Caesars monarchie und das principat des Pompejus

Eduard Meyer

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CAESARS MONARCHIE

und das Principat des Pompejus

Innere Geschichte Roms von 66 bis 44 v. Chr.

Von

EDUARD MEYER

Dritte Auflage

STUTTQART UND BERLIN 1922 J. O. COTTA'SCHE BUCHHANDLUNG NACHFOLGER

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Alle Rechte, insbesondere das Übersetzungsrecht, vorbehalten

Für die Vereinigten Staaten von Amerika: Copyright, 1918, by j. O. Cotta'acbe Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart and Berlin

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GEORG WISSOWA

IN TREUER FREUNDSCHAFT GEWIDMET

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Vorwort zur ersten Auflage

Im Sommer 1914 hatte ich mich von anderweitigen Ver- pflichtungen und Aufgaben so weit freigemacht, daß ich hoffen durfte, jetzt ungehindert an die Fortsetzung meiner Geschichte des Altertums, zunächst an die Neubearbeitung des zweiten Bandes, gehn zu können. Da kam der Krieg, der zunächst jede wissenschaftliche Arbeit unmöglich machte; und auch als all- mählich die Besinnung wiederkehrte und man daran denken konnte, die regelmäßige Arbeit wieder aufzunehmen, zeigte sich alsbald, daß der Versuch, die Geschichte des alten Orients in der geplanten Weise weiterzuführen, nicht ausführbar war. Weder die andauernde Konzentration der Arbeitskraft auf dies eine Gebiet ließ sich erreichen, die hierfür erforderlich gewesen wäre, noch vermochten mich inmitten des tobenden Kampfs um das Dasein unsres Volks die dort gestellten Probleme jetzt noch zu fesseln; ich mußte mich, soweit ich nicht durch die von den Er- eignissen gestellten literarischen und politischen Aufgaben in An- spruch genommen war, auch in meiner wissenschaftlichen Tätig- keit mit Dingen beschäftigen, die den Menschen innerlich zu packen vermögen und mit den Fragen, die uns alle aufs tiefste bewegen, in näherem Zusammenhang stehn. So habe ich eine Reihe von Arbeiten in Angriff genommen, von denen ich eine in dem vorliegenden Buch veröffentliche.

Ursprünglich war es nur meine Absicht, die Monarchie Caesars darzustellen, als Gegenbild zu dem Principat des Augustus, dessen Wesen ich früher in meinen Kleinen Schriften zu zeichnen versucht hatte, und dabei die bisher so vielfach verkannte politische Be- deutung sowohl der Schriften und der Tätigkeit Ciceros wie der Broschüren Sallusts darzulegen; die vorhergehende Zeit, die Stellung und Tendenzen des Pompe jus, hoffte ich in einer ein- leitenden Skizze kurz erledigen zu können. Indessen alsbald wurde

VI Vorwort

mir klar, daß das unzureichend war, wenn eine überzeugende Wirkung erreicht werden sollte ; und überdies reizte es mich , von der großen weltgeschichtlichen Epoche, die ich in Übungen und Vor- lesungen so oft durchgearbeitet hatte, und in der der Historiker des Altertums einmal wirklich aus dem vollen schöpfen kann, eine eingehende Darstellung zu geben, die neben lebendiger Gestaltung der einzelnen Vorgange zugleich eine volle Objektivität erstrebt.

Denn an einer solchen Darstellung dieser Zeit fehlt es noch durchaus; vielmehr sind die Geschichtswerke, welche sie behan- deln, durchweg von bestimmten Tendenzen beherrscht1) und fechten die Kampfe, welche ihre Gegenwart bewegten, leidenschaft- lich auf dem römischen Schauplatz aus wie ja der griechischen Geschichte des fünften und vierten Jahrhunderts das gleiche Schicksal widerfahren ist. Drumanns Werk ist geradezu ein Musterbeispiel einer derartigen parteiischen Behandlung, die trotz des energischen Fleißes daher oft genug zu ganz falschen Er- gebnissen kommt. Überdies ist sein Werk wohl das bizarrste Produkt deutscher Gelehrsamkeit: die Auflösung einer aufs tiefste erregten Epoche politischen Ringens, wo alles ineinander greift, in eine Unzahl von Biographien, die an der Hand der Familien- stammbäume geordnet sind. Wer würde auf den Gedanken kommen, etwa die französische oder englische Revolution in dieser Weise darzustellen! Dabei stehn wichtige und unwichtige Per- sönlichkeiten in bunter Folge nebeneinander, viele wichtige Per- sönlichkeiten, wie z. B. Curio Vater und Sohn, Fufius Calenus, die Aurelii Cottae, Sulpicü Rufi, Servilii Isaurici, Valerü Messallae, fehlen ganz, und in den wenigen Fällen, wo eine Familie durch mehrere Generationen in der Politik hervortritt in der Regel greift jede nur durch einen einzigen Mann in den Gang der Dinge ein , wie bei den Junii Bruti, Aemilii Lepidi und viel- leicht bei den Antoniern und Claudiern, ist trotz dieses rein

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y) Eine Ausnahme- bilden die Römischen Altertümer L. Langes, welche diese Epoche ganz eingehend behandeln und die Einzelheiten streng sachlich zu ermitteln suchen. Aber dies Werk ist so nüchtern gehalten und entbehrt so vollständig aller historischen Perspektive, daß es die einem Geschichtswerk gestellte Aufgabe nicht zu erfüllen vermag.

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Vorwort VII

äußerlichen Schemas gax nicht einmal die Frage aufgeworfen, ob sich eine traditionelle Familienpolitik erkennen läßt.

Auf Dbümamns Werk fußt Mommsen, und seine Darstellung bietet im vollsten Maße, was jenem fehlt, eine Zusammenfassung unter großen Gesichtspunkten, eine glänzende, lebenswahre Dar- stellung, eine Fülle fesselnder und den Leser gefangennehmender Schilderungen und Aussprüche. Unter seinem Einfluß stehn alle folgenden; mochten sie ihm zustimmen oder ihn bekämpfen, entziehn konnten sie sich ihm nicht. Aber wenn seine Römische Geschichte ein unvergänglicher Besitz unserer Nationalliteratur ist und das geschichtliche Verständnis gewaltig gefördert hat, so ist sie doch zugleich Parteischrift durch und durch, das Werk des alten Achtundvierzigers, der überall mit der ganzen Wucht und Leidenschaft seiner imponierenden Persönlichkeit für seine politischen Überzeugungen kämpft, und in der römischen Aristo- kratie und dem Senat das verhaßte Junkertum der Reaktions- zeit treffen will1). Die Wirkung dieses Werkes wird immer blei- ben; aber es bedarf der Korrektur, es ist dringend erforderlich, eine unparteiische Darstellung daneben zu stellen. Ich habe das an mir selbst erfahren: ich habe so im Banne seiner Dar- stellung gestanden, daß ich noch lange glaubte, in allem Wesent- lichen auf dem Boden seiner Auffassung zu stehn, als ich bereits erkannt hätte, daß zahlreiche Einzelheiten unhaltbar waren, bis mir schließlich klar wurde, daß ich in Wirklichkeit kaum noch etwas mit ihm gemeinsam hatte. Eben darum habe ich es für geboten gehalten, während ich sonst Polemik vermieden und nur ein paarmal auf starke Mißgriffe Drumanns hingewiesen habe, an Mommsens Darstellung mehrfach eingehende Kritik zu üben: bei der dominierenden Bedeutung seines Werks wird das jede neue Bearbeitung eines Abschnitts der römischen Geschichte tun müssen, die die Erkenntnis wirklich fördern will.

Dadurch, daß ich das bei Cicero vorliegende Material möglichst vollständig aufgenommen und auszunutzen versucht habe, kommt

') Siehe S. 824 ff. Diese Grundtendenz beherrscht auch Mommsens Römisches Staatsrecht and hat verschuldet, daß der dritte Band, die Darstelloag yon Volk und Senat, den beiden ersten nicht gleichsteht.

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VIII

Vorwort

allerdings eine gewisse Einseitigkeit in die Darstellung: Ciceros persönliche Auffassang und seine Schicksale treten stärker in den Vordergrund, als wenn uns gleichartiges Material auch von anderer Seite vorläge. Indessen hat Cicero, so oft das auch von den Neueren verkannt worden ist, auch im politischen Leben dieser Zeit eine so hei vorragende Stellung eingenommen auch in den Geschichtswerken des Altertums kommt in dieser Zeit, abgesehn von Pompejus und Caesar, kein Name so oft vor wie der seine, nur Cato kommt ihm vielleicht gleich , und das in seinem Nach- laß auf uns gekommene Material ist so vielseitig, daß diese Einseitigkeit demgegenüber nicht ins Gewicht fällt. Wohl aber sind die hier vorliegenden Äußerungen als Stimmungsbilder un- schätzbar; sie ermöglichen uns, die Vorgänge und Strömungen bis ins einzelnste mitzuerleben. Um dem Leser die fortlaufende Kontrolle zu ermöglichen, habe ich die in Betracht kommenden Stellen in weitem Umfang im Wortlaut angeführt.

Auch sonst habe ich in die Quellenbelege viel mehr wörtliche Zitate aufgenommen, als sonst Brauch ist. Lediglich die be- treffenden Stellen anzugeben, hat wenig Sinn, wo das Material schon so oft durchgearbeitet und jedem Forscher bequem zu- gänglich ist; denn daß der Leser sie nachschlägt, ist ja aus- geschlossen. Wohl aber war es wünschenswert, daß er die wich- tigsten Belege im Wortlaut kennen lernt und sich so schon bei der Lektüre ein selbständiges Urteil bilden kann. Im übrigen war meine Absicht, hier, wo wir die Vorgänge bis ins einzelnste an der Hand des auf uns gekommenen primären Materials fest» stellen und dadurch die historische Überlieferung genau kon- trollieren können, möglichst anschaulich hervortreten zu lassen, wie vortrefflich und zugleich wie einheitlich diese Überlieferung ist; das ist für ihre Beurteilung in den früheren Abschnitten von den Gracchen an, wo solche unmittelbaren Zeugnisse so gut wie ganz fehlen, von größtem Wert und begründet das Ver- trauen, daß sie auch hier zuverlässig ist.

Berlin, im Juni 1918.

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Vorwort zur zweiten Auflage

Weit rascher als ich erwarten konnte, ist eine neue Auflage nötig geworden. Das Buch ist erschienen in den trübsten Tagen deutscher Geschichte, als im Herbst 1918 unsere Widerstands- kraft jäh zusammenbrach und als dann eine von wahnwitziger Verblendung beherrschte Umwälzung nicht nur alle Grundlagen unseres Staatsbaus niederriß, sondern zugleich auch unser stolzes Heer und unsere unbesiegte Flotte vernichtete, unser gesamtes Wirtschaftsleben zertrümmerte, und uns wehrlos und ehrlos unseren Todfeinden zu Füßen warf.

Und doch ist schon nach drei Monaten die erste Auflage ver- griffen gewesen. Ich glaube daraus folgern zu dürfen, daß das Buch wirklich eine Lücke in der historischen Literatur ausfüllt, und zugleich wohl, daß auch andere das Bedürfnis empfinden, wenigstens auf Momente aus dem Elend der Gegenwart in ferne Zeiten zu flüchten und durch Beschäftigung mit einer in ihrer Entwicklung und in den wirkenden Kräften abgeschlossen vor uns liegenden Epoche die geschichtliche Erkenntnis zu läutern und zu vertiefen.

Der Neudruck hat mir die willkommene Gelegenheit geboten, einzelne Unebenheiten auszugleichen und übersehene Notizen nachzutragen. Tiefer greifende Änderungen waren nirgends erforderlich1). Für die Berichtigung einiger Irrtümer auf juristi-

*) Ich verzeichne hier alle Stellen, an denen irgendwie in Betracht kommende, über rein stilistische Verbesserungen hinausgehende Zusätze und Änderungen vorgenommen sind: S. 29, 4. 34, 1 (Rede Caesars bei Sallust). 64, 8 und 415, 6 (Caesars Ackerkolonien). 67, 3 (lex Thoria). 84 (Considius). 86 (die Domitier). 132, 1 (Citat aus Calvus). 156, 1 (Mancia gegen Libo). 164, 1 (der Quaestor Salustius). 250, S (Novum Comum). 32t) f. (Ober Fkrmro). 381, 1 (Catos Quaestur). 351, 4. 353. 5. 854, 1. 2. 444, 2. 475, 8 (Citat aus Nik. Dam.). 505 (über Mamurraj. 512, 1 (Varro

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X

Vorwort

schem Gebiet (S. 236, 5. 366, 4. 523, 1) bin ich meinem Kollegen E. Seckel zu großem Dank verpflichtet.

Ich kann diese neue Auflage nicht schließen, ohne der so ganz anderen Stimmungen und Erwartungen zu gedenken, unter denen das Buch geschrieben und gedruckt ist. Einen großen Teil der Korrekturen habe ich vor mehr als Jahresfrist in den herrlichen Frühjahrstagen 1918 in den baltischen Landen gelesen, als es mir vergönnt war, dort inmitten einer hoffnungsfrohen, von schwerstem Druck barbarischer Fremdherrschaft und rohester Revolution glücklich erlösten, von vollem Vertrauen in eine große und gesicherte Zukunft getragenen Bevölkerung eine Reihe wissenschaftlicher Vorträge zu halten. Jetzt ist das alles nieder- getreten uud vernichtet, zahlreiche der edelsten Manner und Frauen sind einem gräßlichen Schicksal anheimgefallen, ein blühendes Kulturland ist der rohesten Barbarei ausgeliefert; und dahinter steht die furchtbare Tatsache, daß dies Schicksal nicht nur durch das Verbrechen unserer Feinde herbeigeführt ist, sondern ein großer Teil der Schuld auf uns selbst lastet, daß unser Volk der großen weltgeschichtlichen Aufgabe, die ihm gestellt war, nicht gewachsen gewesen ist, und daß das gleiche Schicksal jetzt drohend auch über der eigenen Heimat schwebt. Wo ist noch ein Hoffnungsanker, an den wir uns klammern können, um an der Zukunft unserer Nation nicht zu verzweifeln?

über göttliche Abstammung). An eine richtigere Stelle gestellt sind 129, 2 das Citat aus Fenestella, 162, 5 der Brief an Brutus, 240, 1 die Angabe Isidors, 887 die Angaben über Caesars Epilepsie, 898, 3 der Brief des Nepos, 496 der an eine falsche Stelle geratene Abschnitt über die Juden, 539 das Verhalten Caesars gegen Cassius und Brutus. Ich bemerke noch, daß die Verweisungen auf spatere Abschnitte im Text nicht immer ganz genau sind, da sich die Verschiebung der Seitenzahleu im Neudruck im voraus nur annähernd berechnen ließ.

Pfingstsonntag, deu 8. Juni 1919.

Eduard Meyer.

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Inhalt

Seite

Pas Principat des Pompeju* 1

Emporkommen und Persönlichkeit des Pompejus 1J

Umtriebe des Crassus und Caesar. Die Verschwörungen Cata- linas U

Po in pej ns' Rückkehr und Bedrängnis 37

Pompejus' Koalition mit Caesar und Crassus tf>

Caesars Consu

Ciceros Verbannung 95

Clodius und Pompejus 102

Pompejus, Cicero und der Senat llo

Die Konferenz von Lnca nnd ihre Folgen 140

Das /.weite Consulat des Pompejus und Crassus 149

Das Principat des Pompejus und Ciceros Bucher vom Staat . . 174

Pompejus nnd die Anarchie 191

Fortgang der Anarchie. Pompejus' drittes Consulat 207

Vorbereitung des Bruchs mit Caesar 241

Marcus Marcellus und die Republikaner gegen Caesar .... 24-*>

Der Bruch zwischen Pompejus nnd Caesar 259

Die lettten Verhandlungen 278

Eröffnung nnd Verlauf des Bürgerkriegs 292

Caesars Monarchie 819

Caesar bei den neueren Historikern .321

Persönlichkeit nnd Ziele Qmm - . . . . . SM

Caesars Machtmittel und Anhänger 84'>

Die nächsten Aufgaben. Sallusts erste Schrift an Caesar . . . 34 S

Caesars Maßregeln im Jahre 49 864

Wirren in Rom während Caesars Abwesenheit ...... . ,%H

Caesars Rückkehr im Sommer 47 377

Beendigung des Bürgerkriegs. Caesars Triumphe 384

Sallusts zweite Schrift an Caesar :}KS

Caesar nnd die Parteien Oirarnw Ihinkrpdft tür Marzling' Bp-

gnadigung 899

Caesar* Gesetzgebung im Jahre 4G . . 410

XII Inhalt

Rom während des spanischen Krieg«. Caesar und Cicero. Die

Schritten über Cato 427

Caesars Rückkehr aus Spanien. Ehrungen und Attentatspliine.

Cicero und Brutus 444

Caesars Ziele. Die absolute Monarchie . . . . . . . , . 4üä

Die Welteroberung 472

Caesars Armee 476

Das Reich. Kolonien, Latin er und Bürger 483

Die Hauptstadt. Knlturautgaben 496

Die Finanzen 500

Caesars Gehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504

Die Begründung des Gottkönigtums Caesars ö(H

Die Opposition und die Verschwörung 5'jO

Caesars Ermordung 539

Beilage I. Der PerduelliorLsproseß des Rabiriua im Jahre 03 . 549

Beilage II. Sallusts politische Broschüren an Caesar .... 563

Beilage III. Ciceros Briefwechsel 5^

Beilage IV. Die Quellen 606

Register 623

Bas Principat des Pompejus

Meyer. Cw»an» Mon»reliie

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Emporkommen und Persönlichkeit des Pompejus

Dem Besiegten gerecht zu werden, ist eine der schwierigsten Aufgaben, die dem Historiker gestellt sind. Das hat in einem Maße wie wenig andere Pompejus erfahren; kaum je ist sein Bild als Staatsmann und Feldherr richtig gezeichnet worden. Mommsen hat eine glanzende Charakteristik von ihm entworfen, die nie- mand ohne hohen ästhetischen Genuß lesen wird : aber zutreffend ist sie keineswegs. Allerdings war Pompejus Magnus nichts weniger als eine große Persönlichkeit; kleinlich und ohne jede Wärme des Gemüts, hat er niemals wirkliche Sympathie zu er- wecken verstanden denn die Zuneigung, die Cicero nicht selten für ihn zu empfinden vorgibt , ist kein echtes Ge- fühl, vielmehr sucht er, aus einer verfehlten politischen Be- rechnung, sie sich selbst einzureden; wie kühl er wirklich über ihn dachte, hat er in intimen Äußerungen oft genug und zuletzt noch bei seinem Tode ausgesprochen. Die rücksichts- lose Art, mit der Pompejus immer wieder die Partei wechselte und seine Anhänger und Werkzeuge kühl fallen ließ, die Heuchelei, mit der er seine Absichten zu verhüllen suchte und verlangte, daß ihm, dem scheinbar Widerstrebenden, die Stellung aufgedrängt werde, die er im Herzen begehrte, und dazu die Gewissensskrupel, die ihn dabei plagten, nicht weil er sich über Gesetz und Moral hinwegsetzte tiefere ethische Empfindungen lagen ihm ganz fern , sondern weil er die formale Korrektheit, die ihm im- ponierte, nicht beobachten konnte, das alles sind abstoßende Züge und zeigen ganz wie sein äußerst charakteristisches Porträt die kleine, verschmitzte Persönlichkeit, die die Rolle eines Großen spielen möchte, der sie in keiner Weise gewachsen ist. Aber Mommsen hat ihm auch die Feldherrngaben bestritten, während er zweifellos zwar kein genialer, aber ein durchaus um-

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Da« Principat des Pompeji«

sichtig operierender Feldherr gewesen ist, den bis zu dem ver- hängnisvollen Zug nach Pharsaloa kein berechtigter Tadel treffen kann ; und ganz verfehlt ist bei ihm wie bei vielen anderen die Darstellung der politischen Ziele, die er erstrebte. Das trifft aber nicht nur dio Beurteilung des Pompejus selbst darauf käme verhältnismäßig wenig an , sondern die Gesamtauffassung der letzten Epoche der römischen Republik und der Kämpfe, in der sie zugrunde gegangen ist; und es hat zur Folge gehabt, daß Mo m ms en von dem großen Gregner des Pompejus und von seinen politischen Absichten und Schöpfungen ebensowenig ein zu- treffendes Bild entworfen hat. Darauf beruht es in letzter Linie, daß Mommsen seine Geschichte nicht hat fortsetzen können: von seiner Darstellung der Zeit des Pompejus und Caesar, von seiner Auffassung, daß mit Caesars Sieg die Geschichte der Republik zu Ende und durch ihn die Monarchie dauernd begründet sei, führt eben keine Brücke zu dem Principat des Augustus und der Geschichte der Kaiserzeit.

In Wirklichkeit treten Pompejus' politische Anschauungen und Absichten aus seiner gesamten Laufbahn ganz klar und unzweideutig hervor. Der Gedanke, die Republik zu stürzen und sich zum Monarchen zu machen, lag ihm völlig fern, und die Versuchung, die im Jahre 70 wie im Jahre 62 an ihn herantrat, sich an der Spitze einer ihm völlig ergebenen Armee offen gegen die Regierung aufzulehnen wie Caesar und sich durch einen Staatsstreich der Alleinherrschaft zu bemächtigen, hat er beide Male abgewiesen und sein Heer entlassen, wenn auch im Jahre 70 erst nach langem Zögern und nachdem er seine Absichten durchgesetzt hatte. Der Krieg zwischen Caesar und Pompejus war nicht etwa, wie er so oft, so auch von Mommsen, dargestellt ist, der Kampf zweier Prätendenten um das Königtum. Vielmehr sind es drei Gestaltungen des Staats, die hier miteinander ringen: die alte Republik in der Form der Senatsherrschaft die so- genannte Demokratie, d. h. die Herrschaft der Kapitalisten, und rivalisierend neben ihr die des hauptstädtischen Pöbels, war durch Sulla und bei ihrem nochmaligen Erhebungsversuch unter Lepidus und Marcus Brutus vernichtet, und lebte wohl noch ab» Ideal

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Pompejus' politische Ziele

in einzelnen Köpfen, spielte aber politisch überhaupt keine Rolle mehr , die absolute Monarchie Caesars, und zwischen ihnen diejenige Gestaltung, die Pompejus erstrebte, die militärische und politische Leitung des Staats durch den amtlosen Vertrauens- mann des Senats und der Aristokratie, den alle seine Rivalen an Einfluß weitaus überragenden ersten Bürger, den Princeps. Die Stellung, die Pompejus für sich begehrte und die er zuletzt, seit dem Jahre 52, wenigstens annähernd erreicht hat, ist in der Tat in den wesentlichsten Momenten bereits die, welche das augusteische Principat dem Regenten zuweist; die Gestaltung, welche Augustus dauernd begründet hat, steht der von Pompejus erstrebten viel näher, als der des Mannes, dessen Namen er trug. Ebeu darin beruht die eminente weltgesc hichtliche Bedeutung des Pompejus, die die Caesars fast noch übertrifft. Sie tritt dadurch nur noch deutlicher hervor, daß er an sich keineswegs eine her- vorragende, seiner Stellung innerlich gewachsene Persönlichkeit gewesen ist; gerade darin zeigt sich, wie die Entwicklung mit innerer Notwendigkeit auf diese Gestaltung hindrängt, in der sich die alten Traditionen der Republik und der Senats- herrschaft mit dem Bedürfnis nach einer einheitlichen Leitung des Weltregiments durch den Reichsfeldherrn zu verbinden und ins Gleichgewicht zu setzen versuchen. Caesar hat diese Lösung mit der Ueberlegenheit des Genius geringschätzig bei- seite geschoben; aber eben darum hat seine Schöpfung keine Dauer gehabt, sondern die Geschichte ist in furchtbaren Kämpfen darüber hinweggeschritten.

Dieser Entwicklung nachzugehn und sie in ihrer Einzelgestal- tung richtig zu erfassen, hat nicht nur ein historisches Interesse ohnegleichen, sondern ist lehrreich auch für Gegenwart und Zukunft. Wenn nicht alles täuscht, wird im Laufe des nächsten Jahrhunderts die große Republik Nordamerikas, deren Wesen und Entwicklung mit der Roms überhaupt viel mehr Ähnlich- keit hat, als der oberflächliche Betrachter ahnt, einer ähnlichen Krise entgegengehn : je mehr sie in die Weltpolitik hineingezogen wird und damit die äußere Politik und die militärische Macht in den Vordergrund tritt, je mehr gleichzeitig ihr innerer Aufbau

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Das Principat des Pompejus

sozial und wirtschaftlich sich umgestaltet, um so unabweisbarer wird auch hier die Auseinandersetzung werden zwischen den demokratischen Prinzipien der Verfassung und den legitimen Organen des Staats auf der einen Seite, und ihnen gegenüber den Persönlichkeiten von überragender Stellung, seien sie wirk* lieh von innerem selbständigem Wert oder mag der Zufall sie auf ihren Platz gestellt haben, in deren Hände unvermeidlich die großen Entscheidungen gelegt sind.

Pompejus' Stellung beruht darauf, daß als er im Jahre 83 als einfacher Privatmann im Picenum drei Legionen aufbrachte und sie nach Niederwerfung der feindlichen Truppen wohlgeordnet und siegreich dem Sulla zuführte, dieser ihn als Imperator be- grüßte. Dadurch erkannte er den 23jährigen amtlosen Mann als sich gleichstehend an und hob ihn hoch über all die andern Heerführer, die sich jetzt unter Sullas Fahnen sammelten und die, obwohl sie zum Teil bereits hohe Staatsamter bekleidet hatten, doch nur seine Legaten waren. Pompejus hat, wenn er auch Sullas Vorrang anerkannte, doch an der selbständigen Kommando- gewalt festgehalten, sich nach dem Siege über die Demokraten in Afrika vom Heer zum Imperator ausrufen lassen und den Triumph, auf den er dadurch Anspruch erhielt, von Sulla er- trotzt. So rücksichtslos Sulla sonst gegen seine Werkzeuge vor- ging, wenn sie sich über die von ihm wiederhergestellte Staats- ordnung, mit der es ihm heiliger Ernst war, hinwegsetzen wollten den Ofella hat er, als er sich, obwohl er wie Pompejus nur Ritter war und noch kein Amt bekleidet hatte, um das Consulat bewarb, auf dem Markt niederhauen lassen und dem Volk erklärt, wenn Rom sich noch ein drittes Mal empöre, werde er die Stadt in Brand stecken und so das Uebel mit Stumpf und Stiel aus- rotten — , gegen Pompejus blieb ihm nichts übrig, als sich „vor der aufgehenden Sonne" zu fügen: er selbst hatte, ohne es zu ahnen, den Mann großgezogen, der die von ihm gegebene Ver- fassung über den Haufen werfen sollte.

Es lag auf der Hand, daß ein Mann, der diese Stellung ein- nahm, damit über die gesetzlichen Schranken hinausgewachsen war. Innerhalb der Staatsordnung war für ihn kein Raum:

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Emporkommen des Pompejus 7

unmöglich konnte er, der Imperator und Triumphator, jetzt die Ämterlaufbahn als Quaeetor beginnen und damit zugleich den Ein- tritt in den Senat erlangen. Er war zu einer selbständigen Macht geworden, die unabhängig neben dem Staat stand, und hat das schon Sulla selbst fühlen lassen, auch durch die Förderung der Bewerbung des Lepidus um das Consulat. Nach Sullas Tode konnte er sich politisch als dessen Erben betrachten: mit ihm zusammen hatte er die demokratischen Usurpatoren besiegt und die Senatsherrschaft wieder aufgerichtet, er war der Begründer und Schirmer der bestehenden Staatsordnung, an den sich die Regierung in allen Notlagen wenden, dem sie, wenn es im Innern oder gegen äußere Feinde einen ernsthafteren Kampf gab, das Kommando übertragen, dessen Primat sie bereitwillig anerkennen sollte. Das und nichts anderes ist das Ziel, das Pompejus zeit« lebeus erstrebt hat: die Stellung Sullas, den er dauernd als sein Vorbild betrachtete, sollte durch ihn verewigt werden, die regie- rende Behörde, der Senat, sollte sich ihm als dem ständigen Reichsfeldherrn willig unterordnen, dann mochte daneben der republikanische Ämterturnus und die Rivalität der führenden Männer ruhig fortbestehn, wenn nur keiner von diesen sich ver- maß, es ihm gleichtun zu wollen.

Der Anlaß, Pompejus zu verwenden, bot sich sofort. Als es zu Anfang des Jahres 77 nötig wurde, gegen die Insurrektion des Lepidus und Brutus ein zweites Heer aufzustellen, das das Po- land unterwerfen sollte, blieb dem Senat kerne Wahl: Pompejus war der einzige, dem er dies Kommando übertragen konnte. Dann erzwang Pompejus, statt, wie Catulus ihm geboten hatte, sein Heer zu entlassen, vom Senat die Entsendung nach Spanien gegen Sertorius mit proconsularischem Imperium, und führte in mühseligen Kämpfen und in unverhüllter Rivalität mit dem legi- timen ProconsulMetellus Pius schließlich, nach der Ermordung des Sertorius, durch die Besiegung desPerperna im Jahre 71 den Krieg zum glücklichen Ende. Daß er jetzt, siegreich zum abermaligen Triumph heimkehrend, für sich das Consulat und damit die Auf- nahme unter die gesetzlich anerkannten Oberhäupter der Republik forderte, war unvermeidlich; eben so natürlich aber, daß der Senat

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Das Principat des Potnpejus

ihm die dafür erforderlichen Dispense aus freien Stücken niemals gewähren würde. So blieb ihm, wollte er nicht selbst seine Zu- kunft preisgeben und sich zu den Toten werfen, nichts übrig als den widerstrebenden Senat durch die Mittel, über die er ver- fügte, zur Nachgiebigkeit zu zwingen und ihm zu zeigen, daü er gegen den allmächtigen Feldherrn wehrlos sei. Pompejus führte sein Heer unter dem Vorwande des Triumphs vor Rom, verband sich mit seinem von ähnlichen, wenn auch bescheide- neren Wünschen geleiteten Rivalen Crassus, dem er eben noch auf dem Heimweg den Sieg über die letzte der aufständischen Sklavenbanden entrissen hatte, und akzeptierte das Programm der Demokratie, sowohl um die Massen für sich zu gewinnen, wie um in der wiederhergestellten gesetzgeberischen Initiative der Tribunen ein weiteres bequem verwendbares Mittel zur dauernden Einschüchterung des Senats zu gewinnen.

Die Vertreter des demokratischen Programms und die Reste der ehemals von Drusus gebildeten Mittelpartei schlössen sich natürlich an, unter diesen vor allem Lucius Cotta, der im Jahre 70 zur Praetur gelangte1). Unter den jüngeren Talenten der Partei beginnt C. Caesar hervorzutreten, der eben damals zum Militär- tribun gewählt war und eifrig für die Wiederherstellung der tribuuicischen Gewalt sowie für die Restituierung der Anhänger des Lepidus und Sertorius eintrat2). Aber er stand noch im An- fang seiner Laufbahn und man muß sich hüten, seinen Einfluß in dieser Zeit unter dem Eindruck seiner späteren Entwicklung zu überschätzen: für das große Publikum war er nur der Gehilfe des Crassus, der seine Bedeutung frühzeitig erkannt hatte und ihm seine unerschöpflichen Geldmittel reichlich zur Verfügung stellte. Uberhaupt aber war die demokratische Partei politisch viel zu schwach und zersplittert, um eine selbständige Rolle spielen zu können; sie gab lediglich das Programm her für die ganz andersartigen Bestrebungen der Machthaber, und ihre

') Unsere Überlieferung ist so dürftig, daß wir andere Beteiligte bei der Umwälzung kaum nennen können. Gewiß hat z. B. auch Licinius Hacer, der Historiker, Tribun 78, dabei mitgewirkt.

*) Sueton Caes. 5.

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Pompejus' Übertritt cur Demokratie

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Vertreter mußten zufrieden sein, wenn für sie materiell etwas dabei abfiel.

Durch die Koalition wurde die Wahl des Pompejus und Crassus erzwungen und die sullanische Verfassung durch ihren Mit- begründer gestürzt, die ausschließliche Gerichtsbarkeit des Senats durch eine Besetzung der Richterstellen aus allen drei Standen in vernünftiger Weise ersetzt, zugleich aber durch Wiederher- stellung der tribunicischen Gewalt dem anarchischen Treiben in der Hauptstadt Tür und Tor geöffnet. Eine zielbewußte, den großen Aufgaben zugewandte Politik, für die der Senat sich schon in den Tagen seiner Allmacht nicht gewachsen gezeigt hatte, war fortan durch den ununterbrochenen Hader des Alltags vollends unmöglich gemacht. Für die ehrgeizigen Männer, die unter der Flagge der Demokratie segelten, begannen aufs neue goldene Tage; den Senat zu schikanieren und die Aristokraten zu ärgern, wie Caesar als Quaestor 68 bei der Leichenrede auf seine Tante, die Witwe des Marius, dessen imago er im Leichenzug vorführte, war ein sicheres Mittel, um vorwärts zu kommen. Zugleich aber zeigte sich, wie schon unter der gracchischen Verfassung, daß die Demokraten noch weit weniger imstande waren, den Staat wirk- lich zu leiten und auch nur den dringendsten Aufgaben des Tages gerecht zu werden, als die Nobilität. Die Kapitalisten, die Ritter- partei, der C. Gracchus das Regiment hatte übergeben wollen, war von allen wirklich politischen Aspirationen durch das Blut- bad Sullas gründlich kuriert und verfolgte lediglich, noch weit ausschließlicher als damals, ihre materiellen Interessen, die jetzt allerdings vom Senat weit stärker berücksichtigt werden mußten als vor dem Jahre 70 daher wurde dem Lucullus im Jahre 69 die Provinz Asia, im Jahre 68 die Provinz Cilicia abgenommen, da er gegen die Mißwirtschaft der Steuerpächter energisch auf- getreten war ; daß aber eine wirkliche Demokratie unter Lei- tung des vom Vertrauen der Massen getragenen Demagogen, wie sie in dem Stadtstaat Athen eine Zeitlang bestanden hatte, in dem römischen Staat, der jetzt die Bevölkerung ganz Italiens vom Po bis zur aicilischen Meerenge umfaßte, eine Utopie war, und der Versuch, sie gestützt auf den Stadtpöbel durchzuführen,

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Das Principat des Pompejus

notwendig zum Untergang führen mußte, hatte sowohl die Kata- strophe des Tiberius und des Gaius Gracchus, wie in noch schla- genderer Weise die des Saturninus gezeigt. Wenn die republi- kanische Verfassung bestehn bleiben sollte, gab es keinen andern Ausweg, als daß der Senat die Regierung führte, so wenig auch diese vielköpfige, überdies durch rein persönliche Tendenzen, durch Intrigen und Koterietreiben vollständig zersetzte Körper- schaft dazu wirklich imstande war und jetzt war sie durch die demagogische Agitation noch weiter gelähmt. Zugleich wurde der Senat durch die neu bestellten Censoren (Gellius Poblicola und Lentulus Clodianus) gründlich purifiziert, nicht weniger als 64 Senatoren wurden ausgestoßen; das hat dann, da viele von diesen versuchten, dem materiellen Ruin durch Wiedereintritt in die Ämterlaufbahn zu entgehn, zu einer gewaltigen Steigerung der Wahlumtriebe und Bestechungen geführt, ünabweislich erhob sich immer stärker die Notwendigkeit, daß energische Männer, gestützt auf eine ihnen ergebene Armee, ihm die Leitung vor allem der auswärtigen Angelegenheiten aus der Hand nahmen und aus eigener Machtvollkommenheit handelten das hat auch der Senatsfeldherr Lucullus getan, als er den Krieg gegen Tigranes ohne offizielle Vollmacht begann, obwohl sein Heer durchaus renitent war und ihm nur widerwillig folgte , wenn nicht die römische Weltherrschaft und die Machtstellung Italiens trotz aller Kräfte, die das Land in sich umschloß, schmählich zu- sammenbrechen und die Mittelmeerwelt, der Orbis terrarum in ein Chaos versinken sollte.

Dem gegenüber stand die Machtstellung des Pompejus weiter gefestigt. In einer bisher in aller römischen Geschichte uner- hörten Weise war er in die Reihe der Consulare eingetreten ; seinen Rivalen Crassus hatte er noch weiter gedemütigt, indem er ihm gnädig die Bewerbung um das Gonsulat erlaubte, ihm die Be- teiligung an der Einbringung des Consulargesetzee über die Wieder- herstellung der tribunicischen Gewalt gestattete, und ihn schließ- lich, nachdem das ganze Jahr in fortwährendem Hader verlaufen war, zwaug, vor allem Volk den ersten Schritt zu einer Versöhnung zu tun, die er daun großmütig gewährte. Erst darauf entließen

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Pompejus im Osten

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die beiden Consuin ihre Heere, unter deren Druck die Verfassungs- änderungen durchgeführt waren. Pompejus konnte sich formell ins Privatleben zurückziehen und den Dingen ihren Lauf lassen ; aber er war der allmächtige Mann, um dessen Gunst jeder Streber buhlte1), und er konnte sicher sein, daß er und er allein in Be- tracht kam, wenn wieder die Lage eine größere militärische Kraft- entfaltung erforderte.

Die Gelegenheit fand sich bald genug. Im Jahre 67 wurde ihm das Kommando gegen die Seeräuber, im Jahre 66 das gegen Mithridates und Tigranes übertragen. Der Widerspruch, den die angesehensten Männer der Nobilität erhoben, verhallte wirkungs- los und enthüllte nur ihre Ohnmacht; ihnen blieb nichts übrig, als sich auch diesmal den tatsächlichen Machtverhältnissen zu fügen. Dadurch waren alle Küsten des Mittelmeers und ganz Vorderasien bis an die Grenze, die er selbst zu setzen für gut fand, seiner Herrschaft unterstellt. Er hat seine Aufgabe um- sichtig und vollständig gelöst : die geordneten Zustände der Kaiser- zeit beginnen für den römischen Orient mit Ausnahme Aegyptens tatsächlich mit Pompejus. So hat sich das persönliche Regiment bei seinem ersten offiziellen Auftreten als ein Vorläufer kann Sullas Schalten in Asien und Griechenland gelten vortrefflich bewährt und dem zerfahrenen Treiben der alten republikanischen Geschäftsführung weitaus überlegen erwiesen.

Umtriebe des Crassus und Caesar. Die Verschwörungen Catilinas

Während Pompejus sich in Asien bedächtig Zeit ließ, versuchte sein Rivale Crassus, unterstützt von seinem gewandten, mächtig aufstrebenden Adjutanten Caesar, sich in Rom eine Stellung zu

:) Drastisch gibt dem Q. Cicero in der Schrift de petitione con- sulatus im Jahre 64 Aasdruck: effleiendum etiam illud est, ut scianl omnes Cn. Pompei summam esse erga le voluntatem et vehementer ad Hütts rationes te id adsequi qttod petis periinere 51, vgl. 5). In Wirklichkeit bestand bekanntlich ein derartiges Verhältnis zwischen Cicero und Pompejus keineswegs.

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Da« Principal des Pom pejus

schaffen, durch die er ihm das Gegengewicht halten könnte. Eine materielle Grundlage suchten sie in den Transpadanern zu ge- winnen, bei denen Caesar schon Ende 68, als er vorzeitig aus Beiner Quaestur im jenseitigen Spanien zurückkehrte, für die Er- langung des vollen Bürgerrechts an Stelle der ihnen im Jahre 89 durch das Consulargesetz des Pompejus Strabo gewährten La- tinität so eifrig agitierte, daß der Consul Q. Marcius Rex des- halb die Legionen, mit denen er nach Cilicien abgehen sollte, eine Zeitlang in Italien zurückhielt1). Jetzt versuchte Crassus als Censor im Jahre 65, sie in die Bürgerlisten einzuschreiben, konnte das aber gegen den Widerspruch seines Kollegen Catulus, des Vorkämpfers der Nobilität, nicht durchführen-). Ebenso hinderte dieser seinen Versuch, Aegypten auf Grund des Testaments des Königs Alexander einzuziehn8). Die Absicht war, daß Caesar, damals Aedil, mit der Ausführung beauftragt werden sollte, und die Tribunen stellten denn auch einen dahingehenden Antrag; aber die Optimaten brachten ihn zu Fall4). Hinter Crassus und Caesar stand eben keine wirkliche Macht, die Menge empfand instinktiv, daß ihre Pläne gegen Pompejus gerichtet waren, und blieb daher lau, und so konnten sie die Optimaten und den Senat wohl ärgern und die Hauptstadt in fortwährender Unruhe halten, aber politisch

') Sueton Caes. 8 decedens ante tempus (ab Quaeetor in Hispania nlterior) colonias Laiinas de petendo civitate agitantes adüt, et ad audendum aliquid concitasset, nisi consules conscriptas in Cüiciam legiones paulisper ob id ipsum retinuissent. Im Jahre 68 verklagte er den C. Piso, cos. 67, Proconsul der Narbonensis 66 u. 65, und eifrigen Optimaten und Gegner des Pompejus in iudicio pecuniarum repetun- darum propier cuiusdam Transpadani supplicium iniustum Sallust Cat. 49; Cicero, der ihn als Consul verteidigte, erreichte seine Frei- sprechung (Cic. Place. 98).

') Dio 87, 9. In diese Verhandlungen gehört die Äußerung des C. Curio (cos. 76; Cic. de off. III 88, cum causam Transpadanorum aequam esse dicebat, semper autein addebat „vincat utüitas'.

a) Plut. Grass. 13. Cic. de leg. agr. 11 44 (unten S. 14 Anm. 1). Vgl. die Fragmente von Ciceros Rede de rege Aiexandrino.

*) Sueton Caes. 11, vgl. Cic. leg. ag. LI 44; Sueton redet hier be- kanntlich mit Unrecht von der Absicht, Ptolemaeos Auletee wieder ein- tusetzen, die ins Jahr 57 gehört.

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Crassus' and Caesars Umtriebe gegen Pompejus

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nichts erreichen; im Gegenteil, eben durch ihre Machinationen wurde die Stellung der Nobilität wieder gekräftigt1) und zugleich eine Annäherung zwischen ihr und Pompejus aufs neue angebahnt. Die Censur des Orassua verlief in den ununterbrochenen Reibereien mit Catulus völlig ergebnislos, und schließlich blieb beiden nichts übrig als abzudanken*). Im nächsten Jahre wurden alle Nicht- bürger durch den Tribun C. Papius aus Rom verwiesen*) und damit die Elemente, auf die er sich hätte stützen können, weiter geschwächt. Zugleich hinderten die Tribunen die an Stelle des Crassus und Catulus neugewählten Censoren, die Senatsliste auf- zustellen, so daß auch sie ihr Amt niederlegten4). Dio motiviert das damit, daß die Tribunen fürchteten, von ihnen aus dem Senat ausgestoßen zu werden; aber es lag überhaupt im Interesse der Nobilität, es nicht mehr zu einem Abschluß der Censuren kommen zu lassen, da sie bei ihrer vollständigen moralischen Zersetzung nicht mehr die sittliche Kraft hatte, auch nur die verkommensten Mitglieder auszustoßen. So ist die gegen den Sullanischen Senat gerichtete Censur des Jahres 70 die letzte republikanische ge- blieben, die ihre Aufgabe erfüllt hat; der Versuch, der unter Pompejus* Regiment im Jahre 50 wieder gemacht wurde, ist durch den Ausbruch des Bürgerkriegs vereitelt worden.

In derselben Weise scheiterte der zu Ende des Jahres 64 unter- nommene Versuch, durch ein umfassendes Ackergesetz, das die am 10. Dezember antretenden Tribunen unter Führung des Servilius Rullus einbrachten, die gesamten Staatsdomänen, einschließlich

') Vgl. Sallust Cat. 39 aed postquam Cn. Pompeius ad bellum maritumwn atque Mithridaticum missus est, plebis opes imminutae, paucorum potentia crevit: Pompejus war ja damals offiziell das Ober- haupt und der Beschützer der Plebs. Mohmskn R.G. III 7. 174, 1 hat den Satz ganz seltsam mißverstanden, wenn er daraus herausliest: ,daß die gabinisch-manilischen Gesetze der Demokratie einen tödlichen Schlag ▼ersetzten, sagt Sallust Cat. 89".

») Plut. Crass. 18. Dio 37, 9.

') Dio 87, 9. Cic. de off. III 47. pro Arch. 10. pro Balb. 52.

4) Dio 37, 9. Der eine Censor war nach Plut. Cic. 17 vgl. de domo 84 L. Cotta, der Praetor des Jahres 70, Consul 65; der andere ist nicht bekannt: b. dk Boor. Fasti censorii 91 f.

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Das Principat des Pompejus

der von Pompejus neu gewonnenen Gebiete, in die Hände einer nominell von der Minorität der Tribus erwählten nur 17 sollten zur Vornahme der Wahl ausgelost werden , tatsächlich von Rullus zu ernennenden Kommission von zehn Männern zu bringen, in der offenbar Crassus und Caesar die leitende Stellung erhalten haben würden; auch den Plan der Einziehung Aegyptens gedachte man auf diesem Wege zu verwirklichen1), überdies Capua als Kolonie wiederherzustellen und mit 5000 Bürgern zu besiedeln und so die in die Hauptstadt zusammengeströmte beschäftigungs- lose Menge wieder dem Erwerbsleben zuzuführen*), eine Absicht, die dann Caesar wenige Jahre später als Consul verwirklicht hat. Aber für den Augenblick war dieser Antrag nur ein Schlag ins Wasser. Allgemein empfand man, daß er gegen Pompejus ge- richtet sei ausdrücklich war, um ihn auszuschließen, bestimmt, daß nur in Rom Anwesende in die Zehnmännerkommission ge- wählt werden dürften , und daß er, wenn er angenommen würde, unvermeidlich zum Bürgerkriege und einer Tyrannis der machinatores, der Hintermänner der Tribunen, führen müsse, und daher in Wirklichkeit nichts weniger als populär sei. So konnte ihn Cicero gleich zu Anfang seines Consulate ohne große Mühe zu Fall bringen.

Diesen ununterbrochenen Mißerfolgen gegenüber hatte es wenig zu bedeuten, wenn Crassus und Caesar nebst ihren Ge-

') Auf die früheren Absichten des Crassus und Caesar auf Aegypten nimmt Cicero de lege agr. 11 44 direkt Bezug, ohne ihre Namen zu nennen, wie er die der Hintermänner überhaupt durchweg verschweigt (vgl. II 65 u. a.): wenn das Gesetz angenommen wird, werden die Zehn- manner entweder Aegypten einzieh n und darüber nach Gutdünken schalten, oder es dem König Ptolemaeos verkaufen: qui sunt isti X viri, qiws per»piciamii3 regnum Alexandreae Ptolomaeo gratis adiudi- caturos? qitod si Alexandrea petebatur, cur non eosdem cursus hoc tempore, quos C. Cotta, L* Torquato consulibus (im Jahre 65) cu- currerunt? cur non aperte ut antea? cur non item ut tum decreto et palam regionein illam petierunt? an qui etesiis, qui per cursum rectum regnum teuere non potuerunt, nunc caecis tenebris et cali- gine se Alerandream perventuros arbitrati sunt?

%) Cic de leg. agr. II 70: Rullus sagt im Senat „insanam plebem nimium in republicu posse, exhauriendam esse". *

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Caesars Umtriebe im Jahre 68

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nossen in Personalfragen eine Anzahl von Erfolgen errangen» wenn z. B. Caesar durch den Glanz seiner aedilicischen Spiele 65 die Menge fesselte, wenn er Marius' Trophäen wiederherstellte, und im nächsten Jahre als Vorsitzender des Mordgerichts eine Anzahl Schergen des Sulla verurteilen ließ der ärgste von ihnen, Catilina, mit dem Caesar in geheimer Verbindung stand, wurde dagegen freigesprochen , und wenn er im Frühjahr 63 bei der Bewerbung um die Stelle des Pontifex maximus, nachdem der Tribun Labienus durch ein Gesetz die Wahl den Comitien zurück- gegeben hatte1), dem Catulus, dem Vormann der Nobilität, und dem Serviüus Isauricus den Rang ablief. Der Versuch dagegen, den Babirius als Mörder des Saturninus durch die Centurien ver- urteilen zu lassen, den Labienus im Einverständnis mit Caesar unternahm einer der beiden duoviri perduellionis war Caesar selbst, der andere sein entfernter Verwandter Lucius aus der älteren Linie der Julii Caesar es, Consul im Jahre 64 , und dadurch die auf Grund eines senatum conzuUum ultimum erfolgten Bluttaten und Hinrichtungen ohne gerichtliches Verfahren für gesetzwidrig und strafbar zu erklären, wurde durch einen Hand- streich des Praetoro Q. Metellus Celer vereitelt, indem er die Fahne einzog, die während der Tagung der Centurien auf dem Ja- niculum wehen mußte, und dadurch die Auflösung der Versamm- lung erzwang2). Nicht einmal die Zulassung der Söhne der von Sulla Proskribierten zur Ämterlaufbahn konnten Caesar und die Tribunen erreichen; auch dieser Antrag wurde von Cicero zu Fall gebracht3).

>) Dio 87, 87. Dio setzt Caesars Wahl fälschlich nach der Ver- urteilung der Catilinarier an; daß sie in Wirklichkeit in die erste Hälfte des Jahres, noch vor Caesars Wahl zum Praetor, fallt, steht durch Sallust Cat 49. Vellejus II 43, 3. Sueton 18 f. Plut. Caes, 7 fest.

s) S. darüber Beilage I.

») Dio 87, 25. Cicero in Pis. 4. Plin. 7, 117; vgl. Plut. Cic. 12. Vellejus II 48, 4. Vgl. auch Cic. de leg. agr. II 10: neque vero illa po- pularia sunt existimanda, iudiciorum perturbationes , rerutn iudica- tarum inftrmationes, restitutio damnatorum, qui civüatum adflic- tarum perditis iam rebus extremi exitiorum solent esse exitus; neque si qui agros poputo Romano pollicentur, si aliud quiddam obscure

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Das Principat des Pom pejus

Wie wenig aussichtsvoll all diese Versuche waren, sich unter wenigstens formaler Beobachtung der Vorschriften der Verfassung eine außerordentliche Machtstellung zu verschaffen, mußten Crassus und Caesar Belbst empfinden; so versuchten sie gleich- zeitig, auf gewaltsamem Wege, durch Verschwörungen und Revo- lution, zum Ziele zu gelangen. Als Werkzeug boten sich ihnen die zahlreichen ruinierten Existenzen innerhalb der Nobilität, die unter dem Druck der Schulden, wenn ihnen der Weg zur Be- reicherung durch die Ämterlaufbahn versperrt wurde oder nicht mehr zugänglich war, weil keiner ihnen weiter borgen wollte, vor keinem Verbrechen zurückscheuten. Ein Anlaß zum Los- schlagen bot sich ihnen gleich im Jahre 66, kurz nachdem der Krieg gegen Mithridates an Pompe jus übertragen war, noch ehe Crassus die Censur angetreten hatte. Eben damals war Gatilina, der ruchloseste und zugleich der fähigste unter den Schergen Sullas, nachdem er als Propraetor die Provinz Africa ausgeplündert hatte, durch eine von dem jungen P. Clodius erhobene Repetunden- klage an der Bewerbung um das Consulat für 65 verhindert worden: der Senat hatte sich scharf über seine Verwaltung ge- äußert, und der wahlleitende Consul L. Volcacius Tullus erklärte auf Grund einer öffentlichen Verhandlung, er könne als Bewerber nicht zugelassen werden1). Aber auch die erwählten Consuln P. Autronius Paetus und P. Sulla, Neffe des Dictators, zwei gänz- lich verkommene Gesellen, wurden durch ihre Mitbewerber L. Cotta und L. Torquatus der Wahlbestechung überführt und diese an ihrer Stelle gewählt. So entstand der Plan, die neuen Consuln und mit ihnen eine Anzahl der angesehensten Senatoren zu ermorden und Autronius und Sulla zu Consuln auszurufen.

moliuntur, aliud spe ac specie simulationis ostentant, populäres existi- mandi sunt. Dem entspricht die Wendung, die Cicero nach Quintilian XI 1, 85 in der Rede de proscriptorum liberis gebraucht: quid enim crudelius, quam homines honestis parentibus ac maioribus natos a republica summoveri? itaque durum id esse summus iUe tractan- dorum animorum artifex confitetur: sed ita legibus Sullae co- haerere statum civitatis affirmat, ut his solutis stare ipsa non possit.

•) Ascon. p. 85. 90. Sallust Cat. 18. 3.

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Erste catilinarische Verschwörung 66

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Die Ausführung übernahmen Catilina und der junge gleichfalls tief verschuldete Cn. Piao; eine Anzahl gleichartiger Genossen schloß sich an; die eigentlichen Leiter der Verschwörung aber waren Crassus und Caesar. Offenbar hofften sie, in den politisch ganz bedeutungslosen Consuln ihrer Mache die für ihre Pläne geeigneten Deckfiguren zu finden; der Censor Crassus sollte dann Dictator, Caesar, der für 65 zum Aedil gewählt war, magister equitum werden. Dann konnte Crassus das Regiment in Rom übernehmen, Caesar nach Ägypten gehn ; Piso sollte mit außer- ordentlichem Kommando in die beiden Spanien geschickt werden und hier nach dem Muster des Sertorius die Insurrektion neu beleben; P. Sittius, ein unternehmender Kaufmann aus Nuceria, der mit P. Sulla eng lüert war, sollte mit einer Schar Abenteurer nach Mauretanien gehn, zu dessen König er alte Geschäfts- beziehungen hatte, um von hier aus Piso mit Truppen und Geld zu unterstützen1). Auf diese Weise hoffte man nicht nur Italien

') In dem Prozeß des P. Sulla Anfang 62 sagt der Anklager L. Tor- quatos (Cic. pro Sulla 56) : at enim Sittius est ab hoc (Sulla) in ulteriorem Hispaniam missus, ut eam provinciatn periurbaret. Cicero antwortet: primum Sittius, iudices, L. Julio C. Figulo consulibus (im Jahre 64) profectus est aliqucmto ante furorem Catilinae et suspicionem huius coniurationis ; er ging wie schon früher um seiner Geschäfte willen dorthin magna ratione cum Mauretaniae rege contracta; jetzt ver- kaufte Sulla Sittius' italische Besitzungen und beglich dadurch dessen Schulden. Das ist nach Cicero, der hier in cynischster Weise alle seine Advokatenkunststücke spielen laßt, ein Beweis, daß er an der Verschwö- rung nicht beteiligt war [vgl. Ciceros Brief an Sittius ad fam. V 17, etwa aus dem Jahre 55]. Den wirklichen Sachverhalt laßt Sallust Cat. 21 den Catilina im Jahre 64 aussprechen: esse in Hispania cite- riore Pisonem, in Mauretania cum exercüu P. Sütium Nucerinum, consili sui participes. Bekanntlich hat Sittius sich in Mauretanien eine ansehnliche Macht begründet und im Bürgerkriege zusammen mit König Bocchus Caesar eifrig unterstützt. Die Angaben Appians civ. IV 54, 281 Ectttoc iy 'Pu»u^ &ixv\v iiiav o&x oicoaräc (dabei handelt es sich offenbar um seine dann durch den Verkauf seiner Güter bezahlten Schulden) rpofe xod otpatöv iviipas Ix tt <xJt9); 'ItaXta? xai 'I^pta? Atßoyjv Äii- xXeoas xai *oi$ Atßöav ßaotXjuoi icoka|AOÖ<3tv aA^Xoi^ iva filpo; 9t>vtfiax»t, und Dios 48, 8 üouicXioc ?t{ Stttto? . . . i£i«t3» jiiv Ix r?j? 'ItaXtai;, itaoixÄaßuiv ü 39U.?o*f ahaiz tiva^ xal Kipaiu>fal{ Maopitavtav y.eipa "rjdpoiot Meyer, Caesars Monarchie. 2

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Das Principat des Pompejus

in die Hand zu bekommen, sondern auch in Ost und West ge- nügende Machtmittel zu gewinnen, um Pompejus entgegentreten zu können. Aber im entscheidenden Moment versagte der Ent- schluß zur Tat. Am letzten Tage des Jahres 66 sammelte Catilina seine Scharen auf dem Forum, um am nächsten Morgen das Blut- bad zu beginnen; aber zur Ausführung kam es nicht, da der Senat gewarnt war und Schutzmaßregeln ergriffen hatte1). Nicht anders ging es am 5. Februar, den man alsdann für das Gemetzel in der Curie in Aussicht genommen hatte, sei es daß, wie Tanusius Gemüius erzählte, Crassus aus Furcht oder Reue nicht erschien und daher auch Caesar das verabredete Zeichen nicht gab, sei es daß, wie Sallust erzählt, der bekanntlich von der Beteiligung des Crassus und Caesar Bchweigt, Catilina das Zeichen zu früh gab, ehe seine Anhänger zusammen waren*). Diese Dinge waren notorisch, der Consul Torquatus hat darüber mit einem Beirat der angesehensten Senatoren, unter ihnen Horten sius (cos. 69), eine Untersuchung geführt*), und in der Folgezeit wird davon

sind sachlich zutreffend, Übergehn aber seine Beziehungen zu der Ver- schwörung.

') Cic. Cat. I 15 potestne tibi haec lux, Catilina, aut huius caeli spiritus esse iucundus, cum scias esse Horum neminem, qui nesciat te pridie Kalendas Ianuariaa Lepido et Tuüo consulibus (29. Dez. 66) stetisse in comitio cum telo, manum consulum et principum civi- tatis interficiendorum causa paravisse, sceleri ac furori tuo tum mentem aliquam aut timorem tuum sed fortunam populi Romani obstitisse? Vgl. pro Sulla 68. Dio 86. 44, 4 00 pivtoi xoi ^iow^d-rjadv « Spaoai 8ta xb r»jv tt ircißooX-rjv icpop.Y)voft-r)vat xai fpoopav xta Korea xol t»p TopxooäTtp «apa rfjc ßooX-Jj; cofrjjvau Nach Sallust Cat. 18 ver- schwören sich Catilina, Piso und Autronius circiter nonas Decembris, die neuen Consuln in Capitclio Kalendis Ianuariis zu ermorden; ea re cognita wird die Ausführung in nonas Februarias verschoben.

') Sueton Caes. 9. Sallust Cat 18, 6 ff. [ebenso Ascon. p. 94]. Sal- lust» Erzählung ist inhaltlich höchst unwahrscheinlich und sieht ganz so aus, als sei sie eine Korrektur der Angabe des Tanusius, indem das Zeichen, das Caesar im Einverständnis mit Crassus geben sollte, auf Catilina Obertragen wird und daher von diesem im falschen Moment gegeben werden muß.

») Cic. pro Sulla 11 f.

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Unterdrückung der ersten Verschwörung Catilina*

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^anz offen geredet1), nur daß die Beteiligung des Crassus und Caesar, die ja offiziell nicht kompromittiert waren, höchstens ver- stohlen angedeutet wird, da man Scheu hatte, es mit ihnen zu verderben. Nur um so bezeichnender ist es für die damalige Lage Roms, daß jede Bestrafung der Verbrecher unterblieb. Als der Senat einen dahingehenden Beschluß fassen wollte, intercedierte ein Tribun1), und damit verlief die Sache im Sande; ja als Piso seine Umtriebe weiter fortsetzte, genehmigte der Senat, um ihn loszuwerden, den von Crassus befürworteten Antrag, ihn als Quaestor mit propraetorischem Kommando nach Spanien zu schicken nach Sallust hätte dabei zugleich bei manchen Opti- maten die Ansicht mitgewirkt, ein Gegengewicht gegen Pom pejus zu schaffen, doch ist damit wohl die Absicht des Crassus tendenziös seinen Gregnern zugeschrieben*). Zu weiterer Wirksamkeit kam

*) So Cicero in toga candida (Ende 64) bei Ascon. p. 98 : praetereo nefarium ülum conatum tuutn et paene acerbum et luctuosum rei- publicae diem, cum Cn. Pisone socio, tie quem alium nominem [Hindentnng auf Crassus und Caesar!], caedem optimatum facere voluisti; ferner Cat. I 15. pro Murena 81 omnia quae per hoc triennium agitata sunt, iam ab eo tempore, quo a L. Catilina et Cn. Pisone initum consüium senaius interficiendi scitis esse . . . in hoc tempus erumpunt. Vgl. auch Cicero in der Corneliana (im Jahre 65) bei Ascon. p. 66.

*) Dio 36, 44, 5.

*) Sallust Cat. 19: postea Piso in citeriorem Hispaniam quaestor pro praetore (so auch in seiner Grabinschrift Dessau 875) missus est adnüente Crasso, quod eum infestum inimicum Cn. Pompeio co- gnoverat. neque tarnen senatus provinciam invitus dederat, quippe foedum hominem a re publica procul esse volebat ; simul quin boni complures praesidium in eo putabant et iam tum potentia Pompei forrtiidulosa erat. Dio 86, 44, 5 erzählt einfach inii §' ouv xol wc. 6 riiotDV iftpoeuytto, tyoßi^H) -t\ fspoosta jjl-t; ouvtapd^, xai tbd-uq aütöv *C 'Jßir|f*av, «p&paaiv »I>c xal int (taf>>axV fso richtig Naber] ttva, iist^t; ebenso Ascon. p. 94: Piso ... in Hispaniam missus a senatu per ho- norem legaüonis, ut ab urbe ablegaretur. Curio (cos. 76) in seinen Reden and der anticaesarianische Historiker M. Actorius Naso (vgl. Sueton Caes. 52) behaupteten, gleichzeitig mit Piso habe in Rom Caesar losschlagen sollen, gestützt auf die Ambraner (?) und Transpadaner : Sueton Caes. 9.

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20 Da» Principat des Pompejus

indessen Piso nicht; er wurde im Jahre 64 von spanischen Reitern erschlagen, wie von manchen behauptet wird, im Interesse und auf Anstiften des Pompejus1). Den Sittius suchte man, wie es scheint, durch einen Prozeß wegen seiner Schulden unschädlich zu machen; daher ging er, ohne die Entscheidung abzuwarten, im Jahre 64 über Spanien nach Mauretanien und gründete sich hier als Freibeuter eine selbständige Macht").

Wenn Crassus und Caesar das Losschlagen vereitelten und die Verschwörung daher im Sande verlief, so hinderten sie daran gewiß nicht Gewissensbedenken die lagen ihnen sehr fern , sondern das Bewußtsein, wie unsicher der Erfolg, wie gering die Aussicht sei, sich gegen Pompejus auf die Dauer behaupten zu können, dem sie alsdann die Masse des friedliebenden Volkes in die Arme trieben ; die Aussichten waren zu gering, um ihre Existenz aufs Spiel zu setzen. Auch war Crassus zwar ein gerissener In- trigant, aber nicht der Mann, einen derartigen kühnen Entschluß zu fassen. So spielte er mit dem Feuer ähnlich wie der Regent Pausanias in Sparta in den Jahren nach dem Siege von Plataeae. Überdies war seine Lage noch keineswegs verzweifelt und er durfte, wie sich gezeigt hat, immer noch hoffen, einen bequemeren Ausweg zu finden; er konnte zwar die Massen nicht mit sich zur Revolution fortreißen dazu stand Pompejus' Ansehn viel zu hoch , wohl aber hatte er gerade auch in den regierenden Kreisen einen starken Anhang, der durch all die materiellen Mittel, über die er verfügte, an ihn gefesselt war oder wenigstens nicht wider den Stachel zu locken wagte').

') Sallust, dem Ascon. p. 94 folgt, gibt daneben die Version, er sei wegen seiner imperia iniiista superba crudelia von den Spaniern er- schlagen worden; Dion nnd Sneton erwähnen nur seinen Tod.

•) Oben S. 17 Anm. 1.

*) Die Überlieferung Ober Catilina hat zuletzt Ed. Schwartz, Die Berichte Aber die catilinarische Verschwörung, Hermes 32, 1897, 554 ff. weiter aufgehellt. [Zu Schwartz' Aufsatz bemerke ich, daß das wunder- liche .Gesetz* es wäre wirklich zu wünschen, daß dieser ganz schiefe und irreführende Ausdruck aus allen solchen stilistischen Untersuchungen verschwände! , das Sallust sich auferlegt haben soll, „keine Person nur einmal zu erwähnen; jede die er nennt, muß mindestens zweimal

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Crasaaa und Caesar ond die catilinarische Verschwörung

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Die Verbindung mit Catilina haben beide aufrecht erhalten und weiter gepflegt. Im Spätsommer des Jahres 65 kam endlich, nach langer Verschleppung, der Repetundenproaeß des Catilina

vorkommen*, sich darauf reduziert, daß er sehr begreiflicherweise in das Verzeichnis der Verschworenen c. 17 nur solche Namen aufge- nommen hat, die bei den weiteren Vorgängen eine Rolle gespielt haben und daher in seiner Erzählung wieder vorkommen.] Schwartz hat namentlich die argen Verfälschungen klar gelegt, welche Sallust wie durchweg, so ganz besonders in seinem durch und durch tendenziösen Bericht über die Verschwörung von 66 5 c. 18 f. vorgenommen hat. Sie tritt schon darin sehr charakteristisch hervor, daß er diesen Bericht lediglich episodisch in die Geschichte der Verschwörung von 64/3 ein- gelegt hat Von Caesars Beteiligung ist mit keinem Wort die Rede; die des Crassus wird höchstens darin angedeutet, daß er aus Feind- fchatt gegen Pompejus für die Entsendung des Piso nach Spanien ein- tritt Auch in dem kurzen Bericht Dios 36, 44 ist von Crassus und Caesar nicht die Rede, und ebenso wird Livius erzählt haben (per. 101 conütratio eorutn, qui in petitione consulatus ambüus damnati erant, facta de interflciendis consuHbus oppressa est); daß die Con- Fuln, welche die Verschworenen einsetzen wollten, nur Autronius und Sulla gewesen sein können (so richtig Sueton Caes. 9), deren Verurtei- lung als illegitim dargestellt werden konnte, nicht Autronius und Cati- lina, wie Sallust und Cicero pro Sulla 68 behaupten, ist klar Cati- lina hatte ja überhaupt nicht als Bewerber auftreten kOnnen. Aller- dings behauptet Cicero, auch L. Torquatus, der Sohn des Consuls von 65 und Ankläger Sullas, habe zugegeben, daß es bich um Catilinas Con- tulat gehandelt habe: de quo (P. Sulla) etiam si quis dubiiasset antea, man id quod tu orguis cogitasset, interfecto patre tuo con- sule descendere cum lictoribus, mtstidvdi hatte suspicionem, cum dixisti, hunc ut Catilinam consulem effteeret contra patrein tuum operas et manum comparasse. Aber Cicero» Rede pro Sulla (Anfang 62) ist so durch und durch verlogen Sulla hatte Cicero Geld für den Kauf des Hauses des P. Crassus auf dem Palatin vorgeschossen (vgl. Sallust in Cic. 2) und dadurch ihn als Verteidiger bei der Anklage wegen Beteili- gung an der Verschwörung von 63 gewonnen: Gellius XII 12 , daß man von seinen Behauptungen immer das Gegenteil als richtig annehmen kann. Torquatus wird, sachlich völlig zutreffend, behauptet haben, daß Sulla am 1. Januar 65 für sein eigenes Consulat. im Jahre 68 für das Catilinas sich verschworen habe, und das wirft Cicero in einer advo- katisch geschickten Wendung durcheinander. So richtig auch John, Eatstehungfcgeschichte der Cat Verschwörung, Fleck biskks Jahrb. VIII

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Das Principat des Pompejus

zur Verhandlung; aber der Anklager P. Clodiua vertrat seine Sache lau und lehnte dem Angeklagten feindliche Richter ab; der Consul Torquatus, gegen den das Attentat vom 1. Januar 65 gerichtet gewesen war, tat, als ob er von Catilinas Mitschuld nichts wisse, und trat als Anwalt für ihn auf1); und der Gerichtshof sprach ihn frei2). So ist klar, daß Crassus seinen ganzen Ein-

Sappl., 1876, S. 708 ff. Die Beteiiigang des Crassus and Caesar an der Verschwörung von 66/5 erwähnten C. Curio (cos. 76) in seinen Reden und Bibulus in seinen Edicten gegen Caesar in dessen Consulat 59, ferner Tanusius Geminus in seiner Geschichte, die Verbindung mit Cn. Piso auch M. Actorius Naso (oben S. 19, 8); Sueton Caes. 9 de hac significare videtur et Cicero in quadam ad Axium epistula re~ ferens, Caesar em in consulatu conftrmasse regnum, de quo aedilis cogitarat. Ferner Ascon. p. 83 Cicero in expositUme con&iliorum suorum . . . eius quoque coniurationis, quas Cotta et Torquato am. facta est a Catilina et Pisone, arguit M. Crassum auctorem fuisse. In Plutarchs Leben des Caesar und des Crassus wird nur ihr Verhältnis zur Verschwörung von 63, aber nicht zu der von 66/5 be- sprochen [auch im Leben Ciceros wird diese nicht erwähnt, ebensowenig bei Appian]; man sieht, wie es», ganz entsprechend der Darstellung Sallusts, gelungen ist, diese Dinge, den schwärzesten Punkt in der Lauf- bahn der beiden Männer, in der geschichtlichen Darstellung völlig zu vertuschen (ebenso, wie schon erwähnt, bei Livius und Dio), obwohl sie bei den Zeitgenossen völlig notorisch waren.

') Cic pro Sulla 81 Torquatus consul . . . cui (Catüinae) cum

2) Ascon. zu Cicero in toga Candida p. 85: ante annum quam haec dicerentur Catilina, cum redisset ex Äfrica, Torquato et Cotta Cosa. (65) accusatus est repetundarum a P. Clodio adulescente; p. 87: ita quidetn iudicio est absolutus Catilina, ut Clodius infamis fuerit prae- varicatus esse (ebenso Cic. de harusp. resp. 42. in Pison. 28) : nam et reiectio iudicum ad arbitrium rei videbatur esse facta. Dazu stimmt Cicero ad AU. I 2. geschrieben nach der Wahl der Consuln für 64 und der Geburt des Sohnes, also Spätsommer 65: hoc tempore CaWinam, com- petiiorem nostrum, defendere cogitatnus; iudices habemus quos volui- mus, summa accusatoris voluntate. spero si absolutus erit, conüinc- tiorem illum nobis fore in ratione petitionis er hofft also alsdann mit ihm zusammen Consul zu werden! : sin aliter acciderU, huma- niter feremus. Über seine Schuld war ihm natürlich kein Zweifel: kurz vorher bat er I 1 an Atticus geschrieben: Catilina si iudicatum

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Die Cousulwahl für 63

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fluß und sein Geld für ihn verwendet hat. Immerhin war da- durch erreicht worden, daß er auch für das Jahr 64 nicht als Bewerber um das Konsulat hatte auftreten können. Um so mehr richteten sich seine Hoffnungen auf das nächste Jahr, und Crassus und Caesar taten alles, um seine und seines Gesellen C. Antonius Wahl für 63 durchzusetzen1) ; Crassus' Geld floß in Strömen, und der Tribun Q. Mucius Orestinus, der gegen ein vom Senat geplantes neues scharfes Gesetz gegen Wahlumtriebe intercedierte daran schloß er einen boshaften Ausfall gegen Cicero, der mit der Rede in toga Candida replizierte , handelte offenbar in

erit meridie non lucer e, certus erit competitor. Fenestella bat be- hauptet, Cicero habe ihn wirklich verteidigt; das wird von Asconius p. 85 f. schlagend widerlegt [aber daraas, daß er dort die Stelle aus den Briefen an Atticus nicht zitiert, folgt nicht, wie man oft ange- nommen hat, daß diese damals noch nicht veröffentlicht gewesen seien; die Äußerung tragt ja zur Entscheidung der Frage, ob er die Vertei- digung wirklich übernommen hat, nichts bei, so daß man nicht einmal anzunehmen braucht, Asconius habe die Stelle übersehn]; aber zu der sittlichen Entrüstung über seine Freisprechung, die Cicero nachher zur Schau tragt, hat er, wie man sieht, nicht die mindeste Berechtigung. Umgekehrt hat er, als er im Jahre 56 den Caelius wegen seiner Be- ziehungen zu Catilina verteidigt, die Stirn zu behaupten me ipsum, me inquam, quondam paene üle (Catilina) decepit, cum et civis mihi bonus et optimi cuiusque cupidus et firmus amicus ac fidelis videretur 14). Bestechung der Richter: Q. Cicero de pet. cons. 10. Daß Asconius* Angabe p. 90, er sei freigesprochen, sed iia ut eum senatorum uma damnaret, equitum et tribunorum absolveret, lediglich eine falsche Folgerung ans Ciceros Worten ist, da die Scheidung der Ab- stimmung der drei Klassen erst 59 durch eine lex Fufia eingeführt wurde (Dio 38, 8), zeigt Wirz, Catilinas und Ciceros Bewerbung um den Consulat für das Jahr 63, Zürich 1864, 8. 11.

') Ascon. p. 83: coierant enim ambo (Catilina und Antonius), ut Ciceronem consulatu deicerent, adiutoribus usi flrmissimis M. Crasso et C. Caesars. Cicero sagt in der Rede: dico P. C, superiore nocte cuiusdam hominis nobilis et valde in hoc largitionis quaestu docti et cognüi domum Catüinam et Äntonium cum sequestribus suis convenisse; dazu bemerkt Asconius: aut C. Caesaris aut M. Crassi domum signiflcat; ei enim acerrimi ac poteniissimi fuerunt Cice- ronis refragatores, cum petiit consulatum . . . et hoc ipse Cicero in exDOsitione consilionwi siiomm xianiflcat.

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I>us Principat des Pom pejus

Beinern Auftrage1). Dagegen wurden alle ülegitimeu Klubs durch den Senat unterdrückt*). Ihr Ziel erreichte die Agitation be- kanntlich nicht; die Nobilität sah sich, widerwillig genug, 'ge- zwungen, mit allem Nachdruck für Cicero« Wahl einzutreten, und neben ihm erhielt Antonius ein paar Stimmen mehr als Catilina'). Als dann aber, um ihn dauernd unschädlich zu machen, L. Luoce- jus, ein Parteigänger des Pompejus, den Gatilina wegen seiner .Mordtaten im Dienste Sullas vor dem von Caesar geleiteten Blutgericht anklagte, wurde er freigesprochen4) obwohl Caesar kurz vorher die Verurteilung anderer Schergen Sullas bewirkt hatte und im nächsten Jahr mit Labienus zusammen die Ver- urteilung des Rabirius betrieb!

Den weiteren Verlauf der Dinge in Ciceros Consulat brauchen wir nur kurz zu berühren. Die ununterbrochenen politischen Umtriebe, das servilische Ackergesetz, der Prozeß des Rabirius, die Agitation für die Restituierung der Sohne der Proskribier- ten»), Anträge der Tribunen auf Schuldenerlaß-) und auf der andern Seite ein scharfes Consulargesetz gegen Wahlumtriebe und Be- stechung7) und ähnliches (darunter auch Caesars Wahl zum

•) Ascon. p. 88. 85. 88 f.

») Ascon. p. 7. 78. Dio 88, 13, 2. Vgl. Ober diese Klubs Q. Cicero de pet code. 19, der ihre Bedeutung für die Wahlen hervorhebt. ») Ascon. p. 95.

*) Ascon. p. 92: posi effecta comitia coneularia et Catüinae re- pulsam fecii eum reum inier sicarios L. Lucceius, vgl. p. 98. Dio 37, 10 im Anschluß an die Verurteilung des L. Luscius und L. Bellienus, eines Oheims Catilinas (so Ascon. p. 91) tob Katoopo« tob 'looXtoo toöft* ixi fidXtara icapooxsi>doavto; (vgl. Sueton Caes. 11). to6to tt oiv *«p<i 8ö£av to»c «oXXoIc txütfrfflt «ol Stt *al 6 KauXtvac tnl *ot$ abtöte Ixtivo«; otlttav . . . Aaßobv aittXöä-r). Die zweimalige Freisprechung Catilinas er* wähnt Cicero auch Att. I 16, 9. in Pis. 95. Diesmal trat Torquatus nicht für Catilina ein, wohl aber andere Consulare (Cic. pro Sulla 81); man kann sich die sittliche Korruption dieser Zeit garnicht groß ge- nug vorstellen.

») Cic. in Pison. 4. ad Att. II 1, 3. u. a. Dio 37, 29. Vgl. oben S. 16 A. *) Dio 87, 25, 4; weiteres S. 25, 2.

') Cic. pro Bulla 62 ff. schol. Bob. p. 269. 309. 324 Orblu. Cic. pro gest. 183. in Vatin. 87. In den Reden für Marens und Plancius. die er wegen ambitus verteidigt, ist Cicero dies Gesetc, dessen Einbringung

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Umtriebe des Jahres 68

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pontifex maximus gegen Catulus und Servilius Isauricus) hielten die Hauptstadt in fortwährender Bewegung; die Erwartung, daß man einer Revolution entgegengehe, lastete auf allen Kreisen, und immer zahlreicher wurde der Anhang Catilinas. A.!s dann Catilinas Versuch, diesmal endlich durch Ermordung des wah.1 leitenden Consuls Cicero seine Wahl durchzusetzen, im Juli 63 auf 8 neue scheiterte, blieb ihm kein Ausweg mehr, als der offene Aufruhr und der Bürgerkrieg. Er saß zu tief in Schulden, um noch langer zu warten, konnte auch seinen Anhang nicht mehr zurückhalten; überdies war es höchste Zeit, loszu- schlagen, wenn man überhaupt noch etwas erreichen wollte, da nach dem Tode des Mithridates im Hochsommer 63 Pompejus' Rückkehr in naher Aussicht stand, die allen weiteren Plänen ein Ende machen mußte1).

Eben dadurch aber wurde die Verbindung zwischen Catilina und seinen Hintermännern gelockert. Daß sie die Regierung schikanierten und lahmzulegen suchten, war Crassus und Caesar ganz recht; aber an der anarchistischen Revolution sich zu be- teiligen, war ihnen das Risiko zu groß; auch mochte es wenigstens Crassus doch schwül zumute werden bei einer Bewegung, die sich

ihm von den Anklägern mit Recht vorgehalten wird, sehr unangenehm und er sucht darüber in üblicher Weise hinwegzureden (pro Mnrena 3 ff. 47. 67. pro Plane. 88).

') Plut. Cic. 14 *rj 81 stßi t&v KartXtvav aoyu>}i,oota xrr^aoa xal xata- Jsicaoa tvjv ipX^v ivtMppei, xal oovijfov aXX^'Xooc xal naptxaloov

t&toXpfctpov ftsttofou tü»v «pafnätcov, itptv taavcXdvtv []o|Miir]iov ffa Ätvo- (uvov 6*octp«<p«v (trea trje Sovile««. Gegen Pompejus wollte man sich sichern, indem man seine Kinder als Geiseln festhielt ib. c. 18. Daß Sallust die Bildung der eigentlichen Verschwörung mit Unrecht schon in den Juni 64 setzt und auch die Catilina in den Mund gelegte Rede c. 20 der wahren Situation wenig entspricht und vielmehr die im Sommer 63 in contione domestica gehaltene Rede (Cic. pro Murena 50) vorweg nimmt, haben Wim, Catilinas und Cicero» Bewerbung um den Consulat für 63, Zürich 1864. und Joint, Entstehungsgesch. der catil. Verschwö- rung, Fl. Jahrb. Sappl. VIII, 1876, 789 ff. erwiesen, denen Schwartz, Hermes 33, 568 sich anschließt. Aber die Verbindung mit seinen Spieß- gesellen von 66/5 hat Catilina natürlich dauernd aufrecht erhalten und weiter gefördert.

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Das Priacipat des Pompejus

direkt gegen das Eigentum und die Kapitalisten richtete. In der Tat wurde das ganze Jahr 63 hindurch eifrig für eine Schulden» tilgung oder Aufhebung der Zahlungsfristen agitiert, der Geld- verkehr stockte vollständig1). Die durch maßlose Verschwendung und wüsten Ehrgeiz geschaffene Schuldenlast erscheint durchweg als die Haupttriebfeder der catilinarischen Verschwörung1) und hat auch bei der Einbringung des Ackergesetzes und dem Begehren nach Landanweisungen mitgewirkt. Daß die Verschworenen ihre Agi- tation weithin über Italien ausdehnten und die Vorbereitungen zu einer Insurrektion trafen, die sich wie zur Zeit des Lepidus in erster Linie auf das besitzlose Proletariat und die durch den Schul- dendruck zu jeder Verzweiflungstat bereiten Elemente stützte, mußte alle, die etwas zu verlieren hatten, und vor allem die mäch- tigen Kapitalisten, die Ritterschaft, auf die Seite der Regierung treiben, mochten sie auch bisher dieser noch so gern etwas am Zeuge geflickt und die Führer der Opposition unterstützt haben.

') Cicero de off. II 84 nunquam vehementius actum est quam me consule, ne solveretur; artnis et castris temptata res est ab omni gener e hominum et ardine (vgl Manlius' Proklamation bei Sal- lust Cat. 33). quibus ita restiti, ut hoc totnm malum de republica toller etur. numquam nec maius aes alienum fuit nec melius nec facilius dissolutum est: fraudandi enim spe sublata solvendi ne- cessitas consecuta est. at vero nie nunc victor, tum quidem victus (d. i. Caesar), quae cogitarat, ea perfecit, cum eius iam nihil inier - esset (durch seine Gesetze zur Regulierung der Schulden als Dictator). Vgl. Sallust Cat. 21 tum Catilina polliceri tabulas novas, und Dio 37, 25, 4: von den Tribunen fiXXo; xptü»y äicoxoitäc, (d. i. Rullus)

xta}pot>xtK . . . iarfl ttto. Auf Ciceros Maßnahmen bezieht sich Cat. II 18 : nicht Catilina wird die erwarteten tabulae novae einfahren, sondern meo benefleio tabulae novae proferentur, verum auetionariae; neque enim isti, qui posse^siones habent, alia ratione ulla salvi esse possunt; d. h. die Schuldner sollen sich bankerott erklären und dann wird ihr Besitz zur Deckung der darauf haftenden Schulden versteigert und den Rest ihres Vermögens behalten die Schuldner. Das hätte, meint er, früher schon von ihnen selbst geschehn sollen, dann wären wir besser daran, über die Unmöglichkeit, damals ausstehende Gelder einzutreiben, s. Val. Max. IV 8, 3.

') Vgl. Cic. Cat II 10. 17 ff. (ferner sublata de foro fides, de leg. agr. II 8 = I 28). Sallust in Catilina« Rede Cat. 20, 11; 13 ff., und bei der Schilderhebung des Manüus 28. 4. 33. Dio 37, 30, 2.

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Zweite catü inarische Verschwörung

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Bei dieser Lage der Dinge konnten CrassuB und Caesar zwar versuchen, ihre alten Spießgesellen nach Möglichkeit zu schützen ; aber ebenso mußten sie bestrebt sein, den Ausbruch der Revolution und die Brandstiftung wenigstens in Rom selbst zu verhindern; eine Insurrektion in Etrurien nach Art des Aufstands des Lepidus, wie sie im Einverständnis mit Catilina C. Manlius am 27. Oktober unternahm, mochte ihnen schon eher recht sein und bot die Aus- sicht, eventuell vermittelnd einzugreifen. So erklärt es sich, daß, wie es scheint einige Tage früher, Crassus, begleitet von M. Mar- cellus und Metellus Scipio, bei Nacht dem Cicero einen anonymen Brief überbrachte, der ihm mit mehreren an andere Adressaten zugestellt war, in dem Catilinas Mordpläne mitgeteilt und Crassus der Rat gegeben wurde, Rom zu verlassen1). Dadurch waren zwar Crassus' Beziehungen zu den Verschworenen so gut wie erwiesen (wenn auch der Schein gewahrt war, als sei ihm eben nur von einem ihm wohlwollenden Verräter eine Warnung zugekommen), und Crassus hat es denn auch Cicero schwer verargt, daß er in der im Jahre 60 verfaßten Schrift de consulatu den Vorgang er- zählt hat; aber er sicherte sich zugleich durch die Warnung die Rücksicht der Regierung, falls diese siegreich blieb.

Der Consul befand sich in einer eigentümlichen Lage. Er war durch seine Spione über das Komplott genau unterrichtet und hatte durch seine Enthüllungen erreicht, daß der Senat am

>) Plut. Cic 16 und kürzer Crass. IS [ebenso, nur kürzer, Dio 37, 81], wo als Quelle Ciceros Schrift ittpl oisatua«; angegeben wird, mit dem Zusatz 6 8* o&v Kp&ozos &tl »fjüott töv Ktxtptuya di& toöto. Nach Plutarch laßt Cicero die ihm von Crassus und seinen Genossen einge- händigten Briefe am nächsten Tage im Senat öffnen und verlesen, und als dann die Nachricht von der Erhebung des Manlius eintrifft, wird das senatusconsultum ultimum beschlossen. In Wirklichkeit erfolgte dieses freilich schon am 21. Oktober (Cic. Cat. I 7, vgl. § 4 und dazu Ascon. p. 6), 6 Tage vor Manlius' Aufstand; aber im übrigen stimmt Plutarch« Bericht ganz gut zu Cic. Cat. I 7: dixi ego idem in senatu (am 21. Oktober), caedem te optimatium contulisse in a. d. V Kai. Novemöris, tum cum muiti principes civitatis Roma non tarn sui conservandi quam tuorum consüiorum reprimendorum causa pro- fuyerunt. Die Zusammenkunft mit Crassus und seinen Brief freilich kann Cicero damals nicht mitgeteilt haben, da er das geheim hielt.

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Das Prineipat des Pompejus

21. Oktober durch das sogenannte scnatusconsultum ultimum ihm und den übrigen Oberbeamten die Vollmacht zu kriegsrecht- lichem Einschreiten erteilte. Dadurch war er imstande, nicht nur in Rom, sondern in ganz Italien die nötigen Vorsichtsmaß- regeln umsichtig und erfolgreich zu treffen. Aber eben dadurch, daß er alle Pläne der Verschworenen im voraus vereitelte und es zu keinem Putsch kam, war er nicht in der Lage, gegen die Schuldigen unmittelbar vorzugehn und damit der Sache ein Ende zu machen. Der Bestand der Verschwörung war zwar notorisch, aber nicht authentisch erwiesen; große Massen der Bevölkerung, nicht nur die verschuldeten und die ruinierten vornehmen Existenzen, die durch Sullas Strafgerichte und Konfiskationen von ihren Höfen vertriebenen Bauern in Etrurien, Gampanien und sonst, die von Sulla angesiedelten Veteranen, die das ihnen so plötzlich zugefallene Besitztum schlecht bewirtschaftet oder verpraßt hatten und so in Schulden geraten waren, sondern über- haupt alle, die den Druck der gegenwärtigen Lage empfanden und von einer Umwälzung eine Besserung ihrer materiellen Ver- hältnisse erwarteten, setzten ihre Hoffnungen auf Catilina und seine Genossen1), die ihnen als die wahren Vertreter der populären Bestrebungen erschienen; die Behauptung, sie planten Mord und Brandstiftung, war für sie nur eine Verleumdung ihrer Gegner, die das Volk in Knechtschaft hielten und auswucherten*). Ciceros Enthüllungen konnten wohl den Senat zu einzelnen energischen Beschlüssen fortreißen, aber überzeugende Beweise, die den Wider- spruch verstummen machten, waren sie nicht; seine Gegner und Neider, voran sein Kollege Antonius, spotteten über all das, was

') Vgl. Cicero Cat. II 18 ff.

') Vgl. Cat. I 80: notmulU sttnt in hoc ordine (im Senat), qui aui ea quae imrninent non videant aut ea quae videant dissimu- lent; qui spem Catilinae moüibus sententiis aluerunt coniurationem- que nasceniem non credendo conroboraverunt; quorutn auctori- tateni secuti multi non solutn improbi, verum etiam imperiti, si in nunc animadvertissem , crudeliter et regie factum esse dicerent. nunc inteUego, si iste, quo intendit, in castra Manliana pervenerü, neminem tarn siuüum fore qui non videat coniurationem esse fac- tum, neminem tarn improbum qui non fateatur.

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Cicero gegen Catilina

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er in Erfahrung gebracht haben wollte, über sein ewiges „com- perisse"1). So mußte er streben, die Schuldigen auf offener Tat zu ertappen, das Geschwür zum Ausbruch zu bringen*). Daher begrüßte er die Insurrektion des Manlius in Faesulae am 27. Ok- tober, die er auf den Tag vorausgesagt hatte8) ; und noch will- kommener war ihm, daß Catilina selbst sich zu den Aufständischen begeben und an ihre Spitze treten wollte. Als daher Catilina, nachdem er in der Nacht vom 6. zum 7. November im Hause des Laeca die letzten Anordnungen getroffen hatte und nachdem der Plan, Cicero noch in dieser Nacht zu ermorden, abermals gescheitert war4), am Morgen des 7. November nochmals im

') Ende 62 schreibt Cicero an Antonias (fain. V 5), als dieser das Geld nicht schickte, welches er jenem als seinen Anteil aus der mace- donischen Statthalterschaft versprochen hatte Cicero hat bei dem Ver- zicht auf die Provinz, durch den er Antonius von Catilina abzog, seine materiellen Interessen keineswegs vergessen, und die hochinteressanten Briefe an Atticus aus dieser Zeit zeigen, wie er seine Neigung, für Antonius einzutreten, davon abhängig macht, ob dieser zahlt oder nicht : pro his rebus nullam mihi abs te relatam esse gratiam tu es optimus testis; contra etiam esse aliquid abs te profectum ex multis audivi: nam „comperisse" me non audeo dicere, ne forte id ipsum verbum ponarn, quod abs te aiunt falso in me solere con- ferri. Nachher, im Jahre 61, wirft ihm Clodius (Att. I 14. 5), spater (im Jahre 55) Sallust invect. in Tullium 8 da# fatale Wort ins Gesicht.

*) Ein gerichtliches Verfahren, wie es L. Paullus anstrengte, der den Catilina auf Grund der lex Plautia de in verklagte (Sallust Cat. 81), konnte nicht zum Ziele führen, da sich das monatelang binziehn mußte, ganz abgesehen von der Unsicherheit des Ausgangs.

*) Cic. Cat I 7. Die Situation ist ganz ähnlich wie die der französi- schen Regierung bei dem geplanten Staatsstreich Boulangers im Jahre 1887. Auch damals war das Komplott notorisch, aber ein Einschreiten recht- lich unmöglich; es blieb nichts, als die nötigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen und zugleich Boulanger so einzuschüchtern, daß er schließlich Paris verließ und nach Brüssel ging. Damit war er unschädlich gemacht.

*) Bekanntlich hat Sallust Cat. 27 f. diese Versammlung bei Laeca und das vereitelte Attentat früher angesetzt und dadurch den weitern Verlauf mit bewußter Absicht in ein falsches Licht gerückt. Das ge- plante Attentat und seine Vereitelung und die Szene im Senat [dazu Tu. Rxoiach, Catulus ou Catilina? Rev. des 6t. Grecques 1904] erzählt Diodor 40, 5 und 5a, d. i. Posidonios, vgl. die Beilage; das Attentat

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Das Principat des forn pejus

Senat erschien, ergrifE Cicero die Gelegenheit, in einer Rede, die er dann als Broschüre veröffentlichte, nachzuweisen, daß er alle diese Dinge, die sich jetzt verwirklichten, vorher gewußt und vorausgesagt habe und daß es ihm nur recht sei, wenn Catilina jetzt zu der Erkenntnis gekommen sei, in Rom nicht mehr bleiben zu können, und sich durch den Anschluß an Manlius offen als Rebellen und Hochverräter bekenne; dadurch wird ein offenes Einschreiten der Regierung möglich, das er bisher trotz der ihm vom Senat gegebenen Vollmacht nicht hat wagen dürfen. Momm- sens Behauptung, Cicero habe auch bei dieser Gelegenheit sein Talent gezeigt, offene Türen einzurennen : „wo er zu handeln schien, waren die Fragen, auf die es ankam, regelmäßig eben ab- getan ... so polterte er gegen Catilina, als dessen Abgang be- reits feststand", verkennt die wahre Sachlage so vollständig wie nur möglich: daß Catilina von Rom fortgehn will, angeblich ins Exil, tatsächlich zu den Insurgenten, wird von Cicero nicht nur offen ausgesprochen, sondern ist die Grundlage, auf der die erste Catilinarie beruht und durch die sie ihre Wirkung erzielt1).

Allerdings hätte Cicero gewünscht, daß Catilina seinen ge- samten Anhang mit sich ins Feld genommen hätte'). Das geschah freilich nicht; der Hauptteil der Verschworenen blieb unter Leitung des Praetors Lentulus des im Jahre 70 durch die Censoren aus dem Senat gestoßenen Consuls des Jahres 71 zurück, um in Rom den entscheidenden Schlag zu fuhren. So dauerte es noch fast einen Monat, bis es Cicero gelang, auf dem bekannten Wege, durch die Festnahme der aUobrogischen Ge- sandten in der Nacht des 2./3. Dezember, die entscheidenden

Catilinas wird mit dem von Lentulus für die Satnrnalien geplanten zu- sammengeworfen, im Senat stellt Cicero die Frage, ob Catilina oder ob Catulus ins Exil gehen solle, wahrend Cicero Cat. I 21 statt des Catnlns den M. Marcellus oder P. Sestius nennt, vielleicht erst durch eine nach- tragliche Korrektur bei der Veröffentlichung der Rede.

») Selbst SaUust, der sonst Ciceros Verdienst nach Möglichkeit zu schmälern versucht, hat bekanntlich diese Rede als luculenta atque utilis reipublicae anerkannt (Cat. 81).

«) Cat, I 10. SO ff.

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Unterdrückung der catilinarischen Verschwörung

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Beweise in die Hände zu bekommen, die die Verhaftung und Überführung der Rädelsführer ermöglichten.

Cicero sorgte dafür, daß die Aussagen der Allobroger und der Verhafteten sofort durch angesehene Senatoren protokolliert und in zahlreichen Abschriften durch ganz Italien verbreitet wurden1). Trotzdem wurde bald darauf der Vorwurf gegen ihn er- hoben, er habe die Protokolle gefälscht8). Das ist in diesem Falle schwerlich berechtigt; wohl aber zeigte sich alsbald, daß Cicero und diejenigen, die mit seiner Politik einverstanden waren, keineswegs objektiv verfahren, sondern mit den Bestrafungen über eine bestimmte Grenze nicht hinausgehn wollten. Als am 4. Dezember L. Tarquinius, den man auf dem Wege zu Catilina aufgegriffen hatte, im Senat vorgeführt wurde und nach Zu- sicherung der Straflosigkeit aussagte, er sei von Crassus an Catilina geschickt mit der Aufforderung, er solle sich durch die Verhaftung des Lentulus und seiner Genossen nicht einschüchtern lassen, sondern schleunigst gegen Rom vorrücken, um so seinen

') Cic. pro Sulla 41 f.

*) Beim Prozeß des P. Sulla Anfang 62 , für den Cicero, wie schon erwähnt, aus sehr wenig ehrenhaften Gründen die Verteidigung über- nahm (oben S. 21 Anm.), wirft der Ankläger Torquatos ihm vor me aliter ac dictum Sit in iabulas publicas retulisse (pro Sulla 40). Bei Sallust in Cic. 3 wird der Vorwurf verallgemeinert : sed ut opinor Uta te magis extollunt, quae post consulatum cum Terentia uxore de republica consuluisti, cum legis Plautiae iudicia dornt faciebatis, ex con- iuratis alios..., faliosj pecunia condemnabas, cum tibi alius Tu&culanum, alius Pompeianam vittam exaediflcabat, alius domum emebat: qui vero nihil poterat, is erat calumniae proximus, is aut domum tuam oppugnatum venerat aut insidias fecerat, denique de eo tibi compertum erat; vgl. § 5 6n. Daher bezeichnete Torquatos den Cicero als tertius peregrinus rex nach Numa und Tarquinius, dessen regnum nicht tu ertragen sei: in quos testimotiia dixisti, damnati sunt; quem defendis, sperat se absolutum iri (pro Sulla 21 f.). Der Vorwurf bezog sich allerdinge nicht sowohl auf die Aussagen vom 3. Dezember, als vielmehr auf die Kpäteren Vorgänge, namentlich die Aussage des Vettius und die daran anschließenden Prozesse auf Grund der lex Plautia, s. u. In dem Disput mit Cicero am 15. Mai 61 im Senat nimmt Clodius das Schlagwort wieder auf: qtiousque, inquit, hunc regem feremusf (Cic. ad Att. I 16, 10).

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Das Principal des Pompejus

Anhängern neuen Mut zu machen und die Freilassung der Ge- fangenen zu erwirken, erhob sich im Senat ein Sturm der Ent- rüstung nicht gegen Crassus, sondern gegen den Zeugen, und es wurde beschlossen, Tarquinius nicht weiter zu hören, sondern gefangen zu halten, bis er bekannt habe, wer ihn zu dieser Ver- leumdung angestiftet habe1). Man sieht, wie stark der Einfluß des Crassus und seines Geldes war, zugleich aber auch, wie ihm seine Warnung an Cicero zugute kam.

Noch weniger war an ein Vorgehen gegen Caesar zu denken, wie es Gatulus und C. Piso (Consul 67) von Cicero forderten*). Trotzdem war die Überzeugung von seiner Mitschuld weit ver- breitet, und die Ritter, die den Senat bewachten, haben am 5. Dezember, als er die Curie verließ, sein Leben bedroht*). Zu Anfang des nächsten Jahres, als Caesar als Praetor den Senat drangsalierte, wurde noch einmal versucht, gegen ihn Vorzug ehn : Q. Curius, der Hauptspion Ciceros, erklärte im Senat, durch Catilina seine Teilnahme erfahren zu haben, der Denunziant L. Vettius versprach, ein Handschreiben Caesars an Catilina bei- zubringen, und veranlaßte dadurch den Quaestor Novius Niger,

') Sueton Cat. 48; kürzer Dio 37. 85 und Plut. Crass. 11. Die von Sa 11 äst als Ansicht einiger Zeitgenossen (erant eo tempore qui existu- marent) gegebenen Motive, Autronius (der nicht zu den Verhafteten gehörte) habe die Aussage veranlaßt, quo facilius appellato Crasso per societatem periculi reliquos ülius potentia tegeret, oder, wie Crassus behauptete, Cicero habe den Tarquinius angestiftet, um Crassus die An- waltschaft für die Missetäter unmöglich zu machen, sind so unwahr- scheinlich wie nur möglich. Cicero konnte bei der Haltung, die er ein- genommen hatte, die Aussage des Tarquinius nur höchst unwillkommen sein, wie er denn auch den Senatsbeschluß gegen ihn veranlaßte (con- stdente Cicerone).

*) Sallust Cat. 49 in der ganz tendenziösen Apologie Caesars: ad indem tetnporibus Q. Catulus ei C. Piso neque pretio neque gratia Ciceronem inpellere potnere, per Ällobrogas aut alitun indicem C. Caesar falso nominaretur. Mit anderer Wendung Plut. Caes. 7: ol «pi ütbctva xotl KixXov ^ttÄvto Kuipwv« ?ti34t|uvGv Koioopoc h tot? «tpl KattXtvav Xa^v wapaoxivro«; gegen Cicero wird der Vorwurf er- hoben, daß er ihn aus Furcht vor seiner Popularität habe entschlüpfen lassen, Plut. Caes. 8 = Cic. 20.

a) Sueton Caes. 14. Sallust 49. Plut. Caes. 8.

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Angriffe gegen Caesar

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eine Klage gegen ihn anzunehmen. Aber aus Rücksicht auf die Volksmassen, die für Caesar eintraten, wagte man auch dies- mal nicht, weiter zu gehn. Caesar wandte sich an Cicero selbst, und dieser bezeugte, daß er von ihm Warnungen erhalten habe —Caesar hat also ebenso operiert wieCrassus , und der Senat beschloß, daß dem Curius die versprochene Belohnung entzogen iind Vettius gefangen gesetzt, auch gegen Novius wegen unzu- lässigen Vorgehens gegen einen höheren Magistrat eingeschritten wurde1). Diese Vorgänge sind an sich nicht beweisend: dem Ver- räter Curius wird man mißtrauen, Vettius war ein ganz un- sauberer Denunziant, den Caesar später im Jahre 59 zu erfundenen Aussagen über eine Verschwörung gegen Pompejus benutzte und, als er sich ungeschickt erwies, im Gefängnis umbringen ließ; und überdies ist klar, daß das ganze Vorgehn durch die Vor- gänge zu Anfang 62 veranlaßt, also lediglich ein politisches .Manöver war. Um so bedeutsamer ist, daß Cicero in dem ge- heimen, erst nach seinem Tode veröffentlichten ' Memoire de consiliis suis den Crassus und Caesar als Urheber der Ver- schwörung bezeichnet hat1).

>) Sueton Caes. 17. Vettius' Denunziationen, ohne Nennung Caesars, auch Dio 37, 41 ; vgl. Cic. ad Att. II 24, 2 bei dem Bericht Ober die Aus- sage im Jahre 59 : Vettius iüe, iüe noster index. Den Hergang erwähnt auch Plut. Caes. 8, wo er an die Szene vom 5. Dezember angeschlossen, also scheinbar noch ins Jahr 68 verlegt ist: Cicero hat das Vorgehn gegen Caesar unterlassen ino^tt^idaa« t6v o^ftov 6iup<po«»c «tpi»x6f«vov toö Kabapoc» 8< ft xal jjnt* oUfac '/yiipas (in Wirklichkeit Anfang 62). tlc rijv ßooMjv tfovX&ovtoc a&coö xal «epl wv iv 6ico'{itou{ -Jjv 4koXoyoo- uivou xat «»ptxixiovtoc; ftoc,ößoic xovrjpotc, tittiäY] n).situv toö ooyrj^oo? tfl- fvtto ßooX-g xafoCouivng yp6vo;. ix-rjXfc jata xpaofrj? xal utptiw] r/jv oo-fxXrjtov axattwv *ov avfcpa xal xtXtoo>v Aiptlvot. Aus derselben Quelle, nur gekürzt , Appian II 6 1 20 Kataap ob xafraptöwv fiiv &xovoia; pt-rj oovrrvtuxevai tot« av&paat, Kixipwvoc 3* *appoövco; xal tövÄ», öxtpapta- xovta t«j> 8v||i(|>, 4$ tov ifübva spoßaXiodai.

*) Plut. Crass. 18: 8fia>c V Kixspcov ev ttvi Xo^tp favtpof 7)v Kpaaotu xal Kafaapt tyjv attlav lepoatpißöfuvo?. &XX' ooto<; fiiv ö Xops i£(So$Y| (Uta rhv afupolv tsXtorfjv (vgl. Dio 89, 10). Plutarchs Angabe bezieht sich auf die Verschwörung von 68, auf die sich auch die Äußerung de off. 1184 (oben S. 25, 2) bezieht; nach Asconius p. 88 (oben S. 23, 1) bezeugte Cicero ebenso die Beteiligung an der von 66/5.

Meyer, Caesars Monarchie 8

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Das Principat des Pompejus

Caesar hat sich bemüht, seine Genossen und Werkzeuge zu retten; in der entscheidenden Senatssitzung am 5. Dezember beantragte er gegen den designierten Consul D. Silanus, der die Todesstrafe gefordert hatte, sie nicht zum Tode, sondern zu ewiger Haft zu verurteilen. Sein Verhalten bei diesem Anlaß steht in charakteristischem Gegensatz zu dem Vorgehen, das er drei- viertel Jahre zuvor im Prozeß des Rabirius befolgt hat; es ist für die Rücksicht, die ständig auf ihn genommen wurde, sehr bezeichnend, daß dieser Gegensatz von seinen Gegnern niemals hervorgehoben wird ; auch die Modernen haben ihn nicht beachtet. Damals wollte er die Hinrichtung des Angeklagten herbeiführen und hat ihm selbst als Du um vir das Todesurteil gesprochen; jetzt gibt er zwar zu, daß Lentulus und seine Genossen als offen- kundige Staatsfeinde auf den Schutz der für die Bürger geltenden Gesetze keinen Anspruch haben, beruft sich aber darauf, daß der Tod von den Göttern überhaupt nicht als Strafe, sondern als natürliches Ende des Lebens in die Weltordnung eingeführt und als Strafe daher nur das Gefängnis zulässig sei; der Tod sei eine Erlösung, keine Strafe1). Durch seine versteckten

') Oic Cat. IV 7 : mortem ab die immorialibus non esse supplicii

miseriarum quietem, üaque eam sapientes numquam inviti, forte* saepe etiam libenter oppetiverunt; vincula vero et ea sempiterna certe ad singularem poenam nefarü sceleris inventa sunt . . . vitam solam relinquit nefariis hominibus: quam si eripuisset, tnultos uno dolores animi atque corporis et omnis scelerum poenas ademisset. Diese Äußerung bat Sallust in seiner nach thukydideischem Master ganz frei komponierten und nichts weniger als authentischen Rede Cat. 51, 20 verwendet. Ebenso hat er die weitere von Cicero Cat. IV 10 angeführte Äußerung at vero C. Caesar intellegit, legem Semproniam esse de civibus Romanis constitutam, qui autem reipublicae sit hostis, cum eitern nuüo modo esse posse; denique ipsum latorem Semproniae legis iussu populi poenas reipublicae dependisse umgewandelt zu einer Aasführung, daß die Kömer ehemals, wie sie Uberhaupt vieles von den Fremden übernahmen, so auch die Todesstrafe und die Hinrichtung durch Geißelung von den Griechen entlehnt hatten (natürlich weil die fasces auf den aus Korinth stammenden Tarquiniua Priscus zurück- geführt wurden, Dion. Hai. III 61 f. Strabo V 5, 2 u. a.), postquam res-

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Hinrichtung der Catilinarier 35

Drohungen wäre es ihm beinahe gelungen, den Senat einzu- schüchtern ; alsdann wären sie ohne Zweifel binnen kurzem be- gnadigt und zu vollen Ehren restituiert worden, und zugleich wäre dadurch, daß die Regierung sich schwach zeigte, Catilinas Position an der Spitze seiner Armee wesentlich gestärkt worden und ein Erfolg noch immer möglich gewesen. Da hat Cicero die Situation dadurch gerettet, daß er die Fragestellung noch einmal wieder aufnahm und in einer äußerst geschickten Rede, der vierten Oatilinarie, obwohl er selbst als Leiter der Debatte keinen Antrag stellen konnte1), deutlich erkennen ließ, daß er das Todes- urteil für notwendig halte und bereit sei, es auszuführen. Be- kanntüch hat dann Cato den Antrag erneuert und durchgesetzt.

Die Vorgänge in dieser Senatssitzung und die Rechtsfrage haben Drumann und Möhnsen ganz falsch beurteilt; Mommsen gibt ein Plädoyer für die „Demokratie", d. h. für Caesar, keine

publica adolevit . . . tum lex Porcia aliaeque leges paratae mint, quibus legibus exilium damnatis permissum est (51, 40, ?gl. § 22). Ebenso hat er am Schiaß § 43 Caesars bei Cicero Cat. IV 8 erhaltene Antrage tendenziös nur ganz anvollständig mitgeteilt. Sehr mit Un- recht gibt Drumann IIP/59 lediglich die Bede bei Sallust wieder. Kurz zusammenfassend Plut. Caes. 7: dnoxtiEvai äxfctoot ävftpac &£tu>- fiati xal Tftvti Xa|Aitpo&c ob toxti jcoTptov oö<5k Stxatov stvai |it?& ioxärr^c &vd"p")<« In seiner Praxis in Gallien und als Monarch haben Caesar natürlich derartige humane Anwandlungen recht fern gelegen, trotz der Milde, mit der er die besiegten Bürger begnadigte.

') Der Consul kann keinen Antrag stellen, sondern nur die Frage formulieren, consulit senatum; der Antrag, die sententia, die zum senatus consultum führt, geht aus der Mitte der befragten Senatoren hervor. Das ist bei der Darstellung dieser Vorgänge oft verkannt wor- den, ist aber für die Beurteilung der vierten Catilinarie ganz wesentlich. Möhnsen hat dieselbe vollständig mißverstanden, wenn er sagt, nach Caesars Bede „schienen doch nun wieder die meisten, Cicero voran, sich zur Einhaitang der rechtlichen Schranken zu neigen". Cicero spricht vielmehr so unzweideutig für das Todesurteil, wie es ihm als Consul nur möglich ist Mit Becht kann er ad Att. XII 21 (der Hauptstelle über die Einzelheiten der Abstimmung) gegen Brutus' Darstellung, der alles Verdienst allein dem Cato zuschrieb, den Vorwurf erheben nie autem hic (Brutus) laudat, quod retttüerim, tum quod patefecerim, cohortatus sim, quod denique, antequam consulerem, ipse iudicaverim.

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Das Principal des Pompejua

geschichtliche Darstellung. In Wirklichkeit war die Hinrichtung der Verhafteten politisch eine Notwendigkeit die Gefahr ihrer Befreiung, Bei es durch einen Aufstand ihrer Anhänger, sei es durch weitere Nachgiebigkeit des Senats, war sehr groß und rechtlich völlig unanfechtbar. Daran, daß das senatusconsultum ultimum den Consul nicht nur zu bewaffnetem Einschreiten, sondern auch zur Hinrichtung der des Hochverrats überführten Bürger ermächtigte, konnte garkein Zweifel sein; alle Versuche, die auf Grund desselben verhängten Todesurteile für unrecht- mäßig und strafbar zu erklären, die von demokratischer Seite nach den Vorgängen von 133/132, 121, 100 und zuletzt von Caesar und Labienus im Prozeß des Rabirius gemacht waren, waren ge- scheitert. Cicero hatte in seiner Rede für Rabirius das Recht des Senats und des von ihm bevollmächtigten Beamten, der vox \Üa consvlis „qui rempiiblicam salvam esse veüerU", als summum auxüium maiestatis alque imperi, quod nobis a maioribus est tradüum und extremis revpublieae temporibus perfugium et prae- sidium salulis verfochten und erklärt, daß er in gleicher Lage, wenn etwa Labienus einen Aufstand unternehmen sollte, ebenso verfahren werde er konnte damals noch nicht ahnen, daß er sein Wort alsbal I werde wahr machen müssen. Der Unterschied gegen die früheren Vorgänge war nur der, daß es diesmal dank seiner Wachsamkeit und der ergriffenen Vorsichtsmaßregeln nicht zum offenen Aufstande in Rom selbst gekommen, die Schuldigen nicht mit den Waffen in der Hand festgenommen waren; aber ihre Schuld war die gleiche. Daß er in dieser Lage nicht ohne Einwilligung des Senats vorgehn wollte, ist durchaus begreif- lich. Die rechtliche Lage wurde dadurch nicht geändert, die Verantwortung für das Todesurteil hatte er allein zu tragen; aber er wollte den Senat zwingen, sich seiner Auffassung anzu- schließen, und dadurch zugleich für die Gefahren, die ihm, wie er sehr wohl wußte, in Zukunft drohten das hat er ganz offen ausgesprochen , an ihm dauernd einen festen Halt gewinnen. Durch die Schonung, die er Crassus und Caesar angedeihen ließ, hoffte er das Schlimmste zu vermeiden, und darin hat er sich allerdings verrechnet.

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Stellung der Parteihäupter eu Pompejos

37

Als Nachspiel folgte dann noch eine große Anzahl Prozesse ^egen die mehr oder minder Kompromittierten, im Anschluß an die Denunziationen des Curius und Vettius (S. 32) und die Aus- sagen Cäceros, die sich bis ins nächste Jahr fortsetzten und meist mit der Verurteilung zum Exil auf Grund der lex Plautia de vi endeten. Bei diesen Prozessen trifft, wie wir gesehn haben, Cicero mit Recht der Vorwurf, daß er parteiisch verfuhr nicht nur aus politischen, sondern auch aus persönlichen Gründen. Seine Aus- sage war in der Regel entscheidend, und so erhoben nicht nur die Gegner, sondern auch die siegreiche Partei gegen ihn den begründeten Vorwurf, daß er eine Willkürherrschaft, ein regnurn aufrichte.

Pompejus' Rückkehr und Bedrängnis

Durch die Energie, welche die Regierung entfaltete, wurde die Insurrektion im Felde rasch unterdrückt und damit die un- mittelbare Gefahr beseitigt. Zugleich waren damit die Pläne des Orassus und Caesars begraben, ihr Versuch, sich eine selb- ständige Macht gegen Pompejus zu schaffen, definitiv vereitelt. Und inzwischen rückte Pompejus* Rückkehr immer näher heran und war die Entscheidung über die Zukunft des Staats ausschließ- lich in seine Hand gelegt. Schon war im Sommer 63 sein Legat und Schwager Q. Metellus Nepos in Rom eingetroffen und hatte sich zum Tribunen wählen lassen, um seinem Meister die Wege zu ebnen. Als Cato das erfuhr, war er sofort entschlossen, den erwarteten Staatsstreich mit allen Mitteln zu bekämpfen, und ließ sich daher gleichfalls zum Tribunen wählen1). Andere dachten anders. Cicero schickte dem Pompejus einen ausführlichen Bericht über die Verschwörung, die im dritten Jahre nach ihrer Ent- stehung endlich zum Ausbruch gekommen und von ihm unterdrückt Bei*); er war bereit, dem zukünftigen Oberhaupt der Republik als

') Plut. Cato 20. Cic. pro Murena 81.

') Cic pro Sulla 67: Torquatos hat sich auf epistolam meam be- rufen, quam ego ad Cn. Pompeiutn de meis rebus gestis et de *umma repttblica misi; in diesem Brief furorem incredibüem biennio ante conceptum erupisse in meo consulatu scripsi.

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Das Principat des Pompejus

Ratgeber in derselben Weise zur Seite zu stehn, wie Laelius dem Scipio1). Aber er erlebte eine schwere Enttäuschung; Pompejus antwortete ganz kühl und ohne ein Wort der Anerkennung für Ciceros Taten: er wollte und durfte es mit den Demokraten, deren Programm er im Jahre 70 akzeptiert hatte, nicht verderben. Diese waren in einer peinlichen Lage: der Bericht des Pompejus über den Abschluß des Krieges, dem sie unendliche Dauer ge- wünscht hätten, rückte die Gefahr, daß die schöne Zeit ihres wüsten Treibens nun zu Ende sei, in unmittelbare Nähe*). Crassus, ihr geheimes Oberhaupt, gab nach dem Scheitern aller seiner Entwürfe alle Hoffnung auf; er brachte Kinder und Schätze in Sicherheit und ging mit ihnen in den Orient3). Caesar war in besserer Lage ; er hatte das gabinische und das manilische Gesetz eifrig unterstützt4), und der Rückweg zu Pompejus stand ihm offen. Schon hatte er den Antrag der Tribunen Labienus und T. Ampius, dem Pompejus die bis dahin unerhörte Ehre zu ge- währen, bei allen Festen einen goldenen Lorbeerkranz und bei den Circusspielen das Triumphalge wand zu tragen, nachdrücklich unterstützt und gegen Ca tos Widerspruch durchgesetzt5), und damit die ihm vom Senat auf Ciceros Antrag bewilligten zwei- maligen Dankfeste6) überboten. Für das nächste Jahr war er zum Praetor gewählt, und spielte als solcher im Anschluß an Metellus Nepos den eifrigen Pompejaner.

Die neuen Tribunen traten am 10. Dezember 63, fünf Tage

') Cicero an Pompeius fam. V 7.

») Cicero schreibt an Pompejus V 7, 1 : sed hoc sciio, tucs veteres hosiis, novo8 amicoa vehementer litteris percuisos atque ex magna spe deturbaios iacere.

*) Plut. Pomp. 48: Kpdtaaos to6{ ttallaz xal t4 ip^^iaxa. Xaßuiv öm£- 'TjX&fv, ettt ftstaac aX-r)&<üc, tttt fi&XXov, u>$ iiöxsi, ittauv äicoXsinuiv r$ 8iaßoX$ xai tiv (pfrövov «ot&v tpax"tlPov- Crassus im Jahre 62 in Asien: Cic. pro Flacco 82.

4) Plut. Pomp. 25. Dio 86, 48.

*) Dio 37, 21. Vellejus II 40, 4. Cato äußerte dabei wegwerfend: bellum illud omne Mithridaticum cum mulierculis esse gestum, Cic. pro Murena 81.

•) Cic. prov. cons. 27, vgl. Starrkopf, Rhein. Mus. 47, 1892, 468 ff.

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Agitation für Pompejot Anfang 62 39

nach der Hinrichtung der Catilinarier, ihr Amt an. Sofort be- gann Meteilus, der schon vorher eine aufhetzende Volksrede ge- halten hatte1), die Agitation gegen die Regierung. Er stellte den Antrag, die Kriegführung gegen Gatilina dem Pompejus zu übertragen und ihm zu gestatten, sich abwesend um das Consulat zu bewerben1); zugleich richtete er die heftigsten Angriffe gegen Cicero, weil er römische Bürger ohne gerichtliches Verfahren hingerichtet habe, verbot ihm, am letzten Dezember die übliche Rede an das Volk zu halten Cicero half sich bekanntlich durch die Fassung des Eides, dessen Ablegung ihm nicht verboten werden konnte , und bedrohte ihn mit einer Anklage, bis der ^ Senat erklärte, er werde jeden, der einen von den an der Hin-

richtung Beteiligten zur Rechenschaft ziehen wolle, als Staats- feind betrachten*). Der Streit setzte sich am 1. Januar im Senat, am 3. vor dem Volk fort4). Nepos wurde von dem Tribunen L Calpurnius Bestia5) und dem Praetor Caesar eifrig unterstützt. Caesar selbst hatte gleich bei seinem Amtsantritt am 1. Januar

') Cic. pro Mnrena 81 in einem Appell an Cato: iam mint hesterna contione intonuit vox perniciosa designati tribuni, contegae tui. Der Prozeß de« Mnrena fallt noch vor die Hinrichtung der Catilinarier, in den November.

") Schol. Bob. p. 802 Orklu zu Cic. pro Sest. 62; Plut. Cic. 28 = Cato 26 und Dio 87, 48, 1 erwähnen nur die Berufung mit dem Heer nach Italien gegen Catilina.

•) Dio 37. 42.

*) Cicero an Metellus Celer, den Bruder des Nepos, ala Praetor 63 bei der Bekämpfung Catilinas eifrig tätig, jetzt Statthalter der Narbo- nensia, fam. V 2, wo auch die übrigen Vorgänge erwähnt sind. Auf die Szene am 29. Dezember kommt Cicero oft zurück, so in Pis. 6 f. de dorn. 94. Die Rede gegen Metellus, aus der eine Anzahl Zitate er- halten sind, arbeitete er im Januar 61 weiter aus (ad Att. I 18, 5). Worte Cicero« aus den Streitszenen mit Nepos bei Plut. Cic. 26. Dazu kommen die Berichte bei Dio 37, 88. 42 f. Plut. Cic. 26. Cato 26 f.

*) Schol. Bob. 294. 866. Plut. Cic. 23. Er gehörte zu den Catilina- riern; nach Lentulus' Plan sollte er, wenn Catilina sein Heer bei Faesulae ▼ersammelt hatte (vgl. dazu Schwartz, Hermes 32 , 604 f.), als Tribun, also nach dem 10. Dezember, Cicero in einer Volksrede als Urheber des Bürgerkriegs angreifen; in der nächsten Nacht sollten dann die Morde folgen: Sallust Cat. 43 und daraus Appian II 3, 12.

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40 Das Principat des Pom pejus

eine Untersuchung über den Bau des capitolin lachen Tempels durch Catulus, den er des Unterschleifs beschuldigte, eröffnet und den Antrag gestellt, diesem die Leitung zu nehmen und sie dem Pompejus zu übertragen, auf daß dessen Name an der stolzesten Stelle des Erdkreises prange. Natürlich widersetzte sich die Nobilität dieser Entehrung ihres angesehensten Mit- gliedes mit allen Kräften; in Scharen verließ sie die neuen Consuln und strömte in die Versammlung, um Caesar Widerstand zu leisten. Da ließ dieser seinen Antrag fallen, an dessen Ausführung ihm gar nichts lag: er hatte sein Ziel erreicht, sich bei Pompejus " aufs neue in Gunst zu setzen und einen neuen Keil zwischen ihn und die Optimaten zu treiben1).

Um bei den Massen wieder Halt zu gewinnen und sie von Metellus und Caesar abzuziehn, bewirkte Cato, daß der Senat eine gewaltige Erhöhung der Getreidespende an die haupt- stadtische Plebs gewährte*). Als es dann über Metellus Nepos' Antrag zur Abstimmung kam und dieser und Caesar versuchten, die Versammlung in üblicher Weise durch ihre bewaffneten An- hänger, Gladiatoren und fremdes Gesindel zu terrorisieren, bahnten Cato und sein Kollege Minucius Thermus, begleitet von Catos treuem Genossen Munatius, sich den Weg aufs Tribunal und erzwangen sich, da sie als Tribunen unantastbar waren, einen Sitz zwischen Metellus und Caesar. Mit allen gesetzlich zulässigen Mitteln, schließlich indem Thermus dem Nepos den Mund zuhielt, verhinderten sie die Verlesung des Antrags; in der folgenden Prügelei schritt der Consul Murena schützend für sie ein; schließlich gelang es, nach manchen Schwankungen die Versammlung zu sprengen"). Daraufhin erklärte der Senat das Vaterland in Gefahr, legte Kriegsgewand an, und gab den Consuln

') Sueton Caes. 15, der die genaue Datierung gibt; Dio 87, 44; vgl. Cic ad Att. II 24, 8: Caesar, is qui olim, praetor cum esset, Q. Catu- tum ex inferiore loco iusserat dicere.

*) Plut. Cato 26 = Cae«. 8: die jahrliche Ausgabe wuchs dadurch auf Vit Mill. Denare.

») Plut. Cato 27 f. Dio 87, 43. Sueton Ca«*. 16. Cic. pro Sest. 62, ▼gl. 11 f.

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Pompejus' Rückkehr

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durch das senatusconsultum ultimum Vollmacht zum Ein- 8C breiten : Nepos und Caesar wurden von ihren Ämtern sus- pendiert. Nepos hatte jetzt erreicht, was er erstrebte, einen populären Vorwand für die Eröffnung des Bürgerkriegs wegen Ver- letzung der tribunicischen Gewalt; nach einer Anklagerede gegen Gato und den Senat verließ er Rom und ging zu Pompejus1).

Caesar ignorierte den Beschluß und fuhr fort zu amtieren; als aber seine Anhänger Gewalt gebrauchen wollten, lehnte er das ab, zog sich in sein Haus zurück, und mahnte zur Ruhe; er hatte garkeinen Anlaß, die Dinge noch weiter zu treiben. Die Folge war, daß der Senat ihm seinen Dank aussprach und die Suspension zurücknahm, und kurz darauf die Denunziationen des Curius und Vettius wegen seiner Beteiligung an der catili- narischen Verschwörung (oben S. 32) ablehnte*). Auch gegen Metellus Nepos unterließ man weitere Schritte; Gato verhinderte seine Absetzung als eine zwecklose Rache, die nur Pompejus noch weiter gereizt haben würde*).

Nach diesen Szenen im Januar verlief der Rest des Jahres ruhig, in banger Erwartung dessen, was kommen würde. Auf Pompejus freilich nahm man keine Rücksicht mehr; die Ab- sicht, ihm das Kommando gegen Oatilina zu übertragen, war durch dessen rasche Besiegung von selbst beseitigt, und als er die Bitte aussprach, man möge die Consulwahlen bis zu seiner Ankunft verschieben, damit er die Bewerbung seines Legaten M. Pupius Piso unterstützen könne, wurde das Gesuch auf Catos Betreiben abgelehnt4). Piso wurde freilich trotzdem gewählt. Auch gelangte Pompejus' Gegner Metellus Creticus jetzt endlich zum Triumph, wie Lucullus im Jahre 63.

•) Plut. Cato 28 f. Dio 37, 43. 3 f. ■) Sueton Caes. 16 f.

') Plnt. Cato 29. Auch Cicero hat, wie er dem Metellus Celer schreibt (fam. V 2, 9 f.), für die gestimmt, qui mihi lenissime sentire visi sunt . . . aique etiam ut ita fleret pro tnea parte adiuvi, ut senati consulto mens inimicus, quia tuus frater erat, sublevaretur.

*) Plut. Cato 80 = Pomp. 44. Dios Angabe 87, 44, 8, der Auf- schub sei gewährt worden, ist ein durch Flüchtigkeit entstandenes Versehn.

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Das Principat des Pompejus

Aber die Erwartungen und Befürchtungen, die sich an Pom* pejus* Rückkehr knüpften, erfüllten sich nicht. Ob er selbst den Gedanken an einen Staatsstreich, so nahe er lag1), überhaupt ernstlich erwogen hat, gestattet unser Material nicht zu erkennen. Wohl hatte er durch Nepos' Vorgehn einen Vorwand derselben Art, wie ihn Caesar im Jahre 49 ergriffen hat, um den Bürger- krieg zu eröffnen. Aber es ist nicht zu vergessen, daß Caesar um seine Existenz kämpfte und nach jedem Vorwand greifen mußte, der sich bot ; Pompejus dagegen besaß eine Machtstellung, die niemand anzutasten wagte. Von einer Zwangslage, wie bei Caesar, konnte bei ihm keine Rede sein; er hätte den Konflikt vom Zaun brechen, ohne dringenden Anlaß die Insurrektion be- ginnen müssen, und davor wäre vielleicht auch Caesar in gleicher Lage zurückgeschreckt.

