von a und die Verlängerung oder die verlängert gedachte Halbachse wird durch ma ausgedrückt, wobei der Buchstabe m allgemein eine rationale Zahl grösser als 1 ausdrückt, z. B. f, \, 2, 3 und andere und es ergiebt jeder solche Werth von m ein bestimmtes Triakisoktaeder, dessen Flächen das Parameterverhältniss wwm oder a:a:ma haben, weshalb Naumann diesen Gestalten das Zeichen mO gab.

Die Grösse der Kantenwinkel hängt von dem Werthe des Coefficenten m ab und man kann dieselbe durch Berechnung nach gewissen Formeln finden, so wie man umgekehrt aus Messungen der Kantenwinkel die Grösse des Werthes m berechnen kann. So ist z. B. wenn man mit B den Hauptkantenwinkel be- zeichnet tang = mY%. Dann findet man, wenn man m = \ , 2, 3. u. s. w. setzt, wie gross der Hauptkantenwinkel ist. Ist dagegen der Hauptkantenwinkel

gemessen worden, so findet man durch die Formel m = ^"y^ d'e Grösse des Coefficienten tn. Bezeichnet man mit A den Nebenkantenwinkel, so ist

tang\A = —x .

Berechnet man beispielsweise eine Reihe verschiedener Triakisoktaeder, wie sie nachfolgend zusammengestellt worden sind und stellt sie mit den beiden

Schlussgliedern der Reihe O mO 00 O zusammen, so ersieht

man, wie die beiderlei Kantenwinkel mit dem zunehmenden Werthe m zu- und abnehmen. Das Oktaeder bildet den Anfang der Reihe, seine Kanten ent- sprechen den Hauptkanten der Triakisoktaeder, während in ihm die Verbindungs-

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302 Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

linien der Mittelpunkte der Dreiseite mit den Scheitelpunkten der Winkel den Nebenkantenlinien von mO entsprechen.

Bei dem Werthe m=i fallen die 3 über der Oktaederfläche eine Pyramid bildenden Flächen in eine Ebene, die Oktaederfläche. Es ist somit der Neben- kantenwinkel = 180 0 geworden. Die Reihe der zusammengestellten Triakis- oktaeder, um für einmal das Charakteristische solcher Reihen zu zeigen, nach dem zunehmenden Werthe m geordnet, von denen einige wie z. B. \, \, \, 2, 3 und 4 an Krystallen gefundene Werthe sind, andere willkürlich gewählte Zahlen sind, zeigt eine Zunahme der Grösse des Hauptkantenwinkels und eine Abnahme der des Nebenkantenwinkels. Wird m 00, so entsteht das Rhombendodekaeder 00 O, dass Schlussglied der Reihe. Je 2 an der Hauptkante liegende Flächen fallen bei m = 00 in eine Ebene, die Rhombendodekaederfläche, indem der Haupt- kantenwinkel sein Maximum 1800 erreicht. Bei m = oo wird der Nebenkanten- winkel = 1200 der Kantenwinkel von <x>0. Es liegt also bei den Gestalten raO der Hauptkantenwinkel zwischen 1090 28' 16" und 1800, der Nebenkantenwinkel zwischen 1800 und 1200.

Die als Beispiel gewählte Reihe von wirklichen und möglichen Triakis- oktaedern mit ihren Kantenwinkeln in Verbindung mit den Endgliedern der Reihe ist folgende:

Hauptkanten Nebenkanten O lOQ° 28' 16" 1800

fO »5° 4i' 53" i74°36'29"

$0 121° O' 27" I70° 0'4Q"

40 1290 3i'i6" i62°39'3i" fO 135° 59' 48" .57° 4' 50" 2O 1410 3' 27" i52°44r 2" 3O 1530 28' 29" 1420 8' n" 4O i59°57' o" i360 39'29" 5O i63°54' 4" i33° 20' 9" 9O 171° o' 55" 127° 23' 56" 36O i770 44'58" 1210 50' 30" 100O i79°iir23" i2o°39'44" ooO 1800 1200

Bei dem aus ihr deutlich hervortretenden Verhalten der beiderlei Kanten- winkel könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht auch bei einem Triakisoktaeder die Winkel der beiderlei Kanten gleich grosse sein könnten und man würde vermuthen können, dass, wie die beispielsweise angegebenen Winkel zeigen, der Werth m für ein solches Triakisoktaeder zwischen 2 und 3 liegen müsste. Um diesen Werth zu finden, dienen die Formeln des cosinus für \B und \A. Da

1 tu \

cos\B*= , und cos \A = -7^-7- - ist, so müssten für den Fall

* ]/2tf/a -+- 1 * l/2)/2*f» + l

der Winkelgleichheit die beiden Werthe einander gleich sein. Aus der Annahme cos \B cos \A folgt aber \ -. m ] oder m = 1 h-

= 2 4142 .. . ein irrationaler Werth. Da aber die Coefficienten m rationale Zahlen sein müssen, so ist eine solche Gestalt unmöglich. Die Berechnung für den an- gegebenen irrationalen Werth von m würde ^B=£A=itf° 21' ergeben, welcher Fall aber nicht vorkommt, die Winkel B und A sind immer verschiedene. Schliesslich ist noch anzuführen, dass die halbe trigonale Zwischenachse /

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Krystallgestalten, Krystallographie.

303

auf die halbe Achse a = 1 bezogen / = gw + ^ ist, während die Länge der

halben rhombischen Zwischenachsen r = -j= wie im Oktaeder ist, da ihre End-

punkte die Halbirungspunkte der Hauptkantenlinien sind, welche den Oktaeder- kanten entsprechen.

5. Die Deltoidikositetraeder. mOm.

Diese Gestalten sind (wie eine derselben in Fig. 5 dargestellt ist) von 24 gleichen und ähnlichen Deltoiden umschlossen, wonach der Name Deltoid- ikositetraeder gegeben wurde. Deltoide werden nämlich in der Krystallographie eigenthümliche Vierseite (Fig. 6) genannt, welche zweierlei Seiten haben, 2 längere und 2 kürzere, welche paarweise ein- ander folgen. Ein Deltoid wird deshalb durch die eine Diagonale in 2 verschie- dene gleichschenkliche Dreiseite, durch die andere in 2 gleiche und ähnliche un- gleichseitige Dreiseite getheilt.

Die 24 Deltoide bilden 8 dreizählige und 6 vierzählige Flächengruppen je nach dem Vergleiche mit dem Oktaeder oder mit dem Hexaeder und da bei diesen Vierundzwanzigflächnern weder die eine noch die andere Gruppirung für die Benennung benützt werden konnte, insofern bei den Triakisoktaedern die Gruppirung 8 3 im Namen liegt, bei den später anzuführenden Tetrakishexaedern die Gruppirung 6-4 in den Namen gelegt wurde, so erscheint der von Naumann gegebene Name Ikositetraeder nicht ausreichend bestimmend, weshalb auch Bernhardi diese Gestalten Deltoid -Vierundzwanzigflache, Breithaupt sie deltoide Ikositessaraeder nannte.

Jedes Deltoidikositetaeder hat wegen der zweierlei Seiten der Deltoide 24 gleiche längere und 24 gleiche kürzere symmetrische Kanten, ferner 6 gleiche regelmässige vierkantige Ecken, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der tesse- ralen Achsen sind, 8 gleiche regelmässige dreikantige Ecken, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der trigonalen Zwischenachsen sind und 12 gleiche, symmetrische vierkantige Ecken, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der rhombischen Zwischen- achsen sind. Die regelmässigen vierkantigen Ecken werden durch die längeren Kanten, die dreikantigen Ecken durch die kürzeren Kanten gebildet, während zur Bildung der symmetrischen vierkantigen Ecken 2 längere und 2 kürzere Kanten abwechselnd beitragen.

Die Lage jeder einzelnen Fläche einer solchen Gestalt wird durch das Para- meterverhältniss i:m:m oder a : ma : ma ausgedrückt, indem jede einzelne Fläche eine der drei tesseralen Halbachsen des bezüglichen Oktanten in ihrem Endpunkte schneidet, während die beiden anderen zugehörigen Halbachsen um ein gleiches Stück verlängert gedacht werden müssen, damit die erweitert gedachte Fläche sie schneide. Die so verlängert gedachten Halbachsen ma sind, wie bei den Triakisoktaedern, Multipla der unveränderten Halbachse und m ist wieder eine rationale Zahl grösser als 1. Es bezeichnete daher Naumann die Deltoidikosite- traeder mit mOm und für jeden rationalen Werth m grösser als 1 und kleiner als

(Min. 117—118.)

Fig. 5. Fig. 6.

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304 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

oo ergiebt sich eine solche Gestalt, wonach diese eine Reihe zwischen O und

00O00 bilden, die Reihe O mOm 00O00.

Jedes Deltoidikositetraeder hat seine von in abhängigen Kantenwinkel, welche wie in der Reihe der Triakisoktaeder, die einen mit dem steigenden Werthe m zunehmen, die anderen abnehmen. Der Kantenwinkel der längeren Kanten, welche man auch oktaedrische nennen kann, ist grösser als 1090 28" 16" und nimmt mit dem wachsenden Werthe m zu bis zu 1800, indem bei m = die Ge- stalten mOm mit dem Hexaeder endigen, die 6 vierzähligen Gruppen die 6 Hexaeder- flächen werden. Der Kantenwinkel der kürzeren (der hexaedrischen Kanten liegt umgekehrt zwischen 1800 und 900 und nimmt mit dem zunehmenden Werthe von m ab. Die Kantenwinkel der beiderlei Kanten sind aber nie gleich, da nur

der irrationale Werth m 1+^2 gleiche Winkel (138° 7' 4") berechnen lässt.

Als Beispiele für die Zu- nnd Abnahme der Kantenwinkel mögen nach- folgende 5 beobachtete mOm genügen,

längere kürzere Kanten

£Of 1180 4' 21" 1660 4' 10" \0\ 1210 57' 56" i6o°i5' o" 2O2 i3i°48' 37" i46°26'34" 3O3 144° 54' 12" I29°3i' 16" 12O12 i7o°3o'2o" 990 51' 34" nachdem dieses wechselnde Verhalten ausreichend bei den Triakisoktaedern er- örtert wurde.

Schliesslich möge noch als eine gewissermaassen historische Erinnerung er- wähnt sein, dass das zuerst beobachtete Deltoidikositetraeder 2O2 von Weiss nach dem vermeintlichen Vorkommen am Leucit das Leucitoeder genannt wurde, die anderen dann den Namen Leucitoide erhielten oder Haidinger alle mOm Leucitoide nannte. Da jedoch in neuerer Zeit durch G. vom Rath nach- gewiesen wurde, dass die am Leucit für 2 O 2 gehaltene Gestalt eine bemerkens- werthe quadratische Combination ist, so verloren diese Namen ihre Bedeutung.

6. Die Tetrakishexaeder, ooOn.

Eine jede solche Gestalt (wie Fig. 7 eine darstellt) ist von 24 gleichen

und ähnlichen spitzwinkligen, gleichschenkligen Drei- seiten umschlossen, welche 6 vierzählige Gruppen, da- her ihr Name, der Art bilden, dass jede solche Gruppe über den Flächen des eingeschrieben gedachten Hexa- eders eine gleichseitige, vierseitige Pyramide bildet, weshalb auch der Name Pyramidenwürfel gegeben wurde. Ausser dieser Gruppirung 6. 4 bilden die Flächen auch 12 Paare. Die Kanten sind zweierlei, 12 gleiche regelmässige längere, die Hauptkanten und 24 gleiche symmetrische kürzere, die Neben- (Miu iw.) Fig. 7. kanten. Die Ecken sind auch zweierlei, 6 gleiche

regelmässige vierkantige, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Achsen und 8 gleiche symmetrische sechskantige, deren Scheitelpunkt die Endpunkte der tri- gonalen Zwischenachsen sind.

Die Lage der Flächen einer solchen Gestalt wird durch das Parameterver- hältniss i-o©:« oder a :00a: na ausgedrückt, weil jede Fläche unmittelbar eine tesserale Halbachse des zugehörigen Oktanten in ihrem Endpunkte schneidet, der zweiten Halbachse parallel liegt und die dritte um ein Stück verlängert gedacht

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Krystallgestalten, Krystallographic.

305

Haupt-

157° 48" 143° 7' 48" 1260 52' 12"

133° 48' 47" 143° 7' 48" 154° 9' 29"

werden muss, um von der erweitert gedachten Fläche geschnitten zu werden. Der Coefficient n für die Verlängerung drückt eine rationale Zahl grösser als 1 aus. Naumann bezeichnete daher die Tetrakishexaeder mit <»On und sie bilden eine Reihe zwischen den Endgliedern 00 O und 00O00, die Reihe

00 O 00 On 00O00.

Die Grösse der Hauptkantenwinkel liegt zwischen 1800 und 90 0 und nimmt mit dem zunehmenden Werthe für n ab, die Grösse der Nebenkantenwinkel Hegt zwischen 1200 und 180° und nimmt mit dem zunehmenden Werthe für n zu und in einem Tetrakishexaeder, dessen Werth n = 2 ist, sind die Winkel der Haupt- und Nebenkanten gleich gross. Als Beispiele dienen die drei beob- achteten Gestalten 00 0$, 00 O2, 00 O3 mit ihren Kantenwinkeln

Nebenkanten

ooO|

00 O 2 O0O3

7. Die Tetrakontaoktaeder, mOn.

Jede so benannte Gestalt, wie Fig. 8 eine darstellt, ist von 48 (daher der von Weiss gegebene Name Achtundvierzigflächner und der von Mohs gräcisirte Name Tetrakonta- oktaeder) gleichen und ähnlichen ungleichseitigen Dreiseiten umschlossen, welche zunächst auf dreifache Weise gruppirt sind, acht sechszählige , sechs acht- zählige und zwölf vierzählige Gruppen bilden, je nach- dem man die Gruppirung nach dem Oktaeder, Hexa- eder oder Rhombendodekaeder auffasst. Nach der ersteren benannte Naumann diese Gestalten Hexa- kisoktaeder. Ausserdem bilden auch die 48 Flächen 24 Flächenpaare, je nachdem man sie mit den Ge- stalten mO, mOm oder 00 On vergleicht.

Die Kanten sind sämmtlich symmetrische und werden nach der Länge als 24 gleiche längere, 24 gleiche mittlere und 24 gleiche kürzere unterschieden. Die längeren entsprechen den Kanten des Rhombendodekaeders, die mittleren paarweise den Kanten des Oktaeders und die kürzeren paarweise den Kanten des Hexaeders. Die Ecken sind auch sämmtlich symmetrische und sind dreierlei Art: 6 achtkantige, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Achsen sind, 8 sechskantige, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der trigonalen Zwischen- achsen sind und 12 vierkantige, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der rhom- bischen Zwischenachsen sind.

Das Parameterverhältniss für die Lage der Flächen einer solchen Gestalt ist i:m:n oder a:ma:na, wobei m und n verschiedene rationale Zahlen grösser als 1 ausdrücken und dabei m die grössere, n die kleinere Zahl ausdrückt. Nau- mann gab daher diesen Gestalten das Zeichen mOn. Jede einzelne Fläche schneidet in dem zugehörigen Oktanten eine der tesseralen Achsen in ihrem End- punkte, während die beiden anderen zum Oktanten gehörigen Halbachsen von der erweitert gedachten Fläche in verschiedener Entfernung geschnitten werden, wenn man sie sich verlängert denkt. Bei der möglichen Mannigfaltigkeit der Werthe m und n sind unendlich viele Tetrakontaoktaeder möglich und bereits schon eine erhebliche Anzahl solcher beobachtet worden.

KxNKcorr, Min., Geol. u. Pal. II. 20

Fig. 8. (Min. 120.)

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306 Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

Als Beispiele mögen die fünf beobachteten Gestalten 3OI, 40f, 4O2, 5OI und 8O4 mit ihren Kantenwinkeln dienen.

längere mittlere kürzere Kanten

30f i58°i2'48" i48°59'5°" 1 58 0 12' 48" 40$ 147° 47' 45" I57°22'48" 164 0 3' 28" 4O2 i62°i4'5o" i54°47'28" 144° 2' 58"

50$ I52°20'22" l6o°32'l3" I52°20'22"

8O4 i7o°i4r o" 1660 10' 19" ii8°34'iq" Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass die von den Werthen m und n abhängigen Winkeigrössen keine solche Reihenfolge der Zu- und Abnahme zeigen, wie die früher angegebenen Reihen variabler Gestalten zeigten, was nicht der Fall sein kann, weil beide Werthe m und n von einander unabhängig sind. Da- gegen bemerkt man an den Beispielen 3OI und $Oj, dass bisweilen die längeren und kürzeren Kanten, welche zu den symmetrisch sechskantigen Ecken gehören, trotz der Verschiedenheit in der Länge der Kantenlinien gleichgrosse Kanten- winkel haben können. Für diesen Fall ist ein besonderes Verhältniss zwischen den Werthen m und « erforderlich, welches sich durch die Gleichungen

m = und n ^m . ausdrücken lässt. 2 « m ■+■ 1

Ausserdem sind noch gewisse Tetrakontaoktaeder dadurch bemerkenswerthe Gestalten, dass bei ihnen, ähnlich wie bei den Triakisoktaedern und Terrakis- hexaedern die Flächengruppen dreiseitige, respektive vierseitige Pyramiden über den Flächen des eingeschriebenen Oktaeders oder Hexaeders bildeten, die 12 vier- zähligen Flächengruppen über den Flächen des eingeschriebenen Rhombendode- kaeders gleichseitige vierseitige Pyramiden bilden und die Kantenlinien der längeren Kanten genau die Kantenlinien des Rhombendodekaeders sind. Diese wurden speciell Pyramidengranatoeder nach dem Namen Granatoeder des Rhombendodekaeders genannt, analog den Namen Pyramidenoktaeder für mO und Pyramidenwürfel für 00 On. Auch für diese Erscheinung ist ein besonderes Verhältniss zwischen den Werthen /// und n erforderlich, welches durch die Gleich- ung mn=m + n ausgedrückt wird. So sind die beiden oben aufgeführten Ge- stalten $Q\ und 40^ sogenannte Pyramidengranatoeder.

Stellt man die 7 Arten holoedrischer tesseraler Gestalten in ein Schema zu- (Min. 131.) sammen, so ersieht man aus demselben das

gegenseitige Verhältniss aller holoedrischen Gestalten des tesseralen Systems. Sie zeigen \ zunächst, dass das Oktaeder insofern den

\ anderen zu Grunde gelegt werden kann,

wesshalb es auch die Grundgestalt des Tn&m Systems genannt wird, als die Parameter-

verhältnisse durch Veränderung des Para- K meterverhältnisses des Oktaeders hervor-

\ \ gehen. Die Oktaederflächen, je eine in einem v -v A Oktanten liegend, sind Ebenen, welche un- 1 mittelbar durch die Endpunkte der drei zu

einem Oktanten gehörigen tesseralen Halbachsen gelegt sind. Das Parameter- verhältniss ist für die Oktaederflächen das Achsenverhältniss des tesseralen Systems a : a : a (oder 1:1:1, wenn man diese Schreibweise vorzieht) und dieses Parameterverhältniss kann Veränderungen der Art erleiden, dass man entweder

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Krystallgestahen, Krystallographie.

307

eine Halbachse verlängert oder dass man zwei Halbachsen auf gleiche oder auf ungleiche Weise verlängert. Dadurch entstehen die Parameterverhältnisse a:a:ma für die Triakisoktaeder mO, a\ma\ma für die Deltoidikositetraeder mOm und a:ma:na für die Tetrakontaoktaeder mOn.

Da die Werthe für tn und n rationale Zahlen grösser als 1 sind und bis zu dem Werthe unendlich ansteigen können, so müssen die Parameterverhältnisse a : a : 00 a für das Rhombendodekaeder, a : 00 a : <x> a für das Hexaeder und a : 00 a:na für die Tetrakishexaeder hervorgehen, bei welchen letzteren m als der grössere Werth unendlich gross wird, während n als der kleinere noch endlich ist

Auf diese Weise sind die Gestalten mO, mOm, mOn, 00 O, 00O00 und 00 On die allein möglichen Ableitungsgestalten und das Oktaeder O ist die Grund- gestalt

Die dreierlei Vierundzwanzigflächner mO, mOm, und 00 On bilden, wie schon oben angegeben wurde, Reihen variabler Gestalten zwischen je zwei der drei Hauptformen, die als Schlussglieder der Reihen die doppelte Gruppirung der Flächen dieser vierundzwanzigflächigen Gestalten bedingen. Dies zeigen die Reihen, wenn man die Flächenanzahl und die durch die Endglieder bedingte Gruppirung beifügt,

8 8.3= 24 = 12-2 12

O mO .... 00O

8 8-3 = 24 = 6-4 6

O mOm .... 00O00

12 12-2 = 24 = 6-4 6

00 O 00 On .... 00O00

und diese Gruppirung lässt besonders in den Combinationen diese vierund- zwanzigflächigen Gestalten leicht unterscheiden.

Die Tetrakontaoktaeder dagegen sind, wie das Schema zeigt, Glieder von 6 verschiedenen Reihen, die z. Th. als Endglieder variable Gestalten zeigen. Die Gruppirung der Flächen der Tetrakontaoktaeder ist daher, wie oben an- gegeben wurde, eine sechsfache.

Die Kantenwinkel der Tetrakontaoktaeder sind durchgehends stumpfe, wie die angeführten Beispiele solcher Gestalten zeigten und liegen zwischen gewissen Grenzen. So schwanken die Winkel der längeren Kanten zwischen 1800 und 1200, sie werden 180 °, wenn n = m wird, dagegen 1200, wenn m = oo und n a 1 wird, was die Reihe

mOm .... mOn .... 00 O zeigt. Der Winkel der mittleren Kanten liegt zwischen 1800 und 1090 28' 16", er wird = 1800, wenn m = oo wird, = 1090 28' 16", wenn m n = l wird, wie die Reihe

O . . . . mOn .... ooOn

dies anzeigt. Die Winkel der kürzeren Kanten endlich liegen zwischen 1800

und 90 °, sie werden = 180 °, wenn n = 1 wird, =90°, wenn m = n = 00 ist,

wie dies die Reihe

mO .... mOn .... ocOoo

anzeigt

Werden schliesslich die Winkelwerthe durch gewisse von m und n abhängige Functionen ausgedrückt, so kann man diese Formeln auch benützen, um aus ihnen die Functionen der Winkel aller anderen holoedrischen Gestalten zu be- rechnen. Bezeichnet man für diesen Zweck die längeren Kanten mit A, die

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3o8

Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

mittleren mit B und die kürzeren mit C, so werden die cosinus der halben Winkel durch die Formeln

w m n n

m(n— 1)

cos \C= r"^~i ^

ausgedrückt.

Bezeichnet man nun entsprechend im Oktaeder die Kanten mit B, im Rhombendodekaeder mit A, im Hexaeder mit C, in den Triakisoktaedern die Hauptkanten mit B, die Nebenkanten mit A, in den Deltoidikositetraedem die längeren Kanten mit B, die kürzeren mit C und in den Tetrakishexaedern die Hauptkanten mit C und die Nebenkanten mit At so erhält man aus obigen Formeln die entsprechenden für die anderen Gestalten, wenn man in jenen für das Oktaeder m und n = 1, für das Rhombendodekaeder m = oo und n = 1, für das Hexaeder m = n = oo, für die Gestalten mO «=1, für die Gestalten mOm n = m und für die Gestalten ooOn m = oo einträgt.

In gleicher Weise erhält man auch aus den Werthen / - *

und r =

« -+- 1

m n -h m -+- «

der halben trigonalen und rhombischen Zwischenachsen in mOn

die bezüglichen Werthe derselben für die anderen holoedrischen Gestalten.

6. Hemidrische einfache Gestalten.

_ ,t, O l. Das Tetraeder .

2

Dasselbe ist von vier gleichseitigen Dreiseiten umschlossen, welche sechs gleiche regelmässige Kanten und vier gleiche regel- mässige dreikantige Ecken bilden. Die Halbirungspunkte der Kantenlinien sind die Endpunkte der Achsen, der Kantenwinkel ist = 700 31' 44" der Er- gänzungswinkel zum Kantenwinkel des Oktaeders.

Das Tetraeder ist eine Hälftengestalt oder Hernieder des Oktaeders, gebildet durch 4 abwechselnde Flächen desselben. Es entsteht, wie die Figuren 9 bis 12

(Min. 122-125.)

Fig. 9-

Fig. IO.

Fig. Ii.

Fig. 12.

zeigen, wenn 4 abwechselnde Flächen sich regelmässig erweitern, die anderen 4 ab- wechselnden Flächen zurückgedrängt werden bis zum gänzlichen Verschwinden.

Das Zeichen des Tetraeders ist ~, welches ausdrückt, dass es durch die halbe

2

Anzahl der Oktaederflächen gebildet ist.

Aus diesem Hergange ist ersichtlich, dass aus dem Oktaeder noch ein zweites,

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Krystallgestalten, Krystallographie.

3°9

gestaltlich mit jenem ganz gleiches Tetraeder hervorgehen muss, wenn die 4 ab- wechselnden zurückgedrängten Flächen, die zum Unterschiede mit 0' bezeichnet wur- den, sich regelmässig erweitern, bis zum Verschwinden der anderen vier Flächen. Es ist dieses Tetraeder von dem anderen in nichts, als in der Stellung verschieden

O'

und kann, um den Unterschied in der Stellung im Zeichen auszudrücken, als

2

bezeichnet werden. Naumann bezeichnete die beiden vollkommen gleichen, nur

verschieden gestellten Tetraeder als -+- - und - , weil die Flächen des einen

2 2

und des anderen Tetraeders im Oktaeder entgegengesetzt liegende Flächen sind.

(Min. 126-128.)

Fig. 14.

Fig. 15-

Fig. l6.

Das Oktaeder als Holoeder (Fig. 15) ergiebt also in der angegebenen Weise zwei gleiche, nur verschieden zu stellende Hernieder (Fig. 14, 16), das eine ist das Gegenhemieder des anderen und während das Oktaeder als Holoeder, wie alle Holoeder eine parallelflächige Gestalt ist, so ist das Tetraeder, das eine wie das andere, eine geneigtflächige Gestalt.

Die Entstehung solcher Hernieder ist eine gesetzmässige Bildungsweise und wenn diese Hemiedrie als tetraedrische benannt wird, so kann diese gesetz- mässige Bildungsweise auch auf andere holoedrische tesserale Gestalten über- tragen werden, und es können aus mO, mOm und mOn tetraedrische He- rnieder hervorgehen. Diese sind:

m O

2. Die Deltoiddodekaeder, .

2

Eine jede solche Gestalt (Fig. 17) ist von 12 gleichen und ähnlichen Deltoi- den (daher der die Zahl und Gestalt der Flächen aus- drückende Name) umschlossen, welche auf zweierlei Weise 4 dreizählige Gruppen bilden. Die Kanten sind symmetrische und werden als 12 gleiche längere schär- fere und 12 gleiche kürzere stumpfere unterschieden. Die Ecken sind dreierlei Art: 6 gleiche symmetrische vierkantige, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Achsen sind, 4 gleiche regelmässige dreikantige stumpfere und 4 gleiche regelmässige dreikantige spitzere.

Die Deltoiddodekaeder sind tetraedrische Hernieder der Triakisoktaeder m O. In jedem Triakisoktaeder bilden die 24Flächen (s. pag.301) 8 dreizählige Flächengruppen nach den Flächen des Oktaeders und wie aus dem Ok- taeder durch Herrschendwerden von vier abwechselnden Flächen ein Tetraeder als

Fig. 17. (Min. 129.)

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3io Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

Hernieder hervorgeht, so hier ein Deltoiddodekaeder durch Herrschendwerden von 4 abwechselnden der 8 dreizähligen Gruppen. Somit resultiren aus jedem Triakis- oktaeder zwei vollständig gleiche, nur verschieden zu stellende Deltoiddodekaeder,

welche als Hernieder durch die Zeichen und oder als -+- und

2 2 2

m ^)

unterschieden werden.

2

Aus der Entstehungsweise geht hervor, dass die 12 kürzeren Kanten die unveränderten holoedrischen Nebenkanten sind, während die 12 längeren paar- weise je einer Tetraederkante entsprechen, desshalb auch tetraedrische Kanten genannt werden.

Die Grösse der Kantenwinkel wechselt mit dem Werthe m in der Weise, dass die Winkel der längeren Kanten mit wachsendem Werthe m grösser, die Winkel der kürzeren Kanten mit wachsendem Werthe in kleiner werden, wie man z. B. aus den 3 als Beispiele anzuführenden Deltoiddodekaedern ersieht:

längere kürzere Kanten

820 9' 45" i62°39'3o"

iO

2 2O

2 2

900 o' o" i52°44' 2"

99° 5' 5" M2° 8' 11" Wird tn unendlich gross, so erreichen die Winkel der längeren Kanten ihr Maximum, werden =120° und die Winkel der kürzeren Kanten ihr Minimum, werden =120°; die Deltoide schliessen mit den Rhombenflächen des Rhomben- dodekaeders 00 O ab.

So wie die Holoeder mO eine Reihe zwischen O und 00 O bilden (s. pag.301), so bilden die Hernieder von mO zwei Reihen

O mO

00U

2 2

O' mO'

00O

2 2

das Rhombendodekaeder ist in jeder das Schlussglied, wenn tn 00 geworden

ist, andererseits sind die Tetraeder die Anfangsglieder der beiden Reihen, indem,

wenn m—i gesetzt wird, die längeren Kanten ihren Minimalwerth 7o°3i'44"

haben, die kürzeren Kanten = 180 0 sind, d. h. je drei die stumpfen dreikantigen

Ecken bildenden Flächen in eine Ebene fallen, die Tetraederflächen bilden.

_ . . , , , mOm

3. Die Trigondodekaeder, .

2

Eine jede solche Gestalt, wie Fig. 18 eine darstellt, ist von 1 2 gleichen und ähnlichen stumpf- winkligen gleichschenkligen Dreiseiten (Trigonen) umschlossen, die zunächst vier dreizählige Gruppen über den Flächen des eingeschrieben gedachten Tetraeders bilden und welche Gruppen über diesen Flächen gleichseitige dreiseitige Pyramiden bilden, weshalb auch die Namen Pyramidentetraeder und Triakistetraeder gegeben wurden. Die Kanten sind zweierlei Art: 6 gleiche regelmässige (Min. 180.; Fig. 18. längere (die Hauptkanten) und 12 gleiche

symmetrische kürzere (die Nebenkanten). Die Ecken sind auch zweierlei

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Krystnltgcstaltcn, Krystallographie. 311

Art, 4 gleiche regelmässige dreikantige und 4 gleiche symmetrische sechs- kantige. Die Halbirungspunkte der Hauptkantenlinien sind die Endpunkte der Achsen. Nach den Hauptkanten bilden die Flächen 6 Paare. Diese tetrae- drischen Hernieder entstehen nach dem Gesetz der Tetraederbildung aus den Deltoidikositetraedern mOm durch Herrschendwerden von 4 abwechseln- den dreizähligen Flächengruppen derselben, bis zum Verschwinden der anderen vier. Es ergiebt demnach wieder jedes Holoeder mOra zwei vollkommen gleiche, nur

verschieden zu stellende Trigondodekaeder als Gegenhemieder m ^ m und m g m

oder •+• und mQm t nacn(iem dje einen oder die anderen 4 ab-

2 2 J

wechselnden dreizähligen Flächengruppen ein tetraedrisches Hernieder bilden. Die Kantenwinkel zeigen wieder eine mit dem zunehmenden Werthe für m zu- sammenhängende Zu- und Abnahme der einen oder der anderen Art der Kanten,

wie die vier beobachteten Beispiele , , und erkennen lassen.

Haupt- Nebenkanten 930 22' 20" 1600 15' o"

2

2O2 2

2

606 2

io9°28' 16" i46°26'34" I29°3l' 16" i29°3i' 16" 1530 28' 29" 110' o' 19"

Die Trigondodekaeder bilden entsprechend der Reihe der Holoeder O mOm 00O00

zwei Reihen

O mOm

2 2 O' mO'm

00O 00

00 0<»

2 2

Die Grösse der Hauptkantenwinkel liegt zwischen 7o°3i'44" und 180° die der Nebenkantenwinkel zwischen 1800 und 900; die Hauptkantenwinkel nehmen mit dem wachsenden Werthe m zu, die Nebenkant enwinkel ab und eine

Gestalt ^-y2 oder ^y-3 zeigt gleiche Kantenwinkel. Werden nämlich die Haupt-

t/"2

kanten mit 2? und die Nebenkanten mit C bezeichnet, so ist £osXB= Y

_m \ -1/2 und cos\L = . Die Gleichheit der beiden Winkel ergiebt . v

^ j

= ... , = oder 2 = m 1 oder m = 3. Bei dem Werthe m = 3 werden yÖym* -+- 2

also die Winkel der beiderlei Kanten gleichgross.

4, Die Hexakistetraeder, -.

' 2

Eine jede solche Gestalt, wie eine in Fig. 19 dargestellt ist, ist von 24 gleichen und ähnlichen ungleichseitigen Dreiseiten umschlossen, welche 24 Flächen nach den Tetraederflächen 4 sechszählige Gruppen bilden, woher der Name der

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312 Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

Gestalten entlehnt ist. Ausser den 4 sechszähligen Gruppen bilden sie auch 6 vierzählige Gruppen. Die Kanten sind symmetrische dreierlei Art und werden

nach der Länge der Kantenlinien als 12 längere, 12 mitt- lere und 1 2 kürzere unterschieden. Die Ecken sind auch symmetrische und dreierlei Art: 6 vierkantige, gebildet durch die kürzeren und mittleren Kanten; 4 stumpfere und 4 spitzere sechskantige Ecken, jene durch die längeren und kürzeren, diese durch die längeren und mittleren Kanten gebildete. Die Scheitelpunkte der vierkantigen ^ / Ecken sind die Endpunkte der Achsen.

Die Hexakistetraeder sind tetraedrische Hernieder (Min. ist.) Fig- 19- <jer Tetrakontaoktaeder und entstehen aus denselben

durch Herrschendwerden von vier abwechselnden der acht sechszähligen Flächen- gruppen bis zum Verschwinden der anderen vier. Ihr Zeichen ist . Aus

jedem Holoeder mOn entstehen zwei vollkommen gleiche, aber verschieden zu

m n

stellende Hexakistetraeder, welche als Gegenhemieder durch die Zeichen

, mO'n mOn J mOn , . ,

una - oder h und unterschieden werden.

2 22

Da die Grösse der Kantenwinkel gleichzeitig von den Werthen m und n

abhängt, so lassen sich dieselben nicht so reihenweise zusammenstellen, um die

Zu- und Abnahme der Winkel allgemein beurtheilen zu können, wie dies z. B.

die nachfolgenden zeigen:

längere mittlere kUrzcre Kanten

158° 12' 48" IIO° 55' 29" I58° 12' 48"

30J 2

2 2

8O4

1440 2' 58" 1240 51' o" 1620 14' 50"

'360 47' 'S" i36°47' 15" 158° 46' 49" n8°34' 19" 150° 24' 29" 1700 14' o"

2

Unter diesen Beispielen zeigt die Winkel der längeren und kürzeren

Kanten gleich gross, wie bei dem entsprechenden Holoeder 30^ die kürzeren und längeren Kanten gleichwinklige sind, da die kürzeren Kanten des Holoeders hier die längeren des Hemieders sind und die längeren des Holoeders die kürzeren des Hemieders. Für diese Gleichheit der Kanten, welche die stumpferen sechs- kantigen Ecken bilden, aus dem Holoeder in das Hernieder übergehen, gilt die

oben angeführte Bedingung m -x .

Ausserdem zeigt das eine Beispiel J-^Ä gleiche Winkelgrösse der längeren

und mittleren Kanten, welche eintritt, wenn m = ist.

Für die Berechnung der Kantenwinkel überhaupt dienen gewisse Formeln und man kann wie bei den Holoedern mOn gezeigt wurde, die Formeln für mOn

benützen, um die entsprechenden Formeln für die anderen tetraedrischen

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Krystallgestalten, Krystallographie. 313

Hernieder zu finden. Zu diesem Zwecke sind hier nur die mittleren Kanten durch ihre Formel auszudrücken, während die längeren und kürzeren Kanten die holoedrischen sind, nur dort die kürzeren und längeren. Bezeichnet man

daher in mit B die mittleren, (die tetraedrischen Kanten), mit A die

kürzeren und mit C die längeren Kanten, so ist, wenn man sich nur auf die cosinus der halben Winkel beschränkt

m -\- n m n

cos\B = t=— , cos \ A =

. ... 1)

H- «» -+■ n2

Da nun aus diesen Formeln folgt, dass die Winkel der Kanten A und C,

n

der längeren und kürzeren gleich sind, wenn m = ^ n ist, so wie dass die

Winkel der Kanten B und C, der mittleren und längeren gleich sind, wenn

n

m = x ist, so kann es sich auch fragen, ob die Winkel der Kanten B und A,

n i

der mittleren und kürzeren Kanten gleich grosse sein können. Für diesen Fall muss cos \B ' = cos\A sein, d. h. es muss m -\- n = m n sein. Dies ist nur möglich, wenn = 00 gesetzt wird, die Hexakistetraeder als Glieder der Reihen

O mOn

>On On

2 2

mO'n

. . .

2 2

mit Tetrakishexaedern abschliessen.

Aus diesen und den Reihen der Deltoiddodekaeder und Trigondodekaeder

ersieht man, dass die drei holoedrischen Gestalten 00 O, 00O00 und 00 On nach

dem Gesetz der tetraedrischen Hemiedrie keine Hernieder bilden. Das Gesetz

der tetraedrischen Hemiedrie ergiebt also, dass bei Krystallspecies , welche

O O'

diesem Gesetze gemäss ihre Gestalten zeigen, die Tetraeder - und , die

_ . , , , , mO , mO' ,. m . , , , , mOm , mO'm Deltoiddodekaeder und , die Trigondodekaeder - und - -

die Hexakistetraeder m-^R und ° , das Rhombendodekaeder 00 O, das

2 2

Hexaeder »Ot» und die Tetrakishexaeder 00 On vorkommen können oder vor- kommen.

Da bei den Holoedern angeführt wurde, dass gewisse durch den Mittelpunkt ge- zogene Linien, welche gleiche Begrenzungselemente verbinden, neben den tesseralen Achsen als Zwischenachsen aufgefasst werden konnten, als trigonale und rhombische, so entsteht die Frage, ob auch in den tetraedrischen Hemiedern diese Zwischen- achsen zur Geltung kommen. Selbstverständlich kann man diese Linien sich durch die Mittelpunkte der tetraedrischen Hernieder gezogen denken, doch kommen hier nur die trigonalen Zwischenachsen in Betracht, während die rhom- bischen ohne Bedeutung für diese Formen sind.

Die trigonalen Zwischenachsen des Oktaeders waren die Verbindungslinien linien der Mittelpunkte je zweier gegenüberliegenden Oktaederflächen , da aber nach dem Gesetz der Tetraederbildung vier abwechselnde Flächen des Oktaeders

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3 M Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

wegfallen und über ihnen die Ecken des Tetraeders entstehen, so verbinde die trigonalen Zwischenachsen im Tetraeder die Scheitelpunkte der Eckes- mit den Mittelpunkten der gegenüberliegenden Flächen, werden also durch den Mittel- punkt des Tetraeders in zwei ungleichlange Theile getheilt. Die kürzeren Theile

der Zwischenachsen sind dieselben * = 7f= wie im Oktaeder, die längeren Theile

aber, mit ^bezeichnet, sind = y^3 also T=Zt,

Diese ungleiche Theilung der trigonalen Zwischenachsen findet bei den anderen tetraedrischen Hemiedern auch Statt, so sind in den Deltoiddode- kaedern die Scheitelpunkte der stumpferen dreikantigen Ecken die Endpunkte von / wie in den Holoedern, die Scheitelpunkte der spitzeren dreikantigen Ecken

aber die Endpunkte von T und es ist bei —. t = - wie in den Holoedern _ 2 2m -+- 1

_ _ m}/'5 2m + 1

m O, T= -— - = -•/.

2m l 2m l

In den Trigondodekaedern sind die Scheitelpunkte der dreikantigen Ecken

die Endpunkte von / = die Scheitelpunkte der sechskantigen Ecken die End-

m I

punkte von T ' = 1A3 = ~m~^~'t uml De* den Hexakistetraedern sind die Scheitel-

tttti "]/ 3

punkte der stumpferen sechskantigen Ecken die Endpunkte von / = ,

die Scheitelpunkte aber der spitzeren sechskantigen Ecken die Endpunkte von

mnVs mn -f- m ■+■ n

T - - = ./.

mn + m n mn + m n

Wenn nun das Gesetz der tetraedrischen Hemiedrie vier Arten geneigt- flächiger Hernieder, die Tetraeder, Deltoiddodekacder, Trigondodekaeder und Hexakistetraeder ergiebt, mit denen zusammen die drei holoedrischen Gestalten, das Rhombendodekaeder, das Hexaeder und die Tetrakishexaeder vorkommen, so lassen sich aus den Tetrakontaoktaedern mOn noch eine Art geneigtflächiger Hernieder bilden, nämlich durch Herrschendwerden der abwechselnden Flächen, wodurch die von 24 unregelmässigen Pentagonen umschlossenen Pentagon- ikositetraeder entstehen. Diese Hemiedrie, von W. Haidinof.r (dessen Hand- buch der bestimmenden Mineralogie pag. 92) als gyroidische benannt, fand G. Tschermak (dessen min. u. petrogr. Mitth. Band 4, pag. 531) an nicht mine- ralischen Krystallen des Salmiak.

Eine dritte hemiedrische Bildung aber erzeugt parallelflächige Hernieder und es wurde diese Hemiedrie als parallel flächige, von W. Haidinger (a. a. O. pag. 92) als pyritoidische unterschieden, wegen ihrer vorzüglichen Ausbildung an dem Pyrit (s. pag. 169). Die hierher gehörigen hemiedrischen Gestalten sind die Dyakishexaeder und die Trapezikositetraeder.

ccOn

5. Die Dyakishexaeder. ~

Eine jede solche Gestalt, wie eine als Beispiel Fig. 20 zeigt, ist von 12 eigen- thümlichen Pentagonen umschlossen, welche in der Krystallographie als sym- metrische unterschieden werden. Diese Pentagone nämlich werden durch vier gleichlange Seiten (b in Fig. 21) und eine fünfte (a) davon verschiedene, welche länger oder kürzer als jede der 4 gleichen Seiten sein kann. Diese fünfte Seite

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Krystallgcstahcn, Krystallographtc.

3«S

wird die Hauptseite, die 4 gleichen werden die Nebenseiten genannt und es liegen an der Hauptseite 2 Nebenseiten unter gleichen Winkeln o, den beiden Nebenseiten folgen unter gleichem Winkel / die beiden anderen, welche den fünften Winkel u miteinander bilden. Die Winkel o, i und u sind verschieden gross und der Winkel u liegt der Hauptseite gegenüber. Zieht man von dem Scheitelpunkte des Winkels u eine Senkrechte auf die Hauptseite, welche dadurch

(Mio. 182- ist)

Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22.

halbirt wird, so wird durch diese Senkrechte das Pentagon in 2 umgekehrt congruente Trapeze getheilt.

Die 12 Pentagone der angegebenen Art bilden 6 Paare über den Flächen des eingeschrieben gedachten Hexaeders, weshalb Bernhardi diese Krystall- gestalten Zweimalsechsflache nannte, welcher Name gräcisirt Dyakis- hexaeder lautet und als der zweckmässigste für diese Krystallgestalten erscheint, weil sie die einzigen Zwölfflächner sind, welche nur eine Gruppirung der Flächen, 6 Paare zeigen. Gewöhnlich nennt man diese Dyakishexaeder Penta- gondodekaeder, doch ist dieser Name nicht genügend bezeichnend, da zu- nächst das regelmässige Pentagondodekaeder der Geometrie auch ein Pentagon- dodekaeder ist, dessen 12 Flächen aber regelmässige Pentagone sind. Ausserdem aber giebt es im tesseralen Systeme noch eine Art Zwölfflächner mit unregel- mässigen Pentagonen, welche tesserale Tetartoeder sind. Auch wurden die Dyakishexaeder Pyritoeder und Pyritoide nach der Mineralspecies Pyrit, Kieszwölfflache, domatische Dodekaeder, Pentagonaldodekaeder, hexaedrische Pentagonaldodekaeder und noch anders genannt, wie über- haupt nie Mangel an Namen ist.

Die Dyakishexaeder haben in Folge der zweierlei Seiten der Pentagone zweierlei Kanten, 6 regelmässige, die Hauptkanten, weil sie durch die Haupt- seiten der Pentagone gebildet werden, und 24 unregelmässige, die Neben- kanten. Die Ecken sind auch zweierlei Art, 8 sind regelmässige dreikantige, gebildet durch die Nebenkanten und 12 sind unregelmässige dreikantige, gebildet durch je eine Hauptkante und 2 Nebenkanten. Die Halbirungspunkte der Haupt- kanten sind die Endpunkte der tesseralen Achsen.

Die Dyakishexaeder sind Hernieder der Tetrakishexaeder 00 On und ent- stehen aus diesen durch Herrschendwerden der abwechselnden Flächen, wodurch von den vierzähligen Gruppen derselben über den eingeschriebenen Hexaeder- flächen je 2 gegenüberliegende Flächen wegfallen, was auch im Namen Dyakis- hexaeder gegenüber dem Namen Tetrakishexaeder am passendsten ausgedrückt ist. Aus jedem Tetrakishexaeder 00 On entstehen zwei vollkommen gleiche, aber verschieden gestellte Dyakishexaeder, welche als Gegenhemieder wegen derverschie-

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3'6

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

denen Stellung als und " unterschieden werden, während die Bezeich-

nung als

und

On

nicht so zweckmässig erscheint, weil hier nicht,

2 2

wie bei den tetraedrischen Hemiedern die Flächen des einen Hemieders diametral entgegengesetzte des Gegenhemieders sind- In Fig. 22 ist 2 als Gegenhe-

mieder zu

O2

2

dargestellt. Die Grösse der Kantenwinkel, welche vom wechseln-

den Werthe n abhängig ist, zeigt auch wieder eine Zu- und Abnahme der einen und der anderen Kanten in Verbindung mit der Zunahme des Werthes n, wie zunächst aus den fünf Beispielen ersichtlich ist.

Hauptk. Ncbenk.

ooOf

2

Oz

I02° 40' 49"

ii2°37' 12"

H9°n'47"

H7°29' 11"

I26052'i2" ii3034'4i" 143° 7'48" io7°27'27"

i5i055'4o" io3036'32"

Sie bilden zwei Reihen zwischen dem Rhombendodekaeder und dem Hexaeder

_ ooOn _

ooQ . . . . . . 00O00

2

00O3 2

00 O4

00 O

2

>0'n

und der Winkel der Hauptkanten liegt zwischen 90 0 und 1800, der der Neben- kanten zwischen 1200 und 900.

00 O 2

Von den angefahrten Beispielen ist das am häufigsten bei der Species

Pyrit vorkommende und wurde deshalb das Pyritoeder genannt, im Gegensatz zu welchem die anderen Pyritoide genannt und als scharfe und stumpfe Pyritoide unterschieden wurden, je nach der Grösse des Hauptkantenwinkels, welcher bei n < 2 schärfer und bei n > 2 stumpfer als 1260 52' 12" ist. Hai- d inger dagegen gebrauchte den Namen Pyritoide für alle Dyakishexaeder.

Werden die Hauptkanten mit A und die Nebenkanten mit C bezeichnet, so sind für die Berechnung der Kantenwinkel die Formeln tang \A = n und

(Min. 135-136.)

cos C=

die bequemsten.

Fig- 23.

Fig. 24.

»*-f- 1

6. Die Trapezikositetraeder.

mOn 2

Diese Gestalten sind (Fig. 23) von 24 gleichen und ähnlichen Trapezen um- schlossen, was der Name ausdrückt und diese Trapeze sind von der Art, wie Fig. 24 ein solches zeigt, dass ihre Seiten dreierlei Art sind, 2 gleichlange einander

folgende und 2 davon verschiedene von ungleicher Länge.

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Krystallgestalten, Krystallographie. 317

Die Trapezikositetraeder sind Hernieder der Tetrakontaoktaeder, aus diesen nach demselben Gesetz gebildet, wie die Dyakishexaeder aus den Tetrakis- hexaedern. Die Vergleichung der Gestalten mOn mit den Gestalten 00 On zeigt, dass je 2 an einer mittleren Kante anliegenden Flächen Paare über den Flächen =xsOn bilden und wenn von diesen den 00 On flächen entsprechenden 24 Paaren 12 abwechselnde herrschend werden bis zum Verschwinden der anderen 12 ab- wechselnden Paare, so entstehen die Trapezikositetraeder als parallelflächige

Hernieder der Tetrakontaoktaeder mOn, wesshalb sie als solche mit m " be-

2

zeichnet werden. Aus jedem Holoeder entstehen zwei gleiche, nur durch die

Stellung verschiedene Hernieder, m^n und m^ -. Der doppelte Theilungs- strich = zeigt an, dass diese Hernieder parallelflächige sind, was Naumann durch

die eckigen Klammern ausdrückte. Die Unterscheidung der beiden

Gegenhemieder durch -f- und erscheint hier ebensowenig wie bei den Dyakis- hexaedern angezeigt, weil die Flächen des einen Hemieders nicht die Gegenflächen des anderen sind.

Die 24 Flächen der Trapezikositetraeder bilden 8 dreizählige und 6 vier- zählige Flächengruppen und nach den Flächen der Dyakishexaeder 12 Flächen- paare. Nach dieser letzteren Gruppirung benannte Naumann diese Gestalten Dyakisdodekaeder, insofern sie 12 Paare über den Flächen der Pentagon- dodekaeder bilden, wie er die Dyakishexaeder nannte- Da aber aus dem Namen Dyakisdodekaeder nicht ersichtlich ist, über welchen Dodekaedern die Flächen paarweise gruppirt sind, so wurde der Name Trapezikositetraeder vorgezogen,

wie auch schon Bernhardi den Namen Trapezoidvierundzwanzigflach

00 O n

gab. Nach der Beziehung auf die Gestalten - wurden auch die Namen ge- brochene Pentagondodekaeder, gebrochene Pyritoeder, Diplopyri- toeder, Diplopyritoide und Diploide gegeben.

Die Trapezikositetraeder haben dreierlei Kanten: 12 gleiche längere und 12 gleiche kürzere symmetrische und 24 gleiche unregelmässige, der Länge nach mittlere. Die Ecken sind auch dreierlei Art: 6 symmetrische vierkantige, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Achsen sind, 8 regelmässige dreikantige und 12 unregelmässige vierkantige. Die symmetrischen vierkantigen werden durch je 2 längere und je 2 kürzere symmetrische Kanten, die dreikantigen durch die unregelmässigen Kanten und die unregelmässig vierkantigen durch eine längere und eine kürzere symmetrische Kante und durch zwei unregelmässige Kanten gebildet.

Als Beispiele mit ihren Kantenwinkeln mögen die vier Trapezikositetraeder 30| 4O2 5O4 8O4

» =r~- > - r und = = d,enen:

längere kürzere mittlere K.

30J

2

«48° 59'

5o"

1150

1 „„»1 22 37

1410

47' 12"

4O2

'54° 47'

28"

1280

I4' 48"

i3«°

48' 37"

5^ 2

1600 32'

•3"

"9°

3' 33"

i3iü

4' 56"

8Q4 2

1660 10'

i7"

■52°

Ol _ (f

8 9

112°

8' 11"

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3>8

Mineralogie Geologie und Pakeontologie.

Diese zeigen, wie es bei zwei von einander unabhängigen variablen Werthen tn und « vorauszusetzen ist, dass die Winkeigrössen keine regelmässige Folge zeigen, ausser dass die längeren symmetrischen Kanten mit zunehmendem Werthe tn zunehmen und bei m = oo ihr Maximum erreichen, = 1800 werden, mithin die

mg " in übergehen, während sie ihr Minimum =109° 28' 16" haben, wenn

w = 1 wird, also auch n = 1 sein muss, das Oktaeder als Endglied entsteht, wie die Reihen

mOn ooOn

mO' n 00 O'n

2

dies anzeigen.

On

O O

Werden im Einklänge mit

mit A die kürzeren symmetrischen Kanten

und mit C die unregelmässigen Kanten bezeichnet, während mit B die längeren symmetrischen Kanten (die oktaedrischen) wie im Holoeder bezeichnet werden,

n ym* -+- 1

dienen für die Berechnung ausser anderen die Funktionen tang\A =

™n<fl~*~l I" > aus welchen die oben (pag. 316) angegebenen 2 2 ~ ' 2 *" 2

so

und cosC=

der Dyakishexaeder hervorgehen.

Was schliesslich die trigonalen Zwischenachsen betrifft, deren Endpunkte die

Scheitelpunkte der 8 regelmässigen dreikantigen Ecken, sowohl in mOn

On

als auch

in

2

sind, so sind sie dieselben wie in den Holoedern 00 On und mOn

Die rhombischen Zwischenachsen haben hier keine Bedeutung, so wenig wie bei den tetraedrischen Hemiedern.

Das Gesetz der parallelflächigen Hemiedrie bedingt nur die Dyakishexaeder und Trapezikositetraeder und diese treten daher bei solchen Krystallspecies, welche diesem Gesetze entsprechen, mit den fünf Arten von Holoedern, mit O, o©0, 00O00, mOm und mO in Verbindung, während bei der tetraedrischen Hemiedrie vier Arten von Hemiedern mit drei Arten von Holoedern in Verbindung treten, wie es aus den beiden Schemen I für die tetraedrische, II für die parallelflächige Hemiedrie ersichtlich ist.

coO~

(Mlu. 137-138.) Schema I.

Schema II.

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Krystallgeslalten, Krystallographic.

319

Ausser diesen zwei Gesetzen hemiedrischer Bildungsweisc, welche bei Mineral- krystallen mit z. Th. ausgezeichneter Entwicklung beobachtet werden, wurde noch (pag. 314) ein drittes Gesetz vorübergehend erwähnt, und in diesem Sinne möge die Bemerkung genügen, dass im tesseralen System auch tetart oedrisc he Bildung möglich ist.

C. Tesserale Combinationen. Bei der grossen Mannigfaltigkeit der Combinationen ist hier nicht der Ort, dieselben ausführlich zu erörtern, sondern es muss wegen derselben auf die zu

(Min. 189-142.)

Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28.

eingehenden Studien dienenden Lehrbücher der Krystallographie verwiesen werden. Es sollen daher hier nur die wichtigsten Verhältnisse der Combina- tionen kurz besprochen werden, zu deren Erläuterung einige Reihen von Beispielen dienen sollen.

Wenn, wie bereits erwähnt wurde (pag. 295 u. 296) zwei einfache Gestalten eine Combination bilden, so werden die Begrenzungselemente gegenseitig durch das gleichzeitige Auftreten von zwei einfachen Gestalten an demselben Krystalle ver- ändert, und es wurde deshalb schon angegeben, mit welchen Ausdrücken man solche Veränderungen zu bezeichnen pflegt.

Will man sich z. B. das Auftreten von Flächen des Hexaeders am Oktaeder veranschaulichen, so ersieht man aus der Fig. 25, dass, wenn die beiden Gestalten mit gleichen Achsen und gleichem Mittelpunkte gezeichnet sind, die Flächen des Hexaeders durch die Achsenendpunkte (durch die Scheitelpunkte der Oktaeder- ecken) parallel den Hauptschnitten gelegte Ebenen sind. Dadurch werden aber nicht die Ecken des Oktaeders, überhaupt nicht die Begrenzungselemente des- selben verändert. Denkt man sich aber, wie Fig. 26 zeigt, das Oktaeder grösser und mit demselben Hexaeder in Verbindung, um die vorherrschende Gestalt in der Combination mit dem Hexaeder darzustellen, so ersieht man, dass durch die Flächen des Hexaeders gleiche Stücke der Oktaederecken abgeschnitten werden und wenn man diese Abschnitte der Oktaederecken wegnimmt, sowie das Hexaeder, von dessen Flächen nur die gegenseitigen Durchschnittsflächen der beiden einander durchdringenden Gestalten übrig bleiben, so erhält man (Fig. 27) das vorherrschende Oktaeder in Combination mit dem untergeordneten Hexaeder. Das Hexaeder bildet, wie man sich ausdrückt, am Oktaeder Abstumpfung der Ecken, oder es stumpft die Ecken des Oktaeders ab. Gegenüber anderen Fällen, wo man von Abstumpfung der Ecken spricht, fügt man, wie es hier auch noth wendig wird, bei, dass die Abstumpfung eine gerade ist, oder dass die Ecken des Oktaeders durch die Flächen des Hexaeders gerade abgestumpft werden. Dieser nähere Ausdruck gerade wird gebraucht, wenn die abstumpfende

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320

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Fläche gleiche Neigungswinkel mit den gleichen Flächen der Ecke bildet, des- gleichen auch mit den gleichen Kanten der Ecke. Dies ist hier der Fall.

Die Combination des Hexaeders mit dem Oktaeder wird durch die Zeichen beider Gestalten in der Weise ausgedrückt, dass man das Zeichen der vor- herrschenden Gestalt zuerst schreibt, dann das Zeichen der untergeordneten Gestalt folgen lässt, beide durch einen Punkt getrennt. So ist O-o&Ooo das Zeichen der besprochenen Combination. Stellt man die Zeichen in umgekehrter

(Mio. 143-145.)

Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31.

Reihenfolge, so ist 00 Ooo O das Zeichen der Combination, welche (Fig. 28) das Hexaeder als vorherrschende Gestalt zeigt, woran das Oktaeder die Ecken gerade abstumpft. Da nun bei Combinationen O.00O00 oder 00 O 00. 0, wie man dies auch durch eine Reihe von Zeichnungen wiedergeben könnte, die relative Grösse der combinirten Gestalten wechselt, so kann bisweilen der Fall vorkommen, dass in der Reihe

O O.00O00 00O00.O . . . . 00 O <v

eine Combination vorkommt, welche die Entscheidung zweifelhaft macht, welche Gestalt die vorherrschende ist, im Zeichen voran gestellt werden soll, wie dies z. B. die Zeichnung (Fig. 29) darstellt. Solche zufällige Bildungen hat man bis- weilen als sogenannte Mittel formen in der Combinationsreihe fixirt, ihnen so- gar eigene Namen gegeben, wie man die gezeichnete Cubooktaeder-benannte. Solche Benennungen sind nicht nothwendig und bei der Bezeichnung ist es auch gleichgiltig, ob man 0.<»Ooo oder ooOoo.O schreibt, zumal solche Er- scheinungen sogen. Mittelformen zufällige sind, selten vorkommen.

Da an tesseralen Krystallen gewöhnlich in den Combinationen vorherrschend das Oktaeder, das Hexaeder oder das Rhombendodekaeder, bei hemiedrischer Bildungsweise das Tetraeder oder ein Dyakishexaeder als vorherrschende Gestalt auftritt, so dienen als Beispiele zweifacher Combination folgende: 1. am Oktaeder O bildet ein jedes Triakisoktaeder mO Zuschärfung der Kanten (Fig. 30 die Com- bination O.2O); das Rhombendodekaeder 00 O gerade Abstumpfung der Kanten (Fig. 31 die Combination O.00O); ein jedes Deltoidikosi- tetraeder mOm vierflächige Zuspitzung der Ecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt (Fig. 32, die Combination O.2O2); das Hexaeder 00 Ooo gerade Abstmpfung der Ecken (Fig. 27 auf pag. 319) die Combination O.00O00; ein jedes Tetrakontaoktaeder mOn acht- flächige Zuspitzung der Ecken, die Zuspitzungsflächen paarweise auf die Flächen oder Kanten gleichmässig schief aufgesetzt ; ein jedes Tetrakis- hexaeder »On vierflächige Zuspitzung der Ecken, die Zuspitzungsflächen

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KrystaUgestalten, Kiystallogrophie.

oo O n

gerade auf die Kanten aufgesetzt; ein jedes Dyakishexaeder - Zu- schärfung der Ecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf zwei gegenüber-

oo O 2

liegende Kanten gerade aufgesetzt (Fig. 33 die Combination O - );

ro O n

ein jedes Trapezikositetraeder - g ~ vierflächige Zuspitzung der Ecken, die

Zuspitzungsflächen paar- weise und gleichmässig schief auf zwei gegen- überliegende Kanten oder Flächen aufgesetzt. Aus diesen und ähnlichen Angaben bei anderen Combina- tionen geht hervor, welcher Art die untergeordnete Gestalt ist, weil die aus der Angabe re- sultirende Zahl und Grup- F'ß- 3*- F«g- 33-

pirung der Flächen die Art bestimmt. So ersieht man sogleich, wenn es heisst, durch Zuschärfung der Kanten des Oktaeders entsteht ein Triakis- oktaeder, dass die untergeordnete Gestalt ein Triakisoktaeder sein muss. Weil das Oktaeder 12 Kanten hat, so muss die Gestalt, welche die Kanten zuschärft, 24 Flächen haben und weil an jeder Kante 2 Flächen der untergeordneten Ge- stalt auftreten, so sind die 24 Flachen zweiflächig gruppirt, bilden 12 Flächen- paare. Weil ferner an jeder Oktaederflächc bei dieser Combination 3 Flächen anliegen, so folgt daraus, dass die 24 Flächen 8 dreizählige Gruppen bilden; es hat also die fragliche Gestalt mit 24 Flächen die doppelte Gruppirung 12 "2 und 8*3 und diese Gruppirung ist nur den Triakisoktaedern eigen, also bilden diese Zuschärfung der Kanten am Oktaeder. Andererseits ersieht man auch aus der Lage der Flächen, welcher Art von Gestalten sie angehören. Die die Kanten des Oktaeders zuschärfenden Flächen sind durch die Endpunkte von je 2 Halb- achsen gelegt, während die dritte Halbachse des zugehörigen Oktanten verlängert gedacht werden muss, damit die erweiterte Fläche sie schneide. Die Flächen haben also das Parameterverhältniss 1:1:»/, sind Triakisoktaederflächen.

Wenn es ferner heisst, durch gerade Abstumpfung der Kanten des Oktaeders entsteht das Rhombendodekaeder, so ergiebt sich aus der Zahl 12 der Oktaeder- kanten, dass die Gestalt 12 Flächen hat und keine Gruppirung der 12 Flächen zeigt, was nur unter den Gestalten mit 12 Flächen Eigenthümlichkeit des Rhombendodekaeders ist. Aus der Angabe, dass die Abstumpfung der Kanten eine gerade ist, d. h. dass die abstumpfenden Flächen gegen die zwei gleichen die Kante bildenden Flächen gleich geneigt sind, geht hervor, dass die gerade abstumpfende Fläche das Parameterverhältniss 1 : 1 : 00 hat, die mit O combinirte Gestalt das Rhombendodekaeder ist.

Wenn es ferner heisst, um noch an einer dritten Combination die Folge der Angabe zu besprechen, dass ein jedes Deltoidikositetraeder am Oktaeder vier- flächige Zuspitzung der Ecken bildet, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt, so ergiebt sich aus der vierflächigen Zuspitzung der 6 Ecken, dass die combinirte Gestalt 24 Flächen mit der Gruppirung 6" 4 hat. Da ferner an jeder Oktaederfläche je 3 Flächen derselben anliegen, so bilden die 24 Flächen

Kknmgott, Min., G«ol. u. Pal. U. 21

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322

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

auch die Gruppirung 8' 3. Unter den vierundzwanzigflächigen Gestalten aber haben nur die Deltoidikositetraeder die Gruppirung 6 4 und 8*3, wesshalb diese so am Oktaeder erscheinen. Ueberdies zeigt auch die Lage der Flächen das Parameterverhältniss der Gestalten mOm an, da jede solche in der Combination auftretende Fläche zeigt, dass sie durch den Endpunkt einer Halbachse gelegt ist und dass, weil die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt sind, d. h. gegen die zwei gleichen anstossenden Kantenlinien gleiche Neigung haben, die beiden anderen zum bezüglichen Oktanten gehörigen Halbachsen auf gleiche Weise verlängert werden müssen, damit sie von der gerade aufgesetzten Fläche geschnitten werden, wenn dieselbe entsprechend erweitert gedacht wird. Das Parameterverhältniss ist demnach Umim, das der Gestalten mOm.

Auf diese Weise kann man bei jeder richtigen Angabe der Combination, welche die Erscheinungsweise der combinirten Flächen ausdrückt, die Gestalt be- stimmen, welche die Combination bildet. 2. Am Hexaeder ooOo© bildet das Oktaeder O gerade Abstumpfung der Ecken (Fig. 28 auf pag. 319); ein jedes Triakisoktaeder mO dreiflächige Zuspitzung der Ecken, die Zu- spitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt; das Rhombendodekaeder

(Min. 148-151).

v

Fig. 34- Fig. 35. Fig. 36. Fig. 37.

00 O gerade Abstumpfung der Kanten (Fig. 34); ein jedes Deltoidikosi- tetraeder mOm dreiflächige Zuspitzung der Ecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt (Fig. 35 Combination 00O00.2O2); ein jedes Tetrakishexaeder ooOn Zuschärfung der Kanten (Fig.36 00 O 00. 00 O 3); ein jedes Tetrakontaoktaeder mOn sechsflächige Zuspitzung der Ecken, die Zuspitzungsflächen paarweise gleichmässig schief auf die Flächen oder

O O'

Kanten aufgesetzt; das Tetraeder - oder gerade Abstumpfung der

. ooOn ,

abwechselnden Ecken (Fig. 37); ein jedes Dyakishexaeder oder ooO'n

schiefe Abstumpfung der Kanten (Fig. 38); ein jedes Trapez-

mO'n

~~2

mOn , ikositetraeder oder 2

dreiflächige Zuspitzung der Ecken, die

Zuspitzungsflächen gleichmässig schief auf die Kanten oder Flächen aufgesetzt. 3. Am Rhombendodekaeder 00O bildet das Oktaeder O gerade Abstumpfung der dreikantigen Ecken (Fig. 39); ein jedes Triakisoktaeder mO dreiflächige Zuspitzung der dreikantigen Ecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt (Fig. 40 00O2O); das Deltoidikositetraeder 2O2 gerade Abstumpfung der Kanten (Fig. 41); ein jedes Deltoidikositetraeder mOm mit dem Werthe *w>2 vierflächige Zuspitzung der vierkantigen Ecken, die Zuspitzungsflächen ge-

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Kry stallgestalten, Krystallographie.

323

6

1

' 1

! 00O00

I i

1ZL

X

4*

Fig. 38. Fig. 39. Fig. 40.

(Mio. 152 -154.)

rade auf die Kanten aufgesetzt; ein jedes Deltoidikositetraeder mOm mit dem Werthe m < 2 dreiflächige Zuspitzung der dreikantigen Ecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt; das Hexaeder 00 O 00 gerade Abstumpfung der vierkantigen Ecken (Fig. 42); ein jedes Tetrakis-

(Mln. 155-157.)

Fig. 41.

Fig. 42.

Fig- 43-

hexaeder ooOn vierflächige Zuspitzung der vierkantigen Ecken, die Zu- spitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt (Fig. 43 ooO-ooOa); ein jedes Tetrakontaoktaeder mOn, bei welchem mn=m-\~n ist, Zu- schärfung der Kanten; ein jedes Tetrakontaoktaeder mOn, bei welchem mn > m -+- n ist, achtflächige Zuspitzung der vierkantigen Ecken, die Zu- spitzungsflächen paarweise und gleich mässig schief auf die Flächen oder Kanten aufgesetzt; ein jedes Tetrakontaoktaeder mOn, bei welchem mn<m + n ist, sechsflächige Zuspitzung der dreikantigen Ecken, die Zu- spitzungsflächen paarweise und gleich mässig schief auf die Flächen oder

* O . O'

Kanten aufgesetzt; das Tetraeder oder gerade Abstumpfung der ab- wechselnden dreikantigen Ecken; ein jedes Dyakishexaeder °°Qn

2

00 O'n

- Zuschärfung der vierkantigen Ecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf zwei gegenüberliegende Flächen aufgesetzt; ein jedes Trapezikosi-

tetraeder m oder ==== , bei welchem mn = m 4- n ist, schiefe Ab- 2 2

... , mOn . mO'n , . stumpfung der Kanten; ein jedes Trapezikositetraeder ===== oder , bei

welchem mn>m-\-n ist, vierflächige Zuspitzung der vierkantigen Ecken, die Zuspitzungsflächen paarweise und gleichmässig schief auf zwei gegenüber- liegende Flächen oder Kanten aufgesetzt; ein jedes Trapezikositetraeder

21»

oder

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

mOn , mOn , . , , . . , , . ~

== oder , bei welchem mn<m + n ist, dreiflächige Zuspitzung

2 2

der dreikantigen Ecken, die Zuspitzungsflächen gleichmässig schief auf die Flächen oder Kanten aufgesetzt

4. Am Tetraeder - bildet

2

O'

das Gegentetraeder gerade Abstumpfung der Ecken (Fig. 44); das Rhombendodekaeder ~0 dreiflächige Zuspitzung der Ecken, die Zu-

(Min. lM-KOl)

Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46.

spitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt, wobei die Kanten- winkel der neu entstandenen dreikantigen Ecken = 120° sind (Fig. 45)

mO

ein jedes Deltoiddodekaeder eine dergleichen Zuspitzung, wobei aber

die Kantenwinkel der neu entstandenen dreikantigen Ecken kleiner als 1200

mO'

sind; ein jedes Deltoiddodekaeder in der Gegenstellung— ^— eine dergleichen Zuspitzung, wobei aber die Kantenwinkel der neu entstandenen Ecken

grösser als 1200 sind; ein jedes Trigondodekaeder m®m Zuschärfung der

m O 'm

Kanten; ein jedes Trigondodekaeder in der Gegensteilung - drei- flächige Zuspitzung der Ecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt; das Hexaeder 00O00 gerade Abstumpfung der Kanten

mOn ,

- eine spitze sechsflächige Zu- spitzung der Ecken, die Zuspitzungsflächen paarweise und gleichmässig schief auf die Flächen oder Kanten aufgesetzt; ein jedes Hexakis-

tetraeder m^ " eine dergleichen stumpfe.

cx>On

5. An einem Dyakishexaeder bildet das Oktaeder O gerade Ab-

(Fig. 46); ein jedes Hexakistetraeder

00 O2

O); das Rhomben-

stumpfung der regelmässigen Ecken (Fig. 47

dodekaeder 00 O Abstumpfung der unregelmässigen Ecken, die Ab- stumpfungsflächen gerade auf die Hauptkanten aufgesetzt; ein jedes andere

ooOn'

Dyakishexaeder gleicher Stellung

Zuschärfung der Hauptkanten, wenn

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Krystallgestalten, Krystallographie.

32S

«'>« ist; eine ähnliche Abstumpfung der unregelmässigen Ecken, wie das Rhombendodekaeder, wenn »'<« ist, wobei aber der Neigungswinkel der Combinationskanten zu bestimmen ist, um diese Combination von der 00 On

Combination - 00O zu unterscheiden; das Hexaeder 00O00 gerade

00 O2

Abstumpfung der Hauptkanten (Fig. 48 - ooOoo); ein jedes Dyakis-

hexaeder in der Gegenstellung

00

OV

2

eine ähnliche Abstumpfung der

gleichviel ob n' = oder >

(Min. 161-162.)

Fig. 47-

Fig. 48.

00 On

unregelmässigen Ecken wie 00 O an - , oder < n ist, was

gleichfalls nur durch Messung der Combinations kantenwinkel zu entscheiden ist; die Trapezikosite- traeder in gleicher oder in der Gegen- stellung bilden sehr verschiedene Combinationen

mit den Dyakishexaedern, wie Zuschärfungen der unregelmässigen Ecken, schiefe Abstumpfung der Nebenkanten oder dreiflächige Zuspitzung der regel- mässigen Ecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufgesetzt, welche hier nicht näher zu erörtern sind, nur in Betreff der dreiflächigen Zuspitzung ist zu

bemerken, dass wenn bei gleicher Stellung an 00 ®n ejne solche

2 2

bildet, die Combinationskanten mit den Höhenlinien der Pentagone parallel sind, wenn der Werth n in beiden Gestalten derselbe ist. Bildet jedoch ein

Trapezikositetraeder in der Gegenstellung -— ^— an —~— eine solche

Zuspitzung und sind die Höhenlinien parallel den Combinationskanten, so ist der Werth m gleich dem n des Dyakishexaeders.

Bei der grossen Mannigfaltigkeit der Combinationen sollten die angegebenen zweifachen nur als Beispiele der Mannigfaltigkeit dienen; alle zweifachen Com- binationen aufzuzählen, würde hier nicht zweckmässig gewesen sein. Man er- sieht aber aus den angegebenen Beispielen, dass wesentlich auf die gegenseitige Lage der Flächen, ihre Zahl und Gruppirung zu achten ist, weil die Gestalt der Flächen durch die Combination verändert wird. Es entstehen auch immer neue Kanten und Ecken, welche als Combinationskanten und Combinationsecken be- nannt durch weitere hinzutretende Gestalten verändert werden können, welche Veränderungen in ähnlicher Weise beschrieben werden.

Bei mehrfachen Combinationen dient das beifolgende Schema zur Bestimmung derselben, insofern es die Gruppirung der Flächen der holoedrischen Gestalten um eine Oktaederfläche herum andeutet. Es kann auch benützt werden, wenn keine Oktaederflächen sichtbar sind, weil man nach Feststellung der Endpunkte der Achsen sich jederzeit die richtige Lage der Oktaederflächen an dem fraglichen Krystall denken kann.

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eoOeo

326 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Ein weiteres Eingehen auf die Bestimmung der in den Combinationen vor- kommenden Gestalten würde die Grenze überschreiten, welche nothwendig hier (Min. 168.) der Beschreibung der Krystall-

gestalten gegenüber einem voll- ständigen Lehrbuch derKrystallo- graphie gesteckt werden musste, nur kann noch schliesslich eine Formel angeführtwerden, welche ohne besondere Schwierigkeit benützt werden kann, um aus gemessenen Neigungswinkeln von Flächen die Werthe von m oder n in variablen Krystallge- stalten zu berechnen.

Aus der genannten Dar- stellung der tesseralen Gestalten ergiebt sich, dass jede einzelne Fläche durch ihre Parameter ausgedrückt werden kann. Wird nun ganz allgemein bei der angegebenen Stellung der Achsen und Halbachsen der in der senkrecht oder vertikal gestellten Achse liegende Parameter irgend einer Fläche mit v oder v je nach der positiven oder negativen Halbachse be- zeichnet, der in der quer vor dem Beobachter liegenden horizontalen Achse liegende Parameter mit q oder q und der in der längshin laufenden horizon- talen Achse liegende Parameter mit / oder / bezeichnet, so hat jede Fläche drei Parameter vql, welche je nach der Lage in den Oktanten auch negativ sein können. Hat nun eine Fläche die Parameter vql, eine andere Fläche die Parameter v' q' /' so lässt sich der Neigungswinkel YV der beiden Flächen all-

gemein durch die Forme! c - _ ^ W

yv*q* V^P -h q*/*}/v' *q 2 + H- q'ifi

ausdrücken, deren Verwerthung eine sehr mannigfaltige ist und keine besondere

Schwierigkeit hat

Ist z. B. das Oktaeder mit einem Deltoidikositetraeder raOm combinirt und zwar wie die Fig. 32 auf pag. 321 zeigt, mit dem Deltoidikositetraeder 2O2, so würde an eintr solchen Combination nicht unmittelbar ersichtlich sein, welche Gestalt mOm es ist, weil jedes mOm eine solche vierflächige Zuspitzung der Ecken bildet, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt Der Combinationskanten- winkel jedoch würde den Werth m bestimmen lassen. Berechnet man nun aus obiger Formel für cos W den Combinationskantenwinkel der Gestalt mOm mit 0, so erhält man eine Formel, welche für alle Gestalten mOm gilt; aus dieser Formel kann man dann den Combinationskantenwinkel für jedes beliebige mOm berechnen, so auch für 2O2 mit O. Umgekehrt kann man aus dem im be- sonderen Falle gemessenen Combinationskantenwinkel den Werth ilir m berechnen.

Um nun zunächst aus obiger Formel des cos IV die Formel für ein be- liebiges mOm zu berechnen, hat man für v ql und v' q' V die Parameter der bezüglichen Flächen dafür einzutragen. Die rechte obere vordere Oklaederflache liegt im positiven Oktanten und ihre Parameter sind in, also ist in der Formel des cos IV für v, q und / 1, 1 und 1 einzutragen. An dieser Oktaederfläche liegen 3 Flächen mOm, welche gegen O gleich geneigt sind. Wählt man die

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Krystallgestalten, Kiystallographic.

327

obere Fläche, so sind ihre Parameter v' q' /' 1 m m und setzt man auch diese Werthe in die Formel des cos IV, so erhält man

m m -+- m* 2m -+- m3

COS W— . = . =

2 + w l/3 >/2 -f- JOT» "

Dieser Werth gilt für alle Gestalten m O m, ist dagegen m 2, so ist für 4

2O2 cos IV = 7=7— oder = y * . Aus dieser Formel ergiebt sich

•|/3 >/6 r

^ W = 1600 31 ' 44" als Neigungswinkel der Fläche 2O2 gegen die Ofläche.

CK O/2O2 = 1600 31 ' 44", der Combinationskantenwinkel von O und 2O2 ist

= i6o°3i'44".

Würde man m = 3 gesetzt haben, so hätte man CK O/3O3 = 1500 30' 14" gefunden.

Ist dagegen der Combinationskantenwinkel durch Messung bestimmt worden, so kann man aus der Formel dir cos IV den Werth m berechnen. In Fällen, wo zwei Parameter zu bestimmen sind, wie bei mOn und den Hemiedern der- selben, muss die Rechnung auf zwei gemessenen Winkeln beruhen, ausser wenn auf andere Weise das Verhältniss zwischen /// und n bekannt ist.

II. Das quadratische Krystallsystem.

Dasselbe umfasst alle Krystallgestalten, deren geometrischer Grundcharakter durch drei rechtwinklige, sich gegenseitig halbirende Achsen festgestellt ist, von denen nur zwei gleichlang sind und die dritte davon verschieden ist. Diese dritte ist entweder länger oder kürzer als die beiden gleichen. Da nun hier gegenüber den tesseralen Achsen ein Unterschied der Achsen vorliegt, so wird die eine, von den beiden gleichlangen verschiedene Achse als Hauptachse unterschieden, gegenüber welcher dann die beiden gleichlangen die Nebenachsen genannt werden. Die quadratischen Gestalten werden allgemein so vor den Be- obachter gestellt, dass die Hauptachse vertikal oder senkrecht steht, wodurch dann die beiden Nebenachsen horizontal liegen, und in Uebereinstimmung mit den tesseralen Achsen stellt man die beiden Nebenachsen wie die zwei horizon- talen tesseralen Achsen, so dass eine derselben quer vor dem Beobachter liegt, die andere dann gegen ihn gerichtet ist. Bezeichnet man die Längen der Halb- achsen mit Buchstaben, die Länge der halben Hauptachse mit a und die Länge der halben Nebenachsen mit b, so ist a\b:b der allgemeine Ausdruck eines quadratischen Achsenverhältnisses und a ist entweder grösser oder kleiner als b. Man kann das Achsen verhältniss auch kürzer durch a:i:i ausdrücken, weil jedes durch Zahlen ausgedrückte Verhältniss a.b'.b sich in <*:i:i umrechnen lässt.

Die durch je zwei Achsen gelegten Ebenen, die 3 Hauptschnitte der quadratischen Krystallgestalten sind in Folge der Ungleichheit der Achsen zweier- lei. Die 2 durch die Hauptachse und je eine Nebenachse gelegten Schnitte sind gleiche, der dritte, der horizontale Hauptschnitt, in welchem die zwei gleichen Nebenachsen liegen, ist stets entweder ein Quadrat oder bildet eine Figur, in oder um welche sich ein Quadrat beschreiben lässt. So zeigen z. B. die 3 Figuren 49, 50, 51 horizontale Hauptschnitte holoedrischer quadratischer Gestalten. Fig. 49 ist ein Quadrat, in welchem die beiden Nebenachsen die Diagonalen des Quadrates sind, Fig. 5 1 ist ein Quadrat, in welchem die Neben-

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3*8

Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

achsen die Halbirungspunkte der parallelen Quadratseiten verbinden und Fig. 50 zeigt symmetrische Oktogone, in welche man, wie die punktirten Linien zeigen ein Quadrat einzeichnen oder um welche man ein Quadrat zeichnen kann. Da diese Quadrate und die damit zusammenhängenden Gestalten in dem Systeme wichtige Figuren der Hauptschnitte sind, wurde es von Glocker (dessen Hand- buch der Mineralogie pag. 148) quadratisches System genannt, während Nau-

(Min. 164-167.)

1

Fig. 49.

Fig- 5»-

Fig. 52-

mann (dessen Lehrbuch der reinen und angewandten Krystallographie I, pag. 253) nach Breithaupt's Vorgange den Namen tetragonales System vorzog, da jedoch das Quadrat eine in der Mathematik mit diesem Namen be- zeichnete, bestimmte vierseitige Figur ist, der Name Tetra- gon auch für andere Vierseite gebraucht werden kann, so erscheint der Name quadratisches zweckmässiger. Hausmann nannte es monodimetrisches, Weiss viergliedriges, Mohs pyramidales und G. Rose zwei- und einachsiges System.

Vor der Beschreibung der quadratischen Gestalten ist noch zu bemerken, dass das in Fig. 49 dargestellte Quadrat das normale genannt wird, dessen Seiten die Verbindungslinien der Endpunkte der Nebenachsen sind, das andere, Fig. 51, heisst das diagonale, weil seine Seiten parallel den Diagonalen des normalen Quadrates sind, parallel den Nebenachsen. Die Seiten des normalen Quadrates haben abgesehen von der positiven und negativen Achsenhälfte die Parameter 1, 1 oder b, b\ die Seiten des diagonalen Quadrates die Parameter 1, 00 oder b,oob und die Seiten jedes symmetrischen Oktogons, welches um das nor- male Quadrat umschrieben oder in das diagonale Quadrat eingeschrieben wird, hat die Parameter 1, n oder b, nb, wobei n eine rationale Zahl grösser als 1 ausdrückt.

A. Holoedrische einfache Gestalten. 1. Die normalen quadratischen Pyramiden mP.

Diese sind von 8 gleichschenkligen Dreiseiten umschlossen, wie eine Fig. 52 darstellt, und diese 8 Flächen bilden 2 vierzählige Gruppen, oder 4 Flächen- paare. Diese Gestalten haben 12 Kanten zweierlei Art, 4 regelmässige und 8 symmetrische und 6 vierkantige Ecken zweierlei Art, 2 regelmässige und 4 symmetrische. Die Scheitelpunkte der 2 regelmässigen Ecken sind die End- punkte der Hauptachse, die Scheitelpunkte der 4 symmetrischen die Endpunkte der Nebenachsen. Der horizontale Hauptschnitt ist das normale Quadrat, durch welches die ganze Gestalt in 2 gleiche quadratische, d. i. gleichseitig vierseitige Pyramiden mit quadratischer Basis getheilt wird. In diesem Sinne sollten die aus diesen zwei Pyramiden zusammengesetzten Gestalten richtiger quadratische

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Krystallgestalten, Krystallographie.

329

Doppelpyramiden genannt werden, nur wurde der einfachere Ausdruck quadratische Pyramiden vorgezogen. .

Die 2 regelmässigen Ecken bestimmen durch ihre Scheitelpunkte die Enden der Hauptachse und heissen desshalb die Endecken, im Gegensatz zu welchen die 4 symmetrischen Ecken die Seitenecken genannt werden. Darauf be- züglich werden die 8 symmetrischen Kanten die Endkanten und die 4 regel- mässigen Kanten die Seitenkanten genannt. Das Parameterverhältniss für jede solche quadratische Pyramide ist allgemein das quadratische Achsenver- hältniss a\b\b oder a:i:i. Normale quadratische Pyramiden oder quadratische Pyramiden in normaler Stellung werden diese Pyramiden genannt, weil ihr hori- zontaler Hauptschnitt das normale Quadrat ist.

Als normale quadratische Pyramiden lassen sie sich unmittelbar mit dem Oktaeder vergleichen und als spitze und stumpfe unterscheiden. Mit dem

Fig. 53- Fig. 54. Fig. 55.

Oktaeder verglichen sind, wie die 3 nebeneinandergestellten Figuren zeigen, von denen Fig. 53 eine spitze, Fig. 54 das Oktaeder des tesseralen Systems, Fig. 55 eine stumpfe normale Pyramide darstellt, spitze quadratische normale Pyramiden solche, deren Endecken spitzer sind als die Ecken des Oktaeders und deren End- kanten schärfer sind als die Kanten des Oktaeders. Bei den stumpfen normalen quadratischen Pyramiden sind die Endecken stumpfer als die Ecken und die Endkanten stumpfer als die Kanten des Oktaeders. Gleichzeitig sind bei den spitzen die Seitenkanten stumpfer als die Endkanten und als die Kanten des Oktaeders; bei den stumpfen dagegen sind die Seitenkanten schärfer als die Endkanten und als die Kanten des Oktaeders.

Die quadratischen Pyramiden normaler Stellung, welche Naumann tetrago- n ale Pyramiden in der ersten Stellung oder tetragonale Protopyramiden nannte, lassen sich also mit dem Oktaeder vergleichen und wurden daher auch Oktaeder genannt, wobei aber noch eine Unterscheidung im Namen beigefügt werden musste, wie z. B. Weiss sie viergliedrige Oktaeder oder Quadrat- oktaeder nannte, während Haidinger sie nur schlichthin Pyramiden nannte.

Wenn man auch so die normalen quadratischen Pyramiden mit dem Okta- eder vergleichen kann, so ist trotzdem das Oktaeder als die von 8 gleichseitigen Dreiseiten begrenzte Gestalt vom quadratischen Systeme ausgeschlossen und man kann nicht die quadratischen Pyramiden vom Oktaeder ableiten, welches nur die Grundgestalt des tesseralen Systems ist und als solche die Ableitung aller anderen tesseralen Gestalten aus seinem Achsenverhältniss gestattete.