Noch viel wesentlicher aber ist, daß ein solches Vorgehn seiner gesamten Auffassung, seinem Naturell und seinen Ten- denzen, wie wir schon gesehn haben, absolut widersprach. Er war jetzt anerkanntermaßen der erste Bürger, der princeps der Republik8); der widerstrebenden Nobilität und dem Senat hatte er seine Macht gezeigt und sie gedemütigt, auf die resultatlosen Umtriebe seiner Konkurrenten, des Crassus und Caesar, konnte er mit vollem Recht geringschätzig herabsehn; seine natürliche

') Plut. Pomp. 48: Xoyot Ii navtoiaKol jctpl xoO nofitrrjun itposfatictov tl{ r}|v 'PtofiYjv, xat d4poßo{ -Jjv soXög u>t t&{K>c 5{ovtO{ tsl rijv rcöXtv ti otpdrttojia nal jjwvap^ia^ ßtßata^ iaojiivqc. Dio 87, 20, 4 ff. : obwohl Pom- pejus, gestützt auf die Machtmittel des Ostens, die Herrschaft über Italien und Rom hatte ergreifen können t«iv jiiv icXibttov i&tWci 5v aötiv it5ajJttvu>v, «1 8i xeü ivtiot^aiv tivt^, aXX* 6*' «bJVtvttai; ft icavtiu; 3v OfioXo-rijoavtuiv, oox T4ßooX^diQ toöto not-rjsai. Velleius II 40: plerique non sine exercitu venturum in urbem afflrmarant et libertati publicae 8tatuturum arbitrio suo modum. quo magis hoc homines timuerant, eo gratior civilis tanti imperatoris reditus fuit.

*) Schon im Jahre 78 läßt Sallust den Tribunen Licinius Macer in seiner Rede an die Plebs § 23 sagen: mihi quidem satis spectatum est, Pompeium, tantae gloriae adolescentem, malle principem volen- tibus Vobis esse, quam Ulis dominationis socium. Mit Unrecht sieht Neuiunh, Hermes 32, 1897, 314 f. in diesen Worten einen Anachronis- mus und sucht in ihnen eine Anspielung auf Octavian.

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Ponipejus' Rückkehr und Stellung 43

Stellung aber war die des Oberhaupts der legitimen Partei, wie sie Sulla eingenommen hatte. Als das Schwert der Republik war er allgemein anerkannt, und niemand kann zweifeln, daß, wenn aufs neue eine große Aufgabe aufgetaucht wäre, wie der Seeräuberkrieg und der Krieg gegen Mithridates und Tigranes, ihm, ohne daß er sich anzustrengen brauchte, der Oberbefehl übertragen worden wäre. Jetzt konnte er erwarten, daß auch im Innern aller Widerspruch verstummen, daß man sich frei- willig seiner Leitung und seinen Wünschen fügen, das natürliche Bündnis zwischen ihm und dem Senat herstellen werde und im andern Falle konnte er diesen immer durch seine Verbindung mit der Demokratie und den jederzeit zur Erregung von Unruhen in seinem Interesse bereiten Strebern zur Nachgiebigkeit zwingen, wie eben noch wieder Caesars Verhalten gezeigt hatte; wie sollte er also einen Staatsstreich wagen und, indem er sich freiwillig , außerhalb des Gesetzes stellte, seine ganze in zwanzigjähriger

Arbeit gewonnene Stellung ohne Not aufs Spiel setzen! Er folgte nur den natürlichen Bedingungen seiner Existenz, wenn er nach der Landung in Brundisium im Dezember 62 sein Heer entließ und langsam und feierlich, ohne militärisches Gefolge, nach Rom zurückkehrte, um außerhalb des Pomeriums seinen Einzug im Triumph abzuwarten1).

In diesen politischen Erwägungen hatte er sich allerdings ver- rechnet. So gesichert seine militärische Stellung in jeder großen

') In MomiSKTts Urteil : »Wenn es ein GlQck ist, eine Krone mühelos zu gewinnen, so hat das Glück nie mehr für einen Sterblichen getan, als es für Pompejus tat ; aber an den Mutlosen verschwenden die Götter alle Gaben umsonst," ist eben die Voraussetzung falsch, daß Pompejus nach der Krone gestrebt habe; er hatte sie, wenn sie ihm geboten wurde, mit ungeheuchelter Entrüstung von sich gewiesen. In dem weiteren Satz: „Die schon überwundenen Mitbewerber konnten abermals den Wettlauf beginnen, wobei wohl das Wunderlichste war, daß in diesem Pompejus wieder mitlief" tritt die innere Brüchigkeit seiner Auffassung klar zutage; der Appell an das .Wunderliche* verzichtet eben auf eine Erklärung. In Wirklichkeit meinte Pompejus keineswegs »wieder mit- zulaufen*, sondern vielmehr bereits am Ziel zu sein; und auf die .Wett- läufer' sah er von seiner Höhe geringschätzig herab bis er ent- deckte, daß es zu spät war.

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Das Principal des Pompejus

Krisis war, so unsicher war seine Stellung in dem Alltagsgetriebe der inneren Politik, dem er bisher so gut wie ganz fremd geblieben war denn in den Jahren 69 und 68, nach seinem Consulat, hatte er sich meist von den Geschäften ferngehalten1). Natür- lich wandten sich alle Koterien und alle Politiker, so sehr sie sich sonst befehdeten, einmütig gegen den unbequemen Eindring- ling in ihre Kreise und versuchten auf jede Weise, sich von dem Druck zu befreien, mit dem er auf ihnen lastete; auch Crassus, der aus seiner unnötigen Selbstverbannung zurückkehrte, nahm den Kampf gegen seinen Rivalen wieder auf. Die Gehilfen, die Pompe jus ihnen entgegenstellen konnte, waren wenig geeignet, und er nicht imstande, sie richtig zu instruieren und zu leiten; er selbst kam aus dem unsicheren Tasten nicht heraus und ver- darb seine Lage noch weiter, indem er seine Protektion nicht nur Unwürdigen und Unbrauchbaren zuteil werden ließ das taten mit Ausnahme Catos alle andern auch, Catulus und Cicero so gut wie Crassus und Caesar , sondern dabei das äußere Decorum nicht zu wahren wußte und sich durch Ungeschick fortwährend Blößen gab*).

Gleich nachdem er, Mitte Januar 61, vor Rom eingetroffen war, trat die Unsicherheit seiner Stellung deutlich zutage. Als offi- zieller Vorfechter der Demokratie hatte er sich, dem Vorgehn des Metellus Nepos entsprechend, zunächst ablehnend gegen das Ver- fahren des Senats in den catilinarischen Händeln und gegen Cicero verhalten*). Aber als er dann auf Veranlassung seines Agenten,

•) Plut. Pomp. 28.

*) Plut» Pomp. 46: "SJv fip ix Kpoo-nxovtcuv aoto« exrr,oato Wvajuv iv KÖXti , xaorjj ypcLjitvo^ iitip äXkutv ob dtxa'.a>c t ooov txsivoic lo^oo? jtposEtiö-ai 4*otoö 8ö&*r){ ä?atp(vv, rXad* föwi [ityi&tt aüxoü 8ov&tiKu>c xataXod*^. Ciceros Korrespondenz bestätigt das durchweg.

') Dem entspricht es. daß Cicero in dem Brief an Atticus am 1. Januar 61 (I 12) erwartet, Pompejus werde für die Abberufung des C. Antonius aus Macedonien, dessen Amte jähr jetzt zu Ende ging, ein- treten : mihi Pompeiani prodromi nuntiant, aperte Pompeium ac- turum Antonio succedi oportere, eodemqtte tempore (iget praetor ad populum. Cicero ist daher sehr besorgt, daß er das Geld, das Antonius ihm Tersprochen hat, nicht bekommen wird (Teucris illa unter

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Pompejus und die Parteien

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des Consuls Pupius Piso, von dem Tribunen Fufius Calenus, einem Manne, der, so wenig uns seine Persönlichkeit genauer faßbar ist, durchweg als einer der Hauptvertreter der demokratischen Partei und Anhänger Caesars erscheint, aufgefordert wurde, Bich in einer Volksversammlung über die Gestaltung des Gerichtshofs in den clodianißchen Händeln zu äußern, machte er aus seiner wahren Gesinnung kein Hehl: „er redete sehr aristokratisch und erklärte mit großem Wortschwall, die Ansicht des Senats sei ihm wie immer so auch jetzt von der größten Bedeutung"1). Natürlich waren die Demokraten über diese Erklärung schwer enttäuscht, und ebenso die Geldleute, deren Geschäfte in dem anarchischen Treiben blühten; die Optimaten dagegen konnten aufatmen und sahen zugleich, daß sie mit ihm leichtes Spiel haben würden. So Heß die Rede kalt ; er hatte selbst sein Anselm untergraben*). Er erkannte, daß, wenn er in diesen Kreisen etwas erreichen wolle, er persön- liche Beziehungen anknüpfen müsse. Vor allem suchte er Cato zu gewinnen, dessen energisches und erfolgreiches Auftreten ihm imponierte; er warb für sich und seinen Sohn um die Hand seiner beiden Nichten, wurde aber von Cato stolz abgewiesen*). Auch

diesem Pseudonym verbirgt sich entweder Antonius selbst oder einer seiner Agenten lentutn sane negotium cet.), und erklärt dem Antonius selbst in dem bitterbösen Brief fam. V, 5, alsdann nichts mehr ftir ihn tun zu können; ebenso an Atticus I 12 res eiusmodi est, ut ego nec per bonorum nec per populärem existimationem honeste possim hominem defendere, nec mihi libeat, quod vel maximum est. Am 25. Januar hat er wieder Hoffnung (Att. I 13, 6 Teucris illa lentum negotium est, sed tarnen est in spe) ; am 15. Februar ist das Geld ein- getroffen (Att. I 14, 7 Teucris promissa patrav-il). Antonius wurde bekanntlich bis Ende 60 in seiner Provinz gelassen, und dann hat ihn Cicero verteidigt, freilich ohne Erfolg.

') ad Att. I 14 (18. Februar): tum Pompeius fiiX* aptatoxf.w.xü.<; locutus est senatusque auctoritatem sibi omnibus in rebus maximam videri semperque visam esse respondit, et id multis verbis.

*) ib. prima contio Pompei qualis fuisset, scripsi ad te antea (der Brief ist verloren), non iucunda miseris, inanis improbis, beatis non grata, bonis non gravis; Uaque frigebat.

•) Plut. Pomp. 44 = Cato 80 (vgl. 45). Kurz vorher hatte er seiner dritten Gemahlin Mucia den Scheidebrief geschickt (Plut. Pomp. 42. Cic.

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Das Principat des Pompejus

Cicero trat er näher. Schon unterwegs hatte er nicht gewagt, sein Verhalten zu tadeln, und sich daher bequemen müssen, ihn zu loben1), und schon am 1. Januar hatte Cicero behauptet, es sei sicher, daß Pompejus ihm sehr wohlwollend gesinnt sei'); jetzt machte er sich augenfällig an ihn heran, überschüttete ihn mit Lobsprüchen, von denen Cicero sehr wohl erkannte, was sie wert waren3), und nahm seinen Sitz im Senat neben ihm; die aufrührerische Jugend nannte ihn daher höhnend Gnaeus Cicero4). Es kam zu so kostbaren Szenen, wie in der Sitzung gegen Mitte Februar, im Anschluß an die Volksversammlung, in der Pom- pejus geredet hatte, als dieser von dem aristokratisch gesinnten Consul Messalla aufgefordert wurde, sich weiter über die in der Sache des Clodius ergriffenen Maßnahmen zu äußern. Pompejus versuchte, mit unbestimmten Wendungen, in denen er sich ganz im allgemeinen über die Senatsbeschlüsse billigend aussprach, davonzukommen; damit habe er, wie er Cicero zuflüsterte, seiner Meinung nach auch „über diese Deine Affäre", d. h. über das Vorgehn gegen die fotüinarier, genug gesagt6). Da ergriff Crassus die Gelegenheit, Pompejus zu ärgern, und hielt eine lange Lob-

Att. 112, 8), die ihm in Üblicher Weise die Treue nicht gehalten hatte; nach allgemein verbreiteter Ansicht hatte sie sich unter andern mit Caesar eingelassen (Sueton Caes. 50).

') An Atticus I 13, 4 (25. Januar) tuus auiem ille amicus sein quem dicam ? , de quod tu ad me scrip»isti, postea quam non änderet reprehendere, laudare coepisse.

s) Att. I 12. 8: Pompeium nobis arnicissimum constat esse.

') Att. I 13, 4: Tuus amicus . . . nos, ut ostendU, admodum düigit, ampleciitur, antat, aperte laudat, oeeuite, sed ita ut perspi- euum sit, invidet. nihil come, nihil simplex, nihil iv toi« iroXttwot« honestum, nihil illustre, nihil forte, nihil liberum.

*) ad Att. I 16, 11 (Sommer 61): accedit illud, quod illa contio- nalis hirudo aerari, misera ac ieiuna plebecula, me ab hoc Magno unice diligi putat, et hercule multa et iueunda consuetudine con- iuneti inier nos sumus, usque eo ut nostri isti comissatores con- iurationis, barbatuli iuvenes, illum in sermonibus Gnaeum Cice- ronem appeüent.

') Att. 1 14, 2: locutus ita est in senatu, ut omnia iüius ordinis consulta -rsvtxäc laudaret, mihique, ut adsedit, dixit se putare satis ab se etiam de istis rebus esse responsum.

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Der Prozeß des Clodius 47

rede auf Cicero, dessen Consulat er sein und der Seinen Leben verdanke. Natürlich konnte dann Cicero nicht schweigen; alle seine schönen Phrasen und Selbstberäucherungen mußte der ge- duldige Senat über sich ergehen lassen; er wollte dem Neuling Pompejus seine Bedeutung eindrmglich unter die Nase reiben, und gab sich nach solchen Szenen allen Ernstes der Illusion hin, daß er selbst wirklich die zentrale Stellung im Staatsleben ein- nehme und der Senat verehrungsvoll seiner Leitung folge1).

Im übrigen war man die erste Hälfte des Jahres hindurch voll- auf beschäftigt mit den aus dem bekannten Sakrileg des Clodius beim Fest der Bona Dea Anfang Dezember 62 entstandenen Händeln, aus deren Behandlung auch die eben geschilderte Dis- kussion hervorgegangen war. Der Consul Messalla und der Senat, Cato voran*), forderten strenge Untersuchung und Bestrafung; Clodius fand Unterstützung bei den Tribunen, namentlich bei Fufius Calenue, und lauer auch bei dem Consul Pupius Piso, aber auch bei Optimaten, wie C. Curio (cos. 76) und vor allem bei dessen jungem Sohn, der gleich hier bei seinem ersten Auftreten sein demagogisches Talent zeigte. So organisierte Clodius die Banden der Catilinarier für Bich, rückte in zahlreichen Reden den vor- nehmen Gegnern auf den Leib und suchte das Gesetz über die Bildung des Gerichtshofs zu Fall zu bringen. Schließlich wurde das Gesetz in abgemilderter Form angenommen, aber im Mai 61 Clodius von dem offenkundig bestochenen Gerichtshof frei- gesprochen3); Crassus hatte binnen zwei Tagen das Geld und die sonstigen Verführungsmittel bereitgestellt4). Bei diesen Händeln hat Cicero den größten politischen Fehler seines Lebens

>) Att. 1 14, 8 f.

•) Att. I 13, 8. 15, 5 f.

») ad Att. I 16. Nächst Ciceros Briefen ist die Hauptquelle der in den schol. Bob. erhaltene Kommentar zu seiner Rede in Clodium et Curionem (die im J. 58 wahrend Ciceros Exil gegen Beinen Willen ver- öffentlicht wurde, was ihm schwere Sorge machte, ad Att. III 12, 2. 15, 3). Ferner Plut. Cic. 28 ff. Caes. 9 f. Liv. 103. Dio 87, 45 f. 51. Sueton Caes. 6. 74.

4) Cic. Att. I 16, 5, wo Crassus unter dem rätselhaften Namen Calvus verhüllt, aber im übrigen ganz unzweideutig bezeichnet ist.

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48 Daa Principat des Pompe jus

begangen, für den er schwer büßen mußte. Zu Anfang hatte er den Vorfall als eine amüsante Skandalaffäre betrachtet, ohne sich weiter darüber aufzuregen1). Aber seine Frau Terentia war eifersüchtig auf Clodius* Schwester, die zweite der drei, die be- rüchtigte Bo&ku oder Quadrantaria, Gemahlin des Metellus Celer, die unter andern auch den geistvollen Redner in ihre Netze zu ziehen suchte; Terentia fürchtete, Cicero wolle sich von ihr scheiden8). Um den Hausfrieden wieder herzustellen, redete sich Cicero immer heftiger in die Entrüstung über Clodius* Frevel hinein, griff ihn aufs stärkste an und gab vor Gericht eine entscheidende Zeugenaussage, die Clodius* Versuch, ein Alibi nachzuweisen, widerlegte; auch nachher ließ er, von der sensationslüsternen Nobilität unterstützt, keine Gelegenheit zu neuen Angriffen und Zänkereien vorüber. Durch dies Verhalten haben Cicero und die Nobilität ihren erbittertsten Gegner selbst großgezogen; statt den Vorfall als eine Skandalaffäre zu be- handeln, machten sie eine politische Aktion daraus, die den Staat , auch nachdem sie gerichtlich beendet war, noch jahrelang in fortdauernder Erregung hielt. Ganz anders verfuhr Caesar. Er empfand in diesen Dingen so völlig kühl, daß er in dem Mann, der seine Frau zum Ehebruch verfuhrt hatte, eben darum ein ge- eignetes politisches Werkzeug erkannte, das er in seiner Gewalt hatte und ausnutzen konnte. Er schickte zwar der Pompeia sofort den Scheidebrief1), erklärte aber, er wisse von gnrnichts

') ad Att. I 12, 3, wo er den Vorfall kurz erzahlt mit dem Zusatz: rem esse insigni infamia, quod te tnoleste ferre certo scio. Ebenso 13, 8: boni viri precibus Clodi removentur a causa, operae compa- rantur, nosmet ipsi, qui Lycurgei a principio fuissemus (!), cotidie demitigamur; insiat et urget Caio. quid tnulta? vereor ne haec ne- glecta a bonis, defensa ab improbis, magnorum reipublicae malorum causa sÜ. Damit vergleiche man den ganz andern Ton der folgenden Briefe.

■) Plut. Cic. 29, mit der völlig treffenden Bemerkung o5 jivjv i&owi ^apruptiv 6 Ktxipiov 8tä tvjv AXirj&tiav, itpo$ ri^v a6toö yovalxa Teptv-

tiav &KoXoTo6fitvoc. Es liegt nicht der mindeste Grund vor, die Richtig- keit der bei Plutarch folgenden Angaben zu bezweifeln, wie das z. B. Drumann getan hat.

•) Cicero berichtet das an Atticus I 18, 3 am 25. Januar.

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Die SeuaUpDlitik im Jahre 61

40

und habe seine Frau nur entlassen, weil Caesars Gemahlin auch vom Verdacht rein sein müsse1).

Mit derartigen Dingen vertrödelte der Senat seine Zeit. Noch einmal hatte die Gunst des Geschicks ihm eine Frist gewährt, in der er seine Herrschaft hätte wiedergewinnen und sicherstellen können: er hat sie nicht ausgenutzt. Es war ihm ebensowenig und noch weniger als dem Pompejus möglich, ein positives Programm aufzustellen; er vermochte nur zu negieren, und ließ sich im übrigen von den Dingen des Alltags treiben, statt die Geschicke des Staats zu lenken. So kam selbst die laufende Ver- waltung immer mehr ins Stocken; wurde doch im Februar 61 beschlossen, die Ausstattung der praetorischen Provinzen, die Verhandlungen über die Gesandten usw. auszusetzen, bis das Gesetz über die Bildung des Gerichtshofs für den clodi sehen Handel angenommen sei*). Der Ausgang des Prozesses war dann für das Ansehn des Senats ein schwerer Schlag; Cicero, der vor- her den Senat als einen Areopag gepriesen hatte3) und sich auch nachher noch einbildete, durch seine Angriffe auf Clodius und Curio den Senat wieder aufgerichtet und das Unheil überwunden zu haben4), versinkt zu Ende des Jahres immer mehr in eine pessimistische Stimmung: die Gestaltung der Dinge, so bezeichnet er die Lage ganz richtig, zwinge zu der Erkenntnis, daß der römische Staat nicht länger bestehn könne6). Die Censur, die

') Sueton Caes. 74. Dio 37, 45. Plut. Caes. 10 - Cic. 29. Vgl. Cic. de har. resp. 38: hominibus iniuria tui stupri inlata in ipsos dolori non fuit.

*) Cic. Att. I 14. 5 (18. Februar): senatus et de provinciin \rrae- torum et de legationibus et de ceteris rebus decernebat, ut ante quam rogatio lata esset ne quid ageretur. Darunter hatte auch Caesar zu leiden, s. unten S. 56.

*) Ib. senatus "Apuo« «oyos: nihil constantiiis, nihil severius, nihü fortius.

*) Att. I 16, 8: .Durch meine Angriffe auf die bestochenen Richter omnem omnibus stttdiosis ae fautoribus illius tictoriae itapp^otav eripui, . . . senatum ad pristinam severitatem suam revoeavi atque abiectum excitavi.

■) Att. I IS, 2 (20. Januar 60): nam, ut en breviter quae post tmttn discessum acta sunt colligam, iam evclamas necesse est, res

Meyer, Caesars Monarchie. 4

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Das Principat des Pom pejus

jetzt wieder amtierte, versagte vollständig; die Cenaoren wir kennen nicht einmal ihre Namen gingen jedem Konflikt da- durch ans dem Wege, daß sie alle gewesenen Beamten unbesehn in die Senatsliste aufnahmen1). Bin Lustrum brachten sie so wenig zustande, wie ihre Vorgänger und Nachfolger. Vergebens versuchte man neue scharfe Gesetze gegen die Bestechlichkeit der Richter und gegen den Stimmenkauf bei den Wahlen durch- zubringen*). Dadurch wurden nur die ritterlichen Kapitalisten gereizt, die in diesen Dingen ihre Geschäfte machten. Überdies verlangten sie, von Crassus gestützt, eine Herabsetzung der Pacht- summe für die asiatischen Steuern, bei deren Pachtung sie sich maßlos überboten hatten. Cicero, der zeitlebens mit diesen Kreisen, aus denen er hervorgegangen war, in enger Ver- bindung stand8), trat dafür um der Eintracht willen ein, obwohl er die Forderung für schmachvoll erklärte. Aber Cato trat mit unermüdlicher Ausdauer dagegen auf, „als ob er in Piatos üoXtteta, nicht in der Hefe des Romulus lebe", und verhinderte durch Dauerreden jede Beschlußfassung, so daß auch alle andern Geschäfte dadurch wieder ins Stocken kamen«). So verlor der Senat die Unterstützung durch die materiellen Inter- essen, die er bei der Unterdrückung der Catilinarier durch die Angst vor den Mordbrennern momentan gewonnen hatte. Die längst gewünschte*) Aufhebung der drückenden italischen Hafen- zölle mußte man im Jahre 60 endlich zulassen; aber der Regierung

RomanasdiuÜU88tarenonpo88e. Vgl. schon vorher 1 17,8 (5. Dezember 61): iws hic in republica inflrma, misera commutabüique versamur.

•) Dio 37. 46, 4. Erwähnt wird diese Censur auch Att. I 17, 9. 18, 8. II 1. 11.

') ad Att. I 16, 18 f. 17, 8. 18. 8. II 1, 7.

*) Vgl. z. B. pro Rabirio Postumo 15.

*) Cic. Att. I 17, 8 f. 18, 6 ff. 19. 6. II 1. 7 f. pro Plancio 34 f. and schol. Bob, zu §§ 31. 35. de off. III 88. Dio 88, 7, 4. Appian V 18, 47. Cicero übertreibt die Bedeutung sowohl der concordia ordinum, die er in seinem Consulat am 5. Dezember geschaffen hübe, wie des jetzt wieder hervortretenden Gegensatzes zwischen dem Senat und den Kapi- talisten der Ritterschaft

») QuintuK Cicero de pet. cons. 88.

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brachte auch das keinen Gewinn, da der Antrag von dem Praetor Metellus Nepos gestellt war, der damals noch der Opposition angehörte, der Versuch, seinen Namen durch einen Antragsteller von besserem Klang zu ersetzen, scheiterte wie billig und brachte den Senat vollends um allen Kredit1).

Neben diesen Dingen ging ununterbrochen das Ringen mit Pompejus einher; und hier war man allerdings zunächst erfolg- reich. Nachdem er am 28. und 291 September 61*), seinem 46. Ge- burtstag, seinen Triumph mit bis dahin unerhörter Pracht ge- feiert und seine Soldaten und Offiziere reich beschenkt und über- dies große Geldsummen in die Staatskasse abgeliefert hatte der Aufschub war durch die umfassenden Vorbereitungen ver- anlaßt — , stellte er vor allem zwei Forderungen: die Bestätigung seiner Anordnungen in Asien, und Landanweisungen für seine Soldaten. Diese waren zur Notwendigkeit geworden, seitdem seit Marius die Armee nicht mehr aus der immer mehr schwinden- den Bauernschaft Italiens ausgehoben, sondern aus den besitz- losen Proletariern angeworben wurde, die nach Beendigung des Kriegs versorgt und in Bauern umgewandelt werden sollten. Aber keine der beiden Forderungen konnte er durchsetzen. L. Lucullus, dem er die Kriegführung entrissen, dessen Anord- nungen er umgestoßen, dessen Triumph er jahrelang verhindert hatte, ergriff die Gelegenheit, sich zu rächen, ebenso der in gleicher Lage befindliche MetellusCreticus; und sie fanden eifrige Unterstützung bei Cato und seinem Anhang3). Natürlich Heß sich auch Crassus die Gelegenheit nicht entgehn, seinen Rivalen zu demütigen4). Sie setzten durch, daß die Anordnungen nicht in Bausch und Bogen bestätigt wurden, wie Pompejus verlangte, sondern über jede der unzähligen Einzelverfügungen gesondert verhandelt wurde, und eröffneten dadurch den Boden für un- endliche Diskussionen und Scherereien, während gleichzeitig die

') Dio 37, 51, 3 f.; Tgl. Cic. ad Att. II 16, 1 (Mai 59) portoriis Italiae siiblatte. *) Plin. 87, 13.

») Dio 37, 49. Vellejus II 40. App. II 9. Plut. Pomp. 46. Cato 31. ') App. II 9, 82: xal AiuköXXw ooYtXäpßavc Kpdooo?.

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Das Principal des Pompejus

Grundlage des Rechtazustands in Asien dauernd in Frage ge- stellt blieb.

Um das Ackergesetz durchzubringen, hatte Pompejus schon vorher durch unverhüllte Bestechungen, die großes Ärgernis er- regten, die Wahl seines Legaten Afranius zum Consul für 60 durchgesetzt (25. Juni 61)1). Das Gesetz selbst wurde dann zu Anfang des neuen Jahres von dem Tribunen L. Flavius ein- gebracht. Es griff auf den Bestand des Staatslandes vor der Gracchenzeit zurück und stellte zugleich die Landan Weisungen Sullas in Frage; im übrigen sollte das erforderliche Land (zu dem ohne Zweifel vor allem auch die campanische Domäne herangezogen werden sollte, wie bei den Ackergesetzen des Rullus und Caesar) aus dem fünfjährigen Steuerertrag der von Pom- pejus neu geschaffenen Provinzen aufgekauft und nicht nur unter die Veteranen, sondern auch unter die ärmeren Bürger verteilt werden*). Aber die Hoffnung, es dank dieser Bestimmung durchsetzen zu können, scheiterte völlig. Afranius war vielleicht ein erträglicher Offizier, aber politisch gänzlich unfähig: „Nie- mand als ein Philosoph kann ihn ohne Seufzen ansehn", sagt Cicero; „sein Consulat ist kein Consulat, sondern eine Beule im Gesicht des Pompejus", „eine solche Null, daß er nicht einmal weiß, was er gekauft hat"8). Sein Kollege Metellus Celer, der Bruder (oder Vetter) des Nepos, stand, wie schon im Jahre 63, ganz auf seiten der Nobilität; gegen Pompejus war er auch persönlich erbittert, weil dieser sich von seiner Stiefschwester Älueia4) hatte scheiden lassen*). So nahm er den Kampf mit voller Energie

«) Dio 37, 49. Plut Pomp. 44 = Cato 80. Cic. Att. I 16, U (da* Datum § 13).

*) Dio 87, 50- Aus Cic. ad Att. I 19, 4 ergehen sich die wichtig- sten Bestimmungen. Die Einbringung fallt vor den 20. Januar (I 18, 6).

•) ad Att. 1 18, 8. 5. 19, 4. 20, 5. Auch Dio spricht von ihm mit Verachtung: er habe besser zu tansteu ab irgend etwas auszurichten verstanden (37, 49, 3).

*) Bestätigt durch Cicero fam. V 2, 6 an Metellus: cum vestra sorore Mucia, cuitis erga me Studium pro Cn. Pompei tiecessUudine multia in rebus perspexeram. Klar sind die Verwandtschaftsverhältnisse nicht.

») Dio 37, 49, 8.

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Der Kampf am das flavische Ackergesetx

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auf, unterstützt von Cato1) und insgeheim von Crassus, der jede« Wort vermied, was im Senat Anstoß hatte erregen können*). Die Masse der Nobilitat freilich blieb lau wie gewöhnlich: „sie sind so dumm, daß sie glauben, ihre Fischteiche blieben ihnen erhalten, auch wenn die Republik zugrunde geht"*). So kam Pompejus in eine immer peinlichere Stellung: „er hüllt sich in sein gesticktes Triumphalgewand und sucht es durch Schweigen zu konservieren"*). Cicero suchte zu vermitteln: er beantragte in einer Volksversammlung, die von den Gracchen und von Sulla zugewiesenen Ländereien von der Verteilung auszuschließen und ebenso das durch ein Qesetz Sullas konfiszierte, aber niemals wirklich eingezogene Gebiet von Volaterrae und Arretium, und nur das übrige Land aufzukaufen und zu verteilen, und fand dafür sowohl bei den Besitzenden wie bei der städtischen Menge Zustimmung5). Aber Pompejus wollte natürlich sein Gesetz haben, wenn er auch tat, als sei er jetzt mit Cicero ganz intim, und ihn wiederholt mit Lobreden auf sein Consulat erfreute9); und der Senat wollte aus Mißtrauen gegen Pompejus von einem

') Plut Cato Sl.

*) ad Att. I 18, G: Crassus verbum nultum contra gratiam.

*) Att. I 18, 6: ceteros tum nosti: qui ita sunt stulti, ut amissa republica piscinas suas fore salvas sperare videaniur. I 19, 6: beatos nomine*, hos piscinarios dico, amicos tuos. I 20, 8. II 1. 7: cum nostri prineipes digito se caelum putent attinger e, si mulli barbati in piscinis sint, qui ad man um accedani, alia autem negle- gant. Cicero behauptet, diese Leute seien auf seine Stellung neidisch und ließen das deutlich erkennen. Ferner II 9, l: isti piscinarum Tritones.

4) ad Att. 1 18, 6 (20. Januar 60) : sed interea «oWö? ivfy ot>8' ovof quisquam inveniri potent, qui poterat, fam'Uiaris noster sie enim est: volo te hoc scire Pompeius togulam Warn pictam yilentio tuetur stuim.

*) ad Att. I 19, 4; vgl. faui. XIII 4 (u. S. 62, 3). Nach Pompejus* Äußerung bei Dio 38, 5, 1 hat der Senat nicht nur seinen Soldaten, sondern auch denen des Metellus Land bewilligt, aber die Zuweisung aus Mangel an Geld nicht ausführen können. Bezieht sich das auf ein Qesetz für die Veteranen ans dem sertorianischen Krieg?

•) Att. I 19, 7. II 1. 6. vgl. de off. I 78. Phil. II 12.

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Das Principat des Pompejus

Ackergesetz überhaupt nichts wissen1). Es kam so weit, daß Flavius den Consul Metellus ins Gefängnis setzte, um seinen Widerstand zu brechen, und dem Senat, als dieser ihn hier auf- suchen wollte, den Zutritt dadurch versperrte, daß er seine Tribunenbank in die Tür stellte darauf ordnete Metellus an, die Mauer zu durchbrechen, damit die Senatoren eintreten könnten, während er ein Einschreiten der andern regierungs- freundlichen Tribunen stolz ablehnte. Da blieb Pompejus nichts übrig, als nachzugeben und Flavius zu veranlassen, ihn freizu- lassen; und als Metellus und sein Anhang auch jetzt den Kampf gegen das Oesetz nicht aufgaben, ließ er es fallen8)

Es war indessen ein verhängnisvoller Irrtum, wenn man glaubte, daß durch alle diese Schlappen Pompejus* Machtstellung wirklich gebrochen sei, wenn Cicero sich einbÜdete, daß er be- wirkt habe, „daß Pompejus besser geworden sei und etwas von seiner demokratischen Leichtfertigkeit und Gunsthaschcrei ab- gelegt habe" und daß er ihn fortan gängeln könne3). An die wirklichen Grundlagen seiner Stellung reichte all dies Geplänkel nicht heran, ja dieselbe wurde durch die Verwirrung und das

l) Att 1 19, 4: huic toti rationi agrariae senatus adversabatur, stispicans Pompeio novam quamdam potentiam quaeri; Pompeius vero ad voluntatem perferendae legis ineubuerat.

*) Dio 37, 50. Cic. Att II 1, 6 (Mitte Mai 60): quod de lege agraria quaeiis, sane iam videtur refrixisse. Er klagt, daß Cato durch sein Auftreten gegen die Steuerpachter dem Senat die Unter- stützung der Ritterschaft geraubt hat; itaque nunc consule in car- cerem incluso, saepe item seditione commota, adspiravit nemo eorum, quorum ego coneursu itemque ii consules qui post me fuerunt rem- publicam defendere solebant.

») Att. 11 1, 6: quod me quodam modo moüi bracchio de Pompei familiaritate obiurgas, nolim ita existimes, me mei praesidii causa cum Mo coniunetum esse; sed ita res erat instituta, iä, si intra nos esset aliqua forte dissensio, maximas in republica discordias ver- sari esset necesse. Quod a me ita praecautum atqve provisum est, non ut ego de optima illa mea ratione decederem, sed ut ille esset melior et aliquid de populari levitate depöneret. Cicero bewegt sich, wie so oft, in ganz unhaltbaren Illusionen über seine Stellung und Be- deutung und vor allem Über die Festigkeit seines Charakters; Atticu* sah offenbar viel klarer, wie die Dinge in Wirklichkeit lagen.

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Pompejus und das flavische Ackergesetz

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Stocken aller Staatsgeschäfte eher gesteigert: die materiellen Interessen verlangten einen starken Mann, der das Regiment fest in die Hand nehme. Pompejus brauchte nur zu wollen, so sanken all diese Angriffe in nichts zusammen.

Pompejus' Koalition mit Caesar und Grassns

Die Gelegenheit bot sich alsbald. Eben in den Tagen, in denen sich das Schickaal des flavischen Ackergesetzes entschied, kam Caesar aus seiner spanischen Provinz zurück, um sich um das Consulat zu bewerben1). Bisher war Caesar, so geschickt er operierte, fortdauernd am Rande eines Abgrunds gewandelt. Er steckte tiefer in Schulden als irgend ein anderer vornehmer Römer, Catilina nicht ausgenommen. Für die Bestechung bei dem Wahlkampf um die Stelle des pontifex maximus hatte er so gewaltige Summen aufgenommen, daß er am Morgen des Wahltags seiner Mutter erklärte, wenn er nicht gewählt werde, werde er sein Haus nicht wieder betreten, sondern ins Exil gehn1).

') Att. II 1, 9: Lucceius quid agat scribam ad te, cum Cae- sarem videro, qui uderit biduo. Vorher spielt er mit der Hoffnung, wie Pompejus so auch Caesar unter seine Fittiche nehmen zu können 6); quid si etiam Caesarem, cuius nunc venti vaide sunt secundi, reddo meliorem, num iantum obsum reipublicae? Von seinen Aua- sichten auf das Consulat und seinem Plan, sich mit Luccejus zu ver- binden (vgl. Sueton Caes. 19), redet er schon am 5. Dezember 61 (Att. I 17, 11).

*) Sueton Caes. 18: domum se nisi pontiflcetn non reversurum. Plut. Caes. 7: pvr.ttp, tiict, timitpov fl) äp^ttpiot tiv ut&v yj <p'JY<£8a o!>t'.. Möhnsen schließt das Kapitel „Der Parteienkampf während Pompejus' Abwesenheit* mit den Worten: „In dieses Jahr fallt seine Bewerbung um die Stelle des Oberpontifox ; als er am Morgen der Wahl seine Wohnung verließ, äußerte er. wenn auch dieses ihm fehlschlage, werde er die Schwelle seines Hauses nicht mehr überschreiten." Damit ist nicht nur der Sinn der Äußerung Caesars gründlich verschoben, son- dern zugleich die Chronologie; denn trotz Dio 37, 37 ist es sicher, daß die Wahl vor den Ausbruch der Verschwörung fällt, wie Sueton und Plutarch berichten und Sallust Cat. 49 bestätigt. Die geschichtliche Wahrheit ist eben hier, wie nicht selten bei Mommskn, dem zugleich stilistischen und politischen Effekt zum Opfer gefallen, genau wie in der

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i'as Principat des Pom pejus

Nach Beiner Praetor war ihm für das Jahr 61 das jenseitige Spanien, in dem er 68 schon Quaestor gewesen war, als Provinz zugefallen; aber seine Gläubiger wollten ihn nicht aus Rom fortlassen. Da ist Crassus, der sein Talent schätzen gelernt hatte, für ihn ein- getreten und hat sich wenigstens für die drückendsten Schiüden im Betrage von 830 Talenten (4 980 000 Denaren) verbürgt1). Darauf verließ Caesar sofort die Stadt, ohne die durch die inneren Händel verzögerte finanzielle Ausstattung seines Amts (oben S. 49) und die Übertragung des imperium durch die lex curia ta abzu- warten, wie es heißt, um einer Anklage zu entgehn, die ihm wegen seines Verhaltens zu Anfang der Praetur drohen mochte9). In seiner Provinz zeigte er ebenso wie später in Gallien sein Talent, Geld zu machen, teils indem er die Bewohner des hermi- nischen Gebirges, der Sierra Estrella, durch die Forderung, in die Ebene umzusiedeln, zum Widerstand reizte und ausplünderte, und weiter einen Kriegszug gegen die Kallaiker unternahm, der ihn bis an die Nordwestspitze der Halbinsel führte für diesen Krieg hob er zu den zwanzig in der Provinz stehenden Cohorten zehn neue aus*) , teils indem er sich freiwillige Unterstützungen von den Untertanen zahlen lieli4]. Diese Kunst, sich die Sym-

fcogenannten rhetorischen Geschichtsschreibung des Altertums und dem, was Schwabtz mit dem irrefahrenden Ausdruck , Roman" bezeichnet hat»

') Plut. Caes. 11 = Crass. 7; Sueton 18 (interventu »ponsorum) und Appian II 8 (iia{4utvos toö^ tvox^oövtac <u$ iSoyato) erwähnen Crassus' Hille nicht. Nach Appian II 8, 26 gab er den Gesamtbetrag seiner Schulden auf 25 Millionen an, offenbar Seitertien, das wären 6 '/« Mi 11. Denare. Nach Plutarch Caes. 5 schuldete er, ehe er die Ämterlaufbahn begann, bereits 1800 Talente (7800 000 Denare).

■) Sueton Caes. 18: neque tnore neque iure antequam provinciae ornarentur profectus est, incerium metune iudicü, qnod privat o parabatur, an quo maturius sortis implorantibus subveniret. Das letztere ist durchaus unbegründet und offenbar apologetische Erfindung; denn die standigen Räuberunrohen in der Provinz kommen nicht in Betracht (Dio 87, 52): lovrfitls öv ti X-gotpixA, &rrp «oo otl Kap' a&toic ■ijv, Sno iktfiikoo «vis tcovoo xaö-fjpac -fpoxtav ?x«tv "»jätkirjo«.

») Dio 87, 52 f. Plut. Caes. 12.

*) Sueton CaeB. 54: in Hispania . . . et a sociis pecunias acccpit emendicatas in auxiltnm aeris alietü, et Lusitanorum quaedam

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Caesar in Spanien

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pathien zu gewinnen und dort, wo es nötig war, durch einen sanften Druck nachzuhelfen, verstand Caesar zu allen Zeiten vortrefflich; und in der Tat, wenn er sioh auch zweifellos für die Einrichtungen und Privilegien, die er gewahrte, zahlen ließ, so waren seine Maßregeln doch von einem weiten, staatsmännischen Blick getragen und kamen den Untertanen wirklich zugute; und wer sich ihm anschloß, wußte, daß er sich auf ihn verlassen konnte. So hat er der Provinz beim Senat einen Erlaß der von Metellus Pius im Kriege gegen Sertorius auferlegten Steuer er- wirkt1), in Gades die inneren Streitigkeiten beigelegt und die Verfassung neu geordnet*), und für die Provinz eine Regulierung der Schulden verfügt, ähnlich wie er sie in Rom in der Zeit Gatilinas erstrebt und im Bürgerkrieg durchgeführt hat: der Schuldner sollte bis zur Tilgung der Schuld jährlich zwei Drittel seines Einkommens dem Gläubiger zahlen, den Rest für sich behalten*).

Sobald sein Jahr um war, kehrte er, ohne den Nachfolger abzuwarten4), mit wohlgefüllter Tasche und dem Anspruch auf den Triumph nach Rom zurück*) ; auch dem Staatsschatz hatte er große Summen zusenden können*). Er wandte sich an den Senat mit der Bitte um Dispens von der Verpflichtung, sich per-

oftpida, quatnquam nec imperata deirectarent et advenienti portas patcfacerent, diripuit hostiliter. Das letztere ist eine Entstellung des bei Dio gegebenen Berichts über den Feldzug gegen die Ortschaften im herminiscben Gebirge, die er besetzt, als die Einwohner ihre Familien und Habe Ober den Duro geflüchtet hatten; die Notiz geht, wie so manche bei Sueton, auf eine Caesar feindliche Quelle zurück. >) Bell. Hispan. 42. 2.

*) Cic. pro Balbo 48. Vgl. Plut. Caes. 12: ojiövoiav tat«; «oJlrat xa-

») Plut. Caes. 12. Vgl. Vellejus II 43: praetura quaesturaque mira- bili viriute atque industria obita in Hispania, quo notiora sunt, minus egent stilo.

«) Sueton Caes. 18. Dio 37, 54, I.

») Plut, Caes. 12: iirrjUdrpr] tnapxi*C «'-»w« « JtXoöcto« ftfovü}<; Utk *oö< Sfpar.u*ac ü»<piXrtx«M« ä*& t.üv otpa«tü>v xai stpos-rffoptupivoc aÖTOXpätutp 6 s1 aütü>v.

«) ApP. II 8, 27.

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Da« Priocipat des Pompejoa

sönlich zur Bewerbung um das Consulat melden au müssen, um seinen Triumph, der ihm das vorherige Betreten der Stadt un- möglich machte, feiern zu können. Als aber Cato das Gesuch dadurch zu Fall brachte, daß er am letzten Tage, der für die Meldung zulässig war, durch eine Dauerrede bis zum Abend die Abstimmung des Senats vereitelte, ließ er den Triumph fahren und trat noch rechtzeitig als Kandidat auf1). Er verband sich mit Luocejus, dem Anhänger des Pompejus, zu gegenseitiger Unterstützung; die Optima ten unter Ca tos Führung, die sahen, daß seine Wahl unvermeidlich war, betrieben daher mit aller Anstrengung, unter Aufbringung gewaltiger Geldsummen, die Wahl des Bibulus, und so wurde dieser zusammen mit Caesar gewählt3). Da man seit langem wußte, daß Caesars Consulat unabwendbar war, hatte der Senat, der nach einem Gesetz des C. Gracchus die Consularprovinzen schon vor der Wahl bestimmen mußte, den Consuln des Jahres 59 als proconsularische Provinz, d. h. als Amtstätigkeit für das nächste Jahr, die Verwaltung der Walddistrikte und Saumpfade Italiens zugewiesen3).

Zur Durchführung seiner weiteren Pläne wandte sich Caesar an Pompejus und bot ihm seine Unterstützung an. Pompejus nahm das Anerbieten an. Ihm blieb in der Tat, nachdem die Nobilität ihn zurückgewiesen hatte, kaum eine andere Wahl, als sich aufs neue der Popularpartei zuzuwenden, so antipathisch dieselbe seinen Empfindungen war; während Cicero geglaubt

') Plut. Caes. 18 = Cato 31. App. II 3, 80. Dio 37, 54. Saefcon 18. *) Saeton Caes. 19. Für das Abkommen mit Luccejus vgl. Cic. Att. 1 17, 11. II 1, 9.

*) Sueton Caes. 19: eandem ob causam opera ab opHmatibus data est, ul provinciae futuris consulibus tninimi negotii, id est silvue caUesque, decernerentur. 8ehr mit Unrecht wird dieser Sats fast allgemein so gedeutet, als handle es sich um Statthalterschaften (Provinzen in unserem Sinne), in denen es keine anderen Geschäfte gab: welche sollten denn das sein, und wie konnte man voraussehn, daß es da nichts anderes zu tun gab? Die provincia Calles (in Unteritalien, speziell in der Nahe von Brundisium) wird auch von Taoitns Ann. IV 27 im Jahre 24 n. Chr. erwähnt, wo sie von einem Quaestor verwaltet wird, cui provincia vetere ex more Calles evenerat [ganz widersinnig hat man Calles in Cales korrigiert).

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Koalition zwischen Pompejus. Crassus und Caesar

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hatte, ihn durch seine homöopathische Kur von derselben ab- gezogen zu haben (oben S. 54), hatte er in Wirklichkeit genau das Gegenteil bewirkt. Der Gedanke, daß ihm von dieser Seite einmal Gefahr drohen und er in Caesar einen übermächtigen Konkurrenten großziehn könne, lag ihm ganz fern1). Caesar war zwar nur wenige Jahre jünger als er«), aber in seinen Augen war er doch nur ein Anfänger, der unter des „großen" Mannes Fittichen vorwärts kommen wollte. Daß er geschickter war und ganz andere Dienste leisten konnte, als Metellus Nepos und Gabinius oder gar Pupius Piso und Afranius, hatte er erfahren; so gewährte er ihm als Entgelt gern die Vorteile, die Caesar für sich erstrebte.

Die Folge der Verbindung zwischen Caesar und Pompejus war, daß auch Caesars Protektor Crassus dem Bunde beitrat und die beiden Rivalen sich wieder einmal versöhnten.

Natürlich suchten die drei Männer ihre Verschwörung zu ge-

') Vgl. Ciceros bekannte Äußerung an Tiro (12. Januar 49) XVI 11, 8: Pompeius, gut Caesarem sero coepit timere. Ebenso Phil. II 24.

*) Bekanntlich hat Mommsen RG. III 16 behauptet, daß die Angabe, Caesar sei zur Zeit des Sieges Sullas (82) 18 Jahre alt gewesen (Vel- lejus II 41, 2) und in seinem 56. Jahre ermordet (Sueton 88. Plut. Caes. 69. Appian II 149. Kutrop VI 24), nicht richtig sein könne, weil er, wenn im Jahre 100 geboren, alle Ämter 2 Jahre zu früh bekleidet habe; er müsse 102 geboren sein. Seine Ansicht ist allgemein abgelehnt worden; aber seine Gründe sind so stark, daß man sich ihnen kaum entziehn kann. Denn wenn Caesar von dem Annalgesetz dispensiert worden wäre, so wäre es unbegreiflich, daß das in der reichen Literatur Ober diese Zeit niemals erwähnt wird; und vollends unverständlich, ja im Grunde ganz undenkbar ist, daß dem jungen Manne, der überdies in schroffer Opposition gegen die Nobilität stand, vom Senat schon bei der Bewer- bung um die Aedilitftt, also im Jahre 66, ein derartiges Privileg, wie es nur der große Pompejus erhalten hatte, bewilligt worden wäre, und daß bei seiner Bewerbung um das Consulat alsdann nicht wenigstens der Versuch gemacht worden wäre, es anzufechten und so seine Wahl unmöglich zu machen. Wo über Pompejus' Geburtsjahr, wie Vellejus II 58 bezeugt und zahlreiche Angaben bestätigen (s. Drcmawn IV* 882), falsche Daten weit verbreitet waren, ist das gleiche auch bei Caemr nicht ausgeschlossen.

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Das Principat des Pompejus

meinsamer Beherrschung der Republik möglichfit lange geheim zu halten; das genaue Datum des Abschlusses vermochten daher weder die Alten zu geben, noch können wir es ermitteln. Sicher ist, daß Caesar bei seiner Bewerbung um das Consulat die Unterstützung nicht nur des Crassus, sondern auch des Pom- pejus und seines Anhangs gefunden hat; die Versöhnung der beiden und die Ausgestaltung des Verhältnisses zu einem be- schworenen Bunde, mit der Verpflichtung, daß keine Maßregel zugelassen werden solle, die einer der drei Genossen nicht wünsche1), mag dann erst in die folgenden Monate fallen2). Im übrigen benutzte Caesar die Zwischenzeit von seiner Wahl bis zum Amtsantritt zur Vorbereitung der von ihm geplanten Ge- setze; sein Ackergesetz war bereits im Dezember 60 bekannt s). Als Mittelsmann benutzte er vor allem den Cornelius Baibus, einen angesehenen Gaditaner, der in Pompejus' Feldzügen das Bürgerrecht erworben hatte, dann unter Caesar bei seinem spanischen Feldzug als praefectus fabrum das Geniekorps ge- leitet und die Intendanturgeschäfte besorgt hatte, und jetzt in Rom mit großem Geschick die Stellung eines Agenton und Ban- kiers Caesars übernahm. Im Dezember 60 suchte Caesar durch ihn auch Cicero auf seine Seite zu ziehn: denn Caesar hat nicht nur die literarische Bedeutung Ciceros unverhohlen anerkannt,

') Sueton Caes. 19: aoeietatem cum uiroqiie iniit, ne quid age- retur in re publica, quod displieuisset Ulli e iribu*. Vgl. Dio 37, 57.

*) Das ist die Darstellung Dios 87, 54 f.. xu der Livius p. 103, Ap- pian II 9 und Plut. Caes. 13 f. - Pomp. 47. Grass. 14. Cato 31 stimmen; Sueton 19 setzt die Verbindung mit Pompejus (und weiter dessen Ver- söhnung mit Crassus) erst nach der Wahl, und motiviert Caesars Ent- schluß dazu mit der gehässigen Bestimmung der Consularprovinzen durch den Senat, eine viel au enge Auffassung der Vorgänge. Die Bemer- kung von Schwartz im Artikel Dio Cassius bei Pauly-Wissowa III 1700 über die Vorgange im Jahre 60 ist nicht zutreffend. Mit der Ver- bindung der drei Männer Meteüo consule begann Asinius Pollio be- kanntlich seine Geschichte des Bürgerkrieg» (Horaz carm. II 1) es ist daher ganzlich unbegründet, wenn man seine Spureu in der Geschichte der vorhergehenden Zeit sucht, z. B. bei Appian. oder Uberhaupt Ap- pian direkt auf ihn zurückführt.

") Cic. Att. II 8, 8.

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Caesar und Cicero 61

sondern würdigte auch vollauf den Wert, den ea für ihn haben mußte, wenn es gelänge, den gewandten Redner und Pamphle- tisten »ich dienstbar zu macheu man darf, um Cicero« da- malige Stellung richtig zu beurteilen, nicht vergessen, daß er bis zum Jahre 55, abgesehn von seinen für eine größere lite- rarische Wirkung nicht in Betracht kommenden rhetorischen und poetischen Jugendarbeiten und den eben jetzt publizierten poetischen und prosaischen Schilderungen seines Consulats, schrift- stellerisch lediglich als Redner, d. h. als Verfasser politischer Bro- schüren, aufgetreten war. Damit würde er zugleich die Oppo- sition im Senat wesentlich geschwächt und die indifferente Masse der Senatoren sich fügsam gemacht haben; er hat daher immer von neuem sehr ernstlich versucht, Cicero für sich zu gewinnen. Jetzt eröffnete Baibus dem Consular, Caesar habe die Absicht, sich in allem von Cicero undPompejus leiten zu lassen, und hoffe, auch Cras8us mit Pompejus versöhnen zu können1). Man sieht, wie der Bund der drei noch sorgfältig geheimgehalten wird8); Cicero konnte sich einbilden, noch immer mit Pompejus ganz intim zu stehn und ihn zu leiten, ja auch auf Caesar Einfluß ge- winnen zu können*). Die Versuchung, die an ihn herantrat,

') Cic. ad Att. II 3, 3: venio nunc ad menseni lanuarium et ad üitöataatv nostram ÜC i:oXtt»tav, in qua ItMxpor.xü»; r.; ixdmpov, tsed tarnen ad exiremum, ut Uli solebant, rr(v api=xo'>oav. est res sane. magni consilii. nam aut fortiter resistendum est legi agrariae, in quo est quaedam dimicaiio, sed pleno laudis, aut quiescendum, quod est non dissimile atque ire in Solonium aut Antium, aut etiam adiuvandum, quod a me aiunt Caesarein sie expectare ut non dubüet. Nam fuit apud me Cornelius, hunc dico Balkum, (aesaris familiärem: vi adfirmabat, ittum omnibus in rebus meo et Pompei eonsüio usurum üaturumque oporam, ut cum Pompeio Crassum coniungeret.

*) Das hat manche Neuere zn dem naiven Schluß verführt, der Band habe damals noch nicht bestanden. Vgl. dagegen Dir» 37, 58 iitoioov jiiv fap osa UWoxto oipwiv, ixp^fiattCovro 8i xal upoißiUovto ivavtuotata , öjcu>c fei l%\ jxaxpitatov duxXrffruir. , uiy.p'-S &v Ixavw; itapa- oxtoaoamat.

*) Kr fuhrt Att. II 3 fort : hic sunt haec: caniunetio müii summa cum Pompeio, si placet, etiam cum Caesare; reditus in gratiam cum inimicis, pax cum mttltitudine, senectutis olium.

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Das Principat de« Pompejus

war stark; aber erlegen ist er ihr nicht, seine ganze Vergangen- heit, die Worte, die er selbst soeben erst der Ealliope in dem Epos über sein Consulat als Mahnrede an sich in den Mund ge- legt hatte und die er in dem Brief zitiert, in dem er dem Atticus von diesen Vorgängen berichtet, wiesen ihm seine Haltung1); er hätte sein besseres Selbst verleugnet, wenn er anders gehandelt hätte.

Caesars Consulat

Die Ackergesetze Caesars verbanden die Grundgedanken de8 servilischen Antrags von 63, abgesehn von seiner gegen Pom- pejus gerichteten politischen Tendenz, mit den Forderungen, die Pompejus im vorigen Jahre vergeblich durch Flavius zu er- reichen gesucht hatte. Die erste gleich nach Antritt des Consulat* eingebrachte lex Julia agraria bestimmte alles Staatsland mit Ausnahme der campanischen Domäne zur Verteilung; außer- dem sollte teils durch freiwillige Abtretung, teils durch Aufkauf gegen Zahlung des bei der Censur festgelegten Wertes weiteres Land erworben, die Mittel dafür aus der von Pompejus heim- gebrachten Beute und den Tributen und Zöllen entnommen werden8). Leider ist es ganz unmöglich, von Lage und Umfang der in Aussicht genommenen Gebiete irgend eine Anschauung zu gewinnen*); nicht einmal das wissen wir, ob neben italischem

') sed me xataxXtl? mea Ula conmovet, qtuie est in libro III: interea cursus, quos prima a parte iuventae quosqite adeo consul virtute animoque petisti, hos retine atque auge famam laudesque bonorum, haec mihi cum in eo libro, in quo multa sunt scripta ipurroxpatwuc, Caüiope ipsa praescripserit, non opinor esse dubitandum, quin Sem- per nobis videatur t?g ota»v<5<; £ptctoc. fitfiovaafrai ittpl *ätpf)c. Leider laßt uns Cicero« Korrespondenz für die nächsten drei Monate vollkommen im Stich.

*) Dio 38, 1. Vgl. Cic. de domo 28 pecunia ad emendos agros constituta auf Grund der acta Caesaris.

*) Volaterrae (and Arretium) sind, wie durch Ciceros Antrag (oben S. 53) im Jahre 60, so auch jetzt nicht eingezogen worden: Cic. fam. XIII 4, 2 (45 v. Chr.): hanc actionem tneam C. Caesar primo suo con- sulatu lege agraria conprobavit agrumque Volaterranum et oppidum omni periculo in perpetuum liberaiHt.

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Caesars Ackfrget-etze

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auch überseeischer Grundbesitz in Aussicht genommen war. Den ager Campanus nebst dem campus Stellas hatte Caesar ausdrücklich ausgenommen, als eine Hauptquelle der Ein- nahmen des Staats, um so die Annahme des Gesetzes zu er- leichtern. Dann aber brachte er Ende April ganz überraschend bis dahin hatte man nur gehört, „er werde etwas vorbringen, was niemand mißbilligen könne" ein zweites Gesetz ein, das auch dies Gebiet zur Verteilung bestimmte. Cicero, der die Nachricht spät abends am 29. April durch einen Brief des Atticus erhielt, war dadurch so betroffen, daß er nicht schlafen konnte; aber er tröstete sich, hier würden, wenn jeder Kolonist 10 Morgen erhalten solle, nur 6000 Menschen angesiedelt werden können dat* war die Zahl, die Rullus dafür in Aussicht genommen hatte (oben S. 14) , die ganze übrige Masse werde daher Caesar entfremdet werden; die Entrüstung der Optimaten aber werde durch den Schaden, den die Staatseinkünfte dadurch erlitten, nur noch mehr gesteigert werden1). Cicero hat aber das in Betracht kom- mende Gebiet viel zu gering eingeschätzt: Caesar hat 20 000 An- siedler in Aussicht genommen, und für diese war, wenn jeder

') Cic. Att. II 16. Die Behandlang der Ackergesetze Caesars bei Drumakn ist anch in der nenen Bearbeitung Groebes (III 182 f. 189 f.) in überraschender Weise unzulänglich und verschwommen und auch sonst in der Literatur meist nicht erschöpfend. Das Richtige hat meistens schon A. W. Zümpt in seinen Comtnentationes epigraphicae I 1850 p. 277 ff. gegeben. Über viele Einzelfragen versagt freilich unser sehr dürftiges Material; die Lage wird dadurch noch erschwert, daß bei den Erwähnungen in den Feldmessern und den Pandekten garnicht zu unterscheiden ist , welche Bestimmungen auf die Gesetze Caesars vom Jahre 59, welche auf die von 46/5 zurückgehn, überdies auch noch Ver- fügungen des Augustus aus der Triumviralzeit als leg es Juliae in Be- tracht kommen (z. B. im Uber coloniarum, Röm. Feldmesser p. 218, 4. 6). Daß das Gesetz über den ager Campanus und campus Stellas von der ersten lex agraria verschieden und erst spater eingebracht ist, ist einstimmige Überlieferung (Sueton Caes. 20. Dio 88, 1. 7. Plut. Cato 81. 83, ebenso Livius per. 108 leges agrariae; daß Vellejus II 44 nur das campanische Gesetz erwähnt, ist natürlich kein Gegenbeweis) und wird durch Cic. Att. II 16 bestätigt; die Neueren außer Lange haben das nicht genügend beachtet, Mouksen , Ihne u. a. ignorieren es ganz.

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Das Principat des Pompejus

10 Morgen erhielt (inagesamt 200 000 Morgen = 504 qkm), reich- lich Platz vorhanden1). Zur Ansied lung zugelassen werden sollten hier nur Bürger, die drei Rinder hatten; daher fiel die sonst bei Landanweisungen übliche Losung weg2), sondern die Auswahl lag in den Händen der Kommissare. Natürlich befanden sich unter den Ansiedlern auch hier zahlreiche Veteranen3); aber im Vordergrund stand, wie bei den Gracchen, die Neukräftigun^ Italiens durch Wiederherstellung einer lebenskräftigen Bauern- schaft und Entfernung des mittellosen und turbulenten Prole- tariats aus der Hauptstadt4). Daher war auch verfugt, daß das zugewiesene Land 20 Jahre lang unveräußerlich bleiben solle6). Durch dies Gesetz wurde Capua, seit dem Jahre 211 nur eine formlose Ansiedlung ohne Kommunalrechte, als Stadtgemeinde wiederhergestellt 8). Was ans den bisherigen Bebauern dieses Ge-

') Vgl. Beloc», Carapanien S. 18 f. 308 f. Bevölkerung S. 419.

") Sueton Caea. 20 : Campnm Stellatem agrumque Gampanum . . . divisit extra sortem ad viginti müibun civium, quibus terni plu- resve liberi essent. Letztere Bestimmung auch Dio 33. 7, 3. Appian II 10. 35, hier mit charakteristischer Entstellung, es habe damals nur 20000 gegeben, die drei Kinder hatten.

*) Daher stellt Cicero Phil. 11 101 die Ansiedlung in Campanien einseitig nur als Veteranenansiedlung dar: agrum Campanum, qui cum de vectigaübus eximebatur, ut müitibus daretur, tarnen inftigi magnum reipublicae volnus putabamus. Dabei hat er aber in erster Linie die Anöiedlungen aus der Zeit der Dictatur im Auge. Vgl. indessen An tu. 4 und 6.

*) Dio 87, 1 (vom ersten Ackerges.): to tt fty itXf,*o? tu>v *oX:tü>v oittpofxov ov, a«p' ooictp xai piXtota iotowtaCov, xpö<; ti fp-r a xal «pö<; ftaipf ta$ itp«iic«o. xai icktiaca tyjc Mt*).ia$ •rjpirjfUDU.tva aofrtc ?oyt|>xt£rto, wsxr pivj jtovov to6? sv tx^ (Jtpitriai^ wxX*t«u>pti|iivo'ji; , a).A.ä xal to*>5 dXXooc &*avta< 3iapx-rj tv(v cpofvjv ?X«v.

*) Appian HI 2, 5.

«) Vellejus II 44. Caes. civ. I 14. Liber coloniarum, Röm. Feld- messer p. 281: Capua muro dueta, Colonia IuUa Felix [diesen Namen hat Capua erst durch August us erhalten], iussu imperatoris Caesaris a viginti viris est dedueta . . . ager eins lege Suitana fuerat ad- signatus [vielmehr von der Demokratie unter M. Brutus, von Sulla auf- gehoben Cic. leg. agr. II 92 ff., vgl. 8.]; postea Caesar in iugeribus militipro merito dicidi iussit.

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Caesars Ackergesefze. Die Landkommisaion

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bieta wurde, wissen wir nicht1); vermutlich werden sie meist wie bisher im Dienst der Staatspächter, so jetst in dem der neuen Eigentümer als Landarbeiter die Felder bestellt haben.

Die Ausführung beider Gesetz* wurde einer Kommission von zwanzig Männern übertragen, zu denen die tüchtigsten und an- gesehensten Männer ausgesucht wurden, darunter Pompejus und Varro1). Neben ihnen bestand eine Kommission von fünf Männern, zu denen M. MessaUa, Gonsul des Jahres 61, gehörte, und unter denen auch Cicero eine Stelle angeboten wurde*). Ueber ihre

*) Vgl. Cicero« Bemerkung darüber bei Rullus' Ackergesetz, de lege agr. II 84.

*) Dio 38, 1, 6, wo ganz unklar ist, was in der Angabe steckt, sie seien nicht Ig üiwofroviuy, toaw xtva 8oox«pävai, genommen; ferner Vellejus II 44. Schol. Bob. p. 263 zo Cic. pro Plane. 52, wo die Zahl ausgefallen ist. Cic. ad Att. II 6, 2. Zu ihnen gehört Pompejus II 12, 1, wo er als collega Balbi, das ist des Schwagers Caesars M. Atius Baibus, bezeichnet wird, der zu den XXviri gehörte (Sueton Aug. 4); ferner Varro neben dem tüchtigen Landwirt Cn. Tremullius Sorofa: Varro de re rust. 12, 10; dagegen nicht Clodius: Cic. Att. II 7, 3.

•) Cic. Att. II 7, 4: sed itiud quid nit scire cupio, quod iacis ob- scure, iam etiatn ex ipsis quinque viris loqui quosdam (nämlich bos- hafte Bemerkungen über Caesar und Pompejus). Der Brief ist etwa Mitte April geschrieben, vor dem Bekanntwerden des cam panischen Ackergesetzes, so daß die quinque viri ebenso wie die viginti viri schon dem ersten Ackergesetz angehören. Cic. de prov. cons. 41: ine üle (Caesar) ut Vvirahtm aeeiperem rogavit. Wie es scheint, ist dies Angebot identisch mit dem einer Stelle unter den Zwanzig nach dem Tode des Cosconius (Praetor 63 und Vorganger Caesars als Statt- halter von Hispania uUerior im Jahre 62 Cic. pro Sest. 12) im Juli (Att. II 19, 4 Co8Conio mortuo mm in eius locum invitatus: id erat vocari in locum mortui, nihil me turpius apud homines fuisset neque vero ad istam ipsam dbpdXttav quidquam alienius. sunt enim ÜU apud bonos invidiosi; ego apud improbos meam retinuissem in- vidiam, alienam adsumpsiseem). Auf die Ablehnung führt er Att. IX 2a, 1 seine Verfolgung durch Caesar zurück: iia me sibi fuisse ini- micum, ut ne honorem quidem a se aeeipere vellem, ebenso Vel- lejus II 45, 2. Wahrscheinlich sind die Fünf, wie man nach Mommskns Vor- gang allgemein annimmt, ein gesohiiftHleitender Ausschuß der Zwanzig gewesen. Zu ihnen gehörte nach der Inschrift CIL VI 3826, Dessau 46 M. Valerius Messalla. cos. 61, unter dessen Titeln Vvir a. d. a. i. (agrli Meyer, Caesar* Monarchie. 5

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CG

Das Principat des Pompejas

Stellung und Aufgabe versagt unsere Überlieferung; wahrschein- lich waren sie der leitende Ausschuß der Kommission und jeden- falls aus den hervorragendsten Männern genommen; auch Pom- pejus, den wir nach Annahme des Gesetzes in Campanien tätig finden1), muß zu ihnen gehört haben2). Caesar selbst dagegen

(iandis adsiynandis iudicandis) erscheint. Dadurch wird Mommsens Annahme (Röm. Feldmesser II 223 ff. = Ges. Sehr. V 200; CIL I p. 120 = Ges. Sehr. I 207) widerlegt, die Fünf seien die Urheber der lex Mamüia Roscia Peducea Attiena Fabia, aas der in den Feldmessern p. 263 ff. größere Stücke erhalten sind. Dies Gesetz, das die technischen Details der Landvermessung regelt, gehört allerdings in die Zeit Cae- sars, da sein cap. 54 in die lex coloniae GeneHvae c. 104 aufgenommen ist und cap. 55 von Callistratus in den Digesten 47, 21, 8 als lex agra- ria, quam Qaius Caesar tulü zitiert wird; und es ist wohl identisch mit der schon von Cicero de leg. 1 55 und oft bei den Feldmessern zitierten lex Mamüia. Aber die Fünfmänner, zu denen Messalla gehörte und unter die Cicero eintreten sollte zu denen also auch Cosconius gehört haben muß , sind eben von Mamilius und seinen Genossen verschieden ; diese waren offenbar Techniker, welchen die Ausarbeitung der Details von Caesar überwiesen war; jene dagegen, zu denen gewiß auch Pom- pejus gehört hat, waren die angesehensten Staatsmänner, die sich Caesar angeschlossen hatten, und in deren Händen die Oberleitung der Aus- führung des ganzen Unternehmens gelegen haben muß. ») Cic. Att. II 19, 8 (Juli).

■) Wahrscheinlich beziehn sich auf ihre Tätigkeit die Angaben des Uber coloniarum Röm. Feldmesser p. 286 Praeneste, oppidum [in Wirk- lichkeit sullanische Kolonie], ager ekis a quinque viris pro parte in iugeribus est adsignatus (vgl. Mommser, Die ital. Bürgerkolonien, Hermes 18, 167 = Ges. Sehr. V 209. Staatsrecht II" 628) und p. 289 Venafrum, op- pidum; quinque viri deduxerunt sine colonis [unter Augustus Kolonie; vgl. Mommsen, Ges. Sehr. III 77 f.]. Ferner sind, falls sie zuverlässig sind, wohl auf Caesars erstes Ackergesetz zu beziehn die Angaben über Bovianum (d. i. Bov. vetus) p. 281 : oppidum. kge Iulia milites deduxerunt sine colonis [nach Plin. III 107 nnd den Magistratstiteln Bpäter Kolonie]; Aesernia p. 238: colonia dedueta lege Iulia [in der Kaiserzeit ist es munieipium ; die Angabe könnte aus einer Fassung wie der bei Venafrum und Bovianum entstellt sein]. Für die Richtigkeit der Angaben und ihre Ansetzung in dieselbe Zeit, also unter Caesar, spricht, daß Venafrum, Aesernia, Bovianum vetus sich geographisch unmittelbar aneinander anschließen. Vielleicht gehört auch die Angabe über Veji p. 220 hierher: ager eius müitibus est adsignatus ex lege Iulia; postea de-

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Caesars Ackergesetze 67

lehnte im Gegensatz zu den Gracchen und Rullus jede Beteili- gung ab: für sich selbst werde er nichts beantragen, ihm genüge es, das Werk erfunden und eingeführt zu haben1). Jedenfalls erforderten die beiden Gesetze eine ganz umfassende admini- strative Tätigkeit, die tief in die Besitzverhältnisse eingriff. In den Ausfuhrungsbestimmungen waren alle Details sorgfältig aus- gearbeitet, wahrscheinlich durch eine besondere Kommission von fünf Technikern2); sie legten zugleich, wie seinerzeit z. B. das thorische Ackergesetz vom Jahre 111*), die rechtlichen Grund- lagen des gesamten Grundbesitzes fest. Daher konnte Caesar in das zweite Gesetz die Bestimmung aufnehmen, daß fortan alle Bewerber um ein Amt verpflichtet sein sollten, auf sich selbst einen Fluch herabzurufen, wenn sie je davon reden würden, daß der Grundbesitz auf einer andern Grundlage ruhen könne, als auf den Satzungen der julischen Gesetze4).

fieientibu8 his ad urbanam civüatem associandos censuerat divus Augustus (vgl CIL XI 8805 Dessau 6579 centumviri munieipii Augusti Veientis, aas dem Jahre 26 v. Chr.); indessen wurde die Feldmark von Veji anch im Jahre 46 besiedelt (Cic. fam. IX 17, s. u. S. 412).

') Dio 38, 1, 7.

*) S. S. 66 Anm.

*) Daß Momxskhs Behauptung falsch ist, die erhaltene lex agraria von 111 sei nicht die lex Thoria, und auf einer ganz unmöglichen Übersetzung von Cic. Brut. 186 beruht, ist jetzt wohl allgemein aner- kannt. Die weitere Angabe Cicero» über das Gesetz de orat. II 284 stimmt zu dem Gesetz ZI. 14 f. und 26. Ich kann daher die Ansetzung der lex Thoria ins Jahr 114 durch Korkbjcann (zur Geschichte der Gracchenzeit, Klio, erstes Beiheft, 8. 52) und Cichorius, Unters, zu Lncilius 8. 61 nicht fOr richtig halten. Appians Angaben sind so konfus, daß mit seinen Daten nichts zu machen ist. Wenn, woran nicht gezweifelt werden kann, 8p. Borius bei Appian I 27 in Thorius zu korrigieren ist, so hat er eine Flüchtigkeit begangen und ihm falschlich das zweite statt des dritten der dort aufgeführten Gesetze zugeschrieben, und das ist bei Appian nicht weiter verwunderlich.

*) Cic. Att. II 18, 2 habet etiam Campana lex exjtecrationem in contione candidatorum, si mentionem fecerint, quo aliter ager possi- deatur aique ex legibus Iuliis. Mit der Verpflichtung des Senats, das erste Gesetz zu beschwüren, mit der z. B. Dromann die Angabe zusammen- wirft, hat diese Klausel nicht« zu tun.

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68 DM Principat des Porapejus

Caesar hat sein erstes Ackergesetz zunächst dem Senat vor- gelegt und sich bereit erklärt, jedes begründete Amendement zu berücksichtigen1). Zugleich übte er durch die Anordnung, daß über die Verhandlungen im Senat und in den Volksversamm- lungen ein Journal geführt und veröffentlicht werden solle*), einen starken Druck auf den Senat aus; waren die Verhältnisse nicht so heUlos zersetzt gewesen, so hätte das eine ähnliche Wirkung ausüben können, wie die Veröffentlichung der englischen Parlamenteberichte durch die Presse an Stelle der früheren pein- lichen Geheimhaltung, und den Senat, indem es ihn der Eontrolle der Öffentlichkeit unterstellte, zugleich zum Repräsentanten und Ausdruck der öffentlichen Meinung machen können8).

Der Senat befand sich in einer peinlichen Lage. Caesars Ge- setz war so sorgfältig ausgearbeitet und nahm auf die wider- streitenden materiellen Interessen so viele Rücksicht, daß sich sachlich kaum etwas dagegen einwenden ließ. Aber eben so be- greiflich ist es, daß der Senat sich nicht dazu entschließen konute, sich zum Werkzeug Caesars herzugeben und seine Machtstellung zu begründen. Die Majorität legte sich insofern Zurückhaltung

*) Dio 88, 2 f., die grundlegende Darstellung, in die sich die Übrigen Berichte ohne Schwierigkeit einfügen. Bei Plutarch ist, wie bei dem Zweck seiner Biographien natürlich, die chronologische Folge hier wie sonst gelegentlich verschoben (ebenso bringt Sueton Caes. 20 f. die per- sönlichen Konflikte, abgesehn von dem mit Bibulus, an den das fast wörtlich ebenso bei Dio 87, 8, 2 berichtete Witzwort Iulio et Caesars consulibus anknüpft, erst nach der Aufzahlung der Gesetze); im übrigen tritt neben dem Plutarch allein angehörigen Gut die mit Appian gemeinsame Quelle überall in wörtlichen Übereinstimmungen deutlich hervor. Über die Quelle s. Beilage IV.

*) Sneton. Caes. 20 inito honore primae omnium instituit , ut tarn senatus quam populi diuma acta confierent et publicarentur.

*) Man kann die damaligen Zustande Roms etwa mit denen Eng- lands zur Zeit der Wilkesschen Händel und der Juni usbriefe ver- gleichen, als das Parlament zwar im Besitz der Macht war und diese in seinem Interesse rücksichtslos gebrauchte, aber im übrigen von klein- lichen Fraktionsstreitigkeiten und persönlichen Interessen beherrscht und zerrissen war und alle Fühlung mit der öffentlichen Meinung verloren hatte. Analog sind dann wieder die Zustande vor der Erzwingung der Reformbill von 1882.

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Die Verhandlungen aber Caesars Ackergesetze 69

auf, als sie zum Schein auf die Diskussion einging, aber durch inhaltlose Reden und Vorwände aller Art jede Entscheidung hintertrieb1). Cato dagegen und der Consul Bibulus waren zum Widerstand bis aufs äußerste entschlossen; Cato konnte zwar auch keine triftigen Einwände erheben, machte aber aus seinen Befürchtungen über die Konsequenzen kein Hehl und erklärte, es müsse alles beim alten bleiben2). Über die reine Negation vermochte eben der Senat nicht mehr hinauszukommen. Schließ- lich, als Cato durch eine Dauerrede die Abstimmung unmöglich zu machen versuchte, ließ Caesar ihn verhaften. Wider sein Er- warten fügte sich Cato ohne Widerstand, und zahlreiche Senatoren erhoben sich, um ihm zu folgen. So blieb Caesar nichts übrig, als einen Tribunen zu veranlassen, gegen die Verhaftung Ein- spruch zu erheben3). Dem Senat aber erklärte er, daß, da der Versuch, mit ihm zusammen zu arbeiten, gescheitert sei, er sich weiter nicht um ihn kümmern und das Gesetz jetzt dem Volk vorlegen werde. Wenn er schon früher nicht viel von der Nobilität und dem Senat gehalten hatte, so erfüllten ihn diese Vorgänge vollends mit Haß und Verachtung gegen den Senat, die er fortan bis an sein Ende unverhohlen an den Tag gelegt hat4).

•) Dio 88, 2 ?td xobxo, t\ xal ^iti; o't ovttXrrrv, dXV o(m ti xat oovticijvoov. toic jiiv H) oüv ÄXXoic *£nP**1 toöxo. xat »KYm*Uovto ftiv *«l at*4> *poßooXt«>ortv, inoioov lh oblh, aXXd 3tatpcBai xat avaßoXal tr,v aUuic t-jtYvovto.

*| Dio 38, 2 Kdtuiv . . . tol$ fikv f*TPa!JLIJL^vot? °'j'*v *&t&c liwxdksi, xb 8* BXov yfiloo tq t> xapoöc-jj ctpa^ xataotdctt xpipbw. xat frrjWv ff£a> airfjc itottiv. Plot. Cato 31 «poßtlodat <päoxu>v ot> rqv vofivjv X^P*1?» Sv avxt taörr|( dxattijoooci ptotov o't /aptC&juvot xal &tXsd(ovTte xb xV?poc.

•) So berichten Dio 87, 3, Atejus Capito de officio senatoria bei Gell. IV 10, Vnl. Max. II 10, 7 (nur daß hier Cato falschlich gegen das Gesetz fflr die Steoerpächter redet), Sueton Caes. 20. Bei Plntarch Cato 88 ist die Szene falschlich mit dem Auftreten Catos in der Volksversamm- lung zusammengeworfen, Caes. 14 scheinbar an das Gesetz über Caesars Provinzen angeknüpft.

*) Dios Angabe 38. 4 xax tootoo ob? £XXo tt Ttpooota *v *U *PX$ xwrg ixtxotvwyinetv, äkX' i$ xbv S-Tjpov avttxpoc xdv^ Soa ißoöXtto cat-f epsv ist im -wesentlichen richtig, bei Appian II 10, 86 ist sie dahin entstellt, daß er BooX-nv ohxixi oovffltv hti xb 8Xov.

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Das Principat des Pompejus

In der Volksversammlung legte Caesar dem Bibulus die Frage vor, ob er an dem Gesetz etwas auszusetzen habe, und forderte, als dieser schroff ablehnte, die Menge auf, den renitenten Consul, das einzige Hindernis des nützlichen Werks, durch Bitten zur Nachgiebigkeit zu bewegen1). Als aber Bibulus erklärte, der Antrag werde in diesem Jahre nicht Gesetz werden, auch wenn alle andern dafür seien, ließ er ihn fahren und rief Pompejus und Crassus auf, sich über das Gesetz zu äußern. Beide erklärten ihre Zustimmung. Pompejus ging die einzelnen Bestimmungen billigend durch und behauptete, auch der Senat sei einverstanden, wie sein Verhalten bei dem früheren, nicht zur Ausführung ge- kommenen Gesetz (vgl. S. 53) beweise; und als Caesar ihn fragte, ob er ihm gegen die Gegner beistehen wolle, erklärte er, wenn man ihn mit dem Schwerte bedrohe, werde er auch den Schild mitbringen2).

Für die entscheidende Versammlung besetzten Caesar und Pompejus schon bei Nacht das Forum mit ihren Anhängern, die Dolche mitbrachten. Aber die Gegner gaben den Wider- stand noch nicht auf. Bibulus hatte für alle Comitialtage im voraus Himmelsbeobachtungen angekündigt, die gemäß dem um 150 v. Chr.*) erlassenen aelischen und pupischen Gesetz eine Ab- stimmung rechtlich unzulässig machten. Als Caesar sich nicht darum kümmerte, erschien er in der Versammlung, gefolgt von Cato, Lucullus4) und ihren Anhängern; überdies hatten drei Tribunen, Cn. Domitius Calvinus, Q. Ancharius, C. Fannius, ihre Intercession zugesagt8). Aber als Bibulus sich den Zutritt

') Dio 88, 4; bei Appian II 10 ist der Vorgang in entstellter Form in den Senat verlegt: Caesar fordert, ehe er sein Gesetz einbringt, den Bibulus au eintrachtigem Handeln auf und wiegt ihn dadurch in Sicherheit.

*) Dio 88, 5. Plut. Pomp. 47 = Caes. 14.

») Cic. in Pia. 10, vgl. in Vat. 28.

*) Lucullus wird von Plut. Pomp. 48 = Luc. 42 als mitwirkend ge- nannt; ebenso Sueton Caes. 20 Lucio Lucutto liberius resuitenti tan- tum calumniarum metum inieeil, ut ad genua ultro sibi accideret.

*) Cic. pro Sest. 118 f. mit schol. Bob. (die beiden für Caesar ein- tretenden Tribunen sind C. Alüus Flavus, vgl. Vat. 80, den Cicero mild

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Durchbringung des ersten Ackergeeetzes

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auf die Rednerbühne vor dem Castortempel erzwang und spreche» wollte, wurde er heruntergerissen und mit Kot beworfen, die Ruten seiner Lictoren zerbrochen, er selbst und zwei Tribunen verwundet1). Den Bibulus, der bis zum Tode ausharren wollte, flüchteten seine Freunde in den Tempel des Juppiter Stator, Oato, der immer von neuem zu reden versuchte, wurde gewalt- sam fortgeschleppt *).

So wurde das Gesetz von den Tribus angenommen (April 59). Am nächsten Tage brachte Bibulus die Vorgänge im Senat zur Sprache; er erwartete, daß auf seine Relation3) der Antrag ge- stellt werden würde, gegen den revolutionären Consul und seinen Anhang mit dem senatusconsultum ultimum vorzugehen. Aber dazu hatte niemand den Mut; man empfand nur zu deutlich die volle Hoffnungslosigkeit eines derartigen Versuchs4). So blieb nichts übrig, als sich schweigend zu fügen. Fortan stellte Bibulus seine Amtstätigkeit ein und verschloß sich bis zum Ende des

bebandelt, weil er spater mit ihm gnt steht, pro Plane. 204, und Va- tinius), in Vat. 16. Dio 88, 6 BtßooXo? . . . tpet« ir^apx00^ oovatfujvioT&c stpoctttfisvo«; ixutXoe vofto&inqtiot.

') Dio 88, 6. Plut. Pomp. 48 = Cato 32. Appian II 11.

*) Appian II 11, 40; Plut. Cato 82 etwas abweichend.

•) Daß diese Vorgänge in den April fallen, ergibt sich daraus, daß Bibulus nach denselben sich 8 Monate bis zum Ende des Consulats in sein Haus einschließt (Plut. Pomp. 48), und wird dadurch bestätigt, daß Cicero nach diesen Vorgängen gegen Mitte April (Att. II 8, vgl. 4, 6) aufs Land geht. Im April fahrte Bibulus die fasces und leitete daher die Senatsverhandlungen und hat offenbar de summa republica referiert. Es ist nicht au vergessen, daß der referierende Consul den Senat um seine Ansicht befragt und die einzelnen Senatoren dafür auf- ruft, aber nicht selbst einen Antrag stellen kann.

*) Sueton Caes. 20 lege agraria promulgata obnuntiantem col- legam armia foro expulti, ac postero die in senatu conquesium, nec quoquam reperto, qui super tali constematione referre aut censere aliquid änderet, qualia multa saepe in levioribus turbis decreta erant (das ist eben das s. c. ultimum), in eam coegit desperationem, ut quoad potestate abiret domo abditus nihil aliud quam per edicta obnuntiaret. Dio 88. 6 %aX b pkv vöpoc o5*a>c ixoputfhr], BißooXo^ tk . . . rj} 6<JTJpaia titttpaa« jiiv iv t<p aovtftpttp aotöv Xusal, ferpavs V ouftiv ' rjj ■jap toÖ rXtj»oo? ojio'ji-jj &«8ooXa>jjivoi ttavttc ri9»x<zCov.

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Das Principat des Pompejus

Jahres in sein Haus; an allen Comitialtagen ließ er durch seine Amtsdiener und durch Edikte verkünden, daß er den Himmel beobachtet habe und daher alle Geschäfte ruhen mußten1). Um sein Gesetz gegen zukünftige Anfechtungen sicher zu stellen, hatte Caesar in dasselbe, wie ehemals Saturninus, die Bestim- mung eingefügt, daß alle Senatoren es bei schwerer Strafe be- schwören und sich verpflichten sollten, jeden Abänderungsver- Buch zu bekämpfen1). Metellus Celer, der sich auf das Vorbild desNumidicus berief3), der im Jahre 100 lieber ins Exil gegangen war als einen derartigen Eid zu leisten, Cato und sein Gefolgs- mann Favonius sträubten sich lange; schließlich am letzten Tage gehorchten auch sie, Cato vor allem durch Ciceros Vorstellungen veranlaßt, er müsse sich dem Staat erhalten4)

Cicero, den Wortführer der Majorität, für sich zu gewinnen, hat Caesar sich ununterbrochen bemüht. Wie Baibus im Dezember schon angedeutet hatte (oben 8. 61), erklärte er, ihn neben Crassus und Pompejus zu seinem Berater und Vertrauensmann nehmen zu wollen*); er hat ihm vielleicht auch damals schon eine Stellung in der Ackerkommission in Aussicht gestellt. Aber Cicero blieb ablehnend; er versuchte im Gegenteil, da er von dem Abschluß der Koalition nichts ahnte, Pompejus, mit dem er nach wie vor intim zu stehn glaubte, vor der Verbindung mit Caesar zu

') Dio 88, 6. Sueton Caes. 20, vgl. Cic. de domo 40. de har. resp. 48.

*) Plot. Cato 82 ; nach Appian II 12 war den Eid Verweigerern Todes- strafe angedroht, was natürlich Obertrieben ist; ebenso laßt er das Ge- setz auch vom Volk beschworen werden.

") So Dio 38, 7, 1; bei Plut. Cato 82 wirkt umgekehrt Numidicns' Schicksal abschreckend. Metellus starb kurz darauf, Cic. pro Cael. 59, s. unten S. 74 Anm. 8.

<) Plut. Cato 82. über Catos Eidesleistung vgl. außer Dio 88, 7 Cic. pro Sest. 61 Aber die gegen Cato wegen der Annahme der Sen- dung nach Cypern erhobenen Vorwürfe quasi vero Ute non in alias quoque leges, quas iniuste rogatas putaret, iam ante iuraverü. non offert se ilie istis temeritaiibus, ut cum reipublicae nihil prosit, se civi rempublicam prüfet, und dazu schol. Bob.

») de prov. cons. 41 me in tribus sibi eoniuncUssimis consu- laribtis esse voluit (ebenso in Pis. 79). Daß die beiden andern Crassus und Pompejus sind, ist klar.

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Caesar and Cicero. Clodias' Übertritt zur Plebs

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warnen1). Aber wie Cicero war auch Caesar durch die cati- linarischen Händel, „die Nonen des Dezember", gebunden; die Hinrichtung der Verschworenen durch Cicero konnte er niemals billigen. Überdies stand er in Verbindung mit Clodius, der von Begierde brannte, sich an Cicero zu rächen und als Tribun eine große Rolle zu spielen, und deshalb schon im vorigen Jahr mehrere vergebliche Versuche gemacht hatte, seinen Übertritt zur Plebs in legitimer Weise zu ermöglichen. Als jetzt C. Antonius, unter dessen Auspicien das Heer gegen Catilina gefochten hatte, nach der Rückkehr aus der makedonischen Statthalterschaft von dem jungen Caelius wegen Repetunden verklagt wurde, konnte Cicero, trotz aller inneren Abneigung gegen ihn, nicht umhin, seine Ver- teidigung zu übernehmen. Caesar und sein Gehilfe, der Tribun Vatinius, wünschten natürlich seine Verurteilung, die sie auch erreichten und die im übrigen durchaus verdient war; Vatinius hatte einen Gesetzentwurf, der dem Angeklagten größere Frei- heit in der Ablehnung der Richter gab, so lange zurückgehalten, daß er Antonius nicht mehr zugute kams). In seiner Rede konnte sich Cicero scharfer Ausfälle gegen Caesar und beweglicher Klagen über die Lage des Staates nicht enthalten: drei Stunden darauf erfolgte die Antwort dadurch, daß Caesar als Pontifex maximus die Adrogation des Clodius durch einen Plebejer Fontejus von den Curien vollziehen ließ3), unter Assistenz des Porapejus, der

') Cicero an Caecina (im Jahre 46) fam. VI 6, 4 plurimi sunt teste*, nie et initio, ne coniungeret se cum Caesar e, monuisse Pom- pehim, et postea, ne se diiungeret: coniunctione frangi senatus opes, diiunctione civüe bellum excitari videbam. Phil. II 28 ego M. Bibulo, praestantissimo cive, consule [Bibulus ist mit Absicht allein genannt, im Gegensatz gegen die populäre Auf fassang, die nnr von Caesars Con- sttlat redet] nihil praeiermisi, quantum facere enitique potui, quin Pompeium a Caesaris coniunctione avocarem; in quo Caesar feli- cior fuü: ipse enim Pompeium a mea familiarüate diiunxit.

*) Cic. in Vat. 27 mit schol. Bob. Wie Caesar zu C. Antonius stand, geht daraus hervor, daß er ihm erst ganz zuletzt die Rückkehr bewilligt hat. *. unten 8. 868.

*) Cic. de domo 41. Sneton Caes. 20. Dio 38, 10, der den Vorgang viel zu spat setzt und fälschlich an die Denunziation des Vettius an- knöpft; das ist echt dionischer Pragmatismus. Die Zeit (spätestens

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Das Principat des Pompejus

als Augur seine Zustimmung gab1). Damit hing das Damokles- schwert über Cicero. Nach der Entscheidung über das Gesetz und der Eidesleistung verließ dieser Rom im April er hatte sich zu dem Zweck vom Senat eine legatio libera geben lassen*) und begab sich auf seine Güter, seine ablehnende Haltung nicht bereuend') ; aber er erkannte, und hat das ja auch in seinen Ratschlagen an Cato und Metellus ausgesprochen, daß aller weitere Widerstand vergeblich sei, und dachte daran, sich vom öffentlichen Leben zurückzuziehn und sich ganz der literarischen Tätigkeit, zunächst der Abfassung eines Werks über Geographie und seiner geheimen Memoiren, zu widmen. Caesar hat Beine Bemühungen um ihn noch weiter fortgesetzt; er bot ihm eine sehr einträgliche Gesandtschaft nach Alexandria zur Regelung der dortigen Verhältnisse, und dann eine Stelle in der Acker- kommission (oben S. 65), schließlich einen Legatenposten in seiner Provinz, um ihn dadurch zugleich der von Clodius drohenden Gefahr zu entziehen4): Cicero hat alles abgelehnt; wenn er im

Anfang April) ergibt sich ans Cic. Att. II 7, 2. 9, 1 usw. Vgl. auch pro Flacco 5. 95.

!) Cic. Att. II 9, 1 hic noster Hierosolymarius traductor ad ple- bem, vgl. 12, 1. 22, 2. Vffl 8, 8. Dio 88, 12, 2.

*) Cic. Att. II 4, 2. 5, 2. 18, 3.

*) Att. II 4, 2 interea quidem cum Musis nos deleciabimus animo aequo, imtno vero etiam gaudenti ac libenti; neque mihi umquam veniet in mentem Crasso invidere neque paenitere, qttod a me ipse non desciverim. Vgl. 7, 4. 9, 8. Dromanh hat alle diese Vorgänge nicht nur ganz parteiisch, sondern auch vielfach sachlich ganz falsch und mit übergehung wichtiger Quellenzeugnisse dargestellt. So steht m* 185 die ganz unbegreifliche Behauptung, Cicero habe sich, als Caesar das Ackergesetz dem Senat vorlegte, aufs Land zurückgezogen, während er doch, wie seine Korrespondenz mit Atticus beweist, erst im April, nach der Entscheidung, auf seine Güter gegangen ist. Hätten wir Briefe aus den ersten Monaten des Jahres, so würden wir über seine Beteiligung an der Diskussion manches erfahren. Selbstverständlich hat auch er den Eid geleistet; auch bei Metellus Celera Tode, tertio dieposi quam in curia . . . floruisset, nachdem dieser den Eid geleistet, war er noch in Rom (pro Cael. 59).

4) Att. II 5, l. 18, 8. 19, 5 (Juli) Caesar me sibi vult esse legatum. honestior declinatio haec periculi; sed ego hoc non repudio. quid ergo

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Weitere Gesetze Caesars

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Scherz einmal hinwirft, um das Augurat (das durch Metellus Celera Tod erledigt war) würde er sich erkaufen lassen, so ist das nicht ernsthaft zu nehmen1).

Durch die Vorgänge bei der Durchbringung des Aokergesetzes war die Widerstandskraft der Opposition gebrochen ; seine weiteren Maßregeln konnte Caesar jetzt ohne Schwierigkeit durchsetzen. Es folgte zuerst ein Gesetz, welches den Steuerpächtern die von ihnen gewünschte und im vorigen Jahr vom Senat abgelehnte (S. 50) Herabsetzung der Pachtsumme um ein Drittel gewährte und so die Ritterschaft für die neuen Machthaber gewann ; daran knüpfte Caesar die Mahnung, in Zukunft bei der Verpachtung Maß zu halten und sich nicht ins Ungemessene zu überbieten2). Sodann die Bestätigung der Anordnungen des Pompejus, gegen die jetzt niemand mehr Einspruch zu erheben wagte8); den Lucullus hatte Caesar bei den früheren Verhandlungen so an- gefahren, daß er ihm zu Füßen stürzte und sodann sich ganz vom politischen Leben zurückzog4). Dann folgte, Ende April, die Einbringung des zweiten, campanischen Ackergesetzes (oben 3. 63), das ohne weiteren Widerstand angenommen wurde. Die durch dasselbe vorgeschriebene feierliche Verpflichtung aller Be- werber um ein Amt auf die julischen Ackergesetze haben alle Kandidaten abgegeben, bis auf M. Iuventius Laterensis, der gewissenhaft genug war, lieber von der Bewerbung um das Tri-

esi? pugnare malo (er hofft damals, Clodius widerstehn zu können), de pro?, cons. 41 mihi legationem quam vettern, quanio cum honore vettern, detulit. Dann, nach Clodius' traduetio ad plebem, postea me, ut sibi essem legatus, non solum suasit, verum etiam rogavit (er- wähnt bei Plut. Cic. 30).

') Att. II 5, 2 auguratus . . . quo quidem uno ego ab iatis capi possum. vide levitatem meam.

•) Cic. pro Plane. 85. Sueton Caes. 20. Dio 38, 7, 4. Appian II 13, 47. V 4, 10; bei Plutarch Caes. 48 fälschlich ina Jahr 48, nach Phar- salos, versetzt. Vgl. die anschließenden Verhandlangen über das por- torium circumvectionis in Asia, Cic. ad Att. II 16, 4.

») Dio 88, 7, 5. Appian II 13. Plut. Pomp. 48.

*) Oben 8. 70 Anm. 4. Dio 38, 7, 5 npaxöw» oicö toö IIofi.Rirjtou «ayta AooxoöXXo'j |nfjx' £XXou ttyö^ iwxtotdvro« i?»ßat<uotv.

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76 Da« Principat des Pom pejus

bunat zurückzutreten1); er hat bekanntlich im Jahre 43, als Lepidus bei seinem Ubertritt zu Antonius ihn durch falsches Spiel hintergangen hatte, Beine ehrliche Pflichttreue gegen die Republik durch Selbstmord besiegelt2). Schon vorher hatte Caesar die endliche Anerkennung des Königs Ptolemaeos Auletes von Aegypten erwirkt8), natürlich gegen Zahlung einer namhaften Summe, nach Sueton nahezu 6000 Talente, die er mit Pompejus teilte4). Auch sonst vergab und verkaufte er, zum Teil durch Gesetze des Vatinius, mancherlei Privilegien und Rechte*); so erhielt Utica damals latinisches Recht (s.u. S.487). So verschaffte er sich auf Kosten des Staats die Mittel für seine weiteren Plane und konnte zugleich seine Anhänger befriedigen und belohnen. Im Verlauf des Jahres folgten noch weitere Gesetze, die eine An- zahl von Rechtssätzen neu ordneten oder abänderten9), darunter

') Cic. Att. II 18, 2 (etwa Juni); pro Plane. 52, vgl. 13.

8) Cic. fam. X 23. Dio 46, 51. 3. Vellerns II 63. vgl. Sternxopf, Hermes 45, 250 ff.

') Cic. Att. II 16, 2, wo Pompejus ihm sagt de rege Alexandrino placuisse sibi aliquando conflci. Daher das Anerbieten an Cicero, als Gesandter nach Alexandria zu gehn II 5. Mit Ptolemaeos wird ein foedus geschlossen Cic. pro Hab. Post. G.

4) Saeton Caes. 54. societates ac regna preiio dedil, ut qui uni Ptolemaeo prope sex müia talentorum suo Pompeique nomine abstulerit. Ebenda wird behauptet in primo comulatu tria müia pondo auri furatus e Capitolio tantumdem inaurati aeris reposuit; das zu prüfen haben wir keine Möglichkeit.

*) Vgl. Cic. in Vat. 25, wonach Vatinius als Tribun foedera cum civüaUbus, cum regibus, cum tetrarchis geschlossen hat. Cic. ad Att, II 9, 1 improbitas istorum, qui omnia remedia reipublicae effude- runt, qui regna, qui praedia tetrarchis, qui immanis pecunias paucis dederunt. Fam. I 9, 7 redet er von der donatio regnorum in Vatinius' Tribunat. Für Ariovist erwirkte Caesar vom Senat die An- erkennung als rex atque amicus, Bell. Gall. I 85, fflr den König von Commagene die toga praetexta, Cic. ad Qu. fr. II 10, 2.

6) Dio 88, 7. 5 f. tittixa $i xal £k\* isoXXa 3itvo|iodirr)ct fiY|8«v6? tvavtu>0|itvou . . . «oötooc jtiv ouv. 8ti ndfiitoXXoC w »toi xal ot>3' bxtobv xylt ooYTP*?i oojißäkXovtat, wapaXt{t|a». Cato habe sich als Praetor dadurch lächerlich gemacht, daß er diese Gesetze nicht als julische be- zeichnen wollte, sondern bei der Auslosung der Gerichtshöfe xu den ab-

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Caesars Repetundengesetz

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ein umfangreiches Repetundengesetz1). Durch dies Gesetz wurde die gesamte Verwaltungstatigkeit der Provinzialstatthalter neu geregelt, ihre Bezüge und die ihres Gefolges festgesetzt und ein- geschränkt, ebenso die Zeit, auf die eine sogenannte legatio libera, eine Gesandtschaft ohne bestimmten Auftrag, lediglich im privaten Interesse, eine der schlimmsten Geißeln der Provinzialen, gewahrt werden durfte. Alle direkten und indirekten Bestechungen, namentlich auch bei der Besetzung der Gerichtshöfe und bei der Aushebung der Provinzialtruppen, Beeinflussung der Zeugen und Ähnliches, wurden durch die schärfste Formulierung ver- boten und unter Strafe gestellt, Verkäufe und Verpachtungen, die eine derartige Beeinflussung bezweckten, für ungültig erklärt, ebenso die Einsammlung und Annahme goldener Kränze, die die untertänigen Städte dem Statthalter als Ehrengeschenk dar- brachten, es sei denn, daß ihm ein Triumph bewilligt sei. Außer- dem war eine genaue schriftliche Rechenschaftsablegung vor- geschrieben, von der ein Exemplar der Staatskasse zu übergeben, das andere in der Provinz zurückzulassen war*). Durch dieses eben so großzügige wie sorgfältig ausgearbeitete Gesetz, das bei rechtlich denkenden Männern allgemeine Anerkennung fand, so bei Cicero, wurde gegenüber den furchtbaren Mißbrauchen des republikanischen Regiments die Lage der Untertanen wesentlich gebessert und vor allem auf eine feste Grundlage gestellt. Auch Caesars Gehilfen, der Tribun Vatinius und der Praetor Fufius Calenus, haben damals Gesetze durchgebracht, die einzelne Bestim- mungen desEriminalprozesses änderten ; Vatinius gestattete die Ab- lehnung ganzer Gruppen der Geschworenen durch die Angeklagten, Fufius ordnete an, daß die Stimmenzahl in den drei Klassen des Gerichtshofs gesondert bekannt gegeben werden sollte*).

surdesten Umschreibungen griff. Somit müssen sie einzelne Materien der Rechtsordnung betroffen haben.

') Cic. in Vat. 29 mit schol. Bob. pro Sest. 135. in Pia. 37. 50. 90 pro Rab. Post. 8. 12 und sonst oft.

*) Zusammenstellung der Fragmente und Erwähnungen, außer bei Cicero vor allem Dig. 48, 11 de lege Iulia repetundarum, in KOblkrs Caesar-Ausgabe III 172 ff.

■) Vatinius oben S. 78. Fu6us oben S. 23 Anm.

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Das Principal des Pompejus

Durch die Erklärung des Pompejus vor dem Volk bei dem Ackergesetz war die bis dahin geheim gehaltene Koalition zwischen ihm und Caesar offenkundig geworden1). Jetzt wurde sie weiter dadurch besiegelt, daß Pompejus sich mit Caesars Tochter Julia vermählte, deren Verlobung mit Servilius Caepio, der Caesar im Kampf gegen Bibulus eifrig unterstützt hatte, aufgehoben wurde; zur Entschädigung wurde diesem Pompejus* Tochter zugesagt, deren Verlobung mit Faustus Sulla gleichfalls rückgängig gemacht werden mußte. Dadurch hoffte Caesar den Pompejus dauernd an sich zu fesseln*). Daß Caesar ein paar Jahre vorher mit Pompejus' Gemahlin Mucia ein Verhältnis an- geknüpft und Pompejus selbst ihn daher als Aegisthus bezeichnet hatte, kam für diese Männer ebensowenig in Betracht, wie Clodius' Ehebruch mit Caesars Gemahlin für deren Beziehungen, so argen Anstoß es erregte*). Er selbst heiratete kurz darauf Cal- purnia, deren Vater L. Piso zum Consul für das nächste Jahr bestimmt war. Von da an rief Caesar im Senat an Stelle des Crassus, dem er bis dahin als seinem alten Genossen zur Mas- kierung der Verbindung mit Pompejus das erste Wort erteilt hatte, den Pompejus an erster Stelle zur Abgabe seiner sententia

') Dio 37, 5, 5.

*) Sueton Caes. 21; Plut. Pomp. 47 = Caes. 14 fmC6voi? Ilofj.m)(oo ftovdfu<i>c &iw>8patt6jAtvos und mit derselben Auffassung bei Appian II 14 8»8iü>c fri) xai cpiXoc <Sv (IIojAX^toc) inupd-ov-fjOm prrifat r?]( »kjaiftovia^. Ebenso Dio 38, 9 «poßTj&tl^ 2* o&v xat 5>$, \kir\ tt b Dojji- iWjioc ev r$ äncoootqt abxob, ixtl raßtvioc b AoXoc (der alte Gehilfe des Pompejus) &x«ctöottv ffitXXr, vtwteptoig. Die Vermahlung der Pompeja mit Caepio wurde nicht vollzogen, sondern sie heiratete doch den Faustus Sulla (Bell. Afr. 95). Die Verschwägern ng zwischen Caesar nnd Pom- pejus wurde Anfang Mai bekannt: Cic. Att. II 17, 1 quid enitn Uta repentina adfinitatis coniunetio?

') Sneton Caes. 50, wo in der Liste der von Caesar verführten Frauen außer Crassus' Gemahlin Tertulla man sieht, wie skrupellos das Treiben war auch Mucia genannt wird, nam certe Pompeio et a Curionibus patre et filio et a multis exprobatum est, quod cuius cauxa post tres liberos exegisset uxorem et quem gemens Aeyisthum appeüare consuesset, eins postea flliam potentiae cupiditate in ma- triinonium reeepisset.

Die Machthaber and die Opposition

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auf. So hatte Pompejus erreicht, was er erstrebte; er war als der erste der römischen Bürger, der princeps, und der maßgebende Mann im Senat anerkannt. Allgemein erschienen die Vorgänge als eine Aufrichtung der Herrschaft des Pompejus; das Gerücht behauptete, er wolle im nächsten Jahre mit Crassus das Consulat übernehmen1). „Er bereitet offenkundig die Aufrichtung seiner Tyrannis vor", schreibt Cicero Anfang Mai1); als „privaten", d. h. „selbsternannten Dictator" {privat us dictator) bezeichnete der junge Gaius Cato, der zunächst im Anschluß an die Aristokratie Karriere zu machen dachte, in einer Volksversammlung den Pompejus, als er gegen Ende des Jahres 59 eine Anklage wegen Wahlumtriebe gegen dessen für das nächste Jahr zum Consul erwählten Schütz- ling Gabinius einleiten wollte. Von der Menge wäre er für das Wort beinahe erschlagen worden*); in derartigen Versammlungen dominierte eben das Gesindel, großenteils Nichtbürger, Phryger und Myser, Griechen und Juden, Sklaven und Gladiatoren*). Die allgemeine Stimmung dagegen ging trotz aller populären Maßregeln durchaus gegen die Machthaber; man empfand, daß an Stelle des Regiments der Nobilität nicht eine Volksherr- schaft, sondern ein mehrköpfiges Königtum sich aufrichtete. So wandte sich der Groll, der sich bisher gegen den Senat

') Cic. Att. II 5, 2 exspecto Utas litteras . . . qui consules parentur, utrum, ut populi sermo, Pompeius et Crassus, an, ut mihi scri- büur, cum Qabinio Servius Sulpicius.

*) Cic. Att. II 17, 1 prorsus ut scribis ita sentio: turbatur Sampsi- ceramus (d. i. Pompejus). nihil est quod non timendum sit; 6jioXo- f oojjivuic topavvüa aocxcodCctat. Vgl. II 12, 1. Vgl. Sueton Caes. 49, aus einer Schrift des Brutus, wonach ein gewisser Octavius damals con- ventu maximo Pompejus als rex, Caesar, mit Anspielung auf seine Jugendsünden, als regina begrüßte.

*) Cic. ad Qu. fr. I 2, 15, wo C. Cato als adolescens nullius con- sili, sed tarnen civis Romanus et Cato bezeichnet wird. Aus solchen gelegentlichen Erwähnungen sieht man, wie viel mehr wir von den Einzelvorgängen dieses Jahres wissen würden, wenn uns Ciceros Kor- respondenz nicht nur für ein paar Monate, sondern für das ganze Jahr vorläge.

*) Vgl. Ciceros Rede pro Flacco aus dem Sommer dieses Jahres, §§ 17. 87. 66.

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Das Principat des Pompejus

gerichtet hatte, gegen die drei1), der Senat und seine Vorkämpfer erscheinen jetzt als die Verteidiger der Freiheit: „nichts ist jetzt so populär wie der Haß gegen die Popularpartei", schreibt Cicero im Sommer'). Daß die Anhänger Catilinas aufs neue ihr Haupt erhoben, daß die Verurteilung des C. Antonius von ihnen als ein Sieg gefeiert und Catilinas Grab bekränzt wurde*), daß dodius, der sich alsbald um das Tribunal bewarb4) und im Sommer durch Caesars Unterstützung gewählt wurde, aus seinen ganz radikalen Absichten kein Hehl machte es konnte daher sogar gelegentlich der Glaube auftauchen, er sei mit Caesar zerfallen und werde sich gegen diesen wenden6) mußte diese Stimmung noch verstärken. Die Hoffnung freilich auf eine baldige Re- aktion*) erfüllte sich nicht; dafür waren die Machtfaktoren, welche den Dreimännern zur Verfügung standen, viel zu stark. Aber in Reden und Pamphleten drängte aich. die Stimmung, die in den vertraulichen Gesprächen herrschte, an die Oeffentlichkeit. Varro verfaßte, in Anlehnung an Theopomp, eine Broschüre Tptxdpavoc „Das dreiköpfige Ungeheuer"7); Curio (cos. 76), trotz der Beschützung des Clodius im Jahre 61 (oben S. 47) ein eifriger Optimat und trotz seiner völligen Zerfahrenheit, Trägheit und Gedächtnisschwäche durch seine Beherrschung der Sprache kein wirkungsloser Redner6), griff Caesar und Pompejus, ihr privates

>) Cic. Att. II 9, 2 (Mitte April) etenim ai fuü invidiosa senatus potentia, cum ea non ad populum, sed ad tris homines immode- ratos redacta sit, quid iam cemes fore?

*) Att II 20, 4 populäre nunc nihil tarn est quam odium popu- lär ium. II 19, 2 8CÜo nihil unquam fuisse iam infame, tarn turpe, tarn peraeque omnibus generibus, ordinibus, aetatibus offensum quam hunc statum qui nunc est.

») Cic. Flacc. 95.

4) Als Neuigkeit dem Cicero von dem jungen Curio am 19. April mitgeteilt, Att. II 12, 2, vgl 15, 2. ») Cic. Att. II 12, 1 f., vgl. 7, 2.

*) Cic. Att. II 9, mit Berufung auf Theophrasts theoretische Be- handlung der politischen Entwicklung. Vgl. II 7, 4. 21, 1 (Ende Juli) und dagegen 18, 1 (etwa einen Monat vorher).

T) Appian II 9.

8) Cic. Brutus 210 ff.

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Angriffe auf Caesar und Pompejus

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und öffentliches Leben auf das heftigste an1), und sein junger hochbegabter Sohn äußerte sich, getragen von der Zustimmung der vornehmen Jugend, in demselben Sinne über die „Könige"2) und hielt etwa im Juni eine mit großem Beifall aufgenommene Volksrede gegen sie, wahrend der Praetor Fufius Calenus, Caesars Anhänger, ausgezischt wurde*). Dazu kamen die Edikte des Bibulus, in denen er die Comitien für die Consulwahlen auf den 18. Oktober verschob und zugleich das ganze öffentliche und private Leben des Pompejus und Caesar schonungslos „nach Art des Archilochos" durchging; vor diesen Maueranschlägen drängte sich die Menge und verschlang den Skandal mit gierigen Blicken und freudiger Zustimmung4).

') Sueton Caes. 9. 49. 50. 52. Später faßte er seine Angriffe in einem Dialog zusammen, in dem er sich von seinem Sohn und von Pansa über die Vorgänge im Senat unter Caesars Vorsitz berichten ließ, und brachte hier in den Angriffen auf Caesar auch dessen Verhalten in Gallien zur Sprache, obwohl die Szene in sein Consulat verlegt war. Ebenso behauptete er, er sei unter Caesars Consulat nicht in den Senat gegangen, obwohl der Dialog damit begann, daß er die Sitzung vor- zeitig verlassen habe (Cic. Brut. 218 f.). Diese Hinwegsetzung Ober den Moment und Hineinziehung späterer Vorgänge ist für die Beurteilung der in Redeform publizierten Broschüren »ehr zu beachten, wenn auch sorgfältige Schriftsteller wie Cicero oder Demosthenes so arge Verstöße natürlich vermieden haben. Im übrigen vgl. z. B. Piatos Menexeno».

«) Att. II 8 Curio . . . mirandum in tnodum »reges odisse su- perbos': peraeqtte narrabat, incensam esse iuventutem neque ferre haec posse. Vgl. II 12, 2.

*) Cic. Att. II 18, 1; unus loquitur et palam adversatur ado- lescens Curio. huic plausus maximi, consalutatio forensis perhonori- flea, signa praeierea benevolentiae permuUa a bonis impertiuntur. Fuftum clamoribus et convieiis et sibilis consectantur ; vgl. Sueton Caea. 50 oben S. 78 Anm. 8.

*) Ein solches Edikt, das bereits eine comitiorum dilatio enthielt, publizierte er gegen Ende April (Cic. Att. II 14, 1. 15, 2), ein anderes, cum Archilochio edicto, das die Comitien auf den 18. Oktober fest- setzte, im Juli (Att. II 19, 2. 5. 20, 4. 6: Bibulus hominum admira- tione et benevolentia in caelc est; edicta eins et coniiones describunt et tegunt; novo quodam genere in sumtnam gloriam venit. 21, 4). Einzelnes aus den Angriffen auf Caesar bei Sueton 9 und 49. Womöglich noch empfindlicher müssen die Angriffe auf Pompejus gewesen sein (vgl. Meyer, Caesars Monarohi« 6

82

Das Principat des Pompejus

So hatte Pompe jus sein Ziel mit dem Verlust seiner Popu- larität erkauft1); es ist begreiflich, daß ihm schwül zumute war. Cicero gegenüber suchte er sich herauszureden (April 59): „mit Caesars Gesetzen sei er einverstanden, aber für seine Handlungen müsse dieser selbst einstehn; ob man gegen das Ackergesetz, das er billige, habe intercedieren können, gehe ihn (Pompejus) nichts an; daß die Sache mit dem König von Aegypten endlich erledigt werde, habe er für richtig gehalten, zu fragen, ob Bibulus damals den Himmel beobachtet habe oder nicht, sei nicht seine Aufgabe gewesen; den Steuerpächtern habe er sich gefallig erweisen wollen, was geschehn wäre, wenn Bibulus damals wieder auf das Forum gekommen wäre, könne er nicht ahnen". Mit solchen Redens- arten konnte er weder sich selbst täuschen noch andere, und schließlich mußte er offen aussprechen, daß er bei dem Gesetz über Campanien, das ihm natürlich vor allem am Herzen lag, „mit Caesars Heer allen Widerstand niederschlagen werde"2). So fürchtet Cicero, daß er schließlich wild werden und sich von der ihn drückenden Verbindung gewaltsam losreißen, eine Gegen- revolution herbeiführen werde3). Daran war freilich nicht zu denken; Caesar hatte ihn nicht nur materiell, sondern auch

Plut. Pomp. 48 t44«HJCt 8iayp£|i.fi.aTai ßXaoyrjfuac ftfif otv t^ovri xal *<xrr)- •foptcK): Cic. Att. II 21, 4 itaque Archilcchia in ülum (Pompeium) edicta Bibuli populo ita sunt iueunda, ut eum locum, ubi propo- nuntur, prae multiludine eorum qui legunt transire nequeamus, ipsi ita acerba ut tabescat dolore, mihi mehercule molesta, quod et eum, quem semper dilexi, nimis exeruciant et timeo, tarn vehemens vir tamque acer in ferro et tarn insuetus contumeliae ne omni animi impetu dolori et iracundiae pareat.

') quanto in odio noster amicus Magnus! cuius cognomen una cum Crassi Divitis cognomine consenescit (Att. II 13).

*) Caes. Att. II 16, 2. „oppreseos ves* inquit „tenebo exereüu Caesaris', d. i. natürlich mit den Mannschaften (Pompejus" Veteranen), die dieser und er selbst aufgeboten hatte.

») Att. II 14, 1. 16, 2. 17, 1. 21, 4 fin. 22, 6. 23, 2; ygl. 7. 8 una spes est salutis istorum inter istos dissensio, cuius ego quaedam initia sensi ex Curione. Cicero sucht durch Pompejus' Vertrauens- mann und Geschäftsträger Theophanes Uber seine wahre Gesinnung gegen ihn Genaueres zu erfahren II 17, 3; vgl. II 12. 2.

Pompejus' Stellung. Caesars Einschreiten gegen die Demonstrationen 83

durch die üeberlegenheit seiner Persönlichkeit und zugleich durch die Reize seiner Tochter Julia viel zu sehr in seiner Gewalt.

Aber alle Versuche der Machthaber, eine bessere Stimmung zu erzwingen, waren vergeblich. Bei den Apollinarischen Spielen Anfang Juli entfesselte der Tragöde Diphilus mit dem Verse: „Durch unser Elend bist Du groß", die er mit deutlichem Hinweis auf Pompejus sprach, und mit ähnlichen Versen immer erneute Beifallsstürme. Als Caesar ins Theater kam, rührte sich keine Hand; der junge Curio dagegen wurde so eifrig beklatscht, wie in den Zeiten seines Glanzes Pompejus, auch von den Rittern, die von ihren Sitzen aufstanden, trotz des Gesetzes über die Steuerpächter. Ernstlich hatten diese Demonstrationen freilich wenig zu bedeuten; sie offenbarten wohl den allgemeinen Haß der hauptstädtischen Kreise, aber eine Macht stand nicht hinter ihnen. Indessen Caesar war äußerst erbittert; er drohte mit Aufhebung des roscischen Gesetzes von 67 über die Sondersitze der Ritter, ja sogar der Getreideverteilung1). Dazu kam es natür- lich nicht; wohl aber beschloß er eine Gegenaktion. Er rief Pompejus aus Campanien herbei, wo er bei der Ackerkommission tätig war2), und am 25. Juli hielt dieser vor dem Volk eine Rede über die Edikte des Bibulus. Aber er erlitt ein vollständiges Fiasko: er selbst empfand, wie wenig seine Worte wirken konnten, er hatte nur deutlich gezeigt, wie sehr er sich durch Bibulus' Angriffe getroffen fühlte und wie unbehaglich er sich in seiner Lage fand3). Gleichzeitig versuchte Caesar, die Versammlung

') Cic Att 19, 3; die Szene mit Diphilus auch Val. Max. VI 2, 9. E. Norden weist mit Recht darauf hin, daß die Berührung zwischen Valerius Maximus und Cicero so eng ist, daß er die Atticusbriefe selbst benutzt haben muß. Cicero schließt mit den bezeichnenden Worten eqttidem malueram, quod erat susceptum ab illis (Caesar und Pom- pejus), silentio trattsiri, sed vereor ne non liceat: non ferunt homines, quod videtur esse tarnen ferendum. sed est iam una vox omnium, magis odio ftrmala quam praesidio.

*) ib. lüterae Capuam ad Pompeium volare dicebantur.

*) Cic. Att. II 21, 3 ut ille tum humüis, ut demissus erat, ut ipse etiam sibi, non iis solum qui aderant, displicebat! 0 specta- culum uni Grosso iucundum, ceteris non item!

84

Das Principat des Pompejus

zu einem Angriff auf Bibulus* Haus aufzureizen, um ihn zu zwingen, von der Verschiebung der Comitien abzusehn; aber alles verhielt sich schweigend1). Dann wollte der Tribun Vatinius den Bibulus ins Gefängnis setzen und traf schon die Anstalten dazu; aber seine Kollegen intercedierten*). Auch im Senat, den er durch Bewaffnete terrorisierte, richtete Caesar scharfe An- griffe gegen seine Gegner. Die meisten Senatoren blieben daher den Sitzungen fern ; nur der alte Considius, ein reicher Kapitalist , der für die Art, wie er im Jahre 63 die Stockung des Geldverkehrs ruhig hingenommen und keine Versuche ge- macht hatte, seine ausstehenden Kapitalien und Schulden einzutreiben, vom Senat offiziell belobt worden war3), erschien furchtlos und erklärte, die anderen seien nicht gekommen, weil sie sich vor den Soldaten fürchteten; und als Caesar ihn anfuhr, warum er denn nicht auch zu Hause geblieben sei, antwortete er, eben um seines Alters willen, da er sich um den kurzen Rest seines Lebens wenig zu sorgen brauche4).

Jetzt versuchte Caesar seinen Gegnern auf gerichtlichem Wege durch eine Anklage wegen eines geplanten Attentats auf Pom- pejus beizukommen. Derartige Gedanken lagen in der Tat in der Luft; am 13. Mai hatte Bibulus den Pompejus vor Nach- stellungen gewarnt und dieser ihm dafür gedankt6). Als Werk- zeug benutzte Caesar jetzt denselben L. Vettius, der zu Anfang des Jahres 62 ihn als Teilnehmer der catilin arischen Verschwörung denunziert hatte (oben S. 32); es ist begreifich, daß Vettius, ein

l) ib. 5 qui cum comüia in mensem Octobrem distulisset, quod solet ea res populi voluntatem o ff ender e, putarat Caesar oratione sua posse impeüi contionem, ut irei ad Bibulum: tnulta cum seditio- 8issime diceret, vocem expnmere tum potuü.

') Cic in Vat. 21, 24 mit schol. Bob. Dio 38, 6, 6.

») Val. Max. IV 8, 8. Über ihn vgl. Cicero pro Cluenfcio 107.

*) Plut. Caes. 14. Cic. Att. II 24, 4 im Anschluß an den Bericht über die vettischen Handel (die 8zene, die offenbar sehr ernst gewesen ist, spielte also nicht lange vorher): modo caedem Umueramus, quam oratio fortissimi senis Q. Considi discusserat; ea, quam cotidie timere potueramus, subito exorta est (durch Vettius).

») Cic. Att. II 24, 2.

Das fingierte Attentat auf Pompejus

85

Mann von Ritterrang1), aber offenbar ein ganz verlumpter Ge- sell, sich jetzt an der Aristokratie rächen wollte, die ihm damals nicht nur die erhoffte Belohnung versagt, sondern ihn ge- pfändet und ins Gefängnis geworfen hatte. Er machte sich zu* nächst an den jungen Curio und teilte ihm im Vertrauen mit, er sei entschlossen, mit seinen Sklaven Pompejus auf dem Forum bei' den von Gabinius gegebenen Gladiatorenspielen zu überfallen und zu ermorden. Wie es scheint, war der Plan, daß Vettius bei der Ausführung abgefaßt werden und dann seine Aussagen machen sollte. Aber Curio teilte die Sache seinem Vater mit, dieser dem Pompejus; so wurde sie vorzeitig vor den Senat gebracht (Oktober 59). Vettius leugnete zunächst, jemals mit Curio verkehrt zu haben; dann erbat er den Schutz der In- demnität, der ihm aber vom Senat nicht bewilligt wurde, und sagte aus, unter Curios Führung habe sich ein Komplott vor- nehmer jüngerer Leute gebildet, Bibulus habe ihm durch seinen Sekretär den Dolch geschickt. Das war freilich absurd; und Vettius war so ungeschickt oder so schlecht instruiert, daß er als Hauptbeteiligten den L. Paullus nannte, den ältesten Sohn des Lepidus, des Demokratenführers im Jahre 78, der sich im Gegensatz zu seinem Vater und Bruder den Optimaten an- geschlossen und im Jahre 63 eine Anklage gegen Catilina ver- sucht hatte*), der aber jetzt als Quaestor in Makedonien stand. So fiel der saubere Plan ins Wasser ; nachdem der junge Curio vorgeladen war und seine Aussagen gemacht hatte, beschloß der Senat, Vettius als geständigen Attentäter gefangen zu setzen, und erklärte es für Hochverrat (contra rempublicam), ihn freizu- lassen; der Beschluß wurde sofort dem Volk mitgeteilt. Indessen Caesar gab sein Spiel noch nicht auf. Am nächsten Tage führte er Vettius auf die Rostren, damit er seine Aussagen wiederhole. Bisher war der Angriff in erster Linie gegen Bibulus und gegen Curio, Vater und Sohn, gerichtet gewesen, auf die Caesar offen- bar wegen ihrer Pamphlete besonders erbittert war; als Mit- schuldige waren außer Paullus der Flamen Martialis L. LentuluB,

') Dio 87, 41, 2; nach Appian II 12, 43 ävt,p fctyi6rr;<. ») Salluet Cat. 81. Cicero Vat. 25 mit Bchol. Bob.

86

Das Principat des Ponipejua

einer der Bewerber um das Consulat1), uiid der junge Q. Caepio Brutus, der spätere Caesarmörder, genannt, der als Sohn des im Jahre 77 von Pompejus trotz der zugesagten Begnadigung hingerichteten Demokratenführers M. Brutus für eine Rolle bei dem Attentat besonders geeignet schien. Jetzt ließ Vettius diesen fort, wie man glaubte, weil seine Mutter Servilia, deren Ver- hältnis zu Caesar stadtbekannt war*), sich für ihn verwandt hatte*). Dagegen fügte er L. Domitius Ahenobarbus, einen der Bewerber um die Praetur, hinzu seine Familie war früher eifrig demokratisch gewesen, sein Bruder (?) Gnaeus im Jahre 81 von Pompejus in Africa gefangen und hingerichtet worden, und eben das wird den Lucius, der überdies mit Ca tos Schwester vermählt war, auf die Seite der aristokratischen Opposition getrieben habsn , und vor allem Lucullus, ferner „einen beredten Consular, Nachbarn des Consuls, der ihm gesagt habe, der Staat habe einen Servilius Ahala oder Brutus nötig", womit natürlich Cicero ge- meint war4). Am Schluß der Verhandlung rief der Tribun Vatinius den Vettius zu sich und führte mit ihm vor den Augen des Volkes ein längeres Gespräch; darauf setzte dieser noch hinzu, Curio habe ihm mitgeteilt, daß auch Cicero* Schwiegersohn C. Piso, sowie M. Laterenis (oben S. 75) um die Verschwörung gewußt hätten. Die ganze Sache wurde so plump behandelt, daß sie ihre Wirkung notwendig verfehlen mußte; Caesar sah ein, daß sich eine Anklage gegen die Beschuldigten auf Grund so fauler Beschuldigungen nicht erheben ließ5;. So ließ er den

») Cic. in Vat. 25; im Jahr© 61 einer der Anklager des Clodius, •chol. Bob. in Clod. et Cur. p. 886 Orsli.i, 89 Stakol.

*) Es war am 5. Dezember 68 bei der Verhandlung Über die Cati- linarier dorch ein von Cato abgefangenes Billetdoux der Servilia an Caesar offenkundig geworden: Plut. Cato 24 = Brut. 5.

«) Cic. Att. II 24, 8 Caepionem de oratione sua siistulü, quem in senatu acerrime nominarat, ut appareret noctem et nocturnam deprecationem intercesHsse.

*) Cicero, dessen Haus auf dem Palatin, in der Nahe der Regia, der Amtswohnung Caesars, lag, braucht die Wendung von Ahala und Brutus im Jahre 45 tatsachlich mit Bezug auf ihren Nachkommen, den Caesar mörder, ad Att. XIII 40.