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330

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Vergleicht man aber die bei einer Species vorkommenden normalen quadratischen Pyramiden untereinander, so ergiebt jede für sich ein quadratisches Achsenverhältniss a.b'.b oder 0:1:1 und wenn man bei der letzteren Schreib- weise die verschiedenen Werthe ftir 0 mit einander vergleicht, so ergiebt das a einer jeden dividirt durch das 0 einer anderen eine rationale Zahl und man fand sich dadurch veranlasst, eine solche Pyramide als Grundgestalt auszu- wählen, von welcher die anderen durch rationale Coefficienten von dem 0 der Grundgestalt abzuleiten sind. Diese als Grundgestalt gewählte normale qu. Pyramide verhält sich dann zu allen anderen Gestalten der Species, wie das Oktaeder zu den anderen tesseralen Gestalten, |wesshalb man auch die Grund- gestalt bisweilen das quadratische Oktaid nennt. Diese Grundgestalt wird mit P bezeichnet und hat ein numerisch aus ihren Kantenwinkeln zu bestimmen- des Achsenverhältniss 0:1:1. Die halbe Hauptachse 0 ergiebt sich dann gegen- über dem Werthe 1 für die halben Nebenachsen als eine irrationale Zahl.

Diese Ausdrucksweise, die Länge der halben Hauptachse gegenüber dem Werthe 1 für die Länge der halben Nebenachsen durch eine irrationale Zahl grösser oder kleiner als 1 auszudrücken, ist gegenwärtig die gebräuchliche, doch sieht man leicht ein, dass sie nicht die allein nothwendige oder allein richtige ist. So konnte man z. B. auch die Bestimmung treffen, bei Grundgestalten \\ in denen 0 > 1 ist, das Verhältniss a:i:i zu wählen, bei Grundgestalten aber, in denen 0 < 1 ist, dieses so umzurechnen, dass 0 als Einheit gewählt wird und dann nothwendig b eine irrationale Zahl grösser als 1 ist. Man könnte aber auch die beiderlei Halbachsen durch Zahlen ausdrücken, welche dem Verhält- niss 0:1 oder i:b entsprechen, oder man könnte auch, wie es bisweilen ge- schehen ist, das Verhältniss a.b durch Wurzeigrössen ausdrücken, welche be- sonders bequem für die Berechnungen sind. Immer aber ist das Achsenver- hältniss der erwählten Grundgestalt ein bestimmtes numerisches und von den ge- messenen Winkeln abhängiges.

Schliesslich ergiebt sich auch aus der Wahl der Grundgestalt für irgend eine quadratische Species, dass die Wahl derselben eine willkürliche ist, doch kommt es selten vor, dass bei einer Species nach Verschiedenheit der Auffassung der Krystallgestalten derselben nicht dieselbe Grundgestalt gewählt worden ist, was nach Möglichkeit vermieden wird.

Die gewählte Grundgestalt gestattet nun, aus ihr, wie im tesseralen Systeme aus dem Oktaeder alle anderen Gestalten der Species abzuleiten oder auch solche, welche noch nicht an ihr gefunden worden sind und in diesem Sinne werden alle quadratischen Gestalten besprochen, dass man überhaupt von einer Grund- gestalt ausgeht, welche das Achsenverhältniss 0:1:1 oder a'.b.b hat.

Was nun zunächst die normalen qu. Pyramiden betrifft, so gestattet die Grundgestalt P aus ihr andere normale qu. Pyramiden abzuleiten, welche spitzer oder stumpfer als die Grundgestalt sind. Verändert man nämlich das Achsen- oder Parameterverhältniss derselben so, dass anstatt 0:1:1 das Paramcterver- hältniss ma\ 1:1 gesetzt wird, wobei tn eine rationale Zahl grösser oder kleiner als 1 ausdrückt, was man in den Symbolen durch rn oder rh bezeichnet, so ergeben sich durch diese Parameterverhältnisse, wenn m > 1 ist, normale qu. Pyramiden, welche spitzer als P sind und nach Naumann's Vorgange mit mP bezeichnet werden. Ist aber m < 1, so ergeben sich normale qu. Pyramiden, welche stumpfer als P sind und mit mP bezeichnet werden. Es ergiebt sich daraus eine Reihe

.... 111 P ....P...a mP ....

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KrystaUgestalten, Krystallographie.

331

und da die Grundgestalt in dieser als iP aufgefasst werden kann, so folgt da- raus das allgemeine Symbol mP der normalen qu. Pyramiden, in welchem m = 1 gesetzt werden kann, um im Besonderen die spitzeren oder stumpferen oder die Grundgestalt daraus zu entnehmen.

2. Die diagonalen quadratischen Pyramiden mPoo.

Diese Pyramiden, von Naumann tetragonale Deuteropyramiden als solche der zweiten Stellung genannt, stimmen gestaltlich mit den normalen qu. Pyramiden überein, insofern sie auch von 8 gleichschenkligen Dreiseiten um- schlossen sind, welche 2 vierzählige Gruppen oder 4 Paare bilden, auch 8 sym- metrische Kanten (die Endkanten) und 4 regelmässige (die Seitenkanten) haben, desgleichen auch 2 regelmässige vierkantige Ecken (die Endecken), deren Scheitel- punkte die Endpunkte der Hauptachse sind, und 4 symmetrische (die Seiten- ecken). Doch unterscheiden sich die diagonalen qu. Pyramiden von den nor- malen dadurch, dass bei ihnen der horizontale Hauptschnitt das diagonale Quadrat ist, mithin die Endpunkte der Nebenachsen die Halbirungspunkte der Seiten- kantenlinien sind.

Das Parameterverhältniss der Flächen diagonaler qu. Pyramiden ist demnach allgemein ma: 1:00 und das allgemeine Zeichen mPoo mit der besonderen Be- stimmung für sie und andere quadratische Gestalten, dass der vor P stehende Werth den Coefficienten der Hauptachse und der hinter dem P stehende Werth den Coefficienten der Nebenachse ausdrückt.

Die diagonalen qu. Pyramiden bilden eine ähnliche Reihe wie die normalen

. . . . mPcc .... Poo ... . jhl'oo . , . ,

die diagonale Pyramide Poo hat dieselben Achsen wie die Grundgestalt P, jede andere diagonale mPoo dieselben Achsen wie die entsprechende normale, wenn der Werth m derselbe ist, nur ist immer jede diagonale Pyramide mit denselben Achsen wie die normale stumpfer als die entsprechende normale, wie man dies auch aus den beiden Figuren 56 und 57 ersieht, welche sich auf gleiche Achsen beziehen.

Man kann auch bezüglich der allgemeinen Unterscheidung spitzer und stumpfer quadratischer Pyramiden sie mit dem Oktaeder vergleichen.

3. Das normale quadratische Prisma 00P.

Dasselbe ist ein gleichseiti- ges vierseitiges rechtwinkliges Prisma und als offene Gestalt durch vier gleiche Flächen ge- bildet, welche durch die Seiten des normalen Quadrates parallel der Hauptachse gelegt sind und ihr Parameterverhältniss ist 00a: 1:1, daher das Zeichen 00 P. Die 4 Kanten sind regel- mässig und rechtwinklig. Das normale qu. Prisma ist das Schlussglied der spitzeren nor- malen qu. Pyramiden mP ent-

(Min. 171 - 172.)

Fig. 56-

Fig. 57-

stehend durch den Werth m 00, wodurch die Seitenkantenwinkel der Pyramiden mP= 1800 und die 4 den Seitenkanten entsprechenden Flächenpaare die 4 Pris- menflächen werden. Die mit der Zunahme des Werthes m abnehmenden End-

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332

Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

kantenwinkel der Pyramiden mP werden bei m = eo rechte. Die obige Pyramiden- reihe ergiebt jetzt im Vereine mit dem Prisma P die Reihe

mP P .... (hP ... oo P

4. Das diagonale quadratische Prisma 00P00.

Diese zweite offene, der vorigen gleiche Gestalt wird gebildet, wenn durch die Seiten des diagonalen Quadrates vier gleiche Flächen parallel der Hauptachse gelegt werden und das Parameterverhältniss der Flächen ist oo<j:i:oo, daher das Zeichen 00P00. Gestaltlich ist das diagonale qu. Prisma wie das normale ein gleichseitig -vierseitiges rechtwinkliges Prisma, in welchem ein auf die Kanten- linien senkrecht geführter Schnitt ein Quadrat ist, nur die Stellung der Flächen gegen die Nebenachsen ist eine andere. Bei dem normalen qu. Prisma liegen die Endpunkte der Nebenachsen in den Halbirungspunkten der Kanten, bei dem diagonalen in den Mittelpunkten der Flächen und das diagonale qu. Prisma bildet das Schlussglied in der Reihe der diagonalen qu. Pyramiden

.... mPoo .... Poo .... ÄlPoo .... 00P00.

5. Die quadratischen Basisflächen oP.

Diese dritte offene oder unendliche Gestalt im quadratischen Systeme wird durch 2 parallele Flächen gebildet, von denen jede durch einen Endpunkt der Hauptachse parallel den beiden Nebenachsen gelegt ist. Ihr Parameterver- hältniss ist demnach «2:00: 00.

Sie sind dem basischen Hauptschnitte parallel und treten oft als Begrenzung der quadratischen Prismen auf, wie z. B. die beiden Figuren 58 und 59 zeigen.

(Min. 173-175.)

s-r--;

i

Fig. 58.

t i

*

Fig. 59-

Fig. 60.

Da aber die von der Grundgestalt ableitbaren Pyramiden m P in eine Reihe gestellt werden konnten, wenn man sie von P so ableitet, dass die Hauptachse entweder verlängert oder verkürzt gedacht wird, die stumpferen qu. Pyramiden dieser Reihe, wenn m = o wird, zu dem Zeichen oP führen, welches in Wahrheit das des basischen oder horizontalen Hauptschnittes ist, so wurde dieses Zeichen von Naumann als Zeichen der Basisflächen gewählt, deren Parameterverhältniss 0:00:00 in oaw w umgeschrieben werden kann. In diesem Sinne ist die voll- ständige Reihe der normalen qu. Pyramiden einerseits mit dem normalen qu. Prisma, andererseits mit den Basisflächen zum Abschluss gelangt und bildet die Reihe

oP .... mP .... P .... fiiP .... 00 P.

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Krystallgestalten, Krystallographie.

333

In gleicher Weise schliessen auch die stumpferen diagonalen qu. Pyramiden mit den Basisflächen oF ab und bilden die vollständige Reihe

oP .... mPoo .... Poo .... mPoo .... 00P00. 6. Die oktogonalen Pyramiden mPn.

Eine jede solche Gestalt, wie Fig. 60 eine darstellt, ist von 16 ungleich- seitigen Dreiseiten umschlossen, welche je 8 Paare nach den Flächen einer normalen oder diagonalen qu. Pyramide bilden oder auch 2 achtzählige Gruppen darstellen, von denen jede einzelne eine gleichseitig achtseitige Pyramide über dem basischen Hauptschnitte bildet, welcher stets ein symmetrisches Oktogon darstellt, wie solche in Fig. 50 (pag. 328) angegeben wurden. Die 24 Kanten sind symmetrische dreierlei Art: 8 gleiche horizontale, die Seitenkanten, 8 gleiche längere schärfere und 8 gleiche kürzere stumpfere Endkanten. Die Ecken sind auch dreierlei Art: 2 gleiche symmetrische achtkantige, die End- ecken, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Hauptachse sind, 4 gleiche sym- metrische vierkantige spitzere und 4 dergleichen stumpfere, die Seitenecken. Die Endkanten und Seitenecken sind abwechselnd gleiche und die Scheitelpunkte von 4 gleichen Seitenecken sind die Endpunkte der Nebenachsen.

Auf das symmetrische Oktogon zurückgehend, welches in jeder oktogonalen Pyramide durch die 8 gleichen Seitenkantenlinien gebildet wird, ist zu bemerken, dass derartige Oktogone sehr verschieden sein können. Es wurde oben (pag. 328) angegeben, dass man solche symmetrische Oktogone um das normale Quadrat umschreiben könne und dass die Parameter für die Oktogonseiten 1 und n sind, dass der Werth n ein rationaler grösser als 1 sei und dass er zwischen 1 und 00 liegend gestatte, nach seiner Verschiedenheit verschiedene Oktogone zu zeichnen. Die so wechselnden symmetrischen Oktogone haben zweierlei Winkel, welche miteinander abwechseln, die Scheitelpunkte von 4 abwechselnden Winkeln sind die Endpunkte der Nebenachsen. Diese 4 Winkel sind verschieden von den 4 anderen und niemals sind die 8 Winkel gleichgross. Die Gleichheit der 8 Winkel würde ein regelmässiges Oktogon ergeben, was nur stattfinden könnte, wenn n = 1 -+- )/2~ ist, da aber n immer eine rationale Zahl ausdrückt, so ist ein solches von den symmetrischen Oktogonen ausgeschlossen. Ist nun n kleiner a ls 1+/2 z. B. = 2, so sind die 4 Winkel, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Nebenachsen sind, weniger stumpf als die anderen 4, ist aber n > 1 -h *|/2~ z. B. = 3, so sind sie stumpfer als die 4 anderen.

Werden nun durch die acht Seiten solcher Oktogone der verschiedensten Art und durch die Endpunkte der Hauptachsen Ebenen gelegt, so entstehen dadurch die oktogonalen Pyramiden und wenn die Hauptachse, wie in der Reihe der normalen qu. Pyramiden oder in der Reihe der diagonalen entweder ma, a, oder ma ist, so sind die Parameter der Flächen der oktogonalen Pyramiden entweder ma, 1, n oder a, 1, n oder ma, 1, n oder allgemein ma, 1, n, wobei m kleiner, gleich oder grösser als 1 ist. Durch diese Parameter ergiebt sich das von Naumann gegebene allgemeine Zeichen mPn für alle oktogonalen Pyramiden, die nun, wie die quadratischen Pyramiden Reihen

.... mPn .... Pn .... mPn .... für jeden rationalen Werth von n bilden.

In jeder oktogonalen Pyramide sind nun, wie oben angegeben wurde, die Endkanten und die Seitenecken zweierlei Art und in ihrer Grösse von n zunächst abhängig. Die eine Art von Endkanten, deren Kantenlinien die Verbindungs-

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334 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

linien der Endpunkte der Hauptachse und der Nebenachsen sind, wie in den normalen qu. Pyramiden, heissen die normalen End kanten, die anderen die diagonalen. In gleichem Sinne werden die 4 Scitenecken, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Nebenachsen sind, die normalen Seitenecken genannt, im Gegensatze zu welchen die 4 anderen die diagonalen heissen.

Ist nun der Werth für n kleiner als 1 -+- }/2 so sind die Winkel der normalen Enkanten die schärferen, schärfer als die Winkel der diagonalen Endkanten, des- gleichen die normalen Seitenecken spitzer als die diagonalen. Bei dem Werthe n = 1 -h j/2, welcher aber nicht vorkommen kann, würden die normalen und dia- gonalen Endkanten gleichlange Kantenlinien und glcichgrosse Kantenwinkel haben, desgleichen die 8 Seitenecken gleiche sein. Bei jedem Werthe aber für n grösser als 1 -+- j/2 sind die Winkel der normalen Endkanten stumpfer als die der dia- gonalen Endkanten und die normalen Seitenecken stumpfer als die diagonalen.

Bei dem allgemeinen Zeichen mPn der oktogonalen Pyramiden liegt der Werth m zwischen o und 00, der Werth /; zwischen 1 und °o und es können daher auch oktogonale Pyramiden mPn vorkommen, bei welchen m und n gleiche Werthe haben, die dann als mPm bezeichnet werden.

7. Die oktogonalen Prismen. ooPn.

Diese vierte Art offener oder unendlicher Gestalten des quadratischen Sy- stems sind, wie die Fig. 61 eine darstellt, gleichseitig -achtseitige Prismen, bei welchen ein auf die Kanten senkrecht geführter Schnitt ein symmetrisches Oktogon ist. Die Flächen dieser Prismen sind Ebenen, gelegt durch die 8 Seiten eines jeden der symmetrischen Oktogone, wie sie die oktogonalen Pyramiden als hori- zontale oder basische Hauptschnitte ergeben, parallel der Hauptachse ; ihr Para- meterverhältniss ist demnach ooa w.rt und das allgemeine Zeichen 00 Pn. Die 8 Kanten der oktogonalen Prismen sind zweierlei mit einander abwechselnde und haben immer stumpfe Kantenwinkel. In vier gleichen Kanten endigen die Neben- achsen wie im normalen qu. Prisma und wenn diese die normalen Kanten genannt werden, die andern 4 die diagonalen, so hängt wieder die Grösse der Kantenwinkel von n ab. In jedem oktogonalen Prisma, welches den Werth n kleiner als 1 -+- |/2 hat, sind die normalen Kanten schärfer als die diagonalen und in jedem oktogonalen Prisma, welches den Werth n > 1 -+- }/ 2 hat, sind die normalen Kanten die stumpferen. Gleichheit der beiderlei Kanten rindet nie Statt, weil dazu der Werth n = 1 -h }/2 erforderlich wäre, welcher als irrationaler nie vorkommt. So sind beispielsweise für die oktogonalen Prismen 00 P|, 00? 2 00P3 und 00 P 5 die Kantenwinkel die angegebenen:

die normalen die diagonalen

für oops ii2°37'i2" i57°22'48"

00P2 i26°52'i2" 1430 7'48"

~P3 143° 7'48" i26°52'i2"

00P5 i57°22'48" na0 37' 12"

Die oktogonalen Prismen bilden eine Reihe zwischen dem normalen und dem diagonalen quadratischen Prisma, die Reihe

00P . . . . ooPn .... 00P00

sie sind aber auch die Schlussglieder der Reihen der oktogonalen Pyramiden

. . .. mPn. . .. Pn. . . . mPn . . . . ooPn während diese bei abnehmendem Werthe für tn bei 0 mit den Basisflächen ab- schliessen, also überhaupt die Reihen

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KrystaDgestalten, Krystallographie.

335

oP . . . . mPn .... Pn ... . mPn .... ooPn

bilden.

Stellt man die gesammten holoedrischen Gestalten, welche von irgend einer Grundgestalt abgeleitet werden, diese in dem Zeichen mP mit inbegriffen in ein Schema zusammen, so ersieht man, dass sie im Vergleiche mit den holoedrischen a

/ i \

i i

i . j

I I I I I I

f

I I I I I

1 U

I

J:Cl

-tx*£jt..

Fig. 6i.

(Mia. 176-177.)

tesseralen Gestalten eine viel einfachere Gestaltenentwickelung zeigen. Die drei offenen, in ihrer Art einzig dastehenden Gestalten oP, o©P und ooPoo mit ihren 2, 4 und 4 Flächen bestimmen die Gruppirung der 3 Reihen achtflächiger Ge- stalten, wie bei dem tesseralen Schema die 3 Gestalten 00 O 00, O und 00 O mit ihren 6, 8 und 12 Flächen die Gruppirung der 3 Reihen 24 flächiger Gestalten be- stimmten, und die 16 flächigen Gestalten mPn den 48 flächigen mOn entsprechend zeigen die grösstmöglichste Zahl von Flächen und können durch ihre Formeln für die Winkelgrössen dazu dienen, die Winkelfunctionen für die anderen Gestalten daraus zu entwickeln, je nachdem in den Formeln für mPn für m oder n die bezüglichen Werthe eingetragen werden.

Werden zu diesem Zwecke der Berechnung die normalen Endkanten der oktogonalen Pyramiden mPn mit X, die diagonalen Endkanten derselben mit Y und die Seitenkanten mit Z bezeichnet, so sind, wenn man das Achsenverhältniss der Grundgestalt P a : 1 : 1 voraussetzt, die Formeln für die Cosinus der halben Winkel folgende:

ma ma{n 1)

ym*a*\n* -h l) cos \Z

n'

>/2|/waaa(«s-l-l)-h«*

1)4-«»'

aus welchen die Formeln für die Tangenten der halben Winkel sich ergeben, wie folgt:

tang\X= , tang\Y= ma{n_1) >

fang \Z =

ma}/n2 -+- 1

welche z. Th. für die Berechnung bequemere sind.

Aus diesen Formeln ergeben sich für die End- und Seitenkantenwinkel von P und Poo, derjenigen Gestalten, aus welchen das Achsenverhältniss berechnet wird, folgende Formeln:

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336

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

flir P

cos = cos \Z =

für Poo cos \V =

y2a*+ 1 1

a

, tang \X

, fang \Z=a-/2

tang \Y-

ya'

cos i Z -- ---- , tang lZ^=a.

ya?+ 1

Oben wurde bereits angegeben, dass bei dem Achsenverhältnisse a.v.t der erwählten Grundgestalt P einer quadratischen Species der Werth für a ein irra- tionaler sein muss, dass aber die Ableitungscoefficienten m oder n rationale Zahlen sind. Das Achsenverhältniss <*:i:i ergiebt sich aus den Kantenwinkeln der Grundgestalt Da sich aber auch das Achsenverhältniss a: i : i aus den Kanten- winkeln der diagonalen qu. Pyramide Poo berechnen lässt, so ersieht man daraus, dass an den Krystallen einer quadratischen Species die Grundgestalt nicht not- wendig vorkommen muss, gerade wie im tesseralen Systeme Species vorkommen können, bei denen das Oktaeder bisher nicht beobachtet wurde.

B. Hemiedrische einfache Gestalten, i. Die normalen quadratischen Sphenoide

Dieselben sind Hernieder der normalen qu. Pyramiden und entstehen durch Herrschendwerden von 4 abwechselnden Flächen bis zum Verschwinden der 4 anderen abwechselnden Flächen, so dass aus jeder normalen qu. Pyramide mP zwei vollkommen gleiche, aber verschieden zu stellende normale qu. Sphenoide

~^T~ un(^ hervorgehen, welche auch wie bei der tetraedrischen Hemiedrie des

tesseralen Systems, zunächst bei der Entstehung der beiden Gegentetraeder als

m P 1x1 P

Hernieder von O, als h und bezeichnet werden, weil die Flächen des

2 2

Fig. 62.

Fig. 63.

Fig. 64.

Fig. 65.

(Min. 178-18L)

einen Sphenoides die entgegengesetzt liegenden des anderen Sphenoides sind. In den Figuren 62 und 64 sind die beiden Gegensphenoide, welche aus einer normalen qu. Pyramide Fig. 63 entstanden, dargestellt.

Jedes normale qu. Spheuoid ist von vier gleichen gleichschenkeligen Drei- seiten umschlossen, welche 2 Flächenpaare bilden. Es hat 2 horizontale regel- mässige Kanten, die Endkanten, und 4 unregelmässige Kanten, die Seiten-

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Krystallgestalten, Krystallographle.

337

kanten, und 4 unregelmässige dreikantige Ecken. Die Halbirungspunkte der Endkantenlinien sind die Endpunkte der Hauptachse, die Halbirungspunkte der Seitenkantenlinien sind die Endpunkte der Nebenachsen.

Vergleicht man die normalen qu. Sphenoide mit den Tetraedern des tesseralen Systems, so kann man sie als scharfe und stumpfe unterscheiden und es sind scharfe solche, deren Endkanten schärfer als die Kanten des Tetraeders sind, d. h. deren Endkantenwinkel kleiner als 7o°3i'44" sind. Stumpfe sind solche, deren Endkantenwinkel grösser als 7o°3i'44" ist. Die scharfen sind Hernieder der spitzen normalen qu. Pyramiden (s. pag. 329), die stumpfen solche der stumpfen normalen qu. Pyramiden.

Die normalen qu. Sphenoide bilden die beiden Reihen

mP P ÄiP

••• •••• t *

22 2

ml" V mP

222 welche wie die Reihe der normalen qu. Pyramiden auf der Seite der zunehmen- den Werthe von m mit dem normalen qu. Prisma 00 P abschliessen, auf der Seite der abnehmenden Werthe von m mit den quadratischen Basisflächen, indem bei Zunahme des Werthes m die Endkanten schärfer werden und bei m = <=*> die 4 Sphenoidflächen parallel der Hauptachse liegende Ebenen werden, welche durch je 2 Endpunkte der Nebenachsen gelegt sind. Mit abnehmenden Werthe von m werden die Endkanten stumpfer und bei m = o wird der Endkantenwinkel = 1800 d. h. die zwei Flächen fallen in eine Ebene, die Basisfläche. Die beiden Reihen sind demnach vervollständigt

U 1 •••• * . . . 1

22 2

mr P; rn_P_'

O I •*•• •••• X

2 2 2

. , mPn

2. Die Disphenoide .

2

Da bei jeder oktogonalen Pyramide die 16 Flächen 8 Paare über den Flächen einer normalen qu. Pyramide bilden, so kann eine Hemiedrie nach dem- selben Gesetze stattfinden, wie bei den normalen qu. Pyramiden, um normale qu. Sphenoide zu erzeugen, wenn nämlich von den 8 Paaren 4 abwechselnde herrschend werden bis zum Verschwinden der anderen. Auf diese Weise ent- stehen aus jeder oktogonalen Pyramide mPn (die oktogonalen Pyramiden Pn inbegriffen) zwei vollständig gleiche, aber verschieden zu stellende Disphenoide mPn mP'n . .

- und - , so benannt, weil ihre Flächen paarweise über den Flächen

der normalen qu. Sphenoide liegen. Jedes Disphenoid (wie Fig. 65 eins zeigt), ist umschlossen von 8 ungleichseitigen Dreiseiten, hat dreierlei Kanten, nämlich 4 symmetrische längere stumpfere und 4 dergleichen kürzere schärfere End- kanten und 4 unregelmässige Seitenkanten. Die Ecken sind vierkantige zweierlei Art, 2 symmetrische, die Endecken und 4 unregelmässige, die Seiten- ecken. Die Scheitelpunkte der Endecken sjnd die Endpunkte der Hauptachse, die Halbirungspunkte der Seitenkantenlinien sind die Endpunkte der Nebenachsen. Die stumpferen Endkanten sind die holoedrischen diagonalen Endkanten, die schärferen entsprechen zu je 2 einer Endkante der Sphenoide und die unregel- mässigen Seitenkanten den Seitenkanten der Sphenoide.

G«ol. u. Pal. II. 22

^40

338

Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

Die Disphenoide bilden zwei Reihen

mPn Pn mPn

01 .... . . , . .... ^— .... oo i n,

2 2 2

mP'n P'n tfiP^n

o i . •••• oo x n.

2 2 2 '

welche einerseits mit oktogonalen Prismen abschliessen, wenn m = oo wird und andererseits mit den Basisflächen, wenn m = o ist.

Normale qu. Sphenoide und Disphenoide, als nach demselben Gesetze ge- bildete geneigtflächige Hernieder entsprechen der tetraedrischen Hemiedrie des tesseralen Systems. Die diagonalen qu. Pyramiden m P oo bleiben bei diesem Ge- setze Holoeder und es umfasst das Gesetz der sphenoidischen Hemiedrie so- mit ausser den normalen qu. Sphenoiden und den Disphenoiden fünf holoedrische Gestalten, die Basisflächen oP, das normale und das diagonale qu. Prisma ooP und ooPoo, die diagonalen qu. Pyramiden mPoo und die oktogonalen Prismen.

Ausser diesem Gesetz der sphenoidischen Hemiedrie, welches geneigtflächige Hernieder der normalen qu. Pyramiden und der oktogonalen Pyramiden erzeugt, gestattet das quadratische System noch drei Gesetze der Hemiedrie, von denen das eine, die pyramidale Hemiedrie noch angeführt werden soll. Nach diesem werden parallelflächige Hernieder gebildet, nämlich:

3. Die verwendeten quadratischen Pyramiden und die verwen- deten quadratischen Prismen (Naumann's tetragonale Tritopyramiden und Tritoprismen.)

Die oben angeführten symmetrischen Oktogone, welche um das normale (Min. 182.) Quadrat umgeschrieben oder in das diagonale Quadrat einge-

h schrieben werden können und deren Seiten die Parameter

J 1 und n haben, gestatten, aus ihnen Quadrate zu bilden,

,/.- j wenn man vier abwechselnde Seiten bis zum Verschwinden

flV ^ der vier anderen herrschend werden lässt, wie die Fig. 66

k{ zeigt. Diese Quadrate sind vom normalen und vom dia-

X* ^ gonalen Quadrate in der Stellung verschieden und die Seiten

£ . derselben hh werden durch die Endpunkte b der Neben-

F. ^ achsen in ungleiche Theile getheilt. Aus jedem Oktogon

entstehen auf diese Weise zwei gleiche, aber verschieden ge- stellte Quadrate.

Wenn nun jede oktogonale Pyramide ihre 16 Flächen nach den acht Seiten- kanten in 8 Flächenpaare gruppirt zeigt, so entstehen durch Herrschendwerden von 4 abwechselnden dieser Flächenpaare bis zum Verschwinden der 4 anderen Gestalten, welche gestaltlich vollkommen mit normalen oder diagonalen qu. Pyramiden übereinstimmen, deren horizontaler Hauptschnitt aber weder das normale noch das diagonale Quadrat ist, sondern ein Quadrat, welches durch vier abwechselnde Seiten eines symmetrischen Oktogons entsteht. Diese quadra- tischen Pyramiden, deren je 2 vollkommen gleiche, aber verschieden gestellte aus derselben oktogonalen Pyramide hervorgehen, werden als verwendete be- nannt.

In gleichem Sinne entstehen aus jedem oktogonalen Prisma je 2 vollkommen gleiche, aber verschieden gestellte verwendete quadratische Prismen, wenn je 4 abwechselnde Flächen des oktogonalen Prisma herrschend werden, bis zum Verschwinden der 4 anderen.

Diese verwendeten quadratischen Pyramiden und Prismen könnten, wenn

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Krystallgcstaltcn, Krystallographic.

339

*

sie für sich vorkämen, nicht als solche erkannt werden, sondern nur, wenn sie mit normalen oder diagonalen qu. Pyramiden oder Prismen in Combination vor- kommen. Bei diesem Gesetze der pyramidalen Hemiedrie, wie sie an Krystallen der isomorphen Species Scheelit, CaO-W03, Wulfenit PbO«MoOs und Stolzit PbO'\VOs beobachtet wurde, treten somit gleichzeitig normale, diagonale und verwendete qu. Pyramiden und Prismen, so wie die Basisflächen auf.

C. Quadratische Combinationen.

Dieselben sind bei der relativ viel einfacheren Gestaltung der quadratischen Krystalle im Allgemeinen gegenüber den tesseralen Combinationen leichter zu deuten, zumal in den Combinationen gewöhnlich als vorherrschende Gestalten eine quadratische normale oder diagonale Pyramide, ein normales oder dia- gonales qu. Prisma oder die Basisflächen vorhanden sind. Die Hauptsache bei der Bestimmung aber ist immer die Wahl der Grundgestalt, wodurch dann die anderen normalen und die diagonalen qu. Pyramiden bestimmbar sind, sowie die Unterscheidung des normalen und diagonalen qu. Prisma. Als Beispiele zwei- facher Combinationen mögen nachfolgende dienen:

1. An der Grundgestalt P bildet

jede spitzere normale quadratische Pyramide m P Zuschärfung der Seiten- kanten; jede stumpfere normale qu. Pyramide mP eine vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen von P aufgesetzt ; das normale qu. Prisma » P gerade Abstumpfung der Seitenkanten; die Basisflächen oP gerade Abstumpfung der Endecken; das diagonale qu. Prisma oopoo gerade Abstumpfung der Seitenecken; die diagonale qu. Pyramide Po© gerade Abstumpfung der Endkanten; jede sturopfere diagonale qu. Pyramide mPcw vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Endkanten aufge- setzt; jede spitzere diagonale qu. Pyramide mPoo Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Endkanten aufgesetzt; eine jede oktogonale Pyramide Pn Zuschärfung der Endkanten; eine jede oktogonale Pyramide mPn achtflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen paarweise und gleichmässig schief auf die Kanten oder Flächen aufgesetzt; eine jede oktogonale Pyramide m Pn vierflächige Zu- spitzung der Seitenecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufge- setzt, wobei aber drei Fälle zu unterscheiden sind, je nachdem bei einer solchen oktogonalen Pyramide mPn m—n ist, oder ///<» oder m>n. Ist nämlich »=», das Symbol daher solcher oktogonalen Pyramiden mPm, so sind die Combinationskanten zwischen P und mPm parallel mit den gegenüberliegenden Endkanten; ist /// kleiner als n, so sind die Combinationskanten zwischen P und mPn convergent mit den gegen- überliegenden Endkanten nach den Endecken hin, ist aber m>n, so sind die Combinationskanten zwischen P und mPn convergent mit den gegenüberliegenden Endkanten nach den Seilcnecken hin; jedes oktogo- nale Prisma o©Pn bildet Zuschärfung der Seitenecken von P, die Zu- schärfungsflächen gerade auf die Seitenkanten aufgesetzt.

2. An einer normalen quadratischen Pyramide mP bildet

eine jede andere normale qu. Pyramide m'P (mit einem anderen Werthe für m) Zuschärfung der Seitenkanten, wenn m'>m ist, oder vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen

22*

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

aufgesetzt, wenn m' <m ist; eine diagonale qu. Pyramide m'Pc© entweder vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt, oder gerade Abstumpfung der Endkanten, oder Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die End- kanten aufgesetzt, je nachdem tn'< oder = oder >/» ist; das normale qu. Prisma <»P gerade Abstumpfung der Seitenkanten ; das diagonale qu. Prisma 00P00 gerade Abstumpfung der Seitenecken; die Basisflächen oP gerade Abstumpfung der Endecken; eine oktogonale Pyramide m'Pn' Zuschärfung der Endkanten, wenn m' = m ist; achtflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen paarweise und gleichmässig schief auf die Kanten oder Flächen aufgesetzt, wenn m'<m ist; vierflächige Zu- spitzung der Seitenecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufge- setzt, wenn m'>m ist. Bei solcher vierflächigen Zuspitzung der Seiten- ecken sind die Combinationskanten zwischen mP und m'Pn' parallel den tn '

Endkanten, wenn = m ist, oder convergent mit denselben gegen die

m'

Endecken hin, wenn ^r<m; oder convergent mit denselben nach den

tn'

Seitenecken hin, wenn —j- > m. Oder es sind die Combinationskanten

n

zwischen mP und m'Pn' parallel mit den Höhenlinien der Flächen mP fn'(n'-\- l)

wenn =2« ist, oder sie convergiren mit den Höhenlinien nach

Tt

den Endecken hin, wenn ~, <2w ist, oder sie convergiren mit

n

ffi' (ff' _|_ i)

den Höhenlinien nach den Seitenecken hin, wenn - -, -> 2m ist;

n

ein jedes oktogonale Prisma ooPn bildet Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Seitenkanten aufgesetzt 3. An einer diagonalen quadratischen Pyramide mPeo bildet eine andere diagonale qu. Pyramide m'Poo Zuschärfung der Seitenkanten oder vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt, je nachdem m'> oder </» ist; eine normale qu. Pyramide m'P entweder vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt, oder gerade Ab- stumpfung der Endkanten, oder Zuschärfung der Seitenecken, die Zu- schärfungsflächen gerade auf die Endkanten aufgesetzt, je nachdem m' <

oder = oder > ^ ist; das diagonale qu. Prisma 00P00 gerade Ab- stumpfung der Seitenkanten; das normale qu. Prisma 00 P gerade Ab- stumpfung der Seitenecken; die Basisflächen oP gerade Abstumpfung der Endecken; ein jedes oktogonale Prisma 00 Pn Zuschärfung der Seiten- ecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Seitenkanten aufgesetzt; eine oktogonale Pyramide m'Pn' achtflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen paarweise und gleichmässig schief auf die Flächen

m'(n'-{- 1)

oder Kanten aufgesetzt, wenn -, -</» ist; Zuschärfung der End-

ttt* (n* f- 1 )

kanten, wenn —, =w ist; vierflächige Zuspitzung der Seitenecken,

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Krystallgestalten, Krystallographic. 341

die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufgesetzt, wenn - f >m

ist. Im letzteren Falle sind die Combinationskanten von m'Pn' mitmPoo parallel den Höhenlinien von mPoo, wenn m'=m ist, convergent nach den Endecken hin, wenn m'<m ist, convergent nach den Seitenecken hin, wenn tri>m ist.

4. An dem normalen quadratischen Prisma 00P bildet

jede normale qu. Pyramide mP eine vierflächige Endzuspitzung als Be- grenzung der unendlichen Ausdehnung, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt; jede diagonale qu. Pyramide mPoo eine solche vierflächige Endzuspitzung, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt; jede oktogonale Pyramide mPn eine achtflächige Endzuspitzung als Begrenzung der unendlichen Ausdehnung, die Zuspitzungsflächen paar- weise und gleichmässig schief auf die Flächen oder Kanten aufgesetzt; das diagonale qu. Prisma 00P00 gerade Abstumpfung der Kanten; jedes oktogonale Prisma (»Tn Zuschärfung der Kanten; die Basisflächen oP je eine horizontale Begrenzungsfläche der unendlichen Ausdehnung des Prisma.

5. An dem diagonalen quadratischen Prisma 00P0© bildet

jede normale qu. Pyramide mP eine vierflächige Endzuspitzung als Be- grenzung der unendlichen Ausdehnung, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt; jede diagonale qu. Pyramide mPoo eine der- gleichen vierflächige Endzuspitzung, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt; jede oktogonale Pyramide mPn eine achtflächige End- zuspitzung, die Zuspitzungsflächen paarweise und gleichmässig schief auf die Flächen oder Kanten aufgesetzt; das normale qu. Prisma 00 P gerade Abstumpfung der Kanten; jedes oktogonale Prisma 00 Pn Zuschärfung der Kanten; die Basisflächen oP je eine horizontale Begrenzungsfläche der un- endlichen Ausdehnung des Prisma.

6. Die vorherrschenden Basisflächen oP bilden tafelartige Combinationen und zwar mit dem normalen oder diagonalen qu. Prisma quadratische Tafeln mit geraden Randflächen; mit einer normalen oder diagonalen qu. Pyramide quadratische Tafeln mit zugeschärften Rändern; mit einem oktogonalen Prisma eine oktogonale Tafel mit geraden Randflächen; mit einer oktogonalen Pyramide eine oktogonale Tafel mit zugeschärften Rändern.

7. An einem normalen quadratischen Sphenoide bildet ein anderes

2

m'P

normales qu. Sphenoid gleicher Stellung Zuschärfung der Endkanten,

2

wenn m' <m ist, dagegen schiefe Abstumpfung der Ecken, die Abstumpfungs- flächen gerade auf diederEndkante gegenüberliegende Fläche aufgesetzt, wenn m'>m ist; das normale qu. Prisma 00 Peine dergleichen Abstumpfung der Ecken, die Abstumpfungsflächen unter einem rechten Winkel gegen die End- kante aufgesetzt; die qu. Basisflächen oP gerade Abstumpfung der Endkanten; das diagonale qu. Prisma oopoo gerade Abstumpfung der Scitenkanten ; ein

m'l"

normales qu. Sphenoid in der Gegenstellung schiefe Abstumpfung der

Ecken, die Abstumpfungsflächen unter einem stumpfen Winkel auf die End- kanten gerade aufgesetzt, wobei die Combinationskanten parallel den

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34=

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

(Min. 183.)

coPoo

Seitenkantenlinien sind, wenn ni = m ist; eine jede diagonale qu. Pyramide m'Poo Zuschärfung der Ecken, die Zuschärfungsflächen schief auf die der Endkante anliegenden Flächen aufgesetzt, wobei die 2 Combinationskanten

m P

mit derselben Fläche einander parallel gehen, wenn m' =2« ist, nach

2

den Endkanten hin convergiren, wenn m' < 2 m ist, oder nach den End- kanten hin divergiren, wenn m' > 2 m ist; ein oktogonales Prisma 00 Pn Zuschärfung der Ecken, die Zuschärfungsflächen auf die Seitenkanten auf- gesetzt und vertikal (parallel der Hauptachse) ; ein Disphenoid gleicher Stellung

m ^n Zuschärfung der Seitenkanten wenn —t = m, sonst aber Zu- 2 ft

schärfung der Ecken, die Zuschärfungsflächen auf die der Endkante an- liegenden Flächen aufgesetzt; ein Disphenoid in der Gegenstellung ähn- liche Zuschärfung der Ecken. Zur Bcurtheilung mehrfacher Combinationen dient beifolgendes Schema, in

welchem die Flächen nach ihrer Vertheilung um den Endpunkt der Hauptachse eingetragen sind. Das normale Quadrat mit den Dia- gonalen zeigt die Lage der Nebenachsen an und die Seiten sind die >ooPco Projectionslinien der Prismenflächen 00P.

Für Berechnungen der Neigungswinkel in Combinationen, sowie auch schon der Kanten- winkel in einfachen Ge- stalten ist dieselbe For- mel für cos /F verwend- bar, welche im tessera-

ooPco

len Systeme (pag. 326) angegeben wurde, wobei für v, q und / die Para- meter der einzelnen Flächen nach ihrer besonderen Lage einzutragen sind und die positiven und negativen Achsenliälften in gleicher Weise wie im tesse- ralen Systeme aufzufassen sind. Für v sind demnach, je nach den Ge- stalten die Werthe a, ma, o^a oder oa oder die entsprechenden negativen einzutragen, für q die auf die querliegende Nebenachse bezüglichen Werthe 1 n oder 00 und für / die auf die dem Beobachter zulaufende oder von ihm längs- hin laufende Nebenachse bezüglichen, in beiden Fällen als negative, wenn die Flächen dies erfordern.

Nachdem die beiden Systeme, das tesserale und quadratische erörtert worden sind, welche als zwei rechtwinklige (orthometrische) zunächst darin verschieden sind, dass in dem tesseralen die drei Achsen gleichlange, im quadratischen Systeme zweierlei sind, die Hauptachse als vertikal gestellte in der Länge von den beiden gleichlangen Nebenachsen verschieden ist, erscheint es zweckmässig, sie und die

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Krystallgestalten, Krystallographie.

343

bezüglichen einfachen und combinirten Gestalten nach ihren gegenseitigen Be- ziehungen zu vergleichen.

Die Beschreibung der einfachen Gestalten zeigte, dass im tesseralen Systeme nur geschlossene Gestalten vorkommen, deren Flächenzahl gegenüber den quadra- tischen grösser ist, indem sie 4, 6, 8, 12, 24 und 48 Flächen aufweisen, während im quadratischen Systeme geschlossene und offene Gestalten enthalten sind und die Flächenanzahl geringer ist, indem hier nur Gestalten mit 2, 4, 8 und 16 Flächen vorkommen. Durch die Differenz der Achsen in der Länge, durch die stets ver- schiedene Länge der Hauptachse gegenüber den beiden gleichlangen Nebenachsen werden zunächst die Unterschiede in den Gestalten beider Systeme hervorgerufen, während die Lage der Flächen in beiden Systemen in dem Sinne eine übereinstimmende ist, dass die Krystallflächen entweder die drei Achsen in endlicher Entfernung schnei- den, oder dass sie je einer Achse parallele sind oder je zwei Achsen parallel liegen. Ferner zeigte die Wahl der Grundgestalt ? im quadratischen Systeme, dass diese normale quadratische Pyramide mit ihrem Achsenverhältnisse a: 1 : 1 sich mit dem Oktaeder, der Grundgestalt des tesseralen Systems mit ihrem Achsenverhältnisse 1:1:1 vergleichen lässt, wesshalb sie auch quadratisches Oktaid genannt wurde. Aus den Grundgestalten beider Systeme können durch Veränderungen der Para- meter beider alle anderen Gestalten abgeleitet werden und es lassen sich dann auch die anderen abgeleiteten Gestalten beider Systeme miteinander vergleichen, so verschieden sie auch sonst sind und aus dieser Vergleichung ergiebt sich dann auch, dass die Combinationen vergleichbar sind.

Das Oktaeder O und die Grundgestalt P sind demnach in beiden Systemen analoge Gestalten, bei jenem sind die 8 Flächen gleichseitige Dreiseite mit dem Parameterverhältniss 1:1:1, die 12 Kanten sind gleiche und die 6 vierkantigen Ecken sind gleiche, bei der Grundgestalt P sind die 8 Flächen gleichschenklige Drei- seite mit dem Parameterverhältniss a : 1 : 1, die 12 Kanten sind zweierlei Art, 8 sym- metrische End- und 4 regelmässige Seitenkanten, und die 6 vierkantigen Ecken sind zweierlei Art, 2 regelmässige End- und 4 symmetrische Seitenecken. In gleichem Sinne

vergleichbar sind das Tetraeder und das Gegentetraeder mit dem Sphe-

P P' noid und dem Gegensphenoid .

2 2

Dem Hexaeder 00O00 entspricht unmittelbar keine einfache Gestalt des quadratischen Systems, dagegen die quadratische Combination 00P00 -oP (Tafel III. Fig« 5), welche desshalb auch quadratisches Hexaid genannt wurde. Die 4 Flächen des diagonalen quadratischen Prisma 00 P 00 entsprechen den 4 vertikalen Flächen des Hexaeders, die 2 quadratischen Basisflächen oP entsprechen den 2 horizontalen Flächen des Hexaeders, indem sie auch durch den Endpunkt einer Achse (der Hauptachse) parallel den beiden Nebenachsen gelegte Ebenen sind.

Das Hexaeder bildet am Oktaeder gerade Abstumpfung der Ecken (Fig. 28) und in gleicher Weise bilden die Flächen des quadratischen Hexaides an der Grundgestalt gerade Abstumpfung der Ecken (Fig. 1, Taf. IV), die Flächen 00P00 gerade Abstumpfung der Seitenecken (Fig. 3, Taf. IV), die Basisflächen oP gerade Abstumpfung der Endecken (Fig. 2, Taf. IV).

Dem Rhombendodekaeder 00 O entspricht gleichfalls keine einfache Gestalt des quadratischen Systems, dagegen die quadratische Combination ooP-Poo oder Poo-ooP, welche desshalb, besonders wenn die beiden combinirten Gestalten im Gleichgewicht auftretend Rhomben bilden (Fig. 3, Taf. III) quadratisches

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344

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Dodekaid genannt wurde. Die vier Flächen des normalen qu. Prisma ooP ent- sprechen den 4 vertikalen Flächen des Rhombendodekaeders und die 8 Flächen der diagonalen qu. Pyramide Poo entsprechen den 8 anderen Flächen des Rhombendodekaeders. Dasselbe bildet am Oktaeder (Fig. 31) gerade Abstumpfung der 12 gleichen Kanten, während am quadratischen Oktaid, an der Grundgestalt die 4 Flächen des Prisma 00 P gerade Abstumpfung der Seitenkanten, die 8 Flächen der diagonalen qu. Pyramide Poo gerade Abstumpfung der Endkanten bilden (Fig. 4, 5 u. 6, Taf. IV). Da aber die Gestalten 00 P und P«o zwei verschiedene einfache Gestalten sind, wie die Gestalten 00 Poo und oP, so ist es nicht noth wendig, dass sie gleichzeitig an P auftreten, aber ihr Auftreten an P entspricht dem Auftreten von 00 O an O.

In dieser Weise weiter gehend kann man auch andere abgeleitete tesserale Gestalten mit den quadratischen Gestalten vergleichen. So z. B.' lässt sich ein Triakisoktacder mO vergleichen mit der quadratischen Combination fnP-Pm, einer spitzem normalen quadratischen Pyramide niP1) mit einer oktogonalen Pyramide Pn, worin n=m der Pyramide mP ist (wie Fig. 2, Taf. III). Jedes Triakisoktacder bildet am Oktaeder Zuschärfung der 1 2 Kanten (Fig. 30) und in analoger Weise bildet die qu. Pyramide mP an P Zuschärfung der Seitenkanten und Pm Zuschärfung der Endkanten (Fig. 7, 8 u. 9, Taf. 10).

Ferner lässt sich jedes Deltoidikositetraeder mOm vergleichen mit einer quadratischen Combination mP-mPm, wobei der Werth m der normalen stumpferen

qu. Pyramide = der oktogonalen Pyramide ist (Fig. 4, Taf. III). AnO bildet mOm

vierflächige Zuspitzung der Ecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt, wobei die Combinationskanten O/mOm parallel den gegenüberliegenden Kanten sind (Fig. 34). In gleichem Sinne bildet mP an P vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt, wobei die Combinationskanten mP/P parallel den gegenüberliegenden Seitenkanten sind und mPm bildet an P vierflächige Zuspitzung der Seitenecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufgesetzt, wobei die Combinationskanten P/mPm parallel den gegenüberliegenden Endkanten sind (Fig. 10, 11 u. 12, Taf. IV).

Ferner lässt sich ein jedes Tetrakishexaeder »On vergleichen mit einer quadratischen Combination 00 pn m Poo . m Poo, der Combination eines okto- gonalen Prisma 00 Pn mit einer stumpferen diagonalen qu. Pyramide m P 00, und

einer spitzeren diagonalen qu. Pyramide mPo©, wobei n = m und m = - der

spitzeren Pyramide ist (Fig. 6, Taf. III). Jedes 00 On bildet an O vierflächige Zu- spitzung der Ecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt und an P bildet mPoo vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt, niPoo Zuschärfung der Seitenecken, die Zu- schärfungsflächen gerade auf die Endkanten aufgesetzt, 00 Pn Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Seitenkanten aufgesetzt.

Schliesslich würde sich ein jedes Tetrakontaoktaeder als 48 flächige Gestalt vergleichen lassen mit der quadratischen Combination von drei oktogonalen Pyramiden mPn als drei 16 flächigen Gestalten, einer stumpfen mPn mit zwei spitzen mPn (Fig. 7, Taf. III), wobei clie Werthe m und n verschieden wären, in der einen m < n, in der anderen m > // und die Combination O-mOn würde in

•) In den Figuren auf Tafel III und IV wurden bestimmte AblcitunR'zahlen verwendet, welche den häufig vorkommenden tesseralcn Gestalten 2(), 2O2, 3O5 und 00O2 entsprechen.

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Kenngo», Mineralogie Tafr! III.

i

V.itijJnn.R ftet«ch.8re«lau .

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KenngoU, Minenlogie Tifrl IT.

PiP.lPl PAP P1V1

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Krystallgestalten, Krystallographic.

345

ähnlicher Weise auf die Combinations-Erscheinung der drei oktogonalen Pyramiden an P führen.

Eine solche Vergleichung der Gestalten des tesseralen Systems mit den Ge- stalten des quadratischen zeigt, dass durch die eintretende Differenz in den Achsen die gesammten abgeleiteten quadratischen Gestalten aus den abgeleiteten tesse- ralen resultiren und beiden Reihen von abgeleiteten Gestalten die Grundgestalt O oder P zu Grunde liegt. Stellt man so das Oktaeder mit seinen 8 Flächen der quadratischen Grundgestalt P mit ihren 8 Flächen gegenüber, so ergeben sich aus dem Oktaeder alle abgeleiteten tesseralen Gestalten mit ihrer Flächen- zahl, vergleichbar mit allen abgeleiteten quadratischen Gestalten mit ihrer Flächen- zahl, wobei nur die Buchstaben m und n in der Weise gebraucht werden, wie sie bei der Beschreibung der quadratischen Gestalten angegeben wurden.

8 O =8P 600O00— 400P00 -4- 20P 12 00 O = 400? 8 Poo

24 mO = 8mP -hi6Pn 24 111 O m =8ifiP + i6mPm 24 ooOn =8ooPn -i- 8 m P<x> 4- 8 m P 00 48mOn = 16 mPn -+- 16 mPn -Hi6m'Pn'. Diese Vergleichung würde in viel eleganterer Weise erscheinen, wenn man bei den quadratischen Gestalten die von P abgeleiteten Gestalten so abgeleitet hätte, dass stets die Werthe m in den Parametern wie im tesseralen Systeme grösser als 1 gewesen wären, doch wurde nach Naumann die Ableitung mit Werthen m grösser und kleiner als 1 aus anderen Gründen vorgezogen.

Aus der Vergleichung, welche bis in das anorthische System fortgesetzt werden kann, ergiebt sich, dass in allen dreiachsigen Systemen die von der Grund- gestalt ableitbaren Gestalten dieselben Beziehungen zu einander zeigen, wie die abgeleiteten tesseralen Gestalten und dass die formellen Unterschiede durch die Differenz der Achsen und später durch die Differenz der Achsenwinkel bedingt sind. Sie bietet bei der Beurtheilung der Combinationen manche Vortheile, welche noch durch die Beachtung der Reihen und der Lage in Zonen unterstützt werden.

Da bereits (pag. 294) erwähnt wurde, dass man tautozonale Flächen solche nennt, welche einer Linie parallel sind und da die Lage von Krystallflächen in gewissen Zonen von ihren Parametern abhängig ist, so bietet sich hier die Ge- legenheit, die sogenannte Zonengleichung zu erwähnen, deren Anwendung bei der Bestimmung der Combinationen sehr nützlich ist. Bezeichnet man nämlich die Parameter von je 3 in einer Zone liegenden Flächen mit v, q, l, v\ q', V, v", q", /" in der Art, dass v den Parameter in der vertikalen Achse, q den Parameter in der querliegenden und / den Parameter in der längs liegenden Achse ausdrückt, so ist die Zonengleichung für die je drei in einer Zone liegen- den Flächen F, F und F" folgende:

Vjnjq'-lq) qq'(/'y-/y') /j'(qV'-q'v)

+ qn I jn u.

III. Das orthorhombische Krystallsy stem.

Dasselbe umfasst alle Krystallgestalten, welche drei rechtwinklige Achsen von ungleicher Länge enthalten. Von diesen drei Achsen wird eine als die Hauptachse ausgewählt und senkrecht gestellt, wodurch die beiden anderen als horizontale von ungleicher Länge die Nebenachsen sind, welche man zu-

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346 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

1

nächst als längere und kürzere unterscheidet. Verbindet man die Endpunkte der Nebenachsen durch gerade Linien, so entsteht ein Rhombus und da auf diesem Rhombus die Hauptachse senkrecht steht, so ergiebt sich daraus der Name des Systems, orthorhombisches, doch wird es auch, wie von Naumann kürzer rhombisches System genannt, während es Hausmann nach den dreier- lei Achsen trimetrisches System nannte.

A. Holoedrische einfache Gestalten. 1. Die orthorhombischen Pyramiden.

Eine jede solche Gestalt, wie Fig. 67 eine darstellt, ist von 8 gleichen und (Min. 184 ) ähnlichen ungleichseitigen Dreiseiten umschlossen und hat

1 2 symmetrische Kanten dreierlei Art, und 6 symmetrische vierkantige Ecken dreierlei Art. Die Scheitelpunkte der Ecken sind die Endpunkte der Achsen und wenn man eine solche Verbindungslinie zweier gleichen Ecken als Haupt- achse ausgewählt und vertikal gestellt hat, so sind diese ^beiden Ecken die Endecken, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Hauptachse sind. Die anderen vier Ecken heissen die Seitenecken und werden zunächst als 2 gleiche spitzere und 2 gleiche stumpfere unterschieden. Die die Endecken bildenden Kanten werden die Endkanten ge- nannt, von denen 4 gleiche die stumpferen und 4 gleiche die schärferen sind. Die 4 horizontalen Kanten sind die Scitenkanten. Die drei Hauptschnitte sind Rhomben, welche durch 4 gleiche Kantenlinien gebildet werden.

Bei der unendlichen Mannigfaltigkeit solcher Gestalten wählt man bei jeder orthorhombischkrystallisirenden Specieseine orthorhombische Pyramide als Grund- gestalt und stellt dieselbe so, dass nach der getroffenen Auswahl der Haupt- achse die Verbindungslinie der spitzeren Seitenecken als horizontale längere Neben- achse quer vor dem Beobachter zu liegen kommt und darnach die Querachse genannt wird, wodurch dann die horizontale kürzere Nebenachse vom Beobachter aus längshin läuft und die Längsachse heisst. In diesem Sinne ist die in der Fig. 67 dargestellte orthorhombische Pyramide eine Grundgestalt. Bezeichnet man in irgend einer Grundgestalt die Länge der halben Hauptachse mit a, die Länge der halben Querachse mit b und die Länge der halben Längsachse mit c, so ist a.b:c das Achsenverhältniss der Grundgcstalt, welche analog der Bezeichnung quadratischer Grundgestalten mit P bezeichnet wird. Die Parameter der Flächen der Grundgesalt sind a, b, c und die numerischen aus den Kantenwinkeln der Grundgestalt berechneten Werthe sind irrational.

Wenn hier nach Naumann's Vorgange die halbe Hauptachse durch a ausge- drückt wird, die halbe Querachse durch b und die halbe Längsachse durch c, so wurde dieser Bezeichnung der Vorzug gegeben, weil die Hauptachse diejenige Achse ist, welche man zuerst feststellt und daher der erste Buchstabe des Alpha- bets für sie zweckmässig erscheint. Von den beiden Nebenachsen ist die Quer- achse die zweite zu wählende, wesshalb der zweite Buchstabe des Alphabets sich für sie eignet, die Längsachse als die dritte mit c bezeichnet wird. Gegenwärtig wird meist die umgekehrte Reihenfolge der Buchstaben vorgezogen, das Achsen- verhältniss der Grundgestalt a'.b'.c geschrieben mit der Bestimmung, dass die Hauptachse zuletzt steht und mit c ausgedrückt wird, die Längsachse dagegen

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Krystallgestaltcn, Krystallographic.

347

mit a. So gleichgiltig die Wahl der Buchstaben ist, so erschien es gegenüber dem sonstigen Gebrauch, die Reihenfolge durch die sich folgenden Buchstaben des Alphabets auszudrücken, angezeigt, die Hauptachse als die zuerst ausgewählte mit a zu bezeichnen.

Was die numerischen irrationalen Werthe der Achsen der Grundgestalt be- trifft, so kann man der Zweckmässigkeit wegen bei der Berechnung eine der drei Achsen als Einheit wählen und man pflegt jetzt meist die Querachse als Einheit zu wählen. Man könnte aber auch die Werthe so angeben, dass die kleinste der drei Achsen als Einheit angenommen würde, oder überhaupt Wurzeigrössen wählen. Da durch solche Verschiedenheit der Ausdrucksweise die Hauptsache nicht geändert wird, dass die drei Achsen verschieden lang und die numerischen Werthe irrationale sind, so gentigt es, darauf hingewiesen zu haben, dass man sich verschieden ausdrückt, keine Ausdrucksweise als die allein richtige anzusehen ist.

Schliesslich ist noch in Betreff der Namen der Achsen anzuführen, dass Naumann die beiden Nebenachsen der Grundgestalt, die Quer- und die Längs- achse als Makrodiagonale und Brachydiagonale benannte. Da nämlich der horizontale Hauptschnitt der Grundgestalt ein Rhombus ist, in welchem die Querachse als die längere Nebenachse die längere Diagonale des Rhombus bildet, so nannte er sie die Makrodiagonale (die lange Diagonale), in gleichem Sinne die Längsachse als die kürzere Diagonale des Rhombus die Brachydia- gonale (die kurze Diagonale), während Hausmann sie Mikrodiagonale nannte. Die Ausdrücke Makrodiagonale und Brachydiagonale bieten dadurch einen ge- wissen Vortheil, dass man sie adjectivisch verwenden kann. So können z. B. die schärferen Endkanten der Grundgestalt die makrodiagonalen Endkanten genannt werden, die stumpferen die brachydiagonalen Endkanten und in gleicher Weise die beiderlei Seitenecken der Grundgestalt, die spitzeren als makrodiagonale und die stumpferen als brachydiagonale Seitenecken unterschieden werden. Die gleichbedeutenden adjektivischen Ausdrücke quer- achsi^ und längsachsig sind bis jetzt noch nicht in Gebrauch gekommen.

Die Grundgestalt P, das Analogon des Oktaeders im tesseralen und der Grundgestalt P im quadratischen System gestattet nun, dass man von ihr alle anderen an einer Species vorkommenden und alle anderen noch möglichen Ge- stalten ableitet, wenn man das Parametervcrhältniss a\b\c so verändert, wie im quadratischen Systeme.

Wird daher zunächst die Hauptachse durch einen rationalen Coefficienten m >■ oder < i verlängert oder verkürzt, so entstehen durch die Parameterver- hältnisse rha:b:c oder ma:b:c orthorhombische Pyramiden mP oder mP, welche von P ausgehend eine Reihe

.... mP .... P .... mP ... . bilden und sich zur Grundgestalt verhalten, wie die von der quadratischen Grund- gestalt abgeleiteten stumpferen und spitzeren normalen Pyramiden, und denselben horizontalen Hauptschnitt haben, welcher hier als Rhombus aus den Parametern b und c hervorgeht. In allen Pyramiden mP sind die beiderlei Endkanten stumpfer als die von P und die Endecken stumpfer als in P, in allen Pyramiden mP sind die beiderlei Endkanten schärfere als in P und die Endecken spitzere als in P.

Wird ferner der Rhombus des horizontalen Hauptschnittes, wie er in allen Pyramiden mP (P mit inbegriffen) beschaffen ist, so verändert, dass man die Querachse durch einen rationalen Coefficienten n > i verlängert, so entstehen

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348

Mineralogie, Geologie und Talaeontologie.

Rhomben durch die Parameter nb und c, welche sich von dem Rhombus der Grundgestalt dadurch unterscheiden, dass die brachydiagonalen Winkel des Rhombus stumpfere sind als in jenem und die makrodiagonalen Winkel schärfer als in demselben. Werden durch die Seiten eines solchen Rhombus und durch die Endpunkte der Hauptachse der Grundgestalt oder durch die Endpunkte irgend einer verlängerten Hauptachse m<? oder irgend einer verkürzten Hauptachse rhtx Ebenen gelegt, so entstehen dadurch orthorhombisclie Pyramiden, deren Para- meter a, nb, c oder vc\a, nb, c oder ma, nb, c sind, für welche als von P ableit- bare die Zeichen PTT, rhPTT oder mPTT hervorgehen. Der hinter das P gestellte Buchstabe n bezieht sich auf die Querachse und es wird, um dies auszudrücken, über das n oder die entsprechende Zahl das prosodische Zeichen der I^änge gesetzt, weil es sich auf diesen Coefficientcn von b bezieht. Naumann drückte dies dadurch aus, dass er das prosodische Zeichen der Länge über das P setzte, daher die Zeichen Tn, fiiTn und ml>n schrieb.

In den Pyramiden P "n sind gegenüber der Grundgestalt die makrodiagonalen Seitenecken spitzer und die makrodiagonalen Endkanten, sowie die Seitenkanten schärfer als in P und ebenso verhalten sich die Pyramiden mPn" und mPn" gegenüber den Pyramiden mP und mP bei gleichem Werthe für m. In allen Pyramiden mP"n (Pn mit inbegriffen) sind die brachydiagonalen Endkanten die stumpferen und die makrodiagonalen die schärferen Endkanten, die brachydia- gonalen Seitenecken die stumpferen und die makrodiagonalen Seitenecken die spitzeren, weil stets nA>r ist.

Wird dagegen der Rhombus des horizontalen Hauptschnittes, wie er in allen Pyramiden mP (P mit inbegriffen) als derselbe sich erweist, so verändert, dass man die Längsachse durch einen rationalen Coefficienten n>i verlängert, so entstehen durch die Parameter b, nc Rhomben, welche sich von dem Rhom- bus der Grundgestalt dadurch unterscheiden, dass ihre brachydiagonalen Winkel schärfere sind als in jenem, die makrodiagonalen Winkel aber stumpfere. So lange nc kleiner als b ist, sind die brachydiagonalen Winkel des horizontalen Hauptschnittes, des Rhombus mit den Parametern b und nc noch stumpfe Winkel, wenn aber nc grösser als b ist, dann sind diese spitze Winkel und die makrodiagonalen des Rhombus stumpfe. Werden nun durch die Seiten des Rhombus mit den Parametern b und n^ und durch die Endpunkte der Haupt- achse der Grundgestalt, oder durch die Endpunkte einer verlängerten Haupt- achse m« oder durch die einer verkürzten rha Ebenen gelegt, so entstehen dadurch orthorhombische Pyramiden, deren Parameter a, b, nc oder fha, b, nc oder ma, b, nc sind und für welche als von P abgeleitete die Zeichen PYf, rhP Tf und mPif hervorgehen. Der hinter dem P stehende Coefficient n bezieht sich auf die Längsachse und um dies auszudrücken, wird über den Buch- staben n oder die entsprechende Zahl das prosodische Zeichen der Kürze ~ ge- setzt, weil es sich auf diesen Coefficienten von c bezieht Naumann drückte dies dadurch aus, dass er das prosodische Zeichen der Kürze über das P setzte und die Zeichen Pn, rhPn und mPn schrieb.

In den Pyramiden P "n sind die brachydiagonalen Endkanten und die Seiten- kanten schärfer als in P und die brachydiagonalen Seitenecken spitzer als in P, in gleichem Sinne verhalten sich die genannten Begrenzungselementc in den Pyramiden mP*n gegenüber den Pyramiden mP und in den Pyramiden n\?n gegenüber den Pyramiden riiP bei gleichen Werthen von m. So lange jedoch nc < b ist, sind die brachydiagonalen Endkanten aller Pyramiden mPTf die

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Krystallgestalten, Krystallographie.

349

stumpferen Endkanten, wenn aber nc>b ist, dann sind die brachydiagonalen Kanten die schärferen Endkanten und die brachydiagonalen Seitenecken spitzer als die makrodiagonalen.

Alle angeführten von der Grundgestalt P ableitbaren Pyramiden ergeben somit verschiedene Reihen je nach der Ab- und Zunahme der Werthe m und der Zunahme der Werthe n und lassen sich in nachfolgendem Schema übersichtlich zusammenstellen:

.... mPn .... PrT .... mPlf ....

m 1? » « P i5i P . «

. . . . mPn . . . . Pn .... ni PrT ... .

Wollte man, wie es für das später anzuführende Schema nothwendig ist, alle orthorhombischen Pyramiden allgemein bezeichnen, so ist das allgemeine Symbol derselben mPrf.

Durch die Zunahme der Werthe n oder durch die Zu- und Abnahme der Werthe m resultiren die offenen oder unendlichen Gestalten des orthorhombischen Systems, welche zweierlei sind, entweder vierflächige oder zweiflächige. Dadurch ergeben sich

2. die orthorhombischen Prismen und Domen.

Dieselben sind rhombische Prismen, das sind gleichseitig vierseitige schief- winklige Prismen, bei denen ein auf die Kanten senkrecht geführter Schnitt ein Rhombus ist. Die Kanten einer jeden solchen rhombisch prismatischen Ge- stalt sind zweierlei, 2 schärfere und 2 stumpfere, deren Kantenwinkel sich zu 1800 ergänzen und die Kantenlinien solcher Gestalten sind so wie die Flächen parallel je einer der drei Achsen.

Nach dieser Verschiedenheit sind die orthorhombischen Prismen solche rhombischen Prismen, deren Flächen und Kantenlinien parallel der Hauptachse gehen und deren Kantenlinien durch die Endpunkte der Nebenachsen gelegt sind. Sie sind die Endglieder der orthorhombischen Pyramiden ÄiP, mPn" und rhP n , wenn m unendlich gross wird. Die Parameter für diese Prismen sind dem- nach 00 a, b, c oder a, nb, c oder 00 a, b, nc, wesshalb sie die Zeichen 00 P, 00 Pn oder »Pn erhalten. Das Prisma <»P (Fig. 68) ist das Schlussglied der Reihe

.... mP .... P ... . nhP .... 00 P

und sein horizontaler Hauptschnitt ist wie in allen Pyramiden dieser Reihe der Rhombus mit den Parametern b und c wie in der Grundgestalt, wesshalb es das Grundprisma genannt werden kann, dessen Kantenwinkel das Verhältniss b\c bestimmen. Die beiderlei Kanten desselben sind die stumpfen brachydiago- nalen und die scharfen makrodiagonalen, deren Kantenwinkel sich zu 1800 ergänzen.

Die Prismen »Pn haben stumpfere brachydiagonale und schärfere makro- diagonale Kanten als das Prisma 00 P, während bei den Prismen 00 PK die brachydiagonalen Kanten schärfer und die makrodiagonalen Kanten stumpfer

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

sind als in ooP. Bei ihnen ist der Kantenwinkel der brachydiagonalen Kanten stumpf, wenn nc<b ist, dagegen scharf, wenn nc>b ist.

Orthorhombische Domen werden diejenigen rhombisch prismatischen

(Miu. 185-186)

i i

- l

Fig. 68.

Fig. 69.

Gestalten genannt, deren Flächen und Kantenlinicn einer der beiden Nebenachsen parallel sind. Sie könnten auch horizontale ortho- rhombische Prismen genannt wer- den, wonach dann die obigen orthorhombischen Prismen verti- kale genannt werden müssten. Der Kürze wegen wurde aber vorgezogen, die vertikalen allein Prismen zu nennen und die hori- zontalen nach Breithaupt Do- men. Die Domen sind nun weiter als Querdomen (oder Makro- domen) und als Längsdomen nachdem ihre Richtungslinie die

(oder Brachydomen) zu unterscheiden, je Quer- oder Längsachse (Makro- oder Brachydiagonale) ist.

Bei den Querdomen, deren Flächen und Kantenlinien der Querachse parallel gehen (Fig. 69) sind die Flächen durch die Endpunkte der Haupt- und Längsachse gelegte Ebenen und die beiden Kanten, welche durch die Endpunkte der Hauptachse führende Kantenlinien haben, heissen die Endkanten, die an- deren beiden, deren Kantenlinien durch die Endpunkte der Längsachse gehen, heissen die Seitenkanten und die Kantenwinkel der End- und Seitenkanten er- gänzen sich zu 1800. Die Querdomen sind die Schlussglieder der Pyramiden mPTT, PTf und mP~n, wenn n unendlich gross geworden ist, die Parameter der- selben sind ma, <x>b, c oder a, <x>f>, c oder m<7, b, c, daher ihre Zeichen mP55, PS oder mPS£, allgemein mPS. Wird der durch die Haupt- und Längsachse gelegte Schnitt der brachydiagonale Hauptschnitt genannt, der für diese Domen ein Rhombus ist, so sind die Kantenwinkel derselben gleich den Winkeln dieser Hauptschnittc. Da nun bei der Giundgestalt P die Hauptachse grösser oder kleiner als die Längsachse sein kann, so ist bei dem Querdoma P^ö, dessen Flächen das Parameterverhältniss a'.oob'.e haben, der Endkantenwinkel scharf, wenn a>c ist, stumpf dagegen, wenn a<Lc ist. In allen Querdomen rhPoö aber sind die Endkanten stumpfer als in Poö und bei den Querdomen rtiPöö schärfer als in P^.

Bei den Längsdomen, deren Flächen und Kantenlinien parallel der Längs- achse sind (Fig. 70), sind die Flächen durch die Endpunkte der Haupt- und Querachse gelegte Ebenen und die beiderlei Kanten werden auch als End- und Seitenkanten unterschieden, wie bei den Querdomen und die Kantenwinkel der beiderlei Kanten ergänzen sich zu 1800. Die Längsdomen sind die Schluss- gliedcr der Pyramiden mPrf, PW und mP n, wenn n unendlich gross geworden ist, daher sie in Folge ihrer Parameterverhältnisse ma:b:ooc, a:b:oot- und ti)a:b:°oc die Zeichen ml'», P»o und mPoc, allgemein das Zeichen mP» er- halten. Wird bei den orthorhombischen Gestalten der durch die Haupt- und Querachse gelegte Schnitt der makrodiagonale Hauptschnitt genannt, so haben die auf die Kantenlinien der Längsdomen senkrecht geführten Schnitte dieselbe

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Krystnllgestahen, Krystallographic.

35»

(Min. 187-188)

Gestalt wie die Rhomben der makrodiagonalen Hauptschnitte derjenigen Pyra- miden, aus denen die Längsdomen als Schlussglieder hervorgehen. Da aber bei der Grundgestalt P irgend einer Species das Verhältniss a\b bald a<b bald a>b zeigt, so sind auch in dem Längsdoma Poo die davon ab- hängigen Kantenwinkel verschieden, der Endkantenwinkel ein stumpfer, wenn a<b ist, ein spitzer dagegen, wenn a>b ist. In allen Längs- domen aber mit dem Zeichen m Poo sind die Endkanten stumpfer als die Endkanten von Poo und in allen Längsdomen in Poo schär- fer als in Poo.

Da bei den orthorhombischen Prismen und Domen die beiderlei Kantenwinkel sich zu 1800 ergän- zen, so ist bei der Angabe der

Kj:

Fig. 70.

Fig. 71.

Grösse der Kantenwinkel bestimmter Species nur nöthig, einen der beiderlei Kantenwinkel anzugeben und man giebt desshalb in der Regel bei den Prismen die Grösse des brachydiagonalen Kantenwinkels und bei den Domen die Grösse des Endkanten winkels an, um Verwechselung zu vermeiden.

3. Die orthorhombischen Basis-, Quer- und Längs flächen. Dies sind drei Paare paralleler Flächen, welche durch ihre Lage gegen die Achsen leicht unterschieden werden können. Als offene oder unendliche Gestalten müssen sie durch andere Gestalten begrenzt werden, oder können sich auch gegenseitig be- grenzen, wie dies z. B. in der Fig. 71 ausgedrückt ist. Die Basis flächen oP sind, zunächst mit den quadratischen Basisflächen vergleichbar, zwei parallele Flächen, von denen jede durch je einen Endpunkt der Hauptachse parallel den beiden Nebenachsen gelegt ist. Das Parameterverhältniss dieser Flächen ist, a'.oo b'.ooc, wofür man das des horizontalen Hauptschnittes oa\b\c nimmt, und die Basisflächen mit oP bezeichnet, da sie diesem Hauptschnitte parallel sind und die Ableitung der stumpferen Pyramiden mP dies erfordert. Naumann nannte die Basisflächen das basische Pinakoid. Die Querflächen ooPSS sind zwei parallele Flächen, von denen jede eine durch je einen Endpunkt der Längsachse parallel der Haupt- und Querachse gelegte Ebene ist, wonach ihr Parameterverhältniss 00 a : 00 b:c ist. Die Längsflächen 00 poo dagegen sind zwei parallele Flächen, von denen jede eine durch je einen Endpunkt der Querachse parallel der Haupt- und Längsachse gelegte Ebene ist, mit dem Parameterver- hältniss ooaib'.oor. Naumann benannte die Querflächen Makropinakoid und die Längsflächen Brachypinakoid.

Im Anschluss an die pag. 349 schematisch zusammengestellten Pyramiden können nun sämmtliche orthorhombischen holoedrischen Gestalten in ein Schema zusammengestellt werden und man ersieht, dass der Reichthum orthorhombischer Gestalten mit einer gewissen Einfachheit verbunden ist, insofern die genannten holoedrischen Gestalten eigentlich nur dreierlei Art sind, achtflächige, die orthorh. Pyramiden, vierflächige, rhombisch prismatische, welche je nach der Richtungs- linie als Prismen, Quer- und Längsdomen unterschieden werden und zweiflächige, welche je nach der Lage als Basis-, Quer- und Längsflächen zu unterscheiden sind

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352

Mineralogie, Geologie und Palaeonrologie.

LXngs- oder Bmcliydomen

'mPao .... Poo . . . . rnl

oP-

- mPW

- mP mPTT

Pn

Pn

.30

nrPiT rtiP

inPn

oo Poo

Pnl

1. •*

3

r.

PIT

rtiP

Quer- oder Makrodomen

Ein engeres Schema ergiebt sich, wenn man die Pyramiden und Prismen durch die allgemeinen Zeichen mPrf und ooP TT ausdrückt, worin alle möglichen Zeichen der Pyramiden und Prismen enthalten sind, da n ausdrückt, dass sich der Werth n entweder auf die Quer- oder Längsachse bezieht, während m alle möglichen rationalen Werthe zwischen o und oo und n alle rationalen Werthe

(Min. 189)

coT~oo

zwischen i und oo bezeichnet. Dieses Schema zeigt, wie die Prismen und Domen als Endglieder der Pyramidenreihen und die 3 Flächenpaare als Endglieder sowohl der Prismen und Domen, als auch der Pyramiden- reihen aufzufassen sind.

Für die Berechnung der Kanten- winkel der Pyramiden, Prismen und Domen durch die Parameter der Klächen sind nur wenige Formeln anzugeben. Bezeichnet man w zu diesem Zwecke die makrodiagonalen End- kanten der Pyramiden mit Z, die brachy-

diagonalen Endkanten mit V und die Seitenkanten mit X, so sind für die Grund- gestalt mit ihren Parametern a, b und c am bequemsten die Formeln für den Cosinus und für die Tangente der halben Winkel. Es ist

cos \Z = - cos \ Y = cos XX = worin Ä'= a* b* -hb^c* als Exponent c* ist und

r2"

tang ±Z

cVa* -+- b*

Aus den Formeln der Cosinus ergeben sich die Verhältnisse

cos \Z\cos \Y=b\c

cos \Z\cos \X-=a\c

cos \ Y\cos \X=a\b

hieraus folgt, dass wenn einer der drei Kantenwinkel aus einer Formel berechnet

ist, dass die anderen sich aus diesen Verhältnissen kürzer berechnen lassen. Ist

z. B. der halbe Seitenkantenwinkel berechnet oder bekannt, so ist cos \Y-

acos \X _ , _ acos ^X.

, * und cos±Z = 5 .

o c

Sind die Kantenwinkel irgend einer anderen Pyramide zu berechnen, so

hat man nur nöthig, anstatt der Parameter a, b und c die Parameter ma oder

nb oder nc dafür in der Formel einzutragen.

-+- c

, fang ^X

aYb*

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Kiystallgestalten, Krystallographie.

353

Bei den Prismen werden die brachydiagonalen Kanten mit Kund die makro- diagonalen Kanten mit Z bezeichnet und wenn man in obigen Formeln a = oo setzt, so ergeben sich für das Prisma ooP die Formeln

c b

cos \ Y= cos IfZ = -===,

yb*+c* Yb* •+■ c*

b c tang \ Y= tang ±Z=j.

Für jedes andere Prisma ooPn ist anstatt b nb und für jedes andere Prisma ooPW ist anstatt c nc in der Formel zu setzen.

Bei den Querdomen werden die Endkanten mit Z und die Seitenkanten

mit X bezeichnet und es ergeben sich aus den Formeln für P, wenn man b = oo

setzt für das Querdoma Pöö die Formeln

a c cos ^Z -^====t cos \X=

Y<** + c

Ya*-i-c*'

fang \Z = C-, tang \X = j.

Für jedes andere Querdoma mPöö ist in den Formeln ma anstatt a ein- zusetzen. Bei den Längsdomen werden die Endkanten mit Y und die Seiten- kanten mit X bezeichnet und es ergeben sich aus den Formeln filr P, wenn c = oo gesetzt wird, für das Längsdoma P oo die Formeln

a b cos 1K= . , cos \X— .— ,

b a tang \ Y= -, tang kX=J-

Für jedes andere Längsdoma mPoo ist in den Formeln ma anstatt a ein-

B. Hemiedrische orthorhombische Gestalten.

Als solche ergeben sich aus den Pyramiden die orthorhom bischen Sphenoide, welche der tetraedrischen Hemiedrie des tesseralen Systems und der sphenoidischen Hemiedrie des quadratischen Systems entsprechend geneigt- flächige Hernieder sind. Aus jeder orthorhombischen Pyramide ergeben sich

durch Herrschendwerden von je 4 abwechselnden Flächen 2 gleiche, nur ver-

(Mln. 190-1920

i

1

Fig. 72.

F'»g- 73-

Fig. 74-

schieden zu stellende orthorhombische Sphenoide, wie z. B. die Fig. 72 u. 74 zeigen, zwischen welche die bezügliche Pyramide Fig. 73 gestellt ist.

Die Sphenoide sind von 4 gleichen ungleichseitigen Dreiseiten umschlossen, haben 2 gleiche unregelmässige horizontale Kanten, die Endkanten, deren Kantenlinien durch die Endpunkte der Hauptachse halbirt werden, zweierlei un- regelmässige Seitenkanten, welche im Allgemeinen als 2 schärfere und 2 stumpfere unterschieden werden und deren Kantenlinien durch die Endpunkte der Neben-

Krni«cott, Min., Geol. «. Pal. II. 23

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

achsen halbirt werden. Die 4 Ecken sind gleiche unregelmässige dreikantige. Je nach den Nebenachsen, welche die Seitenkantenlinien halbiren, kann man sie auch als 2 makrodiagonale und 2 brachydiagonale unterscheiden.

Da jede orthorhombische Pyramide die Bildung zweier gleichen, nur ver- schieden zu stellenden Sphenoide gestattet, so ist das allgemeinste Symbol der j>— pf P~

Sphenoide und oder -1- und . Die Kantenwinkel der

r 2 2 2

Sphenoide sind die Ergänzungswinkel der Pyramidenkantenwinkcl zu 1800, so der Endkantenwinkel der Ergänzungswinkel zu den Seitenkantenwinkeln , der Kantenwinkel der makrodiagonalen Seitenkanten der Ergänzungswinkel zu den Kantenwinkeln der brachydiagonalen Endkanten und der Kantenwinkel der brachy- diagonalen Seitenkanten der Ergänzungswinkel zu den Kantenwinkeln der makro- diagonalen Endkanten der bezüglichen Pyramide.

Bei diesem Gesetze der sphenoidischen Hemiedrie bleiben die Prismen, Domen, Basis-, Quer- und Längsflächen holoedrisch, welche gleichzeitig mit den Sphenoiden in Combination auftreten können.

Die sphenoidische (geneigtflächige) Hemiedrie wird als die einzige des orthorhombischen Systems angenommen, während in dem tesseralen und quadratischen Systeme auch parallelflächige Hemiedrie vorkommt. In früherer Zeit dagegen wurde auch parallelflächige Hemiedrie angenommen, durch welche die Gestalten des klinorhombischen Systems als in das orthorhombische gehörig aufgefasst werden konnten, sowie auch Tetartoedrie angenommen wurde, uro die anorthischen Gestalten mit den orthorhombischen in Zusammenhang zu bringen. Vom mathematischen Standpunkte aus waren diese Annahmen gerecht- fertigt, doch liessen die optischen Verhältnisse sich nicht damit in Einklang bringen, wesshalb gegenwärtig allgemein angenommen wird, dass neben dem orthorhombischen Systeme die beiden Systeme, das klinorhombische und an- orthische als selbständige bestehen, im orthorhombischen nur sphenoidische Hemiedrie existirt.

C. Orthorhombische Combinationen. Dieselben sind im Allgemeinen nicht schwierig zu bestimmen, insofern die einfachen holoedrischen Gestalten nur dreierlei sind, Pyramiden, rhombisch prismatische und Flächenpaare, also nur 8, 4 und 2 flächige Gestalten, und nur eine Art von Hemiedern, die Sphenoide vorkommen. Gewöhnlich sind in den Combinationen die Prismen oder Domen, nächstdem die Flächenpaare vor- herrschend, während die Pyramiden seltener als vorherrschende Gestalten auf- treten. Da aber doch alle Gestalten einer Species von der Wahl der Grund- gestalt abhängen, auch wenn dieselbe nicht vorkommen sollte, sondern nur aus anderen Gestalten entnommen wird, so ist es stets noth wendig, um den Zusammen- hang der Gestalten untereinander richtig aufzufassen, die Achsen der Grundge- stalt ihrer Lage und Länge nach festzustellen, was auch ohne wirkliche Aus- bildung der Grundgestalt durch Prismen und Domen zu ermöglichen ist. Bei der grossen Mannigfaltigkeit der Combinationen, welche oft sehr flächenreiche sind, sollen daher nachfolgende zweifache Combinationen nur als Fingerzeig dienen, um aus diesen die mehrfachen richtig beurtheilen zu können. i.An der Grundgestalt P bilden die Pyramiden mP Zuschärfung der Seitenkanten; die Pyramiden mP vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufgesetzt, wobei die Combinalionskanten horizontale parallel

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Krystallgestalten, Krystallographie. 355

den Seitenkanten von P sind; das Prisma 00 P gerade Abstumpfung der Seitenkanten; die Basisflächen oP gerade Abstumpfung der End- ecken; die Pyramiden Pn Zuschärfung der brachydiagonalen, die Py- ramiden Pn' Zuschärfung der makrodiagonalen Endkanten; das Quer- doma P55 gerade Abstumpfung der brachydiagonalen, das Längsdoma Poo gerade Abstumpfung der makrodiagonalen Endkanten; die Quer- flächen ooPöÖ gerade Abstumpfung der brachydiagonalen, die Längs- flächen 00 P06 gerade Abstumpfung der makrodiagonalen Seitenecken; die Pyramiden m P m vierflächige Zuspitzung der brachydiagonalen Seiten- ecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufgesetzt, wobei die Combinationskanten mit P parallel den makrodiagonalen Endkanten sind, die Pyramiden rhPm eine dergleichen Zuspitzung der makrodiagonalen Seitenecken, wobei die Combinationskanten parallel den brachydiagonalen Endkanten von P sind; die Prismen 00 Pn" Zuschärfung der brachy- diagonalen, die Prismen 00P11 Zuschärfung der makrodiagonalen Seiten- ecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Seitenkanten aufgesetzt; die Querdomen mPöö Zuschärfung der Endecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die brachydiagonalen Endkanten aufgesetzt, die Längsdomen mPoo eine dergleichen Zuschärfung, die Zuschärfungsflächen gerade auf die makrodiagonalen Endkanten aufgesetzt; die Querdomen mPöö Zu- schärfung der brachydiagonalen Seitenecken, die Zuschärfungsflächen auf die Endkanten aufgesetzt, die Längsdomen mPoo eine dergleichen Zu- schärtung der makrodiagonalen Seitenecken; die Pyramiden mPTT und mP"n vierflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufgesetzt, wobei die Combinationskanten mit P nach den brachydiagonalen Seitenecken hin bei mPrf, bei mPn" nach den makro- diagonalen Seitenecken hin convergircn; die Pyramiden m P~h~ vierflächige Zuspitzung der brachydiagonalen Seitenecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufgesetzt, wobei die Combinationskanten mit P mit den makrodiagonalen Endkanten nach den Endecken hin convergiren, wenn m < n ist, dagegen nach den makrodiagonalen Seitenecken hin convergiren, wenn m > n ist; die Pyramiden mPn vierflächige Zuspitzung der makro- diagonalen Seitenecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufgesetzt, wobei die Combinationskanten mit P nach den Endecken hin mit den brachydiagonalen Endkanten convergiren, wenn m < n ist, dagegen nach den brachydiagonalen Seitenecken hin, wenn m > n ist. 2. An dem Prisma 00 P bilden

die Prismen 00 P IT" Zuschärfung der brachydiagonalen Kanten, die Prismen ooPrf Zuschärfung der makrodiagonalen Kanten; die Querflächen ooPöö gerade Abstumpfung der brachydiagonalen, die Längsflächen 00 Poo ge- rade Abstumpfung der makrodiagonalen Kanten; die Basisflächen o P eine Begrenzung der unendlichen Ausdehnung in der Richtung der Hauptachse durch je eine horizontale den beiden Nebenachsen parallele Fläche; die Querdomen mP~ Begrenzung durch Zuschärfung, die Zuschärfungsflächen gerade auf die brachydiagonalen Kanten anfgesetzt, die Längsdomen mPoo eine dergleichen Begrenzung durch Zuschärfung, die Zuschärfungs- flächen gerade auf die makrodiagonalen Kanten aufgesetzt; die Pyramiden eine Begrenzung durch vierflächige Zuspitzung, die Zuspitzungsflächen auf die Prismenflächen aufgesetzt, wobei die Combinationskanten der Pyramide

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

mit den Prismenflächen horizontale sind, wenn die Pyramide der Reihe mP angehört, die Grundgestalt inbegriffen. Bei den Pyramiden mit dem Zeichen mPn oder mPrT sind die Combinationskanten nicht hori- zontal, sondern es bilden die Combinationskantenlinien mit den brachy- diagonalen Kantenlinien stumpfe Winkel bei den Pyramiden mPn, da- gegen stumpfe Winkel mit den makrodiagonalen Kantenlinien bei den Pyramiden mPif, gleichviel ob m in beiden Fällen =, < oder > als i ist.

3. An dem Querdoma P55 bilden

die Querdomen ihPöö Zuschärfung der Endkanten, die Querdomen rhPöö Zuschärfung der Seitenkanten; die Basisflächen oP gerade Abstumpfung der Endkanten, die Querflächen ooP» gerade Abstumpfung der Seiten- kanten; die Längsflächen 00P06 begrenzen die unendliche Ausdehnung nach der Querachse an jeder Seite, also rechts und links durch je eine vertikale Fläche, welche die Querachse und die Domenkanten und Flächen senkrecht schneidet; die Prismen <»P, <»P"n oder ooPn be- grenzen die unendliche Ausdehnung durch je 2 eine Zuschärfung bildende Flächen, welche gerade auf die Seitenkanten aufgesetzt sind, die Längs- domen m Poo in ähnlicher Weise, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Endkanten aufgesetzt; die Pyramiden begrenzen die unendliche Ausdehnung an jeder Seite der Querachse durch je 4 eine Zuspitzung bildende Flächen, die Zuspitzungsflächen auf die Domenflächen aufgesetzt. Hierbei sind die Combinationskantenlinien mit je einer Domenfläche unter einander parallel, wenn die Pyramide die Grundgestalt ist oder das Zeichen Pn oder das Zeichen mPm hat; oder es convergiren die Combinationskantenlinien nach den Endkanten hin, wenn die Pyramiden die Zeichen mP n", mP oder mPn oder mPff (hierbei m<n) haben, bei allen anderen con- vergiren die Combinationskantenlinien nach den Seitenkanten hin.

4. An dem Längsdoma Poo bilden

die Längsdomen mPoo Zuschärfung der Endkanten, die Längsdomen mPoo Zuschärfung der Seitenkanten; die Basisflächen oP gerade Abstumpfung der Endkanten, die Längsflächen 00 Poo gerade Abstumpfung der Seiten- kanten; die Querflächen 00PS0 begrenzen die unendliche Ausdehnung nach beiden Seiten der Längsachse, also nach vorn und nach rückwärts durch je eine vertikale Fläche, welche rechtwinklig die Längsachse, die Kantenlinien und die Flächen schneidet; die Prismen 00 P, 00 Pn" und ooPn" begrenzen die unendliche Ausdehnung beidseitig durch je 2 eine Zuschärfung bildende Flächen, welche gerade auf die Seitenkanten auf- gesetzt sind, die Querdomen bilden eine dergleichen Begrenzung, die Flächen gerade auf die Endkanten aufgesetzt; die Pyramiden begrenzen die unendliche Ausdehnung durch je 4 Flächen an jeder Seite der Längs- achse, eine vierflächige Zuspitzung bildend, deren Flächen auf die Domen- flächen aufgesetzt sind. Hierbei sind die Combinationskantenlinien an derselben Domenfläche untereinander parallel, wenn die Pyramide die Grundgestalt ist oder das Zeichen PW oder mPm hat. Bei den Pyra- miden mPii mP, mPn" und mPTT (bei letzteren mit m < n) conver- giren die Combinationskantenlinien in derselben Domenfläche nach den Endkanten, bei allen anderen nach den Seitenkanten hin.

5. Die Basisflächen, die Quer- und die Längsflächen bilden, wenn sie

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Krystallgestalten, Krystallographie.

357

in den Combinationen vorherrschen, tafelartige Gestalten, deren Unter- scheidung von den Achsen der Grundgestalt abhängt. So entstehen bei den vorherrschenden Basisflächen horizontale rhombische Tafeln mit geraden Randflächen', wenn sie durch ein Prisma, dagegen mit zuge- schärften Rändern, wenn sie durch eine Pyramide begrenzt werden. An- dererseits entstehen oblonge Tafeln mit geraden Randflächen, wenn sie gleichzeitig durch die Quer- und Längsflächen, oblonge Tafeln mit zuge- schärften Rändern, wenn sie gleichzeitig durch ein Quer- und Längsdoma begrenzt werden, oder es entstehen oblonge Tafeln mit 2 parallelen ge- raden Randflächen und 2 parallelen Randzuschärfungen, wenn sie gleich- zeitig durch die Querflächen und ein Längsdoma oder durch die Längs- flächen und ein Querdoma begrenzt werden. Bei dem Vorherrschen der Quer- oder Längsflächen entstehen analoge vertikale rhombische oder oblonge Tafeln, die sich in ähnlicher Weise leicht bestimmen lassen. Zur Beurtheilung mehrfacher Combinationen ist auch, wie im quadratischen

Systeme (pag. 342) ein Schema sehr zweckmässig, welches die Vertheilung sämmtlicher Gestalten um den Endpunkt der Hauptachse herum, oder um die Basisfläche allgemein ausdrückt.

Der Rhombus repräsentirt den horizontalen oder basischen Hauptschnirt der Grundgestalt und aller Pyramiden mP, sowie des Prisma 00 P, die 4 Drei- seite sind die Projection aller Pyramiden mP und die Seiten des Rhombus sind die Projectionslinien des Prisma 00 P. Die eingetragenen Zeichen der anderen Gestalten drücken die Gruppirung der bezüglichen Flächen um die Basisfläche oP oder um den Endpunkt der Hauptachse aus. Aus dem Schema, verglichen mit dem des quadratischen Systems ergiebt sich auch die Begründung des VVEiss'schen Namens zwei- und zweigliedriges System gegenüber dem Namen viergliedriges des quadratischen, insofern bei den quadratischen holoedrischen Gestalten und den Combinationen rechts und links, vorn und rückwärts gleiche Begrenzungselemente sichtbar sind, alle Theile nach den 4 gleichen Nebenachsen- hälften in gleicher Weise gruppirt sind, bei den orthorhombischen Gestalten und Combinationen nach den 2 und 2 gleichen Nebenachsenhälften die gesammten Theile so angeordnet sind, dass die rechts und links liegenden unter sich gleich

(Mio. 198.)

ooPäS

cofco

00P 00

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35«

Mineralogie, Geologie und ralaeontologie.

angeordnet sind, verschieden von den unter sich gleichen vorn und rückwärts liegenden Theilen.

Für die Berechnung der Combinationskanten dient die (pag. 326) bei dem tesseralen Systeme angegebene allgemeine Formel, in welcher man für die Buch- staben v, q und / die auf die Hauptachse, Quer- und Längsachse bezüglichen Parameter der die Kanten bildenden Flächen einzutragen hat.

Schliesslich würde auch eine Vergleichung aller orthorhombischen holo- edrischen Gestalten mit den quadratischen, beziehungsweise mit den tesseralen durchführbar sein, wie sie pag. 345 für die quadratischen im Vergleich mit den tesseralen angegeben wurde. Die Grundgestalt P ist das Analogon der quadra- tischen Grundgestalt P und des Oktaeders O und wurde in diesem Sinne das orthorhombische Oktaid genannt. Alle von der Grundgestalt ableitbaren Ge- stalten entsprechen den vom Oktaeder abgeleiteten Gestalten als Partialgestalten derselben, hervorgegangen durch die Differenz der Achsen. So z. B. würde dem Hexaeder das orthorhombische Hexaid entsprechen, welches die Combinarion der Quer-, Längs- und Basisflächen ist und dem Rhombendodekaeder das orthorhom- bische Dodekaid, die Combination der 3 Gestalten 00 P, P55 und PSo. Diese Vergleichung würde auch für die anderen Gestalten durchführbar sein und eben- so würden, wie bei den quadratischen Gestalten gezeigt wurde, sich die Com- binationsverhältnisse mit dieser Vergleichung vereinbar zeigen.

IV. Das klinorhombische Kry stallsystem.

Die Gestalten desselben lassen sich am besten mit denen des orthorhombischen vergleichen, wie auch die Namen der Achsen und Gestalten beider zeigen. Es lassen sich dieselben auf 3 ungleichlange Ach sen beziehen, von denen 2 sich unter einem schiefen Winkel schneiden und auf denen die dritte senkrecht steht. Von den beiden sich schiefwinklig schneidenden Achsen wird eine als die Haupt- achse gewählt und senkrecht gestellt, wodurch die beiden anderen Achsen, die Neben achsen sich rechtwinklig schneiden und in einer Ebene liegen, welche mit der Hauptachse einen schiefen Winkel bildet. Die durch die beiden Neben- achsen gelegte Ebene, der basische Hauptschnitt, ist wie im orthorhombischen Systeme, wenn man die Endpunkte der Nebenachsen durch gerade Linien ver- bindet, ein Rhombus und weil auf diesem Rhombus die Hauptachse schief steht, so heisst das System klinorhombischesim Gegensatz zu dem orthorhombischen, in welchem die Hauptachse auf dem Rhombus der beiden Nebenachsen senkrecht steht. Es wird auch monoklines genannt, weil von den drei Durchschnitts- winkeln der Achsenlinien einer ein schiefer ist, desgleichen auch einer der drei Durchschnittswinkcl der Achsenebenen. Bei senkrechter Stellung der Hauptachse liegt die eine der beiden Nebenachsen, welche die Hauptachse rechtwinklig schneidet, horizontal und diese wird entsprechend der Querachse des orthorhom- bischen Systems quer vor den Beobachter als Querachse gelegt und die andere der beiden Nebenachsen, welche die Hauptachse schief schneidet, wird dann zur Längsachse, deren tieferlicgendes Ende dem Beobachter zugewendet liegt Die Querachse ist also bei vertikaler Stellung der Hauptachse die horizontale Neben- achse und die Längsachse die schiefe Nebenachse und die Länge wird nicht zur Benennung verwendet.

Die 3 Hauptschnitte werden als basischer Hauptschnitt, das ist die schiefe, durch beide Nebenachsen gelegte Ebene und als Querschnitt und Längsschnitt unterschieden. Die letzteren beiden sind vertikale Ebenen, von

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Krystallgestalten, Krystallographie.

359

denen der Querschnitt durch die Haupt- und Querachse, der Längsschnitt durch die Haupt- und Längsachse gelegt ist

In dem schiefliegenden Rhombus, welchen die beiden Nebenachsen durch die Verbindungslinien ihrer Endpunkte bilden, sind die Nebenachsen die Diago- nalen dieses Rhombus, weshalb sie von Naumann, entsprechend den Namen Makrodiagonale und Brachydiagonale orthorhombischer Gestalten Orthodiago- nale und Klinodiagonale genannt wurden. Die Orthodiagonale (die Quer- achse) bildet mit der Hauptachse rechte Winkel, die Klinodiagonale (die Längs- achse) schneidet die Hauptachse schiefwinklig, beide aber schneiden sich recht- winklig.

A. Einfache klinorhombische Gestalten.

Die einfachen Gestalten sind wie im orthorhombischen Systeme Pyramiden, Prismen, Domen und Flächenpaare, dagegen zeigen die Pyramiden keine spheno- idische Hemiedrie, sondern eine gewisse parallelflächige Hemiedrie, welche sich auch auf die Querdomen erstreckt.

i. Die klinorhombischen Pyramiden. Dieselben sind (Fig. 75) von 8 ungleichseitigen Dreiseiten umschlossen, welche ihrer Lage nach, ähnlich wie die 8 ungleichseitigen Dreiseite einer jeden orthorhombischen Pyramide auf ein klinorhombisches Achsen verhältniss (v:q:f) bezogen, durch je 3 Achsen- endpunkte gelegte Ebenen sind, also dieselben Parameter haben, als isoparametrische Flächen zusammengefasst ein- ^ fache holoedrische Gestalten darstellen. Da aber, wenn 9 man, wie die Figur zeigt, mit v v die Hauptachse, mit q q die Querachse und mit / / die Längsachse angiebt, die Längsachse mit der Hauptachse schiefe Winkel_bildet, nach vorn oberhalb des basischen Hauptschnittes q l q i den stumpfen Winkel v o /, nach rückwärts den spitzen Er- gänzungz winkel v o / (welcher gewöhnlich als Z ß angegeben wird), so haben die 8 ungleichseitigen Dreiseite nicht Fiß' 75- (Mi* iwo

gleiche Gestalt, sondern es sind je 4 und 4 gleich gestaltete. Dies hängt von dem schiefen Neigungswinkel der Haupt- und Längsachse ab, beziehungsweise von dem gleichen schiefen Neigungswinkel des Querschnittes v q v q und des basischen Hauptschnittes q l q /, durch welchen die 8 Oktanten vier und vier räumlich gleiche sind. In 4 Oktanten ist der stumpfe Winkel und in den 4 anderen der spitze Ergänzungswinkel ß enthalten und wenn jene als die stumpfwinkligen, diese als die spitzwinkligen benannt werden, so sind darnach die 8 Flächen einer klinorhombischen Pyramide zweierlei, 4 gleiche grössere und 4 gleiche kleinere. Die vier gleichgestalteten grösseren sind die Dreiseite v q I, v q_l, z^_^_/_und v_q £ die vier gleichgestalteten kleineren sind die Dreiseite v q /, v q /, v q l und v q /.

Die 12 Kanten einer jeden klinorhombischen Pyramide sind viererlei Art und wenn man sie im Vergleich mit den Kanten einer orthorhombischen Pyramide zunächst als End- und Seitenkanten unterscheidet, so sind die 4 gleichen Seitenkanten unregelmässige Kanten, die 4 gleichen querachsigen (die orthodia- gonalen) Endkanten auch unregelmässige Kanten und die 4 längsachsigen (die klinodiagonalen) Endkanten symmetrische zweierlei Art, zwei längere stumpfere, v l und v l und 2 kürzere schärfere v l und v /.

Die 6 vierkantigen Ecken, deren Scheitelpunkt die Endpunkte der Achsen sind, sind unregelmässige Ecken dreierlei Art, welche als 2 gleiche End ecken,

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36o

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Hauptachse sind und als 4 Seitenecke n unterschieden werden, welche zweierlei sind, zwei gleiche, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Querachse sind und zwei gleiche, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Längsachse sind. Jene sind dann als querachsige (orthodiagonale), diese als längsachsige (klinodiagonale) Seitenecken zu unterscheiden.

Werden in der angegebenen Weise die klinorhombischen Pyramiden als ein- fache holoedrische Gestalten mit den orthorhombischen Pyramiden vergleichbar aufgefasst, so ist zunächst der Unterschied der 4 und 4 gleichgestalteten Flächen die Veranlassung gewesen, je vier gleiche Flächen als Hemipyramide zu be- nennen, wonach eine klinorhombische Pyramide aus zwei Hemipyraroiden be- steht und diese Unterscheidung ist um so mehr nothwendig geworden, als das Vorkommen der klinorhombischen Pyramiden an Krystallen der Art ist, dass die klinorhombischen Pyramiden als vollflächige Gestalten, wie sie theoretisch aufgefasst werden, selten gesehen werden, sondern dass einerseits die zwei Hemi- pyramiden so mit einander vorkommen, dass die Flächen der einen vorherrschend ausgebildet sind, andererseits auch nur eine solche Hemipyramide vorhanden ist, die andere nicht. In diesem Sinne sind die beiden Hemipyramiden je einer ganzen Pyramide parallelflächige Hernieder.

Bei der angegebenen Stellung klinorhombischer Gestalten, dass die Längs- achse ihr tiefer liegendes Ende dem Beobachter zugewendet zeigt, sind die 2 grösseren Dreiseite des oberen Theiles der Pyramide dem Beobachter zuge- wendet, nach vorn liegende Flächen und man nennt deshalb die durch die grösseren Dreiseite gebildete die vordere Hemipyramide. Die durch die kleineren Dreiseite gebildete heisst dann die hintere Hemipyramide, inso- fern die 2 Flächen des oberen Theiles der Pyramide für den Beobachter nach hinten liegen. In Hinsicht auf die vom Winkel ß abhängigen Winkelfunctionen nennt man auch jene die negative, diese die positive Hemipyramide, indem man bei der Unterscheidung der positiven und negativen Halbachsen die nach vorn liegende halbe Längsachse als negative und die nach hinten liegende als positive annimmt. Die obere Hälfte der Hauptachse wird als positive, die untere als nega- tive Halbachse und die links liegende Hälfte der Querachse als negative, die rechts liegende Hälfte als positive Halbachse bezeichnet, wonach der Oktant v q l 0 der positive und der Oktant v q l 0 der negative Oktant ist.

Die gegenseitigen Verhältnisse der klinorhombischen Pyramiden, beziehungs- weise der Hemipyramiden und der anderen klinorhombischen Gestalten erfordern, dass wie im orthorhombischen Systeme für jede klinorhombische Krystallspecies, eine klinorhombische Pyramide als Grundgestalt aufgestellt wird, von welcher alle anderen klinorhombischen Pyramiden oder Hemipyramiden und die anderen Gestalten derselben Species abgeleitet werden, wie von der Grundgestalt im orthorhombischen Systeme. Diese Grundgestalt wird durch ihre Achsenlängen und durch die Grösse des Winkels ß bestimmt Bezeichnet man ihre halbe Haupt- achse mit a, die halbe Querachse mit b und die halbe Längsachse mit c, so haben ihre Flächen das Parameter- oder Achsenverhältniss a:b:c und die Werthe für a, bt c sind irrationale, von denen man einen als Einheit annehmen kann. Gewöhnlich wird gegenwärtig b als Einheit gesetzt, doch kann man auch jede andere als Einheit setzen, in welchem Falle man dann am zweckmässigsten den kleinsten als Einheit setzen kann.

Das Zeichen der Grundgestalt würde, wie im orthorhombischen Systeme P sein können, da aber die 8 Flächen bezüglich ihrer Gestalt und Grösse zweier-

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Kry stallgestalten, Krystallographie. 361

iei sind, die vordere und hintere Hemipyramide bilden, so muss man dies im Zeichen ausdrücken. Bezeichnet man nun die 4 Flächen der vorderen Hemi- pyramide mit P und die 4 Flächen der hinteren Hemipyramide mit P', welche beiderlei Flächen zusammen die Grundgestalt bilden, so ist das Symbol der Grund- gestalt ^p*y Sie kann nicht als eine Combination der beiden Hemipyramiden

als P. P' bezeichnet werden, weil in diesem Zeichen, oder in dem Zeichen P'. P wie bei anderen Combinationen entweder P oder P' als vorherrschende Gestalt ausgedrückt wäre, wie an Krystallen es vorkommen kann. In der theoretischen Grundgestalt sind beide Hemipyramiden im Gleichgewicht vorhanden, was durch

das Symbol ^pr^ im Gegensatz zu den Combinationen . P . P' oder P'. P ausge- drückt wird.

Häufig wird die vordere Hemipyramide als negative und die hintere Hemi- pyramide als positive benannt und bezeichnet, P und -+- P, doch ist dabei aus- drücklich zu bemerken, dass nicht die Flächen P und -+■ P diametral entgegen- gesetzt liegende Flächen sind.

Aus der Grundgestalt ^p,^ mit ihrem Parameterverhältniss a\b.c kann

man

nun in gleicher Weise, wie im orthorhombischen Systeme aus der Grundgestalt P alle anderen möglichen klinorhombischen Pyramiden durch Veränderung des Parameterverhältnisses a\b\c ableiten. Diese Veränderungen ergeben wie im orthorhombischen Systeme die Parameterverhältnisse ma:d:c, a:nb:c, a:ö:ne, ma:nö:c und ma:ö:nc, wobei wie dort m eine rationale Zahl grösser oder kleiner als 1, n eine rationale Zahl grösser als 1 ausdrückt. In den sich daraus er- gebenden Symbolen aber, in denen auch m vor P und n hinter P gesetzt wird, ist das n als auf die Querachse (die Orthodiagonale, horizontale Nebenachse) be- züglich, oder auf die Längsachse (die Klinodiagonale, geneigte Nebenachse) be- züglich am zweckmässigsten dadurch zu unterscheiden, dass man in jenem Falle über das n einen horizontalen Strich schreibt, "n", in diesem Falle einen schrägen, "rT. Hiernach sind alle Pyramiden oder Hemipyramiden aus beifolgendem Schema ersichtlich

(m?^\ /PTr\ /mP"rT\

\mP'lr; yP'rrJ \fcp'nj

. .

/mP\ (V \ /%P \

* * " * \mP'J ' " * ' \p7 ' ' ' ymP'j ' * ' *

(mV n\ /Pn \ /fhPTf \

* \mP'n-J ' \P'n"J " ' ' " \ÄiP'nJ * *

welches dem auf pag. 349 angeführten der gesammten orthorhombischen Pyramiden entspricht. Naumann schrieb die mit dem Werthe n behafteten Symbole in der Weise, dass er das P des Symbols mit einem horizontalen Strich durchstrich, wenn es sich auf die Orthodiagonale bezieht und mit einem schrägen, wenn es sich auf die Klinodiagonale bezieht. Hiernach sind z. B. seine Zeichen für Pn

«

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3& 2

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

7

Fig. 76.

und PjT £n und £n. Da sich aber der horizontale und schräge Strich auf den Parameter n bezieht, so erscheint es zweckmässiger, diese Zeichen auch über das n zu setzen.

2. Die klinorhombischen Prismen und Domen. Dieselben vergleichbar (Min. 1M-196.) mjt ^en orthorhombischen Prismen und

Domen sind die Schlussglieder der Pyrami- den, beziehungsweise der Hemipyramiden, wenn die Werthe für m oder n unendlich gross werden. Die klinorhombischen Prismen sind als offene Gestalten (Fig. 76) rhombische Prismen, gleichseitig vierseitige schiefwink- lige Prismen, welche der Gestalt nach mit den orthorhombischen Prismen als verti- kale übereinstimmen. Ihre Flächen sind Ebenen, gelegt durch je 2 Nebenachsen- endpunkte parallel derHauptachse und ihreParameter sind 00a, wenn diePrismen

(fh P \ mpr I abschliessen, 00 at bt nc, wenn sie die Pyramiden

(äiP'1^) und 00 a, c, wenn sie die Reihe der Pyramiden ^p'^J abschliessen,

woraus die Zeichen 00 P, ooPiT und ooPTT hervorgehen. Das Prisma 00 P ist das Grundprisma, weil es dieselben Nebenachsen wie die Grundgestalt enthält.

Die Kanten der Prismen werden als orthodiagonale und klinodiagonale unter- schieden, deren Kantenwinkel als schiefe sich zu 1800 ergänzen. In den Kantenlinien der orthodiagonalen Kanten liegen die Endpunkte der Querachse (der Orthodia- gonale des basischen Hauptschnittes) und in den Kantenlinien der klinodiagonalen die Endpunkte der Längsachse (der Klinodiagonale). Im Grundprisma <x> P aber ist nicht wie im Grundprisma 00 P des orthorhombischen Sytems der Kantenwinkel der klinodiagonalen Kanten, welche den dortigen brachydiagonalen Kanten entsprechen stets ein stumpfer, sondern er kann stumpf, aber auch spitz sein, weil die Neben- achsen hier nicht nach der Länge, sondern nach der Lage unterschieden werden. Bei der Beschreibung klinorhombischer Krystalle wird in der Regel der klino- diagonale Kantenwinkel angegeben. Dagegen sind in den Prismen 00 Pn stets die klinodiagonalen Kanten stumpfer als in 00 P und in den Prismen »Pn schärfer als in 00 P.

Die klinorhombischen Domen werden als Querdomen und Längsdomen unterschieden, je nachdem die Richtungslinie dieser offenen prismatischen Ge- stalten die Quer- oder Längsachse ist, wesshalb man sie auch als Ortho- und Klinodomen unterscheiden kann. Die Quer- oder Orthodomen (Fig. 77)1) sind horizontale rhomboidische Prismen, vierseitige schiefwinklige Prismen, bei denen je zwei parallele Seiten gleiche sind, 2 breitere und 2 schmälere. Die Querdomen sind die Schlussglieder der Reihen der klinorhombischen

Pyramiden ^Jfjp'yf^» (p'Tf) unc* (nSP'ir)' m<^em De* n = 00 ^ie klinodia- gonalen Endkanten = 1800 werden. Da aber dieselben zweierlei sind, 2 längere und 2 kürzere, jene den vorderen, diese den hinteren Hemipyramiden zugehören,

l) Hier ist das Prisma begrenzt durch die später anzugebenden Basisflächen.

9) Hier ist das Qucrdoma begrenzt durch die später anzuführenden Längsflächen.

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Krystallgestalten, Krystallographic. 363

so werden die breiteren Seiten der Querdomen als vordere Querhemidomen und die schmäleren Seiten als hintere Querhemidomen unterschieden. Jene sind die Schlussglieder der vorderen, diese die der hinteren Hemipyramiden und entsprechend den Parameterverhältnissen ma:nb:c, a:nb:c und fiiainb'.o sind

die Symbole der Querdomen allgemein ^JJp^J «"d getrennt mP55 die Symbole

der vorderen, mP'55 die der hinteren Querhemidomen. Entsprechend den Hemipyramiden werden auch die Querhemidomen (Hemiorthodomen) als negative und positive benannt und bezeichnet.

Die Querdomen, beziehungsweise die Querhemidomen bilden die Reihe

/mPS5\ (?™\ (ii\Vöö\

" ' ' \mP'S5j ' * * * yP'Sö/ ' ' * ' V«riP'5ö/ Obgleich die Kanten der vollständigen Querdomen als End- und Seitenkanten unterschieden werden können, so wird ihr Kantenwinkel nicht angegeben, weil man daraus nicht die Domen bestimmen kann, sondern es wird nur der Neigungs- winkel der Querhemidomenflächen gegen die Hauptachse oder was dasselbe ist, ihr Neigungswinkel gegen den den Querflächen parallelen Querschnitt angegeben. Hierbei ist stets der Winkel des vorderen Querhemidoma kleiner als der des zugehörigen hinteren Querhemidoma.

Die Längsdomen endlich, welche auch Klinodomen heissen, sind (Fig. 78) gleichseitig vierseitige schiefwinklige, also rhombisch prismatische offene Gestalten, deren Richtungslinie die Längsachse (die Klinodiagonale) ist. Ihre Flächen sind durch die Haupt- und Querachsenendpunkte parallel der Längsachse gelegte

Ebenen, ihre Parameter sind ma, b, nc, wobei m^ 1 sein kann und die Zeichen der Längsdomen sind demnach

.... mP» .... P£5 .... mP£5 .... indem sie die Schlussglieder der klinorhombischen Pyramiden, respective Hemi- pyramiden mPrT und mP'rT sind, in denen m^ 1 ist.

Die Kanten der Längsdomen sind zweierlei, End- und Seitenkanten, deren Winkel sich zu 1800 ergänzen und man (Min. 197-198.)

giebt bei der Beschreibung gewöhnlich den Endkantenwinkel an.

3. Die Basis-, Quer- und Längs- flächen. Diese bilden wie die gleich- namigen des orthorhombischen Systems Flächenpaare, offene Gestalten, welche sich untereinander begrenzen (Fig. 79) oder durch andere Gestalten begrenzt werden. Die Basisflächen oP sind zwei parallele Flächen, von denen jede einzelne parallel den beiden Nebenachsen durch je einen End- Fiß" ?8' Fig' 79"

punkt der Hauptachse gelegt ist. Ihr Parameterverhältniss ist a:<x>b:<x>c, welches in oa\b\c umgeschrieben zu dem Zeichen oP führt. Die Querflächen sind zwei pa- rallele Flächen, von denen jede einzelne parallel der Haupt- und Querachse durch je einen Endpunkt der I^ngsachse gelegt ist. Ihr Parameterverhältniss ist 00a: oob\ c und ihr Zeichen ooPöö. Die Längs flächen sind zwei parallele Flächen, von denen jede einzelne parallel der Haupt- und Längsachse und durch je einen

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17

') Hier ist das Längsdoma begrenzt durch die später anzuführenden QucrBächen.

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3*4

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Endpunkt der Querachse gelegt ist. Ihr Parameterverhältniss ist ooa:b:ooc und ihr Zeichen 00P00.

Diese 3 Flächenpaare, von Naumann basisches Pinakoid, Orthopinakoid und Klinopinakoid genannt entsprechen den 3 Achsenebenen in ihrer gegen- seitigen Lage. Die Quer- und Längsflächen sind vertikal und gegeneinander rechtwinklig geneigt. Die Basisflächen sind parallel dem basischen Hauptschnitt und sind gegen die Längsflächen rechtwinklig geneigt, gegen die Querflächen schiefwinklig, mit ihnen dieselben schiefen Winkel bildend, wie die Hauptachse und Längsachse mit einander.

Stellt man alle von der Grundgestalt fp\^ ableitbaren Gestalten mit ihr in

ein Schema zusammen, so ersieht man aus demselben, wie pag. 352 im ortho- rhombischen Systeme den Zusammenhang aller möglichen klinorhombischen Ge- stalten, welche von der Grundgestalt ableitbar sind.

Längs- oder Klinodomen

111 P ^ ...

mPäS

oP

/mP n*\ (P n\

\mP'TrJ * ' \P'rt) ' '

AhP \ (P \

\mP') ' ' \P') *

(mP n\ (V 1T\

^mP'nJ ' ' ' \P'nJ '

/ÄiP "ir\

^mP'n-J

(

P«>

Pir

mP\ mP'J

/mP n"\ ^mP'irJ

/mP 55\ (P ™\ /mP55\

[m P'räJ \P'™) ' * yhP'öö/

Quer- oder Orthodomcn

00 P

ooPTT

3 3

Man kann ein solches auch kürzer ausgedrückt geben, wenn man alle Pyra- miden in einem Zeichen zusammenfasse in dem Zeichen (m^,:!L)> desgleichen

\m r n J

1 m P '^v-

alle Prismen durch das Zeichen 00PI1, alle Querdomen durch lmp'55

(Min. 1W.)

5 ) un(* deichen

oP

alle Längsdomen durch das mP» ausdrückt.

Es enthält somit das klinorhom- bische System auch 7 Arten von Ge- stalten, von denen die 3 Flächenpaare und die vorderen und hinteren Qucr- hemidomen zweiflächige sind, während die Prismen, Längsdomen und Herai- pyramiden rhombischprismatische vier- flächige Gestalten sind, welche sich durch ihre Richtungslinien als vertikale (die Prismen) und schiefe (die Längs- domen und Hemipyramiden) heraus- stellen.

Bei der Abhängigkeit der klinorhombischen Gestalten von den drei un- gleichlangen Achsen und dem Winkel ß, welchen die Hauptachse a mit der Längsachse c, oder der Querschnitt mit dem basischen Hauptschnitt bildet und

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Kry stallgest alten, Krystallographie.

365

bei dem Auftreten der Hemipyramiden und Hemidomen sind die Formeln für die einzelnen Gestalten complicirter als im orthorhombischen Systeme.

In Betreff der Pyramiden oder Hemipyramiden genügen die Angaben für die Grundgestalt und wenn andere Hemipyramiden zu berechnen sind, hat man in den Formeln ftir die Grundgestalt nur anstatt a, b, c die durch die Ab- leitungscoefficienten veränderten Parameter einzutragen, (Min. 200.)

anstatt a ma, anstatt b oder c die Parameter nb oder nc. Die numerischen Werthe von a, b, c als irratio- nale und der Winkel ß sind für jede Species eigen- tümliche.

Bezeichnet man allgemein mit X den Neigungs-

winkel (Fig. 80) der Flächen P mit dem basischen Hauptschnitte (vergl. pag. 358) oder mit der ihr paral- lelen Basisfläche oP, mit X' den Neigungswinkel der Flächen P' mit diesen, ferner mit Kden Neigungswinkel der Flächen P mit dem Längsschnitt oder mit der ihr parallelen Längsfläche 00P00, mit V den Neigungs- winkel der Flächen P' mit diesen und mit Z den Neigungswinkel der Flächen P mit dem Querschnitt Fig. 80.

oder mit der ihr parallelen Querfläche e»P5ö und mit Z' den Neigungswinkel der Flächen P' mit diesen so ist:

__ b{c -+- a cos ß) Tr ac sin ß _ b(a -h c cos 3) cos X = —— - -, cos Y— J , cosZ =

cos

Yk fK Yk

Yk1 Yk' Y*'

hierbei ist K= a*b* -h b*c* -h a2r2 w«2fi + 2^ cos§, K'=a*b*-hb*c*-ha*c* sin*$ 2ab*c cos$.

v a sin 31/^+72 bY**+ c*+2ac cosÜ

tätig X = -77 77z , tang Y -

6 b(c -ha cos ß) 6

ac sin ß

tangZ =

c sin 3]/g* b* b(a c cos 3)

tangX'=

a sin

-he-

bte — a cos 3) ' tangZ' =

tang F' c sin ßj/aa -+- b

bY^-h c* 2ac cos$

ac sin$

Folgerungen : cosX cos Y ~ cosX'

b(a c eos$) b{c -h a cos ß) cosX c -h a cos% cos Y

ac sin ß

ac sin ß ' b{c a cos$

cos Z cosX'

a -h c cos$' c a cos 3

cos Z ... 1/'

lOS 1

b(a -h c cos$) ' a c sin ß

cos Y' ac sin$ ' cos Z' a c cos$' cosZ' b(a c cos§)' Für die Prismen genügt die Angabe der Functionen für das Prisma <»P, in welchen, wenn die Prismen <»Pn oder ooPn zu berechnen sind, anstatt b x\b oder anstatt c nc einzutragen ist. ^X ist der Neigungswinkel der Prismen- flächen und der Basisflächen, welcher mit den beiden vorderen Flächen 00 P ein stumpfer und mit den beiden hinteren Prismenflächen ein scharfer ist, beide er- gänzen sich zu 1800.

b cos ß

cosX =

Yb^c*~s7n^' tanSX ~ =*= JToT?

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366

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Z Y ist der halbe klinodiagonale, Z Z der halbe orthodiagonale Kantenwinkel

cos Y = C S-.-h , taug Y =

w/s--; taug/. = . ,

y^-r-r« */«»ß *

Bei den Querdomen ist der Neigungswinkel des vorderen Quer-

hemidoma, Z Z' der des hinteren Querhemidoma mit dem Querschnitt, Z Z-^

^ Z' ist der Endkantenwinkel der Querdomen. Für das Querdoma J ist

_ a ■+■ c cos ß _ r 3

cosZ=- ,• tätig Z = q)

y(f- + <-« + 2^fw'il a-W*wß

<w/'= , --— 1 _-, tangZ'= *— -z,

^ X ist der Neigungswinkel des vorderen Querhemidoma, /- X' der des hinteren Querhemidoma mit dem basischen Hauptschnitt. Für Pöö und für P'öö ist demnach

c -+- a cos ß ö 3

y<z3 -+- <:2 2 ac cos ß ' + tfW?

*fa* -\-c* lac cos^ c acos§

Folgerungen:

« = c (cot Z. j/« ß cos = c (cot Z. ' «« ß -f- <w ßj r = a (cot X. sin ß cos = a (cot X.' sin ß -h cos Für andere Querhemidomen mP~ oder mP'S» ist in den Formeln anstatt a ma einzutragen.

Bei den Längsdomen ist Z X der halbe Seitenkantenwinkel, Z Y der halbe Endkantenwinkel und ^ Z der Neigungswinkel der Längsdomenflächen gegen den Querschnitt oder die Querflächen.

Für das Längsdoma Poo ist:

cos X = - , tang X = ,

a sin*\ . , £

wZm± *g'JL , mZ-dt'i'tVttl, cos?=™i ■y/^2 -+- # 2 sin* ß //<wß

Bei jedem anderen Längsdoma mPo© ist in den Formeln ma anstatt a ein- zusetzen.

B. Klinorhombische Combinattonen.

Obgleich dieselben sich mit den orthorhombischen vergleichen Hessen, wenn die klinorhombischen Pyramiden und die Querdomen als vollflächige Gestalten vorkämen, so ist in diesem Sinne die Angabe der Combinationen nicht zweck- mässig, weil gewöhnlich nur die Partialgestalten, Hemipyramiden und Querhemi- domen vorkommen, alle Gestalten offene oder unendliche sind, welche sich gegenseitig begrenzen. Es erscheint daher zweckmässiger, von der Combination ooP.oP auszugehen, um die gegenseitige Lage der verschiedenen Gestalten an- zugeben.

Das Grundprisma ooP wird durch die Basisflächen in der Weise begrenzt, dass dieselben auf die klinodiagonalen Kanten des Prisma gerade aufgesetzt

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Krystallgestalten, Krystallographie.

367

schräge oder geneigte Begrenzungsflächen bilden, welche dem basischen Haupt- schnitte parallel sind (vergl. Fig. 76 auf pag. 362). Die Basisflächen oP bilden am oberen Theile mit den vorderen Prismenflächen stumpfe, mit den hinteren Prismenflächen scharfe Combinationskanten, welche beide sich zu 1800 ergänzen. Am unteren Ende ist die Neigung umgekehrt. Die Combinationskantenlinien zwischen 00P und oP sind an derselben Prismenfläche parallele. Die beiden Diagonalen der Basisflächen sind den Nebenachsen parallel, die horizontale Dia- gonale ist parallel der Querachse, die geneigte parallel der Längsachse. Von den Combinationsecken der Basisfläche mit dem Prisma sind die rechts und links liegenden gleiche, dagegen ist am oberen Theile die vordere Com- binationsecke stumpfer, als die hintere; am unteren Theile umgekehrt.

An dieser Combination 00P.0P als Träger weiterer Combinationen bilden dann die Prismen o©Prf Zuschärfung der klinodiagonalen Prismenkanten, die Prismen ooPrr Zuschärfung der orthodiagonalen Kanten, die Querflächen ooPöö gerade Abstumpfung der klinodiagonalen, die Längsflächen 00 Po© gerade Ab- stumpfung der orthodiagonalen Prismenkanten.

Die vorderen Querhemidomen bilden eine Abstumpfung der stumpferen klino- diagonalen Combinationsecken des Prisma 00 P mit oP, die Abstumpfungs- flächen gerade auf die klinodiagonalen Prismenkanten aufgesetzt und die hinteren Querhemidomen bilden eine solche der spitzeren klinodiagonalen Combinationsecken, die Abstumpfungsflächen gerade auf die klinodiagonalen Prismenkanten aufge- setzt. Die Längsdomen bilden eine schiefe Abstumpfung der seitlichen Com- binationsecken von 00P.0P und die Combinationskanten mit der Basisfläche sind untereinander und der geneigten Diagonale der Basisflächen parallel. Sind die Basisflächen nicht vorhanden, so begrenzen die Längsdomen die unendliche Ausdehnung des Prisma durch eine schräge Zuschärfung, die Zuschärfungsflächen auf die orthodiagonalen Kanten von 00 P schief aufgesetzt, wobei die Endkanten- linien der Zuschärfung parallel der Längsachse sind.

Die vorderen Hemipyramiden mP bilden an der Combination 00P.0P Ab- stumpfung der stumpfen Combinationskanten von oP mit 00 P, die hinteren Hemi- pyramiden m P' Abstumpfung der entsprechenden scharfen. Die vorderen Hemipyra- miden mP TT bilden Zuschärfung der stumpfen klinodiagonalen Combinationsecken von oP mit 00 P, die Zuschärfungsflächen gleichmässig schief auf die klinodiago- nale Prismenkante aufgesetzt, die vorderen Hemipyramiden mPn" schiefe Ab- stumpfung der seitlichen Combinationsecken von o P mit 00 P, die Abstumpfungs- flächen schief auf die orthodiagonalen Prismenkanten aufgesetzt, wobei die Com- binationskanten mit oP nach den stumpferen klinodiagonalen Combinationsecken von 00P.0P convergiren. Die hinteren Hemipyramiden mP'rf bilden Zu- schärfung der spitzen klinodiagonalen Combinationsecken von 00p. oP, die Zuschärfungsflächen gleichmässig schief auf die klinodiagonalen Prismenkanten aufgesetzt, die hinteren Hemipyramiden mP'TT bilden schiefe Abstumpfung der seitlichen Combinationsecken von 00P.0P, wobei die Combinationskanten mit oP nach den spitzeren klinodiago-nalen Combinationsecken von ©oP.oP con- vergiren, die Abstumpfungsflächen schief auf die orthodiagonalen Prismen- kanten aufgesetzt sind.

Bei der Mannigfaltigkeit der klinorhombischen Combinationen ist für die Be- stimmung derselben ein Schema nützlich, welches analog dem der orthorhom- bischen Combinationen (pag. 357) die Vertheilung der gesammten Flächen um die Basisflächen oder um den Endpunkt der Hauptachse herum angiebt.

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368

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Bei diesem Schema ist jedoch zu bemerken, dass der das Prisma ooP dar- stellende Rhombus nicht allgemein nach vorn und rückwärts einen stumpfen (Min. 301.)

ooPöö

00 P OD

Winkel haben muss, sondern dass man auch einen Rhombus wählen könnte, in welchem vorn und rückwärts spitze Winkel sind, weil bei dem klinorhonv bischen Grundprisma oo P die Querachse bald länger, bald kürzer als die Längs- achse ist. Nur erschien es überflüssig, ein zweites Schema zu geben, in welchem die Querachse kürzer als die Längsachse ist.

Schliesslich ist noch der cos. des Neigungswinkels zweier Kry stall flächen über- haupt anzuführen, welcher wie in den voranstehenden Systemen mit W bezeichnet durch die Formel cos W =

vv'qq'-*- w'lV J/«9ß qq'lt qq' cos$ {vt+ v'/)

y^V-t-zr8/2 sin*$ + q*P—2v/q- cosj ^v^t+v* V *sln*$ + ' V»— 2*7y * cos} berechnet wird. Hierbei sind die beiden Flächen allgemein durch die Para- meter v, q, l und v\ q', t bestimmt, welche beziehungsweise in der Hauptachse (der vertikalen Achse), in der Querachse und in der Längsachse liegen. Liegen die bezüglichen Flächen in Oktanten, in denen die Hauptachse mit der Längs- achse den Ergänzungswinkel zu ß bildet, so ist cos ß anstatt cos ß zu setzen.

V. Das anorthische Krystallsystem.

Die Krystallgestalten desselben werden auf drei ungleich lange, sich unter verschiedenen schiefen Winkeln schneidende Achsen bezogen, wesshalb es anorthisches (schiefwinkliges) genannt wurde, während es auch im Gegensatze zu dem Namen monoklines (für klinorhombisches) triklines genannt wird, weil die Neigungswinkel der Achsen und die Negungswinkel der Achsenebenen (der Hauptschnitte) drei verschiedene schiefe sind. Eine der drei Achsen wird als Hauptachse gewählt und senkrecht gestellt, deren Wahl willkürlich ist, wie im orthorhombischen Systeme bei den drei ungleichlangen rechtwinkligen Achsen. Die anderen beiden Achsen sind dann die Nebenachsen, welche von ver- schiedener Länge als längere und kürzere, wie dort zu unterscheiden sind.

Stellt man auch hier, wie im orthorhombischen Systeme die Nebenachsen

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Krystallgestaltcn, Krystallographie.

369

so, dass die längere der Grundgestalt einer Species quer vor dem Beobachter zu liegen kommt, so ist sie wie dort die Querachse und die kürzere die Längs- achse, welche vom Beobachter aus längshin läuft. Es erscheint diese Be- stimmung zweckmässig, um die analogen Verhältnisse der Systeme erkenntlich zu machen, weil dadurch die Uebersicht der Gestalten erleichtert wird. Da beide Nebenachsen schief liegen, so stellt man die Achsen so vor den Beobachter, dass das tiefer liegende Ende der Längsachse dem Beobachter zugewendet ist, in Uebereinstimmung mit der Stellung der klinorhombischen Gestalten. Für die Querachse, ob ihr tiefer liegendes Ende links oder rechts liegt, ist keine überein- stimmende Stellung eingeführt worden.

Verbindet man in den drei Hauptschnitten, den durch je 2 Achsen gelegten Ebenen, welche als basischer Hauptschnitt, als Quer- und Längsschnitt unterschieden werden, die Achsenendpunkte durch gerade Linien, so entstehen Rhomboide, deren Diagonalen die Achsen sind. In dem basischen Haupt- schnitte sind die beiden Nebenachsen die Diagonalen, die Querachse die längere und die Längsachse die kürzere, wesshalb Naumann hiernach die Nebenachsen als Makrodiagonale und Brachydiagonale wie im orthorhombischen Systeme unterschied.

A. Einfache anorthische Gestalten.

Geht man davon aus, dass im anorthischen Systeme, wie im orthorhom- bischen die Gestalten auf drei verschieden lange Achsen zurückgeführt werden, so sind hier wie dort dreierlei Gestalten zu unterscheiden, Pyramiden, prisma- tische Gestalten und Flächenpaare, je nachdem die Flächen ihrer Lage nach durch drei endliche Parameter bestimmt werden, oder einer Achse parallel gehen oder zwei Achsen parallel sind. Nur durch die schiefen Neigungswinkel der Achsen oder Achsenebenen werden in der Erscheinungsweise der isopara- metrischen Flächen Unterschiede erzeugt, welche früher die Veranlassung waren, das anorthische System als eine Unterabtheilung des orthorhombischen aufzu- fassen, während jetzt allgemein die Selbständigkeit der anorthischen Gestalten angenommen wird. Die Gestalten, welche sich jedoch in gewisser Beziehung mit den orthorhombischen vergleichen lassen, trotz der grossen Unterschiede, welche aus den schiefen Winkeln der Achsen und Achsenebenen hervorgehen, sind nachfolgende:

1. Die anorthischen Pyramiden. Eine jede solche Gestalt, wie Fig. 81 eine darstellt, ist als vollständige und vollzählig ausgebildete von 8 ungleichseitigen Drei- seiten umschlossen, welche gestaltlich viererlei sind und 12 unregelmässige Kanten sechserlei Art und 6 un regelmässige vierkantige Ecken dreierlei Art bilden. Je zwei parallele Flächen sind gleichge- staltete, je zwei parallele Kanten sind gleiche und je zwei gegenüberliegende Ecken sind gleiche. Die Kanten werden wie bei den orthorhombischen Pyramiden als Seiten- und Endkanten, die Ecken als Seiten- und Endecken unterschieden und wie bei jenen benannt.

Die in Fig. 81 gegebene anorthische Pyramide, Fig. 81. (Min. 202.)

lässt sich mit der in Fig. 75 pag. 359 gegebenen klinorhombischen Pyramide ver- gleichen und wenn man, um die Verhältnisse beider Systeme in gleichem Sinne

r, Min., Geo!. u. Pal. U. 24

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372

Mineralogie, Geologie und PaJaeontologie.

Buchstaben / und r, /ooP ist z. B. das linke und rooP das rechte Hemi- prisma von <x>P. Nach Naumann sind die entsprechenden unterscheidenden Zeichen oo'(P und ooP'( für dieselben.

Die Querdomen oder Makrodomen (Fig. 83) haben gleichfalls als ofiene rhomboidisch-prismatischc Gestalten', deren Richtungslinie die Querachse ist,

(Min. 204-2061

Fig. 83. Fig. 84. Fig. 85.

zweierlei Flächen, 2 breite und 2 schmale und nach der oben angegebenen Stellung der Achsen, nach welcher, wie bei den klinorhombischen Gestalten die Längsachse ihr unteres Ende dem Beobachter zugewendet zeigt, ist von den beiden die obere Endkante des Querdoma bildenden Flächen die breite dem Beobachter zugewendet, während die schmale nach hinten liegt. Desshalb bildet jedes Quer- doma zwei Partialgestalten (Querhemidomen) und das eine mit den breiten Flächen ist wie bei den klinorhombischen Domen das vordere Querhemidoma und das mit den schmalen Flächen das hintere Querhemidoma. Für die Querdomen sind die Parameterverhältnisse m<z:oo b:c, a: 00 b.c oder n"ia: 00 b'.c und die entsprechenden Zeichen sind mPöö, Pöö oder mPöö. Die beiden Querhemi- domen eines jeden werden so unterschieden, wie im klinorhombischen Systeme, indem z. B. Pw das vordere und P'öö das hintere Querhemidoma als Partial- gestalten bezeichnet. Nach Naumann sind die entsprechenden Zeichen dieser 'P'oo und ^00.

Die Längsdomen endlich oder die Brachydomen (Fig. 84) haben auch zweier- lei Flächen und zerfallen in zwei Partialgestalten (Längshemidomen), welche nach der Lage der Flächen an der oberen Endkante als linkes und rechtes Längshemidoma zu unterscheiden und im Zeichen durch die vorgesetzten Buch- staben / und r auszudrücken sind. Nach den Parameterverhältnissen rha: a'.b'.ooc oder vcia\b\<x>e sind die Zeichen der Längsdomen mPoo, P06 oder m P«° und für die beiden Hemidomen ist das linke als /P06, das rechte rPoo, wenn die Parameter a.b'.ooc sind. Nach Naumann sind die entsprechenden Hemidomen als 'P# 00 und 1P' 00 zu bezeichnen.

In Betreff der Kanten, sowohl der Prismen als der Domen ist zu bemerken, dass man sie wie im orthorhombischen Systeme benennen kann, dass aber die Winkel durch die Achsenebenen oder Hauptschnitte ungleich getheilt werden, wess- halb man aus der Grösse der Kantenwinkel sie nicht genau beurtheilen kann, sondern die Neigung der linken und rechten Hemiprismenflächen , die Neigung der vorderen und hinteren Querhemidomen und die der linken und rechten längs- hemidomen gegen die Hauptschnitte oder gegen die ihnen parallelen Flächenpaart besonders anzugeben ist.

3. Die drei Flächenpaare, welche den Achsenebenen oder den Hauptschnitten parallel liegen, sind die Basis-, Quer- und Längsflächen (von Naumann

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Krystallgestalten, Krystallographie.

373

das basische Pinakoid, das Makro- und das Brachypinakoid genannt), welche wie im orthorhombischen Systeme mit oP, ooP«5 und 00P00 bezeichnet werden (Fig. 85). Diese drei Flächenpaare schneiden sich unter verschiedenen schiefen Winkeln, wie die ihnen parallelen Achsenebenen, welche Winkel sich aus den Neigungswinkeln der Achsen oder diese aus jenen berechnen lassen. Da aber im anorthischen Systeme die Berechnungen viel complicirter sind, als im ortho- und klinorhombischen Systeme, so muss wegen derselben auf ausführ- liche Lehrbücher der Krystallographie verwiesen werden, wie z. B. auf C. F. Nau- manns Lehrbuch der reinen und angewandten Krystallographie, Leipzig 1829 oder auf dessen Elemente der theoretischen Krystallographie, Leipzig 1856. Andere werden noch im Verzeichnisse der Litteratur am Schlüsse des Werkes angegeben werden.

B. Combinationen anorthischer Gestalten.

Aus der Betrachtung der anorthischen Gestalten ergiebt sich, dass, wenn auch theoretisch die anorthischen Pyramiden, Prismen und Domen als einfache holoe- drische Gestalten aufgefasst werden konnten, insofern die isoparametrischen Flächen zusammengefasst den orthorhombischen Pyramiden, Prismen und Domen ent- sprechende Gestalten aufstellen lassen, diese einfachen Gestalten in Partialgestalten zu zerlegen sind und diese kommen als solche auch vereinzelt vor. Die an Kry- stallen vorkommenden Tetartopyramiden, Hemiprismen und Hemidomen, die sich in gewissem Sinne mit Tetartoedern und Hemiedern in anderen Systemen ver- gleichen lassen, sind nicht nothwendig in voller Anzahl vorhanden, um die Combinationen der sogenannten einfachen Gestalten mit denen anderer Systeme vergleichend beurtheilen zu können. Aus diesem Grunde mussten schon im klinorhombischen Systeme wegen der Hemipyramiden und Querhemidomen die Combinationen in beschränkterer Weise besprochen werden und dies ist hier um so mehr gerechtfertigt, weil alle Combinationen nur durch verschiedene Flächen- paare gebildet werden, deren Deutung und Auffassung an demselben Krystalle eine sehr verschiedene sein kann.

So kann z. B. die einfachste mögliche Combination nur ein schiefwinkliges ungleichseitiges Parallelepipedon sein und die drei verschiedenen Flächen- paare, welche ein solches bilden, können sehr verschieden gedeutet werden, es kann wie die Figuren 82—85 zeigen, die Combination von Quer-, Längs- und Basisflächen, die Combination eines linken und rechten Hemiprisma mit den Basisflächen, eines vorderen und hinteren Querhemidoma mit den Längsflächen u. s. w. sein. In der Regel führt die Analogie in den Combinationen der Kry- stalle einer anorthischen Species verglichen mit denen anderer Systeme zu einer bestimmten Auffassung der combinirten Flächenpaare, eine allgemeine Be- stimmung aber, wie die Krystalle einer anorthischen Species aufzufassen sind, ist nicht möglich. Es werden daher an den Krystallen einer anorthischen Species gewisse unter bestimmten Neigungswinkeln sich schneidende Flächen ausgewählt, um durch sie die Neigung der Achsenebenen, die der Achsen und die Längen der Achsen für die Grundgestalt festzustellen, welche als sogenanntes anorthisches Oktaid die Grundlage für alle anderen Flächenpaare bildet, ohne dass dasselbe nothwendig als solches vorhanden ist. Wären die Partialgestalten vollständig vorhanden, so könnte man auch ähnlich den Combinationen des orthorhombischen Systems das Auftreten der combinirten Gestalten untereinander beschreiben. Da dies aber nicht der Fall ist, so muss man ganz besonders die verschiedene Lage, welche die Theilgestalten als solche haben, benutzen, sowie die Ableitungsreihen

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374 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

und die Zonen, und alle diese Verhältnisse mit denen der orthorhombischen Combinationen vergleichen.

Zur Erleichterung der Beurtheilung kann auch ein ähnliches Schema sehr nützlich werden, welches die Vertheilung aller Gestalten um den Endpunkt der Hauptachse herum, oder um die Basisfläche angiebt. (Min. 207.)

ooPöS

00P

In der Regel geht man am bequemsten von der Combination loop.r«»p.oP aus oder auch von der Combination der Quer-, Längs- und Basisflächen, dem an- orthischen Hexaid. Auf die erstere bezieht sich das gegebene Schema, aus welchem man sofort ersieht, dass in der vertikalen Zone die Querflächen die braehydia- gonalen Kanten des Prisma /ooP-rooP schief abstumpfen und dass durch die Lage der Combinationskanten von oP und 00 P 55 die Lage der Querachse an- gedeutet ist und dass jedes vordere Querhemidoma als schiefe Abstumpfungs- fläche der vorderen Combinationskante von oP mit <x>P^ auftritt, weil die Flächen oP, mP55 und 00PS in der Zone der Combinationskante liegen. In gleicher Weise bildet jedes hintere Querhemidoma eine schiefe Abstumpfung der hinteren Combinationskante von oP mit ooPöö. Ist unter den Querhemidomen eines als P 55 ausgewählt, so liegt jedes Querhemidoma mV SB vor P 55, die Com- binationskante von P 55 mit ooP5ö schief abstumpfend und jedes Querhemidoma mP55 hinter P55, die Combinationskante zwischen oP und P55 schief ab- stumpfend. In ähnlicher Weise lassen sich die hinteren Querhemidomen mP'SS, P'öö und mP 55 unterscheiden.

Die makrodiagonalen Kanten des Prisma looP-rooP werden durch die Längsflächen 00P00 schief abgestumpft, ihre Combinationskanten mit oP zeigen die Lage der Längsachse an und wenn diese Combinationskanten schief abge- stumpft werden, so kann dies nur durch Längshemidomen stattfinden, von denen die linken links an der Basisfläche, die rechten rechts an der Basisfläche liegen und untereinander parallele Combinationskanten mit der Basisfläche bilden. Alle anderen Flächen, welche nicht Quer- oder Längshemidomen sind, sind Tetarto- pyramidenflächen, die sich zunächst leicht durch ihre Lage gegenüber der Basis- fläche als linke und rechte vordere und als linke und rechte hintere unterscheiden lassen. Treten solche als schiefe Abstumpfungsflächen der Combinationskanten

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Krystallgestalten, Krystallographic. 375

von oP mit /ooP oder rooP auf, so gehören sie in die Reihe der Tetartopyramiden /mP oder rmP, wenn sie die Combinationskanten der Basisfläche mit dem vorderen /ooP oder rooP abstumpfen, oder in die Reihe der hinteren Tetarto- pyramiden /mP' oder rmV wenn sie die Combinationskanten der Basisfläche mit den hinteren Prismaflächen /ooP oder rooT abstumpfen, wie dies die Reihe

oP .... mP .... ooP erfordert. Durch die Tetartopyramiden /mP, rmP, /mP' und rmP' ist dann auch die relative Lage der Tetartopyramiden mPTT oder mPTf ersichtlich. Endlich ergiebt sich auch aus dem Schema die Lage der linken und rechten Hemiprismen /ooPn und rooPn", sowie der linken und rechten Hemiprismen /<»Pn und rooPif ohne Schwierigkeit und wenn Tetartopyramiden mPn" oder mP rf als Abstumpfungstlächen der Combinationskanten von oP mit linken oder rechten Hemiprismen ooPn" oder »Pn auftreten, so ist der Werth n in diesen derselbe, wie in den Hemiprismen.

Alle diese Verhältnisse der relativen Lage einzelner Flächenpaare sind Fol- gerungen aus den Reihen, welche die vollzähligen Gestalten, desgleichen die Partialgestalten bilden und in analoger Weise im ortho- und klinorhombischen Systeme auftreten.

Aus der vergleichenden Betrachtung der dreiachsigen Systeme ergiebt sich, dass trotz der Verschiedenheit der Neigungswinkel der Achsen oder der Achsen- ebenen, trotz der Unterschiede in den Längenverhältnissen der Achsen, wodurch fünf dreiachsige Systeme aufgestellt werden konnten, alle Systeme insofern eine Uebercinstimmung zeigen, als in jedem eine von acht gleichen oder isopara- metrischen Flächen begrenzte Gestalt als Grundgestalt aufgestellt werden konnte. Das Achsenverhältniss derselben gestattet von ihr die anderen Gestalten abzuleiten, indem dasselbe durch rationale Coefficienten auf die verschiedenste Weise ver- ändert wird, welche zwischen den Grenzen i und oc, oder auch zwischen den Grenzen o und oo liegen. Im tesscralen Systeme ist diese Grundgestalt das Ok- taeder O, in den anderen Systemen für jede Species eine dem Oktaeder analoge Gestalt P, welche oft das Oktaid genannt wird, wenn man sie mit dem Oktaeder vergleicht. Vom Oktaeder und von den Oktaiden werden alle anderen Gestalten abgeleitet und bei dem quadratischen Systeme wurde (pag. 343) gezeigt, dass alle abgeleiteten Gestalten auf die abgeleiteten Gestalten des tesseralen Systems zu- rück zu führen sind und bemerkt, dass diese Harmonie in der Ableitung auch bei den anderen Systemen beobachtet werden könne.

Die Veränderungen des Achsen- oder Parameterverhältnisses der Grundgestalt rufen die abgeleiteten Gestalten hervor, deren Flächen sich einzeln mit dem vom Oktaeder ableitbaren Flächen vergleichen lassen. Nur durch die Einführung derCoef- ficienten m kleiner als 1 wird die Analogie theihveise verdeckt, weil durch sie andere Reihen entstehen, wogegen nicht zu verkennen ist, dass andererseits gewisse Vortheile daraus hervorgehen, auch handelte es sich nach Naumann, gegenüber der WEiss'schen Methode darum, kurze und bestimmte Symbole für die einfachen Gestalten und Combinationen zu schaffen, während für die Berechnung die Parameter aller ein- zelnen Flächen zur Geltung kommen. Es konnte hier unmöglich die Absicht vor- liegen, die verschiedenen und zum Theil von einander sehr abweichenden Methoden zu besprechen, wesshalb vorwaltend die Naumann sehe Methode zu Grunde gelegt wurde, nur da und dort mit geringen Modificationen in Namen und Zeichen. Da

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376

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

nun aber in neuerer Zeit die sog. MiLLER'sche Methode1) vielfach zur Geltung gekommen ist und durch sie gerade die oben erwähnte Harmonie in der Ab- leitung bei den verschiedenen Systemen Ubersichtlich hervortritt, so war dies die Veranlassung, sie hier in Kürze zu erwähnen.

Nach ihr tritt die Bezeichnung der einzelnen Flächen der einfachen Gestalten in den Vordergrund. Dieselben werden durch sogenannte Indices bezeichnet, welche sich jederzeit leicht aus den Parametern berechnen lassen, durch eine andere Art der Ableitung aber nicht die Parameter selbst sind, dagegen wie diese unmittelbar zur Berechnung verwendet werden, in vielen Fällen einfachere Formeln aufzustellen gestatten. Diese Indices sind für jede Fläche dreiachsiger Gestalten drei Zahlen, von denen eine oder auch zwei durch o ersetzt werden. Sie ergeben sich aus den NxuMANN'schen Parametern, wenn man die Parameter der Grundgestalt durch die Parameter der abgeleiteten Gestalt dividirt und die erhaltenen Quotienten, ohne das Verhältniss derselben zu ändern auf ganze Zahlen umrechnet, wobei in einzelnen Fällen auch eine durch o ersetzt wird, oder auch zwei. Nur wird hierbei die auf die Achsen bezügliche Reihenfolge umgekehrt angegeben, wie schon bei den einzelnen Systemen angegeben wurde, dass man die Reihenfolge gegenüber Naumann meist umgekehrt eingeführt hat.

Es wurden oben die Parameter in der Reihenfolge angegeben, dass allge- mein der in der vertikalen Achse liegende v vorangestellt wird, ihm der in der querliegenden Achse liegende g folgt und dann der in der längsliegenden Achse liegende / angegeben wird.

Sind nun z. B. die acht Flächen einer orthorhombischen Pyramide 4P*2 durch die Parameter 4a\cLb\c, 4a:—2bu, 4a: 2^: c, 4a\1b: c

—4a:2b:c, 4a: 2bu, —4a: 2b: r, 4a:2b: c

a b c

ausgedrückt, so ergeben die Quotienten aus ^'-i^'^die Zahlen \:$:i oder

1:2:4 und es sind 124 die Indices der Flächen der Pyramide 4P 2, welche in um- gekehrter Ordnung 4 2 1 geschrieben werden. Wo die Halbachsen negativ sind, wird das Minuszeichen über den Index gesetzt. Somit würden obige acht Flächen durch die Indices

421 421 421 421

427 4~2l T2T 7 2 7 ausgedrückt werden und die Pyramide selbst durch das Zeichen |4 2 ij, wobei die Klammer andeutet, dass eine Gestalt vorliegt, welche durch die volle Anzahl der Flächen gebildet wird, deren Indices 4 2 1 sind. Bei Hemiedern wird vor das Zeichen j [ der griechische Buchstabe x oder ic vorgesetzt, je nachdem das Hernieder geneigt- oder parallelflächig ist. Bei dem Zeichen der obigen ortho- rhombischen Pyramide würde also x |4 2 l) das entsprechende Sphenoid aus- drücken.

Aus dem angeführten Beispiele würde man mit Recht schliessen, dass die Bezeichnung der einzelnen Flächen durch Indices eine kürzere sei, doch darf man dadei nicht übersehen, dass man eben so gut die 8 Flächen derselben Pyramide durch die Ableitungs-Coemcienten_

4_ 2 1 4_ 2_ 1 4_¥T 4_ 27 421 421 421 421

') A treatise on Crystallography by W. H. Miller, Cambridge, London 1839; Lehr- buch der KrystallogTaphie von Professor W. H. Miller. Ucbersetzt und erweitert durch Dr. I. Grailicu. Wien 1856.

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Krystallgestalten, Krystallographie.

377

bezeichnen könnte. In beiden Fällen aber muss man wissen, dass die Gestalt in das orthorhombische System gehört, weil dies weder aus den Indices, noch aus den Ableitungs-Coefficienten ersichtlich ist, indem in allen 5 dreiachsigen Systemen Gestalten mit denselben Indices oder mit denselben Ableitungs-Coeffi- cienten vorkommen können. Für die Grundgestalt sind selbstverständlich in jedem der dreiachsigen Systeme die Indices 111.

Als zweites Beispiel ist ein orthorhombisches Prisma 00 P| dienlich. Seine 4 Flächen haben die Parameter ooa:b:\c, ooa: b'.\c, <x>a: b: \c, ooa\b:—\c

a b c

oder allgemein die Parameter ooa\b\\c. Die Quotienten aus :T-T" s'™*

: 1 : \ oder o:l:* oder 0 32 und es sind 03 2 die Indices, welche in um- 00 »

gekehrter Reihenfolge geschrieben werden 2 3 0. Das bezügliche Prisma hat demnach_das_Zeichen (2 3 0} und die vier einzelnen Flächen haben die Indices 2 3 0, 2 3 0, 2J0, 2~3 0.

Als drittes Beispiel mögen die Querflächen <x>PS5 dienen, welche 2 Flächen die Parameter ooa'.oobu und <x> a: 00 b: c haben. Die Quotienten aus

:— sind : :1 oder 0 0 1, daher werden die beiden Flächen einzeln

00 a 00 b c 00 00

durch 00 1 und 00 1 bezeichnet, sie zusammen als ganze Gestalt mit |00 l|.

In Fällen, wo, wie im quadratischen und tesseralen Systeme die Indices- zahlen der einzelnen Flächen in ihrer Stelle wechseln, wird für die vollzählige Gestalt im Zeichen die höchste Zahl vorangestellt. So sind z. B. für das okto-

gonale Prisma 00 P 2 zufolge der Quotienten 0:2:1 oder 0:1:2 aus

oder aus ~J:^|:^> wenn diese in umgekehrter Reihenfolge geschrieben werden, die Indices der acht aufeinander folgenden _Flächeji

1 2 0, 2 1 0, 2T0, 1 Jo, 7<To, 2T0, 2 1 0, 72 0

und es wird in diesem Falle für die ganze Gestalt das Zeichen J2 1 Oj vorgezogen.

Im tesseralen System würden z. B. für die Tetrakontaoktaeder 30£ die In- dices der 6 im positiven Oktanten liegenden Flächen 321, 31 2, 231, 21 3,

1 3 2, 1 2 3 sein und es wird dann die ganze Gestalt mit [3 2 ij bezeichnet, die grösste Zahl vorangestellt, die kleinste zuletzt.

Diese Willkür in der Position der Indiceszahlen nach ihrer Grösse findet jedoch nur bei dem Zeichen der ganzen Gestalt Statt und zwar nur im tesseralen und quadratischen Systeme, wenn kein Missverständniss daraus erwächst, während, wo es zur Unterscheidung nothwendig ist, die Reihenfolge durch die der Achsen bedingt ist. So sind z. B. die drei oktogonalcn Pyramiden mit den Indices 4 2 1 durch die Stellung der Indices, unabhängig von der Grösse zu unterscheiden, [4 2 lj ist die oktogonale Pyramide 4P2, {4 1 2) ist die oktogonale Pyramide 2P4 und (2 1 4} die oktogonale Pyramide £P2.

Da gewöhnlich die Indiceszahlen kleiner als 10 sind, so werden die drei Indices einfach neben einander geschrieben, wo jedoch ein Index die Zahl 10 oder darüber ist, werden die 3 Indices durch Punkte getrennt, so ist z. B. (3-1-12) das Zeichen der oktogonalen Pyramide |P3.

Aus den Indices berechnet man umgekehrt die Ableitungs-Coefficienten der NAUMANN'schen Parameter, wenn man jene als Nenner von Brüchen mit dem Zähler 1 schreibt und diese Brüche in geeigneter Weise umschreibt. Ist z. B.

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37«

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

eine oktogonale Pyramide {4 1 2) gegeben, so ergeben ihre Indices \, 1, \ oder 1, 4, 2, mithin das Parameterverhältniss b 'Ab :2a oder umgekehrt geschrieben 2a:Ab:b, die oktogonale Pyramide 2 P4. Oder ist z. B. für eine orthorhombische Gestalt das Zeichen j.i 0 2) gegeben, so erhält man oder £ : oo : £ oder

l:oo:$, folglich hat die Gestalt das Parameterverhältniss c:<xb:%a oder umge- gekehrt angeordnet §a:oob:c, ist also das Querdoma $P56.

Diese kurze Erörterung des Gebrauches der Indices zur Bezeichnung der einzelnen Flächen und Gestalten möge genügen, um eine Vorstellung davon zu geben, da ein weiteres Eingehen hier nicht am Orte ist.

VI. Das hexagonale Krystallsystem. Dasselbe steht in seiner Eigenthümlichkeit dadurch den dreiachsigen Systemen gegenüber, dass die Krystallgestalten desselben in der Regel auf vier Achsen be- zogen werden und dass sie gestatten, es in allen seinen Verhältnissen mit dem

(Miu. 208-210 )

Fig. 86. Fig. 87. Fig. 88.

quadratischen Systeme zu vergleichen. Für die Gestalten des hexagonalcn Systems werden zunächst vier Achsen aufgestellt, von denen 3 gleichlange in einer Ebene liegende sich unter gleichen Winkeln halbiren, unter 6o° und die vierte Achse, jene 3 senkrecht schneidend, wird durch ihren gemeinschaftlichen Mittelpunkt halbirt. Hiernach lassen sich die 3 gleichlangen Achsen mit den 2 gleichlangen des quadratischen Systems vergleichen und werden wie jene Nebenachsen ge- nannt, während die vierte sie senkrecht schneidende die Hauptachse ist und senkrecht gestellt wird. Hierdurch liegen die 3 gleichen Nebenachsen in einer horizontalen Ebene, wie die 2 gleichen Nebenachsen der quadratischen Gestalten. Die Nebenachsen werden nun so vor den Beobachter gestellt, dass eine derselben quer vor ihm liegt und die beiden anderen in gleicher Weise ihm zugewendet sind oder längs von ihm hinlaufen Fig. 86.

Durch diese 4 Achsen sind 4 Achsenebenen möglich, welche die Haupt- schnitte der hexagonalen Gestalten bedingen, drei vertikale, von denen jede durch die Hauptachse und eine Nebenachse gelegt ist und eine horizontale, welche durch die 3 Nebenachsen gelegt ist. Hierdurch wird im Gegensatz zu den drei- achsigen Gestalten der Krystallraum in 12 Theile getheilt, welche den Oktanten jener analog sind. Die durch die Achsenebenen bedingten Hauptschnitte sind demnach drei gleiche vertikale und ein horizontaler, der basische Hauptschnitt genannt. Die durch diesen bei den einfachen hexagonalen Krystallgestalten er- zeugten Figuren sind zunächst regelmässige Hexagone (worauf sich der Name »hexagonales System« bezieht) oder symmetrische Hexagone, symmetrische Dode- kagone oder regelmässige Trigone.

Von den regelmässigen Hexagonen sind zwei hervorzuheben, welche dem normalen und diagonalen Quadrat im quadratischen Systeme entsprechen und

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Krystallgestalten, Krystallogmphie.

379

hier auch als normales und diagonales Hexagon unterschieden werden. Im normalen Hexagon (Fig-87) sind die Seiten die Verbindungslinien der End- punkte der Nebenachsen, im diagonalen Hexagon (Fig. 88) werden die Seiten durch die Endpunkte der Nebenachsen halbirt. Bezeichnet man wie im quadra- tischen System die halben Nebenachsen mit b, so sind die Parameter der Seiten des normalen Hexagons b : b, wofür man auch 1 : 1 schreiben kann. Diese Para- meter beziehen sich auf die Sextanten, welche durch die drei Nebenachsen ge- bildet werden; wollte man aber die Lage jeder Seite des normalen Hexagons auf alle 3 Nebenachsen beziehen, so würden ihre 3 Parameter b : b : 00 b oder 1:1:<%> sein. Die Seiten des diagonalen Hexagons dagegen haben die Parameter b'.2b (oder 1:2) und wenn man alle 3 Nebenachsen berücksichtigt, die Parameter b:2b:2b (oder 1:2:2).

A. Holoedrische einfache Gestalten.

1. Die normalen hexagonalen Pyramiden mP und die diagonalen hexagonalen Pyramiden mP2. Diese beiderlei Gestalten, welche den nor- malen und diagonalen quadratischen Pyramiden entsprechen, sind von 1 2 gleichen und ähnlichen gleichschenkligen Dreiseiten umschlossen, haben 18 Kanten zweierlei Art, nämlich 6 regelmässige, die Seitenkanten und 12 symmetrische, die Endkanten und 8 Ecken zweier- (Min. 211-212.)

lei Art, nämlich 2 regelmässige sechs- kantige, die Endecken, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Hauptachse sind und 6 symmetrische vierkantige, die Seitenecken. Bei den normalen sind die Scheitelpunkte der Seitenecken die Endpunkte der Nebenachsen und bei den diagonalen sind die Halbirungspunkte der Seiten- kanten die Endpunkte der Neben- achsen. Fig. 89 und 90 zeigen zwei solche Pyramiden mit gleichen Achsen,

Fig. 89.

Fig. 90.

(Fig. 89 ist eine normale und Fig. 90 eine diagonale). Naumann unterschied sie als hexagonale Protopyramiden und hexagonale Deuteropyramiden.

Bei jeder normalen h. Pyramide ist der durch die Seitenkantenlinien gelegte basische Hauptschnitt das normale Hexagon, bei jeder diagonalen h. Pyramide ist es das diagonale Hexagon. Bezeichnet man mit a die halbe Hauptachse, so hat eine jede in einem Raumzwölftheil liegende Fläche der normalen h. Pyramide das Parameterverhältniss aib.b oder wenn man gleichzeitig die je dritte Neben- achse berücksichtigt, das Parameterverhältniss a\b:b\°ob. Bei der diagonalen h. Pyramide liegt jede einzelne Fläche in zwei Raumzwölfthcilen und das Para- meterverhältniss ist a:b:2b, oder wenn man auch die je dritte Nebenachse be- rücksichtigt, das Parameterverhältniss a:b:2b:2b.

Kommen an den Krystallen einer Species verschiedene normale h. Pyramiden vor, so ergiebt die Berechnung der Achsenlängen aus den Kantenwinkeln für jede ein Verhältniss a.b.b, worin die Werthe a und b irrationale Zahlen sind und wenn man zwei verschiedene normale h. Pyramiden, deren Parameter a:b:b und a':b'.b' sind, mit einander vergleicht, so ergiebt sich, wenn man // gleich b setzt, a' als ein Multiplum oder Submultiplum von a durch einen rationalen

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38o

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Werth m grösser oder kleiner als 1. Fasst man nun die eine Pyramide mit dem Parameterverhältniss a:b:b wie bei den normalen quadratischen Pyramiden als Grundgestalt auf, so ist das Parameterverhältniss der anderen ma:b:b, diese also eine abgeleitete normale h. Pyramide.

Wird daher für eine Species eine gewisse normale h. Pyramide als Grund- gcstalt ausgewählt und mit P bezeichnet, so erhalten die von ihr abgeleiteten normalen h. Pyramiden mit den Parameterverhältnissen ma:b:b das Zeichen mP( worin der Werth m grösser oder kleiner als i ist und es stellen alle normalen h. Pyramiden eine Reihe dar

III 1^ 1^ IY1 1^

wie im quadratischen Systeme und man kann alle normalen h. Pyramiden all- gemein mit mP bezeichnen, die Grundgestalt inbegriffen und der Werth m ist entweder gleich 1, kleiner als 1 oder grösser als 1.

Was das Parameter- oder Achsenverhältniss a:b:b der Grundgestalt irgend einer Species betrifft, welches irrationale Werthe für a und b ergiebt, so könnte die Frage entstehen, ob möglicherweise a und b gleichlang sein können. Bis jetzt ist dieser Fall noch nicht vorgekommen und man kann daher wohl mit Recht annehmen, dass wie bei den quadratischen Pyramiden a und b verschieden lang sind, a entweder länger oder kürzer als b ist. Bei der Angabe der Idingen durch Zahlen kann man wie im quadratischen Systeme verschieden verfahren, man kann b als Einheit wählen, das Verhältniss <z:l:l schreiben, wobei dann a grösser oder kleiner als 1 ist, oder man kann, wenn a grösser als b ist, das Verhältniss <?:1:1, wenn dagegen a kleiner als b ist, das Verhältniss i.b.b durch Zahlen an- geben, oder endlich beide Werthe a und b durch zwei verschiedene irrationale Zahlen oder durch Wurzclgrössen ausdrücken. Gewöhnlich zieht man jetzt die Ausdrucksweise a\\\\ vor, wobei a irrational und grösser oder kleiner als 1 ist.

Der Reihe der normalen h. Pyramiden steht zur Seite die Reihe der diago- nalen h. Pyramiden, von denen die mit den Achsen der Grundgestalt das Para- meterverhältniss a.b-.zb hat und desshalb das Zeichen P2 erhält Von dieser unterscheiden sich die anderen, bei denen das Parameterverhältniss ma.b.zb ist und m entweder kleiner oder grösser als i ist, welche daher als mP2 oder mP2 bezeichnet werden. Sie bilden die Reihe

.... mP2 .... P2 ... . mP2 .... und können allgemein als mP2 bezeichnet werden, wobei m entweder gleich 1 ist, oder kleiner oder grösser als 1.

Wenn so die beiden Reihen der hexagonalen Pyramiden den beiden Reihen der quadratischen Pyramiden analoge sind, in jeder Reihe spitzere und stumpfere gegenüber P oder P2 unterschieden werden, so entsteht schliesslich noch die Frage, wie man überhaupt im Allgemeinen spitze und stumpfe hexagonalc Pyramiden unterscheidet. Im quadratischen Systeme konnte für diese allge- meine Unterscheidung spitzer und stumpfer quadratischer Pyramiden das Okta- eder verwendet werden, (s. pag. 329), hier aber ist keine Gcstalt vorhanden, welche man zu diesem Zwecke verwenden könnte. Wenn aber doch allgemein hexagonale Pyramiden als spitze und stumpfe unterschieden werden sollen, so kann man dies auf doppelte Weise thun. Man kann entweder spitze hexagonale Pyramiden diejenigen nennen, bei welchen die Verbindungslinie der Scheitel- punkte der Endecken länger ist als die Verbindungslinie von zwei gegenüber- liegenden Seitenecken, stumpfe hexagonale Pyramiden diejenigen, bei welchen

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Krystallgestalten, Krystallographie. 381

die Verbindungslinie der Scheitelpunkte der Endecken kürzer ist. Die so theoretisch die spitzen und stumpfen hexagonalen Pyramiden trennende hexago- nale Pyramide würde die Endkantenwinkel = 135 0 35' 5", die Seitenkanten- winkel = 980 12' 48" haben und es würden spitze den Endkantenwinkel kleiner als ,35° 35' 5"» den Seitenkantenwinkel grösser als 980 12' 48" haben, stumpfe das Umgekehrte zeigen.

Nach einer anderen Auffassung kann man die spitzen und stumpfen hexago- nalen Pyramiden darnach unterscheiden, dass man theoretisch als Grenzgestalt beider eine hexagonale Pyramide aufstellt, bei welcher die End- und Seiten- kantenwinkel gleich gross, gleich 1260 52' 12" sind. Hiernach würde man spitze hexagonale Pyramiden diejenigen nennen, bei welchen der Endkantenwinkel kleiner als der Seitenkantenwinkel ist, stumpfe dagegen diejenigen hexagonalen Pyramiden, bei welchen der Endkantenwinkel stumpfer ist als der Seitenkanten- winkel. *

Für die Berechnung der hexagonalen Pyramiden, beziehungsweise der Kantenwinkel aus den Parametern oder umgekehrt der Parameter aus den Kantenwinkeln dienen nachfolgende Gleichungen für die Grundgestalt P, wenn man mit X die Endkanten, mit Z die Seitenkantenwinkel bezeichnet:

cosX= ~ wT^' <" y^TW ' tang kX = *

4a»-3*' bYZ 2a

ccsZ = . «, , ».n, cos \ Z = - •_ , fang \ Z = .

Bei jeder anderen normalen hexagonalen Pyramide mP würde man anstatt a in den Formeln ma zu setzen haben.

Für die Berechnung der diagonalen Pyramide P2 dienen nachfolgende Gleichungen, wenn man mit Y den Endkanten-, mit Z den Seitenkantenwinkel

bezeichnet:

a»-h2£* tv a t iV l/3aa-h4^

™Y + C0S*Y=*Ya^T*>tanS)'Y=- ~ .

a* b* b a

Bei jeder anderen diagonalen hexagonalen Pyramide mP2 würde man an- statt a in den Formeln ma einzusetzen haben.

Würde man allgemein b = 1 annehmen, so würden selbstverständlich obige Formeln etwas einfacher werden.

2. Das normale hexagonale Prisma 00P und das diagonale hexa- gonale Prisma ooP2.

Diese beiden Prismen sind als offene oder unendliche Gestalten gleichseitig- sechsseitige Prismen, bei denen ein auf die Kantenlinien senkrecht geführter Schnitt ein regelmässiges Hexagon ist, bei dem normalen das normale, bei dem diagonalen das diagonale Hexagon. Die Kantenwinkel sind = 1200 (Fig. 91 und 92) l). Bei dem normalen h. Prisma ist das Parameterverhältniss <x>a:b:b, daher das Zeichen desselben 00 p, bei dem diagonalen ist das Parameterverhältniss 00 a:b :2b, daher das Zeichen desselben 00 P 2.

Das normale h. Prisma ist das Schlussglied der normalen Pyramiden mP, das diagonale das Schlussglied der diagonalen Pyramiden mP2, wenn m unendlich gross geworden ist.

') Hier sind die Prismen begrenzt durch die unter 3. angeführten Basisflächen.

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38a

Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

Naumann nannte das normale h. Prisma ooP das hexagonale Proto- prisma, das diagonale h. Prisma ooP2 das hexagonale Deuteroprisma. 3. Die hexagonalen Basisflächen oP.

So werden diejenigen zwei parallelen Flächen als offene oder unendliche

Gestalt genannt (das hexagonale basische Pinakoid Naumann's), von denen

jede eine durch je einen Endpunkt der Hauptachse parallel den Nebenachsen (Miu. 213 -21a)

Fig. 91. Fig. 92. Fig. 93. Fig. 94.

gelegte Ebene ist, deren Parameterverhältniss also a\ 00 b: 00b ist, da nur zwei Nebenachsen anzugeben genügt. Da man aber dieses Verhältniss auch schreiben kann, so entspricht diesem das Zeichen oP bei der Auffassung, dass die stumpferen normalen oder diagonalen h. Pyramiden durch die Zeichen mP oder rhP2 auszudrücken sind, als deren Schlussglied dann die Basisflächen an- zusehen sind. Hiernach sind die Reihen der beiderlei h. Pyramiden mit ihren Schlussgliedern folgende:

o P . . . . m P . . . . P . . . . m P . . . . 00 P oP . . . . mP2 . . . P2 . . . mP2 . . . «>P2. 4. Die dodekagonalen Pyramiden mPn.

Wenn man um das normale Hexagon symmetrische Dodekagone (Zwölfseite) umschreibt (Fig. 93) wie im quadratischen Systeme um das normale Quadrat symmetrische Oktogone, so liegen in jedem Sextanten zwei Dodekagonseiten, welche auf je 2 zum Sextanten gehörige halbe Nebenachsen bezogen durch das Parameterverhältniss b:nb oder nb:b bestimmt sind und wobei n eine rationale Zahl grösser als 1 und kleiner als 2 ist. Die gesammten möglichen Dodekagone liegen zwischen dem normalen und diagonalen Hexagon, wie ihr Parameterver- hältniss b.nb zwischen b.b und b:2b liegt. Wollte man auch den Durchschnittspunkt der einzelnen Dodekagonseiten mit der je dritten Nebenachse ausdrücken, so würde

für jede solche Dodekagonseite das Parameterverhältniss -^^b sein, wel-

ches gleichfalls zwischen den oben (pag. 379) angegebenen erweiterten Parameter- verhältnissen bib.oob und b:2b:2b liegt.

Werden nun durch die Seiten eines solchen Dodekagons und durch die Endpunkte einer beliebigen Hauptachse Ebenen gelegt, so entsteht dadurch eine dodekagonale Pyramide, deren Flächen das Parameterverhältniss entweder a:b:nb oder ma:b:nb oder ma:b:nb haben, woraus im Besonderen das Zeichen Pn oder mPn oder fnPn resultirt oder das allgemeine Zeichen mPn, in welchem m = 1 oder m kleiner oder grösser als 1 sein kann.

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Krystallgestalten, Krystallographie. 383

Eine jede dodekagonale Pyramide, wie eine Fig. 94 darstellt, ist von 24 un- gleichseitigen Dreiseiten umschlossen, deren Flächen entweder 2 zwölfzählige Gruppen oder 12 Flächenpaare über den Flächen je einer eingeschriebenen normalen oder diagonalen h. Pyramide bilden. Die Kanten sind symmetrische und zwar dreierlei Art: 12 gleiche horizontale, die Seitenkanten, deren Kanten- linien dem symmetrischen Dodekagon entsprechen, 12 längere schärfere und 12 kürzere stumpfere Endkanten. Die Ecken sind gleichfalls symmetrische dreierlei Art: 2 zwölf kantige, die Endecken, deren Scheitelpunkte die End- punkte der Hauptachse sind und 6 spitzere und 6 stumpfere symmetrische vier- kantige, die Seitenecken, und die Scheitelpunkte von 6 solchen der einen oder der anderen Art sind die Endpunkte der Nebenachsen.

Nach den Endkanten einer eingeschriebenen normalen oder diagonalen h. Pyramide kann man die zweierlei Endkanten als normale und diagonale (nach Naumann als primäre und secundäre) unterscheiden, desgleichen die Seitenecken als normale und diagonale, wonach die Scheitelpunkte der normalen Seitenecken die Endpunkte der Nebenachsen sind.

Die symmetrischen Dodekagone haben als solche gleiche Seiten und ab- wechselnd gleiche Winkel in Folge der rationalen Werthe von n zwischen 1 und 2.

1 -f-l/3

Em regelmässiges Dodekagon erfordert den irrationalen Werth n = ^r . Es

sind demnach für den rationalen Werth n kleiner als ^ (1, 3 6 1 ... .)

die normalen Endkanten die längeren schärferen und die normalen Seitenecken

die spitzeren, dagegen wenn n grösser als * "tä^* ist, die diagonalen Endkanten

die längeren schärferen und die diagonalen Seitenecken die spitzeren.

Stellt man die dodekagonalen Pyramiden mit den normalen und diagonalen h. Pyramiden schematisch zusammen, so ergeben sie das Schema

Hl P P Äl P » * *

. . . . mPn . . . Pn . . . mPn ... . .

. . .