») Daß Cicero dieae zunächst befürchtet, ist selbstverständlich (Att.

Caesar und Clodius

87

Vettius, gegen den eine Kriininalklage eingeleitet war, kurzer- hand im Gefängnis umbringen. Damit war die Affäre zu Ende; Rechenschaft über die Tat hat, wie die Dinge damals in Rom lugen, niemand gefordert1).

Nach dem Scheitern dieser Versuche entschlossen sich Caesar und Pompe jus, ihr Ziel, die weitere Einschüchterung der Nobilität, durch Vermittlung des Clodius zu erreichen, der inzwischen zum Tribunen für das nächste Jahr erwählt war. Clodius war an sich keineswegs gewillt, sich einfach zum willenlosen Werkzeug der Machthaber herzugeben, etwa wie Vatinius oder Gabinius; seine Gedanken gingen weit höher. Weit eher wollte er in

1124, 4); vgl. die in diesen Tagen gehaltene Rede pro Flacco 96 nos iam ab indicibus nominamur; in nos crimina finguntur; nobis pericula comparantur.

') Über die vettischen Händel haben wir den authentischen Bericht Ciceros ad Att. II 24; dazu in Vatin. 24 ff. (mit schol. Bob.; vgl. pro Sest. 132 und in Pis. 76), wo Cicero natürlich von Caesars Beteiligung schweigt. Das hat manche naive Beurteiler zu der Behauptung ver- anlaßt daß die Affäre lediglich von Vatinius eingefädelt sei und Caesar in gutem Glauben gehandelt habe, wie denn die Neueren über diese Vor- gänge, einen der schmutzigsten Flecken im Bilde Caesars, meist mög- lichst rasch hinwegzukommen suchen. Die Angaben der Historiker (Sueton Caes. 20. Plut. Luc. 42. Appian II 12. Dio 38, 9) stimmen völlig mit Cicero überein, nur daß bei Appian Vettius wirklich mit dem Schwert abgefaßt wird (ic zb fiioov io8f>ajiu>v juta £upi&too YOftvoö). Dio betrachtet die Verschwörung als Tatsache und läßt sie und die Vertei- digung des Antonius, die er fälschlich erst hierher setzt, die Veran- lassung zu dem Vorgehn des Caesar und Pompejus gegen Cicero bilden. Das ist echt dionische Konstruktion, nicht etwa Darstellung seiner Quelle; Dio gestaltet die Überlieferung hier wie so oft gewaltsam um, um einen ihm glanblich erscheinenden Zusammenhang zu gewinnen; er ist eben kein Abschreiber, sondern ein denkender Historiker, der gerade deshalb oft Fehler macht. Nach Soeton und schol. Bob. Sest. 131. Vat. 14 hat Caesar den Vettius vergiften, nach Plut. Luc. 42 erdrosseln lassen; Cicero Vat. 26 schreibt die Erdrosselung natürlich dem Vatinius zu (fregeris in carcere cervices ipsi Uli Vettio); Dio erwähnt nur seine Ermordung, die nach Appian verschieden gedeutet und von Caesar seinen Feinden zugeschrieben wird (ttxoCouivO'j V xotx&a toö oojißjßTjXOtoc © Kaioap oox dtvUt toöto ftp*o<K Üyoiv to&c liWw., fo' o ^^oc a&ttp oovty^pVjOtv iaovtiv tote iieißtßooXtojitvof:).

88

Das Principat de« Pompejus

Konkurrenz mit jenen sich an der Spitze der Volksmassen eine selbständige Macht gründen, so gut wie früher die Gracchen oder Saturninus, nur ohne daß irgend eine politische Ueber- zeugung dahinterstand, und eben darum mit Aussicht auf dauer- hafteren Erfolg. Aber er brannte vor Begierde, sich an Cicero zu rächen, und das konnte er nur mit Hilfe der Machthaber erreichen.

Caesar, der alte Genosse Catilinas, der als Richter den Rabirius zum Kreuzestod verurteilt hatte, ging darauf ein, nachdem alle seine Versuche, Cicero zu gewinnen oder durch eine Legatenstelle aus Rom zu entfernen1), gescheitert waren ; die Brandmarkung der Hinrichtung der Catilinarier durch eine Verurteilung Ciceros gehörte ohnehin zu seinem demokratischen Programm und war ein tödlicher Schlag gegen die Nobilität und den Senat, dessen Hauptwaffe gegen die demagogischen und anarchistischen Um- triebe, das senatusconsultum ultimum, damit zerbrochen wurde. Auch Pompejus mußte sich fügen, trotz all der schönen Reden, die er in den letzten Jahren über Ciceros Rettung des Vaterlandes gehalten hatte; er war durch die Koalition mit Caesar und Crassus auf den Standpunkt zurückgedrängt, den ihm Metellus Nepos Anfang 62 vorbereitet hatte, so unbehaglich ihm dabei zumute war2). Cicero hatte sich, seit die Bedrohung durch Clodius über ihm schwebte, von allen Staatsgeschäften ferngehalten und ledig- lich seiner Advokatentätigkeit gewidmet*), die freilich des poli-

') Nach Dio 38, 15 bietet Caesar dem Cicero die Legatenstelle erst nach Clodios' Gesetzantrag an, Pompejus rät ihm ab und verspricht ihn tu verteidigen; so wird Cicero durch das falsche Spiel der beiden ins Garn gelockt. Das ist sachlich ganz richtig; aber das Angebot wird eu spät angesetzt (s. oben S. 65, 8), falls nicht Caesar es jetzt nochmals wiederholt haben sollte. Über Plutarchs Darstellung s. unten S. 95, 4.

') Att II 28, 2 (etwa August) primum igitur iüud te scire volo, Sampsiceramum (d. i. Pompejus) , nostrum amicum, vehementer sui status paenitere restituique in eum locutn cuper e , ex quo decidit, doloremque suum impertire nobis et medieinam interdum aperte quaerere, quam ego passe inveniri nullatn puto.

•) ib. 8. nos autem publicis consiliis nullis interswmis totosque nos ad forensem operam laboremque cotäulimus. Ebenso 22, 8.

Vorbereitung der Maßregeln gegen Cicero und Cato

tischen Beigeschmacks nicht ermangelte: eben in den Zeiten der Vettischen Handel hatte er den auf Antrieb sowohl des Pompejus wie der im Sinne Caesars handelnden Demokraten wegen seiner asiatischen Statthalterschaft verklagten L. Flaccus , der ah Praetor 63 die allohrogiscben Gesandten festgenommen und dadurch das Material zur Uberführung der Verschworenen be- schafft hatte, zusammen mit Hortensius erfolgreich verteidigt und seine Rede als Broschüre veröffentlicht. Dabei hat er, aller- dings mit sorgfaltiger Vermeidung einer Erwähnung Caesars, die gefährdete Lage des Staats ausführlich besprochen und die Anklage ebenso wie den Prozeß des C. Antonius mit vollem Recht als einen Versuch hingestellt, das Andenken Catilinas wieder herzu- stellen und seine Gregner zu bestrafen. Im übrigen schwankte seine Stimmung in charakteristischer Weise zwischen Kampfes- mut, mit dem er alle Gefahren siegreich niederzuschlagen hoffte, und tiefer Depression1); seine Hoffnungen setzte er auf sein Ver- hältnis zu Pompejus. Dieser hat ein häßliches Doppelspiel ge- trieben: er versicherte Cicero immer von neuem seines Schutzes, Clodius dürfe ihm trotz all seiner Drohungen nichts antun, Clodius werde ihji erst töten müssen, ehe er Cicero antasten könne, Clodius selbst habe ihm schließlich die Hand darauf gegeben, er wolle sich ihm fügen und ihn nicht der Schande aussetzen, daß er durch die Mitwirkung bei Clodius' Adoption (oben S. 73) Cicero in Gefahr gebracht habe4) und gleichzeitig hatte er zweifellos bereits seine Einwilligung zu den von Caesar und Clodius geplanten Maßregeln gegeben.

Neben Cicero galt es, Cato zu entfernen. Zu dem Zweck sollte er „wegen seiner absoluten Zuverlässigkeit in Geldsachen" in außerordentlicher Mission mit der Einziehung Cyperns und der reichen Schätze seines Königs Ptolemaeos betraut werden.

») Att. II 9, 1 (Mitte April), 19, 1, 4 (gegen Mitte Juli). 21, 6 (Ende Juli). 22, 4 (desgl.). ad Qu. fr. I 2, 16 (etwa Ende November).

•) Att. II 19, 4. 20, 1 f. 21, 6. 22, 2 ff. 28, 3. 24, 5. Trotz alles Miß- trauens bat er Cioero schließlich halbwegs dahin gebracht, ihm zu glauben. Vgl ad Qu. fr. I 2, 16 Pompeius omnia pollicelur et Caesar: quibus ego Üa credo, ut nihil de mea comparatione deminuam.

90

Das Principat des Pompejua

Nahm er an, so war er auf geraume Zeit aus Rom entfernt und ihm überdies unmöglich gemacht, in Zukunft gegen die Ueber- tragung eines außerordentlichen Kommandos durch das Volk statt durch den Senat aufzutreten; lehnte er ab, so konnte ihm wegen Ungehorsams gegen einen Beschluß des römischen Volkes erst recht zu Leibe gegangen werden1). Ais Clodius sich zunächst privatim an Cato mit seinen Vorschlägen waudte, hat dieser sie natürlich mit Entrüstung abgewiesen, als eine Beleidigung, nicht als eine Ehre; die Folge war nur, daß Clodius dann sein Gesetz in einer Form einbrachte, die Cato seine Aufgabe durch äußerst karge Bewilligung der Mittel nach Möglichkeit erschwerte und noch die weitere Aufgabe hinzufügte, Verbannte nach Byzanz zurückzuführen und die dortigen Verhältnisse zu ordnen, um ihn so noch länger von Rom fernzuhalten8). Nach der Annahme des Gesetzes im Jahre 68 blieb Cato kein anderer Ausweg, als sich zu fügen, wie er sich bei der Eidesleistung auf die julischen Gesetze gefügt hatte er war keineswegs der verbohrte, in den Wolken wandelnde Doktrinär, als den ihn Mommsen dar- gestellt hat ; die weitere Folge war, daß er wohl oder übel Clodius' Tribunat als rechtsgültig anerkennen und nach seiner Rückkehr für dasselbe eintreten mußte.

Auch die Con^ulato für das nächste Jahr haben die Machthaber nach ihrem Willen gesichert. Bei den Wahlen Ende Oktober 59 wurden unter ihrem Druck ihre Kandidaten ge-

') Caesar hat Anfang 58 an Clodius einen von diesem in der Volks- versammlung verlesenen Brief geschrieben, in dem er ihm nach Cicero* Bericht de domo 22 gratuliert, quod M. Catonem a tribunatu tuo re- mo visnes et quod eidem in posterum de extraordinariis potestatibus libertatein ademisses. Clodius selbst und seine Genossen sagten in contione palam, linguam se evellisse M. Catoni, quae Semper contra extraordinarias potestates libera fuisset, Cic. pro Sest. 60. Cato hat sich gefügt, damit er nicht, cum reipublicae nihil prosit, se civi rempublicam privet; wenn er abgelehnt hätte, dubitatis, quin ei vis esset adlata? ib. 61 f.

*) Plnt. Cato 34. In seinen Reden für das Gesetz hat Clodius natürlich gleichzeitig den Cato als Urheber der Hinrichtung der Cati- linarier aufs schärfste angegriflen, Cic. de domo 21, als carniflcem civium, indemnatorum neci* principem, crudelitatis auctorem.

Clodius gegen Cato. Caesars Stellung

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wählt, als Vertreter des Poinpejus Gabinius, als der Caesars L. Piso, eine politisch indifferente Persönlichkeit ohne aus- gesprochene Parteistellung1), mit philosophischen Interessen, der die übliche Karriere des Aristokraten macheu wollte und den Caesar dadurch an sich gebunden hatte, daß er seine Tochter heiratete.

Wenn Caesar als Cousul gezeigt hatte, daß er vor keiner Gewalttat zurückschreckte und die bestehende Staatsordnung ihm völlig gleichgültig war, so hatte er gleichzeitig erwieseu, daß mehr in ihm steckte, als ein ehrgeiziger und turbulenter Demagoge. Seine Gesetze über die Landanweisungen und die Ordnung der Provinzialverwaltung waren große staatsmännische Schöp- fungen, die eine verheißungsvolle Zukunft in sich trugen; un- endlich überlegen nicht nur der völlig stagnierenden Staatsver- waltung des Senats, sondern auch den Leistungen und Zielen des Pompejus gegenüber. Denn Poinpejus hat sich wohl als ein tüchtiger Organisator wie im Kriege gegen die Seeräuber und Mithridates, so in der Organisation des Ostens und nachher in der Getreideverwaltung bewährt; aber ein großer Staatsmann war er nicht, schöpferische Gedanken und höhere Ziele fehlen ihm durchaus. Im Grunde war er eben doch nur ein Mitglied der römischen Aristokratie und lebte wie diese aus der Hand in den Mund, nur daß er, an ihrer Spitze stehend, sie leiten und gegenüber dem Chaos des vielköpfigen Regiments eine vernünftige Ordnung schaffen wollte. Wenn er jetzt dem Publikum als der eigentliche Regent, Caesar ab sein befähigtstes Werkzeug erschien, so mußte, wer tiefer blickte, schon jetzt klar erkennen, wie un- endlich ihm Caesar in jeder Beziehung überlegen war.

Caesar war nicht gewillt, fortan nach dein Beispiel so vieler Consulare auf seinen Lorbeern auszuruhn oder etwa sich auf eine Mitwirkung bei der laufenden Staatsverwaltung zu be- schränken; im Gegensatz zu Pompejus lehnte er eine Beteiligung an der Ausführung seines Ackergesetzes von Anfing an ab. Es galt, sich eine neue umfassende Wirksamkeit und damit eine dauernde selbständige Machtstellung zu schaffen. Die Mög- ') Dos zeigt sein Verhalten nach Caesar» Ermordung.

92

Das Principat des Pompejus

lichkoit dazu bot ihm Gallien, wo zwar augenblicklich, nach der Niederwerfung des Allobrogeraufstandes durch C. Pomptinus im Jahre 61, einigermaßen Ruhe herrschte, wo aber die be- vorstehende Helvetierwanderung, die schon zu Anfang des Jahres 60 die römische Regierimg in Unruhe gesetzt und momentan von den clodischen Händeln und dem flavischeu Ackergesetz ab- gelenkt hatte1), und daneben das Umsichgreifen des Ariovist und die Bedrängnis der Haeduer, der „Brüder und Blutsverwandten der Römer", ein rechtzeitiges Eingreifen dringend erforderten. Nach den Verabredungen der Machthaber sollte er statt der ihm vom Senat zugewiesenen wesenlosen Aufgabe (S. 58) die wichtigste Provinz des Reichs, Galiia Cisalpina, mit drei Legionen auf fünf Jahre bis zum letzten Februar des Jahres 54-) übernehmen. Sie war von Sulla zu dem Zweck geschaffen, daß der Senat von hier aus Italien und Rom militärisch beherrschen und jede Op- position niederwerfen könne; jetzt ging sie in den Besitz der Gegner über zur Terrorisierung der Hauptstadt und des Senats. In der kräftig aufstrebenden Bevölkerung des Gebiets nördlich vom Po hatte Caesar und die demokratische Partei überdies durch ihre Agitation für die Erteilung des Vollbürgerrechts seit Jahren eine feste Stütze. Da Caesar zu Anfang seines Consulats erklart hatte, für sich selbst nichts beantragen zu wollen*), brachte der Tribun Vatinius das betreffende Gesetz vor das Volk, das es natürlich annahm, unbekümmert um Catoe Warnung, daß es dadurch den Tyrannen, den König selbst auf die Burg führe*).

l) Cio. Att. I 19, 2 f. 20, 5. *) Cic. de prov. cons. 36 f. *) Dio 38, 1, 7. 8, 3.

*) Plat. Cato 33 itpoXt^ovro; K&ttuvoc, <b< ilc &«po*oXty xbv tüpawov a&toi tal< iaotwv ^foi^ ISpöoooi; benutzt Crass. 14. Das Gesetz ent- hielt natürlich vielerlei Ausführungabestimmungen, darunter das Recht, seine Legaten (mit propraetorischem Rang, wie bei Pompeius, so La- bienus Bell. Gall. I 21) ohne die herkömmliche Berücksichtigung des Senats zu ernennen (Cic. in Vat. 35). Dazu gehörte offenbar auch das Recht, eine Kolonie zu gründen, wofür man gewöhnlich, aber schwer- lich mit Recht, auf Grund von Sueton Caes. 28 (colonis, quos roga- tione Vaiinia Novum Comum dedttxUset) ein besonderes Gesetz an-

Caesars Provinzen. Angriffe auf Caesar Anfang 58 93

Indessen damit waren Caesars Wünsche noch nicht erfüllt; und so veranlaßte er, daß der Senat, der nach der Terrorisierung der Gegner nur noch von der Caesar gefügigen Minorität besucht wurde1) und daher ganz in seiner Hand war, „damit das Volk nicht auch diese Provinz noch vergebe", das jenseitige Gallien mit einer weiteren Legion hinzufügte*). Pompejus selbst stellte den Antrag*); er ahnte nicht, daß sein Schwiegervater sich von diesem Nebenlande aus ein großes Reich gründen und dadurch ihm über den Kopf wachsen werde. Caesar aber machte aus seinem Erfolg kein Hehl : „jetzt habe er trotz der Opposition und Seufzer seiner Gegner erreicht, was er erstrebt habe", sagte er wenige Tage darauf im Senat; „fortan könne er allen aufs Haupt treten"4).

Bei der Niederlegung des Consulats hinderte Clodius den Bibuhis, die übliche Rede zu halten6), wie vor vier Jahren Metellus Nepos den Cicero. Von der anderen Seite aber brachten die Praetoren C. Memmius*) und L. Domitius Ahenobarbus die Vorgänge des letzten Jahres im Senat zur Sprache und ver- langten ein Vorgehn gegen Caesar. Caesar erklärte, er stelle die Sache bereitwillig dem Senat zur Verfügung, und verteidigte

nimmt. Auch daß speziell Novum Comum in dem Gesetz genannt war, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Daß Illyricum damals zur Pro- vinz Gallia cisalpina gehörte, ist bekannt.

!) So blieb Cato den Sitzungen fern: Cic. pro Sest 63.

*) Sueton Caes. 22. Dio 88, 8, 5. Cic. de prov. cons, 86.

*) Cic. Att. VIII 3, 8 Pompeius . . . Oalliae ulterioris adiunetor. Sueton Caes. 22 socero igitur generoque suffragantibus.

«) Sueton Cae*. 22 quo gaudio elatus non temperavit, quin paueos post dies frequenii curia iaciaret, invitis et gementibus adversariis adeptum se quae coneupissei, proinde ex eo insultaturum omniutn rapitibus; ac negante quodam per contumeliam, faeüe hoc Ulli fetninae fore, responderet quasi cUludens, in Syria quoque re- gnasse Semiramin magnamque Asiat partem Amazonas tenuisse quondam.

•) Dio 38, 12, 3.

*) Memmius gehörte auch im Jahre 59 zu den Gegnern Caesars; Cic Att. II 12, 2 (wo neben ihm auch Metellus Nepos genannt wird); vgl. ad Qu. fr. 12, 10.

94

Das Principat des Pompeji»

weh dreimal in heftigen Gegenreden; und der Senat war so ein- geschüchtert, daß ein Beschluß nicht zustande kam und die Sache nach dreitägiger erregter Diskussion beiderseits, voll der gehässigsten, auch als Broschüren veröffentlichten Invektiven, im Saude verlief1). Damit war zugleich die Rechtsbeständigkeit der julischen Gesetze tatsächlich anerkannt. Um sich weiteren An- griffen zu entziehn, verließ Caesar die Stadt und übernahm das Kommando über Heer und Provinz. Jetzt konnte er, ab der Tribun L. Antistius eine Anklage gegen ihn erhob, sich darauf berufen, daß er im Staatsdienst abwesend sei, und den Schutz der übrigen Tribuuen erwirken; seine Gegner mußten sich be- gnügen, seinen Quaestor vor Gericht zu ziehn2). Caesar blieb aber mit seiner Armee bis Anfang März in der Nähe Roms, bis Clodius die verabredeten Maßregeln durchgeführt hatte, so dringend die Lage in Gallien und die unmittelbar bevorstehende Auswanderung der Helvetier seine Anwesenheit dort erforderte; er traute sich zu, die vor Rom verwendete Zeit durch Schnellig- keit wieder einzuholen3).

') Sueton Caes. 23. Nero 2. Proben aus den Angriffen, die natürlich auch Caesars Verhältnis zu Nikomedes wieder hervorholten, bei Sueton Caes. 49. 73 Oaius Memmius, cuius asperrimis orationibus non minore acerbüate rescripserat. Cic. in Vatin. 15 primum quaero, nutn tu senatui causam tuam permUtas, quod fecit Caesar? pro Sest. 40 die drei Männer unterstützen Clodius' Vorgehn gegen Cicero alio tum timore perterriti, quod acta illa atque omnis res anni superioris labefac- tari a praetoribus, inftrmari a senatu atque prineipibus civitatis putabant. schol. Bob. zu beiden Stellen, wo die Angriffe des Domitius und Memmius erwähnt werden, et ipsius Caesar ls orationes contra hos extant tres, quibtts et sua acta defendit et Wos insectatur.

*) Sueton Caes. 28. Gleichzeitig vereitelte Vatinius einen Prozeß, der wegen seines Verfahrens im Tribunat vor dem Richterstuhl des Praetor» Memmius gegen ihn angestrengt wurde, durch Anrufung der Tribunen und verjagte den Gerichtshof, als er trotzdem verbandeln wollte. Cic. in Vat. 3 f. nebst schol. Bob. 3.

') Cic. post red. in sen. 32. Plut. Caes. 14. Dio 38, 17. Im bellum Gallicum verhüllt Caesar die Dinge in üblicher Weise, wenn er erzählt, die Helvetier hätten zum Aufbruch an der Rhone den 28. März 58 bestimmt, er sei daher, cum id nuntiatum esset, in größter Eile von Rom nach Genf aufgebrochen (maturat ab urbe proficisci et quam maximis potest itine-

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Clodiu»' Tribunat

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Ciceros Verbannung

Allzuleicht indessen war die Durchführung der von den Machthabern geplanten Maßregeln auch jetzt noch keineswegs, trotz des von Caesar geübten Terrorismus; vielmehr war eben dadurch die Masse der Bürgerschaft auf die Gegenseite getrieben worden und wenigstens zu passivem Widerstand bereit. Das hatte sich schon bei den Wahlen im Herbst gezeigt. Zwar die Wahl des Clodius zum Tribunen hatte Caesar durchgesetzt, ebenso die der beiden Consuln; aber die neuen Praetoren und die meisten Tribunen standen auf Seiten des Senats1); ein rück- sichtsloses Vorgehn hätte die gewonnene Position gefährden und eine neue Krisis herbeiführen können. Daher hielt man die Aktion gegen Cicero und Cato zunächst noch zurück. Vielmehr bezeigte Piso dem Cicero wie bei seiner Bewerbung um das Consulat so nachher das größte Wohlwollen und rief ihn im Senat an dritter Stelle zur Meinungsäußerung auf1), so daß Cicero sich einbilden konnte, auch die neuen Consuln seien ihm wohl- geneigt8); und Pompejus fuhr im Einverständnis mit Caesar, der sich auch noch weiter freundlich gegen ihn äußerte, fort, ihm Mut einzureden und seinen Schutz zu verheißen4).

ribu8 in GalHam ulteriorem contendit, bell. Gall. I 7). Wenn er nicht durch die innerpolitischen Vorgänge so lange festgehalten wäre, hatte er viel frQher da sein können. Nach Plnt. Caes. 17 brauchte er bei der «pwcfi Hotoz von Rom bis an die Rhone nur 8 Tage. In Gallia hatte er nur die eine Legion, welche dort ßtand, und das Aufgebot der Provinz zur Verfügung (bell. Gall. I 8); die drei übrigen konnte er erst spater her- anholen, wie er I 10 angibt, aus ihren Winterlagern bei Aquileja (dazu hob er zwei weitere Legionen aus); von den Truppen, die er vor Rom bei sich gehabt hatte, schweigt er in seiner Darstellung natürlich.

') Cic ad Qu. fr. 12, 16 (etwa Ende November 59) Tribuni pl. desi-gnati sunt nobü amici; consttles se optime ostendunt; praeiores habemus amicissimos et acerrimos civis, Domitium, Nigidium, Len- tulum, Memmium, bonos etiam alios singularis.

*) Cic. in Pis. 11. post red. in sen. 17. vgl. pro Sestio 20.

•) S. Anm. 1. Früher, im Jahre 66, war Cicero bekanntlich für Gabinius im Interesse des Pompejus eingetreten (de imp. Cn. Pomp. 57 f., vgl. u. 8. 105, 8).

*) ad. Qu. fr. I 2, 16 (oben S. 89, 2). über Dios Darstellung s. oben

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Das Principat de« Pompeji»

Dagegen brachte Clodius gleich nach Antritt seines Tribunals (10. Dezember 59) vier Gesetze ein, die ihm die Zuneigung nicht nur der Massen, sondern auch der höheren Stände gewinnen und zugleich die Mittel für seine weitere Aktion gewahren sollten. Abschaffung der Gebühr denn mehr war es nicht von 6''s As für den Scheffel, die bisher noch für die monatliche Ge- treideverteilung unter die hauptstädtische Bevölkerung gezahlt wurde; Wiederherstellung der im Jahre 64 durch den Senat auf- gehobenen Clubs (collegia; oben S. 24) und Erlaubnis zur Gründung neuer, in denen dann die Hefe des Proletariats, Freigelassene und Ausländer aller Art, Aufnahme fand und für die anarchisti- schen Umtriebe organisiert wurde; und Aufhebung des tat- sächlich schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr geübten (oben S. 13. 50) Rechts der Censoren, die Senatsliste nach eigenem Er- messen aufzustellen und einen Senator aus derselben zu streichen, sowie Verbot der Erteilung einer censorischen Rüge, außer wenn der Beschuldigte nach formell vor ihnen erhobener Anklage von beiden Censoren übereinstimmend verurteilt sei dadurch wurden all die anrüchigen Persönlichkeiten des Senats und der Ritterschaft, deren Stellung durch die Censur bedroht war, für Clodius gewonnen. Ein viertes Gesetz verbot allen Magistraten, an den Comitialtagen, an denen eine Volksversammlung statt- finden konnte, den Himmel zu beobachten, und entriß damit dem Senat die Waffe, durch die er seit einem Jahrhundert miß- liebige Volksbeschlüsse vereitelt und im vergaugenen Jahre Bibulus die Gesetze Caesars formell rechtsungültig gemacht hatte1). Am 3. Januar wurden alle vier Gesetze angenommen;

S. 88, 1. Nach Plutareh Cic 30 hätte Clodius die Miene angenommen, als wolle er sich mit Cicero versöhnen, und die Schuld an dem Zerwürfnis auf Terentia (oben S. 48) geschoben; dadurch hätte er Cicero veranlaßt, die Legatenstelle bei Caesar (die er fälschlich aus einem Angebot in eine Bewerbung Cicero» verwandelt) abzulehnen und so Caesar für das Ein- schreiten gegen ihn gewonnen. Das ist tendenziöse Entstellung zugunsten Caesars.

x) Hauptatelle Cic. in Pia. 8 ff. und Asconius dazu; ferner Dio 38, 18, dessen Bericht ganz vorzüglich ist, und zahlreiche sonstige Er- wähnungen in Ciceros Reden.

Clodius gegen Cicero

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als der Tribun L. Ninnius Quadratus, der für Cicero tätig war, sein Veto einlegen wollte, gab Clodius Cicero die Zusicherung, nichts gegen ihn zu unternehmen, wenn er die Gesetze durch- lasse, und Cicero selbst veranlagte infolgedessen Ninnius cur Zurückziehung der Intercession1).

Damit war der Weg geebnet; und jetzt brachte Clodius so- wohl das Gesetz über Catos Entsendung nach Cvpern wie den Antrag ein, daß wer einen römischen Bürger ohne gerichtliche Verurteilung getötet habe, aus der bürgerlichen Gemeinschaft von Wasser und Feuer ausgestoßen werden solle8). Gleichzeitig beantragte er, um sich die Unterstützung der Oonsuln vollends zu sichern, durch Volksbeschluß an Stelle der vom Senat zu- gewiesenen Provinzen dem Piso Macedonien, dem Gabinius Syrien zu übertragen*), mit eben so umfassenden Privilegien, wie sie Caesar durch das Gesetz des Vatinius zuerkannt waren*).

Als Cicero sah, daß es Ernst wurde, verflogen alle Hoffnungen, in denen er sich bisher immer noch gewiegt hatte, und zugleich der Mut zum Kampf, den er sich vorher so manchesmal ein- geredet hatte. In tiefster Depression versank er in eine klagliche Haltung: er legte Trauer an und lief, um Hilfe flehend, zu allen und jedem, nicht nur zu den Optimaten, sondern ebenso zu Piso, der ihm offen erklärte, Gabinius bedürfe um seiner Schulden willen der reichen Provinz und er könne seinem Kollegen nicht entgegentreten1); er überfiel Pompejus auf dessen albanischer

') Dio 88, 14, vgl. Cic. ad Att. 15, 4, wo er Atticus den Vor- wurf macht, zugelassen zu haben mihi persuaderi, utile nobis esse legem de collegiis perferri.

*) Yellejue II 45 legem in tribunatu tulit, gui eveem Romanum indemnatum interemisset, ei aqua et igni interdiceretur; cuius ver- bUf etsi non nominabatur Cicero, tarnen solus petebatur. Dio 88, 14, 4.

») Cic. pro Seit. 25 promulgantur uno eodemque tempore roga- tiones ab eodem tribuno de mea pernicie et de provineiis coneulum nominatim. Beide Gesetze wurden dann auch an demselben Tage, „ja in derselben Stunde und dem gleichen Zeitpunkt" angenommen , pro Seet. 58.

*) Cic. in Vat. 86. pro Sest. 33. de dorn. 28. 55 und sonst. ») Cic. in Pis. 12.

Meyer, Caesar» Monarchie 7

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Das Principat des Pompejus

Villa, wohin er sich, um den Schein zu wahren, zurückgezogen hatte, und stürzte ihm zu Füßen; aber dieser erklärte ihm, er könne gegen Caesars Willen nichts machen, ließ ihn liegen und befahl der Dienerschaft, ihn nicht wieder vorzulassen1). Senat und Bitterschaft traten allerdings für ihn ein; in Wirklichkeit war ja das Gesetz, das für die Zukunft jede anarchistische Gewalt- tat legitimierte und überhaupt das Bestehn eines festen, mit Strafgewalt ausgestatteten Begimente aufhob, gegen sie und gegen die gesamte Staatsordnung gerichtet, deren offizieller Ver- treter Cicero durch die Ereignisse von 63 geworden war. Zu- gleich aber mußte Cicero empfinden, wie sehr er durch seine oft boshaften Witzworte, durch den Anspruch auf Überlegenheit, mit dem er auftrat, und vor allem durch sein ununterbrochenes Renommieren, das zuletzt in dem Heldenepos über sein Consulat (S. 61) einen geradezu kindischen Ausdruck gefunden hatte, die Gefühle der vornehmen Herrn verletzt hatte, in deren Kreis er eingedrungen war: die innere Lauheit ihrer Stimmung gegen ihn und die Schadenfreude, über die er schon vorher in seinen Briefen an Atticus oft genug geklagt hatte, kam hinter all der offiziellen Betätigung für ilin deutlich genug zum Ausdruck*). Das alles,

') Cic Att. X 4, 8 is qui nos sibi quondam ad pedea stratos ne sublevabat quidem, qui se nihil contra huius (d. i. Caesaris) volunUUem facere posse (aiebat). Nach Plutarch Cic. 31 (= Pomp. 46) schickt er zunächst seinen Schwiegersohn Piso zu Pompejus (das ist daraas entstellt, daß Cicero diesen zu dem Consul Piso mitnahm, in Pis. 18), dann geht er selbst, aber Pompejus entweicht vorher durch die Hintertür. Das ist eine Abschw&chung im Interesse Ciceros. Dio 88, 17, 8 überseht die Szene und erwähnt nur, daß Pompejus sich absichtlich von Rom fernhielt (&moxvt«o jiiv aowj» rrjv huxoopiav, o*ij4»tc« U tiva$ fiUor» &Ua< Koio6)ityac xat Ano&Y)fuac oo^vi« intrrj&tc otrXX6fuvo< obx lirijfiovtv). Vgl. ad Qu. fr. I 4, 4, wo subita defectio Pompei, alienatio consulum, etiam praetorum, timor publicanorum, orma ihn »um Weggehn ver- anlassen.

*) Dies Moment wird bei Dio 38, 12 sehr treffend hervorgehoben. Überhaupt kann garkein Zweifel sein, daß die Quelle, der er folgt, hier wie in der gesamten Geschichte dieser Zeit Ciceros Korrespondenz, auch die Briefe an Atticus, gekannt und sorgfältig benutzt hat. Die zu- grunde liegende Quelle ist gewiß nicht Livius, der zwar Ciceros Schwä-

Verhandlungen Ober Ciceros Verbannung

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zusammen mit dem Gefühl der Selbsterniedrigung, die er nutz- los geübt hatte, das in ihm sehr lebendig war und dem sich zu entziehn er doch nicht die sittliche Kraft hatte, hat in ihm die tiefe Erbitterung erzeugt, mit der er an diese Zeit zurückdenkt und die sich dann in seiner Manier in den wüstesten Invektiven gegen die Werkzeuge der Machthaber Luft macht.

Versuche, Cicero zu retten, sind allerdings gemacht worden. Eine Anzahl der angesehensten Senatoren, geführt von den Consularen Hortensius und Curio, suchte den Consul Gabinius Piao war krank zum Einschreiten zu veranlassen, wurde aber von ihm schroff zurückgewiesen. Darauf legte auf Antrag des Tribunen Ninnius der gesarate Senat Trauer an, und die Ritter- schaft folgte seinem Beispiel; alle anständig empfindenden Menschen waren eben gegen das Gesetz, auch im Mittelstand und in den Landstädten Italiens. Aber auf Gabinius machte das keine Wirkung; vielmehr erklärte er vor dem Volk, man sei im Irrtum, wenn man glaube, daß der Senat im Staat noch etwas zu bedeuten habe, die Ritter aber würden jetzt dafür büßen müssen, daß sie sich am 5. Dezember 63 bewaffnet auf der Straße zum Capitol aufgestellt und Caesars Leben bedroht hätten; den Ritter L. Lamia, der sich besonders hervorgetan

chen auch nicht verkannt hat (omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulüj, aber in seiner milden Art, natura candidissimus omnium magnorum ingeniorum aestitnator (Seneca suas. 6, 22), die Schuld, die Cicero selbst durch sein früheres Verhalten trng, schwerlich in dieser Weise hervorgehoben hat, sondern Asinius Pollio, qui infes- ti8simu8 famae Ciceronis permansit (Seneca suas. 6 , 14). In seiner abschließenden Charakteristik sagt er (ib. 6, 24): utinam moderatius secundas res et foriius adversas ferre potuisset! . . . inde sunt in- vidiae tempestates coortae graves in cum certiorque inimicis ad- grediendi flducia, maiore enim simultates adpeiebat animo quam gerebat. Eine gleichartige, offenbar in letzter Linie gleichfalls auf Asinius Pollio zurückgehende Ausführung in seiner Quelle hat Plutarch den Anlaß zu der großen Einlage der dicta Ciceronis c. 24—27 gegeben, an die mit den Worten ix to»tu>v Ifiytto noUot$ iitax*^« seine Verfol- gung durch Clodius unmittelbar angeschlossen wird- Ebenso wird bei Appian das klagliche und würdelose Verhalten Ciceros, das ihn der Lächerlichkeit preisgibt, kurz und zutreffend geschildert (II 15).

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Das Principal des Pom pejus

hatte, verbannte er kraft seiner Magistratsgewalt durch eüi Edikt aus Rom, und ein Edikt beider Consuln gebot dem Senat, wieder in seiner gewöhnlichen Tracht zu erscheinen1). Gleich- zeitig wurde Cicero, wo er sich sehen ließ, von den Rotten des Clodius insultiert und nebst seinen Anhängern mit Schmutz und Steinen beworfen*); sie hatten auch die Gesandten an Gabinius überfallen, der Senator Vibienus war den Wunden, die er damals erhielt, erlegen*). Ein Versuch, durch eine an ihn nach dem Albanum geschickte Deputation Pompejus zum Einschreiten zu veranlassen, hatte ebensowenig Erfolg; er verwies sie an die Consuln, er selbst könne ohne öffentlichen Auftrag gegen den Tribunen nichts tun; und Piso erklarte den Abgesandten, er sei nicht so tapfer, wie Torquatus der sich unter diesen befand oder Cicero, die als Consuln dem Catilina Widerstand geleistet hatten, er köime nur raten, daß dieser nachgebe und sich frei- willig entferne, sonst werde ein unabsehbares Blutbad die Folge sein4).

Wie PompejuB hielt sich auch Crassus zurück; er liebte es überhaupt nicht, sich zu kompromittieren, und dazu kam noch die Einwirkung seines mit Cicero befreundeten jungen Sohnes*). Den Ausschlag gab Caesar und sein Heer. Clodius erklärte mehr als einmal, daß er im Einverständnis mit den drei Männern handle; Caesar stehe mit einem großen Heer in Italien, Pompejus und Crassus seien, obwohl Privatleute ohne amtliche Stellung, in der Lage und bereit, wenn es nötig sei, gleichfalls ein Heer aufzubringen'); er berief eine Volksversammlung in den Circus Flaminius außerhalb des Pomeriums, damit Caesar an ihr teil- nehmen könne, und hier erklärte Piso, daß er alle Grausamkeit mißbillige, Gabinius sprach sich noch schärfer gegen die Hin-

') Cic. pro Seat. 25 ff. post red. in sen. 11 f. 82 und sonst oft.

») Plut. Cic. 80. Cic. pro Seat. 27.

») Cic. pro Mil. 87. Dio 88, 16, 5.

4) Cic. in Pis. 77 f. Dio 88, 16, 5. Plut. Cic 31.

8) Plut. Crass. 18. Cic. 83. Dio 38, 17, 2 Kpcfoso; 8i4 fiiv toö oUo? E<n£&tidv ttva t«p Ktxipum iyt&ttxvoto, a&toc ik ta toö itXvj&oot frcparct.

') Cic. pro Seat. 89 f. bar. resp. 47.

Ciceros Verbannung

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richtung der Catilinarier aus; Caesar wies darauf hin, daß seine Stellung dazu allbekannt sei, wenn er auch ein solches Gesetz über vergangene Dinge nicht für angebracht halte1).

Diese Äußerung, durch die er den Schein wahrte, konnte niemanden täuschen. Cicero hat mit dem Gedanken gespielt, bewaffneten Widerstand zu leisten, und später den Optimaten und dem Atticus schwere Vorwürfe gemacht, daß sie ihm davon abgeredet hätten2); aber ernsthaft war, wie die Dinge lagen, gamicht daran zu denken, ganz abgesehn davon, daß Cicero nicht der Mann dazu war. Cato hatte völlig recht, wenn er Cicero denselben Rat erteilte, den dieser ihm bei der Eidesleistung auf das julische Ackergesetz gegeben hatte, sich zu fügen und un- nützes Blutvergießen zu vermeiden8). So hat denn Cicero am Tage vor der Abstimmung, nachdem er auf dem Capitol ein Bild der Minerva aufgestellt, Rom verlassen und damit den Schein einer freiwilligen Entfernung gewahrt. Darauf wurde, wahrscheinlich am 20. März4), das Gesetz angenommen, und Caesar konnte nach Gallien eilen. Gleichzeitig erfolgte die An- nahme des Gesetzes, welches den beiden Consuln ihre Belohnung gewährte, und bald darauf*) die des Gesetzes über Catos Ent- sendung. Ciceros Haus wurde geplündert und niedergebrannt, die Trümmerstätte von Clodius für einen Tempel der Liberias, der jetzt durch Ciceros Brandmarkung glücklich gewonnenen Voll- freiheit des römischen Bürgers, geweiht, seine sonstigen Be- sitzungen eingezogen, die Beute, wenigstens zum Teil, zwischen Clodius und Gabinius geteilt. Dann brachte Clodius noch ein weiteres Gesetz zur Annahme, welches direkt aussprach, daß Cicero unter das vorige, absichtlich allgemein gehaltene Gesetz falle«) der Senatsbeschluß, auf den er sich bei der Hinrichtung

') Dio 88, 16 f. Cic. post red. in sen. 18 ff. in PU. 14. pro Sest 83. Von Caesars Äußerung schweigt Cicero natürlich. «) So vor allem Att. III 15. ») Plut. Cato 85.

*, S. Groebe bei Drumann II' 551 ff.

Cic. pro Sest. 68. de domo 65. sj Daher die Fassung velitis iubeatis ut M. Tullio aqua et igni

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Das Principat des Pompöjus

berufen habe, sei von ihm gefälscht1) , und den Hochverräter in Italien und weiter bis auf eine Entfernung von 400 oder 500 Meilen für vogelfrei erklärte1); wer ihn innerhalb dieses Ge- biets aufnahm, verfiel der gleichen Strafe3). Eine Klausel verbot, den Antrag auf Aufhebung des Gesetzes einzubringen oder dar- über abzustimmen, bis die, welche durch Cicero den Tod ge- funden hatten, wieder aufgelebt seien4); diesen Abschnitt ließ Clodius an dem Türpfosten der Curie zur Nachachtung an- schlagen5).

Clodras und Pompejus

Durch Caesars revolutionäre Maßregeln war scheinbar die Leitung des Staats in die Hände des Pompejus gelegt und sein Principat begründet*). Aber in Wirklichkeit war damit vielmehr

interdictum Sit, gegen die Cicero de domo 47 ff. als unzulässig und widereinnig polemisiert.

') Cic. de domo 50: quod M. Tullius falsum senatus consultum reUulerü.

*) Cic Att. m 4 (April): a Vibone subüo discessimus; adlata est enim nobis rogatio de pernicie mea, in qua quod correctum esse audieramus erat eiusmodi, ut mihi ultra quadringenta milia liceret esse. Plutarch Cic 32 gibt statt dessen iv-c&c H-t^wv n«vtaxootu»v MtaXt«;. Dio 88, 17, 7 : 8750 Stadien von Rom, das ist gleichfalls 500 Milien (au 7«/t 8tadien). Es ist sehr möglich, daß Cicero bei dem Brief an Atticus ungenau informiert war; jedenfalls Ut es ganz unzulässig, mit Boot und Purser die Zahl in Ciceros Brief in quingenta milia zu kor- rigieren. Baß die Entfernung von Italien aus gerechnet ist, lehrt Cic Att. IU 7, 1 , wonach es zweifelhaft ist , ob Athen genügend weit oft Italia entfernt ist.

•) Dio 88, 17, 7. Cic. de domo 51.

4) Cic. post red. in sen. 4 ut si revixissent ei, qui haec paene delerunt, tum ego redirem. Die Eingangsformel ib. 8 ne quis ad von referret, ne quis decerneret, ne disputaret, ne loqueretur, ne pedibiis iret, ne scribendo adesset. Vgl. in Pis. 29. ad Att. IH 12, 1. 13. 6 (ne referri neve dici liceret).

») Att. HI 15, 6.

•) Als prineeps civitatis bezeichnet Cicero den Pompejus post red. in sen. 4; ebenso de domo 66 Cn. Pompeium, quem omnium iudicio lange prineipem civitatis esse videbat (Clodius) und an Lentulus fam. I 9, 1 cum autem in republica Cn. Pompeius prineeps esset vir.

Clodius* Ziele. Sein Konflikt mit Pompejas

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die Anarchie aufgerichtet und dem wüstesten Treiben die Bahn geöffnet. Das zeigte sich sofort. Clodius war weit davon ent- fernt, eich als ein einfaches Werkzeug der Machthaber zu be- trachten; wie diese ihn, so hatte er sie für seine Ziele benutzt. Auf Caesar brauchte er, seit er in Gallien Krieg führte, keine Rücksicht mehr zunehmen; überdies konnte es diesem nur recht sein, wenn es in Rom möglichst wüst zuging. Pompejus aber imponierte ihm gar nicht. Nachdem er die Grundlagen seiner Stellung geschaffen und seine Rache genossen hatte, begann er wie Caesar den Schacher mit Vergünstigungen an abhängige Gemeinden und Dynasten, so Byzanz und den Galater Brogitaroe : in diesen Dingen waren die angeblichen Demokraten eben so korrupt wie die schlimmsten Optimaten, und trieben es nur noch weit ärger, weil sie eine ganz andere Macht hatten. Schon im Jahre 59 hatte er seine Blicke auf Armenien geworfen1), zu dem er ja von dem Feldzug des Lucullus her Beziehungen hatte; jetzt, etwa Ende April, befreite er den jüngeren Tigranes, den Pom- pejus gefangen nach Rom gebracht hatte, durch seine Banden aus dem freien Gewahrsam bei dem Praetor L. Flavius (S. 51 ff), in dem er gehalten wurde, und ermöglichte ihm die Flucht; in dem Gefecht, das sich daraus auf der appischen Straße entspann, fand unter anderen der Ritter M. Papirius den Tod*). Derartige Bluttaten waren in Rom allmählich etwas Alltägliches geworden, und ein Versuch, sie zu unterdrücken oder gar zu bestrafen, vollkommen aussichtslos; aber die Befreiung des Tigranes war ein Eingriff in die eben erst bestätigten Anordnungen des Pom- pejus und erforderte dessen Einschreiten. So veranlaßte er den Gabinius, gegen Clodius vorzugehn.

Clodius nahm den Fehdehandschuh auf. Eine Stütze fand er bei dem Consul Piso, der sich .als Caesarianer völlig passiv verhielt, während Gabinius nicht umhin konnte, den Weisungen seines Schirmherrn Pompejus zu folgen»). So kam es zu un-

') Cic. Att. n 5, 2.

*) Cic. pro Mil. 18. 37 mit Asconitw nnd schol. Bob.; de dorn. 66. Dio 88, 80. Die Zeit ergibt sich aus der Erwähnung bei Cic. ad Att. HI 8, 8 <80. Mai).

») Cic. in Pia. 27 ac ne tum quidem emersisii, lutiüente Caesonine

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Da« Principat des Pom pejus

unterbrochenen Straßenkämpfen, bei denen Clodius seinen bis- herigen Kumpan nicht besser behandelte, als Caesar und Vatinius den Bibulus: Gabinius' Fasces wurden zerbrochen, er selbst ver- wundet. Clodius weihte darauf die Habe des Gabinius der Ceres wegen Verletzung der tribunicisclien Gewalt, worauf sein Gegner L. Ninniu8 mit dem gleichen Verfahren gegen ihn vorging1).

Die Folge war, daß Pompejus dem Senat wieder näher rückte und in ihm eine 8tütze gegen den gemeinsamen Gegner suchte. Er willigte in dessen Forderung, die Verbannung Ciceros rück- gängig zu machen. Gegen Ende Mai schrieb dieser, durch seine Freunde über die Vorgänge in Rom auf dem laufenden gehalten, aus seinem Exil in Thessalonike einen Brief an den Mann, der ihn so schnöde verraten hatte, und so wurden die persönlichen Beziehungen wieder hergestellt*). Am 1. Juni nahm der Senat auf ein- Referat des Ninnius einstimmig den Antrag an, Cicero zurückzurufen ; und als der Tribun Aelius Ligus intercedierte, beschloß der Senat, in keine andre Verhandlung einzutreten, ehe

(Piso), ex miserrimis naturae tuae sordibus eine schöne Probe de« unflätigen Tons dieser Rede , cum experrecta tandem virtus clarissimi viri (deB Pompejus) celeriter et verum amicum et optime meritum eitern (d. i. Cicero) et suum pristinum morem requisivit . . .; cum tarnen Ute, qualiscumque est, qui est ab uno te improbüate victus, Gabinius, conlegit ipse se vix, sed conlegii tarnen, et contra suum Clodium primum simulate, deinde non lib enter, ad extremum tarnen pro Cn. Pompeio vere vehementerque pugnavit ukw. de domo 66 Clodius ... Cn. Pompeium . . . diutius furori suo veniam daturum non arbürabatur; qui ex eins custodia per insidias regia amici fllium, hostem, captivum surripuisset et ea iniuria virutn for- tissimum lacessisset, speraxnt isdem se copiis cum illo posse confii- gere, quibuscum ego noluissem bonorum periculo dimicare, et primo quidem adiutoribus consulibus; postea (regit foedue Gabinius, Piso tarnen in fide mansit. Dio 38, 80. Plnt. Pomp. 38.

') Cic. de domo 124 ff.; ferner pout red. in »en. 7 u. a. Dio 38, 30. 2.

') ad Att. m 8, 4 (80. Mai) litter arum exemplum, quas ad Pom- peium scripsi, misi tibi. Er hat jedoch wenig Hoffnung : motum in republica non tantum ego impendere video, quantum tu aut vides aut ad me consolandum ad fern; Tigrane enim neglecto sublala sunt omnia. Vgl. III 10. 1.

Clodiuß' Angriffe auf Pompejus

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diese Sache erledigt sei1). Von da an ist über ein Jahr lang um Cicero« Rückberufung gekämpft worden; die gesamte Staats- maschine kam vollständig zum Stillstand, wenn auch die Wahlen zustande kamen und der Senat sich im November entschloß, wenigstens die für die Provinzialverwaltung nötigen Gelder an- zuweisen2). Die Gonsuln weigerten Bich, unter Berufung auf die Klausel des clodischen Gesetzes, eine Diskussion der Frage im Senat zuzulassen1), dodius aber ging nur noch heftiger gegen Pompejus vor. Am 11. August wurde, sIb er in den Senat kam, ein Sklave des Clodius beim Castortempel mit einem Dolch angetroffen und daraufhin dem Consul Gabinius angezeigt, daß Clodius den Pompejus habe ermorden lassen wollen. Darauf zog sich Pompejus von der Öffentlichkeit zurück, und der Mann, der das Oberhaupt des Staats sein wollte, kam in die eben so schimpfliche wie lächerliche Lage, daß er, unter fortwährenden Straßenkämpfen von Clodius' Banden belagert, monatelang in sein Haus eingesperrt war4). Der Tribun Terentius CuJleo gab

') Cic. pro Sept. 68 f. post red. in sen. 8. in Pi». 29. pro Mil. 19. Dio 38, 80, 8 f. Plut. Cic. 88. *) Cic. ad Att. III 24. 2.

*) Cic in Pia. 29; mit einer durchaus unwahren, auf die Stimmung der Manen berechneten Motivierung in der Rede post red. ad Quirites 11: at pro me superiores consule^ semper ut referrent flagitati sunt; sed veriti sunt, ne gratiae causa facere viderentur, quod alier mihi adfinis erat (Piso durch Cicero« Schwiegersohn), alterius causam ca- pitis reeeperam (wann dieser Prozeß de« Gabinius gespielt hat, ist nicht bekannt). Man sieht, wenn es ihm ratsam erschien, konnte Cicero seinen Ingrimm ganz wohl unterdrücken.

*) Cic. in Pis. 28. pro Sest. 69. de har. reep. 49. pro Mil. 18. 87 u. a. Plut. Pomp. 49. Hauptstelle Ascon. p. 47 (zu pro Mil. 87), der aus den Ada eius anni weiter anführt, daß Clodius' Freigelassener Damio den l'ompejus belagerte, deshalb von dem Praetor L. Flavius verklagt wurde, und am 16- August der Tribun L. Novius mit folgenden Worten für ihn eintrat: eiißi ab} hoc apparitore P. Clodi vulneratus sum et ho- minibus armatis, praesidiis disposiHs a republica remotus Cn. Pom- peius obse*sus(que est}, cum appeller, non utar eius exemplo, quem vitupero, et iudicium toüam. Man sieht aus diesen und ahnlichen Anführungen bei Asconius, wie detailliert die Vorgange in den Acta aufgezeichnet waren; sie bilden offenbar die eigentliche Grundlage

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Da,* Principat des Pompejus

Pompejus den Rat, nach diesen Erfahrungen mit Caesar zu brechen, sich von Julia zu scheiden und sich ganz dem Senat in die Arme zu werfen1); aber das war für Pompejus unmöglich, er konnte den Druck, den Caesar auf die Nobilität ausübte, nicht entbehren. So verhandelte er vielmehr mit diesem; der designierte Tribun Sestius suchte ihn deshalb in Gallien auf; aber Caesar antwortete kühl und ließ wenig Entgegenkommen spüren2). Trotzdem brachten, von Pompejus gestützt, acht Tribunen am 29. Oktober den Antrag auf Ciceros Rückberufung vor den Senat, und dieser sprach sich dafür aus, voran der de- signierte Consul Lentulus Spinther; aber die Consuln und der Tribun Ligus verhinderten das Zustandekommen eines Be- schlüsse*8). Clodius antwortete mit einer neuen Wendung: er drohte nicht nur, mit Pompejus' Haus auf den Carinen ebenso

unserer vorzüglichen Oberlieferung über diese Zeit, wenn dieselbe natürlich auch einer Ergänzung und wesentlichen Vertiefung durch weitere Informationen bedurfte, wie sie namentlich in den Privatkor- respondenzen zu finden waren : die inneren Zusammenhange und die Motive der handelnden Personen ließen sich aus den Acta noch weniger entnehmen, als gegenwärtig aus den besseren Zeitungen.

') Plut. Pomp. 49. Über Culleos Plan eines Einschreitens gegen Clo- dius' Gesetz als ein Privilegium s. Cic. Att. IH 15, 5.

*) Cic. Att. III 18 (September): Atticus hat geschrieben, Varro habe ihm mitgeteilt causam nostram Pompeiutn certe suseepturum et simttl a Caesars ei litterae, quas exspectaret, remissae essent, ac- torem etiam daturum; vgl. 22, 2. Cic. pro Sest. 71 P. Sestius ... Oer ad C. Caesarem pro niea salute suseepü. quid egerü, quantum profecerü, nihil ad causam: equidem existimo, si ille, ut arbüror, aequus nobis fuerat, nihil ab hoc profectum; sin iratior, non multwm. Daraua geht Caesars wirkliches Verhalten klar hervor.

•) Cic. ad Att. HI 28. pro Seat. 70. de domo 70. post red. in sen. 4. 8. 29: (Pompeius) qui cum ipse propter metum ditnicationis et san- guinis domo se teneret, iam a superioribus tribunis (denen des Jahres 58) petierit, ut de salute mea et promulgarent et referrent. Völlig entschieden war Pompejus' Stellung indessen noch keineswegs, am 25. November schreibt Cicero ad Att. III 22, 2 Lentulus suo in nos officio (durch sein Auftreten für Cicero), quod et re et promissis et litteris declarat, spem nobis nonnuUam adfert Potnpei voluntatis (daß es diesem wirklich Ernst sei): saepe enim tu ad me scripsisti, eum (d. i. Lentulus) totum esse in illius (d. i. Pompejus) voluntate.

Anträge aut Ciceros Rüekberufung 107

zu verfahren, wie mit dem Ciceros auf dem Palatin1), sondern griff jetzt auch Caesar an : er erklärte vor Senat und Volk, seine Gesetze seien ungültig, rief Bibulus als Zeugen auf, daß er an den Tagen ihrer Annahme seine Himmelsbeobachtungen an- gestellt habe, und ließ sich ein Gutachten der Augurn geben: der Senat müsse alle Gesetze Caesars kassieren, wenn er das tue, wolle er selbst den Cicero auf seinen Schultern in die Stadt zurücktragen*). Ernst war es ihm mit diesen Behauptungen, die die Grundlage Beines eigenen Tribunats in Frage stellten, natürlich nicht; aber gestützt auf den von ihm organisierten Stadtpöbel konnte er unbedenklich gegen die drei Machthaber, deren heimliche Rivalität eine energische Aktion hinderte*), einen lustigen Krieg beginnen. Zugleich mochte er denken, Caesar dadurch, daß er auch ihn bedrohte, auf seiner Seite festzuhalten.

Nach Ablauf seines Tribunats (10. Dezember) und dem Ab- gang der Consuln konnte man hoffen, ans Ziel zu gelangen. Die Wahlen waren durchaus zugunsten des Senats ausgefallen; zu- gleich hatte Cicero, der sich in Erwartung seiner unmittelbar bevorstehenden Rückkehr, und zugleich, um Piso, der jetzt die Statthalterschaft Macedoniens übernahm, aus dem Wege zu gehn, schon im November von Thessalonike nach Dyrrachium begeben hatte4), dem Pompejus durch seinen Bruder Quintus bindende Versprechungen über sein zukünftiges Verhalten und speziell über die Anerkennung der julischen Gesetze gegeben

') Cic. har. reap. 49.

*) Cic. de domo 39 f. de har. resp. 48.

■) Crassus, wie immer auf Pompejus eifersüchtig, blieb wie ge- wöhnlich im Hintergrande; er stand ja auch den beiden anderen Ge- nossen an Macht keineswegs gleich. Ihm wird Clodius Auftreten gegen Pompejus sehr recht gewesen sein und er wird ihn wohl insgeheim unterstützt haben. Am 5. Oktober schreibt Cicero an Terentia , fam. XIV 2, 2: in novis tribunis pl. inteüego sperrt te habere, id erit flrmutn , si Pompei volunias erit, sed Crassum tarnen metuo. Vgl. am 29. November an Atticns III 28, 5: tertia est epistola pridie Idua Nov. data, in qua exponis prudenter et diligenter quae sint qua* rem distinere videantur, de Grosso, de Pompeio, de ceteris.

*) Cic. Art. III 22.

Das Principat des Pompejus

und dadurch nicht nur Pompejus' Eintreten, sondern auch Caesars Einwilligung gewonnen1). So brachte Lentulus Spinther gleich nach Antritt Beines ConBulats am 1. Januar die Sache im Senat aufs neue zur Sprache; und auch sein Kollege Metellus Nepos erklärte, er lasse seinen alten Hader mit Cicero (S. 39) fahren und füge sich dem Wunsch des Senats und den Anforde- rungen des Staats2). Indessen Pompejus, der jetzt wieder in den Sitzungen erschien, erklärte mit Recht, daß ein bloßer Senats- beschluß wenig helfen könne; es sei vielmehr ein vom Volk an- genommenes Gesetz erforderlich. Der Senat stimmte zu. Aber auch Clodius hatte Vertreter seiner Interessen: seinen Bruder Appius, der jetzt Praetor war, und zwei Tribunen. Zu inter- cedieren wagten sie bei der herrschenden Stimmung nicht; aber der Tribun Atilius Serranus (Gavianus) erbat sich Bedenkzeit bis zum folgenden Tage, und dann gelang es ihm um so leichter, die Sache ergebnislos hinzuziehn, da nach einer absurden Bestimmung der Verfassung (der lex Pupia) im Januar nur an wenigen Tagen Sitzung gehalten und ein Beschluß gefaßt werden durfte8). End- lich am 23. Januar brachte der Tribun Q. Fabricius im Ein- verständnis mit seinen Kollegen die Sache vor das Volk. Aber wie die Anhänger hatte auch Clodius sich gerührt und seine Banden durch die von seinem Bruder Appius für eine Leichen- feier bereitgehaltenen Gladiatoren verstärkt. Es kam zu einer Straßenschlacht, und die Versammlung wurde gesprengt; bei-

') Auf dies« Versprechungen kam Pompejus nach der Konferenz in Luca zurück ; wie Cicero an Lentulus im Jahre 54 (fam. I 9, 9) schreibt, sagte er zu Quintus: „nisi cum Marco fratre diligenter egeris, de- pendendum tibi est, quod müii pro illo spopondisti". quid multa? questus est graviier; sua merita commemoravit ; quid egisset sae- pi88ime de actis Caesaris cum ipso meo fratre quidque sibi is de me reeepisset, in memoriam redegit seque, quae de mea scUute egisset, voluntate Caesaris egisse ipsum meum fratrem testatus est. Vgl. de prov. cons. 43.

*) Cic. Sest. 72. de prov. cons. 22. Vgl. Ciceros Brief an ihn fam. V 4.

«) Es sind der 1. 2. 5. 6. 9. 10. 11. 13. 14. 15.; die übrigen Tage so die ganze zweite Hüfte des Monats, sind Comitialtage,

Kämpfe um Ciceros Rückberufung

109

nahe hatte auch Quintus Cicero an diesem Tage sein Leben ver- loren1). In den folgenden Monaten setzten sich diese Szenen fort; der Tribun Milo organisierte gleichfalls eine Bande und nahm den Kampf mit Godius auf, eifrig unterstützt vor allem von seinem Kollegen P. Seatius, der in einem dieser Gefechte mit Wunden bedeokt für tot dalag, ebenso wie von der Gegen- partei der Tribun Q. Numerius*). So gingen Monate hin; wie im vorigen Jahre kamen alle Geschäfte, auch die Verhandlungen mit den Gesandtschaften, zu völligem Stillstand; und auch die Gerichte, wenigstens die Kriminalgerichte, funktionierten nicht mehr3).

') Cic. pro Sest. 72. 85, vgl. Pia. 85. post red. in sen. 22 u. a. Dio 89, 6 f. Plut. Pomp. 49 = Cic. 88. Cicero, der auf die Kunde von dem Senatsbeschluß vom 1. Januar renommiert, wenn dagegen Einspruch er- hoben werde, wolle er doch auf Grund desselben zurückkehren und wenn es sein Leben koste (si obtrectabitur, utar auctoritate senatus et potiiM vita quam patria carebo, ad Att. m 26), versinkt auf die Nachricht von diesen Vorgängen wieder in die tiefste Depression, Att.

III 27: ex tuis litteris et ex re ipsa nos fundilus perisse Video.

*) Cic. pro Sest. 79 ff. post red. in sen. 19 ff. und sonst.

*) post red. ad sen. 6: üaque postea nihil vos civibus, nihil sociis, nihil regibus respondistis ; nihü iudices sentenHis, nihil po- pulus sitffragüs, nihil hic ordo auctoritate declaravit. ad Quir. 14 nulla iudicia. pro Sest. 85 non modo nuUa novo quaestio, sed etiam vetera iudicia sublata. Im übrigen liegt hier eine eigenartige Schwierigkeit vor. Es ist sicher, daß Milo den Clodius im Jahre 57 zweimal auf Grund der lex PMia de vi verklagt hat (pro Hfl. 85. 40 tarnen se Milo continuit et P. Clodium in iudicium bis, ad vim nun- quam vocavit), ohne daß der Prozeß zur Verhandlung kam, und daß die erste Anklage vor Ciceros Rückkehr fällt, da Cicero sie sowohl ad Att.

IV 8, 2 (antea cum iudicium tollebat [codd. nolebat])f geschrieben 28. No- vember, wie post red. in sen. 19 erwähnt : T. Anniuscum videret, . . . (Clo- dium) si legibus uti liceret, iudicio esse frangendum, sin ipsa iudicia vis impediret ac toüeret, audaciam virtute . . . vim vi esse super an- dam, primo de vi postulavit; posteaquam ab eodem iudicia sublata esse vidit, ne ille omnia vi posset efflcere curavit, indem er seine be- waffnete Bande organisierte; und es Hegt nahe, die allgemeine Auf- hebung der Gerichte, von der Cicero redet, mit diesem Vorgang in Ver- bindung zu setzen. Die zweite Anklage schwebte nach der Andeutung Ciceros ad Qu. fr. II 1, 2 Mitte Dezember, kurz vor den Saturnalien.

110

Das Principat des Pompejus

Pompejus und der Senat benutzten diese Zeit, um für ihre Sache Stimmung zu machen; und in der Tat mußte ja wenn auch nicht dem Stadtpöbel, so doch allen anständigen Elementen der

Nun erzahlt Dio 39, 7, daß im Jahre 57 Clodius sich am die Aedilit&t bewarb, um dadarch die Anklage durch Milo an möglich zu machen und daß deshalb die Aedilenwahlen nicht zustande kamen. (Das ist be- kanntlich richtig; im November hinderte Milo sie durch Obnuntiation Cic. ad Att. IV 3, 8, und die Wahl fand erst am 20. Januar 56 statt, ad Qu. fr. II 2, 2). Infolge dessen konnten auch die Wahlen der Quaestoren nicht stattfinden (die am 5. Dezember antreten sollten); und da diese den Gerichtshof auszulosen hatten, benutzte der Consul Nepos das, um den Prozeß unmöglich zu machen, indem er dem Praetor verbot, vor der Losung irgend einen Prozeß zuzulassen. (KX<o8to? . . . &YopavofjUav •£m u»5 xai rnv Slx-rjy r?;? ßla?, fiv &jioiux&"J, 8iaf to£<$firvo$. ifpaty'xxo T*p rxütöv 6 MiXu>v. xai o6x Ivr^iftv. oßrt fdp ol tauiat, iC u>v rfjv &KOxk*rj- pcootv tü»v 8txaotä»y yi'/to^a* *XP^iv» fpYtVT0> & Nincop ixt ixt t«j> ctpa- trftü, jvqStfitav npo xrfi xXir]pu»otu»s a&tüv 3ixt}v «poocoftat. ffttt 8* fipa too^ äf opavofioo^ xpö tdiy tajudiv xataor?)vai, xal Sta toöto fiAXiotat 4j tpißY) iftytto.) Man würde also diese Vorgänge (wie es auch allgemein ge- fcohehn ist) ins Ende des Jahres 57 setzen und auf die zweite Anklage beziehn; und dazu stimmt, daß nach Cic. ad Qu. fr. II 1, 2 eben damals, Mitte Dezember, der designierte Consul Marcellinus eenlentiam diocit ut ipse iudices per praeiorem urbanum soriiretur (oder nach der Vermutung von Manutios, die nach anderen Sternkopf, Hermes 39, 895 aufgenommen und modifiziert hat , ut ipse iudices per (pe) praetor urbanua sortiretur), iudicum sortilione facta comitia (der Aedilen) haberentur; qui iudicia impedisset , eutn contra rempublicam esse fadurum; dagegen erhoben zwei auf Clodius' Seite stehende Tribunen Einspruch, so daß die Sache resultatlos verlief. Nach dieser Ver- handlung würde dann der Consul Nepos in der von Dio angegebenen Weise eingegriffen haben. Auf den gleichen Gegenstand bezieht man mit Recht auch den Bericht Ciceros Über die Senatsverhandlungen am 14. November Att. IV 8, 8: domi Clodius; egregius MarceUinus, omnes

etiam Hercule famüiari tuo (unbekannt) . . . Sestius furere. JUe (Clodius) postea, si comitia sua non fierent, urbi minari. (Milo) proposüa Marcellini sententia . . . proscripsü, se per omnis dies comüialis de caelo servaturum. Aber Dio setzt die Vorgänge in die erste Hälfte des Jahres, nach dem Blutbad vom 23. Januar 57, aber vor die folgenden Straßeukümpfe; spater habe sich dann Nepos seinem Kol- legen und dem Pompejus gefügt und dadurch Ciceros Rück berufung er- möglicht Wenn das richtig wäre, müßten wir annehmen, daß Dios

Kämpfe am Cicero« Rückberufang

111

Bürgerschaft in ganz Italien einleuchten, daß die Notlage, die volle Auflösung alles Regiments, nach Abhilfe schrie. Pompejus, als Duovir der von ihm und Caesar gegründeten Kolonie Capua,

Bericht sich auf die erste Anklage bezieht and weiter Clodias sich schon für 57 um die Aedilität beworben hätte und dnß es in diesem ganten Jahr nicht zur Wahl von Aedilen und Qaaestoren gekommen wäre, was ganz andenkbar ist und jedenfalls erwähnt werden würde. Nun stellt aber Cicero pro Sest. 89 den Hergang ganz ähnlich dar wie Dio: ehe Milo zu gewaltsamen Mitteln greift, descetidit ad accusandum. . . . ecce tibi eonsul (Nepos), praetor (Appius Claudius), tribunus plebis (Ligus) nova novi generis edicta proponunt : ne reus adsit, ne citetur, ne quaeratur, ne mentionem omnino cuiquam iudicum aut iudi- ciorum facere liceat. quid ageret vir ad virtutem . . . naius . . . legibus iudicüsque sublatis? . . . an se dcmi coniineret? usw. Ähn- lich äußert sich Cicero im Jahre 54 in dem Bericht an Lentulus fam. I 9, 15 (Clodius) impunitatem est Worum sententiis adsecutus, qui, cum tribunus pl. (Milo) poenas a seditioso civi per bonos viros tudicio persequi veüet, exemplum praeclarissimum in posterum vindicandae seditionis de republica sustulerunt ; v gl. auch pro Sest. 95 Milo . . . accusare eum moderate . . . per senatus auctoritatem non est Situs. Und daß Cicero an diesen Stellen nicht etwa die Chronologie tendenziös verschiebt, wird durch Metellus Nepos selbst bestätigt, der im Jahre 56 an Cicero über Clodius denn nur dieser kann gemeint sein schreibt: de Wo ne meminisse quidem tolo, tametsi bis eum inritum servavi (fam. Y 8). Völlige Klarheit ist, soweit ich sehe, nicht zu erlangen. Im wesentlichen scheinen die Dinge so verlaufen zu sein, daß Milo etwa im Februar 57 die erste Klage gegen Clodius erhob, und zwar, was zu be- achten ist, nicht als Tribun vor der Plebs, sondern in einem regulären Prozeß vor dem Praetor, und daß dann der Consul Metellas Nepos, unterstützt von dem Praetor Appius, Clodius1 Bruder, und dem Tribunen Ligus, und sich berufend auf die vom Senat beschlossene Suspension aller Geschäfte die Annahme der Klage verbot und so einen allgemeinen Stillstand der Recht sprechung herbeiführte. Nach Ciceros Rückkehr, als man, freilich vergeblich, eine Wiederherstellung der normalen Zu- stände hoffte, hat dann Milo seine Klage von neuem erhoben; und jetzt hat Nepos, unterstützt von seinen Genossen, das Zustandekommen eines Senatsbeschlusses verhindert und nach dem 5. Dezember dem Praetor die Annahme der Klage verboten, weil die Quaestoren, die die Losung vollziehn sollten, noch nicht gewählt waren. Wenn das richtig ist, so hat wohl nicht Dio selbst, sondern schon seine Quelle diese Vorgänge bei der zweiten Klage irrtümlich mit der ersten verbanden and daher viel zu früh datiert, vermutlich eben unter der Einwirkung der Dar-

112

Das Principat des Pompejus

veranlaßt» eben Beschluß derselben für Ciceros Rückkehr, der überall in Italien Zustimmung fand1); der Senat empfahl Cicero allen Beamten, Untertanen und abhängigen Mächten und forderte alle Bewohner Italiens, denen das Wohlergehn - des Staats am Herzen liege, auf, möglichst zahlreich zur Abstimmung zu kommen2). Endlich im Juli war man so weit, daß der Consul Lentulus den Antrag im Senat vorlegen konnte, den Oesetzentwurf vor das Volk zu bringen. Pompejus verlas sein Votum, daß Cicero das Vaterland gerettet habe; der gesamte Senat, 416 Anwesende gegen den einzigen Clodius, stimmte zu, eine Intercession wurde nicht mehr gewagt. Am nächsten Tag wurde, gleichfalls auf Antrag des Pompejus, hinzugefügt, daß wer durch Himmels- beobachtung — wie das Appius Claudius versucht hatte oder sonst die Verhandlung zu hindern suche, gegen den Staat handle und die Consuln sofort über ihn als einen Staatsfeind referieren sollten; werde das Gesetz innerhalb der nächsten fünf Tage, an denen eine Verhandlung zulässig sei, nicht angenommen, so solle Cicero dennoch zurückkehren und in seine alte Stellung wieder eingesetzt werden; zugleich wurde allen, die aus ganz Italien herbeigeströmt waren, der Dank des Senats ausgesprochen3). Die Zustimmung der Bürgerschaft äußerte sich bei jedem An-

stellung Ciceros pro Sest 89, die ihm mit Nepos' Vorgehn auf Grund der nicht vollzogenen Quaestorenwahlen identisch schien. An rich- tiger Stelle , aber ohne weiteres Detail , wird die Anklage des Clodius auch bei Plut. Cic 83 erw&hnt, nach dem Kampf am 23. Januar: xou tü»v 8-r)fj/ipx<»v "Aww? MiXtnv icpüfoc frtöX|iY)3t tbv KXti&wv tt$ tfvnv 4»«- Y»tv ßiat»v.

') post. red. in sen. 29. pro Mil. 89. Abcou. in Pison. 3.

*) Cic post red. in sen. 24 f. de dorn. 74. 85. pro Plane. 78. pro Sest. 50. 128 ; vgl. de div. I 59. Dieser Vorgang ist in dem kursen Be- richt Appians II 15, 57 erhalten (xal \ ßooX*r] aovtTrr) tiv av3p« koXmi rt xal ßaoiXtöat xal SovasTatc), der im übrigen mit Recht scharf hervorhebt, daß es sich um einen Kampf zwischen Pompejus und Clodius handelte; Pompejus habe den Milo (den Appian aus Flüchtigkeit sum Kollegen des Clodius macht) durch Eröffnung der Hoffnung auf das Consulat für seine Aktion gewonnen.

*) Cic. pro Sest. 128 f. post red. ad sen. 25 ff. ad Quir. 15 f. de dorn. 14. 30. in Pis. 35. 80.

Ciceros Rückherufnng

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laß1); die Getreidepreise, die unter der Anarchie gewaltig ge- stiegen waren, sanken sofort, da man jetzt die Wiederkehr normaler Zustande hoffen durfte*). So wurde das Gesetz, das beide Consuln einbrachten, am 4. August8), nachdem Pompejus und andre dafür mit warmen Worten gesprochen hatten, von den Centuriatcomitien4) ohne Schwierigkeit angenommen. An dem- selben Tage schiffte sich Cicero in Dyrrachium ein; von allen Städten Italiens wurde er mit Jubel begrüßt; am 4. September hielt er, unter dem Zustrom aller Bevölkerungsschichten auch Crassus hielt es für angebracht, ihm entgegenzugehn6) , seinen triumphierenden Einzug in Rom*).

Pompejus, Cicero und der Senat

Pompejus hatte Ciceros Rückberufimg herbeigeführt in der doppelten Erwartung, durch diese Konzession den Senat gefügig zu machen und in ihm die ersehnte Stütze für seine Stellung zu gewinnen, und auf der andern Seite so der Anarchie und de» Clodius Herr zu werden. Aber keine der beiden Hoffnungen er- füllte sich. Clodius, aufs tiefste erbittert durch die Restituierung seines Todfeindes, setzte sein Treiben nur mit um so größerer Heftigkeit fort. Es ist nicht erforderlich, auf die Tumulte, Schlägereien und Brandstiftungen, mit denen er Cicero und seine Anhänger während der nächsten Monate bedrängte, näher ein- zugehn7). Das Charakteristische für die Situation ist, daß der

') Cic pro Seat. 128 ff.

*) de dorn. 14. post red. ad Quir. 18.

*) Cic. Att. IV 1. 4.

4) post red. in sen. 18. pro dorn. 75 u. a. Natürlich wandten sich die Consuln an die Centarien . wahrend Clodius' Gesetz ein Plebiscit war; der Unterschied i«t auch für den Ausfall der beiden Abstimmungen von Bedeutung.

») Plut. (Sc. 88.

•) Cic. Att. IV 1, 5.

*) Wir haben darüber durch die Briefe ad Att. IV 1—3 und ad Qu. fr. II 1 genaue Kunde [dazu vgl. Stkrkkopf, Hermes 89. 392 ff.; ferner de bar. resp. 11 ff.; die Tatsachen gibt Dio 39. 11 richtig wieder, kürzer Plut. Hey er, Caesar« Monarchie 8

in

Das Principat des Pompejus

Senat, der ehemals die Scharen des C. Qracchus and des Satur- ninus niedergeworfen und noch im Jahre 63 mit den Catilinariern klirren Prozeß gemacht hatte, jetzt gegen den amtlosen Privat- mann — denn das war Clodius in diesem Jahr völlig wehrlos ist, und zwar, obwohl die Masse der bürgerlichen Bevölkerung dem Clodius durchaus ablehnend gegenübersteht und auch in dieser Lage noch seinen Banden die Wage halten kann. Es gab eben in Wirklichkeit in Rom keine Regierung mehr. Man ver- suchte, Clodius' Wahl zum Aedilen für das nächste Jahr durch Aufschiebung der Comitien zu hintertreiben, Milo zog ihn wegen seiner Gewalttaten vor Gericht; aber eben diese Verschiebung

Cic. 83 und App. II 16, 60, nach der gleichen Quelle, der beide die Angabe entnehmen, Cicero aei im 16. Monat nach seiner Vertreibung zurückgekehrt] : 29. September Cicero« Rede de domo vor den pontiflces, die ein ihm gün- stiges Gutachten abgeben; Clodius fordert in einer von seinem Bruder Appius berufenen contio auf, das auf der Brandstätte des Hauses er- richtete Heiligtum der Liberias zu schützen. 1. Oktober: Veihandlung im Senat, Dauerrede des Clodius, Intercession des Serranus, die auf das energische Einschreiten der Consuln, die sofort darüber referieren, zu- rückgezogen wird; 2. Oktober: Senatsbeschluß, der Cicero sein Grund- stück nebst den Baukosten und die Entschädigung für die zerstörten Villen bewilligt. 8. November: Clodius verjagt die Arbeiter Ciceros von der Baustätte und steckt das Haus seinen Bruders in Brand. 11. No- vember: Clodius überfallt Cicero auf der via sacra. 12. November: An- griff auf das Haus Milos auf dem Cermalus vom Hause des P. Sulla (des alten Catilinariers, den Cicero verteidigt hatte!) aus; in dem Straßen- kampf werden mehrere Clodianer erschlagen, er selbst entkommt. 14. No- vember: Senatsverhandlung darüber, in der der Consul Metellas Nepo* mit Unterstütxung des Appius und eines ungenannten famiHaris de« Atticus durch lange Reden einen Beschluß verhindern. Milo meldet für alle Comitialtage Himmelsbeobachtung an, um ClodiuB' Wahl zum Aedilen su verhindern, und besetzt dafür am 19. und 23. Dezember das Mars- feld, am 20. das comiUum; zu Kämpfen kommt es nicht, obwohl Milo bereit ist, den Clodius zu erschlagen. Mitte Dezember bringt der neue Tribun Racilius die Frage der Behandlung des Prozesses, den Milo gegen Clodius angestrengt hat (S. HO Anm.), im Senat zur Sprache; die Tribunen C. Cato und Casums treten dagegen auf, Cicero greift in seiner sententia den Clodius an, dieser halt eine Dancrrede und sprengt durch einen Tumult seiner Banden die Senatssitzung. Vor Ende des Jahres kommt es su keiner Entscheidung mehr.

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Händel mit Clodiw. Stocken der Getreidezufuhr

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der Wahlen bot dem Consul Metellus Nepos, der mit Clodius die Fühlung nicht ganz verlieren will und überdies dem Pompejus seit dessen Scheidung von seiner Schwester Mucia gern einen Tort antat, die Handhabe, den Prozeß zu vereiteln, weil dadurch zugleich die regelrechte Auslosung des Gerichtshofs durch die Quaestoren, die jetzt auch noch nicht gewählt werden konnten, unmöglich gemacht wurde (S. 110 Anm.). Appius und die An- hänger des Clodius unter den Tribunen unterstützten ihn, und in dem Wortgefecht über diese Frage verging der Dezember; so kam der ganze Verwaltungsapparat ins Stocken. Erst am 20. Januar 56 wurde Clodius zum Aedilen gewählt. Jetzt war er als Beamter wieder unangreifbar; dagegen zog er nun seiner- seits sofort den Milo wegen seiner Gewalttaten vor Gericht.

Weit bedeutsamer für die Gesamtentwicklung war, dali Clodius mit seinen Genossen die Angriffe auf Pompejus un- bekümmert weiter fortsetzte. Eben dagegen hatte Pompejus im Senat und in Cicero eine Stütze gesucht; er hatte erfahren, daß er in amtloser Stellung, als Privatmann, lediglich gestützt auf das Vertrauen, das er im Mittelstande und in den erwerbenden Klassen als der einzige, der einigermaßen Ordnung schaffen könne, immer noch besaß, gegen die turbulente Opposition des von dem Demagogen aufgehetzten Pöbels, gegen die tiefe Ab- neigung der Aristokratie, und gegen die geheimen Intrigen seines offiziellen Bundesgenossen Crassus die Leitung des Staats zu führen nicht imstande war, sondern ein Amt haben müsse, das ihm eine staatlich anerkannte Machtstellung gewährte. Die Handhabe dafür bot die in dem anarchischen Treiben der Haupt- stadt immer wieder anwachsende Teuerung; es ist begreiflich, daß die Getreidezufuhr völlig unsicher sein mußte, auch wenn nicht Preistreibereien und Schiebungen aus geschäftlichem und politischem Interesse hinzugekommen wären. Zur Zeit von Ciceros Rückkehr, bei dem massenhaften Zustrom von Fremden aus ganz Italien nach Rom, erreichten die Brotpreise wieder eine exorbitante Höhe; die Schuld schrieb Clodius, für den das Wasser auf seine Mühle war, natürlich dem Cicero zu. Es kam auf dem Capitol zu heftigen Tumulten; der Pöbel drohte mit Brand-

110

Das Principat des Pompejus

Stiftung und Ermordung der Senatoren, der Gonsul Metellus wurde mit Stein würfen verfolgt; Pompejus Bei der einzige Mann, der helfen könne, Cicero müsse dafür sorgen1). Offenbar hat Pompejus selbst, wie Clodius mit Recht behauptete*), diese Be- wegung geschürt; jetzt griff er zu, sein Werkzeug war Cicero, der hier den Dienst leistete, zu dem er sich verpflichtet hatte. Gleich nach seiner Rückkehr und Danksagung, am 7. September, stellte er im Senat den Antrag, mit Pompejus über die Getreide- versorgung in Verhandlung zu treten und ein darauf bezügliches Gesetz einzubringen. Willkommen war der Antrag der Nobüität natürlich nicht, und alle Consulare bis auf Messalla (cos. 61 und Mitglied der Caesarischen Ackerkommission, oben S. 65) und Afranius (cos. 60) glänzten durch Abwesenheit, unter dem Vor- wand, ihre Sicherheit sei bedroht*); aber entziehen konnte der Senat sich ihm nicht, und als Cicero gleich darauf dem Volk davon Mitteilung machte, um die aufgeregten Massen zu be- ruhigen, erklärten alle Magistrate bis auf einen Praetor (Appius Claudius) und zwei Tribüne (Clodius' Anhänger Serranus und Numerius Quintius) ihre Zustimmung. Was Pompejus begehrte, formulierte der ihm ergebene Tribun C. Messiua: die Getreide- verwaltung im ganzen Reich auf fünf Jahre mit freier Verfügung über die Staatskasse, eigenes Heer und Flotte mit 15 Legaten und einer den Provinzialstatthaltern übergeordneten Kommando- gewalt, also tatsächlich die Herrschaft über das gesamte Reich in noch größerem Umfang, als sie ihm das gabinische und das raanilische Gesetz in den Jahren 67 und 66 verliehen hatte. Aber in dieser Weise völlig abzudanken konnte der Senat sich doch nicht entschließen: so brachten die Consuln einen Ge<n*n- entwurf ein, in dem die Verfügung über den Staatsschatz, Heer

') Cic. ad Att IV 1, 6. de dorn. 6 ff. Dio 89, 9.

■) Plut. Pomp. 49 KXn4toc W ^ti&t9 fiTj <rsYpd?d-at töv vijtov 8tA rtjv orcoitcav, aXX* 8«u>; 6 v6f«>c TP^h ■{tfovkwt tty ottoÄttav. Danach er- wähnt Plntarch eine Version, nach der der Consul Lentulus Spinther dafQr eingetreten sei, damit nicht Pompejus, sondern er selbst nach Aegypten geschickt werde. Solche persönliche Motive laufen natürlich immer dazwischen.

») Cic. ad Att. IV 1, 6; ebenso de dorn. 8.

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Pompejus erhalt die Getreideversorgung

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und Flotte und das Oberkommando in den Provinzen gestrichen war. Pompejus' Vertraute forderten das Gesetz des Messius, er selbst aber erklärte sich mit dem der Consuln einverstanden. An Widerstand war nicht zu denken, wenn auch, wie Cicero berichtet, die Consulare murrten, unter Führung des Favonius, des Verehrers Catos, der wahrend dessen Abwesenheit seine Rolle übernahm. So wurde der Entwurf der Consuln, „der jetzt dem unerträglichen Antrag des Messius gegenüber bescheiden er- schien", sofort vom Senat und kurz darauf auch vom Volk an- genommen1).

Gegen das Verhalten des Pompejus ist oft der Vorwurf der Hinterhältigkeit erhoben und es ist für einen unverzeihlichen Fehler erklärt worden, daß er anstatt zu fordern und zu befehlen, sich mit affektierter Bescheidenheit zurückhielt, erklärte, mit dem Geringeren zufrieden zu sein, und dann nicht verhindern konnte, daß man ihn beim Wort nahm. Aber das liegt nun einmal im Wesen der Stellung, die er begehrte, und ist der charakteristische Grundzug des Principats im Gegensatz zur Monarchie geblieben: der erste Bürger darf sich nicht aufdrängen, sondern muß ge- beten werden, um des Gemeinwohls willen die schwere Last auf

M Cic. ad Att. IV 1, 6 f. üla nostra lex consiüaris nunc mo- desta tridetur, haec Messi non ferenda. Pompeius iüam velle w dicit, familiäres hanc. Vonsulares duce Favonio fremunt; nos tace- intts. Vgl. de domo 15 ff. 25 ff. Dio 39, 9 6 Kixipwv . . . fctto» o<p*c «ki- fuXtr/jv toü ottoo t&v FIojiKT4tov npoxttpicood'at xat &ia toöto xal 4px"fjv <wtij» äv4roxatoo xal cv rjj MtaXta xal l'u> txl Jtivtt trt\ 3oövat. xal b fiiv utoictp exl tot-: xataicovtwtxic xpottpov, oßta» xal tote rxl tü> (ottio) närtf, ao«K<; rijc olxoofiivr^ rrjc &xo to!$ 'Ptbfiatoif; tott o5<rrjc ap£«tv Plut. Pomp. 49

ö Ktxipcuv . . . td> otttxd) vojiu» ouvr^opwv tpöictp ttvl xdXtv y"»J<; xal ^aXamfjc, Scrjv txtxrqvto 'Puifialot, xopiov tnottt noftirfjiQv. Appian II 18, 67 Hop ic^iov ttXovto rJjc öry0?^» aütoxpatopa ttvat xal o*. xa&dit»p txl t&v fojorr)- piwv ctxoot [nach Cicero 15] dxö rfjc ßooX"?j(; uir^pita; t3u»xav. Appian be- richtet das fälschlich erst nach dem zweiten Consulat des Pompejus und Crassus, ebenso wie er II 28 f. Catos Entsendung nach Cypern und die Verurteilung des Gabinius erst bei den milonischcn Händeln des Jahres 52 anbringt; derartige aus dem Streben nach Kürze hervorgegangene Ver- schiebungen sind bei ihm sehr häufig und kommen auf «eine eigene Rechnung, nicht auf die seiner Quelle.

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Das Principal dos Pompejua

sich zu nehmen, der er sich gern entziehn würde. Augustus ist durchweg so aufgetreten, und ebenso Tiberius bei der Über- nahme des Prinoipats, nicht aus Heuchelei, wie z. B. Tacitus es darstellt, sondern weil die Idee dieser Gestaltung des Staats erfordert, daß die Initiative von den zu Regierenden ausgehe, nicht von dem zukünftigen Regenten. Der Unterschied der Lage besteht darin, daß unter Augustus der Senat die Not- wendigkeit der neuen Verfassung erkannt hat und daher mit dem Princeps einer Meinung ist, während er Pompejus' Aspi- rationen durchaus ablehnend gegenübersteht und versucht, das kollegiale Regiment der Aristokratie unter Führung der Consulare und der erwählten Beamten aufrecht zu erhalten.

Mit der cura annonae ist ein neues, den staatsrechtlichen An- schauungen der Republik widersprechendes Amt in die Ver- fassung eingeführt1). Wohl aber bUdet dieselbe, seit Augustus sie im Jahre 22 übernahm, eins der wichtigsten in dem Bündel von Ämtern, die der Reihe nach dem Princeps zugewiesen werden. Wie die Provinzialverwaltung des Kaisers nebst dem mit ihr verbundenen Oberkommando ist es formell befristet, aber tatsächlich als dauernd in Aussicht genommen, wie denn auch Pompejus es über die fünf Jahre hinaus fortgeführt hat; und die von ihm ernannten und ihm persönlich verantwortlichen senatorischen Legaten sind die Vorläufer der Legaten des Kaisers. Man sieht, wie das Principat aus den republikanischen Ordnungen herauswächst.

Pompejus hat die übernommene Aufgabe mit gewohnter Um- sicht mit Unterstützung seiner Legaten durchgeführt. Er selbst ging mitten im Winter nach Sicilien, Sardinien (wo Q. Cicero als sein Legat tätig war) und Afrika; bei diesem Anlaß fiel, als die Steuerleute des Sturmes wegen Bedenken trugen, sein be- rühmtes Wort: Navigare tiecesse est, vivere nan necesse est"). Eine

') Daher wird sie im Jahre 43 während des mntineasischen Kriege* vom Senat abgeschafft, Dio 4tf, 39 toOto juv -fap &K«i*ov, p,ir)&iva t«i «Xu* 7f>6vov tviaotoü 6pxktv> TO5t0 & aisYjYopwav jerjt» «vi ottoo i*tfuX^rrjv fujf* cpoyüiv rrcwcdrrjv tva atp«tod,ai.

') Plut. Pomp. 50 (= apophth. Pomp. 12) «Xt?v &v£f«i), {-»jv oi*

Poui pejus' Getreideverwaltung. Cicero« Stellung H9

Folge dor jetzt wieder gesicherten Getreideverteil ung in der Hauptstadt, die seit Clodiue* Gesetz unentgeltlich erfolgte, war, daß die Zahl der Freilassungen stark zunahm, um so die dadurch zu Bürgern gewordenen Sklaven auf Staatskosten zu füttern. Die Zahl der Getreideenipfanger schwoll dadurch gewaltig an im Jahre 46 betrug sie 320 0001) , und Pompe jus plante daher, um eine Grundlage für seine Maßnahmen zu haben, die Auf- stellung einer Liste derselben, ohne indessen, wie es scheint, irgend eine Einschränkung der Berechtigten zu versuchen1).

In einer schwierigen Lage fand sich inmitten dieser Be- wegungen Cicero. Durch seine Verbannung waren alle seine stolzen Honnungen zusammengebrochen, er sah sich von dem Senat, dessen Führer zu sein er begehrte, ohne ernstlichen Wider- stand — denn die Demonstrationen konnten ihm nichts nützen , von gar manchem der vornehmen Herren nicht ohne Schaden- freude seinen Feinden preisgegeben, Pompejus, den zu gängeln er sich vermessen hatte, hatte ihn kühl von sich gestoßen: so brach sein niemals fester Mut völlig zusammen, eine ver- zweifelnde Stimmung bemächtigte sich seiner Seele, die, von dem Ausspähen nach den Anzeichen einer günstigen Wendung wohl unterbrochen, aber nicht gehoben, sich in kläglichem Jammern und Vorwürfen gegen seine nächsten Freunde und gegen sich selbst entlädt. Mit Recht hat es den Anstoß der Zeit- genossen und gerade auch der Griechen erregt, wie sehr dies würdelose Verhalten dem Anspruch auf philosophische Bildung

avaprr|. Nissan, Ital. Landeskunde I 129 nagt mit Recht »der Spruch am Bremer Seemannshaus nav. nec. cet. deutet die Auffassung an, welche die Insassen mit ihrem Beruf verbinden* and stellt den Schiff- f'ahrtsbetrieb des Altertums in Gegensatz dazu; aber er hätte erwähnen sollen, daß der Spruch, in den die Bremer einen anderen Sinn hinein- gelegt haben, von einem Römer stammt und in seinem Munde die Idee der römischen militärisch-staatlichen Disziplin charakterisiert. ') Sueton Caes. 41 u. a., s. unten.

*) Bio 39, 24 & IIo|A.it7jK>c fox« fUv xat sv rjj toö ottou dtaftooti tpcß-rjv nva' koXXcüv yop icp&c tic cot* aoTOÜ HkÜclz «X«o*tpa>&«vTa»v an©Yp<wp«rjv of »v, 8«<n< fv tt xoajitp xai tv tä£tt ttvl OKo8orrjihLoiv, -qdiX-rp« icot^ooio&at. 06 pffjv aXXa toöto jiiv rij ti iautoö 30? ia xat ex xoö x^Yj*ooc toö sitoo £$©v «tu»«; Jupxvjos.

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Das Principat des Pompejus

des GeiBtes und Gemüts widerspricht, den er sonst so gern er- hebt1); von männlicher Haltung, wie sie in ähnlicher Lage Meteil iis Numidicuß und Rutilius Rufus bezeigt hatten, war in seinem Wesen überhaupt nichts zu finden, er war eine weiche, schwankende Natur, die ganz unter dem Impuls des Moments stand. So war er zum Staatsmann so ungeeignet wie nur mög- lich; es war sein Unglück, daß sein Ehrgeiz ihn, wie so viele gewandte Sachwalter in alter und neuer Zeit, dennoch in diese Bahn gedrängt hatte und daß die Zersetzung der Verhältnisse ihm die Möglichkeit zu einer politisch bedeutsamen Rolle bot. An sich war er ursprünglich nicht nur politisch völlig indifferent gewesen und hatte den Mantel lediglich nach dem Winde ge- hängt1), sondern ein Mann von seiner geistigen Regsamkeit, der überall die Gebrechen deutlich sah, konnte, zumal bei einem so weichen Charakter wie der seine, überhaupt kein Parteimann sein. Soweit er damals überhaupt einer Parteigruppe zugerechnet werden kann, ist es die Ritterschaft, der Kapitalistenstand , aus dem er selbst hervorgegangen war; für ihre Interessen ist er sein Leben lang nach Möglichkeit eingetreten, oft über die sittlich und recht- lich zulassigen Grenzen hinaus (vgl. S. 60, 168) : die Landsmann- schaft mit ihrem Vorkämpfer Marius und die an diesen an- knüpfenden Traditionen sowie die Freundschaft mit Atticus und seine finanzielle Abhängigkeit von diesem machte das Band nur noch fester. Aber der Kampf gegen die revolutionären Umtriebe in seinem Consulat und die Hinrichtung der Gatiünarier hatte ihn durch eine unüberbrückbare Kluft von der Popularpartei geschieden und mit den Optimaten verbunden; und jetzt wurde er dadurch, daß der politische Kampf sich zu einem Kampf um seine per- sönliche Stellung entwickelt hatte, und der Senat ihn demonstrativ

]) Plut. Cic. 32. Dio Caan. 88, 18 ff., der hier bekanntlich eine lange Trostrede des Philiskos an Cicero eingelegt hat. Vgl. auch Appian II 15, 55 f., über Ciceros klagliches und den Spott hervorrufendes Verhalten, als Clodius seinen Antrag einbringt.

lJ R. Hmkze, Ciceros politische Anfänge, Abb. 8achs. Ges. XXVII 1909, beurteilt meines Eracbtens Ciceros Laufbahn und Anschauungen zu optimistisch.

Ciceros Persönlichkeit

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auf seinen Schild erhob, erst recht zum Vorkämpfer dieser Partei berufen. Cicero empfand sehr wohl, welche Verpflichtung ihm damit auferlegt war und welche Rolle er fortan spielen müsse, wenn er den auf ihn gesetzten Erwartungen und damit der ihm zugefallenen geschichtlichen Stellung entsprechen wollte; in ge- hobenen Momenten dachte er sogar an eine Bewerbung um die Censur1). Aber andrerseits war seine Rückkehr doch nur durch Pompejus und durch die Einwilligung des Crassus und Caesar möglich geworden, und er hatte sich verpflichten müssen, ihnen, oder wenigstens dem Pompejus, zu Willen zu sein; daß Pompejus ihn unter verbindlichen Redensarten er bezeichnete ihn als seinen alter ego zum Legaten ernannte, wenn auch ohne Ver- pflichtung zu irgendwelcher wirklicher Tätigkeit1), war doch zu- gleich eine weitere Fesselung; überdies mußte sein Bruder Quintus wirklich in Pompejus' Dienst treten, er wurde von ihm nach Sardinien geschickt. Das peinliche Dilemma, in dem Cicero sich befand, wurde dadurch noch gesteigert, daß ihm alles daran liegen mußte, nicht nur seine Grundstücke, sondern auch die Bausummen für die Häuser wieder zu erhalten, die ihm nur der Senat gewähren konnte, und daß er seine Ansprüche einzu- schränken völlig unfähig war, sondern es, als echter Empor- kömmling, den vornehmsten Herren zu deren Ärger gleichzutun strebte.

So kam Cicero in eine Lage, der er noch weit weniger ge- wachsen war als der in den Parteikämpfen nach seinem Consulat und die schließlich bei seinem Naturell unvermeidlich in einem traurigen Fiasko enden mußte. Auf eine politische Rolle zu ver- zichten und sich so weit wie möglich vom öffentlichen Leben zurückzuziehn, wie Lucius und Marcus Lucullus seit Caesars Consulat, gestattete ihm sein Ehrgeiz und seine Eitelkeit nicht. Er suchte sich zu helfen durch Lavieren zwischen den Geboten der politischen Moral, dem Kampf gegen seinen Todfeind Clodius,

') ad Att. IV 2. 6.

*) ad Att. IV 1, 7 ille Ingatos quindeeim cum postularet, me prineipem nominavit, ut ad omnia nie alterum se fore dixit. 2. 6 ego me a Pompeio legari itu sttm passus, ut nulla re impedirer.

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Das Principat des Pom pejus

der Rücksicht auf Pompe jus und der auf seine materiellen Inter- essen, und kam dadurch nur aus einer Verlegenheit in die andere. Gleich au Anfang trat das deutlich hervor: nach überscliweng- liohen, von hochgradigem Selbstgefühl geschwellten Dankreden an Senat und Volk gab er, wie wir gesehn haben, den Anstoß zu dem Getreidegesetz für Pompe jus. Aber bei der entscheiden- den Abstimmung im Senat „verhielt ich mich schweigend, um so mehr, da die Pontifices noch kein Gutachten über mein Hau« abgegeben haban"1). Aber durch sein Eintreten für Pompejus hatte er natürlich die überzeugten Optimaten vor den Kopf gestoßen, und während Clodius den sachlich keineswegs unberech- tigten Vorwurf erhob, er schlage durch den Antrag auf Verleihung einer außerordentlichen Gewalt seinen Grundsätzen ins Gesicht und habe sich dadurch seine bisherigen Anhänger entfremdet, ließen sie ihn ihre Unzufriedenheit so deutlich fühlen, daß er kurz darauf (29. September) in die vor den Pontifices gehaltene Rede für die Rückgabe seines Hauses eine ausführliche, inhalt- lich äußerst matte Verteidigung seines Verhaltens einlegte2). Andrerseits war Pompejus ebensowenig geneigt, dem unsicheren Gehilfen eine wirklich unabhängige materielle Existenz zu ver- schaffen. So wurde ihm zwar das städtische Grundstück und eine entsprechende Bausumme bewilligt, aber die Entschädigung für seine Villa vom Senat so knapp bemessen, daß er wenigstens damit nicht auskommen konnte und fortan bei seiner Bauwut

') ad Att. IV 1, 7 consulares duce Favonio fremunt; nos tace- mus, et eo magis, quod de domo nostra nihil adhuc pontifices re- aponderunt.

*) de dorn. 3 81; § 29 verteidigt er sich gegen den Vorwurf, der den Optimalen in den Mund gelegt wird: quod sibi iste voll? nescU, quantum auetoritate valcat, qua* res gesserit, qua dignitate sit re- sUUUus. cur ornat eum, a quo desertus est? Er verdanke seine Rückkehr in erster Linie dem Pompejus, daher sei Clodius' Behauptung, post itiam sententiam, quam dixeram de annona, pontificum animos esse mutatos, unberechtigt; und si cuius forte pontifleis animnm, quod cerio scio alUer esse [in Wirklichkeit bestätigt das nur die Tat- sache], mea sententia offendit, dürfe dieser sich in seinem Votum dadurch doch nicht beeinflussen lassen 31).

Cicero« Verhalten nach der Rückkehr

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aus der Geldverlegenheit nie wieder herausgekommen ißt. „Die, welche mir die Flügel beschnitten haben", schreibt er an Atticus, „wollen nicht, daß sie mir wieder wachsen; doch ich hoffe, sie wachsen schon wieder"1). Er überschüttete denn auch das Publikum mit einer Rede und Broschüre nach der andern, indem er zugleich seinem Selbstlob und seinem Haß freien Lauf ließ. Aber auch dabei mußte er sich Zwang auferlegen: gegen die eigentlichen Urheber seines Unglücks durfte er nicht auftreten, er mußte reden, als ob hier nur ein unglückseliges Mißverständnis vorgelegen hatte und er mit Pompejus und auch mit Caesar auf dem besten Fuß stände. Um so wütender entlud sich sein Groll gegen die Werkzeuge, gegen Clodius und die beiden Consuln des Jahres 58 sowie deren Gehilfen; die Reden, die er in den nächsten vier Jahren produziert hat, gehören zu den wider- wärtigsten Produkten dieser ganzen, an sich schon durch ihre Verlogenheit und ihre affektierte moralische Pose so unerquick- lichen Literatur und überbieten an giftiger Invektive und schmutziger Skandalsucht sogar noch die schlimmsten attischen Vorbilder; eben durch das Streben, seine Würde zu betonen, sinkt er hier zu völliger Würdelosigkeit herab. Auf Pompejus dagegen häuft er immer aufs neue überschwengliches Lob; und als Caesars Bericht über die Besiegung der Belgier eintraf, beantragte er im Senat ein fünfzehntägiges Dankfest, fünf Tage mehr, als sieben Jahre zuvor für Pompejus*). Wie er in Wirk-

') ad Att. IV 2, 5 verum iidem, mi T. Pomponi, Odern inquam Uli. quos ne tu quidem ignoras, qui mihi pinnas inciderant, nolunt eas- dem renasci. sed, ut spero, iam renascuntur. Mit diesen Leuten aind offenbar nicht sowohl Pompejus und seine Genossen gemeint, wie die Kivalen and Neider in der Aristokratie, über die er so oft klagt; vgl. auch die Briefe an Lernt ulus I 7, 7 f. und 1 (J und ad Att. IV 5, 1 f., speziell die Klage Uber ii, qui vülam me molesie ferunt habere, quae Catuli fuerat, a Vettio me emisse non coyilant; qui domum negant oportuisse me aediftcare, vendere aiunt oportuisse [sie hatten damit ganz recht], sed quid ad hoc, si, quibus senteniüs dixi quod et ipsi probar ent, laetati sunt tarnen, me contra Pompei voluntatem dixisse?

*) de prov. cons. 26 supplicaiionem quindedm dierum decrevi sententia mea; 27 in illa supplicatione , quam ego decrevi; vgl. 25.

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Das Principat des Pompejus

lichkeit über ihn, sowie über dessen Freund Crassus dachte, hat er geheimen Aufzeichnungen anvertraut, die vor seinem Tode niemand zu Gesicht bekommen sollte; in seinen öffentlichen Äußerungen aus dieser Zeit ignoriert er den Crassus vollkommen, als den Unbedeutendsten der drei, zumal er recht wohl wußte, laß dieser den Clodius stützte1). Nur um so mehr schloß Cicero sich an Pompe jus an ; und hier ist, so scheint es, zu der politischen Berechnung in der Tat ein wenn auch nicht tiefgehendes Gefühl der Zuneigung hinzugekommen. In seiner weichen Art empfand er wirklich Dankbarkeit gegen den Mann, der seine Rückkehr ermöglicht hatte; und es schmeichelte ihm, als intimer Vertrauter neben dem großen Mann zu stehn, der sich im öffentlichen Leben so unbeholfen gab und dem er un geistiger Regsamkeit so weit überlegen war. Auch war er ja an sich mit dem Principat des Pompejus durchaus einverstanden, wenn dieser nur dazu zu bringen war, sich den Grundsätzen der Aristokratie zu fügen, sich mit einem maßgebenden Einfluß zu begnügen, statt alles selbst in die Hand nehmen zu wollen, und wenn er den Cicero, was dieser ihm schon im Jahre 63 insinuiert und in den folgen- den Jahren scheinbar erreicht hatte, als seinen Mentor oder Laelius anerkennen wollte.

Aber Pompejus begehrte ganz andere Dienste. Die Getreide-

') Dio 89, 10. wo die Situation vortrefflich geschildert wird: Cicero versöhnt «ich mit Pompejus und stattet ihm durch das Getreidegesetz den Dank ab; Ka:oap Zt xal Kpdsao-: 5>.X<i»c J*iv T^dovto tü> Kix«pa>v:' OJiooSfy y o&v ttva aOTOü faxovi «**iWl itavtu>c xa*"f,£ovTx oütöv ■jja&ovto (xal f«P & Katoap xal önwv r^votdv ttva aotij» iv*Jtt;ato dem liegt offenbar die Widmung der Bücher de analogia zugrunde, die wohl in etwas spätere Zeit fallt), ob nivtoi *«l /dpi' oi>3*|uav avtitaßov. txttvot; •jap toöto oi>x aita fvtt»nT((: o«ä<; micotT.xotac tltuti xal rr^ fOfYfi al- wozüxw: i tYOvivat yo]XtC«*v ix }ilv toö tepof avouc o-> jedvj repbz aitoic «frpa- ooveto, &u xal tü»v r»jr äxpatoo Kapp^ota': eittxapKtwv vtatotl inittipafüvo-, ßißUov j«y™i tt dsoppr^v covifrfjx», nämlich die Schrift de consüüs suis. Die Datierung ist gewiß richtig, wenn auch Cicero noch in den folgen- den Jahren weiter daran gearbeitet haben mag, wie er sie denn schon im April 59 begonnen hatte (ad Att. II 6, 2. 12, 8). Nach Caesars Er- mordung hat er wieder daran gefeilt (Att. XIV 17. 6); er selbst be- zeichnet die Schrift als ctvtx2ota.

Pompejus Stellang. Spannung mit Caesar 125

Verwaltung konnte ihm in der gegen seine Ansprüche stark be- schnittenen Fassung, in der sie bewilligt war, um so weniger genügen, da inzwischen seine Stellung zu Caesar sich zu seinem Nachteil verschoben hatte. Mit schwerer und berechtigter Be- sorgnis sah Pompejus, wie seüi Schwiegervater sich keineswegs mit der ihm zugedachten Adjutantenstellung begnügte, sondern sich in Gallien ein selbständiges Reich gründete, das ihm zu- gleich die Mittel verschaffte, seinen Anhang in Rom standig zu starken und die Beamten durch seinen Einfluß und sein Geld an sieb zu fesseln1); auch konnte ihm nicht verborgen sein, daß Caesar ebenso wie Crassus den Clodius gewähren ließ und ihm seine Umtriebe, mochte er auch im Jahre 58 die Rechtsbeständig- keit der julischen Gesetze angefochten haben (oben S. 107), im Grunde ganz genehm waren. Daß seine eigenen Siege vor denen Caesars verblaßten, daß diesem eine Ehrung bewilligt wurde, welche die ihm zuerkannte überbot (S. 123), schmerzte ihn tief, zumal er offiziell dem Antrag zustimmen mußte*); auf seine Art suchte er dem entgegenzuwirken, indem er die Consuln veran- laßte, Caesars Berichte möglichst spät zur Kenntnis zu bringen, ja er dachte daran, Caesar vor der Zeit einen Nachfolger senden zu lassen3) Diese Haltung des Pompejus ermöglichte es, daß

') Sueton Caes. 23.

*) Cic. de prov. cons. 27 suni Cn. Pompei virtuiem et animi magnitudinem admiratus, quod . . . ampliorem honorem (Uteri tri- buebat, quam ipse erat consecutus.

*) Bio 89, 25. Ich sehe keinen Grund, diese Angabe zu bezweifeln, wenngleich Dio hier in seiner Art sehr resolut durchgegriffen und sich die Dinge so zurechtgelegt hat. wie er sie veratehn zu können glaubte. Die aus der veränderten Lage entspringende Spannung zwischen Pom- pejus und Caesar und jenes Umtriebe gegen diesen hebt er mit Recht scharf hervor; aber er hat deshalb die Chronologie verschoben, die Be- willigungen des Senats für Caesar, die im Mai erfolgten, vorweggenommen (ebenso mag allerdings in der Angabe, daß Pompejus tittytlprpt . . . xa\ JiäSoxov wa aöt«j> xai xpi tou xxlHjxoyroc xatpoö ««pfat die Verhandlung stecken, bei der Cicero de prov. cons. gesprochen hat) und vor allem die Konferenz von Luca gestrichen. Nach ihm verbindet sich vielmehr Pompejus, um gegen Caesar eine Stütze zu haben, aufs neue mit Crassus (c. 26, 3 toio6toi? oav 8-fj tioi Xoyiojiot^ it Ilojjix^to; tjci xov Kaisapa ÄicXittto,

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Das Principat des Pompeju*

die Angriffe auf Caesars Gesetze wieder aufgenommen wurden1). Im Dezember 57, kurz vor den SaturnaJien (17. Dezember), brachte der Tribun P. Rutilius Lupus, ein Anhänger des Pom- pejus»), die Präge des campanischen Ackergesetzes in einer von ihm geleiteten Senatssitzung zur Sprache, „mit mehreren Stichen gegen Caesar und Herausforderungen gegen Pompejus, der nicht anwesend war"3). Seine Ausführungen wurden schweigend an- gehört; er erklärte, er wolle keine Umfrage vornehmen, aber dies Schweigen zeige im Zusammenhang mit den in früherer Zeit erhobenen Vorwürfen die Ansicht des 8enats. Der designierte Consul Marcellinus protestierte dagegen: aus dem Schweigen sei weder Zustimmung noch Ablehnung zu entnehmen, in Pompejus* Abwesenheit könne über die Sache nicht verhandelt werden. Damit wurde die Frage für diesmal fallen gelassen.

Das militärische Kommando, welches Pompejus wünschte, war in Aegypten, eben dem Lande, welches Caesar und Crassus

xat, 186mi f äp obx äy (!.a2t«K ftovoc oitöv xatatX&oat, xbv Kpaaoov t!>c *«- fut' aLxoö koiy(oo»v Itt xal fi&XXov avT^ptr^oato), and sie erzwingen ihr Con- sulat; aach Clodius tritt jetzt wieder zu Pompejus über (c. 29, 1 KW Su»c Ii tv xo&np (utainji^oi*: aofl-ic Kpbz t&v Ilofur^tov), während in Wirk- lichkeit beides nur durch Caesars Hilfe ermöglicht wurde.

') In der Rede de domo (29. Dezember) geht Cicero der Frage, die er berühren muß, da er die Rechtsbest&ndigkeit von Clodius' Adoption und Tribunat angreifen will, dadurch aus dem Wege, daß er darauf hin- weist, daß eben Clodins selbst sie als Tribun angefochten und sich dafür auf BibuW Zeugnis berufen hat: inftrmas igitur tu, laßt er sich ein- wenden, acta C. Caesaris viri fortissimi? minime; neque enim mea iatn quidquam interest exceptis eis Ulis, quae ex illius actionibus in meum corpus inmissa sunt, sed haec de auspiciis, quae ego nunc perbreviter attingo, acta sunt a te (d. i. von Clodius), § 89.

*) Er wirkt fOr die Übertragung des aegyptischen Kommandos an Pompejus, ad fam. I 1. 3. 2, 2; ebenso steht er im Bürgerkrieg als Praetor auf dessen Seite (Caes. civ. I 24. III 56).

*) ad Qu. fr. U 1. 1 fuerunt notmulU aculei in Caesarem, con- tumeliae in Gallium (einen Gehilfen des Clodius), expostulationes cum absente Pompeio. Ober die Herstellung des durch die von Mommsen aufgedeckte 15 latt Versetzung zerrissenen Briefs und die richtige Deu- tung s. Steihkopp, Hermes 89, 886 ff., der mit Recht den Einschnitt zwischen dixit und Milo macht und letzteres schon zu n 8, 4 zieht.

Pom pejus and die aegyptischen Händel

127

bisher als ihre Domäne betrachtet hatten. Der König Ptolemaeos Auletes konnte die Riesensummen, die er an Caesar, Pompejus und ihre Genossen für seine Anerkennung hatte zahlen müssen (S. 76), nur durch die stärksten Erpressungen aufbringen; vor den dadurch erzeugten Unruhen floh er etwa Ende 681) aus Alexandria zu seinem Schutzherrn, wie Timagenes behauptet, ohne dringende Not, auf Anstiften des Theophanes von Mytilene, des bekannten Agenten des Pompejus, der diesem die Handhabe zum Einschreiten verschaffen wollte2); und unmöglich ist es gewiß nicht, daß dieser damals bereits, in seiner Bedrängnis durch Clodius, an einen solchen Ausweg gedacht hat. Jedenfalls wandte sich Ptolemaeos zunächst an Cato, den er, ehe dieser nach Byzanz und Cypern ging, auf Rhodos aufsuchte. Cato riet ihm, sein Geld nicht an die unersättlichen römischen Magnaten zu verschleudern, sondern sich mit seinen Untertanen zu ver- söhnen, er selbst sei bereit, dabei zu vermitteln. Ptolemaeos war zuerst dazu bereit, ließ sich dann aber von seiner Umgebung bewegen, nach Rom zu gehn3). Hier geriet er mitten in das Intrigenspiel der Parteien und Persönlichkeiten und mußte eine Anleihe nach der andern aufnehmen, um die ständig wachsenden Ansprüche zu befriedigen; Pompejus aber empfahl den König dem Senat, nahm ihn in sein Haus und verschaffte ihm einen neuen Kredit, auf seiner albanischen Villa wurden die Anleihen abgeschlossen4). Inzwischen hatte man in Alexandria die Tochter des Königs Berenike auf den Thron erhoben8); auf die Kunde,

') Über das Datum s. Strack, Dynastie der Pto lern Reer 209; daß et Cato noch auf Rhodos trifft, gestattet kaum, über Ende 58 hinabzugehn.

') Plnt Pomp. 49; Platarchs Gegenargument, toöto . . . &xtotov 4j Ilofimjloo «out <p6oic, obx fy000« ««onfj^t«; ootf ivtXtd&epov o5t« xb <piX6- tifj.ov beweist natürlich garnicht«.

•) Plut. Cato 85.

*) Cic. pro Rab. Post. 6. Dio 39. 14. 3 & DojMrtyoc tj} « olxiqi o5tiv fcictUdiwco *a: loxop&c, o't oovTjptto. Strabo XVII 1, 11 töv A&XtjrJjv £<pi- »6fuvov tlc 'Ptnjufjv &«4df»v©<: noiut^toc Mätvoc ouviotirio: tq 00T*XVjT<p xal SianpÄmtat *Ä&o5ov fifcv to6f<p, xmv Ii sptoBfaty T«Lv xX*toru»v, fcxatöv ovtujv, oXsdpov wy xcrtajtpcoßtOoivKov aötoE>.

») So Dio 89, 13 und Strabo XVII 1. 11; nach Porphyrie« bei Enseb.

12S

Da* Principat des Pompejus

daß Ptolemaeos in Rom sei, schickte man eine Abordnung von hundert Gesandten unter Führung des Akademikers Dion hin, um sich zu rechtfertigen und den König anzuklagen. Aber Ptolemaeos und seine römischen Glaubiger sorgten dafür, daß zahlreiche von ihnen unterwegs den Tod fanden; andere wurden in Born selbst umgebracht, die übrigen durch Drohungen oder Bestechung zum Schweigen gebracht. Indessen der Skandal war zu groß, als daß er sich ganz hatte unterdrücken lassen; M. Favonius, auch hier der unermüdliche Vorkampfer für Ehre und Recht, brachte die Mordtaten und Bestechungen im Senat zur Sprache. Er erreichte auch, daß Dion vorgeladen wurde; aber die Verhandlung und Untersuchung wurde hintertrieben, Dion selbst im Hause des Pompejaners Luccejus auf Anstiften der uner- sättlichen Wucherer, die sich die Goldquelle nicht verstopfen lassen wollten, ermordet1). Im Senat aber erwirkte der Consul Lentulus Spinther im Sommer 57 den Beschluß, daß der Statthalter, dem die Provinz Cilicien zufallen würde das war er selbst , den König zurückführen sollte1).

Damit war indessen die Sache keineswegs zu Ende; vielmehr setzten jetzt die Intrigen des Pompejus nur um so stärker ein. Seine Vertrauten forderten seine Entsendung an der Spitze einer Armee, ebenso die Parteigänger des Königs, die im Vertrauen

chron. I p. 168 Schöbe regiert« sie zunächst mit ihrer älteren Schwester zusammen, ». Strack, Dyn. der Ptol. 66 ff.

') Cic. pro Cael. 28 f. 51 ff. Dio 89, 15. Strabo XVII 1, 11. Vgl. de har. resp. 84- Als Mörder des Dion wurde P. Aöicius [vgl. ad Qu. fr. II 8, 2] im Jahre 56 angeklagt, aber von Cicero verteidigt und frei- gesprochen; ebenso wurde M. Caelius, der auch in Puteoli die alexan- drinischen Gesandten insultiert haben soll (pio Cael. 23 de Alexandri- norum pulsatione Puteolana) auch er war an den Geldgeschäften beteiligt der Mitwirkung beschuldigt, den Crassus und Cicero erfolg- reich verteidigten. Auch Licinius Calvua hat den Asicius angeklagt: Tac. dial. 21. Vgl. Dio 1. c: xad nivtot xoä AUdw: fmi touta SoXotpoviq- Myco*: o68tpi«v ©o8* in' htttvy tixrp ttutxt (6 IlroXsj&a'oc da Pompejus ihn bei »ich aufnahm); tdiv ft Mv tÄv ix?jt<$&*v i»X.T(*tj3av fiiv iv

6<rcip<u ooxvot, *<4X»<jav ii oXifot. *6 xt fap Mvapotovrpibr. koXö -fjV, not aXX-rjXoic fct& i&iov txastoc Woc 3ov»fidxouv-

*) Cicero an Lentulus I 1, 3. 7. 4. Dio 39, 12. 3.

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Verhandlungen über d;a Intervention in Aegypten 129

auf Pompejuß ihr Geld zu Wucberzinsen hergegeben hatten; er selbst hielt sich nicht nur zurück, sondern erklärte überall, er sei mit Lentulus' Beauftragung einverstanden, und trat am 11. Januar 56 im Senat in ausfuhrlicher Rede mit großem Nach- druck dafür ein; er wollte eben in üblicher Weise gezwungen sein, die schwere Last auf sich zu nehmen, da man ihm wieder einmal die heißersehnte Ruhe nicht gönne1). Cicero, der dem Lentulus wegen seiner eigenen Rückberufung verpflichtet war, tat so, als ob er das wirklich glaube, und stellte sich Pompejus' Herzens- wunsch gegenüber taub; er suchte ihn in ununterbrochenem Ver- kehr in dieser Haltung zu festigen und stellte ihm vor, mit welcher Schmach er sich bedecken würde, wenn er sich in eine so schmutzige Sache einließe. Im Senat aber griff man, wie so oft, zu einem religiösen Mittel: auf Grund eines Prodigiums zu Anfang des Jahres schlug der Blitz in die Juppiterstatue auf dem Albaner- berge — entdeckte man in den sibyllinischen Orakeln den Spruch, daß man den König Aegyptens, wenn er um Hilfe bitte, zwar freundlich unterstützen, aber ihm kein Heer zu Hilfe senden dürfe, wenn man nicht in große Nöte geraten wolle. Natürlich beschloß der Senat dementsprechend. Der Tribun C. Oato, ehe- mals, im Jahre 59, Anhänger des Senats (S. 79), aber jetzt mit Clodius verbündet und daher ein eifriger Gegner des Pompejus, hatte die aegyptische Sache gleich beim Antritt (10. Dec. 57) seines Amts aufgenommen und gegen Lentulus' Entsendung agitiert1); jetzt brachte er den Sibyllenspruch sogleich vor das Volk, um dem

') Cic. an Lentulus 11,2 nam cum sermone cotidiano tum in senatu palam sie egit causam tuam, ut neque eloquentia maiore quisquam nee gravüate nee studio nee contentione agere potuerit, cum summa tesUflcoHone tuorum in se offleiorum et amoris erga te sui.

*) Kenestella in dem bei Nonias p. 885 s. v. rumor gebrachten Kragment ans dem 22. Buche seiner Annalen (fr. 21 Pcm): itaque ut magistratum tribuni inierunt, C. Cato, turbulentus adulexcens ei audax nee imparatus ad dicendum, contionibus adsiduis invidiam et Ptolomaeo simul, qui tarn profectus ex urbe erat, et Publio Lentulo consuli, paranti iam Her, cogitare (?) secundo quidem populi rumore coepü.

Mey«r, Caesars Monarohi« 9

130 Das Principat des Pompejus

Senat den Rückzug unmöglich zu machen1). Wie man nun aber weiter vorgehn sollte, war erat recht unsicher: die Majorität des Senats, geführt von Hortensius, Cicero, Lucullus, war für Len- tulus; Orassus wollte den Auftrag drei aus den Trägern eines militärischen Kommandos entnommenen Gesandten zuweisen darunter konnte dann auch Pompejus sein, wenn er Neigung hatte, sich so weit herabdrücken zu lassen ; Bibulus, auf dessen Seite auch die Gonsuln standen, mit einem großen Teil der Gonsulare forderte drei amtlose Gesandte, so daß Pompejus ausgeschlossen blieb. Der alte Servilius Isauricus (cos. 79) stellte den vernünftigen Antrag, die Sache überhaupt aufzugeben; der die Verhandlung leitende Tribun Rutilius Lupus dagegen (oben S. 126) nebst den Consularen Volcacius Tullus (cos. 66) und Afranius (cos. 60) trat für Pompejus ein, ebenso die Tribunen Libo und Hypsaeus und andre2). An den folgenden Tagen wurde die Sache durch endlose Diskussionen ohne Entscheidung hingezogen, und vom 17. Januar an konnte, weil die übrigen Tage des Januar Comitialtage waren und im Februar nach einem Gesetz des Gabinius vom Jahre 67 zunächst die auswärtigen Gesandtschaften beschieden werden mußten, überhaupt nicht darüber verhandelt werden3). Erledigt wurde nichts, vielmehr wurde die Staatsverwaltung wieder ein- mal durch die inneren Wirren völlig brachgelegt, und wie im Jahre 61 die Bewilligung der Geldanweisungen für die Provinzial- verwaltung durch Godius' Einwirkung verhindert4). Dagegen

') Dio 89, 16, der hier wie immer völlig gl&ubig ist. Cicero da- gegen macht ans dem 8chwindel kein Hehl: senatus religionie calumniam non religione sed malevolenHa et illius regiae largi- tionis invidia comprobat, an Lentulns I, ], 1; nomen flctae religionis I 4, 2.

*) Cicero an Lentulns I 1 ; dem entspricht der Fortgang der Senats- verhandlungen am 13. und 15. Februar, Ober die Cicero I 2 und 4 aus- fuhrlich berichtet; ferner ad Qu. fr. II 2.

») Cic. an Lentulns I 4, 1; ad Qu. fr. D 2,8. 3, 1.

4) Dio 89, 8 & fop KXu>$ioc . . ob* sla xbv «ppxtptauöy yäpiov lotv»x* ö-fjvctt* icplv yap ixttvov w^fjvot, o6t' Sikko ti tö»v oicooSatuiv rv t«p xotvip spaxd-rjva*. oow Ätxfjv o&&»ptav foaxd-qvau Dem entspricht Cicero ad Qu. fr. n 3, 1 inierim reiectis legationibus in Idus (Febr.) refere-

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Die aegyptiscben Verhandlungen. Clodius gegen Pompejus 131

brachte C. Cato Anfang Februar den Antrag vor das Volk, den Lentulus aus seiner Provinz abzuberufen1); sein Rivale, der Tribun L. Caninius Gallus dagegen beantragte, daß Pompejus zwar ohne Heer, aber mit zwei Lictoren nach Aegypten geschickt werden solle2), und auch Ptolemaeos schrieb einen Brief mit dieser Bitte, den der Tribun A. Plautius vor dem Volke verlas8). Aber die Abstimmung wurde durch den Consul On. Lentulus Marcellinus vereitelt, indem er die Wiederholung des Latinischen Festes und Dankopfer (für Caesars Siege?) auf diese Tage ver- legte4), und auch Pompejus selbst verlor offenbar schließlich die Neigung, auf eine so dürftige Mission einzugehn. Die Aussichten für Lentulus Spinther wurden allerdings immer geringer, wie endlich Cicero selbst diesem eingestehen mußte6); aber im übrigen verlief die Angelegenheit, nachdem sie viel Staub aufgewirbelt hatte, schließlich im Sande.

Inzwischen kam Clodius' Anklage gegen Milo zur Verhand-

batur de provinciis quaestorum et de ornandis praetoribus ; sed res multis querelis de republica interponendis nulla transacta est. Die Ausstattung der Provinzen ebenso wie die Gerichtsbarkeit der Praetoren hatte die lex curiata zur Voraussetzung, deren Zustandekommen Clo- dius offenbar durch In tercession eines Tribunen verhinderte. Von seinen auf völlige Lahmlegung der Verwaltung zielenden Plänen hat Clodius bei den Verhandlungen Qber das Gutachten der haruspices in der Volksversamm- lung geredet : de harusp. resp. 55 in coniione ausus est dicere, iustitium ediciop&rtere, iurisdietionem intermitti, claudi aerarium, iudicia tollt

') Cic. ad Qu. fr. II 8, 1. vgl. 3, 4. an Lentulus I 5 a, 2.

*) Plut. Pomp. 49. Dio 39, 16. Ober Caninius s. Cic. an Lentulus I 2, 1- 4. 7, 3. ad Qu. fr. ü 2, 8. 4, 6.

') Dio 39, 16, bei Plut. Pomp. 49 etwas abweichend: -tjv ii TP^f1* fiaoiv ivtt>xttv 8itppiji{Uvoic xat1 dtfopav xal jiapa ßauXturfjpiov , un; 8*rj ütoXtfiato-j fcopivoo nofJkirrtioy aotqi axparr^iv dtvtt toö lucv^rjpo«: $o(Hjvai. Ptolemaeos' Gesandter Hammonios war schon früher gegen Lentulus für Pompejus eingetreten, Cic. an Lentulus I 1, 1.

*) Cic. ad Qu. fr. II 4, 4, vgl. über sein Auftreten gegen Pompejus § 5 und an Lentulus I 1, 2. 2, 2.

») Cic. an Lentulus I 6. 7; vorher I 5 b schreibt er (kurz nach dem 8. Februar) üaque Alexandrina causa . . . videiur ab illo (Pompeio) plane esse deposita. An Quintus schreibt er im Marz (II 4, 5) nam quod de Pompeio Caninius agit, sane quam refrixü.

132

Das Principat des Pom pejus

lung; für diesen trat neben Cicero und andern auch Pom pejus ein. Aber als er bei dem zweiten Termin, am 6. Februar, das Wort ergreifen wollte, erhoben die Banden des Clodius einen solchen Lärm, daß er nur mit äußerster Anstrengung und viel- fachen Unterbrechungen seine Rede zu Ende führen konnte. Dem Clodius wurde von der Gegenpartei dasselbe Schicksal be- reitet und er zwei Stunden lang mit Schimpfworten und schmutzigen Versen auf sich und seine Schwester überschüttet. Da half er sich, indem er in den Tumult die Frage warf: „Wer tötet das Volk durch Hunger? Wer begehrt nach Alexandria zu gehn?" und weiter: „Wer ist der zuchtlose Imperator? Wer kratzt sich mit einem Finger den Kopf?" und jedesmal brüllte die Menge zur Antwort: „Pompejus!" Dann aber: „Wen wünscht ihr nach Aegypten?" „Crassus!" der stand, obwohl offiziell Zeuge für Müo, schadenfroh dabei. Dann kam es zu dem üblichen Anspeien und schließlich zu einer Prügelei, in der Clodius' Banden den kürzeren zogen1). Der Senat wurde sofort berufen und nach dreitägigen Verhandlungen am 8. Februar endlich der Beschluß gefaßt, Clodius' Verhalten am 6. habe den Staat gefährdet (contra rempubUcam esse facta): man sieht, wie ungern der Senat seine Autorität für Pompejus einsetzte; alle seine Gegner, Bibulus, der alte Curio, Favonius, der Sohn des Servilius Isauricus stichelten auf ihn, Cicero ging am 6. nicht in die Sitzung, „um in einer so wichtigen Sache nicht entweder zu schweigen oder durch Eintreten für Pompejus bei den Optimaten Anstoß zu er- regen". Umgekehrt würzte Cato, der Clodianer, am 8. seine Beschuldigungen gegen Pompejus mit Lobsprüchen auf Cicero und dem Vorwurf, Pompejus habe diesen treulos verraten ein charakteristisches Bild aus der Wirrnis dieses Intrigenspiels! Pompejus setzte sich energisch zur Wehr: er gab deutlich zu

') Cic. ad Qu. fr. II 3, 2 (und kurz an Lentulus 14b); ebenso Dio 39, 49 und Plut Pomp. 48, die einige bei Cicero Übergangene, von mir aufge- nommene Insulte hinzufügen; Plutarch hat den Vorgang vorweggenommen; hatten wir nur ihn, so würden wir ihn ins Jahr 58 setzen. Pompejua' Manier, sich mit dem Finger den Kopf zu kratzen, wurde ein gemein- obseöner Sinn untergelegt : Calvus fr. 18 (Senecacontrov. Vtl 4. 7. X 1,8 u. a.)

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Pompeji!»' Händel mit Clodius

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verstehn, daß er Crassus für den Hauptschuldigen halte, der den Clodius und C. Cato aufhetze und mit Geld unterstütze, mit denen auch seine Neider im Senat gemeinschaftliche Sache machten; er machte aus seinem Ingrimm gegen alle Welt kein Hehl, erklärte aber, er werde sein Leben besser zu schützen wissen, als ehemals Scipio Africanus gegen Carbo. Wirklich be- gann er denn auch seine Anhänger vom Lande, namentlich aus Picenum und Gallien, aufzubieten, um mit ihnen und mit der Bande des Milo dem Clodius entgegenzutreten; der Senat aber faßte einen Beschluß, der den Klubs befahl, sich aufzulösen, und die Einbringung eines dahingehenden Gesetzes mit Strafbestim- mungen forderte; dadurch sollte das von Clodius im Jahre 58 ge- gebene Gesetz wieder aufgehoben werden1). Zu den gefürchteten Straßenkämpfen kam es jedoch nicht; offenbar sah Clodius, daß sein Anhang dafür zu schwach war. Auch pekuniär war er und sein Anhang in Bedrängnis; C. Cato mußte die Gladiatorenbande, die er für seine Tumulte hielt, verkaufen, worauf sie unter der Hand von Milo erworben und zum Gaudium des Publikums vom Tribunen Racilius öffentlich versteigert wurde*). Die Verhand- lung gegen Milo schleppte Clodius hinaus und ließ sie schließlich fallen; dessen Genosse Sestius dagegen, der gleichfalls eifrig für Ciceros Rückberufung agitiert hatte, wurde am 11. März8) ein- . stimmig freigesprochen, verteidigt von Hortensius, Crassus, Licinius Calvus und Cicero4); auch Pompejus war als Zeuge für ihn aufgetreten6). Wenn dagegen um dieselbe Zeit einer der schlimmsten Gesellen des Clodius, Sextus Clodius, dem jener in seinem Tribunal die Getreideverteilung übertragen hatte und auf dessen Konto unter anderem eine Brandstiftung stand, bei der die Bürgerliste in Flammen aufgegangen war«), mit drei Stimmen

>) ad Qu. fr. II 8, 2 ft. «) ad Qu. fr. U 4, 4. s) ad Qu. fr. II 4, I.

4) schob Bob. pro Sentio p. 292 Orelli. 125 Stakgl; Cicero erwähnt nur die Rede des Hortensius. *) An Lentulus I 9, 6. «) pro Cael. 78. pro Mil. 78. de dorn. 25.

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Das Principat des Pompejus

Mehrheit freigesprochen wurde, so beruhte das darauf, daß die senatorischen Richter ihn freisprachen, weil er den Pompejus schikanierte, wahrend von den Rittern die Hälfte, von den Aerartribünen also dem Mittelstand die große Majorität ihn verurteilte1).

Auch sonst trat das Streben, Pompejus zu demütigen, immer von neuem hervor. Der Consul Lentulus Marcellinus griff ihn in seinen Reden heftig an, unter Zustimmung des Senats; man freute sich, daß er durch seine Händel mit Clodius und jetzt durch die Beschützung Milos die Gunst des Pöbels völlig verloren hatte, und gar manche wollten eben darum von einem Einschreiten gegen Clodius nichts wissen und nahmen diesen in Schutz2). Cicero war damit nicht einverstanden und hielt sich daher von den Ver- handlungen zurück; wie in den Zeiten vor Caesars Consulat wiegte er sich in der Illusion, er könne durch persönliche Ein- wirkung den Pompejus, mit dem er ununterbrochen in regem Verkehr stand, dahin bringen, daß er sich von ihm leiten ließ und der Senatspolitik anschloß3); unter dieser Bedingung war

') ad Qu. fr. II 6 ea ipsa in re Pompei offensio (die Gereiztheit gegen Pompejus) nobis obsiüit; senatorum enim curia copiose ab- solvit, equitum adaeqwwit, tribuni aerarii condemnaverunt.

») ad Qu. fr. Q 4. 4 consul est egregius Lentulus, non impediente collega (L. Philippus, vermahlt mit Caesars Nichte Atia); sie, in quam, . bonus ut meliorem non viderem. § 5. Pompeius . . . hercule non est idem; nam apud perditissimam illam et inflmam faecem populi propter Milonem suboffendit, et boni multa ab eo desiderant, multa reprehendunt. Marcellinus autem hoc uno mihi quidem non satis facit, quod eum nimis aspere tractat: quamquam idsenatunon in- vüo facit: quo ego me lubentius a curia et ab omni parte reipublicae 8ubtraho. Vgl. de harusp. resp. 50: ein Teil der Optimaten unterstützt den Clodius quo tandem deeepti munere? volo, inquiunt, esse qui in con- tione detrahat Pompeio . . . an üle demens (Clodius) . . . foedior aut inquinatior eis Cn. Pompeio accusando quam in universo senatu vituperando fuü? quod quidem miror, cum alterum sit gratum iratis, alterum esse tarn bonis civibus non acerbum. Vgl. auch an Lentulus I 9. 10.

*) Cicero an Lentulus 19. 6 itaque quamquam et Pompeio plti- rimum . . . debebam et eum non solum benefleio sed amore etiam et perpetuo quodam iudicio meo diligebam, tarnen non reputans,

Angriffe Ciceros and des Senats gegen Caesar

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er ja, anders als die eifrigen Optimaten, ganz bereit, Pompe jus' Principat anzuerkennen. Der günstige Verlauf der politischen Prozesse schwellte seinen Mut; bei den Verhandlungen über Sestius erjmfiE er die Gelegenheit, den als Zeuse geladenen Va« tinius, das verhaßteste der Werkzeuge Caesars, und damit in- direkt, trotz aller formell beobachteten Rücksicht, Caesar selbst in Gegenwart des Pompejus aufs heftigste anzugreifen : Bibulus' Schicksal sei weit ruhmvoller als alle Siege und Triumphe, die, welche Bibulus gezwungen hätten, das Haus zu hüten, d. i. Caesar und seine Gehilfen, seien dieselben, die ihn aus Rom verjagt hätten ; alle Maßregeln, die Vatinius als Tribun im Dienste Caesars durch- gesetzt hatte, unterzog er als staatsfeindlich imd ungesetzlich einer vernichtenden Kritik1). Die Rede für Sestius dagegen arbeitete er zu einer umfassenden Apologie seines eigenen Ver- haltens aus und zugleich zu einem breit ausgeführten Appell an die Jugend, sich, allen Gefahren trotzend, allein dem Dienst des Staats zu weihen und der Partei der Optimaten, d. i. aller ehr- lichen Bürger im Gegensatz zu den selbstsüchtigen und moralisch verkommenen Revolutionären der Popularpartei, anzuschließen2).

quid ille veUet, in otnnibus meis sententiis de republica prislinis per- manebam. Das ist zwar fast 3 Jahre später geschrieben (Dezember 54) und von der damaligen Situation beeinflußt, gibt aber doch Ciceros Auffassung und Haltung nicht unrichtig wieder.

') An Lentulus I 9. 7. In der veröffentlichten Rede findet sich der Passus Ober Bibulus nicht; auch sonst wird sie stark überarbeitet und namentlich die Äußerungen aber Caesar (15 f., vgl. 38) gemildert sein. Vgl. ad Qu. fr. II 4, 1 : bei der Verteidigung des Sestius id, quod ille (Sestius) maxime cupiebat, Vatinium, a quo palam oppugnabatur, arbitrato nostro concidimus dis hominibusque plaudentibus.

*) Die veröffentlichte Hede pro Sestio hat offenbar mit der wirk- lich vor Gericht gehaltenen kaum etwas gemein, sondern ist eine poli- tische Broschüre, die für Cicero und die Politik des Senats Stimmung machen soll. Von Sestius und dessen Prozeß er war an sich dem Cicero keineswegs sympathisch, ». ad Qu. fr. TL 3, 5. 4, 1 (defendendo ?rior080 ficmini cumulatissime satisfeeimus). ad Att. VII 17, 2; vgl. Catnll 44 ist in der ganzen Broschüre kaum die Rede. Ein selt- sames Gegenstück dazu bildet die kurz darauf gehaltene Rede pro Caelio, in der Cicero einen höchst zweifelhaften Roue und ehemaligen Anhänger Catilinas in einer recht faulen Suche zu verteidigen hat; die Affäre war

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Das Principat des Pompejus

In der Tat schien die Restauration des Senatsregiments in vollem Gang. Von Pompejus fürchtete man nichts mehr; um so imbedenklicher konnte man jetzt Caesar zu Leibe gehn. L. Domitius Ahenobarbus, der alte Gegner Caesars (8. 86. 93), als Persönlichkeit ein Optimat von typischer Mittelmäßigkeit, aber dank dem Adel seines Geschlechts einer von denen, „die schon von der Geburt an zum Consul designiert waren"1), ver- kündete offen, wenn er für das nächste Jahr, wo er das gesetz- mäßige Alter erreicht hatte, gewählt werde, werde er als Consul durchführen, was ihm als Praetor im Jahre 58 nicht gelungen war, und Caesar Heer und Provinz abnehmen1). Anträge zu Caesars Gunsten, die die Tribunen im März einbrachten, wurden vom Consul Marcellinus durch seine Ansetzung der Pesttage (oben S. 131) lahmgelegt*). Am 5. April aber wurden zunächst dem Pompejus reichliche Geldmittel für die Getreideversorgung, 40 Mil- lionen Seetertien, bewilligt, und dann die schon im Dezember 57 von dem Tribun Rutüius Lupus zur Sprache gebrachte Frage der Rechtsbeatändigkeit des camuanischen Acker« Gesetzes wieder auf- genommen. In der sehr erregten Debatte stellte Cicero selbst als stimmführender Consular den Antrag, die entscheidende Ver-

um eo bedenklicher, da Cicero die rhetorisch-politische Ausbildung des jungen Wüstlings leitete, der Übrigens ein amüsanter Plauderer war. Cicero hilft sich damit, daß er erklärt, man müsse der Jugend bei ihren leichtsinnigen Streichen etwas zugute halten (vgl. oben S. 23 Anm.), und Bucht die Vorwürfe gegen ihn mit den üblichen Advokatenkunst- stücken möglichst su leugnen oder abzuschwächen; im übrigen benutzte er die Gelegenheit, um aufs neue allen auf Clodius und seiner Schwester lastenden Schmutz mit Behagen aufzuwühlen, über die Form, in der die Rede auf uns gekommen ist, s. Nordes, Ber. Berl. Ak. 1913, 12 ff.

') Cic. ad Att. IV 8 b, 2 (Herbst 56) quid enim hoc (Domitio) mise- rius, quam cum, qui tot annos quot habet designatws consul fuerü, ficri coruulem non posse?

*) Sueton Caes. 24.

') ad Qu. fr. II 4, 5: durch seine Maßregeln hat Lentulus (Marcel- linus) Catonem a legibus removit et eos, qui de Caesare monsira promulgarunt, quibus intercederet nemo. Ober den Inhalt dieser An« tröge wissen wir nichts; vermutlich waren sie identisch mit den Maß- nahmen, die nach der Krisis für Caesar beschlossen wurden (S. Uii).

Der Senat gegen die Machthaber. Gutachten der Haruepices 137

Handlung darüber auf den 15. Mai anzusetzen. Das wurde an* genommen und damit Caesar in aller Form die Fehde angekündigt. Daß auch Pompejus, in dessen Interesse die Kolonie Capua ge- gründet war, davon aufs schwerste betroffen wurde, kümmerte den Senat nicht; bei der notorischen Spannung, in der er mit Caesar stand (S. 125, vgl. 106), glaubte man ihn sicher in Händen zu haben. Cioero suchte ihn zwei Tage darauf noch spät abends auf, da Pompejus am nächsten Tage für die Getreidebeschaffung nach Sardinien, Cicero auf seine Villen gehn wollte; er bat um baldige Heimsendung seines Bruders, was Pompejus bereitwillig zusagte; von der tiefen Verstimmung, die er innerlich empfand, ließ er nichts merken1).

Daß inzwischen Crassus sich zu Caesar nach Raven na begeben hatte2), daß Appius Claudius, zum Propraetor von Sardinien bestellt, gleichfalls zu Caesar gegangen war, offenbar um für seinen durch die Aedilität an Rom gebundenen Bruder mit ihm zu verhandeln, und nicht zurückkam3), daß Clodius selbst jetzt mit Pompejus seinen Frieden machte, blieb unbeachtet. Viel- mehr forderte der Senat auf die Kunde von einem unheilver- kündenden Vorzeichen dem dumpfen Grollen eines Erdbebens von den etruskischen Haruspices ein Gutachten, und dieses, offenbar von den leitenden Gegnern des Pompejus inspiriert, verkündete, die Götter drohten wegen Vernachlässigung der religiösen Pflichten, Profanation heiliger Orte, und Ermordung fremder Gesandten gegen Recht und Treue mit Bluttaten und Gefahren durch den Zwist der Optimaten, aus denen die Herr-

') ad Qu. fr. II 5; vgl. an Lentulu» I 9, 7 Marcellino et Philippo consulibus Nonis Aprilibus mihi est senatus adsensus, ut de agro Campano frequenti senatu Idibus Maiis referretur; num potui magis in arcem iüius causae mvadere aut tnagis oblivisci tem- porum meorum, meminisse actionum? . . . hoc senatus consulto in meam sententiam facto Pompeius, cum mihi ni/iil ostendisset se esse offensum, in Sardiniam et in Africam profectus est eoque iti- tinere Lucam ad Caesarem venit.

') An Lentulus I 9, 9.

*) ad Qu. fr. II 4, 6 (Mitte März) Appius a Caesare nondum re-

138

Das Principat des Pompejus

schaft eines Einzigen hervorgehn, die Verfassung umgestürzt, die sohlechten Elemente zur Herrschaft gelangen würden. Offenbar zielte das Gutachten auf Pompejus, mit dem zusammen, durch den Schutz, den ein Teil der Optimaten dem Clodius an- gedeihen ließ, das Gesindel zur Macht gelangen werde. Natür- lich gab es über die Auslegung weitere Händel: Clodius erklärte Cicero für den Schuldigen, dem der von ihm geweihte Boden seines Hauses mit Verletzung der Religion zurückgegeben sei, und gab dabei zugleich von seiner Versöhnung mit Pompejus Kunde, den er mit Lobsprüchen überschüttete1). Cicero, der offenbar deshalb seinen Landaufenthalt unterbrochen hatte, deutete es umgekehrt auf Clodius, den er in einer sofort publi- zierten Broschüre aufs neue mit Schmähungen überschüttete, während er zugleich in üblicher Weise die eigenen Verdienste und seine Voraussicht im hellsten Lichte strahlen ließ man begreift, daß einem Teil der Senatoren bei diesen ewigen Renom- raagen endlich die Geduld ausging2) Politisch bedeutsam war

') de harusp. reep. 51 Jegant hanc eins contionem . . . certe laudat (PotnpeiumJ et unum esse in hac civitate dignum huius imperü gloria dicü et significat, se UH esse amicissimum et reconcüiationem esse gratiae factam. .. . nunc iam laudat iüum, in eos inveliitur, quibus se antea venditabat. Vgl. Dio 39, 29, 1 (oben S. 125. 3).

*) de har. resp. 7. 17. Das betreffende Vorzeichen nebst einer Reihe anderer (vgl. de har. resp. 64) und dem Gutachten erwähnt auch Dio 39, 20, ebenso die gegenseitigen Schmähungen c. 21, 3 f.; er schließt daran den neuen Angriff des Clodius auf Ciceros Haus und die Ent- fernung der Gesetzestafeln des Clodius durch Cicero (an die er Cato* Rückkehr und seinen Konflikt mit Cicero darüber anschließt, ebenso Plut. Cic. 34 = Cat. 40). Diese Vorgänge werden von Cicero nie er- wähnt, fallen mithin sicher später als de harusp. resp. oder gar pro Sest. usw.; andrerseits ist es kaum denkbar, daß Cicero nach der Krisi* und seiner Unterwerfung so vorgegangen wäre [doch s. unten S. 151 Anm. 4 ]. Ebenso kann die Rede de har. resp. nur vorher fallen, ehe die neue Vereinigung der Drei in Luca ruchbar wurde (gegen Drümamr II * 278; hätte Cicero von dieser Wendung eine Ahnung gehabt, so würde er ganz anders oder vielmehr garnicht geredet haben); daher kann sie auch nicht mit Lange, Röm. Alt. DU ' 330. auf den 7. Mai, sondern, da die Feier der Megalesien durch Clodius als Aedilen darin § 22 erwähnt wird, die am 4. April (einen Tag vor der oben S. 136 berichteten Senats-

Pom pejus, Cicero und Clodius im Frühjahr 56

dagegen, daß er die Zwietracht der Optimateu, von der das Gutachten sprach, in der von einem Teil derselben, um Pompejus zu demütigen, dem Clodius gewährten Förderung sah und sich bitter darüber beklagte, und daß er erklärte, dem Pompejus ge- reichten die Lobsprüche, die ihm Clodius jetzt erteilte, viel mehr zur Unehre, als seine bisherigen Schmähungen. Das war eine an Pompejus gerichtete Mahnung, auf dem richtigen Wege zu beharren. Im übrigen hat Clodius in der Tat noch einmal den

sitzung) stattfand, nur Mitte oder spätestens zweite Hälfte April fallen, und muß dann sofort publiziert worden sein. Nun schreibt Cicero allerdings seinem Bruder in der Morgendämmerung des 8. April, er wolle an diesem Tage aufs Land gehn und am 6. Mai zurückkehren, und eben darum hat man de har. reep. und die weiteren Vorgänge nach letzterem Datum angesetzt. Aber Cicero kann seinen Vorsatz sehr wohl geändert haben und infolge der dortigen Vorgänge alsbald nach Rom zurück- gekehrt sein; und dafür spricht, daß wir aus diesem Landaufenthalt keine Briefe an Atticus haben außer vielleicht dem kurzen , politisch inhaltlosen und daher nicht genauer datierbaren Billet IV 4 b. Denn die folgenden Briefe IV 5—7 werden von dun Hurausgebern allgemein falsch datiert, wenn sie in den April oder Anfang Mai gesetzt werden: ßie fallen nach der Unterwerfung Ciceros unter das Gebot der Macht- haber, mithin auch nach der Senatssitzung vom 1">. Mai, bei der Cicero anwesend war (ad Qu. fr. II 6, s. u. S. 145), und die notXtvujSta, die Cicero Att. IV 5 dem Freunde zu schicken sich schämt, ist, wie Momhsen richtig erkannt hat, ohne Zweifel die Rede de prov. cons., die frühestens etwa Mitte Mai verfaßt sein kann. Gleichzeitig hat er in Rom den Brief an Quintus II 6 geschrieben, als er von diesem nach dem Mitte Februar eingetroffenen Brief aus Olbia (II 3. 7) erst jetzt wieder einen Brief erhielt, in dem er seine bevorstehende Rückkehr meldete und offenbar von Pompejus' Warnungen und Forderungen Mitteilung ge- macht hat (vgl. an Lentulus I 9, 9). Daß Cicero ihm seit dorn 8. April (II 4) nicht mehr geschrieben hat und sich jetzt auf ein kurzes Billet beschränkt, ist sehr natürlich. Nach Quintus' Rückkehr wird er etwa im Juni wieder aufs Land gegangen sein, und in diese Zeit fallen dann die Briefe an Atticus IV 5—7, sowie der an Luccejus V 12. Daß Momisbn R.G. IH 7 318 das Gutachten der Haruspices vor die Ver- handlung im Senat am 5. April und Ciceros Antrag über den ager Campanus setzt, ist lediglich eine durch Gesichtspunkte des Aufbaus seiner Darstellung, also durch stilistisch-rhetorische Motive verursachte Flüchtigkeit, wie bei ihm so häufig, in derselben Weist* wie bei so vielen alten Historikern.

140

Das Principat des Pom pejus

Versuch gemacht, Cicero« Haus niederzulegen, wurde aber durch Milo daran gehindert; Cicero rächte sich dadurch, daß er, von dessen Banden und einigen Tribunen begleitet, die Tafeln, auf denen Clodius' Gesetze aufgezeichnet waren, auf dem Capitol umstürzte und fortschleppte1).

Die Konferenz von Luca und ihre Folgen

Aber die Erwartung, daß Poinpejus sich dem Senat fügen werde, erfüllte sich nicht; vielmehr trieb ihn eben die Notlage, in die ihn dieser im Zusammenwirken mit Clodius gebracht hatte, aufs neue seinem Schwiegervater in die Arme, so sauer ihm dieser Entschluß geworden sein mag. Insofern war Ciceros Politik, wenn wir von seinen gehässigen Invektiven absehn, weit verständiger als die der Heißsporne: er suchte die Kluft zwischen Poinpejus und Clodius zu vergrößern und jenen dadurch zur Verbindung mit dem Senat zu zwingen, wofür er ihm Kon- zessionen und Ehrungen in Aussicht stellte1), während jene durch ihre gewiß ehrlichen, aber kurzsichtigen Angriffe das Gegenteil von dem bewirkten, was sie erstrebten3).

') Siehe S. 138. 2. Bei seinem ersten Versuch wurde Cicero durch Clodius und dessen Bruder Gaius, damals Praetor, der im (ihrigen keine politische Rolle gespielt hat, daran verhindert, der zweite glückte. Dio 39, 21.

*) So weit ist auch Cicero» Behauptung de har. resp. 3 nihil feci iratus, nViü impotenti animo, nihü non diu consideratum ac mtdto ante meditatum nicht unberechtigt, so einseitig sie ist. Die politischen Hinter- gedanken, die ihn leiteten, konnte er natürlich nicht offen aussprechen; aber daß er sich von allen direkten Angriffen auf Poinpejus zurückhielt (vgl. S. 124), war durchaus berechtigt, so sehr ihm das von den Zeit- genossen und den modernen Kritikern zum Vorwurf gemacht worden ist. Natürlich verdarb er indessen seine Wirkung und schwächte seine Position durch seine maßlose Eitelkeit und durch das widerliche Ge- zanke, zu dem doch er selbst und nicht etwa Clodius durch nein törichtes Verhalten gegen diesen bei dem Skandal beim Feste der Bona dea den Anstoß gegeben hatte.

*) An Lentulus schreibt Cicero Anfang 55 (I 8, 4) dignüotem quidem illam consularem fortis et constantis senaieris nihü est quod cofji-

Caesars Verhalten gegen Pompejus

Hl

So lag die Entscheidung in den Händen Caesars. Mokhsen ist der Meinung, daß wenn Caesar den Pompejus jetzt nicht fallen ließ, sondern ihm zu einer gesteigerten Machtstellung verhalf, dies an sich ein schwerer politischer Fehler gewesen sei, der ihm bittere Früchte getragen habe; erklären lasse er sich nur durch die Rücksicht auf die große und ideale Aufgabe, die Caesar in Gallien in Angriff genommen hatte. Aber diese Auffassung ist nach beiden Seiten völlig unhaltbar; sie beruht auf der nicht nur einseitigen, sondern durch und durch gewaltsamen und die wahre Lage verkennenden Auffassung, von der Mommsens ge- samte Darstellung dieser Zeit, so bestechend sie gewirkt hat, beherrscht ist. Allerdings hat Caesar die Eroberung Galliens, wie alles, was er unternahm, im großen Stil angefaßt; er fühlte die Kraft in sich zu schöpferischer Tätigkeit, und das ist ge- schichtlich seine Rechtfertigung. Aber an sich war sie ihm immer nur Mittel zum Zweck: sich eine dauernde Machtstellung im römischen Staat zu schaffen und gegen die ihm drohenden An- griffe und Gefahren mit allen, auch den bedenklichsten Mitteln zu sichern, war sein Ziel. Revolutionär war er durch und durch; er mochte sich damit rechtfertigen, daß es nach seiner Auf- fassung, die von manchen andern geteilt wurde, seit Sulla eine legitime Staatsverfassung überhaupt nicht mehr gab und daher dem persönlichen Ehrgeiz keine Schranken mehr gesetzt waren. Wie weit ihn der eingeschlagene Weg führen werde, konnte er so wenig sagen, wie sonst irgend jemand; aber hätte er damals schon an die Aufrichtung seiner Monarchie gedacht, so wäre er ein Träumer gewesen und kein Staatsmann. Die Stellung, die er gewonnen hatte, beruhte auf der Koalition mit Pompejus und der dadurch ermöglichten gewaltsamen Durchbrechung des Senatsregiments; hätte er jetzt Pompejus nur lau unterstützt oder gar fallen lassen, wie Mommsen fordert, so hätte er diesen zum Anschluß an den Senat gezwungen und damit eine Koalition geschaffen, der er in seiner damaligen Lage in keiner Weise ge-

tetnus: amissa culpa est cor um, qui a senatu et ordinem coniunc- tissimum (die Ritterschaft) et hominem darissimum (Pompejus) o6- alienarunt.

142

Das Principat des Pom pejus

wachsen war ; damit würde er sich selbst mutwillig das Schicksal des Sertorius bereitet haben. Auch in den Jahren 51 und 50 und noch im Bürgerkriege hat er, obwohl damals seine Macht weit größer und Gallien wirklich unterworfen war, bis zuletzt alles versucht, um durch weitgehende Konzessionen den Bruch zu vermeiden oder wieder zu überbrücken, und zum Schwert nur gegriffen, weil ihm kein anderer Ausweg blieb; wie die Dinge zu Anfang des Jahres 56 lagen, kann ihm der Gedanke, Pom- pejus zurückzuweisen und dadurch den Bürgerkrieg herbeizu- führen, überhaupt nicht in den Sinn gekommen sein. Daß Pom- pejus von der einen Seite durch den Senat, von der andern durch Crassus und Clodius in eine Notlage gebracht und damit seine eigene Stellung tatsachlich über ihn hinausgehoben war, war ihm natürlich sehr recht, und er hat zweifellos die Umtriebe der anarchistischen Demagogen insgeheim gefördert; jetzt aber, wo Pompejus sich wieder an ihn wandte, mußte er alles tun, um ihm entgegenzukommen und durch neue Festigung der Koalition die Opposition in Rom, die auch und sogar in erster Linie seine eigene Stellung aufs schwerste bedrohte, wieder in die ohnmächtige Lage zurückzuwerfen, in die er sie als Consul gebracht hatte.

So hat Caesar den Crassus in Ravenna veranlaßt, seine Intrigen gegen Pompejus aufzugeben, und auf Clodius eingewirkt, daß er auf dessen Seite übertrat und seine Banden aufs neue den ver- einten Machthabern zur Verfügung stellte. Dann kam er dem Pompejus bis an die äußerste Grenze seiner Provinz entgegen, nach Luca, nördlich vom Arno1). Hier traf Pompejus, statt nach Sardinien zu gehn, um die Mitte April (Ende März jul.) mit Caesar und Crassus zusammen1). Während im Jahre 60 die Verbindung

') Sueton Caes. 24 in urbem provinciae «uae Lucam. Luca, ur- sprünglich bekanntlich latinische Kolonie, war jetzt BQrgerstadt wie alle Städte der Cispadana; das benachbarte Pisae, in dessen Hafen PompejuB gelandet sein wird, gehörte dagegen zu Italia.

') Also zu einer Zeit, wo der Feldzog des nächsten Jahres unmittel- bar bevorstand; Caesar ist offenbar durch die politische Lage länger in Italien zurückgehalten worden, als er sonst geblieben wäre. Im bellum

Die Konferenz von Luca

143

geheimgehalten wurde, vollzog sie sich diesmal in breiter Oeffent- lichkeit: alle Anhänger der Machthaber wurden aufgeboten, und dazu drängte sich heran, wer immer hier seinen Vorteil zu finden hoffte, Männer und Frauen. Uber zweihundert Senatoren fanden sich zusammen, darunter zahlreiche Statthalter und Beamte, so der Proconsul Meteilus Nepos aus Spanien und der Propraetor Appius Claudius (S. 137) aus Sardinien ; man zählte in Luca nicht weniger als hundertzwanzig Lictoren1).

Für die Zukunft wurde ausgemacht, daß Pompejus und Crassus im nächsten Jahre das Consulat übernehmen und dann jeder gleichfalls ein eigenes Machtgebiet erhalten sollte, Pompejus die beiden Spanien, Crassus Syrien, von dem aus er einen Krieg gegen die Parther unternehmen und ebenso wie Caesar ein Reich von gewaltigem Umfang gewinnen konnte; zum Entgelt sollten die vier Legionen, die Caesar auf eigene Hand zu den vier ihm bewilligten, ohne eine Ermächtigung dazu nachzusuchen, aus- gehoben und bisher aus privaten Mitteln, aus der Beute, über die er nach Gutdünken verfugte, und den Kontributionen der Untertanen bezahlt hatte, auf die Staatbkasse übernommen werden darauf wird auch der oben S. 136 erwähnte Antrag der Tribunen gegangen sein , und ihm ebenso wie den beiden andern sein Kommando auf eine weitere Reihe von Jahren ver- längert werden. Pompejus dagegen verzichtete auf die Ge- winnung neuer kriegerischer Lorbeeren; die aegrptische Ex- pedition, die immer nur eine Verlegenheitsauskunft gewesen war, ließ er fallen, sie wurde von den Machthabern dem Gabinius

Oallioum verschleiert er diese Dinge in Üblicher Weise; er erzählt mit der harmlosesten Miene, daß er im Winter 57/6 nach Ulyricum ge- gangen sei, quod eas quoque nationes adire et regiones cognoscere volebat (III 7, vgl. II 35); da sei plötzlich in Gallien ein neuer Krieg ausgebrochen, der Aufstand der Veneter. Durch P. Crassus erhält er die Kunde davon, läßt Schiffe auf der Loire bauen, ipse, cum primutn per anni tempus potuü (darin steckt die Konferenz in Luca, von der natürlich mit keinem Wort die Rede ist), ad exercitutn contendü.

') Plut. Caes. 20. Pomp. 51 = Appian II 17; Appian hat in seiner Manier die alberne Motivierung hinzugefügt, Caesar sei nach der Cis- alpina gegangen ix ouv*xo"C «oXtfioo tiv otpativ dvanaoowv h? bXtfov.

Iii

Da» Principat des Pumpejas

zugewiesen. Vielmehr sollte er nach wie vor der Regent der Hauptstadt und damit des Reichs bleiben, jetzt nach der neuen Einschüchterung des Senats und der Beilegung des Haders mit Clodius, wo ihm die anarchistischen Banden wieder zur Verfügung standen, in gefesteterer Stellung als vorher. Im übrigen wurdeu für die Besetzung der Ämter auch für die folgenden Jahre die den Machthabern genehmen Kandidaten in Aussicht genommen und eine Liste darüber aufgestellt1); und Caesars Gold floß in Strömen allen zu, die sich um die Krippe drängten und geeignet erschienen oder die man zu erkaufen strebte.

Etwa Anfang Mai kam die Kunde von diesen Abmachungen nach Rom. Gegen die Koalition und ihren mächtigen Anhang war jede Opposition wehrlos. Die Masse der Senatoren fügte sichr teils resigniert, teils durch die Lockungen gewonnen; wer es ehrlich mit der Republik meinte, mochte wie im Jahre 59 den Kampf gegen das Gebot der Machthaber bis zuletzt fortsetzen, aber mit dem lähmenden Bewußtsein, daß jede Aussicht auf Erfolg geschwunden war. Cicero gefügig zu machen übernahm Pompejus. Als er von Luca nach Sardinien kam, stellte er Quintus Cicero zur Rede und forderte die Erfüllung der Verpflichtungen, für die dieser sich bei der Rückberufung seines Bruders verbürgt hatte, vor allem die Einstellung aller Angriffe auf Caesar. Zu- gleich schickte er an Cicero selbst den L. Vibullius, einen seiner Offiziere, mit der bestimmten Forderung, in der Frage des cam- panischen Ackergesetzes alles ruhen zu lassen, bis Pompejus zurückgekehrt sei2). Cicero blieb nichts übrig, als sich zu fügen: sein Traum war ausgeträumt, er erkannte, daß seine ganze Politik auf falschen Voraussetzungen aufgebaut und unausführbar ge-

') Cic. ad Att. IV 8 b. 2 im Anschluß an die Angabe über Domitiua (S. 186, 1) si vero id est, quod nescio an sit, ut non minus longas iam in codicillorum fastis futurorum con&ulutn paginulas habeat (Pom- pejus) quam factorum, quid Mo (Domitio) miserius nisi respublica? in qua ne speratur quidem melius quidquam. Genauen Bericht über die Konferenz in Luca gibt Plut. Caes. 21 = Pomp. 51 = Appian II 17; Dio hat sie, wie schon erwähnt, übergangen, Sueton berührt sie nur kurz.

s) An Lentulus I 9, 9 f.

Cicero unterwirft sich; sein Eintreten für Caesar

145

wesen war. „Ich weiß/' achrieb er kurz darauf an Atticus, „daß ich ein rechter Esel gewesen bin"1). Bei der auf seinen Antrag vom 5. April am 15. und 16. Mai auf der Tagesordnung des Senats stehenden Verhandlung über Campanien die natürlich zu keinem Ergebnis führte blieb er dem Befehl des Pompejus gemäß fern: „In dieser Sache/' schreibt er seinem Bruder, „stockt mir das Wasser in der Kehle"2). Als dann aber die An- träge über Caesars Stellung vor den Senat gebracht wurden, mußte auch er offen hervortreten: er unterstützte den Antrag, die Soldzahlung für seine, auf eigene Faust, dem Senat zum Hohn, ausgehobenen Legionen auf die Staatskasse zu über- nehmen und ihm zehn staatlich anerkannte Legaten zu be- willigen, und trat den zahlreichen Opponenten, die davon nichts wissen oder zum mindesten die Entscheidung vertagen wollten, mit Nachdruck entgegen. Natürlich wurde der Antrag an- genommen; es half nichts, daß Favonius, in Catos Abwesenheit der Führer der Opposition, zur Tür hinaussprang und das Volk

') ad Att IV 5, 3 quoniam qui nihil possunt, ii me nolunt amare, demus operam, ut ab iis qui possunt diligamur. dices: Vellern iam pridem. scio te voluisse et me asinum germanum fuisse. Der Brief ist frühestens im Juni geschrieben (oben S. 189 Anm.).

■) ad Qu. fr. II 6. Der Text ist korrupt überliefert. Cicero freut sich, daß am 15. Mai der Senat dem Gabinius die beantragte suppli- catio für in Syrien gewonnene Erfolge (vgl. de prov. cons. 9; es ist wohl der Sieg über den jüdischen Prinzen Alexander) verweigerte (ebenso de prov. cons. 14), und zwar in Abwesenheit Cicero* (mihi cum sua sponie iucundum, tum iucundius, quod me absente) er war damals in Rom. wo er den Brief schreibt, ist aber eben nicht in die Sitssung gegangen. Dann fahrt er fort eram ante, quod Idibus et postri- die fuerat dictum, de agro Campano actum iri, fnonf ut est actum; in hoc causa mihi aqua haerei. non ist im Mediceus ausradiert und durch einen darunter gesetzten Strich von anderer Hand als zu tilgen «zeichnet. Mit vollem Recht verwirft Stbrskopf, Hermes 39, 1904, 416 f. das Verfahren der Herausgeber, die trotzdem allgemein non bei- behalten und statt dessen ut tilgen. Die Korruptel steckt in eram ante, für das Stkuiiopf aber am autem vorschlägt, was einen guten Sinn gibt. Jedenfalls sollen die folgenden Worte sein Ausbleiben in der Sitzung motivieren, und hier ist die Überlieferung des Mediceus: .weil gesagt war. am 15. und 16. Mai solle über den ager Campanus ver- Meyer, Caesars Monarchie 10

140

Das Principat de« Pom pejus

zum Widerstand aufrief1). Cicero aber bekräftigte die neue Freundschaft mit Caesar noch weiter dadurch, daß er bei der Aalsfertigung des Beschlusses als Zeuge mitwirkte*). Bald darauf stand die Frage zur Verhandlung, welche Provinzen den Consuln des Jahres 55 zugewiesen werdeu sollten der Beschluß darüber mußte nach einem Gesetz des C. Gracchus vor den Wahlen ge- faßt werden und unterlag nicht der tribunicischen Intercession ; auch hier trat Cicero gegen den Antrag auf, Caesar seine beiden gallischen Provinzen oder eine derselben zu entziehn, und forderte statt dessen die Zuweisung von Makedonien und Syrien an die Consuln. Die Zustimmung zu diesem von Servilius Isauricus, dem ältesten der Consulare, gestellten Antrag wurde ihm formell dadurch erleichtert, daß er so wenigstens seinem Grimm gegen die bisherigen Statthalter Piso und Gabinius, Caesars Werkzeuge, aufs neue Luft schaffen konnte3). Durch ziemlich fadenscheinige

handelt werden, wie das denn auch geschehen ist' vollkommen in Ordnung.

') Plut. Caes. 21 ot yop tooaöta xPr*i!lata "'P* Katoapo^ Xafißdvovtt; tu$ ota ?xovtt Sifcov«1 r*)v ßooMjv fmid-ov, fi.äXXov ?i -rjvdpiaCov, lntotivoooav l^^tCovto» 4>au>vtO!> . . . «ü; ooiiv Juewepatvtv ävrtXsTtvv, igaXXo- ucvoo 8iä &op4t»v »al ßoüivtoe «ls *i nX-?jdt)<.

*) de prov. cons. 28. Ebenso pro Balb. 61. An Lentolus 17, 10 nom qui plus opibus, armis, potentia valent, perfecisse tarnen mihi videntur stultitia et ineonstantia adversariorum , ut etiam auctori- tate iam plus valerent. itaque perpaucis adversantibus [dagegen de prov. cons. 28 multis dissentientibus] omnia quae ne per populum quidem sine sediüone se adsequi arbitrabantur , per senatum con- secuti sunt: nam et Stipendium Caesari decretum est, et decem legati et ne lege Sempronia succederetur facile perfectum est; daß er selbst eifrig dafür eingetreten ist, verschweigt er hier. Dio 89. 25 hat aus den zehn Legaten Senatskommissare zur Einrichtung der neuen gallischen Provinz gemacht (dagegen mit Recht Grokbe bei Drumann m 248. 1; allerdings berichtet auch Sneton Caes. 24, daß der Senat quondam legatos ad explorandum statum GaUiarum mittendos de- creverit): er hat hier, wie oben S. 125, 8 ausgeführt, alles verschoben, laßt Pompejus über den Beschluß sehr erbittert sein und sich deshalb wieder mit Crassus verbinden.

') Er beantragte daher, daß beide sogleich abberufen werden und ihre Provinzen wahrend des Jahres 55 an Propraetoren vergeben werden

Cicero« Eintreten für Caesars Provinzen

147

Argumente suchte er nachzuweisen, daß dem Antrag, die Cis- alpina unter Berücksichtigung des Vatinischen Gesetzes, das sie dem Caesar bis zum letzten Februar (oder Intercalaris) des Jahres 54 zuwies, vom 1. März dieses Jahres an neben Syrien für die Consuln von 55 zu bestimmen, staatsrechtliche Bedenken gegenüberständen1); die Transalpina aber ihm zu nehmen, ehe daß große Werk der Unterwerfung Galliens vollendet sei, sei im Interesse des Staats unzulässig; und überhaupt habe Caesar sich jetzt so gewaltige Verdienste erworben, daß man alles Frühere darüber vergessen und ihn aufs rücksichtsvollste behandeln müsse. Auch er selbst habe deshalb seinen Gegensatz gegen Caesar auf- gegeben, trage ihm die Unterstützung des Clodius, die er durch sein eigenes ablehnendes Verhalten gegen Caesars ehrenvolle An- erbietungen im Jahre 59 herbeigeführt habe falls Caesar wirk- lich an seiner Verbannung oder vielmehr, wie Cicero sagt, an seiner freiwilligen Entfernung aus Rom einen Teü der Schuld trage , nicht mehr nach, sondern habe sich völlig mit ihm versöhnt.

Natürlich erregte dies Auftreten Ciceros, das sein ganzes bis- heriges Verhalten verleugnete, bei den ehrlichen Verfechtern der Senatsherrschaft schweren Anstoß, zumal er sich zu allen andern Fragen schweigend verhielt2). Der Consul Philippus, der sich sonst sehr zurückhielt (er war der zweite Gemahl der Nichte Caesars

sollten (de prov. cons. 17). Das wurde für Macedonien angenommen und Piso abberufen, Gabinius dagegen nicht (in Pison. 88. Ascon. p. 1). Welche Provinz neben Macedonien als consularische für 54 bestimmt wurde, wissen wir nicht; der SenatsbeschluB wurde bekanntlich durch das Gesetz des Trebonius für Pompejus und Crassus beseitigt.

') prov. cons. 86 ff.; ferner § 89 gegen das sehr berechtigte Argu- ment des Consuls Marcellinus, wenn man nicht jetzt über die Cisalpina verfüge, werde dieselbe in Zukunft dauernd von den Gegnern des Senats in Beschlag genommen und von dort aus der Staat beherrscht werden (ut provideamus , ne citerior Gallia nobis invitis alicui decernatur post eos consules, qui nunc erunt designati, perpetuoque posthac ab iis, qui hunc ordinem oppugnent, populari ac turbulenta ratione teneatuY). Das ist völlig zutreffend, nur bot allerdings ein Senats- beßchluß, wie die Dinge lagen, dagegen garkeinen Schutz mehr.

2) qui Ulcus omnis res egi silentio (de prov. cons. 29).

113

Da* Principat des Pompejus

Atia, der Mutter des Augustus), warf ihm ein, er habe mindestens ebensoviel Grund, Caeaar zu hassen wie den Gabinius1); andre nahmen seine Äußerungen mit erstauntem Schweigen auf*). Das veranlagte ihn, seine Rede über diese Frage als Broschüre heraus- zugeben und zu einer eingehenden Verteidigung seines Verhalten? zu gestalten. Sich selbst und andern gegenüber suchte er sich dadurch zu rechtfertigen, daß die optimatischen Heißsporne, kurzsichtig und neidisch, weil sie ihm seine Stellung nicht gönnten, den Clodius protegiert, ihn selbst aber gegen Pompejus aufgehetzt und dann im Stich gelassen hätten"); aber im Innern wußte er nur zu gut, daß das nur Selbstbetrug war, und wir begreifen, daß er sich schämte, seine Palinodie dem Atticus zuzusenden; auch Atticus, meint er, habe ihm zwar geraten, so zu handeln, aber doch nicht, auch gleich eine Schrift darüber zu veröffent- lichen. Ihm gegenüber machte er denn auch von seiner wahren Lage kein Hehl: „Adieu die graden, wahren, ehrlichen Absichten. Es ist zu Ende. Da die, welche nichts vermögen, mich nicht lieben wollen, will ich mich bemühen, daß die, welche etwas ver- mögen, mir ihre Liebe zuwenden."') Er preist den eben gestorbenen Flamen Martiaüs Lentulus glücklich; „denn was ist abscheu- licher als unser Leben, zumal das meinige. Wenn ich in den Staatsgeschäften etwas sage, was sich gebührt, gelte ich für wahnsinnig, wenn, was die Umstände erfordern, für sklavisch, wenn ich schweige, für unterdrückt und gefangen, und mein Schmerz ist nur um so größer, da ich ihn nicht einmal äußern

*) ib. 18. 21.

*) ib. 40 quo minus saepe auf interpeUer a nonniülis auf taci- torum existimatione reprehendar, vgl. § 47. pro Balb. 60 ff. an Len- tulus I 9. 17 iUud vero tum obscure queruntur, in meis senientiis, quibus ornem Caesar em, quasi desciscere me a pristina causa.

*) de prov. cons. 45, ebenso an Lentulus I 7, 7. I 9, an Atticus u. a. Auch die Rede für Baibus, den Agenten Caesars, dessen Verteidi- gung er im Herbst 56 neben Pompejus und Cra«sus Obernehmen mußte, hat er in eine Apologie seines Verhaltens gegen Caesar ausmünden lassen und deshalb publiziert. Seine Äußerung ad Att. VII 7, 6 zeigt, daQ er innerlich mit Ballus' Sache keineswegs einverstanden war.

*) ad Att. IV 5: er habe das einzige Exemplar der Schrift daß das die Rede de prov. cons. ist, hat Mommsen richtig erkannt und sollte

Cicero und die Machthaber

149

darf, um nicht undankbar zu erscheinen"1). Auch materiell wurde er noch weiter gebunden: Caesar machte ihm große Vor- schüsse, sein Bruder Qu intus aber mußte als Legat in Caesars Dienste treten, um für ihn ab Geisel zu dienen. So wird denn der Mann, der geträumt hatte, die dominierende Persönlichkeit im öffentlichen Leben zu sein, um dessen Stellung sich der Kampf der Parteien konzentriere, zum geschmeidigen Werkzeug der Machthaber, zum Führer der gehorsamen Majorität, zum Ver- teidiger ihrer Werkzeuge in den politischen Prozessen.

Das zweite Consulat des Pompejus und Crassus

Wenn auch die Widerstandskraft des Senats gebrochen war, so ließ sich die Wahl des Pompejus und Crassus zum Consulat doch auf legitimem Wege nicht durchsetzen; weder der Senat noch die in den Centuriatcomitien Ausschlug gebenden besitzen- den Klassen waren bereit, die Herrschaft der Machthaber offiziell aufzurichten; auch Caesars Geld und Einfluß reichten zur Be- schallung einer Majorität nicht aus, und die Truppensendung, die er in Aussicht stellte, konnte erst im Winter eintreffen8).

nicht bezweifelt werden einem anderen geschickt, quid? etiam dudum enim circumrodo qtwd devorandum est subturpicula mihi videbatur esse naki^iit. sed valeant recta, vera, honesta consilia. Dann folgt der Ausfall gegen die falschen Freunde unter den Optimaten. vix aliquando te auctore resipui. dices eatenus te suasisse qua f ace- rein, non etiam ut scriberem. ego mehercule mihi necessitatem volui imponere huius novae coniunctionis, ne qua mihi liceret labi ad itlos, qui etiam tum, cum misereri mei debent, non desinunt in- videre . . . sed quid ad hoc, si quibus sententiis dixi, quod et ipsi probarent, laetati sunt tarnen, me contra Pompei voluntatem di- xisse? Finis est. quoniam qui nüiil posaunt, ii me nolunt amare, demus operam, ut ab iis, quipossunt, diligamur. dices: vettern iam pridem. scio te voluisse et me asinum germanum fuisse. sed iam tempus est, me ipsum a me amari, quando ab Ulis nullo modo possum.

•) ad Att. IV 6.

*) Plut. Crass. 14 5?si aunnparmv Kato*pa, tote tpiXotc ypd^ovta xal tiuv otpattiMtiLv »itiaovta JtoXXof>s apxaip«otd<30VTot$ = Pomp. 51 Kac-

150

Das Principat des Pom pejus

Offiziell waren sie überhaupt als Kandidaten nicht aufgetreten; sie wollten, ohne sich au dem Amt gedrängt zu haben, durch das Volk gezwungen sein, in der Notlage des Staats als dessen Better einzuspringen; es war aber sicher, daß der energische Consul Marcellinus, der seine Opposition gegen Pompejus unentwegt fortsetzte, und auch sein Kollege Philippus die auf sie fallenden Stimmen als ungültig behandeln würden, weil die gesetzliche Anmeldung eben nicht vorlag1). Daher entschloß man sich, die Wahlleitung durch Inhibierung der Comitien den Consuln zu entziehn und ein Interregnum herbeizuführen; 4as bot den weiteren Vorteil, daß alsdann die gewählten Consuln das Amt sofort übernahmen, ohne daß sie wegen ihrer Umtriebe und der gewaltsamen Mittel, die sie ergreifen mußten, gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden konnten. Daher legte der Tribun Q-aius Cato, jetzt seit der Versöhnung des Clodius mit Pompejus wie dieser ein willfahriges Werkzeug der Machthaber, unter ver- schiedenen Vorwänden sein Veto gegen die Vornahme der Wahlen ein. Das führte zu den heftigsten Szenen im Senat: man be- antragte, wie bei Ciceros Verjagung, Trauer anzulegen und an den Staatsfesten nicht teilzunehmen. C. Cato rief diejenigen Senatoren, die sich den Machthabern gefügt hatten, aber durch Abwesenheit der offenen Stellungnahme hatten entziehen wollen, in die Curie; doch die andern Tribunen hinderten sie am Ein- tritt, und der Beschluß wurde trotz Gates Intercession an- genommen. Der Consul Marcellinus brachte die Sache vor das Volk und schilderte das Elend der Lage und Pompejus' Gewalt- herrschaft in beweglichen Worten; als man ihm Beifall zollte, forderte er die Bürger auf, sich dieses Rechts eifrig zu bedienen, solange ihnen wenigstens das noch freistehe2). Clodius redete da- gegen; als er dann in den Senat kam, wäre er von den Rittern beinahe erschlagen worden, wenn nicht der Pöbel ihm mit Feuer- bränden zu Hilfe gekommen wäre und gedroht hätte, die Curie

oapa aoXXafißdvtiv a&tol«, jt4(utovta td,v «P»tw«»t<i»v ooxv<>'J» tijv y-i)?ov; vgl. unten S. 154.

M Dio 89, 27, 4.

') Val. Max. VI 2, 6.

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Verhinderung der Consulwahlen für 55. Wirren in Rom.

IM

in Flammen aufgehn zu lassen. Als dann Pompe jus selbst im Senat erschien, um mit seiner Autorität einzugreifen, stellte ihm Marcellinus offiziell die Frage, ob er wirklich Consul werden wolle. Da versuchte er zunächst, unter heftigen Invektiven gegen Marcellinus, der ihm dankbar sein solle, daß er ihm die Gelegen- heit geboten habe, die Redekunst zu lernen und seine Worte auszuspeien1), ausweichend zu antworten, vielleicht werde er sich bewerben, vielleicht auch nicht; schließlich aber blieb ihm nichts übrig, als zu erklären, für die rechtlichen Männer sei seine Be- werbung nicht nötig, wohl aber um der revolutionären Unruhe- stifter willen*) eine mehr als kühne Behauptung, da doch lediglich er selbst die Unruhen hervorgerufen hatte. CrassuB begnügte sich mit der unbestimmten und doch unzweideutigen Äußerung , er werde tun , was dem Wohl des Staates zuträglich sei^). Positiv war nichts mehr zu erreichen; so blieb Mar- cellinus, wie Bibulus im Jahre 59, fortan den Senatssitzungen fern, und ebenso die Majorität der Senatoren, so daß die ver- fassungsmäßige Präsenzziffer nicht mehr aufzubringen war und alle Geschäfte für den Rest des Jahres stockten4).

*) Plut. Pomp. 51 ndtvwov aJtxwTOtov «Ivat t&v MoqmUtvov, x*Plv ob* ?xM Mf»? f*** 'S «fwvoo Ji* aötov, ifutix&s ii ix mtvattxoö y»v6-

*) Plut. Crass. 15 IlofUcVjtoc . . . axtxpivato, xu^öv ftiv |MTUvai, to^ov ih {rrj uAti&vai' x*t xdX'.v epu>ta>|i»voc *<pi\, fUtiivat tot^ 2ixato({ JtoXttatc* |Mtt4vac &i toic a?txoi<;. Pomp. 51 führt Plntarch nur die erste der beiden Äußerungen an, Dio 89, 30, 1 dagegen nur die zweite: tüv jt4v $ixa|u>v avJptöv evixi oMiv r?]{ apX^C 3t!o*at f«pYj, 8ia H too? tapaxa>4»t^ xai o<p68pa ai»r?j^ ivtiicottlad-au

*) Dio 89, 30, 2 ßti «ivd^ 03a td> xoivtj» aupuptpo'. xp£;oi. Plut. Crass. 15 •t xokn mpfiptt, jmtivat rijv apxty, ^ l***»» w«*'J«o*«; Pomp. 51 o5tu> «^p-vj *pa£»iv, 6xottp<u( Äv otf)t<tt tq» xoivip oovolattv.

*) Dio 39, 80, 4 u»o*ep StSooXutuiyoi xai fi-^c' «px«« ttiafrai jiirjt* £XXo ti xoXittxöv xp&£eu t£oootav £xovt*< T& Xotxöv toö £touc Äffiyayov. Auch an den Festfeiern beteiligte sich der Senat nicht. Für diese Vorgilngp haben wir eine eingehende Schilderung nur bei Dio 39, 27 ff. [ebenso erzählte Livius, ep. 105: Cum C. Catonis tr. pl. intercessionibus co- mitia toüerentur, senatus vestem mutavit]; Ciceros Korrespondenz versagt für die zweite Hälfte des Jahres vollständig. Unmöglich ist es nicht daß Ciceros Vorgehn gegen Clodius und die Entfernung seiner

152

Das Principat des Pompejus

Inzwischen war Cato gegen Anfang des Winters1) zurück- gekehrt. Seine Rückkehr bot, wie die Ciceros im Jahr vorher, den Anlaß zu einer großen Demonstration: unter Führung des Consuls Philippus, seines Schwiegervaters, zogen ihm alle Be- amten und Priester, geleitet von Senat und Volk, an den Tiber entgegen, während er die seiner Obhut vertrauten Schatze des cyprischen Königs peinlich behütete und das mächtige Königs- schifi, eine Hexere, nicht verließ, bis er im Arsenal angekommen war2). Als Anerkennung seiner Verdienste gestattete ihm der Senat, sich noch nachträglich für das nächste Jahr um die Praetur zu bewerben, und bewilligte ihm schon jetzt den Pur- pursaum des Beamten, eine Ehre, die er ablehnte*). Er gewährte also dem Cato, da dieser im Staatsdienst abwesend gewesen war,

Gesetztafeln (oben S. 138 f.) erst in diese Zeit gehört und er den Mut dazu aus den bei Bio geschilderten Szenen geschöpft hat.

') Mit Recht hat Mommsen R.G. III 322 Anm. hervorgehoben, daß Cato zur Zeit der Rede pro Sestio ($ 60) und bei den Verhandlungen über Caesars Legionen (Plut. Caes. 21) nicht in Rom war und, da seine Schiffer 8io tb faoöv auf Korkyra bei Nacht Feuer machten, wodurch die Zelte und das Rechnungsbuch verbrannten (Plut. Cato 38), wahr- scheinlich nicht vor dem Herbst (der römische 1. Januar 55 fallt julianisch auf den 80. November 56) zurückkehrte. Seltsamerweise ist Mommsxks Bemerkung, daß er nicht „wie man mißverständlich aus Asconius p. 35. 58 gefolgert hat* bei Asconius ist von dem Prozeß des Jahres 52 die Rede im Februar 56 den Milo verteidigt haben kann, bei Drukakn II* 272. V* 178 von Groebe nicht berücksichtigt, sondern seine Rück- kehr Anfang 56 gesetzt.

*) Plut. Cato 49. Val. Max. VIII 15. 10. Vellejus II 45. 5.

*) Plut. Cato 39 -f} ßooX-r) i<yt\f't9axo x<p Krftum oTparqftav i^pt^ov 8o<H]vat, xat tot« 6va$ aot&v bi lod-fjtt xsp'.icofxpöpw dsdoao&at. toöto niv oüv 6 Kdxtov «ap-gt^oato. Val. Max. IV 1, 14 senatus relationem inter- poni iubebat, ut praetoriis comitiis extra ordinem ratio eius habe- retur; sed ipse id fleri non passus est. Dio 89, 23, 1 xal ot Bnato: fvaijrrjv tv t<j> oüv»?ptt>> titor/oavro, oTparrfflav ai>t(p SotHjvat xaticsp sx tiLv vöjwuv icpooTjXooaav. xal oöx amtotx&ft uiv. auti*; 70p avtsini, rrjv ttkXstav xal Ix tootoo (ituova tox*. Da Cato das gesetzliche Alter für die Praetur besaß und da er sich für 55 in der Tat um sie beworben hat, muß der Bericht in allen drei Quellen ungenau gefaßt sein und kann nur, mit Mommskn. Staatsrecht IJ 570 (I * 551, 2;, so gedeutet werden, wie oben geschehn ist; vgl. Groebe bei Drumaks V * 173, 12.

Catos Rückkehr

153

was er dem Pompejus und Crassus verweigerte und im Jahre 60 dem Caesar verweigert hatte. Andrerseits wollte Cato von einer Anfechtung der Gesetze des Clodras, wie sie Cicero betrieb, zu dessen großem Ärger nichts wissen : er blieb sich durchaus kon- sequent, wie er sich dem Gebot des Volkes, wie auch immer es zustande gekommen sein mochte, durch Übernahme der Mission gefugt hatte, so konnte er auch jetzt nicht zugeben, daß diese der Rechtsgrundlage entbehre. Trotzdem begann Clodius Händel mit ihm; er stellte seine Integrität in Frage und verlangte genaue Rechenschaftslegung über die Gelder, die dadurch behindert war, daß beide Exemplare des Rechnungsbuchs Catos unterwegs zu- grunde gegangen waren, er focht, von Caesar insgeheim unter- stützt, seine gesamte Lebensführung an, er forderte, daß die freigelassenen königlichen Sklaven den Namen Clodii, nicht, wie Catos Anhänger forderten, Porcii erhalten sollten schließlich sind sie Cyprii genannt worden1). Im Senat aber übernahm Cato jetzt wieder an Stelle des FavoniuB die Führung der Oppo- sition im Kampf gegen die Machthaber, den er, trotz aller Aus- sichtslosigkeit, wie im Jahre 62 gegen Pompejus und 59 gegen Caesar, unerschütterlich mit allen gesetzlichen Mitteln durch- zufechten entschlossen war.

Das Jahr 55 begann mit dem von den Machthabern er- zwungenen Interregnum. Damit waren ihre Bedenken fort- gefallen und die Wahl konnte stattfinden. Die anderen Kandi- daten waren zurückgetreten1); aber den L. Doinitius Ahenobarbus bewog Cato, an seiner Bewerbung festzuhalten: es handle sich nicht um das Amt, sondern um die Freiheit der Römer*). So

') Dio 89. 22. 23. Plut. Cat. 40. Cic. 34. Seneca controv. X 1, 8.

*) Nach Cicero ad Att. IV 3b. 2 (Sommer 56) hatte Doinitius, der plebejische Kandidat, keine weiteren Konkurrenten außer Pompejus; wer die patrieißchen Bewerber waren, wissen wir nicht. Plut. Cato 41 sagt, daß soXXoi xot ayad-ol fivips«; »ich bewerben wollten, aber durch Pompejus und Crassus abgeschreckt wurden, die sich drohend zeigten, wenn sie ihre Kandidatur anmelden wollten (o<pdivTtc iv ta:$ napaffikioni); naeh Dio 39, 27, 2 hatten sie sich zuerst den Schein gegeben, andere Kandi- daten zu unterstützen (£«poi^ «oi «pöttpoy ooyafumCöfxtvoi).

s. Plut. Cato 41.

154

Das Principat des Pompejus

kam es zu einer Wahlschlacht. Pompejus und Crassus schickten bei Nacht Truppen auf das Marsfeld; Publius Crassus, der Sohn des Marcus, der im Sommer 56 als Caesars Legat die Stamme Aquitaniens unterworfen hatte, hatte jetzt, zu Anfang des Winters (die Wahl fand Anfang Dezember des julianische) i Jahres statt)1), eine ganze Schar beurlaubter Soldaten zur Durch - fechtung der Wahl nach Born geführt2). Als dann Domitius, von Cato und zahlreichen andern geleitet, vor Morgengrauen auf dem Platze erschien, wurde er überfallen und sein Fackelträger erschlagen, Beine Begleiter auseinandergesprengt. Cato, selbst am Arm verwundet, suchte ihn festzuhalten: man müsse im Kampf gegen die Tyrannen bis zum Tode ausharren und so wenigstens zeigen, welcher Verbrechen sie fähig seien; aber Domitius versagte und flüchtete in ein benachbartes Haus. Du half es nichts mehr, daß die Stimmung der Massen durchaus auf seiten der Republikaner stand; die Wahlversammlung war gründlich terrorisiert, Pompejus und Crassus wurden als gewählt verkündet und traten sofort ihr Amt an3).

Cato gab den Widerstand auch jetzt noch nicht auf; damit er ihn in amtlicher Stellung führen könne, bewarb er sich, dem ihm vom Senat bewilligten Privileg entsprechend (S. 152), um die Praetur. Die Consuln wollten seine Wahl natürlich unter allen Umständen verhindern. Bei den Scnatsverhandlungen über ein Gesetz gegen Wahlumtriebe (arribitus) erzwangen sie daher im Anschluß an einen Antrag des Afranius, des alten Pompejanere, den Beschluß, daß die gewählten Praetoren sofort ihr Amt an-

%) Nach GnoEREs Reduktion der Daten der Jahre 65—43 (bei Dru- maiin III ') fiel der 1. Jannar 55 auf den 30. November; die Wahl konnte bekanntlich frühestens unter dem zweiten Interrez (6. 10. Januar) stattfinden; der 7. und 8. Januar sind Comitialtage.

*) Dio 89, 81. 2; P. Crassus war noch Anfang Februar in Rom: Cic. ad Qu. fr. II 7, 2.

») Dio 39, 81. Plut. Cato 41 = Pomp. 52. Craas. 15. Appian II 17, 64, der die Bespritzung des Pompejus mit Blut, die zu den Aedilenwahlen gehört (Plut. Pomp. 53. Dio 89, 32, 2). fälschlich hierher versetzt: er zieht, wie oft, die Ereignisse zusammen und verschiebt daher solche Kleinigkeiten.

Die Wahl des Pompejus a. Crassus u. der Übrigen Beamten erzwungen 155

treten sollten, nicht, wie die Gegner forderten, erst nach sechzig Tagen, und ihre Wahl daher nicht gerichtlich angefochten werden konnte1). Trotzdem wäre Cato gewählt worden; die erste Centurie stimmte für ihn, und die praerogativa war gewöhnlich ausschlag- gebend. Da erklärte Pompejus, er habe einen Donner gehört, und löste die Versammlung auf. Für den nächsten Wahltag wurden Bestechung und Zwangsmaßregeln verstärkt, und so die Wahl der Kandidaten der Machthaber durchgesetzt, dar- unter zum allgemeinen Skandal an Catos Stelle die Wahl des verhaßten Vatinius*). In eigener Sache hatte Cato, korrekt wie immer, jede Ungesetzlichkeit vermieden*); bei den folgenden Wahlen der curulischen Aedilen dagegen kam es wieder zu einer blutigen Schlägerei mit mehreren Leichen; auch Pompejus' Toga wurde mit Blut bespritzt4). So bekamen die Machthaber durch offene Gewalt alle curulischen Aemter in ihre Hand ; die Tribunen

') Plut. Cato 42: Die Consuln npwxov fiiv Haifvr^ xal tü»v jcoXX&v öyvooövtwv ßo'A'/jv oovaYayovtsi; »'V*lfto«vto toi»; aipeJHvtas oxparrjYoin tftfröc £pXUv *a- P-'fi itotXiie6vt<x^ töv vöftt^ov ^pivov, 4v itx«: toi; oixaaaat töv «Tjftov 7)o*v. Cicero ad Qu. fr. II 7, 8 a. d. III Idus Febr. senatus consuUutn factum est de ambitu in Afrani sententiam, quam ego dixeram cum tu adesses; sed magno cum gemitu senatus consules non sunt prosecuti (haben keine Folge gegeben) eorum sententias qui, Afranio cum esseni adsensi, addiderunt, ut praetores ita crea- rentur, ut dies sexaginta privati esseni. eo die Catonem plane re- pudiarunt. quid multa? tenent omnia idque ita omnis intellegere volutä. Der Eingang der Stelle wird meist falsch verstanden: Afranius* Antrag bezog sich nicht speziell auf die Praetorenwahlen , sondern for- derte eine Verschärfung des Gesetzes über ambitus, für die früher auch Cicero eingetreten war, so in seinem Consulat, und die dann Pompejus. wirklich durchsetzte (Dio 39, 37, 1, s. unten S. 161).

») Plut. Cato 42 = Pomp. 52. Dio 39, 32. Li*, epit. 105.

•) Dio 39, 82, 2 6 y«P Kätwv oo&iv ßtvoov Kp4£ou t)$iukkv. Nach Plu- tarch Cato 42 hält Cato in einer von einem Tribun berufenen Versamm- lung, zu der die große Majorität des Yolkß zusammenströmte, eine Ansprache, in der er den bevorstehenden Untergang der Republik vor- aussagt und daraus, daß sie ihn nicht als Praetor dulden wollen, die Ruchlosigkeit der Absichten der beiden Consuln erweist.

*) Dio 89, 82, 2. Plut. Pomp. 53 und Val. Max. IV 6, 4. wonach Julia, Pompejus* Gemahlin, bei dem Anblick in Ohnmacht fiel und eine Kehlgeburt erlitt.

156

Das Principat des Pompejus

und Aedilen der Plebs, die der Vorschrift gemäß bereits im vorigen Jahre gewählt waren, wurden durch Bestechung ge- wonnen, nur die beiden Tribunen C. Atejus Capito und P. Aquiline Gallus blieben fest1). „Die öffentlichen Angelegenheiten," schreibt Cicero2), „liegen ganz in der Gewalt unserer Freunde (des Pom- pejus und Crassus), und zwar so, daß zu unseren Lebzeiten keine Änderung irgendwie zu erwarten ist. Auch Pompejus' Gegner würden keinen Fehler begehn, wenn sie wie ich, da sie ihm nicht gewachsen sein können, den Kampf aufgeben wollten. Das Ziel freilich, das ich mir gesetzt hatte, Würde in der Fassung meiner Äußerungen im Senat, Freiheit in der Behandlung der Staats-

') Dio 39, 32, 8. Zu Censoren worden der alte P. Servilius Isau- ricus (cos. 79) und M. Valerius Messalla (cos. 61) gewählt (CIL I 608 bis 614 [2 An. 766]. Dessau, inscr. Lat. 5922 a-c), die allerdings keine Anhänger der Machthaber waren, aber infolge der Einschränkung der Censur durch Clodius auch wenig ausrichten konnten. Offenbar hatten die Machthaber keinen für die Censur geeigneten Kandidaten zur Ver- fugung. In diese Censur wird wohl der scharfe Angriff gehören, den Mancia au» Formiae, als er den L. Libo, einen Anhänger des Pompejus (S. 130), vor den Censoren anklagte, gegen Pompejus wegen der Hin- richtung der demokratischen Führer in den Bürgerkriegen richtete: Val- Max. VI 2, 8.

*) An Lentulus I 8: res communes . . . sunt quidem certe in amicorum nostrorum potestate, atque ita, niiüam mutationem unquam hac hominwn aetaie habitura res esse mdeatur . . . sed te tum praeterit, quam sit difflcife, sensum in republka praesertim rectum et confirmatum deponere. verum tarnen ipse nie conformo ad eins voluntatem, a quo honeste dissentire non possum . . . neque, ut ego arbitror, errarent ne adversarü quidem eins, si, ctim pares esse non possunt, pugnare desisterent . . . quae enim proposita fue- rant nobis . . . dignitas in sententiis dicendis, libertas in republica capesstinda, ca sublata tota sunt, nec mihi magis quam omnibus: nam aut adsentiendum est nulla mm gravitate paucis, aut frustra dissentiendum . . . commutata tota ratio est senatus, iudidorum, rei totius publicae; otium nobis exoptandum est: quod ii qui po- tiuntur rerum praestaturi videntur, si quidam homines patientius eorum potent i am ferre potuerint. dignitatem quidem ülam consu- larem fortis et constantis senatoris nihil est quod cogitemus: amissa culpa est eorum, qui a senatu et ordinem coniunctissimum et ho- minem clarissimutn abalienarunt.

Gesetze über die Provinzen der Machthaber

157

geschälte, das ist ganz und gar dahin, wie für mich, so für alle andern. Das gesamte Verhältnis des Senats, der Gerichte, des Staatswesens ist umgewandelt; was wir allein erw im sehen können, ist Ruhe, und die würden die Machthaber uns schaffen können, wenn nur gewisse Menschen ihre Macht geduldiger ertragen könnten. Freilich an jene consularische Würde eines tapfern und standhaften Senators darf ich gar nicht mehr denken ; sie ist verloren gegangen durch die Schuld derer, welche sowohl die ehemals ihm eng verbundene Ritterschaft wie den Pompejus dem Senat entfremdet haben."

Nach der Eroberung der Macht konnten die verabredeten Maßregeln für die Zukunft durchgeführt werden. Der Tribun Trebonius beantragte, den Consuln die Provinzen Syrien und beide Spanien wo eben ein lokaler Kampf mit den Yaccaeern ausgebrochen war, in dem der Proconsul Metellus Nepos bei Clunia eine Schlappe erlitten hatte1) auf fünf Jahre zuzu- weisen, mit dem Recht, nach ihrem Bedürfnis Truppen auszu- heben und zu verwenden, Krieg zu führen und Frieden zu schließen. In der Verhandlung vor dem Volk gewahrte Trebonius dem Favonius eine, dem Cato zwei Stunden Redezeit ; beide benutzten diese lediglich zu Beschwerden über diese Beschränkung der Redefreiheit eine derartige Obstruktion durch Dauerreden hatte Cato auch früher schon wiederholt geübt (S. 50. 58. 69) , um so die Dinge zum Konflikt zu treiben. Das geschah denn auch; als Cato fortfuhr zu sprechen und, auf die sachlichen Argumente eingehend, sich dem Befehl, zu schweigen, nicht fügte, blieb Trebonius nichts übrig, als ihn durch seinen Amtsdiener fort- führen zu lassen, und als er zurückkehrte und immer wieder das Wort ergriff, ihn schließlich ins Gefängnis zu setzen. Am nächsten Tage sollten Anhänger der Consuln sprechen, und zwar, damit der Schein einer freien Diskussion gewahrt werde, nicht Beamte, sondern angesehene Private; Cato, Favonius und seinem An- hang wurde der Weg versperrt, ebenso dem Tribunen Atejus Capito; sein Kollege Aquilius Gallus, der die Nacht in der Curie zubrachte, wurde hier eingeschlossen. Jene bahnten sich dennoch

') Dio 89. 54, vgl. c. 85. 2.

108

Das Principat des Pompejus

den Weg, Capito und Cato verkündeten, daß es donnere; so kam es auch diesmal wieder zu einer blutigen Schlägerei, bei der vier Bürger den Tod fanden. Dem Senator L. Annalius, der gegen das Gesetz redete, versetzte Crassus selbst einen Faustschlag ins Gesicht. So wurde das Gesetz angenommen; es half nichts mehr, daß, als die Versammlung auseinanderging, Atejus den Gallus blutüberströmt aus der Curie herbeiführte. Unmittelbar darauf brachten beide Consuln das Gesetz ein, daß auch dem Caesar seine Provinzen bis zum gleichen Termin verlängert werden sollten, mit der Klausel, daß vor dem 1. März 50 über seinen Naohfolger nicht verhandelt werden dürfe. Jetzt fanden sie keinen Widerspruch mehr; die Warnung, die Cato privatim an Pompejus richtete, daß er sich dadurch selbst für die Zukunft den Gegner auf den Hals lade, büeb natürlich erfolglos1).

') Die Vorginge sind ausführlich von Dio 89, 88 ff. berichtet, in der seiner Auffassung (oben S. 125, 8) entsprechenden Fassung, daß das Gesetz für Caesar eine von den Consuln widerwillig dessen Anhängern gemachte Konzession gewesen sei; kürzer Plut. Cato 43. Crass. 15 (dazu der Nachtrag Comp. Nie. et Crass. 2). Pomp. 52. Liv. epit. 105. Be- kanntlich haben Plutarch (auch Caes. 28) und Appian II 18 die falsche Angabe, daß Pompejus Spanien und Africa erhalten habe (ebenso fügt Plutarch Cato 42 zu Syrien Aegypten hinzu); darin tritt die gemeinsame Quelle besonders deutlich hervor. In der viel behandelten Kontroverse über den Endtermin von Caesars Statthalterschaft (zuletzt Htrschpeld, Klio IV 1904, 76 ff. und die Replik gegen Holzapfel, Klio V1905, 107 ff., ebenda 236 ff. = Kl. Sehr. 810 ff., sowie Jodeich, Khein. Mus. 68, 1913, 1 ff.) hat Hirsch- peld mit Recht in der angeführten Klausel, die sich aus Caelius ad fam. VHI 8, 9 ergibt (Pompejus erklärt se ante Kai. Martias [des Jahres 50] tum posse sine iniuria de provineiis Caesaris statuere, post Kai. Martias se non dubüaturum, und der Senat beschließt demgemäß ib. 8, 5), eine Hauptbestimmung des Gesetzes gesehn: gegen einen SenaU- beschluß, der seine Provinzen den Praetoren zuwies, war Intercession zulässig, gegen den über die Consularprovinzen nicht; als solche konnten sie aber nach der damaligen Ordnung infolge der Klausel erst den Con- suln des Jahres 49 zugewiesen werden, da die Provinzen für die Con- suln vor der Wahl, also spätestens anderthalb Jahre im voraus, be- stimmt werden mußten. Wahrscheinlich liefen die fünf Jahre des tre- bonischen Gesetzes gleichfalls vom 1. März 55 bis zum 1. März 50 (denn wie die Geschichte des Crassus und Pompejus lehrt, waren die Pro-

Gesetze über die Provinzen der Machthaber

159

Zu einer bedeutsamen gesetzgeberischen Tätigkeit, wie sie Caesar im Jahre 59 und in anderer Weise, durch die Verfassungs- änderung, Pompejus und Crassus selbst im Jahre 70 geübt hatten,

vinzen schon in ihrem Consulatsjahr ihrer Verwaltung unterstellt, ebenso wie Caesar die Cisalpina schon als Consul erhalten hat; das hat Jddkich S. 8 f. Ubersehn), so daß die formelle Gleichheit för alle drei gewahrt war; tatsächlich dagegen leitete Caesar aus der Klausel den Anspruch ab, seine Provinzen bis zum 81. Dezember 49, also bis zum Antritt seines zweiten Consulats, behalten zu können, und hatte sich so einen Vorrang ver- schafft. Ich möchte aber doch mit Jideich gegen Hirschefld daran festhalten, daß in der lex Licinia Pompeia gesagt war ttf in quin- quennium (Caesari) Imperium prorogaretur (Sueton Caes. 24), etwa in der Formulierung, daß ihm die Verwaltung seiner Provinzen von dem Termin des Gesetzes an auf fünf Jahre verlängert wurde, mit der Klausel, daß erst nach dem I. März 50 über die Vergebung an einen andern ver- handelt werden dürfe. Somit hatte er die Provinzen offiziell insgesamt auf nenn Jahre erhalten, während er aus der Klausel den Anspruch auf eine weitere Verwaltung von einem Jahr zehn Monaten ableitete. Ihm die Provinz schon im Rest des Jahres 50 zu entziehn, ist denn auch nicht ernstlich versucht worden (M. Marcellus" Vorgehn im Jahre 51 beruhte auf ganz anderen Voraussetzungen, s. unten). Von der Bewilli- gung einer ixipt itevrorcta für Caesar berichten denn auch Appian II 18, 65 = Plut. Caes. 21, Pomp. 52. Crass. 15 und Vellerns II 46, 2, ebenso wie Sueton. Dio dagegen, der das Jahr 59 eicht mitrechnet, andrerseits aber, formell nicht unrichtig, annimmt, daß der gesetzliche Endtermin im Jahre 50 bereits eingetreten sei (40, 59, 8 im Jahre 51: 5xav tiv 8«&OfUvov xpovov 8t<4p£fl* toöto ifc obx i$ fiaxpiv, dXX* «&ftt>s iy tu» &at8pq> itti y«v*i<j»oövxi ?|uXXs), folgert daher in seiner energisch durch- greifenden Weise, daß ihm im Jahre 55 die Provinzen nur auf drei Jahre verlängert worden seien (39, 83, 3 aiats r*jv •fyf»f40v'av **' ixtCvKp tpia frrj uX.n<o, zilrftki; t'iptsxsxai, fcrjx&vxt) , und läßt Antonius in

der Leichenrede 44, 48, 2 sagen, Caesar habe oxtüi fwotv 5Xot« ty»^« •fjajiovsöoat, was natürlich nicht zutreffend ist. Von Hirschfeld ist ferner Hirtius bell. Gall. VHI 89 herangezogen: Caesar entschließt sich im Hochsommer 51 , die Eroberung von Uxellodunum mit aller Energie zu Ende zu führen, obwohl die Kleinheit der Besatzung an sich das nicht erfordert hätte, damit nicht durch dies Beispiel aus- harrenden Widerstandes ceterae civiiates locorum opportunitate fretae se trindicarent in libertatem, cum omnibus Galiis notum esse sciret, reliquam esse tmam aestatem suae provinciae, quam si sustinerc potuissent, nuüum ultra periculum vererentur. Hirschfeld versteht

160

Das Principat de« Pompejus

ist es in ihrem zweiten Consulat nicht gekommen; dazu fehlte es ihnen an einem schöpferischen Programm und gingen ihre Interessen zu sehr auseinander. Allerdings plante Pompejus mehrere praktische Verbesserungen der bestehenden Gesetz- gebung. Er beantragte, daß die Bestimmungen des Repetunden- gesetzes Caesars über die Haftbarkeit der Magistrate auch auf die dem Ritterstande angehörenden Unterbeamten und Gehilfen ausgedehnt werden sollten; aber im Senat fand er nur wenig An- klang, die Majorität lehnte aus Rücksicht auf die Geldleute die Maßregel ab1). Ebenso ließ man eine Verschärfung der Luxus- gesetze fallen, gegen die vor allem Hortensius, selbst ein großer Schlemmer, Einspruch erhob ; bei der Entwicklung, die die Groß- stadt genommen, sei eine derartige Maßregel undurchführbar-). Dagegen brachte Pompejus ein Gesetz durch, welches die Aus- wahl der Richter aus den drei Ständen der Willkür der sie be- stellenden Beamten (des Praetor urbanus und der Quaestoren) entzog und die Ernannten zwang, die Stelle anzunehmen4;. Ebenso bewirkte Crassus mit Pompejus' Unterstützung eine

anter der Wta aestas den laufenden Sommer 51; ich kann sie, der herkömmlichen, zuletzt von Holzapfel, Klio V 1905, 118 f. verteidigten Auffassung entsprechend, nur auf den nächsten Sommer 50 beziehn. Denn ganz abgesehn davon, daß der Sommer 51 schon mindestens zur Hälfte vergangen war, handelt es Bich an der Stelle ja garnicht spe- ziell um üxellodunum, sondern um ganz Gallien, dessen Bewohner, wenn Uxellodunum jetzt nicht rasch bezwungen wird, durch dessen Wider- stand veranlaßt werden würden, noch einen, den letzten, Sommer aus- zuharren oder vielmehr sich aufs neue zu empören; das kann also nur der nächste Sommer sein.

") Cic. pro Rab. Post. 18.

*) Dio 89, 37, 2 ff.

') Cic. in Pis. 94 ecquid sentis, lege iudiciaria lata quos posthae iudices (timus habituri? neque legetur quisquis voluerit, nee quis- quis noluerit non legetur. nuüi conicientur in illutn ordinem, nulli eximentur. Dazu Asconius: rursus deinde Pompeius in consulat u secundo promulgavit, ut amplissimo ex censu ex centuriis aliter atque ante lecH iudices, aeque tarnen ex illis tribus ordinibus, res iudicarent. Daß nach der lex Aurelia und der lex Pompeia auch Onturionen Richter werden konnten, wenn sie den erforderlichen Censu* hatten, bezeugt Cic. Phil. I 20.

Pompejus' and Crassus' Consulat 55

161

Verschärfung der Bestimmungen gegen die Wahlumtriebe der Clubs und die Bestechungen: der Ankläger hatte danach vier Tribus zu bezeichnen, aus denen die Richter entnommen werden sollten, und der Beklagte konnte nur einen von ihnen verwerfen1).

Im übrigen hat Pompejus das Consulat zu einer glänzenden Schaustellung seiner Macht benutzt: er erbaute auf dem Mars- feld das erste steinerne Theater Roms nebst großen Säulenhallen, einem Sitzungssaal des Senats und einem Tempel der Venus Victrix, und feierte die Einweihung mit Spielen von unerhörter Pracht, bei denen unter anderen 500 Löwen und 17 Elefanten abgeschlachtet wurden2).

Im offenen Kampf gegen die Machthaber war die Opposition erlegen; aber den passiven Widerstand gab sie natürlich nicht auf, und wo sich eine Gelegenheit bot, ihnen Abbruch zu tun, wurde sie ergriffen. Bei den Consulwahlen für 54 gelang es dem Pompejus zwar, die des Valerius Messalla zu hintertreiben3) und an seiner Stelle die des Appius Claudius, des Bruders des Clodius, durchzusetzen; aber neben ihm wurde Domitius Ahenobarbus jetzt wirklich gewählt, und ebenso gelangte Cato jetzt zur Praetur. Vor allem setzte sich der Kampf vor den Gerichten fort, und hier wurde es Ciceros Aufgabe, gerade die Leute zu verteidigen, die politisch und persönlich seine Gregner waren, so den Caninius Gallus, der im vorigen Jahr als Tribun Pompejus* Entsendung nach Aegypten betrieben hatte4). Den Senatssitzungen hielt er

') Dio 39, 37, 1. Cic. pro Plane. 36 ff. und schol. Bob. in der Ein- leitung dazu und zu § 36. Diese lex Licinia de sodaliciis wird auch ▼on Caelius ad fam. VIII 2, 1 erwähnt.

*) Dio 39, 38. Plin. VIII 20. Plut. Pomp. 52 u. a. Die Schilderung der Spiele bei Dio stimmt zu dem ausführlichen Bericht Ciceros an M. Marius faui. VII 1. Vollendet wurde der Bau erst in seinem dritten Consulat, mit der Weihinschrift Pompeius cos. tert., s. Varro und Tiro bei Gel- lius X 1, 6 f.

«) Cic. ad Att. IV 9 (27. April) nihil minus veUe mihi visus est (Pompeius), quam Messallam consulatum petere.

*) An M. Marius VII 1, 4 dirupi mepaene in iudicio Oalli Ganini, famüiaris tui. Er wolle sich von dieser Tätigkeit zurückziehn, nam me cum antea taedebai, cum . . . licebai denique quem nolebam non

Meyer, Caesars Monarchie 11

162

Das Principat des Pompejus

sich nach Möglichkeit fern1); er tröstete sich mit der Verherr- lichung Beiner großen Zeit, für die er neben seinen eigenen pro- saischen und poetischen Darstellungen wie früher bei Posi- donius 2) , so jetzt bei Luccejus um eine elegante Bearbei- tung gebettelt hatte3), fand dann aber eine weit ruhmvollere, wirklich fruchtbringende Tätigkeit, indem er seine reiche Er- fahrung als Redner in glänzender Behandlung in dem großen Dialog de oratore niederlegte, den er im November 55 zum Abschluß brachte4). Aber ganz konnte er von der Politik nicht loskommen, zumal wenn es sich um seine persönlichen Feinde handelte. Mit Crassus hatte er sich Anfang 55 offiziell ver- söhnt, ebenso mit Appius Claudius6), und den Crassus nach seiner Wahl zum Consul demonstrativ aus dem Senat nach Hause geleitet6; eine Absage an Cato und seine Genossen,

de f ender e, tum vero hoc tempore vita nulla est, neque enim fructum ullum laboris exspecto, et cogor nonnumquam homines non optime de me merüos rogatu eorum, qui bene meriti sunt, def endete. Dazu gehört auch die Verteidigung des Baibus im Jahre 56 (oben S. 148, 3).

') z. B. ad Att. IV 13 (Mitte November).

l) ad Att. II 1. 2.

») An Luccejus V 12, vgl. ad Att. IV 6, 4 (Sommer 56). 11, 2 (Ende Mai 55).

*) ad Att. IV 18.

>) An Lentulus I 9, 4. Darauf bezieht sich das bei Qointilian IX ?,, 41 erhaltene Fragment eines Briefes an Brutus (fr. 7 Baiter, fr. 11 Purser) ego cum in gratiam redierim cum Ap. Claudio, et redieriin per Cn. Pompeium, [atj ego ergo cum redierim. Ferner duii bei Servius ad Aen. VIII 395 bewahrte Fragment Cicero libro primo ad Brutum: si Pompeius non ex alto peteret et multis verbis me iam kortaretur, nämlich für Appius' Interessen einzutreten, wie A. E. Schmidt. Philol. 49, 1899, 47 die Stelle durch Heranziehung der Äußerung ad Att. VI 2, 10 (Mai 50) evident richtig gedeutet hat. Brutus war der Schwieger- sohn des Appius und daher auch Schwager des ältesten Sohnes des Pompejus. Wann Brutus die Claudia geheiratet hat, wissen wir nicht.

•) ad Qu. fr. II 7, 2, vgl. an Lentulus I 9, 4 certiorem te per litteras scribis esse factum, me cum Caesare et cum Appio esse in gratia, teque id non reprehendere scribis. § 20 cognosce de Crasso. ego, cum mihi cum ülo magna iam gratia esset, quod eius omnis gra-

Cicero gegen Piso and die Invektive gegen Cicero

163

wie sie nicht scharfer gedacht werden konnte; dadurch hoffte er zugleich weiteren Schutz gegen Clodras zu finden. Als aber Piso im Hochsommer 56 aus Macedonien zurückkehrte, von Senat und Volk ganz ablehnend aufgenommen, und sich im Senat über Ciceros Angriffe und seine durch diesen veranlaßt^ Abberufung beschwerte und ihm seine Herkunft aus einem Municipium, so- wie sein Exil vorwarf Cicero dagegen wollte nur eine frei- willige Entfernung aus Rom, aus Aufopferung für den Staat, anerkennen, und der Senat stimmte dem zu1) , replizierte dieser in einer äußerst boshaften Invektive, die er dann zu einer breiten, von Eigenlob und Galle strotzenden Schmähschrift verarbeitete2). Um so peinlicher vermied er alles, was Pisos Schwiegersohn Caesar hätte verletzen können, und überschüttete den Pompejus in gewohnter Weise mit Lobpreis. Das hatte ihm Piso bereits vorgehalten: er greife nur diejenigen an, die er verachten zu können glaube, an die Hauptschuldigen wage er sich nicht, weil sie die Macht hätten, am wenigsten an Pompejus, den er sich durch die renommistischen Verse über sein Consulat zum Feinde gemacht habe8). In einer kurzen, eben so boshaften wie treffenden Antwort, die Ciceros gesamtes privates und öffentliches Leben an den Pranger stellt, ist das in knappen Sätzen weiter aus- geführt: diese Broschüre, die im Hochsommer des Jahres 54 geschrieben ist, als Cicero die Verteidigung des Vatinius über- nehmen mußte, ist, wie Schwartz erkannt hat, zweifellos mit der Antwort identisch, die Pis.j eben damals veröffentlicht hat*;,

oblitrione contrieratn (es folgt der Konflikt nnd die neue Versöhnung zu Knde des Jahres). ') in Pis. 31.

•) Die Scene im Senat spielte bekanntlich kurz vor den von Pom- pejus gegebenen Spielen, s. in Pison. 65 und Asconius; veröffentlicht wird die Bede wohl erst zu Anfang des Jahres 54 sein.

■) in Pis. 72 ff.; Ober Caesar § 79.

*) ad Qu. fr. III 1, 11, geschrieben Ende September 54 als Ant- wort auf einen Brief des Quintus aus Britannien: alterttm est de Cal- venti Man (d. i. Piso) oratione quod scribis. miror tibi placere, me ad eam rescribere, praeserlim cum illam nemo lecturus sit, si eyo nihil rescripsero, meam in ülum pueri omnes tarn quam dictata per- diecant.

1G4 Das Principaf de* Pom pejus ,

sei es, daß sie den Namen des Sallust, unter dem sie überliefert ist, fälschlich tragt, sei es, daß Piro sich wirklich der Feder dieses jungen talentvollen Schriftstellers bedient hat, dessen politische Laufbahn eben damals begann1). Der Redner ist bei Senat und Volk schlecht angeschrieben; er steht auf seiten der Machthaber, unter denen er besonders den M. Orassus als das Vorbild eines wahrhaft patriotischen und über alle Einflüsse erhabenen, seinen Freunden mit Hingebung dienenden Mannes dem Cicero gegen- überstellt; dessen damaliges Verhalten aber charakterisiert er mit scharf pointierten Worten, die weit sicherer zum Ziele treffen, als Ciceros breite und doch inhaltslose Ergüsse: „Bitte, sage mir, Du Bornums aus Arpinum, der Du alle Paulli, Fabier, Scipionen durch Deine hervorragende Tugendhaftigkeit überragst, welchen Platz nimmst Du eigentlich in unserem Staat ein? Welche Partei hat Deine Billigung? Wen haltst Du für Deinen Freund, wen für einen Feind? Dem, den Du innerhalb der Bürgerschaft mit Nachstellungen verfolgtest*), leistest Du Knechtesdienste; der

') Daß diese Invektive kein späteres Machwerk, sondern im August 54 aus intimster Kenntnis der damaligen Lage geschrieben ist (in bezeichnen- dem Gegensatz zu der ganz vagen Antwort . die unter Ciceros Namen, mit Außerachtlassung aller Chronologie, in der Kaiserzeit ein Rhetor Didius verfaßt hat, den Diomedes p. 387 , 6 zitiert), hat Rkitzkkstkih, Hermes 83, 1898. 87 ff. schlagend erwiesen, die für Piso als Verfasser sprechenden Argumente ebenda 101 ff. Schwartz vorgelegt. Sie sind in der Tat zwingend. Andrerseits wird die Broschüre von Quintilian unter Sallust« Namen zitiert (IV 1, 68. IX 8, 89, vgl. XI 1. 24); und daß zwi- schen Cicero und Sallust (den jener nie erwähnt) eine persönliche Feind- schaft bestand, ist durch das Zeugnis Senecas de matrimonio (bei Hieron. adv. Jovin. I 48, bei Reitzehsteis 1. c. 94) gesichert, nach dem Terentia nach der Scheidung von Cicero nupsii Sallustio inimico eius. Da auch der Stil der Invektive zu Sallust ganz gut paßt, darf man viel- leicht annehmen, daß dieser sie im Auftrage und Namen Pisos ver- faßt hat. [Mommsbks Vermutung Röm. Forsch. II 485, 42, der Proquaestor des Bibulus in Syrien im J. 50 Salustiu«, dessen Vorname in Canini entstellt ist, an den Cicero den gereizten Brief fam. n 17 schreibt, sei der Historiker, erscheint mir wenig wahrscheinlich.]

5) Pompejus, mit Anspielung auf das angebliche Attentat im Sommer 59.

Die Invektive gegen Cicero

165

sich für Dich aufgeopfert hat1), mit welchem Recht verfolgst Du ihn nach Deiner Rückkehr aus dem Exil in Dyrrhachium? Die Du Tyrannen nanntest, deren Macht förderst Du, die Du früher als Optimaten anerkanntest, nennst Du jetzt kopflos und toll! Den Vatinius verteidigst Du, über Sestius denkst Du ab- fällig, den Bibulus verletzst Du mit frechen Reden, den Caesar lobst Du; ihm, den Du am stärksten haßst, bist Du am folg- samsten; wenn Du stehst und wenn Du Dich setzst, wechselst Du Deine Ansicht, diese schmähst Du, jene haßt Du, leichtfertiger Überläufer*), der Du weder der einen noch der andern Partei treu bist." Treffender konnte Oiceros Verhalten in diesen Jahren in der Tat nicht gezeichnet werden.

An der Fiktion, daß sie die ihnen zugewiesenen Provinzen unter sich verlosen sollten, haben die Oonsuln offiziell festgehalten, und beide bezeugten ihre Freude, als das Los wirklich nach ihren Wünschen entschied2). In Wahrheit war das natürlich lediglich Fiktion, wie in alter und neuer Zeit meist in derartigen Fällen ; die Zuweisung war in Luca festgelegt. Pompejus übertrug die Ver- waltung Spaniens seinen Legaten; er selbst wollte natürlich in Rom, oder vielmehr fortan als Proconsul vor dessen Toren bleiben. Auch Crassus schickte zunächst einen Legaten nach Syrien zur Übernahme der Provinz, dem aber Gabinius, der bisherige Statt- halter, die Übergabe verweigerte4). Das gab den Anlaß zu

*) Siehe Rkitzikstkin S. 88, der mit Recht den Ausfall eines der- artigen Satzes annimmt. Wer gemeint ist. läßt sich nicht sicher sagen; Reitzekstbih denkt an Hortensius.

*) levisaimc transfuga, wozu Rkitzenstkin mit Recht Dio 86. 44, 2 (im Jahre 66 beim Prozeß des Manilius) und 39, 6'i. 5 (im Jahre 54 beim Prozeß des Gabinius. unten S. 207 , 2) heranzieht, nach dem abt6- yuoXoi zum Beiwort für Cicero wurde.

*) Plut. Crass. 15 f. Vgl. ad Att. IV 9 (27. April) Pompeius . . . muUa mecum de republica, sane sibi displiceiut, ut loquebatur (sie est emm in hoc homine dicendum), Syriatn spernens, Hispaniam iactans, hic quoque, ut loquebatur.

4) Dio 39, 60, 4. Oabinios beanspruchte offenbar das Recht, die Provinz bis zum Eintreffen seines Nachfolgers zu verwalten, erkannte also daB trebonische Gesetz, das sie sofort dem Crassus Uberwiesen hatte, nicht als rechtsbest&ndig an oder interpretierte es anders.

166

Das Principat des Pompejus

weiteren Händeln in Rom. Bis dahin hatten die Machthaber den Gabinius gestützt, im Jahre 56 seine Abberufung gegen Ciceros Antrag (S. 146) verhindert, und Pompe jus hatte ihn an- gewiesen, unbekümmert um das Sibyllenorakel den Ptolemaeos nach Aegypten zurückzuführen, damit er und seine Anhänger auf ihre Kosten kämen. Gabinius übernahm dieses äußerst ein- trägliche Geschäft natürlich sehr gern und führte den Auftrag im Sommer 55 ohne große Mühe aus; um seinetwillen gab er den geplanten Krieg gegen die Parther auf1), den er bereits ein- geleitet hatte. Im übrigen hatte er in den fast drei Jahren seiner Statthalterschaft ununterbrochen mit den Juden zu tun, bei denen der makkabaeische Prinz Alezander und sein aus Rom ent- flohener Vater Antigonos einen Aufstand nach dem anderen er- regten. Hier sind sowohl seine militärischen Maßregeln, ebenso wie in dem aegyptischeu Feldzug, wie seine politischen Anord- nungen sehr umsichtig und verständig gewesen : er unterließ wilde Strafgerichte, behandelte die gefangenen Fürsten sehr anständig2), löste aber alle griechischen und halbgriechischen Städte von der jüdischen Zwangsherrschaft los und teilte das den Juden gelassene Gebiet in fünf selbständige Gerichtssprengel unter der Ober- hoheit des Hohenpriesters Hyrkanos und seines Ministers Anti- pater. Auch die Nabataeer, die das Kulturland mit ihren Raub- zügen heimsuchten , wies er erfolgreich zurück. Uberhaupt ist das Bild, das sowohl Cicero wie auf Grund der aristokratischen Tradition Dio von seiner Tätigkeit in Syrien entwirft, aufs stärkste verzerrt. Für seine Privatkasse wird, wie die meisten römischen Statthalter und wie in gewaltigstem Umfang Caesar in Spanien und dann in Gallien, so auch er gründlich gesorgt haben hat doch sein Kollege Piso im März 58 seinem Verwandten, dem

') Darauf bezieht sich Cic. de domo 60 : Clodius hat dem Gabinius Syriam, Babylonem, Persas, integerrimas pacatissimasque gentia [auf eine solche Phrase kommt es Cicero natürlich so wenig an, wie einem attischen Kedner], ad diripiendutn übergeben.

*) Ebenso sachte er und sein Legat M. Antonias, freilich vergeb- lich, die Rache des Ptolemaeos Auletes an den aegyptischeu Rebellea zu hemmen (Plut. Anton. 3).

Gabinius in Syrien and Aegypten

167

Schwiegersohn Ciceros, C. Piso Frugi, ganz offen gesagt, Gabinius brauche Geld und müsse daher den Clodius unterstützen, damit dieser ihm die einträgliche Provinz verschaffe1); und vom König Ptolemaeos hat er sich für die Rückführung nicht weniger als 10000 Talente zahlen lassen"), wovon er allerdings beträchtliche Summen an seine Hintermänner abgeben mußte. Aber daß er mit den schlimmsten Blutsaugern, den römischen Steuerpächtern, in ständigem Hader lebte , ihre Verträge und Vorschüsse nicht anerkannte, in den Orten, die er aufsuchte, ihre Anwesenheit und die ihrer Agenten nicht duldete, viele Gemeinden von der Steuerlast befreite, „die armen Publicani", wie ihr Anwalt Cicero sagt, „den Juden und Syrern, zur Knechtschaft geborenen Nationen, zur Knechtschaft gab"3), spricht sehr zu seinen Gunsten; und sicher ganz unzutreffend ist die Behauptung, er habe das Räuberwesen gefördert und ganz Syrien den Räuber- banden zur Ausplünderung überlassen4), wenn es auch an der- artigen Fehden, namentlich im Libanongebiet und in den arabi- schen Grenzdistrikten, in dem unter den letzten Seleukiden durch die Schuld der römischen Oberherrn ganz heruntergekommenen und dem furchtbarsten Elend überantworteten Lande nicht ge- fehlt haben wird. Vielmehr hat sich auch unter ihm, wie in Caesars Provinzen, das monarchische Regiment, das er übte, trotz aller Gebrechen als ein Fortschritt gegen die verrotteten republikanischen Einrichtungen erwiesen. Die Verweigerung des Dankfestes und damit des Triumphs im Mai 56 (oben

') Cic. in Pia. 12; vgl. pro Se*t. 98 u. a.

*) Cic. pro Rab. Post. 21. tfO. vgl. 34. Plut. Anton. 8. schol. Bob. zu pro Plane. 86 und pro Arch. 9. Vgl. Dio 39, 55, 5. 56 f.

3l de prov. cons. 10. in Pia. 41; ebenso Dio 39, 59, 2.

4) Cic. de prov. cons. 9. Dio 39, 56, 1. 59, 2. Ciceros Behauptung de prov. cons. 9 adventus in Syriam primus equitatus habuü in- terüum, posi concisae sunt optima* cohortes. igüur in Syria impe- ratore illo nihü aliud actum est nisi pactiones pecuniarum cum tyrannis, deci&iones, direptiones, latrocinia, caedes (vgl. § 18 mili- tum cladis, publicanorum ruinös, provinciamm vastitates) ist eine offenkundige Löge, hinter der »ich der Sieg Ober die jüdischen Rebellen und die ilort getroffenen Anordnungen verbergen.

168 I>as Principal des Pompoju«

3. 146, 2) war nach dem herkömmlichen Maßstab zweifellos eine Ungerechtigkeit, die nicht auf einer objektiven Beurteilung der Vorgänge, sondern auf den inneren Gegensätzen beruhte; wäre man, wenn man es nur gekonnt hatte, doch auch gegen Caesar ebenso verfahren1).

Allerdings war nicht zu verlangen, daß der Senat für einen Mann, der ihm im Dienst der Machthaber so arg mitgespielt hatte, irgend etwas tun sollte. Uber die Rückführung des Ptolemaeos konnte er überhaupt nicht wagen, an den Senat zu berichten2). Nur um so heftiger erhoben sich, als die Sache ruchbar wurde8), hier die Angriffe, die durch die Klagen der Steuerpächter und der von ihnen abhängigen Provinzialen gestützt wurden*). Die Consuln dagegen nahmen ihn in Schutz, bis die Schwierigkeiten, die er Crassus' Legaten bei der Übergabe der Provinz machte, diesen zu scharfen Angriffen auf Gabinius veranlaßten (Hoch- sommer 55)5). Das hat offenbar Cicero den Mut gegeben, aufs neue die »Schleusen seiner Beredsamkeit zu öffnen: er forderte die Bestrafung des Gabinius und zu dem Zweck die Verlesung des sibyllinischen Orakels. Aber inzwischen war eine Geldsendung des Gabinius eingetroffen, und überdies konnten weder Pompe jus, der ja selbst aufs stärkste kompromittiert war, noch Crassus ihn wirklich fallen lassen; so antwortete dieser mit einem scharfen Ausfall gegen Cicero und warf ihm, wie vorher Piso (S. 163), das ihn tödlich verletzende Wort ezsul ins Gesicht. Da konnte

') Genauere Nachrichten über Gabini at Tätigkeit in Syrien ver- danken wir Josephus Bell. I 160 ff. = Ant XIV 82 ff.; vgl. Plut. Anton. 3. Dadurch wird Dios zum mindesten einseitiger, im übrigen von seinem naiven Glauben an das 8ibyllenorakel beherrschter Bericht 89, 55 ff. wenig- ntens einigermaßen kontrolliert. Zur Beurteilung vgl. vah dir Mühu. bei Pauli-Wbsowa VII 427 ff. und in der Sammelschrift Juvenes dum sumus 75 ff.

«) Dio 89, 59, 1 ; vgl. Cic. in Pis. 49.

«) 8chon am 22. April 55 schreibt Cic. ad AH. IV 10 Puteolis magnus est rumor, Ptolemaeum esse in regno ; si quid haben ceriius, velim scire.

*) Dio 39, 59, 2 lipY'Covto xat fvwfjia«; « iicotoövt© xal feolpac tfyov %«ca<]rr)<pbao(htt a&coö.

•) Cic. an Lentulus I 9, 20 Gabinüts , quem (Crassus) proximis superioribus diebus acerrime oppugtwMset.

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Konflikt zwischen Cicero and Cra.^u!-.

169

auch Cicero sich nicht mehr halten; der ganze Haß, der eich bei ihm gegen Crassus angesammelt und den er so lange mit Mühe niedergehalten hatte, brach gewaltsam hervor. Die Optimaten jubelten: jetzt sei er in seine alte Kampfstellung, für die sie seine Rückberufung betrieben hatten, zurückgekehrt und der Bruch unheilbar. Ihm aber war nicht wohl bei der Rolle, die ihm zugemutet wurde; Pom pejus erhob dringende Vorstellungen, Caesar mahnte und drohte in Briefen, und so kroch er aufs neue zu Kreuze. Ehe Crassus Mitte November zur Armee nach Syrien abging, gab er ihm ein Abschiedsdiner in dem Garten seines da- maligen Schwiegersohns Crassipes, und bald darauf schrieb er ihm eben offiziellen Versöhnungsbrief, in dem er ihn seiner dauernden Zuneigung versicherte, die früheren, durch böswillige Neider herbeigeführten Zerwürfnisse beklagte, und sich feierlich verpflichtete, in seiner Abwesenheit seine Interessen in jeder Richtung zu vertreten1), ein Versprechen, das er denn auch in den nächsten Senatssitzungen erfüllt hat«).

') An Crassus fam. V 8. hos litteras velim exisUmes foederis habituras esse vim, non episiolae . . . quae a me suscepta defenmo est te absente dignitatis Urne, in ea iam ego non solum amicitiuc nostrae sed etiam constantiae meae causa permanebo. Der Brief (oder vielmehr der Briefentwurf, in dem. wie Bardt, Hermes 32, 1897, 267 ff. sehr hübsch gezeigt hat, an ein ursprüngliches Concept § 1. 2. Beine Verbesserung § 3. 4 angereiht ist) ist also einige Zeit nach Crassus' Fortgang geschrieben, uach den vermutlich durch die Handel mit Atejus hervorgerufenen Debatten im Senat, von denen Cicero fam. I 9, 20 an Tjentulus schreibt : quam ob rem eins (Crassi) causam, quod te scribis audisse, magna illius commendatione susceptam defendi in senatu, Mcut mea ftdes postuldbat. Wie er in Wirklichkeit über ihn dachte, schreibt er am 14. oder 15. November an Atticus IV 13: Crassum qui- dem nostrum minore dignitate aiuni profectum paludatum quam olim a äqualem eins L. Paullum, item Herum consulem. 0 hominem nequam! r Das Abschicdsdiner erwähnt auch Plut. Cic. 26.

*) Dio 89, 59, 3 (den Konflikt zwischen Crassus und Gabinius berichtet er nachträglich c. 60, 4): xai fap o Ktxipiov td « äXXa loxopt&s *v*|1f* (gegen Gabinius) xa- oovtßotttoi o<pwi (dem Senat) zu XtßoXX««* ftr»] aäfttc ivrfvdövat. «pooSoxüiv SYTrfP'*?®'at ttya *v aü?ol( tifxwptav , Stav itapaßaihj. b oiv nojiKTjioc Z ts Kp<4o3o; ök6lwj6v ftt, xotl & uiv ^ Po rn pejus) ha'ixip ßoTffd-wv, b ih (Crassus) t^v t* fx»tvoo /äptv xol Sp,a xai ipr^wx xapa tob

170

Das Principat des Pompejus

Inzwischen hatten beide Consuln in Italien starke Aus- hebungen veranstaltet, Crassus für den von ihm geplanten Partherkrieg, Pompe jus für die Armee, die seine Legaten in Spanien zu seiner Verfügung hielten : wahrscheinlich hat man in Luca verabredet , daß wie bisher schon Caesar , so fortan auch jeder der beiden andern über acht Legionen kommandieren sollte, während die Zahl von Caesars Legionen auf zehn erhöht wurde1).

raßtvtoo ntjMpfHvra ot Xaßtuv tx tt toü icp«xpavo5^ 6nip abxob 2t»8txaioov xal £k'k* xai fOftf*a tiv Kixipuiva äjroxiXoOvTt<; oöilv licrJiT(?taav. Dadurch fallt Licht auf Ciceros Bericht an Lentulus I 9, 20: aeeipe de Crasso. ego . . . repentinam eins defensionem Gabini, quem proximis supe- rioribus diebus acerrime oppuanasset, tarnen, si sine ulla mea contu melia (das ist dos Wort exiil!) siiscepisset, tulissem: sed cum me diaputantem, non Incessentem laesisset, exarsi non solum praesenti credo iracundia nam ea tarn vehemens fortasse non fuisset , sed cum inclumtm iilud odium multarum eins in me iniuriarwn, quod ego effudisse me omne arbitrabar, residuum tarnen insciente me fuisset, omne repente apparuit. Es folgen die üblichen Klagen über die Freude der quidam homines et iidem Uli, qtws saepe signi- ftco neque appello Ober das Zerwürfnis, und dann der Bericht über die Vermittlung des Pompejus und des Caesar (cum per litteras ma- xima se molestia ex üla conientione adfectum ostender et) und da« Versöhnungsdiner. Da Caesar damals in Britannien stand, muß die Scene mindestens 2—3 Monate vor der Versöhnung, also spätestens im September gespielt haben.

') Beim Ausbruch des Bürgerkriegs hat Pompejus in Spanien be- kanntlich sieben Legionen, von denen eine, die vemacula, in Spanien selbst ausgehoben war (Caesar bell. civ. I 85, 6. 11 20, 4). Vorher aber hat er zu Anfang des Jahres 58 eine Legion, die er in der Cisalpina aus- gehoben hatte, dem Caesar überlassen (bell. Call. VI 1, 2. VIII 54, 2, als tegio prima bezeichnet), die er im Jahre 50 bekanntlich von Caesar zurückforderte. Somit standen damals acht Legionen unter seinem Kommando. Nach Plutareh Pomp. 52 hfttte allerdings Pompejus im Jahre 55 nur vier Legionen erhalten , von denen er zwei (!) an Caesar geliehen habe, und nach Appian II 24, 92 werden ihm im Jahre 52 zwei weitere bewilligt ; der Sold im Betrag von 1000 Talenten (24 Mill. Sest.) wird erst damals auf die Staatskasse übernommen (Plut Caes. 28 Pomp. 55). Dem gegenüber gibt Dio 39, 34. 2 als Inhalt des tre* bonischen Gesetzes an, ihnen 6eien die Provinzen bewilligt aTpatiuKatc o3oi« fiv «{rs)vY,3io!ji xal tö»v noXttAv xa't tä»v oojijiax«jv xpa»|j.«votc , und das wird richtiger sein. Crassus überschreitet den Euphrat mit sieben Le.

Der Tribun Atejus. gegen die Aushebungen und den Partherkrieg 171

In der ganz unkriegerisch gewordenen Bürgerschalt erregte das starke Verstimmung, die von den Gegnern weidlich ausgenützt wurde, vor allem im Prozeßkrieg gegen die Gehilfen, in dem die sich bedroht fühlenden Consuln sogar einmal mit ihrem Anhang im Trauergewand erschienen. Die Tribunen Atejus Capito und Aquillius Gallus versuchten sogar, wie ihre Vorgänger in der Zeit der Standekämpfe, von denen die Annalen berichteten, die Aus- hebung durch ihr Veto zu hindern. Pompejis kümmerte sich wenig darum, sondern ließ die Aushebungen in allen Bezirken Italiens, wo ja die durch das Pomer ium begrenzte Intercession der Tribunen keine Kraft hatte, durch seine Legaten ausführen; Crassu? dagegen machte Miene, in Rom mit Waffengewalt ein- zuschreiten, und zwang dadurch die Tribunen, ihren Einspruch aufzugeben1). Den Krieg gegen die Parther unternahm er auf eigene Hand, ohne das Volk oder auch nur den Senat zu befragen in dem treboniscben Gesetz war den Consuln zwar das Recht gegeben, Krieg zu führen, aber jede Spezialisierung mit Absicht vermieden*); trotzdem war natürlich Crassus' Plan allgemein be- kannt. Der Tribun Atejus machte jetzt einen letzten Versuch, Crassus' Auszug (um den 14. November = 6. Oktober jul.) zu verhindern: er erklärte es für frevelhaft, daß er mit einem Volk, mit dem man in Frieden lebe, ohne Provokation Krieg beginnen wolle*); zugleich verkündete er, als Crassus feierlich aufs Capitol zog, um dem Juppiter die Gelübde darzubringen und hier das Kriegsgewand anzulegen, in üblicher Weise, daß er den Himmel beobachtet und den Blitz gesehen hübe, um die Vollziehung der sakralen Handlung durch Obnuntiation zu inhibieren4). Crassus

gionen (Plut. Crass. 20; vgl. Reo uro ( Klio VII 372 f.); man wird wohl annehmen dürfen, daß er eine Legion als Besatzung in Syrien zurück- gelassen hat. zumal da die Legionen, dem alten Bestände des consu- larischen Heeres entsprechend, bekanntlich last immer in gerader Zahl er- scheinen.

') Ober diese Vorgänge besitzen wir nur Bio« Bericht :>9, '•>{>. *) Plut. Crass. 16 xattoi xqi Ypaytvr. wpl toütu» vöu,<j> Ilapftixo; ico- X»}io< ob Kporqv.

3) Plut. Crass. 16.

4J Dio 39. 39, 6 ot fojjiapxot i Atejus und Gallus) iv tu» Katt'.ttuX-.^ t<k;

172

Da« Principat de« Pompejus

ließ sioh dadurch natürlich nicht abschrecken; aber er veran- laßte den Pompejus, seinen Auszug durch persönliches Erscheinen zu decken. An Pompejus wagte sich die Menge nicht heran, und als Atejus den Craasus verhaften wollte, intercedierten andre Tribunen. Da eilte Atejus ans Tor voraus und weihte den Aus- ziehenden in allen Formen der überlieferten Religion den unter- irdischen Göttern1) ein Fluch, der sich alsbald in furchtbarer Weise erfüllt hat.

Auch gegen Caesar wurde, als zu Ende 55 sein Bericht über den Feldzng dieses Jahres eintraf, ein neuer Ansturm versucht: Cato beantragte, Caesar wegen der schnöden, alle seine bisherigen Handlungen in Gallien an vollendeter Gewissenlosigkeit noch überbietenden Verletzung des Völkerrechts, mit der er die Usipeter und Tenkterer überfallen hatte, den Germanen auszuliefern. Das war freilich nicht nur nach Lage der Verhältnisse, sondern auch angesichts der Stellung, die Rom in der Welt einnahm, völlig unausführbar, wohl aber an sioh Rechtens, und die Ehre Roms hätte es erfordert*). Erfolg hatte er damit natürlich nicht;

s&X^S aotoö t&c vopCouiva; iici t} atpattfqt icoioopivoo xal Sioarjuiatc ttva< uol ttpata dttfyäoov. Cic de div. I 29 M. Orasso quid acciderit vide- miis dirarum obnuntiatione neglecta; in quo Appius . . . tum satis scienter virum bonum et civem egregium censor (im Jahre 50) C. Ateium notavü, quod ementüum auapicia subscriberet ; er fügte hinzu: ob eatn causam populum Romanum calamitatem maximam cepisse, gegen welche Behauptung Cicero (oder sein dort das Wort führender Bruder) mit Recht polemisiert: nicht die Verkündung des Vorzeichens, sondern seine Nichtbefolgung sei die Ursache.

■) Dio 89, 39, 6. Plut. Crass. 16. Appian 11 18. Vellejus II 46. Lucan. III 125 f. Florus II 46, 2 nennt durch Verwechslung mit dem Vorgang bei Caesar im Jahre 49 den Tribun Metellus, wofür Halm nach der schauderhaften philologischen Manier der angeblichen Textverbesse- rungen Atejus in seinen Text gesetzt hat.

•) Plut Cato 41 = Caes. 22 = Appian Celt. 18. Auch hier üegt. wie die sahireichen wörtlichen Übereinstimmungen und die ganze An* Ordnung zeigen, bei Plutarch und Appian dieselbe Quelle zugrunde. Die Angabe über Catos Forderung (die auch Sueton Caes. 24 ut nonmüli dedendum eum hosiibus censuerint kurz erwähnt) stammt nach Plu- tarch aus Tanusius, dem Caesar feindlichen Historiker (Sueton Caes. 9, oben S. 18) = Appian tü>v tt<; so-f p<M>ia»v , rieben dem Caesars eigene

Cramus' Aaszag. Catos Angriffe auf Caesar. 173

vielmehr wurde für Caesars Siege abermals ein Danktest be- schlossen, diesmal sogar, mit weiterer Steigerung, eins von zwanzig Tagen. In Wirklichkeit hatte er freilich größere neue Erfolge und eine Erweiterung des römischen Machtbereichs nicht erzielt ; aber der Ubergang über den Rhein nach dem Siege über die eingebrochenen Germanen und vor allem der Ubergang nach dem bisher nur im Dämmerlicht unbestimmter Runde am äußersten Horizont der Welt aufgetauchten Britannien haben natürlich auf das römische Publikum einen großen Eindruck gemacht, so wenig sie zu einem positiven Ergebnis führten und so ungenügend vorbereitet und verlustreich gerade die Ex- pedition nach Britannien gewesen war. Wie tief ihn Catos Angriff getroffen hatte, zeigte Caesar dadurch, daß er einen Brief voll Anklagen und Schmähungen gegen diesen an den Senat richtete und hier verlesen ließ ; die Erregung wirkt noch ein Jahr- zehnt später in seinen Anticatoiies nach. Auch Metellus Scipio, ein Parteigänger des Pompejus, hat in dieser Zeit eine Schmähschrift gegen Cato veröffentlicht, in der er sein Verhalten auf Cypern und die Art, wie er bei der Versteigerung der einge- zogenen Kostbarkeiten in Rom hohe Geldsummen für den Staats- schatz herausschlug, aufs schärfste angriff (s. u. S. 433 A.). Cato hat die Gefahren, die Rom nicht von den Kelten und Germanen, sondern von Caesar drohten, klar und einsichtig dargelegt1). Er erzielte damit einen großen Eindruck ; daß er mehr erreichen und den Senat zum Handeln fortreißen könne, hat er gewiß selbst nicht geglaubt.

Darstellung Iv xal$ ««pYjjMpiai Plat = iv tat« totai« ova-rpayais «üv i^nipaiv tpftuv bei App., eine sehr korrekte Übersetzung von commentarii, zitiert wird. Caesar bemüht sich im bellum Qallicum vergeblich . sein Ver- brechen zu vertuschen ; daher hat er die von den eingedrungenen Germanen drohende Gefahr maßlos übertrieben, und sich nicht geschämt, seinen Lesern die Mär aufzutischen, daß die Feinde 480000 Köpfe stark ge wesen seien! Um sie weiter abzulenken, hat er die Schilderung dor Sueben c. 1—3, die der gallischen Neugier c. 5 und den geographischen Exkurs c 10 eingelegt. Gegen Drumanns mißglückte Apologie hat sich auch Groebk III' 262 erklärt. Da« Dankfest auch bei Caesar bell. Gall. IV 38. ') Plut. Cato 51.

174

Da» Prinzipat des Pompejus

Das Principat des Pompejus und Ciceros Bücher

vom Staat

Durch die Ausführung der in Luca verabredeten Maßregeln ist das römische Gebiet tatsächlich in eine Anzahl föderierter Staaten aufgelöst worden. Der Machtbereich der Republik und des Senatsregiments ist fortan auf das innere Gebiet des Mittel- meers beschränkt, Italien und die Provinzen Sicilien, Sardinien mit Corsica, Africa, Cyrene, Creta, Macedonien mit Griechen- land, Aaia, Bithynia mit Pontus, d. i. der paphlagonischen Küste, Cilicia mit Cypern, ferner die Vasallenstaaten Numidien, Thrakien, Galatien, Kappadokien und die kleinen Fürstentümer und Frei- staaten Kleinasiens. Gallien mit Oberitalien und Illyrien, Spanien, Syrien nebst seinen Vasallenstaaten, zu denen jetzt auch Aegypten gehört, sind vom Körper des Reichs losgelöst und zu selbständigen Monarchien geworden, deren Herrscher zwar ihre Truppen, wenigstens zum größten Teil, aus Italien beziehn, aber im übrigen völlig selbständig regieren, die nötigen Verwaltungs- maßregeln ergreifen, nach eigenem Ermessen, ohne Auftrag von Rom, Krieg füliren, und ihren Machtbereich ins üngemesseue erweitern. Wie Caesar im Norden dem Römertum und damit der hellenistisch-römischen Kultur ein gewaltiges Gebiet gewinnt, der Geführ einer neuen Germaneninvasion vorbaut, und den freilich gescheiterten Versuch macht, auch Deutschland und die britischen Inseln seinem Reich einzuverleiben, so geht Orassus daran, das durch die Schuld des republikanischen Regiments verlorene Erbe Alexanders bis nach Iran und Indien dem Abend- lande wiederzugewinnen1). Ohne Kriegserfahrung war Crassus

') Plutarch hebt comp. Nie. et Grase. 4 mit Recht diese ideale Seite des Unternehmens des Crassus gegenüber der Üblichen Verdammung ex eventu hervor: ol Zh rijv jj.lv rfj? 'AXs^avipoo otpottca; öpjAtjv »naivouvTsc, chv &4 Kpaaoou 4**T0VT«« » °&x *P<"™ »pivoostv iitb xütv TtXtutaioov.

Damit rechtfertigt er aoeh, daß Rom er sogt fälschlich 6 i^fio? Caesars Auslieferang ablehnte. Unberechtigt ist dagegen sein Tadel gegen Nikias' Unternehmungen: solche Aut^iben waren der Griechen weit seit 479 gestellt, und Athen hat sie unter Kimon und in der

Die Auflösung der Reichseinheit. Crassus' Untergang 175

nicht, aber der überraschenden Lage, in die sich sein Heer durch die den Römern bisher unbekannte parthische Taktik plötzlich ver- setzt sah, und die z. B. Metellus Numidicus im jugurthinischen Kriege mit Mühe bestanden hat, waren er und vor allem sein ungeschultes Heer nicht gewachsen, und so erfolgte die Kata- strophe. Hatte er Erfolg gehabt und sich im Osten ein großes Reich gegründet wie Caesar im Westen, so ist garnicht abzu- sehen, wie sich die Dinge weiter hätten entwickeln mögen. Das aber ist das ganz Eigenartige der damaligen Weltlage, daß gerade in der Zeit der furchtbarsten Zersetzung des Staats und der vollen Lahmlegung der zentralen Regierung das Römertum nach langem Hinsiechen die größten Erfolge erringt und sich nach allen Seiten mächtig ausbreitet: aus der Peripherie heraus er- wächst dann die Neugestaltung des geschlossenen Weltreichs des Orbis terrarum. So erweist sich immer aufs neue die Überlegen- heit des persönlichen Regiments, das, weil es ein, wenn auch an sich aus sehr problematischen persönlichen Motiven er- wachsendes Ziel vor Augen hat und rücksichtslos verfolgt, die durch das zerfahrene Collegialregiment lahmgelegten Kräfte freimacht und ihnen Raum schafft; das war schon in Lucullua' und noch weit mehr in Pompejus' Feldzügen hervorgetreten und fehlt auch bei dem Regiment des Gabinius in Syrien nicht. Zugleich aber tritt hervor, daß der Kampf um die Macht im Innern noch nicht das letzte Stadium der Entwicklung ist, sondern daß sich dahinter, ähnlich der Zersetzung des Reichs Alexanders, der Kampf der neu entstandenen Dynasten um die Alleinherr- schaft und die Wiederherstellung der Reichseinheit erhebt. Dieser Kampf hat denn auch den um die innere Gestaltung des Staats überdauert und ist unter den Triumvirn erst recht entbrannt, als die Republik in den Proscriptionen und bei Philippi definitiv erlegen war.

Im Innern war die Herrschaft des Pompejus jetzt fest auf-

aegy ptifichen Expedition der Demokratie tu lösen versucht, aber ohne Erfolg; und xu Nikias' Zeit war vollends jede Möglichkeit dazu ge- schwunden.