.... mP2 . . . P2 . . . mP2 Für die Berechnung der dodekagonalen Pyramiden genügt die Angabe der Gleichungen für die Kantenwinkel der Pyramiden Pn, indem bei Pyramiden mPn ma für a einzusetzen ist. Hierbei sind die normalen Endkanten mit X, die diagonalen mit Y im Hinblick auf die Endkanten der hexagonalen Pyramiden und die Seitenkanten mit Z bezeichnet. In diesen Formeln ist Jlf= 4aa(«2 n + 1)

cosX= M ,w *A = -y M ,

(2 »)a

2<r*(4n - 1) + 3*»A* , - \)ay'i

" («-l)<r/3

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384 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

4«» fr» + !)- 3»«*» ntrfi

cos/= m ' cos *z=yw

5. Die dodekagonalen Prismen »Pn.

Diese sind als Schlussglieder der dodekagonalen Pyramiden mPn, wenn m unendlich gross ist und als offene oder unendliche Gestalten gleichseitig zwölf- seitige Prismen, bei denen der auf die Kantenlinien senkrecht geführte Haupt- schnitt ein symmetrisches Dodekagon ist. Die 12 Kanten sind demnach zweierlei, 6 abwechselnde unter einander gleich und das Parameterverhältniss ooa:^:n^ ergiebt das Zeichen ooPn. Die Flächen liegen paarweise über den Flächen des eingeschriebenen normalen oder diagonalen hexagonalen Prisma und wenn von den beiderlei Kanten die 6 den Kanten des normalen Prisma entsprechenden Kanten als normale mit X und die 6 den Kanten des diagonalen Prisma ent- sprechenden Kanten als diagonale mit Y bezeichnet werden, so ergeben sich für die Kantenwinkel nachfolgende Gleichungen:

4^-^—1 {n— l)/3 f 1V n-h 1

COS 1 Y= gry-i " rr | COS 4 Y —,"===:, /<J»^ 1 F=

Aus der Gleichstellung von cos \X nnd cos }XY ergiebt sich für n der irra- 1 -|- -1/3

tionale Werth ^L—, für welchen alle Kantcnwinkel = 1500 wären, was nicht

1 -f_ Ys

vorkommt. Es sind daher bei n < ~ die normalen Kantenwinkel die

schärferen, grösser als 1200 und kleiner als 1500, die diagonalen die stumpferen,

grösser als 1500, bei n dagegen grösser als * findet das Umgekehrte Statt

(Min. 217.)

o p Nach dieser Betrachtung aller holoedrischen

, ,\ Gestalten kann man dieselben übersichtlich im

/ i \ beifolgenden Schema zusammenstellen. Die

j \ rationalen Werthe m liegen zwischen 1 und 00,

j \ die Werhe n dagegen zwischen 1 und 2.

/ \ ; \ B. hemiedrische einfache Gestalten.

\ Die normalen Rhomboeder.

/ % v \ Die Rhomboeder (Rhombenflächner),

/,.-''' >v>^ \ welche sowohl als hemiedrische als auch als tetar-

°°^r— «*jPr toedrische Gestalten im hexagonalen Sutern eine

hervorragende Rolle spielen, sind im Allgemeinen schiefwinklige, von 6 gleichen und ähnlichen Rhomben umschlossene Parallelepipeda, welche 12 gleichlange Kanten zweierlei Art haben, 6 symmetrische und 6 unregelmässige, und 8 drei- kantige Ecken zweierlei Art, nämlich 2 regelmässige und 6 unregelmässige. Die Scheitelpunkte der 2 regelmässigen Ecken sind stets die Endpunkte der Haupt- achse und es werden diese 2 Ecken die Endecken genannt, die 6 unregel- mässigen die Seitenecken. Die Endecken werden durch die symmetrischen Kanten gebildet und es heissen desshalb diese die Endkanten, im Gegensatz

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Krystallgestalten, Krystallographie.

385

zu welchen die 6 unregelmässigen Kanten die Seitenkanten genannt werden. Die Kantenlinien der End- und Seitenkanten sind gleichlange, die Kantenwinkel der End- und Seitenkanten ergänzen sich zu 1800.

Die Rhomboeder lassen sich mit dem Hexaeder vergleichen, wenn man dieses als rechtwinkliges, von 6 gleichen Quadraten umschlossenes Parallelepi- pedon so stellt, dass eine der trigonalen Zwischenachsen desselben (s. pag. 300) senkrecht steht und in dieser Stellung mit der Hauptachse der Rhomboeder ver- glichen werden kann. Von dem so gestellten Hexaeder, welches mit den Rhomboedern verglichen ein Rhomboeder wäre, dessen Flächen Quadrate sind, ausgehend, lassen sich die Rhomboeder im Allgemeinen als spitze und stumpfe unterscheiden, indem spitze Rhomboeder diejenigen genannt werden, deren End- ecken spitzer sind als die Ecken des Hexaeders und deren Endkanten winkel kleiner als 90 0 sind. Stumpfe Rhomboeder dagegen sind diejenigen, deren End- ecken stumpfer als die Hexaederecken und deren Endkantenwinkel grösser als 90 0 sind. Somit dient hier die tesserale Gestalt dazu, die spitzen und stumpfen Rhomboeder abzugrenzen, wie im quadratischen Systeme das Oktaeder die spitzen und stumpfen quadratischen Pyramiden gegeneinander abgrenzt, ohne dass weder das Hexaeder noch das Oktaeder in ein anderes, als das tesserale System gehört.

Was nun die normalen oder die Rhomboeder in normaler Stellung betrifft, so sind diese parallelflächige (Min. 218-219.)

Hernieder der normalen hexagonalen Pyramiden mP und sie entstehen aus diesen durch Herrschendwerden von 6 abwechselnden Flächen bis zum Ver- schwinden der anderen 6 abwechseln- den Flächen. Die beiden so aus einem Holoeder hervorgehenden Hernieder sind als Gegenhemieder vollständig gleiche, nur durch die gegenseitige Stellung unterscheidbar (Fig. 95 und 96 stellen zwei solche Gegenhemieder dar). Bei den normalen Rhomboedern sind die Halbirungspunkte der Seitenkanten- linien die Endpunkte der Nebenachsen.

Als parallelflächige Hernieder der normalen h. Pyramiden mP müssten die

m P

normalen Rhomboeder mit ^ bezeichnet werden, da es auch noch geneigt- flächige Hernieder der normalen hexagonalen Pyramiden giebt und die beiden Gegenhemieder einer und derselben normalen h. Pyramide würden in ihrer ver-

, , mP , ml" , . , .

schiedenen Stellung als und zu unterscheiden sein. Da aber diese

Rhomboeder häufig vorkommen, so wurde nach Naumann's Vorgange für die normalen Rhomboeder eine abkürzende, secundäre Bezeichnung gebräuchlich, indem nämlich diese Rhomboeder allgemein mit m R bezeichnet werden, um die Schreibweise abzukürzen, wobei der Werth m derselbe ist, wie in den bezüg- lichen Holoedern mP. Die Gegenhemieder werden dann als mR und mR' unterschieden, wofür man nach Naumann's Vorgange + mR und mR schreibt, ohne dass diese Schreibweise so wie bei der tetraedrischen Hemiedrie des tesse- ralen Systems oder wie bei der sphenoidischen Hemiedrie des quadratischen und

Kshncott, Min. Ceol. u Pal. ü. 25

g. 95. Fig. 96.

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386

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

orthorhombischen Systems durch das Vorhandensein der diametral entgegengesetzt liegenden Flächen begründet ist, da die Zeichen -+- und nicht den Gegensatz der Flächen, sondern nur die Verschiedenheit der Stellung ausdrücken sollen. Der Reihe der normalen h. Pyramiden

m P * P m P * entsprechen demnach die beiden Rhomboederrcihen

. . mR . . R . . m R ....

mR R. > ÄiR. * « und da die Reihe der normalen h. Pyramiden (s. pag. 382) einerseits mit den Basisflächen o P, andererseits mit dem normalen h. Prisma 00 P abschliesst und jede Rhomboederreihe gleichfalls als Scblussglieder diese Gestalten als offene oder unendliche ergiebt, so wurde bei den Krystallgestalten rhomboedrisch- hemiedrischer Species die secundäre Bezeichnung mR auf die beiden Scbluss- glieder übertragen, die Basisflächen mit o R und das normale h. Prisma mit =»R bezeichnet.

Das Gesetz der Hemiedrie, durch welches aus den normalen h. Pyramiden die normalen Rhomboeder entstehen, Herrschendwerden der abwechselnden Flächen oder Wegfall der abwechselnden Flächen, welche den abwechselnden Raumzwölftheilen entsprechen, ist genau dasselbe, wie im quadratiseben Systeme das Gesetz der sphenoidischen Hemiedrie, durch welches aus den normalen quadr. Pyramiden mP die normalen Sphenoide entstanden, Herrschendwerden der abwechselnden Flächen, welche den abwechselnden Oktanten entsprechen, nur die äussere Gestaltung der entstehenden Hernieder ist eine andere, dort sind sie geneigtflächige, hier parallelflächige Hernieder.

Da die Kantenwinkel der beiderlei Kanten eines Rhomboeders einander zu 1800 ergänzen, so ist es für die Berechnung, so wie für die Angabe der Winke! eines Rhomboeders nur nöthig, die Endkantenwinkel anzugeben. Bezeichnet man diese mit X, so kann man für R oder R', da diese vollständig gleich sind, die Grösse der Winkel durch folgende Formeln berechnen:

co$X = .T,g , . cos l X = , tang\\=L ,

in welchen Formeln man dann nur tna anstatt a zu setzen hat, wenn das bezüg- liche Rhomboeder m R oder rn R ist. Nimmt man allgemein b = 1 an, so sind die Formeln selbstverständlich noch kürzer.

Wird der Seitenkantenwinkcl mit Z bezeichnet, so ist eos\Z= f, r. Bei

der Stellung des Hexaeders in der Reihe der Rhomboeder, um die spitzen und stumpfen von einander zu trennen, würde X = Z = go° sein. Aus der Gleich- stellung der Werthe von cos\X—cos^Z, würde sich a:d = YS:y/r2 ergeben, welches Achsenverhältniss demnach im hexagonalen Systeme unmöglich ist, weil das Hexaeder, auch wenn man es rhomboedrisch stellt, keine hexagonale Ge- stalt ist.

Das Gesetz der angeführten Bildung normaler Rhomboeder lässt sich noch auf die dodekagonalen Pyramiden in Anwendung bringen, und es entstehen dadurch 2. Die Skalenoeder.

Die 24 Flächen einer jeden dodekagonalen Pyramide bilden 12 Paare über den Flächen einer normalen h. Pyramide und zu jedem Raumzwölftheil gehört ein solches Paar. Wenn nun entsprechend der Bildung der normalen Rhomboeder

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Krystallgcstalten, Krystallograplnc 387

6 solche abwechselnde Flächenpaarc herrschend werden bis zum Verschwinden der anderen 6 abwechselnden Paare, so entstehen aus den dodekagonalen Pyra- miden die Skalenoeder. Dieselben sind von 12 gleichen und ähnlichen ungleich- seitigen Dreiseiten begrenzt, wonach sie benannt wurden von dem griechischen »skalenos« ungleichschenklig. Die 12 Flächen bilden zunächst (Min. 220.)

6 Paare, welche den 6 Rhomboederflächen entsprechen, ausser- dem 2 sechszähligc Gruppen. Jedes Skalenoeder (Fig. 97) hat 6 längere stumpfere und 6 kürzere schärfere Endkanten und 6 unregelmässige Seitenkanten, 2 symmetrische sechs- kantige Endecken und 6 unrcgclmässige vierkantige Seiten- ecken. Die 6 längeren stumpferen Endkanten sind die 6 ab- wechselnden diagonalen Endkanten des Holoeders, nach denen die Flächen Paare Uber mP bilden; die 6 kürzeren schärferen entsprechen den Endkanten der normalen Rhomboeder und die Seitenkanten den Seitenkanten derselben. Die Halbirungs- punkte ihrer Kantenlinien sind demnach die Endpunkte der Nebenachsen, während die Scheitelpunkte der Endecken die Endpunkte der Hauptachse sind.

Das Zeichen der Skalenoeder als parallelflächiger Hälften-

gestalten der dodekagonalen Pyramiden mPn sollte g- 97'

sein und da aus jedem Holoeder zwei vollkommen gleiche, nur durch die

Stellung verschiedene Gegenhemieder hervorgehen, so sollten diese auch als

mPn mP'n , . , , , .

-—■^ und - ^ unterschieden werden. Im Einklänge aber mit der secun-

dären Bezeichnung der normalen Rhomboeder wurde auch eine solche für die Skalenoeder von Naumann eingeführt, welche auf einer eigenthüm- lichen Ableitung der Skalenoeder von den normalen Rhomboedern beruht. Man kann nämlich aus jedem beliebigen normalen Rhomboeder mR oder mR' Skalenoeder dadurch ableiten, dass man die Hauptachse des Rhomboeders durch einen rationalen Coefficienten n grösser als 1 verlängert und durch die so erhaltenen Endpunkte der verlängerten Hauptachse des Rhomboeders und durch die 6 Seitenkanten desselben Ebenen legt. Auf diese Weise entstehen die Skalenoeder als abgeleitete Gestalten der normalen Rhomboeder.

Da nun in den Rhomboedern R und R' die halbe Hauptachse gleich a ist, in jedem anderen Rhomboeder mR oder mR' aber gleich ma, und der vor dem Zeichen R stehende Werth m sich auf die Hauptachse bezieht, so konnte der neue Verlängerungswerth n, der sich auch auf die Hauptachse bezieht, nicht auch noch vor das Zeichen R gesetzt werden und es wurde desshalb hinter das Zeichen R gesetzt, für die Skalenoeder das allgemeine Zeichen mRn gegeben. In diesem beziehen sich also beide Werthe m und n auf die Hauptachse, m ist der in dem Parameterverhältniss xx\a.b:b liegende Coefficient der Hauptachse und n ist der neue Verlängerungscoefficient der Hauptachse, um die Endpunkte zu erhalten, durch welche und durch die Seitenkantenlinien des Rhomboeders die Skalenoederflächen gelegt sind. Ist das Rhomboeder R oder R', so haben die von ihm ableitbaren Skalenoeder die Zeichen Rn oder R'n, hat das Rhomboeder aber, aus dem man Skalenoeder ableitet, das Zeichen mR oder mR', so sind die Zeichen der abgeleiteten Skalenoeder mRn oder mR'n, mithin ergeben die Rhomboederreihen Reihen aus ihnen ableitbarer Skalenoeder nachstehender Art:

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

....mRn.... R n . . . . m R n ...

.

. *

.... m R .... R .... in R ....

. . . . m R .... R .... ni R ...»

...

. . .

. . . . mR'n . . . . R'n . . . . niR'n . . . .

Wenn man die normalen Rhomboeder und Gegenrhomboeder als mR und mR unterscheidet, so muss man bei dieser Bezeichnungsweise auch die Skalenoeder und Gegenskalenoeder als -+ mRn und mRn unterscheiden.

Da schliesslich die Zeichen mRn der Skalenoeder als secundäre nicht die

Parameter der dodekagonalen Pyramidenflächen ausdrücken, diese ihre Parameter

ma:ö:nö haben, durch welche die Lage der Flächen (s. pag. 382) ausgedrückt

wird, so kann man nicht, wenn die dodekagonale Pyramide mPn ist, durch

dieselben Zahlen das bezügliche Skalenoeder ausdrücken, sondern es ist nöthig,

aus den Zahlenwerthcn für m und n des Zeichens mPn die Wcrthe für m und rt

im secundären Skalenoederzeichcn zu berechnen. Umgekehrt kann man aus dem

secundären Skalenoederzeichen mRn die Parameter der bezüglichen dodekagonalen

Pyramide berechnen, deren Hernieder das Skalenoeder ist.

Die zwei für diese gegenseitige Umrechnung erforderlichen Formeln sind:

_ 2 n

d ( \ mnP

mPn m(2 n) n n+i

•" ~ = R , m Rn = ~ - ~=

2 n 2 n' 2

Ist z. B. die dodekagonale Pyramide 3P$ als Holoeder gegeben, so erhält man daraus das secundäre Skalenoederzeichen R 3, oder aus der dodekagonalen Pyramide 4 erhält man das Skalenoederzeichen 2R2. Ist umgekehrt das secun- däre Skalenoederzeichen R5 gegeben, so erhält man für das Holoeder das Zeichen 5P$ oder ist das Zeichen jR3 gegeben, so hat die bezügliche dodeka- gonale Pyramide das Zeichen |P|.

Was schliesslich die Kantenwinkel der Skalenoeder betriftt, so können diese auf doppelte Weise berechnet werden, entweder durch die Parameter der dode- kagonalen Pyramiden, der bezüglichen Holoeder oder durch die Zahlen der secundären Skalenoederzeichen.

Bezeichnet man mit X die kürzeren schärferen Kndkanten, mit Y die längeren stumpferen und mit Z die Seitenkanten, so sind, wenn man die Ska- lenoeder-Kantenwinkel durch die Parameter der dodekagonalen Pyramiden be- rechnet, nur die Werthe für X und Z anzugeben, während sich der Winkel Y aus den bei den Holoedern gegebenen Formeln (pag. 383) ergiebt. Wenn hier- bei wie oben die dodekagonalen Pyramiden Pn zu Grunde gelegt werden, da man bei jeder anderen Pyramide mPn ma anstatt a in die Formeln zu setzen hat, so sind, wenn man M 4<*s(«2 « 1) 4- 3«2£* setzt, die Werthe nachfolgende:

v 2tf*(2«2-2«-l)-h3»^2 tv <il/3

cosX = - , C0S±X = -~=- ,

M

}/Af

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Krystallgestalten, Krystallographie. 389

2tf»(«»+2«-2)-3»2J» l/ö2(2 «)*-h3«*A» <wZ , cos\Z = ^= ,

tan iZ-

Für die Berechnung der Kantenwinkel durch die Zahlen der secundären Zeichen mRn müssen alle 3 Kanten bestimmt werden, und wenn man auch hier der Kürze wegen die Formeln nur für die Skalenoeder Rn angiebt, aus denen die für mRn folgen, wenn man ma anstatt a einsetzt, so sind, wenn man mit K den Werth a2(3«* -+- 1) ■+■ 36* bezeichnet, die Functionen für die Kantenwinkel X, Y und Z nachfolgende:

g»(3»»-6«-l) + 6*» (*-M)«^3 COiX= 2K ' C°^X=~yTiC—>

tan^X~ r>+l)«/3_ '

, . v }/<*>(3«4- l)a-4- 124» l)ay 3

tf«(3«»-l)-3^ iy |/J>4^3T3 tta/3 ^ , „stZ^—y^-, <an^Z = ^==.

Aus den Formeln für tang \Z der Skalenoeder und der Rhomboeder folgt vii ».r . «. /<wa£ 1 (Seitenkante von mRn)

bei gleichem Werthe für w - , 7c 7—-. tv\ = «, wodurch man un-

0 £ (Seitenkante von mR)

mittelbar aus den Seitenkantenwinkeln den Ableitungscoefficienten n berechnen

kann.

Das Gesetz der rhomboedrischen Hemiedrie ergiebt nur die normalen Rhomboeder und die Skalenoeder, alle anderen Gestalten bleiben holoedrische. Von diesen Hessen sich, wie oben gezeigt wurde (pag. 386) für die Basisflächen und für das normale h. Prisma die secundären Zeichen oR und 00 R bilden und es lässt sich auch noch für das diagonale h. Prisma eoP2ein secundäres Zeichen bilden, während die diagonalen h. Pyramiden mP2 und die dodekagonalen Prismen 00 Pn ihre primären Zeichen behalten müssen.

Der Ableitungscoeffkient n für das Skalenoeder Rn ergiebt zunächst, wenn n unendlich gross wird, das Symbol Roo und die Skalenoeder Rn ergeben als Schlussglied das diagonale h. Prisma, für welches also das Zeichen Roo gebraucht werden kann, indem bei der Zunahme der Werthe n die Skalenoeder spitzer werden und bei n = 00 der Seitenkantenwinkel =180° wird, die obere und untere Fläche jeder Seitenkante in eine Ebene fallen.

3. Die verwendeten hexagonalen Pyramiden und Prismen (Naumann's h. Tritopyramiden und Tritoprismen.

Diese zusammengehörigen Hernieder, welche das Gesetz der pyramidalen Hemiedrie bilden, sind den verwendeten quadratischen Pyramiden und Prismen analog. Wenn nämlich von den 12 Seiten eines symmetrischen Zwölfseites, wie solche die dodekagonalen Pyramiden und Prismen als basische Hauptschnitte zeigen, sechs abwechselnde Seiten bis zum Verschwinden der anderen 6 Seiten sich ausdehnen, so entsteht ein regelmässiges Hexagon, welches weder normal, noch diagonal ist, und wenn durch die Seiten solcher verwendeten Hexagone und

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39<> Mineralogie, Geologie und Palaeoiitologie.

durch die Endpunkte der Hauptachse Ebenen gelegt werden, so entstehen ver- wendete hexagonale Pyramiden, oder wenn durch die Seiten solcher verwendeten Hexagone Ebenen parallel der Hauptachse gelegt werden, so entstehen verwendete hexagonale Prismen.

In anderer Weise ausgedrückt entstehen aus den dodekagonalen Pyramiden verwendete hexagonale Pyramiden, wenn 6 an 6 abwechselnden Seitenkanten liegende Flächenpaare bis zum Verschwinden der anderen 6 abwechselnden Paare herrschend werden. Die verwendeten hexagonalen Prismen entstehen aus den dodekagonalen Prismen, wenn 6 abwechselnde Flächen derselben bis zum Verschwinden der anderen 6 herrschend werden. Gestaltlich sind die verwendeten h. Pyramiden und Prismen von normalen oder diagonalen h. Pyramiden oder Prismen nicht zu unterscheiden, nur durch ihre verschiedene Lage. Sie linden sich z. B. in ausgezeichneter Weise an Krystallen des Apatit und zwar gleich- zeitig mit normalen und diagonalen h. Pyramiden und Prismen und mit den Basisflächen.

Je zwei Hernieder desselben Holoeders sind in allen Stücken einander

gleich, nur verschieden gestellt; die unterscheidenden Zeichen derselben sind

r mPn . / mPn r ooPn / ooPn . _ . , . . ,

-=-t und - 7 =y~ «nd - Diese Bezeichnung bezieht sich

darauf, dass die paarweise an den diagonalen Kanten der Holoeder liegenden Flächen sich als rechte und linke unterscheiden lassen. Numerirt man die Flächen einer dodekagonalen Pyramide mit fortlaufenden Zahlen

1.2 3.4 5.6 7.8 9.10 11.12

13.14 15.16 17.18 19.20 21.22 23.24 so wird die eine verwendete h. Pyramide durch die Flächen

1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 die andere durch die Flächen

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 gebildet. Bei den Paaren 1.2, 3.4 u. s. w. liegt die Fläche 1, 3 u. s. w. links an der diagonalen Endkante und bei den Paaren 13.14, 15.16 u. s. w. liegt die Fläche 13, 15 u. s. w. in gleichem Sinne rechts an der diagonalen Endkante, da-

/ r

her die Unterscheidung durch - und j, welche auch auf die verwendeten

h. Prismen übertragen wird, insofern die Flächen links und rechts an der diago- nalen Kante liegen, dagegen rechts und links, wenn man die Gestalt umkehrt.

Für die Berechnung der Kantenwinkel verwendeter h. Pyramiden sind nur die Functionen für den Endkantenwinkel X anzugeben, da der Seitenkanten- winkel derselbe ist, wie in den Holoedern. Für die Hernieder von Pn ist

2a9(«2— «-*- l)-r-3«s^3 , v aYn* n-h l

YM ' '

tOS X = , tos IX

. , y /3 - n -h l) +

ayn' «-Hl

worin J/=4<72(«8 n -h l)-4-3«2£2, und wenn die Holoeder mPn sind, so ist ma anstatt a in den Formeln einzusetzen.

4. Die normalen trigonalen Pyramiden und Prismen.

Die normalen trigonalen Pyramiden sind geneigtflächige Hernieder der nor-

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Krystallgcstalten, Kristallographie.

malen h. Pyramiden mP und entstehen, wenn von den 6 an den Seitenkanten liegenden Paaren 3 abwechselnde bis zum Verschwinden der drei anderen herr- schend werden. Sie sind von 6 gleichen und ähnlichen gleichschenkligen Drei- seiten umschlossen, welche 2 dreizählige Gruppen oder 3 Paare bilden. Die Kanten sind zweierlei Art: 6 symmetrische, die Endkanten und 3 regel- mässige, die Seitenkanten. Die Ecken sind auch zweierlei Art, 2 regelmässige dreikantige, die End - ecken und 3 symmetrische vierkantige, die Seiten- ecken. Die Scheitelpunkte der Endecken sind die Endpunkte der Hauptachse, während die Endpunkte der Nebenachsen in denTheilungspunkten der Seiten- kantenlinien liegen, wenn man diese in 3 gleiche Theile theilt. Man ersieht diese Lage, wenn man (Fig. 98) 3 abwechselnde Seiten des normalen Hexa-

gons nach beiden Seiten verlängert, wodurch die Fig. 98. iMin. 221.)

regelmässigen Dreiseite entstehen, welche die basischen Hauptschnitte der nor- malen trigonalen Pyramiden bilden und deren Seiten durch die Endpunkte der Nebenachsen in 3 gleiche Theile getheilt werden. Aus jeder normalen h. Pyra- mide mP entstehen 2 vollkommen gleiche, nur verschieden gestellte normale tri-

gonale Pyramiden, welche als geneigtflächige Hernieder von mP mit -g— und

2^ bezeichnet werden.

Die Endkantenwinkel werden durch dieselben Formeln bestimmt, wie die Endkantenwinkel der normalen Rhomboeder und die Seitenkantenwinkel sind die der Holoeder.

Die normalen trigonalen Prismen sind die Hernieder des normalen h. Prisma 00 P und entstehen aus demselben durch Herrschendwerden von 3 ab- wechselnden Flächen bis zum Verschwinden der anderen und da auf diese Weise aus dem normalen h. Prisma 00 P 2 vollkommen gleiche, nur verschieden ge-

00 P ocP'.

stellte Gegenhemieder entstehen, so sind die Zeichen derselben ^— und

Die trigonalen Prismen sind gleichseitig dreiseitige Prismen, in denen ein auf die Kanten senkrecht geführter Schnitt ein regelmässiges Dreiseit ist. Die Kanten- winkel sind = 60 °.

Die angeführten normalen trigonalen Pyramiden und Prismen bedingen die sogen, trigonale Hemiedrie, welche auf die anderen holoedrischen Gestalten übertragen noch die di trigonalen Pyramiden als Hälftengestalten der dode- kagonalen Pyramiden und die ditrigonalen Prismen als Hälftengestalten der dodekagonalen Prismen bedingt.

.v. ^ , . mPn , mP'n

5. Die ditrigonalen Pyramiden und g .

Diese sind umschlossen von 12 ungleichseitigen Dreiseiten, welche 2 sechs- zählige Gruppen oder 6 Paare über den Flächen einer eingeschriebenen normalen trigonalen Pyramide bilden. Die symmetrischen Kanten sind dreierlei Art: 6 gleiche längere schärfere und 6 gleiche kürzere stumpfere Endkanten und 6 horizontale Seitenkanten. Die symmetrischen Ecken sind auch dreierlei Art: 2 sechskantige Endecken, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Hauptachse sind und 3 spitzere und 3 stumpfere Seitenecken.

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392 Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

Wenn man, wie oben (pag. 390) gezeigt wurde, die Flächen einer dodekagonakn Pyramide mit fortlaufenden Zahlen versehen hat, so ergeben die abwechselnden vierzähligen Gruppen

1. 2 5. 6 9.10 13.14 17.18 21.22 das eine Hernieder und die anderen 3 abwechselnden vierzähligen Gruppen

3. 4 7. 8 11.12 15.16 19.20 23.24

das andere Hernieder.

Der basische Hauptschnitt der ditrigonalen Pyramiden ist ein symmetrisches Sechsseit (von Naumann Ditrigon genannt) und entsteht aus dem symmetrischen Dodekagon des Holoeders dadurch, dass von den 6 Seitenpaaren über den Seiten des eingeschriebenen normalen Hexagons 3 abwechselnde Seitenpaare herrschend werden bis zum Verschwinden der anderen 3, wodurch die 6 Seiten eines solchen Ditrigon durch die Endpunkte der Nebenachsen auf gleiche Weise un- gleich getheilt werden.

Die Kantenwinkel der ditrigonalen Pyramiden werden durch schon früher gegebene Formeln bestimmt, indem die kürzeren stumpferen Endkanten die diagonalen Endkanten der Holoeder und die Seitenkanten die der Holoeder sind, während die längeren schärferen Endkanten den kürzeren schärferen End- kanten der Skalenoeder entsprechen, durch deren Formeln für die primären Zeichen berechnet werden.

00

Pn . oop'n

6. Die ditrigonalen Prismen ^— und ^

Diese sind gleichseitig sechsseitige Prismen, bei denen ein auf die Kanten senkrecht geführter Schnitt ein symmetrisches Sechsseit (Ditrigon) ist und sind die Schlussglieder der ditrigonalen Pyramiden, wenn m unendlich gross geworden ist. Die 6 Kanten sind abwechselnd gleiche, 3 (die holoedrischen Kanten) stumpfere und 3 (die hemiedrischen) schärfere. Die Grösse der Kantenwinkel erfordert keine neuen Formeln, indem die drei stumpferen die holoedrischen diagonalen Kanten der Prismen 00 Pn sind, deren Formeln oben (pag. 384) an- gegeben wurden. Sie sind stets grösser als 120°. Die Grösse der schärferen Kantenwinkel, welche schärfer als 1200 sind, ergiebt sich aus dem symmetrischen

Sechsseit, oder wird, wenn diese Winkel [mit X bezeichnet werden, durch die

2«— 1

Formel tang IX berechnet.

Bei diesem Gesetze der trigonalen Hemiedrie, durch welches normale tri-

, .„ ml' , ml" , . , . ooP , 00 P'

gonale Pyramiden und j— , normale trigonale Prismen und ^— , di-

, ., mPn , mP'n .... ... «©Pn , ooP'n

trigonale Pyramiden x und ^ und ditngonale Prismen ^ und ^

entstehen, bleiben die Basisflächen oP, die diagonalen hcxagonalcn Pyramiden mP2 und das diagonale Prisma 00 P 2 holoedrisch.

7. Die diagonalen Rhomboeder.

Diese Rhomboeder sind Hernieder der diagonalen h. Pyramiden und ent- stehen aus denselben durch Herrschendwerden der abwechselnden Flächen, wie die normalen Rhomboeder aus den normalen h. Pyramiden. Durch ihre Stellung haben in ihnen die Nebenachsen eine andere Lage als in den normalen Rhom- boedern. Ihre Endpunkte liegen in den Diagonalen der Rhombenflächen, welche man erhält, wenn man die Scheitelpunkte der Endecke und der gegenüberliegenden

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Krystallgcstnltcn, Krystallographic.

393

Seitenecke verbindet und diese Diagonale in 4 gleiche Theile theilt. Der dritte Theilungspunkt von der Endecke aus gezählt ist Endpunkt der Nebenachse.

Aus jeder diagonalen h. Pyramide mP2 entstehen 2 vollkommen gleiche, nur verschieden gestellte diagonale Rhomboeder, welche als parallelflächige

mP2 mP'2

Gegenhemieder allgemein durch die Zeichen =tr= und =h== zu unterscheiden sind.

Bezeichnet man die Endkanten mit X und die Seitenkanten mit Z, so er- gänzen sich wie in allen Rhomboedern die End- und Seitenkantenwinkel zu

1800 und es genügen daher die Formeln Mir die Endkantenwinkel, welche für P2

die Rhomboeder folgende sind:

COSX = n>— 5T— r*\ » A = 7- , A = -■_ - .

2(a*H-*a)' * 2j/ö7ä+> * a*tf %

Da die diagonalen Rhomboeder wie die normalen entweder spitze oder stumpfe sind, wenn man sie mit dem rhomboedrisch gestellten Hexaeder ver- gleicht, so ergiebt sich, wenn man Z a"=qo° setzt, aus cos X das Achsenver- hältniss :£* = 2:1, .welches somit ein unmögliches im hexagonalen Systeme ist, weil das Hexaeder nicht als hexagonale Gestalt vorkommen kann.

C. Tetartoedrische einfache Gestalten. 1. Die verwendeten Rhomboeder.

Diese Rhomboeder sind Hernieder der verwendeten hexagonalen Pyramiden und entstehen aus denselben wie die normalen Rhomboeder aus den normalen h. Pyramiden und wie die diagonalen Rhomboeder aus den diagonalen h. Pyra- miden durch Herrschendwerden der abwechselnden Flächen. Jede verwendete h. Pyramide als Hernieder einer dodekagonalen Pyramide ergiebt 2 gleiche in der Stellung verschiedene verwendete Rhomboeder, die somit Tetartoeder der dodekagonalen Pyramiden sind.

Wie oben (pag. 390) durch die Numerirung der Flächen gezeigt wurde,

entstanden aus den dodekagonalen Pyramiden mPn die beiden Hernieder

/ mPn , r mPn . , , , _ .

r - und = 2=» je nach dem für das eine die Flächen

1 3 5 7 9 11

13 15 17 19 21 23 und für das andere die Flächen

2 4 6 8 10 12

14 16 18 20 22 24

zur vorherrschenden Ausbildung gelangten. Jenes war die verwendete h. Pyra-

/ mPn r mPn.

mide - =y=, dieses die verwendete h. Pyramide y

I m Pn

Durch Herrschendwerden der abwechselnden Flächen entstehen aus ---- die

r 2

beiden verwendeten Rhomboeder

/ mPn 1 5 9

r ~~C 15 19 23

r mPn

/ mP^n 3 7 11 r ~~<T 13 17 21

und aus -j die beiden verwendeten Rhomboeder

r mPn 2 6 10 7 ^4~ 16 20 24

r mP'n 4 8 12 7 " 4 14 18 22

als Gegenhemieder der Hernieder, also als Tetartoeder der Holoeder.

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394

Mineralogie, Geologie und Talaeontologie.

Mit diesen verwendeten Rhomboedern, welche die rhomboedrische Tetartoedrie des hexagonalen Systems bedingen, wie solche z. B. derDioptas (H2Cu08-Si05) und Phenakit (2BeOSi02) zeigen, kommen normale und diagonale Rhomboeder und als Schlussglieder das normale und diagonale h. Prisma, verwendete h. Prismen und die Basisflächen vor.

2. Die trigonalen Trapezoeder.

Diese sind von 6 gleichen und ähnlichen Trapezen umschlossen, welche zu- nächst 2 dreizählige Gruppen bilden. Die Trapeze haben 2 gleichlange einander folgende Seiten und 2 davon verschiedene unter sich ungleiche Seiten. Die Kanten sind un regelmässige dreierlei Art: 6 Endkanten, gebildet durch die gleichlangen Seiten der Trapeze, 3 längere stumpfere und 3 kürzere schärfere Seitenkanten. Die Ecken sind zweierlei Art: 2 gleiche regelmässige dreikantige, die Endecken, deren Scheitelpunkte die Endpunkte der Hauptachse sind, und 6 unregelmässige dreikantige, die Seitenecken.

Sie sind als Hernieder der oben angegebenen ditrigonalen Pyramiden (s. pag. 391) aufgefasst, Hernieder dieser, alsoTetartoeder der dodekagonalen Pyramiden und ent- stehen aus den ditrigonalen Pyramiden durch Herrschendwerden der abwechselnden Flächen. Wie bei den ditrigonalen Pyramiden angegeben wurde, entstanden die

beiden Gegenhemieder^^ und ^— alsgeneigtflächige Hernieder durch die Flächen

1-2 5- 6 9-10 13-14 17-18 21-22

3-4 7-8 11-12 15-16 19-20 23-24

und wenn die abwechselnden Flächen herrschend werden, so entstehen aus dem m P n

Hernieder —~ die beiden trigonalen Trapezoeder

mPn 2 6 10

/ mPn 5

r

4 13 17 21

4 14 18 22

in ' n

und aus dem Hernieder - -g— die beiden trigonalen Trapezoeder

mP'n 3 7 11

mP^n 4 8 12 4 15 19 23

4 IG 20 24

als geneigtflächige Tetartoeder der dodekagonalen Pyramiden. Die vor das tti 1^ n

Zeichen ^ gesetzten Buchstaben / oder r bezichen sich auf die Lage der Flächen

in den Paaren 1.2, 5.6 u. s. w., indem die Flächen 1, 3, 5 u. s. w. an der dia- gonalen Endkante der Paare über den normalen Pyramidenflächen links liegende sind, desgleichen im unteren Theile die Flächen 14, 16 u. s. w. Jedes trigonale Trapezoeder wird daher entweder durch links liegende oder durch rechts liegende

Flächen gebildet, was die vorgesetzten Buchstaben / oder r andeuten oder es

/ r l werden auch die Buchstaben -. oder - vorgesetzt, im Hinblick auf die Zeichen -

/ f T

r

oder j der verwendeten Rhomboeder.

Bezeichnet man mit X die Endkanten, mit Z die längeren stumpferen Seiten

kanten und mit Y die kürzeren schärferen, so ergeben sich die Winkclgrössen

der Kanten aus folgenden Formeln:

, Ym*~ä*(n* + l) + 3«^s t _ ma(n ■+■ 1)

tang\X=^- \ . = , tang\A =

may/sy^-H-hl 2 ' |/3j/"/,a2(" 1)' 4- n*h-

. maC2n 1) tanel Y—

* |/3l/w2a3 + «^a'

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Krystallgestaltcn, Krystallographie.

395

von denen die Formel für tätig \X auch für die Endkantenwinkel der verwendeten Rhomboeder gilt.

Die trigonalen Trapezoeder bedingen das Gesetz der trapezoed rischen Tetartoedrie1) und wenn dasselbe auf die anderen holoedrischen Gestalten des h. Systems übertragen wird, so ergeben sich als mögliche Gestalten einer Species, welche wie der Quarz diese Tetartoedrie zeigt, ausser den trigonalen Tra-

pezoedern noch die normalen trigonalen Pyramiden V~- und ~™, die normalen

ooP ooP' oopn ooP'n trigonalen Prismen und , die ditrigonalen Prismen und ,

2 2 2 2

die diagonalen Rhomboeder und ===» das diagonale h. Prisma 00P2 und

die Basisflächen oP, welche letztere beiden Gestalten niemals hemiedrische Ge- stalten ergeben können.

D. Combinationen. Die holoedrischen Gestalten haben auch in den Combinationen eine grosse Analogie mit den Combinationen des quadratischen Systems, von den hemiedri- schen sind besonders wichtig die der normalen Rhomboeder und der Skalenoeder, während die anderen sich ziemlich leicht aus den Gesetzen der Hemiedrie und Tetartoedrie ergeben. Die nachfolgenden Angaben genügen hier für die Be- stimmung der einfacheren Combinationen.

1. An der als Grundgestalt ausgewählten normalen hexagonalen Pyramide P bilden die Basisflächen oP gerade Abstumpfung der Endecken; die stumpferen normalen Pyramiden ihP sechsflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungs- flächen gerade auf die Flächen aufgesetzt; die spitzeren normalen Pyramiden rhP Zuschärfung der Seitenkanten; das normale h. Prisma 00 P gerade Abstumpf- ung der Seitenkanten; das diagonale h. Prisma 00 P 2 gerade Abstumpfung der Seitenecken; die diagonale h. Pyramide P 2 gerade Abstumpfung der Endkanten; die diagonalen h. Pyramiden mP2 sechsflächige Zuspitzung der Endecken, die Zu- spitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt; die diagonalen h. Pyramiden in? 2 Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die End- kanten aufgesetzt; die dodekagonalen Pyramiden mPn zwölfflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen paarweise auf die Flächen oder Kanten aufgesetzt; jede dodekagonale Pyramide Pn Zuschärfung der Endkanten; die dode- kagonalen Pyramiden mPn vierflächige Zuspitzung der Seitenecken, die Zuspitzungs- flächen auf die Flächen aufgesetzt; hierbei sind die Combinationskanten mPn/P

parallel den Höhenlinien der P-Flächen, wenn ^ = 2 ist, convergent mit

den Höhenlinien nach den Endecken oder nach den Seitenecken hin, je nachdem tn{n -+- 1)

< oder >2 ist; die dodekagonalen Prismen <x>Pn Zuschärfung der

Seitenecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Seitenkanten aufgesetzt.

2. An einer normalen h. Pyramide mP im Allgemeinen bilden die Basis- flächen oP gerade Abstumpfung der Endecken; eine andere normale h. Pyramide m'P entweder sechsflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen gerade aufgesetzt, oder Zuschärfung der Seitenkanten, je nachdem

') (Vergl. A. Kknngott, Ueber die Krystallgestaltcn des Quarzes und die trapezoedrische Tetartoedrie des hexagonalen Systems, im neuen Jahrb. der Min., Gcol. und Palaeont. 1875, pag. 27.)

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396 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

/«'< oder >ttt ist; das normale h. Prisma gerade Abstumpfung der Seiten- kanten; das diagonale h. Prisma 00P2 gerade Abstumpfung der Seitenecken; eine diagonale h. Pyramide m'P2 entweder sechsflächige Zuspitzung der End- ecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt, oder gerade Ab- stumpfung der Endkanten, oder Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungs- flächen gerade auf die Endkanten aufgesetzt, je nachdem ;«'<: oder = oder >m ist; irgend eine dodekagonale Pyramide m' Pn' zwölfflächige Zuspitzung der Endecken, die 'Zuspitzungsflächen paarweise auf die Flächen oder Kanten auf- gesetzt, wenn m'<.t/t ist, Zuschärfung der Endkanten, wenn m'=ttt ist, «er- flächige Zuspitzung der Seitenecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen auf- gesetzt, wenn m'>m ist. Hierbei sind die Combinationskantenlinien vonm'Pn'

m'

mit m P parallel den Endkantenlinien, wenn —f = ttt ist, parallel den Höhen

tt

t/t' in' -f- 1 )

linien der Flächen m P, wenn -, = 2w ist, convergent mit den Höhen-

fff ' (ff ' _L \)

linien nach den Endecken hin, oder nach den Seitenecken hin, wenn ; <

tt

oder >2m ist. Jedes dodekagonale Prisma 00 Pn bildet Zuschärfung der Seiten- ecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Seitenkanten aufgesetzt.

3. An irgend einer diagonalen h. Pyramide mP2 bilden die Basisnachen oP gerade Abstumpfung der Endecken, andere diagonale h. Pyramiden m'P: sechsflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt, wenn *»'<///, Zuschärfung der Seitenkanten, wenn m'>* ist; das diagonale h. Prisma 00 P 2 gerade Abstumpfung der Seitenkanten; das normale h. Prisma 00 P gerade Abstumpfung der Seitenecken; eine normale h. Pyramide m'P sechsflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt, oder gerade Abstumpfung der Endkanten, oder Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Endkanten aufgetetzt, je nachdem t/t' <p/t oder = oder >fw ist; jedes dodekagonale Prisma 00 Pn Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen gerade auf die Seitenkanten aufgesetzt; eine dodekagonale Pyramide m'Pn' zwölfflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen paarweise auf die Kanten oder

/// ' (tt ' | ] \

Flächen aufgesetzt, wenn ^7 <^wist, Zuschärfung der Endkanten, wenn

ffi* (n' f- 1)

=\t/t ist, vierflächige Zuspitzung der Seitenecken, die Zuspitzung- flächen auf die Flächen aufgesetzt, wenn - ->hn ist; hierbei sind die

Tt

ttt' (** tt' 1) 3

Combinationskantenlinien parallel den Endkantenlinien, wenn -, -=3*

tt 1

ist, parallel den Höhenlinien der Flächen 111P2, wenn t/t' = m ist, convergent mit den Höhenlinien nach den Endecken oder nach den Seitenecken hin, wenn m'< oder >tn ist.

4. An dem normalen h. Prisma 00P bilden die Basisflächen oP Begrenz- ung durch je eine horizontale Fläche ; das diagonale h. Prisma 00 P 2 gerade Ab- stumpfung der Kanten, ein dodekagonales Prisma 00 Pn Zuschärfung der Kanten; jede normale h. Pyramide mP sechsflächige Zuspitzung an den unbegrenzten Enden, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt; jede diagonale h. Pyramide ml}2 eine solche sechsflächige Zuspitzung, die Zuspitzungsflächen

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Krystallgcstalten, Krystallographie.

397

gerade auf die Kanten aufgesetzt; jede dodckagonale Pyramide mPn zwölf- flächige Zuspitzung an den unbegrenzten Enden, die Zuspitzungsflächen paarweise auf die Flächen oder Kanten aufgesetzt.

5. An dem diagonalen h. Prisma 00 P 2 bilden die Basisflächen oP Be- grenzung durch je eine horizontale Fläche; das normale h. Prisma 00 P gerade Abstumpfung der Kanten; jedes dodekagonale Prisma 00 Pn Zuschärfung der Kanten; jede normale h. Pyramide mP sechsflächige Zuspitzung an den unbe- grenzten Enden, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten aufgesetzt; jede diagonale h. Pyramide mP2 eine solche, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt; jede dodekagonale Pyramide eine zwölfflächige, die Zuspitzungs- flächen paarweise auf die Flächen oder Kanten aufgesetzt.

6. Die Basisflächen oP bilden, wenn sie vorherrschen, tafelartigc Gestalten und zwar durch das begrenzende Prisma 00 P oder 00 P 2 hexagonale Tafeln mit geraden Randflächen, durch eine begrenzende Pyramide mP oder mP2 der- gleichen mit zugeschärften Rändern, durch ein begrenzendes dodekagonales Prisma 00 Pn dodekagonale Tafeln mit geraden Randflächen und durch eine be- grenzende dodekagonale Pyramide mPn dergleichen mit zugeschärften Rändern.

7. An einem Rhombocder mR bilden die Basisflächen oR gerade Ab- stumpfung der Endecken; ein anderes Rhombocder m'R bildet dreiflächige Zu- spitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Flächen aufgesetzt, wenn »/'<w ist; Abstumpfung der Seitenecken, die Abstumpfungsflächen gerade auf die der Endkante gegenüberliegende Fläche aufgesetzt, wenn m'>m ist; das normale h. Prisma 00 R eine dergleichen Abstumpfung der Scitenecken durch vertikale Flächen; ein anderes Rhomboeder in der Gegenstellung m'R' drei- flächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die Kanten

aufgesetzt, wenn ;//'<^ ist; gerade Abstumpfung der Endkanten, wenn /«'= ^

ist; Abstumpfung der Seitenecken, die Abstumpfungsflächen gerade auf die End-

kanten aufgesetzt, wenn »*'>2 'st- Hierbei sind die Combinationskanten parallel

den geneigten Diagonalen der Flächen mR, wenn m' = 2m ist, convergent mit diesen Diagonalen nach den Endecken hin oder nach den Seitenecken hin, je nachdem ///'< oder >2w ist. Das diagonale h. Prisma Roo bildet gerade Abstumpfung der Seitenkanten. Ein Skalenoeder gleicher Stellung mit dem Rhomboeder, ein Skalenoeder m'Rn', dessen stumpfere Endkanten über die Rhomboederflächen mR fallen, bildet sechsflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen paarweise auf die Flächen aufgesetzt, wenn m' <m und l m'(3n' l)<wist; Zuschärfung der Endkanten, wenn und^//;'(8«'— 1)

= m ist; Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen paarweise auf die Endkanten aufgesetzt, wenn m' <m und £/»'(3«' \)>m ist; Zuschärfung der Seitenkanten, wenn m' =m ist; Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungs- flächen paarweise auf die der Endkante gegenüberliegende Fläche aufgesetzt, wenn m'>tn ist. Ein Skalenoeder m'R'n' in der Gegenstellung, dessen stumpfere Endkanten über die Endkanten des Rhomboeders mR fallen, bildet sechsflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen paarweise auf die Kanten auf- gesetzt, oder Zuschärfung der Endkanten, oder Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen paarweise auf die Endkanten aufgesetzt, je nachdem ±m'(ßn' + 1)< oder = oder > m ist.

8. An einem Skalenoeder mRn bilden die Basisflächen oR gerade Ab-

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39S

Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

stumpfung der Endecken; ein Rhomboeder gleicher Stellung m'R dreiflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die stumpferen End- kanten aufgesetzt, oder gerade Abstumpfung der stumpferen Endkanten, oder Abstumpfung der Seitenecken, die Abstumpfungsflächen gerade auf die stumpferen Endkanten aufgesetzt, je nachdem m' < oder = oder > \m(3n-h]) ist; ein Rhomboeder in der Gcgenstellung m'R' dreiflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen gerade auf die schärferen Endkanten aufgesetzt, oder ge- rade Abstumpfung der schärferen Endkanten, oder Abstumpfung der Seitenecken, die Abstumpfungsflächen gerade auf die schärferen Endkanten aufgesetzt, je nach- dem m' < oder = oder > \m(3n 1) ist; das normale h. Prisma ocR Ab- stumpfung der Seitenecken durch vertikale Flächen; das diagonale h. Prisma Rx gerade Abstumpfung der Seitenkanten.

An einem Skalenoeder mRn bildet ein anderes Skalenoeder m'Rn' in der- selben Stellung, bei welcher die stumpferen Endkanten beider in ihrer Lage ein- ander entsprechen, sechsflächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungsflächen auf die Flächen aufgesetzt, wenn m' (3n'-h\) <w(3«-f-l) und m'(ßn' 1) < w(3«— 1) also auch m'n' <Lmn ist; hierbei sind die Combinationskanten parallel den Seiten- kanten von mRn, wenn m' = tn ist, oder horizontal, wenn ri = n ist; Zu- schärfung der schärferen Endkanten, wenn //*'(3«f 1) = /w(3« 1), m' <«i und «' > n ist; Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen paar- weise auf die schärferen Endkanten aufgesetzt, wenn m'(Sn' 1) > w(3w— l). m'<.»t und «'>«ist; hierbei sind die Combinationskanten parallel den stumpferen Endkanten von mRn, wenn /«,(3»'+ 1) = w(3«+ 1) ist; Zuschärfung der Seitenkanten, wenn m' = /// und «' > n ist; Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungsflächen paarweise auf die stumpferen Endkanten von mRn aufge- setzt, wenn ///'(3«'-f- ]) > w(3» -h 1) und ///' > m ist; hierbei sind die Combi nationskanten horizontale, wenn «' = n ist, parallel den schärferen Endkanten von mRn, wenn ;«'(3«' 1) = ;//(3« 1) ist; Zuschärfung der stumpferen Endkanten, wenn m'(ßn' + 1) = «(3« + 1), ///' > tn und ri < n ist.

Ferner bildet an einem Skalenoeder mRn ein anderes Skalenoeder m'RV in der Gegenstellung oder umgekehrt an einem Skalenoeder mR'n ein anderes Skalenoeder m'Rn' in der Gegenstellung zu diesem, wobei die stumpferen End- kanten des einen den schärferen Endkanten des anderen analog liegen, sechs- flächige Zuspitzung der Endecken, die Zuspitzungs flächen auf die Flächen aufge- setzt, wenn m'(Sn' -+- 1) < rn(3n 1) ist; Zuschärfung der schärferen Endkanten, wenn m'(Sn' -+■ 1) = m(ßn 1) ist; Zuschärfung der Seitenecken, die Zuschärfungs- flächen paarweise auf die schärferen Endkanten aufgesetzt, wenn w'(3/i' + l' > m(3n 1) ist; hierbei sind die Combinationskanten den stumpferen Endkanten parallel, wenn w'(3«'— 1) ■= m(3n ■+■ 1) ist.

9. An dem normalen h. Prisma °oR begrenzen die Rhomboeder mRoder mR' die unendliche Ausdehnung durch je 3 Flächen an jedem Ende als drei- flächige Zuspitzung, die Zuspitzungsflächen auf 3 abwechselnde Flächen des einen und auf die 3 abwechselnden Flächen des anderen Endes gerade aufgesetzt; die Skalenoeder mRn oder mR'n durch je 6 Flächen an jedem Ende als sechs- flächige Zuspitzung, die Zuspitzungsflächen paarweise auf 3 abwechselnde Flächen des einen und auf die 3 abwechselnden Flächen des anderen Endes aufgesetzt; wobei die stumpferen Endkanten des Skalenoeders über den Prismenflächen, die schärferen Endkanten über den Prismenkanten liegen.

10. An dem diagonalen h. Prisma Ro© begrenzen die Rhomboeder mR

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Krystnllgestalten, Krystallographie.

399

und mR' die unendliche Ausdehnung durch je 3 Flächen an jedem Ende als dreiflächige Zuspitzung, die Zuspitzungsflächen auf 3 abwechselnde Kanten des

.S?ooftt 00P ooPii Vj,

^ ooBiooBooBn ^

(Min 223.)

einen und auf die 3 abwechselnden

Kanten des anderen Endes gerade

aufgesetzt; die Skalenoeder mRn

oder mR'n durch je 6 Flächen an

jedem Ende als sechsflächige Zu- spitzung, die Zuspitzungsflächen

paarweise auf 3 abwechselnde Kan- ten des einen und auf die 3 ab- §

wechselnden Kanten des anderen £

Endes aufgesetzt, wobei die

stumpferen Endkanten des Skale-

noeders über die Prismcnkanten,

die schärferen Endkanten über den

Prismenflächen liegen.

Bei mehrfachen Combinationen

kann man ähnlich wie in den an- deren Systemen das obige Schema

benutzen, welches die Vertheilung

der Flächen um den Endpunkt der

Hauptachse oder um die Basisfläche

ausdrückt Das nebenstehende Schema dagegen zeigt die analoge Vertheilung der rhomboedrisch he- miedrischen Gestalten und der damit verbundenen holoedrischen.

Bei der Berechnung der Nei- gungswinkel, welche zwei beliebige Flächen mit einander bilden, ist zu bemerken, dass, wie bei der Berechnung der hexagonalen Ge- stalten überhaupt die Lage der ooPn aoK »Pn f# Flächen nur auf drei Achsen bezogen werden kann, auf die Hauptachse und zwei Nebenachsen, die dritte Nebenachse nicht berücksichtigt wird. Die Parameter der einzelnen Krystallflächen wurden für die Ableitung der Gestalten so an- gegeben, wie sie sich für die einzelnen Raumzwölftheile ergeben, um die ent- sprechenden Zeichen abzuleiten. Bei der Berechnung aber müssen die Para- meter aller einzelnen Flächen nur auf die Hauptachse und zwei Nebenachsen bezogen werden, welche für alle Flächen dieselben sind.

Geht man hierbei von dem nor- malen Hexagon aus, so ersieht man, dass die Parameter der sechs aufeinander

Fig. 99.

(Min. 224.)

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400 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

folgenden Seiten (Fig. 99) I, II VI, wenn sie auf die beiden Nebenachsen, die quer vor dem Beobachter liegende und die längshinlaufende bezogen werden, nicht allgemein b und b sind, sondern dass nur auf diese beiden Nebenachsen bezogen, die Parameter der sechs Seiten des normalen Hexagons folgende sind:

I II III IV V VI

b:b, oob:b, b:oob, b: b, 00b: b, b'.oob,

wobei sich der zuerst stehende Parameter auf die quer liegende Nebenachse be- zieht, der zweite auf die längsliegende Nebenachse. Hiernach würden die sechs aufeinander folgenden Flächen einer normalen Pyramide im oberen Theile der- selben die Parameter

a:b:b, a:<x>b:b, a: b:<x>b, a: b: b, a:<x>b:—b, a:b:oob haben, während bei den entsprechenden unteren überall —a zu setzen wäre.

Werden nun allgemein die in der Hauptachse (als der vertikalen) liegenden Parameter mit v, die in der querliegenden Nebenachse liegenden mit q und die in der längsliegenden mit / bezeichnet, so ist die allgemeine Gleichung für den Cosinus des Neigungswinkels zweier Flächen, deren Parameter v, q, / und v\ q\ /' sind,

2vv'(2qq' -4-2//' qV q'/) Zqq'll'

cos IV = r~- :_- . - - - .

-|/4z>2(?a -+- /2 ql) + 3?V» |/4z>' V8 -f- /'* q'l') -+- 3/»/'*

Würde man z. B. durch diese Formel die Endkante der normalen Pyramide P

berechnen wollen, so hätte man die Parameter der beiden an Seite I und Seite II

anliegenden Pyramidenflächen a, b, b und a, 00 b, b für v, q, / und v', q\ /' in

der Gleichung einzutragen und erhielte dadurch den oben (pag. 381) angegebenen

Werth für cosX.

Für die mit den Zahlen 1—6 bezeichneten Seiten des diagonalen Hexagons

(Fig. 99) sind die Parameter

1. 2. 3. 4. 5. 6.

b:2b, 2b:b, —2b:2b, —b: 2b, —2b:-b 2b: 2b,

demnach die Parameter der diesen Seiten 1—6 entsprechenden Flächen der dia- gonalen Pyramide P2

±a:b:2b, zta:2b:bt ±a:—2b:2b,±a:—b: 2b,zta: 2b:—b,±a:2b:—2l>, wobei fiir die oberen, a für die unteren Flächen gilt, bei mP2 ma an- statt a zu setzen ist.

Die Seiten der symmetrischen Dodekagone, welche paarweise über den Seiten des normalen Hexagons liegen, in gleichem Sinne als linke und rechte zu unterscheiden, hahen in der Reihenfolge I VI die Parameter

I II III

l r l r l r

b'.nb, nb:b, —~b:b, ^—rb'.nb, —nb: n . b, b:

' «—1 n— 1 n—\ n—\

IV V VI

/ r Irl r

b'. nb, —nb:—b, ^—rb'.—b, —^b:—nb, nb: —,b, b:-^-:b,

n 1 n 1 n 1 n—\

bei den dodekagonalen Pyramiden mPn ist dann noch für v der Parameter dittta

vorzusetzen.

Bei den prismatischen Gestalten ist für v 00 a zu setzen, bei den Basisflächen sind die Parameter v, q, l. oa, b, b oder a, 00 b, 00 b zu setzen.

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Malachitc.

40t

Malachite

von

Professor Dr. Kenngott

Das sehr häufig vorkommende und vielfach bekannte Mineral, der Mala- chit, ein grünes wasserhaltiges Kupferoxydcarbonat H20«CuO CuO-C02 ist die Veranlassung, unter dem Namen Malachite eine Gruppe von Mineralen zu- sammen zu fassen, welche als wesentlichen Bestandteil das Kupferoxyd ent- halten, durch welches sie vorwaltend grüne oder blaue Farben zeigen. Nach Ausschluss weniger Silicate und des bei den Salzen anzuführenden Sulfates, des Kupfervitriol oder Chalkanthit sind sie die wasserhaltigen Verbindungen des Kupferoxyds, welche als Säuren Kohlensäure, Phosphorsäure, Arsensäure, Schwefel- säure, selten Vanadinsäure enthalten. Ihnen schliesst sich auch ein Kupferoxyd- hydrat mit Chlorkupfer, der Atacamit an. Gegenüber anderen Verbindungen von Basen RO zeichnet sich die Gruppe der Malachite noch dadurch aus, dass das in den Verbindungen wesentliche Kupferoxyd selten mit anderen Basen RO zu- gleich auftritt i n j dass sie sämmtlich wasserhaltige Verbindungen sind, bei denen schon Berzelius die Formeln anders auffasste, als die anderer wasserhaltiger Verbindungen von Basen RO mit gewissen Säuren.

Das Charakteristische der Verbindungsweise lässt sich leider zur Zeit noch nicht ftir alle aufgestellten Species erkennen, weil etwa die Hälfte derselben noch in Einzelnheiten genauerer Bestimmung bedürfen, was von der Ausbildung derselben abhängt. Im Allgemeinen sii,d diese seltene Species und die Krystall- gestalten wegen Kleinheit und unvollkommener Ausbildung schwierig zu bestimmen, wegen der Aehnlichkeit des Aussehens auch Verwechselungen leicht möglich. Die wichtigsten Species sind folgende:

1. Der Malachit.

Derselbe unter der ganzen Gruppe das am häufigsten vorkommende Mineral, welches an einzelnen Fundstätten so massenhaft auftritt, dass es zur Gewinnung des Kupfers benützt wird, krystallisirt klinorhombisch, doch sind deutliche Krystalle sehr selten. An solchen, die gewöhnlich nur dünne prismatische oder nadeiförmige sind, ist das Prisma 00 P (1040 20' nach Hessenberg) mit den Querflächen in Verbindung, begrenzt durch die Basisflächen, welche gegen die Querflächen unter 1180 io' geneigt sind und die Krystalle bilden Contact- Zwillinge nach der Querfläche. Meist sind sie fasrig bis haarförmig, bisweilen bilden sie tafelförmige bis schuppige Individuen, welche wie jene aufgewachsene oder aufliegende sind. Die linearen Individuen sind meist büschelig oder radial gruppirt, bilden dagegen sehr häufig stalaktitische, traubige bis nierenförmige Aggregate mit radialfasriger Absonderung, nebenbei auch mit schaliger, den äusseren krummen Flächen entsprechend. Solche stalaktitischen Gebilde sind auch bis dicht, wenn die mikrokrystallische Bildung für das Auge verschwindet. Ausserdem findet er sich derb, eingesprengt und als dünner Ueberzug bis An- flug, selten erdig. Die vollkommene Spaltbarkeit parallel den Basis- und Längs- flächen ist bei der Kleinheit der Krystalle wenig zu beobachten, der dichte hat muschligen bis ebenen, z. Th. splittrigen Bruch.

Er ist smaragd- bis spangrün, im Striche span- bis apfelgrün, auf Krystall- flächen glas- bis diamantglänzend, der fasrige seidenglänzend (daher Atlaserz ge- nannt), der dichte glas- bis wachsartigglänzend oder matt. Krystalle sind halb- durchsichtig, sonst ist er nur kantendurchscheinend bis undurchsichtig. Er hat

K.BNNGOTT, Min., Geol. u. Pal. II. 26

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402

Mineralogie, Geologie und l'alncontologie.

Härte = 3,5-4,0 und sp. Gew. = 3,7—4,1. Nach der Formel HaO-CuO -r CuO C03 zusammengesetzt enthält er 71,8 Kupferoxyd, 20,0 Kohlensäure und S,: Wasser. Im Kolben erhitzt giebt er Wasser und wird schwarz; v. d. L auf Kohle wird er schwarz, schmilzt und reducirt sich zu Kupfer. In Chlorwasser- stofTsäure ist er mit Aufbrausen löslich, auch wird er in Ammoniak gelöst.

Das sehr häufig vorkommende Mineral entsteht meist durch Zersetzung Kupfer enthaltender Minerale, aus Kupfer durch Oxydation und Aufnahrae von Kohlensäure und Wasser, auf ähnliche Weise aus Cuprit, bildet auch Pseudo- morphosen, so besonders nach Cuprit, Kupfer, Azurit, Atacamit, Chalkopyrit u. a. und findet sich bisweilen in sehr grosser Menge, wie z. B. bei Nischnc-Tagilsk und Gumeschewsk am Ural, woselbst er auch zur Anfertigung von Tischplatten, Vasen, Dosen, Leuchtern u. a. Ornamenten, und zu Schmuckgegenständen verwendet wird.

Die oben angeführte Pseudomorphose nach Atacamit macht es wahrschein- lich, dass der sogen. Atlasit von Chanarcillo in Chile eine nicht vollendete Pseudomorphose dieser Art ist, da er noch Chlorkupfer neben den Bestandtheilen des Malachit enthält und der sogen. Kalkmalachit von Lauterberg am Harz, welcher noch kohlensaure und schwefelsaure Kalkerde enthält, ist wahrscheinlich nur ein Gemenge des Malachit mit Kalkerdeverbindungen.

Der fasrige bis nadeiförmige Buratit, der auch fasrige Aggregate bildet, spangrün bis himmelblau und apfclgrün ist, zeigt dagegen eine wirkliche Ver- tretung des Kupferoxydes durch Zinkoxyd, da er der Formel des Malachit ent- spricht und H20-ZnO H- CuOC02 darstellt mit etwas Kalkerde. Derselbe findet sich bei Loktewsk am Ural, Chessy unweit Lyon, Volterra in Toscana und Framont in den Vogesen. Diesem verwandt ist auch der spangrüne, nadei- förmig bis fasrig, auch stenglig abgesondert vorkommende Aurichalcit von Loktewsk und die sogen. Messingblüthe von Guipuzcoa bei San tander in Spanien, von denen der erstere der Formel 3(HaO-ZnO) 4- 2(CuO-C02) ent- spricht.

2. Der Azurit (auch Kupferlasur, Lasurit und Chessylit genannt).

Diese dem Malachit nahe verwandte, nächst ihm am häufigsten vorkommende Species der Malachitgruppc, durch ihre blaue Farbe ausgezeichnet, krystallisirt auch klinorhombisch, ist aber gegenüber jenem durch bisweilen grosse und flächenreiche Krystalle ausgezeichnet, wie z. B. solche sich besonders bei Chessy unweit Lyon fanden. Sie sind im Allgemeinen kurzprismatisch bis dicktafel- artig ausgebildet, bisweilen vorherrschend nach der Querachse gestreckt und bilden Combinationen des Prisma 00 P (qq° 20') und der Basisflächen (welche nahezu rechtwinklig erscheinen und mit den oft auftretenden Querflächen den Neigungswinkel = 920 24' oder 87° 36' bilden) mit der vorderen Hemipyramide P, welche die stumpfen Combinationskanten oP /oo P abstumpfend gegen die Basis- flächen unter 106" 3' geneigt ist, mit der hinteren Hemipyramide £P', welche die scharfen Combinationskanten 0P/00P abstumpft, mit dem Längsdoma ^P*; dem hinteren Querhemidoma JP'öo u. a. Er ist deutlich spaltbar parallel dem Längsdoma Poo (59° 12') und hat muschligen bis unebenen oder splittrigen Bruch. Die Krystalle sind in Drusenräumen aufgewachsen, mannigfach ver- wachsen und bilden auch kugelförmige Gruppen. Ausserdem bildet er kristal- linische Ueberzügc bis Anflüge, derbe Massen mit strahliger bis blättriger Ab- sonderung, ist eingesprengt, auch dicht bis erdig.

Er ist lasurblau, dunkel bis hell, der erdige bis smalteblau, glasglänzend,

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Malachite. 403

halbdurchsichtig bis undurchsichtig, hat smalteblauen Strich, H. = 3,5 4,0 und sp. Gew. = 3,7 3,9 und entspricht der Formel HaO CuO 4- 2 (CuO-C02) mit 69}} Kupferoxyd, 25,7 Kohlensäure und 5,3 Wasser. V. d. L., gegen Säuren und Ammoniak verhält er sich wie der Malachit. Bei der häufigen Verbreitung dieses Minerals, welches aber nicht so massenhaft vorkommt wie der Malachit, sind ausser Chessy bei Lyon noch Ncu-Moldawa, Szaska und Dognacka in Ungarn, Kolywan und Nischne-Tagilsk in Sibirien, Redruth in Cornwall, Zinnwald in Böhmen, Phönixville in Pennsylvanien und Burra-Burra bei Adelaide in Australien als wichtige Fundorte zu nennen. Bei reichlichem Vorkommen wird er auch zur Gewinnung von Kupfer und zur Darstellung von Kupfervitriol benützt. 3. Der Libethenit und Olivenit.

Diese beiden isomorphen Species, von denen jener wesentlich der Formel H20-CuO -h 3CuO P205, dieser der Formel HaO -CuO -+- 3CuO- As205 ent- spricht, krystallisiren orthorhombisch, doch sind die Krystalle nur kleine aufge- wachsene. Der Libethenit, kurz prismatisch ausgebildet zeigt die Combination des Prisma 00 P (92 0 20') mit dem Längsdoma Poo (1090 52'), wozu bisweilen noch die Pyramide P tritt, während der Olivenit kurz bis lang prismatisch die- selben Gestalten 00 P (92 0 30') und Po» (no°5o') zeigt, wozu noch gewöhnlich die Querflächen treten, seltener andere Gestalten. Der letztere bildet auch kuglige bis nierenförmige Gestalten mit radial stengliger bis fasriger Absonderung. Der Libethenit ist lauch-, oliven- bis schwärzlichgrün, glas- bis wachsglänzend, halbdurchsichtig bis kantendurchscheinend, hat olivengrünen Strich, H. = 4,0 und spec. Gew. = 3,6—3,8. Im Kolben erhitzt giebt er Wasser und wird schwarz, schmilzt v. d. L. zu einer schwarzen, beim Erkalten krystallinischen Kugel und wird auf Kohle zu Kupfer reducirt. In Salpetersäure ist er leicht aurlöslich. Der Olivenit (auch Olivenerz, Olivenkupfer und Pharmakochalcit genannt) ist oliven-, lauch-, pistazien- bis schwärzlichgriin, auch (besonders der fasrige, vielleicht in Folge von chemischer Veränderung) gelb bis braun, (daher auch Holz- kupfererz genannt) glas-, wachs- oder (derfasrige) seidenglänzend, halbdurchsichtig bis kantendurchscheinend, hat olivengrünen bis braunen Strich, H. = 3,0 und spec. Gew. = 4,2 4,6, giebt im Kolben erhitzt Wasser und wird graulichschwarz, schmilzt v. d. L. in der Zange, die F'lamme bläulichgrün färbend zu einer schwarzbraunen, beim Erkalten krystallinisch erstarrenden Kugel und wird auf Kohle unter Entwickelung von Arsendämpfeh zu weissem Arsenkupfer, mit Bor- säure zu Kupfer reducirt. Er ist in Säuren und in Ammoniak löslich. Beide Species sind selten und es findet sich beispielsweise der Libethenit bei Libethen in Ungarn (daher der Name), Ullcrsreuth bei Hirschberg im Fürstenthum Reuss und einigen a. O., der Olivenit bei Redruth und St. Day in Cornwall, in Cumber- land, bei Zinnwald im Erzgebirge und beide bei Nischne-Tagilsk im Ural.

Da bei dem Malachit auch Zink- und Kupferoxyd enthaltende ähnlich zu- sammengesetzte Species angeführt wurden, so ist hier die mit beiden isomorphe Species Adamin vom Cap Garonne in Frankreich, und von Laurium in Griechen- land zu erwähnen, die natürlich nicht zu den Malachiten gehört, aber nach der- selben Formel zusammengesetzt ist, die Verbindung H20 ZnO 4- 3ZnO As20- darstellend, durch den Garonnit, welcher gleichzeitig Zink- und Kupferoxyd enthält, mit dem Olivenit verbunden ist.

Ein ähnliches Paar, wie der Libethenit und Olivenit mit analoger Zusammen- setzung scheinen der Prasin 2(H20-CuO) 4- 3CuO-P20;i von Libethen in Ungarn und der Erinit 2(HJ()-CuO) -t- 3CuO-As30- aus Cornwall zu bilden.

2G*

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Mineralogie, Oeologie und Palaeontologie.

welche beide aber nur in stalaktitischen Gestalten vorgekommen sind, jener mit fasriger, dieser mit schaliger Absonderung, wogegen auch ein wie Prasin zu- sammengesetztes Vorkommen von Nischne Tagilsk am Ural von Heramnn Di- hydrit genannt wurde, dessen Gestalten jedoch mit denen des Lunnit überein- stimmend angegeben wurden.

4. Der Lunnit und Abichit.

Diese beiden auch in der Zusammensetzung analogen Species, von denen der Lunnit der Formel 3(H4O CuO) -h 3 CuO'P205 und der Abichit der Formel 3(HaO CuO) -h 3Cu0*As205 entspricht, krystallisiren klinorhombisch, doch Hessen sich die Gestalten noch nicht so bestimmen, um die Species mit Sicherheit als isomorphe auffassen zu können.

Der Lunnit (auch Ph osphorchalcit, Phosphorkupfer und Pseudo- malachit genannt), bildet meist nur undeutliche und kleine kurz prismatische Krystalle (nach Schrauf anorthische), öfters kuglige, traubige und nierenförrnige stalaktitische Gestalten mit radial feinstengliger bis fasriger Absonderung und rauher Oberfläche, ist dunkler oder heller smaragd- bis spangrün, hat H. = 5 und spec. Gew. = 4,1 4,3, verhält sich v. d. L. und in Säuren ähnlich wie der Libethenit und fand sich bei Rheinbreitenbach am Rhein, Hirschberg im Voigtlande, Nischne-Tagilsk am Ural und in Cornwall.

Der Abichit (auch Strahlerz, Strahlenkupfer, Klinoklas, Aphane- sit und Arsenochalcit genannt), bildet kleine prismatische Krystalle durch das Prisma 00 P (56 °) mit der Basis u. a. Flächen und geht durch radiale Gruppirung in halbkuglige Aggregate mit strahliger Absonderung und rauher Oberfläche über. Er ist vollkommen basisch spaltbar und die Basisflächen sind gegen die klinodiagonalen Prismenkanten unter 99.^ und &o\° geneigt. Er ist äusserlich dunkel bläulichgrün, innen spangrün, hat bläulichgrünen Strich, H. = 2,5—3,0 und spec. Gew. = 4,2—4,4. V. d. L. und in Säuren und in Ammoniak verhalt er sich ähnlich dem Olivenit. Er fand sich an mehreren Orten in Cornwall, zu Tavistock in Devonshire in England und bei Saida in Sachsen.

Ausser diesen beispielsweise angeführten Phosphaten und Arseniaten des Kupfer- oxydes wurden noch verschiedene andere als besondere Species unterschieden, von denen aber die Mehrzahl noch genauerer Bestimmungen, namentlich bezüglich der Form und Zusammensetzung bedarf, so als Phosphate der Ehlit und der klino- rhombische Tagilit, der letztere mit der wahrscheinlichen Formel 3(HSÜ- CuO) CuO P20;,), als Arseniate der Cornwallit, Trichalcit, Tyrolit(auch Kupferschaum genannt), welcher, wenn die bei ihm gefundene kohlensaure Kalkerdc als Folge von Beimengung betrachtet wird, der Formel 5(HaO-CuO) -h 5H80 As205 entspricht, der hexagonal-rhomboedrische, tafelartig krystalli- sirende Chalkophy llit (auch Kupferglimmer genannt), welcher auf die Formel 6(HaO«CuO) H- 5HaO-AsaOB hinweist, jedoch noch etwas Thonerde enthält, der gleichfalls Thonerdc enthaltende himmelblaue klinorhombische Chalko- phacit (auch Linsenerz oder Linsenkupfer genannt), welcher annähernd auf 4(HaO-CuO)-h 3HaO-Ala03-t- 5H20-As205 führt, und der durch gut ausge- bildete kurzprismatische orthorhombische Krystalle ausgezeichnete smaragdgrüne Euchroit von Libethen in Ungarn, welcher der Formel 4(HaO- CuO) -+- 3HSÜ- AsaOs entspricht.

Die der Phosphorsäure und Arsensäure analoge Vanadin säure bildet den hexagonal tafelig krystallisirten Volborthit, welcher neben Kupferoxyd auch Kalkerde enthält und auf die Formel HäO-RÜ+ 3ROVa05 führt, während der

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Malachitc.

405

krystallinische Mottramit neben Kupferoxyd Bleioxyd enthält und zu der Formel 2(H20-RO)+3RO V20, führt.

Als Repräsentant der Schwefelsäure enthaltenden Malachite ist

5. derBrochantit anzurühren, welcher der Formel 3 (H20 CuO) -+- CuO-SO, entspricht mit 70,3$ Kupferoxyd, 17,7 Schwefelsäure und 12 Wasser. Derselbe bildet meist nur kleine aufgewachsene, orthorhombische Krystalle, krystallinische Ueberzüge, auch findet 'er sich nierenförmig mit rauher Oberfläche und radial- fasriger Absonderung oder derb und dabei krystallinisch-körnig. Die Krystalle sind kurzprismatisch oder dicktafelig durch die vorherrschenden Längsflächen und oblong durch die damit verbundenen Gestalten ooP(io4°32') und Poo (i52°37r), womit noch andere wie Pöö, ooPöö, oP u. s. w. verbunden sind, zeigen ge- wöhnlich in der Prismenzone vertikale Streifung und sind parallel den Längs- flächen vollkommen spaltbar. Er ist smaragd- bis schwärzlichgrün, durchsichtig bis durchscheinend, glasglänzend, hat hellgrünen Strich, H. = 3,5 4,0 und spec. Gew. 3,78 3,9. Im Kolben erhitzt giebt er erst bei 300 0 Wasser ab und hinter- lässt ein Gemenge von Kupferoxyd und Kupferoxydsulfat, mit Kohlenpulver ge- mengt entwickelt er schweflige Säure. Auf Kohle schmilzt er v. d. L. und giebt nach anhaltender Behandlung ein Kupferkorn. In Sänren und in Ammoniak ist er löslich, in Wasser unlöslich.

Er findet sich beispielsweise bei Gumeschewsk und Nischne-Tagilsk am Ural, Rezbanya in Ungarn, zwischen Obernhof und Nassau an der Lahn, in Chile und Mexiko. Ihm zugehörig ist das Königin genannte Vorkommen von Wercho- turie in Sibirien und der lagerartig bei Krisuvig in Island vorkommende Kri- suvigit, während als besondere Species der in Cornwall vorkommende Lang it, Devillin Lyellit und Warringtonit und der Herrengrundit (Urvölgyit) von Herrengrund in Ungarn getrennt wurden.

Der seltene, feinfasrige smalteblaue Ueberzüge bildende Lettsomit (das sog. Kupfersamm terz) von Alt-Moldawa im Banat enthält ausser den wesent- lichen Bestandtheilen des Brochantit noch Thonerde und der lasurblaue klino- rhombische Linarit, dem der spangrüne orthorhombische Caledonit verwandt ist, enthält Bleioxyd neben Kupferoxyd, der Formel H20«CuO-f- PbO S03 ent- sprechend.

Bei der Mannigfaltigkeit der Verbindungen des Kupferoxydes ist schliess- lich noch

6. der Atacamit (auch Salzkupfererz und Smaragdochalcit genannt) anzuführen, welcher besonders reichlich in Süd-Amerika, wie an der Algodonbai in Bolivia, bei Remolinos, Copiapo und Santa Rosa in Chile vorkommt und selbst zur Kupfergewinnung benutzt wird, ausgezeichnet schöne und grosse Krystalle in der Burra-burragrube in Neu-Süd-Wales in Australien bildet. Er krystallisirt orthorhombisch, vorwaltend prismatisch ausgebildet und in den Krystallen des zuletzt angegebenen Fundortes an Topascombinationen erinnernd, Hess er über- haupt ausser dem Prisma 00 P verschiedene andere Prismen, wie e»P4, 00 P

■v^ w <w

00 P 2, 00 P 3, 00 P 4, die Längsflächen 00 Poo, das Längsdoma Poo, das Quer- doma Pöö, die Quer- und Basisflächen und die Pyramide P finden. Die An- gaben über die Winkel sind aber abweichende, nach C. Klein ist der brachy- diagonale Kantenwinkel von 00 P = ii3°3\ der Endkantenwinkel von Poo = io6°io\ Ausser aufgewachsenen Krystallen bis krystallinischen Ueberzügen bildet er auch nierenförmige Gestalten, findet sich derb mit krystallinisch-stengliger

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Mineralogie, Geologie und Talaeoiitologie.

bis körniger Absonderung, bis fast dicht, auch als Ueberzug und Anflug. Er ist vollkommen spallbar parallel den Längsflächen, unvollkommen nach P^.

Er ist lauch-, gras- bis smaragdgrün, oliven- bis schwärzlichgrün, glasglänzend, halbdurchsichtig bis kantendurchscheinend, hat apfelgrünen Strich, H. = 3,0—3.5 und spec.Gew. = 3,7 4,0, selbst darüber, welche Verschiedenheit mit derZusammen- setzung in Zusammenhang zu stehen scheint. Nach der Mehrzahl der Analysen ist er eine Verbindung von Kupferoxydhydrat und Kupferchlorid im Verhältnisse 3(H20- CuO) -f- CuCl2 mit 55,8 Kupferoxyd 31,5 Kupferchlorid und 12,7 Wasser oder mit 59,4 Kupfer, 11,3 Sauerstoff, 16,6 Chlor und 12,7 Wasser, doch wurde auch der Wassergehalt hoher, bis 22 Proc. gefunden, während Kupferoxyd und Kupferchlorid nahezu dasselbe Verhältniss ergaben. Worin die Unterschiede liegen, ob in Wasseraufnahme und in Uebcrgang zu Umwandelungen, welche bis zu Pseudomorphosen des Malachit nach Atacamit führen, ist nicht mit Sicherheit anzugeben. Im Kolben erhitzt giebt er erst bei 2000 Wasser ab und hinterlässt ein bräunlichschwarzes Gemenge von Kupferoxyd und Chlorid. V. d. I.. färbt er die Flamme bläulichgrün, giebt auf der Kohle einen bräunlichen und einen graulichweissen Beschlag, schmilzt und hinterlässt in der Reductionsflamme be- handelt ein Kupferkorn. In Säuren und in Ammoniak ist er leicht löslich. In der salpetersauren Lösung lallt zugesetzte Silberlösung Chlorsilbcr.

Der grösste Theil der Erdoberfläche, £ der Gcsammtheit, im Ganzen 370 Millionen Quadrat -Kilometer, ist vom Meere bedeckt. Die Vcrtheilung dieser grossen Wassermassen ist aber keinesweges eine gleichmässige über die ganze Erdkugel hin. Im Gegentheil kann man eine Land- und eine Meerhalb- kugel" unterscheiden. Die erstere umfasst die nordwestliche, die letztere die südöstliche Hemisphäre. Auch die Tiefen der Mecrcsbeckcn sind sehr ungleich. Mehrere wichtige Expeditionen haben in der neueren Zeit unsere Kenntnisse über die Meerestiefen, die Beschaffenheit des Meeresbodens und der hier sich vollziehenden Ablagerungen ausserordentlich erweitert. Ks sind dies vornehmlich die Expeditionen der Schiffe: Gazelle (deutsch), des Challenger (englisch) und der Tuscarora (nordamerikanisch) und einige andere.

Man unterscheidet nach ihren Begrenzungen durch die grossen continentalen Ecstlande fünf oceanische Becken: das atlantische, das paeifische, das indische, das nördliche und südliche Polar-Mecr.

Die eigentlichen Grenzen der tiefen , die Meeresbecken bedingenden De- pressionen an der Erdoberfläche fallen keinesweges überall mit den sichtbaren Conturen der Festlande zusammen. Oft fällt die Eestlandsküste steil und un- mittelbar bis zu grossen Tiefen ab, so z. B. an den Westküsten von Skandinavien; in anderen Fällen aber setzt sich das continentale Plateau noch auf grosse Ent- fernungen von der eigentlichen Küste hin fort und hier liegt erst der zu den eigentlichen Tiefen der oceanischen Becken hinabsteigende Steilabfall. So liegen z. B. die Inseln der Sundawelt auf einem gemeinsamen untermecrischen Plateau und ebenso ist die Küste von Irland nach Westen noch um ein Be-

Das Meer und

Voll

Prof. Dr. A. v. Lasaulx.

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Das Meer und seine geologische Bedeutung.

407

deutendes von dem Steilabfall des atlantischen Beckens entfernt und nur eine geringe Senkung des Meeresniveaus wurde genügen, um die grossbritannischen Inseln mit dem europäischen Continente wieder landfest zu verbinden.

Die grössten bis jetzt gemessenen Mecrestiefen liegen auf der nördlichen Hemisphäre, so im nördlichen stillen Ocean unter 440 51' n. Br. und 1520 26; ö. I.. mit 8513 Meter und im nördlichen atlantischen Ocean unter i9°4i'n Br. und 65°7' w. L. mit 7086 Meter.

Die mittlere Tiefe sämmtlicher Meere berechnet Ö. Krümmel auf 3438 Meter, während andere dieselbe noch höher auf rund 4000 Meter annehmen1). Jeden- falls beträgt dieselbe nahezu das Siebenfache der mittleren Höhe der Continente, welche Krümmel auf 440 Meter annimmt. Da nun die Oberfläche der Meere dreimal so gross ist, als die der Festlande, so ist es klar, dass, um die sämmt- lichen Meeresbecken bis zu ihrem heutigen Niveau auszufüllen, eine Landmasse nöthig wäre, die mindestens das 21 fache Volumen der über dem Meere heute aufragenden Festlande betrüge. Wenn alles Land über dem Meeresniveau ab- getragen und in die oceanischen Becken versenkt würde, dann würde das Niveau des Meeres nur um 1 50 Meter steigen und so eine nur von Meer umhüllte Kugel übrig bleiben. Darin zeigt sich schon, welche wichtige Rolle die Meeresbecken bei der Oberflächengestaltung der festen Theile der Erde gespielt haben müssen. Auch die Configuration des Meeresbodens ist durch die Tiefenuntersuchungen der vorhin genannten Expeditionen z. Th. im Gegensatze zu früheren Annahmen bestimmter erkannt worden.

Man weiss jetzt, dass der Boden der oceanischen Becken zwar keine Ge- birge trägt, die an Schärfe ihrer Reliefformen denen der Festlande verglichen werden können, aber auch, dass er keinesweges eine nahezu eben oder flach concav verlaufende Form besitzt, wie es der Begriff eines Beckens voraussetzen lassen könnte. Ueber weite Gebiete hin, ganz besonders in den centralen Theilen der oceanischen Becken, ist der Boden zwar nahezu eben mit nur ge- ringen, flachgeböschten Ungleichheiten. Aber dennoch ziehen gewisse linear sich erstreckende Rücken durch die Becken hin, deren einige bis über die heutige Meeresfläche aufsteigend bekannt sind. Auf einem solchen Rücken liegen die capverdischen Inseln, St. Helena und Ascension und im stillen Oceane bieten die Sandwichs- und Freundschaftsinseln Beispiele dieser Art.

Ueberhaupt ist der Boden eines oceanischen Beckens im Ganzen keines- weges als eine einfache Concavität anzunehmen, sondern im Gegentheile die Meeresbecken sind Depressionen mit convexer Gestalt ihrer Bodenfläche. Wäre bei der an den Continenten zu beobachtenden mittleren Neigung der Böschung ihres Abfalles zum Meere dessen Boden gleichmässig concav, so müsste die Tiefe desselben auch sehr viel bedeutender sein, als nach den Lothungen an- zunehmen ist.

Bezüglich der Verhältnisse des Reliefs der Continente zu den oceanischen Becken und der unverkennbaren gesetzmässigen Beziehungen beider, sei hier auf das zurückverwiesen, was in dem Artikel »die Continente«, Bd. I, pag. 167, hierüber mitgetheilt ist»).

Das Meerwasser hat in Folge seines Salzgehaltes ein höheres speeifisches Gewicht als das gewöhnliche Wasser. Jedoch schwankt dasselbe von 1,024—1,027

') Lapparent, Geologie, pag. 64.