17G

Das Principat des Pompejus

gerichtet. In welchem Umfang er von der Bürgerschaft ab der Regent des Staate betrachtet wurde, das zeigte sich in geradezu überraschender Weise, als im September 54 seine Gemahlin, Caesars Tochter Julia, im Wochenbett starb1): Pompejus wollte die Leiche auf seinem albanischen Gut beisetzen, aber das Volk forderte ihre feierliche Beisetzung auf dem Marsfelde und er* zwang sie gegen den Widerspruch des Oonsuls Domitius*). So erhielt die Gattin des Regenten ihr Grab an derselben Stelle, wo ein Vierteljahrhundert zuvor Sullas Asche beigesetzt war: Pompejus erschien als der Herrscher des Reichs wie dieser, und die Ehren, die ihm zustanden, wurden auch der Gemahlin des ungekrönten Königs von Rom zuerkannt.

Immer deutlicher treten in Pompejus' Stellung die Grund- züge der Neugestaltung des Staats hervor, die dann Augustus dauernd zur Grundlage der Verfassung des Principats erhoben hat. Die Fiktion, daß er in seine Provinz gehn wolle, sobald die Umstände es gestatteten, ist offiziell noch eine Zeitlang aufrecht erhalten worden3); tatsächlich wollte er dauernd in

') Das Datum ergibt sich aus Ciceroe Ende September geschriebenem Brief an seinen Bruder III 1, 17. 25; Ende November hat er durch diesen Kunde de virtute et gravitate Caesaris, quam in summo do- lore adhibuisset. Nach Plut. Caes. 23 erhielt Caesar die Nachricht bei der Rückkehr aus Britannien. Auch Julias Kind starb kurz darauf: Plut. Pomp. 53. Dio 40, 44, 8. Sueton Caes. 26. Vellejus II 47. 2. Lucan V 474.

*) Dio 89, 64. Plut. Pomp. 58. Liv. ep. 106 Julia, Caesaris filia, Pompei uacor , decessü, honosque ei a populo habitus est, ut in campo Martio sepeliretur.

*) In dem natürlich ganz offiziell gehaltenen Empfehlungsschreiben iflr Trebatius an Caesar fam. VII 5 im Frühjahr 54 sagt Cicero, er schicke diesen an Caesar, posteaquam Pompei commoratio diulumior erat quam putaram. (Zugleich fingiert er, er habe eigentlich beabsichtigt, ihn mit sich zu nehmen, wenn er als Legat des Pompejus für die cura an- nonae [oben S. 121] entsandt werde; aber auch dazu komme es jetzt nicht.) Ebenso äußert sich Caesar bell. Gall. VI 1 quoniam ipse (Pom- peius) ad urbem cum imperio reipublicae causa remanerei. Nach Dio 39, 89, 4 waren ihm die Angriffe auf seine Aushebungen (oben S. 171) als Vorwand zum Bleiben sehr willkommen.

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Pompejus' Herrschei-stellung

177

oder vor Rom bleiben, um die Regierung zu leiten. Da er durch sein proconsularisches Imperium verhindert war, das Pomerium zu überschreiten, mußte der Senat für die Sitzungen, an denen er teilnehmen wollte, vor die Stadt berufen werden eben dazu diente das Sitzungslokal, das er in deu Hallen seines Theaters erbauen ließ. Die Verwaltung der ihm zugewiesenen Provinzen und das Kommando seiner Legionen übertrug er den von ihm bestellten und nur ihm verantwortlichen legati pro praetor*, die zum Teil aus den höchsten Kreisen des Senats ent- nommen waren neben Varro, der es bis zum Praetor gebracht hatte, und Petrejus stand der Consular Afranius , aber unter seinen Auspicien fochten.

Mit der proconsularischen Gewalt verband er, wie Augustus, wenn die Politik es erforderte, das reguläre Oberamt des Con- sulats, wie im Jahre 55 so 52. Außerdem verwaltete er wie dieser dauernd die cura annonae , welche die Ernährung der haupt- städtischen Bevölkerung in seine Hand legte und so das mächtig anschwellende Proletariat von ihm abhängig machte; auch ihre Verwaltung, deren Kompetenz* das ganze Reich umfaßte, er- forderte zahlreiche Hilfskräfte aus denselben Kreisen als legali pro praetore. Es fehlte nur diejenige Funktion, welche Augustus mit klarem politischem Blick zur eigentlichen Trägerin der Stellung des Principats im Innern erhob, die tribunicische Ge- walt, die Zusammenfassung nicht nur der Rechte, sondern vor allem der Würde, der maiestas des römischen Volkes in der Person des ersten Bürgers, die eben darum für diese Aufgabe so geeignet war, weil sie an sich durchaus schillernd und unbestimmt war und ihre Tragweite sich garnicht in feste Sätze fassen ließ. Den Ersatz für sie mußte bei Pompejus die Unterstützung durch die Demagogen und die Anarchie bilden, die er, seit Clodius sich ihm unter dem Druck Caesars gefügt hatte, fortan fest in der Hand hielt und für seine Zwecke zu benutzen verstand.

Im Jahre 54 hat Cicero, von der Beteiligung am Staatsleben immer mehr zurückgedrängt, der Lehrschrift, in der er seine Erfahrungen als Redner und Anwalt zusammenfaßte, eine Schrift über seine politischen Ideale folgen lassen, die er jedoch nach

Meyer, Caesars Monarchie 12

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178

Das Principat des Pompejus

manchen Schwankungen über den Plan und sorgfältigster Feilung erst mehrere Jahre spater, im Frühjahr 51, veröffentlicht hat1). Durch den Mund des jüngeren Africanus, bei dem kurz vor seinem Tode, im Sommer 129, das Gespräch stattfindet, entwickelt Cicero die Anschauungen, die er sich von Wesen und Gestaltung des richtigen Staats gebildet hat, auf Grund eines eindringenden Studiums der griechischen Theoretiker und vielfach in engem, jedoch keineswegs sklavischem Anschluß an sie und zugleich mit

') Die Abfassung des ersten Entwurfs wahrend des Landaufenthalts in den Frühlingsmonaten des Jahres 54, bis zum 1. Juni, ergibt sich aus ad Qu. fr. II 12, 1. Dieser Entwurf umfaßte neun Bücher, die Pro- oemien erhalten sollten, in denen unter anderm auf Atiicus Mahnung auch Varro berücksichtigt werden sollte (ad Att. IV 16, 2, Anfang Juli); dann begann Cicero nach dem Vorschlag seines literarischen Beirats Cn. Sallostius eine völlige Umarbeitung, in der statt des Africanus er selbst im Gespriich mit Quintus das Wort führte; er will aber dem Bruder die erete Bearbeitung zuschicken (ad Qu. fr. III 5, 1 f., Ende Oktober). Schließlich aber ist er zu seinem ursprünglichen Flau zurück- gekehrt, zweifellos zum Heil des Werks, hat es aber auf sechs Bücher verkürzt und auch die Prooemien weggelassen, abgesehn von der, wie es scheint, an Quintus gerichteten Einleitung, in der er von seiner per- sönlichen Stellung zum politischen Leben spricht. Die Veröffentlichung erfolgte erst im Jahre 51, unmittelbar vor seinem Abgang nach Cilicien; Gaelius schreibt ihm in seinem ersten Brief Ende Mai (fam. VIII 1, 4) tui politici libri omnibus vigent, und ebenso hat sie Atticus damals gelesen und seine Zustimmung geäußert (sex libris . . . quos tibi tarn valde probari gaudeo, ad Att. VI 1, 8). Die Äußerung de div. II 8 (Sommer 44) sex libri de republica, quos tum scripsimus, cum guber- nacula reipublieae tenebamus zeigt nur, wie so viele ähnliche (z. B. Phil. XIV 17 utinam quidem Uli prineipes viverent, qui me per meutn constitutum, cum eis ipse cederem, prineipem non invüi videbant), welchen Illusionen sich Cicero über seine Vergangenheit hingab, und wie sie sich ihm in der Erinnerung verklärte. [Wahrend der Drucklegung erhalte ich den Aufsatz von Reitzenhtein , Die Idee des Principat» bei Cicero und Augustus, Nachr. der Gött. Ges. 1917, 899 ff., 481 ff., der zu meiner Freude gleichfalls die fundamentale Bedeutung der Schrift und ihren beherrschenden Grundgedanken eingehend darlegt, desgleichen ihren Zusammenhang mit dem Principat des AugustuB. Dagegen kommt bei ihm die Beziehung auf die Zeit, in der sie entstanden ist, und spe- ziell auf Pom pejus , meines Erachtens nicht genügend zum Ausdruck.]

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Cicero de republica

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ständiger Berücksichtigung der römischen Institutionen und der Lehren der römischen Geschichte1). Von den drei traditionellen Staatsformen, die auch hier als die maßgebenden und in ihren Grenzen berechtigten anerkannt werden, ist, wie für Plato und Aristoteles, so auch für Scipio, d. h. für Cicero, an sich die wahre Monarchie die beste1), wie sie denn auch über zweihundert Jahre lang in Rom zum Segen des Staate bestanden hat8); aber sie ist immer der furchtbaren Gefahr ausgesetzt, daß sie durch Ent- artung des Herrschers in die schlechteste Staatsform, die Willkür- herrschaft der Tyraimifl, umschlägt4) das entspricht v&nz den

') Der griechischen Theorie entstammen vor allem das im dritten Bnoh eingehend behandelte Problem des Verhältnisses des Staats zur Idee der Gerechtigkeit, nnd die Erziehangsfragen nebst der Behandlang der masi- schen Künste in dem fast völlig verlorenen vierten Buch, ferner das kurz erledigte oder vielmehr beiseite geschobene Problem des Ursprungs des .Staats im ersten Buch 88 ff., endlich der Plato nachgebildete, aber stark von Posidonios beeinflußte Schluß, die Unsterblichkeit und Göttlichkeit des wahren Staatsmanns, der zugleich der wahre Weise ist, im Som- nium Scipionis. Ferner gehört die Polemik gegen die Hafenstädte II 5 ff. hierher ; die dadurch drohenden Gefahren hat Romulus weit- schauend vermieden.

*) I 54 si unum ac Simplex (genus reipublicae) probandum sit, regiutn probetn ; 69 ex tribus primis generibus lange praestat mea senteniia regiutn. Vgl. I 58 ff. 64. II 43.

3) I 58. II 52.

«) II 48 ea autem forma civitatis (regnum) mutabilis maxime est hanc ob causam, quod unius vitio praecipitata in pemiciosissi- mam partem facile decidit. nam ipsum r egale genus civitatis non modo non est reprehendendum, sed haud scio an ceteris simplicibus longe anteponendum. II 47 (regnum) sane bonum, ut dixi, rei- publicae genus, sed tarnen inclinatum et quasi pronum ad pemicio- sissimum staium. simul atque enitn se inflexit nie rex in dominatum iniustioretn, ftt continuo tyrannus cet Von Friedrich d. Gr., der bekanntlich Cicero« Schriften hoch schätzte, aber die Schrift vom Staat noch nicht kennen konnte, sagt Koser (Gesch. Fr. d. Gr. III4 484) im Referat über seinen Essai sur les forme« de gouvernement et sur les devoirs des souverains (1777): ,Von der .wahrhaft monarchischen4 Re- gierung — er meint die absolute Monarchie sagt der absolute König von Preußen mit der größten Unbefangenheit, sie sei die schlechteste oder beste von allen Formen, je nachdem sie geführt werde." Daß Cicero

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Das Principat des Pouapejus

nur daß die Verwirrung vermieden ist, die in Aristoteles' Politik (die Cicero bekanntlich nicht benutet hat) dadurch entsteht, daß sich der theoretische Begriff des wahren Königtums, d. h. der Herrschaft des Tugend- haftesten, immer mit der aus der Praxis stammenden Auffassung des Königtums als der legitimen und daher erblichen Monarchie im Gegensatz zu der Usurpation der Tyrannis kreuzt. Dieser Gefahr hat auch Born, wie die Geschichte des Tarquinius zeigt, auf die Dauer nicht entgehn können, obwohl die Römer es vernünftiger gemacht haben als die Spartaner und statt des Erbkönigtums, das den Nachkommen des Hercules als König zu nehmen zwingt, wie er auch beschaffen sein mochte, das Wahlkönigtum eingeführt haben, das den Besten und Weisesten zum Herrscher aussucht1). Aber noch weniger genügt die Aristo- kratie oder gar die Demokratie den wahren Forderungen, wenn- gleich beide ein sehr berechtigtes Element enthalten, das der richtige Staat berücksichtigen muß. Die beste Staatsgestaltung ist daher die gemischte Verfassung, welche die Vorzüge aller drei in sich vereinigt ein Gedanke, dessen Verwirklichung manche griechische Theoretiker bekanntlich in dem spartanischen Staat gefunden haben, und den dann Polybios auf Rom übertragen hat. Eben an diesen und seine berühmte Darlegung im sechsten Buch seines Geschichtswerks schließt sich Scipio an (neben ihm ist Oato benutzt), wenn er im zweiten Buch die Entwicklung der römischen Verfassung darlegt. Diese gemischte Verfassung*)

außer Polybios in weitem Umfang eine ßchrift des Panaetios benutzt, haben mit Abweichungen im einzelneu, Schukkri., Philosophie der mittleren Stoa, und Rbitzknstkin ausgeführt (vgl. 8. 178 Anm.). Aber die theoretischen Grundgedanken gehn auf die großen Philosophen des vierten Jahrhundert* zurück, die Cicero natürlich gleichfalls genau kennt und benutzt; nnd in der Gestaltung ist er hier wie auch in manchen anderen seiner philo- sophischen Schriften viel selbständiger als oft angenommen wird, das überkommene Gut ist durchaus sein geistiges Eigentum geworden. ') II 24.

*) II 41 (aus Nonius) statuo esse optume constitutum rempubli- cam, quae ex tribus generibus Ulis, regali et optumati et popiüari, confusa modice nee punicndo irritet animum immanent ac ferum . . .

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Cicero ile republica

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ist im Grande die Herrachaft der wahren Optimaten, d. i. der idealen Aristokratie, die daa wahre Interesse der Gesamtheit, vertritt; ihrer Einsicht und Leitung, die durch klug ersonnene Institutionen der Verfassung geschützt ist, wie sie in Rom nach der tatsachlichen Beseitigung der patrum auctorUas immer noch vor allem die Auspicien bieten1), schließen sich daher alle guten Bürger willig an, wie Cicero das in der Rede pro Sestio eingehend ausgeführt hat, da auch der Masse des Volks nicht nur ein ge- rechtes Regiment, sondern auch eine, wenngleich nach den Grund- sätzen der wahren Gerechtigkeit eingeschränkte und unter starker Kontrolle des Senats und der Beamten stehende Betätigung im öffentlichen Leben und damit die politische Freiheit gewährt ist*). Aber diese Aristokratie bedarf, um richtig funktionieren au können, selbst wieder der Leitung eines starken monarchi- schen Elements, das die vielköpfige Masse der principe* mit überlegener Einsicht leitet und auf dem richtigen Wege fest- hält. Der Träger dieser königlichen Stellung, „ein großer Bürger und ein Mann, der als fast göttergleich zu bezeichnen ist, der die Wandlungen des staatlichen Lebens überschaut und das Steuer festzuhalten und das Schiff in die richtige Bahn zu lenken vermag"*), ist „gewissermaßen der Vormund und Geschäftsführer

I 45. 69, II 65 ff., wo $ 69 der Vergleich mit der musikalischen Har- monie darauf angewendet wird.

') Über die patrum aucioritaa II 15. 56; aber die auspicia II 16. 26.

*) Die weitere Ausführung der Staatsgestnltung bat Cicero bekannt- lich später, nach platonischem Master, aber in engster Anlehnung an die Institutionen Roms, in der nicht vollendeten Schritt de legibus ge- geben.

*) I 45, im Anschluß an die miri orbes et quasi circumitus in rebus pubHeia commutationum et vicissiUidinum (die Scipio dann eingehend behandelt, im Anschluß an die grundlegenden Gedanken des Polybios, aber mit Verbesserungen und die mannigfachen Variationen berücksichtigenden Abweichungen im einzelnen, die auf Panaetios zu- rOckgehn, s. I 34. 36): ',uoe cum cognosse sapientis est, tum vero prospicere inpendentis in gubernandu republica, moderantem cur- sum atque in sua potestaie retinentem magni cutusdam civis et divini paene est viri.

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Das Principat des Pompejus

des Gemeinwesens; denn so wollen wir einen jeden nennen, der der Regent und Steuermann des Staats sein wird"1).

Dos ganze fünfte und sechste Buch, aus denen uns leider im Palimpsest bis auf ein paar Seiten des fünften nichts mehr erhalten ist, waren der Schilderung dieses leitenden Staats mannes, des rector rerum publicarum oder rector patriae, des moderator reipublicae, des princeps civitatis*) gewidmet. „Wie dem Steuermann der richtige Kurs," hieß es im fünften Buch, „dem Arzt das Wohlsein, dem Feldherrn der Sieg, so ist diesem Lenker des Gemeinwesens die Aufgabe gestellt, das Leben der Bürger durch gefestigtes Vermögen, reiche Mittel, glanzvollen Rahm, ehrbare Tugend gesegnet zu gestalten; denn diese größte und beste den Menschen gestellte Aufgabe soll nach meiner Auf- fassung jener Mann durchführen"*). Seine Stellung entspricht der der alten Könige, vor allem des Numa, der durch seine Recht- sprechung und seine religiöse Gesetzgebung die friedliche Be- schäftigung der Bürger sicherte4). In der umfassendsten Weise muß er für seinen Beruf vorgebildet sein, nicht nur das Recht und die Gesetze, sondern auch ihre theoretische Grundlage und daher auch die griechische Literatur kennen6), aber nicht etwa

') II 51 bonus et sapiens et peritus utilitatis digtiitatisque civilis, quasi tutor et procurator reipublicae; sie enim appelletur, quicum- que erit rector et gubernator civitatis. Vgl. 11 65 ff.

*) V 5. 6. 8 (ad Att. VIII 11, 1). 9. VI 1 (ad Att. VII 8, 2) ed. Baitkr.

*) ad Att. VITI 11, 1 (= de rep. V 8), Ende Februar 49: consumo igitur omne tempus considerans , quanta vis sit illius viri, quem nostris libris satis diligenter, ut tibi quidem videmur, expressimus. tenesne igitur moderatorem illum rei publicae, quo referre veUmus omnia? nam sie quinto, ut opinor, in libro loquitur Scipio: „ut enim gübematori ctirsus secundus, medico salus, imperatori Vic- toria , sie huic moderatori reipublicae beata civium vita proposita est, ut opibus flrma, copiis locuples, gloria ampla, virtute honesta sit; huius enim operis maximi inter homines atgue optimi illum esse perfectorem volo." hoc Gnaeus noster cum antea numquam, tum in hac causa minime cogüavit : dominatio quaesita ab utroque est, non id actum, beata et honesta civüas ut esset.

4) V 8-5.

*) Hierher gehört das von Baitkr fälschlich ins sechste Bach ver-

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Cicero und das Principat

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seine Zeit auf die Rechtepflege und Rechtsprechung vergeuden dann wäre er nur der Gutsvogt oder Kaasenführer des Staats , sondern über den Einzelaufgaben stehend seine Kenntnisse für die Staatsleitung verwenden, wie der Steuermann die Astronomie, der Arzt die Physik. Ebenso soll er der Beredsamkeit gegen - überstehn, durch wirkungsvolle, kurzgefaßte Worte die Menge lenken, aber ihren Mißbrauch vermeiden; denn die korrum- pierende Wirkung der Beredsamkeit, welche die Wahlen und Abstimmungen verfälscht, ist weit gefährlicher als offene Be- stechung1). Durch sein Vorbild und seine Maßregeln ersieht er das Volk zu Tugend und Ehrfurcht, durch den Ruhm, den er sich in Krieg und Frieden erwirbt, festigt er seine Stellung „und nur so lange kann das Gemeinwesen bestehn, als alle dem ersten Bürger Ehre erweisen"2). Im sechsten Buch folgte die Darlegung der Stellung, die er in inneren Zwistigkeiten und gegenüber den auf einen Umsturz der richtigen Staatsleitung zielenden Tendenzen einnehmen soll*). „Wer so kräftig sich regt, empfindet, gedenkt, vorausschaut, wer den Körper, an dessen Spitze er steht, so beherrscht und leitet und bewegt, wie jener Obergott diese Welt, der ist selbst ein Gott"4) und unsterblich,

setzte Fragment p. 236 ZI. 10 ff. ans Comm. in Cic. de inv. p. 349 Osann: rcipublicae rectorem summum virum et doctissimum esse debere, ita ut sapiens ei iustus et temper am, et eloquens, ut possit facile currente eloquentia animi secrela ad regendam plebem exprimere. sdre etiam debet ius, Qraecas nosse litter as, quod Catonis facto pro- bater. Das gehört an V 5 ff.

') V H.

1V9.

*) 8. die VI 1. 2 zusammengestellten Fragmente aus Nonius. Den Eingang bildete das Fragment bei Nonius: totam igitur exspectas prudentiam huius rectoris (offenbar bei seiner Stellungnahme zu den Parteikämpfen) , quae ipsum nomen hoc nacta est ex providendo. Anf diese Darlegungen bezieht sich das Zitat Ciceros ad Att. VII 3. 2, 9. Dezember 50: .wenn der Gedanke an meinen Triumph nicht da- zwischen gekommen wäre, ne tu haud multum requireres ülum virum, qui in sexto libro informatus est".

*) VI 26 (Worte des im Traum erscheinenden älteren Africanus an seinen Adoptivenkel) : deum te igitur scito esse, si quidem est deus,

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Dan Principat des Pompeji

wie nach Piatos Lehre die Seele als das Prinzip der ständigen Bewegung; und so klingt das Werk, im Traum Scipios, nach dem Hinweis auf die leitende Stellung, die Scipio in der Bei* legimg der gracchischen Wirren einnehmen sollte und die durch seine Ermordung vereitelt ward, aus in dem Glauben, daß ein solcher Mann, der recior et conservator seines Staats, sich den Weg zur Unsterblichkeit gewinnt und zu den Göttern aufsteigt.

Rein theoretisch betrachtet, vom Standpunkt der philo- sophischen Gedankenentwicklung aus, sind diese Darlegungen lediglich eine Übertragung der im Anschluß an Sokrates und seine Auffassung des ßaoiXtx^; avijp von Plato begründeten, von Aristoteles und den Peripatetikern weiter ausgebildeten Ideen der griechischen Philosophie über den wahren Staatsmann und König auf die römischen Verhältnisse. Aufs engste berühren sie sich vor allem mit Piatos Politikos: das Ziel ist das gleiche, nicht mehr das für menschliche Verhältnisse nicht erreichbare Ideal der absoluten Monarchie des über den Gesetzen stehenden Weisen der IToXitsta, die icajtßaoiXela des Aristoteles, der auf- geklarte Despotismus, sondern die durch Gesetze gebundene, die Freiheit und Beteiligung der Aristokratie und des Volkes zwar einschränkende und leitende, aber nicht aufhebende konstitu- tionelle Monarchie; nur soll ihr Träger in Rom nicht ein erb- licher Herrscher sein, sondern der wahre Staatsmann, der erste Bürger, der daher auch den durch den letzten Tarquinius in Mißkredit geratenen Königstitel entbehren kann. Aber politisch, innerhalb der Entwicklung des römischen Staats und des römischen Staatsgedaakens, kommt dem Werk Ciceros eine weit größere, ja geradezu eine grundlegende Bedeutung zu. Der Aristokratie und gerade derjenigen Gestaltung, die sich in Rom herausgebildet hatte, ist die überragende Stellung eines einzigen Staatsmanns, eines princeps, durchaus fremd und ihrem Wesen widersprechend : sie beruht vielmehr auf dem innerhalb der Schranken der Ver-

tut vigei, qui sentit, qui meminit, qui pro-videt, qui tarn regit et mode- ratur et movet id corpus, cui praeposüus est, quam hunc mundum iüe princeps deus. Vgl. VI 12.

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Die Entwicklung de* Principats

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fassung sich abspielenden Wettstreit mehrerer principe» um den maßgebenden Einfluß. Dadurch, daß sie sich die Wage halten, wird die Bewegungsfreiheit aller Standesgenossen und damit die freie Entscheidung der Gesamtheit und die Leitung durch den Senat, nicht durch einen Einzelnen, gesichert. Dem geschicht- lichen Scipio Africanus, den Cicero dies Ideal vortragen läßt, lagen diese Gedanken noch ganz fern, weit mehr als dem Besieger Hannibals, so nahe auch die Stellung, die der Adoptivenkel tat- sächlich einnahm, und vor allem die Erwartungen, die man auf ihn setzte, schon daran heranreichteu1). Es ist vielmehr das Ideal, das Cicero selbst aufstellt und von dessen Verwirklichung er die Erlösung aus der Zersetzung der Gegenwart und der völligen Zerfahrenheit der Optimatenpartei erhofft. Er stellt damit ein Programm auf, das unmittelbar in der praktischen Politik wirken soll; um so mehr ist zu bedauern, daß uns von diesen Büchern fast gar nicht« erhalten ist.

Nicht auf dem Boden der Aristokratie, sondern auf dem der Demokratie ist die monarchische Leitung des Staats durch den dauernd mit der Führung betrauten Staatsmann, den Dema- gogen, erwachsen. Die radikale Demokratie der griechischen Republiken, vor allem die Athens, setzt sie voraus: ihm er- öffnet sie seine Bahn, und ohne daß er dauernd die Zügel in Händen hält, vermag sie, wie gerade das Beispiel Athens zeigt,

") Als der Tribun Carbo im Jahre 181 den Scipio Ober die Ermor- dung des Ti. Gracchus befragt uu \ dieser antwortet si is occupandae reipublicae animum habuisset, iure caesum un<l die darflber tobende Menge mit scharfen Worten zurückweist, kehrt Gaius Gracchus den gegen seinen Bruder erhobenen Vorwurf gegen ßcipio um und bezeichnet diesen als den Usurpator der monarchischen Gewalt: täv »pl xbv fdiov ?oiiv- coiv xts'yjti tiv topavvov (Plnt. apophth. Scip. 28). Nach Cicero de rep. VI 12 (im sotnnium Scipionis) soll Scipio. als er ermordet wird, als Dictator den Staat neu ordnen (tu eris unus, in quo nitatur civitatis aalm, ac, ne muUa, dictator rempublicam constituas oportet); ob aber diese Angabe, wie ich Unters, zur Gesch. der Gracchen 16 (Kl. Sehr. 407) getan habe, wirklich als geschichtlich angeeehn werden kann und nicht lediglich von Cicero in die Situation hineingetragen ist. ist mir jetst sehr fraglich.

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Das Principal des Pompejus

eine zielbewußte und erfolgreiche Politik nicht durchzurühren, sondern fällt der Anarchie und dem Niedergang anheim. Das- selbe Schauspiel erleben wir jetzt in den radikalen Demokratien der romanischen Staaten mögen sie daneben nominell ein Königtum haben oder nicht , und eben während des Welt- kriegs in geradezu typischer Weise in England und in Amerika in der Stellung, die Lloyd George und Wilson gewonnen oder vielmehr usurpiert haben. In Rom hat schon Appius Claudius in der Zeit der Samniterkriege den Staat in diese Bahnen zu führen versucht, ist aber damit gescheitert, und die monarchische Stellung, die der ältere Scipio im hannibalischen Kriege ein- genommen hatte, ist in der Folgezeit durch die Opposition, namentlich durch Cato und Tiberius Gracchus den Vater, erfolg- reich untergraben und hat ihn schließlich nach dem Krieg gegen Antiochos in ein freiwilliges Exil getrieben. Dann haben die Gracchen, Tiberius durch die Not gezwungen, Gajus mit vollem Bewußtsein, dies Ziel erstrebt; die Demokratie, die Gajus an Stelle der bisherigen Verfassung setzen will, ist nichts anderes als sein persönliches Regiment. Damals hat die Aristokratie diese Gestaltung als Ende der republikanischen Freiheit ent- rüstet abgewiesen und den Tiberius erschlagen, weil er offen- kundig nach der Krone strebe1). Aber auch sie ist nicht imstande gewesen, sich aus eigener Kraft zu behaupten. Drusus' Versuch, als konservativer Demagoge das Joch der graoehischen Verfassung zu brechen und dem Senat seine Stellung wiederzugewinnen, ist an dem passiven Widerstand seiner Standesgenossen, die in ihm den kommenden Regenten scheuten, gescheitert; dann aber hat Sulla zweimal aus eigener Machtvollkommenheit an der Spitze einer ihm ergebenen Armee den Kampf aufgenommen und souverän über die Bürgerschaft schaltend in Strömen Blutes die Herrschaft der Ritterschaft vernichtet und die der Nobilität noch einmal wieder

') Im Lael. 41 laßt Cicero den Laelius sagen: TL Gracchus regnum occupare conatus est, vel regnavü is quidem paueos tnenses. Das gibt die Auffassung der Aristokratie, aus der heraus Scipio Naeica zur Pirschlag img des Tyrannen auffordert und nachher sein Vorgehn recht- fertigt, durchaus sutreffend wieder, Tgl. Kl. Sehr. 398. 425 f.

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Die Entwicklang des Principats. Theorie und Praxis

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aufgerichtet. Jetzt sehn wir, daß die Erkenntnis, ohne eine solche überragende Persönlichkeit könne die Republik nicht dauernd be- stehn, eine geordnete Verfassung nicht gesichert und die Einheit des staatlichen Willens nicht erhalten werden, auch in diese Kreise Eingang findet und von dem Theoretiker der wahren Aristokratie im Anschluß an die aus ganz analogen Zustanden erwachsenen Lehren der griechischen Philosophen eingehend entwickelt wird.

Die Einseitigkeit des Programms, durch das Cicero den römischen Staat regenerieren will, liegt auf der Hand. So wenig wie irgend ein anderer Theoretiker des Altertums hat Cicero sich über den von der geschichtlichen Tradition gegebenen Begriff des Stadtstaats zu erheben vermocht. Für die Probleme, welche die Weltstellung Borns geschaffen hat, hat er kein Verständnis; sein Blick bleibt ausschließlich auf der urbs haften. Daß der poptäus Romanus in Wirklichkeit langst über die engen Schranken der Polis hinausgewachsen ist und in keiner Weise durch die in den Comitien fast allein anwesende hauptstädtische Bevölke- rung repräsentiert wird1), kommt für seine Theorie und für den nachher in den Büchern de legibus vorgetragenen Verfassungs- entwurf nicht in Betracht, so sehr er selbst bei der Entscheidung über seine Rückkehr die Bedeutung der italischen Bürgerschaft erfahren hatte. Noch verhängnisvoller ist, daß die entscheidende Bedeutung der Machtfrage für den Staat nicht hinlänglich ge- würdigt wird: die antike Theorie ist nun einmal seit Sokrates und Plato von dem Gedanken beherrscht, daß der Staat die Ver- wirklichung der Idee der Gerechtigkeit ist, und sucht daher, wie ihre modernen Nachfolger bis auf Rousseau und den modernsten Liberalismus, die Lösung ihrer Aufgaben einseitig auf dem Gebiet der Verfassung, während sie die Machtfrage ignoriert, oder wo sie ihr von Praktikern und Skeptikern entgegengetragen wird, sie im Bewußtsein ihrer höheren sittlichen Auffassung geringschätzig

') Vgl. pro Sestio 109 venio ad comitia, sive magistrctfuum placet sive legum. lege» videmus saepe ferri miütas: omüto eas , quae feruntur üa. vix ut quini et ei ex aliena tribu, qui suffragium ferant, reperiantur.

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188 Da« Pnncipat des Pompejo*

beiseite schiebt. So verfahrt auch Cicero gegen die Einwände, die Philus vom Standpunkt der Sophisten und des platonischen Kallikles und Thrasymachos aus erheben muß, in der Antwort, die Laelius darauf erteilt, nach dem Vorbild Piatos, aber auch hier mit mancherlei Abweichungen und Ergänzungen in der Einzelausführung.

In seiner politischen Wirksamkeit hat Cicero allerdings die Bedeutung dieses Machtfaktors auf Schritt und Tritt empfunden und sich ihm fügen müssen, niemals stärker, als eben in den Jahren, in denen er den Dialog schrieb. Da hält er ihm das Ideal- bild dessen, was sein soll, entgegen; aber daß er in dieses den beherrschenden monarchischen Staatsmann als Schlußstein und Krönung des Gebäudes einfügt, ist allerdings eine für den Theo- retiker der römischen Aristokratie äußerst bedeutsame Kon- zession an die Forderungen der realen Welt. Natürlich bleibt immer noch ein fundamentaler Unterschied bestehn: für die Theorie ist der Princeps der beste der Bürger, und den Maßstab geben die intellektuellen und sittlichen Eigenschaften. Er ist auch nicht, wie in der Demokratie, der Vertrauensmann der Massen, die er vielmehr, nötigenfalls mit Gewalt, im Zaum halten soll, sondern der der besten Elemente des Staats, der Optimaten und des Senats: „in bürgerlichen Streitigkeiten sind, da die Guten mehr bedeuten als die Vielen, die Bürger abzuwägen, nicht zu zählen"; „der Staatsleiter muß gegen die Elemente, die den Zustand des Staats erschüttern, immer gewaffnet sein"1). Eben dadurch bleibt trotz des königlichen Regiments des leiten- den Staatsmanns der republikanische Charakter des Gemein- wesens gewahrt.

In der Praxis dagegen ist nun eiumal die Macht das Ent-

') Fragmente dee sechsten Buches bei Nonitw (Baitkr p. -236): et vero in dissensione civüi , cum boni plus quam muiti vatent, ex- pendendos civis, tum numerandos puto. Ferner quam ob rem se comparet hic civis iia necessest , ut sit contra haec, quae staium civitatis permovent, semper armatus; als derjenige, qui conpescit ei us mm et ecfrenatam iiiam ferociam, war der Staatslenker be-

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Cicero* Staatsth^orio und l'ompejuÄ

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scheidende, imd so ist es Leicht möglich, daß derjenige, dem die Rolle des Princeps zufallt, von den von der Theorie geforderten Eigenschaften keine einzige besitzt. Aber trotzdem behält die Theorie eine große Bedeutung auch für die praktische Politik: denn sie ist die Idee, welche die Anschauungen und Stimmungen des Volks und seiner besten Manner beherrscht, und daher auch von dem praktischen Staatsmann Berücksichtigung fordert. Darin liegt die große geschichtliche Bedeutung der Schrift Cicero«: sie enthält nicht nur die theoretische Formulierung der Stellung, die Pompejus für sich erstrebt, sondern zugleich auch die Grundzüge der Staatsordnung, die Augustus im Principat zu verwirklichen gesucht und in der Tat durch einen mit un- vergleichlichem staatsmännischem Geschick abgewogenen Kom- promiß zwischen Theorie und Praxis dauernd begründet hat. Wie es dem Scipio sein Ahn im Traume verkündet , ist denn auch Augustus wirklich im Tode als Dwus zu den Göttern aufgestiegen.

Daß Cicero bei der Schilderung des republikanischen Regenten an Pompejus gedacht hat, bedarf keiner Ausführung1). Schon gleich nach seinem Consulat hat er ihn brieflich als den neuen, größeren Africanus begrüßt (S. 38), und ab den princßps des Staats bezeichnet er ihn oft genug in seinen Reden und Briefen nach der Rückkehr aus dem Exil1). Daß er in Wirklichkeit für diese Aufgabe, wie Cicero sie faßte, recht wenig geeignet war, da 13 er nach selbstherrlicher Macht strebte*) und sich nicht den Grundsätzen der Aristokratie unterordnen, sondern sie unter seinen Willen zwingen wollte und dazu die bedenklichsten und verwerflichsten Mittel ergriff, lag klar vor Augen ; so unternimmt Cicero immer wieder den Versuch, ihn in die richtige Bahn zu lenken, wie in den Jahren 61 und 60, so nach seiner Rückkehr

') ad Att. VIII 11, 1 (oben S. 181 Anm. 3) spricht Cicero da» direkt aus.

") So post red. in sen. 4. pro Sest. 84. an Lentulus 19, 11. pro Plane. 93 Pompejus, quem omnes in republica prineipem esse con- cedunt.

s) Vgl. Ciceros Äußerung in dem Brief an AUious nach dem Aus- bruch des Bargerkriegs Vlll 11, 1 oben S. 182, 3.

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Bas Principe des Pompejus

aus dem Exil. Auch nach der Konferenz von Luca und den Gewalttaten seines zweiten Consulats hat er offenbar diese Be- mühungen nicht aufgegeben, so gering auch die Aussicht auf Erfolg war; eben darum will er von dem schroffen Auftreten Oatos und der optimatischen Heißsporne gegen Pompe jus nichts wissen. Seine eigene Stellung entspricht der, welche Plato vor- übergehend im Jahre 366 neben Dionvsios und dann spater neben Dion einnahm, „die Verbindung der großen Macht mit dem großen Intellekt"1), durch die der Idealstaat verwirklicht werden soll. Schon im Jahre 62 bietet sich Cicero dem Pompejus als sein Laeliiis an, als den vertrauten Gehilfen und Ratgeber des leiten- den Staatsmanns; und in Wirklichkeit hat er natürlich gehofft, ihm gegenüber eine viel selbständigere, führende Stellung ein- nehmen zu können, als die des Laelius neben Africanus4). Spater,

') Plato ep. 2, 310 e. 7, 885 d. In der letzten seiner philosophi- eeben Schriften, de ofBciis, kommt Cicero wiederholt auf diese Fragen zurück. Wer durch Anlage and Stellang dazu berufen ist , soll Bich nicht dem beschaulichen Leben hingeben und, wie Plato meint, nur durch sein Pflichtgefühl gezwungen widerwillig den Staatsgeschäften widmen (I 28. 69 fF.)f sondern die politische Wirksamkeit mit voller Hin- gebung ergreifen : I 72 sed iis, qui habent a natura adiumenta rerum gerendarum, abiecta omni cunetatione adipiscendi magistratus et yerenda respublica est; nec enim aliier aut regt civitas aut decla- rari animi magnitudo potest. Das Streben nach dem prineipatus ist an sich naturgemäß und berechtigt (I 18); aber dem gegenüber steht der ungezügelte Ehrgeiz und die falsche und verderbliche Machtgier, wie sie Caesar (I 26) und bo viele andere beherrscht und zu den Bürger* kriegen geführt hat (I 86 quae fbeüa civütaj gravis et fortis civis et in republica diynus prineipatu fugiet atque oderit, tradetque se iotum reipublicae neque opes aut potentiam consectabitur totamque eam sie tuebitur, ut Omnibus constüat, nicht nur seiner Partei). Die Gefahr ist in der menschlichen Natur selbst begründet: 1 64 sed iüud odiosum est, quod in hac elatione et magnitudine animi faciUime pertinacia et nimia cupiditas prineipatus innascitur; wie Plato von den Lacedaemoniern sagt, sie, ut quisque animi magnitudine maxume exceüit, ita maxume volt prineeps omnium vel potius solus esse. Damit sind die im realen Leben wirksamen Kräfte von Cicero als ge- geben und als durch die Theorie nicht überwindbar anerkannt.

*) Das Verhältnis zwischen beiden schildert de lep. 1 18: fuit enim hoc in amicitia quasi quoddam itis inter illos, ut militiae propter

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Die Opposition gegen Pompejus

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nach Caesars Ermordung, hat dann Cicero im Kampf gegen Antonius die Stellung des Princepe für sich selbst in Anspruch genommen1) und tatsächlich ein paar Monate innegehabt, ist aber an der Aufgabe, die ihm gestellt war, im Kampf mit den harten Mächten der Wirklichkeit nicht nur politisch, sondern auch moralisch vollkommen gescheitert.

Pomp ejus und die Anarchie

So rücksichtslos Pompejus seine Herrschaft aufs neue be- festigt hatte, so wenig konnte er sich von seiner Lage befriedigt fühlen. Wie arg ihn die Mittel bloßstellten, zu denen er gegriffen hatte, mußte er selbst empfinden; und dabei verdankte er den Erfolg nicht einmal der eigenen Kraft, sondern der bereitwillig gewährten Hilfe Caesars, Die verstärkte Abhängigkeit von diesem, in die er so geraten war, steigerte nicht nur den Neid auf dessen ständig wachsende Macht, sondern bedrohte zugleich seine eigene Zukunft. An dem ersehnten Ziel war er noch lange nicht. Allerdings wagte sioh die Opposition nicht mehr un- mittelbar an ihn heran; aber verstummt war sie keineswe<^s. Immer aufs neue folgten die Nadelstiche, die mißliebigen Maß- nahmen, jetzt gefördert von dem Consul Domitius Ahenobarbus, gegen den sein Kollege Appius Claudius, dessen Tochter mit dem ältesten Sohn des Pompejus vermählt war*), nur ein schwaches Gegengewicht bildete, weil er die Volksgunst nicht verlieren und im übrigen aus seinem Amt möglichst viel Geld heraus- schlagen wollte*). Dazu kamen die ununterbrochenen Prozesse gegen seine und seiner beiden Genossen Werkzeuge und Ver- trauten. Da die Optimaten sich der Leitung des großen Mannes

eximiam belli gloriam Africanum ut deum coleret Laelius, dotni vicissim Laelium, quod aeiate antecedebat, observaret in parentia loco Scipio. Genaa so dachte sich Cicero seine Stellung su Pompejus.

') In den Philippiken und sonst bezeichnet er sich wiederholt selbst als princeps, so besonders drastisch an Cornificius fam. XII 24, 2 meprin- cipem senaiui populoque Romano professus surru

•) Cic. an Appius III 4, 2. 10, 10.

*) Dio 89, 60, 8.

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Da* Principat des rompejiw

nicht gutwillig fügen wollten, mußten sie gezwungen werden; als Mittel dazu dienten die Anarchisten, die ihm jetzt durch Caesars Eingreifen völlig zur Verfügung standen und die er aufs neue gegen die legitime Regierung losließ. Auf seine Veranlassung bewirkten die Tribunen, daß die Wahlen immer weiter hinaus- geschoben wurden1). Als Heilmittel gegen dies Treiben forderten dann Pompejus' Anhänger seine Ernennung zum Dictator, zu- nächst in unbestimmten Andeutungen*), dann immer nachdrück- licher; der für 53 zum Tribunen erwählte C. Lucilius Hirrus ließ vernehmen, daß er einen dahin gehenden Antrag einzubringen gedenke. In seinen offiziellen Erklärungen wies Pompejus einen derartigen Gedanken weit von sich, obwohl er privatim dem Cicero eingestand, daß er bereit sei, auch diese Aufgabe zu über- nehmen8). Das war nicht „unverbesserliche Hinterhältigkeit" oder „die ihm eigene Schwerfälligkeit im Entschließen und im Handeln und seine wunderliche Unfähigkeit, selbst da, wo er befehlen wollte und konnte, mit der Sprache herauszugehn", wie Mommsen es darstellt, sondern, wie schon ausgeführt, bei dem Ziel, das er erstrebte, eine unvermeidliche Notwendigkeit: der erste Bürger, der Princeps, begehrt für sich garnichts, sondern der Staat fordert von ihm, daß er die dringenden Aufgaben über- nehme, die kein andrer lösen kann.

Aber der Senat wollte Pompejus natürlich jetzt so wenig verstehn und sich ihm unterwerfen, wie bei den Verhandlungen über den Getreideauftrag und die aegyptische Mission. So setzte Pompejus sein Spiel fort. Die Rivalität und die Umtriebe der Kandidaten kamen ihm dabei zu Hilfe; im November 54 wurde festgestellt, daß es in diesem Jahr zu Comitien nioht mehr

') ad Qu. fr. II 13, 5 (Anfang Jani) erat non nulla spes conti- Horum, sed incerta. II 15, 8 (Ende August) cotnitia in mensem Sept. reiecta sunt.

*) ad Qu. fr. II 18, 5 erat aliqua stispicio dictaturae, ne ea quU dem certa.

3) Vgl. Appian II 20, wo der Hergang sehr richtig dargestellt ist, speziell £ 78 (IIojikt^'.^) crjv icpoaBoxtav rrjvit X6f«p p-ev säusyspauvw, fp*(4> V ii a&tty rcdcvca ftcparciv äyavüx; xa;. rrjv &oi>vta£tav cfjs «oXxttia; Kai ävapXÜxv i*\ t-p aa>>vtat£if iuuiv <;*.peu»pa.

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Pompejus erstrebt die Dictatur. Wählamt rieb, im Jahre 54 193

küiiimeu und das nächste Jahr daher mit einem Interregnum beginnen werde1).

Im übrigen verlief das Jahr in «ahllosen kleinen Händeln und Intrigen sehmutagster Art. Den wenigen ehrlichen Op- ponenten, der kleinen Gruppe, die jetzt wieder von Cato geführt wurde, war jede Möglichkeit einer politischen Wirkung genommen ; sie vermochte wohl einzelne der ärgsten Ausschreitungen zu hemmen oder wenigstens aufzudecken, wie denn Cato immer bereit war, sein Leben für das Recht in die Schanze zu schlagen, als Praetor die Leitung der Gerichte gewissenhaft führte und durch seinen Einfluß die Kandidaten für das Tribunat dahin brachte, daß sie sich durch eine bei ihm deponierte Summe von je einer halben Million Sestertien verpflichteten, alle illegi- timen Wahlumtriebe und Bestechungen zu unterlassen*); aber irgend ein positives Ergebnis konnten sie nicht erreichen. Die Masse der Nobilität ließ sie vollständig im Stich, benutzte viel- mehr die Frist, die ihr in ihrem Todeskampf noch vergönnt war, nur um sich noch einmal vor aller Welt auf das schmählichste zu prostituieren. Je mehr das Consulat für die politische Leitung

*) Cicero ad Att. IV 18, 3 (Ende Oktober) res fluit ad Interregnum, et est nonnuüus odor dictaturae, sermo quidem multus. (vgl. IV 19, 1 fin. and dazu Stkhjikopt, Hermee 40 , 40). ad Qu. fr. m 8, 4 (gegen Ende November): res prolatae: ad Interregnum comitia ad- ducta. rumor dictatoris iniucundus bonis, mihi etiam magis, quae loquuntur, sed tota res et timetur et refrigescit. Pompeius plane se negat teile; antea mihi ipse non negabat. Hirrus auctor fore indetur. 0 di, quam ineptus! quam se ipse amans sine rivatt! Crassum Junianum [den Namen hat Mahutius mit Unrecht in Coelium Vinicianum korrigiert, der fam. VHI 4, 8 erwähnt wird, s. Grobbb bei Drdmakh IV* 180], hominem mihi dedüum, per me deterruit (näm- lich davon, den Antrag auf eine Dictatur einzubringen). Velit, nolit scire difflcile est; Hirro tarnen agente nolle se non probabit. aliud hoc tempore de republica nihil loquebatur, agebatur quidem certe nihil. Vgl. auch Obuequens 64 propter dictatur am Pompei ingens sedüio in urbe fuit L. Domitio Appio Claudio coss. Zur Charakte- ristik des Pompejus vgl. Caeliua' Bemerkung ad fam. Vm 1, 8 (Mai 50): solet enim aliud sentire et loqui, neque tantum valet ingenio, ut non appareat, quid cupiat.

*) Cic. ad Att. IV 15, 7. ad Qu. fr. II 14, 4. Plut. Cato 44. Plin. praef. 9. Meyer, Caeaars Monarchie 13

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Das Principat des Pompejus

des Staats an Bedeutung verlor, da ihm alle wirkliche Macht durch die Usurpatoren entrissen war, um so gieriger stürzten sich die Bewerber um des materiellen Gewinnes willen, den es in Aussicht stellte, in den Wahlkampf1). Die Machthaber schürten eifrig: Caesar stellte sein Geld und seinen Einfluß den Bewerbern zur Verfügung, die sich hatten erkaufen lassen und sich ihm womöglich durch Eid und eine förmliche Vertragsurkunde ver- pflichtet hatten*). So unterstützte er jetzt zwei Männer, die ihm vor kurzem noch eifrig Op|x>sition gemacht hatten, den C. Memmius, der ihn als Praetor Anfang 58 wegen seines Con- sulats hatte zur Verantwortung ziehn wollen (oben S. 93) , und Cn. Domitius Calvin us, der im Jahre 59 als Tribun zu den Gegnern des Vatinius und Caesars gehört hatte3). Pompe jus trat natür- lich nicht offen gegen sie auf, wirkte aber insgeheim Caesars Kandidaten entgegen4), und gab sich den Anschein, seinen ehe- maligen Quaestor und Legaten M. Scaurus zu fördern, den ver- kommenen Sohn des gefeierten Führers der Nobilitat in den Zeiten des jugurthinischen Krieges und des Saturninus und Stief- sohn des Sulla. Scaurus hatte als Aedil im Jahre 58 durch die maßlose Verschwendung seiner Spiele und das für diese erbaute ephemere Theater das Volk an sich gefesselt und eben jetzt als

') Sehr treffend wird die Lage bei Appian II 19 charakterisiert : ot iva fto; exiorov BicoKOt orpattueiv piv soo xai itoXtpslv iiuylfyiuaxov, 2iaxi.tt6fJUVoc rjj Sovaottta xuivSe tütv tpiätv avftpcöv. 6oot i* Tjoav a&Tütv äroKtöttpoc, «tp8o{ dtvtl tü»v atpattuüv stifttyro ta xoiva rrj<; «dXtuig xat ta$ tüty töla>v 2tad6x<uv x«'P<«»wk; dadurch wird die Anarchie und das Be- treiben der Dictatur des Pompejus herbeigeführt. Der Satz, der dazu Überleitet ol 8' äcfafroi 8ti toöta xou jcopjtav fttiXtsov t& &px*tv ist frei- lich in dieser Fassung nicht zutreffend.

*) Sueton Caes. 53.

*) Cic. pro Sest. 118 (= in Vat 16) mit schol. Bob. Calvinus ist durch die Consuln des Jahres 54 zur Verbindung mit Memmius geführt (8. 195, 2); nachher im Bürgerkrieg war er bekanntlich eifriger Caesa- rianer. Für Memmius vgl. Sueton Caes. 78: Oai Memmi, cuius asper- rimis orationibus non minore acerbitate rescripserat, etiam suffra- gutor mox in petitione consulatus fuit.

4) Vgl. Plut Pomp. 54 ton lh tov Kaioapa 8o*äv ob npo-rjctofrai r>jv S6vap.iv iC-rjttt (flop.*.) tarti; *oXtuxai<; apx<«c oxopfc« ttvot itpo« a&tiv.

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Wahlumtriebe im Jahre 54

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Propraetor durch Ausplünderung Sardiniens seine Kosten gedeckt; deshalb wurde er im Juli 54 von Triarius angeklagt. Aber die gesamte Nobihtät trat für ihn ein, neun Consulare, darunter Pompejus, legten mündlich oder schriftlich für seinen Charakter Zeugnis ab, sechs Redner, darunter Hortensius, Cicero und dessen Todfeind Clodius, hielten Verteidigungsreden, dazu kam das übliche Anflehn der Richter; so wurde er mit so überwältigender Majorität freigesprochen, daß Cato, der den Vorsitz im Gericht führte, eine Untersuchung gegen die Anklager veranlagte1). Der vierte Bewerber war wie schon im vorigen Jahr (S. 161) M. Messalla, ein Vetter des Consuls vom Jahre 61, der von der Nobilität be- günstigt, dagegen von Caesar und Pompejus bekämpft wurde. Der letztere wollte natürlich überhaupt keine Wahl, sondern seine eigene Dictatur1). Allen standig, zuletzt noch von Crassus (8. 161), verschärften Gesetzen zum Trotz nahmen die Wahlumtriebe und Bestechungen einen Umfang an, wie er selbst in Rom unerhört war. Memmius und Calvinus schlössen mit den amtierenden Cousuln einen förmlichen Vertrag, in dem sie sich gegen eine Strafsumme von vierzig Millionen Sestertien verpflichteten, drei mit Namen genannte Augurn und zwei Consulare zu stellen, die bezeugen sollten, die lex curiata für beide Consuln und der darauf begründete Senatsbeschluß über die Ausstattung ihrer

') Das Detail bei Asconius im Kommentar zur Scauriana. Diese Rede ist natürlich völlig verlogen (vgl. die schönen Phrasen Aber Appius Claudias § 81 ff mit den gleichseitigen Äußerungen in den Briefen) ; bei VaL Max. VIII 1, 10 wird Scaurus Sache als adeo perdita et conplo- rata bezeichnet, daß er der Erklärung des Anklägers, er solle in Sar- dinien 120 Menschen aufbringen, quibus in provincia nihil abstulisset, nicht genügen kann. Cicero hilft sich, indem er die Sarden als ver- logenes Gesindel schildert. VgL auch Cic. ad Att. IV 15, 9: „wenn Scaurus nicht zum Consul designiert wird, in hoc iudicio vcdde labo- rabU".

*) Cic. ad Att. IV 15, 7 (27. Juli) : Memmium Caesaris omnes opes conflrmant ; cum eo Domüium consules iunxerunt, qua p actione, epi- stulae committere non audeo. Pompeiua fremit, queritur, Scauro studet, sed utrum fronte an mente, dubitatur . . . Messalla languet, non quo aut antrmus desit aut amici, sed coitio consulum et Pom- peius obsunt.

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Das Principat des Pompejus

Provinzen seien regelrecht erfolgt, obwohl beide überhaupt nicht zustande gekommen waren. Für die Bestechungen wurden so große Anleihen aufgenommen, daß am 15. Juli der monatliche Zinsfuß plötzlich von au^ */a Prozent (also rund von vier auf acht Prozent im Jahr) hinaufging; der vorstimmenden Centurie, deren Wahl gewöhnlich die der übrigen beeinflußte, wurden nicht weniger als zehn Millionen Sestertien in Aussicht gestellt1). Im September hat dann Memmius, mit den Consuln zerfallen, den schmutzigen Handel, der langst ein öffentliches Geheimnis war, im Senat selbst bekannt gegeben, mit Vorlegung der Ur- kunde, in der nur die Namen gestrichen waren, unter heimlicher Einwirkung des Pompejus , dagegen sehr zum Ärger Caesars, der ihn fortan fallen ließ*). Appius Claudius war so verhärtet, daß ihn auch diese Enthüllung wenig anfocht; um so peinlicher war es, daß jetzt auch der wahre Charakter des Domitius Aheno- barbus entlarvt war, der sich bisher als biederen Ehrenmann und aufrichtigen Vorkämpfer der Nobilitat gegeben hatte*). Alle Kandidaten wurden mit Prozessen bedroht; aber ein vom Senat angenommener Vorschlag Catos, durch ein summarisches Ge- richtsverfahren eine Verurteilung der Schuldigen herbeizuführen, scheiterte in der Volksversammlung: die Nobilitat wurde in üblicher Weise durch Steinwürfe auseinandergesprengt, nur Cato erzwang sich den Weg auf die Rednerbühne und hielt dem Volk und zugleich seinen feigen Standesgenossen eine Strafpredigt, konnte aber nichts erreichen4). So war, Pompejus' Wunsch ent-

') Cic ad Qn. fr. II 14, 4.

•) Cic ad Att. IV 15, 7 - ad Qu. fr. II 14, 4. ad Att. IV 17, 2. Vgl. ad Qu. fr. III 1, 16. Appian II 19, 69 u»**tj Zi nou xal }ita»-pf<rr)H-* ta' X&vttnv ixTcntooJeov (— 19200000 Best., in runder Summe der auf jeden der beiden Kontrahenten fallende Betrag) 6nip iic<uv6fioo ftvoftrvov

«) Cic ad Att IV 17, 2 f. vgl. 18, 4; Appius dachte jetzt daran, sine lege, suo mmptu in seine Prolins Cilicien zu gehn. Ebenso ad Qu. fr. III 2, S. ad fam. I 9, 25.

*) Plut. Cato 44, Tgl. Cic. ad Att. IV, 17, 8 Aber die lex de tacüo iudicio, das vor den Wahlen stattfinden soll, aber auf Betreiben einiger in Aussicht genommener Richter durch Intercession des Tribunen Teren-

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Wahlumtriebe im Jahre 54. Pomptinua' Triumph 197

sprechend, jede Aussicht geschwunden, daß es noch zu Wahlen kommen könne. Den weiteren Verhandlungen entzog sich Pom- pe] us, indem er sich unter dem Vorwand der Getreideversorgung von Rom entfernte. So wurde die Entscheidung immer weiter hinausgeschoben: „in der Frage der Dictatur", schreibt Cicero im Dezember 54, „ist immer noch nichts verhandelt. Pompejus ist abwesend, Appius fischt im trüben, Hirrus trifft seine Vor- bereitungen, viele Tribunen, die intercedieren wollen, werden aufgezahlt, dem Volk ist die Sache gleichgültig, die Führer des Adels wollen es nicht, ich selbst halte den Mund"1).

Zu den Skandalszenen am Schluß des Jahres gehörte auch, daß dem C. Pomptinus, der seit seinem Allobrogersieg im Jahre 61 geduldig vor den Toren Roms auf den Triumph harrte, der ihm durch das Betreiben Caesars und seiner Anhänger unter religiösen Vorwänden verweigert wurde«), jetzt durch den Praetor Servius Galba (der vorher Legat Caesars gewesen war) ein den Triumph bewilligender Volksbeschluß erschlichen wurde, indem er die Ab- stimmung gesetzwidrig noch vor Tagesanbruch von ein paar Leuten vornehmeu ließ. Cato, wie immer der Anwalt strenger Gesetzlichkeit, erhob Einspruch, unterstützt von seinem Rollegen Servilius und besonders eifrig von dem Tribunen Q. Scaevola,

tiuE eu Fall gebracht wird. Die Consuln qui iliud levi bracchio egis- st-nt (ihnen war natürlich die Sache in Wirklichkeit durchaus zuwider), bringen die Frage vor den Senat hic Abdera, non tacente me. dices „tarnen tu non quiescis?" (.Kannst du denn noch immer nicht den Mund halten ?•). ignosce, vix possum. verum tarnen quid tarn ridi- culum? senatus decreverat, ne prius comitia haberentur, quam lex lata esset: si quis intercessisset, res integra referretur: coepta ferri leintet, iniercessum non inviiis, res ad senatum, de ea re ita cen- suerunt, comitia primo quoque tempore haben esse e republica. Drastischer läßt sich allerding» die völlige Zerfahrenheit und Ohnmacht der Regierung nicht illustrieren.

') ad Qu. fr. III 9, 3. tv itapipfcp: de dictatore tarnen actum ad- huc nihil est. Pompeius abest, Appius miacet, Hirrus parat, multi intercessores numerantur, populus non curat, principes noluni, ego

■) schol. Bob. *u Cic. in Vat. 80 (impedientibus amicis C. CaesarisJ. Cic. in Pif. 58 (religionibus susceptis impediiur).

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Das Principat des Pompejua

und erklärte, „so lange er lebe, werde Pomptinus nicht trium- phieren". Aber die übrigen Praetoren und Tribunen traten für diesen ein, ebenso der Gonsul Appius, der dabei offenbar wieder sein Geschäft gemacht hat, und so kam es, wie Cicero voraus- sagt: „ich glaube, daß das, wie so viele Unternehmungen Catos, zu nichts führen wird". Pomptinus konnte am 3. November wirk- lich triumphierend einziehn; ohne das übliche Blutvergießen ging es freilich auch dabei nicht ab1).

Im übrigen zieht sich durch das ganze Jahr eine Folge großer politischer Prozesse. Der des Scaurus wurde schon erwähnt. Kurz vorher wurde C. Cato, der turbulente Tribun des Jahres 56, zweimal freigesprochen, ebenso sein Genosse Sufenas*). Ebenso scheiterte der Versuch, den Vatinius, das verhaßte Werkzeug Caesars, nach dem Ablauf seiner Praetur zur Strecke zu bringen. C. Licinius Calvus, der Heißsporn unter den jüngeren dichte- rischen und rednerischen Talenten, der im Vollgefühl seines Talents ebenso wie sein Freund Catull und die unabhängige Jugend überhaupt mit voller Begeisterung für das republikanische Tdoal eintrat und auf die ängstliche Rücksichtnahme eines Cicero mit Verachtung herabblickte wie er denn zugleich die breiten Perioden Ciceros und vollends gar Hortensius* überladene Bered- samkeit verwarf und die Rückkehr zu den älteren attischen Mustern, vor allem zu der knappen und pointierten Form des Lvsia« erstrebte , zog den Vatinius, den er schon früher mit Prozessen verfolgt hatte, jetzt auf Grund des von Crassus verschärften

>) Cic. ad Att. IV 18, 4 Pomptinus volt a. d. IV Non. Nov. trium- phare. huic obviam Cato et Servüius praetores aperte et Q. Mucius tribunus; negant enim lahm de imperio, et est latum hercule in- suise; sed ertt cum Pomptino Appius consul. Cato tarnen adfirmat, se vivo iüum non triutnphaturum : id ego puto, ut multa eiusdem, ad nihil recasurum. ad Qn. fr. HI 4, 6. Dio 89, 65 xat 8ti toOto t&v 8-rj- |ju4px««v Ttve$ axoXtKpd'tvTtc xrfi ixxX-r)3ta< Iv fo&v Tijj ito;iirg Kp&f\vxvx a&tjj» itaptayov, J»3tt x<xl ofafi; oojiß-ijvat.

*) Cic. ad Ätt. IV 16, 5 f. 15, 4: er quo inteUectum est, tpiaapu©- H-rptas ambitum, comitia, Interregnum, maiestatem, totam denique rempublicam flocci non facere. Zar Anordnung and Chronologie der Briefe s. Sternkopf, Herme« 40, 1905, 11 ff.

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Cicero verteidigt den Vatinius

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Gesetzes über die Klubs (de sodaliciis) vor Gericht und steue- rn einer feurigen Rede sein gesamtes Treiben und seine verab- scheute Persönlichkeit womöglich noch rücksichtsloser an den Pranger, als Cicero zwei Jahre zuvor. Am Beifall der Menge fehlte es natürlich nicht1). Aber Cicero hatte sich schon gleich nach Vatinius' erzwungener Wahl zum Praetor im Jahre 56 auf Pompejus' Gebot mit ihm versöhnen müssen2) ; und jetzt stellte Caesar die peremptorische Forderung, daß er die Verteidigung übernehme'), der sich der arme Consular schon mit Rücksicht auf die Vorschüsse, die ihm Caesar gemacht hatte, nicht ent- ziehn konnte. So wurde Vatinius unter dem Druck der Macht- haber freigesprochen (August 54)4). Natürlich erregte Ciceros Verhalten allgemeines Kopfschütteln schon in der unter Sallusts Namen erhaltenen Invektive (oben S. 165) wird er des- halb mit Recht verhöhnt6) , und vergeblich hat er sich damit

') Vgl. Catulls hübsches Scherzgedicht 58 Ober den naiven Ausdruck der Bewunderung (di magni, salaputium disertum), in die ein braver Hörer ausbricht, cum miriflce Vatiniana mens crimina Calvus ex- plicasset. Daran schließt sich c. 52 die Entrüstung, daß jetzt .Vati- nius seine Meineide schwört: so wahr ich Consul werde!" (per con- sulatum peierat Vatinius). In dem Gedicht an Cicero 48 ist die Ironie offenkundig. Die Fragmente der Rede des Calvus bei Meter p. 174 ff., vgl. schol. Bob. zu Cic. in Vat. 10. 34 und Seneca controv. VII 4, 6.

•) Cicero an Lentulus I 9, 19 de Vatinio auiem, primum reditus intercesserat in gratiam per Pompeium , statim ut üle praetor est factus. Vgl. auch Plut. Cic. 26.

*) ib. : post autem Caesaris, ut illum defenderem, mira conientio est consecuta.

*) ad Qu. fr. II 15, 3. Vgl. pro Plane. 40 und schol. Bob. dazu. Val. Max. IV 2, 4.

*) § 7. Vatini causam agis, de Sestio male existumas cet. Im Prozeß des Plancius halt ihm der Ankläger Laterensis, der im Jahre 59 dem Caesar so freimütig entgegengetreten war (S. 75), vor, er selbst sei in republica liber, Cicero nicht (pro Plane. 91). Wie tief dieeer Vorwurf Cicero traf, zeigt seine sehr unzulängliche Verteidigung, er müsse endlich einmal an Bich denken, da er sich bisher für den Staat aufgeopfert habe; und im übrigen trete er für Pompejus, der ihm die Rückkehr ermöglicht habe, den anerkannten prineeps, und für Caesar, dun der Senat mit Ehren überschüttet habe, eben um des Staats willen

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Da« Principat des Pompejns

rerteidigt, daß die Aristokraten ihn im Stich gelassen und, nm ihn zu ärgern, den Clodius verhätschelt hätten, und er sich dafür durch die dem Vatinius gewährte Protektion räche1). Daß er die Rede, in der er verteidigen und gelegentlich sogar zum Lobe des Vatinius wenden mußte, was er früher angegriffen hatte2), nicht herausgegeben hat, ist begreiflich; sie scheint aber auf- gezeichnet worden zu sein.

Auch sonst war Cicero mit Verteidigungen geradezu über- laden3); und im übrigen tröstete er sich damit, daß er durch seine Beziehungen zu den Machthabem wenigstens gegen alle Angriffe geschützt war und materiell sorgenfrei leben konnte4); auch bei den großen Bauten, die Caesar in Rom ausführen ließ, um dadurch seinen Anhang zu mehren und das Volk bei guter Laune zu erhalten, war er beteiligt und machte seinen Profit*).

ein; wenn der Kare .jetzt ein anderer sei ab der quem ego aUquundo probavi aber non minus tutus atque tranquiilus, so müsse er, der anerkannten Lehre Ton *oXttm6c «po« *«po6« folgend , dem nachgeben, und »ein Verhalten ändern. Aach in «einen Briefen an Quintus and Atticus «acht er «ich diese Rechtfertigung einzureden , aber geglaubt hat er sie seihst nicht.

') An Lentulus I 9, 19. Daß Cicero von der Verteidigung des Va- tinius in meinen Briefen möglichst schweigt, ist nur natürlich.

») schol. Bob. so Ciceros Worten in Vat. 14 tu, qui te Pythago- reum sole* dicere: hoc ipsum plenissime purgavit atque defendit et non sine laude protulit in ea oratione, quam pro ipso Vatinio scribere adgressus est.

•) ad Qu. fr. H 15, 1. 3. 8, 1. ad Att. IV 15, 9 and sonst. In den August 54 fallt bekanntlich auch die Rede für den gleichfalls de soda- lidis verklagten Aedilen PlanciuB, der ihn als Quaestor in Makedonien beschützt hatte.

4) Auf die ihm von Caesar gewahrten Darlehn wird ad Qu. fr. II 10, 5 und Öfter in den Briefen an Atticus angespielt, am deutlichsten VII 8, 8. 11, 8, 5 beim Ausbruch des Bürgerkriegs.

») ad Att. IV 16, 8. [Daß Mommskhs Anordnung dieses Briefs richtig ist, hat 8tirniopf, Hermes 40, 12 ff. erwiesen. Pvrseh folgt in der Ox- forder Ausgabe, wo das Stuck daher IV 17, 6 f. steht, sehr mit Unrecht der durch Blattversetzung entstellten Ordnung der Handschrift.] Es handelt sich nm den erweiterten Wiederaufbau der basilica Aemilia, für den Caesar dem Aemilius Paullus cos. 50 1500 Talente zuschoß (Plut.

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Cicero und Caesar im Jahre 54

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Freilich mußte er sich dafür fortan seiner Angriffe auf Clodiua enthalten1) und in allen politischen Fragen schweigen oder seine Antrage so gestalten, „daß andere ihnen eher zustimmen als ich selbst"2). Überdies mußte er , wahrend sein Bruder in Caesars Diensten stand, selbst wieder eine Legatenstelle bei Pompejus annehmen, durch die er jederzeit aus Rom entfernt werden konnte3). Da er sich so in seine Lage fügte und sich Mühe gab, „geschmeidiger zu sein als ein Ohrläppchen"4), wurde er im übrigen vor allem von Caesar mit der größten Rücksicht behandelt, so daß er diesem jetzt zeitweilig näher zu stehn schien als dem Pompejus. Caesar lag nicht nur alles daran, durch berechnetes Entgegenkommen jede Opposition mundtot zu machen, sondern er würdigte sowohl die politische wie die persönliche Bedeutung Gceros vollkommen. Er nahm die Empfehlungen, die dieser ihm schickte, wohl auf, wechselte mit ihm scheinbar vertrau-

Caes. 29. Pomp. .>8. App. II 26), and die hasilica Iulia sowie die Er- weiterungsbauten auf der Nordseite des Forums, aus denen das forum Caesaris hervorging, ferner die saepta für die Tributcomitien auf dem Marsfeld nebst den anschließenden Bauten. FOr den Aufkauf der Grund- stücke für das Forum bewilligten Cicero und Oppins damals 60 Mill. Sest.; später wuch? diese Summe auf 100 Mill. (Sueton Caes. 26. Plin. 36, 108). Aus dem Brief an Atticus sehn wir, daß diese Bauten schon im Sommer 54 in Angriff genommen wurden.

') ad Att. IV 15, 4 bei dem Prozeß eines gewissen Procilius, der wegen eines Mordes von Clodius angeklagt und mit geringer Majorität verurteilt wird : nos verbum nullutn ; verita est enim pusilla (d. i. Tnllia; das ist natürlich Vorwand), quae nunc laborat, ne anitnum Publi offenderem. Zur Interpretation s. Stbrkkopf . Hermes 40 , 26 ff.

») ad Qu. fr. II 18. 5 (Anfang Juni): sententia auiem nostra in senatu eiusmodi, trwgis ut alii nobis adsentiantur quam nosmet

*) ad Att. IV 19, 2 (Ende November) sed Heus tu, scripseramne tibi, me esse legatum Pompeio? et extra urbem quidem fore ex Idibus Ianuariis? visum est hoc mihi ad multa quadrare. Offenbar hoffte er dadurch um die Verteidigung des Gabinius herumzukommen. VgL ad Qu. fr. III 1, 18.

4) ad Qu. fr. II 13, 4 (Anfang Juni) tu quemadmodum me censes oportet e esse in republica et in nostris inimicitiis, ita et esse et fore orieuia inflma netto moUiorem.

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Das Principat dos Pompejus

liehe Briefe in scherzendem Ton, und widmete ihm, vermutlich eben in dieser Zeit, sein Werk über die Regeln der lateinischen Sprache (de analogia), in dem er die Verdienste des Meisters des Stils um Rom und seine Literatur in warmen Worten anerkannte1). Ala Äquivalent erwartete er ein Gedicht über seinen Feldzug nach Britannien, und Cicero hat sich in der Tat eine Zeitlaug ernstlich, wenn auch erfolglos, mit dem undankbaren und ihm ganzlich fernliegenden Stoff abgeplagt*). In derselben Weise hat Caesar mit Unterdrückung aller Empfindlichkeit, an der es sonst bei ihm nicht fehlte, dem Calvus und dem Catull die Hand zur Versöhnung geboten8).

Aber im Lauf des Jahres standen Cicero noch bitterere Er- fahrungen bevor. Am 19. September kehrte Gabinius aus seiner Provinz zurück, von der Nobilität und dem gesamten Senat und um seines Vorgehns gehen die Steuerpachter willen auch von der Ritterschaft mit dem bittersten Haß empfangen. Schon seit langem waren die Maßregeln gegen ihn vorbereitet4), und gegen den Widerspruch des Pompe jus auch das Sibyllenorakel über Aegypten wieder hervorgeholt und publiziert*). Er konnte garnicht daran denken, seinen Anspruch auf einen Triumph aufrecht zu erhalten, sondern kam bei Nacht in die Stadt, mög-

') Cic. Brut. 258. Nach Sueton 56 hat Caesar die Schrift in tran- situ Älpnim, cum ex ciieriore Odilia Conventions peractis ad exer- citum rediret, geschrieben. Das Jahr ist nicht überliefert; es können aber nur Frühjahr 54 oder 53 in Betracht kommen , vermutlich das letztere, da die Schrift sonst wohl in der Korrespondenz des Jahres 54 erwähnt werden würde.

«) ad Qu. fr. n 13, 2. III 1, 11. 4, 4. 5, 4. 8, 8. 9, 4.

») Sueton Caes. 78.

*) ad Qu. fr. II 11, 2 f. (Mitte Februar).

•) Dio 89, 60, 4. 61, 4. Dio verbindet damit die große Überschwem- mung im November (Cic. ad Qu. fr. III 7), die auch Cicero mit einem Homerzitat auf den Götterzorn wegen der Freisprechung des Gabiniu* deutet (cadU in absotntionem Gabini); Dio nimmt das natürlich weit ernster, und setzt sie überdies vor die Rückkehr des Gabinius. Die Verhandlungen Uber das Sibyllenorakel fallen wohl in den Februar, wo nach Cicero ad Qu. fr. II 11. 3 his comitialibus diebus tribuni pl. de Gubinio se acluros esse dieunt.

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I

Cicero und die Prozesse des Gabimus 203

liehst unbemerkt, und wagte erst nach zehn Tagen Bich im Senat zu zeigen. Die Consuln griffen ihn sofort an, die Steuerpächter brachten ihre Beschuldigungen vor, Cicero schleuderte seine In- vektiven gegen ihn, und als er, vor Erregung zitternd, diesem das verpönte Wort ezsul ins Gesicht warf, wie früher Piso und Crassus, erhob sich der ganze Senat entrüstet gegen ihn1). Auch das Volk bezeugte ihm bei jeder Gelegenheit seinen Haß.

Aber die Anklagen gegen Gabinius waren in Wirklichkeit gegen seinen Schirmherrn Pompe jus gerichtet, und wurden nur um so eifriger betrieben, weil man sich an diesen selbst nicht heranwagte. Um so dringender war es Pompejus' Interesse, ihn zu halten. So forderte er, daß Cicero seinen Haß gegen Gabinius fahren lasse und für ihn eintrete. Cicero sträubte sich aufs äußerste: „er hat bisher nichts erreicht und wird auch, wenn ich nur irgend einen Rest von Freiheit behalte, nichts erreichen"2); aber er erkannte, daß, wenn er seine Angriffe fortsetze, er un- vermeidlich den kürzeren ziehn müsse: Pompejus würde in die Stadt kommen, den Clodius gegen ihn loslassen, ihm die Freund- schaft kündigen; jetzt, wo seine Macht noch weit größer war als im Jahre 58, könne er einen Kampf gegen den Einen, der allein alle Macht im Staat in Händen habe, unmöglich auf- nehmen3). So zwang er sich, wenn auch mit dem äußersten Widerstreben, trotz seines Angriffs im Senat auf die Beteiligung an der Anklage zu verzichten4) ; in dem Prozeß wegen Verletzung

') Cic. ad Qu. fr. III 1. 15. 24. 2. 1-8. Dio 39, 62, 1.

*) ad Qu. fr. III 1, 15 Pompeius a me valde contendü de redüu in gratiam, sed adhuc nihil profecit, nec, si ullam partem libertatis tenebo, profleiet.

*) ad Qu. fr. III 4, 2 non putasset sibi Pompeius de ittius salute, sed de sua dignitaie mecum esse cer tarnen, in urbetn introisset; ad inimicitias res venisset ; . . . auriculam fortasse mordicus abstu- ndet, cum Clodio quidem certe redisset in gratiam . . . nunc, cum ego ne eurem quidem mulium posse, respublica certe nihil possit, unus Ute omnia possit, cum itto ipso contenderem?

*) ad Qu. fr. III 2, 2 ego tarnen me teneo ab accusando, vix mehercule, sed tarnen teneo, vel quod nolo cum Pompeio pugnare . . . tel quod iudices nullos habemus. Nach seiner Art fügt Cicero den»

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Das Principat des Pom pejus

der Majestät des römischen Volkes (durch den gegen den Götter- sprach unternommenen Zug nach Aegypten) am 23. Oktober be- gnügte er sich mit einer einfachen Zeugenaussage, ohne ein ver- letzendes Wort1). Er hatte noch gehofft, daß Gabinhis auch ohne sein Zutun der Verurteilung nicht entgehn werde. Aber Pompe jus hatte seinen ganzen Einfluß geltend gemacht, der An- kläger L. Lentulus Niger vertrat seine Sache nur lau, das Geld des Gabinius und die Besorgnisse vor der drohenden Dictatur kamen hinzu, und so wurde Gabinius mit 38 gegen 32 Stimmen freigesprochen 2).

In den vertraulichen Briefen an seinen Bruder und an Atticus macht Cicero aus seinen Empfindungen kein Hehl. Allerdings möchte er sich einreden, er habe sich damit abgefunden, „daß wir nicht nur allen Saft und alles Blut, sondern selbst die Farbe und das frühere Aussehn des Staats verloren haben; es gibt kein Gemeinwesen mehr, an dem man sich freuen könnte"; aber er sei ganz zufrieden, sich jetzt auf die Tätigkeit vor Gericht und die wissenschaftlichen Studien beschränken zu können und sein Privatleben in durch die Gunst der Machthaber glücklich wieder- gewonnener Sicherheit genießen zu können. Seine Vergangen- heit malt er sich in idealem Licht aus: „ich habe im Gedächtnis, wie schön der Staat in der kurzen Zeit war, als ich ihn leitete, und welcher Dank mir dafür geworden ist. Jetzt quält mich kein Schmerz mehr, daß Einer alles vermag; die aber bersten,

wahren Grund noch Scheingrflnde hinzu: daß das Selbstbetrug ist, ge- steht er in 4, 2 ein.

') ad Qu. fr. III 4,8. ac mihi ülud iueundum est, quod cum testimonium secundum fidem et religionetn gravissime dixissem, reus dixit, si in civitate lieuisset sibi esse, mihi se satis facturum, neque me quiequam interrogavit. III 9, 1 iUum neque ursi neque levavi. testis vehemens fui, praeterea quievi. Dios Angabe 89 , 61 , 2 über den ersten Proceß *a\ b Ktxipu>v tatvotata a&toö xarnj6p*jo«v ist also Ober- trieben, und wohl von dem Vorgang im Senat im September hierher übertragen.

■) ad Qu. fr. III 8. ad Att, IV 18. Dio 39. 55, 4. 62, 8: die Ver- teidiger erklarten, der Sibyllenspruch beziehe «ich auf ganz andere Zeiten und enthalte überdies keine Strafandrohung für den Übertreter.

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Cicero and die Prozes.se des Gabinius

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die damals nicht leiden konnten, daß ich etwas vermochte"1). Er tröstet sich vor allem der engen Verbindung mit Caesar, die ihn aus dem Schiffbruch gerettet habe; dieser behandle ihn und seinen Bruder jetzt mit der ausgesuchtesten Bücksicht, „nicht anders, als wie wenn ich der Oberfeldherr wäre"2). Dann aber macht sich seinem Bruder gegenüber sein wahres Empfinden Luft: „Und doch muß ich Dir aussprechen, was ich wahrhaftig vor allem Dir verborgen halten möchte: es quält mich, mein liebster Bruder, es quält mich, daß es kein Gemeinwesen mehr gibt und keine Gerichte, und daß ich in dem Alter, wo mein An- sehn im Senat in voller Blüte stehn sollte, mich entweder mit advokatischer Tätigkeit abgeben oder mich daheim bei meinen Büchern trösten muß, jenes Ziel aber, das ich von Kindheit an liebgewonnen hatte, xoXXöv ipioteüeiv xai offetpoyoc Sjt|uvat &XXa>v, ganz und gar zusammengestürzt ist, daß ich meine Feinde zum Teil nicht habe angreifen können, zum Teil sogar habe verteidigen müssen, daß nicht nur meine Gesinnung, sondern sogar mein Haß nicht mehr frei ist, und daß", wie er aus Rücksicht auf die Verhältnisse des Adressaten hinzufügt, „unter all den Leuten Caesar sich als der einzige erfunden hat, der mich so liebt, wie ich wünschen muß"3).

Aber Pompejus verlangte mehr, als lediglich Passivität. Mit Recht hat Ciceros vertrauter Berater Cn. Sallustius ihm vor- gehalten, er habe den Gabinius entweder anklagen oder aber, Pompejus* Wunsch entsprechend, verteidigen müssen, mit dem indifferenten Mittelweg köune er nicht durchkommen4). Er will das zunächst nicht zugeben: „das ist ein schöner Freund, der fordert, ich solle mich entweder gefahrbringender Feindschaft

') ad Att. IV 18, 2.

') ad Att. IV 19, 2 per spiee . . . et mehercule cum Caesare mm- t issimam coniunetionem, haec enim me una ex hoc naufragio tabuin delectat, qui quidem Quinium meum tuumque, di boni, quemad- modum traciai honore, dignüaie, gratia ! tum secus ac « ego es&em imperator. Vgl. ad Qu. fr. III 5, 3 u. a.

») ad Qu. fr. III 5, 4.

*) ad Qu. fr. III 4, 2. 8.

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Das Principal des Pom pejus

aussetzen oder ewige Schmach auf mich nehmen"1). Noch Mitte Dezember schreibt er dem Bruder: „In der Sache des Gabinius durfte ich nichts von dem tun, was Du" offenbar auf die Mahnung Caesars „so liebevoll ausgedacht hast. Dann soll mir die Erde klaffen"2). Aber auf die Dauer konnte er dem von Pompejus ausgeübten, von Caesar unterstützten Druck doch nicht widerstehn; allen Versicherungen zum Trotz maßte er sich schließlich bequemen, sich mit Gabinius formell zu versöhnen und seine Verteidigung in dem bevorstehenden Repe t und en- prozeß zu übernehmen.

An Ciceros Eintreten lag dein Pompejus um so mehr, da die Freisprechung des Gabinius im Publikum allgemeine Entrüstung erregt hatte; die Richter hatten sich vor den Drohungen der Menge durch die Flucht retten müssen8). Jetzt kam Pompejus selbst vor die Stadt, hielt in einer Volksversammlung eine Rede für Gabinius und verlas einen Brief Caesars, der sich für ihn verwandte4). Rechtlich lag die Sache für Gabinius viel günstiger als im vorigen Prozeß, und darum wollte er große Bestechungs- summen nicht aufwenden. Aber diesmal drang die öffentliche Meinung durch; trotz Ciceros Verteidigungsrede wurde Gabinius verurteilt, und mußte, da er die Summe nicht zahlen konnte, ins Exil gehn5). Es zeigte sich, daß Pompejus nicht die Gabe besaß, seine Werkzeuge in der Weise gegen alle Angriffe zu schützen, wie es Caesar vermochte.

Die Verteidigung des Gabinius durch Cicero war noch ganz etwas anderes als die des Vatinius. Diesen hatte er als Werk- zeug Caesars und als den verhaßten Gegner der Nobüität aufs

') ib. lepidum amicutn Saüustium, qui mihi aut inimicitias putet periculosas subeundas fuisse aut infamiam sempüernam l ego vero hoc medioeritate delector.

•) ad Qu. fr. in 9 de Gabinio nihil füü faciendum istorum, quae a te amantissime cogüata sunt, «m uoi x«vot (sc «6p»ta x&t»y).

») Dio 89, 68, 1.

4) Dio 89, 63, 8 f.

») Dio 89, 63. Appian DT 24, 90. 92, der in seiner Weise den Prozeß des Gabinius mit den Verurteilungen des Jahres 52 verbindet und daher zu spat ansetzt.

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Cicero verteidigt den Gabinius

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schärfste angegriffen; aber persönlich hatte er von ihm nichte zu leiden gehabt. Gegen Gabinius dagegen und gegen seinen Kollegen Piso hatte er allen Groll entladen, den er auf dem Herzen trag; sie hielt er für die eigentlich Schuldigen bei seinem Exil, oder gab wenigstens vor, sie dafür zu halten ; wenn er sich jetzt mit Gabinius versöhnt und ihn sogar verteidigt hatte, schlug er damit seiner ganzen Vergangenheit ins Gesicht. Vertrauliche Äußerungen aus dieser Zeit sind nicht mehr erhalten1), und so wissen wir nicht, wie er sich schließlich damit abgefunden hat. Aber mit seiner politischen Stellung war es jetzt wirklich vor- bei, er war der notorische Achselträger und Überläufer*). Man begreift, daß er keine Neigung hatte, seine Schrift über den Staat jetzt zu veröffentlichen, sondern sie noch über zwei Jahre lang zurückgehalten hat.

Fortgang der Anarchie. Pompejus' drittes Consulat

Für die folgenden Jahre, bis Ende Mai 51, läßt uns Ciceros Korrespondenz völlig im Stich8); auch von Reden ist nur die

*) Seine Verteidigung des Gabinius erwähnt Cicero bekanntlich in der kurz darauf vor denselben Richtern 10) gehaltenen Rede für Ra- birius Postumus, einen Bankier und Wucherer, der dem Ptolemaeos Auletee gewaltige Summen vorgeschossen hatte und dafür von diesem zum Stotx-yjrqc Aegyptens bestellt worden war (§§ 22. 28. 89), aber sein Geld nicht wiederbekommen hatte und jetzt überdies für die Summen, in die Gabinius verurteilt worden war, herangezogen werden sollte; er wäre völlig bankrott gewesen, wenn Caesar ihm nicht unter die Arme gegriffen hatte 41 ff.; weiteres über ihn hat Dkssau, Hermes 46, 1911, 613 ff. festgestellt). Hier gibt Cicero §§ 19. 82 ff. zu, daß die Versöh- nung auf Pompejus* Betreiben erfolgt sei; aber er behauptet, sie sei freiwillig, ohne Zwang erfolgt; nam si me invüum puias, ne Cn. Pom- pei animum offenderem, defetidisse causam, et ülum et me vehe- menter ignoras. neque enim Pompeius me sua causa quicquam facere voluisset invüum, neque ego, cui omnium civium libertas carlssima fuisset, meam proiecissem; wenn er die Versöhnung abge- lehnt hätte, würde Pompejus ihm das nicht übel genommen haben. Glauben hat er mit diesen Ausreden gewiß nirgends gefunden.

*) Bio 89, 68, 5 u»om xal ix toötoo tb toö aitojiöXoo ffxX'njia wai 5voua (vgl. 36, 48, 5. 44, 2) tn\ isXttöv ol aö^^lv«; vgl. S. 164, 8.

') Atticus war in dieser Zeit in Rom; die Briefe an Quintus nach

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Das Principat de« Pompejus

für Milo erhalten, nebst dem reichen dazu von Asconius heran- gezogenen Material1). So können wir die Vorgänge nicht in der Weise wie bisher bis ins Einzelnste verfolgen; aber für don Gang der Ereignisse sind die Nachrichten der Historiker voll- kommen ausreichend und zuverlässig. Es gilt, durch Zusam- menfügung der einzelnen Notizen die zugrunde liegende aus- führliche Darstellung herzustellen.

Das Interregnum, mit dem das Jahr 53 begann, setzte sioh monatelang gleichförmig fort; bald ungünstige Auspicien, bald die Tribunen, jetzt neben den plebejischen Aedilen die einzigen regulären Beamten, hinderten die Vornahme der Wahlen9). Alle fünf Tage folgte ein Interrex dem andern; alle Geschäfte und Gerichtsverhandlungen kamen ins Stocken8). Von den Kandidaten um das Consulat hatte Pompejus den Scaurus, Caesar den Mem- mius fallen lassen, so daß nur Calvinus und Messalla übrig blieben. Aber es nützte nichts, daß Cicero sich schon im November für diesen gegen Caesar verbürgt hatte4) und daß Calvinus im Prozeß des Gabinius als einer der Richter seine freisprechende 8timm-

Dezember 54 sind nicht erhalten. Aach von dem übrigen Briefwechsel ist bis auf Ciceros Proconsulat nichts auf uns gekommen mit Ausnahme der wenigen, für uns ganz unergiebigen Briefe an Trebatius (VII 10 ff.) und Curio (II 1 fl'.).

') Dazu kommen noch die Reste der Rede de aere alieno Milonia aus der zweiten Hälfte des Jahres 53-

*) Dio 40, 45, 8 so« fitv jap x-xi o't opvt*!« ta; apx<xip»otac Wo- Xov, ob ßouXofuvoi toi< fuooßowtXtör. Y*v4o*at * ttäXiaxo. Ii o: &-r}U3px°l icp&fftata t4 iv tj it6Xtt itlnoyw^, toaw xat tä? jcay-rj^üptc^ ftvcl td>v otpa- tirrr&v «otefv. £xa»Xoov «t? Xocit&c äpX^C atptd~r,vat.

•) Darüber spottet Cicero VII 11 in einem Brief an den Juristen Trebatius. den er in Caesars Dienste empfohlen hatte: quis enitn tot interregnis iureconsultum desideret?

*) ad Qu. fr. III 8, 8, wo er sich freut, daß auch .ihr', d. h. Caesar und Quintus, Messallam certum consulem cum Domitio (Calvino) nume- ratis . . . ego Messallam Caesari praestabo. sed Memmius in ad- ventu Caesaris (in der Cisalpina) habet spem, in quo ülum puio er- rare: hic quidem friget. Scaurum auiem iam pridem Pompeius abiecü. Vgl. III 9, 8 video Messallam nostrum consulem, si per interregem, sine iudicio, si per dictatorem, tarnen sine periculo: odi nihil habet.

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Forderung der Dictatur für Pom pejus, Sommer 58 20 0

tafel offen gezeigt hatte1); Pompejus wollte eben keine Wahlen. Er selbst blieb dauernd von Rom fern, während seine Anhänger die Forderung seiner Diotatur immer von neuem erhoben. Aber auch damit kam man nicht weiter; die Stimmung war durchaus dagegen, und Milo hielt seine Banden bereit, um Hirrus zu be- kämpfen und eine Intercession zu unterstützen»); aber ebenso- wenig wagte man, gegen Pompejus' Willen zu handeln8). So ging es Monat für Monat bis in den Juli, unter mannigfachen Zänkereien. Einige Tribunen schlugen vor, man solle, wie in den alten Zeiten, statt der Consuln Consulartribunen ernennen, um so das Oberamt mehreren zugänglich zu machen*); dem- gegenüber stellte Hirrus den Antrag auf Bestellung eines Dic- tators. Natürlich trat Cato dem entgegen6); und als der de- signierte Tribun Q. Pompejus Rufus, Sohn einer Tochter Sullas und Enkel seines Kollegen im Consulat 88, der auch gegen Mes-

') ad Qu. fr. III 4. 1.

*) ad Qu. fr. HI 8, 6 (Ende November 54): Milo furchtet für sein Consulat im Jahre 52, et si Üle dictator f actus sit, paene diffldit. iniercessorem dictaturae si iuverit manu et prae&idio suo, Pompeium tnetuü inimicum ; si non iuverit, titnet ne per vim perferatur.

*) Dio 40, 45, 5 txstvoc u f^p iirtfr^fui, xai Ix täw napovrcuv o5t« 'i/fjftoaofrat ttz a&tö (xpo; f<xp r)jv toö EuXXou wp^tirfca tjuaoov icavtec xoXfctopa), 08V au iXia&ai 8tä t&v toö IIo^x-fj(&ü tpoßov oitijmv«. Den Charakter der Lage deutet Cicero in dem Brief an Curio II 4, 1 (Früh- ling 58) an: de republica . . . haec mea causa est, ut neque ea {quae sentio audeam, neque ea) quae non sentio velim scribere. Ebenso redet er in dem folgenden Brief II 5 von der verzweifelten Lage des Staats : ita sunt omnia dehiliUita et iam prope exsHncta. sed haec ipsa ne- 8cio, rectene sint Utteris cotnmissa. Er mahnt den Curio, der aus der Quaestur in Asia (II 6, 1) zurückkehrte, sich für die politische Wirk- samkeit zu rüsten, swe Hobes aliquant spem de republica sive de- speras, ea para, meditare, cogita, quae esse in eo civi ac viro de- bent, qui sit rempublicam adflictam et oppressam miseris temporibus ac perditis moribus in veterem dignitatem et libertatem vindicaturus.

*) Dio 40. 45, 4.

•) Plnt. Pomp. 54. In der Biographie Catos hat Plutarch diese Vorgange übergangen. Appian II 20 faßt die Kntwicklung kurz und treffend zusammen, geht aber auf die Vorgange des Jahres 58 nicht weiter ein.

Meyer, Caesar« Monarchie 14

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Das Principat de« Pompeji

saüa eine Anklage wegen der Wahlumtriebe erhoben hatte1), den Hirrus unterstützte und Unruhen erregte, wurde er vom Senat ins Gefängnis gesetzt*), seine Gehilfen mit dem gleichen Schicksal bedroht und der Beschluß gefaßt, der dem Proconsul Pompejus der jetzt endlich wieder in der Vorstadt erschien zusammen mit den übrigen Beamten (dem Interrex und den Tribunen) die Sorge für die Wiederherstellung der Ordnung übertrug8). Damit hörten die Unruhen von selbst auf; Pompejus aber war vor die Frage gestellt, ob er die von den Tribunen geforderte Dictatur annehmen wolle. Indessen der Senat und seine Vor- männer wollten davon nichts wissen, vielmehr wurde Hirrus mit Absetzung bedroht4); und aus den Händen des Pöbels durfte er, seinen Prinzipien und dem Charakter der von ihm erstrebten Staatsstellung entsprechend, die Regentschaft so wenig nehmen, wie später Augustus. So erklärte er oder ließ durch seine Ver- treter erklären, daß er die Dictatur weder nötig habe noch be- gehre, offenbar immer noch in der Hoffnung, daß der Senat ein- lenken und ihn zu ihrer Übernahme zwingen werde. Aber Cato hielt ihn bei seinen Worten fest und belobte sein Verhalten; und so blieb ihm nichts übrig, als nachzugeben und die Consul- wahlen vornehmen zu lassen5). Im Juli 53 wurden Messalla und

') Cic ad Qu. fr. III 2, 8. ad Ätt. IV 17, 5.

*) Dio 40, 45, 2, wo Q. Pompejus ungenau als frqpapxüy statt ab designierter Tribun bezeichnet wird.

*) Dio 40, 45, 2 t«i> IIo|iirf]t(i> 4j np&$ a6to5{ (die Unruhestifter) ßo*q- dtta iv«x«»fwdifj. Plauhakn in der Abhandlung Ober das sogenannte senatus consuUum ultimum, Klio XIII 1913 hat den Fall des Jahres 58 nicht berücksichtigt. Natürlich waren, wie immer, neben Pompejus aucb die anderen damals vorhandenen Beamten in dem Beschluß ge- nannt

*) Plut. Pomp. 54 intXafiofiSyoo ih Kdttovo^ oSto< jxly (Lucilins Hirrus) txivSovtoo« r*)v Änrjfiopxt^v anoßotXtty, 6*lp riofi*-r)WO koXXoi töy <ftXu»y flucsXofoövto **pi6vuz o)€ 8co|«yoo rfc apx^S iwtvri? ooftc ßooXofiiyoo- App. II 19, 78 8 (Pompeius) r»jv npoatoxiav rrjv8« (der Dictatur) XAf<p |iiv Woox'pw^i ^PTS* ^ ^ airijv ttdvta fjcparav Äyxviü?.

') Plut. Pomp. 54 Kitu»vo{ Ii fIo;iiri]tov »saiyiaxytoc xai npotp«-}afiiyo» r»)5 e&xo<3fi£a< ini|«XT)d-f]y™, *6xt fiiv aHeoJHis intjaX-fjd-r), xal xatsotdSnrjoay ßtamx Ao^tto* «öl MeooiXa*. Dio 40, 46, 1 t*XoC U 6te «va

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Die Consuln de* Jahres 58

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Domitius gewählt1) und traten sofort ihr Amt an, so daß die ihnen drohenden Prozesse nicht zur Verhandlung kommen konnten.

Irgend etwas auszurichten waren die neuen Consuln in den wenigen ihnen verbleibenden Monaten natürlich so wenig im- stande, wie ihre Vorgänger im Jahre 54. Eben in dieser Zeit war die Kunde von der Vernichtung des Heeres des Crassus in der Schlacht bei Karrhae am 7. Juni nach Rom gelangt. Sie hat wohl Eindruck gemacht, aber eine Wirkung auf das politische Getriebe konnte sie, wie die Dinge lagen, nicht ausüben. Von einer Fortführung des eigenmächtig, im Gegensatz gegen die Regierung und die öffentliche Meinung, unternommenen Angriffs- kriegs konnte natürlich keine Rede sein; aber auch der Ge- danke, daß einer der beiden Consuln mit einer Armee in den Osten gehen müsse, was in andern Zeiten selbstverständlich ge- wesen wäre, ist, wie es scheint, überhaupt nicht erwogen worden. Der Regierung war eben die Leitung der äußeren Politik tat- sächlich völlig entrissen. So wurde nicht einmal ein Statthalter nach Syrien geschickt, sondern man überließ die Verteidigung der Provinz zwei Jahre lang dem C. Cassius, dem Quaestor des Crassus2), der sich der schwierigen, allerdings durch die inneren Wirren im Partherreich erleichterten Aufgabe trotz seiner geringen Truppenmacht gewachsen zeigte.

Dagegen lebten die Wahlumtriebe sofort wieder auf. Um das Consulat für das nächste Jahr bewarben sich P. Plautius Hypsaeus,

tKvhbv Cfjv uiv StxtatwpcCav 8»8ouivir)v ol trftvt o?>x i84£ato, Kob$ 8k 6k4toi>s Äjco8ti7&-r|vat itapeoxsoaoty. Vgl. Appian S. 210. 4. In diese Zeit wird die Schrift des Brutus, des Neffen Catos, de dictatura Pompei fallen (Quintil. IX 8, 95 quäle apud Brutum de dictatura Cn. Pompei: praestat menim nemini imperare, quam alicui servire; sine iüo enim vivere honeste licet, cum hoc vivendi nuüa condicio est; auf sie führen Dhumann IV 1 43 und Meyer, or. Rom. fragmenta 446 f. gewiß mit Recht die oben S. 79, 2 citierte Äußerung zurück). Vgl. auch Seneca, controv. X 1, 8.

') Nach Dio 40, 45, 1 findet die Wahl iß)6fiu> jvr|vt statt, nach Appian II 19, 71 dauert die Anarchie acht Monate; genauer kennen wir das Datum nicht.

*) Dio 40, 28. 2: Cassius ton 81 x*: Mfx^ Eoptas fv w tcJ» na- pövtt «od (Uta taöta «poiorrj. Er verwaltete Syrien selbständig bis zur Ankunft des Bibulus im Spatsommer 51.

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Das Principat des Pom pejus

ehemals Quaestor unter Pompejus, Tribun im Jahre 56 (8. 130), den dieser unterstützte1), Q. Metelluß Scipio, Adoptivsohn des Metellus Pius, ein persönlicher Feind Catos, gegen den er eine Broschüre veröffentlicht hatte (S. 173), und Milo. Von letzterem wollte natürlich weder Caesar, bei dem sich Cicero schon im Jahre 54 vergeblich für seinen Beschirmer verwendet hatte*), noch Pom- pejus etwas wissen3); aber er hoffte auf seine Banden und den Einfluß, den er dadurch besaß, und auf die Unterstützung der Nobilität; die Gunst des Pöbels hatte er schon Ende 54 durch Spiele von unerhörter Pracht und Verschwendung zu gewinnen gesucht, und sich dafür in Schulden gestürzt und „drei ererbte Vermögen verschleudert"4). Zu den Bewerbern um die Praetur gehörte sein Todfeind Clodius, der sich schon für 53 beworben hatte, dann aber zurückgetreten war, weil die Amtszeit durch das Interregnum zu stark verkürzt war6); denn er plante eine Wiederaufnahme seiner gesetzgeberischen Tätigkeit als Tribun, die unter andrem den Freigelassenen, einer alten demokratischen Forderung entsprechend, Zutritt zu allen Tribus und damit ein in den Tributcomitien tatsächlich ausschlaggebendes Stimmrecht gewähren sollte6) Milos Oonsulat suchte er mit allen Mitte Iii zu vereiteln; er störte mit seinen Banden die Wahlversammlungen, wobei die Vorsitzenden Consuln durch Steinwürfe verwundet

') Ascon. p. 86.

») Cicero an Caesar VII 5, 3 cum ad te de Milone »cripsissein.

') Cic. ad Qu. fr. III 8. 6 (November 54) nunc de Milone. Pom- peius ei nihil tribuit et omnia Quttae [der Name ist corrupt. die Kor- rektur in Cottae sinnlos], dicüque, se perfecturum, ut Mo Caesar

*) Cic. ad Qu. fr. III 8, 6. 9f 2. pro Mil. 95 und Asconius da*u. ») Cic. pro Mil. 24.

•) Ascon. xu Cic. pro Mil. 87 (vgl. 88. 89); achol. Bob. zu Cic. de aere al. Mil. p. 178 Stangl. Da in den Land tribus in der Regel nur wenige Stimmberechtigte anwesend waren (g. oben 8. 187. 1), hätten die sich nach Rom drängenden Freigelassenen meist die Majorität bilden können. Man vergleiche die Art, wie die Organisatoren der Partei- maschine in Amerika den Ausländern, und gerade der Hefe derselben, das Stimmrecht verschaffen und dadurch die Wahlen zu beherrschen suchen.

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Wahlumtriebe des Jahres 53. Milo und Clodius 213

wurden1); und als dann im Senat darüber verhandelt wurde, erklärte er, Milos Anhänger, Cicero voran, betrieben alle ver- pönten Wahlumtriebe, und Milo selbst sei durch seine Schulden- last, die er mit sechs Millionen Sestertien viel zu gering deklariert habe, gesetzlich von der Kandidatur ausgeschlossen. Cicero, der sehr wohl wußte, daß diese Behauptung richtig war, aber den Mann, der ihn gegen alle Angriffe geschirmt und seine Rückkehr ermöglicht hatte, nicht im Stiche lassen durfte*), half sich durch einen neuen leidenschaftlichen Ausfall gegen Clodius, den er auch veröffentlicht hat3). Auoh sonst waren Schlägereien und Blut- vergießen an der Tagesordnung; bei einem dieser Anlässe wäre Cicero, als es auf der Via Sacra zu einer förmlichen Schlacht zwischen den Banden Milos und des von Clodius unterstützten Hypsaeus kam, vor der Regia beinahe erschlagen worden4), ein andres Mal drang M. Antonius, der sich jetzt um die Quaestur bewarb, ehemals ein vertrauter Anhänger des Clodius, auf dem Forum mit gezücktem Schwert auf diesen ein5). Der Senat legte wieder einmal Trauer an, faßte aber zugleich den vernünftigen B '.schluß, daß die städtischen Beamten erst nach fünfjährigem Intervall eine Provinz erhalten sollten, um so der Spekulation auf rasche Bereicherung und damit dem Fanatismus der Wahl- agitationen ein Ende zu machen6). Das Endergebnis war, daß auch in diesem Jahr die Wahlen nicht zustande kamen.

') «chol. Bob. p. 172 lapidibus duo consules ceciderunt Cn. Do- minum Calvinum et M. Valerium Messallam, nee alia fuit causa, cur senatus convocaretur, quam Uta praecipua, quod P. Clodius im- missa seditiosorum manu comitia turbaverat, quae habebantur de consuiibus ereandis, cum esset etiam Milo candidatus. Aul diese Wahlversammlung bezieht sich Cic. pro Mil. 41 und 96. Die Verwun- dung des Calvinus auch Dio 40, 46, 3. Vgl. Cic. pro Mil. 25 convo- cabat tribus, se interponebat , Collinam novam dilectu perditissi- morum civium conscribebat.

*) Auch sonst verwendete Cicero seinen ganzen Einfluß für Milo, so bei Curio in dem Schreiben fam. II 6.

») schol. Bob. zu der Rede de aere alieno Milonis.

*) Cic. pro Mil. 37 und Asconius dazu.

») Cic. pro Mil. 40. Phil. II 21. 49.

*) Dio 40, 46. 2.

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214 t>as Principat des Pom pejus

Pompejus hat diese Dinge ruhig gewähren lassen : ihm konnte es nur recht sein, wenn dadurch die Sehnsucht der besseren Elemente der Bürgerschaft nach Ruhe um jeden Preis immer mehr gesteigert wurde und man sich in immer weiteren Kreisen mit dem Gedanken der Unvermeidlichkeit der Aufrichtung einer monarchischen Gewalt abfand1). Im Jahre 53 war er nicht zum Ziele gelangt, sondern hatte sich, in Wirklichkeit widerwillig genug, fügen müssen; so galt es, dasselbe Mittel, die Anarchie, in noch gesteigertem Maße anzuwenden. Auf sein Anstiften verhinderte der Tribun T. Munatius Plauens Bursa jetzt auch das Zusammentreten der Patricier zur Bestellung eines Interrex, so daß der Staat seit dem 1. Januar 52 überhaupt keinen Be- amten hatte, sondern lediglich die Beamten der Plebs, Tribunen und plebejische Aedilen, funktionierten*). Diese höchste Steige- rung der Anarchie hätte wieder, wie im Vorjahre, monatelang andauern können, wenn nicht der Zufall es gefügt hätte, daß am Nachmittag des 18. Januar Clodius auf der Via Appia bei Bovillae mit Milo zusammentraf. In einem Gefecht, das sich zwischen ihrem Gefolge entspann , wurde er von der Bande des letzteren verwundet und , da das Unheil einmal geschehn war, auf Milos Geheiß umgebracht. Der Leichnam wurde noch am Abend nach Rom gebracht, und die Kunde von der Mordtat durchflog die Stadt. Das gab dem wüsten Treiben neue Nahrung. Der Pöbel scharte sich zusammen, Clodius' Gemahlin Fulvia schürte die Leidenschaften, mehrere angesehene Männer wurden

•) Plut Caes. 28 nach Schilderung der Anarchie und des Blutver- gießens oKjxt toi>« voöv t^oyt«? dqaKäv, ti npo« jrrjo'Ev autot^ x»'P0tf» **** fiovapxtav tx toiaorqc icapa<ppoooy-r)c xxl tooootoo xX6Äa»vo^ foutsostfau (cp^Titata. icoXXot 8i Y]oay ot xal Xi-fttv tv )isa<|> toXfuLvTt^, yfir\ tcX4jv 6x6 fiovapxtoK avqxtotov tlvou tty «oXittlav, Pompejus allein könne helfen.

*) Ascon. in Milon. p. 82 cum . . . Pompeius gener Scipionis [dw ist eine bei Asconius befremdliche Vorwegnahme der erst spater ge- schlossenen Ehe] et T. Munatius tribunus plebis referri ad senatum de patrieiis convocandis, qui interregem proderent, non essent passi. Dio 40, 46, 3 ouxoov oöv 6x1x05 out» Qtp%xrrrb$ outs ito\lipy6$ (prae- fedUS Urbi) otpä{ ouo'c&aTo, uXXä &vapxxoi xavä toöto xavft)uü( ot 'Pojjixioc xpü»ta toö itoo^ ifivovto.

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Steigerang der Anarchie. Clodius' Ermordung 216

in dem Gedränge erdrückt. Am nächsten Morgen, dem 19. Januar, stellten die Tribunen T. Plancua und Q. Pompejus die blutige und beschmutzte Leiche des großen Volksbeglückers auf dem Forum vor der Rednerbühne aus und hielten aufhetzende Reden ; anter Führung des Sextus Clodius, des Sekretars des Demagogen und eines der Hauptführer bei all seinen Gewalttaten, schleppte der Pöbel den Leichnam in die Curie und errichtete hier aus den Tischen und Bänken einen Scheiterhaufen, dessen Flammen zu- gleich den Sitz des verh ißten Rats und mehrere benachbarte Gebäude verzehrten. Das gleiche Schicksal sollte Milos Haus erleiden ; aber seinen Leuten er selbst war noch nicht zurück- gekehrt — gelang es, den Ansturm abzuwehren1).

Inzwischen hatte der Senat veranlaßt, daß die Patricier schleunigst zusammentraten und einen Interrex bestellten; und zugleich hatte er den Beschluß gefaßt, der den Interrex, die Tribunen und den Proconsul Pompejus aufforderte, die nötigen Maßregeln für die Sicherheit des Staats zu ergreifen. Tatsäch- lich war damit, wie im Juli 53, alle Macht in die Hände des Pompejus gelegt, da der alle fünf Tage wechselnde Interrex natürlich nichts ausrichten konnte, während Pompejus die mili- tärische Kommandogewalt besaß2).

') Eine ausführliche and korrekte Darstellung des Vorgangs auf Grand der Acta gibt Asconios; kürzer Dio 40, 48 f. Appian II 20 f.

•) Dio 40, 49, 5: der Senat i&S-i^ To5v ^1« ••Ocirjc (am 19. Januar) i{ xb «aXdktov fct* a&xö toüto (des Brandes der Curie und des Angriffs auf Milo« Haus) aoXXtfimc tov tt fuooßaotXia icpo^stptoA^vau xal r?)< «poXanrqc r?)s *6Xtu>$ »od htitvov *»l xob$ &-rjfjuipxo°<; *oü itpooett xal töv Ilou,itrto» ii«fi»X-nd^vxi u>ott U.YJÜV ait' abvt^ oiiotptßTjvai tyirppbavTO. Den Auftrag, Aushebungen in Italien vorzunehmen, setzt Dio c. 50, 1 erst später, als die Tumulte und Mordtaten fortdauern. Das wird ganz richtig sein. Asconios p. 85 verbindet beides, läßt aber die chronologische Folge noch erkennen. Er berichtet zuerst die Fortdauer der Unruhen, flebant interea alii ex aliis interreges; dann folgt: itaqueprimo factum erat s. c, ut interrex et tribuni plebis et Cn. Pompcius, qui pro cos. ad urbem erat, viderent ne quid dctrimenti respublica caperet, di- lectus autem Pompeius tota ltatia haberet. Hier ist also das soge- nannte S. C. ultimum nachgeholt und mit dem Beschluß Über die Aus- hebungen, der an der richtigen Stelle steht verbunden. Die Bestellung

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Das Principat des Pom pejus

Zunächst indessen gingen die Unruhen und Gewalttätigkeiten ungehindert weiter. Offenbar waren sie dem Pompejus im Grunde ganz genehm, und er sah keinen Anlaß, ernsthaft einzuschreiten. Am 20. Januar zog der Pöbel vor das Haus des Interrex es war M. Lepidus, der spätere Triumvir und forderte von ihm die sofortige Vornahme der Wahlen. Da er sich pflichtgemäß weigerte, denn der erste Interrex war dazu nicht befugt, da seine Auspicien, weil nicht übertragen, sondern der Fiktion nach auf der dem Patricier innewohnenden Qualität beruhend, nicht für voll galten, wurde er die fünf Tage seines Amts hindurch belagert und die Vorderräume des Hauses mit den Staats- gemächern, den Ahnenmasken und dem Ehebett demoliert; vor weiteren Verwüstungen schützte ihn die zu Hilfe eilende Bande Milos. Andre Scharen zogen zu Scipio und Hypsaeus und boten ihnen die Fasces an, die man aus ihrem Gewahrsam im Hain der Libitina geraubt hatte, und zogen dann nach dem Landhaus des Pompejus, um ihn zum Gonsul oder zum Dictator auszu- rufen1). Die Tribunen Q. Pompejus, Munatius Plancus, und C. Sallustius, der Historiker, ein eifriger Parteigänger des Clodius, hielten tagtäglich aufhetzende Reden2). Andrerseits faßte Milo, der sich zunächst verborgen gehalten und an ein freiwilliges

des Interrex datiert auch Asconius richtig, sowohl p. 84 (mit unge- nauem Ausdruck: M. Lepidus interrex, is enim magistratus curulis erat creatus, anstatt prodüus), wie zu § 18: post biduum medium, quam Clodius oceistts erat, interrex primus prodüus est M. Aemilius Lepidus; das ist der Nachmittag des 19. Januar, wie bei Dio: der 20. Januar wäre tertio die.

') Ascon. p. 88 und zu § 18. Cic. pro Mil. 18.

•) Ascon. p. 88 und su § 67, vgl. zu §§ 45. 47. Persönliche Mo- mente spielen bei diesen Dingen natürlich immer mit. Sallust hatte, wie Varro berichtet (Gell. XVII 18), ein Verhältnis zu Milos Gemahlin Fausta (die Milo im November 55, nach der Scheidung von Memmius, dem Bewerber um das Consulat für 58, geheiratet hatte: Ascon. in Scaur. § 29, Cic. Att IV 13), wurde von Milo beim Ehebruch ertappt, durchgepeitscht und gegen Zahlung einer Geldsumme entlassen; vgl. die Antwort auf Sallusts Invektive gegen Cicero § 15 f., wonach Sallust als Quaestor seinen Ehebruch bekennen muß; sein Tribunat wird hier selt- samerweise ganz übergangen.

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Tumulte Dach Clodius' Ermordung

217

Exil gedacht 'hatte, auf die Kunde von dem Brande der Curie und dem Einschreiten des Senats wieder Mut: er kehrte in der Nacht des 19. nach Rom zurück, nahm seine Kandidatur wieder auf, verteilte ansehnliche Geldsummen unter die Tribus1), und hielt in einer von dem Tribun M. Caelius Rufus, dem Schützling Ciceros, berufenen Volksversammlung eine Rede, in der er sich verteidigte er behauptete mit Recht, daß er den Mord nicht vorher ge- plant habe, aber mit Unrecht, daß Clodius ihn habe umbringen wollen, und bestritt natürlich auch, daß er den Mord schließlich befohlen oder wenigstens absichtlich zugelassen habe und Clodius nebst seinen Anhängern aufs heftigste angriff4). Da brachen die Gegner unter Führung der feindlichen Tribunen in die Versammlung ein, Caelius und Milo mußten im Sklaven- > gewande flüchten, und ein großes Gemetzel folgte, das sich tage-

lang fortsetzte; das von Clodius großgezogene Gesindel, nament- lich die freigelassenen und halbfreien Sklaven, denen er so große Hoffnungen erweckt hatte, konnten nach Herzenslust sengen, plündern und morden*). Am 22. Januar wandte sich Milo an Pompe] us, wenn dieser es wünsche, wolle er zugunsten des Hypsaeus von seiner Bewerbung zurücktreten; Pompejus aber lehnte es ab, Milo zu empfangen, und ließ antworten, er habe kein Recht, sich in diese Dinge zu mischen, für die die Bürger- schaft allein zuständig sei, und bitte, ihn mit solchen Anfragen zu verschonen4). Am nächsten Tage, dem 23., erklärte Q. Pom- pejus Rufus in einer Volksversammlung, Milo plane ein Attentat auf Pompejus: „er hat euch bereits einen zum Verbrennen in der Curie gegeben; einen andern wird er euch geben, den ihr

]) Ascon. p. 34. 36. Cic. pro Mil. 62 f. Appian II 22. Dio 40, 49, 5.

*) Ascon. p. 84. Appian II 22, der Caelius als von Milo erkauft be- zeichnet. Cic. pro Mil. 91.

») Diese von Asconius übergangenen Szenen werden von Appian II 22 ausführlich geschildert. Vgl. Dio 40, 50, 1 ndx<* « «*v ** tootoo KoXXal xai oyafcd a&kc tYifvovto.

*) So erzählte Metellus Scipio am 80. Tage nach Clodius' Ermor- dung, also am 18. Februar, im Senat. Ascon. p. 36 f. Das Datum Ascon. zu § 67.

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218

Das Prineipat dee Pompejus

auf dem Capitol bestatten könnt". Pompejus selbst glaubte diese Beschuldigung oder gab sich wenigstens den Anschein, sie zu glauben; auf Befragen des Q. Pompejus, des Sallust und des Plancus erzählte er vor dem Volk, ihm seien Anzeigen davon gemacht, Milo habe aber die Auslieferung der Sklaven und Frei- gelassenen, die er für den Mord ausersehen habe, verweigert; er traf Vorsichtsmaßregeln, schloß sich in seinen Garten ein, und legte eine Besatzung in seine Wohnung1).

Infolge dieser Vorgänge gab der Senat dem Pompejus den Auftrag, Aushebungen in ganz Italien zum Schutz der Haupt- stadt zu veranstalten, und legte selbst das Kriegsgewand an2). Pompejus ergriff den Auftrag mit Eifer und traf rasch die nötigen Anordnungen8); auch Caesar, der sich in der Cisalpina befand, nahm hier die vorgeschriebenen Aushebungen vor4).

Der Brand der Curie und die darauf folgenden Unruhen sind entscheidend gewesen : sie haben die Aristokratie mürbe gemacht und den Senat dazu gebracht, sich dem Begehren des Pompejus zu fügen. Ausschlaggebend war das Verhalten Catos, des Führer« der rechtlichen Opposition.

Von Cato hat Mommsen, durch einseitige Betonung einzelner Züge, ein Zerrbild gezeichnet, das weder seiner Persönlichkeit, noch seiner politischen Bedeutung gerecht wird. Gewiß war er ein Doktrinär durch und durch wie Mommsen auch ; er glaubte an das Recht und an die Grundsätze der aristokratischen Republik ebenso wie an die Grundsätze der Stoa*), und er handelte

*) Cic. pro Mil. 65 ff. und Ascon. zu $ 67; das fallt nach p. 51 fi«. noch vor die Abreise zu den Aushebungen.

*) Dio 40, 50. 1 &et» tr4v ßo-A-ijv ... t&v rTofAtr^iov (uraicifi-laofau xwA6fOO$ ctotü» xatvo'JC not-r;c<xofhu iititpi-^ai *i\ ti iolHjfi*Ta aXX«- gaofau. Vgl. oben S. 215 Anm. 2.

*) Ascon. p. 85: der Senat beschließt, dilectus Pompeius tota Iialia haberei, qui cum summa celerüate praesidium comparasset . . .

4) Caes. bell. Gall. VII 1 ibi (in Italia) cognoscÜ de Clodi caede, ßenatusque consulto certior f actus, ut omnes iuniores Italiae con- iurarent, dilectum tota provineia habere insiituit.

*) über die Art, wie Cato die Grundsätze der 8toa auch in «ein«»n Reden im ßenat und vor dem Volk so vortrug, ut iUa etiam populo

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Pompejis' Abhebungen. Catos Persönlichkeit 219

danach. Das hat ihn zu gar manchen ßüsarrerien verführt, wie sie dem Stoiker von den Zeiten des Zeno und Kleanthes anhaften und wie sie von Cicero in der Karikatur der Rede pro Muren a „was haben wir doch für einen scherzhaften Cousul", sagte Cato dazu1) verspottet werden. So trug er kein Bedenken, in der furchtbaren Hitze des Sommers 542) auch bei seinen Amts- handlungen als Praetor die Tunica auszulassen und nur mit einem Schurz unter der verbrämten Toga bekleidet halbnackt auf dem Amtsstuhl zu sitzen; er rechtfertigte sich damit, daß auch die Statuen des Romulus und Titus Tatius auf dem Capitol und des Camillus bei den Rostren nur die Toga, keine Tunica trügen*). Das war ein Scherz; in Wirklichkeit befolgte er auch hier den stoischen Satz naturalia non sunt turpia. Gleichartig ist, daß er, auch darin auf eine verschollene altrömische Sitte sich berufend, seine Gemahlin Marcia dem Hortensius abtrat, und dann nach dessen Tode im Jahre 50 wieder zu sich nahm4). Die streng rechtlichen Grundsatze befolgte er unerbittlich in allen Dingen, ob groß oder klein, so auch in der Leitung der Rechtsprechung. Im Jahre 53 gab er von seiner Auffassung

probabüia viderentur, s. Cicero in der Einleitung zu den paradoxa stoicorum. Vgl. Brat. 118.

') ävfcpi«, uic YtXoiov 5r<xtov *x°f«v, plut. Cato 21.

■) Cicero schreibt im September 54 an seinen Bruder III 1, 1 ego ex magnis caloribus non enim meminimm maiores in Arpi- nati . . . me refecL

*) Ascon. in Scaurianam p. 80 [der Prozeß fiel auf den 2. Sep- tember]. Val. Max. III 6, 7. Plut. Cato 44 vgl. 6, nach dem er auch AvoaoÄifito? ging. Die Statuen auch Plin. 84, 28. Mommsbn rückt diesen Vorfall in ein völlig falsches Licht, wenn er sagt, Cato habe .die Wiederherstellung der guten alten Zeit damit einleiten wollen, daß er nach König Romulus' Vorgang ohne Hemd ging". Das Gegenstück xu diesem Verhalten ist, daß Cato gern und ungeniert reichlich Wein trank, was ihm von seinen Gegnern znm Vorwurf gemacht wurde, so von Caesar (Plin. epist. III 12, 2), vgl. Plut. Cato 6 und 44 fvtot W faat xod fax' Äptaxov olvov luitouxdta xp-rjfjiaTtCecv (als Praetor). äXXdt toöto fitv o'ix &Xt)&(öc Xifftat,

*) Plut. Cato minor 25. 52. Appian 11 99, 418. Lucan II 825 ff. Strabo XI 9. 1 u. a.

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220

Das Principat des Pompejus

noch einmal einen Beweis, indem er, als endlich die Wahlen statt- fanden, die Wahl seines Anhängers Favonius zum Aedilen durch energisches Einschreiten durchsetzte er wies nach, daß alle Stimmtafeln von derselben Hand geschrieben seien, und erreichte so die Kassation der ersten Wahl durch die Tribunen. Dann hat er dessen Amtsverwaltung ganz nach seinen Prinzipien geleitet, vor allem bei den Spielen, die er geben mußte, statt der üblichen verschwenderischen Kostbarkeiten Wein, Fleisch und Obst, Ge- müse und Holzbündel und an die Schauspieler nach griechischem Vorbild Kränze verteilen lassen. Dies von einer imponierenden Persönlichkeit getragene Verhalten machte so viel Eindruck, daß die Menge den Curio, der gleichzeitig kostbare Spiele gab, im Stich ließ, und unter Führung des Favonius selbst dem Cato Beifall klatschte1).

Für seine Ueberzeugung und für die von den Vorfahren er- erbte Republik sein Leben aufs Spiel zu setzen hat Cato nie Bedenken getragen, mochten die Aussichten auf Erfolg auch noch so gering sein. In der Politik hat er durch sein unerschütter- liches, streng rechtliches Verhalten der Sache seiner Partei oft geschadet, so in der Ablehnung jeder Konzession an die Steuer- pächter, in der Cicero mit starker Übertreibung eine Haupt- wurzel alles Übels sah. Aber gerade die Liberalen und Fort- schrittler pflegen sonst die Prinzipientreue über alles zu stellen und für die Betonung des Rechtsstandpunkts gar manche politische Sünde zu verzeihn; bei Cato aber ist für Mommsen der Haß gegen die „Junker" ebenso das dominierende, alles andre überwuchernde Moment gewesen, wie umgekehrt in der milden Beurteilung aller Rechtsbrüche und skrupellosen Gewalt- taten, die Caesar gegen Römer wie gegen die äußeren Feinde begangen hat. In Wirklichkeit verdient es volle Anerkennung, daß die römische Aristokratie in den Zeiten der vollsten Zer- setzung und Korruption in Cato noch einen Mann von ehren -

') Plut. Cato 86. 7o Ende des Jahres rächte sich Q. Pompejus Ruftiß nach Antritt seines Tribunats an der Mobilität für seine Ver- haftung (8. 210), indem er den Favonias «wo ttvo< ob iu-f6ik-r\s «ki-i« ins Gefängnis setzte, Dio 40. 45. 4.

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Gatos Persönlichkeit 221

kafter Gesinnung und streng sittlichem Verhalten hervorgebracht hat, der ihren Untergang doch noch mit einem wettleuchtenden Schimmer des alten Glanzes umgeben konnte.

Trotz seines harten Rigorismus ist Cato eine durchaus um- gängliche, hochgebildete Persönlichkeit gewesen. An gesellschaft- licher Rücksichtnahme, wo immer die Umstände es gestatteten, fehlte es ihm keineswegs, und noch weniger an Feinheit der Form und der Empfindung. Ein vollgültiger Beweis dafür ist der Brief, den er im Juni 50 an Cicero schrieb, als dieser sich nach seinem Siege im Amanos um Catos Stimme für Bewilligung eines Dankfestes beworben hatte, das den Anspruch auf einen Triumph begründete. Cato motiviert sein durchaus berechtigtes ablehnendes Verhalten in einer so verbindlichen Form und dabei doch ohne alle konventionellen Phrasen und ohne jede Pose, daß dieser Brief zu den feinsten der gesamten auf uns gekommenen Sammlung gehört1). Auch sonst hat Cato gezeigt, daß er in schwierigen Lagen, wo immer ein mit seinen Prinzipien verein- barer Ausweg vorhanden war, sehr wohl verstanden hat, den Verhältnissen Rechnung zu tragen, so bei der Eidesleistung auf Caesars Ackergesetz, bei der Übernahme der Mission nach Cypern, bei dem Cicero gegebenen Rat, freiwillig aus Rom fort- zugehn.

Gegen Pompejus hatte sich Cato bisher völlig abweisend ver- halten; wie schon im Jahre 62 und bei der Ablehnung der ihm von Pompejus angebotenen Verschwägerung (S. 46) war er auch jetzt, im Gegensatz zu Cicero, der Führer der prinzipiellen Oppo- sition der Republikaner gegen die Herrschaft des Princeps. Aufs tiefste mißbilligte er, daß Pompejus eigenmächtig dem Caesar eine seiner Legionen geliehen hatte und vor Rom sitzend die Anarchie schürte, statt, wie es sich gehörte, in seine Provinzen zu gehn2). Zunächst wollte er nichts davon wissen, daß zur Unter- drückung der ununterbrochen fortgehenden Straßenkämpfe ihm die Wahlleitung übertragen werde: „nicht Pompejus habe die

') ad fam. XV 5. Ich würde am liebsten den ganzen Brief ab- drucken; ihn muß jeder beherzigen, der über Cato urteilen will. *) Plut. Cato 44.

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222 Dm Principat des Pompejus

Gesetze, sondern diese ihn zu schützen"1). Dann aber erkannte er, daß ein Einlenken geboten sei und daß in der Tat die zeit- weilige Übertragung der absoluten Gewalt , sei es in der Form der Dictatur, sei es in irgend einer andern Gestalt, das einzige Mittel sei, wieder Ordnung zu schaffen und zugleich die andern- falls drohende Gewaltherrschaft des Pompejus in eine gesetzlich erträgliche Form zu kleiden9). Dafür gab Pompejus die Ver- sicherung, daß er das Regiment im Sinne des Senats und der Verfassungspartei führen und die Verbindung mit den Anarchisten und in weiterer Konsequenz auch die mit Caesar preisgeben wolle. So kam das Bündnis zwischen Pompejus und der Nobilität zu- stande. Pompejus gelangte damit endlich an das Ziel, dem er ein Menschenalter lang nachgejagt hatte, er war als der Erbe Sullas und das legitime Oberhaupt des aristokratischen Staats anerkannt; zugleich aber eröffnete sich damit der Verfassungs- partei die Aussicht, zunächst das drückende Joch abzuschütteln, das Caesar von fern ihnen auferlege, und alsdann sich auch von der Vormacht des Pompejus wieder befreien und noch ein- mal die Zügel des Regiments ergreifen zu können.

Trotzdem sind nach der Ermordung des Clodius und den un- mittelbar anschließenden Ereignissen, der Übertragung des Not- Mtandskotnmandos an Pompejus und der Anordnung der Aus- hebungen noch volle zwei Monate vergangen, bis die entscheiden- den Maßregeln ergriffen wurden3). Die Zwischenzeit, unter dem nominellen Regiment der wechselnden Interreges, ist ausgefüllt

i

■) Plat. Cato 47.

*) Plat. Pomp. 54 Sottpov (nach dem Consulat des Calvinns and Mt^salla) icAXiv arxpyvxz T,vofA*v"'lS **• «ktoveuv -J^^-q tiv «pi toö 8txtdrcopo<;

tftipövxuiv itafuitspov, <po?r)*ivt«c ol mpl Kittuva, p/fj ßw<J*«iotv, ?rv<i>- oiv ipx>jv Ttv* tü> rio|xirr)t(p «poSjuvot vofttftov anoxpifa äxpdrcoo xal topawtx*?^ buivr^. Ebenso Cato 47 und Caes. 28.

*) Zwischen Clodius' Ermordung am 18. Januar (= 8. Desember 58 .jul.) und der Wahl des Pompejus zum alleinigen Consul am 24. Inter- calaris f= 5. Februar 52 jul.) liegen 58 Tage; s. Gboebss Rekonstruktion des Kalenders bei Drdmann III 5 S. 805 f. Dieses Intervall ist in den modernen Darstellungen meist so gut wie völlig unberücksichtigt ge- blieben, obwohl in ihm das eigentliche Hauptproblem steckt.

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Bündnis der Nobilit&t mit Poinpeju.s

223

mit ständigen Gefechten zwischen den Banden des Scipio, Hyp- saeus und Milo1). Zugleich setzten die Tribunen Q. Pompejus, Sallust und Plancus ihr aufhetzendes Treiben fort; sie forderten den Erlaß eines Gesetzes für den Mordprozeß gegen Milo und behaupteten, daß hinter ihm als der eigentliche Anstifter des Verbrechens „ein Größerer" gestanden habe, Clodius' Todfeind Cicero, der sich natürlich der Sache Milos mit Eifer annahm; Plancus drohte ihm geradezu mit einer Anklage2).

Pompej us kehrte nach rascher Erledigung der Anordnungen über die Aushebung vor die Stadt zurück und übernahm von hier aus das ihm durch das Notstandskommando übertragene Regiment. So wandten sich die Anklager des Milo, zwei Neffen des Clodius, Söhne

') Ascon. p. 35: fiebant interea alii ex aliiv interreges, quid co- mitia consularia propter eorum candidatorum tumultus et easdem manu8 armatas haberi non poterant. Liv. ep. 107: cum seditiones inier candidatos consulatus Hypsaeum Scipionem Milonem essent, qui armis ac vi contendebant, ad comprimendas eas Pom peius legatus. Plut. Cato 47 Exf)*la»vo$ xal 'Tt^atoo xal M[Xu>vo£ 6x<xntav ftsttp- Xopivtuv ob fiövov tois oovtp6<po'.{ rfrt] xal oojtnoXtTrjouivois atix-quaai, 8a»- poäoxtac xai Jsxaanot«, aXX' avtixpos 8c* 8kXu>v xal <povu>v «U *f«p6Xiov w6- Xtaov u>dt>o|iiva>v toXft^ xal axovota; Cato lehnt zunächst die Übertragung der Wahlleitung an Pompejus ab (S. 222, 1); £1 jwXov xp«vov avopxtx? oü9t)( xal tpi&v atpatoitiawv &OY|uipat xtpux ovrtuy oX^ov £rc£X;ic«v avBittax8tov ■pfovivxt ti xax6v, ffwo tot «pa-f^ar* »pi r?js bxit-rj? ivirfnr^ tl$ Ilojj.- injiov ixoootcp x&pm ttjc ßooX-r); wptor?pai und willigt in die Aufrich- tung der Monarchie. Catos Verhalten ist hier sehr richtig geschildert, aber, dem Zweck der Biographie entsprechend, allein hervorgehoben. Die Ermordung des Clodius und was damit zusammenhängt, hat Plu- tarch auch Pomp. 54 und Caes. 28 übergangen und Cic. 35 nur kurz erwähnt Daß Plutarch in der Biographie Caesars c. 28 die Anarchie und die Momente, die zu Pompejus' alleinigem Consulat führten, aus- führlich schildert, ist ein Anzeichen dafür, daß in der Quelle auch von den Beziehungen zu Caesar eingehender geredet war. Appian II 23 ver- sagt hier gänzlich, mehr bietet Dio 40, 50.

*) Cic. pro Mil. 47 und Asconius dazu, vgl. Asconius p. 38 f. und zu § 67. Ober Plancus (Bursa) vgl. Cicero an Marius VII 2. Wie weit Asconius' Behauptung begründet ist, postea Pompeius (d. i. Q. Rufus) et ScUlustius in suspicione fuerunt, redisse in gratiam cum Milone et Cicerone, läßt sich nicht beurteilen.

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22-1

Das Principat des Poinpeju«

seines inzwischen verstorbenen Bruders Gaius, beide Appius mit Namen, und andre Ankläger an ihn mit der Forderung, ihnen die Auslieferung der Sklaven MUos und seiner Gemahlin Fausta, der Tochter Sullas, zu peinlichem Verhör zu erwirken, wahrend Oaelius die des Clodius und seiner Anhänger forderte. Hortensius, neben Cicero und andern Koryphäen der Aristokratie einer der Anwälte Milos, erklärte, daß dieser die Geforderten freigelassen habe, weil sie sein Leben gerettet hätten1); und Cato rief in einer Volksversammlung den tobenden Massen zu, sie hätten dadurch nicht nur die Freiheit, sondern die größten Belohnungen verdient*). Schon vorher, gegen Ende Februar*), hatte Metellus Scipio, in Erwiderimg auf Marcus Brutus4), einen eifrigen Gegner des Pompe jus (S. 211 A. , vgl. S. 86) , eine im wesentlichen zutreffende Darstellung des Hergangs gegeben, in der er Milo als Anstifter des Mordes bezeichnete; auf der andern Seite be- hauptete Favonius, Clodius habe ihm kurz vorher gesagt, Miio werde in drei oder höchstens vier Tagen den Tod finden*). Pom- pe] us beharrte gegen Milo in der unbedingt ablehnenden Hal- tung6); in einer Senatssitzung, die, damit er anwesend sein könne, in der Curie bei seinem Theater stattfand, erschien er mit einer Leibwache und ließ den Milo bei seinem Eintritt untersuchen,

') Ascon. p. 35, mit dem Datum haec ftebant mense iniercalari; vgl. Metellus Scipios Darstellung p. 36 fin. •) Cic. pro Mil. 58.

') Ascon- p. 85 post dient tricesimum fere quam erat Clodius occisus; das wäre am 19. Februar. Der Februar hat in diesem Schalt- jahr 24 Tage; dann folgt der Intercalaris mit 27 Tagen.

«) Contra M. Caepionem conquestus est. Man hat den Namen vielfach beanstandet und durch irgend einen andern ersetzen «rollen, weil Brutus bekanntlich offiziell Q. Caepio hieß. Aber M. Caepio Brutus sagt auch Dio 41. 68, 6 und ahnlich Appian II 111, 464 M&pnoc Bpoüto«; h Kotuttttv JiwuXfjv; und Brutus hat eine Verteidigungsrede für Milo in Konkurrenz zu Cicero geschrieben (Ascon. p. 42). ist also offenbar eifrig für ibn eingetreten.

») Cic. pro Mil. 26. 44.

•) Asconius zu § 67 deinde ex 8. C. düectu per ItaUam habito cum rrdisset, venientem ad se Müonem unum omntum non a*i- miserat.

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. Verbandlangen zwischen Pom pejus auJ Caesar 225

ob er Waffen bei sich trage1). In dieser Sitzung wurde beschlossen, die Gebeine des Clodius endlich beizusetzen, und den Wieder- aufbau der verbrannten Curie Sullas Sohn Faustus zu über- tragen*).

Alle diese Vorgange brachten die Sache nicht weiter, sondern dienten nur dazu, die Zeit auszufüllen. Das entscheidende Moment lag vielmehr in dem Verhältnis zu Caesar. Ohne seine Einwilligung konnte Pompejus den letzten Schritt nicht wagen, nicht nur, weil ihm Caesars Macht zur Einschüchterung der Gregner noch immer unentbehrlich war, sondern ebensosehr, weil dieser mit seiner gewaltigen, jetzt auf zehn Legionen erhöhten Macht von der Cisalpina aus im Falle eines Konflikts mit Leichtig- keit Italien überrennen und ihn selbst erdrücken konnte. Aller- dings war Caesars Stellung durch den Tod des Crassus und den Wegfall des damit gegen Pompejus geschaffenen Gegengewichts empfindlich geschwächt worden; aber dafür stand er selbst jetzt machtiger da als je zuvor: er hatte im Jahre 53 die nach dem Aufstand des Ambiorix überall sich vorbereitenden Erhebungs- versuche rasch erstickt, die Trevirer wieder unterworfen, das Gebiet der Eburonen von Grund aus verwüstet, und noch ein- mal den Rhein überschritten. Dann hatte er auf einem Landtag in Durocortorum (Rheims) das Strafgericht über die Urheber der Empörung gehalten, den Carnuten Acco hinrichten lassen, seine Legionen in geschlossenen Massen in die am meisten ge- fährdeten Gegenden von der Mosel bis zur Seine ins Quartier gelegt. Der Widerstand Galliens schien definitiv gebrochen, die Unterwerfung vollendet; um so mehr mußte man in Rom mit ihm rechnen. Er selbst ging tür den Winter 53/52 in gewohnter Weise in die Cisalpina, um hier die Gerichtstage abzuhalten und

') Ascon. zu § 67 p. 52. Dieselbe Sitzung bei Dio 40, 50, 2 iX- Mvxot abxob ob soUfp Gowpov (nach der Aushebung) f£u> toö «ofiiripioo «pbi t«j> dt&Xfxp (xuxoö oüv fpoopq Y){rpoiad"f)oav. Cicero sucht § 65 f. die Wirkung dieses Verhaltens nach Möglichkeit zu entkräften. Das (Je rQcht behauptete, Milo habe bei Nacht auch das Haus Caesars ange- griffen (also die Regia): nemo audierat tarn celebri loco, nemo sen~ serat: tarnen audiebatur.

*) Dio 40, 50, 2 t. Meyer, Caesars Monarchie 15

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22G

Das Principat des Pompejus

zugleich die Entwicklung in Rom aus nächster Nähe zu beob- achten und nach Bedürfnis in sie einzugreifen1).

Die Krisis in Ro:n trat alsbald ein; Clodius' Ermordung am 18. Januar des römischen Kalenders fällt auf den 8. Dezember julianisch, also kurz nach Caesars Eintreffen s). Ob ihn Pompejus bei der Vornahme der Aushebungen selbst aufgesucht hat, wissen wir nicht; aber die Verhandlungen werden sofort eingesetzt haben. An sich konnte Caesar die Übernahme der dilatorischen Vollgewalt durch Pompejus keineswegs willkommen sein; seine Anhänger forderten denn auch, daß wie drei Jahre zuvor Crassus, so jetzt er mit Pompejus das Consulat übernehme3); der Dispens von der gesetzlichen Frist und die Kumulierung mit dem Pro- consulat würde alsdann bei beiden gleichmäßig erforderlich ge- wesen sein und ihnen auch äußerUch die gleiche überragende Stellung gewährt haben. Indessen das schlug den Intentionen des Pompejus geradezu ins Gesicht.

Und nun trat die Rückwirkung der römischen Ereignisse auf Gallien sofort verhängnisvoll hervor. Mit der äußersten Spannung hatte der durch das Strafgericht von Durocortorum aufs schwerste

') Dio 40, 82, 5 ahxb$ tc r»]v 'ItaXt'ay ttpotpasiv jitv c9j$ ixti TaXatiac tycx?, 3* dXfjW^ okcu( f*fT0^*v t0'< *v «4Xet ipu>fiivoi< bpsftptüj},

*) Daß er bei Clodius' Ermordung in Italien war, sagt er selbst bell. Gall. VII 1; aber die Geschäfte in Gallien müssen ihn noch bis in den Spätherbst dort festgehalten haben, vor dem julianischen No- vember kann er nicht nach Italien gegangen sein.

•) Dio 40, 50, 5 &K»8>poöytu»v *äv fiiv, <»« toxtdkwpa tiv rjofurf)ioy, t«Lv W. ü>« Kkqctov tiv Kouoopa alptd-rjvat <8«t>, und nachher: Pompejus wird tum alleinigen Consul ernannt tv«a b Kacoop a&t<p <jov«p;-ß. Sueton Caes. 26 egü cum tribunis plebis coüegam se Pompeio desti- nantibus verbindet diese Tendenz mit den später folgenden Vorhand* lungen durch die Tribunen. Ähnlich schließt Plut. Pomp. 56 die Ver- handlung an die Verlängerung der Statthalterschaft des Pompejus an, setzt sie also EU spät: ol fip Kaioapoc (plXo* taorqv ipxty Xaß6yrt{ 7]5to»v ttvi ysviadat xai Kaloapoc X^oy . . . 5j y&p &ttaf*tac &&ioy tly« tt>xtlv kxipa$, ?| «pooXaßciv rjj otpatti? xpövov, worauf das Gesetz Aber die ab- wesende Bewerbung folgt Vgl. Dio 40, 51 : Pompejus y oßfiOri«, ^kote usWj« X^f**? o5ot(« 6 Kaloip sx tt rrjs tiüv &ovdfitu>y xxl ix r9j< toö

kXVj&ouc QKoolvfi oovapx*0*' ^oJ^s veranlaßt das GeseU der Tribunen.

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Verhandlungen mit Caesar und Aufstand de« Vercingetorix 227

gereizte gallische Adel die Entwicklung verfolgt. Die Kunde von der Krisis in Rom verbreitete sich sofort über das ganze Land» überall mit den höchsten Erwartungen begrüßt: Caesar, so meinte man mit Recht, werde dadurch in Italien festgehalten werden, der Ausbruch des Bürgerkriegs schien unmittelbar be- vorzustehn, die Stinde der ersehnten Befreiung hatte geschlagen1). Die Camuten griffen zuerst zu den Waffen und erschlugen in Cenabum (Orleans) die römischen Kauflente und Agenten; und rasch ergriff der Aufstand das gesamte zentrale Gallien, vor« wiegend gerade diejenigen Stämme, die sich bis dahin der römi- schen Herrschaft gefügt hatten. In der Tat war es für Caesar ganz unmöglich, jetzt nach Gallien zu eilen, wie zwei Jahre zu- vor bei der Kunde von dem Aufstand der Eburonen; er mußte in Italien bleiben, und begab sich um der raschen Verbindung

') Caesar bell. Gall. VII 1 von Clodius' Ermordung und den an- schließenden Ereignissen: ea res in Oalliam Transalpinam celeriter perfertur; addunt ipsi et adfingunt rumoribus Qalli, guod res pos- cere videbatur, retineri urbano motu Caesarem neque in tantis dis- sensionibus ad exercitum venire posse. Die übliche unheilvolle Tren- nung «wischen äußerer und innerer Geschichte und die Vernachlässi- gung der Chronologie hat bewirkt, daß die hier vorliegenden Zu- sammenhänge, so augenfällig sie sind, ganz unbeachtet geblieben sind, und daß man Caesars zwar nicht geradezu verfälschter, aber durchaus tendenziös gefärbter und sorgfältig auf ihre politische Wirkung abge- stimmter Darstellung blindlings vertraut hat. Die Dimensionen, welche der Aufstand annahm, und die Organisation desselben durch Vercinge- torix waren nur dadurch möglich, daß den Galliern bis zu Caesars Er- scheinen frühestens Ende Februar julianisch (s. 8. 283, 2) zwei Monate Zeit gelassen waren. Mommsen K. G. III» 885 ff. hat das dritte Consulat des Pompejus nicht nur ganz einseitig, wie diese Dinge meist, darge- stellt, sondern in eine völlig falsche Beleuchtung gerückt und die zu- grunde liegenden Tendenzen sowohl des Pompejus wie die Caesars nicht erkannt. Der 8atz, mit dem seino Darstellung beginnt: „Die Herrscher (d. i. Caesar und Pompejus) kamen überein, eine wenn auch nur zeit- weilige Dictatur eintreten zu lassen*, ist eben so verkehrt und irre- führend, wie der 8chlußsatz, als Pompejus den Scipio zum Kollegen er- hebt: „Die Machthaber zeigten sich befriedigt*. Im nächsten Kapitel „Der Bruch der Gesamtherrscher* folgt denn auch S. 854 eine noch- malige Darstellung derselben Vorgänge, welche sie notgedrungen in ganz anderer Beleuchtung zeigt.

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228 Da» Principat des Pom pejus

willen nach Ravenna1) in die östlichste, Rom am nächsten ge- legene Grenzstadt seiner Provinz. Aber an die Übernahme des Consulats war nicht mehr zu denken; statt dessen war ihm die Aufgabe gestellt, sein Reich wiederzuerobern, das sich inzwischen in ein gallisches Reich unter dem Arvernerhäuptling Veroingetorix umzuwandeln im Begriff war.

So galt es, für Caesar ein Äquivalent zu finden, das ihn für die von Pompe jus beanspruchte Ronzession entschädigte und seine Zukunft sicherte, und zugleich diesem den Druck zur Ver- fügung stellte, den Caesar noch immer auf Rom ausübte. Über dies Äquivalent ist lange gefeilsoht worden. Caesars Anerbieten, durch neue Verschwägerungen das alte Bündnis zu bekräftige!) Pompejus sollte Caesars Großnichte Octavia heiraten, die mit C. Marcellus vermählt war, Caesar wollte sich von Calpurnia scheiden und Pompejus' Tochter, bisher die Gemahlin des Faustus Sulla, heiraten8) lehnte Pompejus ab; damit gab er deutlich zu erkennen, daß er für die Zukunft nioht gebunden sein wollte. Schließlich einigte man sich darauf, daß Caesar gestattet sein solle, sich nach Ablauf des gesetzlichen zehnjährigen Intervalls für das Jahr 48 abwesend um das Consulat zu bewerben, wobei die selbstverständliche Voraussetzung war, daß er seine Pro- vinzen bis zum Ende des Jahres 49 behalten werde; ein dahin- gehendes Gesetz sollte von allen zehn Tribunen eingebracht, seine Annahme durch Pompejus gesiohert werden. Auf Pompejus' Veranlassung ging Cicero nach Ravenna, um mit Caesar zu ver- handeln; ihm gegenüber verbürgte er sich für das Verhalten des Tribunen Caelius, des einzigen, von dem eventuell eine Inter- ce8sion zu befürchten war3).

>) Cic. AM. VII 1. 4 (*. u. A. 3). Florue I 45, 22 bei Vercingetorix' Aufstand: absens erat tutic Caesar Ravennae dilectwn agens.

*) Sueton Caes. 27 ad retinendam autem Pompei necessitudinem ac voluntatem Octaviam sororis sitae nepotem, quae Oaio Marcello nupta erat, condicionem ei detulit, sibique filiam eius in matri- monium petit Fausto Sxülae destinatam [in Wirklichkeit war sie schon mit diesem, dem Schwager Milos, vermählt Drümann IV1 592].

J) Cic. ad AU. VII 1, 4 (16. Oktober 50) im Anschluß an die Frage, ob bei eleu bevorstehenden Verhandlungen der Anspruch auf abwesende

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Pompejus alleiniger Consol

229

Nachdem man sich endlich geeinigt hatte, kamen die Dinge in raschen Fluß. Natürlich waren, wie später bei der Über- tragung des Principats an Augustus, für die entscheidende Senats- sitzung die Maßregeln im voraus festgelegt und die Rollen ver- teilt. Bibulus stellte den Antrag, den Pompejus zwar nicht zum Dictator mit diesem Titel waren durch Sullas Regiment zu häßliche Erinnerungen verknüpft, so daß er allgemein verab- scheut wurde , wohl aber zum alleinigen Gonsul zu erwählen. Cato sekundierte , zur großen Überraschung der Nichtein- geweihten: er habe zwar einen derartigen Antrag selbst nicht stellen können, aber er stimme zu; denn jedes Regiment sei besser als die Anarchie, und von Pompejus dürfe man erwarten, daß er die ihm anvertraute Stellung besser als irgend ein andrer verwalten uud das Gemeinwesen wieder in geordnete Verhält- nisse überführen werde. Der Beschluß wurde angenommen, der die Coraitien anwies, den Pompejus und zwar ihn allein zum Consul zu wählen, und die Klausel hin zu fügte, daß Pompejus nicht befugt sein solle, vor Ablauf von zwei Monaten sich einen Kollegen wählen zu lassen, falls das sich als wünschenswert er- weisen sollte1).

Darauf wurde Pompejus am 24. des Intercalaris, dem 5. Februar julianisch, von deu Comitien unter Leitung des Interrex Servius Sulpicius gewählt und trat sein Amt sofort an1). Durch den Wegfall der Kollegialität war wie beim Dictator

Bewerbung anerkannt werden solle: quid dicam? . . . contra Caesarem? ubi sunt Ulae tensae dexterae? nam ut Uli hoc liceret, adiuvi, ro- gatus ab ipso Ravennae de Caelio tribuno pl., ab ipso autem? etiam a Gnaeo nostro in ülo divino tertio consulatu. Diese glücklich er- haltene Notiz, wirft ein helles Schlaglicht auf die Situation und die Vorgänge hinter den Kulissen. Baß Cicero in der zweiten Philippica 24 sagt . er habe Pompejus geraten ne paieretur ferri, ut absentis eins (Caesaris) ratio haberetur, mag formell richtig sein; aber wie der Brief an Atticus zeigt, hat er sich gefügt und mitgewirkt.

') Plut. Pomp. 54 = Cato 47. App. II 28, 84. Dio 40, 50, 4. Ascon. p. 87. Sueton Caes. 26 cum sencUus unum consulem nominatimque Gnar-um Pompeium fteri censuisset.

*( VKal. Mart. Mense Intercalario Ascon. p. 37. Liv. ep. 107 a senatu consul tertio factus est absens et solus; er blieb eben vor

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Dm Principat des Pompeji!«

und beim König die gesamte Amtsgewalt der Republik in seiner Hand vereinigt. Daß er sie im Sinne des Senats und der Nobilität führen werde, bekräftigte er dadurch, daß er den Cato sofort zu sich in seine vorstädtische Wohnung lud und ihn bat, ihn auf alle Weise mit Rat und Tat zu unterstützen. Cato suchte in seiner Antwort die eingenommene Haltung zu wahren : privatim werde er, wenn befragt, bereitwillig Rat erteilen, aber so wenig er früher aus persönlicher Feindschaft dem Pompejus opponiert habe, sondern nur um des Staatswohls willen, so wenig könne er jetzt ihm zu Gefallen reden; für die öffentlichen Verhand- lungen müsse er sich seine Unabhängigkeit vorbehalten1). Gleich darauf, am 26. Intercalaris*), stellte Pompejus im Senat zwei neue Gesetze zur Diskussion, ein Spezialgesetz für die Untersuchung und Bestrafung der Mordtat auf der Via Appia, des Brandes der Curie und des Angriffes auf das Haus des Interrex Lepidus, ein anderes umfassendes gegen die Wahlumtriebe; in beiden Ge- setzen wurde das Prozeßverfahren verkürzt, das Zeugenverhör auf drei Tage beschränkt, der Unfug der Charakterzeugen ver- pönt und die Schlußverhandlung auf einen einzigen Tag zu- sammengedrängt, der Anklage zwei, der Verteidigung drei Stunden zur Verfügung gestellt. Die Aufstellung des 360 Nameu umfassenden Richteralbums wurde ausschließlich in die Hände des Pompejus gelegt, als des einzigen zurzeit vorhandenen Oberbeamten; denn Praetoren gab es noch nicht wieder. Für jeden Prozeß sollten 81 Richter ausgelost werden, von denen die Parteien je fünf aus jedem der drei Stände ablehnen durften, so daß der Gerichtshof aus 51 Richtern gebildet wurde. Der Untersuchungsrichter für die Mordtat sollte dagegen von den

der Wahl außerhalb des offisiellen, staaterechtlichen Stadtbeiirk* , in dem sonst der Kandidat anwesend sein maßte. ') Plat. Cato 48 = Pomp. 54.

") deinde post diem tertium (nach der Wahl) de legibus novit ferendis rettulit, Ascon. p. 37. Das ist nach gewöhnlicher Ausdrucks- weise zwei Tage nachher, also am 26.; der Beschlaß des Senate erfolgte nach Ascon. zu § 14 pridie Kai. Mari., also am folgenden Tage, dem '27. Interc. Magni Pompei in teriio consulatu extat edictum in tumulht necis Clodianae proiiibaniis uüum telum esse in urbe. Plin. 84, 189.

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Pompejus' Gesetze über die Gerichte und die Wahlen 231

Comitien aus den Consularen gewählt werden1). Die Verhand- lung führte zu erregten Diskusaionen. Der Tribun Caelius er- klärte die Maßregeln für ein Auanahmegesetz {Privilegium) gegen Milo und wollte intercedieren, bis schließlich Pompejus erklärte, wenn man ihn zwinge, werde er zur Verteidigung des Staats zu den Waffen greifen2). Hortensiua hielt ein neues Gesetz für über- flüssig; es genüge ein Verfahren außerhalb des Turnus [extra ordinem) vor dem Untersuchungsrichter, aber auf Grund der bestehenden Gesetze. Der Senat war am 27. Intercalaris bereit, darauf einzugehn; aber auf die Forderung des Q. Fufius Calenus, eines eifrigen Anhängers des Caesar und Clodius (oben 8. 81), wurde der Antrag zerlegt, das außerordentliche Verfahren beschlossen, der zweite Teil, die Beibehaltung der bisherigen G setze, durch Intercession des Phncus und Sallust zu Fall gebracht. So blieb dem Senat nichts übrig, als der Forderung des Pompejus zuzu- stimmen; zugleich wurde erklärt, daß die Mordtat und die an- schließenden Ereignisse das Staatsinteresse geschädigt hätten {contra rempuMicam esse facta)9)

') Ascon. p. 37. 40 (vgl. zu § 14). Dio 40, 52. Plut. Pomp. 55 tat« 8lxai<; tü»v 8u>poSoxi&v xal 3txaau,d»v iiciCTa< xal vojtou; ipätyix<;, xa&* o&s al xptottc iftvovto = App. II 28, 87 oixae tcpoim'ftti täv te &\\io> iaap^fidtTtöv xal uaXtara 9copo8oxfat xal 3ixaou.oü. Bei Ascon. p. 39 hat Mommsen, Staatsrecht II ' 647, 2 (II ' 646, 3) die Emendation album (cod. aliorum) quoque iudicum, qui de ea re iudicarent, Pompcius tote (cod. tales) proposuit, ut nunquam neque clariores viros neque sanetiores proposilos esse constaret mit Unrecht bestritten : vgl. Cic. pro Mil. 21. 105. fam. VII 2. 8. Plut, Pomp. 55. Dio 40, 52, 2. Mommskn will seltsamerweise nachweisen . daß der Quaesitor zugleich als Richter mitgestimmt habe. Die 51 Richter waren so verteilt, daß 18 Sena- toren, 17 Ritter, 16 Aerartribunen den Gerichtshof bildeten (Ancon. p. 58. 54); so kam der Vorrang des Senat» zum Ausdruck.

*) Ascon. p. 87.

*) Cic. pro Mil. 12 ff., dem dieser Beschluß, für den er doch selbst gestimmt hat (ego ipse decrevi), natürlich sehr unangenehm ist, und dazu Asconius zu § 14. Am nächsten Tage, dem 1. Marz, berichtete Plancns Ober diese Vorgange in einer Volksversammlung. In derselben Versammlung behauptete Plancus, Milo habe nach der Mordtat vier freie Männer , die vorüberkainen , festgenommen und zwei Monate lang (vom 18. Januar = 8. Dezember jul. bie 1. Mftrz = 9. Februar jnl.) in

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Das Prinoipat des Pompejus

Auch das Gesetz über die Wahlumtriebe fand starken Wider- spruch. Poxnpejus hatte ihm rückwirkende Kraft für alle Wahlen bis «u seinem ersten Consulat im Jahre 70 hinauf verliehn. Cato erklärte sich dagegen, man solle das Vergangene ruhn lassen und statt dessen für die Zukunft sorgen; es werde damit, wie er mit Recht betonte, nur unendlichen Prozessen der Spielraum eröffnet, und es sei unbillig, ein verschärftes Strafgesetz auf Zeiten anzuwenden, wo es noch nicht bestand1). Schwerer fiel der Einwand der Anhänger Caesars ins Gewicht, daß auch dessen Consulat in diesen Zeitraum falle; Pompejus wies das mit wohl- gespielter Entrüstung ab: Caesar sei über jeden Verdacht er- haben, überdies falle ja auch sein eigenes zweites Consulat unter das Gesetz9).

Schließlich wurden beide Gesetze vom Senat angenommen und promulgiert; die Annahme durch die Comitien wird unter Wahrung der gesetzlichen Frist des Trinundinum frühestens am 18. März (26. Februar julianisch) erfolgt sein. Unmittelbar darauf wurde zum Untersuchungsrichter für den Mordprozeß L. Domitius Ahenobarbus gewählt*), der bisher die Machthaber so eifrig be- kämpft hatte; auch darin trat, da die Wahl natürlich von Pom- pejus bewirkt war, die Umgruppierung der Parteien zutage. Die Leitung der Wahlprozesse erhielt Aulus Torquatus. Vor beiden Untersuchungsrichtern wurde die Anklage gegen Milo erhoben, und der Beginn des ersten Prozesses auf den 4. April angesetzt*).

Offenbar gleichzeitig mit den Gesetzen des Pompejus haben die Tribunen den Antrag für Caesar eingebracht. Cato opponierte

seiner Villa gefangen gehalten. Ein wegen Mordtaten verdächtiger Sklave Milos, Galatas. war von den triumviri capitales festgenommen, wurde aber durch die Tribunen Caelius und Manilius Cumanus befreit und an Milo zurückgegeben, Ascon. p. 38.

') Plut. Cato 48.

*) Appian II 23.

•) Ascon. p. 89 perlata deinde lege Pompeia . . . statim comitia habita , creatusque est L. Domitius Ahenobarbus quaesitor. Cic pro

Mil. 22.

*) Ascon. p. 40. Die Quaesitores für andere Gerichtshöfe bei Ascon. p. 54. darunter der gewesene Aedil Pavonius.

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Gesetz der Tribunen für Caesar. I>er gallische Aufstand 233

auch hier und suchte das Gesetz durch Obstruktionsreden zu Kall zu bringen: wenn Caesar seinerzeit ein zweites Consulat wünsche, solle er, wie es sich gehöre, nach Niederlegung seiner Statthalterschaft als Privatmann nach Rom kommen und sich darum bewerben. Aber Pompejus war gebunden und setzte die Annahme durch ; er erklärte, einen Brief Caesars erhalten zu haben, in dem dieser den Wunsch ausspreche, einen Nachfolger zu er- halten und die Feldzüge loszuwerden; es sei aber billig, ihm das Privileg der abwesenden Bewerbung zu gewähren1).

Caesar hat jedenfalls die Wahl des Pompejus, wahrschein» lieh auoh noch die Annahme des Gesetzes der Tribunen in Italien abgewartet. Dann eilte er, frühestens Ende des julianischen Februar, über die Alpen*). Es war die höchste Zeit; denn

') Plut. Pomp. 56, der dann die Erzählung abbricht and mit den Worten oöx i'ipnas, äXX' ofov •^Tvridtls 6 riojAifmo^ uicoicto; vjv jjl&XXov uiv i'fp6v»t n*pl Kato-xpo; mit einem großen Spränge unmittelbar zu den Vorgängen des Jahres 50 übergeht. Caesar (bell. civ. I 82) sagt im Senat im März 49 latum ab X tribunis plebis contradicentibus ini- micis, Catone vero acerrime repugnante et pristina consuetudine dicendi mora dies extrahente, ut sui ratio absentis haberetur, ipso consxde Pompeio; qui si improbasset , cur ferri passus esset? Liv. «•p. 107. Sueton Caes. 26. Dio 40, 51. Cic. ad Att. VIII 3, 3 idem (Pom- neius) etiam tertio consulatu, postquam esse defensor reipublicae voepil, contendit, ut decem tribuni pl. ferrent, ut absentis ratio habe- retur; VII 8. 4 cur tanio opere pugnatum est, ut de eins absentis ratione habenda decem tribuni pl. ferrent? vgl. VII 1, 4 oben S. 229, 1. Dio 40, 51 bringt das Gesetz an richtiger Stelle, nach Pompejus* Antritt; Appian II 25, 96 berichtet es erst nach der Verurteilung Milos und der Demokraten . die zu Caesar geflohn seien und ihn vor Pom- pejuB gewarnt hätten; daß e* in weit frühere Zeit gehört, hat zuerst wohl Nissen , Hist. Z. 46, 1881, 59 ff. ausgesprochen. Bei Appian wird es offenbar mit den an Pompeius' Gesetz de iure magistratuum an- knüpfenden Verhandlungen zusammengeworfen.

z) Bell. Gall. VII 6 his rebus (Vercingetorix Maßnahmen) in Italiam Caesari nuntiatis, cum iam ille urbanas res virtute (■n. Pompei commodiorem in statum pervenisse inleUegeret, in Trans- alpinam GaUiam profecttis est. Caesar möchte den Anschein erwecken, als sei er sofort auf die Kunde von dem Aufstand nach Gallien geeilt und hat diese Wirkung auch in den neueren Darstellungen überall er- reicht, man hat es eben versäumt, zwischen den Zeilen zu lesen; dazu

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Das Principat des IVnpejus

inzwischen hatte Yeroingetorix den Aufstand überall organisiert, ja er konnte bereits an einen Angriff auf die röraisohe Provinz und ihre Hauptstadt Narbo denken1). Die Lage war so bedenk- lich, daß Caesar die Frage erwog, ob er nicht die Legionen zum Schutz der Provinz heranziehn und damit tatsächlich alle seine Eroberungen einstweilen preisgeben müsse*); er entschied sich aber doch, zumal er die Legionen auf dem Marsch einem Angriff der Feinde ausgesetzt haben würde, statt dessen nach Ergreifung der dringendsten Schutzniaßregeln für die Provinz in die Winterquartiere zu seinen Truppen zu eilen und trotz der ungünstigen Jahreszeit sofort den Feldzug gegen die In- surgenten zu beginnen.

Während Caesar den schweren Kampf gegen die Gallier führte, ging in Rom der Prozeßkrieg seinen Gang. Pompejua wünschte natürlich die Verurteilung Milos, nicht aus rechtlichen Gründen, obwohl seine Schuld offenkundig war, sondern aus politischen. Denn die Zeiten, wo er ihn, im Kampf mit Clodius, als Gehilfen benutzt hatte, waren längst vorbei, mit Clodius hatte er sich versöhnt, und Caesar verlangte Milos Bestrafung; vor allem aber war dieser ein rücksichtsloser Agitator, der mit seinen Banden vor nichts zurückschreckte, eben so schlimm wie Clodius und die wildesten Anarchisten. Daß er sich, im Gegen- satz zu diesen, der Nobilität zur Verfügung gestellt hatte und deren Führer ihn zu halten suchten und den Mord als segena-

kommt die oft nicht genügend beachtete Abweichung des damaligen römischen Kalenders vom julianischen. Daß in Wirklichkeit Caesar, nachdem er die erste Kunde von dem Aufstand erhalten hatte, noch lange in Italien festgehalten war, verrat sich in dem Satz VII 9, 4, daß er in Vienna die Reiterei zu sich nimmt, quem multis ante diebus eo praemiserat. - Bei Caesars Ankunft in Frankreich liegen die Ce- vennen noch in tiefem Schnee (VII 8), es ist noch Winter (reliquam partem hiemis VII 10, 1), der erst mit der Einnahme von Avaricum bu Ende geht (VII 82 iam prope hieme confecta, cum ipso omni tem- pore ad gerendum bellum vocaretur); Avaricum wird also etwa gegen Knde April julianiBch, d. i. nach Mitte Mai nach römischem Kalender, erobert worden sein.

') Bell. Gall. VII 5, 7.

*) Bell. Gall. VII 6.

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Verurteilung Milos

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reich für den Staat priesen so redete Cato, und sein Neffe Brutus hat nachher eine Verteidigungsrede für Milo geschrieben, in der er sich in diesem Sinne offen zu seiner Tat bekannte1) , inachte seine Beseitigung nur um so notwendiger; nimmermehr durfte Pompe jus zulassen, daß er sich doch noch das Consulat gewann. Er hielt daher weiter die Fiktion aufrecht, daß Milo ihm nach dem Leben trachte, blieb meist in seinem Gartenhaus, geschützt durch eine starke Truppenschar, und entließ einmal vorzeitig den Senat, weil er ein Attentat Milos fürchte; in der nächsten Sitzung behauptete Cornificius, einer der Ankläger Milos, dieser trage eine Waffe unter der Tunica, worauf Milo sich entblößte und die Unwahrheit der Beschuldigung nachwies*). Bei dem Prozeß auf dem Forum nahm Pompejus in Hörweite3) gegenüber beim Aerarium Platz, von einer starken Besatzung umgeben, und sorgte, als beim Beginn des Zeugenverhörs am 4. April der Pöbel ein wüstes Geschrei erhob, für Ruhe und ordnungsmäßigen Verlauf der Verhandlung. Dus Zeugenverhör dauerte dem Gesetz gemäß drei Tage; dann folgte am 8. die Auslosung der Geschworenen und die Plädoyers. Für diesen Tag hatte Pompejus das Truppeuaufgebot noch verstärkt und alle Tempel besetzen lassen'); aber Plancus hatte tags zuvor die Menge aufgefordert, in Masse zu erscheinen und nicht zu dulden, daß Milo ihnen entschlüpfe8). Als dann Cicero, durch Milo vor- sichtig erst im letzten Moment in einer Sänfte herbeigeführt,

') Ascon. p. 42 und schol. Bob. pro Mil. argum. Quintil. III 6, 93. X 1, 28. 5, 20 (Meter, Orat. Rom. fragmenta p. 447). Cicero §§ 72 ff. fahrt diesen Gedanken als Fiktion aus, der leider der Wahrheit nicht ent- spreche: de motte Clodii, si tarn noliem ita diluere crimen ut düui, tarnen impune Miloni palam clamare ac mentiri gloriose liceret: occidi, occidi non Sp. Maelium . . non Tiberinm Oracchum . . ., sed eum änderet enim dicere, cum patriam periculo suo liberaaset . cuius nefandum adulierium cet. Vgl. § 6.

*) Cic. pro Mil. 66 f. Ascon. p. 37 f. und p. 39 init.

*) Cic. pro Mil. 67 Ol. Pompei, te enim iam appeilo, et ea voce, tU me exaudire possis, vgl. 71.

*) Cic. pro Mil. 2. 71. 101.

sf Cic. pro Mil. 3. 71. Plut. Cic. 35.

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Dm Principat des Pompejus

seine Rede beginnen wollte, erhob sich ein wüstes Geschrei, so <UQ die Truppen einschreiten mußten und es zu Blutvergießen kam1). Dies, sowie der ungewohnte Anblick der Soldaten brachte ihn so in Verwirrung, daß er alle Haltung verlor und von der schön vor- bereiteten Rede kaum etwas zusammenhanglos und stammelnd vorbringen konnte2;. Milo wurde mit großer Majorität verurteilt1); tinter den wenigen Freisprechenden war zweifellos Cato, der seine Abstimmung offen gezeigt haben soll4). Milo ging ins Exil nach Massalia, ohne sich bei den weiteren Prozessen zu stellen ; so wurde er auch wegen Wahlumtriebe, wegen unerlaubter Clubs und nochmals wegen Gewalttat verurteilt. Seine Vermögensverhältnisse waren so zerrüttet, daß bei dem Verkauf seines Besitzes die Gläubiger von den 70 Mill. Sestertien Schulden, auf die er es glücklich gebracht hatte, nur den vierundzwanzigsten Teil (4l'j,%) erhielten4).

«) Dio 40, 53.

*) Plut. Cic. 53. Dio 40, 54. Ascon. p. 42 Üaque non ea qua solitus erat constantia dixit. mattet autein illa quoque excepta eius oratio; und scharfer schol. Bob. argum. in Mil. exstat alius praeterea Uber actorum pro Milone, in quo omnia interrupta et inpolita et rudia, plena denique maximi terrorig agnoscas. Quint IV 3. 17. Die viel- gepriesene Rede pro Milone ist in Wirklichkeit ein traurig nachhinken- des Produkt der Studierstube, mit dem er sich herauszureißen suchte, als nicht« mehr gut zu machen war. Vgl. Milos bekannten Spott (Dio 40, 54), er sei dankbar, daß Cicero diese Rede nicht gehalten habe, denn sonst würde er jetzt nicht in Massalia so schöne Seebarben essen. Auf die geschriebene, nicht auf die wirklich gehaltene Rede bezieht sich Cicero de opt. gen. or. 10 si eodem modo putant exeicitu in foro ei in omnibus templis, quae circum forum sunt, conlocato dici pro Milone deeuisse, ut si de re privata ad unum iudicem diceremus, vim eloquentiae sua facultate, non rei natura metiuntur. Daß Milos Sache faul war, wußte er selbst sehr gut: ad Att. IX 7, 8.

') Ascon. p. 58: 12 gegen 6 Senatoren. 18 gegen 4 Ritter, 18 gegen 8 Aerartribunen.

*) Ascon. p. 58. Velleius II 47, 5.

') Ascon. p. 54 bona eiuspropteraerisalienimagnitudinemsemuncia venierunt. Das Verständnis dieser Angabe, die ich in der ersten Auf- ing« gunx falsch aufgefaßt hatte, verdanke ich E. Seckel: .Die bonorum venditio fuhrt zur (praetorischen) üniversalsuccession des bonorum emptor, also «um Erwerb des Vermögens mit den Aktiven und Passiven.

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Verurteilungen der Demokraten und Anarchisten

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Wenn bei Milo Pompejus die Verurteilung gegen die Nobilität durchsetzte, so verliefen die übrigen Prozesse ganz nach deren Wunsche. Sauf ejus, der die Bande Milos bei der Mordtat ge- führt hatte, wurde zweimal freigesprochen, dagegen Sextus Clodius, der die Leiche des Volksmanns in die Curie gebracht hatte, mit allen gegen fünf Stimmen verurteilt, und ebenso viele andre Godianer1). Dasselbe Schicksal traf den Hypsaeus, den bisherigen Kandidaten des Pompejus, den dieser jetzt kühl fallen ließ, und von den Bewerbern des Vorjahrs den Memmiue und den Soaurus; bei letzterem, der durch seine Spiele die Volks- gunst gewonnen hatte, mußten Pompejus' Soldaten gegen die Menge einschreiten, die die Niederschlagung des Prozesses oder die Freisprechung forderte. Als dann aber Memmius den Metellus Scipio wegen Wahlumtriebe anklagte, um dadurch, nach einer Bestimmung des pompejischen Gesetzes, selbst seiner Strafe ledig zu werden, nahm Pompejus den Angeklagten, dessen Tochter Cornelia er gleich nach Antritt seines Consulats geheiratet hatte*), in Schutz: er legte Trauergewand an und lud die Richter z'i sich, um sie zu gewinnen, so daß Memmius die Klage als aus- sichtslos fallen ließ3). Zu Ende des Jahres, nach Ablauf ihres

Der sogenannte Kaufpreis besteht nicht in einer festen, an den Konkurs- verwalter (magister) zu zahlenden Summe, sondern in Prozenten, welche die Konkursgläubiger auf ihre Forderungen gegen den bonorum emptor von diesem zu bekommen haben , hier also 4 '/• 0 o des Nominalbetrags ihrer Forderungen." Daß Milos Schulden sich auf die ungeheure Summe von 70 Mill. beliefen, berichtet Plin. 86, 104. Sein Aktivvermögen wird mithin von dem Massenkänfer für rund 3 Mill. (genauer wäre 2,96r>666; aber die 70 Mill. sind offenbar abgerundet) übernommen, und wird etwas höher gewesen sein, da das Entgelt für Mühe und Risiko sowie der Unter- nehmergewinn des emptor hinzuzurechnen ist. Milos Schulden gingen noch weit Ober die Caesars (S. 5P. 1) hinaus. Von den anschließenden Geschäften ist in Ciceros Briefen an Atticus noch mehrfach die Redl? (V 8, 2. VI 4. 5. 7), ebenso Caelius ad fam. VIII 8, 2.

') Ascon. p. 55 multi praeterea et praesentes et cum eitati non respondutsent, damnatt sunt ; esc quibtts maxima parsfuü Clodianorum.

*) Flut. Pomp. 55 gibt das Datum.

*) Aufzählung der Prozesse bei Appian II 24 (natürlich hat es da- neben noch manche andere gegeben}. Hypsaeus und Scipio auch Plut. Pomp. 55. Dio 40, 58. Val. Max. IX 5, 3.

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Dus Principat des Pompejus

willen nach Ravenna1) in die östlichste, Rom am nächsten ge- legene Grenzstadt seiner Provinz. Aber an die Übernahme des Consulats war nicht mehr zu denken; statt dessen war ihm die Aufgabe gestellt, sein Reich wiederzuerobern, das sich inzwischen in ein gallisches Reich unter dem Arvernerhäuptling Vercingetorix umzuwandeln im Begriff war.

So galt es, für Caesar ein Äquivalent zu finden, das ihn für die von Pompejus beanspruchte Konzession entschädigte und seine Zukunft sicherte, und zugleich diesem den Druck zur Ver- fügung stellte, den Caesar noch immer auf Rom ausübte. Uber dies Äquivalent ist lange gefeilscht worden. Caesars Anerbieten, durch neue Verschwägerungen das alte Bündnis zu bekräftigen Pompejus sollte Caesars Großnichte Octavia heiraten, die mit C. Marcellus vermählt war, Caesar wollte sich von Calpurnia scheiden und Pompejus' Tochter, bisher die Gemahlin des Faustus Sulla, heiraten») - lehnte Pompejus ab; damit gab er deutlich zu erkennen, daß er für die Zukunft nicht gebunden sein wollte. Schließlich einigte man sich darauf, daß Caesar gestattet sein solle, sich nach Ablauf des gesetzlichen zehnjährigen Intervalls für das Jahr 48 abwesend um das Consulat zu bewerben, wobei die selbstverständliche Voraussetzung war, daß er seine Pro- vinzen bis zum Ende des Jahres 49 behalten werde; ein dahin- gehendes Gesetz sollte von allen zehn Tribunen eingebracht, seine Annahme durch Pompejus gesichert werden. Auf Pompejus' Veranlassung ging Cicero nach Ravenna, um mit Caesar zu ver- handeln; ihm gegenüber verbürgte er sich für das Verhalten des Tribunen Caelius, des einzigen, von dem eventuell eine Iuter- cession zu befürchten war3).

') Cic, Att. Vn 1,4 (s. o. A. 3). Florus I 45, 22 bei Vercingetorix' Aufstand: absens erat Urne Caesar Ravennae dileetwn agens.

*) Sueton Caes. 27 ad retinendam autem Ponipei necessitudinem ac voluntatem Octaviam sororis sitae nepotem, quae Oaio Marcello nupta erat, condicioneni ei detulii, sibique flliam eius in matri- monium pelit Fausto Sttllae destinatam [in Wirklichkeit war sie schon mit diesem, dem Schwager Milos, vermählt Drümah» IV* 592].

■) Cic. ad Att. VII 1, 4 (16. Oktober 50) im Anschluß an die Frage, ob bei den bevorstehenden Verhandlungen der Anspruch auf abwesende

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Pompejus alleiniger Consul

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Nachdem man sich endlich geeinigt hatte, kamen die Dinge in raschen Fluß. Natürlich waren, wie später bei der Über- tragung des Principats an Augustus, für die entscheidende Senats- sitzung die Maßregeln im voraus festgelegt und die Rollen ver- teilt. Bibulus stellte den Antrag, den Pompejus zwar nicht zum Dictator mit diesem Titel waren durch Sullas Regiment zu häßliche Erinnerungen verknüpft, so daß er allgemein verab- scheut wurde , wohl aber zum alleinigen Consul zu erwählen. Cato sekundierte , zur großen Überraschung der Nichtein- geweihten: er habe zwar einen derartigen Antrag selbst nicht stellen können, aber er stimme zu; denn jedes Regiment sei besser als die Anarchie, und von Pompejus dürfe man erwarten, daß er die ihm anvertraute Stellung besser ab irgend ein andrer verwalten und das Gemeinwesen wieder in geordnete Verhält- nisse überführen werde. Der Beschluß wurde angenommen, der die Comitden anwies, den Pompejus und zwar ihn allein zum Consul zu wählen, und die Klausel hinzufügte, daß Pompejus nicht befugt sein solle, vor Ablauf von zwei Monaten sich einen Kollegen wählen zu lassen, falls das sich als wünschenswert er- weisen sollte1).

Darauf wurde Pompejus am 24. des Intercalaris, dem 5. Februar julianisch, von den Comitien unter Leitung des Interrex Servius Sulpicius gewählt und trat sein Amt sofort an2). Durch den Wegfall der Kollegialität war wie beim Dictator

Bewerbung anerkannt werden solle: quid dicam? . . . contra Caesarem? tibi sunt Mae tensae dexterae? nam ut Uli hoc liceret, adiuvi, ro- gatus ab ipso Ravennae de Caeiio tribuno pl., ab ipso autem ? etiam a Onaeo nostro in Mo divino tertio consulatu. Diese glücklich er- haltene Notiz wirft ein hellet» Schlaglicht auf die Situation und die Vorgänge hinter den Kulissen. Daß Cicero in der zweiten Philippica 24 sagt . er habe Pompejus geraten ne pateretur ferri, ut absentia eins (Caesaris) ratio haberetur, mag formell richtig sein; aber wie der Brief an Atticus zeigt, hat er sich gefugt und mitgewirkt.

') Plut. Pomp. 54 = Cato 47. App. II 28. 84. Dio 40, 50. 4. Ascon. p. 87. Sueton Caes. 26 cum senatus unum consulem noininatimque Qmv um Pompeium fleri censuisset

*, VKal. Mart. Mense Intercalario Ascon. p. 37. Liv. ep. 107 a stnatu consul tertio f actus est absens et solus; er blieb eben vor

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Das Principat des Pompajua

und beim König die gesamte Amtsgewalt der Republik in seiner Hand vereinigt. Daß er sie im Sinne des Senats und der Nobilität führen werde, bekräftigte er dadurch, daß er den Cato sofort zu sich in seine vorstädtische Wohnung lud und ihn bat, ihn auf alle Weise mit Rat und Tat zu unterstützen. Cato suchte in seiner Antwort die eingenommene Haltung zu wahren : privatim werde er, wenn befragt, bereitwillig Rat erteilen, aber so wenig er früher aus persönlicher Feindschaft dem Pompejus opponiert habe, sondern nur um des Staatswohls willen, so wenig könne er jetzt ihm zu Gefallen reden; für die öffentlichen Verhand- lungen müsse er sich seine Unabhängigkeit vorbehalten1). Gleich darauf, am 26. Intercalaris*), stellte Pompejus im Senat zwei neue Gesetze zur Diskussion, ein Spezialgesetz für die Untersuchung und Bestrafung der Mordtat auf der Via Appia, des Brandes der Curie und des Angriffes auf das Haus des Interrex Lepidus, ein anderes umfassendes gegen die Wahlumtriebe; in beiden Ge- setzen wurde das Prozeßverfahren verkürzt, das Zeugenverhör auf drei Tage beschränkt, der Unfug der Charakterzeugen ver- pönt und die Schluß Verhandlung auf einen einzigen Tag zu- sammengedrängt, der Anklage zwei, der Verteidigung drei Stunden zur Verfügung gestellt. Die Aufstellung des 360 Nameu umfassenden Richteralbums wurde ausschließlich in die Hände des Pompejus gelegt, als des einzigen zurzeit vorhandenen Oberbeamten; denn Praetoren gab es noch nicht wieder. Für jeden Prozeß sollten 81 Richter ausgelost werden, von denen die Parteien je fünf aus jedem der drei Stände ablehnen durften, so daß der Gerichtshof aus 51 Richtern gebildet wurde. Der Untersuchungsrichter für die Mordtat sollte dagegen von den

der Wahl anßerhalb des offiziellen, staatsrechtlichen Stadtbek , in dem sonst der Kandidat anwesend sein maßte. ') Plat. Cato 48 = Pomp. 54.

*) deinde post dient tertium (nach der Wahl) de legibus novis ferendis rettulit, Ascon. p. 87. Das ist nach gewöhnlicher Ausdrucks- weiae zwei Tage nachher, also am 26.; der Beschluß des Senat« erfolgte mich Ascon. zu § 14 pridie Kai. Mart., also am folgenden Tage, dem '27. Interc. Magni Pompei in teriio consulatu exiat edictum in tuvtuUu necis Clodianae prohibanüs uUum telum esse in urbe. Plin. 84, 13«.

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Pompeja»' GeeeUe Ober die Gerichte and die Wahlen 231

Comitien aus den Consularen gewählt werden1). Die Verhand- lung führte zu erregten Diskussionen. Der Tribun Caelius er- klärte die Maßregeln für ein Ausnahmegesetz (privüegium) gegen Milo und wollte intercediereu, bis schließlich Pompejus erklärte, wenn man ihn zwinge, werde er zur Verteidigung des Staats zu den Waffen greifen2). Hortensius hielt ein neues Gesetz für über- flüssig; es genüge ein Verfahren außerhalb des Turnus {extra ordinem) vor dem Untersuchungsrichter, aber auf Grund der bestehenden Gesetze. Der Senat war am 27. Intercalaris bereit, darauf einzugehn; aber auf die Forderung des Q. Fuf ins Calenus, eines eifrigen Anhängers des Caesar und Clodius (oben S. 81), wurde der Antrag zerlegt, das außerordentliche Verfahren beschlossen, der zweite Teil, die Beibehaltung der bisherigen G. setze, durch Intercession des Plancus und Sillust zu Fall gebracht. So blieb dem Sanat nichts übrig, ab der Forderung des Pompejus zuzu- stimmen; zugleich wurde erklärt, daß die Mordtat und die an- schließenden Ereignisse das Staatsinteresse geschädigt hätten (contra remjntblicam esse facta)')

') Ascon. p. 37. 40 (vgl. zu § 14). Dio 40, 52. Plut. Pomp. 55 tal? tdiv JtupoSoxiwv xal fcixaofiwv iittoti«; xai vo(lou; fpd^<, x«** o8{ ai xpton« Iftvovro = App. II 28, 87 oixa$ xpouxtdti twv « £XX<uv dtpLaprrjp/rruiv xal (idXeata 8u>po8oxiac x a i 8ixaap.o&. Bei Ascon. p. 89 hat Möhnsen, Staatsrecht II 1 647, 2 (II ' 646, 8) die Emendation albtttn (cod. aliorum) quoque hidicum, qtä de ea re iudicarent, Pompcius tale (cod. tales) propomit, ut nunquam neque clariores viros neque sanctiores propositos esse constaret mit Unrecht bestritten : vgl. Cic pro Mil. 21. 105. faui. VII 2, 8. PInt. Pomp. 55. Dio 40, 52, 2. Mommsrn will seltsamerweise nachweisen, dali der Quaesitor zugleich als Richter mitgestimmt habe. Die 51 Richter waren so verteilt, daß 18 Sena- toren, 17 Ritter, 16 Aerartribunen den Gerichtshof bildeten (Ascon. p. 58. 54); so kam der Vorrang des Senats xum Ausdruck.

*) Ascon. p. 87.

*) Cic. pro Mil. 12 ff., dem dieser Beschluß, für den er doch selbst gestimmt hat (ego ipse decrevi), natürlich sehr unangenehm ist, und dazu Asconius ta § 14. Am nächsten Tage, dem 1. Mar«, berichtete Plancus Ober diese Vorgänge in einer Volksversammlung. In derselben Versammlung behauptete Plancus, Milo habe nach der Mordtat vier freie Manner, die vorüberkamen, festgenommen und swei Monate lang (vom 18. Januar = 8. Dezember jul. bi.« 1. Mar« = 9. Februar jul.) in

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Im* Principat dee Pompejae

Auch das Gesetz über die Wahlumtriebe fand starken Wider- spruch. Pompejus hatte ihm rückwirkende Kraft für alle Wahlen bis au seinem ersten Consulat im Jahre 70 hinauf verliehn. Cato erklärte sich dagegen, man solle das Vergangene ruhn lassen und statt dessen für die Zukunft sorgen; es werde damit, wie er mit Recht betonte, nur unendlichen Prozessen der Spielraum eröffnet, und es sei imbillig, ein verschärftes Strafgesetz auf Zeiten anzuwenden, wo es noch nicht bestand1). Schwerer fiel der Einwand der Anhänger Caesars ins Gewicht, daß auch dessen Consulat in diesen Zeitraum falle; Pompejus wies das mit wohl- gespielter Entrüstung ab: Caesar sei über jeden Verdacht er- haben, überdies falle ja auch sein eigenes zweites Consulat unter das Gesetz1).

Schließlich wurden beide Gesetze vom Senat angenommen und promulgiert; die Annahme durch die Comitien wird unter Wahrung der gesetzlichen Frist des Trinundinum frühestens am 18. März (26. Februar julianisch) erfolgt sein. Unmittelbar darauf wurde zum Untersuchungsrichter für den Mordprozeß L. Domitius Ahenobarbus gewählt*), der bisher die Machthuber so eifrig be- kämpft hatte; auch darin trat, da die Wahl natürlich von Pom- pejus bewirkt war, die Umgruppierung der Parteien zutage. Die Leitung der Wahlprozesse erhielt Aulus Torquatus. Vot beiden Untersuchungsrichtern wurde die Anklage gegen Milo erhoben, und der Beginn des ersten Prozesses auf den 4. April angesetzt4).

Offenbar gleichzeitig mit den Gesetzen des Pompejus haben die Tribunen den Antrag für Caesar eingebracht. Cato opponierte

seiner Villa gefangen gehalten. Ein wegen Mordtaten verdächtiger Sklave Miios, Galatas. war von den triumviri capitales festgenommen, wurde aber durch die Tribunen Caelius und Manilius Cumanus befreit und an Milo zurückgegeben, Ascon. p. 88.

') Plut. Cato 48.

*) Appian 11 23.

*) Ascon. p. 89 perlata deinde lege Pompeia . . . sUtiim comitia habita , creatusque est L. Domitius Ahenobarbus quaesitor. Cic pro Mil. 22.

*) Ascon. p. 40. Die Quaeaitores für andere Gerichtehöfe bei Ascon. p. 54. darunter der gewesene Aedil Favonius.

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Geset« der Tribunen für Caesar. Der gallische Aufstand 233

auch hier und suchte das Gesetz durch Obstruktionsreden zu Fall zu bringen: wenn Caesar seinerzeit ein zweites Consulat wünsche, solle er, wie es sich gehöre, nach Niederlegung seiner Statthalterschaft als Privatmann nach Rom kommen und sich darum bewerben. Aber Pompejus war gebunden und setzte die Annahme durch ; er erklärte, einen Brief Caesars erhalten zu haben, in dem dieser den Wunsch ausspreche, einen Nachfolger zu er- halten und die Feldzüge loszuwerden; es sei aber billig, ihm das Privileg der abwesenden Bewerbung zu gewähren1).

Caesar hat jedenfalls die Wahl des Pompejus, wahrschein- lich auoh noch die Annahme des Gesetzes der Tribunen in Italien abgewartet. Dann eilte er, frühestens Ende des julianischen Februar, über die Alpen1). Es war die höchste Zeit; denn

') Plut. Pomp. 56, der dann die Erzählung abbricht und mit den Worten oox i4«pfoa<;> ^XV olov •fjtnjfrtlc & nojui-fjio; uitottto? -/jv p.&XXov u»v E'fp6v»i ntp\ Katoxpo; mit einem großen Sprunge unmittelbar zu den Vorgängen de« Jahres 50 übergeht. Caesar (bell. civ. I 82) sagt im Senat im März 49 latum ab X tribunis ptebis contradicentibus ini- jnicis, Catone vero acerrime repitfftiante et pristina consuetudine dicendi tnora dies extrahente, ut sui ratio absentis haberetur, ipso conxule Pompeio; qui si improbasset , cur ferri passus esset? Liv. ep. 107. Sueton Caes. 26. Dio 40, 51. Cic. ad Att. VIII 3, 3 idem (Pom- neius) etiam tertio consulatu, postquam esse defensor reipublicae coepit, contendit, ut decem tribuni pl. ferrent, ut absentis ratio habe- retur; VII 8, 4 cur tanto opere pugnatum est, ut de eius absentis ratione habenda decem tribuni pl. ferrent? vgl. VII 1, 4 oben S. 229, 1. J)io 40, 51 bringt das Gesetz an richtiger Stelle, nach Pompejus' Antritt; Appian II 25, 96 berichtet es erst nach der Verurteilung Milos nnd der Demokraten . die zu Caesar geflohn ' seien und ihn vor Pom- pejus gewarnt hätten; daß es in weit frühere Zeit gehört, hat zuerst wohl Nissen, Hist. Z. 46, 188 1, 59 ff. ausgesprochen. Bei Appian wird es offenbar mit den an Pompeius' Gesetz de iure magistratuum an- knüpfenden Verhandlungen zusammengeworfen.

J) Bell. Gall. VII 6 his rebus (Vercingetorix Maßnahmen) in Italiam Caesari nuntiatis, cum iam ille urbanas res virtute ( n. Potnpei commodiorem in staium pervenisse inteüegeret, in Trans- alpinam Gattiam profectus est. Caesar möchte den Anschein erwecken, als sei er sofort auf die Kunde von dem Aufstand nach Gallien geeilt und hat diese Wirkung auch in den neueren Darstellungen Uberall er- reicht, man hat es eben versäumt, zwischen den Zeilen zu lesen; dazu

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Das Principat de« Pom pejus

inzwischen hatte Vercingetorix den Aufstand überall organisiert, ja er konnte bereits an einen Angriff auf die römische Provinz und ihre Hauptstadt Narbo denken1). Die Lage war so bedenk- lieh, daß Caesar die Frage erwog, ob er nicht die Legionen zum Schutz der Provinz heranziehn und damit tatsächlich alle seine Eroberungen einstweilen preisgeben müsse*); er entschied sich aber doch, zumal er die Legionen auf dem Marsch einem Angriff der Feinde ausgesetzt haben würde, statt dessen nach Ergreifung der dringendsten Schutzmaßregeln für die Provinz in die Winterquartiere zu seinen Truppen zu eilen und trotz der ungünstigen Jahreszeit sofort den Feldzug gegen die In- surgenten zu beginnen.

Während Caesar den schweren Kampf gegen die Gallier führte, ging in Rom der Prozeßkrieg seinen Gang. Pompejus wünschte natürlich die Verurteilung Milos, nicht aus rechtlichen Gründen, obwohl seine Schuld offenkundig war, sondern aus politischen. Denn die Zeiten, wo er ihn, im Kampf mit Clodras, als Gehilfen benutzt hatte, waren längst vorbei, mit Clodras hatte er sich versöhnt, und Caesar verlangte Milos Bestrafung; vor allem aber war dieser ein rücksichtsloser Agitator, der mit seinen Banden vor nichts zurückschreckte, eben so schlimm wie Clodius und die wildesten Anarchisten. Daß er sich, im Gegen- satz zu diesen, der Nobilität zur Verfügung gestellt hatte und deren Führer ihn zu halten suchten und den Mord als segena-

kommt die oft nicht genügend beachtete Abweichung des damaligen römischen Kalenders vom julianischen. Daß in Wirklichkeit Caesar, nachdem er die erste Kunde von dem Aufstand erhalten hatte, noch lange in Italien festgehalten war, verrat sich in dem Satz VII 9, 4, daß er in Vienna die Reiterei tu sich nimmt, quem multie ante diebus eo praemiserat. - Bei Caesars Ankunft in Frankreich liegen die Ce- vennen noch in tiefem Schnee (VII 8), es ist noch Winter (reliquam partem hiemis VII 10, 1), der erst mit der Einnahme von Avaricum zu Ende geht (VII 82 iam prope hieme confecta, cum ipso omni tem- pore ad gerendum bellum vocaretur); Avaricum wird also etwa gegen Ende April julianisch, d. i. nach Mitte Mai nach römischem Kaieuder, erobert worden sein.

•) Bell. Gall. VII ö, 7.

•) Bell. »all. VII 6.

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Verurteilung Milos

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reioh für den Staat priesen so redete Cato, und sein Neffe Brutus hat nachher eine Verteidigungsrede für Milo geschrieben, in der er sich in diesem Sinne offen zu seiner Tat bekannte1) , machte seine Beseitigung nur um so notwendiger; nimmermehr durfte Pompejus zulassen, daß er sich doch noch das Gonsulat gewann. Er hielt daher weiter die Fiktion aufrecht, daß Milo ihm nach dem Leben trachte, blieb meist in seinem Gartenhaus, geschützt durch eine starke Truppenschar, und entließ einmal vorzeitig den Senat, weil er ein Attentat Milos fürchte; in der nächsten Sitzung behauptete Cornificius, einer der Ankläger Milos, dieser trage eine Waffe unter der Tunioa, worauf Milo sich entblößte uud die Unwahrheit der Beschuldigung nachwies*). Bei dem Prozeß auf dem Forum nahm Pompejus in Hörweite8) gegenüber beim Aerarium Platz, von einer starken Besatzung umgeben, und sorgte, als beim Beginn des Zeugenverhörs am 4. April der Pöbel ein wüstes Geschrei erhob, für Ruhe und ordnungsmäßigen Verlauf der Verhandlung. Das Zeugenverhör dauerte dem Gesetz gemäß drei Tage; dann folgte am 8. die Auslosung der Geschworenen und die Plädoyers. Für diesen Tag hatte Pompejus das Truppenaufgebot noch verstärkt und alle Tempel besetzen lassen4); aber Planous hatte tags zuvor die Menge aufgefordert, in Masse zu erscheinen und nicht zu dulden, daß Milo ihnen entschlüpfe6). Ab dann Cicero, durch Milo vor- sichtig erst im letzten Moment in einer Sänfte herbeigeführt,

') Aeeon. p. 42 und schol. Bob. pro Mil. argnm. Quintil. III 6, 98. X 1, 28. 5, 20 (Msyer, Orat. Rom. fragmeuta p. 447). Cicero §§ 72 ff. führt diesen Gedanken als Fiktion aus, der leider der Wahrheit nicht ent- spreche: de morte Clodii, si iam noUem ita diluere crimen ut düui, tarnen impune Miloni palam clamure ac mentiri gloriose liceret: occidi, occidi non 8p. Maelium . . ., non Tiberium Gracchum . . ., sed eum änderet enim dicere, cum patriam periculo suo liberusset , cuiuü nefandum adulterium cet. Vgl. § 6.

') Cic. pro Mil. 66 f. Ascon. p. 37 f. nnd p. 39 init.

8) Cic. pro Mil. 67 Cn. Pompei, te enim iam appello, et ea voce, ut me exaudire possis, vgl. 71.

*) Cic. pro Mil. 2. 71. 101.

Cic. pro Mil. 8. 71. Plut. Cic. 35.

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Dm Principat des Pompejus

seine Rede beginnen wollte, erhob sich ein wüstes Geschrei, so daß die Truppen einschreiten mußten und es zu Blutvergießen kam1). Dies, sowie der ungewohnte Anblick der Soldaten brachte ihn so in Verwirrung, daß er alle Haltung verlor und von der schön vor- bereiteten Rede kaum etwas zusammenhanglos und stammelnd vorbringen konnte2). Milo wurde mit großer Majorität verurteilt3) ; unter den wenigen Freisprechenden war zweifellos Cato, der seine Abstimmung offen gezeigt haben soll4). Milo ging ins Exil nach Massalia, ohne sich bei den weiteren Prozessen zu stellen ; so wurde er auch wegen Wahlumtriebe, wegen unerlaubter Clubs und nochmals wegen Gewalttat verurteilt. Seine Verraögensverhältnisse waren so zerrüttet, daß bei dem Verkauf seines Besitzes die Gläubiger von den 70 Mill. Sestertien Schulden, auf die er es glücklich gebracht hatte, nur den vierundzwanzigsten Teil (4V/a%) erhielten*).

«) Dio 40, 58.

T) Plut. Cic. 53. Dio 40, 54. Aecon. p. 42 itaque non ea qua solitus erat constantia dixit. manet autem illa quoque excepta eins oratio; und scharfer schol. Bob. argum. in Mil. exstat alius praeterea Uber actorum pro Milone, in quo omnia interrupta et inpolita et rudia, pleno denique maximi terroris agnoscas. Quint. IV 8, 17. Die viel- gepriesene Rede pro Milone ist in Wirklichkeit ein traurig nachhinken- de» Produkt der Studierstube, mit dem er «ich herauszureißen suchte, als nichts mehr gut zu machen war. Vgl. Milos bekannten Spott (Dio 40, 54), er sei dankbar, daß Cicero diese Rede nicht gehalten habe, denn sonst würde er jetzt nicht in Massalia so schöne Seebarben essen. Auf die geschriebene, nicht auf die wirklich gehaltene Rede bezieht sich Cicero de opt. gen. or. 10 si eodem modo putant exereüu in foro et in omnibus templis, quae circum forum sunt, conlocato dici pro Milone deeuisse, ut si de re privaia ad unum iudicem diceremus, vim eloquentiae sua facultate, non rei natura metiuntur. Daß Milo« Sache faul war, wußte er selbst sehr gut: ad Att. IX 7, 8.

*) Ascon. p. 58: 12 gegen 6 Senatoren. 18 gegen 4 Ritter, 18 gegen 3 Aorartribunen.

*) Ascon. p. 58. Velleius II 47, f>.

») Ascon. p.54 bona eiuspropteraerisalienimagnitudinemsemuncia venierunt. Das Verst&ndnis dieser Angabe, die ich in der ersten Auf- lage ganz falsch aufgefaßt hatte, verdanke ich K. Seckel: „Die bonorum venditio führt zur (praetorischen) Universalsuccession des bonorum emplor, also zum Erwerb des Vermögens mit den Aktiven und Passiven.

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Verurteilungen dor Demokraten und Anarchisten

2:.$7

Wenn bei Milo Poinpejus die Verurteilung gegen die Nobilität durchsetzte, so verliefen die übrigen Prozesse ganz nach deren Wunsche. Siufejus, der die Bande Milos bei der Mordtat ge- führt hatte, wurde zweimal freigesprochen, dagegen Sextus Clodius, der die Leiche des Volksmanns in die Curie gebracht hatte, mit allen gegen fünf Stimmen verurteilt, und ebenso viele andre Clodianer1). Dasselbe Schicksal traf den Hypsaeus, den bisherigen Kandidaten des Pompejus, den dieser jetzt kühl fallen Heß, und von den Bewerbern des Vorjahrs den Memmiut und den Soaurus ; bei letzterem, der durch seine Spiele die Volks- gunst gewonnen hatte, mußten Pompejus' Soldaten gegen die Menge einschreiten, die die Niederschlagung des Prozesses oder die Freisprechung forderte. Als dann aber Memmius den Metellu* Scipio wegen Wahlumtriebe anklagte, um dadurch, nach einer Bestimmung des pompejischen Gesetzes, selbst seiner Strafe ledig zu werden, nahm Pompejus den Angeklagten, dessen Tochter Cornelia er gleich nach Antritt seines Consulats geheiratet hatte*), in Schutz: er legte Trauergewand au und lud die Richter z'i sich, um sie zu gewinnen, so daß Memmius die Klage als aus- sichtslos fallen ließ8). Zu Ende des Jahres, nach Ablauf ihres

Der sogenannte Kaufpreis besteht nicht in einer festen, an den Konkure- verwalter (magister) zu zahlenden Summe. Bondern in Prozenten, welche die Konkursgläubiger auf ihre Forderungen gegen den bonorum emptor von diesem zu bekommen haben , hier also 4 V* % des Nominalbetrag* ihrer Forderungen." Daß Milos Schulden sich auf die ungeheure Summe von 70 Mill. beliefen, berichtet Plin. 86, 104. Sein Aktivvermögen wird mithin von dem Massenkäufer für rund 3 Mill. (genauer wäre 2,96^ 666 ; aber die 70 Mill. sind offenbar abgerundet) übernommen, und wird etwas höher gewesen sein, da das Entgelt för Mühe und Risiko sowie der Unter- nehmergewinn des emptor hinzuzurechnen ist. Milos Schulden gingen noch weit über die Caesars (S. 5R, 1) hinaus. Von den anschließenden Geschäften ist in Ciceros Briefen an Atticus noch mehrfach die Rede (V 8, 2. VI 4. 5. 7), ebenso Caelius ad fam. VIII 8, 2.

') Ascon. p. 55 midti praelerea et praesentes et cum cüati non respondissent, damnatisunt; ex quibus maxima parsfuit Clodianorum.

*) Plut. Pomp. 55 gibt das Datum.

') Aufzählung der Prozesse bei Appian II 24 (natürlich hat es da- neben noch manche andere gegeben). Hypsaeus und Scipio auch Plut. Pomp. 55. Dio 40, 58. Val. Max. IX 5, 8.

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Das Principal das Pompejus

Tribunats, worden dann auch Q. Pompe jus Hufua und T. Mu- natius Plancus wegen der in den ersten Monaten erregten Un- ruhen vor Gericht gezogen, jener durch seinen Kollegen und eifrigen Gegner Caeüus1), letzterer durch Cicero. Für ihn setzte Pompe jus seinen ganzen Einfluß ein, ja er gab ihm, in offen- kundiger Verletzung seines eigenen Gesetzes, ein Charakter- zeugnis, bei dessen Verlesung Cato sich die Ohren zuhielt; er wurde dann von Plancus als Richter abgelehnt. Aber Pompejus vermochte seinen Schützling diesmal ebensowenig zu retten, wie zwei Jahre zuvor den Gabinius; vielmehr bewirkte seine Ver- wendung nur, daß die Richter jetzt erst recht entschlossen waren, ihre Unabhängigkeit zu zeigen. Plancus wurde verurteilt; er ging zu Caesar, der ihn reich beschenkte, ins Exil nach Ravenna*). Der dritte im Bunde, Salluat, entging der Anklage; spater, im Jahre 50, wurde er wegen seines Verhaltens von den Censoren aus dem Senat gestoßen.

Die beiden Gesetze, mit denen Pompejus sein Consulat er- öffnete, hat er durch zwei weitere ergänzt, welche die Staats- verwaltung regulierten. Das eine führte den im Jahre 53 ge- faßten Senatsbeschluß (S. 213) aus, daß fortan die praetorischen und consularischen Statthalter erst fünf Jahre nach Bekleidung des städtischen Amts ihre Provinz erhalten sollten»). Das andre

■) Val. Max. IV 2, 7, Tgl. Caelius ad fam. VIII 1, 4. Cic. Brat 273 Jf. Caelius . . . quamdiu auctoritati tneae paruit, talia iribunus plebis fuit, ui nemo contra civium perdüorum populärem turbu- leniamque demeniiam a senatu et a bonorum causa steterü con- etantiue.

*) Cicero an M. Marius VII 2, der Qbor Beinen Erfolg große Freude bat, ebenso Über die Richter qui auei sunt, eum contra tantas opes eins, a quo ipsi lecti iudices erant, condemnare; nach Dio 40, 55 hntfe Cicero hier nicht besser geredet, wie bei der Verteidigung Milos. Das weitere Plut. Pomp. 55 = Cato 48. Val. Max. VI 2, 5. Caelius ad fam.

vni i, 4. cic. Phii. xm 27.

*) Dio 40, 56; daß er 40, SO, 1 die Entsendung des BibuluB nach Syrien im Jahr 51 als damit im Widerspruch bezeichnet, ist eine Flüch- tigkeit oder Tielmehr ein Schreibfehler (Bibuluo «f*o»v t4)< EopU« «to xaU«p tyriftofitvov jii)Uva fi-frw otparrrrfcv Biwtev ftr;« tifrö?

jiy> «pi xt|umt> ftooc tä< ifa 4jTS}ievi«c l$i*v«; statt uoiwp hatte

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Pompeji»' Gesetzgebung. Wiederherstellung der Censur 289

Gesetz, de iure magistratuum, muß eine umfassende Regelung der Befugnisse der Beamten enthalten haben; erhalten ist davon leider nichts außer der einen Bestimmung, welche für jedes Amt die Anwesenheit des Bewerbers in Rom vorschrieb1).

Nachdem seine Autorität genügend gefestigt war, verzichtete Pompe jus nach fünfmonatigem monarchischem Regiment auf seine alleinige Gewalt, und ließ sich um den Anfang August seinen neuen Schwiegervater Metellus Scipio zum Kollegen wühlen1). Dieser hat noch ein Gesetz durchgebracht, welches die durch Clodius verfügte Beschränkung der Gensur wieder auf- hob: man empfand das dringende Bedürfnis, den Senat und die Ritterschaft von den massenhaft eingedrungenen unwürdigen Elementen zu säubern8). Indessen als dann zwei Jahre darauf, im Sommer 50, wieder Censoren gewählt wurden, zeigte sich, ebenso wie spater im Jahre 22 bei dem gleichartigen Versuch des Augustus, daß sie der Aufgabe in keiner Weise gewachsen waren und das Amt des Sittenmeisters der Republik sich voll- ständig überlebt hatte das Odium, das mit seiner Ausübung verbunden war, sagt Dio, war so groß, daß kein Verständiger noch nach dem Amt strebte. Appius Claudius und Lucius Piso, die damals gewählt wurden, haben allerdings zahlreiche Sena- toren, darunter den Sallust, und Ritter aus den Listen gestrichen4) ;

er Ä« oder ahnlich sagen müssen). Caesar klagt civ. I 85, 9 in se iura magistratuum commutari, ne ex praetura et consulatu, ut Semper, sed per paucos probati ei elecii in provincias mittantur. •) Dio 40. 56. ßueton Caes. 28.

*) Plnt. Pomp. 55 JtpooüXtTO oowipxovti *öv ntvfrtp&y »l< toö$ 5jw- Xolsooc itivts ftf)v*«, bestätigt durch die Inschriften, Drumakn IV* 535, 5. Appian II 25, 95 (&{ ffiv\ xp^lCovra c?}c p.ovapxt'xc Suopjhopiyoc). Dio 40, 51, 2. Erw&hnt werden mag noch Plinius' Angabe 38, 14 nec ignoro, MM pondo auri perisse Pompeio III cos. e Capitolini Iovis solio a Camillo ibi condita. Weiteres wissen wir darüber nicht, so daß sich nicht sagen laßt, ob Pompejus des Diebstahls beschuldigt werden soll oder ob die Angabe sich etwa auf das Treiben der An- archisten bezieht Über die Vollendung des Baus des Theaters in diesem Jahr s. S. 161. 2.

k) Dio 40, 57.

*) Dio 40, 68.

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Das Principat des Pompejus

aber jedermann empfand, daß diese Männer nicht die Persön- lichkeiten waren, weiche die moralische Haltung der Bürger- schaft irgendwie zu kontrollieren und zu heben berufen waren.

Die Gesetzgebung des Pompejus in seinem dritten Oonsulat, welche die in seinem zweiten Consulat durchgeführten oder ge- planten Maßregeln (S. 160) fortsetzt auch eine Kodifikation des Rechts hat er in Aussicht genommen, wie später Caesar, ist aber damit nicht durchgedrungen, sondern an dein Widerstand der interessierten Kreise, offenbar vor allem der Juristen, ge- scheitert1) — , war vielleicht nicht so einschneidend und von großen Gesichtspunkten beherrscht, wie die Caesars im Jahre 59, aber sie war doch von nachhaltigster Wirkung und macht Epoche in der Entwicklung Roms. Es war, wie Tacitus sagt, ein Ver- such, den sittüohen Zustand des Gemeinwesens zu heben ; und wenn er die angewendeten Mittel im Sinne Catos verwirft und Pom- pejus mit Recht schuld gibt, daß er durch sein persönliches Ver- halten seine eigenen Gesetze untergraben habe2), so hat er doch wieder geordnete Zustande geschaffen, die an sich ein dauer- haftes und erträgliches Regiment durch Zusammenwirken des Senats mit dem Princeps jetzt eben so gut mögUch gemacht hätten, wie nachher unter Augustus. Die Anarchie, die er selbst groß- gezogen hatte, war jetzt mit einem Schlage beseitigt, die schlimmsten Unruhestifter ins Exil gejagt; von einer unter dem Binner der Demokratie sich brüstenden Oppositionspartei ist in der Folgezeit nicht mehr die Rede. Wenn es auch noch einzelne Leute gab, die an ihre Ideale glaubten, so war doch die Masse der Bürgerschaft durch die Wirren des letzten Jahrzehnts gründ- lich bekehrt und völlig bereit, wie seit einem Jahrhundert nicht mehr, sich der Leitung der Aristokratie und ihres Oberhaupts

') Isidoras dogetym. V 1, 5 leges autem redigere in libris pritnus consul Pompeiu8 instiiuere voluit, sed non perseveravit obtrectatorum metu. deinde Caesar coepU facere, sed aniea interfectus est.

*) Ann. III 28 in der Übersicht der Entwicklung der römischen GeseUgebung bis auf die lex Papia Poppaea: tum Cn. Potnpeius ter- tium consul corrigendis moribus electus et gravior remediis quam delicta erant suarumque legum auctor idem ac subversor, quae armis tuebatur, armis amisü.

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Pompeja*' Gesetzgebung 241

zu fügen. So wurde denn sein Oonsulat und seine Bekehrung zu den Grundsätzen der Nobilität in den höchsten Tönen ge- priesen1); und Cicero entschloß sich, sein Werk über den Staat, jetzt dem ursprünglichen Entwurf entsprechend zu vollenden und im Sommer 51 zu publizieren (oben S. 178). Freilich wurde ^eriule seine Tätigkeit durch die neuen Gesetze aufs schwerste betroffen: sie bezeichnen, wie Tacitus sagt, das Ende der Bered- samkeit, mit andern Worten, der rabulistischen Kunst der Advo- katen, die sich wie früher in Syrakus und Athen, so jetzt in Rom in den Zeiten der vollen politischen Zersetzung entwickelt hatte, und zwar nach wie vor als ein Wunderwerk angestaunt wurde, aber nichts andres war, als ein Symptom der vollsten Korruption und des Untergangs aller rechtlichen und ethischen Begriffe. Jetzt waren dem Fesseln angelegt, und fortan konnte ein Rechts» handel und gelegentlich sogar ein politischer Prozeß wieder sach- lich behandelt werden*).

Vorbereitung des Bruchs mit Caesar

Durch die Übertragung des Regiments auf Pompejus und sein Bündnis mit der Nobilität war zugleich der Knoten der

') Cicero ad Att. VIT 1. 4 (oben 8. 229, A) rede* ironisch von illo divino tertio consulatu.

*) Tacitus dlal. de or. 88, nach Schilderang der früheren Zustande, wo im Gegensatz au dem jetzigen Zustand, quae aptior est verücUi, die Beredsamkeit auf dem Forum blühte, in quo nemo intra paucissimas Horas perorare cogebatur et liberae comperendtnaliones erani et modum dicendi sibi quisque sumebat et numerus neque dierum ne- que patronorum flniebatur, primus haec tertio consulatu Cn. Pom- peius adstrinxit imposuitque velut frenos eloquentiae. Sehr mit Recht laßt er in diesen Kapiteln den Maternus ausführen, daß die Be- redsamkeit mit der Korruption und dem Anwachsen der Verbrechen aufs engste zusammenhange und sich daher nur in turbulenten Staaten wie Athen und später Rom und in beschranktem Maße Rhodos ent- wickelt habe, aber nicht in den geordneten Staaten, als deren Muster Sparta und Kreta gelten daneben werden die monarchischen Reiche, wie Makedonien und PerBien . genannt (c. 40). Der Untergang der Be- redsamkeit und ihre Beschrankung auf das müßige Treiben der Rhe- Meyer, Caesar» Monarchie 16

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Da* Prinoipat des Pom pejus

Entwicklung geschürzt, die in regelrechtem, unaufhaltsamem Fortgang zur letzten entscheidenden Krisis und zum Bürger- krieg führen mußte; denn sie bedingte die Mattsetzung und Be- seitigung Caesars1). Für die dauernde Sicherung der eigenen Macht trug Pompejus Sorge: er ließ sich durch den dafür ver- fassungsmäßig durchaus kompetenten Senat, nicht etwa durch das Volk, seine spanischen Statthalterschaften auf fünf weitere Jahre, also bis zum Jahre 45, verlängern, und zugleich die Kosten für das vielleicht noch weiter verstärkte Heer (oben S. 170, 1) auf die Staatskasse übernehmen1). Formell stand diese Verfügung kaum im Widerspruch mit seinem Gesetz über die Provinzen, wie Dio behauptet8), da Pompejus ja mit dem Consulat bereite das Proconsulat und die Statthalterschaft vereinigte; wohl aber wurde dadurch die exzeptionelle Stellung des Princeps weiter hervorgehoben und gefestigt4). Aber von einer analogen Be- willigung für Caesar war keine Rede; das Bündnis vom Jahre 60 war tatsächlich aufgelöst, die Ehe mit Scipios Tochter ver- kündete auch formell, daß eine neue Koalition an seine Stelle getreten war.

Zugleich verschaffte Pompejus sich die gesetzlichen Waffen,

torenschalen sei ein deutliches Zeichen, daß sowohl die Rechtspflege wie die politischen Zustande weit besser geworden seien; man braucht jetzt glücklicherweise den Redner nicht mehr.

*) Sehr mit Recht wird die entscheidende, von den Neueren so oft verkannte Bedeutung des dritten ConsulatB des Pompejus und seines damals vollzogenen Bundes mit den Optimaten sowohl von Vellejus II 47, 4 (cuiu8 Ule honoris gloria veluti reconciliatis sibi optimatibus maxime C. Caesare alienatus est) wie von Dio 40, 50, 5 hervor- gehoben.

») Dio 40; 56, 2 und c. 44, 2. Plut. Pomp. 55 (wo als Zeitraum falschlich vier Jahre angegeben sind) = Caes. 28. Appian II 24, 92 nennt den Senat als ßeschlufif asser.

') 40, 56, 2 oM* ij}ox"v®"'l xox* f**v wwfita fp&tyau;, Sottpov Ä& oh iroXXtp a5*ö« rhv 'Ißtjptav *c **vtt ftf) Xaßciy.

4) Daher äußert sich Caesar civ. I 85, 8 in der Rede an das spa- nische Heer mit wohlgespielter Entrüstung: in se novi generis imperia consiituiy ut idem ad porias urbanis praesideat rebus et duas belli- vosisHmas provincias absens tot annis obtineat.

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Vorbtueitung det> Bruchs mit Caesar

die ihm ermöglichen sollten, seinerzeit je nach Bedürfnis gegeu ihn vorzugehn1). Das Gesetz über das fünfjährige Intervall bei den Statthalterschaften gestattete, Caesar nach Ablauf seiner zehn Jahre auch inmitten des Amtsjahrs einen Nachfolger zu schicken2), und das Gesetz über die Wahlumtriebe, das bis zum Jahre 70 zurückgriff (S. 232), ermöglichte, ihm wegen ambitu* bei seiner Bewerbung um das Oonsulat für 59 den Prozeß zu machen. Die Voraussetzung dafür war, daß er als Privatmann nach Rom zurückkehren maßte; und das erzwang die schon erwähnte Klausel des Gesetzes über die Magistratur, welche die Abwesenheit des Bewerbers aus Rom nicht gestattete; dadurch wurde das Caesar durch das Gesetz der zehn Tribunen gegebene Privileg aufgehoben. Die Möglichkeit zu diesem Vorgehn war dadurch gegeben, daß Caesar in dieser Zeit die schwere Nieder- lage bei Gergovia erlitten hatte, die Haeduer und nach ihrem Vorgang fast alle andern gallischen Stämme abgefallen waren, und seine Macht zusammenzubrechen schien. Er selbst konnte nichts dagegen tun; aber seine Vertreter in Rom waren ent- rüstet und tobten. Schließlich gab Pompejus wenigstens halb- wegs nach: der Grund war, abgesehn davon, daß er Caesar noch immer als Gegengewicht gegen den Senat brauchte und daher nicht ganzlich fallen lassen durfte, daß Caesar inzwischen aufs neue zu Kräften gekommen war, die Gallier geschlagen hatte, und den Vercingetorix in Alesia belagerte. So erklärte Pompejus sein Vorgehn durch Vergeßlichkeit, und schaltete aus eigener Machtvollkommenheit in die längst angenommene Ge- setzesurkunde die Klausel ein, daß denjenigen, denen mit Namens-

') Die neueren Darsteller, welche meinen, Pompejus habe die Trag- veite der betreffenden Maßnahmen nicht erkannt, sondern sie seien ihm von seinen aristokratischen Ratgebern suggeriert, beurteilen ihn viel *n naiv. Er wußte hier wie sonst sehr wohl, was er tat.

") Tatsachlich sehn wir, daß die nach diesem Gesetz entsandten Statthalter im Hochsommer ihr Amt antreten: Cicero rechnet sein Jahr in Cilicien ad Att V 21, 9. VI 2, 6 vom 31. Juli 51 bis tum 80. Juli 50, Bibulus traf in Syrien noch später ein (ad Att. V 18, 1. 20, 4. tarn. XV 1, 1. 8, 2).

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Das i'rincipat des Pompejus

nennung gestattet worden sei, sich abwesend zu bewerben, ihr Privileg erhalten bleiben solle1).

Mit dieser fadenscheinigen Konsession, die zwar den Pom- pejus selbst moralisch binden mochte, aber rechtlich natürlich garnichts bedeutete, mußte Caesar sich begnügen. Der Bruch war offenkundig, wenngleich nach der Eroberung von Alesia und der Gefangennahme des Vercingetorix (Herbst 52) der Senat dun übliche Dankfest von zwanzig Tagen bewilligte. Caesur konnte nichts weiter tun, als durch maßlose Verschwendung, durch seine Bauten und Spiele, durch umfassende Bestechungen das Volk bei guter Laune zu erhalten und seinen Anhang in Rom, vor allem unter den Beamten und Tribunen, zu sichern und zu mehren, seine Soldaten durch Erhöhung des Soldes und reiche Geschenke aus der Beute an sich zu fesseln, und im übrigen die Entwicklung abzuwarten2). Zugleich veröffentlichte

') Dio 40, 56 im Anschluß an das Zitat 8.242, 3: xil ^ Kaloopi xai &x4vti (ot Tip fiX<n *6toö &»iyü»c -njavaxtoov) odr?jo«i rijv &«attiav uiaittp tyrtf wto 8005. xpoorrpa«!'* uiv Y«p tip vojiip t4 payott; aüto «ietyai Koutv, ot^ Äv ovoftaoti rt xai avttxpog iititpaurg, iiiysp* 8' obBiv toöto toö p.v]8> apx^v xrxcoXüod'ou. icdvta»^ T&p ot tt oovdufvoi xai «xttvo «jrrj^pto^rjvai atptot Jiaxpd^aofroa ffu*XXov. Diese Bemerkung berührt einen Punkt, auf den politisch nichts ankommt. Die Hauptsache hebt Sueton richtig hervor, dessen Text Caes. 28 corrupt überliefert ist. Marcellus fordert im Jahre 51 Caesars Abberufung et ne absentis ratio comitiis habe- retur, quando nee plebiscito Pompeius postea obrogassei (codd. abrog.). nec ist unverständlich und wohl zu streichen (von den Ver- heBserungsvorschlägen ist der von Hirschfixd, Kl. Sehr. 320, 8 und 810, es in lege zu andern, wohl der probabelste); der Sinn ist jedenfalls .da ja Pompejus das Plebiscit (der zehn Tribunen, s. c. 26) aufgehoben habe". Sueton fahrt fort: acciderat autem, ut is legem de iure ma- f/istratuum ferens eo tapite, quo petUione honorum absentis sub- movebat, ne Caesar em quidem exciperet, per oblivionem; ac mox, lege iam in aes ineisa et in aerarium condita, corrigeret errorem. Sehr richtig bezeichnet Cicero ad Att. VIII 3. 3 den Sachverhalt: Pom- peius . . . contendü, ut decem tribuni pl. ferrent, ut absentis ratio haberetur, quod idem ipse sanxit lege qua dam sua.

*) Sueton Caes. 26 f. Auch in den Provinzen und bei den Vaeallen warb er durch Geschenke und Bauten überall um Anhänger, ib. 28. Vgl. Dio 40, 60.

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Marcus Marcellus KeKen Caesar

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er eine Daxstellung »einer Feldzüge in Gallien, in der er in äußerst geschickter Weise seine Willkürlichkeiten und Gewalttaten ver- schleierte, seine aus eigener Machtvollkommenheit begonnenen Kriege möglichst als Notwehr darstellte, seine Erfolge und seine Verdienste um Rom ins hellste licht setzte, vor allem auch durch maßlose Übertreibung der Zahlen der Gegner, und so in weiten Kreisen für sich Stimmung zu machen suchte.

Marcus Marcellus und die Republikaner gegen Caesar

Die Optimaten hatten den Bund mit Pompejus geschlossen nicht um sich seiner Herrschaft zu unterwerfen, sondern um mit seiner Hilfe Caesar zu Fall zu bringen und sich so von dem auf ihnen lastenden Druck zu befreien. Ihre Führer planten den Angriff gleich im nächsten Jahre. Zu diesem Zweck, aus dem er gar kein Hehl machte1), bewarb sich Cato um das Consr.lat. Aber er verschmähte nicht nur, wie selbstverständlich, alle Agitation, sondern er setzte auch einen Senatsbeschluß durch, der lediglich die Bewerbung durch persönliche Begrüßung der Wähler mit Händedruck gestattete, alle Verwendung von Mittels- männern untersagte. So ist es kein Wunder, daß er erlag1). Cicero machte ihm den Vorwurf, daß er in blindem Doktrinaris- mus in einer Zeit, wo der Staat ihn als Leiter brauchte, selbst die unschuldigsten Mittel verschmäht habe3); er selbst trug sein beschick mit vollem Gleichmut. An seiner Stelle wurde Marcus Marcellus gewählt, ein Mann der gleichen Richtung, nur ohne Catos Rigorismus und daher milder, aber auch zurückhaltender in seinem Auftreten4). Neben ihm gelangte Servius Sulpicius

') Plut. Cato 49 m»s oiprrjo6f»tvoc töfri»« tA SitXa toT> Katoapo« 9| rijv feißooMjv iWUT4u>v. Dio 40, 58: Cato will dem drohenden Bürgerkrieg dadurch Euvorkommen. daß er beide vorher zu Fall bringt (•JjdtXifia« o<pä{, jcply ivtaf umotccs ^tvio^'U, xaxaX&oai).

*) Plnt Cato 49. Liv. ep. 108. Dio 40. 58 f.

•) Plot Cato 50.

*) Vgl. z. B. Caelius ad fam. VIII 10, 8 nosti Marcellum, quam tardu8 ei parum efftrax »it, üemque Servius quam cunctaior, ein Urteil, das durch ihr getsamtee Verhalten und ihre Briefe an Cicero be- stätigt wird.

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24o'

Das Principat des PorapefüH

Rufus jetzt endlich ins Consulat, um das er sich schon für da« Jahr 62 beworben hatte, ein angesehener Jurist, aber politisch in« different und ängstlich, der daher auoh wenig Neigung hatte, die Verbindung mit Caesar zu brechen.

Marcus Marcellus hat den Vorstoß gegen Caesar erst im April, in dem er die Geschäfte führte, unternommen. Caesar selbst hat ihm dazu eine Handhabe geboten durch die Forderung, ihm die Verwaltung seiner Provinzen auch formell bis zum Antritt seines zweiten Consulats, d. i. bis zum letzten Dezember des Jahres 49, zu verlängern1); damit hat er versucht, die Konsequenz aus Pompejus' Konzession zu ziehn und sie auch beim Senat zur Anerkennung zu bringen. Marcellus und sein Anhang waren entschlossen, das in keinem Fall zu dulden. Er gab durch ein Edikt bekannt, daß er die Gesamtlage des Staats zur Verhand- lung zu stellen beabsichtige58), damit bei der bedeutsamen Ver- handlung niemand fehle. In seinem Referat stellte er die Forde- rung, Caesar schon jetzt für den nächsten 1. März einen Nach- folger zu bestellen*), also zu dem Termin, vor dem nach dem

') Appian 11 25, 97 b Ü Kaioop . . . it*xv*C* 8ovd}ua>c »!vou fii^pi ojiatoi; fluto8stxö-«CT|. xal r)jv ßooXfy -gm XP**0* SXXov oXt?ov rhv x-xpo&oav o't r?js ToXetttou; 4tf»}tov(av 9| |itpo$ aar?je hußaXetV feaxtuXo- <j<xvtoc il MapxsXXor* xtX. Plat. Cae«. 29 ix tootoo Kaiaip 6nwt*v tfivate ke^lsojv xal ypövov 6fi/>tu>c l&tu>v iKapxuvv. Der Verdacht liegt aller- dings nahe, daß die geroeinsame Quelle hier die spateren Forderungen Caesars schon in die Vorgänge Anfang 51 hineingetragen hat; aber die Richtigkeit der Angaben wird durch Caelius an Cicero VIII 8, 9 (ueten 8. 255, 2) und 9. 5 (unten S. 254, 6) bestätigt.

*) Sueton Cae*. 28 M. Claudius Marcellus consul, edicto prae- fatus de summa se republica acturum, rettulit ad senatum, ui ei succederetur ante tempus, quoniam hello confecto pax esset ac di~ mitti deberet Victor exercüus. Dio 40, 59. 1 Mdtpx.XXo? . . . xot Iti- fcoxöv ol rfii] xai xpo toö xod^xovto^ XP0V0° «t|*f**jv« hviffrpmto. Appian II 26, 99 xpoatpatfKov toö xp°vo°- ki*. «P- 108 praei&rea contentiones inier consules de successore C. Caesari mittendo, agenie in senatu M. Marcello cos., ui Caesar ad petitionem consulatus veniret, cum is lege lata in tempus consulatus provincias obtinere deberet.

') Den Termin gibt Cicero ad Att. VIII 8. 8: Marco Marcello con- suli flnienti provbicias Qaüias Kalendarum Mariiarum die restitü (Pompeius).

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Marcus Maroellas gegen Caesar 247

*

Consulargesetz von 55 keine Verhandlung darüber stattfinden sollte, da der Krieg beendet sei und das siegreiche Heer Anspruch auf Entlassung habe. Er konnte sich dafür auf Caesars eigene Darstellung berufen, die in der Tat den Anschein erwecken konnte, als sei der Krieg mit dem Fall von Alesia zu Ende. In Wirklichkeit freilich standen noch große Teile des Landes unter den Waffen und eben jetzt, seit dem letzten Dezember (3. Dezember julianisch)1), hatte Caesar einen sehr beschwerlichen Winterfeldzug geführt, der den Truppen die größten An- strengungen zumutete; zurzeit war er in einem langwierigen, äußerst gefahrvollen Kampf gegen die Bellovaken begriffen, deren er nur durch volle Entfaltung seiner genialen Feldherrnkunst Herr zu werden vermochte1). Der Anspruch auf abwesende Be- werbung um das Consulat vollends, erklärte er, sei durch Pom- pejus' Gesetz hinfallig geworden8). Die anschließende Diskussion muß sehr erregt gewesen sein und sich mehrere Tage lang hin- gezogen haben. Die in Caesars Solde stehenden Tribunen oppo- nierten, auch Marcellus' Kollege Sulpicius widersprach: es sei nicht billig, einen Beamten, der sioh nichts habe zuschulden kommen lassen, wahrend semer Amtszeit abzusetzen4). Pompejus,

') Bell. Gall. VIII 2.

*) Ende Mai 51 (d. i. Ende April juL) schreibt Cnelias an Cicero (fani. VIII 1, 4): quod ad Caesar em, crebri et non belli de eo ru- more*, sed susurratores dumtaxat, veniunt. alius equüem perdidisae, quod opinor certe factum est (vgl. bell. Gall. VIII 12), alius septimam tegionem vapulasse, ipsum apud BeUovaoos circumsederi interclusum ab reliquo exercüu. neque adhuc cerii quicquam est, neque haec in- certa tarnen vulgo iactantur, sed inter paucos, quo* tu nosti, palam secreto narrantur; at Domiiius, cum manus ad os apposuü. Die armselige Gestalt des Domitius (vgl. Caelios fam. VIII 14, 1) steht hier ifsina lebendig vor unseren Augen.

*) Saeton Caes. 28, s. oben S. 244, 1. . *) Dio 40, 59 xai a6t4 8 ti SooXnbuo? **l täv bt\\>Apxa>Y tiyi« irci- jepafcav, o&tot }iiv rj «po« tiv Kotoapa X*Ptn< **«tvo; &V>tot$ Juotvwjate «od toi? KoXXotc, 8ti ob* ^jptoxt to uva futo46 £pxovc« V-ifih rfivarrpfcai Koo^jvou. Saeton Caes. 29 (Caesar) summa ope restitU, partim per intercessores tribunos, partim per Servütm SulpiHum aUerum con- sulem.

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248 Lhu Princäpat des Pompejus

der nach Ablauf seines Consulate wieder das Poinerium nicht überschreiten durfte, hielt sich nach seiner Gewohnheit fern uud hüllte sich in Schweigen, ja er redete wieder einmal davon, nach Spanien gehn zu wollen, und fand damit wirklich Glauben, so wenig er ernsthaft daran dachte1). Schließlich stimmte der Senat der Tendenz des Marcellus im allgemeinen zu; aber die Tribunen intercedierten, und so wurde zwar der Senatsbeschluß als auctorUas aufgezeichnet, besaß aber keine gesetzlich bindende Kraft»).

Die weitere Verhandlung über die Nachfolge Caesars ver- schob Marcellus auf den 1. Juni»), da im Mai Sulpioius den Vor- sitz führte. Inzwischen verbreitete sich die Kunde von diesen Vorgängen durch ganz Italien und schuf überall die größte Auf- regung: man fühlte den Bürgerkrieg herannahen. Wilde Ge- rüchte durchschwirrten die Luft, so vor allem die Behauptung, Caesar habe die Gemeinden der Transpadaner angewiesen, Quattuorvirn zu wählen und sich dadurch als römische Bürger- städte zu konstituieren4).

') Dio 40, 59, 2 nofubjioc **+,p» ** toö dbt«u>? u.C *ol i< r>jv Mßirj- piay otpatsoocBv, oi> uyjv oWi x6x* tx cijs 'ItaXton; t4fX">PVv' t0^ '-"l0"

otparrjfOK n&vm ta hui npoatd^'xc at>?&c rjj koXu itp^Sptuc. Cic. ad Att. V 11, 8 Pompeiu8 (den Cicero vom 19.— 21. Mai in Tarent besucht hatte, Att V 6. 7) mihi quoque videbatur, quod scribis Varronetn dicere, in Hispaniam certe üurus. id ego minime probabam, qui quidem Theophani (dem Vertrauten de» Poinpejus) facile persuasü nihil esse melius, quam illum nusquam discedere. Plut Com. 29 ti jiiv oiv «pintoy riouirr)cou otwuübvto? oi stpl M£p»XXov xal AivtXov (cos. 49. von Plutarch fälschlich hierher gesetzt) -?jvavsio&vto.

*) Cicero schreibt am 10. Mai an Atticus V 2, 8 nondum satis huc etat adlalum, quomodo Caesar ferrei de auctoritate per- scripta. Danach wird dieser Beschluß spätestens etwa Mitte April gefaßt worden sein. Mit Ciceros Abgang in seine Provinz Anfang Mai 51 setzt seine Korrespondenz wieder ein.

*) Caelius ad fam. VIII 1, 2 (gegen Ende Mai): Marcellus, quod adhitc nihil rettulit de successione provinciarum Gaüiarum (natür- lich nachdem die erste Verhandlung darüber im April zu keinem Resultat geführt hatte) et in K. Jun., ut mihi ipse discit, eam distulürelatumem.

*) Cic. ad Att. V 8, 1 (11. Mai) aus Campanien: in oppidis summum video Ummern, sed mutta inania. Vorher V 2, 8 (10. Mai) eratque

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Marcellus gegen die Kolonie Novum Com um

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Natürlich war diese Behauptung aus der Luit gegriffen; sie beruhte darauf, daß Caesar in der Tat, seinem und des Crassus altem Programm entsprechend (S. 12), die Transpadaner, die im Jahre 89 durch das Gesetz des Consuls Pompejus Strabo latinisches Recht erhalten hatten, durchaus als römische Bürger behandelte und daher auch unbedenklich für seine Legionen ausgehoben hatte1). Ferner hatte er, auf Grund einer ihm durch das vatinische Gesetz übertragenen Vollmacht (S. 92,4), an der Süd- spitze des Corner Sees neben der alten Insubrerstadt Comum«), die Pompejus Strabo im Jahre 89 bei der Regelung der Ver- hältnisse des Polandes nach einer Heimsuchung durch die Rhaeter wiederhergestellt und Gaius Scipio durch dreitausend Kolonisten verstärkt hatte8), die Stadt Novum Comum als Bürgerkolonie angelegt. Unter die fünftausend Ansiedler nahm er auch fünfhundert angesehene Griechen auf, die so das Bürger- recht erhielten, ohne daß er ihnen die Verpflichtung auferlegte, dorthin übersiedeln zu müssen4) ohne Zweifel wird er sich dafür tüchtig haben bezahlen lassen.

rumor de Transpadanis , eos iussos IUIviros creare, quod si iia est, magnos motus timeo. CaeliuB an Cicero VIII 1, 2 (Ende Mai): nam et Uli rumor es de comitüs Transpadanorum Cumarum tenus caluerunt; Romam cum venissem, ne Umuissimam qitidem audi- tionem de ea re accepi.

■) Bell. Gall. V 24, 4 unam legionem, quam proxime (im Jahre 57) Irans Padum conscripserat. Ende Dezember 50 schreibt Cicero an Atticufi VII 7, 6, daß Caesar zur Verfügung stehn legiones XI, equi- tatus tantus quantum votet, Transpadani.

*) Liv. 38, 86. Justin 20, 5. 8-

*) Strabo V 1, 6. I\4to< Exmlwv ist sonst unbekannt; denn der Jurist Gaius Scipio Nasica, qui optimus a senatu appellatus est, bei dem auch sonst ganz unzuverlässigen Pomponius Dig. I 2, 2, 87. ist offenbar Versehn für Gnaeus.

*) Strabo V I, 6 ttta 6 tob$ Kaioap Jtivrax'.axi*aoo$ enioovtpxiosv , J>v ol mvtaxootoi t<öv 'EXX^vtov 6irr)p£av ol int<p avsotatoi ' toototc 81 xo/u- t«{av Sium xal ivifpatytv oukot>s tl^ nb<; oovoixouc, ob jtivtoi «uxirioav owtövU. Einer von ihnen ist C. Avianius Philoxenus, quem Caesar meo bene- ftcio in Novocomensis rettulit (Cic. fam. VIII 35); Cicero empfiehlt ihn um 46 dem Statthalter von Sicilien. wo er also Geschäfte betrieb. Zu

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Das Principat des Pompejus

Hieran hat Marcellus angeknüpft. Bei der unsicheren Haltung des Pompejus bot eine neue Verhandlung über Caesars Naoh- folge wenig Aussicht, so daß er sie weiter vertagte1). Dagegen beantragte er, die Gründung der Kolonie und ihr Bürgerrecht für ungesetzlich zu erklären'); und um diese Auffassung durch die Tat zu bekräftigen, ließ er einen Ratsherrn von Novum Comum aus Anlaß irgend eines Streithandels mit Ruten peitschen : er möge zu Caesar gehn und ihm die Striemen zeigen*). Dadurch

den Ansiedlern in Novum Comum gehfirte auch Catulls Freund, der an- gebende Dichter Caecilius (Catull 85).

«) Caelius an Cicero Anfang Juni VIII 2, 2: de repubMca quod tibi scribam nihil habeo. MarceUi impettis resederunt tum in- ertia (wie er VIII 1, 2 angedeutet hatte), sed, ut mihi videbantur, consilio.

«) Sueton Caes. 28 nec content us Marcellus provincias Caesari et Privilegium eripere, rettulit etiam, ut colonis, quo» rogatione Va- tinia Novum Comum deduxisset, civitas adimeretur, quod per am- bUionem et ultra praescriptum data esset.

*) Plut. Caee. 29 Nioxwjtita^ fAp eva^xo^ 6«i Kaloapoc iv r«Xatta xattpxiouivooc i(p^jpoövto c?)s itoXittiac' xal MapxtXXoc evx tü»v BooXto- td»v tli Tujuirjv dtpixofuvov i xwto £ft?8o:«, htiXi-rojv, u»<; taOta toB pvJj 'Pw- fiatov »tvai xapao*ifta xpooTtÖ-fjotv a&tq» xal &«txvouv axiövta Kaioap'. xtXsuct = App. II 26 td>v o'jv Ntoxutauiv ttyd, fyxovtd w ^ro:? rtvdjtevov xal xapa toÜTO 'Ptojtalov rlvat vOfuC6ft*vov , 6 MapxtXXoc fy' ößpst toö Kouaipo; f£tyt oißlots l<p' oto)?Y|, oJ» xaoyövtiBV toöto 'Puifvxtiov * xal *&v voöv 6«6 opPK evsxdXox«, ta< «Xirpfi« tlvat 4»vta< o6u8oXov, xal f«p«tv a^ita« ix«X«o* xxl 8ttxv6vat tq» Kafoapt. Appian ignoriert, daß nach Caesars Auffassung nicht nur die Magistrate, sondern alle Bewohner von Novum Comum romische Bürger waren; ob das auf die gemeinsame Quelle zurückgebt, läßt sich aus Plutarch nicht Bicher entnehmen. Außerdem hat Appian den Ratsherrn fälschlich, im Widerspruch zu Cicero und Plutarch, su einem Magistrat gemacht. Dadurch hatte ich mich in der ersten Auflage irreführen lassen; das Richtige gibt bereits Hirschfku> Kl. Sehr. 800 f., der auch nachweist, daß das maius Latium (Gaius inst. I 96). das auch den Decurionen der latinischen Städte das römische Bürgerrecht verlieh, in dieser Zeit noch nicht existierte, sondern, wie Ascon. in Pisonianam p. 8 angibt, die lex Pompeia vom J. 89 den Transpadanern lediglich gewahrte ut possent habere ins quod ceterae Lalinae coloniae, id est ut gerendo magistratus civitatem Bomanam adipiscerentur. Dio hat den Vorfall Ubergangen.

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ConflikteüberNovumCotuuui. Beendigung der Unterwerfung Gallien« 251

bekundete er, daß er Novum Coinura nicht als Bürgerstadt an- erkannte. Daß Marcellus ein humaner, rechtlich denkender Mann war, dem alle rein persönlichen Bestrebungen fern lagen, gab der Tat nur um so größere Bedeutung. Vielfach wurde sie gemißbilligt, so von Cicero; auch Pompejus mußte an ihr An- stoß nehmen, da sie das von seinem Vater gegebene Gesetz über die Transpadaner ignorierte1). Aber gerade das war erst recht ein Motiv für Marcellus' Handlung: er wollte eine weithin sichtbare Tatsache schaffen und zeigen, daß die Republikaner sich weder durch Caesars Macht noch durch Pompejus' Un- schlüssigkeit beeinflussen ließen, sondern Caesar nur die Wahl ließen, sich entweder zu unterwerfen oder offen zu empören.

Caesar mußte auch diese Provokation hinnehmen. Für ihn kam alles darauf an, zunächst möglichst rasch mit Gallien fertig zu werden. So hat er in seinen und seiner Legaten Feldzügen des Jahres 51 gegen die einzelnen aufständischen Gebiete die Kräfte seiner Truppen bis aufs äußerste angespannt; zugleich brach er den letzten Widerstand durch berechnete Abwechslung zwischen milder Nachsicht und grausamsten Strafgerichten so über Uxellodunum, wo er nach der Kapitulation der gesamten Besatzung zum abschreckenden Beispiel „die Hände abhauen ließ, aber das Leben schenkte, damit die Bestrafung der Ver- brecher um so offenkundiger sei"; denn, so fügt Hirtius hinzu, „er wußte, daß seine Milde allbekannt sei, und brauchte nicht zu fürchten, daß man glaube, er habe aus Hang zur Grausamkeit so hart gehandelt"2); ferner über Gutuater, den Führer des Aul- standes der Karnuten, der zu der allgemeinen Erhebung im Jahre 52 das Signal gegeben hatte, den er nach seiner Aus- lieferung „durch die dringenden Forderungen seiner Soldaten gegen

') Cicero, der den Vorfall Anfang Juli in Athen erfahren hat er fallt daher etwa Mitte Juni, später als Caelius' Briefe VIII 2 und 8 schreibt V 11, 2 an Atticus: Marcellus foede in Comensi; etsi üle magistratum non gesserit [wie Puhskr das in gesserat andern kann, ist mir unverständlich], erat tarnen Transpadanus. ita mihi videtur non minus stomachi nostro (dem Pompejus) (quam) Caesari fecixsc, sed hoc ipse videril.

') Bell. Gall. VII l 44.

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Da« Principat des Pompejns

seine Natur gezwungen" zu Tode peitschen ließ1). Die meisten Führer der Aufstande waren umgekommen oder in seine Hände gefallen; dem Atrebaten Commius dagegen, dessen er weder durch einen perfiden, von Labienus geleiteten Mordversuch1), noch durch unablässige Verfolgung hatte habhaft werden können, wurde schließlich nicht nur Verzeihung gewährt, sondern auch die Forderung bewilligt, daß er sich den Römern nicht persön- lich zu stellen brauche*). Die Adligen, die sich fügten, wurden reich beschenkt, der Druck der Steuern und Kontributionen er- leichtert4). So konnte Gallien in der Tat zu Ende des Jahres als definitiv unterworfen gelten; falls er die Provinz wirklich einem Nachfolger übergeben mußte, gab es für diesen jedenfalls nichts mehr zu tun. Indessen Caesar hoffte, Gallien dauernd in der Hand behalten zu können; alsdann aber mußte er auf einen Bürgerkrieg gefaßt sein, so gern er ihn vermeiden wollte, und daher in der Lage sein, seine Legionen aus dem eroberten Lande fortzuziehn, ohne einen neuen Aufstand befürchten zu müssen5). Den Bestand seiner Armee hatte er, indem er jetzt auch bei den Galliern Frankreichs eine Legion, die legio V. Alaudae, aushob*), im schroffsten Widerspruch gegen die funda-

') Bell. Gall. VIII 88. Der angebliche Name Gutnater ist in Wirk- lichkeit der Titel de» keltischen Oberpriwters, s. Hirschfeld, Kl. Schriften 81, 7. 206.

*) Hirtius VIII 28 tragt diese Geschichte nach, um zugleich Labienus in möglichst schlechtes Licht zusetzen: Caesar sei nicht daran beteiligt gewesen, er war zu der Zeit in der Cisalpina (Caesare in Gattia cite- riore ius diccnte).

*) VIII 48, 9.

«) Hirtius bell. Gall. VIII 49. S Üaque honorifice civitatis appel- lando , principe* maximis praemiis afflciendo, nulla onera iniun- gendo, dcfessam tot adversis proeliis Qalliam condicione parendi meUore facile in pace continuit.

*) Hirtius VIII 49, 2 nihü enitn minus volebat, quam sub decessum suum necessitatem sibi aliquam imponi belli gerendi, ne, cum ex- ercüum deducturus esset, bellum cUiquod reUnqueretur , quod omnis Qaüia libenter sine pnieaenti periculo susciperet.

f) Sueton Caes. 24; vgl. bell. Gall. VII 65, 1. civ. I 18, 5, und dasu Groibe bei Druhahn III* 708.

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Vollendung der Unterwerfung Galliens. Wahlen in Rom im Jahre 51 253

mentalen Grundsätze der römischen Verfassung und Heeres- Organisation, auf elf Legionen verstärkt; eine von ihnen ver- legte er nach Oberitalien, unter dem Vorwand, die Städte gegen räuberische Einfälle schützen zu müssen1), in Wirklichkeit, um dadurch den Druck auf Rom zu verstärken und für den Not- fall wenigstens einige Truppen sogleich zur Hand zu haben.

In Rom stand die öffentliche Meinung durchaus auf Seiten der Republik und der wiederhergestellten Ordnung, und mani- festierte sich, wo immer sioh eine Gelegenheit bot. So fielen bei den Aedilen wählen im Sommer M. Caelius Vinicianus und Hirrus durch, weil sie die Anträge auf Pompejus* Dictatur ge- stellt hatten; statt dessen wurde der eifrige Optimat M. Caelius Rufus (oben S. 217) gewählt8), ebenso als Tribun Curio*). Daß Messalla, der optimatische Consul des Jahres 53, in einem Prozeß wegen seiner Wahlumtriebe infolge einer rührseligen Rede des Hortensius freigesprochen wurde, erregte gegen beide solchen Unwillen, daß Hortensius, als er sich im Theater zeigte, auf seine alten Tage zum ersten Male ausgezischt, Messalla in einem zweiten Prozeß verurteilt wurde*). Die Consul wählen im Juli verliefen glatt; gewählt wurden L. Aemilius Paulius und Gaius Marcellus, der Vetter des Marcus1»). Dagegen fiel Favonius bei der Bewerbung um die Praetur durch; auch die Optimaten wollten von seiner extremen, zur Karikatur entarteten Manier nichts wissen6).

Die Entwicklung der politischen Fragen dagegen ging ihren Schneckengang weiter. Zögernd und schrittweise wurde Pom- pejus gezwungen, sich zu demaskieren. Am 22. Juli, bei der

') Bell. Gall. VIII 24, 3.

*) Caelius an Cicero VIII 4, 3. 9, 1

») Caelins VIII 4, 2; er erhielt die Stelle des schon erwählten, dann aber verurteilten Servaens.

*) Caelius VHI 2, 1. 4. 1. Cicero ad Att. V 12, 2. Brot. 828. Val. Max. V 9, 2. Er ging dann natürlich auch zu Caesar und wurde von diesem 48 restituiert und als Legat verwendet.

») Caelius VIII 4, 1. 4.

•) Caelius VI II 9. 5 nolo puiare, Farxmium a columnariis praeteritum ; optimus quisque eum non fecit.

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Da* Principat des Pompejus

Senatsverhandlung über die Soldzahlung au seine Truppen1), wurde er gefragt, wie lange er die Caesar geliehene Legion diesem noch lassen werde, und mußte verheißen, daß er sie demnächst abberufen werde, nur nicht sofort, um den Anschein der Ge- hässigkeit zu vermoiden. Des weiteren erklärte er, daß ein jeder verpflichtet sei, den Anordnungen des Senats zu gehorchen1). Weiteren lästigen Anfragen entzog er sich dadurch, daß er zu seinen für Spanien bestimmten Truppen nach Ariminium ging3); so wurde beschlossen, mit der Verhandlung über Caesars Nach- folge bis zu seiner Rückkehr zu warten. Marcellus versuchte wiederholt, die Sache vorwärts zu bringen; aber im August und September konnte ein beschlußfähiger Senat nicht zusammen- gebracht werden, und in der Diskussion wurden die mannig- fachsten Einwendungen erhoben, erklärt, daß über Gallien nur verfügt werden könne, wenn der Senat freie Disposition über sämtliche Provinzen habe, mit Intercession gedroht u. ä.*). Es fiel auf, daß Hirrus, der nach wie vor, so auch im Bürgerkrieg, auf seiten des Pompejus blieb, sich gegen Caesar äußerte6); Pompejus' Schwiegervater Scipio forderte Vertagung der Ver- handlung über Gallien bis zum 1. März, über Pompejus gewann man den Eindruck, daß er nicht wolle, daß Caesar Heer und Provinz bis über seine Wahl zum Consul hinaus behalte*). Das

') Caelias VIII 4. 4; die Sitzung fand deshalb ad Apollinis außer- halb des Pomerinms statt; ebenso am 29. September.

*) in disputando coniecit illam vocem Cn. Pompeius, omnis operiere senatui dicto andiente esse. Caelina knüpft daran die Er- wartung profecio aut transigetur aliquid out turpiier intercedeiur.

•) Caelius VIII 4, 4, vgl. Cic. ad Att V 19. 1.

4) Caelius VIII 5, 2 f. 9. 2. 5.

*) Caelius VIII 9. 1. Hirrus . . . post repulsam . . . civeni bonutn tudü et contra Caesarem senientias dicit; exspectationem corripü (unklar: ,er tadelt den Aufschub1 übersetzt Pohsbr).

•) Caelius VIII 9, 5 Pompeius tuus aperte Caesarem et provm- ciam teuere cum exercitu ei consul(em) [zu erganzen mit Hrascftm.D fteri oder designari non volt, wie H, 8. 14, 2]; ipse tarnen hanc sen- tentiam dixit, nuUum hoc tempore senatusconsuUum faciendum; Scipio hanc, ut Kai. Martiis de provineiis Gaüus, neu quid con~

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Verhandlungen über Caesars Nachfolge 255

war in der Tat der entscheidende Punkt: wenn man Caesar stürzen wollte, mußte ein Intervall zwischen Statthalterschaft und Consulat geschaffen werden, in dem er nicht Beamter war und vor Gericht gezogen werden konnte. Cato hat denn auch wiederholt eidlich erklärt, er werde die Anklage gegen ihn erheben, sobald er sein Heer entlassen habe. Alsdann konnte er dem Schicksal Milos kaum entgehn1).

Endlich kam am 29. September die entscheidende Verhand- lung. Pompejus erklärte, offenbar mit Rücksicht auf die Klausel in dem von ihm und Crassus beantragten Gesetz (oben S. 158, 1), vor dem 1. März 60 könne er ohne Rechtsverletzung über Caesars Provinzen keinen Beschluß fassen, nachher habe er keine Be- denken mehr. Auf die Frage, wie er sich verhalten werde, falls alsdann ein Tribun intercediere, antwortete er, es sei kein Unter* schied, ob Caesar selbst dem Senat nicht gehorche oder jemand anstifte, der den Senat an der Beschlußfassung hindere; wenn Caesar aber gar verlangen sollte, sein Heer auch als Consul zu behalten also für sich dieselbe Stellung fordere, welche Pom- pejus im vorigen Jahre eingenommen hatte , sei das ebenso, „wie wenn mein Sohn den Knüttel gegen mich erheben will"').

iunetim referretur. contrisiavit haec sententia Balkum Cornelium (den Agenten Caesars), et scio eum questum esse cum Scipione.

») Sneton Caes. 80 cum M. Cato identidem nec sine iureiurando denuntiaret, delaturum se nomen eius simul ac primum exereitum dimisisset; cumque vulgo fore praedicarent, ut si privaius redisset, Milonis exemplo circumpositis armatis causam apud iudices diceret.

*) Caelius VIII 8, 9 „quid, si" inquit alius „et consul esse et ex- ereitum habere volet?" at ille quam dementer „quid si füius mens fustem mihi impingere volet?* Offenbar hat Caesar oder sein Ver- treter dieBe Forderung erhoben (vgl. oben S. 246, 1), die schon im Jahre 52 nach Clodius' Ermordung gestellt worden war. Wenn Caelius folgert: iiaque tarn, ut video, alter am utram ad condicionem descendere volt Caesar, aut ut maneat neque hoc anno sua ratio habeaiur, aut, si designari poterit, decedat, so hat er sich entweder sehr flüchtig und inkorrekt aasgedrückt, oder Caesar hat wirklich zunächst die Forde- rung gestellt, im Jahre 50 [denn nur die in diesem Jahre bevorstehen- den Wahlen können mit hoc anno gemeint sein] zum Consul für 49 gewählt zu werden, was an sich, wenn es auch einen Dispens von dem

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Das Principat des Ponipejus

Diese Äußerungen haben die Entscheidung des Senats be- stimmt. Marcellus' Antrag, Caesar zum nächsten 1. März einen Nachfolger zu bestellen, wurde mit großer Majorität abgelehnt1), dagegen beschlossen, daß die nächsten Consuln vom 1. März an die Verhandlung über die Consularprovinzen auf die Tages- ordnung setzen und in den nächsten Tagen zu Ende führen sollten, unter Heranziehung auch derjenigen Senatoren, die als Richter tätig waren, und ohne Verbindung mit irgend einem andern Gegenstande; alsdann sollten sie die etwa nötigen An- träge an das Volk veranlassen. Weiter beschloß man, daß acht gegenwärtig von Praetoriern verwaltete Provinzen, sowie die zurzeit von dem Consular Cicero verwaltete Provinz Cilicien für das Jahr 50 Praetoriern zugewiesen und diese in der durch das im Vorjahr erlassene Gesetz vorgeschriebenen Weise bestellt werden sollten; dadurch wurden als Consularprovinzen für das Jahr 49*) das zurzeit von Bibulus verwaltete Syrien und eine der beiden Gallien in Aussicht genommen, da die beiden Spanien ja noch auf Jahre hinaus an Pompejus vergeben waren.