') Vcrgl. auch Lapparent, Geologie, pag. 71.

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Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

und ist in den verschiedenen Meeren und den verschiedenen Stellen desselben Meeres verschieden. Am Ufer, wo Süsswasscr hinzutritt, pflegt es niedriger zu sein, als weit von der Küste entfernt; am höchsten in äquatorialen Gebieten, wo starke Verdunstung einen höheren Grad der Sättigung bedingt.

Selbstverständlich kann schon hiernach der Gehalt an Salzen nicht immer der Gleiche sein.

Im Allgemeinen entspricht die Zusammensetzung des Meerwassers folgen- den procentischen Werthen:

Wasser . . . = HaO ~ 96,47 96.0 Chlornatrium = NaCl = 2,70!

MgCl = 0,36/ " 3'5-

Der Rest besteht aus anderen Chlorverbindungen, Sulfaten und Carbonaten; ausserdem finden sich Spuren zahlreicher anderer, auch metallischer Elemente. Das Meerwasser enthält immer auch gelöste oder absorbirte atmosphärische Gase, besonders Kohlensäure und zwar in bedeutenderer Menge, als dieses die gewöhn- lichen Wasser vermögen. Buchanan der während der Expedition des Challenger hierüber Untersuchungen anstellte, glaubt die grössere Absorptionsfähigkeit des Meerwassers für Kohlensäure auf die Gegenwart der Sulfate zurückführen zu können. Der Unterschied im Salzgehalt ist nach obigen Zahlen ziemlich be- deutend: Das mittelländische Meer ist stärker gesalzen, als der atlantische Ocean, die Ostsee dagegen sehr viel weniger. Das Verhältniss von Zuflüssen und Ver- dunstung ist dabei wesentlich betheiligt.

Auch die Temperaturen des Meerwassers sind sehr verschieden und schwanken nach Tageszeiten, Lage, Klima, Tiefe und vorhandenen Strömungen in denselben Gegenden oft sehr erheblich. Gerade die Meerestemperatur ist von grossem Einfluss auf die klimatischen Verhältnisse des Festlandes. Die neueren Tiefseeforschungen haben ergeben, dass unter einer oberflächlichen Wasserschicht, deren Temperatur im Allgemeinen bedingt ist durch die Breite der Lage, eine ungeheure Masse von kaltem Wasser sich befindet. Die Boden- temperatur aller oceanischen Becken, welche in unmittelbarer Verbindung mit den Polen stehen, ist nur um weniges höher und in einigen Fällen sogar that- sächlich niedriger als der Gefrierpunkt des süssen Wassers. Dementsprechend findet sich auch eine ganz gleichartige Tiefseefauna überall in den tieferen Theilen der Oceane und die Typen der arktischen Regionen können auch in den oceanischen Becken am Aequator vorkommen-).

Diese Verhältnisse deuten schon darauf hin, dass in den tieferen Lagen der Oceane eine Bewegung der Wasser von den Polen nach dem Aequator zu statt- findet, welche durch eine entgegengesetzt gerichtete Bewegung der oberfläch- lichen Wasser compensirt wird. So findet also ein allgemeines Strömen wärmerer Wasser an der Oberfläche nach den Polen zu statt.

Ausserdem giebt es aber im Meere auch noch andere bestimmt begrenzte Strömungen, die als die eigentlichen Meeresströme bezeichnet werden, so z.B. der Golf-Strom.

Zwei Ansichten über die Ursache dieser Meeresströmungen stehen sich gegenüber.

Nach der einen entsteht die Circulation der Meerwasser lediglich durch die

') Proc. Royal. Society. Vol. XXIV, auch Geuue, Textbook, pag. 34. 3) Geikie, Textbook, pag. 420.

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Das Meer und seine geologische Bedeutung.

Bewegungen in der Atmosphäre. Die Passatwinde erzeugen einen nord- östlichen und südöstlichen Strom, die sich in der Nähe des Acquators zu einem breiten, westlich gerichteten Strom vereinigen. Von diesem werden je nach der Form der Continente seitliche Ströme abgelenkt bis in die gemässigten Zonen hinein, und, um das Gleichgewicht herzustellen, sind hinwieder die polaren Wasser gezwungen, nach dem Aequator zu in Strömung zu gerathen.

Nach der anderen Ansicht sind es lediglich die Temperaturverhältnissc, welche zugleich in Verbindung mit den Verschiedenheiten im spec. Gewichte des Meerwassers dessen Strömungen hervorrufen. Das warme und leichtere äquatoriale Meerwasser hat darum auch eine höhere Niveaulage seiner Oberfläche als das kältere und schwerere polare Wasser. Es fliesst deshalb nach den Polen zu ab, während das letztere unter jenem äquatorwärts sich bewegt. Am Aequator aufwärtsteigend, wird es erwärmt und treibt den Polen zu, wird dort abgekühlt, sinkt und geht wieder in die nach dem Aequator gerichtete Bewegung über.

Beide Ansichten mögen für gewisse Meeresströmungen Gültigkeit haben und wohl überhaupt beiderlei Vorgänge meist einigermaassen combinirt wirken. Für die klimatischen Verhältnisse der einzelnen Festländer und ihrer Küsten sind diese Meeresströme, indem sie die Temperatur über die Erdkugel hin gewisser- maassen reguliren, von der grössten Wichtigkeit.

Es ist eine bekannte Thatsache, dass die ungeheuren klimatischen Unter- schiede der in derselben Breite liegenden nordamerikanischen Küsten und der Küsten von Grossbritannien darauf beruhen, dass jene von dem südwärts gerichte- ten, kalten arktischen Strome, diese dagegen von dem aus dem Süden kommen- den, warmen Golfstrome getroffen worden.

Die geologischen Wirkungen des Meeres sind vornehmlich zweierlei Art: i. solche der Zerstörung und Abtragung und 2. solche des Trans- portes und der Ablagerung.

1. Die zerstörenden Wirkungen des Meeres sind überwiegend rein mecha- nischer Art, wenn auch eine chemische Einwirkung auf die Gesteine keinesweges ausgeschlossen ist. Jene werden hervorgebracht durch die Wellenbewegung, die selbst wieder eine Folge dreier erregender Ursachen sein kann: der Gezeiten, der Strömungen, der Winde.

Dass die Wirkungen aber überall von der Configuration der Küste abhängen, und durch diese erhöht und abgeschwächt werden können, dafür werden im Folgenden noch besondere Beispiele angeführt werden.

Die Gewalt der Mcereswellen kann eine ganz erstaunlich grosse sein. An der Küste von Plymouth wurde ein Kalksteinblock im Gewichte von 7 Tonnen durch das stürmisch erregte Meer 50 Meter weit forttransportirt. Auf den Hebriden fand Stevenson sogar Blöcke von 50 Tonnen durch die Wellen bewegt.1)

Diese enorme mechanische Kraft, mit welcher also unter Umständen die Meereswellen auf die Küsten treffen und dieselben zerstören, wird noch sehr wesentlich unterstützt durch die festen, steinigten Gerölle, die das Wasser mit bewegt und gegen die Küstenfelsen schleudert Unter der Einwirkung dieser Geschosse wird in die festesten Fclscnwände Bresche gelegt. Daher kommt es auch, dass die erodirende Wirkung der Wellen ihr höchstes Maass an der Unter- seite derselben besitzt, dort, wo das Gewicht der Woge und die unmittelbare

') Geikie, Textbook, pag. 428

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

Einwirkung der fortgeschobenen Gerolle sich mit der in der Geschwindigkeit des Ansturzes bedingten Kraft: vereinigen.

Die erodirende Wirkung der Meereswcllen äussert sich deshalb auch in der Bildung von Uferteirassen, deren Oberfläche in der Zone dieser stärksten Wirkung gelegen ist.

Wäre diese immer dieselbe, d. h. würden also die Meereswellen immer genau in derselben Niveaulinie verlaufen, so würde dann natürlich auch nur eine einzige Uferterrasse entstehen können.

Die Oscillationen aber, denen die Oberfläche der Meere unter den wechseln- den Anziehungen von Sonne und Mond unterworfen ist, die wir im Allgemeinen als die Gezeiten zu bezeichnen pflegen, ändern diese Verhältnisse um und ge- stalten sie weniger einfach. Nicht nur die gewöhnlichen Differenzen in der Fluth- höhe, wie sie durch tägliche Ebbe und Fluth bedingt werden, kommen hierbei in Betracht, sondern auch die durch die besonderen Stellungen der wirksamen Gestirne hervorgerufenen sog. Spring- und Nippfluthen.

Die Höhe der Gezeiten, hierunter die Differenz der täglichen Ebbe- und Fluthhöhe verstanden, ist bekanntlich eine sehr verschiedene an den verschiede- nen Küsten. Nur in den grossen Meeresbecken kommt die Erscheinung der Gezeiten überhaupt in voller Wirkung zu Stande und hier beträgt ihre Höhe bis zu 50 60 Fuss. In isolirten Meeresbeckcn, besonders solchen, die nicht einmal direkt mit einem grossen Ocean in Verbindung stehen, zeigen sich die Gezeiten nur in viel geringerem Maasse oder gar nicht; so beträgt ihre Höhe in der Ost- see nur wenige Zoll, in der Nordsee bei Helgoland 6 Fuss, im mittelländischen Meer bei Toulon und Neapel nur etwa r Fuss.

Hiernach gestaltet sich also auch die Bildung der Uferterrassen durch die Meereserosion sehr verschieden. Wo keine Ebbe und Fluth, oder nur eine solche von sehr geringer Amplitude eintritt, da bleibt es bei der Bildung einer einzigen Uferterrasse. Wo aber die Gezeiten sehr grosse Differenzen aufweisen, da ent- stehen auch mehrere Uferterrassen, nicht nur entsprechend dem gewöhnlichen hohen und tiefen Standpunkte des Meeres, sondern auch solche, welche den ge- nannten aussergewöhnlich hohen Fluthen und tiefen Ebben angehören. So können z. B. vier Uferterrassen über einander entstehen, die unterste entspricht der Stellung der Fluth zur Zeit der tiefsten Aequinoctial- Ebben, darüber folgt die der gewöhnlichen Ebben, dann die der gewöhnlichen Fluth und endlich zu oberst die der hohen Aequinoctial-Fluth. Ueber diesen endlich vermag sich noch der durch ganz aussergewöhnlich hohe Sturmfluthen aufgeschüttete Detritus abzu- lagern, so dass hiernach fünf verschiedene Fluthmarken in den Zerstörungen der Meereswellen längs der Küste sichtbar bleiben.

Dass unter der Einwirkung der durch die Gezeiten in verschiedene Höhen ge- legten Brandung der Meereswellen vor Allem Steilküsten zerstört und sehr viel wirksamer zerstört werden, als flache Küsten, das zeigt allenthalben die Erfahrung und scheint auch leicht einzusehen. Da werden dann die vielgestaltigen Formen der Zerstörung an den Küsten herausgelöst, wie ringsum an den norwegischen und den westlichen Küsten von Irland, jene Felsenthore, Riesenpfeiler, Säulen, Kamine u. dergl., die mit ihren phantastischen Gestalten den malerischen Zauber jener Küsten bedingen. Wie schnell die Zerstörung felsiger Steil-Küsten vorzu- schreiten vermag, das zeigt das Beispiel der Insel Helgoland. Der heutige Felsen, nur 600 Meter breit und 2000 Meter lang, ist nur noch ungefähr der 4. Theil der Grösse, welche die Insel vor dem 14. Jahrhundert hatte. Von 1793 bis 1848

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*

Das Meer und seine geologische Bedeutung. 411

berechnet sich das Maass der jährlichen Zerstörung fast auf einen Meter (0,90 m). Aber auch die gegenüberliegenden grösstentheils flachen Küsten von Friesland und Holstein haben grossartige Zerstörungen erlitten.

Die natürlichen Absonderungen in den Gesteinen und die dadurch bedingte Zerklüftung derselben erleichtern dem Meere die zerstörende Arbeit. Freilich bilden die am Fusse einer steilen Felsenküste mit der Zertrümmerung der- selben sich anhäufenden Trümmermassen häufig einen wirksamen Schutzwall, an dem sich zunächst die Kraft der andringenden Wogen bricht. Erst nachdem diese Trümmermassen selbst wieder zu Sand zerstückelt und zerrieben sind, greift das Meer aufs Neue die hinterliegende Küstenwand an.

Die abgerundete Form der Gerölle ist die Folge der gegenseitigen Abreibung der Gesteinsstücke, welche durch die Mcercswellen bewegt werden. Mehr und mehr werden natürlich hierbei aus grösseren Blöcken kleinere Gerölle gebildet, endlich Sand und der feinste, durch lange Suspension im Meereswasser auf grosse Entfernungen fortzutragende Schlamm.

Die Masse der Gerölle, die an gewissen Küsten producirt wird, ist sehr be- deutend. Das findet seine Erläuterung in den experimentellen Versuchen Daubr£eV) woraus sich ergiebt, dass schon nach einer Fortbewegung um 25 Kilometer in einem sich umdrehenden, mit Wasser und eckigen Bruchstücken gefüllten Cylinder diese vollkommen zu Gerollen abgerundet werden, dass also die Bildung der Gerölle auffallend schnell vor sich zu gehen vermag.

Sog. Riesentöpfe oder Strudcllöcher werden durch die drehende Bewegung grösserer Gerölle in die felsigen Uferterrassen eingebohrt.

Das Maass und die Art der Zerstörung einer Küste durch das Meer ist aber ausser von den Gezeiten auch von der Kraft und Richtung von Meeresströmungen, der Stärke und Richtung der herrschenden Winde und Orkane, der Beschaffen- heit der Gesteine und der Form der Küste abhängig.

Das südwestliche Irland mit seiner fjordartig ausgefransten Küste bietet für solche Vorgänge ein gutes Beispiel.2) Hier zeigt sich uns ein aus mehreren Faktoren combinirter Mechanismus der erosiven Thätigkeit. Die starke Strömung des Golfstromes trifft genau in einer nach NO. strebenden Richtung auf die Süd- westspitze von Irland. Daher dringt gerade in dieser Richtung die Meeresbrandung /erstörend ein. Sie findet hier zweierlei Gesteine, die widerstandsfähigen Sand- steine des Old red und leicht zerstörbare Kohlenkalksteine, in Mulden zwischen jenen liegend. Jeder Kalksteinzone entspricht darum eine tief nach NO. in das Land eindringende schmale Bucht; jeder Sandsteinzone eine hoch und lang vor- ragende, felsige Landzunge.

Hierzu kommt nun noch hinzu, dass die Niveauschwankungen des Meeres hier an den Küsten, die westirischc Küste hat eine beträchtliche Hebung in jüngster geologischer Zeit erlitten die Angriffspunkte unausgesetzt verschieben und so natürlich die Zone der Zerstörung ausdehnen und erbreitern. Das hat auch für alle andern Küsten Bedeutung. Die Zerstörungen werden sich ver- schieden gestalten, je nachdem eine Küste in auf- oder absteigender Bewegung begriffen ist Das Einsinken einer Küste wird der Zerstörung stets die günstigsten Bedingungen schaffen, gleichviel ob es eine flache oder eine Steilküste ist.

Nachdem schon vor vielen Jahren der englische Geologe Ramsay3) und

') G-'^V^c experimental. I. 248.

*) *t^fyix> Aus Irland, pag. 90.

*) HiysSl geology and geography of Great Britain 2. cd. London 1864. pag. 79. 140.

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Mineralogie, Geologie und Talaeontologic.

später auch Dana1) auf die ungeheure Bedeutung der fortschreitenden Brandung an einer einsinkenden Küste für die Oberflächengestaltung des Festlandes hinge- wiesen, hat neuerdings ganz besonders Richthofen5) die grossartigen Wirkungen der marinen Erosion eines Näheren erörtert und für die nivellirendc Thätigkeit derselben die Bezeichnung: Abrasion eingeführt

Während bei constantem Meeresniveau die Ausbildung von Strandlinien und Terrassen erfolgt, wie dieses im Vorhergehenden erörtert wurde und während bei aushebendem Lande die Küste parallel der ursprünglich vorhandenen Böschung abgetragen wird, ist die Wirkung der Brandung bei einsinkendem Lande im Stande, eine ausgedehnte, geneigte Terrasse zu bilden, welche grosse Areale umfassen und ganze Gebirge zu einer einzigen Fläche abhobeln kann. Eine solche nennt Richthofen: Abrasionsfläche. Beispiele dafür sind schon im Artikel aGebirgs- bildung«, pag. 549, I. angeführt.

Die Ausbildung einer vollkommen schematischen Abrasionsfläche wird freilich nur dann möglich sein, wenn die langsam und stetig einsinkende Küste aus gleichartigem homogenem Gestein besteht und wenn alle in Betracht kommenden dynamischen Faktoren in Wirkungsart und Intensität andauernd gleich bleiben.

Wo aber z. B. die Brandungswelle verschiedenartige Gesteine findet, da wird sie in den leichter zerstörbaren tiefer eindringen, sie schneller abschleifen, die härteren nur langsamer abhobeln. So bleiben die letzteren als aufragende Theile über der Abrasionsfläche stehen. Bilden die härteren Gesteine ganze Zonen, so kann ein aus diesen bestehender Gebirgszug über der Abrasionsfläche übrig bleiben. Wenn dann auch dieser nicht dem allgemeinen Boden gleich gemacht werden kann, so wird doch, wenn die Senkung fortschreitet, das Meer auch die oberen Theile dieser Inselgebirge hinwegfegen und so entstehen Rumpfgebirge, wie Richthofen die abgerundeten und abgeschliffenen Ruinen solcher Gebirge bezeichnet, die ehemals als hohe und lange zackige Ketten aufragten. Der Kwenlun in Centraiasien bietet nach ihm das grossartigste Beispiel eines solchen Rumpfgebirges.

Mit der über ganze Regionen sich erstreckenden Abrasion ist immer, wenn nicht das aus der Zerstörung hervorgehende Trümmermaterial nach grösseren Entfernungen fortgeführt wird, transgredirende Ablagerung verbunden d. h. über die durch Abrasion gebildete Fläche finden sich Sedimente abgelagert, welche sich aus den Trümmern, welche die fortschreitende Brandungswelle erzeugte, und unmittelbar derselben folgend, zusammfügten.

Die Veränderungen der Meeresküsten unter der combinirten Wirkung der Wellen und Winde, wie sie durch die Bildung der Dünen, andere, die durch das Entstehen von Deltas und der damit verwandten Nehrungen und Haffe her- vorgerufen werden, sind in den Artikeln: Atmosphäre I. pag. 75, Deltas I. pag. 201 und Continente I. pag. 172, schon erörtert worden und wird daher auf diese Stellen verwiesen. Mit der zerstörenden Wirkung des Meeres ist in diesen Fällen immer auch schon die zweite dynamische Thätigkeit desselben, die des Transportes und der Ablagerung vereinigt

2. Die durch das Meer hervorgerufenen geologischen Neubildungen sind eigentlich zweierlei Art, solche die durch chemische Processe, als Nieder- schläge entstehen und solche, die nur durch mechanische Anhäufung oder Sedimentirung geschaffen werden.

') Manual of geology 2 ed. pag. 673. 2) Richthofen, China. Bd. IL pag. 766.

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Das Meer und seine geologische Bedeutung. 413

Von der Abscheidung der im Meere im gelösten Zustande befindlichen Salze ist im Artikel: Chemische Processe I. pag. 133 schon die Rede gewesen.

Man kennt im Allgemeinen nur wenig von den chemischen Absätzen, wie sie auf dem heutigen Meeresboden vor sich gehen. Dass unter gewissen Be- dingungen kohlensaure Kalkerde zur Abscheidung kommt, wurde ebenfalls schon in dem angeführten Artikel pag. 131 erörtert. Die Bildung von Kalkstein auf diesem Wege scheint aber ausschliesslich auf die der Küste nahe liegenden Theile des Meeres beschränkt zu sein.

Merkwürdige, als chemische Abscheidungen zu deutende Bildungen auf dem Boden der grossen Oceane, also eigentliche Tiefseebildungen, hat die schon erwähnte Expedition des Challenger zu Tage gefördert. Es sind eigentümlich nieren- und mandelförmige Knollen von dichtem Mangansuperoxyd (Pyrolusit). Die Knollen besitzen eine concentrisch schalige Struktur und umschliessen in der Regel als Kern ein rundes Stückchen von Bimstein, Knochen oder andere fremde Körper1). Sie sind in weiter Verbreitung mit anderen Produkten der Tiefsee gefunden worden.

Ganz übereinstimmend mit ihnen sind die Körner und Knollen von Man- gansuperoxyd, welche in grosser Menge in den rothen Thonen der grössten Meerestiefen auch von Gümbel nachgewiesen worden sind3).

Ein anderes, noch merkwürdigeres Produkt, welches sich unter den vom Challenger gelotheten Tiefseeabsätzen findet, sind kleine rundliche Concre- tionen und Bündel von Kryställchen, welche nach den Untersuchungen von A. Renarü mit dem Mineral aus der Gruppe der Zeolithe, das man Phillipsit nennt, zu identificiren sein dürften. Diese Kryställchen sind sicher auf dem Seeboden gebildet, denn sie umhüllen oft Reste von Tiefseeorganismen3). Win- zige Kügelchen von gediegen Eisen und solche von einer den Chondren der Meteorite durchaus gleichenden Struktur, die ebenfalls mit dem Tiefseeschlamm heraufgebracht wurden, dürften kosmischer Herkunft sein.

Die Abscheidung von Kieselsäure auf dem Tiefseeboden erfolgt wesentlich durch Vermittlung von Organismen. In einzelnen Gebieten des westlichen und mittleren paeifischen Oceans war der Boden mit einer Schlammlage bedeckt, die fast ganz aus Radiolarien, untermischt mit kieseligen Schwammnadeln be- stand4).

Weitaus wichtiger als die chemischen Niederschläge des Meeres sind dessen mechanische Absätze.

Dieselben erfolgen entweder in der Nähe der Küste und sind als lito- rale, oder weit im Inneren der grossen Seebecken und sind als pelagische zu bezeichnen. Es ist ohne Weiteres einzusehen, dass der petrographische Cha- rakter einer Ablagerung von den Umständen abhängig sein muss, unter denen jene erfolgt, ein anderer demnach in der litoralen Zone, ein anderer in der Tiefsee. Die Unterscheidung beider Arten von Bildungen hat ganz besondere geologische Wichtigkeit, denn die sogen. Facies, welche in den einzelnen geo- logischen Formationen aufgestellt werden, sind nichts anderes als Schichtencom- plexe, welche nach ihren petrographischen und paläontologischen' Charakteren innerhalb einer Formation entweder als litorale oder als pelagische Bildungen

l) Geikie, Textbook, pag. 440.

«) Sittbcr. d. bayr. Akad. 1878. II. 189.

3) Geikie, 1. c. 441.

*) Ders. pag. 469. vergl. auch Artikel »Organismen« d. Bandes.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

sich gefolgt sind. Dass von der richtigen Erkenntnis derselben auch das richtige Verstiindniss der grossen Schwankungen und Verschiebungen zwischen Meer und Festland abhängt, wie sie im Verlaufe der Formationsreihe stattfanden, ist leicht einzusehen. Zu jener Krkcnntniss bieten aber natürlich die Erfahrungen über die heute sich vollziehenden Absätze in den litoralcn und Tiefseegebieten die Grundlage.

Wohl zuerst hat der auch als Geologe hochverdiente Entdecker des Sauer- stoffs Lavoisier auf die Unterschiede der litoralen, unter seichtem Meere voll- zogenen Ablagerungen und der pelagischen "oder Tiefseebildungen hingewiesen. Nach ihm haben Ai.ex. Brogniart und C. Prevost Theorien darüber aufge- stellt. Prevost legte die Erfahrung zu Grunde, dass das vom Festlande aus in das Meer geschobene Detritusmaterial daselbst unter dem Einflüsse der Wellenbewegung eine Sonderung nach der Grösse des Kornes erfährt. Zunächst dem Strande bleibt das grobe Gerolle, weiterhinaus der Sand und schliesslich der feine Schlamm liegen. Noch weiter hinaus, in noch grösseren Tiefen, wo- hin kein mechanisches Sediment mehr gelangen kann, bilden sich nach Prevost nur die auf chemischem Wege erzeugten Kalkniederschläge. Dies ist freilich nach den Resultaten der neueren Tiefseeforschung noch zweifelhaft. Die 3 ersten Zonen bezeichnete Prevost als fluviomarine oder litorale, die letztere dagegen als pelagische Ablagerung. In neuester Zeit hat Th. Fuchs die Frage wieder er- örtert i).

Unzweifelhaft ist es, dass die Merkmale einer eigentlichen Ticfseebildung von zweierlei Art sein müssen, einmal solche, die sich auf die petrographische Beschaffenheit des Sedimentes und solche, welche sich auf die gleichzeitig dann begrabene Fauna und Flora beziehen. Ebenso gilt dieses natürlich für die lito- ralen Ablagerungen.

Die Beantwortung der Frage, bei welcher Tiefe die Tiefseefauna anfange, ist ebenfalls von den Forschern noch nicht übereinstimmend gegeben.

Wohl mit Recht verlegt man die Grenze zwischen litoraler und pelagischer Zone an die Stelle, an der für die Lebensbedingungen der Thiere ein durch- greifender Unterschied sich geltend macht: Das ist die Grenze des Lichtes Diese liegt zwischen 40 und 50 Faden Tiefe nach den Berechnungen von Secchi und Pourtai.es. In der That gehört auch nach den Charakteren der Fauna die Grenze an diese Stelle.

Da das Verhalten des Meerwassers zum Lichte aber wohl zu allen Zeiten ein ähnliches war wie heute, so kann man auch für die früheren geologischen Epochen eine ähnliche bathymetrische Vertheilung der Organismen annehmen, wie man sie in den heutigen Meeren findet.

Wenn aber bei 100 Faden Tiefe die Fauna schon einen ausgesprochenen Tiefseecharakter hat, so kann man auch bei flachfallendem Meeresboden doch schon in einer Entfernung von | Meilen von der Küste 100 Faden Tiefe und damit Tiefseefauna haben, in 3,5 Meilen Entfernung schon 500 Faden Tiefe und damit den Höhepunkt in der Entwicklung der Tiefseefauna. Ablagerungen vor Sand und Gruss, welche noch deutlich den Einfluss der Küstengesteine auf ihre Beschaffenheit erkennen lassen und in diesem Sinne als litorale zu bezeichnen wären, kommen in viel grösseren Entfernungen und demnach auch Tiefen vor Um die vulkanischen Inseln des grossen Oceans ist der Meerboden mit einem

») N. Jahrb. f. Min. 1883. II. Beilag« Bd. Heft 3. pag. 4S7.

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Das Meer und seine geologische Bedeutung.

415

grauen Sand und Schlamm bedeckt, der die Bestandteile der vulkanischen Ge- steine noch erkennen lässt. Diese Absätze können noch auf grosse Entfernungen von den Küsten verfolgt werden; um Hawaii dehnen sie sich über 200 engl. Meilen aus. Hier umschliessen sie auch Tiefseeorganismen und es vermischen sich demnach die Charaktere litoraler und pelagischer Zonen.

Gerade Kalkablagerungen haben, wie schon vorhin angedeutet wurde, eine besondere Bedeutung als litorale Bildungen und können daher keinenfalls durch- weg ftir pelagisch gehalten werden. Jedenfalls ist die mineralogische und pa- läontologische Beschaffenheit der Sedimente eine sehr viel mannigfaltigere in den Tiefseeablagerungen, als man früher annahm, sie zeigen sogar grössere Ver- schiedenheiten als die Litoralbildungen.

Auch das Vorkommen von Landpflanzen ist kein sicherer Beweis für eine Litoral- oder Seichtwasserablagcrung. Pflanzenreste aller Art können in grösserer und geringerer Entfernung vom Ufer oft in beträchtlichen Mengen untersinken und kommen dann in die Tiefsecablagerungen hinein. Thatsächlich sind bei Tiefseelothungen Landpflanzen oft aus sehr grossen Tiefen mit heraufgebracht worden: im Golf von Mexico z. B. in Entfernungen von 10—15 Meilen von der Küste und aus 100 Faden Tiefe zahlreiche Blätter und Stammreste.

Das Vorkommen von Resten von Landpflanzen und ebensowenig von In- secten hindert also allein nicht, eine Ablagerung als Tiefseebildung anzusprechen.

Solche Sedimente, die vorzüglich oder wenigstens zum grossen Theile aus Globigerinen-, Radiolaricn- oder Diatomeen-Schlamm bestehen, eben solche mit Foraminifercn von sandig-kieseligen Schalen entsprechen durchaus auch den heutigen Tiefseeabsätzen. Auch wo diese Organismen sich in Kalksteinen mikro- skopisch nachweisen lassen, bieten sie eines der wichtigsten Mittel, um echt pelagisch-marine Kalksteine zu erkennen.

Die Tiefseeablagerungen bestehen meist aus homogenem, feinem zartge- schlämmtem Thone mit sehr regelmässiger, ebenflächiger Schichtung. Charakte- ristisch sind blaue oder grüne Schlammablagerungen, letztere durch Glaukonit gefärbt, in den grössten Tiefen die schon erwähnten ziegelrothen und braunen Thone, mit den Mangan- oder auch Feuersteinconcretionen. l)

Die wichtigsten Elemente der Tiefseefauna sind dann noch : Kieselschwämme, Korallen, besonders die Einzelkorallen, die besonders zarten und zierlichen Formen der Crinoiden, von den kalkschaaligen Brachiopoden nur ein Theil, kleine dünn- schalige, glatte Gasteropoden und Bivalven, die Cephalopoden grösstentheils, von den Crustaceen ausschliesslich zart gebaute, so die Eryonen, natürlich sehr viele Fische; Zähne von Haifischen kommen z. B. an vielen Stellen des Oceans in grossen Tiefen in unglaublicher Menge angehäuft vor; endlich auch Cetaceen. So hat z. B. ein einziger Zug des Schleppnetzes während der Fahrt des Challenger aus einer Tiefe von 4250 Meter, südlich der Marqucsas Inseln, ohne dass das Geräthe mehr als 3 oder 4 Centim. in den thonigen Meeresboden eindrang, mehr als 100 Zähne von Haien und 30 40 Gehörgänge von Cetaceen zu Tage gebracht.

Ein Umstand aber, der ganz besonders zu beachten ist, da sonst leicht ein- seitige und falsche Schlussfolgerungen auf eine Tiefseefauna gemacht werden können, ist der, dass das Meerwasser in grossen Tiefen ohne Zweifel eine auf- lösende Wirkung auf die Kalkschaalen der Thiere ausübt und dass diese Wirkung

l) Murray, Proceed. of the Royal Soc. XXIV, pag. 519.

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4i6 Mineralogie, Geologie und Pakcontologie.

1

mit zunehmender Tiefe steigt, so dass von einer gewissen Tiefe an (ca. 2500 Faden) in den Tiefseesedimenten überhaupt kein Kalkgehalt mehr gefunden wird.

Bekannt sind mancherlei Beobachtungen, welche dafür sprechen, dass d Anhäufung von organischen Resten mitunter am Strande, also in der Litoralzae eine grössere ist, als in der Tiefe. Schwärme von Fischen gehen in seichten Meeresbuchten zu Grunde und Gehäuse und Schaalen von Cephalopoden und anderen Meeresthieren werden thatsächlich an die Ufer getragen und dort in den Sedimenten begraben.

Und dennoch gibt es auch unzweideutige Strandbildungen, wie z. B. jene, welche die Spuren der Wellenschläge oder die Abdrücke der Füsse von Land- thieren enthalten, in denen jene Thierreste nur ganz spärlich sind.

Nicht die Anhäufung, sondern die Erhaltung organischer Reste ist daher die Hauptsache. Dafür sind aber in tieferem, ruhigem Wasser jedenfalls die Be- dingungen günstiger, als in der vielbewegten und darum zerstörenden Eitoralzone.

Ganz ausgedehnte Tiefseebildungen sind wichtige Glieder fast aller Forma- tionen, in ganz besonderer Verbreitung, mächtiger Entwicklung und recht charakte- ristischer Ausbildung treten sie innerhalb der tertiären Formation auf. Die weissen Foraminiferenmergel, die Tiefseekorallenkalke, die Bryozoenschichten mit Brachyopoden, die Radiolarienschiefer mit Fischen, wie sie in Süd-Italien und Nord-Afrika auftreten, sind hier zu nennen. Ebenso deutlich als Tiefseebildungen charakterisirt sind die ebenfalls in der Tertiärformation verschiedener Gebiete vorkommenden Pteropodcnmergel und Thone, die man als Pleurotomenthone bezeichnen kann. Ein typischer Vertreter dieser Art ist der sog. Tegel von Baden im Wiener Tertiärbecken.

Eine ganz ausserordentliche Rolle in dem Aufbau der meisten europäischen Kettengebirge spielt der sog. Flysch, der sowohl im Tertiär und in der Kreide als auch in der Juraformation erscheint. Ueberall zeigt er dieselbe petrographische Ausbildung: graue Mergelkalke, Mergelschiefer und gleichmässig feinkörnige Sandsteine setzen ihn in vielfacher Wiederholung zusammen. Die feingeschlämmte Beschaffenheit seines Materiales bei sehr ebenflächiger, dünnblättriger Schichtung und der durchweg pelagische Charakter seiner Versteinerungen lassen ihn eben- falls als Tiefseebildung ansprechen1).

Auch die weisse Kreide mit ihren Feuersteinknollen ist eine ganz typische Tiefseebildung.

Dagegen sind echte litorale Ablagerungen die Conglomerate oder grob- körnigen Sandsteine mit sehr wechselnder Grösse des Kornes, wie sie z. B. an der Basis der Steinkohlenformation im sog. Kulm, dem englischen Millstone grit, in ausserordentlicher Mächtigkeit erscheinen. Auch der Muschelkalk ist eine marine Seichtwasserbildung, während der bunte Sandstein eine Strandbildung und deshalb besonders reich an Resten von Landpflanzen ist. Die Fussspuren grosser Amphibien auf den Schichtflächen der Sandsteine sind eines der untrüg- lichsten Zeichen solcher Strandbildungen.

Wie schon bei gewissen Tiefseeablagerungen, welche in ziemlich weiten Zonen die Festlandsküsten und Inseln umziehen, der Einfluss der Gesteine der nächsten Küste auf ihre mineralogische Zusammensetzung unverkennbar ist, (pag. 414) so ist dieses natürlich in weit höherem Maasse bei den eigentlichen Litoral- und Strandbildungen der Fall. Der petrographische Charakter derselben lässt ihre Ableitung von den Gesteinen der Küste meist unmittelbar erkennen,

l) Fuchs, 1. c.

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Messen der Krystalle.

417

auch dann, wenn sie entfernteren Orten entstammen und durch besondere Meeres- strömungen an die Stelle ihrer Ablagerung gebracht wurden.

Dabei ist in Folge der durch die Arbeit der Wogen geleisteten Zerkleinerung und Aufbereitung eine allmähliche Anreicherung an solchen Mineralsubstanzen ganz natürlich, welche gegen mechanische Zertrümmerung durch ihre Härte, gegen chemische Aurlösung durch ihre Unlöslichkeit widerstandsfähig sind. Beide Eigenschaften besitzt in hohem Maasse der weitverbreitete Quarz; daher ist er auch der tiberwiegende Bestandteil der litoralen Trümmcrablagerungen. In manchen Sanden kommen ausserdem reichlich Granat, Zirkon, Korund, Magnet- eisen vor. Besonders an letzterem Bestandtheil sind manche Meeressande auf- fallend reich. Solche Magneteisensande finden sich z. B. an manchen Stellen der Ostseeküste. Auffallender ist der Gehalt an erdigem, dichtem Mangansuper- oxyd, wie ihn gewisse Sande an den Küsten von Holstein z. B. in der Nähe der Bucht von Eckernförde aufweisen.

An der Küste von Wisand, im Pas de Calais, beobachtet man in einiger Ausdehnung eine ziemlich bedeutende Anhäufung von Pyritknollen. Dieselben rühren aus der Zerstörung pyritführender Thone des Gault (Kreideformation) her.

An anderen Stellen der nordfranzösischen Küste, wo Kalksteine im Lande verbreitet sind, enthält auch der marine Sand oft bis zu 70$ kohlensaure Kalk- erde.1) Solche kalkrciche Mergel und Sande sind die an den Küsten der Bretagne bekannten litoralen Ablagerungen, der sog. Maerl und Traez.

Die Schichtung der litoralen Ablagerungen ist nur unterhalb der gewöhn- lichen Fluthhöhe regelmässig und parallel der Küstenböschung. Auf der Ober- fläche der feinen Sande bemerkt man oft die auch in älteren Gesteinen noch erhaltenen ripplemarks oder Wellenspuren, hervorgerufen durch die wellenförmigen Schwingungen, welche die Welle dem Sande mittheilt, über welchen sie hinläuft.

Literatur: Boguslawski, G. v., Handbuch der Ozeanographie 1. Bd. Räumliche, physik. und ehem. Beschaffenheit der Ozeane. Stuttgart 18S4 und ders. : Die Tiefsee. Berlin I879. Gkikie, A., Textbook of Geology. London 1882, pag. 32 und 418. Krümmel, O., Versuch einer vergleichenden Morphologie der Meeresräume 1879. Lapparrnt, A. de, Traite de Geo- logie. Paris 1883, pag. 150, 308, 341. Maury, B. F., The physical geography of the Sea. Ncw-York 1855. Pkschki.-Lkipoi.ut, Phys. Erdkunde. Leipzig 1879. !• Cap. XI und XII. Reclus, E., La Terre. Paris 1879.

Messen der Krystalle

von

Prof. Dr. Kenngott.

Aus Allem, was über die Krystallgestalten bezüglich des Zusammenhanges und der Abhängigkeit der Neigungswinkel der Flächen mit und von den Achsen angegeben wurde, ergiebt sich, dass diese Winkel so genau als möglich gemessen werden müssen. Auch die Messung der ebenen Winkel der Krystallflächen würde zur Bestimmung beitragen, ist aber mit solchen Schwierigkeiten verbunden, dass man gegenwärtig ganz davon absieht, weil keine sicheren Resultate erzielt werden können, selbst wenn die Krystalle so vollkommen ausgebildet wären, wie es die Theorie erfordert. Ks bleibt daher die Hauptaufgabe die Messung des Neigungs- winkels zweier Flächen.

') Dekkssk, Lithologie du fond des mers, pag. 200. Kenngott, Min., Geol. u. Pal. II.

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4i8

Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Die Grösse des Neigungswinkels zweier Flächen und zwar zunächst zweier Flächen, welche miteinander eine Kante bilden, wird durch zwei Linien be- stimmt, welche von einem Punkte der Kantenlinie aus senkrecht auf der Kanten- linie in den beiden Flächen (in jeder je eine) gezogen gedacht werden. Der Neigungswinkel dieser beiden Linien miteinander ist das Maass für die Grösse des Kantenwinkels. Wenn man daher beispielsweise ein Krystallmodell von Holz benützt, um das Verfahren zu zeigen, diesen Winkel zu bestimmen, auf welches Verfahren sich eine Art von Goniometern (Winkelmessern) gründet, so kann man von irgend einem Punkte der Kantenlinie aus in jeder Fläche eine gerade Linie senkrecht auf der Kantenlinie ziehen. Wenn man nun zwei durch einen Stift miteinander verbundene sich kreuzende Lineale nimmt (Fig. 100), das eine der Lineale mit einer schmalen Seite auf die eine dieser Linien legt, während

(Min. 225-226.)

dasselbe mit seiner Breitseite senkrecht auf der Krystall fläche steht, das Modell mit seiner zu messenden Kante bis an die Stelle schiebt, wo die beiden Seiten cd und cg der Lineale sich schneiden und dabei das zweite Lineal längs der Linie auf der zweiten Fläche wie das erste senkrecht mit seiner Breitseite auf die Modellfläche stellt, so haben beide Lineale dieselbe Lage zu einander, wie die beiden auf dem Modell gezogenen Linien. Der Winkel deg ist somit das Maass des Kantenwinkels. Entfernt man beide Lineale, ohne ihre Lage gegen- einander zu ändern und legt sie auf ein Blatt Papier, zieht den beiden Linien cd und cg entsprechend zwei Linien auf dem Papier, so lässt sich die Grösse des Winkels durch einen Transporteur messen.

AufdiesesVerfahren hin wurde zuerst von dem französischen Künstler Carangeot, welcher für Rome de l'Isle (dessen Cristallographie IV, pag. 25) Krystallmodelle anfertigte, ein Goniometer construirt, welches als sog. Anlege- (Contact- oder Hand-) Goniometer noch vielfach gebraucht wird. Der berühmte französische Krystallograph Rene Juste Hauv (dessen Tratte" de min. I, pag. 248) Hess es noch bequemer einrichten. Abgesehen von verschiedenen Modificationen, die man an dem in Metall ausgeführten Instrumente anbringen kann, beruht dasselbe, wie (Fig. 101) zeigt, darauf, dass zwei Lineale von Stahl df und gk mit ihren breiten Seiten aufeinanderliegend durch einen Stift c mit einander verbunden sind. Das eine der beiden Lineale gk ist mit einem graduirten messingenen Halb- kreise fest verbunden, dessen Mittelpunkt im Stifte c liegt, während das zweite Lineal df beweglich ist. Schiebt man nun einen Krystall mit der zu messenden Kante zwischen die beiden Enden cg und cd entsprechend der obigen Angabe für das Modell, so dass ein Punkt der Kantenlinie die beiden Lineale gegen

Fig. 100

Fig. 101.

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Messen der Krystalle.

419

den Stift c hin« berührt und beide Lineale mit ihren schmalen Seiten den beiden Senkrechten entsprechen, welche senkrecht auf die Kantenlinie gezogen gedacht das Maass des Kantenwinkels bestimmen, während die Breitseiten der beiden Lineale senkrecht auf den beiden Krystallflächen stehen, so zeigt das Ende c f des beweglichen Lineals auf dem graduirten Halbkreise das Maass des Kanten- winkels an.

Zu grösserer Bequemlichkeit bei der Handhabung des Instrumentes sind die beiden Lineale in ihren Breitseiten durchschnitten, wie aus den Buchstaben gh und ik des Lineals gk ersichtlich ist, damit man sie verschieben kann, um die Enden gc und de beliebig zu verkürzen, je nachdem es die Grösse des zu messenden Krystalls erfordert. Auch ist meist, um bei der Messung aufgewachsener Krystalle nicht durch das Ende s des graduirten Halbkreises gehindert zu sein, bei t (90 °) der graduirte Halbkreis durchschnitten und mit einem Scharnier ver- sehen, damit man die Hälfte st des Halbkreises zurückschlagen könne und nur die Enden der beiden Lineale, g und d frei herausstehen. Nach vorgenommener Messung bei stumpfen Winkeln schlägt man dann die Hälfte st vorsichtig wieder zurück, um die durch die Linealhälfte cf bestimmte Zahl ablesen zu können.

Der Halbkreis ist gewöhnlich in 180 ganze Grade getheilt, kann aber auch noch halbe Grade haben, was mit der Grösse zusammenhängt, da dieselbe immerhin, um das Instrument handlich zu machen, nicht der Graduirung wegen erhöht werden kann. Gewöhnlich sind sie so construirt, dass der Durchmesser des Halbkreises 9 12 Centimeter beträgt. Grössere sind für den Gebrauch unbequem. Man kann demnach die Grösse der gemessenen Winkel bis auf Viertelgrade bestimmen, daher diese nicht für die Berechnung der Achsen- verhältnisse verwenden. Für die Messung sind selbstverständlich nur Krystalle mit ebenen Flächen zu gebrauchen, doch können auch noch Krystalle mit ge- streiften oder rauhen Flächen gemessen werden, wenn die hervorragenden Theilchen durchgehend gleich hoch sind und durch ihre Summe die Lage der Ebenen bestimmen.

Trotz aller Hindernisse, welche das Anlegegoniometer einer genauen Be- stimmung der Neigungswinkel der Flächen, besonders durch steine nothwendige geringe Grösse entgegensetzt, ist es doch ein recht praktisches Instrument, wess- halb es auch vielfach benutzt wird, die Nothwendigkeit aber, Messungsresultate zu erhalten, welche zu Berechnungen verwendbar sind, führte zu der Erfindung von Goniometern, welche die Grösse der Winkel durch die Reflexion des Lichtes bestimmen lassen und desshalb Reflexions-Goniometer genannt werden. Ein solches wurde von Woi.laston (Philos. Transact. 1802, pag. 385 und 1809, pag. 253) erfunden, welches bei zweckmässiger Beschaffenheit der Krystalle und geschicktem Gebrauche ermöglichte, die Winkel viel genauer zu bestimmen. Mannigfache verbesserte Constructionen solcher Instrumente haben es sogar möglich gemacht, jetzt die Winkel bis auf Minuten, selbst noch genauer messen zu können.

Diese Goniometer, gegründet auf die Reflexion oder Spiegelung des Lichtes von den Krystallflächen und nach der gesteigerten Leistungsfähigkeit möglichst genaue Resultate ergebend, beruhen im Wesentlichen darauf, dass die ebenen glänzenden Krystallflächen wie Spiegel die Bilder von Gegenständen reflectiren.

Die Messung vermittelst eines Wollaston' sehen (Fig. 103) oder eines anderen Reflexionsgoniometers beruht nun, wie z. B. C. F. Naumann (dessen Lehrbuch der reinen und angewandten Krystallographie, Band II, pag. 360) oder N. v. Kok-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

scharow (dessen Vorlesungen über Mineralogie, pag. 311) ausführlich angaben, im Wesentlichen auf nachfolgenden Bedingungen:

(Mio. 227-228.)

Es sei MNR (Fig. 102) die Ebene, und C der Mittelpunkt eines in zweimal 1800 oder in 3600 eingetheilten, mit einem Nonius versehenen und um eine Achse drehbaren Kreises. Die zu messende Kante C (oder der zu messende Kanten- winkel DCE) werde von zwei ebenen und gut spiegelnden Flächen gebildet und der Krystall sei dergestalt entweder auf dem Kreise unmittelbar, oder auf einem an dessen verlängerter Achse angebrachten Krystallträger befestigt, dass die Kantenlinie mit der geometrischen Achse des Kreises zusammenfallt.

Diese letztere Bedingung lässt sich in zwei auflösen, dass die Kantenlinie

1. normal auf der Ebene des Kreises, oder justirt, und

2. centrisch in Bezug auf die Peripherie des Kreises, oder centrirt

sei. Sind beide Bedingungen erfüllt, so werden die Projectionen beider Flächen auf die Ebene des Kreises durch zwei Linien wie CD und CE dargestellt.

Von irgend einem in der erweiterten Ebene des Kreises befindlichen, aber sehr entfernten Objecte A sollen Lichtstrahlen auf die Krystallfläche CD fallen: der auf das äusserste Element dieser Fläche in C auffallende Strahl wird nach bekannten Gesetzen reflectirt und verschafft dem in O befindlichen Auge die Wahrnehmung des Spiegelbildes von A nach der Richtung CB. Man lasse nun das Auge in der Richtung des reflectirten Strahles und drehe den Kreis nach der Richtung MN, bis die zweite Krystallfläche CE genau in dieselbe Ebene kommt, in welcher die erste Fläche C D vorher sich befand. Sobald sie in dic^ Lage gekommen ist, wird die Reflexion des Strahles AC von ihrem äussersten Elemente in C offenbar eben so erfolgen, wie vorher von dem äussersten Ele- mente der ersten Fläche, d. h. das in O befindliche Auge wird wiederum da> Spiegelbild von A in der Richtung C B erblicken, und umgekehrt, sobald das in der Richtung des ersten reflectirten Strahles verharrende Auge auf dem, zu- nächst an der Kantenlinie anliegenden Elemente der zweiten Fläche das Bild des Objektes A erblickt, wird diese zweite Fläche genau in die vorherige Ebenen- Lage der ersten Fläche gelangt sein. Der hierzu erforderliche Drehungswinkel des Kreises wird nothwendig das Supplement des Neigungswinkels beider Flächen sein müssen.

er

Fig. 102.

Fig. 103.

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Messen der Krystalk.

421

Hat man nun vor dem Anfange der Operation einen der beiden Nullpunkte des graduirten Kreises bei Eintheilung in zweimal 1800, oder den Nullpunkt des Kreises bei Eintheilung in 3600 auf den Nullpunkt des Nonius eingestellt, so wird nach erfolgter Drehung der Nullpunkt des Nonius den Drehungswinkel an- zeigen.

Aus diesen Angaben ersieht man, dass die Winkel sehr genau gemessen werden können und dass die Construction solcher Instrumente die angedeutete Methode ausführbar macht. Die im verkleinerten Maassstabe gegebene Abbildung (Fig. 103) eines WoLLASTON'schen Reflexionsgoniometers in einfachster Form zeigt, dass die eben erwähnte kreisförmige Scheibe aa vermittelst der Handhabe v um ihre Achse gedreht werden kann und dass der links angebrachte Krystallträger gleichfalls gedreht wird. Die Achse ist eine doppelte und die innere, an welcher der Krystallträger befestigt ist, kann vermittelst der Handhabe s gedreht werden, ohne dass die Scheibe gedreht wird. Der Krystall wird auf dem Täfelchen c befestigt, welches zunächst an dem Stift p befestigt um denselben als Achse ver- mittelst der Handhabe u gedreht werden kann. Der halbkreis- förmige Bogen Ulf, durch dessen Ende bei p der Stift geht, ist bei d getheilt, damit man dem Theile ld verschiedene Stellungen geben könne. Hierdurch kann man den Krystall in der erforderlichen Weise einstellen und wenn dies geschehen ist, der Nullpunkt des Nonius q wie angegeben wurde mit dem Nullpunkt des gra- duirten Kreises zusammenfällt, so dreht man dann vermittelst der Handhabe v die Scheibe und den Krystallträger, um den Drehungswinkel zu messen. Die Scheibe oder vielmehr der ganze Apparat ist vermittelst der Füsse m und n auf der Fussplatte gh so befestigt, dass die Scheibe senkrecht auf der Fussplatte steht.

Von weiteren Angaben über die Einstellung des Krystalles, das Justiren und Centriren, sowie über die Fixirung der Richtung, das Spiegelbild in bestimmter Richtung zu sehen, absehend ist nur zu erwähnen, dass im Laufe der Zeit das an sich einfache Instrument auf die mannigfaltigste Weise verbessert worden ist. Diese Verbesserungen erstrecken sich wesentlich auf den Krystallträger, um die Kantenlinie mit der Drehungsachse zusammenfallend zu machen, während andere Vorrichtungen dazu dienen, die gleiche Stellung des Spiegelbildes auf beiden Flächen und die unveränderliche Stellung des Auges zu ermöglichen. Auch die Grösse der Instrumente ist verschieden, zumal durch die Grösse der kreisförmigen graduirten Scheibe die Eintheilung bedingt ist. Der Durchmesser der Scheibe wechselt daher etwa von 1 2 bis zu 20 Centim.

Wenn somit aus den beiderlei Messungsmethoden und den beiderlei Gonio- metern hervorgeht, dass man durch das Reflexionsgoniometer möglichst genaue Resultate erlangen kann, das Anlegegoniometer mehr zu oberflächlichen Be- stimmungen, zu vorläufiger Orientirung sehr zweckmässig ist, kann noch einer Methode gedacht werden, welche zuerst von W. Haidinger (Sitzungsberichte der math. naturw. Klasse der Wiener Akad. der Wissenschaften Band XIV, pag. 3 und Band XVII, pag. 187) ausgedacht wurde und kein Goniometer erfordert. Dies ist» die graphische Methode, welche auch Bestimmungen bis auf \ Grad wie das Anlegcgoniometer ermöglicht, dabei aber auch Krystalle messen lässt, welche für jenes Instrument zu klein sind, oder welche gestreifte oder rauhe Flächen haben, oder eine geringe Härte haben und durch jenes geschädigt werden. Sie ist überhaupt sehr einfach und dabei doch fruchtbringend und desshalb sehr zu empfehlen, wenn auch weniger deutlich in Worten allein zu schildern.

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Mineralogie, Geologie und l'alaeontologic.

Haidinger ging dabei von der Möglichkeit aus, zunächst die Winkel eines prismatischen Krystalles oder Modelles dadurch zu messen, dass wenn derselbe durch horizontale Basisflächen begrenzt ist, man ihn mit einer solchen Basis- fläche unmittelbar auf ein Blatt Papier stellt, dabei ihn der Sicherheit wegen mit etwas Wachs auf das Papier befestigt. Nähert man nun mit Vorsicht ein gleichseitig rechtwinklig vierseitiges stabförmiges Lineal einer Prismenseite und schiebt es bis an die Krystallfläche, wodurch es genau die Projectionslinie der Fläche auf dem Papier angiebt, und zieht mit einem Bleistift längs des Lineals eine Linie, so ist diese der Projectionslinie parallel. Auf diese Weise zieht man Linien parallel allen Projectionslinien aller prismatischen Flächen und kann nun vermittelst eines Transporteurs die Neigungswinkel der gezogenen Linien messen.

Da nun die wenigsten Krystalle sich eignen würden, sie so auf dem Papier zu befestigen, dass die Flächen der Zone, deren Winkel man bestimmen will, senkrecht gegen die Ebene des Papieres stehen, auch meist die Krystalle zu klein wären, um an sie ein Lineal anlegen zu können, so wird der Krystall an das eine Ende eines dünnen Wachsstengels befestigt und dieser selbst mit dem anderen Ende an eine Ecke einer oblong geschnittenen Platte von Spiegelglas. Hält man nun diese Platte, welche etwa 2 Centim. breit und 6 Centim. lang is, gegen ein Fenster, so dass die Platte mit ihrer Breitseite senkrecht gegen das Fenster gewendet ist und die langen Kanten parallel den vertikalen Fensterlinien gehen, so kann man den frei herausstehenden Krystall vermittelst des biegsamen Wachsstengels so stellen, dass die zu messende Kantenzone ihre Kantenlinier, parallel den horizontalen Fensterlinien zeigt.

Auf diesem Wege ist die bezügliche Zone senkrecht gegen die Breitseite der Glasplatte eingestellt und wenn man die Platte auf ein Blatt Papier legt, so steht die Zone senkrecht auf dem Papier und man kann nun mit dem Lineal den Projectionslinien der Flächen entsprechend Linien, wie oben angegeben wurde, ziehen. Damit sich die Glasplatte nicht verschiebe, drückt man sie mit ein wenig Wachs auf das Papier und das Lineal wird nicht bis an die Flächen genähert, sondern nur nahe zu, damit man von oben herabsehend noch einen schmalen Streif Papier zwischen Lineal und Krystallfläche sieht, wodurch min die parallele Lage des Lineals um so besser ersehen kann. Da der Krystall vermittelst des Wachsstengels über die Glasplatte hinaus über dem Papier schwebt, so kann man so ziemlich die Flächen der Zonen rundum ihrer Lage nach be- stimmen. Eine Wiederholung der so auszuführenden Messung ist nütztlich und nach Messung einer Zone bestimmt man eine zweite und so fort, und durch Uebung erlangt man befriedigende annähernde Resultate.

Eine andere graphische Methode schlug Casamajor (Amer. Journ. of Scienc. etc. 2. Serie, Band 24, pag. 251) und Mii.i.kr (Poggend. Ann. 107, pag 495) vor, wobei letzterer einen kleinen Apparat in Anwendung brachte, beide bei ihrer Methode die Reflexion des Lichtes benützen.

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Metalle.

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Metalle

von

Professor Dr. Kenngott.

Unter dem Namen Metalle werden als eine Mineralgruppe die metallisch aus- sehenden einfachen Stoffe und auch diejenigen begriffen, welche zwei oder mehrere metallische Elemente gleichzeitig enthalten, ohne chemische Verbindungen zu sein, worin die Elemente als isomorphe einander vertreten. Der Begriff Metalle, wie er von solchen elementaren Stoffen, wie Gold, Silber, Kupfer, Mercur, Eisen u. s. w. entlehnt wurde, so wie der daraus hervorgehende Ausdruck »metallisches Aussehen« der Minerale, welche metallische Farben und metallischen Glanz zeigen und dabei undurchsichtig sind, wird hier in der gewöhnlichen Bedeutung aufge- fasst. Allerdings werden die Elemente überhaupt auch vom chemischen Stand- punkte aus als metallische und nichtmetallische (als Metalle und Metalloide) unterschieden, aber nicht nach dem Aussehen allein, für die Unterscheidung aber der Minerale und für ihre Gruppirung erscheint es zweckmässiger, den gewöhn- lichen Begriff vorzuziehen und da ausser den Metallen noch viele Minerale metallisches Aussehen haben, wie die Kiese, Glänze und ein Theil der Erze, so wurden die letzteren drei als Verbindungen von jenen als den elementaren Stoffen getrennt, welche metallisches Aussehen haben. Sie sind fest, mit Ausnahme des tropfbaren Mercur, haben schwarze, graue bis weisse, auch gelbe und rothe Farben, gleichfarbigen, bisweilen dunkleren Strich, ihre Härte ist =0,0 7,0 das spec. Gew. = 2,1 23,0; sie sind Leiter der Wärme und der Elektricität, in Säuren löslich bis unlöslich, v. d. L. schmelzbar bis unschmelzbar, einige auch verdampfbar. Die wichtigsten Species sind folgende:

1. Der Graphit, die metallische Modifikation des Kohlenstoffes gegenüber dem Diamant als unmetallischem Kohlenstoff. Derselbe bildet selten deutliche sechsseitig tafelartige bis kurzprismatische Krystalle, welche in krystallinisch-körnigen Kalk eingewachsen sind, wie bei Ticonderoga in New- York und bei Ersby und Storgard unweit Pargas in Finnland und für hexagonal oder klinorhombisch ge- halten werden, vollkommen basisch spaltbar sind. Er findet sich auch lamellar, blättrig bis schuppig, selten stenglig-blättrig bis fast fasrig, meist schuppige bis fast dichte Aggregate bildend, die in krystallinischen Schiefern, wie Gneiss, Glimmerschiefer und Phyllit eingewachsen sind und bei grösserer Ausdehnung selbst Graphitschiefer bilden, wie die bedeutenden Graphitlager in Sibirien, z. B. Im Distrikte von Semipalatinsk, an der unteren Tunguska und im Tunginsker Gebirgszuge westlich von Irkutsk auf der Grube Mariinskoi zeigen. Er ist stahl- grau bis eisenschwarz, hat grauen Strich, H. = 0,5 1,5 und spec. Gew. = 2,1 2,26, ist seifenartig anzufühlen, abfärbend und schreibend, guter Leiter der Wärme und der Elektricität und wird durch Reiben negativ elektrisch. V. d. L. ist er unschmelzbar, verändert sich (bei Luftabschluss) nicht, selbst nicht bei den höchsten Temperaturen; verbrennt im Sauerstoffstrom erhitzt meist schwieriger als der Diamant zu Kohlensäure (Kohlendioxyd) unter Zurücklassung von 2 bis 3 Proc. Asche, Beimengungen, die auch sehr reichliche sein können. Mit Salpeter im Platinlöffel erhitzt zeigt er nur theilweise ein schwaches Verpuffen, ist in Säuren oder Alkalien unlöslich.

Er findet sich wie erwähnt in den ältesten krystallinischen Schiefern einge- wachsen, oft nur als Pigment erkenntlich, auch auf Lagern, Gängen, Adern und Nestern, nicht selten, und ausser den angegebenen Fundorten sind noch Borrow-

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

dale in England, Inverness in Schottland, Arendal in Norwegen, Tunaberg in Schweden, Marbella in Spanien, Hafnerzell und Griesbach unweit Passau in Bayern, Goldenstein in Mähren, Freiwaldau in österr. Schlesien, St. John in Neu-Braunschweig und Ceylon zu erwähnen. Die vorzüglichste Anwendung ist die zu Bleistiften, ausserdem benutzt man ihn zur Anfertigung von Schmelztiegeln und anderen feuerfesten Gefässen, als Anstrich auf Eisenwaaren, als Schmiere bei Maschinen (mit Fett oder Oel gemischt) und zu manchen anderen Zwecken.

2. Das Eisen, welches nach (der Art des Vorkommens als tellurisches und meteorisches unterschieden wird, als irdisches oder kosmisches. Das Vorkommen des ersteren ist vielfach bezweifelt worden, wenigstens ein sehr seltenes, wie z. B. bei Mühlhausen in Thüringen in Eisenkiesknollen in Keuper- kalkstein, Chotzen in Böhmen, knollige Concretionen im Pläner bildend, vom Ralangsee bei Katharincnholm in Smaland kleine Körner in einem durch Sumpf- erz versteinerten Baumstamme und vom St. Johns River in Liberia, mikroskopische Krystalle von Quarz und Magnetit umschliessend. Sehr häufig ist das meteorische Eisen, welches kosmischen Ursprunges in den sogenannten Meteorsteinen (siehe Artikel »Meteoriten«) eingewachsen oder für sich oder mit Olivin durchwachsen in mehr oder minder grossen Massen auf die Erde aus dem Weltenraume herab- gefallen als Findling an verschiedenen Orten vorkommt. Das Meteoreisen, welches selbständige kleinere oder grössere verschieden und unregelmässig ge- staltete Klumpen bis sehr grosse bis hunderte von Centnern wiegende Massen bildet, ist krystallinisch gross- bis^feinkörnig und zeigt als- tesseral krystallinische Species mehr oder minder deutliche hexaedrische Spaltbarkeit, selten in Höhlungen deutliche oktaedrische Krystalle, wie z. B. in dem 20 Centner schweren von Cosby Creek in Cooke County in Tennessee. Es ist bisweilen auch im Inneren zackig, löcherig oder porös und ist als zclliges oder poröses wesentlich mit Olivinkörnern durchwachsen, wie z. B. das 16 Centner schwere von Krasnojarsk in Sibirien. In den krystallinischen Massen ist meist Phosphornickeleisen (Schreibersit) eingewachsen, dieselben als eine graue bis silberweisse krystallinische Substanz in Gestalt von Blättchen bis Nadeln durchziehend, auch Pyrrhotin (Troilit ge- nannt), Graphit, Olivin, Magnetit, Pyrit u. a. selbst Blei, wie in den Höhlungen des Meteoreisen aus der Wüste von Tarapaca in Chile. Das in Meteorsteinen eingesprengte bildet meist kleine Körnchen bis Blättchen. Das Eisen ist stahl- grau bis eisenschwarz, geschmeidig bis dehnbar, hat H. ==4,5 und spec. Gew. 7»o— 7>8> so wechselnd in Folge der verschiedenen krystallinischen Ausbildung und der unwesentlichen Beimengungen. Das tellurische Eisen ist reines Eisen mit z. Th. geringen Beimengungen von Kohlenstoff, wahrend das meteorische fast immer nickelhaltiges Eisen ist, bis 20 Procent Nickel enthält; ist v. d. L. unschmelzbar, in Salz- oder Salpetersäure leicht auflöslich und in feuchter Luft rostend.

Die krystallinische Bildung des Meteorcisens lässt sich meist durch schwaches Aetzen polirter Schnittflächen vermittelst verdünnter Salpeter- oder Salzsäure er- kennen, wodurch eigenthümliche Zeichnungen entstehen, die sogen. Wipmaxs* sxETTEN'schen Figuren, Systeme sich unter verschiedenen Winkeln durchkreuzender Linien, welche als Kriterium des Meteoreisens angesehen werden, bisweilen auch nicht gesehen werden, in welchem Falle dann der Nickclgehalt den meteorischen Ursprung nachweist.

Von den verschiedenen Funden von Meteoreisenmassen, deren Zahl schon sehr bedeutend ist, sind ausser den oben angegebenen das von Ofivak an der Südseite

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der grönländischen Insel Disco hervorzuheben, wo 500, 200, 20 Centner schwere Massen und kleinere gefunden wurden, sowie noch beispielsweise die gegen 40 Centner schwere Masse von Chihuahun, 10 Meilen von Zapatan in Mexiko, die 30 Centner und minder schweren von Crambourne Western Port bei Mel- bourne in Victoria in Australien, das 30 Centner schwere Meteoreisen von Red- River in Louisiana, das über 170 Centner schwere vom Flusse Bendego in Bra- silien, das 300 Centner schwere von Olumba in der Provinz Tucuman in Peru, das 191 Pfund schwere von Einbogen in Böhmen, das 71 Pfund schwere von Hraschina in Croatien, die Meteoreisen von Braunau in Böhmen, von Seeläsgen in Brandenburg, von Lenarto in Ungarn und von Bohumilitz in Böhmen, von Breitenbach, Steinbach und Rittersgrün in Sachsen und aus der Wüste Atacama in Chile,

2. Das Platin, ein sehr wichtiges Metall, welches ganz besonders zu chemischen und physikalischen Zwecken als Gcfässe, Blech und Draht verwendet wird, fand sich zuerst in den Goldwäschereien des südlichen Amerika und wurde von den Spaniern »platinja* oder" platina, von plata, Silber als silberähnliches Metall benannt und fand sich später auch in den sibirischen Goldwäschen. Ks krystallisirt tesseral, doch findet es sich selten, kleine Hexaeder, sehr selten Okta- eder oder andere Gestalten bildend, gewöhnlich nur in kleinen, platten oder stumpfeckigen Körnern mit glatter, glänzender Oberfläche, selten sind grössere Körner und rundliche Klümpchen mit eckig körniger Bildung oder noch grössere Klumpen, die grössten vom Ural bis fast 10 Kilogramm Schwere. Es zeigt keine Spaltbarkeit, hat hakigen Bruch, ist stahlgrau ins Silberwcisse geneigt, geschmeidig und dehnbar, hat H. = 4,5— 5,0 und spec. Gew. = 17 19, während das reine Platin gehämmert das spec. Gew. = 21,4 hat.

Das niedere Gewicht des mineralischen Platin rührt wesentlich davon her, dass es nicht rein vorkommt, gewöhnlich noch andere Metalle enthält, wie Eisen, Iridium, Rhodium, Palladium, Osmium, Ruthenium und Kupfer. Der Eisengehalt beträgt meist 5 13 Procent, wodurch es auch etwas magnetisch wird und steigt bis zu 20 Procent an, wesshalb die eisenreicheren als Eisenplatin unterschieden wurden, welches bei spec. Gew. = 13,0 15,0 dunkler grau und stark magnetisch, selbst polarisch ist. Wegen der vielfachen fremden Metalle nannte Hausmann das mineralische Platin Polyxen.

Das Platin ist sehr zähe und geschmeidig und lässt sich in sehr dünnen Draht ausziehen und zu Blech walzen. In starker Hitze erweicht es ohne zu schmelzen und lässt sich dann leicht schweissen. Im Knallgasgcbläse schmilzt es (bei etwa 17700) und ist etwas flüchtig. In Königswasser ist es löslich. Es findet sich lose in Körnern, sehr selten mit Chromit verwachsen und mit Serpentin, wie bei Nischne-Tagilsk, woraus man schliesst, dass es ursprünglich in einem Chromit enthaltenden Serpentin eingewachsen gewesen sei, der selbst wieder als Umwandlungsprodukt von Olivinfels angesehen wird. Es findet sich in grosser Verbreitung im Diluvialsandc fast aller Thäler auf dem Ostabfalle des Ural oder auch auf dem Westabfalle. Aehnlich in Süd-Amerika, so in Brasilien, Neugranada, auf St. Domingo, auch in Californien, Oregon, Canada, auf Borneo und einigen anderen Orten, meist mit Gold.

Bei dem mehr oder minderen Gehalte anderer mit dem Platin legirter Metalle, wie Iridium, Palladium, Osmium, Rhodium und Ruthenium, welche als Platinmetallc bezeichnet werden und in zwei Gruppen zerfallen, leichte und schwere, von denen Iridium und Osmium ausser dem Platin die schweren, mit

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Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

spec. Gew. = 2 1— fast 24, Osmium, Ruthenium und Palladium die leichten sind, mit spec. Gew. um 12 herum, ist zu bemerken, dass diese Metalle nicht allein aus dem vorherrschend vorkommenden mineralischen (mehr oder weniger un- reinem) Platin gewonnen werden, sondern auch solche fllr sich oder mit ein- ander als Minerale vorkommen und mehrere Species bilden. So das Platin ent- haltende tesserale Iridium und Iridplatin oder Platiniridium, das hexn- gonale Osmiridium (Newjanskit) und Iridosmium (Sysserskit), das di- morphe (tesserale und hexagonale) Palladium. Aus dem Dimorphismus des letzteren und dem Platingehalt des Osmiridium kann man auch auf Dimorphismus der genannten Platinmetalle schliessen.

4. Das Gold, unstreitig dasjenige Metall, welches in den ältesten Zeiten von den Menschen zuerst aufgefunden und benützt wurde, zuerst als Schmuck, dann als Tauschmittel und welches bis zur Gegenwart mit grossem Eifer gesucht wird. Es krystallisirt tesseral, die in Drusenräumen, in Nestern und auf Gängen als auf- gewachsene vorkommenden Krystalle, welche das Oktaeder, Hexaeder oder Rhombendodekaeder und andere, wie 3O3, 00 O 2, 00 O 4 u. s. w. für sich oder in Combinationen zeigen, sind gewöhnlich klein bis sehr klein, eben bis rauh, meist undeutlich, häufig einseitig verkürzt oder gedehnt, unregelmässig verzerrt, dabei häufig homolog, zwillingsartig (nach O) oder unregelmässig verwachsen, dadurch gestrickte, moosartige, dendritische, draht- bis haarförmige Gestalten, Blattchen bis dünne Bleche, Ueberzüge und dergleichen bildend, sehr oft i>r das Gold eingesprengt und eingewachsen, sehr oft in Begleitung von Quarz und Pyrit oder in diesen, so auch in Brauneisenerz, welches aus letzterem durch Um- wandelung entstand. Sehr häufig findet es sich lose in Gestalt von unregel- mässigen, an der Oberfläche durch Friction abgeriebenen glatten Körnchen, Klümpchen bis selbst grösseren Klumpen, Blechen, Blättchen, sandartig bis zu sehr geringer Grösse (Goldsand, Goldstaub). Klumpen von 190, 210, 237 und 248 Pfund fanden sich bei Ballarat und im Districte Donally in Australien, einer von 161 Pfund in Californien, einer von 72 Pfund bei Miask am Ural.

Spaltbarkeit ist nicht wähl nehmbar, der Bruch hakig. Es ist goldgelb, bis messing- oder speisgelb, im Striche oder Schnitt unverändert, hat H. = 2,5—3,0, ist sehr dehnbar und geschmeidig und hat spec. Gew. von 15—19,4. Diese Verschiedenheit rührt davon her, dass es oft etwas porös ist, oder geringe Bei- mengungen enthält, am meisten aber wird das spec. Gew. durch Silbergehalt (der auch auf die Farbe Einfluss hat, die dadurch blässer wird) veränderlich, weil fast kein Gold ganz rein ist. Es enthält geringe bis grössere Mengen des Silbers, welches als isomorphes Metall vorhanden ist und bis zu 40 Procent ansteigend darin gefunden wurde. Man trennt auch bisweilen das silberreiche Gold mit 16 und mehr Procent Silber als Goldsilber oder Elektron, als eine Mittelspecies zwischen Gold und Silber. Auch finden sich sehr geringe Mengen von Kupfer und Eisen, von Palladium (im sogenannten Porpezit) Rhodium u. a.

Das Gold ist in Königswasser auflöslich und der Silbergehalt giebt sich durch Ausscheidung von Chlorsilber zu erkennen. V. d. L. ist es ziemlich leicht schmelz- bar, wobei reines Gold mit Phosphorsalz geschmolzen unverändert bleibt, die Perle klar und durchsichtig lässt, silberhaltiges Gold das Salz in der Reductions- flamme gelblich färbt und es undurchsichtig macht.

Von der vielfachen bekannten Benützung des Goldes absehend ist nur wegen des Vorkommens zu bemerken, dass es sich sehr oft auf ursprünglicher Lager- stätte auf Gängen, Lagern und eingesprengt in verschiedenen krystallinischen Ge-

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Metalle. 4^7

Steinsarten, schiefrigen wie in Gneiss und Glimmerschiefer, oder massigen älteren und jüngeren eruptiven, wie in Granit, Syenit, Grünsteinen, Porphyren und Trachyten findet, häufiger aber secundär in losen Ablagerungen (Goldseifen, Seifengebirgen) bis festen Conglomeraten und im Sande vieler Flüsse (als Waschgold) in Folge der Zerstörung der ursprünglich Gold enthaltenden Gesteine und Fortschwemmen der Gesteinstrümmer. In letzterer Weise wurde das Gold zuerst gefunden und wird auch jetzt noch das meiste Gold gewonnen. Die Menge des gewonnenen Goldes ist eine ungeheure, wenn man die ältesten Nachrichten darüber von der Bibel an und den ältesten Berichten in griechischen und anderen Schriften ins Auge fasst bis zu den Angaben, welche Mengen von Gold in der Gegenwart ge- wonnen werden. Um diese einigermaassen zu beurtheilen ist von Interesse, eine Zusammenstellung der Goldproduction (bei welcher das auf andere Weise als durch Waschen gewonnene Gold nur einen kleinen Theil ausmacht) anzuführen, welche Clarence Kino in seinem umfassenden Aufsatze » produetion of the precious metals« in dem second annual report of the united stntes geological survey, Washington 1882, pag» 400, gab. Hiernach beträgt die jährliche Produetion von Gold und Silber in den verschiedenen Ländern der Erde in Dollars an- gegeben :

Länder

Gold

Silber

Total

Dollars

Dollars

Dollars

Vereinigte Staaten1) . . .

33.379,663

41,HO,957

74,490,620

Mexiko

989, 161

25,167,763

26,156,924

Britisch Columbien2) . . .

910,804

910,804

Afrika3)

1,993,800

i,993,8oo

Argentinische Republik . .

78,546

420,225

498,771

4,000,000

1,000,000

5,000,000

Das übrige Süd-Amerika3) .

i,933,8o°

1,039,190

3,032,990

29,018,223

Oesterreich

1,062,031

2,002,727

3,064,758

205,361

6,938,073

7,143,434

166,270

166,270

Italien «)

72,375

17,949

90,324

26,584,000

415,676

26,999,676

i,994

62,435

64,429

Das übrige Europa . . .

2,078,380

2,078,380

466,548

916,400

1,382,048

Summe

100,756,306

81,336,045

182,092,351

5. Das Silber, auch tesseral und isomorph mit Gold, wie das sehr häufige Vorkommen von Silber mit Gold zeigt, findet sich auch krystallisirt in Gängen, Drusen und Nestern und die Krystalle sind meist klein mit denselben Gestalten wie bei jenem, undeutlich und unregelmässig verzerrt, verlängert oder verkürzt, auch zwillingsartig nach O verwachsen und mannigfach gruppirt, wodurch es in haar- bis drahtförmigen, zähnigen, moosartigen, dendritischen u. a. Gestalten und Gruppen, gestrickt, in Platten und Blechen, meist in grösseren Dimensionen als Gold, als Ueberzug bis Anflug vorkommt, ausserdem derb bis eingesprengt. Spaltbarkeit nicht wahrnehmbar, Bruch hakig. Silberwciss, ins Gelbliche, meist gelblich, röthlich, bräunlich, schwärzlich oder bunt angelaufen und schwächer

i) Census von 1880. *) Gegenwärtiger Kxport. 3) Nach Dr. Sokthkkr's Schätzung für das Jahr 1875. *) Geschätzt nach der Produetion in anderen Jahren.

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Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

glänzend, im Striche oder Schnitte silberweiss und stärker glänzend, hat H. = 2,5 bis 3,0, ist sehr geschmeidig, biegsam und dehnbar, hat spec. Gew. = 10,0— 11,0 (das reinste 10,52). Das mineralische Silber ist rein oder zeigt ausserdem ge- wöhnlich nur geringe Mengen anderer Metalle, wie Gold, Mercur oder Kupfer oder andere von Beimengungen herrührende, wie Eisen, Antimon, Arsen u. a. Im Anschluss an das Silberamalgam oder Mercursilber ist der Gehalt an Mercur bemerkenswert!!, wesshalb Silber mit bis 5$ Mercur als Kongsbergit von Kongs- berg in Norwegen und Silber mit bis 1 3,5 g Mercur von Arqueros bei Coquimbo in Chile als Arquerit unterschieden wurden, die jedoch nicht als eigene Species aufzufassen sind.

Das Silber ist in Salpetersäure auflöslich und wird aus der Lösung durch Zusatz von Salzsäure als Chlorsilber in Form eines weissen, voluminösen Niederschlages gefällt, welcher durch das Licht blaulich, dann braun bis schwarz wird. V. d. L. ist es ziemlich leicht schmelzbar. Ks findet sich meist auf Gängen in älteren Gesteinsarten, wie Granit, Gneiss, Glimmerschiefer, Amphibolschiefer, Felsitpor- phyr u. a. , seltener auf Lagern und eingewachsen, bisweilen in sehr grossen Massen und Mengen, aber nicht so verbreitet wie das Gold und fast gar nicht secundär wie jenes. Beispielsweise sind als Fundorte Kongsberg in Norwegen, wo im J. 1834 eine 7.J Centner schwere Masse gefunden wurde, 1866 ein Stück von 560 Pfund Schwere, Freiberg, Schneeberg (hier einmal eine Masse von 100 Centnern), Marienberg, Annaberg, Johanngeorgenstadt in Sachsen, Joachims- thal und Przibram in Böhmen, Andreasberg am Harz, Schemnitz in Ungarn, Kapnik und Felsöbanya in Siebenbürgen, Markirchen im Elsass, der Schlangen- berg in Sibirien, Peru, Mexico, Chile, Californien, am oberen See in Nord- Amerika. Der mannigfache Gebrauch ist hinreichend bekannt. Da viel Silber auch aus seinen Verbindungen dargestellt wird, so ist in Betreff der obigen Tabelle zu bemerken, dass die angegebenen producirten Mengen auch dieses enthalten.

6. Das Mercur oder Quecksilber, als troplbarflüssiges Metall ausgezeichnet, welches bei 400 fest wird und tesseral krystallisirt. Es findet sich in und mit Zinnober auf Gängen, in Klüften und Höhlungen, einzelne Tropfen bis grössere geflossene Mengen darstellend, ist zinnweiss und hat sp. Gew. 13,5 bis 13,6. Ist in Salpetersäure löslich, verdampft v. d. L. und hinterlässt bisweilen etwas Silber als Rückstand. Als Fundorte sind Idria in Krain, Almaden in Spanien, Mörsfeld und Moschellandsberg in Rheinbayern, Horzowitz in Böhmen, Sterzing in Tyrol, Clausthal am Harz, Peyrat im Dep. de la haute Vienne in Frankreich, Huancavelica in Peru, St. Jose5 in Californien beispielsweise zu nennen.

Zwischen Mercur und Silber ist als Species das Silberamalgam (schlicht- hin auch Amalgam genannt) unterschieden worden, welches als Mercursilber Ag, Hg wechselnde Mengen von Mercur und Silber enthält und tesseral krystal- lisirt, gewöhnlich als 00 O für sich oder in Combination mit anderen Ge- stalten vorkommt, meist unregelmässig gedehnt, abgerundet bis kugelig auch derb und eingesprengt, Platten, Trümer, Ueberzüge und Anflüge bildend. Ist in Spuren spaltbar parallel oü(), zeigt meist nur muschligen bis unebenen Bruch, ist silberweiss, wenig spröde, hat H. 3,0 3,5 und sp. Gew. = 13,7 14,1. Im Kolben erhitzt giebt es ein Sublimat von troplbarem Mercur und schwammiges Silber bleibt zurück; v. d. L. schmelzbar zum Silberkorn, indem das Mercur ver- dampft. In Salpetersäure ist es leicht löslich. Das seltene Mineral findet sich

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auf den Lagerstätten des Zinnober und Mercur, wie z. B. bei Szlana in Ungarn, Almaden in Spanien, Mörsfeld und Moschellandsbcrg in Rheinbayern und Cha- narcillo in Chile.

Noch seltener ist das in Columbien, Californien und in Victoria in Australien vorkommende Goldamalgam oder Mercurgold.

7. Das Kupfer, gleichfalls tesseral, in ähnlicher Weise wie Gold und Silber ausgebildet, nur z. Tb. in noch grösseren Dimensionsverhältnissen als das letztere, zeigt krystallisirt die Gestalten 0,00000,000,0002 für sich oder in Combina- tionen, bei diesen auch noch andere und die Krystalle sind meist unregelmässig verzerrt und verzogen, einzelne aufgewachsen oder miteinander verwachsen, auch zwillingsartig nach O; oft ist das Kupfer haar-, draht- und moosförmig, dendri- tisch, ästig, zackig, bildet aus verwachsenen Krystallen bestehende Bleche und Platten, Ueberzüge und Anflüge, kommt oft derb bis eingesprengt vor, selten in losen Körnern und Klumpen. Spaltungsflächen sind nicht wahrnehmbar, der Bruch ist hakig. Es ist kupferroth, oft gelb, braun, bunt oder schwarz ange- laufen, dadurch den Glanz verlierend, im Schnitte aber roth und glänzend. Es ist geschmeidig und dehnbar, hat H. = 2,5 3,0 und sp. Gew. = 8,5 8,9. Be- merkenswerth ist es, dass das Kupfer in der Regel ganz rein vorkommt, nicht mit Vertretung durch Silber, mit dem es beim Gebrauche, sowie mit Gold die mannigfachsten Legirungen bildet, dagegen wie am oberen See reines Silber eingewachsen enthält. Es ist v. d. L. ziemlich leicht schmelzbar, in Salpetersäure auflöslich, auch in Ammoniak bei Zutritt von Luft.

Das Kupfer, dessen vielseitiger Gebrauch bekannt ist, wurde gewiss nächst Gold den Menschen am ehesten bekannt und vielfach in den ältesten Zeiten zu Geräthen, Werkzeugen und Waffen benützt. Die berühmten Kupferminen bei Wadi Megara auf der Sinaihalbinsel wurden bereits unter der 4. ägyptischen Dy- nastie, unter Cheops-Chufu, 3000 J. v. Chr. bebaut. In der Bibel werden schon kupferne Gefässe erwähnt, die auf drittehalbtausend Jahre v. Chr. zurückweisen. Es ist sehr verbreitet und findet sich auf Gängen und Lagern und eingewachsen, wie in Granit, Syenit, Serpentin, aphanitischen Mandelstein, in krystallinischen Schiefern u. a. m., zuweilen in losen Blöcken und Geschieben. Zu erwähnen sind für schöne krystallisirte Vorkommnisse Cornwall in England, Rheinbreiten- bach ani Rhein, Saska und Moldawa im Banat, Fahlun in Schweden, Bogoslawsk am Ural, Wallaroo in Australien. In grosser Menge findet es sich in Cornwall, am Ural, in Mexiko, Peru und Chile, auf Cuba, bei Cochoeira in Bahia in Bra- silien wurde ein Rollstück von 26 Centner Schwere gefunden, unerschöpflich ist der Rcichthum in Nord-Amerika, zumal am oberen See, wo grosse Massen bis zu 20000 Centner Schwere gefunden werden. Auch Japan, China und Neu- Holland liefern sehr viel Kupfer.

8. DasWismuth, hexagonal rhomboedrisch, selten deutlich krystallisirt, die Grundgestalt R, ein dem Hexaeder nahestehendes Rhomboeder mit 87 ' 40' End- kantenwinkel combinirt mit den Basisflächen, auch das spitzere Rhomboeder 2R' (69 0 28') für sich zeigend; meist sind die Krystalle unregelmässig ausge- bildet, verzerrt und durch Gruppirung undeutlich, die Gruppen dendritisch, ge- strickt, auch finden sich Lamellen und Bleche. Ausserdem ist es derb mit krystallinisch-körniger Absonderung bis eingesprengt. Es ist vollkommen spalt- bar parallel oR und 2R', wesshalb die Spaltungsstücke an Oktaeder erinnern und das Metall früher für tesseral gehalten wurde. Es ist röthlich silberweiss, oft gelb, rothbraun bis bunt angelaufen, im Striche unverändert, sehr milde aber

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43° Mineralogie, Geologie und l'alacontologic.

nicht dehnbar, hat H. = 2,5 und spec. Gew. = 9,6 9,8. Es ist reines Wismuth, enthält auch etwas Arsen. In Salpetersäure ist es löslich, die Lösung giebt bei Zusatz von viel Wasser einen weissen Niederschlag. V. d. L. ist es sehr leicht schmelzbar, verflüchtigt sich auf der Kohle geschmolzen und setzt auf dieser einen citronengelben Beschlag von Wismuthoxyd ab.

Es findet sich auf Gängen in Granit, Gneiss, Glimmerschiefer, Thonschiefet u. a. vorzüglich mit kobalt- und nickelhaltigen Kiesen, wie zu Schneeberg, Anna- berg, Marienberg in Sachsen, Joachimsthal in Böhmen, Wittichen in Baden, Bie- ber in Hessen, Lölling in Kärnthen, in Cornwall und Devonshire in England, Hasserode am Harz, Modum in Norwegen, in Dalekarlien in Schweden, am Sorata und Illampu in Bolivia und wird zu leichtflüssigen Metalllcgirungen ver- wendet.

9. Das Antimon (Spiess glänz, Spi essglas) krystallisirt auch hexagonal rhomboedrisch , isomorph mit Wismuth und zeigt als Grundgest.nlt das Rhom- boeder R mit dem Endkantenwinkel =87° 7', in Combination mit oR und jR, ist seilen deutlich krystallisirt, oft Zwillinge nach ^ R', auch Vierlinge und Sechs- linge. Gewöhnlich findet es sich derb bis eingesprengt, krystallinisch-körnig," bildet oft krummflächige, kugelige, traubige und nierenförmige Gestalten. Es zeigt vollkommene Spaltbarkeit parallel den Basisflächen, deutliche parallel dem stumpfen Rhomboeder .}R' (n6°33'), unvollkommene parallel dem spitzen Rhom- boeder 2R' (690 12.]'), ist zinnweiss, stark glänzend, bisweilen gelblich oder grau- lich angelaufen, wenig spröde, leicht zersprengbar, hat H. = 3,0 3,5 und spec. Gew. = 6,6— 6,8. Ausser etwaigen geringen Beimengungen enthält es bisweilen stellvertretend etwas Arsen, dessen zunehmende Menge zur Aufstellung einer Mittelspecies zwischen Antimon und Arsen, des Allemontit führte. Es ist v. d. L. sehr leicht schmelzbar, auf Kohle sich verflüchtigend und mit schwacher Flamme verbrennbar, einen weissen Beschlag von Antimonoxyd absetzend; im Glasrohre erhitzt verdampft es und giebt ein weisses Sublimat. In Königswasser wird es gelöst und die Lösung wird durch Zusatz von Wasser getrübt; in Salpeter- säure wird es in ein Gemenge von salpetcrsaurem Antimonoxyd und antimoniger Säure (antimonsaurem Antimonoxyd) umgewandelt.

Das Antimon ist nicht häufig, findet sich auf Gängen, wie z. B. bei Sala in Schweden, Allemont im Dauphine in Frankreich, Andreasberg am Harz, Przi- bram in Böhmen, in Mexico und besonders reich auf Borneo. Es wird zu Metall- legirungen benützt.

10. Das Arsen (Arsenik), isomorph mit Antimon findet sich sehr selten in deutlichen Krystallen, welche ausser der Grundgestalt R mit dem Endkanten winkcl = 850 4', oR und J R' (1 13° 31') zeigen, bildet meist krummflächige traubige. nierenförmige und kuglige Gestalten mit krystallinisch feinkörniger, stengliger, auch schaliger Absonderung, bis fast dicht, auch derb bis eingesprengt. Es ist vollkommen basisch spaltbar, unvollkommen nach ^R', der Bruch ist uneben. Es ist licht bleigrau oder zinnweiss, doch nur, wenn es frisch angeschlagen wird, weil es an der Luft rasch grau bis schwarz anläuft, sich mit Sauerstoff iu schwarzem Suboxyd verbindend. Es ist spröde, hat H. = 3,5 und spec. Gew. = 5,7 5,8. Ausser zufälligen Beimengungen enthält es oft etwas stellvertreten- des Antimon, verflüchtigt sich v. d. L. ohne zu schmelzen mit einem eigentüm- lichen knoblauchartigen Gerüche und giebt auf der Kohle einen weissen Beschlag von arseniger Säure. Im Kolben sublimirt es metallisch. In Salpetersäure oxy- dirt es zu arseniger Säure.

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Der Metnmorphismus der Gesteine. 43 1

Es findet sich häufiger als Antimon auf Erzgängen wie bei Andreasberg am Harz, Przibram und Joachimsthal in Böhmen, Freiberg, Marienberg, Annaberg in Sachsen, Allemont im Dauphin^, Kongsberg in Norwegen, Wittichen in Baden u. a. O. und wird zu verschiedenen technischen Zwecken verwendet.

Der Metamorph ism us der Gesteine

von

Prof. Dr. A. v. Lasaulx.

Unter dem Namen »Metamorphismus der Gesteine« in der eigent- lichen und weitesten Bedeutung dieses Wortes wären alle Veränderungen zu begreifen, die ein Gestein nach seiner ersten, ursprünglichen Bildung erlitten hat, gleichviel welcher Art diese letztere gewesen ist, ob sie durch Sedimentirung oder krystallinische Ausscheidung aus dem Wasser, oder durch Erstarrung aus dem Schmelzflusse erfolgte.

Dass in diesem Sinne fast alle Gesteine als in gewissem Grade metamor- phosirt zu bezeichnen wären, lehrt die sorgsame Betrachtung auch solcher Ge- steine, die äusserlich noch einen durchaus frischen Eindruck machen. Auch in ihnen erkennt man, besonders mit Hilfe der mikroskopischen Durchforschung fast immer schon die ersten Anfänge oder auch die fortgeschrittenen Stadien der Umwandlung ihrer mineralischen Gemengtheile. Naumann fasste die metamor- phischen Vorgänge in diesem weitesten Sinne unter Allöosologie der Gesteine zusammen1) und in der That erscheint es mit Rücksicht auf die besondere und beschränktere Bedeutung des Wortes Metamorphismus in der Geologie, die wir im Folgenden eines Näheren zu erörtern haben, wohl erwünscht, für die Gesteins- umwandlungen ganz allgemeiner Art eine besondere Bezeichnung zu wählen.

Da alle Umänderungen sich auch als die Erscheinungen einer mit einfacher oder complicirter Verwitterung zusammenhängenden Umsetzung der mineralo- gischen und chemischen Bestandteile charaktetisiren, so würde auch das Wort »Metastase* für die Bezeichnung dieses weitesten Begriffes angewandt werden können.

Verstehen wir unter einfacher Verwitterung alle Vorgänge, welche nur durch die Einwirkung von Wasser, Sauerstoff und Kohlensäure d. i. also der Atmosphärilien, in untergeordnetem Maasse auch organischer Stoffe, auf die Gesteine hervorgerufen werden, dagegen unter complicirter Verwitterung alle solche Veränderungen, welche durch mineralische Lösungen und durch die Wechselwirkung mehrerer gleichzeitig in einem Gesteine vorhandenen Mine- rale hervorgebracht werden, so umfassen diese beiden Arten der Umwandlung sowohl Zersetzungen nur zerstörender Art, als auch Umbildungen, die mit der Entstehung neuer Mineralkörper verknüpft sind.

Alle in dem Artikel »Chemische Processe in der Geologie« Bd. I. pag. 13g, aufgeführten Umwandlungen der Gesteine gehören hierhin. In diesen erweiterten Bereich der Metamorphose gehören dann z. B. die Vorgänge der Umwandlung der Anhydritgesteine in Gyps, der Kalksteine in Dolomit, die Verfestigung loser Sande durch ein sich bildendes Bindemittel zu Sandsteinen, die allmähliche Um- änderung der an flüchtigen Bestandteilen reichen Braunkohlen zu kohlenstoff-

') Naumann, Geognosic. Bd. I. pag. 716.

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432 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

reichen Steinkohlen, die Serpentinisirung der Olivingesteine und der Gabbros, die Bildung der Carbonate der Kalkerde und der Magnesia aus denselben Gesteinen, die Kaolinisirung der granitischen Gesteine und dergl. mehr.

Bei allen diesen Vorgängen einer oft den ganzen Gesteinskörper erfassenden und umändernden Metastase seiner Bestandtheile ist doch in der Regel die Natur und Beschaffenheit des ursprünglichen Gesteines noch zu erkennen, sei es, dass verschiedene Stadien der Umwandlung Uebergänge zu noch wenig ver- änderter Gesteinsmasse gewähren, oder aber, dass doch die charakteristische, in der Genesis bedingte Struktur des ursprünglichen Gesteines noch kenntlich bleibt. Daher charakterisiren sich diese Umwandlungen in der Regel ohne Weiteres als solche, selbst dann, wenn die Einzelheiten im Verlaufe der chemischen und mineralogischen Umlagerung nicht ganz einfach und klar zu deuten scheinen. Man wird trotz solcher Umwandlungen nicht in die Lage kommen, dem Gesteine eine andere Entstehung zuzuschreiben, als sie den noch erkennbaren oder wenigstens herleitbaren Charakteren der mineralogischen Zusammensetzung und der Struktur des ursprünglichen Gesteines entspricht. Ob ein Anhydrit in Gyps umgewandelt erscheint, das ändert nichts an den genetisch bedeutsamen Charakteren des Gesteins; man wird darum nicht zweifelhaft werden, dass es aus einer Lösung sich abgeschieden hat und ob ein Olivingestein ganz oder grössten- theils serpentinisirt ist, vermag seine eruptive Entstehung nicht zu verwischen.

Damit kommen wir dann auf das wesentlichste Moment des »Metamorphis- mus«, wie er in der Geologie jetzt ziemlich übereinstimmend in ganz besonderer Beschränkung seines Begriffes verstanden wird.

Man versteht unter Metam orphismus in diesem besonderen Sinne alle solche Umwandlungen von Gesteinen, die dieselben nach ihrer ersten Entstehung erlitten, welche die mineralogische Constitu- tion und vornehmlich die Struktur derselben so verändert haben, dass sie dadurch die Charaktere wesentlich anders entstandener Ge- steine erhalten. So würde also z. B. ein Sediment als metamorphosirt zu be- zeichnen sein, wenn es durch solche Umwandlungsproccs.se die Beschaffenheit und das Aussehen eines krystallinischen, aus der Lösung ausgeschiedenen oder aus dem Schmelzflusse erstarrten Gesteines anzunehmen vermochte, ein Eruptiv- gestein hingegen, wenn es wesentliche Charaktere geschichteter, sedimentärer Ge- steine sich angeeignet hat.

Von solchen Gesteinen, deren mineralogische Beschaffenheit und Struktur nicht recht in Einklang zu bringen schien mit ihrem Vorkommen, ihren Lagcrungs- verhältnissen, kurz den Bedingungen, aus denen ihre Genesis hergeleitet werden musste, ist der Begriff des eigentlichen Metamorphismus ausgegangen1). Daher passte auf die meisten metamorphischen Gesteine auch die Bezeichnung kryp- togen; d. h. es waren eben solche Gesteine, deren Entstehung desshalb dunkel blieb, weil die ursprünglichen Charaktere mehr oder weniger durch Veränderungen umgestaltet waren, deren Ursache und deren Verlauf man nicht kannte, oder nicht verstand.

Auf solche Gesteine muss also auch der Begriff des besonderen Metanior- phismus beschränkt bleiben. Alle Veränderungen, die einem Gesteine nicht wesentlich andere genetische Charaktere verleihen, gehören nicht eigentlich zu den metamorphischen.

') Für die Geschichte der Lehre des Metamorphismus ist besonders auf das im Literatur- verzeichniss am Schlüsse des Artikels angeführte Werk Roth's zu verweisen.

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t>er Metamorphismus der Gesteine.

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Andererseits können natürlich nur solche Gesteine als metamorphische be- zeichnet werden, bei denen sich wirklich Umwandlungen erweisen lassen, sei es, dass sie durch Ucbergänge mit unveränderten Gesteinen zusammenhängen, oder dass ihre innere und äussere Veränderung thatsächlich zu erkennen ist, oder endlich, dass sie mit Gesteinen übereinstimmen, deren Umwandlung als hinläng- lich begründet gelten kann.

Die Verschiedenartigkeit der Entstehung findet bei den Gesteinen ihren schärfsten Ausdruck in der Beschaffenheit, die man als krystallinisch-massig einer- seits, als klastisch-schiefrig andererseits bezeichnen kann. Die Metamorphose kann daher auch wohl als die typischste bezeichnet werden, welche diese Struktur- charaktere für die Gesteine gewissermaassen austauscht.

Für ursprüngliche Sedimente mit geschichteter, schiefriger und klastischer Struktur bedeutet das Krystalli nischwerden, für ursprüngliche krystalline und in massiger Erstarrung festgewordene Gesteine das Schi efrig werden die Meta- morphose. Für ein Gestein der letzteren Art tritt mit der Schieferung oft auch eine Art von Schichtung ein, dagegen gehen für ursprünglich sedimentäre, dünn- plattig geschichtete und geschieferte Gesteine diese wichtigen, in der Genesis be- dingten Charaktere mit dem Krystallinischwerden mehr oder weniger verloren. Hieraus lässt sich schon erkennen, dass sich also in den metamorphosirten Ge- steinen beiderlei Charaktere vereinigt finden müssen, mag ein Sediment oder ein krystallinisches Erstarrungsgestein das ursprüngliche gewesen sein: mehr oder weniger krystalline Entwicklung mit mehr oder weniger ausgeprägter Schicferung bleibt in beiden Fällen erhalten.

Daher sind die krystallinischen Schiefer von allen Forschern immer als die hauptsächlichsten Träger der metamorphischen Erscheinungen angesehen worden und jede Erörterung der Ursachen und der Entwicklung der Meta- morphose muss von der Untersuchung des Verhaltens der krystallinischen Schiefer ausgehen.

Bezüglich der petrographischen Beschreibung und der Eintheilung der kry- stallinischen Schiefer muss auf den Artikel »Gesteine«, Bd. IL, pag. 52 dieses Handwörterbuches, verwiesen werden.

Betrachtet man das Auftreten der krystallinischen Schiefer in den Gebirgen, so lässt sich sehr bald erkennen, dass dieselben mit ganz ähnlicher, wenn auch nicht vollkommen gleicher mineralogischer Entwicklung in zwei wesentlich ver- schiedenen Arten des Verbandes mit anderen Gesteinen zu erscheinen pflegen.

In dem einen Falle bilden sie mehr oder weniger breite Zonen, welche sich zwischen sedimentäre Schichtencomplexe und eruptive, krystallinische Silicatge- gesteine, die letzteren fast regelmässig und allseitig umsäumend, einschieben. Sie haben dann in der Regel nur eine lokale, nicht sehr ausgedehnte Verbreitung und sind durch allmähliche Uebergänge mit den sedimentären Schichten ver- bunden, so dass die nicht metamorphosirten und die in verschiedenem Grade umgewandelten Gesteine in regelmässiger Folge nebeneinander liegen. Dieser Umstand, sowie der fernere, dass sie manchmal die für Sedimente charakteristi- schen Versteinerungen enthalten, lässt es ziemlich unzweifelhaft erscheinen, dass sie aus diesen letzteren durch Umwandlung hervorgegangen sind. Da die Zone der Umwandlungen in diesen Fällen immer an die Contact stellen der krystallini- schen Silicatgesteine und der sedimentären Gesteine gebunden ist, so nennt man diese Art des Metamorphismus, Contactmetamorphismus oder auch, von dei meist geringen räumlichen Ausdehnung, lokalen Metamorphismus.

Kbmmcott, Min., Geol. u. Pal. 11. 28

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Im anderen Falle setzen die kristallinischen Schiefer ganze weite Regionen zusammen, ohne in ihrem Auftreten an krystallinisch-massige oder Eruptiv- gesteine sichtbarlich geknüpft zu sein. Auch in diesem Falle ist ihre Umwandlung zu erkennen, aber nur in seltenen Fällen ihre Herleitung aus eruptiven oder sedimentären Schichten unzweifelhaft sicher. Das ist z. B. da der Fall, wo trotz einer ausgesprochen krystallinen Ausbildung in ihnen Versteinerungen gefunden werden, die sie als ursprünglich zu sedimentären Formationen gehörig erkennen lassen. Dieser Metamorphismus wird wegen seiner Erstreckung über ganze Gebiete: regionaler Metamorphismus genannt.

Beide Arten des Metamorphismus sind wesentlich verschieden und müssen daher gesondert behandelt werden.

Contactmetamorphismus.

Die einfachsten und deutlichsten Beispiele einer Einwirkung auf die Neben- gesteine bieten sich an jungen Eruptivgesteinen, obschon die in jenen durch diese hervorgerufenen Veränderungen meist nicht den Charakter einer eigentlichen Metamorphose annehmen und z. Th. nur sehr unbedeutende sind. So werden auf der Insel Arran und an den Ufern des Clyde im gegenüberliegenden Schott- land die dort aufsetzenden Basaltgänge von einer Zone beiderseitig begleitet, in welcher die Gesteine, die sie durchbrechen, eine auffallend andere Farbe zeigen, ohne dass sonst wesentliche mineralische Aenderungen zu erkennen sind. Der rothe Sandstein erscheint auf Arran beiderseitig neben dem Basalte gebleicht und seines färbenden Eisenoxydes beraubt, während im Gegentheile an dem Basalt- gange unterhalb Dunoon Castle1) die angrenzenden Schiefer auf wenige Zoll breit eine intensivere rothe Färbung und einen etwas höheren Quarzgehalt aufweisen. Im ersteren Falle ist das Eisenoxyd durch eine von der Contactstellc ausgehende Auslaugung fortgeführt, im anderen Falle aus dem magneteisenreichen Basalt Eisenoxyd in das Gestein eingewandert. Wenn auch solche Erscheinungen an den Contact der verschiedenen Gesteine geknüpft sind, so kann man sie doch nicht als eigentliche Contactmetamorphose bezeichnen.

Eine andere, echte Contactmetamorphose zeigt sich aber z. B. in der pris- matischen Absonderung, wie sie durch Eruptivgesteine in anderen, an diese an- grenzenden Gesteinen hervorgerufen wird. Hier fehlt auch nicht das Kriterium der echten Metamorphose, dass dem Gesteine dadurch eine andere Struktur und mineralische Beschaffenheit verliehen wird, als diese seiner Entstehung entspricht.

Die prismatische Absonderung von Thonen, Sandsteinen, Kalksteinen und Kohlen in Berührung mit einem Eruptivgesteine ist eine keinesweges vereinzelte Erscheinung. Sandstein unter dem Basalt des Wildensteines bei Büdingen in Oberhessen, Kalkstein unter Basalt am Mont Gergovia in Central-Frankreich, Kohle im Conctat mit dem Porphyr bei Waldenburg in Schlesien, mit Basalt am Meissner in Hessen, mit Diabas bei FUnfkirchen in Ungarn, mit Trachyt zu Commentry in Central-Frankreich, Thon im Contact mit Basalt an der Loch- mühle im Ahrthale in der Rheinprovinz uud viele andere Beispiele zeigen diese prismatische Absonderung in oft überaus zierlicher und regelmässiger Ausbildung. Am Gergovia sind die Kalksteinprismen oft nur einen Centimeter stark, und ähnliche zierliche Prismen bilden auch die anderen angeführten Gesteine.

Mit der prismatischen Struktur haben aber auch diese Gesteine unter dem unmittelbaren Einflüsse des in hoher Temperatur befindlichen Gesteines noch

') v. Lasaulx, Aus Irland, pag. 203.

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t)er Metamorphismus der Geste ne. 435

andere Veränderungen angenommen. Sie erscheinen gehärtet, der Thon ist in harten, splittrigen Porcellanjaspis umgeändert; die Sandsteine sind von regelmässigen Lagen glasiger Schmelzmasse durchdrungen, die von dem Eruptiv- gesteine in jene eindrang und sie z. Th. selbst zum Schmelzen und Auflösen brachte. In der Glasmasse finden sich auch winzige Anfänge krystallinischer Ausscheidungen. Die Kalksteine erscheinen gehärtet, calcinirt, die Kohlen mehr oder weniger zu Coaks umgewandelt. So sind die Braunkohlen unter dem Basalt am Meissner, unter dem Diabas von Fünfkirchen in eine prismatisch- stenglig abgesonderte kohlenstofTreiche Pechkohle umgewandelt, deren Zusammen- setzung ganz vollkommen der Annahme entspricht, dass der Basalt eine dem künstlichen Vercoakungsprocess nicht unähnliche Einwirkung auf die Kohlen ausgeübt habe. Es hat v. Lasaulx durch Einwirkung schmelzflüssiger Hochofen- schlacke auf Braunkohle ganz dieselben Erscheinungen künsüich nachzuahmen vermocht1) und auch durch die Analyse die vollkommene Identität der natür- lichen und künstlichen Produkte erwiesen.

Eine andere in den Bereich dieser Contactmetamorphose gehörende Um- wandlung ist das Krystallinischwerden der dichten Kalksteine ; sie werden zu fein- oder gar grosskörnigem Marmor"). Am Contacte mit jüngeren Eruptivgesteinen ist die Zone der Umwandlung in der Regel nur schmal. Eines der ältesten be- kannten Beispiele dieser Art ist das von der Insel Rathlin, nahe vor der Nord- küste von Irland. Zwei Basaltgänge von 20 25 Fuss Mächtigkeit setzen durch den Kreidekalkstein hindurch. Eine Kalkmasse von 20 Fuss Dicke trennt die beiden, durch welche ein wenig (ca. 1 Fuss) mächtiger dritter Basaltgang zickzackförmig aufsteigt. Sowohl zwischen den beiden Basaltgängen, als auch auf den äusseren Seiten derselben bis auf eine Entfernung von ca. 10—15 Fuss ist der dichte Kalkstein in einen vollkommen zuckcrkörnig-krystallinischen Marmor umgewandelt.

Ein anderes Beispiel von Burdie House in den Camps-Steinbrüchen bei Edinburg führt Gkikie an3). Der dunkelgraue untere Kohlenkalk, reich an Ver- steinerungen, ist hier von einem Basaltgang durchsetzt, der auch seitliche Aus- läufer in den Kalkstein aussendet. Der letztere hat die körnige Struktur des Marmors angenommen und die einzelnen Calcitkörner des Gesteins zeigen die charakteristische Spaltbarkeit und Zwillingsstreifung.

Nur seltener zeigt sich am Contact mit jüngeren Eruptivgesteinen auch eine mit dem Krystallinischwerden verbundene Entwicklung neu gebildeter Minerale.

Eines der wichtigsten Beispiele dieser Art bieten die Einschlüsse von Kalk- stein in den vulkanischen Auswürflingen des Monte Somma am Vesuv. Wenn hierbei auch nicht von zwei nebeneinander anstehenden Gesteinen die Rede ist, sondern nur von Bruchstücken von dolomitischem Kalkstein aus der Apenninen- formation, welche die Lava umhüllt und umgeändert hat, so sind doch sowohl die Vorgänge, als auch die Produkte der Umwandlung ganz analoge, wie sie bei der echten Contactmetamorphose erzeugt werden.

Nicht nur, dass hier ein Krystallinischwerden der Kalksteine sich zeigt, sondern es sind auch eine Reihe von Mineralen neu gebildet worden, deren Entstehung freilich in dem Zusammentreten von dolomitischem Kalkstein und einem silicat-

') Pogcd. Annal. 1869 u. Verh. des naturhist Ver. f. Rheinl. u. Wesph. 1869. XXVI. 85. Später teigte dieses vom Rath auch Air die Kohlen von Fünfkirchen. N. Jahrb. 1880. 276. *) Gkikie schlägt das Wort: Marmarosis vor. Geology p. 577. 3) Gkikie, Geology, p. 577.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

haltigen Magma ganz natürlich erscheint. Man nennt dieselben daher auch wohl einfach Contactminerale. Es sind z. Th. Kalksilicate , so z. B. das normale Kalksilicat, der Wollastonit, der geradezu in radial fasrigen Hüllen um die Kalk- steinbrocken erscheint, oder doch Silicate, in deren Mischung das Kalk- oder Magnesiasilicat eine sehr wesentliche Rolle spielt, z. B. Granat, Vesuvian, Humit, Biotit, Anorthit u. v. a.

Eine überraschende Analogie bezüglich der am Contacte des Kalksteines mit Eruptivgesteinen neugebildeten Minerale mit dem Vorkommen in den Kalk- auswürflingen des Vesuvs bietet die ausgezeichnete Contactzone in den trias- sischen Kalksteinen der Umgebungen von Predazzo im Fassathale im südlichen Tyrol1).

Das Massiv des Monzoni besteht aus mehreren durch allmähliche Uebergänge innig verbundenen Gesteinen, deren Grenzglieder als Augitsyenit und Diabas zu bezeichnen sind, indem das eine wesentlich Orthoklas, das andere Plagioklas enthält.

Diese Gesteine sind es, welche die Kalksteine durchbrochen haben und in Gängen und Apophysen so in dieselben eingedrungen sind, dass isolirte Parthien der Eruptivgesteine manchmal mitten im Kalksteine, andererseits aber auch grössere und kleinere Kalkstein- und Dolomitschollen mitten im Eruptivgestein erscheinen.

Ueberall ist der Kalkstein zu Marmor, von z. Th. ausserordentlich gross- körniger Struktur umgewandelt und mit den verschiedensten Contactmineralen erfüllt: Granat, strahliger Augit, Anorthit, Monticellit, grüner Spinell, Pleonast, Vesuvian u. a. Der Kalkstein hat stellenweise ganz den Charakter eines krystallinisch-gemengten Silicatgesteines angenommen, so ist er von Silicatmasse durchdrungen worden. Später hat freilich eine Serpentinisirung dieser ganzen Mineralaggregate stattgefunden und manche bemerkenswerthe Pseudomorphosen geschaffen (z. B. nach Monticellit). Nicht nur die Contactminerale, auch der Kalkstein ist von Serpentin durchzogen und erscheint dann als echter Ophicalcit

Die Breite der überhaupt in Marmor metamorphosirten Kalksteinzone ist um den Monzoni eine recht beträchtliche und beträgt stellenweise über 200 Fuss.

Aus dem Gebiete der südlichen Adamello-Gruppe in Tyrol am Forcellina- Pass, im obersten Val aperta und Val Trompia beschrieb Lfpsius1) ebensolche Contactphänomene, die durch den Quarzdiorit (Tonalit) hervorgebracht sind. Die grosskörnige Struktur des weissen Marmors, das Auftreten der charakteristischen Contactminerale: Glimmer, Granat, Vesuvian, Wollastonit, Hornblende sind auch dieser Zone eigenthümlich.

Ganz übereinstimmend zeigen sich die Verhältnisse in dem Gebiete der vulkanischen Eruptionslinie des Banates. In einem langen Zuge, der von Moldawa an der Donau nördlich Uber Csiklowa, Oravicza, Moravicza, Dognacska verläuft (alles Namen, die dem Mineralogen wegen des Vorkommens schöner Contactminerale geläufig sind), treten Eruptivgesteine empor, die ebenfalls einen sehr wechselnden petrographischen Charakter haben; Syenite, Diorite, Trachyte und Andesite werden darunter beschrieben. Der verbreitetste Typus unter den- selben ist ein Quarzdiorit von vollkommen granitähnlicher Ausbildung.

Wo diese Gesteine mit den mesozoischen Kalksteinen in Berührung kommen,

>) Doelter , Jahrb. Geol. Reicbsanst. 1875. 2°7- VOM Rath, Monzoni, deutsch. gtoL Ges. 1875. 343-

a) Das westl. SUdtyrol, pag. 220. Berlin 1878.

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Der Metamorphismus der Gesteine.

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ist dieser verändert, es erscheint Granat, Wollastonit, Vesuvian, Glimmer, ein ganz charakteristischer, bläulicher, sehr grossblättriger Kalkspath und eine Reihe anderer echter Contactminerale. In der Zone des Contactes liegen auch die zahlreichen Erzlagerstätten dieses Zuges. Je nach ihrer Lage in oder nur am Kalksteine sind die einzelnen Eruptivstöcke ganz oder nur an einer Seite von der Contactzone umgeben1).

Auch zu Rezbanya im südöstlichen Ungarn stehen die bekannten Erzlagerstätten in unmittelbarem Zusammenhange mit einer Contactzone um syenitische Eruptiv- gesteine im Kalksteine des Neocom. Mit dem blauen, grossblättrigen Kalkspathe er- scheinen auch hier die charakteristischen Minerale, Wollastonit, Granat, Vesuvian u.a.

Die vollständigste und zugleich in ihrer Anwendung auf die krystallinischen Schiefer wichtigste Art des Contactmetamorphismus zeigt sich aber dort, wo ältere krystallinische Eruptivgesteine, Granite, Syenite, Diabase u. a. durch sedimentäre Schiefer hindurchsetzen und nicht nur eine mineralische Umbildung, sondern auch eine wesentliche Aenderung in der Struktur derselben bewirkt haben.

In wahrhaft erschöpfender Behandlung sind einige solcher Gebiete bezüglich der Umwandlungsvorgänge in neuerer Zeit wieder beschrieben und dadurch das Verständniss dieser Contactwirkungen erschlossen worden. Ganz besonders lehrreich ist hierdurch das Gebiet der Contactzone in den Steiger Schiefern um den Granit von Barr-Andlau und Hohwald in den Vogesen.*)

In einem Complexc mächtiger paläozoischer Thonschiefer, die von dem Orte Steige im oberen Weilerthale ihren Namen führen, sind die Granitstöcke einge- schaltet. Im Contacte mit diesen zeigen die Thonschiefer hochgradige Um- wandlungen, die in weiterer Entfernung von den Graniten allmählich abnehmend mehrere Zonen wohl charakterisirter und von einander zu trennender metamor- phischer Schichten aufweisen.

Die ganze Contactzone der Steiger Schiefer nach den Graniten lässt sich in 3 annähernd concentrisch verlaufende Partialzonen zerlegen, die von den normalen Schiefern auf den Granit zu in dieser Weise sich folgen: x. Die Zone sog. Fleck-, Frucht- oder Knotenschiefer mit noch unveränderter Schiefergrundmasse, die Knotenthonschiefer. 2. Die Zone der Knotenglimmerschiefer mit deutlich gröber krystallin entwickelter Schiefergrundmasse und 3. die Zone der Hornfelse, speciell der weitaus überwiegenden Andalusithornfelse.

Der unveränderte Thonschiefer ist durchweg ein weiches, in dünne Platten sich ebenflächig spaltendes Gestein von violetter oder dunkel blauschwarzer Farbe, der aus kleinsten Quarzkörnchen, sehr kleinen schmalen Leistchen eines hellen Glimmers und etwas Chlorit und gleichmässig durch das Gestein ver- theilten Eisenglanzblättchen zusammengesetzt ist (Vereinzelt Pyrit, Turmalin.)

Der erste Grad der Umwandlung besteht nur darin, dass sich in der Schiefer- grundmasse äusserlich etwas verschieden gefärbte kleine hirsekorngrosse Knötchen einstellen und dass die Schieferung etwas von ihrer ebenflächigen Vollkommen- heit einbüsst. Auch unter dem Mikroskope lässt sich ein wesentlicher Unter- schied in der Schiefergrundmasse der normalen Steiger Schiefer und dieser Knotenschiefer nicht nachweisen. Die Ausbildung der Knötchen beruht nur auf einer lokalen Anhäufung der färbenden Substanz des Schiefers, der vorhandene Eisenglanz scheint sich theilweise oder ganz zu Magnetit reducirt zu haben und die ursprünglich kohlige, färbende Substanz ist zu Graphit geworden.

*) Suess, Antlitr der Erde, pag. 210.

3) Rosenbüsch, IL Die Steiger Schiefer und ihre Contactxone etc. Strassburg 1877-

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Mineralogie, Geologie und Palacontologie.

1

In der zweiten Zone des Contactringes ist vornehmlich die Entwicklung eines gröberen Kornes der Schiefer charakteristisch, wodurch sie zugleich mit der Entwicklung braunen Magnesiaglimmcrs und dem Verschwinden des Chlorit, den Habitus der Glimmerschiefer erhalten. Die stärker pigmentirten und noch nicht gröber krystallin entwickelten Flecken und Knötchen wachsen, bis sie sich schliesslich durch ihren Eintritt in die allgemeine Umbildung der Hauptmasse des Gesteines assimiliren. Sporadisch treten Staurolithkrystalle auf.

Die am meisten umgewandelte, im unmittelbaren Contact mit dem Granit erscheinende dritte Zone, die der Hornfelse, ist äusserlich besonders durch das gänzliche Verlorengehen der Schieferung charakterisirt. Das Gestein macht den Eindruck eines massigen Feisites und erscheint oft bei der Verwitterung in einer dann hervortretenden lagenförmigen Struktur eher gneiss- oder hällefiintarüg. Die Knoten sind verschwunden, die kohlige Substanz ist aus dem Gesteinsgewebe als selbständiges Glied ausgetreten, auch der Turmalingehalt hat abgenommen. Dagegen erscheint Andalusit, Cordierit, Granat in den verschiedenen hiemach benannten Hornfelsvarietäten.

Die chemische Untersuchung der Gesteine der verschiedenen Zonen führt zu dem Resultate, dass die Contactmetamorphose der Hauptsache nach in einer molecularen Umlagerung der ursprünglichen Schiefersubstanz besteht, bei welcher diese nur einen Theil ihres Gehaltes an Wasser und kohliger Substanz verlor. Eine wesentliche Zufuhr an Stoffen von Aussen scheint dabei im Allgemeinen nicht stattgefunden zu haben. Das metamorphosirende Gestein- bedingt den Akt der Metamorphose und die Natur ihres Verlaufes, von der chemischen Beschaffen- heit des metamorphosirten Gesteines dagegen sind die Produkte der Metamor- phose in chemischer und mineralogischer Beziehung abhängig.

Ganz übereinstimmend sind die Erscheinungen der Contactmetamorphose im Umkreise der granitischen Massive des Brockens und Ramberges im Harz. Auch hier erscheinen die devonischen und älteren paläozoischen Schiefer in Hornfelse und Hornschiefer umgewandelt Ebenso sind solche Contactzonen, mit im All- gemeinen ziemlich übereinstimmender mineralogischer Entwicklung auch um die sächsischen Granite und insbesondere um die Ellipse des bekannten Granulit- massivs östlich der Zwickauer Mulde im Königreich Sachsen vorhanden. Hier erscheinen ganz besonders schön und charakteristisch entwickelte Frucht-, Knoten- und Garbenglimmerschiefer, ebenso aber auch Hornfelse. Es mischen sich die Erscheinungen der Contactmetamorphose mit denen der regionalen Metamorphose, auf welche besonders bezüglich dieses Gebietes im Folgenden noch näher einzu- gehen sein wird.

Ebenso treten in der Contactzone der Thüringer Dachschiefer am Granit des Arolsberges sowohl feingefälteltc Knotenthonschiefer, Knotenglimmerschiefer, als auch typische Andalusithornfelse auf.

Ganz ausgezeichnet und ebenfalls wieder sehr eingehend untersucht sind die Erscheinungen der Contactmetamorphose der silurischen Schichten am Granit, namentlich dem rothen, titanitführenden Hornblendegranit des südlichen Norwegens, im Gebiete von Kristiania1).

Hier ist vornehmlich auch das Verhalten verschiedenartiger Gesteine der Metamorphose gegenüber zu verfolgen.

') W. C. Brogoer, Die silurischen Etagen 2 und 3 im Kristianiagebiet und auf Ecker. Kristiania 1882.

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Der Metamorphismus der Gesteine.

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Die Eruptivgesteine selbst scheinen in ihrer mineralogischen und chemischen Zusammensetzung unmittelbar an ihrer Grenze gegen die Sedimentgesteine keine Aenderung erlitten zu haben. In denselben Schichten bringt die Metamorphose überall anscheinend auch dieselben Produkte hervor. Nirgendwo ist eine eigent- liche Verschmelzung der Eruptivgesteine und der anstossenden silurischen Schichten erfolgt, wie es wohl bei jüngeren Eruptivgesteinen der Fall ist. Die Grenze ist immer eine ganz scharfe; aber nach derselben zu nehmen die Contactumwand- lungen stetig und regelmässig an Intensität zu.

Für die verschiedenen Schichten ergiebt sich ein sehr wechselnder Grad der Umwandlungsfähigkeit. So scheint z. B. der Dictyograptusschiefer eine ganz be- sondere Unfähigkeit zum Metamorphosirtwerden zu besitzen1).

Im Allgemeinen sind die aus der Contactmetamorphose hervorgegangenen Gesteine ähnlich denen, wie sie oben aus den Vogesen beschrieben worden sind. Sie haben z. Th. eine noch grössere Aehnlichkeit mit Gebilden, wie sie im Fol- genden auch in Gebieten regionaler Metamorphose anzuführen sein werden. Die metamorphischen Gesteine sind: Knotenschiefer, Chiastolithschiefer, Hornfelse, Kalksilicatgesteine oder Kalkhornfelse.

In den unteren Etagen der silurischen Formation, die aus den sogen. Para- doxidesschichten , dem Olenuschiefer und den Schiefern und Kalksteinen der unteren Asaphusetage bestehen, wechseln am Contacte besonders Knotenalaun- schiefer, Chiastolithschiefer und dunkelfarbige Hornfelse, während die kalkreicheren Glieder der oberen Etage zu Marmor, Kalksilicathornfelsen, die Thonschiefer zu gebänderten Hornfelsen umgewandelt sind.

Ein ganz besonderes Interesse bieten die Schichten der aus sogen. Expansus- schiefern und Orthocerenkalk zusammengesetzten oberen Abtheilung (3, c) des Silurs.

Der Kalkstein ist in der Nähe des Granites in grauen feinkörnigen Marmor umgeändert, die mit Kalk lagen durchzogenen Schiefer in altemirende, abwechselnd fleischroth, violett und blauschwarz gestreifte Bänder von quarzhartem, makro- skopisch dicht erscheinendem Hornfels. Die violett-fleischrothen Streifen repräsen- tiren dabei die Kalklagen und Linsen, die dunklen Streifen die Schieferlagen selbst. Als Gemengtheile der dunklen Hornfelse erscheinen Plagioklas, gelber Magnesiaglimmer, Aktinolith, Malakolith und Titanit, in den fleischrothen auch Granat.

Die aus der Metamorphose der Orthoceren -Kalke hervorgegangenen Kalk- silicathornfelse bestehen vorwiegend aus Wollastonit, einem gelben Granat und Kalkspath und aus Streifen eines Gemenges von Wallastonit und Vesuvian1*). Das sind also wieder ganz analoge Umwandlungen, wie sie die Kalksteinauswürf- linge des Vesuv im Kleinen zeigen.

Auch bei dieser Contactmetamorphose im südl. Norwegen besteht die Um- wandlung durchweg in einem blossen Umkrystallisiren, einer molecularen Um- lagerang ohne wesentliche Aenderung der chemischen Zusammensetzung. Nur bei den Kalksteinen und den den Schiefern eingelagerten Kalkellipsoiden hat ohne Zweifel eine Zufuhr von Kieselsäure stattgefunden. Auf eine allgemeine

') Derselbe ist ein sehr verbreitetes und leicht erkennbares Glied der 2. silurischen Etage. Das charakteristische und fast einzige Fossil derselben ist*. Dictyograptus flabtlüformis, eine hornige, kalkarme Rindenkorallc. Am Hofe Vökkero finden sich dieselben in grosser Menge. 7) So kommen auch Wollastonit-Skapolithgemcnge vor.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Zunahme des Kieselsäuregehaltes gegen die Grenze des Granites hin, darf da- raus nicht geschlossen werden. An einigen Stellen scheint in den Contactge- steinen eine Anreicherung an Titansäure erfolgt zu sein.

Die in den njetamorphosirten silurischen Schichten ursprünglich vorhandenen Versteinerungen sind mit der Metamorphose in der Regel verschwunden. Je- doch findet auch recht häufig eine Ausnahme hiervon statt. Wenn die Meta- morphose aber eine intensivere gewesen ist, werden auch die letzten Spuren der Fossilien vernichtet. So sind z. B. von den unzähligen Trilobitenresten der schon mehrfach erwähnten Kalknicren in den Schiefern, sowie von den unzähligen kleinen Schalenresten, wie sie die unveränderten Orthocerenkalke auf angeschliffenen Flächen zeigen, in den metamorphosirten Parthien dieser Gesteine keine Spuren mehr erhalten.

Kin anderes Gebiet ausgezeichneter Contactmetamorphosen umgiebt die Granitmassive der Bretagne. Auch hier sind es silurische Schiefer, welche um- gewandelt sind und nun grosse, oft mehrere Zoll lange Chiastolithkrystalle führen. Auch in diesen sind oft die Trilobitcnreste und Brachiopodenschalen noch er- halten und schon von Pouii.i.on Boblaye 1838 beschrieben worden1).

An den Salles de Rohan bei Pontivy kommen die schönsten, mehrere Zoll grossen Chiastolithkrystalle mit diesen Versteinerungen zusammen vor; die letzteren sind freilich z. Th. sehr undeutlich, verdrückt und zerbrochen.

In den Pyrenaeen sind die ganz analogen Contactgesteine durch die Arbeiten von Zirkel und Fuchs2) bekannt geworden. Zur Ausbreitung eigentlicher Horn- felse scheint hier die Metamorphose nicht gekommen zu sein; Andalusit und Staurolith führende, glimmerreiche Schiefer stellen das höchste Maass der Um- wandlung dar.

Ein anderes Gebiet hat neuerdings Charles Barrois zum Gegenstande aus- führlicher Untersuchungen gemacht. Es sind die Contactzonen um die Granit- massiv's in den spanischen Provinzen Asturien und Galicien3).

Die geschichteten Formationen des nordwestlichen Spaniens sind von ver- schiedenen massigen krystallinischen Gesteinen durchzogen. Zwei Granitmassiv's sind besonders wegen ihrer Contacterscheinungen bemerkenswerth, das eine von Boal, das andere von Lugo.

Das erstere, welches bei Freijulfe an die spanische Nordküste stösst, ist nur von geringer Ausdehnung und Höhe. Eine lang elliptische Hauptmasse von Granit sendet zahlreiche Apophysen aus, welche gangförmig durch die cambrischen Schiefer hindurchsetzen.

Der Granit dieser Gänge ist von dem des Massiv's dadurch unterschieden, dass er nur weissen Glimmer enthält, während jener beide Glimmer führt. Wo der Ganggranit im Contacte mit den Schiefern zu beobachten ist, zeigt er stets eine dichte, den Granuliren gleichende Beschaffenheit: er ist ein Eurit, wie die französichen Geologen diese Art von Gesteinen zu bezeichnen pflegen. Aber unter dem Mikroskope zeigt er dieselben Gemengtheile wie der körnige Granit, er ist demnach als eine mikrogranitische Modification des granitischen Magma's zu be- zeichnen.

Das zweite Granitmassiv von Lugo durchzieht die ganze Provinz dieses Namens. Es ist einerseits begrenzt von Schichten der cambrischen Formation,

l) Compt. renn. 1838. pag. 186. Institut 1838. 76. *) N. Jahrb. f. Min. 1870.

3) Recherclics sur Ks terrains anciens des Asluries et de la Galice. Lille 18S2.

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Der Metamorphismus der Gesteine.

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andererseits von Amphibolschiefern. Der Granit von Lugo enthält nur dunkleren Glimmer, diese Gesteinsvarität ist in Spanien recht verbreitet.

Beide Granitmassiv's sind von einer Zone metamorphosirter Schiefer be- gleitet, die sich durch eine krystalline Beschaffenheit sehr wesentlich von den gewöhnlichen cambrischen Schiefern unterscheiden, aus denen sie entstanden sind.

Die letzteren sind dichte Thonschiefer von einer schwarzblauen oder tief- grauen Farbe, die auf regelmässig in ihnen vertheilter kohliger Substanz und auf beigemengtem Eisenglanz beruht.

Der Metamorphismus dieser Thonschiefer um die Granite zeigt sich immer darin, dass glimmerreiche, wellig-blättrige Schiefer und endlich echte Glimmer- schiefer entstehen. Gleichzeitig sind Krystalle von Chiastolith gebildet, jedoch spielen dieselben nur eine untergeordnete Rolle.

Auch hier lassen sich drei Zonen der Umwandlung trennen, die gleichwohl durch Uebergänge verbunden sind.

Die erste, d. h. die am wenigsten metamorphosirte Zone ist die der gepressten oder gewalzten Schiefer (Schistes gaufre's). Durch Reichthum an Glimmer erhalten sie eine ausgezeichnet blättrige Struktur, wobei die einzelnen Blätterlagen zu lang parallel verlaufenden Rippen angeordnet oder gestaucht erscheinen. Ks treten die charakteristischen Knötchen der Knotenschiefer auf, eine wesentliche Aenderung der Gesteinsgemengtheile hat nicht stattgefunden, nur die Aggregation ist eine etwas andere. Die Quarzkörnchen der Gesteinsmasse erscheinen im Sinne der Schieferung gestreckt und sind von ihnen sich anschmiegenden Glimmer- lamellen umsäumt.

Die zweite Zone unterscheidet sich von der vorhergehenden durch das reichlichere Auftreten von dunklem Glimmer und porphyrartig im Gesteine liegende, scharf ausgebildete Krystalle von Chiastolith. Chlorit und Turmalin sind u. d. M. reichlich nachzuweisen. Die Zone dieser Schiefer hat die grösste Mächtigkeit um das Massiv von Boal bis zu mehreren Kilometern.

Die dritte Zone endlich, welche den höchsten Grad der Metamorphose dar- stellt, ist die der Glimmerschiefer oder Leptynolite.

Je mehr man sich dem Granite nähert, um so glimmerreicher werden die Schiefer, vorherrschend ist weisser Glimmer, neben diesem nur Quarzkörner; Feldspath fehlt vollständig, wie auch in den anderen granitischen Contactzonen. Eigentliche Homfelse scheinen hier nicht entwickelt zu sein.

Oft schreitet die Metamorphose nicht regelmässig nach dem Granite zu fort, sondern es wechseln verschiedenartige Zonen ab, solche mit grossen Chiastolith- krystallen und solche mit blossen Knoten oder nur glimmerreiche Schiefer. Eine höher metamorphosirte Schicht tritt zwischen weniger umgewandelten auf, so ein Andalusitschiefer beiderseitig von Knotenschiefern eingefasst.

Auch auf die Kalksteine, welche mit den cambrischen Schiefern verbunden sind, hat sich die Metamorphose erstreckt; sie sind in zucker- oder mittel- körnigen Marmor umgewandelt. Oft sind sie stark magnesiahaltig, also dolomi- tisch geworden. Sie enthalten auch charakteristische, krystallisirte Contactmine- rale, so Glimmer, Dipyr, Wernerit u. a. Wie die Pyrenaeen beiderseitig, so sind auch die Granitmassive von Boal und Lugo von Mineralquellen begleitet, so dass hier der Gedanke nahe liegt, dass diese mit an der Metamorphose betheiligt seien. Dass dieses keinesweges unwahrscheinlich ist, werden wir im Verlaufe noch hervorzuheben haben.

Auch in Irland und England treten um die Granite die Ringe der Contact-

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Mineralogie, Geologie und Palacontologic.

metamorphose auf. Um das Granitmassiv der Gebirgskette, welche südlich von Dublin durch die Grafschaften Wicklow und Waterford sich hinzieht und im Lugna- quilla gipfelt, ziehen sich ringsum cambrische und silurische Schichten. Durch diese treten zahlreiche granitische Gangmassen, Apophysen des Centralmassiv's, hin- durch. Diese sowohl, wie der centrale Granit im Ganzen sind von krystallinischen Schiefern unmittelbar eingefasst, welche aus der Metamorphose der cambrischen und silurischen Schiefer hervorgingen. Von dem Granite aus folgen auch hier mehrere, nicht sehr breite Zonen: dichte hornfelsartige Gesteine lokal dicht am Granit, schöne Andalusit und Staurolith führende, glimmerreiche Schiefer und endlich Frucht- und Knotenschiefer, die nach aussen mit ganz allmählichen Ueber- gängen die Beschaffenheit der gewöhnlichen cambrischen und untersilurischen Thonschiefer annehmen1).

Um die granitischen Rücken von Cornwall und Devon zeigen die devonischen und unteren carbonischen Schichten eine ganz ähnliche Contactzone. Besonders schön sind die Erscheinungen im Distrikte der Seen in Wales rund um den Granit von Skiddaw zu verfolgen. Die Breite der metamorphischen Zone be- trägt hier 2 3 Kilometer. Der unveränderte Schiefer ist ein blaugraues, eben- flächig spaltendes und sich griffelndes Gestein. Zuerst zeigt er die Knoten, dann folgt eine Zone von Andalusitschiefer, der Schiefer verliert seine ursprüngliche Schieferung, dagegen wird er glimmerreicher, die Quarzkörner grösser und so geht er in Glimmerschiefer über, der dicht am Granit liegt, aber immer durch eine scharfe Grenze von ihm getrennt ist Eigentliche Homfelse scheinen hier nicht vorzukommen3).

Die Contactmetamorphose um den Granit von Albany in New Hampshire, Nord- Amerika ist durch G. W. Hawes eines näheren untersucht worden8). Die analytischen Untersuchungen ergeben gleichfalls eine regelmässig fortschreitende Umwandlung der Schiefer nach dem Granit zu. Die Gesteine haben ihren Wassergehalt eingebüsst, Bor- und Kieselsäure ist zugeführt und ebenso scheint unmittelbar am Contact auch eine Anreicherung an Alkalien stattgefunden zu haben. Heisse Dämpfe und Lösungen, die ihren Ursprung im Granit hatten, sollen nach Hawes die Metamorphose bewirkt haben.

Wenn auch nicht ganz übereinstimmende, so doch sehr ähnliche Contact- wirkungen haben auch die Diabase, u. a. sogen. Grünsteine auf die sie ein- schliessenden Schieferschichten ausgeübt Klassische Gebiete zur Beobachtung dieser Erscheinungen sind der Harz und die Gebirge des rheinisch-westfälischen Devons, in denen überaus zahlreich eingeschaltete Grünsteine sich finden. Im Harze sind die Contacterscheinungen der Diabase von Kayser ausführlich be- schrieben worden4).

Von den normalen Schiefern, den sogen. Wieder-Schiefern der silurischen Formation ausgehend, zeigt sich, dass die Umwandlung derselben in zwei ent- gegengesetzten Richtungen verlaufen ist. In dem einen Falle nahm die Kiesel- säure zu: »saure Reihe«, im anderen Falle nahm die Kieselsäure ab: »basische Reihe«.

Zur Gruppe der kieselsäurereichen Gesteine gehören harte, fast hälleflint- artige Gesteine von heller oder dunkler Farbe. Der Gehalt an Basen tritt hier

•) v. Lasaulx, Aus Irland, pag. 101 und in Tschermak's Mittheilungen 1878, pag. 433. 3) I. C. Ward, Quart. Journ. Gcol. Soc. XXXII. 1876. s. auch Geikik, Geologie, pag. 379. 3) Araeric. Journ. Sc. XXI. 1881. I. 21. «) Zcitsch. d. deutsch, geol. Ges. 1870, pag. 103.

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Der Metamorphismus der Gesteine. 443

natürlich zurück, aber sie besitzen einen höheren Natrongehalt als die ursprüng- lichen Schiefer. Die zweite Gruppe enthält noch hornfelsartige, aber weniger harte Gesteine, meist von dunkler Farbe, mehr oder weniger schiefrig, mit kleinen Knoten, wie in den Knotenschiefern (Spilosit) oder mit bandartig in einander verlaufenden Knoten (Desmosit) und daher entweder gefleckt oder gebändert erscheinend. Diese Gesteine sind reicher an Basen, aber ebenfalls durch höheren Gehalt an Natron ausgezeichnet.

Die Einwanderung des Natronsilicates ist also das Charakteristische der Con- taetmetamorphose am Diabas. Dieselbe erfolgte am wahrscheinlichsten durch heisse, unmittelbar mit dem Diabasmagma hervortretende und von diesem gerade- zu ausgehende Solutionen. Heisse noch nach der Zeit der eigentlichen Erup- tionen aufsteigende Quellen unterstützten nachwirkend die Umwandlung.

An den Diabasen, welche im Devon (Lenneschiefer) des oberen Ruhrthaies aufsetzen, kommen ganz ähnliche Contacterscheinungen vor. Hier sowohl wie auch an Contactgesteinen des Kreises Wetzlar und der Umgegend von Weilburg an der Lahn ist ebenfalls die Zufuhr von Natron- Silicat vom Diabas aus in die Schieferschichten fast ganz regelmässig nachzuweisen1).

Zwischen den Diabasen und den cambrischen Schiefern des Maconnais sind nach Michel Lew ähnliche Contactgesteine zur Ausbildung gelangt*). Die dort als Cornes vertes bezeichneten Gesteine sind analog den Hornfelsen im Harze und im Lenneschiefer.

Auch aus anderen Gegenden sind ähnliche Contactgesteine beschrieben worden. Der wesentlichste Unterschied der Metamorphose, wie sie am Contact der Granite und Diabase sich zeigt, scheint also darin zu bestehen, dass bei jenen lediglich eine moleculare Umlagerung der ursprünglichen Schiefersubstanz erfolgte, wobei die Zufuhr von Stoffen jedenfalls nur einer sehr untergeordnete Rolle spielte, während bei den Diabasen Uberali eine chemische Aenderung des Nebengesteins nachzuweisen ist, die wesentlich in einer Zufuhr von Natron- silicat besteht.

Aber auch darin scheint ein fernerer Unterschied sich zu zeigen, dass bei den Diabasen häufig auch endomorphe Umwandlungen vorkommen d. h. solche, die das metamorphosirende Gestein selbst betroffen haben, nicht nur exomorphe, die auf die umgebenden Gesteine sich äusserten. Zu solchen endomorphen Contacterscheinungen gehört die Ausbildung der variolithischen Struktur in den Diabasen. An ihrer Grenze gegen die Schiefer zeigen sich in denselben zahl- reiche runde, etwa erbsengrosse Concretionen: die sogen. Variolen. Da die mikroskopische Untersuchung derselben ergeben hat3), dass sie nur als eine be- sondere Erstarrungsform der Diabase anzusehen sind, so ist die Ursache ihrer Entstehung wohl nur in der beschleunigten Abkühlung und Erstarrung zu suchen, welche das Diabasmagma am Contacte mit den durchbrochenen Schichten er- fuhr. Diese Erscheinung ist daher eine analoge, wie die Ausbildung eines Lava- ganges zu Obsidian an den Salbändern, wie die dichtere, mikrogranitische Er- starrung von Granit in schmalen Apophysen und dergl. Mit der eigentlichen

') A. Schknk, Die Diabase des oberen Ruhrthaies und ihre Contacterscheinungen. Verh. naturhist. Vcr. Rheinl. und Westf. 1884, und C. Riemann, Grünsteine des Kreises Wetzlar und einige ihrer Contacterscheinungen. Das. 1882. pag. 275.

*) Bull. Soc. gcol. de France. Ser. III. XL 1883. 299.

*) Zirkel, Die Struktur des Varioliths, Bcr. der K. sächs. Ges. Wiss. 1875. Juli, Rosen- Busch, Physiographic, Bd. II. pag. 359. hier auch weitere Literaturangaben.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

exomorphen Contactmetamorphose der Schiefer hängt diese Bildung daher nicht wesentlich zusammen und ist sehr wohl ohne dieselbe denkbar.

So sind auch Erscheinungen anderer Art, die am Contacte eines Eruptiv- gesteines mit Schichtengesteinen in jenem auftreten, nicht eigentlich als zur Contact- metamorphose gehörig anzusehen. So z. B. die Umwandlung zu Epidot, zu Chlorit u. dergl., die manchmal vom Contacte aus reichlicher erfolgt ist Auch die Umbildung zu flaserig-schiefrigen Gesteinen, die oft den umgebenden Schicht- gesteinen sehr gleichen, ist nachweislich durch mechanische Einwirkung des Ge- birgsdruckes und damit verbundene Umformung der Gemengtheile und mineralische Neubildungen aus einem Eruptivgestein, vorzüglich nach dessen Grenzen gegen das Nebengestein hin, hervorgegangen, und darf nicht eigentlich mehr zu den Contactmetamorphosen gerechnet werden. Solche Vorgänge gehören schon in den Bereich des regionalen Metamorphismus und kommen später noch besonders zur Erörterung.

Dass dadurch die Grenzen der Eruptivgesteine gegen die Schiefer, in denen jene auftreten, verwischt werden, dass überhaupt solche Eruptivgesteine dann gar nicht leicht mehr als solche erkannt werden können, verdient hier insofern her- vorgehoben zu werden, als damit auch die wirklich vorhandene Zone eigentlicher Contactwirkung undeutlich wird.

Sehr viel seltener als an den älteren Eruptivgesteinen sind Contactwirkungen der Art, wie sie im Vorhergehenden beschrieben wurden, von jüngeren Eruptiv- gesteinen ausgeübt worden.

Ein gutes Beispiel dieser Art ist neuerdings aus dem nördlichen Spanien, an den in Asturien und Galicien auftretenden jüngeren Eruptivgesteinen, welche Barrois1) als Kersantite bezeichnet, bekannt geworden. Diese stehen den Ge- steinen unzweifelhaft sehr nahe, die wir Andesite nennen. Um die mächtigeren Gänge derselben sind die dünnplattigen Dachschiefer in geneckte und in chlorit- haltige Glimmerschiefer umgewandelt. Beide Arten der Umwandlung sind in der Regel als zwei getrennte concentrische Zonen zu beobachten.

Die äussere Zone, die der Fleckschiefer, hat eine ungefähre Breite von 30 Meter. In der glänzenden Schiefergrundmasse erscheinen zahlreiche kleine Knötchen. Diese Zone gleicht der äusseren in den Contactringen um die Granite. In den Fleckschiefern finden sich Graphit, Turmalin, Rutil, etwas Granat. An der Pigmentirung der Flecken ist wesentlich dunkler Glimmer betheiligt.

Die zweite Zone umfasst blättrige, lichtgrüne Gesteine, Glimmerschiefer, deren Glimmer durch secundäre Umwandlung zu Chlorit verändert ist Sie ent- halten ausserdem als charakteristisches Contactmineral Andalusit.

Auf Eisensteinlager (Sphärosiderit), mit denen die Kersantite in Contact treten, haben dieselben ebenfalls eine umändernde Wirkung ausgeübt, jene sind zu Magneteisen geworden. Das ist derselbe Vorgang, wie er in der Nähe der Basalte auf Gängen und Lagern von Späth- und Brauneisenstein in der Gegend von Siegen im südl. Westfalen u. a. O. lange bekannt war.

Fassen wir nunmehr die Erscheinungen der Contactmetamorphose zusammen, so ergiebt sich also im Wesentlichen folgendes:

Die Contactmetamorphose ist bedingt durch das Zusammentreten von Eruptiv- gesteinen mit Schichtgesteinen (Sedimenten oder Abscheidungen aus der Lösung). Die Art ihrer Entwicklung ist immer abhängig von der beiderseitigen Be- schaffenheit und Einwirkung dieser Gesteine. Alle eigentlichen Contactmeta-

l) 1. c. pag. 130.

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morphosen sind exomorph.1) Die sogen, endomorphen Wirkungen sind nur Erstarrungsmodificationen des Eruptivgesteins und daher nur eine Function dieses letzteren, unabhängig von der Natur des Nebengesteins.

Die Contactmetamorphose zeigt sich in zwei wesentlich verschiedenen Formen. Die eine Art ist als die physikalische zu bezeichnen. Dahin gehören die Er- scheinungen, die wesentlich durch die hohe Temperatur allein erklärt werden können: Anschmelzung, prismatische Absonderung, Erhärtung u. dergl. im Neben, gestein. Die zweite Art ist als die molecular-chemische zu benennen, sie ist durch moleculare Umlageningen der Gesteinsbestandtheile und damit ver- bundene Mineralneubildung charakterisirt. Beide Arten der Metamorphose kommen in der Regel nicht zusammen vor und deuten demnach verschiedene genetische Vorgänge für die Eruptivgesteine an, von denen sie ausgehen.

Die physikalische Contactmetamorphose ist bei den jüngeren, die molecu- lar-chemische bei den älteren Eruptivgesteinen die häufigere. Die letztere zeigt von dem Contacte aus eine mehr oder weniger grosse Verbreitung um das Eruptivgestein, stets bedeutend grösser als die der erstercn Art. Sie kann da- her nicht durch die blosse Wirkung der hohen Temperatur des eruptiven Ge- steinsmagmas allein erklärt werden. Sic setzt eine Fortpflanzungsfähigkeit der erregenden Ursache vom Eruptivgesteine aus, verbunden mit einer molecularen Beweglichkeit in den Nebengesteinen voraus, wie sie nur in der Einwirkung minera- lischer Lösungen verständlich erscheint, welche gleichzeitig mit dem Eruptivgesteine selbst oder wenigstens den Wegen, auf welchen dieses empordrang, folgend, von hier aus die Nachbargesteine auf grössere oder geringere Entfernungen hin zu durchdringen vermochten. Hoher Druck und hierdurch gleichzeitig gesteigerte Temperatur dieser Lösungen müssen, wenn auch nicht als ein bedingender, so doch als ein sehr wesentlich unterstützender Umstand ihrer Wirksamkeit angesehen werden.

Experimentelle Versuche Über die Art der Einwirkung überhitzter Wasser* dämpfe auf Gesteine und Minerale dienen dieser Anschauung zu wesentlicher Unterstützung.')

Regionaler Metamorphismus.

Wenn auch die Erscheinungen des regionalen Metamorphismus in manchen Fällen Gesteine hervorgerufen haben, welche den hochgradig contact-metamor- phischen Schiefergesteinen gleichen, so ist doch diese Aehnlichkeit nur eine äusserliche, vereinzelte und zufällige. Der wesentliche Umstand, dass in einem Gebiete der Contactmetamorphose verschiedene, in einander verlaufende und eine Steigerung unverkennbar andeutende Zonen auf einander in immer sich gleich bleibender Reihe folgen, fehlt den Gebieten des regionalen Metamorphismus gänzlich. Sie sind hingegen durch den oft wiederholten Wechsel verschiedenartiger Schiefergesteine ausgezeichnet, welche ganze Gebirge und ausgedehnte Landstriche zusammensetzen, ohne dass sich in diesen eine einheitliche Richtung der Zu- oder Abnahme der Metamorphose erkennen Hesse.

Der unmittelbare Beweis, dass die metamorphischen Gebiete dennoch aus anderen Gesteinen durch Umwandlungsprocesse thatsächlich hervorgegangen sind, ist keinesweges so häufig und unzweifelhaft zu erbringen, wie dieses bei den contact- metamorphen Ringen um die Granite beispielsweise der Fall war. Dennoch sind

') FoüRNBT, BulL Soc. geoL de France 1847, nannte zuerst Endomorphismus die Veränderung des Eruptivgesteins, Exomorphismus die Veränderungen im durchbrochenen Sedimentgestein. *) Vergl. hierüber Dauhk&k's Geologie experimentale. I. pag. 158.

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44& Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

die Materialien dieses Beweises, wie sie sich aus der Struktur, dem LagerveTbande, der mineralischen Constitution ergeben, in manchen Fällen vollkommen aus- reichend, um zu erkennen, dass in den Gebieten des regionalen Metamorphismus zwei Arten der Umwandlung zu unterscheiden sind, die von gänzlich verschiedenen ursprünglichen Gesteinen ausgehend, ähnliche metamorphische Gesteine hervor- gebracht haben: die Metamorphose der Sedimentgesteine und die derEr- starrungsgesteine.

Dass in der That beide, gewissermaassen entgegengesetzt gerichtete Processe sich vollzogen haben, dafür wird die Schilderung einiger, besonders charakteristischeT Gebiete des regionalen Metamorph ismus uns Beispiele liefern.

Einen grossen Schritt that die Lehre von <Jem regionalen Metamorphismus durch die Entdeckung noch wohl erhaltener und bestimmbarer Fossilien in Schichtencomplexen eines classischen, metamorphischen Gebietes, des südl. Nor- wegens.

Die Halbinsel Bergen und vorzüglich ihr südlicher Theil hat die Forschungen mancher Geologen in diesem Gebiete angeregt.1)

Die Halbinsel ist ein zerrissenes, felsiges Gebirgsland, dessen höchster Gipfel, der Gulfjeld, ca. iooo Meter hoch ist Von diesem aus geht eine Berg- kette bogenförmig nach S. und S\V. einerseits, nach W. andererseits. Der letztere Theil, eine Gneisskette, fügt sich mit dem ersteren halbkreisförmig zusammea Reusch unterscheidet in diesem Gebiete 5 verschiedene Schichtencomplexe, zwischen dem Lysefjord und dem Fusefjord auftretend. Sie geben ein recht charakteristisches Bild von der überaus wechselvollen Zusammensetzung regional- metamorphischer Gebiete.

Die 1. Zone umfasst das südöstliche Schiefergebiet. Sie besteht aus quarz- führenden Talkglimmerschiefern, Dioritschiefern mit bald deutlich schiefriger, bald echt massiger Struktur, Hornblende- und Chloritschiefem, Gneissen (sogen. Augengneissen), kalkftihrenden Gneissen und Thonglimmerschiefern.

Besonders verdienen in dieser Zone, die sonst durchaus den Charakter echter krystallinischer Schiefer an sich trägt, die Conglomerate hervorgehoben zu werden. Diese zeigen unverkennbar ihre Entstehung als Sedimente aus den Trümmern früherer Gesteine an. Die in diesen Conglomeraten eingeschlossenen Bruchstücke gehören sehr verschiedenen Gesteinen an. Man findet darunter: Diorite, Horn- blendeschiefer, Granit, Gneiss, Epidotgestein, Quarzit. Alle Gesteinstrlimmer er- scheinen durch starke, mechanische Pressung flach gedrückt, wie ausgewabt. z. Th. zu vollkommen dünnen Lamellen. Mit dieser mechanischen Umformung geht die reichliche Neubildung von Glimmer Hand in Hand. Dadurch erhält das Gestein das Aussehen eines Glimmerschiefers. Der Charakter des Trümmer- gesteines tritt trotzdem an manchen Stellen deutlich hervor. An anderen Stellen ist es freilich nicht so leicht, die ausgewalzten Gerölle wirklich als solche wieder zu erkennen.

Den 2. Schichtencomplex bezeichnet der Verfasser als Zone des Saus- surit-gabbro. Flaserige und schiefrige Gabbros, wie sie hier auftreten, finden sich auch im sächsischen Granulitgebirge. Das Gestein von Osören besteht aus weissem, feinkörnigem Saussurit, aus der Zersetzung der Plagioklase hervorge-

l) Reusch , Silur fossiler og pressedc konglomerateri Bergens skifrene und der Anhang: Kjkrulf, Analyser of Bergarter fra Vagtdal u. a. 1883 Christiana; darin die frühere Literatur Deutsch: die fossilienfuhrenden krystallinischen Schiefer, deutsche Ausgabe von R. Baldait, Leiprig 1883.

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Der Metamorphismus der Gesteine. 447

gangen, der wie eine Grundmasse die Diallagkörner umschliesst. Verschieden- artige Gabbros, olivinfreie und olivinreiche, wechseln mit einander ab.

Die 3. Zone ist durch ein Quarzitconglomerat mit eingelagerten Straten von Sandstein und Thonglimmerschiefer charakterisirt. Auch hier finden sich plattgedrückte Gerolle, walzenförmig abgeplattete Sphäroide, z. Th. im gleichen Sinne langgestreckt

Die 4. Zone ist die der Hornblende- und Dioritschiefer, nicht selten mit körnig-massiger Ausbildung der Gesteine. Merkwürdige Uebergänge verknüpfen dieselben z. Th. mit wirklich massigen Gesteinen. Ein grüner feinplattiger Schiefer, der von schmalen Granitadern durchzogen ist, geht in einen durchaus massigen, porphyrartig entwickelten Porphyrit über.

Im NO. des beschriebenen Gebietes, am Söptelandssee, bildet Granitgneiss eine mächtige Einlagerung im Hornblendeschiefer. Er umschliesst an den Grenzen eine Menge von Bruchstücken von dunklem Schiefer, von sehr unregel- mässigen, ausgefransten Formen, an deren Contact der Gneiss eine feinkörmige, granulitartige Ausbildung zeigt. Das sind Erscheinungen, die unzweifelhaft das Eruptivgestein verrathen.

Die 5. Zone wird als die der Lysekloster Schiefer bezeichnet. Sie besteht aus grünen Hornblende-Chloritglimmerschiefern mit Gneiss, Quarzit und Diorit.

Die gesammten Schichtencomplexe scheinen als eine einzige grosse Mulde aufgefasst werden zu können, derart, dass die erste Zone und die vierte und fünfte Zone als entgegengesetzte Flügel dieses Synklinalen Baues anzusehen seien.

Das grösste Interesse verleihen diesem Gebiete echt krystallinischer Schiefer die in diesen sich findenden Versteinerungen. Dieselben kommen an zwei Stellen im dunklen, glänzenden Thonglimmerschiefer vor, welcher Linsen von Kalk umschliesst: bei Kuven am Austritt des Flusses aus dem Ulvensee und am Wege von Ulven in nordöstlicher Richtung bei dem Gehöfte Vagtdael.

An der ersten Lokalität führen die dem Glimmer-Schiefer eingelagerten Kalklinsen Becher- und Kettenkorallen. Dieselben sind wie die Gerolle durch den Druck deformirt und abgeplattet. Die zweite Oertlichkeit ist viel ver- steinerungsreicher. Hier enthält ein stark glänzender, hellgrauer Schiefer, der äusserlich fast nur aus kleinblättrigem Muscovit zu bestehen scheint, die Ver- steinerungen. Das Gestein ist von einem Glimmerschiefer nicht zu unterscheiden. Die Versteinerungen sind Trilobiten, Gasteropoden (Durchschnitte einer verdrückten Form, die an Murchisonia oder an einen Subulites erinnert), undeutliche Reste von Brachyopoden, dagegen wieder recht deutliche Korallen und Graptolithen.

Sowohl diese letzteren als auch die als Phacops und Calymene bestimm- baren Trilobitenreste deuten daher für diese Schichten mit Sicherheit ihre Zu- gehörigkeit zur unteren Abtheilung des oberen Silurs an. Die südlichere Zone dagegen, in welcher die Gasteropoden und Korallen überwiegen, die jedenfalls einem tieferen Niveau angehört, würde vielleicht mit der Etage 5 des Silurs im südlichen Norwegen zu identificiren sein.

Als Gesammtbild des Gebietes erhalten wir also den Eindruck eines aus sedimentären Schiefern und Conglomeraten bestehenden mächtigen Schichtenge- bäudes der Silur-Formation, in welchem in mehreren Zonen eruptive krystal- ünische Gesteine conform eingelagert sind. Sowohl die ersteren, als die letzteren aber zeigen sich zum Th. in krystallinische Schiefer umgewandelt. Der Grad der Metamorphosirung ist ein sehr verschiedener.

Während die Gneisse und Granulite aus ursprünglich rein klastischen Gesteinen,

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Mineralogie, Geologie un<l Palaeontologie.

aus lockerem Granitgruss und Conglomeraten hervorgegangen sind, wie Revsch meint, sind die Saussuritgabbros, Dioritschiefer u. a. als ursprüngliche Eruptivge- steine und deren Tuffe anzusehen. In beiden Fällen aber erkennt man die An- zeichen, dass gewaltige Druckwirkungen an dem Umwandlungsprocesse wesentlich betheiligt waren, oder denselben sogar eingeleitet und bedingt haben. Daher z. B. die Erscheinung der transversalen Schieferung auch in diesen Gneissen. Selbst dort, wo eruptive Granitadern den Gneiss durchziehen, ist in ihnen eine ausge- prägte Parallelstruktur sichtbar, die der des umgebenden Gneisses entspricht. Er- scheinungen der Streckung, der Zusammenstauchung, Gleitung und Verschiebung sind verbreitet.

Andererseits giebt es aber, wie Reusch ausdrücklich hervorhebt, auch Gneise, die von echt eruptiven Graniten herzuleiten sind: Gneissgranite, deren Empor dringen mit der Faltung der umgebenden Schichten in Verbindung stand.

Natürlich gestaltet sich das Bild des regionalen Metamorphismus bezüglich der Erkennung der ursprünglichen Gesteine um so lehrreicher, je weniger intensiv die Umänderungen gewesen, so dass noch wohl erhaltene, wenig veränderte Gesteine in ihren Uebergängen zu stärker metamorphosirten zu verfolgen sind. In dieser Beziehung ist u. A. das Gebiet der nur partiell metamorphosirten silurischen Formation in den Ardennen1) von Interesse. Das Maasthal zwischen Mezieres und Givet hat einen Durchschnitt durch dieses Gebirge geschaffen, der die innere Struktur desselben erkennen lässt. Sowohl im Süden als im Norden von einer Mulde devonischer Schichten überlagert und begrenzt, tritt hier ein sehr mächtiger Complex von Schiefern, ausgezeichneten Dachschiefern, Quarziten, Sericit-Chlorit- und Hornblendeschiefern, sogen. Porphyroiden und endlich verschiedenen, diesen Schiefern conform eingeschalteten Eruptivgesteinen aut.

Versteinerungen sind in diesem Schichtencomplexe nur an wenigen Stellen und vereinzelt gefunden worden, aber sie genügen, um die unzweifelhaft sedimen- täre Abkunft und das silurische Alter der eigentlichen Schichtgesteine dieser mächtigen Folge zu erweisen. Die Schichten, welche als ganz besonders charak- teristische Anzeichen stattgefundener Metamorphose auch schon von den älteren Erforschern dieser Gegenden, von Dumont u. A. angesehen wurden, sind die an einem grünen, sericitartigen Glimmer reichen Schiefer der Zone von Revin, es sind ferner die Phyllades aimantiferes der Zone von Deville und endlich unvoll- kommen schiefrige oder flaserige Gesteine mit der Mineralführung und der Struktur von Porphyrgesteinen, das sind die sogen. Porphyroide, sowie endlich Dioritgesteine oder Amphibolite in verschieden vollkommen schiefriger Umbildung. Beide letztgenannten Arten von Gesteinen sind von den normalen Schiefern, in denen sie auftreten, fast ganz regelmässig durch sehr vollkommen schiefrige Ge- steine getrennt, die mit jenen gewisse gemeinschaftliche Bestandtheile aufweisen, sonst aber den sericit- oder chlorithaltigen Schiefern einigermaassen gleichen, die ganz unabhängig von jenen erscheinen.

Die Uebergänge, welche von den massigen Porphyren und körnigen Ge- steinen in die schiefrigen hinüberleiten, gleichen ganz denen, welche sich auch zwischen den derben Quarziten, Quarzitschiefcrn und glimmerreichen Quarziten (Quarzophylladen genannt) in den Ardennen verfolgen lassen. Darin liegt jeden- falls ein bedeutsamer Hinweis darauf, dass diese Umänderungen durch eine all-

') GosskI-et, Esquisse geol. du Nord de la France, Lille 1880, und v. Lasaulx, leb« die Tektonik und die Eruptivgesteine der französ. Ardennen etc. Verl», d. naturhist. Verh. f. Rheinl. und Westf. 1883. Oktober.

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Der Metamorphismus der Gesteine.

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gemein wirksame Ursache bedingt sind, die von der Natur des Gesteines un- abhängig ist.

Es ist unzweifelhaft, dass die meisten der sogen. P.orphyroide ursprünglich Eruptivgesteine sind. Ihre massige Struktur ist durch mechanische Umformung in eine flaserig-schiefrige umgewandelt. Zerquetschungen und Verschiebungen der in ihnen ursprünglich vorhandenen, z. Th. sehr grossen Orthoklas- und Plagioklas- krystalle zeigen diese Vorgänge deutlich an. Mit der mechanischen Umformung ging aber eine mineralische Neubildung Hand in Hand. Diese neugebildeten Minerale gehören vornehmlich der Glimmerfamilie an: Sericit, Chlorit, Chloritoid kommen in diesen Gesteinen, oft mehrere zusammen, reichlich vor.

Dass aber nicht nur das Eruptivgestein selbst, vorzüglich nahe seinen Sal- bändern, sondern von diesen aus auch die zunächst liegenden sedimentären Schichtgesteine einer gleichen mechanischen Umformung unterliegen mussten, erscheint ganz natürlich. Die massige, fest gefugte Beschaffenheit des krystalli- nischen Erstarrungsgesteines macht es im Gegentheile geradezu nöthig, dass die leichter nachgebenden, anliegenden Gesteine einen um so höheren Grad der Um- formung erlitten, um die stattgehabte Pressung zu compensiren. Bröcklige, griffei- förmig und feinlagig-spaltende Schü' 'er bilden die unmittelbar an die Eruptivgesteine angrenzende Zone. Die Neubildung gleicher oder nahe verwandter mineralischer Elemente, nämlich des Chlorit und Sericit in beiden Gesteinen dient dazu, die Grenze zwischen dem ursprünglichen Eruptivgestein und den Schichtgesteinen, in denen es emporstieg, oft bis zur Unkenntlichkeit zu verwischen. Sie scheinen dann durch allmähliche Uebergänge mit einander verbunden. Auch mag vom Eruptivgesteine aus eine Imprägnirung der Nebengesteine mit eruptivem Magma stattgefunden haben.

Dort, wo diese mechanische und mineralische Umwandlung eines ursprüng- lichen Eruptivgesteines eine sehr hochgradige geworden, ist an dessen Stelle ein schiefriges Gestein getreten, das äusserlich kaum noch die Erinnerung an das Eruptivgestein erweckt, aus dem es hervorgegangen ist.

Ein ganz besonders interessanter Schiefer dieser Art ist ein äusserlich als Knotenglimmerschiefer zu bezeichnendes Gestein, das ebenfalls den silurischen Schichten der Ardennen an verschiedenen Orten, z. B. bei Les Buttes, soweit man dieses zu erkennen vermag, conform eingeschaltet ist.1) Auf dem Quer- bruche erkennt man, dass die kleinen von grauweisser Glimmermembran um- hüllten Knötchen kleine Quarzkörner, z. Th. deutliche Quarzkrystalle sind.

Die mikroskopische Untersuchung lässt alle Anzeichen eines durch Druck flaserig gewordenen, quarzreichen Porphyrs erkennen. Die Quarzquerschnitte haben vollkommen die Beschaffenheit der Quarzeinsprenglinge in den Porphyren, der Feldspath ist z. Th. noch in seinen Umrissen zu erkennen, seiner Substanz nach aber vollkommen zu fein glimmerigen Aggregaten umgewandelt. Ein farb- loser, lebhaft polarisircnder, sericitartiger Glimmer zieht sich in feinen Lagen durch das Gestein und umhüllt die Quarzkörner, welche auch in eigenthümlich undulösen Polarisationscrscheinungen die ausgestandene Pressung verrathen. Dass hier ein ursprüngliches Erstarrungsgestein zu diesem porphyroidischen Sericitschiefer umgewandelt ist, das lehrt der unmittelbare Augenschein. Fraglich muss es nur bleiben, ob nicht schon das Eruptivgestein selbst bei seiner Erstarrung eine einige rmaassen parallele Anordnung seiner Gemengtheile und damit eine flaserige

') Gosselet u. Barrois, Bullet. Soc. geol. France XL, pag. 667, und Annales Soc. geol. du Nord XI., pag. 140, und v. Lasaulx, Verh. niederrhein. Ges. für Nat.- u. Heilkunde. 1884. August. K.ftxnooTT, Min., Geol. u. Pal. U. 29

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Struktur annahm und ob nicht hingegen körnige Aggregate von Quarz, welche wie Höfe die grösseren Quarzkörner umgeben, /.. Th. als mit der Umformung erfolgte Neubildung anzusehen sind.

Manche schiefrige sogen. Anjphibolite desselben Gebietes sind durch voll- ständige Zersetzung, in Folge deren reichlich Kalkcarbonat neben Epidot und Glimmer sich ausgeschieden hat, und von den ursprünglichen Bestandteilen nur noch die Skelette des Titaneisens übrig sind, fast gar nicht mehr als metamorpho- sirte massige Gesteine wiederzuerkennen.

In den rothen Dachschiefern von Deville andererseits, in denen kleine Oktae- der von Magnetcisen inne liegen, deuten chloritische und aus Quarzkörnem bestehende Höfe um diese ebenfalls die Umformung und Mineralneubildung in einem ursprünglich klastisch-sedimentären Gesteine an.1) Auch von den sogen. Porphyroiden sind einige ursprünglich klastischer Enstehung.

Aehnliche Beispiele der Umwandlung bieten die körnigen und porphy- rischen Eruptivgesteine, welche lagerartig in den Schichten der devonischen Formation in Westfalen und Nassau auftreten. Der Umwandlungsprocess beginnt mit einer plattigen Absonderung der Diabase und es entstehen durch das ganze Gestein Risse parallel derselben. Die Gesteinsgemengtheile werden zertrümmert, die Feldspathkrystalle zerbrochen , gebogen, verschoben, der Augit in zahllose einzelne Brocken aufgelöst, das Titaneisen ebenfalls zerstückelt. Hand in Hand mit dieser Zertrümmerung geht eine intensive chemische und mineralische Um- wandlung. Aus den Feldspathen bildet sich Kaolin, Calcit und Quarz, aus Augit chloritische, grüne Produkte und ebenfalls Quarz und Calcit, von dem Titan- eisen bleiben nur Haufwerke feinkörnigen Titanites übrig. Diese Gemengtheile erleiden eine Streckung parallel den vorhergenannten Rissen, Chlorit besonder siedelt sich in Lagen längs derselben an. Die Schieferung tritt immer deutlicher hervor, bis endlich dünnschiefrige, den umgebenden Thonschiefern gar sehr gleichende Gesteine sich entwickelt haben.2)

Auch unter den grünen Schiefern der Thonschieferformation von Nieder- Schlesien, deren Beschreibung in einer Arbeit von Gurich gegeben ist, treten uns solche entgegen, die sich unzweifelhaft als schiefrige Diabase deuten lassen, und noch sicherer ist das mit den von jenem Forscher als Augitschiefer und Schalstein aufgefassten Gesteinen der Fall.3)

Ebenso deutlich lassen sich schrittweise die Umwandlungen von quar/freiem Porphyr in schaalsteinähnliche Schiefer manchmal verfolgen. Die mächtige Lagermasse von Porphyr, welche bei Oberneisen in Nassau das Liegende der dortigen Rotheisenerzlager bildet, ist gegen diese hin zu einem schiefrigen, mürben z. Th. die deutlichen Anzeichen der Zertrümmerung aufweisenden Ge- steine geworden, das in nichts mehr an den Porphyr erinnert. Dennoch lässt sich die Umwandlung durch ganz allmähliche Uebergänge verfolgen. Dieses Beispiel ist auch insofern noch von Interesse, als es die Vermuthung nahelegt, dass einige der sogen. Schalsteine im Devon von Nassau, die ohne Zweifel verschiedenen Ursprungs sind, durch die mechanische Umformung und damit

l) Renard, Recherches sur la composition et la struclure des phyllades. Bullet, du Mu>« royal ä histoire naturelle de Belgique 1. 1882 u. II. 1883.

,J) A. Schknk, Die Diabase des oberen Ruhrthaies und ihre Contacterscheinungen. Narur- hfat. VeT. Rheinl. u. Westf. 1884

a; Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 1S72. pag. 691.

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Der Metamorph ismus der Gesteine.

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verbundene Zertrümmerung in situ aus echten Erstarrungsgesteinen hervorgingen und nicht ursprünglich tuftartige Gesteine gewesen sind.

Aus Gabbro- und Dioritgesteinen sind im Wildschönauthale in der Nähe von Innsbruck in Tyrol ebenfalls vollkommen schiefrige Gesteine geworden. Die mechanische Umformung zeigt sich in der Zertrümmerung der grossen Diallag- krystalle sehr deutlich. Die Umwandlung des Gabbro's beginnt mit der Umbildung des Diallag zu feinfaseriger Hornblende, des Plagioklas zu saussuritartigen Produkten. Die Gesteine nehmen schiefrige Struktur und ganz das Aussehen von Hornblende- und Chloritschiefern an. Die Umwandlung der Gabbro's führt vornehmlich zu Serpentinschiefern, reich an neugebildetem Magnetit und daher schwarz gefärbt, die der Hornblendeschiefer, die ihrerseits aus dem Gabbro hervorgegangen zu sein scheinen, bildet Gesteine mit reichlichem Epidot- und Kalkgehalt.

Der petrographischen Ausbildung nach vollkommen den krystallinischen Schiefern entsprechende Gesteine sind neuerdings durch H. Stur und H. v. Foul- lon aus der untercarbonischen Formation der Gegend von Kaisersberg bei Leoben in Ober-Steiermark beschrieben worden. Die Zugehörigkeit der Schiefer zur Kohlenformation und zwar zu derem tiefsten Niveau, den sogen. Schatzlarer Schichten, ist durch das Vorhandensein wohl charakterisirter zur Carbonflora ge- höriger Pflanzenreste ausser Zweifel gestellt. Gerade die Chloritschiefer und graphitführenden Chloritschiefer enthalten diese Pflanzen, und es ist also sicher, dass man es hier mit krystallinisch gewordenen Sedimenten zu thun hat.

Es ist für die Lehre des Metamorphismus im Allgemeinen von grosser Be- deutung, dass gerade das chloritische Mineral, welches die pflanzenführenden Schiefer charakterisirt, der sogen. Chloritoid, ganz den glimmerartigen Mineralen gleicht, wie sie in den metamorphosirten Schichtgesteinen der Ardennen, des Taunus u. a. Gegenden auftreten.

Auch der Graphitgehalt gerade der pflanzenführenden Chloritoidschiefer ist wegen des Zusammenvorkommens mit der pflanzlichen Substanz auch für die so oft graphithaltigen älteren krystallinischen Schiefer gewiss von Bedeutung.

In ganz ähnlichen Gesteinen, welche Fouli.on gleichzeitig aus dem Palte- und oberen Ennsthale in Obersteiermark beschreibt, ist die kohlige oder graphi- tische, organische Substanz deutlich als Einschluss in Quarzkörnern und in Kalk- spathrhomboedern vorhanden. Diese Minerale haben sich also erst gebildet, als die vegetabilischen, verkohlten Reste schon vorhanden waren. Der Process der Bildung dieser Minerale und der der Sedimentirung des ursprünglichen, mit den untergehenden Pflanzen gemengten Trümmermaterials gehört also zwei zeitlich getrennten Perioden an.

Es erfolgte jedenfalls die Umwandlung des ursprünglichen Sedimentes in ein krystallinisches Gestein ausserordentlich langsam. Dass hierbei die mechanischen Einwirkungen des Gebirgsdruckes wiederum eine wesentliche Rolle gespielt haben, das folgt aus den starken Verzerrungen, welche die Pflanzenabdrücke in diesen Gesteinen zeigen, aus der dünnplattigen Absonderung und den vielfach zer- brochenen Krystallcn.

Manche dieser Gesteine haben eine vollkommen gneissartige Beschaffenheit angenommen und zuweilen zeigen sie die Struktur der sogen. Augengneissc. In den sonst feinkörnigen Gesteinen erscheinen grössere Feldspath- oder Granat- krystalle porphyrartig ausgeschieden. Diese sind mit einem Ueberzuge der übrigen Bestandtheile umhüllt und bilden Auftreibungen im Gesteine, die an der Oberfläche als KnAen oder Wülste, auf Bruchflächen aber als sogen. Augen er-

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Mineralogie, Geologie und Talaeontologie.

scheinen. Foullon glaubte diese Augen dahin erklären zu können, dass die jetzt porphyrisch erscheinenden Krystalle ein bedeutenderes Fortwachsen erlitten haben, während die übrigen Gemengtheile gar nicht mehr oder nur sehr wenig wuchsen. Durch die schneller sich vergrössernden Krystalle wurden die um gebenden Parthien aufgetrieben. So erscheint denn auch der Glimmer in den umhüllenden Stellen oft stark gebogen und zusammengestaucht, ein Zustand, in den er wohl nicht ursprünglich, ohne eine störende äussere Einwirkung durch die blosse Krystallisation hineingekommen wäre.

Wichtige Beiträge zur petrographischen Kenntniss der krystallinischen Schiefer und ihrer Metamorphose lieferte auch die Beschreibung der Gneissformation des niederösterreichischen Waldvicrtels durch J. Becke.1)

Diese Gneissformation setzt den Ostrand des böhmischen Massivs in einer nur wenig hohen, nördlich von der Donau längs einer von Krems nach Nord- osten verlaufenden Erhebung zusammen. Dieselbe bildet eine ca. 35 Kilometer lange und stellenweise ebenso breite Mulde, in der man deutlich die centrale Parthie und 3 Muldenflügel unterscheiden kann. Ein ausserordentlich reicher Wechsel verschiedenartiger Gesteine setzt diese Mulde zusammen. Es sind dabei zu unterscheiden 1. die glimmei führenden Gesteine: Gneisse, Granulit, Glimmer- schiefer, Quarzitschiefer. 2. die hornblendeftihrenden Gesteine: Dioritschiefer, Granathornblende-, Diallaghornblende-, Gabbrogesteine. 3. Olivinfels, Serpentin, Augitgneiss, Kalksteine und Graphitgesteine.