Gesetz erfordert hatte, sehr wohl denkbar ist, zumal er jetzt ja wirklich mit Gallien fertig war.

') Hirtius bell. Gall. Vm 58 Marcellus . . . contra legem Pompei et Crassi rettuleral ante tempus ad senatum de Caeearis provinciis, sententüsque dictis discessionem faciente Marceüo . . . senatus fre- quens in alia omnia transiü (das ist bekanntlich die Form für die Ablehnung eines Antrags: bei der Abstimmung gehn die für einen An- trag Stimmenden auf die eine Seite, wer für irgend einen andern ist, anf die andere). Dio 40, 59 Pomp, xb fiiv 8+) xbv Kafoop* xr^ 4rrtfiovla< «apiXoS-fjv*'. obik ivixth apioxeiv fcuXimto, Snpvcn l' 5«u>c, 8t-xv tiv 3sio- jiivov ol xpivov 3iap$u (toüto W oOx 1$ paxp&v, £XX' e68-ö« sv ti» 6otep<fi fxti [vgl. oben S. 159 Anm.] y«vi{<»oSai «fwXX»), xi xt SitXa xataJbrcat xal I3iwts6(uv oixv&c esaviXd-y. Appian II 26, 99 SttxcuXoosv ö no;j.itrjtoc e&xp»- tttta xt Xöyou xsl t£»voia<; uitoxpfott, fi-Jj 9t Iv &v8p« Xaaxp&v x*l 1$ koXX« XpT,oifM>v tijj xatptfi ytvöfievov &ßptC«tv ßp*»Xe' itoorrytatt xp6vot>, xal iijXov inoitptv, Jkt X9"h V*x^ tiv *«P«Xo«tv opx*J? a&ttxa tiv Katoapa.

*) Die Consularprovinzen müssen auch nach der neuen Ordnung auf Grund des Bempronischen Gesetzes vor den nächsten Comulwahlen, also anderthalb Jahre voraus, bestimmt werden, obwohl sie jetzt nicht mehr den alsdann gewühlten Consuln, Bondern älteren Consularen zugewiesen werden.

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Makellos Antrüge abgelehnt. Beechlüsse .Iber die Provinzen 257

Endlich sollte über die ausgedienten oder sonst au dem Anspruch auf Entlassung berechtigten Soldaten im Heere Caesars an den Senat zu weiterer Verhandlang Bericht erstattet werden; da- durch hoffte man, Caesars Stellung in seiner Armee erschüttern und diese in ähnlicher Weise innerlich auflösen zu können, wie das im Jahre 67 mit der Armee des Lucullus geschehn war. Gegen einen Senatsbeschluß über die Consularprovinzen war eine Intercession unzulässig; gegen die übrigen Beschlüsse inter- codierten die für Caesar tätigen Tribunen, obwohl der Senat beschlossen hatte, in diesem Fall seine auctoritas schriftlich auf- zusetzen und ein derartiges Verhalten für staatsfeindlich (contra rempublioam) zu erklären; es sollte alsdann sofort eine Verhand- lung über die weiter zu ergreifenden Maßregeln erfolgen1).

Durch diese Beschlüsse war der von Marcellus geleitete Ver- such der Republikaner gescheitert, selbständig aus eigener Kraft, ohne Rücksicht auf Pompejus, vorzugehn, und damit das Reichs- regiment wirklich wieder für den Senat in Besitz zu nehmen. Daß Marcellus jetzt nicht weiter vorgehn konnte, war selbst- verständlich, und er verdient die Vorwürfe keineswegs, die CaeliuB ihm deshalb macht«), wenn auch seinem Naturell die aktive Energie und die dazu gehörende Leidenschaftlichkeit ab- ging. Aber die Majorität des Senats hatte ihn im Stich gelassen : und wie hätte er jetzt Pläne fördern sollen, die zu seiner strengen und ehrlichen Auffassung durchaus im Widerspruch standen? Pompejus hatte sich als der Stärkere erwiesen. Zugleich aber hatte er sich aufs neue zu den Anschauungen der Nobilität be- kannt, im Gegensatz gegen die Phrasen von den Volksrechten und ihrer Verkörperung in den Tribunen, über deren Ansprüche er sich in wegwerfendster Weise geäußert hatte; und er hatte deut-

') Caelins VIII 8, 4 ff., der den Wortlaut der SenatsbeschlQsae mitteilt.

*) Caelius VIII 10, 3 (17. November) plane nihil Video ante Kai. Januarius agi posse. nosii Marceilum, quam tardus et parum effi cax tfit, itemqtte Servius quam eunctator. cuiusmodi putas hos esse, aut quam id quod nolini (d. i. eine Aktion in Pompejus' Sinne) con- flcere posse, qui quae cupiunt tarnen ita frigide agunt, ut noüe ex - istimentur?

Meyer, CKe-ars Monarchie 17

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Das Principal des Pom pejus

lieh zu erkennen gegeben, daß er vor dem offenen Bruch mit Caesar nicht zurückscheue, sondern, wenn auch langsam fort- schreitend, dazu bereit sei.

Daß vor diesen Fragen, von denen der Bestand der Republik abhing, alle übrigen Aufgaben des Staate in den Hintergrund traten, ist begreiflich genug. Aber freilich blieben so die wich- tigsten Dinge nach wie vor unerledigt, und an eine konsequente Leitung der auswärtigen Politik durch den Senat in den ihm unterstellten Gebieten war nicht zu denken. Gegen die drohende Purthergefahr geschah so gut wie nichts. Allerdings hatte der Senat sich im Frühjahr 51 endlich entschlossen, wie nach Cilicien, das Appius Claudius, Consul 54, verwaltete, so auch nach Syrien, dessen Statthalterschaft seit Craasus' Tode unbesetzt war, einen Oonsuiar zu schicken, nach Cilicien Cicero, nach Syrien Bibulus. Aber für die Verstärkung der gänzlich ungenügenden Truppen- macht, die in beiden Provinzen stand, geschah garnichts, alle darüber geführten Debatten verliefen im Sande1). Als dann im Herbst die Parther in Syrien einbrachen, tauchte der Gedanke auf, entweder Pompejus oder Caesar gegen sie zu senden und so zugleich den drohenden Bürgerkrieg zu vermeiden*). Aber zu namhaftem Handeln konnte man sich nicht aufraffen, und der Staat hatte es nicht sowohl den umsichtigen Maßregeln des Cassius in Syrien, als vielmehr lediglich der inneren Schwäche des zu einer großen Offensive nicht fähigen Partherreichs zu

') Cicero an Appins Claudias HI 8, 1; vgl. an den Senat XV 1, 4 (September 51) magno opere vos et hortor et moneo, ut hin provin- ciis serius vos quidem quam decutt, sed aliquando tarnen consu- latis. nos quemadmodutn instruetos et quibus praesidiis munitos ad tanti belli opinionem miseritis, non estis ignari. Caelius an Cicero VIII 5, 1 nunc si Parthus movet aliquid . . . tuus porro ex- ercitus vix unum saUum tueri polest. In Cilicien standen zwei schwache Legionen, ad Att V 15, 1 (nach Plut. Cic. 36: 12000 Mann zu Fuß, 2600 Reiter), ebenso in Syrien zwei aus den Resten der Armee des Craasus gebildete, Caesar civ. III 4, 3. Appian II 49, 201.

») Caelius VIII 10, 2, vgl. Cicero ad Att V 18, 1. 21, 8. VI 1, 8. 14. Die Consuln des Jahres 51, denen einige diese verfassungsmäßig ihnen zukommende Aufgabe zuweisen wollten, hatten nach Caelius garkeine Neigung, sie zn Obernehmen.

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Der Partherkrieg. Curios Tribunat

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danken, daß nicht eine große Katastrophe eintrat, wie im mithridatischen Kriege.

Der Bruch zwischen Pompejus und Caesar

Von den Consuln des Jahres 50 stand Gaius Marcellus, ob- wohl mit Caesars Großnichte Octavia vermählt, auf seiten der Republik und des Pompejus1) ; seinen Kollegen L. Aemilius Paullus, ehemals Caesars Geguer (S.85), den Caesar schon früher durch Zu- schüsse für den Neubau der Basilica Aemilia unterstützt hatte, er- kaufte er jetzt vollends, indem er ihm im ganzen nicht weniger als 1500 Talente (9 Millionen Denare) für den Bau zukommen ließ2). Dagegen hatte Caesar das Anerbieten Curios abgewiesen, sich von j hm durch Bezahlung seiner gewaltigen Schulden erkaufen zu lassen, obwohl er sonst einem jeden sein Geld zukommen ließ, der ihm irgend nützlich sein konnte, bis zu den Sklaven hinab, die bei irgendwie brauchbaren Männern eine Vertrauensstellung ein- nahmen ; aber Curio hatte ihn, wie sein Vater, in seinem Consulat persönlich aufs heftigste angegriffen, und überdies hatte er zu seinen Leistungen kein Zutrauen3). Indessen Curio war eine hochbegabte Persönlichkeit; wie Caesar verband er mit völliger Erhabenheit über die Gebote der politischen Moral und mit der größten, ostentativ zur Schau getragenen Nonchalance in seinem Auftreten4) einen feinen politischen Blick und das begründete

') Bio 40. 59, 4: Pompejus hat seine Wahl unterstützt iwiif) tu» Katoopi xacittp ii imfan-ias *pooYjxa)v ex*P°S fy- ») Vgl. oben S. 200, 5.

») Caeüus VIII 4, 2, 1. August 51 : huius autem voluntatis inüium et causa est, quod eum (den Curio) non mediocriter Caesar, qui solet infimorum hominum amicitiam sibi qualibet impensa ad- lungere (vgl. Dio 40. 60, 8 f. Plut. Caes. 29. Sueton 27) , valde con- tetnpsit.

') In dem angeführten Brief wundert sich CaeliuB, daß Curio, qui nihil consilio facit, sich den ihm von Laelius (einem Anhänger des Pompejus), Antonius (dem Caesarianer) und anderen bei der Bewerbung um das Tribunat gelegten Fallstricken entzogen habe ; vgl. vorher sane quam incutit multis, qui eum facilUatemque eius non norunt, ma- gnum nietum.

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Das Principat dee Pom pejus

und adelnde Bewußtsein, daß er etwas zu leisten vermöge; er steht Caesar weit näher als etwa dem Clodius, als dessen Erbe er sonst erscheint, wie er denn auch dessen Witwe Fulvia geheiratet hatte. Zurückgewiesen, warf er sich mit Feuereifer in den Kampf gegen Caesar1), plante einen neuen Angriff auf dessen campanisches Ackergesetz, erklärte, er werde ihm den Weg zum Triumph oder zu einem zweiten Consulat verschnüren2). Caesar erkannte, welchen Fehler er begangen hatte, und bewilligte alles, was Curio forderte, angeblich 2*/t Millionen Denare*). Curio maskierte seinen Übertritt mit großem Geschick; er brachte, während sonst alle Geschäfte stockten4), einen Antrag nach dem andern ein, in der Absicht, dadurch einen Konflikt mit der Regierung herbeizu- führen*). Schließlich forderte er im Februar die Einschiebung eines Schaltmonats, die übrigens der regelmäßigen Ordnung durchaus entsprochen hätte und bei der heillosen Verwirrung, in die der römische Kalender geraten war, um so mehr geboten gewesen wäre. Als auch das abgelehnt wurde, erklärte er, d«is

') Caelius VIII 4, 2 sed ut apero et volo et ut se fori ipse, bonos et senatum malet, totus, ut nunc est, hoc scaturit (bei der Bewerbung Sommer 51). VIII 8, 10 (Oktober): C'urt'o se contra eum (Caesarem) totum parat. Vgl. Cicero an Curio II 7.

*) Caelins VIII 10, 8 f. (17. November, also vor dem Antritt des Tri- bunate): Curionem tndeo se dupliciter iactaturum: primum, ut ali- quid Caesari adimat; inde, ut aliquid Pompeio tribuat, quodvis quamlibet tenue munusculum . . : iliud addo ad actiones C. CurionU, de agro Campano; de quo negant Caesarem laborare, sed Pom- peium valde nolle, ne vaeuus advenienti Caesari pateat. Varro bei Nonius p. 147, 12 quod Curio, cum id fecisset, dicebal amicis, ut Uli renuntiaretur, se obstringillaturum, ne triumphtts decerneretur aut ne iterum fteret consul.

*) Vellejus II 48, 4 id gratis an aeeepto centies sestertio fecerit, ut aeeepimus, in medio relinquemus. Dio 40, 60. Appian II 26, 101. Sueton 29.

«) Caelius VI II 6, 8 (Ende Februar, vgl. 0. E. S< hmiüt, Briefwechsel Ciceros S. 87 f.), ironisch : consules autem habemus summa diligentia; adhuc senahiscomuUum nisi de feriis Latinis nullum facere po- tuerunt.

») Dio 40. 61, 2 toYflelto itoUä x*i atona.

i I

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Curie* Obertritt in Caesar

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geschehe nur, um ihm die Zeit seines Tribunats zu verkürzen1), und vollzog seinen Übertritt zur Volkspartei und zu Caesar durch Einbringung von Gesetzen über Straßenbauten und über die Verteilung der Lebensmittel, die natürlich lediglich den Zweck hatten, seine bisherigen Parteigenossen zu reizen und die ge- samte Staatsmaschinerie lahm zu legen2).

Am 1. März forderte dann der Consul C. Marcellus, dem Be- schhiß vom 29. September 51 entsprechend, die Bestellung eines Nachfolgers für Caesar; aber sein Kollege Paullus, der in diesem Monat den Vorsitz hatte, verhielt sich ablehnend1). Piso, der

') Das dürfen wir wohl aas Dios Angabe 40, 62, 1 vfiwo p^v* ÄXow xp&C t&{ die' aotwv ly\ vofiofhata^ (d. h. för die Gesetzgebung, die aus seinen Antrügen hervorgehen sollte) ins^ßX^d^vai folgern. Dios Be- hauptung, in diesem Jahre habe legitimerweise keine Schaltung statt- finden können, ist falsch: Cicero ist vielmehr in Sorge, daß geschaltet and die Daner seiner Statthalterschaft verlängert werden könnte (ad Att. V 9, 2). Die Bekanntgebung der Schaltung erfolgte bekanntlich erst unmittelbar vorher, nach Mommsens Annahme an den Nonen des Februur.

*) Dio 40. 62. Wahrend de» Parteiwechsels, also noch im Februar, ist der Brief des Caelius VIII 6 geschrieben, zunächst Curioni nostro tribunatm conglaciat, dann in der Nachschritt quod tibi supra scripsi, Curionem valde frigere, iam ccUet. nam fertetitissime concerpitur; levissime enim, quia de intercalando non obtinuerat, transfugit ad populum et pro Caesare loqui coepit, legemque Hariam, non die- simüem Rulli, et alimentariam, quae iubet aedüis metin, iactavit: hoc nondum fecerat, cum priorem partem epistolae scripsi. Dazu stimmt Appinn II 27 ö 3i Kooptov, Ivx ji-rj 5tpvu» jittattd-ifuvoc Yl~(VOiXo ***d- <p«»po(, tt97]*rt'-to ßapordtoc Mwv xoXXüv fataxtode Tt xat xataaxsoac xal awt&v hetotdr^v a&ttüv in\ «vtiati? tlv-xt, »Iftüig piv oö&iv totmuv ssöfitvov, iknifav & toö^ Ilofiir^too fiko^ av«X«;tiv. In der Antwort an Caelius II 18, 2 Anfang Mai behauptet Cicero, den Parteiwechsel Curios geahnt zu haben (quid ais? Caesarem nunc defendit Curia? quis hoc pu- tarat praeter me? nam, ita rivam, putavi); und er kannte seinen Zögling so gut, daß wir ihm diese Behauptung diesmal wohl glauben können; vgl. seinen Brief an Curio II 7 nach dessen Wahl.

s) App. II 27. 10:i KXa-;«io« V ««nrfttto itipKiiv Katoapi 3ta&x«K ixi UrvTrj' xal f*p j}.t(-(ev h xpövo?. xal IlaöXo^ ioiuma. Dio 40, 68, 2. Caelius VII! II, 1 redet von dem furor Pauli, durch den dem Curio alle Comitialtnge entrissen sind, wohl nicht durch Obnuntiation. son-

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Da* Principat des Pompejas

bald darauf zum Censor gewählt wurde, vertrat die Sache seines Schwiegersohns1), Curio aber hinderte jeden einseitigen Be- schluß gegen Caesar, sondern forderte, daß beide Machthaber Heer und Provinzen aufgeben und in den Privatstand zurück- treten sollten: nur so könne der gesetzliche Zustand hergestellt und dauernde Ordnung und Sicherheit geschaffen werden2). So zogen sich die Verhandlungen wochenlang resultatlos hin, unter mancherlei Unruhen und aufreizenden Volksreden'). Der Masse

dem weil sie infolge der Verschleppung der Entscheidung durch Paullus für die Senatsverhandlungen über die lonsularprovinzen mit Beschlag belegt sind, was am 29. September öl verfügt war (Senatsbeachluß bei Caelius VIII 8. 5 utique eins rei causa per dies comitialis senatum haberent).

') Dio 40, 63.

*) Appian II 27. Dio 40, 62.

*) Cicero an Atticus VI, 2, 6 habebam acta urbana usqu* ad Nonas Martias, e quibus iniellegebam , Curionis nostri comtantia omnia potiux actum tri quam de provinciis; so kann Cicero hoffen, daß sein Wunsch, Cilicien baldmöglichst verlassen zu dürfen, sich er- füllt (ego, ut spero, propediem te videboj. VI 3, 4 huc odiosa ad- ferebantur de Curione, de Paulo, non quo ullum periculum videam stante Pompeio, vel etiam sedente, vaieat modo. An Caelius II 12 sollicitits equidem eram de rebus urbanis; ita tumultuosae contioties, ita molestae Quinquatrus (19. Marz) adferebantur ; nam citeriora nondum audiebamus. In die späteren Stadien dieser Verhandlungen etwa Ende April oder Anfang Mai (0. E. Schmidt, Briefwechsel Ciceros S. 88) fallen dann die absurden Diskussionen Über die von Bibulus und Cicero erhobenen Ansprüche auf ein Dankfest und den Triumph, mit denen geraume Zeit vergeudet wird, s. Caelius VIII 11 und die darauf bezüglichen Schreiben Ciceros. Curio war, zumal nachdem Caesars Agent Balbns auf ihn eingewirkt hatte, konnivent genug, seinen Ein- spruch gegen ein Dankfest für Cicero zurückzuziehn, nachdem ihm die Garantie gegeben war, daß es in diesem Jahre nicht gefeiert werden und ihm dadurch weitere Comitialtage nicht entrissen werden sollten. Caesar hat natürlich sofort eingehakt und versucht, Cicero auf seine Seite zu ziehn: in einem Brief an diesen höhnt er über Cato. der dem Bibulus ein zwanzigtägiges (! !) Dankfest bewilligte, aber gegen das für Cicero stimmte (vgl. oben S. 221): Cic. ad Att. VII 1, 7. 2, 7, vgl. 8. 5, wo man in sehr instruktiver Weise sieht, wie solche Insinua- tionen bei Cicero zunächst weiter nachwirken, ihn aber schließlich doch nicht zu gewinnen und zu ehrloser Haltung zu verlocken vermögen.

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Curio und die V erhandlungen über Caesars Abberufung. 263

der Bürgerschaft leuchtete Curios Vorschlag vollständig ein: er wurde als der wahre Verfechter der Republik, der unabhängig zwischen den Machthabern dastehe und gegen beide in gleicher Weise Front mache, von der Menge gefeiert und bekränzt1). Caesars rechtlich ganz unhaltbare Position denn der Termin, bis zu dem ihm die Provinzen bewilligt waren, war abgelaufen, er konnte seine Ansprüche nur noch auf die Klausel gründen, daß über die Bestellung seines Nachfolgers erst jetzt verhandelt werden dürfe erhielt dadurch aufs neue eine Stütze: durch die Vertagung der Entscheidung blieb er einstweilen im Besitz. Pompejus dagegen und seine Anhänger hatten einen schweren Stand: die Berufung auf das Gesetz, welches ihm seine Provinzen bis zum Jahre 45 gewährte, konnte demgegenüber wenig fruchten*). So geriet er in eine gereizte Stimmung, die sich in heftigen Angriffen gegen Caesar und Curio Luft machte3) ; um der feurigen Beredsamkeit entgegentreten zu können, mit der Curio seine politische Laufbahn und vor allem sein zweites Con- sulat zerpflückte4), machte er auf seine alten Tage noch einmal einen Kursus der Rhetorik durch5). Er erklärte unter Zu- stimmung des Senats, daß Curio Händel suche und die Ein- tracht störe; er sei bereit, Caesar alles zu gewähren, was er billigerweise verlangen könne, aber spätestens am 13. November müsse er seine Stellung niederlegen; darauf, daß er zum Consul gewählt werde, ehe er Heer und Provinz abgegeben habe, wollte er sich in keinem Falle einlassen6).

') Appian II 27, 106.

*) Appian II 27, 105. Hirtius bell. Gall. VIII 52. ») Dio 40, 63, 1.

4) CaeliuB VIII 11, 8 accipitur satis male a Curione, ei totue eins secundus consulatus exagitatur. *) Sueton de rbet. 2.

•) Caelius VIII 11, 3 (etwa Ende April, s. S. 262, 8): quod ad rem- publicum attinet, in unam causam omni* contentio coniecla est, de provinciis, in quam adhuc f incubuisse cum senatu Pompeius videtur, ut Caesar Id. Novembr. decedai (natürlich des laufenden Jahres; der Termin ist als eine große Konzession gedacht, was oft ver- kannt ist). Curij omnia potius subire constituit, quam id pati

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Das Principat des Pompejus

Im Juni vorsuchte der Consul Marcellus als Vorsitzender ein Einschreiten gegen den renitenten Tribunen herbeizuführen, der in üblicher Weise alle Staatsgeschäfte lahm legte1). Seüi Vetter Marcus, der Consul des Vorjahrs, beantragte zu den herkömm- lichen weitern Maßnahmen zu schreiten, zunächst durch Ver- handlung mit den Tribunen; aber die Majorität lehnte den An- trag ab, beschloß vielmehr, daß Caesars Anrecht auf abwesende Bewerbung um das Consulat anerkannt werden sollte, ohne daß ihm für die Abgabe von Heer und Provinz ein Termin gesetzt wurde1). Pompejus sah seine Absichten durchkreuzt; er mußte versuchen, das verlorene Terrain wiederzugewinnen. So schrieb er im Sommer, als er krank in Campanien lag, einen Brief an den Senat, in dem er den Schein eines weiteren Entgegen- kommens annahm. Er pries Caesars Verdienste, hob aber zu- gleich hervor, daß er selbst sich keineswegs zu seiner Stellung gedrängt habe, sondern das dritte Consulat nur auf das An-

ceteras suas abiecit actiones. nostri porro , quos tu bene tiosti, ad Krtremum certamen rem deducere non audearU (wu sich nachher im Juni bestätigt), scaena rei iotius haec: Pompeius, tamquam Cae- sarem non impugnet sed quod Uli aequum putet constüuat , ait Curionem quaerere discordias, valde antem non volt et plane timei Caesarem cos. desig. [d. i. cotisulern designari oder designatum, woran man mit Unrecht Anstoß genommen and korrigiert hat] prius quam exercüum et provinciam tradiderit. Es folgt der Satz 8. 268, 4.

') Appian II 29, HS oo iwtdiuv Ik idlot r*jv ßeoX-Jjv Int ittXtot xäoi (vgL 8. 262, 3).

*) Oaelias VIII 18 (vgl. Cic. ad Att. VII 7, 5) cum de intercessione (Cnrionis) referretur, quae relatio ftebat ex senatusconsuUo, primaque M. Marceüi sententia pronuntiata esset, qui agendum cum tribunis pl. censebat, frequens senatus iw alia omnia iü. stomacho est scüicet Pompeius Magnus nunc ita languenti, ut vix, quod sibi placeat, reperiat. tr ansier ant illuc, rationem eins haberi, qui (neque) ex- ercitum neque provincias traderet. quemadmodum hoc Pompeius laturus sit, cum cognoscam (nämlich, alsdann werde ich es schreiben ; das ist nicht geschehn, da Caelius in dem nächsten Brief VIII 12 ledig- lich Ton seinen persönlichen Angelegenheiten, dem schmutzigen Handel mit dem Censor Appius, berichtet) ; quidnam reipubticae futurum sit, si <. . .> aut non curet, vos senes divites mderitis. Daß die Verhand- lung unter Marcellus' Vorsitz stattgefunden hat, also im Juni, ist klar.

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Abgabe der Legionen für den Partherkrieg

265

drängen des Staat« übernommen habe; so sei er denn auch ganz bereit, Provinzen und Heer vor der ihm zugewiesenen Zeit ab- zugeben; ebenso werde Caesar sich freuen, die langjährigen schweren Kampfe los zu sein und auf seinen Lorbeern aus- ruhn zu können. Der Unterschied war nur, daß er sich hütete, für sich einen bestimmten Termin zu nennen, während er von Caesar natürlich jetzt den Rücktritt forderte1).

Einen andern Erfolg dagegen hatte Pompejus erreicht: es war, vermutlich schon etwas früher*), beschlossen worden, daß jeder der beiden Machthaber eine Legion für den Partherkrieg abgeben solle. Pompejus forderte dafür, entsprechend seiner Erklärung im vorigen Jahre (S. 264), die Caesar geliehene Legion zurück, so daß diesem tatsächlich zwei Legionen ent- zogen wurden. Caesar gehorchte; er entsandte die von Pompejus entliehene, sowie die im vorigen Jahr in die Cisalpina verlegte fünfzehnte Legion, an deren Stelle er die dreizehnte nach Ober- italien schickte; durch reiche Geschenke 250 Denare auf den Mann suchte er sich ihre Anhänglichkeit auch für die Zukunft zu sichern'). Im übrigen schaffte er sich für die verlorenen Truppen nach Kräften Ersatz; die starken Aushebungen, die er im Jahre 52 in der Cisalpina wie jenseits der Alpen angeordnet und aus denen er hier die gallische legio V. Alaudae gebildet hatte (S. 252), wurden eifrig wieder aufgenommen, und aus ihnen mindestens zwei neue Legionen gebildet; dazu mochte noch eine Anzahl noch nicht zu

') Appian II 28.

*) Die Kunde davon ist schon Anfang Juli nach Cilicien gekommen, da Cicero am 17. Juli auf eine darauf bezügliche Anfrage des Salostius (▼gl. 8. 164, 1), de« Quaestore des Bibulus. antwortet (II 17, 5 qtwä quaeris, quid existimem de legionibus, qtiae decretae sunt in Syriam, antea dubitabam, venturaene essent ; nunc mihi non est dubium, quin, si antea auditum erit, otium esse in Syria, venturae non sint. Marium quidem successorem (des Salustius) tarde video esse venturum, propterea quod senatum ita decrertt, ut cum legionibus iref). Appian II 29 setzt den Vorgang nach Pompejus' Krankheit, Plut. Pomp. 56 offenbar richtiger vorher. Dio 40. 65 und Hirtius bell. Oall. VIII 54 sind für die Chronologie ohne Bedeutung.

') Appian II 29, 115 -= Plut. dies. 29.

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206 Principat des Ponipejus

Legionen formierter Cohorteu kommen, ferner beträchtliche Reiterei. So war seine Armee zu Ende des Jahres wahrschein- lich starker als vorher1).

Die beiden Legionen, die er abgeben mußte, werden im Herbst in Italien eingetroffen sein. Natürlich dachte man hier garnicht daran, sie in den Osten zu entsenden; vielmehr wur- den sie zunächst nach Campanien ins Winterquartier gelegt*). So hatte man für den Notfall doch wenigstens einige Truppen zur Verfügung, die einen wenngleich sehr ungenügenden Schutz gegen eine plötzliche Überrumpelung bieten konnten.

Eine derartige Befürchtung lag um so näher, da Caesar sich, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, im Sommer nach Ober- italien begeben hatte, unter dem Vorwand, für die Wahl seines Quaestors Antonius zum Augur zu agitieren8), in Wirklichkeit,

') Dio 40, 65. 4: Caesar gehorcht, um nicht ungehorsam zu er- scheinen 5XXo>{ ts xa; jiikXcuv tiei icpo^db« xoövq koXXü» icX«to'-><; atoa- ttuutac avttxacaXt^civ. Der Consul C. Marcellus redet am 2. Dezember 50 von zehn Legionen, die Caesar über die Alpen führe (Plut. Pomp. 58); Cicero ad Att. VII 7, 6 (um den 20- Dezember) zählt auf, daß Caesar zur Verfügung stehn legiones XI, equitatus tantus, quantum volet, Transpadani; auch Florus II 13. 5 gibt ihm elf Legionen. Sehr mit Recht hat Domaszewski, Die Heere der Bürgerkriege in den Jahren 49^42, Neue Heidelberger Jahrbücher IV 1894, 161 lerner Sueton Caes. 29 heran- gezogen, wonach Caesar das transalpinische Gallien mit acht Legionen abgeben, die Cisalpina mit zwei, oder auch nur Illjricum mit einer Legion behalten will, also mindestens über zehn Legionen ▼erfügt.

*) Appian 1. c. t/B^iCsy tv K*rö£, vgl. II 81, 120 und Bardt, Hermes 45, 1910, 340.

*) Hirtius bell. Call. VIII 50 ipse hibemis peractis contra con- suetudinem in Italiam quam maximis itineribus est profectus. Das würde etwa auf den Anfang Mai , nach damaligem Kalender römisch Mitte Juni (11. Juni römisch = 3. Mai julianisch) führen. Aber Hirtiu» sagt, daß Caesar die Wahl des Antonius erfahren habe, antequatn Ita- liam attiiigeret; die Wahl, in der Antonius, von Curio mit allen Mitteln unterstützt (Cicero Phil. II 4. Plut. Anton. 5), den L. Domitius Ahenobarbus schlug, fand aber erst im Hochsommer statt, als die cen- sorische Tätigkeit des Appius Claudius bereits in vollem Gange war (Caelius VIII 14. vgl. 12. nach O. E. Schmidt, Briefwechsel Ciceros S. 88 erst nach dem 20. September = 7. August julianiäch, da er die von Cae-

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Steigerung der Spannung. Sommer 50 267

um den Dingen näher zu sein und unmittelbar auf sie einwirken zu können. Dann eilte er nach Belgien zurück, hielt hier in Nemetocenna (Arras) über die gesamte in Gallien stehende Armee noch acht Legionen eine Heerschau ab, und führte die Truppen dann in die Winterquartiere, vier Legionen in Belgien, vier bei den Haeduern. Dann kehrte er nach Italien zurück1).

Diese Vorgänge, zusammen mit der Entsendung der drei- zehnten Legion nach Oberitalien und den ständige» Angriffen Cnrios auf Pompejus und seine Genossen erzeugten in Rom den Glauben, Caesar plane schon jetzt einen Angriff, am 15. Oktober (31. August julianisch) sollten vier seiner Legionen in Placentia eintreffen2). Wenn das zutreffend war, so war Rom wehrlos, und Pompejus blieb nichts übrig, als die Stadt zu räumen, und alsdann mochten auch nicht wenige Beamte Caesars Partei er- greifen. Die Wahlen waren allerdings größtenteils gegen Caesar ausgefallen, sein Kandidat für das Consulat, Servius Galba, ehe- mals sein Legat, später einer seiner Mörder, war durchgefallen3), wieder ein Gaius Marcellus, Bruder des Marcus, und L. Lentulus Crus gewählt. Den letzteren, der tief verschuldet war, hoffte Caesar allerdings vielleicht noch erkaufen zu können4), und unter

lius gegebenen Circenses ludi VIII 12, 3 wohl mit Recht auf die ludi Romani bezieht). Somit ist Hirtius' Angabe jedenfalls chronologisch nicht exakt; bezeichnet hiberna bei ihm etwa einfach die Standquar- tiere, in denen die Truppen diesmal, da der Krieg beendet war, auch im Sommer lagerten? Auch nach Plutarch Anton. 5 fallt Antonius' Wahl zum Augur nach der zum Tribunen. ') Hirtius VIII 52, 1. 54. 4.

*) Cic. ad Att. VI 9. 5 au» Athen Idibus Octobribus, t{iw die, ut ecribis, Caesar Placentiam legiones IUI = VII 1, 1 vom nächsten Tage: cohorruisse autem me, quod tuae litterae de legionibus Cae- 8ari8 adferrent.

■) Wie Hirtius VIII 50 behauptet, cum is mulio plus gratia suf- fragiisque valuisset.

*) Cicero ad Att. VI 8. 2. aus Ephesos am 1. Oktober, erwähnt die ihm Oberbrachten Gerüchte spero falsa, sed certe horribüia, ea> ercitum nuüo modo (Caesarem) dimissurum, cum illo praetores de- signatos, Cassium tribunum pL, Lentulum consulem facere, Pom- peio in animo esse urbem relinquere. Lentulus erklärt Anfang 49,

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268 Das Principat des Pom pejus

den erwählten Tribunen waren der kurz darauf auch zum Augur gewählte M. Antonius und Q. Cassius Longinua entschiedene Anhänger Caesars.

So verlief der Sommer in äng8tlioher Spannung. Daß Pom- pejus im Frühjahr schwor erkrankte1), steigerte noch die Er- regung; nach dem Vorgang Neapels, in dessen Nähe er weilte, wurden durch ganz Italien Gelübde für sein Leben dargebracht, und seine Genesung in allen Gemeinden mit Opfern und Fest- schmausen gefeiert*). Diese große Demonstration der republi- kanischen Gesinnung bestärkte sein Vertrauen, und ebenso der ganz tendenziöse Bericht des Appius Claudius (eines Neffen des Clodius), der ihm seine Legion von Caesar zuführte, über die Stimmung in dessen Heer: Caesars Armee sei völlig zerrüttet, die Truppen erschöpft und des Kampfes müde, wenn Caesar sie über die Alpen führe, brauche Pompejus sich nur zu zeigen, so würden sie in Masse Übergehn3). So äußerte er im Vollgefühl seiner Autorität, wo er in Italien nur auf den Boden stampfe, würden Fußvolk und Reiterei aufsprießen4).

wenn der Senat; ihn im Stich lasse, habere se quoque ad Caesaris gratiam atque amicitiam receptum, Caes. bell. civ. I 1, 3. Ober den tfesf Ii eiterten Versuch Caesars, ihn Ende Februar 49 za erkaufen, s. Cic. ad Att. VIII 9. 4. 11, 5. 15 a. 2. IX 6, 1. Daher äußert sich Caesar ci?.

I 4 aber ihn besonders gehässig: Lentulus aeris alieni magnitudine et spe exercitus ac provinciarum et regum appeUandorum largi- tionibiis movetur [genau dasselbe konnten Caesars Gegner Ober sein Consalat 59 sagen], segne altfrum fore Sullam intet suos gloriutur, ad quem summa imperü redeat. Ebenso Vellejus II 49, 8 : cum Len- tulus dalva republica salvus esse non posset.

') Die Krankheit hat schon im Mai, vor C. Marcellus' Vorgehn ge^en Curio. eingesetzt, da Cicero im Juni bereits Sorge um Pompejus' Gesundheit hat (ad Att. VI 3, 4, oben S. 262, 3). Vgl. Cic. ad Att. VIII 2, 3 (17. Februar 49) in unius hominis quotannis periculose aegrotantis anima positas omnes nostras spes habemus.

•) Cic. Tusc. I 86. ad Att. VIII 16. 1. Plut. Pomp. 57. Vellejiw

II 86; erwähnt auch Dio 41, 6, 8. Appian II 28.

*) Plut Pomp. 57. Caes. 29. = Appian II 80. Nach ihrem Fahrer nennt Cicero ad Att. VII 15, 8. 20, 1 diese Truppen legiones Appianae. *) Plut. Pomp. 57.

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Curio gegen Pom pejus

269

Um so schwerer reizten Um die immer mehr gesteigerten An- griffe Curioe, seine Erklärung, daß Caesar nicht zurücktreten könne, wenn nicht Pompejus gleichzeitig sein Kommando nieder- lege; man müsse gegen beide Machthaber zugleich vorgehn und womöglich rüsten, nur das sei wahrhaft republikanische Politik; andernfalls werde Pompejus sein Versprechen nicht halten und der Staat alsdann willenlos in seiner Gewalt sein ; wie seine Gegner zur Zeit der Koalition mit Caesar beschuldigte er ihn geradezu des Strebens nach der Tyrannis1). Caesar sandte gleichartige Erklärungen; er sei bereit, jederzeit zugleich mit Pompejus sein Heer abzugeben*). Die Vorwürfe Curios trafen um so schwerer, da sie Pompejus' wahre Absichten enthüllten; durch sein Vor- gehn, durch die fortwährenden Sticheleien, mit denen er diesen wild machte, hat er den vollen Bruch herbeigeführt. Pompejus erkannte, daß der Mann, den er als seinen Adjutanten großgezogen und benutzt hatte, um den Senat unter seinen Willen zu zwingen, jetzt sein Rivale und sein gefährlichster Gegner geworden war*) :

•) Appian II 28 = Plat. Pomp. 58. Caes. 80. Hirtius VIII 52. 4 C. Curio . . . 8aepe erat senaiui potticitus, si quem timor armorum Caesaris laederel, quoniam Pompei dominaHo atque arma non minitnum terrorem foro (mit Bezug auf die so bewirkten Verurtei- lungen) inferrent, discederet uterque ab armis exercitusque dimitteret : fore eo facto liberam et sui iuris ciifitatem.

*) OaeliuB VIII 14, 2 (Ende September) propositum hoc est, de quo qui rerur potiuniur sunt dimicaturi, quod in. Pompeius con- stituit non pati, C. Caesarem consulem aliter fieri, nisi exercitum et provincias tradiderit, Caesari autetn persuasum est, se salvum esse non po8se , si ab exercitu recesserit. fert illam tarnen condicionem, ut ambo exercitus tradant. In diese Zeit etwa müßte die von Plu- tarch Pomp. 58 Caes. 29 Überlieferte Anekdote (ktjtxat) fallen . ein von Caesar mit seinen Forderungen übersandter Centurio habe, als er, vor der Curie stehend, erfuhr, daß der Staat Caesar die Verlängerung der Provinz nicht bewilligen wolle, auf sein Schwert schlagend ge- sagt, das werde sie ihm geben. Appian II 25, 97 (<paot) bringt die Ge- schichte schon unter dem Jahre 51. Aber sie ist schriftstellerische Er- findung; bekanntlich wird sie mit viel besserer Gewähr bei Octavians Forderung des Consulats 43 erzahlt, und ist von hier auf Caesar übertragen.

') Vgl. Ciceros bekannte Äußerung an Tiro XVI 11. 8 (12. Ja- nuar 49): Pompeius Caesarem sero coepit timere. Caesar civ. I 4, 4

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270

Da« Principat des Pompejus

er sah sieb immer mehr auf die Seite der Aristokratie gedrängt und war jetzt entschlossen, mit deren Hilfe Caesar zu stürzen und den Kampf baldmöglichst zu beginnen. Ende September schreibt Caelius, ein Beobachter von treffendem politischem Blick, an Cicero, er sehe nicht, wie der Friede noch ein weiteres Jahr bestehen könne, es sei denn, daß einer der beiden die Führung des Partherkriegs übernehme. „So ist denn jene gehässige Ver- bindung mit ihren Liebesbanden nicht wieder zu einer im Ver- borgenen arbeitenden Rivalität zurückgesunken, sondern ent- lädt sich in offenem Krieg"1).

Der Censor Appius Claudius, eben so korrupt, aber weit weniger begabt als sein Bruder P. Clodius und daher im Gegensatz zu diesem ein eifriger Optimat, der inzwischen schon in Senat und Ritterschaft mit den zweifelhaften Elementen gründlich auf- geräumt hatte (S. 239) und im übrigen in belustigendem Gegen- satz zu seinem eigenen Verhalten gegen den Luxus in Bildnissen und Gemälden, gegen übergroßen Landbesitz, gegen Verschuldung

ipse Pompeius, ab inimicis Caesaris incitatus et quod neminem dignitate aecum exoequari volebat, iotum se ab eius amicüia aver- terat et cum communibus inimicis in graiiam redierat.

') Caelius VIII 14 de summa republica saepe tibi scripsi, me annuam pacem non videre . . . sie Uli amores et invidiosa con- iunetio non ad occultam recidit obtrectationem, sed ad bellum se erupit . . . 8i aUeruter eorum ad Parthicum bellum non eat [= Cic. ad Att. VII 1, 2], video magnas impendere discordias, quas ferrum et vis iudicabit; uterque et animo et copiis est paratus. si sine tuo periculo fleri possei, magnum et iueundum tibi fortuna spectaculum parabit. Über seine eigenen Absichten erklärt der politische Spieler, der in seiner Jugend, etwa 25 Jahre alt, zu dem Anhang Catilinas gehört hatte (Cic pro Cael. 10 ff., vgl. oben S. 28 Anm. und S. 185, 2) und sich in den letzten Worten zugleich selbst vortrefflich charakterisiert, so lange civüiter sine armis certetur, müsse man der honestior pars folgen, wenn es aber zum Kriege komme, der ftrmior, und auf die eigene Sicherheit bedacht sein. In diesem Sinne hat er gehandelt und ist, mit der Nobilität überdies durch persönliche Konflikte mit Domitius Aheno- barb ub und dem Censor Appius Claudius zerfallen, zu Caesar gegangen [▼gl. Cicero ad Att. VII 3, 6]. Alsbald fühlte er sich allerdings in dieser Gesellschaft ganz deplaziert (VIII 17) und unternahm daher den Versuch einer Gegenrevolution.

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Angriffe auf Curio

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einschritt1), wollte auch gegen Curio vorgehn und ihn aus dem Senat ausstoßen. Dem traten sein Kollege Piso sowie der Consul Aemilius Paullus entgegen, und er mußte nachgeben. Aber er trug sein Urteil über den Tribunen im Senat in so scharfen Aus- drücken vor, daß dieser auf ihn zusprang und ihm die Toga zerriß. Der Consul C. Marcellus brachte die Sache zur Verhand- lung, wahrscheinlich am 1. Dezember, und wiederholte den Ver- such, die Anwendung von Zwangsmaßregeln gegen ihn herbei- zuführen. Curio erhob zuerst Einspruch, fügte sich dann aber: er sei sich bewußt, nur das Beste der Vaterstadt erstrebt zu haben, unterwerfe sich aber mit Leib und Leben dem Urteil des Senats. Wie er erwartet hatte, entschied die Abstimmung gegen Marcellus, und Curio konnte sein Amt bis zu dem in wenigen Tagen bevorstehenden Ablauf seines Tribunats weiterführen*).

Der Consul C. Marcellus benutzte diesen Konflikt zu den heftigsten Angriffen auf Caesar selbst. Er bezeichnete ihn als

l) Caelius VHI u, 4 scis Appium censorem hic ostenta facere? de signis et tabulis, de agri modo, de aere alieno acerrime agere? Cicero ad Att VI 9, 5 perscribes ... de censoribus, maximeque de signis tabulis quid flat, referaturne.

*) Dio 40, 68. der einzige, der über diese Vorgänge berichtet, schließt daran unmittelbar die Obergabe des Kommandos an Pompejus. Bei Plutarch Pomp. 58 = App. II 30 wird diese Szene an die Abstim- mungen Ober die Niederlegung des Koromandos angeknüpft, was ge- schichtlich gewiß richtig ist. Die modernen Darstellungen haben daher meist entweder den Bericht Dios oder den der von Plutarch und Ap- pian benutzten Quelle Ubergangen, während doch beide geschichtlich sein müssen und sich deutlich auf dieselbe Senatssitzung beziehen: die Verbindung gibt der von Plutarch bewahrte, bei Appian weggelassene Zug. daß als der Consul Marcellus in der Debatte über Curios Forde- rungen Caesar als Räuber bezeichnet und seine Erklärung zum hostis fordert, Curio die Abstimmung über die Abberufung durchsetzt. Ap- pian hat davon nur den Schluß aufgenommen: 4j ßooXYj 8t yvtufnrjv Sxootov -gw xoü 6 KXaöo.oc xavoöpT«»« 8t£p»i nämlich die Forderung Curios, daß beide abberufen werden sollen xal titovftdmo «xotüty xatd pipo; xtX. Daß diese Verhandlung, bei der C. Marcellus den Vorsitz führte, nicht in den Oktober, wie man früher annahm, sondern in die allerersten Tage des Dezember fällt, und zwar offenbar auf den ersten, hat Nies«« nachgewiesen und ist seitdem allgemein anerkannt.

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Dag Principat dett Pompejuä

einon Räuber und sprach, ähnlich wie sechs Jahre später Cicero im Kampf gegen Antonius, die Forderung aus, der Senat solle ihn für einen Landesfeind, hostis, erklären, wenn er sein Heer nicht entlasse. Da griff Curio ein; er forderte, daß über seineu eigenen Antrag, daß beide Machthaber niederlegen sollten, ab- gestimmt werde, und setzte das durch, unterstützt von Piso und dem designierten Tribunen Antonius. Aber Marcellus teilte den Antrag: die Frage, ob für Caesar Nachfolger bestellt werden sollten, wurde bejaht, der gleiche Antrag betreffs Pompejus ab- gelehnt. Darauf aber ließ Curio darüber abstimmen, ob beide ihr Kommando niederlegen sollten. Da zeigte sich, daß die Vertreter einer energischen Politik nur über eine verschwindende Zahl sicherer Anhänger verfügten; nicht die korrupten, von Caesar gewonnenen Elemente, wohl aber die Friedenssehnsucht, der dringende Wunsch, den Bürgerkrieg noch im letzten Moment zu vermeiden, hatte weitaus das Übergewicht: mit der über- wältigenden Majorität von 370 gegen 22 Stimmen stimmte der Senat dem Antrag Curios zu1). Vom Volk wurde der Tribun mit Jubel als der Erretter aus aller Gefahr begrüßt"); der Consul aber rief dem Senat bei der Aufhebung der Sitzung zu, er habe sich durch seine Abstimmung selbst Caesar zum Herrn gesetzt3).

•) Appian II 30, 119 - Plat. Pomp. 58 (vgl. Cato 51. Anton. 5, wo die Szene falschlich aai den 1. Janaar verlogt wird). Hirtius VIII 52. 5: Curio . . . etiam per se discessionem facere coepit; quod ne fleret, cottsules amicique Pompei iusserunt atque ita rem moderando dis- cuaserunt. Diese Darstellnng ist absichtlich ungenau gehalten und ver- meidet die Berücksichtigung der Chronologie; in Wirklichkeit schließt c. 55 unmittelbar daran.

") Plut. Pomp. 58.

•) App. II SO, 119 h Kkaöbiot rrjv ßooX^jv SttXüot ßo<üv* »vtx&ts &*- OKOrrjv $x°wi Kfluoup«'. Bei Plut. Pomp. 58 sind statt dessen sogleich die folgenden Vorginge, die Bedrohung durch Caesars die Alpen über- steigendes Heer, angeschlossen: MäpxtXXo^ Ii ävaota«; o&x fy-rj Xofutv axpoäoeo&r. xiJKyttvos, 4kX' öpü>v Oittpf ruvöuxva töv 'AXtticov vfit\ iixi x&^fxfx ßait£tiv xal ait6$ huctfvj/ttv wy avrica£d|isvov aotot^ &idp rfjs KtttplSo«. Ähnlich Dio 40, 64. 3 f., der wie erwähnt nur das Vorgehn Kegen Curio berichtet: x-mj-rop-rjoos olv abxob (den Curio) 6 MdpxsUo? xal «avtw* 4X»ooftiyov, Utt-f iwtoj Kp&c t£v «Wvu»v d^pcidiij, feivöv

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Der Senat -tuumt Curio zu

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Am nächsten Tage1) nahm der Oonsul die Verhandlung wieder auf: er behauptete, in Anknüpfung an die Italien seit Wochen durchschwirrenden Gerüchte (oben S. 267), Caesar rücke bereits mit jsehn Legionen über die Alpen, und forderte, ihm als erklärten Landesfeinde die bei Capua stehenden Legionen entgegenzu- senden*). Curio erklärte die Behauptung für falsch, und Marcellus sah, daß er auoh diesmal nicht werde durchdringen können, wenngleich der Senat die Anlegung der Trauertracht beschloß»). Da entschloß er sioh, aus eigner Machtvollkommenheit vorzu- gehn; er erklärte, wenn der Senat seine Pflicht nicht erfülle und den Beschluß zur Rettung des Staats versage, werde er als Oonsul auf eigene Hand handeln4). Offenbar mit Absicht waren die Sitzungen innerhalb des Pomeriums angesetzt worden, so daß Pompejus nicht zugegen sein und der Senat ohne ihn in

w ixotTjOito wal ixirrjiiTOQK ix toö ?t>vg?ptoo itpo^ tiv Ilojjurfjtov «v T$ itpoa- 9T»i<p ovta rXö-s- xtX.

') Daß diese Vorgänge auf den 2. oder spätestens auf den 8. oder 4. Dezember fallen müssen, hat, im Anschluß an Nissen, gegen 0. E. Schmidt (Rhein. Mus. 47, 1892, 241 ff. und Briefwechsel Ciceros 96 f.) C. Bardt, Die Übergabe dos Schwertes an Pompejus. Hermes 45, 1910, 827 ff. bewiesen (der aber die Bedeutung des Vorgangs unterschätzt). 8ie müssen vor Pompejus' Reise nach Campunien zu den Legionen liegen, die dieser am 7. Dezember antrat (Cic. od Att. VII 4, 2, vgl. 5. 4 den Tadel über hoc iter Pompei), und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach ein paar Tage vorher, da Pompejus eben noch die Ankunft des Hirtius am 6. Dezember abgewartet hat, ehe er sich definitiv entschied, den ihm vom Consul gegebenen Auftrag anzunehmen. Curio hat dann noch unmittelbar vor Ablauf seines Tribunats, also am 9. Dezember, dagegen vor dem Volk geredet (Dio 40, 64, 5. Appian II 81, 128).

*) App. II 81; 120 Xifoo V afw> $to8o5c «jaiwoövto«, *AXicn<; 6 Katoop 6re«ptXö,u>v cit't r>jv xoXtv »Xaovoi, d-opoßoc tt xoXö«; -rjv «au <pößo( äicaytiav, xal o KXiöo'tot «lotjfrtto t**]v iv Kanö'Q atpatiotv axavtäv u>( xoXt- fiitf Katsupt' svtotix/itvou ii cb$ cxi tytobw. toö Kooptuivo^ slictv xtX. VgL Plutarchs Bericht S. 272, 8.

») Plut. Pomp. 59, im Anschluß an den 8atz S. 272, 8: ex to6too t&c ioß-?|ta? u>c ixl ictvß-rt nwßdXovco MäpxtXXoc 8i «pO« Ilofix-fjiov cV diTfopä<; iß<4?tC« rr\$ ßouX-fc fcsoaivirj^ xtX.

*) App. II 81 «l xwXooftai ^fif xoivg t& oofupipowx ftiocxttv, «at* «jxcukov <l>5 ßit-xtoc 8101x19041».

Meyer, Caesars Monarchie 18

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Da* Principat des Pompejuß

voller Freiheit den Entschluß fassen könne, auf den Marcellus gehofft hatte der tiefe Gegensatz, der trotz der Koalition zwischen der Verfassungspartei und dem Princeps nach wie vor bestand, tritt darin wie in der weiteren Entwicklung deutlich zutage. Jetzt begab sich der Oonsul, gefolgt von seinen An- hängern im Senat und von beiden designierten Consuln1), in die Vorstadt zu Pompejus, forderte ihn auf, die Rettung des Vater- landes zu übernehmen, und übertrug ihm unter Überreichung eines Schwerts das Kommando über die beiden Legionen und die Vollmacht zur Aushebung weiterer Truppen in Italien in derselben Weise, wie ihm im Januar 52 der Senat diese Befug- nisse übertragen hatte1).

Dieses Vorgehn des Consuls ist wie von den alten Schrift- stellern so von den neueren oft und schwer als ungesetzliche Eigenmacht getadelt worden. Aber die Dinge liegen doch anders. Für Gaius Marcellus war der Notstand des Staats, der bevor- stehende Angriff durch Caesar eine offenkundige Tatsache. Da war es die Pflicht des Senats, die gesetzlichen Mittel zur Abwehr zu ergreifen mit voller Absicht verwendet C. Marcellus in der Ansprache an Pompejus die herkömmliche Formel, durch die der Senat das Vaterland in Gefahr erklärt und die Beamten auffordert, für seine Rettung zu sorgen8) ; wo er schmählich

') Plut. Pomp. 59 nennt nur Lentulus, Dio 66, 2 beide.

*) Plut. Pomp. 59. Anton. 5 = Appian II 81. Dio 40, 64, 4. 66, 1 ff., Hirtius VIII 55. Sehr mit Unrecht verlegt O. E. Schmidt gegen das Zeugnis aller Quellen diese Szene nach Neapel und kommt dadurch zu der falschen, S. 278, 1 besprochenen Datierung; das ist von Bardt wider- legt. Derselbe weist nach, daß die Legionen damals noch in Campa- nien standen und erst dann nach Lnceria geschickt wurden; Orosias VI 15, 1 «05 Marceüi consulis auctorüate ad legione*, quae apud Luceriam erani, Pompews cum imperio missus est sieht die Vor- gänge kurz zusammen und kann gegen die detaillierten Darstellungen nichts beweisen. Die Überreichung eines Schwertes erwähnt nur Appian; doch ist kein Grund, mit Bardt diesen symbolischen Akt anzuzweifeln.

*) Das hat Plaumaihi, Das sogenannte senatusconsultum ultimum, Klio XIII 1918, 869 mit Recht betont: Dio 40, 64 rnv ?oXax*jv a&t» K'köiux; . . . fituxtv; Plut: »«Xtöoo ot, 01 Ilofiic^w, ßoY]A*iv cj) «atpttt; App.: xtXsuat ooi xatw xal 58t (der Consul Paullus, den Appian falschlich statt

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Übertragung des Oberbefehls an Pompejus 275

versagt, wird es Bürgerpflicht, an seiner Stelle zu handeln, wie es im Jahre 133 in ähnlicher Lage Scipio Nasica gegen Tiberius Gracchus als amtloser Mann getan hatte; an erster Stelle aber liegt diese Pflicht dem Consul ob, als dem berufenen Leiter und Verteidiger des Staats. So nimmt er, auch ohne dafür formell autorisiert zu sein, die volle, niemals genau abgegrenzte Kom- mmdogewalt des Consuls auf. Eben darum hat er seine beiden Nachfolger mitgenommen, denen schon vor dem Amtsantritt mancherlei magistratische Befugnisse zustanden, und Lentulus, der das Wort führte, erklärte ihre Zustimmung1); so war die Aufrechterhaltung der Maßregel auch für das näcliste Jahr ge- sichert. Zugleich ist dabei der republikanische Charakter des Staats gewahrt: das legitime Oberhaupt der Bepublik beauf- tragt, da es sich selbst der Aufgabe nicht gewachsen fühlt, den Princeps mit ihrer Ausführung.

Pompe jus hat den Auftrag angenommen, freilich mit dem Zusatz: „wenn es keinen besseren Ausweg gebe"2). Er wollte noch die Ankunft des Hirtius abwarten, eines der intimsten Ge- hilfen Caesars, der mit Aufträgen von diesem erwartet wurde. Hirtius traf am Abend des 6. Dezember in Rom ein, um bei Nacht unter Balbus' Vermittelung mit Scipio, Pompejus* Schwiegervater, zu verhandeln, reiste aber schon vor Tages- anbruch wieder ab, ohne Pompejus aufgesuoht zu haben, offen- bar unter dem Eindruck, daß der Bruch durch Marcellus' Vor- der designierten Consuln dabei sein laßt) yu»p»tv t*l Kataapa &ittp rqc xatptfoc; das sind die üblichen Formeln, mit denen die Schriftsteller das 8. C. ultimum berichten.

>) Plnt. Pomp. 59. Dio 40, 66. 2: er nimmt beide designierte Con- suln mit xrt: tKoifjos xal ixsiyouc xa aöto Kpo9ta£a*.* iimdrj YÖp x*i fpdtu- {iata (edicta) tot^ aicoScoitY fiivotc t( xa< otp^äc ixti9iyou xal SXXa ttvi tcöv xrh ^Yt^oyta asüiv itpo-^xövcuiv, xai «plv iytnois&a: aocijv, ttt x*xl tot* l£*fjv, xal toütou xopio: tvoiuCov ttyat. Ohne ihre Mitwirkung, sagt Dio, futXXry o6x «l Kokb, Stt fiTjte rjj ßooX.-jj jvrjt« tto Mifup 86-avtot, Icxöouv.

*) Appian II 81, 122 6 ol 6ktjxoo« fisv «i>; xeXctxSpigvoc Jtpi{ 6xatcuv, isstt&ci V 8(iu»^ 'tt jjlyj ii xpstooov', owtottiiv $j t»xväCu>v xal t6tt i$ toicpi- «ttav. Die anderen Berichte Übergehn diesen Zug; nach Dio 40. 66, 8 hat Pompejus nicht nur alle Bedenken unterdrückt, aXXä xoi ndvo 3b-

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276 Das Principat des Pompeji»

gehn und Pompejus' Verhalten dabei vollzogen sei. Umgekehrt wirkte dieser Vorgang wieder auf Pompejus zurück; er schloß daraus, daß Caesar keine weiteren Konzessionen machen wolle und der Krieg unvermeidlich sei1). So ließ er alle Bedenken fahren; noch am 7. Dezember2) ging er nach Campanien ab zur Übernahme des Kommandos über die Legionen, und ordnete weitere Aushebungen an.

Damit war der Krieg so gut wie erklärt. Caesar und seine Anhänger waren natürlich entrüstet über die „Infamie", mit der jenem seine Legionen entzogen seien3); die friedlich Gesinnten, darunter zahllose Senatoren und Ritter, mißbilligten, wie das ganze Vorgehn, so speziell Pompejus' Reise, durch die ihre Hoff- nungen begraben wurden4). Curio hielt unmittelbar vor Ablauf seines Tribunats (9. Dezember) noch eine Rede an das Volk, in der er das Vorgehn der Consuln und des Pompejus angriff und beklagte, und die Forderung stellte, die Consuln sollten ein Edikt erlassen, welches verbiete, Pompejus' Aushebungsbefehl Folge zu leisten. Dann begab er sich zu Caesar, um ihm Bericht zu erstatten und ihn zu raschem Vorgehn aufzufordern*).

') Cic. ad Att. VII 4, 2 de republica ita mecum Iccuius est (Pom- peins), quasi non dubium bellum haberemus. nihil ad spem Con- cor diae; plane illutn a se alienatum cum ante iniellegeret , tum vero proxume iudicasse: venisse Hirtium a Caesars, qui esset Uli familiarissimu8 , ad se non accessisse, et cum üle a. d. VIII Idue Decembr. vesperi venisset, Baibus de tota re constituisset a. d. VII ad Scipionem ante lucem venire, multa de nocte eum pro- fectum esse ad Caeswrem. lioc UUmpwjähi videbatur esse alienationü.

») Das Datum ergibt sich daraus, daß Pompejus schon am 10. De- zember mit Cicero in Campanien zusammentrifft {ad Att VII 4. 2); & Bardt, Hermes 45, 340.

') Caesar civ. I 4, 5, vgl. 9. 4. Hirtins bell. Gall. VIII 53 f.

*) Cicero ad Att VII 5, 4 (Mitte Dezember): de republica cotidie magis timeo, non enim boni ut putant^ur?}, consenUunt. quos ego equiles Romanos, quos senatores vidi, qui acerrime cum cetera, tum hoc Her Pompei vituperarent ! pace opus est; ex victoria cum multa mala, tum certe tyrannus exsistet.

s) Dio 40, 66, 5. Appian II 31, 123. der mit Recht hervorhebt daß Cnrio gegen die Consuln und Pompejus nicht einschreiten konnte, da die tribunicische Amtsgewalt nicht Über das Pomerium hinausreicht

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Pompejus' Rüstungen

277

Während die Aushebungen langsam und widerwillig in Gang kamen1), verlegte Pompejus die beiden Legionen ins nördliche Apulien nach Larinum, Teanum und Luceria*). So konnte immer noch der Schein aufrecht erhalten werden, als seien sie doch noch für den Partherkrieg bestimmt. Entscheidend ist jedoch offen- bar nicht diese Rücksicht, sondern militärische Gründe gewesen: von hier aus konnten sie und die weiter zu ihnen geführten neuen Truppen je nach Bedürfnis entweder auf der Küstenstraße längs des Adriatischen Meers gegen Caesar geführt werden, dessen Truppen eben auf dieser Seite standen und dessen Angriff von hier aus erwartet werden mußte, oder aber, falls Caesar den Gegnern zuvorkam und Italien daher unhaltbar wurde, recht- zeitig in den Osten überführt werden. Denn die militärische Situation überschaute Pompejus, als erfahrener Feldherr, ohne Illusion mit völliger Klarheit, und hatte sich auf jede Eventualität vorbereitet; das zeigten seine Anordnungen, sobald im Januar die Kunde von Caesars Angriff eintraf. Daß er für diesen Fall die Räumung Roms erwogen hatte, zeigt eine Äußerung Ciceros aus dem Ende Dezember3); ja schon im Hochsommer hatte das Gerücht davon geredet4). Daß Pompejus sich für den Fall,

') Plut. Pomp. 59 *p;aftlvor> il toö nofiirrjtoo wtvMftw ol |üv oO* Xoottf ißowy.

*) Hier liegen sie im Januar. Cic. ad Att. VII 12, 2; daß sie erst jetzt dorthin Oberführt worden sind, hat Bardt. Herme9 45, 840 f. aus- geführt. Aber er beurteilt Ponipejus Motive nicht richtig und spricht in üblicher, durchaus verkehrter Weise über seine militärischen Fähig- keiten. Davon, daß die Legionen nach Brundisium geschickt seien, ist garkeine Rede: die Straße von Campanien nach Brundisium führt nicht Über Luceria. geschweige denn über Teanum und Larinum. Zu beachten ist auch, daß die Truppen hier gute Verpflegung und bequeme Verbindungen hatten, wio unter anderem die Vorgänge 217/6 lehren, die in diesen Gegenden abspielten. Im übrigen läßt sich Rom von hier aus je nach Umstünden genau ebensogut decken oder auch nicht, wie von Campanien aus.

») ad Att. VII 9, 2. wo Cicero die verschiedenen Eventualitäten be- spricht; mseepto autem betto aut ienenda sit urbs aut ea relicta Hie cammmtu et reliquis copiis intercludendus. Vgl. unten S. 280, 2.

*) ad Att. VI 8, % oben S. 267, 4.

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278

Da* Principat des Pompejus

daß Caesar den Krieg beginne, vertrauensvoll aussprach1), be- weist nichts dagegen ; denn wenn es gelang, die nötige Truppen - macht aus Italien fortzuziehn, war alle Aussicht vorhanden, ihn gleichzeitig von der Balkanhalbinsel und von Spanien aus zu er- drücken, auch wenn man ihm zeitweilig Italien hatte überlassen müssen*).

Die letzten Verhandlungen

Auch Caesar konnte nicht mehr im Zweifel sein, daß er zu den Waffen greifen müsse, wenn er sich nicht wehrlos und nur von dem mehr als zweifelhaften Schutz des Pompe jus abhängig den seine Züchtigung und Beseitigung fordernden Republikanern ausliefern wollte. So schickte er an zwei der in Gallien stehen- den Legionen, die zwölfte und achte, sowie an zweiundzwanzig im Jahre 52 in der Narbonensis ausgehobene Cohorten den in Rom längst erwarteten und vom Gerücht als schon erfolgt be-

') ad Att. VII 8, 4 äußert Pompejus am 25. Dezember: sin autem iUe (Caesar) fureret, vehementer hominem contemnebat et suis et rei- publicae copiis confldebat. Vgl. unten S. 289. Von einer eventuellen Räumung Italiens hat Pompejus begreiflicherweise damals zu Cicero nicht gesprochen, s. ad Att. VIII 11 D. 6.

*) Vgl. Cicero an Tiro XVI 12, 4. Daß Pompejus je daran gedacht hätte, mit seiner Armee nach Spanien zu gehn, beruht auf Mißver- ständnis von Cic. ad Att. VH 18, 2, wo Anfang Februar 49 davon die Rede ist, daß Pompejus nach Spanien gehn wird, und Cicero mit ihm, wenn die Ausgleichsverhandlungen mit Caesar tum Ziele fuhren und dieser Consul werden sollte, vgl. VII 9, 3. 17, 1. Vollends die Behaup- tung, das wäre die richtige Strategie gewenen, oder gar, er habe den. Kopf verloren und nur der Zufall habe ihn nach Griechenland statt nach Spanien geführt (so Moumsin und ähnlich Nhsch) , beruht auf völliger Verkennung der militärischen Lage. In Spanien war er ebenso verloren und von dem übrigen Reich abgeschnitten, wie seinerzeit 8er- torius; von da aus ließ sich Rom nicht wieder orobern. überdies hätte er alsdann den gesamten Orient mit seinen gewaltigen materiellen Mit- teln ohne Schwertstreich dem Gegner Oberlassen. Pompejus' Krieg- führung ist durchweg zwar streng methodisch, aber eben deshalb nur um so korrekter, bis auf den Fehler, zu dem er sich von seiner Um- gebung drängen ließ, Caesar bei Pharsalos die ersehnte Möglichkeit cur Schlacht ?.u bieten.

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Casars Vorbereitungen zum Angriff

270

zeichneten Marschbefehl nach Oberitalien1). Er selbst ging nach Ravenna an die Südgrenze seiner Provinz und sog die in der Cisalpina stehende dreizehnte Legion an sich*). Curio, der Mitte Dezember bei ihm eintraf, riet, sofort die gesamte Armee zu- sammenzuziehn und gegen Rom zu marschieren'). Aber Caesar scheute vor dem entscheidenden Schritt noch zurück: er wollte noch einen Versuch machen, ob sich nicht doch noch ein erträg- liches Abkommen finden lasse, das ihm weiter eine Existenz innerhalb des Staats ermöglichte. Vor allem hoffte er, Pom- pe jus wieder von der Koalition mit seinen Gegnern abzuziehn, da dieser doch empfinden mußte, daß seine gegenwärtige domi- nierende Stellung nur darauf beruhte, daß er durch Caesar einen Druck auf die Nobilität und den Senat ausüben konnte, daß er aber diesem preisgegeben sei, wenn er Caesar fallen ließ. Sollten indessen die Konzessionen, die Caesar bot, abgewiesen werden und die Verhandlungen scheitern, so ließ sich wenigstens durch geschicktes Operieren ein Vorwand gewinnen, der Caesars Rebellion notdürftig legitimieren konnte.

In Rom hatte inzwischen in dem neuen Tribunenkollegium Antonius, von Q. Cassius Longinus unterstützt, die Rolle des

') Die zwölfte Legion trifft etwa ara 4. Februar 49 bei Cingalom (Caesar civ. I 15). die achte mit den 22 cohortcs ex novte Gattiae de- lecHbus (bell. «all. VII 65, 1, vgl. oben S. 265) und 800 Reitern aus Noricum etwa ara 16. Februar vor Corfinium ein (civ. I 18, 5); mithin muß die Marschorder an sie gegen Mitte Desember abgegangen sein, vermutlich auf Grund der Nachrichten, die Hirtins überbrachte.

*) Caesar civ. I 5, 6. Sueton 30. Appian II 32, 124. Oros. VI 15, 2. Danach ist am Schluß des bell. Gall. VIII 55 contendü (Ravennam) m erganzen, civ. I 7, 7 sagt Caesar von der 13. Legion: hanc erdm initio tumultus evocaverat; reliquae nondum venerant. Über diese Stulle ist, im Anschluß an Adolf Nissbns Untersuchung Uber den staats- rechtlichen Begriff" des tumultus (Das Justitium, 1877) von H. Nisse* (Der Ausbruch des Bürgerkriegs. II, Hist. Z. 46, 1881) und seitdem viel- fach gehandelt worden. Aber technisch spielt der Begriff des tumuüvs hier keine Rolle, ein decretum tttmulius ist erst nach dem 7. Januar gefaßt worden; das Wort steht hier lediglich in dem allgemeinen Sinn .Unruhen", wie z. B. civ. III 18, 3.

») App. II r>2, 125.

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Das Principat de» Pompejos

Curio übernommen. Am 21. Dezember hielt er vor dem Volk eine Rede, in der er Pompejus' ganze Laufbahn und vor allem die ungerechten, von ihm unter Anwendimg von Waffengewalt er- zwungenen Verurteilungen .schonungslos angriff; zugleich forderte er, wie Curio, die Entsendung der beiden Legionen nach Syrien gegen die Parther und untersagte in einem Edikt die Befolgung der von Pompejus erlassenen Gestellungsbefehle1). Natürlich wurde dieser dadurch noch weiter gereizt: wenn schon Caesars bisheriger Quaestor so zu reden wage, sagte er zu Cicero, was werde erst von Caesar selbst zu erwarten sein? Wenn Caesar nachgeben, sein Heer entlassen und dann auf friedlichem Wege Consul werden sollte, bleibe ihm (Pompejus) nichts übrig, als nach Spanien zu gehn; alsdann werde Caesar, wie in seinem ersten Consulat, souverain im Staat schalten. So sei nicht ein- mal zu wünschen, daß der Friede erhalten bleibe. Für das Wahr- scheinlichste halte er allerdings, daß Caesar auf die Kunde, daß eifrig gegen ihn gerüstet werde, weiter entgegenkommen und sich begnügen werde, unter Verzicht auf die Wahl zum Consul Provinz und Heer noch ein Jahr langer zu behalten; sollte er aber los- schlagen, so sehe er der Entwicklung mit Vertrauen entgegen, auch für den Fall, daß Rom selbst geräumt werden müsse*).

') Cic. ad Att. VII 8. •"»: Pompejus holt Cicero am 25. Dezember auf der Bückreise von Campanien nach Rom in Lavernium bei Pormiae ein. Habebamu8 autem in manibus Antoni contionem habitam X Kol. Ianuar., in qua erat accusaiio Pampei usque a toga pura, querela de damnatis, terror armorum. Plut. Anton. 5 lfuio8<uv ta-prj

8i nofut-rjioc xataXiftt, fiY] Kpoot^(«aiv aiit<f>. Pomp. 59 ~ Caes. 30 hat Plutarch diese Volksrede mit der Erzwingung der Verlesung dee Briefs Caesar« im Senat am 1. Januar zusammengeworfen.

*) Ciceros Bericht über das Gesprach ad Att VII 8 wird durch den am nächsten Tage geschriebenen Brief VII 9 (vgl. S. 277, 3) wesentlich ergänzt, in dem er sich sämtliche denkbare Eventualitäten zurechtlegt und Pompejus' Äußerungen wiederholt zitiert: nobis autem, ut qui- datn put an t, nihil est timendum magis, quam ille consul. ,at sie malo' inquies „quam cum exercitu". certe ... sed istud ipsum ,sic* magnum malum putat aliquis, neqite ei remedium est ullum... „at tum imbecillus plus" inquit Bvaluü quam tota

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Antonio» gegen Pompejiu». Cnrio überbringt Caesars Ultimatum 281

Caesar war in der Tat zu großen Konzeasionen bereit, wenn auch nicht gerade zu denen, die Pompe jus hier erwartete. Es war dringend geboten, daß seine Vorschläge am 1. Januar, an dem die neuen Consuln über die Lage des Staats referierten und entscheidende Beschlüsse zu erwarten waren, in Rom vorlagen. Curio übernahm es, sie zu überbringen, und legte, als Caesar ara 26. Dezember nach langer Überlegung mit sich ins reine gekommen war, den Weg von Ravenna nach Rom in größter Eile in den drei letzten Tagen des Monats (27. bis 29. Dezember) zurück1).

Den neuen Consuln übergab Curio das Schreiben erst am Morgen des 1. Januar beim Eintritt in den Senat, so duß sie es nicht unterschlagen konnten. Sie weigerten sich, es zu verlesen, wurden aber von Antonius und Q. Cassius dazu gezwungen. Es enthielt zunächst eine eingehende Aufzählung der Taten und Verdienste Caesars, die durch die Bewilligung des Privilegs der abwesenden Bewerbung seitens des Volks anerkannt und be- lohnt seien, und sodann die Erklärung, daß er bereit sei, seine Stellung niederzulegen, wenn Pompejus das gleiche tue, andern- falls aber seine Stellung behalten und sich nicht seinen Feinden ausliefern, vielmehr den Staat von der Unterdrückung durch eine

respublica'. quid nunc pufas? et eo consule Pompe io certum est esse in Hispania . . . o rem miseram ! si quidem id ipsum deterrimum est, quod rectisari non potest (nämlich Versieht auf die Provinz and dafür Wahl zum Consul) et quod ille si faciat, iamiam a bonis omnibus summam ineat gratiam. tcllamus igitur hoc, quo ülum addud posse tiegant: de reliquis quid est deterrimum? cou- cedere Uli, quod, ut idem dicit, impudentissime postulat . . . exercitum tu habeas diutius, quam populus iussit, invito senatu? ,depugnes oportet, nisi concedis". cum bona quidem spe, ut ait idem, vel vincendi vel in libertate moriendi.

l) Appian II 32, 127 xoü ttjv titiatoX^v ö Koopttoy, tpislv rjjjip*^ tptn- xoatoos tili . . . x^io'-< otaJtooc 3iaif.'*;uüv. sstÄcoxs toi; vSot; öiratotc tatoöotv i( to ßooXeorrjptov t$ yoi>|vqvto: xoo ; Die Zahl ist unsicher über-

liefert, eine Handschrift bietet xt^(°'-<< was zu wenig, die übrigen Tp*.o- XtXfotc was zn viel ist: meist ist Schweig häuskrs Vorschlag StoxtXtotf an- genommen, was ziemlich genau stimmen würde.

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282

Da* Principat des Pompejas

widerrechtliche Usurpation befreien werde1). Der Brief machte einen starken Eindruck*); aber die Consuln stellten nicht ihn, sondern die Gesaratlage des Staats zur Diskussion»). Lentulus, der den Vorsitz führte, verlangte eben mutigen Entschluß, als- dann werde auch er seiner Pflicht sich nicht entziehn; wolle man aber auch diesmal doch wieder nachgeben und Rücksicht nehmen, so werde er die Sache des Senats fallen lassen; auch ihm stehe der Weg zu Caesar offen. An Stelle des mit seinen

*) Appian II 32, 128. Dio 41, 1. Plut Anton. 5; in Pomp. 59 - Caes. 30 zum Teil entstellt (S. 280, 1). Ben Inhalt des Briefs geben Dio, Appian und Sueton 29 (senatum litteris deprecatus est, ne sibi beneflcium populi [das ihm eben ab Lohn fUr seine Taten ver- liehen ist] adimereiur, aut ut ceteri quoque imperatores ab exet- citibu8 discederent) Obereinstimmend; Dio fügt hinzu, wenn Pompejus sein Heer behalte, o?>Äi «tot&v ttxaiov »W dvtYxaofr^vai afod dtp«ivat eXc-fty, tva fi-rj xal tote rx*poi? sxÄodrg, Appian dpxovtos &* f*i ix*tvo» 00t» dicod*r|i333&ai xal ti{uop&( armxa rjj xatptäi xat £aottp «ata td^o? d^t- itobai, d. i. die herkömmliche Phrase, mit der alle Rebellionen bis zu der Octavians im Oktober 44 sich rechtfertigten, se rempublicam dominatione faciionis oppressam in übertatem vindicaturum. Wie wenig diese Phrase ernst zu nehmen ist und wie es sich in Wirklich- keit lediglich um seine persönliche Stellung handelt, verrät Caesar civ. I 22, 5 unwillkürlich, indem er da, wo er sie bei den Verhandlungen vor Corfinium vorbringt, sich selbst voranstellt; er habe, sagt er, den Kampf begonnen, ut se et populum Romanum f actione paucorum appressum in libertatem vindicaret. '

') Plut. Anton. 5: durch die Verlesung des Briefs koXXoü? fimorq« rj} •fvtoji'fl, 3lxata xal fiitpwt Kabapo^ d&ioöv dtp* u»v f-fporpc fto&avto{. Da- gegen App. II 32, 129 ify «j> 8vj zyoipa icdvttc dvixpa^ov, lisi xoUjioo xawfffXwx, &«*8oxov »h« Atoxiov Aojiittov. Beides wird einen Teil der Wahrheit enthalten. Cicero nn Tiro XVI 11 Caesar... minacis ad senatum et acerbas litteras miserat, et erat adhuc impudens, gut exercitum et provmciam invito senatu teneret.

') Caesar civ. I 1: Die Tribnnen erzwingen die Verlesung, ut vero ex litteris ad senatum referretur, impetrari non potuit; referunt eonsules de republica (Plutarch Pomp. 59 hat aus der entsprechenden Angabe seiner Quelle gemacht, daß ot «tpi AivtXov oxotttoomc yjoy] ßooX-Jjv 06 «ovvjfov, und Antonius daher den Brief vor dem Volk verliest; ebenso Caes. 80). Was in den verstümmelten Eingangsworten Htt/tris a Fabio cum Caesaris consulibus redditis A.t a Fabio Caesare B, C. Caesaris a Fabio rel. stecken mag, ist nicht «u ermitteln.

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Verhandlungen am 1. Januar 49

283

Truppen vor der Stadt stehenden Pompe jus gab Scipio die Er- klärung ab, Pompejus sei bereit, sich der Republik zur Ver- fügung zu stellen, wenn der Senat fest bleibe; dagegen wenn er auch diesmal zögere, werde man sich später vergeblich an ihn um

der forderte, Pompejus solle in seine Provinz gehn, und M. Caelius Rufus, der Überläufer zu Caesur (S. 270), der sich in demselben Sinne äußerte, wurden von Lentulus schroff abgewiesen. Auch Marcus Marcellus warnte vergeblich vor Übereilung: sehr mit Recht betonte er, daß die zur Verfügung stehenden Streitkräfte unzu- länglich seien, und forderte zunächst die Aufstellung eines starken republikanischen Heeres aus ganz Italien, alsdann erst könne der Senat wirklich frei entscheiden. Er war eben zwar ein ent- schiedener Gegner Caesars, aber nichts weniger als Pompejaner, sondern wollte den unvermeidlichen Kampf, wie in seinem (Kon- sulat 51, unabhängig von den Machthabern im Namen des Senats und der Republik führen*); auch sein Bruder, der Consul Gaius, Hielt sich offenbar ganz zurück. Aber durchdringen konnte Marcus Marcellus damit nicht; auf die Vorwürfe des Lentulus zog er seinen Antrag zurück. In der Abstimmung, die nicht namentlich'), sondern in üblicher Weise durch Auseinandertreten stattfand, wurde die Abberufung des Pompejus einstimmig ab- gelehnt, dagegen die Caesars mit allen gegen die beiden Stimmen

•) M. Calidius, ein außerordentlich feiner Redner, aber ohne Leiden- schaft (Cic. Brut. 274 ff.), im Jahre 57 Praetor und für Cicero eintretend (post red. in sen. 22), war dann 54 als Verteidiger des Gabinius auf- getreten (ad Qu. fr. III 2, 1), dagegen im Intercalaris 52 mit der Senats- partei far Milo (Ascon. p. 35). Er stand also unentschieden zwischen den Parteien. Für das Jahr 50 hatte er sich dann erfolglos um das C'onsulat beworben (Caelius ad fara. VIII 4, 1, vgl. 9, 5). Jetzt trat er zu Caesar über : Hieron. ao 57 Marcus Calidius orator clarus habetur, qui bello postea civili Caesarianas partes secutus, cum iogaiam (ialliam regeret, Placentiae obiit.

•) Vgl. Cicero an Marcellus IV 7, 2 (im Jahre 46): sed idem etiam iüa vidi, neque te consiiium belli ita gerendi nec copias Cn. Pompei nec genus exercitus probare semperque summe diffidere.

•) Dio 41, 2 *•>) xal 3i' 9| tuA <p6ßov <uvA napi t& imoövxi oywtv änotpYjVw/tat.

284

Da* Principat de6 Pompeju*

des Curio und Caeüus angenommen1): wenn er nicht bis zu einem bestimmten Tage Heer und Provinz abgebe, handle er gegen den Staat. Als Antonius und Q. Cassius intercedierten, stellte Len- tulus ihr Vorgehn sofort zur Verhandlung; die energischsten Maßregeln wurden gegen sie in Aussicht genommen, der Be- schluß des Senats als auctoritas protokolliert»).

Am nächsten Tage wurden, nachdem Pompejas auf seine Anhänger und die Lauen eingewirkt und weitere Truppen heran- gezogen hatte, die Verhandlungen fortgesetzt. Ein Vermittlungs- vorschlag des Censors Piso, des Schwiegervaters Caesars, und des Praetor* L. Roscius, sie wollten Caesar aufsuchen und auf ihn einwirken, in sechs Tagen könnten sie wieder zurück sein, wurde abgelehnt; neben Lentulus und Scipio trat vor allem Cato, der im Gegensatz gegen Marcellus an der Koalition mit Pompejus festhielt und den Moment ergreifen wollte, jeder weiteren Zögerung entgegen: wo es sich um die Existenz der Republik handle, dürfe man sich von keinem Bürger Bedingungen vorschreiben lassen, sondern eher in den Tod gehna). Doch hielt man mit einem entscheidenden Beschluß gegen die Tribunen noch zurück4), sondern begnügte sich, in üblicher Weise die Ablegung der Senatoren tracht zu dekretieren, was auch trotz der Intercessioh der Tribunen ausgeführt wurde*). Man wollte vielmehr an den beiden nächsten Tagen, an denen Senats-

l) Dio 41. 2, 1. Flutareh Caes. 30 und Cato 51 verlegt fälschlich die von Curio Anfang Dezember 50 herbei geführte Abstim mang, daß beide niederlegen sollen, hierher, und übertragt sie Anton. 5 aaf Antonias.

*) Den ausführlichen Bericht über die Senatssitzung am 1. Januar gibt Caesar civ. I 1 f., wozu die kürzeren anderen Berichte stimmen. Natürlich ist aber Caesars Darstellung ganz einseitig zu Ungunsten seiner Gegner gefärbt.

•) Caesar civ. I :} f. Vellejus II 49, 3 cum . . . M. Cato morien- dum ante, quam uüam condicionem ciiHs aeeipiendam reipublicae

*) Dio 41, 2, 2 oi> jjwjv uat xt>po»{Hjvai ti aötwv öS« Iv ixtivjj rg -^(up? (1. Januar) o5w iv rjj »otipoia o te 'Avtwvioc ***t ö Ao^tvo; Irokpr^av. ») Dio 41. 3, 1. Plut. Caes. 30.

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C aesars Konzesaiouen

285

Sitzungen nicht stattfinden konnten1), für die daneben einher- gehenden privaten Verhandlungen Raum lassen.

Für diese Verhandlungen hat Caesar durch seine Vertreter die weitgehendsten Konzessionen geboten: er erbot sich, das jenseitige Gallien sofort aufzugeben und acht Legionen zu ent- lassen, und die Statthalterschaft über die Cisalpina nebst zwei Legionen nur so lange zu behalten, bis er zum Consul gewählt sei. Er mochte hoffen, den ihm alsdann drohenden Proceß durch seinen Anhang, durch tribunicische Intercession und durch den ihm von Pompe jus aufs neue gewahrten Schutz zu hintertreiben, und so ungefährdet ins Consulat zu gelangen, in dem er sich aLsdann seine zukünftige Stellung sichern konnte. Über dies Angebot ist in den nächsten Tagen eifrig diskutiert worden. Als Vermittler war vor allem Cicero tätig, der eben jetzt, am 4. Januar, auf der Rückreise aus seiner Provinz vor Rom ein- traf; wenn irgend jemand, so war er sowohl durch seine persön- lichen Eigenschaften wie durch seine intimen Beziehungen zu allen drei Parteien für diese Aufgabe geeignet*). Auch erkannte er nur zu gut die „sullanischen Gelüste" des Pompejus und so mancher der republikanischen Heißsporne, die jetzt ihre schmutzigen Interessen unter den schönklingenden Phrasen ver- bargen; er sah klar, welches Elend auch ein Sieg dieser Partei über den Staat bringen müsse. Als Pompejus Caesars Vorschlag

•) Caes. civ. I 5, 4: die Senatssitzungen finden statt quinque pri- mis diebua, quibus haberi senatus potuit, excepto biduo comitiali (3. 4- Janaar).

*) In seine Stellung geben die Briefe an Atticus aas dieser Zeit einen lebendigen Einblick. Natürlich schwanken sein Urteil und seine Erwägungen wiederholt, and der offenen Stellungnahme, vor allem in den Senatsdebatten, möchte er sich gern entziehn, wozu ihm oben sein Anspruch auf den Triumph eine willkommene Handhabe bietet (VII 1, 5, ▼gl. 8, 2); und schwer empfindet er, daß er jetzt zwischen den beiden Machthabern wählen muß, deren Verbindung er sich gefügt hat. Aber darQber ist er niemals im Zweifel, daß er, so schmerzlich es ist, daß er dann an Caesar sein Darlehn zurückzahlen muß (VII 2, 3. 11. 8, 5), seine Stellung nur auf seiten des Pompejus und der Republik nehmen kann, so wenig er mit allein einverstanden ist. Um so mehr wird er versuchen, zu vermitteln (VII 3, 5. 6, 2).

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Das Principat des Poupeju*

verwarf, erreichte er, daß dessen Vertreter noch weiter entgegen- kamen und erklärten, er werde sich mit Ulyricum das alsdann von der Ciaalpina getrennt werden mußte, wie Caesar das als Herrscher ausgeführt hat und einer einzigen Legion bis zur Oonsulwahl begnügen. Darauf war Pompejus in der Tat bereit einzugehn; während Caesars Consulat würde er dann, wie Cicero vorschlug, nach Spanien gegangen sein. Aber die aus- schlaggebenden Männer in seiner Umgebung, geführt von dem Consul Lentulus und von Cato, erklärten sich mit allem Nach- druck dagegen, zum Teil aus persönlicher Begehrlichkeit, Cato aus ehrlicher Überzeugung: ihm war nicht zweifelhaft, was bevorstehe, wenn Caesar noch einmal zum Consulat gelange. Wovor er immer gewarnt und was er mit Einsetzung seiner ganzen Persönlichkeit bekämpft hatte, war jetzt eingetreten; die letzte Möglichkeit, die Republik zu retten, durfte man nicht aus den Händen lassen. Wenn er sich mit schwerer Selbstüber- windung in die Verbindung mit Pompejus gefügt hatte, so ver- langte er jetzt auch von diesem die Erfüllung seiner Verheißungen. Diesen Vorstellungen hat Pompejus nachgegeben; auch er er- kannte, daß er gebunden sei, daß er das mühselig gewonnene Vertrauen des Senats für alle Zukunft verloren habe, wenn er Caesar aufs neue die Hand biete; aus der führenden Stellung des Princeps wäre er alsdann zu dessen Werkzeug herabgesunken eben darum hat Caesar immer von neuem versucht, ihn zu sich herüberzuziehn. Als ihm das klar wurde, wurde seine Stimmung gegen den ehemaligen Genossen, der ihn in eine solche Lage gebracht hatte, nur um so erbitterter; er lehnte das Angebot ab und entschied sich für den Krieg1).

') Caesars Angebot: Sueton 29 cum advermriis autem pepiffit, ut, dimisais octo legionibus Transalpinague Gallia, dune sibi let/iones et Ctealpina provincia, vel etiam una legio cum Itty- rico concederetur, quoad consul fleret An die Ablehnung schließt Sueton, der die äußeren Vorgänge ganz knapp behandelt, f&lscblich erst Caesars Reise nach der Cisalpina und Ravenna. Appian II 82, 126 toi>; oov «ptXouc ixtXtutv £rcip a&xoö cojx^-qvcu, ulv £k\a a&tcv fftvtj

jiet'i rr^ ivtö^ 'AXzitov TaXatia;, su>< Gjtato; OtJto&eiyJHtTf). xot IlouKYjtcp

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Cicero* Vermittlungsversuch scheitert

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Nach dem Scheitern der Veihandlungen wurde die offizielle Erklärung des Bruche möglichst beschleunigt. Am 7. Januar beschloß der Senat definitiv die Abberufung Caesars und die Bestellung des L. Domitius zu seinem Nachfolger in der Trans- alpina, dem von den ausgehobenen Mannschaften viertausend Mann zur Verfügung gestellt wurden. Zur Bewerbung um das Consulat müsse Caesar sich, dem Gesetz entsprechend, persön- lich in Rom melden1). Als Antonius und Q. Cassius ihr Veto

jjlIv apxtiv eSoxs»., xuTaxuiXuovtuiv Jt tu>v onärcDv [worauf die Entsendung Curio8 nachgetragen wird]. Plut. Pomp. 59 dptt 8t ix KtXixia<; a?tfuivo« K.xepmv fxpart« 8iaXXa<rac, 3*a»c Katsap i£tX&bv TaXatia^ xal rrjv £XX?jv otpatt&v acptl( «&sav s«l 8t>ai ta-ruaoi xal t<j> 'lXXopixä» ci]v 8*ot«pav &*a- tslav xsptuiyy. IIo|iirv)(oo 8s SooxoXaivovtoc licstb^rjoav ol Kaiaapo^ <p£Xoi datcpov a^tlvai* AivtXoo 8' avrtxpocioavrcx; xal Kätcuvoc a&dxc duaptävttv tov IIofLR^iov t£axatu>|uvov ßowvroc o&x s«xov a'i StaXusctc nipac. Nach Caes. 80 (vgl. 83), wo dasselbe kürzer erzählt wird (ebenso Anton. 5), hat Pompejuß taXXa oof^oopiv to6? stpattutvta^ a^njjptt; Cicero erreicht, daß er ihm 6000 Soldaten (= 1 Legion) concediert. Vellejus II 49 spreiis omnibus qxiae Caesar postulaveral , tantummodo contentus cum una legione titulum retinere provinciae. Dio übergeht diese privaten Verhandlungen ganz. Ciceros Vermittlung auch Vell. II 48, 5 unice cavente Cicerotie concordiae publicae, vgl. Plut. Cic. 87, wonach Cicero sagt, lieber als selbst triumphieren, werde er Caesars Triumph- wagen folgen, wenn die Versöhnung zustande komme. Cicero selbst berichtet darüber an Tiro XVI 11, 2 incidi in ipsam flammam civüis discordiae vel potius belli, cui cum cuperem mederi et, ut arbiträr, possem, cupiditate8 certorum hominum (nam ex utraque parte sunt, qui pugnare cupiantj impedimento mihi fuerunt. Vgl. 12, 2; an Ser- vius Sulpicius IV 1, 1 (April 49); an Caecina VI 6, 5 (Oktober 46): ea me 8uas8is8e Pompeio , quibus ille si paruisset, esset hic (Caesar) quidem clarus in toga et princeps, sed tantas opes, quantas nunc habet, non haberei; eundum in Hispaniam censui, quod si fecisset, civile bellum nullum omnino fuisset. rationem haberi absentis non (am pugnavi ut liceret, quam ut, quoniam ipso consule pugnante populus iusserat, haberetur . . . victa est auctoritas mea non tarn a Pompeio, nam is movebatur, quam ab iis, qui duce Pompeio freti peropporttmam et rebus domesticis et cupiditatibus suis ülius belli victoriam fore putabant.

') Vellejus n 49, 4 privatus ii\ urbem venirel et se in petitione consulatus suffragiis populi Bomani comüieret decrevere. Liv. 109 cum senatttsconsultum factum esset, ut successor Caesari mitte-

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Das Principat des Pompeji

einlegten, rüstete man sieh zu sofortigem Einschreiten, und der Consul Lentulus gab ihnen den dringenden Rat, Rom sofort zu verlassen, ehe der Beschluß gefaßt sei, der ihre ünverietzUchkeit aufhob und ihnen das Schicksal des Saturninus und des Tiberius Gracchus bereitet haben würde. Antonius protestierte nach- drücklich: sie hätten sich nichts Ungesetzliches zuschulden kommen lassen und keinerlei revolutionäre Maßregel ergriffen, welche die Verletzung der Unantastbarkeit der Tribunen recht- fertigen könne; er sagte das schlimmste Unheil voraus. Dann aber leistete er der Mahnung Folge und verließ mit seinem Ge- nossen in Sklavenkleidern Rom. Curio und Caelius schlössen sich ihnen an1). Unmittelbar nach Entfernung der beiden Tribunen wurde der Beschluß gefaßt, welcher die Oberbeamten einschließlich der vor der Stadt befindlichen Froconsuln, die ein militärisches Kommando besaßen, mit der Sorge für die Erhaltung des Staats beauftragte und damit die verfassungsmäßigen Garantien auf- hob und Rom unter Kriegsrecht stellte*). An den nächsten

retur. Eutrop. VI 19 iussus dimissis exercitibus ad urbem redire. Bestellung des Domitius: Appian II 32, 129 (schon auf den 1. Januar gesetzt); vgl. Caesar civ. I 6, 5. Sueton 34 L. Domitius per tumultum successor ei nominaius.

') Dio 41. 3, 2. Appian II 33. Plut. Caes. 31. Anton. 5. Li*. 109 (= Oros. VI 15, 2). Cicero an Tiro XVI 11 sagt formell nicht gans unrichtig, aber sachlich parteiisch gefärbt: Antonius quidem noster et Q. Cassius nulia vi expulsi ad Caesarem cum Curione profecti erant; vgl. dagegen Phil. II 58 contra te dedit arma hic ordo con- sulibus reliquisque imperiis et potestatibus; quae non effugisses, nisi te ad arma Caesaris contulisses.

*) Cicero an Tiro XVI 11 senatus consulibus, pr(aetoribus), tr(ibunis) pl. et nobis, qui pro cos«, sumus, negotium dtder at, ut curaremu8, ne quid resp. detrimenti caperet; ebenso pro Dej. 11. Dio 41, 3, 8. Liv. 109 gibt sachlich zutreffend, aber nicht formell man- datum a senatu consulibus et Gn. Pompeio, ut viderent cet. Die richtige Formel gibt auch Caesar civ. 1 5 dent operam cjnsules, prar- tores, tribuni plebis, quique pro coss. ad urbem sini, ne cet.; er er- läutert dieses extremum atque ultimum senatusconsultum I 7, 4 da- hin: qua voce et quo setiatusconsulto populus Romanus ad arma sit vocatus. Seine rechtliche Zulassigkeit kann er um so weniger be- streiten, da es unter seinem eigenen Regiment in den Jahren 48 und

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Verjagung der caeaarischen Tribunen

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Tagen wurden dann in einer Senatssitzung außerhalb des Pomeriums in Anwesenheit des Pompejus die weiteren Maß- regeln angeordnet und der Belagerungszustand durch ein decreium twnultus formell proklamiert1), was die Anlegung der Kriegs- tracht, der saqa, *»r $o\gp hatte2). Pompejus legte den Bestand seiner Machtmittel dar: er habe zehn Legionen zur Verfügung sieben in Spanien, die beiden Caesar abgenommenen in Italien, aus den Aushebungen mochte bisher eine weitere gebildet sein und habe gegründeten Anlaß zu der Annahme, daß Caesars Truppen ihn im Stich lassen würden*), eine Annahme, die nicht nur auf den sanguinischen Berichten des Appius Claudius (S. 268), sondern vor allem darauf beruhte, daß Labienus, der fähigste unter Caesars Legaten, und von ihm jetzt mit der Verwaltung der Cisalpina betraut, mit der Senatspartei Verbindungen an- geknüpft hatte4) und sofort nach Caesars Schilderhebung den Übertritt vollzog*). So hoffte man, den Krieg angrifisweise

47 dreimal erlassen worden ist; aber er entrüstet sich darüber, daß in diesem Fall gar kein legitimer Anlaß dafür vorgelegen und der Senat die Verhandinngen überstürzt haba In Wirklichkeit lag der Fall ganz analog den Vorgangen Anfang 62, wo es gegen Metellas Nepos and Caesar selbst erlassen ist. nur daß Pompejus sich damals nicht dagegen aufgelehnt hat und die Bewegung im Sande verlief.

') Dio 41, 3, 3 f'<u toö xou.v|pioo «p6; aotöv töv IIou,irvjtov iXtöm< TapaY/qv xt tlvou f-rvutaav xtX. Plutarch Pomp. 61 setzt den Beschluß (IIour. ^ftodutvo« tapax-nv 6pöv) erst auf den 17. Janaar. Dieselbe Sitzung schildert Caesar civ. I 6: proximis diebue habetur extra urbem Renatus, in der Pompejus seine Machtmittel darlegt.

*) Lucan 11 16 ff. Als Caesar im April nach Rom kommt, werden die saga wieder abgelegt: Dio 41, 17, 1 rhv tsß-qta rnv tlpinvni-hv ftrrrju,-

») Caesar civ. I 9, 1 f.

«) Hirt. bell. GalL VIII 52.

•) Cicero kennt die Nachricht am 19. Janaar auf der Reise nach Campanien. und ist über die Vorgänge entsetzt (es kann sich also nicht um eine Mitteilung des Pompejus im Senat handeln, wie 0. E. Schmidt, Cicero« Briefwechsel 115 annimmt, der im übrigen den Brief richtig datiert; dann wäre die Sache für Cicero nicht mehr eine überraschende Neuigkeit), ad Att. VII 11; „Cingulum* inquit (ein Bote oder ähnl.) wno8 tenetnus, Anconam amiaimus; Labienus discessit a Caeaare".

Meyer, Cuomirs Monarchie 19

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Das Principat des Pompejus

führen und Caesar von Italien und Spanien aus erdrücken zu können. Pompejus erhielt den Auftrag, die Aushebungen in gesteigertem Maße zu betreiben, ein Heer von 130 000 Mann soll in Italien aufgestellt werden, vor allem aus kriegserfahrenen Veteranen1); unter seiner Oberleitung werden die einzelnen Land- schaften Italiens dafür unter die geeigneten Persönlichkeiten ver- teilt1). Der Staatsach atz wird Pompejus zur Verfügung gestellt, den Landstädten Eontributionen auferlegt, auch die Heranziehung der privaten Vermögen und des Tempelguts in Aussicht ge- nommen1). Die Provinzen werden auf Grund des Gesetzes des Pompejus verteilt : die Consulare Domitius Ahenobarbus und Scipio erhalten das jenseitige Gallien und Syrien, die übrigen werden

Danach ist Labienus etwa am 18./14. Janaar übergetreten, gleich nach Caesars Scbilderhebung; er versucht dann, Cingulom im nördlichen Picennm für die Senatepartei zu halten, Caesar civ. I 15, 2.

') Appian D 84, 184. Caes. I 6, 8 tota ItaJia delectus habeatur, ebenso § 8 und c. 9, 4.

*) Cicero an Tiro XVI 11, 8, am 12. Januar: Italiae regiones di- scriptae sunt, quam quisque partem tueretur: nos Capuatn sumpsi- mus. Aach von Ciceros Triumphansprach ist dabei geredet worden; der Consol Lentulus erklarte sehr mit Recht, sc reUUurum, simul atque expedisset, quae essent neeessaria de repubüca. Der Beschlaß fällt also spätestens auf den 10. oder 11. Januar, ad Att. VII 11. 5 voU enim me Pompeius esse, quem tota toec Campania et mari- tima ora habeat ixtmoRov. ad quem dilectus et summa negotii re- feratur [gegen die Übernahme hat er sich gestraubt, ad Att. VIII 12. 2. HD, 4]. Früher, Mitte Dezember, hatte Pompejus Cicero für Sicilien in Aussicht genommen, worüber sich dieser gegen Atticus VII 7, 4 ent- rüstet äußert.

*) Dio 41, 8, 4 xoi ixtlvtp jiiv xpty««« *«l oTpereu»«*; ftumav. Ap- pian II 34. 185 Xr^Uia,a 3' tiv *^Xtu.ov ahxü tA xoivd icdvta a&ttxa i(|rr|(plCovTO, xal t& töttonxi atf&v hui xoi$ xotvoZc, «I Srrjatttv, tlvat atpar.tu- n*& ' 1 1 tA$ noXsi; i(p* mpa jc«ptiiup.xov auv tt bprfy xal <p tXovtxtqt , anoo- % oiWv iiroXttKovti« o$ot<iTTfj«. Caesar I 6, 8 pecunia uti ex aerario Pompeio detur; § 8 pecuniae a municipiis exiguntur, e fanis toU luntur, omnia divina humanaque iura permiscentur. Caesar hat sich die schöne Schlußphraso nicht entgehn lassen, die er ebensogut auf seine eignen, ganz gleichartigen Maßregeln als Monarch hätte anwenden können.

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Kriegsvorbereitangen in Rom

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an Praetoriei überwiesen1). Für die Beobachtung der gesetz- lichen Formalitaten und die Einholung der lex cttriala, duich die ihnen das imperium, die Koinmandogewalt, übertragen wurde, war keine Zeit; sie gingen sofort in ihre Provinzen ab*). Die ver- langte Heranziehung der Dynasten von Numidien und Maure- tanien wurde durch den Consul C. Marcellus und den Tribunen L. Philippus verhindert8), die von einer Einmischung fremder Vasallen in die inneren Streitigkeiten nichts wissen wollten. Betreffs Caesars wurde beschlossen, daß er, wenn er Heer und Provinzen nicht zu dem festgesetzten Tage abgebe, als Stants- feind (hostis) anzusehn sei4).

') Caesar civ. 1 6, 5, der den Vorwurf erhebt, daß Philippus cos. 56, vermählt mit Caesars Nichte Ätia und Stiefvater Octavians, im Bürger- krieg neutral (ad Att. IX 15, 4. X 4, 10), und Cotta cos. 65 Censor 64, pritato consilio praeiereuntur neque eorum sortes deiciuntur, vgl. civ. I 85, 9. Die Cisalpina erhielt M. Considius Nonianus pro prae- iore Cic. fam. XVI 12, 8. Att. VIII 11 B, 2. Wenn Caesar I 6, 5 sagt in reliquas provincias praetores miituntur, so ist hier, wie so oft, praetores anstatt des korrekten praetorii gesetzt.

*) Caes. civ. I 6, 5 bezeichnet die consulurischen und prnetorischen Statthalter daher als privati {privatus, und daher auch anklagbar ist der Beamte nach Ablauf des städtischen Amts bis zur Einholung der lex curiata, die ihm das imperium für seine Provinz übertragt und diese «agleich ausstattet, ornat, so Caesar selbfst Anfang 61: Sueton Caes. 18), und höhnt neque expeciant, quod superioribus annis acciderat, ut de eorum imperio ad populum feratur paludatique votis nuncu- patis exeant; so, nicht exeunt, ist nach dem codex Ursini mit Ad. Nissen, Beitrage zum röm. Staatsrecht 1 12 zu lesen, der diese Dinge zuerst klar- gestellt hat. Vgl. die Diskussion bei Cicero ad fam. I 9, 25 über die Behauptung des Appius Claudius cos. 54, zur Übernahme der Provinz legem curiatam consuli ferri opus esse, neccsse non esse.

') Caes. I 6, 8 f. Philippus ist offenbar der Sohn des Philippus cos. 56 (S. 289, 2; Cicero Phil. III 25).

*) Dio 41, 8, 4 tiv 54 8r, Kaioapa tVjv tt äpxty tol$ fttaft^xoi; «apaSoövat xal axpaTSU^iaxa ivtö? "^pas &?«tvou $j stoXtfUov, u>£

Kai tavavtta rjj natpt5i itotoüvta, »Ivat r}-r)f toavro. Appian 11 83, 180 setzt das schon in die Verhandlungen mit Curio und Antonius: rhv no;ucirjtoo orpattav foXaxa 0(pd>v -fjfo&vco ttvai, rijv Ik Kai'aapot noXtfitav. Vgl. II 50 , 207 in Pompejus' Rede: Caesar, 8v 6jui< i»ft«pwaa»* »Ivu «oXIfuov.

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Das Principafc des Pompejus

Eröffnung und Verlauf des Bürgerkriegs

Auch für Caesar gab es nach dem 7. Januar keine Wahl mehr: „die Würfel waren geworfen". Er wird die Nachricht am 10. Januar (23. November julianisch) erhalten haben. Noch an demselben Tage sandte er eine Anzahl zuverlässiger Centurionen voraus, um in Friedenstracht, nur mit dem Schwert bewaffnet, Ariminum zu besetzen; die Legion selbst ließ er unter dem Kommando des Hortensius, des Sohnes des berühmten Redners, auf der Straße an die Qrenze vorrücken1). Er selbst erschien völlig unbefangen, besichtigte Gladiatoren, gab den Abend ein Gastmahl; bei Einbruch der Nacht brach er auf, von seinen vertrautesten Anhängern , darunter Asinius Pollio , begleitet, und schlug Seitenpfade ein, nicht ohne sich zu verirren. Am Rubico erreichte er seine Truppen; er stockte einen Augenblick, die unermeßlichen Folgen des Schritts noch einmal erwägend, dann führte er die Legion über den Grenzfluß und besetzte nach eiligem Marsch am Morgen des 11. Januar Ariminum, ohne Widerstand zu finden. Hier trafen die flüchtigen Tribunen bei ihm ein; Caesar führte sie und Curio seinen Soldaten vor, ließ sie ihr Geschick erzählen, und hielt selbst eine Ansprache, in der er mit allen Mitteln der Rhetorik, unter Tränen und mit zerrissenem Gewände, sie beschwor, ihn nicht fallen zu lassen, sondern mit ihm zugleich die Verletzung der geheiligten Volks- rechte des Tribunats an seinen Feinden zu rächen. Die Truppe, der erst jetzt zum Bewußtsein gekommen sein wird, daß sie durch Überschreitung der Grenze bereits den entscheidenden Schritt getan hatte, und die von Vertrauen auf die siegreiche Fuhrung und die Freigebigkeit Caesars erfüllt war, stimmte zu

') Za Hortensias, den Plat. Caes. 32 nennt, vgl. Cic. ad Att. X 4, 6 8€d nuüa nostra culpa est, natura metuenda est; haec Curionem, haec Hortetisii ftlium, non patrum culpa corrupit; ebenso geht es mit seinem Neffen Quintus, der za seines und seines Bruders Leidwesen An- schluß bei Caesar sucht. Die bei Caesar befindliche Truppenzahl gibt Appian II 34, 136 auf 5000 Mann. Plut. Caes. 32 = Pomp. 60 aal 5000 zu Fuß, 300 Reiter an; das ist natürlich eine Legion.

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Caesars Übergang Ober den Rabico

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und verpflichtete sich, ihren Feldherrn nicht im Stich «u lassen1).

Mit kühnem Entschluß hatte Caesar gezeigt, daß er vor dem Krieg nicht zurückscheue und sich nicht der Gnade seiner Feinde ausliefern wolle; aber auch jetzt noch wäre ihm ein friedlicher Ausgleich viel erwünschter gewesen, als der Riesenkampf auf Tod und Leben gegen die gesamte Macht des römischen Staats mit seinen unabsehbaren Konsequenzen. Während der folgenden Tage, bis zum 15. Januar, ließ er die nächsten Küstenorte, Pi- saurura, Fanum, Ancona, durch je eine Kohorte besetzen; gleich- zeitig entsandte er den Antonius mit fünf Kohorten über den Apennin gegen Arretium, um sich in den Besitz der durch Etrurien nach Rom führenden Straße zu setzen; spätestens am 15. Januar ist Arretium in seine Hände gefallen«). Er selbst blieb während-

') Diese Hergänge berichten Appian II 85 = Plut. Caes. 82 f. , wo der Bericht des Asinius Pollio zugrunde liegt, Sueton 31 f. und in kür- zerer Passung Dio 41, 4, l in allem wesentlichen übereinstimmend (ebenso Lucan I 228 ff.). Sueton gibt die Worte Caesars in etwa« anderer Fassung, als Pollio bei Plutarch = Appian. Caesar hat hier bekanntlich eine arge Fälschung begangen, indem er die Rede an die Soldaten nach Ravenna verlegt und behauptet, mit ihrer Zustimmung nach Ariminum gegangen zu sein; das ist leider in viele moderne Dar- stellungen übergegangen. Die Einwirkung Caesars zeigt sich bei Ap- pian darin, daß er, wahrend er sonst dem korrekten Bericht folgt, die Rede Caesars und die Vorführung der Tribunen (letztere treffen auch bei Caesar erst in Ariminum zu ihm) nach Ravenna verlegt II 38, 188; Plutarch übergebt beides (Lucan hat das Richtige). In der Quelle war also Asinius Pollio mit Caesar zusammengearbeitet. Die Rede, die Caesar civ. I 7 gibt, und die Möhnsen noch weiter idealisiert und in glühenden Farben geschildert hat, ist natürlich nicht am 11. Januar 49 an die Soldaten gehalten, sondern im Jahre 46 oder 45 für das romische Pu- blikum geschrieben.

*) Caesar civ. I 11. der mit ganz grober Fälschung der Tatsachen dieses Vorrücken erst nach dem Abbruch der durch Roscius geführten Verhandlungen stattfinden läßt Am 19. Januar weiß Cicero bereits, daß Ancona besetzt ist (ad Att. VII 11, oben S. 289, 5); die Besetzung von Pisaurum und Fanum fällt also vorher und war in Rom sicher be- reits am 17. Januar bekannt, wo sie zusammen mit der Besetzung von Arretium den Beschluß herbeiführt, die Stadt zu räumen: Cicero an Tiro XVI 12 (27. Januar) cum Caesar . . . Ariminum, Pisaurum, An- ccnam [das hier wahrscheinlich mit Unrecht genannt ist; die Kunde

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Das Principat des Pompejut»

dessen mit zwei Kohorten in Ariminum und nahm hier Aus- hebungen vor. Gleichzeitig aber schickte er den Caelius, den am wenigsten kompromittierten der Flüchtlinge, aufs neue nach Rom, um hier die privaten Verhandlungen fortzusetzen. Caelius hat Cicero aufgesucht und von ihm neue Vorschläge erhalten, die zum Frieden führen könnten; dann ist er noch bei Nacht, vermutlich der vom 13. zum 14. Januar, zu Caesar zurück- gereist1).

Die Kunde von der Besetzung von Ariminum erregte natür- lich in Rom die größte Bestürzung: die Erwartung, daß er sich einschüchtern lassen oder daß er wenigstens das Eintreffen der Legionen aus Gallien abwarten werde, so daß man zum mindesten einige Monate, vielleicht sogar bis zum Frühjahr Zeit haben werde, um dann angriffsweise vorzugehn, hatte sich nicht erfüllt. Jetzt hatte man außer den beiden unzuverlässigen Legionen nur ungeschulte, eben in der Formation begriffene Truppen zur Verfügung, die Caesars Veteranen unmöglich ent- gegengeschickt werden konnten; für den Augenblick war Italien wehrlos. So erhob die eingeschüchterte Friedenspartei wieder

von seiner Besetzung trifft erst unmittelbar nachher ein], ArreUum occupavisset, wbem reliqxiimus. Daß Cicero Rom am Morgen des 18. Jannar aniequam lucerei (Att. VII 10) verlassen hat. ergibt »ich aus Att. IX 10 , 4, wonach ein Brief des Atticus vom X Kai. Febr. (21. Januar) poat diem quartum, quam ab urbe discessimus ge- schrieben ist; die letzte Senatssitzung und der Raumungsbeschluß fällt also auf den 17. Januar.

') Wir erfahren von diesem Vorgang nur durch Caelius' Brief an Cicero VIII 16, 1 (Februar 48): cum ad te, proficiscens Ariminum (so richtig STKnNKOPF statt des überlieferten ~ni; möglich wlre auch Ari- minoj, noctxi venissem, dum mihi pacis mandata das ad Caesarem et mirificum civem agis. Wenn Caelius gleich am 11. Januar wieder von Ariminum abreiste, konnte er am 18. abends in Rom sein. Daß dies Gespräch nur hierher, nicht mit 0. K. Schmidt und anderen auf den 7. Januar, vor Caelius' Flucht, gesotzt werden kann, scheint mir evident zu sein. Vgl. auch Cicero an Tiro XVI 12, 5 (27. Januar) : nuüutn maiu8 negotium suseipere volui, quo plus apud illum (Caesarem) meae litterae cohortationesque ad pacem vakant. Caelius als Ver- mittler zwischen Cicero und Caesar auch ad Att. VII 17. 8. 21, 3.

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Bestürzung in Rom

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ihr Haupt, zumal Caelius' Entsendung die Hoffnung auf eine Verständigung wieder aufkommen ließ; und die Führer der Republikaner stimmten in ihre Vorwürfe gegen Pompejus um so mehr ein, da sie im Vertrauen auf diesen den Bruch herbei- geführt und beschleunigt hatten und da ihnen jedes militärische Verständnis abging. Die Menge sah schon die Schreckenszeit des Marius und Sulla wiederkommen und schrie nach Frieden: beide Machthaber sollten niederlegen1). In der nächsten Senats- sitzung, am 14. oder 15. Januar, kam es zu stürmischen Szenen'). Volcacius Tullus, Consul 66, ein friedliebender Mann, der immer nur eine sehr bescheidene Rolle unter den Consularen gespielt hatte8), fragte Pompejus nach der Zahl der verwendbaren Truppen, und als Pompejus zögernd dreißigtausend Mann nannte4), rief er aus, Pompejus habe den Senat betrogen, und forderte die Entsendung einer Versöhnuugsgesandtschaft an Caesar ; Favonius aber höhnte, Pompejus möge doch jetzt Legionen aus der Erde stampfen, wie er sich zu sagen vermessen hatte'). Cato erklärte, wenn man ihm früher gefolgt wäre, brauchte man jetzt weder vor einem einzigen zu zittern, noch alle Hoffnung lediglich auf einen einzigen zu setzen; aber eben darum forderte er jetzt die Ernennung des Pompejus zum alleinigen Oberfeld herm ; denn nur

') Dio 41, 5 tov ts itoXsfwv ouvoOyta^ fivijMJ *6v Mapwo t&v toö "ZokXi 8pyu>v, in genauer Übereinstimmung mit App. II 86. 145 b fr?l|ioc iv fiyYjjj^ ttüv Maptou xil xaxcijv.

*) Bas Datum ergibt sich aus Plutarch Pomp. 60 A$ ik «pcüvov 4j e^fiifj (vom Übergang über den Kubico) npooiiMat, . . . tWo$ 4j ßooMj ?jpojuv7j jipii zbv noftmfjtov oov4tp»x«- Ebenso Cato 52; Tgl. unten S. 297, 2.

') Vgl. Cic. ad Att. VII 3, 3 (9. Dezember 50) : das Minervabild mit seiner Inschrift, da« er, ehe er ins Exil ging, auf dem Capitol aufge- stellt hatte, würde ihm nicht gestatten ui imitarer Volcacium aut 8er- vium, quibus tu es contentm; ähnlich VIII 9,3, dagegen VIII 1, 8, vgl. Atticus Äußerung IX 10, 7.

*) Dieselbe Zahl gibt der Brief bei Cicero ad Att. IX 6, 3, der die Einschiffung dea Heeres nach Epirut* am 4. Mars (in Wirklichkeit nur der Consuln mit der größeren Hälfte der Truppen) meldet.

») Plut. Pomp. 65 = App. II 36, 145 f., der die Äußerung des Vol- cacius dem Cicero in den Mund legt, weil er Tullus mit Tullius verwech- selt hat; weiter schließt er die Vorgange am 17. unmittelbar daran.

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Das Principat des Pompejus

wer das Unheil herbeigeführt habe, könne es auch heilen1). Darob diesen Antrag bewies Cato aufs neue, daß er keineswegs ein un- verbesserlicher Doktrinär war, sondern sehr wohl verstand, den Anforderungen des Moments Rechnung zu tragen; aber er wider- sprach dem Grundsatz der Verfassung, daß die Consuln die offiziellen Leiter des römischen Staats waren, und wurde daher nicht angenommen1). Aber in der Sache blieb man fest: der Antrag des Tullus auf Friedensverhandlungen wurde abgelehnt, sowohl die Consuln*) wie Pompejus widersprachen: wer darin den ersten Schritt tue, erklärte dieser, bezeuge dadurch, daß er sich fürchte, und erkenne die Überlegenheit des Gegners an4). Indessen den Versuch, zu einem Abkommen zu gelangen, wollte man doch nicht aufgeben; man einigte sich mit Pompejus* Zu- stimmung dahin, daß der Praetor L. Roscius, der sich schon am 7. Januar dazu erboten hatte (S. 284), und der junge Lucius Caesar, Sohn des Consuls 64, der der älteren, aristokratisch ge- sinnten Linie des caesarischen Hauses angehörte, aber bei dem Proconsul eine Legatenstelle angenommen und im Jahre 52 die narbonensische Provinz gedeckt hatte5) der Sohn dagegen hat sich im Bürgerkrieg dem Pompejus angeschlossen und wurde nach der Schlacht bei Thapsus trotz der ihm gewährten Be- gnadigung von den Soldaten niedergehauen , scheinbar auf eigene Hand zu Caesar gehn und mit ihm verhandeln sollten:

') Plut. Cato 52 = Pomp. 60 f.; Pompegus antwortet: pÄvroturttpa jtiv tlvoi tot KeVrwvt X«x&ivca, <piXtxu>Ttpa ftfc 6it* alnob mizpäx&at. Kotaov U oovsßooXtotv aip«io&ai o<cpotifpf6v afcoxpettopa nofurVjtov - *vi IIo|ix*r)t<p

') Vellejus II 49, 2 consules senatusque causae no{mine) [über- liefert ist non] Pompeio ttummam imperii detulerunt vernetzt ungenau die Übertragung de« Oberbefehls an Pompejus schon hierher; in Wirk- lichkeit erfolgte sie erst nach Ablauf des Jahre*.

') App. II 87, 146 ötyTiKpatTovt«ov i' &xouna tüv 6nata>v.

4) Caesar civ. I 82, 8 sagt April 49 im Senat: neque ge refonni- dare, quod in »enatu Pompeius paulo ante dixisset, ad quos legaii mitter entur, his auctoritateni aitribui timoremque eorum, qui mitte- rent, signiflcari. tenuis atque inflrmi haec animi tideri.

•) Caes. bell. Call. VII 65, vgl. civ. I 8, 2.

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Nene Verhandlungen 297

durch diesen Anknüpfungsversuch sollte die Initiative zu offi- ziellen Verhandlungen Caesar zugeschoben werden1). Die Ab- gesandten sind am 17. oder 18. Januar in Ariminum eingetroffen1). Den offiziösen Auftrag, den sie mitbrachten, hat Caesar mit einer inhaltlosen Wendung übergangen*): er wollte seine Leser nicht wi3seu lassen, welche Anerbietungen er abgelehnt habe. Da- gegen berichtet er, daß sie von Pompejus privatim den Auftrag erhalten haben, Caesar zu bitten, er möge ihm nicht zum per- sönlichen Vorwurf machen, was er im Dienste des Staats tun müsse, sondern vielmehr selbst seine privaten Interessen und den Haß gegen seine Feinde dem Staatswohl unterordnen. Caesar hat die ihm gebotene Handhabe ergriffen; er schickte die beiden Vermittler an Pompejus zurück mit dem Auftrag, ihm zu melden, auch er sei bereit, alle die schweren ihm zugefügten Kränkungen um des Staats willen zu ertragen. Als Weg zum Frieden schlug er vor, beide Parteien sollten die Rüstungen einstellen und die Besatzungen entlassen , und Pompejus nach Spanien gehn ; er selbst sei bereit, beide Provinzen den vom Senat bestellten Nach- folgern zu übergeben und mit Verzicht auf das ihm gewährte Privileg sich persönlich in Rom um das Consulat bewerben; um die Bedingungen im einzelnen festsetzen und beschwören zu

') Dio 41, 5, 2 no|urf]ioc . . . firttßaXtto xal jtpeoßw? xpic x6v KaU oaoa Aoöxtrfv tj Kubapa ooYftvfj owxcj» ovta xal Aouxtov 'Pcooxtov atparrj- fo6«a aoT»;rafT*Vroo? aiwat«X«v, si ru»; tJjv 4p{iv]y aotoö .ixyofuiv futtt' Ixl (ittpiotc toi aojißaif).

*) Cicero spricht den L. Caesar auf der Rückreise zu Pompejus nach Teannm (Att. VII 13, 1) am Morgen des 28. Januar in Mintornae (Att. VII 12. 6); er muß also spätestens am 19. von Caesar abgefertigt sein, und wird etwa am Tage vorher in Ariminum eingetroffen sein. Daraus ergibt sich zugleich, daß die Senatssitzung, die Beine Entsen- dung veranlaßt hat, spätestens auf den 15. Januar gefallen sein kann.

3) Caesar civ. I 8 L. Caesar reliquo sermone confecto, cuius rei causa venerat, habere se a Pompeio ad cum privati offlcii mandata demonstrat: ebenso Roscius. Leider erfahren wir aus den anderen Quellen nichts Ober den Inhalt ihrer Vorschlage. Da beide ohne offiziellen Auftrag kamen, können sie Caesar nicht etwa amtlich den Beschluß des Senats über seine eventuelle Erklärung zum hastis (S. 291) überbracht haben.

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298

Das Principat des Pompejus

können , möge Pompejus näher herankommen oder ihm das ge- statten; wenn sie sich persönlich sprechen könnten, würden sich alle Streitpunkte beilegen lassen1).

Mit diesen Vorschlägen ist Caesar noch ein großes Stück über seine früheren Konzessionen hinausgegangen und hat im Grunde alles bewilligt, was von ihm gefordert werden konnte. Er mochte annehmen, daß Pompejus, über den Ernst der Lage und die Unmöglichkeit einer Offensive belehrt und zugleich durch die Vorwürfe seiner neuen Verbündeten gereizt, dazu gebracht werden könne, ihm wieder die Hand zu bieten und, zufrieden mit der gesicherten Stellung in Spanien, Caesar für sein Consulat freien Spielraum zu gewähren; alsdann war er selbst, im Besitz der tatsächlichen Macht, ganz bereit, ihm alle äußeren Ehren zu lassen, die er begehren mochte, und, wie er bald darauf zu Baibus sagte, „unter dem Principat des Pompejus ohne Be- sorgnis für seine Existenz zu leben"*). Denn daß, wenn wirklich

') Caes. civ. I 9 proflciscaiur Pompeius in suas provincias, ipsi exercitits dimittant, discedant in Italia omnes ab armis, metus e civitate tollalur, libera eomitin aique omnis respublica srnatui po- puloque Romano permitlatur. Das deckt sich sachlich mit Cicoros Angabe an Tiro XVI 12, die aber die Einzelheiten zum Teil präziser gibt: feruntur omnino condiciones ab Mo, ut Pompeius eat in Hi~ 8paniam, düectus, qui sunt habiti, et praesidia nostra dimittaniur; se ulteriorem GaUiarn Domitio, cüeriorem Considio Noniam (hu enim obiigerunt) traditurum ; ad consulatus petitionem se venturum, neque sc iam velle, abseilte se rationem haberi suam; sepraesentem trinum nundinum petÜHrum. Die Forderang der persönlichen Zu- sammenkunft gibt nur Caesar.

') Am Abend des 24. Februar besucht Baibus der jüngere bei dem Versuch , Lentulus zu bestechen . den Cicero in Formiae und erzählt (Att. VII 1 9, 4) nihil maUe Caesarem, quam ut Pompeium adse- queretur id credo et rediret m gratiam: id non credo et metuo, ne omnis haec dementia ad unam illam crudelilaiem colli- gatur (d. h. zu einem großen Akt der Grausamkeit, der dem bisherigen Schein der Milde ein Ende macht; es ist nicht nötig, unam in Sidla- nam oder Cinneam zu andern). Baibus quidem maior ad me scribit, nihil malle Caesarem, quam principe Pompeio sine me.tu vivere: tu puto haec credis. Cicero» Befürchtungen sind sehr begreiflich, aber

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Weitere Konzessionen Caesar*. PompejuV Feldzugsplan. 299

ein festes Abkommen geschlossen wurde, damit tatsächlich seine Wahl gesichert war und die ihm gedrohte gerichtliche Verfolgung aufgegeben werden mußte, war, wie auch die Gegenpartei an- erkannte1), dabei die selbstverständliche Voraussetzung.

Inzwischen aber hatte das weitere Vordringen der Truppen Caesars und vor allem die Besetzung von Arretium und die Räumung Etruriens durch Libo, der hier die Aushebungen leiten sollte»), sowie das Eintreffen zahlreicher Flüchtlings- scharen in Koni die Bestürzung und Verwirrung zur Siedehitze gesteigert. Pompejus dagegen behielt den Kopf klar8): er er- kannte, daß jeder Widerstand in Italien unmöglich sei und es nur noch darauf ankomme, möglichst viel Mannschaften aus Italien fortzuziehn und dann auf der Balkanhalbinsel, gedeckt durch das Meer, für den Entscheidungskampf auszubilden. Die starke Armee in Spanien mußte einstweilen sich selbst über- lassen bleiben; er durfte hoffen, daß sie imstande sein würde, sich, falls Caesar sie angreifen sollte, ihm gegenüber zu behaupten; auch konnte sie, wenn in Afrika die Streitkräfte der Provinz und der Vasallenstaaten organisiert waren, von hier aus weitere Unterstützung erhalten. In der Sitzung am 17. Januar er- klärt* er dem Senat, daß es geboten sei, nicht nur die Haupt« stadt, sondern auch ganz Italien zu räumen. Er berief sich auf Themistokles und die Räumung Athens vor den Persern und wiederholte das damals gesprochene Wort, daß der Staat nicht

') Für Cicero ist es selbstverständlich, daß wenn der Friede zu- stande kommt. Caesar Consnl wird, und er erkennt an, daß dabei die Stellung der Republik wenigstens noch notdürftig gewahrt wird : vicerit enim, si consul f actus erit, et minore scelere vicerit quam quo in- gressus est. sed aeeipumdo plaga est, ad Att. VII 15, 8; ebenso 17, 2. 18, 2.