Dass die Olivingesteine und die aus ihnen herzuleitenden Serpentine, ebenso die Gabbro's ursprünglich Eruptivgesleine sind, welche mancherlei Umwandlungen erlitten, scheint kaum besonders hervorzuheben, dass aber auch die Hornblende- gesteine, welche manchmal in unzweifelhaftem genetischem Verbände mit Olivin- gesteinen entstehen, aus diesen durch Umwandlung entstanden sind und ihrerseits die Verbindung zu dünnschiefrigen Amphiboliten herstellen, das zeigt, wie viel- fach die Vorgänge der mit mechanischer Umformung sich vollziehenden Mineral- metamorphose sich gestalten können. Darnach gewinnt man den Eindruck, dass es eine lang dauernde Entwicklungsgeschichte war, welche zur Bildung dieser krystallinischen Schiefer führte und welche sich unter wechselnden Verhältnissen vollzog, die aber von den heute vorhandenen verschieden gewesen sein müssen.

Auch die Dioritschiefer, mannigfache Uebergänge von körniger, oft granit- artiger Ausbildung zu grobfaseriger und diinnplattig schiefriger Gesteinsstruktur auf- weisend, sind metamorphosirte Erstarrungsgesteine. Für die Amphibolite ist noch ganz besonders bemerkenswerth, dass an ihrer Grenze gegen eingelagerte Kalksteine Contactwirkungen mit vollkommener Analogie der Mineralbildungen sich zeigen, wie diese am Contacte von Kalksteinen und Eruptivgesteinen beobachtet werden.

Bezüglich der eigentlichen Gneisse, welche unter den krystallinischen Schiefern dieses Gebietes vorwalten, ergeben sich manche Erscheinungen, aus denen ebenfalls zu folgern ist, dass ihre ursprüngliche Krystallisation unter Ver- hältnissen erfolgen musste, welche eine überraschende Analogie mit den in Krup- tivgesteinen obwaltenden boten. Aber einzelne Gemengtheile waren offenbar vorhanden, ehe die Gesteinsmasse in der Umgebung derselben den Zustand an- nahm, den man gegenwärtig darin rindet. Die zersprungenen und durch Qua« und Glimmer wieder zusammengekitteten Feldspathaugen der muscovitführenden Augengneissc beweisen dies. Auch die in manchen Gesteinen vorkommende centrische Struktur, wo um ein Mineral, z. B. Granat ein anderes in kranzförmiger

') Ts< hkkmak's Mttthcilungen. IV. 1181, pag. 189.

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Der Metatnorphismus der Gesteine.

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Anordnung sich findet, z. B. Feldspath, zeigt immerhin, dass diese Centra früher vorhanden waren, ehe die anderen Gesteinselemente ihre jetzige krystalline Be- schaffenheit annahmen. Aber diese Erscheinungen sprechen nicht für eine Um- bildung aus sedimentären Gesteinen, Sandsteinen oder Thonschiefern.

Ein ausgedehntes und ausgezeichnetes Gebiet krystallinischer Schiefer bieten die Hochlande von Schottland dar.

Drei verschiedene Gesteinszonen durchziehen von Südwest nach Nordost die Insel. Die südlichste dieser Zonen besteht aus deutlich sedimentären Grauwacken und Schiefern mit zahlreichen Versteinerungen, welche jene als untersilurisch charakterisiren. Die mittlere Zone besteht aus Gliedern der devonischen, car- bonischen und permischen Formation: die nördlichste Zone, welche mehr als die Hälfte des ganzen Landes einnimmt, besteht aus krystallinischen Schiefern mit Einlageningen von Granit, Porphyr u. a. Eruptivgesteinen.

Diese Zone erkannte schon Murchison als die metamorphosirten Aequiva- lente der untersil mischen Schichten der südlichsten Zone.

Das älteste Gestein der metamorphosirten Reihe ist ein körniger Gneiss, der vornehmlich in Sutherland und Ross, den beiden nordwestlichen Grafschaften von Schottland, erscheint. Ueber ihm lagern discordant braunrothe cambrische Sandsteine, Conglomerate und Breccien; auf diesen wieder Quarzite, Kalksteine und eine Serie von Quarzitschiefern, Thon -Glimmerschiefern und Glimmer- schiefern. Das untersilurische Alter dieser Schichten ist durch zahlreiche Ver- steinerungen in den Quarziten festgestellt.

Mit den Anzeichen einer ursprünglich klastischen Beschaffenheit vereinigt sich hier schon manchmal eine feine Schieferung durch Entwicklung von Glimmerlagen in den Gesteinen. Dort aber, wo sie aus wenig gestörter Lagerung in die Stellung stark gefalteter und zusammengeschobener Schichten- systeme übergehen, nehmen sie einen ganz ausgesprochen krystallinen Charakter an. Aus den Gesteinen werden nun geblätterte Glimmerschiefer und Gneisse, welche porphyrische Krystalle von Orthoklas und Granat und Concretionen und Adern von Quarz enthalten.

Jedoch ist die Metamorphose keinesweges gleichartig über das ganze Gebiet hin entwickelt. In gewissen Gegenden treten Thonschiefer auf, welche fast keine Veränderung aufweisen. Jedoch gehen dieselben in gefleckte Knoten- und Andalusitschiefer über. Auch die Kalksteine sind z. Th. krystallinisch körnig ge- worden und enthalten die bekannten Contactminerale.

Mit den auftretenden Graniten und Porphyren sind die Erscheinungen der Metamorphose keinesweges regelmässig verknüpft. Wenn auch in deren Nähe die Schiefer eine gewisse krystalline Entwicklung zeigen, so ist im Grossen doch die Metamorphose nicht von ihnen abhängig, sondern zeigt sich dort am intensivsten, wo die grösste Zusammenfaltung der Schichten zu erkennen ist. Uebergänge aus Granit in Gneiss sind aber an einzelnen Stellen wahrzunehmen.

Wenn daher einerseits in den schottischen Hochlanden unzweifelhaft grössere Complexe ursprünglich lediglich sedimentärer Trümmergesteine durch solche Processe zu krystallinischen Schiefern geworden sind, welche mit der all- gemeinen Gebirgsfaltung zusammenhängen, so ist andererseits auch das Vor- handensein von zu krystallinischen Schiefern umgewandelten Eruptiv- oder Er- starrungsgesteinen ebenso gewiss, wenngleich darüber im Einzelnen gerade aus Schottland und Irland noch keine genaueren Untersuchungen vorliegen. Jeden- falls erscheint es nicht zutreffend, wegen der Uebergänge, welche die^ Gneisse mit

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Graniten verbinden, die letzteren als das Endglied der Metamorphose anzusehen, wie dieses von englischen Geologen z. Th. geschieht1), indem die Gneisse ohne Weiteres alle als krystallinisch gewordene Sedimente und damit in der That als Verbindungsglieder zwischen klastischen Gesteinen und Graniten aufgefasst werden.

Gneiss ist in vielen Fällen unzweifelhaft ein schiefrig gewordener oder auch ur- sprünglich aus der Erstarrung mit Parallelstruktur hervorgegangener Granit Dieser letztere ist also die ursprüngliche Form des Erstarrungsgesteins.

In den Gneissen und gneissartigen Gesteinen begegnen sich gewissermaassen die beiden in entgegengesetzter Richtung verlaufenden Processe und jene scheinen fast für beide als die Endprodukte der eigentlichen Metamorphose angesehen werden zu können.

In der Trennung der Granitgneisse oder echten Gneisse in diesem Sinne von den unzweifelhaft aus klastischen Gesteinen hervorgegangenen gneissahn- lichen krystallinischen Schiefern eröffnet sich auch für die Hochlande Schottlands noch ein Feld wichtiger Untersuchungen.

Ueberhaupt haben von allen zu den metamorphischen krystallinischen Schiefern zu rechnenden Gesteinen die Gneisse die grösste Bedeutung. Schon ihr petrographischer Charakter weist ihnen bestimmt eine Mittelstellung an, da er ihnen bald mehr die Beschaffenheit der Granite, bald mehr die schiefriger und geschichteter Gesteine verleiht.

So waren denn auch schon die älteren Geologen zu der Ueberzeugung ge- kommen, dass es Gneisse gebe, welche wie die Granite Erstarrungs- und Erup- tivgesteine seien, während andererseits die metamorphische Herleitung anderer Gneisse aus Sedimenten ebenso unzweifelhaft sich darbot.

Ein wahrhaft klassisches Gebiet zum Studium dieser Verhältnisse, zugleich dasjenige, über welches viele neuere Arbeiten mehr Aufklärung gebracht haben, als dieses von irgend einem anderen Gebiete der Fall ist, ist das sächsische Granulitgebirge.

Eine in der Richtung von SW. NO. gestreckte Ellipse, welche sich nordwestlich von Chemnitz in Sachsen zwischen Waldenburg an der Zwickauer Mulde und Döbeln und Rosswein an der Freiberger Mulde hinzieht und ein flaches Hügelland bildet, besteht in ihrem centralen Theile aus der vorzüglich aus Granuliten be- stehenden Formation, darunter nicht eine Schichtengruppe, sondern ein Complex zusammengehöriger Gesteine verstanden. An der Zusammensetzung der Granulit- formation betheiligen sich petrographisch recht mannigfaltige Gesteine: ausser den sehr verschiedenartigen Granuliten auch Gneisse, Cordierit- und Granatgneisse, Gabbro's und Amphibolgesteine.

Umsäumt wird die centrale Granulitlinse von einer 2. Zone von Glimmer- schiefern, welche als ein Zwischenglied zwischen die aus Sedimenten hervorge- gangenen Phyllite, der äussersten und 3. Zone der Ellipse und die centralen Granulite sich einschiebt. Auch die Zone der Glimmerschiefer umschliesst sehr verschiedene Gesteine, theils mehr den Gneissen und Granuliten analog, thcils den metamorphischen Schiefern der Phyllitreihc gleichend.

Das ganze Granulitterritorium wird von Thonschiefern umgeben, welche auf der südöstlichen Flanke des Gebirges discotdant von silurischen Schichten über- lagert werden. Auf der nordwestlichen Seite ist jedoch eine Concordanz der an die Phyllite sich anschliessenden cambrischen und untersilurischen Schichten vorhanden; diese gehen in jene Phyllite ganz allmählich über.

') Geikik, Geology. pag. 587.

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Der Metamorphismus der Gesteine.

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So fasste denn auch Naumann die Granulitlinse als eine Eruptivmasse auf, welche auf breiter elliptischer Spalte emporgestiegen sei und welche dann durch Hitze und chemische Beschaffenheit des gluthflüssigen Magma's ihre Umgebung bis auf eine Entfernung von 2— 3 Kilometer metamorphosirte. Die Thonschiefer wurden zu den charakteristischen Gesteinen der Contactringe (Knotenschiefer, Andalusitschiefer.u. a.) und zunächst am Granulit in Gneissglimmerschiefer und Gneiss umgewandelt. In der That gleichen die Gesteine der äusseren Contact- zone, die Knoten-, Frucht- und Garbenschiefer, die Andalusitschiefer und Hornfelse so ganz den Gesteinen echter contact-metamorphischer Zonen, dass in der That schon hierin wohl ein Beweis für die eruptive Natur der centralen Granulitfor- mation gesehen werden darf.

Nur darin unterscheidet sie sich von anderen Contactringen, dass die breite Zone der Glimmerschieferformation mit Gneissen und Gneissgranuliten und vielerlei anderen Gesteinen als eine gewissermaassen neutrale Zone sich ein- schiebt, deren ursprüngliche Gesteine keinesweges so sicher erkannt werden können, wie dieses für die äussere Phyllitzone der Fall ist, die unzweifelhaft aus Sedimenten hervorging.

Durch den vielfachen Wechsel der Gesteine und durch die schichtenartige Gruppirung und Struktur ihrer Glieder erschien dann aber auch die centrale Granulitformation wie ein Schichtencomplex. Hierdurch vornehmlich und durch die Uebergänge, welche in der That die äusseren Glieder des Gebietes mit dem Centraikerne ohne besonderen Intervall zu verknüpfen scheinen, wurden andere Geologen nach Naumann zu der gerade entgegengesetzten Ansicht geführt, in der Granulitformation ein stark metamorphosirtes, aber ursprünglich sedimentäres archaeisches Schichtensystem zu sehen.

Dass auch hier die Wahrheit in der Mitte liegt, und dass zwar in der That metamorphische Prozesse alle 3 Zonen des sächsischen krystallinischen Schiefer- gebirges umgestaltet haben, dass aber von denselben sowohl ursprüngliche Sedi- mente, als auch Erstarrungsgesteine gleichmässig erfasst und zu nahe verwandten Gesteinstypen umgebildet worden sind, das ist vor kurzem durch eine wichtige Arbeit von J. Lehmann eingehend nachgewiesen worden.1) Zugleich hat dieselbe über die Grenzen des sächsischen Granulitgebirges hinaus grosse Bedeutung für die Lehre von der Entstehung der krystallinischen Schiefer überhaupt.

Als Gneiss will Lehmann nur solche Gesteine bezeichnen, welche mit Graniten in unzweifelhaft genetischem Zusammenhange stehen und daher als ursprüngliche, aber metamorphosirte Erstarrungsgesteine gelten müssen. Von diesen echten Gneissen sind gneissähnliche Gesteine, welche aber aus der Metamorphose von Sedimenten hervorgegangen sind, immer zu unterscheiden, wenn das auch oft nicht gerade leicht ist.

Ein sehr wesentlicher Unterschied scheint in der Natur des in den Gesteinen vorhandenen Feldspathes sich zu ergeben. Alle Gesteine, welche unzweifelhaft ursprünglichen authogenen Feldspath enthalten, gehören zu den echten Gneissen. Aus Sedimenten scheinen in Sachsen keine Gesteine hervorgegangen zu sein, in denen in Folge der regionalen Metamoqmose Feldspath in der Masse neu sich ausschied. Die Möglichkeit, dass aber auch krystallinische Fcldspathgesteine ohne Hinzutreten eines Eruptivgesteines, aus Sedimenten hervorgehen können, soll damit im Allgemeinen nicht geleugnet werden, sowie denn thatsächlich die

') Untersuchungen über die Entstehung der altkrystallinischen Schiefergesteine mit besonderer Bezugnahme auf das sächsische Granulitgebirge etc. Bonn 1884.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Verhältnisse der norwegischen krystallinischen Schiefer derartige metamorphe Bildungen dokumentiren. Alle Gesteine mit nachweisslich allogenem Feldspath sind natürlich aus Sedimenten hervorgegangen.

Der gewöhnliche, echte Gneiss ist also nur eine flasrige Strukturform des Granites. Die Parallelstruktur ist meist bald mehr, bald minder das Resultat einer durch Streckung und Pressung veranlassten Metamorphose, in selteneren Fällen auch ursprünglich aus dem granitischen Magma durch eine Art schiefirige Erstarrung vorgebildet. Die Gneisse sind z. Th. ziemlich hochgradig metamor- phosirt, aber das ursprüngliche Gestein war kein Sediment, sondern ein Er- starrungsgestein.

Das schichtenartige Auftreten der Gneisse ist ebenfalls kein Beweis ein« sedimentären Schichtung. Der schichtenförmige Wechsel kann sowohl in der ursprünglichen Erstarrungsrinde der Erde schon vorhanden gewesen sein, oder er ist durch die Pressung und Streckung in Folge der Gebirgserhebung und durch die Injection eruptiver Massen zwischen sich loslösende Parallelmassen bedingt. Gerade dieser Umstand, dass in die älteren Gesteine der Erdrinde, seien die- selben Erstarrungsgesteine oder Sedimente, in so hohem Maasse Intrusivmassen sich zwischen die vorhandenen Schichten einschoben, bedingt den wechselvollen Charakter der Gebiete krystallinischer, metamorphischer Schiefer, wie das in allen im Vorhergehenden aufgeführten Beispielen augenscheinlich war.

Die Granulite Sachsens schliessen sich nach Struktur und mineralogischer Beschaffenheit an die Gneisse an, sie sind z. Th. stark metamorphosirt und bilden Uebergänge zu Hälleflinten oder Felsitschiefern. Aber z. Th. ist gewiss auch bei diesen Gesteinen ursprünglich eine dichte Erstarrungsform vorhanden gewesen, so dass sie sich zu den Gneissen so verhalten, wie die massigen Feisite zu den Graniten. Es besteht also eine Parallelreihc zwischen den Modifikationen der Granite (Granit, Mikrogranit oder Granulit, Fclsitporphyr) und denen der Gneisse (Gneiss, Granulit, Hälleflint oder Felsit). Aber sowie ursprünglich ein Granit schiefrig oder flaserig als ein Gneiss erstarren kann, so können dieselben Struktur- formen auch durch nachträgliche Streckung erst hervorgerufen werden und da- durch je nach der Erstarrungsmodification des Granites entstehen: Gneiss, Gra- nulit, Felsitschiefer. Unter den Veränderungen, welche die Granulite betroffen haben, ist am auffallendsten die Glimmerbildung, dadurch wird der Habitus der Granulite ganz besonders variirt.

Dass durch die Vorgänge der Streckung und die damit verbundene Dislo- cations- oder mechanische Metamorphose aus anderen grosskrystallinisch-körnigen Gesteinen gleichfalls schiefrige Gesteine entstehen können, zeigt Lehmann an den im Granulitgebiete auftretenden Gabbrogneissen und Gabbroschiefern. Auch die Augengranulite und Augengneisse werden von porphyrischen Eruptivgesteinen hergeleitet und stehen in keiner Beziehung zu sedimentären Gesteinen. Denkbar ist es freilich, dass in anderen Fällen auch Conglomerate durch mechanische Umformung eine ähnliche Ausbildung erlangen.

In gleicher Weise hält er auch die sog. Porphyroide, die Phyllitgneisse und sog. Keratophyre für ursprüngliche Erstarrungsgesteine, die aber durch Gebirgs- druck und Streckung schieferig und z. Th. durch Neubildung von Glimmer glimmerreich geworden sind. Sericitgneisse können freilich auch aus Sedimenten hervorgehen. (Vergl. was im Vorhergehenden pag. 450 über die Porphyroide und Sericitschiefer der Ardennen gesagt wurde.)

Ein anderer wichtiger Vorgang aber, welchem Lehmann eine grosse Wirk-

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Der Metamorphismus der Gesteine.

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samkeit bezüglich der Metamorphose zuschreibt, ist die Imprägnation oder Injection der Gesteine mit granitischem oder anderem eruptiven d. h. also aus dem Schmelz- flusse zur Erstarrung kommenden Magma. Das zeigt sich vornehmlich an einer Gruppe von krystallinischen Schiefern, welche in ihrem Reichthum an Biotit einen hochgradigen Metamorphismus erkennen lässt Es sind die Gesteine, welche als Biotitgneisse, Cordierit- und Granatgneisse, sowie als Gneissglimmerschiefer des sächsischen Granulitgebirges aufgeführt werden. Lehmann möchte Mir sie gerade- zu den Namen Injectionsschiefer annehmen.

Ausser der grossartigen Gesteinspressung und damit verbundenen Gleitung im Inneren der Gesteinsmasse ist in diese mehr oder weniger reichlich granitisches Material injicirt und dadurch ihre Struktur oft eine sehr unregelmässige und grobe geworden. So ist es auch namentlich die dem Granulit zunächst befind- liche Schieferzone, die als das Produkt dieser doppelten Metamorphose sich darstellt.

Treffliche Beispiele der Art und Weise der Imprägnirung der Schiefer mit Granit in körniger oder pegmatitischer Beschaffenheit liefern die Schiefer in der Umgebung des Granit von Böhrigen-Berbersdorf bei Rosswein und der Con- tact des Granites im Bahneinschnitte bei Wolkenburg. ') Das Eindringen grani- tischer Massen, mit denen sich die aus der Umwandlung der Granulite hervor- gehenden mineralischen Secrete vermengten, erfolgte von den im Granulitterri- torium eingelagerten Graniten aus und so lässt diese Metamorphose, wenn sie auch im Allgemeinen eine ringförmige Zone um die Granulite bildet, doch keine gleichmässig vom Granulit ausgehende Einwirkung wahrnehmen, sondern eine Ab- hängigkeit von den Graniten. Nur in dem Grade der Glimmerbildung, anfangs nur des weit verbreiteten Muscovit, später des Biotit, kann man eine von allen Seiten nach dem Granulit zunehmende metamorphische Einwirkung erkennen. Aber auch das Auftreten des Biotit in den Gesteinen lässt sich Schritt für Schritt zugleich mit den mechanischen Umformungen verfolgen. Diese gingen voraus und der Glimmer folgte auf den Gleitfugen nach, die jene geschaffen. Liegt also in den an Biotit reichen Gneissen und Gneissglimmerschiefern eine hochgradige Metamorphose vor, so ist für diese noch ausserdem die ungleichartige Vermischung des nur metamorphischen und des durch Injection eingedrungenen granitischen Materials das Charakteristische.

Die Zone der an Biotit reichen Glimmerschiefer ist z. Th. möglicherweise auch auf ursprünglichen Granulit auszudehnen; dass auch dieser durch die Meta- morphose an Biotit reicher wird, wurde schon bemerkt. Hier würde also die Grenze zu suchen sein, zwischen den aus Erstarrungsgesteinen und den aus Sedimenten hervorgegangenen krystallinischen Schiefern. Aber diese Grenze ist bis zur Unkenntlichkeit verwischt.

Dass ein Theil gerade dieser Gneissglimmerschieferzone aber unzweifelhaft auch aus Sedimenten hervorgegangen ist, das beweisen die Conglomeratschiefer von Ober-Mittweida im sächsischen Erzgebirge. Diese, welche in einer im All- gemeinen gneiss- und glimmerschieferartigen Gesteinsmasse zahlreiche runde Gerölle anderer Gesteine enthalten, stehen nachweislich mit echten Gneissen im engsten Lagerverbande. A. Sauer2) hat zuerst diese Conglomerate beschrieben und später auch J. Lehmann3) die Natur der Einschlüsse als Gerölle vollkommen

l) Lehmann, 1. c. pag. 62 und 65.

*) Zeitschr. f. die gesammt. Naturwiss. LH. 1879.

*) 1. c. pag. 124. Vergl. auch die entgegengesetzte Ansicht von Roth, Sitzungsber. <L Akad. Wiss. Berlin, Juni 1883, der die Gerölle für Ausscheidungen hält.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

bestätigt. Sehr bemerkenswerth sind auch an ihnen die Pressungs- und Druck- erscheinungen. Benachbarte Gerolle erscheinen ineinander gepresst, z. Th. sind sie zu vollkommen dünnen Lamellen und Flasern gestreckt und ausgewalzt und mit der umgebenden Gesteinsmasse verzahnt. Auf den Gleitfugen und um die Gerolle findet sich neugebildeter Biotit und Quarz. So lässt sich auch hier der Gang der Umwandlung von einem gerölleführenden Sediment in einen krystalli nischen Schiefer eigentlich Schritt für Schritt verfolgen.

So kann also im sächsischen Granulitgebirge die sedimentäre Herkunft der krystallinischen Schiefer durch die Phyllite hindurch bis in die Zone der Glimmer- schiefer hinein festgestellt werden, in denen auch noch eruptive Gneissbildungen vorkommen mögen, aber nicht weiter. Die eigentliche Hauptgneiss- und Granulit- formation muss als das Produkt ursprunglicher Erstarrung angesehen werden, entweder indem diese Gesteine Glieder der ältesten Erstarrungsrinde unserer Erde sind oder als eruptive Magmen erst später durch die Erdrinde emporgedrängt wurden. Die vielfachsten Veränderungen haben in beiden Fällen diese Gesteine umgestaltet.

Ueberall tritt ganz besonders der Zusammenhang der mechanischen Wirkungen, wie sie in der Gebirgserhebung und Gebirgspressung begründet sind, mit chemisch- mineralogischen Umwandlungen und Neugestaltungen, also stofflichen Umsetzungen hervor. Ueberall gewinnt man den Eindruck, dass die mechanischen Wirkungen nicht nur in dem Sinne bedingend waren für die Mineralneubildungen, dass sie den Raum lieferten, sondern auch dadurch, dass sie die direkte Veranlassung waren zu cbemisch-molecularen Umlageningen.

Wenn die Versuche von Tresca1) und Spring2) dargethan haben, dass feste Körper unter hohem Druck eine ungeahnte Beweglichkeit ihrer Theilchen er- halten, so dass hierdurch Stahl zum Fliessen gebracht wird und Metalle in Stücken zu einer I.egirung sich zusammenpressen lassen, sogar Stoffe durch den blossen Druck zum Eingehen chemischer Verbindungen gezwungen werden können, so haben wir darin gewissermaassen einen Wegweiser zum Verständnisse der Vor- gänge der metamorphischen Processe zu sehen. Bei diesen sind stoffliche Um- lagerungen und mechanische Umformung stets auch mit sogen, bruchlosen Faltungen und starken Windungen der Gesteinslagen verknüpft, welche eine Art plastischen, beweglichen Verhaltens für diese Gesteine ebenfalls nothwendu: zur Voraussetzung haben. Vergl. hierüber auch Artikel Gebirge, Bd. I. pag. 536

Der Zusammenhang der mechanischen Umformungen und intensiven Faltungs- erscheinungen mit der Gesteinsmetamorphose ist auch in einem anderen klassischen Gebiete unzweifelhaft erkannt worden, in den Alpen. Die Arbeiten von Bai.tzex und Heim, deren ebenfalls schon in dem Artikel über die Gebirgsbildung ge- dacht worden ist (I. pag. 537), haben überaus wichtige Thatsachen dieser Art fest- gestellt und gedeutet. Die grossartigen Faltungen der sogen. Glarner Doppel- schlinge zwischen Rhein- und Reussthal, durch welche viele Meilen weit die älteren Schichten auf das Eocän zu ruhen kommen, die ähnliche Tektonik der '1 odi-Windgällengruppc und endlich auch die liegende Falte des Finsteraarhom- massivs, deuten die gewaltigen Wirkungen des Gebirgsschubes an. In der trans- versalen Schieferung des Gneisses im Finsteraarhornmassiv zeigen sich die gleichen Druckäusserungen, wie sie in jüngeren Sedimenten hervortreten. Ge- quetschte und plattgedrückte Versteinerungen, die vielfachsten Erscheinungen

') Compt. rend. 1874, pag. 754 u. 1867, pag. 8g.

») Bullet, de l'Acad. bclg. 1880. XLIV. 323 ff. siehe auch Artikel .Gebirge. Bd. 1, 537

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Der Metamorphisnius der Gesteine.

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der Streckung an den Gemengtheilen der krystallinischen Schiefer, die zerdrückten Quarze, durch Druck bewirkte breccienartige Zertrümmerung der Gesteine, das alles sind Erscheinungen, welche den mechanischen Process verrathen.

Dass auch hier mit dem mechanischen Proccss metamorphe Gesteins- umwandlungen verbunden sind, das zeigt unter anderen die Umwandlung des Marmors gerade an den Stellen, wo sich die Anzeichen starken Druckes auch aus anderen Gründen erweisen lassen. Wenn diese mechanischen Zonen mit der Grenze petrographisch sehr verschiedener Formationen zusammenfallen, z. B. Gneiss und Kalkstein, so kann man dann von mechanischen Contactzonen und von einem eben solchen Contactmetamorphismus sprechen. Aber solche umgewandelte Marmorlager finden sich oft mitten zwischen Kalksteinen, wo sie also nicht zum Gneisse in Beziehung zu bringen sind, sondern lediglich ihr Krystallinisch- werden der mechanischen Druckwirkung verdanken.

So erscheinen z. B. in der Kalkfalte des Piz Alv1) in Graubünden die Kalke des Lias gänzlich zertrümmert und in röthlichgelbcn oder weissen Marmor umgewandelt; die Tausende von Brachiopoden darin sind ohne Ausnahme zer- quetscht und in die Länge gezogen, im Kalk haben sich glänzende Schuppen von Talk entwickelt.

An die Erscheinungen der Injection von Schiefergesteinen mit eruptivem, granitischem Magma, wie sie von Lehmann für manche Gneissglimmerschiefer des sächsischen Gebirges angenommen wird, erinnern auch Verhältnisse, welche Baltzer aus den mechanischen Contactzonen des Finsteraarhornmassiv's beschreibt. Es werden hier durch hohen Seitendruck unter Belastung Erscheinungen hervor- gebracht, die solchen von eruptiver Natur in mehrfacher Beziehung ähnlich sind.

Ursprüngliche Gneissfalten sind in sogen. Keile mechanisch umgewandelt. Der Gneiss ist hier stellenweise stark granitisch geworden, seine Mineralbestand- thcile sind zerdrückt und gequetscht und die so entstandenen Spältchen der Quarze sind mit der feinkrystallinischen Grundmassc injicirt. Solche Keile ge- winnen scheinbar das Aussehen von eruptiven Lagergängen.

Die Sedimente erscheinen nicht selten in das Nebengestein gangartig einge- quetscht. Umgekehrt kommen auch granitische Gneisschollen im Sediment einge- schlossen vor. Bei solchen pseudo-eruptiven Vorkommnissen wird die Täuschung dadurch noch begünstigt, dass Transversalschieferung und mechanische Ver- änderung die Schichtung verwischen. Gewisse Contacte, die man noch für eruptiv hält, möchten wohl nach der Meinung von Bai.tzer auf eine mechanische Inein- anderknetung hinauslaufen.

Das sind aber Vorgänge, die in gleicher Weise die bestimmten Grenzen benachbarter Gesteine zu verwischen in der Lage sind, wie dies die Injection von Eruptivgesteinen vermag, wie sie Lehmann in den krystallinischen Schiefern Sachsens annimmt. Auch die Umgränzung des Granulitterritoriums gegen die Glimmerschiefer ist eine überaus unrcgelmässige, überall sendet der Granulit keil- und buckeiförmige Vorsprünge in das Gebiet der Glimmerschiefer und letzterer dringt dazwischen gegen die Granulite vor. An den schon vorhin erwähnten Graniten von Bölingen und Wolkenburg (pag. 457) zeigt sich eine vollständige Durchdringung und Verknetung von Granit und Schiefcrmaterial. Auch diese Imprägnirung mit granitischem Materiale ist aber nach Lehmann auf dieselbe Ursache, auf die Gebirgserhcbung zurückzuführen.

l) Dr. C. Diknf.r, Kalkfaltc des Tis Alv. Jahrb. d. k. k. geol. Rdchsanst. 1884. XXXIV, Pag- 3'3-

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460 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Auch die schon von Hochstetter beschriebenen und von Lehmann aufs Neue erörterten Verhältnisse im Granulitdistrikte von Knimau, wo der krystallinische Kalk nach Art eines Eruptivgesteines in dioritische Gesteine hineingreift, bieten eine Analogie zu den von Baitzer beschriebenen Erscheinungen dar.

Da nun aber sowohl für die Vorgänge der Gesteinsfaltung und das hierbei vorauszusetzende plastische Verhalten der Gesteinsmasse, sowie auch für den Process der mechanischen Umformung, wie er überall mit der Metamorphose in engstem genetischem Verbände erscheint und endlich auch Air die hierbei sich vollziehenden Mineral Umsetzungen ein hoher Druck als Folge einer grossen Be- lastung als gemeinsame Bedingung gelten muss, so kann also auch die Gesteins- metamorphose im Ganzen als eine abyssische oder plutonische bezeichnet werden.

Die Vorgänge können sich nur in einer grossen Tiefe im Inneren der Erd- rinde vollziehen. Dort ist aber wohl vorauszusetzen, dass die krystallinisch-starre Beschaffenheit in Folge des Druckes in einen magmaartigen, plastischen Zustand übergeführt werden kann, sowie andererseits die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass ein wirkliches Uebergehen in den Schmelzfluss von solchen Gesteins- massen, die unter hohem Druck weit über die Temperatur ihres Schmelzpunktes erhitzt sind, dort erfolgen kann, wo eine Entlastung von diesem Druck durch Aullüftung der aüfliegenden Gesteinsmassen erfolgt. Auch das kann aber im Zusammenhange mit den gebirgsbildenden Bewegungen geschehen. In wie weit solche partielle Wiedereinschmelzungen etwa an den Erscheinungen, wie sie der mechanische Contact im Sinne Baltzer's und die Injection im Sinne Lehmann s darbieten, Theil genommen haben, dartiber müssen erst weitere Untersuchungen entscheiden. Der unter hohem Druck herbeizuführende magmatische Zustand und der durch Aufheben des Druckes bei hoher Temperatur eintretende sohmelz- flüssige Zustand müssen in ihrer Wirksamkeit auf ihre Umgebung und in den Produkten ihrer Erstarrung aber unzweifelhaft die grösste Verwandtschaft besitzen. Und so mag es schwer sein, sie nach ihrer Vollendung in den Gesteinen aus- einander zu halten, um so mehr, da die Zonen der Faltung und der Gebirgs- bewegung für beide gemeinschaftlich die Orte der Entstehung sind.

Fassen wir nun die Erfahrungen über den regionalen Metamorphismus in kurzen Sätzen zusammen, so ergiebt sich:

1 . Der regionale Metamorphismus erfasst in gleichem Maasse Erstarrungs- und Sedimentgesteine. In beiden Arten von Gesteinen entwickelt er gewisse gemein- same Charaktere, welche die ursprünglichen Verschiedenheiten dieser Gesteine sowohl bezüglich der Struktur, als auch der Mineralzusammensetzung verwischen.

2. Der regionale Metamorphismus geht hervor aus der auf dem Gebirgsschube beruhenden mechanischen Umformung der Gesteine, die ihrerseits die Veran- lassung zu einer molecularen Beweglichkeit und darin begründeten mineralisch- chemischen Umlagerung ist.

Die krystalline Gestaltung der mineralischen Neubildungen und das Vor- wiegen verschiedenartiger Glimmerminerale ist hierbei das Charakteristische.

3. Druck, hohe Temperatur, partielle Einschmelzung, moleculare Gleit- fähigkeit oder eine besondere Art der Plasticität und mineralische Lösungen sind die Agenden der Metamorphose.

4. Dieselbe kann sich daher nur in den abyssischen Tiefen des Erdinneren vollkommen vollziehen und verdient daher die Bezeichnung aby ssomechanische Metamorphose.

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Meteoriten.

46,

5. Contactmetamorphose und regionale Metamorphose sind nicht ursächlich verschieden, sondern nur verschieden weit gefassle Begriffe, die sich aus gleichen causalen Beziehungen herleiten.

Die Contactmetamorphose ist nur ein aus der Gesammtheit des auf gemeinsamen Ursachen basirten Complexes zusammengehöriger Erscheinungen der abyssomechanischen Metamorphose herausgelöster einzelner Vorgang.

Die direkte und erkennbare Einwirkung des Eruptivgesteines auf das Neben- gestein tritt hier vor der gemeinsamen mechanischen Umformung und molecu- laren Umsetzung beider Gesteine hervor. In den Gebieten des regionalen Meta- morphismus sind die Erscheinungen der Contactmetamorphose mit den all- gemeineren Erscheinungen innig verknüpft Die Contactmetamorphose erscheint nur da als selbständig und bestimmt begrenzt, wo nur die einseitige Wirkung der Metamorphose beim Zusammentreffen verschiedenartiger Gesteine wahrzu- nehmen ist. Wo nach beiden Seiten hin über die Grenze der Gesteine gleich- artige Wirkungen der Metamorphose sichtbar sind, da geht die Contactmetamorphose in die regionale unmittelbar über.

Literatur: Bai.tzer, A., Der mechanische Contact von Gneiss u. Kalk im Berner Ober- land. Bern 1880. Brügger, W. C, Die silurischen Etagen im Kristianiagebiet und auf Ecker. Kristiania 1882. Daubree, A, Experimentalgeologie , deutsche Ausgabe von Dr. A. Gurlt. Braunschweig 1880. Heim, A., Untersuchungen Uber den Mechanismus der Gebirgsbildung etc. 2 Bde. Basel 1878. Lehmann, J., Untersuchungen Uber die Entstehung der altkrystallinischen Schiefergesteine mit besonderer Bezugnahme auf das sächsische Granulitgcbirge etc. mit Atlas. Bonn 18S4. Reusch, II. II., Die fossilftlhrenden krystallinischcn Schiefer von Bergen in Nor- wegen. Deutsche Ausgabe von R. Baldaue. Leipzig 1883. Rosenbusch, H., Die Steiger- Schiefer und ihre Contaktzone an den Granititen von Barr-Andlau und Hohwald. Strassburg 1877. Roth, J., Uebcr die Lehre vom Metamorphismus und die Entstehung der krystallinischen Schiefer (Abhandl. iler konigl. Akad.) Berlin 1871. Hierin auch die gesammte altere Literatur.

Meteoriten

von

Professor Dr. Kenngott.

Meteoriten (Aerolithen) werden zusammen Stein- bis Eisenmassen (Me- teorsteine und Meteoreisen) genannt, welche kosmischen Ursprunges sind und von Zeit zu Zeit auf unsere Erde unter eigenthümlichen Licht- und Schall- erscheinungen aus dem Weltenraume herabfallen. Sie wurden schon seit alten Zeiten beachtet, wie die Berichte über Steinregen und über das Herabfallen einzelner Steine und Eisenmassen zeigen, im vorigen Jahrhundert besonders aber als ausserirdische Körper bezweifelt und bestritten, bis der Physiker Chladni durch seine überaus wichtige Schrift über den Ursprung der von Pallas gefunde- nen und anderer Eisenmassen u. s. w. Riga 1794, den kosmischen Ursprung unzweifelhaft nachwies. Von da an wurden die Meteoriten Gegenstand wissen- schaftlicher Forschung und Sammlungen derselben zusammengestellt, von denen einzelne wie in Wien, London, Paris, Berlin, Tübingen u. a. m. einen grossen Reichthum derselben aufweisen. Auch aus den zahlreichen Beobachtungen über das Niederfallen der Meteoriten wurden die Vorgänge bei demselben nach Möglichkeit und mit grossem Scharfsinne festgestellt. Die Meteorsteine, welche viel zahlreicher sind als die Meteoreisenmassen, lassen sich im Allgemeinen mit doleritischen Gesteinen unserer Gebirge vergleichen und enthalten meist Meteor-

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Mineralogie. Geologie un«1 Palaeontologie.

eisen in einzelnen Körnchen bis Blättchen mehr oder minder reichlich einge- sprengt, ein Vorkommen von Eisen, wie es in unseren Gesteinsarten nicht be obachtet wird. Einzelne Meteorsteine enthalten kein Meteoreisen. Zwischen den Meteorsteinen ohne solches und den viel zahlreicheren mit mehr oder weniger eingesprengtem Eisen und den eigentlichen Meteoreisenmassen stehen diejenigen locherigen oder zelligcn Eisenmassen, welche gleichsam ein Gemenet von Eisen und Olivin oder anderen Silicaten bilden, so dass alle Funde solcher Körper eine zusammenhängende Reihe kosmischer Körper von den eisenfreien Meteorsteinen an bis zu den Eisenmassen darstellen und dadurch auf einen gemeinschaftlichen Ursprung hinweisen.

Die Meteorsteine haben keine bestimmte Gestalt, sie sind offenbar Bruch stücke grösserer Massen, die zufallig auch kuglig gestaltet sind; sie wechseln sehr in der Grösse, einerseits bis zu staubartiger Kleinheit herabsinkend werden bei zunehmender Grösse auch ansehnliche Steine gefunden. Der schwerste1 von Knyahinya in Ungarn wiegt 294 Kilogramm bei einem Volumen von ei'.va 0,084 Cubikmetcr. An der Oberfläche zeigen die Stücke eine sehr dünne fest- anliegende schwarze bis bräunlichschwarze, matte bis firnisartig glänzende, rauhe, runzliche, unebene oder glatte Rinde, welche als Schmelzrinde bezeichnet wird und von welcher man annimmt, dass sie sich innerhalb der Atmosphäre gebildet habe. Im Inneren sind sie mit irdischen Gesteinsarten vergleichbar, mehr oder minder krystallinisch-körnigc Aggregate gleicher oder ungleicher Substanz, stellen- weise fast dicht, wenigstens für das unbewaffnete Auge, zuweilen brekzieiurtig und bisweilen an vulkanische Tuffe erinnernd. Oft zeigen sich kleine, mehr oder weniger runde Körnchen (Chondren) eingeschlossen.

Die Meteorsteine wurden besonders in neuerer Zeit sehr genau mikroskopisch untersucht und daraus, sowie aus überaus zahlreichen Analysen ergiebt sich, da<s sie als Silicatgesteinc mit doleritischen Gesteinen vergleichbar meist Gemenge sind und als Gemengtheile vorwaltend solche Silicate vorliegen, wie sie als Minerale in doleritischen Gesteinen unserer Erde vorkommen, so solche der Olivin-, Augit- und Feldspathgruppe. Die Bestandteile sind wesentlich Kieselsäure, Magnesia mit stellvertretendem Eisenoxydul, wenig Kalkerde, Thonerde und Alkalien und die dadurch bedingten Spccies sind wesentlich Olivin, Enstatit, der diesem sich anschliessende Bronzit bis Hypersthen, Diopsid, Anorthit und Labradorit. Ausser- dem enthalten sie selten Kohlenstoff als Pigment und feste Kohlenwasserstoff- Verbindung, öfterer Pyrrhotin und meist Meteorcisen als Einschluss. Von den noch gefundenen seltenen Vorkommnissen möge hier abgesehen werden.

Bei der offenbar sehr verschiedenen Mengung und der verschiedenartigen Ausbildungswei.se der Meteorsteine, an welche sich die mit Olivin oder anderen Silicaten verwachsenen Eisenmassen, die eine Eisengrundmasse mit einge- schlossenen Silicaten, eine an porphyrische Struktur erinnernde Ausbildung zeigen, wie der sogen. Pallasit und Mesosiderit, und endlich die Eisenmassen anschliessen. ist es erklärlich, dass man die ganze Reihe der Meteoriten wie Gesteinsarten als Arten zu unterscheiden und zu gruppiren versuchte. So gaben z. B. v. RncHtv bach (Poogendorff's Annalen, Band 107, pag. 155), G. Rose (ebendas., Band pag. 41g und Band 124, pag. 193) und U. Shepakd (Am. Journ. of Scienc 2. Serie, Band 43, pag. 22) systematische Zusammenstellungen der Meteoriten

') Der schwarze Stein in der Kaaba in Mekka, nach P. Partsch ein Meteorstein, dessen Gewicht nicht bekannt ist, beträgt im Volumen wenigsten*» 0,15 Cubikmetcr.

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Meteoriten. 463

und in neuester Zeit G. Tschkrmak (Beitrag zur Classification der Meteoriten, Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch. Band 88, Abth. I, pag. 347) eine solche. Nach des letzteren Eintheilung sind zu unterscheiden:

I. Wesentlich aus Eisen bestehende Meteoriten: Meteoreisen. II. Eisengrundmassc mit eingeschlossenen Silicaten: Pallasit (Eisen und Olivin bilden die Hauptgemengtheile), Mesosiderit (Eisen mit Olivin und Bronzit), Siderophyr (Eisen und Bronzit), Grahamit (Eisen mit Plagioklas, Olivin und Bronzit).

III. Olivin, Bronzit mit untergeordnetem Eisen sind die Hauptgemengtheile. Textur meist chondritisch. Chondrit.

IV. Olivin, Bronzit, Pyroxenc im Wechsel bilden die Hauptgemengtheile: Chassignit (Olivin), Amphoterit (Olivin und Bronzit), üiogenit (Bronzit, oder Hypersthcn), Chladnit (Enstatit), Bustit (Diopsid und Enstatit).

V. Augit, Bronzit, Kalkfeldspath sind die Hauptgemengtheile. Die Rinde ist glänzend: Howardit (Augit, Bronzit, Plagioklas), Eukrit (Augit, Anorthit, statt letzterem auch Maskelynit). Die ausserordentlich mannigfachen und von Augenzeugen verschieden ge- schilderten Fallerscheinungen der Meteoriten, welche dazu führten, dieselben mit den planetarischen Körpern einerseits, so wie mit den Feuerkugeln und Stern- schnuppen in Zusammenhang zu bringen, wurden, so namentlich von W. Hai- niNc.KK (Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch. Band 40, pag. 525; Band 43, pag. 389; Band 58, 2 Abth.) kritisch verglichen und mit Scharfsinn gedeutet. Hieraus wurde gefolgert, dass die Meteoriten, vor deren Herabfallen sich am Tage eine kleine Wolke, in der Nacht eine feurige Erscheinung sichtbar macht, als Bruchstücke planetarischen Ursprunges einzeln oder in Schwärmen sich im Weltenraume mit einer Geschwindigkeit von 4 oder mehr Meilen in der Secunde bewegen und sich bisweilen der Erde so nähern, dass sie schliesslich auf sie herabfallen. W. Haidingf.r fasste die Vorgänge in folgenden Sätzen kurz zu- sammen:

1 . Ein Bruchstück (oder eine Gruppe von Bruchstücken) trifft in seiner Bahn die Atmosphäre der Erde. 2. Die kosmische Geschwindigkeit der Bruchstücke trifft in der Atmosphäre den Widerstand, der sie hemmt. 3. Während der Zeit, dass die Geschwindigkeit abnimmt, wird durch Zusammendrückung der Luft Licht und Wärme entwickelt, der Meteorit rotirt, er erhält eine Schmelzrinde. 4. Die (durch Pressung vor dem seine kosmische Geschwindigkeit verlierenden Meteoriten erzeugte) heisse Luftschichte dringt entsprechend der ursprünglichen Gewalt der Bewegung vorwärts und ballt sich hinter demselben zu einer Feuer- kugel zusammen. 5. Der Stillstand des Meteoriten ist das Ende seiner kos- mischen Bahn. 6. Licht- und Wärme-Entwicklung erlischt, das Vacuum der Feuerkugel wird plötzlich unter gewaltiger Schallerzeugung ausgefüllt. Der innere kalte Kern gleicht sich mit der Hitze der äusseren Rinde aus. 8. Der Meteorit fällt als der Erde angehöriger schwerer Körper zur Erde nieder, um desto wärmer, aus je besser leitendem Material er besteht.

Dass die Erscheinungen nicht übereinstimmend gedeutet werden, zeigen z. B. die von J. L. Smith (Journ. f. prakt. Ch. 85,' 184) geäusserten Ansichten: Das Leuchten der Meteoriten hat seine Ursache nicht im Glühen derselben, sondern in elektrischen Entladungen und anderen Phänomenen; das Geräusch während des Fallens ist nicht durch die Explosion einer festen Masse veranlasst, sondern

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

durch die Erschütterung der Atmosphäre in Folge der schnellen Bewegung oder durch elektrische Entladung; die einzelnen Steine sind nicht Bruchstücke eines grösseren, sondern einzelne kleine Aerolithen, die gruppenweise in unsere Atmosphäre gelangen; die schwarze Rinde ist nicht atmosphärischen Ursprunges, sondern war schon fertig gebildet, als die Meteoriten unsere Atmosphäre be- rührten.

In Betreff der sogen. Schmelzrinde, welche nach W. Haidinger innerhalb der Atmosphäre entsteht, ist besonders noch zu bemerken, dass nach desselben genauer Beobachtung sich an manchen Meteoriten aus der Anordnung der feinen Schmelzrinde und aus der Lage der schaumigen Zone erkennen lässt, welche Seite des Meteoriten beim Fluge durch die Atmosphäre nach vorn und welche nach rückwärts gerichtet war, wonach er die Brust- und Rückenseite desselben unterschied.

Aus Allem ergiebt sich, dass die höchst interessanten Meteoriten noch ge- nügend Stoff zu wissenschaftlichen Forschungen bieten, nachdem die bisherigen seit Chladni zur richtigen Beurtheilung schon sehr viel beigetragen haben.

Myriapoden

von

Dr. Fr. Rolle.

Die Myriapoden oder Tausendfüsse, (Myriapoda), sind gleich den mit ihnen zugleich in der Steinkohlenformation bereits hervortauchenden Classen der Arachniden und Insecten als Abkömmlinge unbekannter älterer Crustaceen (vom Typus der Zria-Larve) zu betrachten, ihre documentirte geologische Geschichte aber beginnt erst mit Xylobius Sigillariae Dawson aus der Steinkohlenformation von Neuschottland (Nova Scotia), einem ausgebildeten Vertreter der Ordnung, der den heutigen Juliden sich schon nahe anschliesst.

Die Myriapoden stehen den Insecten entschieden näher als die Arachniden. Ihr ältester Ursprung ist zwar räthselhaft, dürfte aber mit dem der Insecten von gemeinsamer Wurzel ausgehen. Hierauf deutet wenigstens die Entwicklungsge- schichte der heute noch lebenden Tausendfüsse. Ihr Embryo hat nämlich zu Anfang erst drei Paar Beine, ist also insectenartig. Die übrigen Beinpaare ent- wickeln sich an den Stück für Stück nachwuchernden Hinterleibsringen erst nach dem Ausschlüpfen.

Die heute lebenden Taussendfüsse, mit denen auch die fossil vorkommenden Formen sehr nahe bereits übereinkommen, sind Tracheaten, luftathmende Land- bewohner mit zwei Fühlern, die an der Vorderseite des Kopfes stehen, mit zahl- reichen Beinpaaren, mindestens 7, bei einigen Gattungen bis 90 und darüber. Ihr Körper ist in zahlreiche, untereinander sehr gleichförmige Ringe oder Segmente getheilt, deren jeder ein oder zwei Beinpaare trägt ein Paar bei den Scolo- pendern, zwei Paare bei den Juliden. Thorax und Abdomen sind nur gering von einander verschieden. Dieser Körperbau ergiebt eine gewisse Analogie mit Ringelwürmern, die aber nur äusserlich ist doch kann bei dürftig erhaltenen fossilen Funden diese Aehnlichkeit schon täuschen. Sie stellen auch eine den lsopoden oder Asseln sehr analoge Ordnung dar, aber sie athmen durch Luft- röhren, nicht durch Kiemen, gehen auch in der geologischen Zeitfolge den Asseln weit voraus. Kopf und Mundbildung weist ihnen vielmehr ihre Stellung

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Myriapotlen.

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neben den Insecten an, womit auch die Ergebnisse der vergleichenden Ent- wicklungsgeschichte, wie schon bemerkt, übereinkommen. Sie haben sich daher wahrscheinlich in einer sehr frühen geologischen Epoche von den Insecten ab- gezweigt, jedenfalls schon während oder vor der Steinkohlenepoche.

Sie zerfallen in zwei Ordnungen, Formen mit einem und solche mit zwei Beinpaaren an jedem Rumpfsegment. Alle Arten sind Landbewohner, die in Moos, unter Baumrinden u. s. w. leben; manche führen eine räuberische Lebens- weise. Tropische Arten erreichen eine ansehnliche Länge.

Die ursprünglichste Ordnung der Myriapoden, welche vom Insecten-Typus noch am wenigsten sich entfernt, sind die Scolopendriden oder Chilopoden, bei denen jeder hinter dem Kopf gelegene Körperring nur ein einziges Fusspaar trägt. Ihr Körper ist plattgedrückt und die äussere Bekleidung weich und haut- artig, daher der fossilen Erhaltung ungünstig. Stark entwickelt ist die Kneip - zange im Unterkiefer und der Biss der grossen bis 16 Centim. Fuss) Länge und darüber erreichenden Arten tropischer Länder gilt für gefahrlich.

Diese platten Tausendfüsse mit nur je einem Fusspaare an jedem Brust- und Leibesring hat man Grund für die ältere Form der Classe zu halten, aber ihre Reste fehlen noch unter den Fossilfunden aus den älteren Formationen, wie man annehmen darf, in Folge der weichen Beschaffenheit ihrer äusseren Körperdecke. Aus dem oberen Jurakalk von Kehlheim führt man zwar einen Scolopender auf, aber der Erhaltungszustand dieses Fossils ist sehr unvollkommen und gehört dasselbe wohl eher irgend einem der meerbewohnenden Ringelwürmer an, bei denen ganz ähnliche Gestalten vorkommen. Echte Scolopendriden kennt man erst als Einschlüsse im Bernstein des Samlandes.

Eine zweite Ordnung der Myriapoden sind die Doppelfüsser oder Diplo- poden, Diphpoäa, Julidae. Bei ihnen trägt jedes Rumpfsegment zwei Paar Füsse, eine Eigenthümlichkeit, die sie von allen übrigen Formen der Gliedfüsser (Arthropoda) unterscheidet, also auch von den Insecten weiter als die Scolopen- der entfernt. Ihr Körper ist meist (wie bei Julus) fast drehrund, seltener abge- plattet. Die Ringe über den Rücken sind hornartig-erhärtet, was ihnen ein den Asseln ähnliches Ansehen ertheilt und ihre fossile Erhaltung mehr, als bei den Scolopendern dies der Fall ist, begünstigt. Diese walzenförmigen Tausendfüsse rollen sich auch zu einer Kugel oder zu einer Spirale zusammen. Ihr Unter- kiefer ist nicht mit einer so stark entwickelten Beisszange wie der der Scolo- pender ausgestattet.

Die Diplopoden sind schon in älteren Gebirgsformationen in wohlerhaltenen Exemplaren nachgewiesen. Einen runden Tausendfuss, den heutigen Juliden nahe verwandt, Xytobius Sigillariac, beschrieb Dawson aus der Steinkohlen-For- mation von Nova Scotia. Er fand sich in einer mit Schlamm und Blätterwerk erfüllten Höhlung eines Sigillarien-Stammes in Gesellschaft von landbewohnenden Ganocephalen und einer Landschneckc. Er ist 2,5 5 Centim. (i 2 Zoll) lang hat mindestens 30 Körperringe und zahlreiche kleine Füsschen.

Ein anderer runder Tausendfuss, Julus Brassi, fand sich im Lebacher Eisen- erz (permisches System). Es ist sicher ein Diplopode, vielleicht schon der heute noch lebenden Gattung Julus angehörig. Er zeigt 50 oder mehr Körperringe und an der Stirn ein Paar gegliederte Fühler. Julus ist zusammen mit Scolo- pendern auch im Bernstein des Samlandes fossil erhalten.

Kkhngott, Min., Geol. u. Tal. II.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Opal und Opaline

von

Prof. Dr. Kenngott.

Die unter dem Namen Opal zusammengefassten Vorkommnisse, unter denen die schönste Varietät, der edle Opal oder der Edelopal schon in alter Zeit als Edelstein hochgeschätzt war, wie schon Plinius angab, werden wohl gewöhn- lich als einer Species zugehörig betrachtet, deren specifische Begrenzung insofern schwierig ist, als bei mangelnder Krystallisation die Gestaltung keinen Einfluss hat und die chemische Beschaffenheit sich nicht durch eine Formel ausdrücken lässt. Alle Opale sind amorph und enthalten Kieselsäure (Kieselsäureanhydrid) SiOy und Wasser in ausserordentlich wechselnden Verhältnissen, gewöhnlich 2 13 Procent Wasser, auch weniger oder mehr bis zu 35 Procent, wie der sogen. Wasseropal von Pfaffenreuth bei Passau in Bayern. Sie stellen viele sogen. Polykieselsäuren dar, welche sich von der normalen Kieselsäure, Si04H4 (=2HsO'Si04 mit 62,5 Kieselsäure, Siliciumdioxyd und 37,5 Wasser) nach der allgemeinen Formel m(Si04H4)— nHsO ableiten lassen. Da jedoch die unter dem Namen Opal zu- sammengefassten Vorkommnisse in der Regel nicht mehr den ihnen zukommen- den Wassergehalt besitzen, so lassen sie sich nicht nach chemischen Formeln unterscheiden und man hat deshalb davon abgesehen, diese Vorkommnisse nach dem Wassergehalt als Species zu unterscheiden und begnügt sich, den Opal als amorphe Species in Varietäten zu unterscheiden, die nach anderen äusseren Ver- hältnissen bestimmbar sind.

Wie man durch Zersetzung verschiedener Silicate vermittelst Salzsäure gallertartige, schleimige oder flockige Kieselsäure ausscheidet, dabei die gallert- artige Kieselsäure allmählich erhärtet unter Abgabe von Wasser, so kann man auch annehmen, dass die durch Zersetzung von Silicaten in wässrigen Lösungen enthaltenen Polykieselsäuren sich aus den Lösungen abgesetzt und Opale gebildet haben, deren Wassergehalt durch Austritt von Wasser sich veränderte. Wegen des amorphen Zustandes nennt man auch den Opal amorphe Kieselsäure im Gegensatz zunächst zum Quarz.

Der Opal bildet in Folge seiner Bildungsweise kuglige, traubige, nieren- förmige, geflossene und andere stalaktitische Gestalten, Ucberzüge, Platten bis selbst mächtige Lagen, knollenförmige Ausscheidungen, derbe, dichte Massen, ist oft eingesprengt, bildet das Versteinerungsmaterial von Holz (Holzopal) oder ist erdig, z. Th. schiefrig, in dieser Ausbildung Anhäufungen von Kieselpanzern ver- schiedener Diatomeen darstellend. Die Opale sind farblos, weiss oder gefärbt, glas- bis wachsartig glänzend oder matt, durchsichtig bis undurchsichtig, haben weissen oder wenig gefärbten Strich in Folge kräftiger Pigmente, sind spröde, haben muschligen, unebenen, auch splittrigen Bruch, H. = 5,0—6,0 bei festem, dichten Zustande und spec. Gew. = 1,9—2,3. Sie geben im Kolben erhitzt mehr oder weniger Wasser, sind v. d. L. oft zerknisternd unschmelzbar, geben mit Soda erhitzt unter Brausen ein klares Glas und sind in Kalilauge auflöslich bis auf die unwesentlichen Beimengungen.

Man unterscheidet sehr verschiedene Varietäten z. Th. nur nach dem durch Beimengungen bedingten Aussehen, von denen die wichtigsten folgende sind:

Der Glasopal oder Hyalith, welcher in Höhlungen und auf Klüften basaltischer oder doleritischer Gesteine, wie z. B. bei Waltsch in Böhmen, Bo- names und Rüdigheim bei Frankfurt a. M., am Kaiserstuhl im Breisgau, oder in

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Opal und Opalinc.

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Serpentin wie am Zobten und hei Jordansmühl in Schlesien vorkommend farb- lose, glasglänzende, durchsichtige bis durchscheinende, kuglige, traubige und nierenförmige stalaktitische Gestalten, auch Ueberzüge bildet und 3— 6 g Wasser enthält. Der Edelopal, welcher in Nestern und Klüften oder eingesprengt in einem zersetzten trachytischen Gestein bei Czerwenitza, zwischen Kaschau und Eperies in Ungarn, auch sehr schön bei Gracias a Dios in Guatemala, bei Hacienda Esparanza in Queretaro in Mexiko und in Queensland vorkommt. Er ist bläulich- bis gelblichweiss und zeigt ein ausgezeichnetes Farbenspiel, wesshalb er als Edelstein sehr geschätzt und zum Theil sehr hoch bezahlt wird. Er ist glas- bis wachsglänzend, mehr oder weniger durchscheinend und hat um 10$ Wasser. An ihn reiht sich der sogen. Hydrophan, ein Edelopal von Hubertusburg in Sachsen, welcher durch Verlust an Wasser trübe, matt und weniger durchscheinend geworden ist und sein Farbenspiel verloren hat. Er haftet stark an der Zunge und saugt in Wasser gelegt unter Ausstossen von kleinen Luftblasen Wasser ein, wird wieder durchscheinender und farbenspielend. Nach Verdunsten des eingesogenen Wassers erlangt er sein früheres trübes Aus- sehen wieder. Der Feueropal von Zimapan in Mexiko, Telkebanya in Ungarn, von den Faröein und aus Washington County in Georgia, derb und eingesprengt vorkommend, ist hyazintbroth bis weingelb, glänzend und durchsichtig bis halb- durchsichtig und wird auch als Schmuckstein benützt. Er enthält 6—8$ Wasser und etwas Eisenoxyd.

Gemeiner Opal werden die wachsglänzenden, mehr oder weniger durch- scheinenden Vorkommnisse genannt, welche meist derb bis eingesprengt, in Trümern, auch stalaktitisch bis nierenförmig vorkommen und vom reinsten weissen (dem Milch o pal) beginnend bläulich- bis gelblichweiss durch verschiedene Pigmente mehr oder weniger gefärbt sind, wonach man beispielsweise den wachs- bis grünlichgelben Wachsopal (wie von Telkebanya in Ungarn), den durch Nickelgehalt apfelgrün gefärbten Prasopal (von Kosemitz in Schlesien und Pern- stein in Mähren), der blässer werdend allmählich in Milchopal übergeht, den rosenrothen sogen. Quincyt von Mehun und Quincy in Frankreich, den durch Auripigment gefärbten orangegelben sogen. Forche rit von Knittelfeld in Steyer- mark unterscheidet. Bei mehr Pigment werden sie intensiv ochergelb bis braun, roth, grün gefärbt, wobei auch mehrfarbige vorkommen, und werden bis kanten- durchscheinend. Hierher gehören z. B. die Eiscnopal, Jaspopal und Chlor- opal genannten mit wechselndem Eisenoxydgehalt und manche Holzopale.

Halbopale werden die derb bis eingesprengt, in Trümern, Lagen und Schich- ten, selten nierenförmig und stalaktitisch vorkommenden, auch manche sogen. Holz- opale genannt, welche weiss, gelb, roth, braun bis schwarz gefärbt, wenig glänzend bis matt, schwach durchscheinend bis fast undurchsichtig sind. Ihnen steht nahe im Aussehen der kastanienbraun, leberbraun bis gelblichgrau gefärbte, wenig glänzende bis schimmernde, kantendurchscheinende Leberopal oder Menilit von Menilmontant bei Paris, Nikolschütz und Weisskirchen in Mähren, welcher knollige Concretionen in Klebschiefer, Thonmergel und Schieferthon bildet. Verwandt ist der sogen. Schwimmkiesel (Schwimmstein) von St. Ouen in Frankreich, welcher auch knollig vorkommt, aber fein porös ist, daher anfänglich auf Wasser schwimmt, bis er dasselbe mit Zischen durch Austreten der Luft ein- saugt und untersinkt. ..,

Die Sinteropale, Kieselsinter, Opalsinter, stalaktitische, sinterartige, nierenförmige, warzige Absätze aus heissen Kieselsäure enthaltenden Quellen, wie

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

bei den Geysirs auf Island (daher auch Geysirit genannt), im Nationalpark im oberen Yellowstone-District in Nord-Amerika, auf Neuseeland, bei Santa Fiora in Toscana (daher Fiorit genannt, auch Perlsinter wegen eines eigenthümlichen, perlmutterartigen Schimmers auf der Oberfläche). In Folge langjähriger Absätze dieser Art entstehen allmählich mächtige Massen, z. Th. an die Karlsbader Sprudel- steine des Aragonit erinnernd, welche an wellige Schiefer erinnernd, schalige Absonderung zeigen. Solche Sinteropale sind weiss oder durch Beimengungen, namentlich durch Eisenoxyd oder Eisenoxydhydrat roth bis braun gefärbt, meist matt, undurchsichtig, dicht bis feinerdig, oft etwas porös und wenig an der Zunge haftend.

Lockere feinerdige Massen, durch Kieselreste von Organismen (wie Diato- meen) gebildet, heissen Kieseiguhr, gewöhnlich weiss bis gelblich, matt, mehr oder weniger unrein (Tripel), bei schiefriger Bildung (Polirsch iefer oder Kleb- schiefer), oft in ziemlicher Mächtigkeit auftretend, wie bei Paris, bei Bilin in Böhmen, am Habichtswald in Hessen, bei Ceyssat in der Auvergne (der sogen. Randan it) u. a. a. O. Tripel und Polirschiefer werden häufig zum Schleifen und Poliren verwendet.

An den Opal reihen sich als Opaline dem Opal ähnliche Minerale, welche als Silicate wasserhaltige Verbindungen verschiedener Basen bilden. Da nämlich die sehr zahlreichen Silicate in der grossen Mehrzahl krystal- linische Minerale sind, auch wenn einzelne Varietäten solcher dicht vor- kommen, so erschien es zweckmässig, die verhältnissmässig wenigen Silicate, welche wie der Opal amorphe Species sind, wie er stalaktitisch, dicht bis erdig vorkommen, als Opaline zusammenzufassen und hier zu erwähnen. Sie sind ihrer Zusammensetzung nach Verbindungen der dem Opal zu Grunde liegenden Polykieselsäuren mit Hydraten von Oxyden der Form RO oderR803 und haben in ihrem Aussehen Aehnlichkeit mit Opalen. Bei mehreren isi die Formel nicht genau bestimmbar, weil derartige wasserhaltige Silicate wie die Opale oft durch Austritt von Wasser Veränderungen erleiden, und der ursprüngliche wesentliche Wassergehalt nicht immer festzustellen ist Als Beispiele solcher Opaline, welche im Allgemeinen nicht häufig vorkommen, sind nachfolgende anzuführen :

i. Der Chrysokoll (auch Kieselmalachit, Kieselkupfer oder Kupfer- grün genannt). Derselbe bildet traubige bis nierenförmige stalaktitische Gestalten, bis dünne Ueberzüge, findet sich auch derb bis eingesprengt, bisweilen pseudo- morph, hat muschligen, unebenen bis splittrigen Bruch, ist spangrün bis smaragd- grün oder blaulichgrün bis himmelblau, selten pistaziengrün, wenig wachsartig glänzend bis matt, halbdurchsichtig bis kantendurchscheinend, hat grünlichweissen Strich, ist spröde, hat H. = 2,0—3,0 und spec. Gew. = 2,0—2,3. Er entspricht der Formel HjO-CuO H-HaO,Si02 mit 45,2 Kupferoxyd, 34,2 Kieselsäure und 20,5 Wasser, also wie Malachit zusammengesetzt, nur dass er Kieselsäure anstatt der Kohlensäure enthält, daher der Name Kieselmalachit. Bisweilen enthält er etwas Eisenoxydul oder Eisenoxyd, das letztere in Folge von Beimengung. Im Kolben erhitzt giebt er Wasser, ist v. d. L. unschmelzbar, die Flamme grün färbend, wird in der Reductionsflamme schwarz, in der Oxydationsflamme roth, giebt mit Phosphorsalz die Reaction des Kupfers und ein Kieselskelett, mit Soda auf Kohle Kupferkörnchen und ist in Salzsäure auflöslich, Kieselgallerte abscheidend.

Das Mineral findet sich oft mit Malachit, ist nicht selten und wird, wo es reichlich vorkommt, selbst zum Ausbringen des Kupfers benützt. Als Fundorte sind beispielsweise Bogoslawsk am Ural, Kolywan am Altai, Moldawa und Saska

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Opal und Opalinc.

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im Banat, Saalfeld in Thüringen, Kupferberg in Bayern, Saida und Schwarzenberg in Sachsen, Lauterberg am Harz, Schwatz in Tyrol und Cornwall in England. Als ähnliche Kupferoxyd enthaltende Species wurden der Asperolith und Demidowit von Tagüsk am Ural unterschieden.

2. Der Allophan, gleichfalls traubig, nierenförmig, als Ueberzug, derb und eingesprengt vorkommend, mit muschligem bis unebenem Bruche, farbloss, weiss, durch Beimengungen grün, blau, gelb, roth oder braun gefärbt, glas- bis wachs- glänzend, durchsichtig bis durchscheinend, spröde und leicht zersprengbar, mit H. = 3 und spec. Gew. = 1,8 2,0. Wesentlich nach der Formel 3HgO*Al9Os -h2H30-Si09 mit 40,7 Thonerde, 23,7 Kieselsäure und 35,6 Wasser zusammen- gesetzt, enthält er oft kupfer- und eisenhaltige Minerale beigemengt, wodurch er gefärbt wird, und dadurch anderen Mineralen solcher Ausbildung ähnlich erscheint, wesshalb er Allophan genannt wurde, von *allos< ein anderer und *phänomae* scheinen, weil er etwas anderes zu sein scheint, als er wirklich ist. Im Kolben erhitzt giebt er viel Wasser und wird oft schwarz; v. d. L. schwillt er an, ist aber unschmelzbar. Durch die Beimengungen wird die Reaction auf Thonerde meist verhindert. In Salzsäure ist er löslich, Kieselgallerte ausscheidend. Als Fundorte sind Rauris in Salzburg, Gersbach in Baden, Gräfenthal bei Saalfeld in Thüringen, Schneeberg in Sachsen, Zuckmantel in österr. Schlesien, Petrow und Bonawetz in Mähren, Dognaczka und Moldawa im Banat und Woolwich in England anzuführen.

Nahe verwandt ist der honig- bis weissgelbe, wachsglänzende, kantendurch- scheinende Karolathin von Zabrze unweit Gleiwitz in Schlesien, welcher wahr- scheinlich der Formel HaO-Ala03 -f- H,0-Si02 entspricht, während andere wasserhaltige Thonerde-Silicate, wie der Glagerit von Bergnersreuth bei Wunsiedel in Bayern, der Di Unit von Dilln bei Schemnitz in Ungarn, der an mehreren Orten vorkommende Halloysit und Kollyrit meist als dem Kaolin verwandt angesehen werden.

Auch das Eisenoxyd bildet analog der Thonerde einige wasserhaltige amorphe Silicate, welche wie der Hisingerit, Thraulit, Gillingit, Polyhydrit, Melanolith und Melanosiderit braune bis röthlichbraune, röthlichschwarze und pechschwarze, wachs- bis glasglänzende, durchscheinende bis undurchsichtige, nierenförmige oder derbe Vorkommnisse unterschieden wurden, deren Zusammen- setzung noch nicht sicher festgestellt ist, was bei solchen Neubildungen durch Umwandelung anderer Minerale erklärlich ist. Diesen schliesst sich auch der sogen. Bol an, welcher gleichzeitig Thonerde und Eisenoxyd enthält.

3. ©er Gymnit (auch Deweylit genannt) von den Bare-Hills bei Baltimore in Maryland, Middlefield in Massachusetts, Texas in Pennsylvanien und aus dem Fleimserthale in Tyrol, ein amorphes, wasserhaltiges Magnesia-Silicat, welches derb, z. Th. krummschalig abgesondert, dicht bis erdig vorkommt, mit muschligem Bruche, röthlichgelb, honiggelb, weingelb bis gelblichweiss, wachsglänzend, mehr oder weniger durchscheinend, im Aussehen an arabischen Gummi erinnernd, milde, leicht zersprengbar, mit H. = 2,o— 3,0 und spec. Gew. = 1,9— 2,2. Im Kolben erhitzt giebt er Wasser, schmilzt v. d. L. schwierig an den Kanten zu weissem Email, wird mit Kobaltsolution geglüht rosenroth (die Reaction der Magnesia); ist in Salzsäure mehr oder minder löslich. Er enthält auf 4MgO 3SiOa, doch ist der wesentliche Wassergehalt nicht sicher bestimmt, weil er schon in seinem natürlichen Vorkommen Wasser verliert, so wie beim Liegen in trockener Luft, wodurch er rissig und bröckelig, trübe und zuletzt erdig wird.

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Mineralogie, Geologie und Palneontologic.

Ihm nahe verwandt ist der Genthit von Texas in Lancaster County in Pennsylvanien, der zur Hälfte Nickeloxydul anstatt Magnesia enthält und daher Nickelgymnit genannt wurde. Er ist stalaktitisch traubig bis nierenförmig, bildet Ueberzüge auf Cliromit und ist apfel- bis gelblichgrün, wachsglänzend, durchscheinend bis undurchsichtig, hat H. = 3,0 4,0 und spec. Gew. = 2,4.

Dem Gymnit ähnlich ist auch der Kerolith aus der Gegend um Franken- stein in Schlesien und dem Genthit ähnlich der apfelgrüne Alipit von da, jener wesentlich ein wasserhaltiges Silicat der Magnesia, dieser des Nickeloxydul.

Auch das Eisenoxydul scheint in ähnlicher Weise amorphe wasserhaltige Silicate zu bilden, wie der pistazien. bis olivengrüne Chlorophäit und der apfelgrüne Nigrescit zeigen, die an der Luft dunkler werden und selbst das Manganoxydul fand sich neuerdings im Grubendistrict Penwith im westlichen Cornwall, ein dunkelbernsteingelbes bis röthlichbraunes, glasglänzendes, durch- sichtiges, amorphes Silicat (HaO-MnO -h HaO-SiOa) bildend, welches Penwith it genannt wurde.

Optische Eigenschaften der Minerale

von

Professor Dr. Kenngott.

Unter den physikalischen Eigenschaften der Minerale sind die optischen un- streitig die wichtigsten und mannigfaltigsten; sie werden durch den Einfluss des Lichtes unmittelbar wahrgenommen, wie die Farben, der Glanz und die Durch- sichtigkeits-Verhältnisse oder es sind physikalische Apparate nöthig, um sie zu erkennen und zu unterscheiden, wie die Lichtbrechung und Polarisation ; sie hängen aber in ihrer Erscheinungsweise vielfach zusammen und werden nicht allein durch die chemische Constitution beeinflusst, sondern vielfach auch durch die Krystalli- sation modificirt. Die grösste Mannigfaltigkeit zeigen:

I. Die Farben.

Dieselben werden entweder an der Oberfläche oder durch die ganze Masse hindurch wahrgenommen und erleiden zunächst durch die Grade der Durch- sichtigkeit und die Arten des Glanzes, sowie durch die Krystallisation mannig- fache Abänderungen. So ist z. B. die einfache Unterscheidung der Minerale als farblose und farbige oder gefärbte vom Grade der Durchsichtigkeit abhängig, indem farblose Minerale auch durchsichtig sein müssen. Bei abnehmender Durch- sichtigkeit, wie man dies z. B. an einzelnen Bergkrystall genannten Quarz- krystallen oder an Calcitkrystallen oft sehen kann, erscheinen sie weiss und man könnte auch, wie es bisweilen vorkommt, weisse Minerale farblos nennen, inso- fern weiss keine Farbe ist, doch rechnet man gewöhnlich weisse schon zu den farbigen, weil es verständlicher ist, worauf es bei der Beschreibung der Minerale am meisten ankommt. Man schlipsst sich deshalb in dieser Richtung mehr der Ausdrucksweise im gewöhnlichen Leben an. Farbloses durchsichtiges Eis und der weisse frischgefallene Schnee machen auf das Auge einen verschiedenen Eindruck und es würde in diesem Sinne auffallen, wenn man das Eis weiss oder den Schnee farblos nennen wollte. Deshalb wurde weiss in die Reihe der Farben aufgenommen, welche Minerale zeigen. Wenn den farblosen Mineralen die farbigen oder gefärbten gegenüber gestellt werden, so ist allerdings ein Unter- schied vorhanden, insofern farbige Minerale solche sind, deren Stoff die Farbe bedingt, gefärbte solche, welche durch einen fremden Stoff, ein Pigment, gewisse

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Optische Eigenschaften der Minerale.

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Farben zeigen. So ist der Schwefel an sich gelb, der gelbe Fluorit gelb durch ein Pigment. Hierdurch wird auch die Unterscheidung der wesentlichen und unwesentlichenFarben bedingt, indem die wesentlichen Farben vom wesent- lichen Stoffe des Minerals abhängen, die unwesentlichen von Beimengungen oder auch von beginnenden Veränderungen des wesentlichen Stoffes.

Berücksichtigt man ferner auch den Glanz, so zerfallen die Farben in me- tallische und unmetallische d. h. man unterscheidet die Farbenarten in ihrer Verbindung mit dem Metallglanz oder ohne solchen.

a) Unmetallische Farben. Diese sind am häufigsten zu sehen und werden abgesehen davon, ob sie wesentliche oder unwesentliche sind, ob sie bei auf- fallendem oder bei durchgehendem Lichte gesehen werden am zweckroässigsten nach dem Vorgange von A. G. Werner, der in seiner Schrift »von den äusser- lichen Kennzeichen der Fossilienc 1774 die Grundlagen gab, unterschieden. Der Qualität nach werden hiernach acht Arten unterschieden: weisse, graue, schwarze, braune, gelbe, rothe, blaue und grüne und da diese allgemeinen Angaben nicht genügen, so wurde bei jeder Art eine Charakterfarbe aufgestellt und eigens benannt, welche nach Werner folgende sind:

schneeweiss, die Farbe des frischgefallenen Schnees, das reinste Weiss, aschgrau, das reinste Grau, die Mischfarbe von weiss und schwarz, wie sie

die Holzasche zeigt, sammtschwarz, das reinste Schwarz, so benannt, weil man an Sammt

dieses am besten beurtheilen kann, indem bei diesem Stoffe bei schrägem

Sehen gegen das Licht sich etwaige Beimischungen anderer Farben am besten

beurtheilen lassen,

kastanienbraun, die Farbe der Schaale reifer essbarer Kastanien, citronengelb, die Farbe der Schaale reifer Citronen, karminroth, die Farbe des bekannten Farbstoffes Karmin, sapphirblau, die Farbe der als Edelstein benützten Varietät Sapphir des Korund, woftlr man jedoch gewöhnlich jetzt berlinerblau, nach dem be- kannten Farbstoffe, vorzieht, weil Sapphire seltener so rein blau gesehen werden, smaragdgrün, die reinste grüne charakteristische Farbe der peruanischen Smaragde, einer Varietät des Beryll. Für andere Farben, welche nicht der Charakterfarbe gleichen, von ihr mehr oder weniger abweichen, drückt man sich in sehr verschiedener Weise aus und konnte auch von Anfang an keine Regel dafür aufstellen. Es wird daher, wo es verständlich und genügend ist, die Beimengung einer anderen Farbe einfach aus- gedrückt, oder man wählt, wie schon aus obigen Charakterfarben als anwendbar hervorgeht, gewisse bekannte Objecte, oder andere Verhältnisse, um die Nuancen der Farben erkenntlich zu machen. Bestimmte Definitionen lassen sich nicht geben. Die gebräuchlichen Ausdrücke für von der Charakterfarbe abweichende Varietäten der Farben sind nachfolgende:

bei Weiss: röthlichweiss, gelblichweiss, grünlich weiss, milchweiss (blaulichweiss), graulichweiss, bei Grau: bläulichgrau, perlgrau, rauchgrau, grünlichgrau, gclblichgrau, röthlichgrau, bei Schwarz: graulichschwarz, bräunlichschwarz, grünlichschwarz, röthlichschwarz, bläulich- schwarz,

bei Braun: röthl ichbraun, nelkenbraun, kohlbraun, haarbraun, gelblichbraun, holzbraun, leber- braun, schwärzlichbraun,

bei Gelb: schwefelgelb, strohgelb, wachsgelb, honiggelb, ochergelb, weingelb, cxbsengelb, isabellengelb, orangegelb,

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

bei Roth: morgenroth, hyazinthroth, ziegelroth, scharlachroth, blutroth, fleisehroth, koschentll-

roth, rosenroth, kermesinroth, pfirsichhlüthroth, colombinroth, kirschroth, bräunlichroth, bei Blau: schwärzlichblau, violblau, pflnumenblau, lavcndclblau, lasurblau, smalteblau. indig-

blau, himmelblau, cnlcnblau, und bei Grün: spangrün, seladongrUn, berggrün, lauchgrün, apfelgrün, grasgrün, pisiazien- grün, spargelgrUn, schwärzlichgrün, olivengrün, ölgrün, zeisiggTÜn. (Wegen annähernder Bestimmungen dieser Varietäten und der Begründung der gewählten Ausdrücke sind beispielsweise die Angaben darüber in Brkithaupt's vollst. Handb. der Mineralogie, Band I, pag. 47, Möns' leichtfa.**l. Anfangsgründen der Naturgeschichte des Mineral- reiches I, pag. 315, Hausmann'» Handbuch der Min. I, pag. 403 und Haidinger's Handb. der bestimmenden Min., pag. 334, tu vergleichen.)

b) die metallischen Farben, welche nicht mannigfaltig genug sind, um Charakterfarben und Varietäten zu unterscheiden, werden nach gewissen Metallen und Legirungen (Metallgemischen) benannt, wonach sie folgende sind: silber- und zinnweiss, blei- und stahlgrau, eisenschwarz, tombackbraun, gold-, messing- und speisgelb und kupferroth. Tomback und Messing sind bekannte Legirungen von Kupfer und Zink, speisgelb ist benannt nach der Glockenspeise, dem Glocken- metall, einer Legirung von Kupfer und Zinn. Grüne und blaue, die nur als An- lauffarben vorkommen, können als stahlgrün und stahlblau bezeichnet werden, wie sie als Anlauffarben an Stahl erzeugt werden.

In vielen Fällen, namentlich bei unmetallischen Farben, besonders wo die Menge eines färbenden Stoftes oder der Durchsichtigkeitsgrad es erfordern, wird auch die Farbe noch quantitativ durch die gewöhnlichen und leicht verständ- lichen Ausdrücke: hell, dunkel, hoch, tief, blass, licht, matt, zart, sanft, ver- schossen, verwaschen, düster, schmutzig u. s. w. bestimmt.

Die Farben sind entweder durch die ganze Masse eines Minerals auf gleiche Weise zu sehen oder sie erscheinen an verschiedenen Stellen verschieden durch die wechselnde Durchsichtigkeit oder es erscheinen zwei oder mehr Farben nebeneinander, und es entstehen hierdurch Farbenzeichnungen, die man durch die Ausdrücke: punktirt, gefleckt, geflammt, wolkig, marmorirt, moosartig, ge- streift, geädert, dendritisch, ruinenartig, festungsartig, ringförmig, augig u. s. w. gezeichnet beschreibt.

Wenn man bei diesem Auftreten verschiedener Farben nebeneinander von einem Minerale spricht, so ist damit immer gemeint, dass man die Farbe einzelner Krystallc oder selbständiger unkrystallinischer Gestaltungen oder von Bruchstücken oder von kleinen gleichartigen Mineralmassen, wie sie derb bis ein- gesprengt vorkommen bezeichnet. Besondere Verhältnisse erfordern immer die besondere Angabe der morphologischen Beschaffenheit.

Zeigen Minerale verschiedene Farben, wenn man die Stellung gegen das Auge wechselt, so hängt dies zum Theil von der Krystallisation ab. Hierher gehört:

1. Der Pleochroismus. So bezeichnet man an einzelnen Krystallen die Erscheinung einer verschiedenen Farbe in verschiedener Stellung gegen das Auge bei durchgehendem T achte. Sie wird an solchen Krystallen beobachtet, welche nicht tesscral sind. Tesserale zeigen beim Durchsehen in allen Richtungen die- selbe Farbe und heissen daher monochromatisch oder besitzen Monochroismus. Die anderen zerfallen in zwei Gruppen, indem quadratische und hexagonale beim Durchsehen längs der Hauptachse eine andere Farbe zeigen können, als recht- winklig auf diese gesehen, während Krystalle der anderen drei Systeme nach drei auf einander senkrechten Richtungen verschiedene Farbe zeigen können. Dess-

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Optische Eigenschaften der Minerale.

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balb unterscheidet man die quadratischen und hexagonalen als dichromatische von den anderen, als den trichromatischen. So wichtig auch diese Farben - erscheinungen sind, weil sie von der Krystallisation abhängen und selbst an Krystallstücken, deren Form nicht bestimmbar ist, gesehen jene bestimmen lassen, soweit es in dieser Allgemeinheit möglich ist, so lassen sie sich nicht häufig mit blossem Auge wahrnehmen, in vielen Fällen sehr deutlich vermittelst eines sehr einfachen Instrumentes, Dichroskop genannt. (Haidinger's Handb. der be- stimmenden Mineralogie, pag. 358 und 371.)

Dieses Instrument, auch dichroskopische Loupe genannt, enthält in einer metallenen Röhre ein längliches Spaltungsstück des sogen. Doppelspathes (s. Bd. I, pag. 96) zwischen zwei kleinen Glasprismen. An dem Verschlusse der Röhre ist an der einen Seite eine kleine quadratische Oeffnung in der Mitte der abschliessenden Platte. An dem anderen Ende ist eine entsprechende runde Oeffnung mit einer schwachen Linse. Sieht man durch die runde Oeffnung durch die Röhre hindurch, so erscheint die quadratische Oeffnung doppelt nebeneinander. Hält man nun einen Krystall oder ein Krystallstück oder ein der Untersuchung entsprechend geschliffenes, rechtwinkliges Parallelepipedon des Krystalles dicht an die quadratische Oeffnung und sieht, das Instrument gegen das Fenster ge- halten, durch die runde Oeffnung, so zeigen die beiden Quadrate bei pleochro- matischen Mineralen verschiedene Farben, wodurch der Pleochroismus erkannt wird, indem bei verschiedener krystallographischer Stellung auch die zweierlei Farben anders werden. Bei monochromatischen Krystallen ist die Farbe der beiden quadratischen Bilder dieselbe, nur die eine etwas blässer als die andere. Amorphe Minerale oder Stoffe, wie z. B. Glas verhalten sich wie tesserale Krystalle, wesshalb gegenüber den wissenschaftlichen Bestimmungen die dichro- skopische Loupe auch Verwendung findet, wenn man geschliffene Steine, wie Ringsteine, mit denen man keine anderen Proben vornehmen kann, prüfen will.

2. Die Farbenwandlung, welche selten vorkommt, sehr schön am Labra- dorit und Orthoklas und wobei in gewissen Stellungen bei reflectirtem Lichte bunte Farben sichtbar werden. Die Stellung ist krystallographisch bestimmbar, die Ursache der Erscheinung noch nicht endgiltig festgestellt. Daran schliesst sich die Lichtwandlung, wenn nur in gewissen Stellungen ein einfarbiger oder heller Lichtschein sichtbar wird, wie bei Chrysoberyll.

3. Der Asterismus, schon in alter Zeit an Sapphir wahrgenommen, daher von Plinius der Astrios angeführt wurde. So zeigt z. B. kopfförmig über die Basis- fläche geschliffener Sapphir einen sechsstrahligen Stern, wenn er vom Sonnen- licht bestrahlt wird, oder es zeigt derselbe, wenn man eine senkrecht auf die Hauptachse geschliffene Platte gegen ein Licht hält, einen sechsstrahligen Stern (daher der Name Sternsapphir). Auch bei Glimmerlamellen, wenn man durch sie gegen eine Lichtflamme sieht, zeigt sich eine ähnliche Erscheinung, sowie noch bei anderen Mineralen. Der Grund dieser Erscheinung liegt zum Theil in den Spaltungsflächen entsprechenden Sprüngen oder in bestimmt angeordneten linearen Einschlüssen oder in Hohlräumen von bestimmter Stellung und Gestalt. In gewissem Zusammenhange damit stehen die BREwsTER'schen Lichtfiguren, welche auf geätzten oder rauh geschliffenen Flächen sichtbar werden und deren Erscheinungsweise mit den Aetzfiguren (Bd. I, pag. 162; Bd. II, pag. 288) in Verbindung steht.

Streng genommen sind diese Erscheinungen nicht zu den Farben zu rechnen, da sie zum Theil auf der Reflexion des Lichtes beruhen, nur werden sie hier im

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474 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Anhang an die Farben- und Lichtwandlung angeführt, weil doch an den Stellen, wo derartige Figuren gesehen werden, die Farbe der Krystalle durch den Licht- schein verändert erscheint.

Von der Krystallisation unabhängig sind das Farbenspiel oder das Er- scheinen verschiedener bunter Farben bei dem edlen Opal bei wechselnder Stellung der Oberfläche gegen das Auge und das Irisiren oder das Sichtbar- werden von regenbogenfarbigen concentrischen ring- oder bogenförmigen Farben- zonen im Inneren von Krystallen, in Folge von Sprüngen im Inneren. Schliesslich ist noch die Fluorescenzzu erwähnen, die nach der Erscheinung verschiedener Färbung von Fluoritkrystallen (s. Bd. I, pag. 433) bei auffallendem und durch- fallendem Lichte benannt wurde, auch an sicilianischem Bernstein vorkommt.

Nicht immer bleibt die Farbe eines Minerals dieselbe, sondern es treten auch mit der Zeit Verschiedenheiten ein, welche meist durch chemische Ver- änderung bewirkt werden. Hierher gehört: 1. das Anlaufen, wenn auf der Oberfläche eines Minerals oder auf Absonderungsflächen (also auf der Oberfläche der Absonderungsstücke) eine andere Farbe sichtbar ist, als die übrige Masse zeigt. Man unterscheidet einfarbiges oder mehrfarbiges (buntes) Anlaufen, bei letzterem das pfauenschweifige, taubenhälsige, regenbogenfarbige u. a., wie man sieht, nach dem Eindrucke der bunten Farben durch ihre Mannigfaltigkeit, die man zu benennen versucht. Die Ursache ist das Entstehen eines sehr dünnen fremdartigen Ueberzuges auf der Oberfläche, welcher entweder durch beginnende chemische Umänderung, wie bei Arsen, Silber, Hämatit, Pynhohotin, Pyrit, Chalko- pyrit und Bornit, oder durch einen zarten Niederschlag fremder Substanz entsteht, wie z. B. von Eisenoxydhydrat auf Bergkrystallen. 2. das Verfärben, wozu auch das Verblassen und Verdunkeln gehört, wenn die Farbe der Mineralmasse allmählich, gewöhnlich von aussen nach innen fortschreitend eine andere wird, was von chemischer Veränderung herrührt und wovon der Anfang bisweilen durch das Anlaufen angezeigt wird. Auch kann die Veränderung unter Umständen sich nur auf das vorhandene Pigment eines gefärbten Minerals beziehen. So wird der weisse oder farblose Vivianit blau, der weisse oder farblose Siderit gelb, braun, roth oder schwarz, indem bei beiden das ursprünglich vorhandene Eisen- oxydul sich verändert; so wird rauchbrauner Feuerstein weiss, wenn der färbende Kohlenwasserstoff ausbleicht.

Zum Schluss ist noch die sogen. Strichfarbe der Minerale anzuführen, welche auf der bekannten Erscheinung beruht, dass das Pulver einer Substanz meist eine andere Farbe zeigt als sie selbst. Man pulverisirt desshalb nicht das Mineral, um die Farbe des Pulvers zu sehen, sondern man erzeugt leicht das Pulver eines Minerals, wenn man mit demselben über eine rauhe Fläche streicht, wodurch pulverulente Theilchen hängen bleiben und um die Art der Pulverfarbe richtig beurtheilen zu können, nimmt man hierzu eine rauhe weisse Porzellanplatte. Hat man diese nicht zur Hand, so kann man auch durch Ritzen mit dem Messer in vielen Fällen schon die Farbe des Pulvers be- urtheilen. Bei vielen Mineralen ist die Farbe des Pulvers etwas blässer als die Farbe der Masse, bei vielen nur weiss, bei anderen verschieden von der der Masse und in solchen Fällen ein gutes Kennzeichen des betreffenden Minerals. So z. B. ist bei dem schwarzen Magnetit das Pulver schwarz, bei dem schwarzen Chromit braun, bei dem schwarzen Hämatit roth, bei dem schwarzen Pyrolusit schwarz, bei dem schwarzen Manganit braun.

II. Der Glanz. Er wird durch die Reflexion des Lichtes hervorgebracht

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Optische Eigenschaften der Minerale.

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und nach seiner Art und Stärke unterschieden. Hiernach giebt es Metallglanz, Diamantglanz, Glasglanz, Wachsglanz und Perlmutterglanz und die Stärke des Glanzes bezeichnet man durch die Ausdrücke starkglänzend, glänzend, wenig glänzend, schimmernd und matt in absteigender Ordnung bis zum gänzlichen Mangel an Glanz, in welchem Falle das glanzlose Mineral matt genannt wird.

Die Arten des Glanzes sind, wie die Namen andeuten, durch Vergleichung zu bestimmen und wenn ein Name nicht ausreichend erscheint, so sucht man es durch Umschreibung auszudrücken, sodass man angiebt, ob der Glanz zwischen zwei Arten liegt, einem zweiten sich nähere und dergleichen. Bei der grossen Mannigfaltigkeit des Glanzes und den wenigen Arten wird dies oft nothwendig, zumal der Glanz desselben Minerals oft wechselt, ein Glanz in den anderen über- geht. So ist z. B. der Metallglanz ein vollkommener oder unvollkommener, in einen anderen Glanz neigender, in welchem Falle man auch halbmetallischen Glanz unterscheidet, von metallähnlichem Perlmutterglanz oder Glasglanz spricht, wie auch unmetallische Arten in einander übergehen.

Bei dem Wachsglanz, der nach dem Glänze von frisch angeschnittenem Wachs benannt wird, ist zu bemerken, dass man denselben auch Fettglanz nennt, besonders wenn die Farbe des Minerales weiss oder eine helle ist, im Gegensatze wozu man auch von Firniss-, Harz- oder Pechglanz spricht, wenn die Farbe des Minerals eine dunkle ist. Auch die Ausbildung des Minerals kann den Glanz modificiren, indem z. B. bei Mineralen mit Perlmutter- oder Glasglanz, wenn sie fasrig ausgebildet sind, der Glanz an Seide erinnert, wonach man ihn als Seidenglanz bezeichnet. Auch ist der Glanz desselben Minerals nach der Art der Flächen verschieden, insofern z. B. verschiedene Krystallflächen verschieden glänzen können, die Spaltungsflächen einen anderen Glanz zeigen als die Krystallflächen oder als die Bruchflächen.

Die Stärke des Glanzes hängt meist von der Beschaffenheit der Oberfläche des glänzenden Minerals ab, und es zeigen desshalb in der Regel vollkommene Krystall- und Spaltungsflächen den stärksten Glanz, woher auch der Ausdruck spiegelflächig glänzend neben stark glänzend kommt, bei Bruchflächen kann nur aut vollkommen muschligen der Glanz am stärksten sein. Die Stärke des Glanzes überhaupt beurtheilt man durch Vergleichung und durch Uebung am besten, weil man es nicht bestimmt bemessen kann und ist auch keine wesent- liche Eigenschaft. Das Schillern und Flimmern, welches selten vorkommt, ist das Auftreten von stärkerem Glanz bei gewisser Stellung und an vielen kleinen Theilen einer Fläche, meist hervorgerufen durch fremdartige Einschlüsse sehr kleiner Krystalle oder durch kleine Hohlräume oder durch feine Absonderungs- flächen im Inneren.

III. Die Durchsichtigkeit (Pellucidität) der Minerale hängt von der Menge des Lichtes, welches durchgeht, ab und ganz besonders von der Grösse der zu beurtheilenden Stücke, sowie von der Farbe. Die Abstufungen der Durch- sichtigkeit sind daher nur relativ, insofern dickere oder dünnere Platten oder Krystalle in verschiedener Richtung betrachtet oder wechselnde Stärke der Färbung dieselben bedingen. Für gewöhnlich unterscheidet man die Minerale als durchsichtige, halbdurchsichtige, durchscheinende, kantendurch- scheinende und undurchsichtige. Durchsichtig ist eine zu bestimmende Mineralprobe, ein Krystall, ein Spaltungsstück, eine Platte oder ein Bruchstück, wenn man Gegenstände durch dasselbe deutlich sehen, z. B. Schrift durch das-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie

selbe lesen kann. Ist ein solches Mineral zugleich farblos, so nennt man es wasserhell. Undurchsichtig oder opak ist ein Mineral, welches selbst durch dünne Splitter oder scharfe Kanten kein Licht durchscheinen lässt. Durchscheinend nennt man ein Mineral, welches nur das Licht durchscheinen lässt, ohne dass man dahinter befindliche Gegenstände in deutlichen Umrissen erkennen kann. Zwischen durchscheinend und durchsichtig schaltet man halbdurchsichtig ein, wenn man Gegenstände erkennen, aber nicht ihre Umrisse deutlich sehen kann, kantendurchscheinend nennt man ein Mineral, wenn nur dünne Splitter oder scharfe Kanten das Licht durchscheinen lassen.

Verschiedene Abstufungen zeigen sich oft an demselben Stücke in ver- schiedener Richtung oder an verschiedenen Stellen und bei Platten oder Spaltungs- lamellen kann man sie beliebig hervorrufen. So können dicke Spaltungsblätter von Glimmern undurchsichtig sein und dünne Spaltungsblättchen durchsichtig er- scheinen. Selbst undurchsichtige Minerale, die nicht kantendurchscheinend sind, wie metallische, können in ausserordentlich dünnen Blättchen oder Schichten Licht durchscheinen lassen, wie z. B. das Blattgold grün durchscheinend ist.

IV. Die Strahlenbrechung und Lichtpolarisation.

Es ist eine bekannte Erscheinung, dass Lichtstrahlen, welche durch einen Körper hindurchgehen und mit der Oberfläche einen schiefen Winkel bilden, von ihrer Richtung abgelenkt, gebrochen werden, wesshalb z. B. ein in Wasser schief hineingehaltener Stab, wenn noch ein Theil herausragt, wie gebrochen erscheint

Die Brechung der Lichtstrahlen ist nach der Beschaffenheit der Körper, durch welche sie hindurchgehen, eine verschiedene und kann genau bestimmt werden. Bezeichnet man mit e den Einfallswinkel, den Winkel, welchen der Strahl mit dem im Einfallspunkte senkrecht auf der Oberfläche errichteten Einfallsloth bildet, welches man sich in das Medium, in welches der Lichtstrahl aus einem anderen Medium kommend eindringt, verlängert denkt, und bezeichnet man mit r den Brechungswinkel, den Winkel, welchen der gebrochene Strahl mit dem nach unten

Sttt

verlängerten Einfallsloth bildet, so ist der Quotient n = für dasselbe brechende

Medium eine constante Grösse, gleichviel wie gross der schiefe Einfallswinkel ist.

Der Brechungsquotient (auch Brechungsexponent, Brechungsindex) genannt, ist immer so aufzufassen, dass er für Licht gilt, welches aus dem leeren Räume in den das Licht brechenden Körper gelangt. Für Luft ist er äusserst klein n 1,000294, für Wasser (bei io°C) = 1,3336, für Steinsalz = 1,5448, für Berg- krystall = 1,548, für Diamant = 2,4195. Im Allgemeinen ist «>1 bei dem Uebergang aus einem dünneren in ein dichteres Medium.

Auf diese Brechung, welche eine interessante physikalische Erscheinung ist, hat jedoch auch die Krystallisation einen Einfluss, indem nämlich tesserale Krystalle sich anders verhalten als andere, welche das Licht doppelt brechen, d. h. dass durch nicht tesserale Krystalle der Lichtstrahl nicht nur gebrochen wird, sondern der Strahl in zwei Strahlen getheilt wird, welche in veränderter Richtung durch den Körper durch gehen.

Diese Doppelbrechung des Lichtes wurde 1669 von Erasmus Bartholin (Experimenta crystalli islandici disdiaclastici, quibus mira et insolita retractio detegitur. Havniae 1669) an dem isländischen farblosen Calcit, dem desshalb Doppelspath genannten entdeckt und diese Entdeckung führte zu den wichtigsten Resultaten über den Einfluss der Krystallisation auf die optischen Erscheinungen.

Legt man ein farbloses (rhomboedrisches) Spaltungsstück dieses Minerals auf

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Optische Eigenschaften der Minerale.

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ein Blatt Papier, auf welches man einen Punkt gemacht oder eine Linie gezogen bat oder geschrieben hat, so erscheinen der Punkt, die Linie oder die Schritt doppelt. Die durch einen Nadelstich in einem Papierblatt erzeugte helle Oeffnung erscheint, durch das Spaltungsstück gesehen, als ein doppeltes Lichtbild. Das eintretende Lichtbündel wird also in zwei Strahlen zerlegt. Der eine der beiden Strahlen hat den Brechungsquotienten constant, der andere hat einen mit der Richtung des einfallenden Strahles wechselnden, weshalb jener der ordentliche oder gewöhnliche, der andere der ausserordentliche oder ungewöhnliche ge- nannt wird, daher die Unterscheidung beider durch die Buchstaben O und E.

Die am Doppelspath gefundene und leicht zu beobachtende Doppelbrechung zeigt sich allgemein bei allen hexagonalen und quadratischen durchsichtigen Krystallen, nur ist noch ein Unterschied gefunden worden, wonach man die Doppelbrechung als negative und positive unterscheidet. Ist nämlich n für O grösser als n fUr E, so ist die Doppelbrechung negativ wie bei Calcit, ist aber n für O kleiner als n für E, so ist sie positiv, wie bei Quarz.

Schleift man an einem Spaltungsrhomboeder des Doppelspathes die beiden Endecken weg, so dass die Schliffflächen parallel den Basisflächen oR sind, also senkrecht zur Hauptachse, so bemerkt man bei senkrechtem Sehen gegen die Basisflächen oder parallel der Hauptachse keine Doppelbrechung, bei schiefem Hindurchsehen aber zwei Bilder. Hiernach ist also die Richtung der Haupt- achse die der einfachen Brechung und man benennt diese eine Richtung die optische Achse, und da sich dies bei allen hexagonalen und quadratischen Krystallen in gleicher Weise zeigt, so sind sie optisch einachsig und die optische Achse entspricht der krystallographischen Hauptachse.

Krystalle der anderen Systeme, des orthorhombischen , klinorhombischen und anorthischen Systems sind auch doppeltbrechende, doch haben sie keinen ordentlichen Strahl, sondern beide Strahlen haben variable Brechungsquotienten. Ausserdem zeigen sie zwei Richtungen oder Achsen einfacher Brechung und sind demnach optisch-zweiachsige Krystalle. Die beiden optischen Achsen schneiden sich meist unter schiefen Winkeln und wenn diese beiden Winkel halbirt, diese Hal- birungslinien Bisectrix genannt werden, so stehen beide Bisectrix senkrecht auf- einander und werden als spitze und stumpfe unterschieden, je nachdem eine Bisec- trix den spitzen oder stumpfen Winkel der optischen Achse halbirt. Die Ebene, in welcher die beiden optischen Achsen und die beiden Bisectrix liegen ist die optische Achsenebene und die Normale auf derselben heisst die optische Querachse oder die optische Normale. Von allen anderen Verhältnissen der Doppelbrechung hier absehend, welche Gegenstand der Physik sind und in be- züglichen Werken, wie in Schrauf's Lehrbuch der physikalischen Mineralogie, P. Groth's physikalischer Krystallographie, Wüi.lnfr's Lehrbuch der Experimen- talphysik oder in ausführlichen Lehrbüchern der Mineralogie, wie in Naumann- Zirkel's Elementen oder G. Tschermak's Lehrbuch der Mineralogie u. a. m. eingehend erörtert werden, ist nur noch anzuführen, dass in den drei genannten Systemen die optische Achse und die optische Achsenebene nicht überein- stimmende Verhältnisse zeigen. Im orthorhombischen Systeme entspricht die optische Achsenebene einem der drei krystallographischen Hauptschnitte und die beiden Bisectrix den beiden in einer solchen liegenden krystallographischen Achsen, die optische Querachse ist dann die je dritte Krystallachse. Bei den klinorhombischen Krystallen entspricht die optische Achsenebene entweder dem klinodiagonalen Hauptschnitt und die optische Normale der krystallographischen

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478 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Orthodiagonale (der Querachse) oder die optische Achsenebene entspricht irgend einer Ebene senkrecht auf dem klinodiagonalen Hauptschnitte, also einer Ebene in der Querachsenzone. Bei den anorthischen Kiystallen ist die optische Achsen- ebene irgend eine durch den Mittelpunkt geführte Schnittebene, deren I^age keine allgemeine Beziehung zu den Achsenebenen aufstellen lässt, sondern in jedem einzelnen Falle durch Versuche gefunden werden muss.

Die doppelte Strahlenbrechung, welche man am Doppelspath in so ausge- zeichneter Weise wahrnehmen kann, lässt sich meist an anderen Mineralen nur mit eigentümlichen Schwierigkeiten wahrnehmen, sie steht dagegen mit der Polarisation des Lichtes, welche die Physik lehrt und worüber man in den oben angegebenen Schriften Belehrung finden kann, in innigem Zusammenhange und da die Erscheinungen derselben leichter vermittels verschiedener Polarisa- tionsapparate bestimmt werden können, so dienen sie wesentlich zur Erkennung der Strahlenbrechung, der einfachen und der doppelten und der Unterschiede bei der letzteren. Unter der Polarisation des Lichtes versteht man eine eigen- tümliche Modifikation desselben, vermöge welcher eine fernere Reflexions- und Transmissionsfähigkeit nach gewissen Seiten hin theilweise oder gänzlich aufge- hoben* wird. Das Licht wird nicht nur bei einer bestimmten Reflexion, z. B. an Glasplatten in bestimmter Stellung polarisirt, sondern auch bei einer bestimmten Art der Brechung; die beiden Strahlen, welche ein doppelt brechender Krystal! liefert, sind vollständig polarisirt und zwar senkrecht gegeneinander.

Die Polarisationserscheinungen sind Gegenstand eingehender Studien ge- worden und es dienen zur Beobachtung derselben in neuerer Zeit besonders die mit zwei sogen. NicoL'schen Prismen versehenen Polarisationsmikroskope, doch kann hier wenigstens eines sehr einfachen Apparates gedacht werden, der sogen Turmalinzange, welche von dem französischen Physiker Bior (dessen Traitc de phys. IV, pag. 312) ausgedacht, für einfachere Ermittelung des Zusammen- hanges der Doppelbrechung und Polarisation sehr zweckmässige Verwendung (Miu 229) findet. Er fand nämlich, dass zwei gleich dicke, aus einem pris-

matischen Tu rmalinkry stall parallel der Hauptachse geschnittene, klare Turmalinplättchen in derselben Stellung, wie sie geschnitten wurden, aufeinandergelegt klar bleiben, dass aber, wenn man das eine Plättchen um 90 0 auf dem anderen liegend herumdreht, wo- durch die Hauptachsenrichtungen beider sich senkrecht kreuzen (s. Fig. 104, b) und nun durch beide Plättchen hindurchsieht, da wo beide Plättchen einander decken, eine starke Verdunkelung eintritt In der Turmalinzange (Fig. 104, a) sind nun zwei solche Plättchen eingesetzt und die elastische aus starkem Metalldraht gefertigte Zange gestattet, passende Mineralproben zwischen die beiden Plätt- chen einzuschieben und festzuhalten, damit man sie zwischen den drehbaren Turmalinplättchen beobachten kann. Legt man zwischen die beiden senkrecht gekreuzten Turmalinplättchen, die man be- liebig drehen kann, Mineralplättchen , Spaltungslamellen, selbst Splitter, so bleibt, wenn das zu untersuchende Mineral einfach- brechend ist, wie die tesseralen und amorphen, der dunkel ge-

Fii? 104

wordene Theil der beiden Turmalinplättchen dunkel oder es ändert sich nichts an der Verdunkelung. Ist dagegen die Probe einem doppeltbrechenden Minerale angehörig, so wird die Verdunkelung aufgehoben, bei einzelnen kleinen Splittern, soweit als sie reichen. Werden aber zwischen die beiden Turmalinplättchen

1

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Optische Eigenschaften der Minerale.

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zweckentsprechende Mineralplättchen eingeschoben, welche entweder aus optisch- einachsigen Krystallen senkrecht auf die optische Achse (die krystallographische Hauptachse) geschnitten sind oder welche aus optisch-zweiachsigen Krystallen senkrecht auf die eine der optischen Achsen oder senkrecht auf die spitze op- tische Mittellinie geschnitten wurden, so sieht man farbige Ringsysteme.

Bei den optisch -einachsigen Platten der angegebenen Richtung ist ein System concentrischer kreisförmiger farbiger Ringe zu sehen, welches durch ein dunkles rechtwinkliges Kreuz in vier Quadranten getheilt ist. Die nach aussen gehenden Arme des Kreuzes verbreitern sich entsprechend der Vergrösserung der Ringe. Die Ringe zeigen Regenbogenfarben, bei jedem in gleicher Reihen- folge und treten bei Platten desselben Krystalles um so näher zusammen, je dicker diese sind. Dreht man das eine Turmalinplättchen um 90 °, wodurch sie parallele Stellung haben, so erscheinen auch solche farbige Ringe, jedoch mit den Complementärfarben der vorigen und anstatt des dunklen erscheint ein helles Kreuz.

Bei Plättchen optisch-zweiachsiger Krystalle senkrecht auf eine optische Achse erscheint ein elliptisches Ringsystem, getheilt durch eine dunkle Linie bei ge- kreuzten Turmalinplättchen. Bei parallelen ändert sich die Erscheinung in ana- loger Weise, wie vorher. Bei Plättchen optisch-zweiachsiger Krystalle senkrecht auf die spitze Bisectrix erscheinen, wenn die Achsenwinkel ziemlich spitze sind zwei einander berührende elliptische Ringsysteme, durchzogen von zwei recht- winkligen sich durchkreuzenden dunklen Streifen, von denen der eine die Ellipsen trennt, der andere den längeren Achsen der Ellipsen entspricht. Dieser letztere verbreitet sich nach aussen, während der andere sich ziemlich gleich bleibt. Bei Drehung der zwischengelegten Platte oder der Turmalinplättchen treten Ver- änderungen in der Lage der dunklen Streifen oder der Farben ein.

Aus allen solchen Erscheinungen, die durch bessere Instrumente, wobei auch das Stauroscop F. v. Kobell's (Münch. Akad. gelehrte Anzeigen, Band 40, pag. 145 und Band 41, pag. 60, Band 42, pag. 76) nicht unerwähnt bleiben darf, ' viel genauere Bestimmungen der Polarisation und Doppelbrechung ermöglichen, ergiebt sich, dass alle diese optischen Erscheinungen die krystallographischen Bestimmungen gewissermaassen controliren und feststellen lassen, doch zeigten sich durch die vielfachen Beobachtungen auch optische Anomalien, d. h. andere Erscheinungen, als man der krystallographischen Bestimmung gemäss erwarten sollte und dadurch werden verschiedene krystallographische Bestimmungen zweifelhaft, man hat jedoch durch diese Widersprüche angeregt, gefunden, dass solche Anomalien meist durch besondere Umstände hervorgerulen werden, wie durch Druck, durch Einflüsse von Temperaturveränderungen, welche Minerale im Laufe der Zeit von ihrer Entstehung an erlitten, Beimengungen z. Th. iso- morpher oder anderer Substanzen, durch dadurch hervorgerufene Spannungen u.s.w. bedingt werden, dass selbst so und so ursprünglich gebildete Krystalle im Laufe der Zeit gewisse Molecularverändernngen erlitten haben, ohne dass die äussere Form gestört wurde, die Substanz dabei dieselbe blieb.

V. Die Phosphorescenz, eine Lichterscheinung, welche bei verschiedenen Mineralen sich in der Weise zeigt, dass sie in Folge einer gewissen Behandlung mit einfachem oder buntem Lichte selbständig im Dunklen leuchten, ohne dass irgend eine Stoffveränderung eingetreten ist. So leuchten Minerale, wie z. B. der Diamant und mancher Baryt, wenn man sie einige Minuten dem Sonnen- lichte aussetzt und dann ins Dunkle bringt, oder andere wie z. B. Fluorit und

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480 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

Apatit, wenn man sie erwärmt, am besten in einem Glasrohre über der Spiritus- flamme, ohne dass sie glühend werden, oder andere zeigen ein Aufleuchten an einzelnen Stellen, wenn man sie mit dem Hammer zerschlägt, wie Quarz, Mar- mor oder Dolomit, wenn man sie heftig zerreisst, wie Glimmerlamellen, wenn man sie mit einem Messer kratzt, wie gelber Sphalerit von Kapnik, #berhaup: durch Friction oder andere auch durch Einwirkung elektrischer Funken, wie Diamant und Sapphir.

So interessant und eigentümlich auch diese Erscheinung ist, so ist sie doch keine wesentliche Eigenschaft und hat noch keine bestimmte Erklärung gefunden.

Organismen als Vermittler geologischer Bildungen

von

A. v. Lasaubc.

Organismen, sowohl Pflanzen wie Thiere, betheiligen sich an der Umge- staltung der Erdoberfläche in sehr verschiedener Weise. Dass auch der Mensch mit seinen Arbeiten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss ausübt, das mag hier vorab erwähnt sein. Er verlegt zu seinen Zwecken die Flüsse und trocknet Seen und Meeresbecken aus, grosse Landstrecken macht er urbar und ändert die Vegetation einer Gegend hierdurch gänzlich um. Bei seinen Zügen über die Erde verpflanzt er die Organismen und vermischt auf diese Weise die unter ver- schiedenen Klimaten verschieden gestalteten Floren und Faunen weit auseinander- liegender Gebiete. Mächtige Schutthalden häuft er auf, Thäler füllt er aus und greift so ablenkend ein in die Wege, welche die Erosion zur Zerstörung der Erd- oberfläche eingeschlagen hat. Sogar die klimatischen Bedingungen sucht er durch künstliche Einwirkung zu ändern. Aber trotzdem ist seine Thätigkeit eine ver- schwindende und geologisch nur als Augenblicke zu bezeichnende Zeiten reichen hin, um seine Arbeiten und ihre Folgen wieder vollkommen zu vernichten. Nur lebend greift er in die Gestaltung der Erdoberfläche ein, mit seinem Absterben hört auch das geringe Maass geologischer Thätigkeit auf. Bei manchen Thieren und Pflanzen aber beschränkt sich ihre geologische Wirksamkeit nicht auf die Zeit ihres Lebens, sondern absterbend und verwesend führen sie oft in weit gross- artigerem Maassstabe zu geologischen Bildungen.

Lebende Pflanzen und Thiere. Die Thätigkeit der lebenden Pflanzen ist eine zerstörende und eine schützende. Nichts erleichtert der Verwitterung der Gesteine besser einen schnellen Fortschritt als die Pflanze. Sie lockert durch die Gewalt ihres Wurzelwachsthums die Felsen auf, zwängt die losgelösten Brocken auseinander und zertrümmert sie. Die Tiefen, in welche Wurzeln einzudringen vermögen, sind viel grösser, als man im Allgemeinen annimmt. Im Löss von Nebraska sendet die Buffalo-Beere (Sluperdia argophylla) Winzeln von 55 Fuss Tiefe aus und die Wurzeln der Gräser im Löss von Jowa dringen bis zu 25 Fuss in den Boden ein1). Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Laven der Vulkane so lange frisch und un- verändert bleiben, als nicht die Pflanze, sei es auch nur in der Form kleiner Flechten, sich auf ihnen ansiedelt. Das Ptereocaclon vesuvianum ist in dieser Hinsicht der erste Vorläufer für die Verwitterung der Laven des Aetna und Vesuv.

«) Gkikie, pag. 454-

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Organismen als Vermittler geologischer Bildungen.

481

Die Sciara vwa, die noch lebendige Schlacke der uralten Lavaströme des Aetna, die in Jahrhunderten ihre Beschaffenheit nicht geändert hatte, ist in noch nicht einem Jahrhundert zu rebentragendem Boden gelockert, seit man es gelernt hat, die Pionire der Verwitterung, die Ginsterstauden und die indische Feige auf ihnen anzupflanzen.

Die Pflanzen wirken in diesen Fällen nicht nur mechanisch, sondern auch chemisch, indem sie den Kreislauf der Kohlensäure und des Sauerstoffes bedingen. Auch durch ihren reducirenden Einfluss, z. B. auf Schwefelmetalle, und durch die sehr beträchtlich lösende Kraft der Humussäuren wirken die Pflanzen zerstörend auf die Gesteine, auf denen sie wachsen. Wasserpflanzen entziehen dem Wasser Kohlensäure und zersetzen dieselbe zu frei werdendem Sauerstoff und Kohlen- stoff, den sie in sich aufnehmen. Enthält das Wasser gelösten kohlensauren Kalk, so wird dieser bei Entziehung der Kohlensäure zum Ausfallen gebracht und incrustirt die Pflanzen, welche daran Schuld sind (Sumpfmoose und Charen). So bildet sich Kalksinter oder Travertin. Die Pflanzen aber wachsen über die Spitzen der incrustirten Theile hinaus weiter und setzen den Prozess der Kalk- abscheidung fort. So entstehen mächtige Ablagerungen von Kalktuft, wie sie im Diluvium von Cannstatt in Württemberg und in der Umgebung von Tivoli bei Rom und an vielen anderen Stellen sich finden.

Andererseits schützt die Vegetation bekanntermaassen die Oberfläche der Felsen und Gebirge vor Abtragung durch atmosphärische Wasser und den Wind. Wie bedeutend dieser Einfluss sein kann, zeigt sich am besten an den Dünen, deren vernichtender Fortschritt durch geeignete Anpflanzungen gehemmt werden kann (Artikel: Atmosphäre I, pag. 77). Wie die entwaldeten Höhen der Hoch- gebirge den Wirkungen der Regengüsse unterliegen, wie die kahlen und nicht mit Pflanzendecke versehenen Rücken des Karstgebirges und in der Gegend von Marseille von den heftigen Sturmwinden abgetragen werden, ist bekannt Ganz ausserordentlich ist der Einfluss, den die Zerstörung der Waldungen im südlichen Italien und in den Alpen auf die Verheerungen ausübt, welche in Folge gewaltig eintretender atmosphärischer Niederschläge und der daraus hervorgehenden Wasser- fluthen und Ueberschwemmungen in den Flussgebieten und an ihren Thalwänden sich vollziehen (I, 79). So schützen im Gegentheile die dicken Lagen von Torf auf den Höhen der irischen und schottischen Hochgebirge diese vor schnellerer Denudation, und manche marine Pflanzen, so z. B. kalkige Nulliporen, indem sie feste lncrustationen über den Felsen der Meeresküste bilden, dienen auch diesen zum Schutz.

Auch einzelne lebende Thiere üben einen ersichtlich zerstörenden Einfluss auf die festen Theile der Erdoberfläche aus.

Darwin hat zuerst auf die im Laufe langer Zeiten ins Grosse sich summirenden Wirkungen der Würmer die Aufmerksamkeit gelenkt. Erfand, dass in 15 Jahren ein Lager von hartem Mergel unter einer Decke von Lehm von 3 Zoll Mächtig- keit verschwand. Diese Wirkung schreibt er den Würmern zu, welche den Unter- grund durchwühlen, ihn den Angriffen der Atmosphärilien zugänglich machen, aus der Tiefe Material an die Oberfläche bringen und dergleichen mehr. Ohne Zweifel werden die Bestandteile des Bodens durch die Thätigkeit der Würmer durcheinander gemischt und zu grösserer Fruchtbarkeit vorbereitet. In ähnlicher Weise tragen auch Maulwürfe, Kaninchen und andere Thiere, die sich unter- irdische Wohnungen bauen, zur Unterwühlung des Erdbodens bei und leiten gleichzeitig mit ihren oft ausgedehnten Bauten, wie durch eine Art von Drainage

KüNNGon, Min., (Jeol. u. Pal. II. 31

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482 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

die oberflächlichen Wasser in die Tiefe. In der Cap Colonie sind weite Strecken flachen Landes wie in einem Zustande beständiger Eruptionen, indem zahllose kleine maulwurfartige Thiere Erdhaufen an die Oberfläche stossen1).

In anderer Art übt der Biber durch seine Bauten einen umgestaltenden Einfluss auf die Erdoberfläche aus: durch dieselben versperrt er den Wasserläufen den Weg und staut sie auf, andererseits lenkt er durch selbstgegrabene Canäk die Wasser auch in andere Bahnen ab. In grossem Maassstabe ist diese Thitig- keit in Canada und in den Rocky Mountains in Nord-Amerika entwickelt. Ganze Thalgelände sind hierdurch in Seen und Sumpf umgewandelt. Auch der Bach- krebs und die Wasserratten können ähnliche Wirkungen hervorrufen.

In anderer Weise zerstörend arbeiten die sogen. Bohrmuscheln, indem sie ihre Gehäuse in die Felsenwände der Küsten eingraben, diese auflockern und dem Verfall unter dem Angriffe von Feuchtigkeit und Frost zugänglicher machen.

Absterbende Pflanzen und Thiere.

Pflanzen und Thiere tragen zu manchmal sehr ausgedehnten geologischen Bildungen bei, indem ihre absterbenden Körper sich übereinanderhäufen. Die grossartigsten Beispiele dieser Art liefert die Kohlenbildung, von den Torf- mooren der Gegenwart bis zu den Anthraciten der ältesten Formationen. Der Artikel >Kohlenbildung in den verschiedenen geologischen Epochens pag. 18: dieses Bandes giebt darüber ausführliche Auskunft. Keine andere durch Organismen vermittelte geologische Bildung kommt dieser an Bedeutung gleich.

Nur die Abscheidung des kohlensauren Kalkes aus dem Meerwasser durch die Thätigkeit von Organismen und die Aufspeicherung ihrer Kalkschaalen ver- mag annähernd so mächtige Schichten zu bilden. Auch hier sind zunächst ge- wisse Seepflanzen zu nennen, nämlich die Kalkalgen, welche aus dem Meerwasser kohlensauren Kalk abzuscheiden vermögen.

Dahin gehören die l.ithothamnien Lithothamnium twdosum) , ferner die zahl- reichen als gequirlte Siphoneen bezeichneten Formen wie Cymopolia, Acetal'ularian.^ Die zu den Nulliporen gehörige Lithothamnie enthält bis 54 J- kohlensauren Kalk,

kohlensaure Magnesia mit etwas Phosphor, Thonerde, Eisen und Manganoxyd »}.

An einigen Küsten bilden diese Kalkalgen ganz beträchtliche Anhäufungen. Von der Brandung durcheinander und mit Muschelsc.haalen und anderem Detritus gemengt, werden dieselben durch ein kalkiges Bindemittel, das sich unter dem Einflüsse der Atmosphärilien aus ihnen selbst bildet, zu festen Gesteinsmasscn verkittet.

So wurden auch in früheren geologischen Formationen während der Trias-, Jura-, Kreide- und Tertiärperiode mächtige Gesteinsablagerungen gebildet: so die Nulliporenkalke im Miocän des Wiener Beckens, Algeriens, sowie der obersten Kreide von Paris, die Gyroporellen-Kalke (Diplopora nach Schaffhautl; eine der verbreitetesten Arten dieser Gattung ist die D. annulata mit cylindrisch-röhren- förmigem gegliedertem Gehäuse), in der Trias der bayrischen und Tiroler Alpen, in Oberschlesien, im Vicentinischen, in der Kreide des Libanon.

Auch die kleinen kieseligen Pflanzen, die Diatomeen, welche sowohl im süssen als auch im Salzwasser gedeihen, bilden durch Uebereinanderlagerung ihrer Reste ganze Schichten auf dem Boden von Seen und Meeren. Infusorien- erde, Kieseiguhr, Tripel sind die losen, erdigen Aggregate, welche fast ganz aus

') Geikie, Gcology, pag. 455.

') Gümbel, Bayr. Akad. Wissensch. 1871. XI.

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Organismen als Vermittler geologischer Bildungen.

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den Bruchstücken von Diatomeen bestehen. Die reinen Varietäten dieser Ge- steine enthalten über 90$ Kieselsäure. Solche Lager haben oft sehr bedeutende Mächtigkeit, so die Ablagerungen von Ceyssat und Randanne in der Auvergne; bei Bilin in Böhmen die über 1 Meter mächtige Schicht des Polierschiefers; bei Oberohe im Lüneburgischen sogar eine bis 12 Meter mächtige, über 1700 Meter lange und 750 Meter breite Ablagerung.

Eine noch grössere Mächtigkeit haben Lager von Kieseiguhr in Oregon, Nevada und Californien. Nach den Untersuchungen von Lossen1) haben an der Zusammensetzung des Grund und Bodens der Stadt Berlin Infusorienlager, Dia- tomeen und Bacillarienerde einen hervorragenden Antheil.

Diatomeenschlamm bildet, wie die Beobachtungen der Challengerexpedition ergeben haben, in Tiefen von ca. 1260 bis 1975 Faden eine lichtgelbliche Ab- lagerung von ziemlicher Verbreitung auf dem Boden des südlichen indischen Ozeans.

Viel bedeutender ist freilich die kalkbildende Thätigkeit der P'oraminiferen. Dass auch sie ungeheure Ablagerungen auf dem Boden der Meere bilden wurde im Artikel das Meer (II. pag. 415) schon erörtert. Ebenso ist der Artikel »die Kreide« (Bd. II. pag. 195) nachzusehen. Die Foraminiferenmergel im Pliocän von Calabrien und Sicilien, die in ganz ungeheurer Verbreitung auftretenden Nummulitenkalke, die Miliolitenkalke des Tertiärs im Pariser Becken, in Paris als Baustein sehr viel benutzt, die Fusulinenkalke der russischen und nordameri- kanischen Kohlenformation sind andere Bildungen dieser Art.

Auch die Mollusken und Echinodermen entziehen zum Bau ihrer Schalen und Gehäuse, zur Herstellung der schild- oder kugelförmigen Echinidenschale, der vielgestaltigen Formen der Stäbchen, Arme, Kelche der Crinoiden, dem Meere kohlensauren Kalk und geben durch massenhafte Anhäufung ihrer Reste Veranlassung zur Entstehung von Muschelbänken, aus denen weiterhin durch mineralische Cämentirung und Umformung Kalksteine hervorgehen. In den verschiedensten Formationen sind Kalksteine dieser Art bekannt und nach den darin vorkommenden besonders charakteristischen Resten benannt: so die Terebratula- und Gervillienbänke im Muschelkalk, die Gryphaenkalke des Lias, Cyrenenkalke des Wealden, Hippuritenkalke der Kreide, Cerithienkalke und Litorinellenkalke des Tertiär, die Trochitenkalke der Trias und die Crinoidenkalke der palaeozischen Formationen.

Bezüglich der Korallen, welche ebenfalls für geologische Bildungen von ganz besonderer Bedeutung sind, mag auf die Artikel »Anthozoen* Bd. I. pag. 32 und s Inseln« Bd. II. pag. 147 verwiesen werden, worin die wesentlichsten An- gaben bezüglich der verschiedenen Arten dieser Thiere und ihrer Bauten ge- macht sind. Dort, II. pag. 148, wurde auch schon hervorgehoben, dass bei dem Bau der eigentlichen Koralleninseln, ausser diesen, alles was im Meere lebt und kalkige oder kieselige Skelette bildet, Material zum Bau solcher Inseln liefert, indem die Schalen der absterbenden Thiere sich auf dem Meeres- boden anhäufen, diesen allmählich erhöhen und dann den Fuss der Korallenriffe abgeben.

Als Korallenbauten älterer geologischer Formationen sind anzusehen: Ko- rallenkalke der Devonischen und Kohlenformation in Belgien, der Korallenkalk des weissen Jura in Hannover, Schwaben, Schweiz und England, die zur Kreide-

») Der Boden der Stadt Berlin. Berlin 1879.

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologic.

formation gehörigen Kalke von Dänemark (Korallenkalke von Faxoe), die auf der Insel Seeland auftreten und aus Korallenfragmenten und Korallentrümmern mit zahlreich beigemengten Schalenresten von Mollusken bestehen, endlich ähnliche Korallcnkalke der Kreideformation in Südfrankreich und den Alpen.

Eine ganz besondere Art geologischer Arbeit leisten aber die Organismen auch noch durch die mit ihrer Zerstörung verbundenen Verwesungs- und Fäulnissprocesse.

Die Verwesung organischer Stoffe und die daraus hervorgehenden Kohlen- wasserstoffe sind überaus wichtige und fast die einzigen wirksamen Reduktions- mittel für die in den Gesteinen sehr verbreitet vorkommenden metallischen Salze.

Einer der verbreitetesten Vorgänge dieser Art ist die Reduktion des Eisen- oxyd zu Eisenoxydul in stagnirenden, sumpfigen und an faulenden organischen Substanzen reichen Wassern. In eisenschüssigen Quarzsanden oder aus eisen- schüssigen Gesteinen wird das Eisenoxyd ausgelaugt und unter dem Einflüsse der organischen Substanzen zu Eisenoxydul reducirt, indem der zur Bildung von Kohlensäure nöthige Sauerstoff dem Oxyde entzogen wird. Die Kohlen- säure bildet mit dem Oxydul das Carbonat und aus diesem wieder bei Zutritt der Luft durch höhere Oxydation und Wasseraufnahme: Eisenoxydhydrat. So entstehen z. B. die Raseneisensteine, die sich überall dort finden, wo sumpfige Wasserbecken sich ansammeln, vielfach in Verbindung mit Torfmooren z. B. auf dem hohen Plateau der Ardennen, in den Niederungen von Nord-Deutschland, Holland und Polen, in Skandinavien u. a. Gegenden.

Auch der Absatz von Schwefelmetallen wird durch organische Substanz ver- mittelt, indem die Sulfate durch Entziehung des Sauerstoffes reducirt werden. Daher erscheinen Schwefelmetalle z. B. Pyrit und Kupferglanz als Vererzungv mittel d. h. geradezu in der Form der Organismen, durch deren Verwesung sie entstanden sind. Bekannt sind die zu Pyrit umgewandelten Orthoceratiten und Ammoniten der sogen. Wissenbacher oder Orthoceras-Schiefer der unterdevonischen Schichtenreihe in Nassau, sowie die in Kupferglanz vererzten Zweigenden der Conifere Cupressites Ulmanni, welche in den mansfeldischen Kupferschiefern vorkommen und als Frankenbcrger Kornähren bezeichnet werden.

Am häufigsten entsteht unter dem Einflüsse von organischer Substanz Schwefel- eisen: Pyrit, der oft ganze Braun- und Steinkohlenflötze imprägnirt und ebenso in fast allgemeiner Verbreitung in festen Gesteinen und Gerölleablagerungen da sich findet, wo über diesen Torfmoore oder Sumpfwasser bestehen, von denen aus die mit organischen Stoffen beladenen Wasser in die unterliegenden Gesteine einsickern.

Kalte Quellen, welche neben Gyps Karbonate von Kalk und Eisenoxydul enthalten, setzen da, wo sie mit organischen Substanzen in Berührung kommen, ebenfalls neben Kalktufl Schwefeleisen ab.

In ähnlicher Weise, wenn auch seltener und nur von lokaler Bedeutung, entsteht Schwefelzink oder Blende auf moderndem Grubenholz aus Reduktion von Zinkoxydsulfat, so auf der Grube Altglück bei Ueckerath Reg.-Bez. Köln.

Weitergehend kann aber durch faulende, organische Substanzen auch die Bildung gediegener Metalle durch Reduktion aus Sulfaten bewirkt werden. Diese haben zwar keine grosse geologische Bedeutung, sind aber immerhin von Wichtig- keit. Gediegen Kupfer findet sich als Ueberzug auf Fischabdrücken im Kupfer- schiefer von Riechelsdorf und metallisches Eisen u. a. in einem Stück sogen.

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Organismen als Vermittler geologischer Bildungen. 485

versteinerten Holzes vom Ausseben des Raseneisensteins von einer schwimmenden Insel im Ralanger-See bei Katharinenholm, Smaland u. a. a. O.

Auch die ungeheuren Massen von gediegenem Eisen, welche von Nordens- kjöld 1870 bei Oviläk auf der grönländischen Insel Disko z. Th. als Einspreng- unge im Basalt gefunden wurden und welche man anfänglich für meteorische Eisen halten wollte, sind viel wahrscheinlicher nichts anderes als secundäre Pro- dukte, durch die reducirende Wirkung von Braunkohle und andere organische Substanzen auf den Eisengehalt des Basaltes entstanden.

Aber auch schwefelsaure Alkalien und alkalische Erden werden durch faulende organische Substanzen reducirt. So entsteht aus Gyps z. B. Schwefel- calcium. Dabei wird zugleich Schwefelwasserstoff gebildet, der seinerseits wieder wichtige Umwandlungsprozesse an Mineralen und Gesteinen ein- leitet. Durch Oxydation geht aus dem Schwefelwasserstoff Schwefel hervor, der sich als Schwefelabsatz niederschlägt.

Nach den Untersuchungen von Mottura verdanken die grossartigen Schwefel- ablagerungen in Sicilien, die über einen grossen Theil der Insel verbreitet in bedeutender Mächtigkeit sich finden, ihre Entstehung Quellen, welche Schwefel- calcium oder Schwefelwasserstoff und Kalkcarbonat enthielten. Beide entstanden aus den tertiären Gypsgesteincn, die durch organische Substanzen reducirt wurden. Mit Bitumen durchtränkte Gypsgesteine sind also die Bedingung für diese Schwefel- bildung.

Auch die Schwefellagerstättcn in der Nähe von Ratibor in Oberschlesien und von Swoszowice bei Krakau in Polen sind in ähnlicher Weise durch Vermittelung organischer Substanzen entstanden.

In anderen Fällen vermag auch aus der Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Kalksteine sich Gyps zu bilden. Indirect ist auch hier die Gegenwart orga- nischer Stoffe der Ausgang.

Auch die natürlich vorkommenden Nitrate sind von zersetzten organischen Substanzen herzuleiten. Nöli.nkr l) leitet den Chilisalpeter aus gewaltigen Massen von Seetangen ab, die als stickstoffhaltig in grösseren Mengen an die Küsten geworfen, durch langsame Oxydation das Nitrat lieferten.

Oxalsäure und honigsaure Verbindungen sind gleichfalls aus organischen Substanzen entstanden. Dieselben haben nur geringe Verbreitung und Be- deutung.

Endlich sind hier noch Oel- und Gasquellen und sogen. Schlammvulkane ebenfalls als Produkte der Zersetzung organischer Substanzen zu nennen. Schwefelwasserstoff, Kohlensäure, Sumpfgas und andere Kohlenwasserstoffe, Stick- stoff gehen reichlich aus dem pflanzlichen Verkohlungsprocesse und dem Moder- processe thierischer Körper hervor.

Wenn auch für die in älteren Formationen vorkommenden Oelquellen so z. B. die von Pennsylvanien und anderen Distrikten Nord-Amerikas ein näherer Nachweis über die Natur und die Verbreitung der Organismen, welche in den Schichten dieser Ablagerungen Veranlassung zur Bildung der Kohlenwasserstoffe gegeben haben könnten, bisher nicht zu erbringen war, so halten viele Geologen es doch für zweifellos, dass diese Erdöle nur aus organischen Resten entstanden sein könnten. Ein langsamer Destillationsprocess hätte sie dann ent- wickelt. Freilich kann auch die Möglichkeit einer directen synthetischen Bildung

') J. prakt. Chcm. 1867. 102. 459.

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Mineralogie, Geologie un<! Paläontologie.

von Kohlenwasserstoffgasen und Kohlensäure in Verbindung mit vulkanischen Processen nicht von der Hand gewiesen werden. Der Zusammenhang beider Arten geologischer Vorgänge ist vielfach ein so augenscheinlicher, dass schon Voi.ta, der berühmte italienische Physiker 1780 die Vulkane überhaupt dadurch zu erklären versuchte, dass er sie auf die Gasentwickelung in der Tiefe der Erdrinde abgelagerter ungeheurer Massen organischer Stoffe zurückführte.

An vielen Gasquellen haben nachweislich verwesende organische Stoße Theil. So entstehen die sogen. Mud-lumps an den Mündungen der Mississippi- Pässe. Es sind nachkegelförmige Aufschüttungen von weichem Thon, von sehr verschiedener Grösse, die eine kraterförmige Oeffnung haben, aus welcher schlammige Wasser mit Gasen (z. Th. brennbar) von Zeit zu Zeit explosionsartig hervorbrechen. Die Gasentwickehing dauert eine Zeit lang und hört dann auf und die Schlammkegel werden allmählich von der Strömung fortgespült. Die hier wirksamen Kohlenwasserstoffgase verdanken ihre Entstehung der Ablagerung grosser Mengen organischer Materie, besonders Treibholz, welche unter dem Thon des Mississippideltas zusammengeschwemmt worden sind. Ganz ähnliche, von entweichenden Kohlenwasserstoffen in Thätigkeit gesetzte Schlammquellen kommen auch an der Mündung des Indus vor.

Diese Mud-lumps gleichen in ihren Erscheinungen ganz überraschend den sogen. Schlammvulkanen, Schlammsprudeln, Salscn oder Salinellen.

Ein Theil derselben findet sich in Gebieten, in denen eigentlich vulkanische Thätigkeit nicht beobachtet wird, andere stehen hingegen mit thätigen Vulkanen in einem gewissen Zusammenhang. Die Erscheinungen beider sind aber nicht wesentlich verschieden. Beide haben Perioden der Ruhe und solche gesteigerter Thätigkeit. Es sind konische Hügel, oft zu Haufen und in Reihen zusammen- liegend, in der Achse jedes Kegels befindet sich eine kraterähnliche Röhre, auf welcher Gase und schlammige Wassermassen emporsteigen. Die Gase bestehen vornehmlich aus Kohlensäure, Kohlenwasserstoffen, Schwefelwasserstoff und Stick- stoff. Der Schlamm ist meistens nicht warm, jedoch steigt die Temperatur zu- weilen in den Perioden gesteigerter Ausbrüche ziemlich bedeutend. Die Wasser enthalten vor allem Chlornatrium und andere leicht lösliche Salze (daher der Name). Fast immer ist Erdöl in verschiedenen Formen, als Asphalt oder Naphtha, zugegen.

Während in Zeiten der Ruhe die Gasentwickelung ebenfalls ruhig und ohne besonderes Geräusch erfolgt, gar kein oder nur sehr wenig klares Salzwasser aus dem centralen Canale überfliesst, findet in Zeiten der Erregung der Ausbruch der Gas- und schlammigen Wassermassen unter heftigem Getöse und unter Er- schütterungen des Hodens statt. Der Schlammsprudel steigt intermittirend hoch in die Höhe und ganze Ströme von Schlamm bedecken die Umgebung des thätigen Kegels.

Schlammsprudel ausserhalb unmittelbarer Berührung mit eigentlichen Vul- kanen sind die zahllosen Kegel dieser Art, welche an den Küsten des Kaspischen Meeres und in diesem selbst zwischen der Halbinsel Apscheron und der Insel Tscheleken als Inseln, in weiterer Verbreitung aber auch am nordwestlichen Fusse des Kaukasus auf der Halbinsel Taman am Asow'schen Meere und fast überall dort in jenem Gebiete vorkommen, wo die reichen Petroleum- und Naphthaquellen an die Oberfläche treten. Emanationen brennbarer Gase sind hier nicht selten. Ebenso sind die Salsen in der Provinz Modena in Nord- Italien, die sehr berühmte aber keineswegs so ausserordentlich grossartige Macca-

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Paragcocsis der Minerale.

luba im südwestlichen Sicilien in der Provinz Girgenti, Schlammquellen in Sieben- bürgen u. a. nicht mit thätigen Vulkanen in Verbindung zu bringen.

Wohl scheint dies der Fall zu sein bei den besonders in den letzten Jahren durch mehrfache gut beobachtete Ausbrüche bekannter gewordenen Salinellen von Paterno, dicht auf dem südöstlichen Fusse des Aetna gelegen. Dass auch bei diesen die eigentlich erregende Ursache ganz wie bei den vorhin aufge- führten Schlammsprudeln, lediglich in der aus sich zersetzenden Organismen hervorgehenden Gasentwickelung, der Bildung von Kohlenwasserstoffen und ähnlicher Produkte zu suchen sei, haben Gümbel und v. Lasaulx1) auch aus der Betrachtung der Erscheinungen und Produkte sehr wahrscheinlich gemacht. Gleichwohl hat Silvestri2) mehrfach auch eine immerhin sehr auffallende Coin- cidenz der Ausbrüche dieser Schlammsprudel mit gesteigerter Erregung des Vulkanes nachgewiesen, so dass hieraus ein gewisser Zusammenhang beider Apparate, die übrigens in vielen Fällen auch vollkommen unabhängig von ein- ander arbeiten, gefolgert werden muss. Welcher Art dieser Zusammenhang ist, darüber ist Sine sichere Entscheidung nicht möglich. Die Vermuthung liegt nahe, dass die mit der vulkanischen Erregung zusammenhängende Bewegung der Erdrinde, wie sie auch in den Erderschütterungen sich zu erkennen giebt, der secundäre Anlass zu den Ausbrüchen der Schlammsprudel sei, deren Gasspannung aber selbstständig durch die Destillationsprocesse sich zersetzender organischer Stoffe vorbereitet war.

Für einen Theil der Schlammsprudel aber ist es unzweifelhaft, dass sie die Bedingung ihrer Thätigkeit in der Anhäufung grosser Mengen verwesender pflanz- licher vielleicht auch thierischer Organismen in den tieferen Schichten der Erd- rinde finden.

Literatur: Credner, H., Geologie IV. Aufl., Leipzig 1883, pag. 274. Geikte, A., Geology, London 1882, pag. 165 u. 452. Lapparent, A. de, Geologie, Paris 1883, pag. 109 u. 452. Roth, J., Chem. Geologie, Bd. I, Berlin 1879. pag. 596.

Paragenesis der Minerale

▼Oft

Prof. Dr. Kenngott

Unter Paragenesis ist, wie A. Breithaupt in seinem eigens diesem Gegen- stande gewidmeten Buche (die Paragenesis der Mineralien, mineralogisch, geo- gnostisch und chemisch beleuchtet, mit besonderer Rücksicht auf Bergbau. Frei- berg 1849) in der Einleitung pag. 1 sagt, die mehr oder weniger ausgesprochene Weise des Zusammenvorkommens, der Association derselben zu verstehen. Man hat dabei auf das relative Alter der Körper, da, wo eine Succession derselben zu erkennen ist, einen besonderen Werth zu legen, weil in diesem Verhalten die meiste Belehrung liegt.

Bei der Betrachtung der in Drusenräumen, Nestern, Blasenräumen, in Spalten und auf Gängen oder selbst in grösseren Gesteinsarten vorkommenden Minerale bemerkt man oft, dass diese in der Art, wie sie nebeneinander, aufeinander oder

') Sitzbcr. der k. bayr. Akad. d. Wiss. München. Mathem. physik. K. 1879, pag. 1. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 1879, pag. 457.

8) Sulla Esplosionc dcll Erna etc. Marxo 1883. Catania 1884, pag. 15.

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Mineralogie, Geologie und Falaeontologie.

ineinander gesehen werden, selbst an verschiedenen Fundorten eine gewisse Uebereinstimmung zeigen und dass diese keine bloss zufällige ist, sondern mit den vorhandenen Mineralstoffen und deren Ausbildung zu gewissen Mineralarten und Varietäten in Zusammenhang steht, dass sogar auch gewisse Formverhältnisse von der Paragenesis abhängig erscheinen, wie z. B. die analoge Form von in derselben Gesteinsart eingewachsener Kry stalle von verschiedenen Fundorten.

Die blosse Angabe, welche Minerale an einer Fundstätte mit einander in Gesellschaft vorkommen, lässt nicht die Paragenesis erkennen, sondern nur die genaue Angabe, wie diese Minerale miteinander vorkommen. Wenn auch schon in dieser Richtung viele Einzelfälle bekannt sind, so ist die Gesetzmässigkeit der Erscheinungen noch lange nicht festgestellt, so wichtig sie ist. Breithaupt hat in seinem angeführten Werke eine überaus zahlreiche Reihe von Beispielen para- genetischer Bildung angeführt.

Aus derselben erkennt man zunächst, dass die Altersfolge der Bildung, die Succession gewisser Minerale genau festgestellt werden kann, oder andererseits die gleiche Bildung. Wenn so z. B. in einem Drusenraume auf Krystallen eine bestimmte Art anderer Krystalle aufgewachsen sind, wie z. B. Apophyilit auf Quarz, Pyrit auf Fluorit, Schulit auf Quarz, so sind die als Unterlage dienenden Krystalle entschieden früher gebildet als die auf ihnen aufgewachsenen und in diesem Sinne kann man zwei, drei oder mehr Minerale bezüglich ihres relativen Alters beurtheilen. Wenn dagegen z. B. Krystalle in Krystallen als Einschluss enthalten sind, so kann man daraus auf eine gleichzeitige Bildung schliessen, doch können auch Krystalle früher gebildete Minerale umschliesscn. So weisen unfehlbar in tafelartig ausgebildeten Hämatitkrystallen eingewachsene und be- stimmt krystallographisch orientirte prismatische Butilkrystalle auf gleichzeitige Bildung hin, während bei mit Quarzsand imprägnirten Calcit- oder Gypskrystallen der Einschluss älter ist als die einschliessenden Krystalle oder auch Quarzkrystalle schon vorhandene nadeiförmige bis fasrige Amphibolkrystalle so eingeschlossen enthalten, dass man deutlich erkennt, wie der krystallisirendc Quarz die vor- handenen Amphibolkrystalle umschloss.

Andererseits zeigt auch das paragenetische Vorkommen stofflich verwandter Minerale an, wie durch chemische Veränderung eines Minerals sich später andere Minerale bildeten, welche sonst als jüngere Gebilde jenen folgten. Diese Beobachtung wird auch für die Erklärung von Pscudomorphose sehr wichtig.

Diese wenigen Andeutungen mögen genügen, die Wichtigkeit der Para- genesis hervorzuheben, welche seit Breithaupt's Vorgange umfassende Beachtung gefunden hat.

Permisches System

von

Dr. Fr. Rolle.

Auf die Steinkohlenformation folgt unter einem oft allmählichen Uebergang der Gesteinslager und der darin enthaltenen Pflanzen- und Thierreste die Per- mische Formation, so genannt nach ihrem ausgedehnten Auftreten in der russischen Provinz Perm. Sie heisst auch Dyas, d. h. Zweiheit, nach ihrer in Deutschland stark auffallenden Zusammensetzung aus zwei Abteilungen, einer unteren, meist aus Sandstein, Schieferthon und Conglomerat bestehenden, aus süssem Wasser abgelagerten Abtheilung, dem Rothliegenden mit reicher Land-

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Permisches System.

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flora und einer oberen marinen Abtheilung, dem Kupferschiefer und Zech- stein mit eigentümlicher Meeresfauna.

Wo wie in Deutschland und England limnische auf limnische Facies folgt, das produetive Steinkohlengebirge von Rothliegendem überlagert wird, ist der Ab- stand gering zwischen beiden Systemen und eine bestimmte Grenze nur nach örtlichen Erscheinungen durchzuführen. So besonders in der Saar- und Blies- Gegend (Rheinpreussen).

Grösser ist der Abstand der Meeresbevölkerung des Kohlenkalkes einerseits, des Zechsteins andererseits, wo dazwischen die limnischen Ablagerungen das produetive Steinkohlengebirge mit dem Rothliegenden eingeschaltet erscheinen und einen langen geologischen Zeitraum darstellen, während welches der Boden des betreffenden Gebietes sich oberhalb des Meeresspiegels erhielt. So im grössten Theile von Norddeutschland und in England. Aber die Bedingungen zu einem solchen Gegensatze waren nicht über die ganze Erdoberfläche gegeben. Es giebt auch Gegenden, in welchen an der Grenze von carbonischem und permischem System keine Bodenerhebung über den Meeresspiegel stattfand, wo daher auf meerischen Kohlenkalk unmittelbar ein permiseher Meereskalk folgt. Hier ist der Gegensatz nur schwach ausgesprochen und die carbonische verläuft sehr all- mählich in die permische Meeresfauna. So ist es namentlich in einem Theile von Nord-Amerika (Kansas, Nebraska). Während in der Steinkohlenepoche meist in der Unterregion meerische Schichten, in der Oberregion limnische Schichten herrschen, also die Hebung des Festlandes im Zunehmen war, zeigt sich in Europa auf ein grosses Gebiet hin namentlich über Mittel- und Norddeutsch- land und England mit der permischen Epoche die umgekehrte Erscheinung. Das Festland kam ins Sinken, die Ueberlagerung der zuerst gebildeten limnischen Schichten (des Rothliegenden), geschieht durch Meeresabsätze, den Kupferschiefer und Zechstein. Für dieses weite Gebiet, in welches zwischen zwei Meeresab- lagerungen — Kohlenkalk und Zechstein eine lange Festlandepoche mit Ab- lagerung von produetivem Kohlengebirge und Rothliegenden fällt, ist daher auch der allmähliche Uebergang der limnischen Schichten des Rothliegenden vor- herrschend und um so grösser der Gegensatz der Meeresthierreste im Kohlenkalk und im Zechstein.

Etwas anders verliefen die Ereignisse schon in Russland. Hier eröffnet das per- mische System mit Strandbildungen, die dem Rothliegenden von Deutschland entsprechen. Die Zweitheilung ist noch ausgesprochen und in der Unterregion finden sich namentlich Landpflanzen. Aber gegen oben hin verwischen sich die Grenzen zwischen Strandgebilden und Meeresabsätzen. Die obere Abtheilung, meist aus kalkigen, mergeligen und thonigen Schichten bestehend, führt vorwaltend Meeresfossilien (die Zechsteinfauna), aber auch sandige Einschaltungen mit pflanzenführenden Schichten. Hier fand also zwar auch in der permischen Epoche eine anhaltende zunehmende Senkung unter den Meeresspiegel statt, aber sie war von zahlreichen kleineren Oscillationen unterbrochen, die sich auf das per- mische Gebiet des westlichen Europas nicht ausdehnten.

Wiederum in anderen Gebieten der Erdoberfläche, trat in der carbonischen und der permischen Epoche überhaupt keine Bodenerhebung ein. Es wurden keine Absätze auf oscillirenden niederen Festlandflächen, in Sümpfen und an seichtem Meeresstrand abgelagert, es fehlt sowohl die produetive Steinkohlen- formation als das Rothliegende mit der limnischen Facies. Hier grenzen car- bonisches System und permisches System in ihrer Aufeinanderfolge mit Meeres-

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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.

ablagerungen zusammen. Dies ist im westlichen Nord- Amerika, besonders in Kansas und Nebraska der Fall, auch auf Spitzbergen.

In Nord-Amerika besteht das permische System nur aus Kalksteinen und Mergeln, mit einer Meeresfauna, die sich eng an die des marinen Kohlenkalks anschliesst. Zwischen Kohlenkalk und permischem Meereskalk ist keine ausge- prägte Grenze zu ziehen. Die Oberregion des Kohlenkalks ist hier ein meer- isches Aequivalent der produetiven Steinkohlenformation. Darüber liegt eine ansehnliche Zone von einem Meereskalk mit einer Fauna, die carbonische und permische Arten gemengt enthält. Eine allmähliche Ersetzung findet statt, car- bonische verschwinden, permische treten ein. Diese Region hat man Grund, für das meerische Aequivalent unseres limnischen Rothliegenden zu nehmen. Erst höher folgt in Nord-Amerika die rein permische Meeresfauna, als Aequivalent des deutschen Zechsteines.

Die Flora und Fauna des permischen Systems schliesst sich überhaupt noch eng der des carbonischen Systems an. Sie trägt noch ein ausgesprochen paläozoisches Gepräge. So herrschen namentlich in der Fischfauna desselben sowohl im Meer als im süssen Wasser kleinschuppige heterocerke Ganoiden [Ganoides rhombiferi heterocerci). Fortschritte in der Organisation zeigen sich besonders nur bei den Reptilien. Im carbonischen System noch nicht sicher nachgewiesen, treten sie mit der permischen Epoche wohlcharakterisirt in theco- donten Formen auf, die Charaktere von Eidechsen mit solchen von Krocodilen vereinigen. Hierher gehört namentlich der sehr wohlbekannte Protorosaurus Spentri des deutschen Kupferschiefers. Zweifelhaften Alters, vielleicht ein Aequi- valent des permischen Systems, ist der rothe Sandstein von Süd-Afrika, jedenfalls nicht jünger als der Buntsandstein in der Trias. Er hat in neuerer Zeit Reste einer reichen Reptilienfauna geliefert, Anomodonten (Kryptodonten) mit zahnlosem Gebiss ähnlich wie bei Schildkröten, und Theriodonten mit einem ähnlich wie bei Säugethieren in Schneidezähne, Eckzähne und Backenzähne verschieden tlichten Gebisse. Diese südafrikanische Reptilienfauna zeigt grosse Verschiedenheit von der permischen und der triasischen von Europa und von Nord-Amerika und ver- kündet jedenfalls, dass um diese Zeit in einem abgeschlossenen Continental-Ge- biete eine reichliche und vielgestaltige Ausbildung des höheren Wirbelthier-Typus vor sich ging. Ob dies aber schon in der permischen Epoche geschah, steht noch dahin. Vielleicht verlaufen auch hier das permische und das triasische System in ununterbrochener Folge.

Im Allgemeinen zeichnet sich die permische Flora und Fauna -durch grosse Armuth an Arten, wie auch an Gattungen aus, während die Ordnungen beiläufig in derselben Zahl wie in der carbonischen Epoche vertreten sein mögen. Sehr auffallend ist namentlich die ausserordentlich geringe Zahl, mit der die Cephalo- poden in der permischen Meeresfauna auftreten. Dies alles deutet an, dass uns viele Ablagerungsformen der permischen Epoche mit der ihnen zustehenden be- sonderen Flora und Fauna unbekannt sind, das heisst unter der Decke des Oceans oder unter mächtigen Bodenschichten verborgen liegen. So fehlt uns die eigent- liche Hochseefauna der permischen Epoche und wir können sicherlich nicht an- nehmen, dass es in damaliger Zeit eine Hochsee nicht gegeben habe. Eine Hochseefauna mit reichlicher Pteropoden- und Cephalopodenfauna war gewiss auch in der permischen Epoche vorhanden wie dies ihr nachmaliges Wieder- auftauchen in den Triasablagerungen des alpinen Gebietes mit vielen paläo- zoischen Typen, die an devonische und Kohlenkalkformen sich anreihen als

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Permisches System. 49 1

unzweifelhaft annehmen lässt. Wir kennen sie für die permische Epoche aus den Aufschlüssen unserer Festlandgebiete noch nicht. Sie muss grösstentheils in der Tiefe der heutigen Oceane verdeckt liegen, sie wurde vielleicht nie von Hebungen zu Tage gebracht. Ebenso fehlt uns aus der permischen Epoche fast jede Kenntniss der damaligen Riffcorallenbauten mit ihrer sicherlich reichen Fauna von mancherlei anderen Meeresthieren.

Wenden wir uns nun zu der Betrachtung der permischen Meeresfauna und der gleichzeitigen Flora und Fauna des Festlandes, so weit uns von derselben wirklich Fossilrestc vorliegen.

Die Meeresfauna der permischen Formation schliesst sich im allgemeinen Charakter noch sehr der des Kohlcnkalks an, ist aber viel ärmer vertreten, ärmer an Arten und auch an Gattungen. Dass verhältnissmässige Vorherrschen der Brachiopoden ist noch ausgesprochen. Die Cephalopoden zeigen sich nur sehr spärlich. Erloschen oder wenigstens verschwunden sind die meisten Crinoideen der älteren Epochen bis auf wenige Vertreter. Es fehlen die Blastoideen, die Trilobiten, die gepanzerten Ganoiden entweder ganz oder doch scheinbar. Aber ziemlich reich vertreten zeigen sich die Cestracionten und die eckschuppigen Ganoiden.

Besonders merkwürdig ist von den mecrischen Absätzen der permischen Epoche der mehr oder minder von Kupfererzen durchdrungene Kupferschiefer, ein bitu- minöser Mergelschiefer, der im Allgemeinen über die Gegend zwischen dem Harz, dem Erzgebirge, dem Spessart und dem Ostrand des Rheinischen Schiefergebirges verbreitet erscheint und in der Mächtigkeit zwischen 32 und 65 Centim. (1 und 2 Fuss) schwankt, seltener 97 Centim. (3 Fuss) Stärke erlangt. Erzführend ist er gewöhnlich nur in der untern Region. Eckschuppige Ganoiden finden sich darin oft wie namentlich im Mansfeldischen in ungeheurer Individuenzahl fossil er- halten. Die häufigsten Arten sind: Palatoniseus Frtieshbeni Ac, Pygopterus Humboldt^ Acrolepis Dunker i. Dazu kommen Meeresalgen (Caulerpites), Asterien und eingeschwemmte Landpflanzen, besonders beblätterte Cypressen - Zweige (Ullmannia.) Krampfhaft verkrümmte Fische, besonders Paläonisken sind häufig und man hat daraus auf eine plötzliche Vergiftung derselben durch metallische Lösungen geschlossen. Dies kann der Fall gewesen sein, aber eine solche Ver- krümmung erfolgt auch ohnedies leicht im Verlaufe der Verfaulung abgestorbener Fische. Jedenfalls ist der Metallreichthum des Kupferschiefers schwer zu erklären. Vielleicht bestanden auf dem Festlande, namentlich auf dem Harz, abflusslose Süsswasserbecken (Steppen - Seen oder sogenannte Salzpfannen), in denen sich metallische Auslaugungen aus dem krystallinischen Schiefergebirge concentrirten. Diese entleerten gelegentlich ihre metallischen Lösungen in das seichte Meeres- gebiet, aus dem sich vom Harz bis zur Wetterau der Mergel des Kupferschiefers ablagerte, und mögen hier die Fische zu vielen Tausenden gleichzeitig getödtet haben.

Gehen wir zur gleichzeitigen Flora und Fauna des Festlandes und des süssen Wassers über. Sie ist am vollständigsten in der Schichtenfolge des Rothliegenden erhalten, die meerischen Bildungen Kupferschiefer und Zechstein liefern nur spärliche Beiträge zu ihrer Kenntnis.

Mit dem Ende der Steinkohlenformation zeigt sich ein wachsendes Zurück- treten der Sigillarien und schliesslich erlöschen sie für immer. Damit verliert sich auch die Mächtigkeit und Häufigkeit der Steinkohlenflötze in auffallender Weise. Wo die reichliche netzförmige Verflechtung der Sigillarien - Rhizome

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Mineralogie, Geologie nn<l Pnlacontologie.

(Stigmarien) abging, fehlten auch die Bedingungen zur massenhaften Erhaltung der nachwachsenden Holz-Production des Festlandes. Das Rothliegende oder die limnische Unterregion der permischen Formation hat zwar noch hie und da Steinkohlen-Flötze, aber meist in geringer, gewöhnlich unbauwürdiger Mächtigkeit.

Um diese Zeit fand ein bedeutender Wechsel in der Landvegetation statt Die Sigillarien sind fast verschwunden, die Lcpidodendren auf spärliche Funde verringert. Calamiten, Farnen, Nöggerathien und Coniferen bildeten die Haupt- masse der Waldungen und wenn diese vielleicht auch noch üppig waren, so war der Materialabsatz doch nicht so vorherrschend gegenüber dem Verwesungs- Process wie in der carbonischen Kpoehe, wo die Stigmarien durch ihre Vernetzung der Verwesung entgegenwirkten. Mit Ende der permischen Epoche hat die Waldvegetation der Gefässkryptogamen noch weiter abgenommen und an ihre Stelle treten dann die Nadelholz-Waldungen der Trias-Epoche.

Die Gefass Kryptogamen stellen im Rothliegenden noch eine ausgezeichnete Sumpf- und Morast-Flora dar, in welcher aber mehrere Ordnungen nur noch in spärlichen Vertretern sich zeigen. Die Sigillarien (mit zugehörigen Stigmarien) verlieren sich bis auf spärliche Arten und in den Liegendthoncn der Kohlenflötze sind von ihren Rhizomen und Fibrillen nur selten noch Spuren erhalten. Mit ihnen sind die Lepidodendren anfangs noch in wenigen spärlichen Arten ver- treten und bald darauf ganz verschwunden. Die Sphcnophyllen fehlen. Die Cala- miten sind noch in mehreren Arten vertreten und von diesen ist Calamitts gigas Broon. für das Rothliegende bezeichnend. Auch Astcrophylliten fehlen nicht. Reichlich vertreten sind noch die Farnen und unter ihnen ist das erste Erscheinen von Callipteris conferta Air das untere Rothliegende gleicherweise bezeichnend.

Die I'hanerogamen-Flora breitet sich mehr aus. Verkieselte Stämme von Araucariten sind häufig im Rothliegcnden. Beblätterte Zweige von Walchien sind häufig, man unterscheidet vier Arten. Wahrscheinlich sind die Walchien nur die beblätterten Zweige derselben Gewächse, deren verkieselte Stämme auch als Araucariten (Dadoxyhn) bezeichnet werden. Das alles deutet an. dass in der permischen Epoche die Waldungen der Coniferen an der Stelle der zurücktreten- den Gefässkryptogamcn sich ausbreiteten. Cypressen (Ullmannia) wuchsen am Strande der Meeresbucht, aus der sich der Kupferschiefer ablagerte. Die phanero- gamischen Nöggerathien halten in der permischen Sumpfflora noch in ähnlicher Weise an wie in der carbonischen.

Die Land- und Süsswasser- Fauna der permischen Epoche trägt den allge- meinen Charakter von jener der limnischen Steinkohlen-Formation. Nur ist in Folge der geringeren Fülle der Sumpf-Vegetation und nach dem geringeren Be- trage der von ihr bedingten Schichtenbildung auch das Land- und Luft-Leben der Thierwelt nicht so reichlich im geologischen Archiv vertreten. Einigen Ersatz in dieser Hinsicht gewährt nur der Umstand, dass im Rothliegcnden der Nahe- und Blies-Gegend (in Rheinpreussen und Rheinbayern) zwischen Schieferthon ein- geschaltete Schichten und Nester von Eisencarbonat (dichtem Sphärosiderit) auf- treten, die oft reich an Resten von Thicrcn des Festlandes und des süssen Wassers sind. Dies ist namentlich der Fall in der Gegend von Lebach bei Saarbrücken und bei Birkcnfcld der Fall (mittleres Rothliegendes).

Süsswasser-Acephalen (Anthracosien) sind häufig in Lettenschichten des Roth- liegenden. Mit ihnen Ostracoden und Estherien (Estheria tenella Jordan). Grössere langschwänzige Krebse wahrscheinlich Amphipoden (Gampsonyx) lieferten

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Pormischcs System.

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die Lebacher Eisenerze. Auch vereinzelte Landbewohner z. B. einen Tausend- fuss (Julus).

Sehr reichlich vertreten in den limnischen Bildungen des Rothliegenden sind die eckschuppigen Ganoiden durch Arten von Aeauthodes, Palaeoniscus und Amblypterus. Namentlich lieferten die Lebacher Eisenerze zahlreiche schöne Exemplare von Amblypterus macropterus Ao.

Eine neue Erscheinung ist ein Süsswasser-Hai Xenacanthus Bevr. im Roth- liegenden. Er ist nach fast dem vollständigen Skelett bekannt und durch einen langen graden im Nacken sitzenden Stachel sowie durch dreispitzige Zähne aus- gezeichnet. X. Decheni Goldf. findet sich in einem Kalklager zu Ruppersdorf in Böhmen und erreichte gegen zwei Fuss Länge (65 Centim.).

Die Classe der Amphibien liefert mit der permischen Epoche reichliche neue Formen, namentlich Ganocephalen, deren Hauptvertretcr der in den Lebacher Eisenerzen häufig vorkommende Archegosaurus Decheni Goldf. ist. Die Gattung Branchiosaurus ist häufig im untren und mittleren Rothliegenden von Böhmen, Sachsen und Thüringen. (Protriton aus den bituminösen Schiefern von Autum ist ein ähnliches salamanderartiges nacktes Thier.) Auch ächte Labyrinth odonlen kommen im permischen System vor, wie Zygosaurus im permischen Sandstein von Orenburg.

Reptilien beginnen im permischen System mit den ersten sicheren Arten, zu denen namentlich der im Kupferschiefer von Thüringen in mehreren Exemplaren gefundene Protorosaurus Speneri gehört, ein Landbewohner, der vielleicht auch Fischen der Meeresküsten nachstellte. Darf man den rolhen Sandstein von Süd- Afrika auf dieselbe Epoche bezichen, so war die Reptilien-Fauna in der permischen Zeit auf dem Festland schon sehr zahlreich in Arten, Gattungen und Familien (Anomodonten).

Die Flora des permischen Systems überhaupt trägt noch in ausgezeichneter Weise den paläozoischen Charakter, den sie vom devonischen System, vielleicht vom Silurischen an schon trägt und im Steinkohlensystem am reichlichsten ent- faltet zeigt. Ihr Hauptcharakter ist das Vorwalten baumartiger Gcföss-Kryptogamen in den Waldungen des Festlandes.

Die Meeresablagcrungen des permischen Systems führen häufig Fucoiden. Namentlich ist der Kupferschiefer ausgezeichnet durch das Vorkommen von Caulerpites- Arten mit laub- und stengelartiger Verschiedentlichung des Lagers oder Thallus.

Die limnischen Ablagerungen, namentlich die Schieferthone und Mergel- Schichten des Rothliegendcn beherbergen eine reiche Land- and Sumpf-Vegeta- tion, ähnlich der der Steinkohlenformation, aber gleichwohl in merklicher Ver- armung begriffen und bei weitem nicht mehr so artenreich.

Die Calamiten treten noch zahlreich auf, doch nur in wenigen Arten, von denen Calamites gigas Brogn. eine bezeichnende Art des permischen Systems ist. Mit ihnen erscheinen noch Astcrophyllitcn, welche als beblätterte Zweige von Calamiten gedeutet werden und Annularien.

Die Farnen liefern im permischen System noch von allen Ordnungen des Pflanzenreichs die grösste Artenzahl. Reichlich verbreitet in Schieferthon, Mergeln und Eisensteinen des Rothliegendcn erscheinen die Wedel von Sp/ienopteris, Neuropteris, Alethopteris, Odontopteris u. s. w. Sehr bezeichnend ist Cyatheites arborescens Brogn. eine schon in der oberen Steinkohlenformation beginnende, ins Rothliegende fortreichende Art. Callipteris (Neuropteris) conferta fehlt noch

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Mineralogie, Geologie und Palneontologic.

in der Steinkohlenformation und ist für das Rothliegende durchweg bezeichnend. Odontoptcris obiusa Broun, (obtusiloba Naum.J beginnt in der Steinkohle und setzt ins Rothliegende fort

Dazu kommen verkieselte Farnstämme, deren Querschnitte trefflichen Auf- schluss Uber den anatomischen Bau gewähren. Sic sind im Rothliegendcn stellenweise z. B. bei Chemnitz in Sachsen, ausserordentlich häufig, dahin gehöien Tubicaulis, Psaronius u. a.

Die Sigillarien (mit den Stigmarien) verschwinden im Rothliegenden bis auf wenige Arten und erloschen dann ganz. Dasselbe ist mit den Lepidodendren der Fall und mit ihnen verschwinden auch die Sphenophyllen. So stirbt im Rothliegenden eine alte Welt ab, während der neue Nachwuchs noch spärlich bleibt.

Die Phanerogamen sind im permischen System, wie schon im carbonischen, durch eine Anzahl von Cycadeen, Coniferen und zweifelhaften Monocotyledonen vertreten.

Die Cycadeen zeigen sowohl Wedel, wie Ptcrophyllum, als auch verkieselte Stämme wie Mcdullosa. AI. stcllata Cott. aus dem Rothliegenden von Chemnitz in Sachsen lässt einen aus zwei oder drei dicken concentrischen Lagen be- stehenden Holzkorper und einen centralen Markcylinder erkennen, in welchem letzteren schmälere cylindrische Holzkörpcr oder im Entstehen begriffene Aeste aufsteigen.

Verkieselte Stämme von Araucariten sind zahlreich in den Sandsteinlagem des Rothlicgenden, besonders in der Nahe- und Bliesgegend. Beblätterte Zweige, die man als Walchicn bezeichnet, sind häufig in den Schiefcrthonen derselben Region. Sie gehören Coniferen an und können Zweige derselben Art sein, die man im verkieselten Erhaltungszustand Araucariten nennt.

Eine neue Erscheinung im Kupferschiefer und Zechstein sind beblätterte Zweige und zapfenförmige Fruchtzustände von Cupressineen, Ulmannia Bronni Goepp.

Die von den Botanikern vielfach im System umhergeworfenen (wahrschein- lich gymnospermischen) Nöggerathien sind wie in der Steinkohlenbildung; so auch im Rothliegenden ziemlich artenreich vertreten. Mit ihnen kommen auch noch Trigonocarpen vor.

Eine Reihe von Classen und Ordnungen Ser wirbellosen Thiere sind im permischen System noch ähnlich vertreten wie im Steinkohlen-System, aber fast alle in spärlicherer Artenzahl, so z. B. die Anthozoen durch einige wenige Tetra- corallien und Tabulaten. Unter den Brachiopoden zeichnet sich Strophalosia , eine mit Productus zunächst verwandte Gattung, durch reichlichere Vertretung im permischen Meeresgebiete aus. Unter den Crustaceen macht sich Gampsonyx fimbriatus (Jord.) bemerklich, ein kleiner langschwänziger Krebs, der in den Lebacher Eisenerzen häufig ist und vielleicht in die Ordnung der Amphipoden gehört.

Die Knorpelfische zeichnen sich im Zechstein durch eine Anzahl zerstreuter Zähne- und Flossenstacheln aus, die besonders von Cestracionten herzurühren scheinen. Aber wie bessere vollständigere Funde die Aufschlüsse aus zerstreuten Bruchstücken überbieten, zeigt die fast nach allen Skelett-Theilen bekannt ge- wordene Gattung Xenacanthus Beyr., ein Süsswasser-Hai aus dem Rothliegenden, dessen dreispitzige Zähne vordem unter dem Namen Diplodus den Hybodonten zugezählt wurden. Xenacanthus ist nach dem fast vollständig erhaltenen Skelett,

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Permisches System. 495

dessen Wirbelsäule im Vorderrumpf schon in beginnender Verknöcherung be- griffen ist, den Squaliden zunächst verwandt und zeigt nach R. Kner auch einige Analogien mit den heutigen flussbewohnenden Welsen (Siluriden). Ein langer, gerader, im Nacken eingepflanzter Stachel zeichnet die Xenacanthen aus.

Reichlicher vertreten im permischen System und zwar sowohl in den lim- nischen als den marinen Ablagerungen, gewöhnlich in wohl erhaltenen, zu- sammenhängenden Skeletten, erscheinen die beschuppten Ganoiden. Man kennt einige Cycliferen und verhältnissmässig zahlreiche Rhombiferen, unter ihnen Paläonisciden, Acanthodier, Platysomen und Sauroiden. Alle tragen noch das Gepräge der palaeozoischen Fauna, unvollkommene Verknöcherung der Wirbel- säule und ungleichlappige Schwanzbildung.

Die Amphibien sind im permischen System besonders durch gepanzerte Formen (Phractamphibia) vertreten, welche die in der Steinkohlen-Formation er- öffnete Reihe fortsetzen.. Namentlich gehört hierher Archegosaurtis Decheni Gold f. die am reichlichsten bekannte Art der Schmelzköpfe (Ganocephala), von welcher der Eisenstein des mittleren Rothliegenden in der Gegend von Lebach unweit Saarbrücken zahlreiche Skelette geliefert hat und die fast nach allen ihren Haupttheilen bekannt ist. Sie erreichte ein Meter Länge, der Kopf allein 26Centim. Das Hinterhauptsbein und die Wirbelsäule sind nicht oder1 nicht vollkommen er- halten und waren also wohl noch knorpelig. Die Schädeldecke trug einen zu- sammengesetzten Panzer von grossen furchig sculpirten und mit einer äusseren Schmelzlage versehenen Knochenplatten. Ein ähnlicher Knochenpanzer be- schützt Kehle und Brust, ein leichterer Panzer von dünnen gekielten Schuppen den Bauch, ein knöcherner Ring die Hornhaut der Augen.

Dazu . kommen echte Labyrinthodonten , wie Zygosaurus aus dem Kupfcr- sandstein von Orenburg. Aber auch schon nackte salamanderartige Amphibien, wie Apateon von Münsterappel und Protriton von Autun, vielleicht schon die nächsten Verwandten der heutigen Salamander und Tritoncn sind nachgewiesen.

Auch die Reptilien erscheinen im permischen System und zwar wohlchärak- terisirt in der Form thecodonter Eidechsen. Ihr Hauptvertreter ist Protorosaurus Speneri aus dem Kupferschiefer von Thüringen. Es ist eine Landeidechse, deren Zähne aber wie bei den heutigen Crocodilen in besonderen ringsum geschlossenen Zahnhöhlen eingekeilt sind (thecodontes Gebiss). Die Wirbelsäule ist ver- knöchert, die Wirbelkörper nach vorn und hinten ausgehöhlt. (Sogen. Fisch- wirbel). Zwischen den ältesten Amphibien und den theocodonten Lacertiern des permischen Systems mögen zahlreiche Mittelglieder bestanden haben, die wir noch nicht kennen, vermuthlich weil sie in trockneren warmen Festlandgebieten lebten, aus deren Bereich wir aus der Zeil des Rothliegcnden keine Bodenab- lagerungen erhalten finden. Ein Beweis davon, welche reiche Reptilienfauna da- mals einen besonderen Continent bevölkern mochte, geben die Cryptodonten, Dicynodonten und Theriodonten des rothen Sandsteins von Süd-Afrika, der viel- leicht ein Aequivalent des deutschen Rothliegenden ist, von anderen der Trias zugezählt wird, vielleicht aber beiden zusammen entspricht.

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Verbesserungen.

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20 Zeile

3

von

unten

lies

Structure anstatt Strukture.

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71

22

oben

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kronach anstatt kranach.

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23

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ii

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Chios anstatt Choros.

72

6

unten

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Ag,S anstatt Ag,.

74

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11

ii

glänzend und anstatt glänzend bis.

75

8

1

oben

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Hacen anstatt Häven.

ii

77

II

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1

unten

11

des anstatt das.

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77

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Boulangerit anstatt Boulangenit.

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24

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11

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starkes anstatt starres.

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oben

11

nicht anstatt selten.

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Brandisit anstatt Brandesit.

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20

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Spaltungsblättchen anstatt Spaltungsflächen. 0$ anstatt 20$.

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unten

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Cronstedtit anstatt Chronstedtit.

121

8

II

Naphtha anstatt Naphta.

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II

H

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1 1

II

Gersdorffit anstatt Gersdoffit.

183

« *

9

oben

II

Einschluss anstatt Einfluss.

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1

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II

Macandrina anstatt Macndrina.

II

278

22

fehlt

zeigen hinter u. s. w.

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II

die hinter und.

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unten

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sie vor eine.

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w* anstatt aw.

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streiche die Worte als Exponent ra.

Breslau, Eduard Trewendts Bu.lidruckerei (Setterinnenschul«).

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