«) Flora« II 18, 19. Lucan II 462: vgl. Cicero ad Att VII 12, 2. VIII 11 B. 2.

*) Die gegenteilige Behauptung, die sich wie bei Cicero so bei Plut. Pomp. 61 = Caes. 30 und in anderer Fassung bei Dio 41, 6 findet und von den Neueren meist nachgesprochen wird (sogar daß Pompejus &3Tp&rr}Yir]Toc oder iotp«tYjYcx«itato? sei! ad Att. VII 18, 1. Vlil 16, 1), beruht auf totalem Mangel an militärischem Verständnis.

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Da* Principal des Pompeji

aus den Hauswänden bestehe1). Mit der Preisgebung Italiens sei noch nichts verloren ; man habe die gesamten Hilfsmittel des Orients nebst den Streitkräften der abhängigen Staaten bis zu den Geten, Kolchern und Armeniern zur Verfügung, überdies eine starke Flotte aus allen Küstengebieten, mit der man die Verbindung Italiens mit den Kornprovinzen unterbinden und ihm die Zufuhr abschneiden könne. Wenn es Sulla gelungen sei, vom Orient aus Italien zu erobern und die Herrschaft des Senats wieder aufzurichten, wie sollte es ihm nicht möglich sein?*) Die Senatoren, militärisch völlig urteilslos, entsetzten

') ad Att. VII 11, 8 (19. Januar) [bei Plutarch Pomp. 68 ritiert] führt Cicero »eine Worte an: nnon est" inquit „in parietibus res- publica" at in aris et focis (Einwurf Ciceros) »fecit Themisto- cles" ; fluctum enim totius barbariae ferre urbs una non poterat. Vgl. X 8, 4. Appian II 37. 147 -jAp ta xwpia xal ta olx^jiata r}p> äövaptv yj t-qv rXso&spiav ;tvai toi? ivo'pfto'.v, aXXä tou^ fivJpa?, Ix-q not' fiv aiotv, fx,lv wfjxa aov iautotc. Nachher benutzt er da« für die Rede, die er Pompejus in Macedonien halten laßt, II 50, 205: xed *A<hfjvalot rvjv x6Xtv i4tXiirov, öslp eXtoO-tplac tote sirtoö« itoXtpioüvttc., ob ta olx-rjfiata «cXtv, &XX& toö< £v3pac tiveu vojuCovtr«, xat tdöe xpa$avt»<; o$ia»« afttrv iviXaßöv tt xai eöxXwoTrpavaRsftp-av; ebenso haben die Römer es beim Keltenangriff gemacht

*) Cic. ad Att. IX 10. 2 ridi liominem (Pompeium) XIIII Kai. Febr. plenum formidinis: Mo ipso die sensi, quid ageret . . . nihil nisi fugam cogitare . . . quae minae munieipiis f quae nominutim viris bonis! quae denique omnibus, qui remansissent ! quam crebro ülud ,8uüa potuit, ego non potero?" (was Cicero völlig falsch ver- steht) . . . huius belli genus fugi, et eo magis, quod crudeliora etiam cogitari et parari videbam. me . . . Getarum et Armeniorum et Col- chornm copias ad eam (urbemi adducere? me meis civibus famem, vastitatem inferre Italiae? Dazu IX 9, 2 ut nostri prineipes ... patriam fame necandam putent. atque hoc non opinione timeo, sed interfui sermonibus: omnis haec classis Alexandrea, Colcliis, Tyro, Sidone, Arado, Pamphylia, Lycia, Rhodo, Chio, Bysantio, Lesbo, Zmyrna, Mileto, Coo ad intercludendos commeatus Italiae et ad occupandas frumentarias provincias comparatur. VIII 11, 2 nec vero iüe urbem reliquit. quod eam Uteri non posset, nec Italiam, quod ea pelleretur, sed hoc a primo cogitavit, omnis terras, omnia maria movere, regen barbaros incitare, genlis feras armatas in Italiam adducere, exercitus conficere maximos; genus ülud SulUini regni iam pridem appetitur, multis, qui una sunt, cupientibus. Ebenso X 8. 4. Diese ganz schiefe Auffassung, in der »ich Cicero, nicht, wie

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Die Räumung Roms 301

sich bei diesen Ausführungen, die alle ihre Erwartungen auf das bitterste enttauschten und ihr Vertrauen auf Pompe jus aufs schwerste erschütterten; aber es blieb ihnen nichts übrig, als sich zu fügen. Seinem Antrag gemäß wurde beschlossen, daß alle Beamten und Senatoren am nächsten Tage die Stadt verlassen sollten, die Zurückbleibenden als Genossen des Landesfeindes mit schwerster Strafe bedroht, ebenso die Municipien, die sich Caesar anschließen sollten1). Noch an demselben Tage ging Pompejus nach Campanien zu den Truppen, am 18. Januar (1. Dezember julianisch) folgte der allgemeine Auszug. Auch die- jenigen, welche zu Caesar neigten oder neutral zu bleiben wünschten, wagten nicht, sich der allgemeinen Bewegung zu entziehn*); sogar Caesars Schwiegervater Piso ging mit*). In der Eile war es unmöglich, vor dem Auszug in den Krieg die lex curiata de imperio einzuholen und die üblichen Opfer darzu- bringen4); ebensowenig gelangte der Beschluß, den Staatsschatz

dieser VII 26, 1, vgl. IS, 1 behauptet, Pompejus als ioxpavr^ixmtaxo^ erweist, hat dann Nissen als das eigentliche Motiv des Pompejus hin- gestellt: er habe sich dadurch, daß er den Kriegsschauplatz in die Pro- vinzen verlegte, von der Abhängigkeit von Consuln und Senat emanzi- pieren wollen. Bei Appian II 37 sagt Pompejus: .ihr werdet die (von Favonius geforderten, oben 8.295) Legionen haben, äv a*x>\o'iftffti fjuot *ai üttv&v •/jffjafo rfyv cPu»|iifjv äitoXticsiv , xai e! r»jv 'ItaUav iicl rg 'PwfrB »rrjotitv.* Die Heranziehung aller Kräfte des Ostens zu Lande und zur See bringt er in Pompejus' Rede II 51, 210 f. l) So auch Caea. civ. I 88. 2.

*) Appian II 87. Plut. Pomp. 61 = Caes. 88. Bei Dio 41, 5 f. ist durch die Einwirkung der verfälschten Darstellung Caesars die Rück- kehr der Gesandtschaft des Roscius und L. Caesar vor den Beschluß des Auszugs gesetzt und die Wirkung des von ihnen überbrachten Angebots fiÜHehlich zum Motiv für Pompejus' Entschloß gemacht, während zu- gleich die beiden noch einmal entsandt werden (41, 5. 4) und diesmal die Verhandlungen scheitern (41, 6, 5 f.). Ciceros Briefe gestatten hier eine genaue Kontrolle und Datierung; trotzdem hat auch Dios Bericht gelegentlich Glauben gefunden. Seine Schilderung des Auazugs und der Stimmung dagegen c. 7 ff. ist vortrefflich.

«) ad fam. XIV 4. 2. ad Att. VII 18, 1.

4) Unterlassung der lex curiata : Dio 41 , 48 , 8. Plut. Pomp. 61 = Caes. 34 ot tk 6z«ot |»}&t &üo<xv?ic & vojäCttou jcpö koXsjjloo e<po«fov.

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302

Das Principat des Pompe jus

ins Feld zu schaffen1), zur Ausführung. Als Pompejus später den Oonsuln nach Capua die Forderung sandte, das Geld zu holen, weigerten sie sich, zu gehorchen, wenn nicht Pompejus vorher zu ihrer Deckung nach Picenum vorrücke*); und so fielen die Gelder in Caesars Hände.

Während man inmitten der allgemeinen Verwirrung ver- suchte, die Aushebungen und Rüstungen energischer in Gang zu bringen, trafen am 23. Januar Lucius Caesar und Rosems in Pompejus' Hauptquartier in Teanum Sidicinum ein*). Pom« pejus verhandelte mit den Consuln und den anwesenden Sena- toren; auch Labienus, der tags zuvor eingetroffen war und dessen Übertritt die Hoffnungen wieder etwas belebt hatte, war zu- gegen4). Pompejus war in der Tat zur Nachgiebigkeit bereit;

Caesar höhnt darüber civ. I 6, 7 : consules, quod ante id tempus ac- cidit nunquam, ex urbe proficiscuntur lictoresque habent in urbe et in CapitoHo privati (d. h. eben ohne imperium, s. An. Ntssra, Beitr. ■um röm. Staatsrecht 113, vgl. oben S. 291, 2) contra omnia vetustatis exempla. Ein Teil der Herausgeber hat durch Kinschiebong von dam vor ex urbe prof. den Sinn der ganzen Stelle verdorben.

•) Dio 41, 6, 8. Cic. ad Att. VII 15, 3 sumus enim flagitiose im- parati cum a müitibus, tum a pecunia, quam quidem omnem, non modo privatum, quae in urbe est, sed etiam püblicam, quae in aerario est, iüi reliquimus. VIII S, 4 non patef actum (Caesari) Oer ad urbem? non pecunia omnis et publica et privata adversario credüa ? Natür- lich wurde der Staatsschatz geschlossen: VII 12, 2 nec eum rerum pro- latio [natürlich wurden alle Geschäfte vertagt] nec senatus magistra- tuumque discessus nec aerarium clausuni tardabii. Caesar hat sich bekanntlich nicht geschämt, zu schreiben, Lentulus sei geflohn, nach- dem er die Tür aufgeschlossen, und habe sie offen stehen lassen (civ. I 14).

«) ad Att. VII 21, 2 (7. Februar).

*) ad Att. VII 14. Cicero hat den L. Caesar am Morgen desselben Tages in Mintumsie gesprochen und gibt von seiner Persönlichkeit und ebenso von den absurdissima mandata eine ganz wegwerfende Schil- derung VII 18, 6.

*) Att. VII 18, 7, vgl. § 1 Labienum tym* iudico; facinus iam diu nullum civile praeclarius, qui, ut aliud nihil, hoc tarnen pro- fecit: dedit illi dolorem; sed etiam ad summam profectum aliquid puto; ferner vorher 12, 5 sowie fam. XIV 14, 2 an Terentia, XVI 12. 4 an Tiro; Att. VII 16, 2 Pompeius Labienum secum habet non dubi-

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Nene Verhandlungen mit Caesar

303

auch mochte er, in seiner schwierigen Lage beengt und gereizt durch die Vorwürfe und die passive Resistenz seiner Alliierten, wohl die Neigung verspüren, sich wieder mit Caesar zu ver- binden, der ihm die Sache so viel leichter gemacht hatte. In- dessen er empfand, daß jeder Schritt, der auf eine derartige Absicht hindeutete, sein schon brüchig gewordenes Verhältnis zu der Senatspartei definitiv und für alle Zukunft zerstören mußte; den Vorschlag einer persönlichen Zusammenkunft mit Caesar konnte er daher überhaupt nicht berücksichtigen. Bei der Beratung in Capua, unter Vorsitz der Consuln, vertrat nur Favonius den prinzipiell ablehnenden Standpunkt: man dürfe sich von Caesar keine Gesetze vorschreiben lassen. Aber er wurde nicht gehört. Auch Cato, in seinem Vertrauen auf Pom- pejus' Kriegsbereitschaft schwer enttäuscht1), war zum Ein-

tantem de imbeciUitate Caesaris copiarum, cuius adventu Onaeus noster tnulto animi plus habet , and dann, als der Rückzug immer weiter geht, am 17. Februar das wegwerfende Urteil Att. VUI 2, 8 Afranium exspectabimus et Petreium; nam in Labieno parum est dignitatis.

') Vgl. was Caesar civ. I 80, 5 über Catoß Rede berichtet, die er hielt, als er am 28. April (Cic. Att. X 16. 3) Sicilien räumte: queritur in contione, sese proiecium ac proditum a Cn. Pompeio, qui Om- nibus rebus imparatissimis non necessarium bellum suscepisset et ab se reliquisque in senatu interrogalus omnia sibi esse ad bellum apia ac paraia conftrmavisset. Dieses Referat ist natürlich einseitig und wird wesentlich ergänzt durch Plut Cato 58 (= Appian II 40. 162), wonach Cato erklärt, an Poinpejus' Geschick zeige sich die Unsicher- heit aller Vorausberechnung und die Unzuverlässigkeit der Gottheit, da er, der bei seinen verwerflichen Unternehmungen unbesiegt geblieben sei, jetzt, wo er für Vaterland und Freiheit kämpfe, vom Glück ver- lassen werde (itoXöv ltipl faia itXavov tivat xal 4a<£<p»iav, il riofi.ir^tov, iv ofs ö^fiis ou&iv obhi Stxatov ercpamv i-fjtr»jtov f «vöjwvov, vöv x+jv na- tptfta ßooXrtat ou»£stv xal r?j$ tXco&cptac SictpjjLdxttat, «poXtXot« xb »oto- X«v). Gegen die Vorhut Curios unter Asinius Pollio würde er Sicilien halten können, aber nicht gegen die im Anzug begriffene stärkere Truppenmacht, und so wolle er der Insel die Greuel des Kriegs er- sparen (ebenso Dio 41, 41, 1). Cicero, der selbst in Campanien nichts ausgerichtet hatte, tadelt natürlich dies Verhalten auf das stärkste und behauptet, Cato habe Sicilien mit leichter Mühe (nullo negolioj halten können! ad Att. X 16, 3 (vgl. 12, 2).

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304 Das Principat de« Pompejus

lenken bereit; aber er forderte, daß Caesar sofort die besetzten Orte räume, so daß man nach Rom zurüokkehren und dort im Senat über das weitere verhandeln könne. Dementsprechend wurde die Antwort formuliert; im übrigen wurde erklärt, daß die Consuln und Pompejus einstweilen die Aushebungen weiter fortsetzen würden; wenn Caesar die Bedingungen annehme, sei Pompejus bereit, nach Spanien zu gehn; ein Termin dafür und für die Entlassung der Heere wurde nicht angegeben1). Pompejus ließ den Brief, in dem er diese Vorschläge formulierte und im übrigen von Caesar in den verbindlichsten Ausdrücken redete „für seine glänzenden Taten" stehe ihm det Anspruch auf den Triumph und ein zweites Consulat zu , in Rom durch Anschlag bekanntgeben; so zeigte er, daß er die Versöhnung nicht ablehne, und konnte die Stimmung wieder für sich gewinnen1).

') ad Att. VII 15, 2: Am 25. Januar hat er die Consuln multosque noatri ordinis in Capna getroffen; omnes cupiebant, Caesarcm ab- duetis praesidiis stare condicionibus iis, quas tulisset. unt Favonio lege» ab Wo nobis imponi non placebat, sed is (haud) auditus in con- süio; Cato enim ipse iam servire quam pugnare mavolt, sed tarnen aii, in senatu se adesse velte, si Caesar adduetus sü, ut praesidia dedtteat. Die Bedingungen VII 14, 1: probata condicio est (die Caesar vorschlügt), sed ita, ut itte de üs oppidis, quae extra suam provinciam occupavisset, praesidia deduceret; id si fecisset, respon- sum est, ad urbem nos redituros esse et rem per senatum con- fecturos. Ebenso an Tiro XVI 12, 3 (vgl. S. 298, 1). Fortgang der Aus- hebungen XVI 12, 4 dilectus enim magnos habebamus [als ich den Brief am 27. Januar schrieb], so daß wir hoffen dürfen ut eum inter- dudamus, wenn er a suis dondicionibus ipse fugerit. ad Att VII 16, 2 (28. Januar): Pompeius ad me scribit, paucis diebus se ftrmum escercitum habiturum, spemque adferi, si in Picenum agrum ipse venerit, nos Romam redituros esse. Dagegen entrostet er sich 18, 2 (8. Februar) darüber, daß Caesarevx aiunt acerrime dilectum habere, loca occupare cet. Caesar civ. I 10 f. stellt die Bedingungen und seine eigene Ablehnung im wesentlichen richtig dar, abgesehn von der Ver- fälschung der Datierung (s. oben S. 298, 2). die aur Folge hat, daß er als eu räumenden Ort einzig Ariminum nennt.

*) ad Att. VII 17, 2, wo er bedauert, daß Pompejus, cum scriptor luculentus esset , die Abfassung des Schriftstücks dem ungeschickten Stilisten Sestius (oben S. 185, 2) übertragen habe; 18, 1. 26, 2 (Caesarem),

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Abbruch der Verhandlangen 305

Wie Cicero, so waren offenbar auch gar manche andre unter den führenden Männern des naiven Glaubens, daß diese Vor- schläge den Frieden herbeiführen könnten. Aber es war für Caesar in der Tat völlig unmöglich, sich auf Bedingungen ein- zulassen , die jede bindende Verpflichtung der Gegner vermieden, wohl aber ihnen die Zeit gaben, ihre Kräfte zu sammeln, wäh- rend sie ihn selbst in die Position vor Eröffnung des Kampfes zurückwarfen. Er lehnte die Vorschläge ab und gab seinen Truppen den Befehl zum Vorrücken. Daß Caesar die Bedin- gungen verworfen habe, erfuhr Cicero in Campanien am 3. Fe- bruar durch Briefe aus Rom1); die Entscheidung in Ariminum wird also vieg oder fünf Tage vorher am 27. oder 28. Januar ge- fallen sein.

Den Versuch, durch persönliche Besprechung mit Pompejus zu einem friedlichen Abkommen zu gelangen, hat Caesar trotz- dem nicht aufgegeben, sondern immer wieder erneuert, wo sich eine Möglichkeit zur Anknüpfung bot. Als bald nach der Ein- nahme von Corfijiium (20. Februar) Numerius Magius, ein prae- jectus fabrum des Pompejus, in seine Hände fiel, entließ er ihn mit dem Auftrag, er lasse den Pompejus, wenn er nach Brundisium vorgerückt sei, um eine Unterredung bitten, alsdann würden sie

cui nosier alterum consulatum deferret ei triumphum at qui- bus verbiß! „pro tuis rebus gestis amplissimis' ; ebenso VIII 9, 2. 12. 2.

') ad Att VII 19. Am 8. Februar erfahrt Cicero, daß ganz Picennm verloren ist (sciebat nemo praeter me ex litteris Dolabellae, Beines bei Caesar stehenden Schwiegersohns). Mithin füllt die Besetzung von Auximum nnd ebenso von Ignvium (Caes. civ. I 12 f.; erst nach derselben erzählt er die Räumung von Rom c. 14. die er so künstlich weit hinter die Friedensverhandlungen durch L. Caesar und Rodeins c. 8 11 schiebt) auf den 28. und 29. Januar. Der Vormarsch in Picenum (Auximo Caesar progressiv omnsm agrum Picenum percurrit, civ. 1 15», die Gewinnung von Cingulum und Asculum schließen unmittelbar daran an. etwa 1.— 4. Februar; am .9. Februar erfahrt Cicero durch einen Brief, daß Lentulus (Spinther), der Asculum geräumt hatte, und Thenn us, der aus Iguviura geflohen war, mit ihren Truppen bereits bei Domitius in Corfinium eingetroffen sind; ihre Ankunft dort muß also auf den 7. Februar fallen.

Meyer, Caeaara Monarchie 20

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30 C

Das Principal des Pompejus

Bich weit leichter einigen, als wenn sie die Verhandlungen durch Vermittler führten1). Gleichzeitig schreibt er an seine Ver- trauten Oppius und Baibus, die seinen Intentionen gemäß den Brief an Cicero und gewiß auch an andre weitergaben2): „ich bestrebe mich, mich so milde wie möglich zu erweisen, und mit Pompejus zu einer Versöhnung zu gelangen . . . Ich habe Pom- pejus* Praefecten Numerius Magius gefangen genommen, und Üin natürlich meinen Grundsätzen gemäß sogleich entlassen. Schon zwei praefecti fabrum des Pompejus3) sind in meine Hände gefallen und von mir entlassen worden ; wenn sie dankbar sein wollen, müssen sie Pompejus ermahnen, daß er lieber mit mir Freund sein will als mit denen, die ihm ebensogut wie mir immer die schlimmsten Feinde waren und die es durch ihre Intrigen erreicht haben, daß der Staat in seine jetzige Lage gekommen ist"*).

') Caesar ciy. I 24.

*) ad Att. IX 7 C; Cicero hat den Brief am 18. Mar* weiter an Atticus mitgeteilt. Mit Cicero hat Caesar die ganse Zeit hindurch die Verbindung aufrecht erhalten, vor allem durch Trebatius (22. Januar, ad Att. VII 17, 8 f IX 12, 1 und IX 15, 6 im Marz), Caelius, Dolabella (ad Att. VII 21, 8), Baibus (VIII 9, 4, s. 8. 298, 2), aber auch persönlich (VII 21, 8 VIII 2, 1. 11, 5, s. unten S. 847). Cicero, immer nach Frieden ausschauend und von dem Wunsch beherrscht, sich bei beiden Gegnern möglichst wenig su kompromittieren und von jedem aktiven Eingreifen fern ru halten (ad Att. VIII 12, 2), hat entsprechend geantwortet. Als der Consul Lentulns Caesars Gladiatoren in Capua beschlign ahmte und eu nächst für den Krieg verwenden wollte, dann aber auf die dagegen gemachten Vorstellungen Potnpejas' sie auf die Familien verteilen ließ (Caesar civ. 1 14, 4. Cicero ad Att VII 14, 2), schrieb Caesar deshalb an Cicero, und dieser antwortete verbindlich mit Mahnungen zur Ver- söhnung und Lobaprüchen auf Pompejus; Caesar hat den Brief ver- öffentlicht (ad Att VIII 2, 1. 9, 1).

*) Der andere ist Vibullius Rufus, civ. I 15, 4. III 10. 1.

*) si volent grati esse, debebunt Pompeium hortari, ut maUt mihi esse amicus quam iliis, qui et illi et mihi Semper fuerunt tnt- mici8simi, quorurn artifieiis effectum est, ut respublica in hunc slatum perveniret. Vgl. civ. I 4 ipse Pompeius ab inimids Caesaris incitatus et quod neminem dignitate secum exaequari volebai, totum se ab eius amicitia averterat et cum communibus inimids in gra-

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Spätere Verhandlungavereuche Caesars 807

Pompejus hat in der Tat gleich nach Caesars Ankunft vor Brundisium am 9. März den Magma zu ihm mit Vorschlägen geschickt,, und Caesar hat darauf geantwortet. Über den In- halt erfahren wir nichts; in seinem Geschichtswerk hat Caesar vielmehr behauptet, während er darauf gewartet und in der Hoffnung auf eine Versöhnung mit seinen Operationen zurückgehalten habe, habe Pompejus den Magius nicht an ihn geschickt, obwohl uns glücklicherweise ein Brief Caesars selbst erhalten ist, der das Gegenteil bezeugt1). Dagegen er- zählt er, daß er sich durch seinen Legaten Caninius Rebilus an dessen Freund Libo wandte, er möge die Aussöhnung und ein Gespräch mit Pompejus vermitteln. Pompejus ließ ant- worten, da die Consuln nicht anwesend seien sie waren schon am 4. März mit einem großen Teil der Truppen nach Epirus abgezogen2) , sei er nicht in der Lage, über die Beilegung der Streitigkeiten zu verhandeln*). Am 17. März ging dann Pompejus, sich der von Caesar versuchten Ein- schließung geschickt entziehend, mit dem Rest der Truppen in

tiam r edier at, quorum ipse maximam partem iüo afßnitalis tem- pore iniunxerat Caesari.

') Caemar civ. I 26 atque haec (die Belagerung Brundisium*) Caesar ita administrabai, ut condiciones pacis dimittendas non existimaret; ac iameisi magnopere admirabatur, Magium ... ad se non remitti, at'fue ea res saepe iemptata etsi impetus eius consiUaque tardabat, tarnen omnibua rebus in eo perseverandum puiabai. Dagegen Cae- sars Brief an Oppius und Baibus Cic. ad Att IX 18 A: o. d. VII Idus Mari Las Brundisium veni, ad muros castra posui. Pompeius est Brundisii. misii ad me N. Magium de pace, qnae visa sunt respondi. hoc vos statim scire volui. qxiom in spem vener o, de compoeitione aliquid me confleere, statim vos certiores faciam. Offenbar will Caesar auch hier, wie 1 8. 2 (oben S. 297, 8), seine Leser nicht wissen lassen, welche Bedingungen er abgelehnt hat. Plutarch Pomp. 68 folgt Caesars Daintellung.

•) ad Att. IX 6. 8. 9, 2.

*) Caesar civ. I 26, 3 ff. paulo post renuniial (Libo), quod con- sulea absint, sine Ulis non posse agi de composüione . ita saepius rem Jrusira temptatam Caesar aliquando dimittendam stbi iudicat et de belio agendum. Ebenso Dio 41, 12, 2.

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Das Principat des Pompejus

See1). Bin Versuch Caesars, von Rom aus durch den Senat Verhandlungen anzuknüpfen, gelangte nicht zur Ausführung (s. u. S. 348). An dem Streben aber hat Caesar bis zuletzt festgehalten, immer von dem Sitze ausgehend, daß beide ihr Heer entlassen und ihre Provinzen aufgeben sollten*). Nach der Landung in Hl yrien hat er den Vibullius Rufus, der zweimal, in Corfinium und in Spanien, in seine Hände gefallen war, mit diesem Anerbieten zu Pompejus geschickt8) und die Verhandlung dann durch Libo fortgesetzt; aber Pompejus erklarte, er könne sich auf nichts einlassen, das Leben habe für ihn keinen Wert mehr, wenn er von Caesars Gnade abhänge und seine Rüokkehr nach Italien ihm verdanke4). Eine Verhandlung, die Vatinius herbeizuführen suchte, vereitelte Labienua: es habe keinen Sinn, von Verhand- lungen zu reden; wenn man nicht Caesars Kopf einbringe, sei kein Friede möglich8). Auch der Versuch, während der Be- bgerung von Dyrrhachium durch Scipios Vermittlung eine Ver- handlung herbeizuführen, wurde von diesem unter dem Ein-

') Matius ond Trebatias an Cicero, ad Att IX 15, 6; eine wie sich »eiste falsche Nachricht, daß Pompejus abgefahren sei, hatte Cicero schon am 15. Milnt aus Capaa erhalten, IX 14, 3.

*) Caesar civ. I 85. 12 in der Rede an das spanische Heer des Pom- pejus nach der Kapitulation von Herda: proinde, ut esset dictum, pro- vinciis excederent exercitumque dimitterent; si id sit factum, se noci- turum neminL hanc utia n aUiue exiremam esse pacis condicionem.

») civ. 111 10, 8 f. condiciones pacis, quoniam antea convenire non potuissent, Bomae ab senatu et a populo peti debere; interea et reipublicae et ipsi placere operiere, si uterque in contione statim iuravisset, se triduo proximo exercitum dimissurum. depositis annis auxiliisque, qutbus nunc conflderent, necessario populi senatusque iudicio fore utrumque contentum. Piut Pomp. 65 nennt den Unter- händler 'lo-ifto;.

*) civ. III 18.

*) civ. III 19. Gleichzeitig wiederholte er den im Februar 49 ge- scheiterten Versuch, den Lentulus (jetzt Proconsul) durch den jüngeren Baibus, der sich deshalb ins teindlicbe Lager wagte, tu erkaufen; man konnte sich über den Preis nicht einigen (Vellejus II 51, 8. Asinius Pollio an Cicero X 82. 8; Baibus machte als dessen Quaestor im Jahre 48 daraus eine praetexta, die er aufführen ließ).

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Gegensatze awißcben Pompejus und der Senatspariei

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fluß des Favonius abgewiesen1). So blieb kein andrer Ausweg, als die Entscheidungsschlacht.

Aber auf der Gegenseite herrschte keineswegs Einigkeit. Nur mit äußerstem Widerstreben hatten sich der Senat und die Be- amten den Anordnungen des Pompejus gefügt: sie konnten die Räumung der Stadt und nun gar Italiens nicht fassen, die ihre Erwartung, unter dem glorreichen Feldherrn einen raschen und leichten Sieg zu gewinnen, so gründlich widerlegte und ihnen statt dessen einen langen schweren Krieg in Aussicht stellte, der sie aus allen Lebensgewohnheiten herausriß. Dazu kam dann in ganz charakteristischer Weise der Gegensatz zwischen der tief eingewurzelten Idee des Stadtstaats und den realen Bedingungen des Weltreichs. Der Feldherr Pompejus stand mit seinen Maßnahmen ganz auf dem Boden des letzteren; ihm war für seine Operationen Rom eine Stadt wie zahlreiche andre auch, und militärisch nicht einmal von großer Bedeutung. Für die Aristokratie und den Senat dagegen bedeutete Rom alles, selbst Italien kam daneben kaum in Betracht, die übrigen Lander dagegen waren lediglich untertänige Gebiete, für die meisten sogar nur Objekte für die Ausbeutung durch die Machthaber in Rom. Diese Auffassung beherrschte ihre gesamte Denkweise und hatte sich in den Wirren der Revolutionszeit und des haupt- städtischen Intrigenspiels nur noch gesteigert; bei Cicero tritt sie uns durchweg ab dominierende Grundstimmung entgegen, nur um so bezeichnender, da er selbst aus einer Landstadt stammte und der stadtrömischen Aristokratie als unberechtigter Eindringling galt; sie hat, wie sein ganzes Leben, die Ablehnung der Provinz, sein Verhalten im Exil, so in verhängnisvollster Weise sein Verhalten im Bürgerkrieg und in dem letzten Kampf der Republik im Jahre 43 bestimmt. Die große Zeit Roms, deren Anschauungen uns in Catos Originei und den sonstigen

') civ. III 57. Diese AnknOpfungsversuche im Jahre 48 sind natürlich durch Caesars schwierige Lage in Illyrien hervorgerufen und cum Teil wohl nur Manöver, um ihm Luft zu schaffen, vgl. Dio 41, 47, 2. 53, 2.

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Das Frincipat de« Pompejos

Überresten der ältesten Annalistik entgegentreten , empfand darin viel gesünder und freier, indem sie Italien als die Basis des römischen Staats ansah; die engherzige Beschränkung auf die Hauptstadt, die auch die jüngere Annalistik und Livius durch- aus beherrscht, ist ein sehr bezeichnendes Symptom für den Niedergang des Römertums und die Unnahbarkeit der bisherigen Stantsgestaltung. Bei der Opposition gegen Pompejus kommt allerdings ein ideales Moment hinzu: man sträubte sich dagegen, daß die Untertanen in die inneren Zwistigkeiten der Bürgerschaft hineingezogen werden und hier die Entscheidung geben sollten. Aber das Maßgebende bleibt doch, daß man sich eben von der Stadt nicht loszulösen vermochte, wie Athen im Perserkriege, sondern die Gedanken wirklich an den „Hauswänden" haften blieben.

Diese Gegensätze haben lähmend auf alle Operationen in Italien gewirkt. Abgesehn von den Offizieren des Pompejus hatten nur wenige die sittliche Kraft, wie Cato sich trotz aller Bedenken und alles Mißtrauens jetzt im Kriege den Befehlen zu fügen und die zugewiesene Aufgabe gewissenhaft auszuführen. Marcus Marcellus, wie er durchweg eine völlig selbständige Haltung eingenommen und sich weit weniger als Cato an Pom- pejus angeschlossen hatte, wollte von der ganzen Art des Vor- gehns nichts wissen und hielt sich möglichst zurück1); sein Bruder, der Oonsul Gaius, war im Gegensatz zu Lentulus ganz lau1), und sein Vetter, der Consul des Vorjahrs, blieb sogar dauernd in Italien zurück8). Cicero vollends, obwohl er ver-

') Cicero an Marcellus (Sommer 46) IV 7, 2 vidi neque te con- silium civilis belli ita gerendi nec copias Oft. Pomp ei nec genus exercitus probare semperque summe diffldere; qua in sententia me quoque fuisse memoria tenere te arbtiror. itaque neque tu muUum interfuisti rebus gerendis, et ego id Semper egi, ne interessem. Vgl. IV 9, 2.

*) Vgl. ad Att. VII 21, 1 : so der von ihm mit Leatulos angesetzten Beratung in Capua am 5. Februar kommt er überhaupt nicht; ferner

20, 1.

») ad Att X 12, 3. 13, 2. 15, 2.

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Pompejus und die Senatspartei. Ciceros Verhalten

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sicherte, mit Pompejus leben und sterben zu wollen, betrieb die ihm übertragene Aushebung in Gampanien und an der Secküste ganz lässig, schrieb an Pompejus Briefe voll absichtlicher Miß- verständnisse und boshafter Sticheleien1) und war im Herzen nur zu froh, ab er behaupten konnte, ihm sei der Weg nach Brundisium durch Caesars Truppen verlegt, so daß er den Be- fehl, mit den ausgehobenen Mannschaften zu Pompejus zu kommen, nicht ausführen könne. Als er dann im Sommer 49 schließlich doch noch zu ihm ging, lehnte er jede aktive Tätig- keit ab*), verletzte dagegen jedermann durch die boshaften Witze, mit denen er alles tadelte, was geschah, so daß man schließlich froh war, daß er krank in Epirus liegen blieb und an dem Zug, der nach Pharsalos führte, nicht teil- nehmen konnte3). Die energischeren unter den Führern der Optimaten dagegen machten, statt die ausgehobenen Mann- schaften möglichst rasch zu Pompejus zu führen, wie dieser befohlen hatte, immer wieder den Versuch, die hoffnungslosen Positionen zu halten und dadurch Pompejus zu zwingen, in Italien zu bleiben und ihnen Hilfe zu bringen, und waren

') ad Att. VLU 11 B. D, and Pompejus' Briefe VIII 6. 11 A. C. Vgl. weiter Äußerungen wie VII 24 (10. Februar) non dubito, quin Qnaeus in fuga sü; modo effugiat. a consiUo fugiendi, ut tu censes, absum; ferner VIII 7. 8. 11 usw.

*) ad Att. XI 4, Juli 48 nach dem Sieg bei Dyrrhachium: nullas habeo (res) Utteris dignas, quippe cui nec quae accidunt nec quae aguntur ullo modo probantur . . . ipse fugi adhuc omne munus, eo magis, quod ita nihil polerat agi, ut mihi et meto rebus aptum esset.

») Plut. Cic 38 f.; »eine Krankheit auch ad Att XI 4, % Boshafte Witse: Macrob. II 3, 7 ff. Während der Belagerung von Dyrrhachium (Pompeio . . . circumvallato nunc denique) schrieb Dolabella an ihn, natürlich im Auftrag Caesars, den Brief fam. IX 9, um ihn für den Fall, daß Pompejus hier besiegt werde (H forte Pompeius pulsus hin quoque locis rursus alias regiones petere cogatur) oder sein Heil auf der Flotte suche (si iam iUe evitaverit hoc periculum et se ab- diderit in classemj, zum Rücktritt in die Neutralität zu veranlassen: er möge dann nach Athen vel in quamvis quietam civitatem gehn, Caisar werde ihm alles bewilligen.

312 Da* Principat des Pompejus

entrüstet, wenn er, mit vollem Recht, sich nicht darauf ein- ließ. Durch dies Verhalten bewirkten sie lediglich, daß die von ihnen zusammengebrachten Mannschaften Caesar in die Hände fielen und von ihm in seine Legionen eingereiht wurden, und daß Pompejus statt der großen Armee, die er hätte an- sammeln können, außer den beiden Caesar abgenommenen Legionen nur drei aus italischen Rekruten gebildete Legionen aus Brundisium über See führen konnte1).

Trotzdem war die Lage keineswegs hoffnungslos, auch dann nicht, ab Caesar wider alles Erwarten in einem kurzen Feld- zug das Heer in Spanien besiegt und zur Kapitulation ge- zwungen hatte. Pompejus hatte aus Italien immer noch eben- soviele Legionen fortgeführt, wie die, mit denen Sulla den Krieg gegen die Italien und den ganzen Westen beherrschende Demokratie begonnen hatte; wie diesem, standen auch ihm, nur in weit größerem Umfang, ^die reichen materiellen Mittel des gesamten Orients zur Verfügung, und überdies beherrschte er, anders als Sulla, die See vollständig. Er hatte jetzt eine Frist gewonnen, in der er die Rekruten militärisch schulen und aus den östlichen Provinzen eine gewaltige Truppen- macht zusammenbringen konnte. So blieb die Entscheidung bis zuletzt völlig ungewiß: an Zahl waren Pompejus' Streit- kräfte denen, die Caesar über das Adriatische Meer geführt hatte, weitaus überlegen, und wenn sie ihm auch an Kriegs- tüchtigkeit im offenen Feld nicht gewachsen waren, so zeigten die besonnenen Operationen des Pompejus und Caesars Nieder- lage vor Dyrrhachium doch, was sich mit einer defensiven Kriegsführung erreichen ließ.

Einigkeit herrschte im Lager des Pompejus freilich nur in dem Haß gegen Caesar und seine Anhänger, der sich nach dem Siege bei Dyrrhachium in der Abschlachtung der Gefangenen durch Labienus unter Hohnreden*) und in eifrigen Streitig-

') Caesar cW. III 4. Appian II 49, 201 ; vgl. Ptat Pomp. 63. Caesar e»T. I 25, 2 (laiammen 50 Cohorten). •) Caesar civ. III 71.

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Pompejas Ausachten. Der Senat in Thessaloniko 813

keiteu über die antizipierte Verteilung der Siegespreise, die Ämter Caesars und seiner Anhänger und die Bestrafung der Gegner und der Lauen entlud1). Die äußeren Formen der Korrektheit wahrte man. Man erklärte Thessalonike für den offiziellen Sitz der Regierung, wo Senat und Volk sich ver- sammeln und die an zweihundert Senatoren, die sich hier zusammenfanden, rechtsgültige Beschlüsse fassen konnten, und erwarb auch für den Staat einen Platz, um auf römischem Boden die Auspioien einholen zu können. Aber Consul- wahlen vorzunehmen war rechtlich unmöglich, weil den bis- herigen Consuln die für die Berufung der Centuriatcomitien erforderliche Kommandogewalt infolge der unterlassenen Ein- holung der lex curiata fehlte1). So beschloß der Senat auf Antrag des Consuls Lentulus, jetzt, wo es keine Consuln mehr gab, dem Pompejus für das nächste Jahr an ihrer Stelle die Oberleitung zu übertragen8), wie das Cato schon vor

») Caesar cii. III 82 f. = Plut. Caes. 42. Pomp. 67. Cicero ad Att XI 6. 5 f. and an M. Marius fam. VII 8, 2 extra ducem paucosque praeter ea (de principibu8 loquor), reliquos primum in ipso beüo rapacis, de- inde in oraiione ita crudelis, ut ipsam victoriam horrerem ; maxi- mum autem aes alienum amplissimorum virorum . quid quaeris? nihil boni praeter causam.

*) Dio 41, 48. Militärisches imperium, das sie berechtigte, in die Provinzen zu gehn und dort au operieren, besaßen die Consuln nach Cicero« Angabe ad Att. VIII 14, 3 allerdings: sed tnemento, praeter Appiutn (den Censor) neminem esse fere, qui non ins habeat trans- eundi; natn aui cum imperio sunt, ut Pompeius, ut Scipio, Sufenas, Fannüts, Voconius, Sestius, ipsi consules, quibus more maiorum con- cessum est vel omnis adire provincias, out legati sunt eorum. Aber offenbar hat Cicero bei dieser Bemerkung das staatsrechtliche Bedenken, das in der Unterlassung der lex curiata lag, nicht berücksichtigt; es ist ja auch in Thessalonike erst im letzten Moment zum Bewußtsein gekommen.

■) Lucan V 1—48. d. i. Livius; v. 46 Magnum iubete esse ducem; der Senat stimmt zu et Magno fatum patriaeque suumque imposuit. Caesar civ. III 16, 4 erklarte Libo dem Caesar bei den Verhandlangen in Oricum Anfang 48, er könne nichts entscheiden, propterea quod de consüii sententia summam belli rerumque omnütm Pompeio per- miserinL Vgl. oben S. 308.

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314 r>as Principat des Pompejus

einem Jahr gefordert hatte; unter ihm führten dann die bis- herigen Beamten die Geschäfte ab Proconsuln, Propraetoren, Proquaestoren weiter1). Pompe jus erkannte nach der Ver- einigung mit Scipio, der die Legionen aus Syrien herbeiführte, im Juli 48 diesen als Oberfeldherrn und sich gleichstehend an und wahrte so deu Schein republikanischer Kollegialität"). Aber im übrigen herrschte auf beiden Seiten das tiefste Miß- trauen: die Republikaner hatten Pompe jus in dem durch- aus berechtigten Verdacht, daß er nicht für den Staat, son- dern nur für die eigene Herrschaft kämpfe'); Domitius höhnte über den neuen Agamemnon, den König der Könige4); Fa- vonius , wie er ihn im Januar 49 wegen seiner unzuläng- lichen Vorbereitungen insultiert hatte, spottete jetzt, er ziehe den Krieg in die Länge, weil er ihm die Feigen von Tus- culum nicht gönne*). Nicht minder tief war Pompejus' Miß-

') Dio 41, 43.

') Caesar cW. IH 82.

») Cicero an Marcellus IV 9, 2: Pompeju« würde es als Sieger nicht viel anders machen , als jeUt Caesar, an qui in beüo . . mw et certorum hominum minime prudentium consilio uteretur, eutn magis rommunem censemits in victoria futurum fuisse, quam incertts in rebus fuisset? Vgl schon ad Att. VHI Ii, 2 (28. Februar 49) dominaiio quaesüa ab utroque est, non id actum, beata et honesta civil as ut eit; dem von Cicero in der Schrift Ober den Staat gezeichneten Ideal habe er nie entsprochen. IX 10. 6 (18. Mars) hoc turpe (die Flucht) Qnaeus noster biennio ante cogitavit [als er M. Marcellus im Stich laßt]; ita aullaturü animus eius et proscripturit iam diu. X 7 (April) regnandi contenüo est, in qua pulsus et modestior rex et probior et integrier et is, qui nisi vincit, nomen populi Romani deleatur necesse est; sin autem vincit, Suüano more exemploque vincet. Bekannt ist Livins' treffende, Caesars Äußerung civ. I 4 (8. 306, 4) fortbildende Charakteristik, die bei Dio 41. 54, I Doturipx |4v oMtvfc« avfyüjcwv foöttpo«, Koioap U xal npÄto? ndvtuiv ttvat UtWfUt = Lacan I 125 nec quemquam iam fette polest Caesarve prior em Pompeiusve parem = Flora« II 18, 15 nec iüe fetebat parem, nee hic superiorem erhalten ist

*) Plut Pomp. 67 = App. H 67, 278.

*) Plut Pomp. 67.

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Gegensätze zwischen Pompejus und den Republikanern. Cato 315

trauen gegen seine Verbündeten, vor allem gegen ihr geistige» Oberhaupt Cato, einen der wenigen, die sioh bemühten, eine ehrenhafte Haltung der Partei zu erzwingen: er hat durchge- setzt, daß die in Tbessalonike tagende Versammlung des Senats den Beschluß faßte, keine untertänige Stadt zu plündern und außer im Gefecht keinen römischen Bürger zu töten, und hat selbst auch wirklich danach gehandelt und das un- vermeidliche Blutvergießen aufrichtig beklagt1). Auch war er keineswegs rigoros gegen die Lauen und Unentschiedenen; vielmehr tadelte er Cicero, daß er seine ursprüngliche Haltung aufgegeben habe und ins Lager des Pompe jus gekommen sei; er würde dem Vaterland und seinen Freunden viel mehr haben nützen können, wenn er seine Mittelstellung beibehalten hätte, statt daß er sich jetzt ohne hinlänglichen Anlaß Cae- sar zum Feinde gemacht habe*). Um so mehr fürchtete Pom- pe jus, Cato werde ihm nach dem Siege entgegentreten und ihn zwingen, sich den Gesetzen zu unterwerfen und seiner Gewalt zu entkleiden. Daher suchte er ihn nach Möglich" keit fernzuhalten, übertrug nicht ihm, sondern dem unfähigen Consular Bibulus das Kommando über die Flotte, und ließ ihn nach dem Sieg bei Dyrrhachium dort mit fünfzehn Kohorten zur Bewachung des Lagers und der Kriegskasse zurück3).

Diese inneren Gegensätze haben die Entscheidung herbei- geführt. Nach dem Siege von Dyrrhachium waren die Häupter der Republikaner so entrüstet über Pompejus' zögerndes Ver- halten, und verlangten so ungestüm, daß er jetzt ein Ende mache, daß er gegen seine bessere Einsicht nachgab; einzig Cato stimmte Pompejus zu, man müsse eine Schlacht vermeiden, dieser aus richtigen strategischen Erwägungen, jener um das Bürgerblut zu schonen«). Auch Afranius* Vor-

•) Plnt. Cato 58 = Pomp. 85, vgl. Cato 54 = Caes. 41. •) Plut. Cic. 88.

*) Plnt. Cato 54. 55 - Pomp. 67 (hier wird Pom pejus' Motiv mit fvtof <paoi eingeführt). *) Plut Caes. 41.

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Das Princip.it des Pompe. jus

schlag, jetzt nach Italien zu gehn, wurde verworfen; Pom- pe] us selbst wollte nicht den Anschein erwecken, als gehe er wieder, wie in Italien, Caesar aus dem Wege, und über- dies Scipios Heer, mit dem er sich damals noch nicht ver- einigt hatte, nicht einem Angriif Caesars preisgeben1). Aber indem er, gegen seine bessere Einsicht, Caesar nach Thes- salien folgte und unmittelbar an ihn heranrückte, gab er die strategische Überlegenheit , die er gewonnen hatte , frei- willig preis und kam Caesars Wünschen entgegen. Caesars Zug nach Thessalien war ein Verzweiflungsausweg gewesen ; seine Verpflegung war hier auf die Dauer äußerst schwierig, und Porapejus hätte versuchen können, ihm alle Verbin- dungen abzuschneiden und ihn dann entweder zu erdrücken oder auszuhungern. Dadurch, daß er aufs neue mit ihm in enge Fühlung trat, verlor er die Bewegungsfreiheit, die er bis dahin besaß. Eine Schlacht konnte Caesar allerdings nicht erzwingen, wenn Pompejus sie ihm nicht dadurch bot, daß er von den Höhen, auf denen er stand, in die Ebene hinabrückte; aber ebensowenig konnte Pompejus jetzt noch ohne Kampf wieder abrücken. Er hatte sich freiwillig in dieselbe Lage begeben, wie das römische Heer bei Cannae, und war wieder von Caesars Bewegungen abhangig. Als Cae- sar schon die Hoffnung aufgegeben hatte , ihn mürbe zu machen, und nach Norden in Gegenden abrücken wollte, die ihm eine bessere Verproviantierung boten, tat er, verführt durch

') Plut Pomp. 66 f. = Caes. 40 f. Appian II 65. 66 f. Karzer Dio 41, 52. Vellejus II 52. Vgl, Cicero an Marios VII 3, 2: desperans vic- toriam primum coepi modere pacem, cuius fueram Semper auetor; deinde, cum ab ea senientia Pompeius valde abhorreret, su ädere inslitui, ut bellum duceret; hoc interdum probabat et in ea senientia videbatur fore et fuisset fortasse, nisi quadam ex pugna [bei Dyrrbachinm] coepisset suis militibus confidere. ex eo tempore vir summus nullus itnperaior fuü: Signa throne et collecticio exercitu cum legionibus robustissimis contulit, Vichts turpissime amissis etiam castris sotus fugü. Das Urteil ist voll- kommen zutreffend.

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Die Schlacht bei Pharealo*

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das Drängen seiner Umgebung und Labicnus' Versicherung, daß die Veteranen Caesars bereits so gut wie bereits aufgerieben seien1), den letzten verhängnisvollen Schritt und bot die Schlacht, eine Gelegenheit, die Caesar sofort mit voller Sieges- zuversicht ergriff.

Mit der Niederlage brach die Koalition auseinander. Sobald er sah, daß die Schlicht verloren sei, verließ Pompejus das Schlachtfeld, ohne sich um die Armee und ihre Rettung weiter zu kümmern: er empfand, daß seine Rolle ausgespielt sei. Von seinen Verbündeten begleiteten ihn nur der Proconsul Lentulus Crus sowie Lentulus Spinther (Consul 57) und Favonius, der jetzt, im Gegensatz zu seinem bisherigen Verhalten, dem Ge- fallenen die größte Ehrfurcht bewies und ihn persönlich be- diente8). Auch Cato war entschlossen, ihm die Treue zu halten, und versuchte ihm von Dvrrhachium aus über Korkyra zu folgen ; als er nach Kyrenaika gelangt war, erhielt er die Kunde von Pompejus' Tode3). Da konnte er sich dem Drängen der Repu- blikaner nicht mehr entziehn, das Kommando zu übernehmen, und führte ihre Streitkräfte durch das Syrtengebiet in die afri- kanische Provinz.

Caesar aber hat auch jetzt noch an seinem leitenden Gedanken festgehalten. Nach dem Siege wandte er sich nicht gegen die Repubbkaner, sondern setzte so eilig wie möglich dem Pompe j js nach, deutlich in der Absicht, nicht ihn un- schädlich zu machen denn über irgendwelche Macht, die ihm hätte gefährlich werden können, gebot Pompejus nicht

') Caesar cif. III 86 Pompeius qitoque, ut postea cognilum est, suorum omnium horiatu statuerat proelio decertare . Weitere« Detail bei Appian 11 66 f. Plut. Pomp. 68 = Caea. 42. Labien us L'aes. III 87.

*) Plut. Pomp. 73. Velleju» II 58; Tgl. Caesar III 102, 7.

') Plut. Cato ß.S f. Lucnn IX 19 f. iüe (Cato). ubi pendebant casus dubinmque vnanebat, quem dominum mundi facerent civilia bella, oderat et Magnum, quamtis cowes isset in arma, auspieiis raptus putriue duetuque seuutus; at post Thessalicas clades iam peclore toto Pompeiunus erat.

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Dos Principat des Pompejus

mehr , sondern seiner habhaft zu werden, um durch die Wiederherstellung der Verbindung mit dem bisherigen Prin- cepa, der nun sein willenloses Werkzeug werden mußte, den Bürgerkrieg zu beenden und die Republik zu beherrschen. Diesen Plan hat die Ermordung des Pompejus durch die Aegypter vereitelt.

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Caesars Monarchie

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Caesar bei den neueren Historikern

Über die Persönlichkeit und das Werk Caesars gehn die Anschauungen weit auseinander. Niebuhr hat in seinen Vor- trägen als Grundzug seines Wesens neben der urwüchsigen, auf allen Gebieten zur unmittelbaren Wirkung gelangenden Begabung, die sieh geltend machen will, Offenheit und Herzlichkeit, das „Bedürfnis vieler Freunde" und die „Freiheit von Scheelsucht und Neid" hingestellt: „schlechterdings war er kein Intrigant, sondern er war die offenste Seele von der Welt, und gerade darum vernachlässigte er vieles: manche Gewalttätigkeit, die er beging, ist bloß Folge von früherer Unvorsichtigkeit, Hingebung und Offenheit". „Caesar war ein dämonischer Mensch, der mit reißender Leidenschaftlichkeit vorwärts ging, dabei aber immer wohlwollend und liebenswürdig"; dadurch habe er sich „in höchst unglückliche Verhältnisse verwickelt", so sei er durch seine un- geheure Verschwendung „nicht für seinen Luxus, sondern für das Volk" in Abhängigkeit von den Reichen, namentlich von Crassus geraten. Diese Charakteristik wird wohl kaum irgendwo Zustimmung finden, wie denn überhaupt Nibbuhbs Darstellung dieser ganzen Epoche, in auffallendem Kontrast zu seiner Be- handlung der älteren Zeit, einen überraschenden Mangel an politischem Urteil zeigt und über die wichtigsten Momente ganz flüchtig hinweggeht; so wird z. B. die Koalition von 59 und die herrschende Stellung, die Pompejus dadurch erhielt, über- haupt nicht erwähnt, das Abkommen von Luca nur nachträg- lich ganz beiläufig berührt. So wird man hier immer wieder an die Art erinnert, wie Herodot Geschichte erzählt: ein Erfassen der entscheidenden Triebkräfte des geschichtlichen Prozesses wird nicht versucht, die maßgebenden Faktoren, die den Zu- sammenhang der Entwicklung bestimmen, sind nirgends heraus-

Meyer, Caesars Moaarohie 21

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Caesar* Monarchie

gearbeitet. Im Mittelpunkt der Darstellung steht für Niebuhr durchweg Cicero, den er enthusiastisch verehrt und maßlos überschätzt. Caesars Ziel ist die Gewinnung einer Provinz und die Eroberung Galliens, bei der er „aus unseligem Ehrgeiz" ge- wissenlos und frevelhaft handelt. Beim Ablauf seiner Statthalter- schaft „war sein Verhältnis zur Republik so unglücklich, daß es nicht in menschlicher Macht stand, es auf eine heilbare und er- freuliche Weise zu ändern". Er konnte sich in den bevorstehenden Rücktritt in einfache bürgerliche Verhältnisse noch weniger finden, wie seinerzeit Scipio. »»Alles, was er auf gesetzlichem Wege hätte erreichen können, war ein zweites Consulat, was aber unter den damaligen Verhältnissen nichts als eine bloße Ehre war, denn was hätte er mit sich und der Republik anfangen sollen?" Nach seinem Siege „blieben für Caesar eigentlich weder in Italien noch in den Provinzen Einrichtungen zu machen übrig; seit fünfzehn Jahren an die ungeheuerste Tätigkeit gewöhnt, war er wie in einem Zustand von Müßiggang, wenn er sich nicht nach außen wenden konnte"; so plante er den Feldzug gegen die Parther und die Geten. „Auch für den Augenblick unter- nahm er manches, so wild, daß man kaum begreift, wie er es während der fünf Monate, die er noch lebte, hat vollenden können." „Es ist aber besonders merkwürdig, daß bei allen seinen Maßregeln keine Spur sich findet, daß er daran dachte, die Verfassung auf irgend eine Weise zu modifizieren und der Anarchie ein Ende zu machen, denn alle seine Anordnungen sind doch im Grunde unwesentlich . . . Caesar scheint es sich gar- nicht gedacht zu haben, wie er da abhelfen wollte."

Ein weit tiefergreifendes politisches Verständnis zeigt Heeren in seinem vortrefflichen und noch durch kein andres ersetzten Handbuch der Geschichte der Staaten des Altertums (2. Aufl. 1810), in dem die entscheidenden Momente der Entwicklung zum großen Teil bereits richtig herausgehoben sind. Über Caesar urteilt er: „So gewiß es ist, daß Caesar nicht wie Sulla die Republik unterjochte, um sie wiederherzustellen, so unmög- lich ist es, zu bestimmen, was die letzten Entwürfe des kinder- losen Usurpators waren, der in seiner ganzen Laufbahn bis zu

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Caesar bei Niebahr, Heeren, Drumanu

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dem letztem Ziel durch kein anderes Motiv als durch eine Herrsch- sucht, die unmittelbar aus dem Gefühl seiner überlegenen Kräfte entsprang und sich jedes Mittel zu ihrer Befriedigung erlaubte, geleitet und getrieben zu sein scheint . . . Allein sein Versuch, das Diadem zu erhalten, scheint es doch außer Zweifel zu setzen, daß er eine förmliche Monarchie einführen wollte." „Noch fehlt es an einer würdigen Biographie des Mannes, der in den neueren Zeiten eben so übermäßig gepriesen, als Alexander herabgesetzt worden ist. Als Feldherrn und Eroberer waren beide gleich groß und klein; als Mensch ragt in seiner besseren Zeit, die Caesar nie hatte, der Mazedonier hervor; von den großen poli- tischen Ideen, die sich bei Alexander entwickelten, kennen wir bei Caesar kerne, der wie kein andrer die Herrschaft zu erringen, aber weniger sie zu befestigen verstand."

Für Dbumakn sind Ehrgeiz („Ruhmsucht") und Herrschsucht die entscheidenden Triebfedern Caesars, die ihn den Plan eines Umsturzes der Republik fassen lassen, den er von Anfang an systematisch verfolgt1). So hat er auch den Bürgerkrieg bewußt erstrebt und herbeigeführt; sein Endziel war die Aufrichtung der absoluten Monarchie, das Mittel die Beschaffung von Heer und Geld. Auch der Bund mit Potupejus und Crassus war ihm nur ein Mittel, durch das er sie seinen Zwecken dienstbar inachte, wahrend jene „nur Wünsche, aber keinen Plan für das Leben hatten", ebenso die Eroberung Galliens, die er als Vorbereitung für den Bürgerkrieg und die Erreichung der Alleinherrschaft unternahm. Als er diese gewonnen hat und seine „Ruhmsucht und sein Ehrgeiz befriedigt waren, konnte das Große und Edle, das Unvergleichliche in ihm, durch jene Leidenschaften bisher verdunkelt und gehemmt, in vollem Glänze sich entwickeln", bis er jäh mitten aus der großartigsten Tätigkeit herausgerissen wurde.

') Schon unter Sulla im Jahre 82 (III1 128): .Seinem Scharfblick entging es nicht, daß die Republik sich überlebt hatte; er beschloß eine Partei durch die andere zu stürzen, um dann über beide zu ge- bieten. Diesen Plan entwarf er schon jetzt, und folgerecht führte er ihn auch aus; jede Seite seiner Geschichte bezeugt es/

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Caesars Monarchie

Diese so weit auseinandergehenden Auffassungen, denen sich leicht weitere Belege aus allen Literaturen1) anreihen ließen, genügen «um Erweise, wie wenig der Satz Mommsens den Tat- sachen entspricht, eine Persönlichkeit wie Caesar könne „wohl flacher oder tiefer, aber nicht eigentlich verschieden aufgefaßt werden ; jedem nicht ganz verkehrten Forscher ist das hohe Bild mit denselben wesentlichen Zügen erschienen, und doch ist das- selbe anschaulich wiederzugeben noch keinem gelungen".

Einen gewaltigen Fortschritt bezeichnet dann Momusens Römische Geschichte. Er ist der erste, und ist im Grunde der einzige geblieben, der eine lebendige und farbenprächtige Ge- schichte der Revolutionszeit wirklich als politischer Historiker geschrieben hat, der die Zersetzung der Republik und die Heraus- bildung der neuen Staatsgestaltung innerlich zu begreifen und anschaulich zu machen versucht, der daher den wirksamen Kräften überall nachgeht, sie im einzelnen herauszuarbeiten und klarzulegen unternimmt und so in das Chaos Ordnung bringt. Die Einwirkung seiner Darstellung ist unermeßlich: alle Nach folgenden, auch wenn sie ihn energisch bekämpfen und sich dagegen sträuben, sind doch durchweg von ihm abhängig, seine Periodisierung, die von ihm geschaffenen Termini und Schlag Wörter sind, vielfach halb unbewußt, von ihnen übernommen und dauernder Besitz der Geschichtswissenschaft ee worden.

Aber so fördernd das geniale Werk gewirkt hat, so wenig sind die Gebrechen zu verkennen, die ihm als Geschichtswerk anhaften. Wie überall, so steht Mojimsen auch hier unter der Herrschaft einer politischen Tendenz, die nicht aus seinem Gegen- stande, sondern aus der Gegenwart des Schriftstellers, aus den politischen Kämpfen seiner eigenen Zeit erwachsen ist: es ist vielleicht die bedeutendste Manifestation, welche der radikale Liberalismus von 1848 in der großen Literatur gefunden hat. Neben der scharfen Betonung der nationalen Idee, welche ihn zu der völlig verkehrten Auffassung geführt hat, die Unter- werfung Italiens durch Rom und die Aufrichtung des italischen

') Ober Shakespeare «. unten.

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MommeenB Auffassung Caetera 325

Bundes sei die Herstellung einer latent bereits vorhandenen Nationalität, eine „Einigung Italiens", und die dann, in charakte- ristischem Umschlag der Idee, zu der Verherrlichung der Welt- eroberung und im fünften Bande zur Forderung einer fort- schreitenden Expansion ins Unbegrenzte, gegen Parther, Ger- manen, Britannen, geführt hat, steht als dominierendes Moment der Haß gegen das „Junkertum", mit andern Worten : gegen die geschichtliche Gestaltung des preußischen Staats, wie sie sich in der Reaktionszeit aufs neue, die entgegenstehenden Tendenzen gewaltsam niederhaltend, durchsetzte, ein Haß, der Momksens ganzes Empfinden und Handeln beherrschte und, nach den Kämpfen gegen Bismarck, kurz vor seinem Lebensende noch einmal gewaltsam hervorbrach; daß die Entwicklung so ganz andre Wege gegangen ist, hat in sein Denken und sein Leben ein stark hervortretendes Moment der Tragik eingefügt. Der Haß gegen das Junkertum setzt sich um in der älteren Ge- schichte Roms in Haß gegen die Patrioier, in der Revolutions- zeit in Haß gegen den Senat und die Optimaten1). Die Ver- kommenheit und staatsmännische Impotenz dieser Elemente wird in drastischen Farben geschildert, ihre Gegner dagegen, auch wenn sie eben so korrupt sind wie jene und die größten Verbrechen begehn, mit Sympathie behandelt und entschuldigt, die Ideale der römischen Demokratie verherrlicht, die Verfechter der großen Traditionen der aristokratischen Republik mit gering- schätziger Ironie geschildert. Diese Darstellung gipfelt dann in der Darstellung Caesars. Er ist der vollendete Staatsmann, in einem Maße, wie ihn die Geschichte nie wieder hervorgebracht hat. Sein Ziel ist die Wiederherstellung des uralten Königtums und durch dasselbe die Regeneration des römischen Volkes und

') Diese Tendenz Mommstns hat auch sein Staatsrecht vielfach ver- hängnisvoll beeinflußt. Seine Schrift »Die Rechtsfrage zwischen Caesar und dem Senat" (1857, Ges. Sehr. IV 92 ff.) ist ein glänzendes Ad- vokatenplädoyer für Caesar, aber eben so parteiisch and sachlich un- haltbar wie so manche Heden des Cicero oder Demosthenes. Die Kon- struktion Ober den Beginn des Imperienjahrs am 1. Marz, auf die sie aufgebaut ist, hat er selbst später stillschweigend fallen lassen.

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Caesars Monarchie

die Durchführung der großen, diesem von der Geschichte ge- stellten Aufgaben; zugleich ist er von Jugend auf erfüllt von den Idealen der Demokratie und hat an ihnen festgehalten als Demagoge und Verschwörer, als erobernder Feldherr, als un- umschränkter Monarch; so bedürfen seine Handlungen, mögen sie dem populären Urteil auch noch so bedeuklich erscheinen, kaum je der Entschuldigung, ja nicht einmal der Rechtfertigung : es versteht sich von selbst, daß er dem Gegner gegenüber, sei es im Innern der Rivale oder der bestehende 8taat, sei es der äußere Feind, immer im Rechte ist.

So ist Mo Müsen, der liberale Doktrinär und Märtyrer von 1848, der jahrzehntelang Bismarck bekämpft und in seinen großen Schöpfungen, in der inneren, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Regeneration des deutschen Volkes immer nur kleinliche Motive, Korruption und systematische Vergiftung des deutschen Volkscharakters zu sehn vermochte, der Verherrlicher der schrankenlosesten absoluten Gewalt geworden, die nach dem von ihm verherrlichten Ideal den Namen des Caesarismus er- halten hat. Caesars Wirken und sein Staatsbau ist das croß- artigste und genialste Werk, welches die Weltgeschichte kennt: „so wirkte und schaffte er", schließt das Kapitel über die alte Republik und die neue Monarchie, „wie nie ein Sterblicher vor ihm und nach ihm, und als Wirkender und Schaffender lebt er noch nach Jahrtausenden im Gedächtnis der Nationen, der erste und doch auch der einzige Imperator Caesar".

WTie man nun auch sonst über diese Auffassung denken mag und sie ist im einzelnen wie im ganzen in der wissenschaft- lichen Diskussion der nächsten Jahrzehnte von den verschieden- sten Seiten her angegriffen und mit mehr oder weniger Erfolg bekämpft worden1) , offenkundig ist, daß sie an zwei fanda-

') Eine Aufzahlung und Kritik dieser verschiedenen, teils an Mommskn anschließenden, teils ihn bekämpfenden Auffassungen des Problems, von denen ich nur die Arbeiten von Nissen, Ihnt, 0. E. Schmidt, v. Miss, die Bearbeitung der Feldsflge durch Venn, und die nüchterne Material - Sammlung Längs« nenne, um von Napoleons HI. Caesar ^anr. zu schweigen erscheint an dieser 8telle und für unsere Zwecke nicht erforderlich.

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Kritik der Monimaenncben Auffassung

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mentalen Gebrechen leidet, Einmal hat Mommsen, als er die Römische Geschichte schrieb, das Principat des Auguatus noch nicht gekannt und gewürdigt das Verständnis desselben, dae er uns alsdann erschlossen hat, ist vielleicht die großartigste seiner Leistungen und daher erscheint ihm Caesars Staats- bau als die Grundlage des Kaisertums, seine Herrschaft gegen alle Geschichte nicht als eine mit seiner Ermordung zusammen- brechende Episode in dem Ringen um die neue Staatsgestaltung, sondern als der Abschluß der bisherigen Entwicklung und das Ende der römischen Republik1). Das hat ihn zugleich gehindert, die Bedeutung des Pompejus und seiner Ziele richtig zu erfassen, und ihn zu einer völlig verkehrten, seitdem unzählige Male nach- gesprochenen, Beurteilung der Ermordung Caesars und der neuen republikanischen Erhebung geführt. Sodann aber hat er Caesar nioht nur als eine Idealgestalt, ja als „das Vollkommene" schlecht- hin geschildert, sondern ihn geradezu in eine übermenschliche Sphäre gerückt. Von Anfang an steht sein Ziel ihm klar vor Augen*), und unentwegt hat er es dreißig Jahre lang verfolgt, wenn er auch, durch die Erfahrung belehrt, die Wege wechselt und die Eroberung Galliens ihm aus einem Mittel wieder zum Selbstzweck wird; um sie durchzuführen, hat er, gegen seine eigenen Interessen, dem Pompejus im Jahre 66 auf der Konferenz von Luca eine der seinen gleichartige Stellung verschafft und damit, wenn man ihn lediglich vom Standpunkte der inneren Politik aus betrachtet, „einen argen politischen Fehler" begangen : „allein der Ehrgeiz des seltenen Mannes beschränkte sich nicht auf das niedrige Ziel der Krone". Aber sein Hauptziel, die Ge- winnung der unumschränkten Alleinherrschaft und den Neu-

Durchans ablehnend gegen Möhnsen verhalt sich auch K. W. Nrascn in seinen als „Geschichte der römischen Republik" veröffentlichten Vor- tragen, die eine sachlich weit zutreffendere Auffassung vertreten.

') Eben darin Hegt, weit mehr als in äußeren Momenten, der ent- scheidende Grund, weshalb er sein Werk nicht fortgeführt und den vierten Band nie geschrieben hat: von seinem Caesar fahrt su Augustus kein Weg.

*) Mommsen schließt sich auch darin an Dunum an, nur daß er dieses Ziel ganz anders beurteilt.

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328 Ca«are Monarchie

L»au des Staats auf Grund der demokratischen Ideale, hat er darüber nie ans den Augen verloren, und als die Zeit gekommen war, den Bürgerkrieg bewußt herbeigeführt; und völlig klar stehn ihm seit langem nicht nur die Grundzüge, sondern selbst die Einzelheiten dieses Neubaus vor Augen.

Eine derartige Konstruktion widerspricht den Grundbedin- gungen des menschlichen Daseins und der historischen Wirk- samkeit und erschließt nicht das Verständnis, sondern versperrt es: es ist, als ob man dem Major und Brigadegeneral Buonaparte, dem Genossen der Robespierres, bereits den Gedanken der Auf- richtung des Kaiserreichs ab Verwirklichung der demokratischen Ideale der Revolution und womöglich gar der Verfassung vou 1815, dem Abgeordneten Bismarck ein auch nur in den Grund- linien faßbares Bild der Wege, die zur Gründung des Deutschen Reichs geführt haben, oder seiner großen wirtschaftlichen und sozialen Gesetzgebung zuschreiben wollte » obwohl natürlich die Gedanken, die dahin geführt haben , auch damals schon in ihrer Seele lagen und, wo der Anlaß sich bot, blitzartig aufleuchten konnteu. . In noch weit höherem Muße als diese ist Caesar in seiner Wirksamkeit von den gegebenen, fortwährend wechselnden Be- dingungen des Moments bestimmt; diese richtig zu erfassen, von den Möglichkeiten, die sie umschließen, die höchste er- reichbare mit sicherem Blick zu ergreifen und festzuhalten und dann, wenn er Herr der Situation geworden ist, die so gegebene Freiheit zu schöpferischem Neubau zu benutzen, dabei trotz aller tiefgreifenden Umgestaltung doch nie die Schranken über- schreitend, welche auch dem stärksten Willen unüberwindbar gesetzt sind darin besteht die Tätigkeit des wahren Staats- manns. Ein Mensch dagegen, wie Mommsens Caesar, hat über- haupt niemals existiert: darauf, und nicht, wie Mommsen glaubt, auf der idealen Vollendung seiner Erscheinung beruht es, daß im Gegensatz zu den lebensvollen Porträts, welche er sonst so vielfach gezeichnet hat, sein Caesar ein Schemen ohne Fleisch und Blut geblieben ist.

Ich füge hier noch einige Bemerkungen über Ferreros Grandezza e Decadenza di Roma (1904 ff.) ein ; in der vorigen

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Auflage hatte ich dies Werk nicht berücksichtigt, da es trotz glänzender Darstellung doch im wesentlichen den Charakter einer dilettantischen, von einem gewandten Pamphletisten ver- faßten Arbeit tragt. Allerdings hat sich der Verfasser in das Quellenmaterial der Ciceronischen und Augusteischen Zeit in anerkennenswerter Weise hineingearbeitet, und sich bemüht, sowohl die wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen der großen Krisis, wie, im Gegensatz zu Mommsen und so vielen anderen, die standige Wechselwirkung zwischen innerer und äußerer Politik darzulegen. Diese Darstellung enthält zwar viele neue und blendende Apercus, aber doch nur wenig, was einer Prüfung standhält. So wird auch das Bild, das er von Caesar und seiner Politik entwirft, kaum irgendwie Zustimmung finden können. Die Reaktion gegen die Auffassung, die Caesar von Anfang an eine klare Anschauung des schließlich von ihm erreichten End- ziels und ein bewußtes Streben nach demselben zuschreibt, schlägt bei Ferrero in das Gegenteil um: Caesar ist ihm kein Staatsmann, sondern ein genialer Abenteurer, der die kühnsten Pläne faßt, aber fast regelmäßig fehlgreift, ein Spielball der Ereignisse, dem dann doch, teils durch die Gunst der Umstände, teils durch seine rasche Entschlußkraft, schließlich, nach fortwährenden Miß- erfolgen, der Sieg zufällt. In seinen Plänen schwankt er ständig: im Grunde ist er, wie bei Niebuhr, eine harmlose Natur, mit vielseitigen geistigen Interessen, aber in seiner Laufbahn kommt er nur langsam vorwärts. Ferrero verkennt ganz, daß er nach der bestehenden Verfassung garnicht früher in die höheren Ämter und zu einer führenden Stellung gelangen konnte ; zu Anfang ist sein Ziel eine Versöhnung zwischen Aristokratie und Demokratie nach den Lehren des Aristoteles, durch die Schulden, die er machen muß (über die Ferrero die Angaben der Überlieferung möglichst zu reduzieren sucht, ebenso wie die über seine Liebschaften), wird er gezwungen, sich mit Crassus zu verbinden, während er gleichzeitig die „Freundschaft" mit Pompejus aufrecht erhalten will, und wird so in die Laufbahn des Demagogen gedrängt. Als Consul versucht er eine Neu- schaffung einer gemäßigten Demokratie nach dem Vorbild des

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Caeaiics Monarchie

Perikles, wird dann aber durch die Opposition der Konservativen und den Zwang der Verhältnisse zu der Machtpolitik und der Eroberung Galliens gedrängt, um sich das verscherzte Ansehn bei den oberen Klassen wiederzugewinnen; an Ciceros Ver- bannung und Catos Entfernung ist er unschuldig. Mit Recht ist auch Ferrero der Ansicht, daß er den Bürgerkrieg zu ver- meiden gesucht hat und seine Anerbietungen ernst gemeint waren ; aber auch hier begeht Caesar Fehler auf Fehler. Nach dem Siege ist seine Stellung nicht stark, sondern schwach, er hat es im Grunde mit allen verdorben, zu einem Wiederaufbau des Staat* ist er unfähig. 8eine organisatorischen Maßnahmen sind daher im Grunde bedeutungslos und werden nur ganz flüchtig behandelt; der einsige Gedanke, der ihn beseelt, ist die Eroberung Persiens, dadurch hofft er, freilich völlig phantastisch, eine gesicherte Stellung gewinnen und eine neue Zeit herbeiführen zu können.

Man wird das geistvolle Buch mit Interesse lesen; aber als ein geschichtlich zutreffendes Bild der Zeit und des Mannes vermag ich es nicht anzuerkennen.

Persönlichkeit und Ziele Caesars

Um Caesars Laufbahn und Persönlichkeit richtig zu be- urteilen, ist vor allem scharf im Auge zu behalten, daß zu seiner Zeit eine legitime, von der Gesamtheit des römischen Volks anerkannte Verfassung überhaupt nicht mehr existierte. Aller- dings war die Herrschaft des Senats von Sulla wieder aufgerichtet, aber in Strömen von Blut; und sie bestand nur durch Gewalt. Zahlreiche Römer, nicht nur ehrgeizige Streber, sondern oft ge- rade ehrliche Männer, die sich wirklich von ihrer Oberzeuguniz leiten ließen, bestritten der wiederhergestellten Staatsordnung jedes Recht und schauten auf Sulla und sein Werk mit in- grimmigem Haß Gesinnungen, wie sie uns in der Rhetorik an Herennius, und in der folgenden Generation in Sallusts Schriften lebendig entgegentreten1). Diese Gesinnung konnte

') Auch bei Cicero wirken diese Empfindungen noch in der Zeit, als er «eine demokratischen Neigungen langst abgestreift hat, in der

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Charakter der Revolutionszeit

durch das Mißregiment des folgenden Jahrzehnts nur noch ge- steigert werden, ein Mißregiment, das weniger auf der Unfähigkeit der führenden Aristokraten beruht denn unter ihnen waren nicht wenige hervorragend tüchtige Männer, wie Catulus, die beiden Lucullua, auch Metellus Pius , als in dem Wesen des aristokratischen Regiments, das, lediglich auf dem Stadtstaat basiert, den Aufgaben des Weltregiments in keiner Weise ge- wachsen war. Entscheidend war vor allem die Überlastung des Senats mit zahllosen Geschäften (darunter auch seinem Anteil an der Rechtsprechung, die fortdauernd zahlreiche Senatoren in Anspruch nahm), und die Unmöglichkeit, daß die republi- kanischen Beamten sich in der kurzen Frist eines Jahres, während deren sie sich in die ihnen zugewiesene Tätigkeit einarbeiten sollten, von seltenen Ausnahmen abgesehn1), mehr als eine ober- flächliche Kenntnis ihres Ressorts erwerben und eine nachhaltige Wirkung ausüben konnten, und daß die jährlich wechselnden» von der Wiederwahl ausgeschlossenen Consuln wirklich die zielbewußte Leitung der äußeren und inneren Politik Über-

bewundernden Verehrung nach, mit der er von Marius und Sulpicius redet, Sie wurzeln in den Traditionen seiner Familie, die ihn mit seinen Sympathien und Interessen auf die Seite der Ritterschaft *ien. mit der er die Verbindung immer festgehalten hat, und in der Landsmannschaft mit Marius; das Gegengewicht bildeten die Be- ziehungen, in die der junge Mann mit den Scaevolas, Crassus, Antonius und anderen Koryphäen der Nobilität getreten war.

') Kine solche Ausnahme bildet Cato« Verwaltung der Quaestur, die bei Plutarch in den sehr lehrreichen Kapiteln 16 ff. eingehend ge- schildert wird. Kr hat sich denn auch nachher noch dauernd um diesen Zweig der Verwaltung gekümmert (c. 18 fin.). In der Regel dagegen waren die Quaestoren willenlose Werkzeuge in den Händen der Sub- alternen und Bürobeainfen; tAv jntjpetÄv xai Ypajijiatsoiv, ot 8td X"P&< ti iTfiL&Tja. Ypdfittatu xal w!>* v6;wj; ixovtt;. ett» vtot>; äpyovtac RapaXau.ßavov- «5 8t' dtruptiv xal «5f'/otav ateyvJ>; oi8a3xd).o»v itspiuv xal Kai&arurf&v foouivoot o'jy 'j^Uvto tv)( ft£ot>stac «utvot;, ak'ka y4oav &pyovtt< aötot. Unsere Bfirokratie bietet ja dazu zahlreiche Parallelen, vor allem im Bereich der Militärverwaltung, wo diese Gebrechen im Kriege ganz verhängnis- voll gewirkt haben, aber auch sonst oft genug, und zwar nicht nur bei befristeten Wahlämtern, bei denen sie fast unvermeidlich sind.

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nehmen und etwa gar, wenn ihnen nicht wie den beiden Luoollus oder Caesar eine hervorragende militärische Begabung angeboren war, einen schweren Krieg erfolgreich führen konnten. Eben darum eröffnete sich den Intriganten schlimmster Sorte und dem Ehrgeiz der Individuen und damit einem wüsten Koterietreiben, das alle gesunden Bestrebungen überwucherte, aufs neue der weiteste Spielraum.

Aber zur Bildung einer wirklichen Opposition, zur Wieder- aufnahme des Versuchs der Gracchen, das Senatsregiment durch eine Demokratie nach athenischem Muster au ersetzen, haben diese Stimmungen nicht geführt. Der Popularpartei war durch Sulla das Rückgrat gebrochen; den Kapitalisten der Ritterschaft, die damals und dann nochmals unter Marius und China den Ver- such gemacht hatten, unter dem Namen der Demokratie die Regierung au übernehmen, waren alle politischen Gelüste gründ- lich ausgetrieben, und sie beschränkten sich fortan darauf, ihren materiellen Interessen nachzugehn. Dem dritten Stande aber und vor allem dem Proletariat, das, durch Gaius Gracchus vor- übergehend mit den Kapitalisten verkoppelt, unter Saturninus' Führung in erbittertem Kampf mit diesen nach der Herrschaft gestrebt hatte, fehlte, so stark es durch Sullas Blaßregeln, vor allem in Etrurien, angewachsen war, alle Kraft zu einer erfolg- reichen politischen Aktion: in der Erhebung des Lepidus und Marcus Brutus im Jahre 77 war seine Ohnmacht deutlich zutage getreten, gegen die von ihm drohenden Gefahren scharten sich alle Besitzenden um den Senat und die bestehende Regierung. Der Versuch des Sertorius endlich, von Spanien aus in offenem Kriege den Senat zu stürzen und die Demokratie wieder aufzu- richten, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, so ernst- liche Schwierigkeiten er der Regierung bereitet hat; die Basis, von der er ausging, war viel zu klein, um den Sieg erringen zu können.

So blieb als ernsthafter Gegner des Senats nur die Einzel - persönlichkeit und das Ringen um den beherrschenden Einfluß im Staat. Seit Pompe jus und Crassus im Jahre 70 das demo- kratische Programm aeeeptiert und die Grundlagen der sulla-

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Charakter der Revolutionszeit

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nischen Verfassung umgestoßen hatten, ist diesem Treiben vollends Tor und Tür geöffnet und in der Hauptstadt die Anarchie in Permanenz erklärt. Aber Mommsens Formulierung, daß damit die Demokratie ans Regiment gekommen sei, ist eine völlig irreführende Formulierung der fortan bestehenden Lage1). Vielmehr ist der Senat nach wie vor der offizielle Regent des römischen Staats; aber er muß sich jeden von den machtigen Männern und ihrem Anhang auagehenden Eingriff gefallen lassen, und ist viel zu schwach, um das Treiben der von ihnen geförderten anarchistischen Streber niederzuhalten. Nur wenn diese Be- strebungen über die Agitationen und Tumulte in der Hauptstadt hinausgreifen und wirklich einen Umsturz durch offene Schild- erhebung versuchen, wie unter Catilina, gelingt es ihm, ihrer, sogar ohne große Mühe, Herr zu werden, da alsdann die be- sitzenden Klassen momentan ihre Opposition aufgeben und sich ihm zur Verfügung stellen; sobald aber die augenblickliche Ge- fahr beseitigt ist, beginnt das wüste Treiben von neuem.

In diesen Verhältnissen ist Caesar emporgekommen. Auch er lebte von Jugend auf*) in den Anschauungen der Demokratie, mit denen er durch seines Vaters Schwester Julia, die Gemahlin des Marius, imd dann durch seine eigene Gemahlin Cornelia, die Tochter Chinas, die er wahrscheinlich im Jahre 84, kurz vor dessen Ermordung, heimführte2), aufs engste verbunden war. Mit Mühe entging er, mehr noch dank einflußreichen Protektoren als durch seine Jugend, den Proskriptionen Sullas, obwohl er sich geweigert hatte, der Cornelia den Scheidebrief zu schicken. Dem demokratischen Programm ist er auch in der Folgezeit treu geblieben, und wir haben keinen Grund zu der Annahme, da Ii es für ihn nichts als Phrase gewesen sei. Aber das Entscheidende war, daß er nicht nur die Henker seiner Verwandten und Ge-

') Bei Mommseh spielt, wie oft hervorgehoben ist, .die Demokratie* in der Darstellung dieser Zeit, in den Jahren 70—60, eine große, in den Tatsachen in keiner Weise begründete Rolle, am alsdann, sobald Caesar aur Macht gelangt, in der Versenkung su verschwinden.

*) Ober Caesars Geburtsjahr s. oben 3. 59, 2.

*) Zum Datum vgl. Groebi bei Drümawk III ' 684, 8.

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Caesar* Monarchie

sinnungsgenoasen haßte, sondern die Unfähigkeit der Optimaten und des Senateregiments vollkommen durchschaute und sie da* her gründlich verachtete: dieses Gefühl beherrscht seine ganze Laufbahn von seinem ersten selbständigen Auftreten in der Politik bis zum Schluß, und hat nicht wenig zur Herbeiführung der Endkatastrophe beigetragen. Die Scheinlegitimität, die den Senat umgab, war ihm lediglich ein Trugbild, das seine Augen nicht blendete; und die Jahrhunderte alten Traditionen der Republik, die Pompejus so gut wie nachher Augustus immer geachtet hat, weil sie ihre ideelle Kraft empfanden, konnten Caesar, da sie morsch geworden waren, nioht mehr imponieren, wenn er sie auch, wo es ihm paßte, wie bei dem Eintreten für die Heiligkeit der tribunioischen Gewalt, als Aushängeschild für die Gängelung der Massen benutzte.

So war auoh für ihn die Bahn frei für die rücksichtslose Ent- faltung seines persönlichen Ehrgeizes, und nur um so freier, da er den Dingen offen und ohne jedes Vorurteil ins Gesicht sah ; irgend ein Gesetz, das ihn binden und ihm Schranken setzen könnte, gab es für ihn nicht. Eben darum trat er als Verkünder der demokratischen Grundsätze auf: wer für sich Raum ge- winnen wollte, machte naturgemäß Opposition. In dieser Be- ziehung erinnert er an die englischen Staatemänner des achtzehnten und auch noch des neunzehnten Jahrhunderts, denen gleichfalls der Glaube an die Grundsatze, die sie in tönenden Worten verkündigen, nicht ganz abgestritten werden kann, bei denen aber durchaus die Hauptsache ist, daß sie dadurch im Ringen der Parteien zur Macht zu gelangen und diese dann rücksichtslos auszunutzen streben, unbekümmert darum, ob sie im Besitz der Herrschaft ihrem Programm ins Gesicht schlagen. Indessen Caesars Ehrgeiz war nicht, wie der so vieler anderen, damit befriedigt, daß er sich einen geachteten Platz in den Reihen der Nobilität eroberte und dann im Genuß der gewonnenen Stellung ausruhte; für ihn war jeder Erfolg nur die Vorstufe zu neuen und höheren Zielen. Wie weit ihn das führen könne, vermochte er so wenig zu sagen wie irgend ein andrer, auch wenn er einmal davon träumen mochte, daß er*

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Caesars persönliche Auffassung

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ein neuer Alexander werden könne1): das mußte dem Moment und den Fügungen der Tyche überlassen bleiben.

Aber wenn Caesar das demokratische Programm zu benutzen und die Menge damit zu ködern verstand, so war er in Wirklich- keit nichts weniger als ein Bewunderer der Volksherrschaft, die er vielmehr als Monarch geringschätzig beiseite schob, sondern ein Aristokrat durch und durch. So wenig seine Familie, trotz des Patriciats, bisher irgendwelche Rolle gespielt hatte keiner seiner Vorfahren hatte es bis zum Consulat gebracht1) , so stolz war er auf seinen Adel, auf die Abstammung von Aeneas und Venus: „Meine Tante Julia", sagte er im Jahre 68 in der Leichenrede, die er auf sie hielt, „stammt von Mutterseite von den Königen, von seiten des Vaters von den unsterblichen Göttern ab. Denn von Ancus Marcius stammen die Marcier, das Geschlecht ihrer Mutter; von Venus die Julier, zu denen unsere Familie gehört. So ist in unserem Geschlecht die Unverletzlichkeit (sanctitas) der Könige, die unter den Menschen das größte An- sehn haben, verbunden mit der Ehrfurcht (caeremonia) vor den Göttern, in deren Gewalt die Könige selbst sind"3). Das ist der echte Caesar, der hier zu Worte kommt. In dem Streben nach

') Die Tradition versetzt den Seufzer, daß er in einem Alter, wo Alezander bereite die Welt erobert hatte, noch nichts geleistet habe, in seine Quaestur 68 nach Gades, wo er im Herculestempel eine Statue Alezanders sieht: Sueton 7. Dio 87, 52, 2; bei Plutarch Caes. 11 wird die Szene, der die bekannte Äußerung im Alpendorf vorangeht, in die Statthalterschaft 61 verlegt und dnreh die Lektüre der Geschichte Alex- anders hervorgerufen. Ihre Authentizität steht dahin, aber die Ge- danken Caesars gibt sie richtig wieder. Angeschlossen ist ein Traum, er habe seiner Mutter beigewohnt (Sueton 7. Dio 41, 24, 2). was, wie schon bei Hippias (Herod. VI 107), auf die Gewinnung der Herrschaft ge- deutet wird. Bei Plutarch Caes. 32 wird dieser Traum erst in den Aus- bruch des Bürgerkriegs versetzt.

*) Die Consuln Sextus Caesar 157, sein Enkel Lucius. Caesar 90, Censor 89, dessen gleichnamiger Sohn Consul 65 gehören der älteren, keineswegs demokratisch gesinnten Linie der Familie an. Genauer kennen wir den Stammbaum nicht, der von Dri'hanh III * 114 gegebene ist ganz problematisch.

*) 8ueton 6.

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336 Caesars Monarchie

dominierendem Einfluß sieht er sein angeborenes Recht, in den Rivalen, die ihm den Weg versperren, in echt aristokratischer Auffassung seine persönlichen Feinde es ist keineswegs nur stilistische, auf den Effekt berechnete Phrase, wenn er dieses Moment, die Intrigen seiner Feinde (inimiri), die seine berech- tigten Ansprüche nicht gelten lassen wollen, als Ursache des Bürgerkriegs so scharf betont1). Wie die Adelsgeschlechter in Rom, so stehn die Römer in der Völkerwelt; ihr Anspruch auf Herrschaft ist selbstverständlich, jeder Widerstand Verschwörung und Rebellion; und wenn er für seine Landsleute Sympathie hat und sie zu schonen sucht, auch wenn sie gegen ihn die Waffen getragen haben, so ist gegen die Ausländer jedes Mittel erlaubt, wie sein Auftreten in Gallien durchweg und in ärgster Weise sein Verfahren gegen die Usipeter und Tenkterer beweist.

Die Rechtfertigung seines Auftretens, vor allem geschichtlich, aber auch sittlich, soweit solchen Gestalten gegenüber überhaupt, zumal inmitten einer permanenten Revolution, von sittlichen Gesichtspunkten die Rede sein kann, liegt in dem Bewußtsein semer Kraft, in dem Gefühl, Großes leisten und schaffen zu können, weit mehr als irgend einer der andern, welche sich nur zu oft ohne jeden inneren Beruf an die Aufgaben des Staats herandrängen. Caesar dagegen ist, das hat Mommskn mit vollem Recht scharf betont, der geborene Staatsmann, und staats- männische Gesichtspunkte beherrschen all sein Tun, wenn er auch daneben noch Zeit behielt für zahllose Liebesabenteuer und für manche ernste und heitere literarische Arbeit, Gedichte und Tragödien sowie eine Sammlung geistvoller und witaiger Aussprüche, so gut wie eine Schrift über Sternkunde und das Werk de analogia über den korrekten lateinschen Sprach-

>) I 8, 4. 4, 4 (oben S. 806, 4). 9, 2. 82, 2 ff. Ebenso an Oppins and Baibus bei Cic. ad Att. IX 7 o (oben S. 806, 4). Hierher gehört auch, daß er bell. Gall. I 12, 7 bemerkt, durch die sive casu sive deorum im- morialium consüio (!) herbeigeführte Bestrafung der Tigoriner für die Niederlage des L. Cassius im Jahre 107 Caesar non solum publica», sed etiam privatas iniurias ultus est, da damals auch der üroßvator seines Schwiegervaters L. Piso gefallen sei.

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Cuosars Individualität

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gebrauch. Eine vollkräftige, kerngesunde Natur war er keines- wegs, trotz oder vielleicht infolge seiner überschäumenden Lebens- lust. Er litt, wie bekannt, an der Epilepsie1), und Catull, der ihn im Hause seines Vaters in Verona verkehren sah, bezeichnet ihn im Jahre 54 als Krankheitsanfällcn ausgesetzt2). Aber mit gewaltiger Willensenergie warf er, der Lebemann aus dem wüsten Treiben der Hauptstadt, dem nach seiner äußeren Erscheinung und seinem stutzerhaften Auftreten selbst ein so scharfer Beob- achter wie Cicero seine verwegenen Umsturzpläne kaum zutrauen mochte3), dies ganze Treiben weg, sobald ernsthafte Aufgaben an ihn herantraten, und zwang Körper und Geist zu angestrengtester imermüdlicher Arbeit und nie ermattender Ertragung aller Stra- pazen. Damit verbindet sich, wie bei allen derartigen Naturen, ein unbegrenztes Vertrauen auf seinen Genius und auf seinen Stern. Er ist sicher, daß er auch in der schwierigsten Lage immer einen Ausweg finden wird, der zum Ziel führt, daß nichts ihn überraschen und verwirren kann, und so weiß er das Geschick in seinen Dienst zu zwingen und nicht nur das böse Omen, sondern auch eine Lage, in der jeder andre verzweifeln würde, zu seinen Gunsten zu wenden. Eben dieser tiefe Einblick in die das menschliche Leben beherrschenden Kräfte, das intuitive Erfassen der Situation des Moments, die unverhüllt in völliger Klarheit vor seinem Auge steht, gibt ihm die Fähigkeit des raschen und sicheren Ent- schlusses, der die Gefahren überwindet und den Sieg an seine Fahnen heftet. Wohl sind auch ihm manche Unternehmungen

') Nach Platarch Caes. 17 hatte die Epilepsie Caesar zuerst in Cordnba befallen, nach Dio 43, 32, 6 vor der Schlacht bei Munda bei der Belagerung von Corduba Anfang 45. Aber dem steht, außer der Äußerung Catulls (Anm. 2), gegenüber, daß nach einer Überlieferung bei Plutarch 53 er schon am Tage der Schlacht bei Thapsus einen An- fall gehabt haben soll, der ihn binderte, am Kampf teilzunehmen. [Vielleicht ist daher bei Plut. 17 Caesars Aufenthalt in Corduba im J. 49, bell. civ. II 21, 5, gemeint]

*) Catull 57 über Caesar und seinen Günstling Mamurra: morbosi pariter, gemeüi uirique uno in lectulo, erudituli ambo, non hic quam ülemagis vorax adulter, rivales sociei pueüula rum. Vgl. Sueton Caes. 73.

*) Plut. Caes. 4, vgl. Sueton 45.

Meyer, Caesars Monarchie 22

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Caesars Monarchie

mißglückt, die Feldzüge nach Britannien, die Angriffe auf Gergovia und auf Dyrrhachium, die Versuche, mit Pompejus nochmals zu einem Abkommen zu gelangen; aber von den phantastischen Planen und Entwürfen, in denen Napoleon sich zu ergehn liebte und die ihn schließlich zu einer Uberspannung seiner Ziele und zum Untergang geführt haben, findet sich bei ihm nichts. Wohl aber weiß er, daß über allem menschlichen Tun unberechenbar die Macht des Zufalls, der Tyche, schwebt, die aller menschlichen Voraussicht spottet1); und eben darum setzt er, wenn die Situation es erfordert, sich selbst rücksichtslos, ja tollkühn aufs Spiel. Das ist nicht der aus Naivität und Blasiertheit seltsam gemischte Glaube an sein Glück, mit dem Sulla sich zu umgeben liebte obwohl auch seinen Taten und Erfolgen in Wirklichkeit viel mehr verständige Überlegung und Berechnung zugrunde liegt, ab er in seinen Memoiren zugab , sondern das klare Bewußtsein, daß das Geschick jederzeit auch die sicherste Berechnung durchkreuzen kann, daß aber kühnes Wagen und tatkräftige Entschlossenheit es viel eher unter den eigenen Willen zwingt, als ängstliches Zögern und schwach- mütige Halbheit.

Moralische Bedenken freilich kennt Caesar so wenig wie nur die skrupellosesten der politischen Spieler seiner Zeit; wer solchen Anwandlungen zugänglich ist, kann in revolutionären Zeiten niemals etwas erreichen, sondern ist wie Cato Cicero hatte ein viel weiteres Gewissen zu ehrlicher, aber unfruchtbarer Negation verurteilt. Wo die Staatsräson es verlangte, ist auoh Caesar vor keinem Verbrechen zurückgescheut, und gar manche schmutzigen Handlungen beflecken seine Laufbahn; am häß- lichsten ist wohl die Verwendung und Beseitigung des Vettius in seinem Consulat (S. 84 ff.). Noch drastischer zeigt sein Ver- halten gegen Clodius, wie vollständig die politische Berechnung jedes andre Gefühl beherrschte: seiner Frau schickt Caesar den

«) bell. cit. III 68: sed fortuna, quae plurimum polest cum in reüquis rebus htm praeeipue in betto, parvis momentis magnas rerum eommutatUmes effleit; vgl. III 70. 72, 4, ferner *. B. c 27. bell. Gall. VI 42.

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Caesars Stellung »ur Moral 339

Scheidebrief, als sie auf dem Ehebruch mit Qodius ertappt ist, aber zugleich verhüllt er das mit einer geschickten Phrase, um Clodius seibat zu decken und als politisches Werkzeug zu ver- wenden. Mit Recht gefeiert ist die Milde, mit der er im Bürger- krieg seine Gegner behandelt und alle Erwartungen, es stehe ein blutiges Strafgericht bevor, unbeirrt durch so manche Enttäuschungen, die ihm die Begnadigten bereiteten, vollkommen widerlegt hat. Aber sentimentale Empfindungen gegen die Be- siegten lagen ihm ganz fern, und wo es zweckdienlich schien, hat er ganz unbedenklich furchtbare Strafgerichte verhangt, über die Feinde in Gallien und Spanien wie über meuternde Soldaten (unten S. 416); auch die Hinrichtung des Vercingetorix ist von Hochherzigkeit weit entfernt. So ist Curios Äußerung, der ihn gut kannte, im April 49 nicht unrichtig, nicht aus Nei- gung und Katuranlage sei er nicht grausam, sondern lediglich aus Politik1). Indessen gemeine Rachsucht war ihm völlig fremd, und sein Verhalten im Bürgerkriege zeigt in der Tat eine großartige Auffassung. „Wir wollen versuchen," schreibt er Anfang Marz 49, „ob wir auf diese Weise (durch Milde) die all- gemeine Zuneigung wiedergewinnen und den Sieg dauernd sichern können, da die übrigen durch ihre Grausamkeit dem Haß nicht entgehn und den Sieg nicht dauernd behaupten konnten, aus- genommen den einzigen Sulla, den ich nicht nachahmen werde. Vielmehr soll dies eine neue Methode des Sieges sein, uns durch Barmherzigkeit und Großmut zu befestigen. Wie das geschehn kann, darüber kommt mir mancherlei in den Sinn, und vieles weitere wird sich noch finden lassen." Auch dieses Schreiben an seine Agenten Oppius und Baibus*) ist durchaus berechnet und zur Verbreitung und Propaganda bestimmt; aber zugleich

') Cicero ad Att. X 4, 8 ipsum non voluntate aut natura non esse crudelem, seil quod populärem (putaret) esse dement iam; quodsi populi Studium amisisset, crudelem fore.

*) Cic. ad Att. IX 7 C. Vgl. Caesars Brief an Cicero ib. IX 16 A: neque illud me movet, quod ii, qui a me dimissi sunt, discessisse dicuntur, ut mihi rursus bellum inferrent; nihil enim malo, quam et me tnei similem esse et iüos sui.

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Caesar* Monarchie

zeigt ea, in bezeichnendem Gegensatz gegen das Toben und die Blutgier des Pompejus und der Optiniaten, eine Hoheit und Freiheit des Geistes, wie sie nur ganz wenigen auch unter den großen geschichtlichen Persönlichkeiten gegeben iat. Uberhaupt ist das das Große an Caesar, daß nichts Kleinliches in ihm ist, daß er nichts nachträgt denn der erbitterte Haß, mit dem er Gato im Leben und nach dem Tode verfolgt, hat zugleich politische Bedeutung , daß seine Seele eine Schwungkraft be- sitzt, die ihn immer höher trägt und die Gebrechen immer mehr zurücktreten laßt, je größer die Aufgaben werden, vor die er gestellt ist. Daher besitzt er denn auch die gewinnende Leut- seligkeit, die ohne zu schmeicheln sich einschmeichelt, und ein Gefühl für die Bedürfnisse und Empfindungen der Andern, das sich, wo nicht die Staatsräson dazwischen kam, oft, gerade in den kleinen Zügen des Alltagslebens, ab wahrhaftes Wohlwollen äußerte. Dieser Zauber seiner Persönlichkeit sicherte ihm bei allen Verhandlungen von Anfang an die Überlegenheit; er hat nicht wenig dazu beigetragen, die besiegten Gallier mit ihrem Schicksal zu versöhnen, er schuf bei seinen Truppen die vollste Anhänglichkeit und Aufopferungsfähigkeit und hat ihm bei seinen Gehilfen und Untergebenen viele Herzen gewonnen, die in wahrer Hingebung im Leben wie nach dem Tode ihm die 'freue gewahrt haben, auoh wenn sie seine Ziele keineswegs billigten^).

Aus den Anfängen seiner Laufbahn, der ganzen Entwicklungs- zeit und dem frühen Mannesalter bis in die Dreißiger hinein, sind uns, wie durchweg bei den großen Gestalten des Altertums, nur einige wenige Episoden bekannt. Er hat in Asien Kriegs- dienste geleistet und dabei durch sein keckes Vorgehn gegen die Seeräuber, in deren Hände er gefallen war, die Aufmerksam- keit auf sich gelenkt; er hat, wie andre Anfänger auch, durch Anklagen gegen angesehene Aristokraten, den Cn. Dolabella und C. Antonius, sich einen Namen gemacht, auch wenn er ihre

') Vgl. den schonen Brief dos Mottos an Cicero vom August 44 f am. XI 28 und ebenso den vorhergehenden Ciceros an ihn, besonders § 8.

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Verurteilung nicht erreichte; er ist, zum Militärtribunen ge- wählt, im Jahre 70 für die Wiederherstellung der tribunicischen Gewalt eingetreten, ebenso für das Gesetz des Tribunen Plauthis, welches den zu Sertorius geflüchteten Teilnehmern am Aufstand des Lepidus die Bückkehr gestattete1); er hat als Quaestor 68 bei der Leichenrede auf seine Tante gewagt, die verpönte Wachs* maske des Marius zu zeigen2), und ein paar Jahre später als Aedil 65 die Siegeszeichen des Marius wiederhergestellt11), außer- dem durch glänzende Spiele und Bauten die Gunst des Stadt- volks gemehrt und zugleich den Grund zu der riesigen Schulden- last gelegt, die ihn in den nächsten Jahren drückte. Wie er gleichzeitig mit Grassus in Verbindung trat, der in ihm ein brauchbares Werkzeug für seine Pläne erkannte, und beide sich in die politische Agitation und die Verschwörungen stürzten, um ihre Zukunft gegen die von Pompejus' Übermacht drohen- den Gefahren zu sichern, wie sie aber vor dem letzten Schritt jedesmal zurückscheuten und daher nichts erreichen konnten, ist früher schon erzählt worden. Die Wahl zum Pontifex maxiinus hat Caesar gegen die Häupter der Aristokratie durchgesetzt und dadurch seine materielle Not etwas gelindert; im übrigen aber war er politisch noch immer ein Anfänger, den die Woge des Parteikampfs jederzeit hinwegspulen konnte. Aber nach dem Scheitern der catilinarischen Verschwörung trat er als Praetor mit geschickter Wendung auf die Seite des Pompejus, und in seinem Consulat erschien er als dessen befähigtster Adjutant, der ihm verschaffte, was seine bisherigen Werkzeuge vergeblich für ihn begehrt hatten.

Zugleich aber erwies Caesar durch seine Gesetzgebung die Befähigung zu umfassender, schöpferischer Wirksamkeit im Staats- leben; und daneben verschaffte er sich auf Jahre hinaus eine

') 8ueton 5. Gellius XIII 8, 5.

J) Plut. Goes. 5. In demselben Jahre starb seine Gemahlin Cornelia, die Mutter der Julia, der er gleichfalls die Leichenrede hielt; darauf heiratete er Pompeja, die Tochter des Q. Pompejus Ruf os, Consul 88 su- sammen mit Sulla.

3) Sueton 11. Plut. Caes. 6 u. a.

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Caesar* Monarchie

gesicherte Stellung, in der er eine Tätigkeit entfaltete, die weit über das hinausging, was ihm bei der Koalition als Aufgabe zu- gewiesen war. Innerlich verschob sich dadurch die Grundlage des Bündnisses mit den beiden Rivalen; er war ihre Stütze, aus der zweiten rückte er, der jüngste der drei, tutsächlich an die erste Stelle. Indessen die Absicht, es von hier aus zum Entscheidungskampf um die Herrschaft zu treiben, lag ihm noch völlig fern, wenn auch die Möglichkeit, daß die Dinge ihn dahin führen könnten, ihm schon damals neben gar manchen andern gelegentlich aufgetaucht sein mag; und noch weit ferner lag ihm der ungeheure Gedanke, daß er einen Kampf zugleich gegen Pompejus und gegen die legitime Bepublik werde führen müssen, geschweige denn, daß er ihn absichtlich hatte herbei- führen wollen oder gar die Gewinnung der Alleinherrschaft in Gestalt der absoluten Monarchie sich als Ziel gesetzt hätte. Wie die Zukunft sich gestalten werde, konnte er so wenig voraus- sehn, wie irgend ein andrer; aber das waren Zukunftssorgen, deren Behandlung sich aus den Bedingungen des Moments er- geben mußte. Für die Gegenwart kam es lediglich darauf an, sich auf möglichst lange Zeit eine Machtstellung zu sichern und alsdann in getesteter Position neben den Rivalen ebenbürtig zu behaupten. Dem diente die Eroberung Galliens, die Gewinnung eines nur von ihm abhängigen Heeres und Reichs im Gegensatz zu dem Regiment der Republik. Erwachsen ist diese Eroberung aus dem Machtstreben, und diesem hat sie und haben die reichen Mittel, die er hier gewann und rücksichtslos ausnutzte, in erster Linie gedient. Aber allerdings hat Caesar diese wie jede andre Aufgabe, die er erfaßte, im großen Stile ausgeführt ; und so hat er hier zugleich eine große historische Mission erfüllt und ein ge- waltiges Werk geschaffen, das die weltgeschichtliche Entwick- lung bis auf den heutigen Tag, bis auf den Kampf zwischen Deutschland und Frankreich, in dem wir gegenwartig stehn, beherrscht hat.

Um sich zu behaupten, mußte Caesar die republikanische Opposition daheim terrorisieren und niederhalten, und daher die Stellung seiner Verbündeten, wo sie aus eigener Kraft dazu

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Caesar» politische Ziele

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nicht imstande waren, nach Möglichkeit stärken; es wäre poli- tischer Selbstmord gewesen, hätte er, wie Mommskn fordert, im Jahre 56 den Pompejus fallen lassen. Wie dann durch den Tod des Crassus und vor allem durch das immer starker und erfolg- reicher hervortretende Streben des Pompejus nach dem Principat die Koalition sich lockerte, wie sie bei den Händeln des Jahres 52 unter der Einwirkung des großen gallischen Aulstandes nur mit Mühe äußerlich aufrecht erhalten wurde, tatsächlich aber durch die Allianz zwischen Pompejus und dem Senat bereits gesprengt war und wie der Konflikt von da an langsam, aber stetig fort- schreitend sich bis zur letzten Krisis steigerte, braucht nicht nochmals erzählt zu werden. Durch die gesetzgeberischen Maß- nahmen des Pompejus war Caesar der Rechtsboden, auf den er seine Ansprüche stützte, entzogen. Der Versuch Curios, durch den Antrag, beiden Machthabern die Niederlegung ihrer Stellung zu befehlen, die Koalition zu sprengen und Pompejus aufs neue zum Bunde mit Caesar zu drängen, führte zwar schließlich zur Annahme des Antrags, bewirkte aber das Gegenteil : die Haupter der republikanischen Partei entschlossen sich, unter Führung des Vorsitzenden Consuls und der beiden Consuln des nächsten Jahres, trotzdem einseitig gegen Caesar mit Zwangsmaßregeln vorzu- gelin, und Pompejus nahm ihren Auftrag an: er war durch den immer heftiger und persönlicher werdenden Streit aufs äußerste gereizt, und er erkannte, daß er einen politischen Selbstmord begehn und das nach jahrzehntelangen Kämpfen im Jahre 52 glücklich erreichte Ziel, als Oberhaupt und Schirmherr der Republik und des 8enats anerkannt zu sein, definitiv und für alle Zukunft preisgeben würde, wenn er sich noch einmal mit Caesar verbände. Darauf führten die letzten Verhandlungen und Vermittlungsversuche rasch zur definitiven Entscheidung in Rom; und Caesar antwortete, indem er sein Heer über die Grenze seiner Provinz führte und den Bürgerkrieg eröffnete1).

') Seit seinem Conaulat hatte Caesar, da er selbst keinen Sohn hatte, wie Tnbero berichtet (Sneton Caes. 88), den Pompejus iqid Erben eingesetzt und daran bis zum Aasbruch des Bürgerkriegs festgehalten. Dann hat er sein Testament natürlich kassiert, es aber zugleich den

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Caesars Monarchie

Die Ansicht, daß Caesar den Bruch gewollt habe und die von ihm ergriffenen Vorschlage und Maßnahmen lediglich dem Zweck dienen sollten, den Bürgerkrieg herbeizuführen, wird durch sein Verhalten vollkommen widerlegt. Viel klarer als seine modernen Beurteiler empfand er, trotz aller Genialität und trotz der Kriegserfahrung seiner Veteranen, das Ungeheure der Auf- gabe, gestützt auf die Machtmittel der Cisalpina und des neu- eroberten Galliens den Kampf gegen die Bepublik aufzunehmen, die über die gesamte übrige Mittelmeerwelt gebot. Die Kon- zcssionen, zu denen er in den Verhandlungen bereit war, die noch weiter nachgebenden Bedingungen, die er nach der Besetzung von Ariminum anbot, die immer wieder erneuten Versuche, zu Friedensverhandlungen zu gelangen, zeigen deutlich, daß er jeden andern Ausweg vorgezogen hätte. Daran änderte sich auch dadurch nichts, daß er mit seiner schlagfertigen Armee Italien zu überrennen und die Sammlung der feindlichen Heeres- macht zu zersprengen imstande war und diesen momentanen Vorteil mit der vollen Energie seiner Kriegführung in genialer Weise auamtrte; vielmehr war mm trotzdem weder die Sprengung der feindlichen Koalition gelungen, noch war es ihm möglich, Pompe jus mit dem geretteten Rest seiner Armee den Abzug aus Italien zu verwehren. Damit war der Riesenkampf, dem er entgehn zu können gehofft hatte, erst recht eröffnet; und bis zuletzt schwankte trotz all seiner Siege das Zünglein an der Wage, bis Pompejus sich verleiten ließ, ihm die Feldschlacht zu bieten und ihn dadurch aus einer fast schon verzweifelt ge- wordenen Lage zu befreien.

Es ist nicht anders: der Krieg ist Caesar aufgezwungen worden, ihm blieb kein andrer Ausweg, als ihn aufzunehmen, wenn er nicht auf seine Zukunft verzichten und sich wehrlos den Gegnern ausliefern wollte. Er wußte und hat es oft ausgesprochen, „daß es schwerer sein werde, ihn aus der ersten Stelle im Staat in

Soldaten in einer Versammlung vorgelesen, um ihnen seine wohlwollende

Gesinnung gegen Pompejus zu «eigen und diesem allein die Ursache des Bruchs zuzuschreiben.

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Caesars Stellung beim Ausbrach de» Bürgerkriegs 345

die zweite, als aus dieser in die unterste hinabzustoßen "*), daß er daher sich zur Wehr setzen müsse, solange er noch die Macht habe. Den Erwägungen, die ihn vor dem Überschreiten des Rubikon einen Augenblick stocken ließen, entsprechen die Worte, die er auf dem Schlachtfeld von Pharsalos beim Anblick der feindlichen Leichenhaufen zu Asinius Pollio gesprochen hat: „Das haben sie gewollt; nach so gewaltigen Taten wäre ich, Gaius Caesar, vom Gericht verurteilt worden, wenn ich nicht bei der Armee meine Zuflucht gesucht hätte"2). Das ist ein andrer und echterer Caesar, als der, dessen Bild die Neueren gezeichnet haben.

Caesars Machtmittel und Anhänger

Für den Krieg standen Caesar die Kräfte der Cisalpina, wie schon bisher, im vollsten Umfang zur Verfügung*). Das Po- land hatte damals bereits, dank der römischen Kolonisation, die von der Natur vorgezeichnete beherrschende Stellung in Italien gewonnen, die es seitdem bis auf den heutigen Tag be- hauptet hat; Rom, der offizielle Mittelpunkt der Halbinsel, trat ihm gegenüber bereits in den Hintergrund, wie es denn auch im geistigen Leben eben in dieser Zeit durch das Neuland über-

') Sueton Ca«. 29 iudicans, quod saepe ex eo audüum ferunt, difficüiu8 se prineipem civitatis a primo ordine in secundum quam ex secundo in novissimum detrudi.

*) Sueton dies. 30: Asinius Pollio Pharsalica ade caesos pro- fligatosque adversarios prospicientem lutec eum ad verbum dixisse referens: „hoc voluerunl; tantis rebus gesiis Gaius Caesar condem- natus essem, nisi ab exercitu auxüium petissetn'. Dagegen behauptet Plntarch Caes. 46, Pollio habe die von Caesar lateinisch gesprochenen Worte griechisch aufgezeichnet; da hat er wohl die griechische Quelle mißverstanden, die er benotete und die hier den Pollio zitierte.

•) Ein berühmtes Beispiel ihrer Hingebung an die Sache Caesars bot bekanntlich eine Schar aus Opitergium in Venetien, die bei den un* glücklichen Kämpfen an der illyrischen Küste im Sommer 49 sich unter Führung des Tribunen Voltejus lieber selbst den Tod gab. statt sich zu ergeben: Liv. epit. 110 = Lucan IV 462 ff. Florus 11 13, 88 (Dio 41. 40. 2).

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346 Caesars Monarchie

Üügelt wurde; ja man kann die Unterwerfimg Galliens und den Bürgerkrieg geradezu als die Eroberung der Mittelmeer weit durch die Cisalpina bezeichnen. Dazu kamen die materiellen Mittel der Narbonensis und des eben unterworfenen Galliens, aus dem, wie schon erwähnt, Caesar seit dem Jahre 52 auch Truppen zur Verstärkung seiner Armee und sogar eine eigene Legion entnahm, ebenso wie er aus den Giermanen Reiter und leichte Truppen anwarb. Für den Bürgerkrieg mußte er die Veteranen legionen, (Lie bisher das Land in Unterwürfigkeit ge- halten hatten, aus Gallien f ortziehn ; es ist einer der erstaun- lichsten Beweise für Caesars staatamännische Fähigkeiten, daß es ihm gelungen war, in den letzten beiden Jahren durch eine kluge Verbindung von Strenge und Milde die Besiegten und vor allem den gallischen Adel so weit mit ihrem Schicksal zu ver- söhnen, daß es in den Jahren, wo der gefürchtete Sieger selbst nicht eingreifen konnte und die Aussichten auf Wiedergewinnimg der Unabhängigkeit größer erscheinen mußten als je vorher, zu keinem größeren Aufstand gekommen ist; eine Erhebung der Bellovaken im Jahre 46 hat der fähige Statthalter Decimus Brutus, dem Caesar nach der Eroberung von Massilia die Provinz übertragen hatte1), wie es scheint ohne große Mühe, niedergeworfen Ä).

Seine Soldaten hatte Caesar durch seine Erfolge und die großen Versprechungen, die er ihnen machte, vollständig an sich gefesselt. Ebenso hielten die Offiziere, die er durchweg selbst ausgebildet und reich belohnt hatte, ihm die Treue mit Ausnahme des bewährtesten unter allen, des Titus Labienus, des alten Genossen Caesars in der demokratischen Agitation, der als Tribun im Jahre 63 den Rabirius angeklagt und Caesar durch sein die Volkswahl wieder einführendes Gesetz die Wahl zum Pontifex maximus ermöglicht hatte. Gerade der Umstand, daß sein alter Genosse ihm so gewaltig über den Kopf gewachsen war und daß sich ihm, wenn er zur Gegenpartei übertrat, bei

') Appian II 48, 197, vgl. 111, 465.

*) Li?, ep. 114 Brutus legatus Caesaris in Qaüia Beltovacos re- bellanies proelio vicit, gleichteitig mit der 8chlacht bei Thap«us.

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Caesars Machtmittel und Anhänger

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dieser die größten Aussichten eröffneten, wird ihn verführt haben, den Lockungen der Senatspartei1) Gehör zu geben. Auch die übrigen, die zum Teil aus sehr vornehmen Geschlechtern stammten, gehörten keineswegs alle an sich zur Partei; manche waren offen- bar politisch indifferent, aber sie blieben bei der Fahne, zu der ihr Weg sie geführt hatte1).

Bei der römischen Nation dagegen, in dem gesunden Teil der Bevölkerung Italiens, konnte Caesar im Kampf gegen die Republik kaum irgendwo auf Sympathien hoffen, nur auf stillschweigende Unterwerfung unter den Sieger. Um so eifriger stand das Ge- sindel auf seiner Seite, das vornehme wie das geringe. All die ruinierten Existenzen, deren Zahl die politischen Prozesse der letzten Jahre und die Maßregeln der amtierenden Oensoren (8. 239) noch wesentlich vermehrt hatten, strömten in sein Lager, mochten sie bisher schon unter demokratischer Flagge gekämpft haben, sei es aus wirklicher Überzeugung, wie Sallust, sei es, weil sie durch die Opposition Karriere zu machen suchten, wie Titus Munatius Plancus*) und so viele andre der Genossen des Clodius, oder mochten sie bisher eifrige Optimaten gewesen sein, die sich hatten erkaufen lassen, wie Curio, oder berechneten, daß die Aussichten auf Caesars Seite die besseren seien, wie M. Caelius Rufus und Ciceros Schwiegersohn Dolabella4) oder der junge Hortensius (S. 292); auch Ciceros junger Neffe Quintus,

M Vgl. Hirtius bell. Gall. VIII 52.

*) Von den Legaten aus früherer Zeit ist Q. Cicero, der im Jahre 51 mit seinem Bruder nach Cilicien ging, diesem auch im Bürgerkrieg ge- folgt (ad Att. IX 11, 4. 6, 4 u. a.; sein Sohn versuchte dagegen mit Caesar anzuknüpfen X 4, 5 f. 7, 3), was er nach der Niederlage bitter bereute und dem Bruder vorwarf (XI 5, 4); er eilte dann, mit seinem Sohn, mit Caesar seinen Frieden zu machen, und dieser gewahrte ihm Pardon {XI 6, 7. 7, 7. 10. 1. 12, 1 ff. usw.). Lucius Caesar cos. 64, der 52 bi» Anfang 49 sein Legat war (oben S. 296), ist dann zwar in Rom ge- blieben, hielt sich aber zu den Caesarianern und wurde im Jahre 47 von Antonius zum praefectus urbi bestellt (Dio 42, 30, 2). während sein gleichnamiger Sohn, der Unterhändler im Januar 49, zur Gegen- partei überging und in Africa ein Kommando Obernahm. ,

•) Sein Bruder Lucius war schon im Jahre 54 Legat Caesars.

*) Ober seine Schulden s. Cicero an Caelius II 16, 5.

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Caesars Monarchie

der Sohn des ehemaligen Legaten Caesars, zeigte gleichartige Gelüste (S. 347, 2). Unter diesen Leuten waren manche sehr brauchbar, und Caesar hat sie mit Erfolg verwendet; aber fast alle erwarteten eine gründliche Umwälzung nach Art des Marius und Cinna, mit Blutvergießen, Schuldentilgung und umfassenden Konfiskationen, die ihnen Reichtum und Ehrenstellen bringen und unter ihren persönlichen Gegnern von Grund aus aufräumen sollte»).

Die nächsten Aufgaben« Sallusts erste Schrift an Caesar

Da alle Versuche gescheitert waren, mit Pom pejus und dem Senat zu einem Abkommen zu gelangen, mußte Caesar die Ord- nung Italiens und die Leitung des von seiner legitimen Regierung verlassenen Staats in die eigne Hand nehmen und sich über den Weg klar werden, den er beschreiten wollte. Vor allem galt es, eben die korrupten Elemente, die er benutzen mußte, zugleich energisch im Zaum zu halten und die allgemeine Erwartung gründlich zu widerlegen, daß er diese vexula, wie Cicero sagt, die aus der Unterwelt des Exils wiedererstandenen Abenteurer, auf Italien loslassen und die Schreckensszenen des vorigen Bürgerkriegs er- neuern werde. Weder den Weg des Marius durfte er gehn, noch den Sullas; beide waren Parteihäupter, die einseitig für eine der beiden Interessengruppen kämpften, Caesar dagegen focht, trotz des demokratischen Programms, das er, um den Schein zu wahren, auf seine Fahne geschrieben hatte, nicht für eine Partei, sondern für seine persönliche Stellung, und wollte das Regiment auch ferner eben so unumschränkt allein in Händen halten, wie er es in Gallien geübt hatte.

Die nächste und dringendste Aufgabe war, eine Legitimierung für seine neue Stellung zu gewinnen. Der Versuch, den Consul Lentulus auf seine Seite zu ziehn, war mißlungen (S. 267 ff.); so wandte er sich an diejenigen Senatoren, welche teils aus Angst» lichkeit, teils aus Mißtrauen gegen Pom pejus und Abscheu vor

') Vgl. Sallust an Ca«*ar I % 5 (unten 8. 585).

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Caewars Versuche, die Mittelpartei zu gewinnen 349

dem Bürgerkrieg in Italien geblieben waren; wenn sie seine An- hänger verstärkten, hoffte er, einen Beschluß des Rumpfsenats in Rom zu seinen Gunsten herbeiführen zu können. Nach dem Abzug des Pompejus und der Besetzung von Brundisium ließ er in den Städten Italiens bekannt machen, daß er die Anwesen- heit der Senatoren zu der Sitzung am 1. April verlange1). Vor allem setzte er die Bemühungen fort (oben S. 306), Cicero durch Oppius und Baibus zu gewinnen, und schrieb ihm selbst mehrere schmeichlerische Briefe, in denen er ihn als Imperator bezeichnete, also seinen Anspruch auf den ersehnten Triumph anerkannte2). Aber weder diese Schmeicheleien, noch die in ihnen versteckten Drohungen erreichten ihr Ziel : bei der Zusammenkunft in Formiae am 28. März kam der Gegensatz und damit der innere Wider- spruch in Caesars Forderungen deutlich zum Ausdruck. Cicero erklärte, wenn er in den Senat kommen solle, werde er gegen den geplanten Feldzug nach Spanien sprechen und Pompejus' Lage beklagen. Da blieb Caesar nichts übrig, als offen auszu- sprechen, daß er das nicht wolle, und die Unterredung mit der Bitte abzubrechen, Cicero möge sich die Sache weiter überlegen: „wenn er sich ihm versage, müsse er die Leute nehmen, die er be- kommen könne, und werde zu jedem Mittel greifen müssen"8;.

>) Cic. ad Att IX 17 senatum enim Kaiendia fApr.) teile se fre- quentem adesse etiam Formiis proscribi iussit. In den anderen Städten ist das natürlich ebenso geschehn.

*) ad Att. Vin 15 A schreibt Balbns ihm (Cicero hat den Brief am 8. Marz erhalten), er hoffe, wenn der Consul Lentulus gewonnen sei (oben S. 268, Ä.). werde der Senat auctore ie, illo referente den Frieden ▼ermitteln; ferner IX 7 Ä B. Caesar selbst schreibt IX 6 A auf dem Marsch nach Brnndisiam Anfang Marz, er hoffe Cicero vor Rom zu sehn, ut tue consilio, gratia, dignilate, ope omnium rerum uti pos- sim; Cicero« Antwort ib. 11 A. Nach dem Fall von Brundisium schreibt er IX 16 A Ende Marz tu velim mihi ad urbem praesto sie, ut tuis con&ittis atque opibus, ut consuevi, in omnibus rebus utar; er hofft, daß Dolabella das bewirken wird. Dazu kam die Einwirkung anderer Mittels- männer (IX 14. 15. 17. fam. XI 27, 8; vgl. 0. E. Schmidt, Ciceros Briefw. 160 f.). In derselben Weise wird Caesar natürlich auch auf andere eingewirkt haben.

*) ad Att. IX 18: #i sibi consiliis nostris uti non liceret, usurum, Quorum po88et, ad omniaque esse descensurum. Dem entspricht

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Caesar* Monarchie

Er mußte zulassen, daß Cicero fernblieb, und sich damit begnügen, daß von Consularen, abgesehen von seinem Schwiegervater Piso, nur der alte, gänzlioh unbedeutende Volcacius Tullus (cos. 66) und der angstliche Servius Sulpicius Rufus (cos. 51) in der von den Tribunen Antonius und Q. Oassius Longinus berufenen Senatssitzung erschienen1). Aber erreichen konnte er nichts ; selbst Servius Sulpicius redete nur vom Frieden und der Vermeidung des spanischen Feldzugs-). Es wurde zwar beschlossen, Gesandte an Pompejus zu schicken, aber sie gingen nicht ab, weil sie fürchten mußten, von diesem als Feinde behandelt zu werden3). Die dreitägigen Verhandlungen verliefen resultatlos. Caesar mußte weiter aus eigener, usurpierter Machtbefugnis handeln; denn mit gefälschten Senatsbeschlüssen zu operieren, wie Curio ihm nahelegte, verschmähte er mit Recht*). Er gab seinen

Caesars Äußerung im Senat civ. I 32, 7 sin timore defugiant, Ulis se oneri non futurum et per se rempublicam administraturwn.

») Tullus Kollege M. Lepidus (vgl ad Att. VII 12, 4. 28, 1), den Cicero VIII 1, 8. 9, 8. 15, 2, vgl. IX 10, 7 neben ihm nennt, als ent- schlossen, nach Rom zurückzukehren, scheint trotz IX 1, 2 an der Sitzung nicht teilgenommen zu haben. Auch C. Marcellus, der Conaul des Jahres 50, blieb in Italien, kam aber nicht nach Rom (vgl. Cic. Att IX 1, 4. X 18, 2. 15, 2). Tullus und Servius Sulpicius (vgl. Att. VIII 1, 8) beklagen sich bei Caesar, daß er ihnen nicht erlaubt hat. wie Cicero abwesend zu sein: ad Att. X 8 a. Piso: Dio 41, 16, 4. Andre Optimaten, wie die Praetoren Sosius und Rutilius Lupus, kehrten in großer Zahl nach Rom zurück: ad Att IX 1, 2. IX 12, 8 (20. Marz): wahrend Pom- pejus fliehen muß, nos vivimus, et stat urbs ista, praetores ius dicunt, aedil€8 ludos parant, viri boni usuras perscribunt, ego ipse sedeol

*) Siehe Cicero« Briefwechsel mit ihm fam. IV 1. 2.

"•) Dios Angabe 41, 15, 4, daß, als Piso auf den Antrag zurückkam, der Senat das mißbilligte, gehört wie Plut. Caes. 37 zeigt, in den An- fang des nächsten Jahres, wo Isauricus. der College Caesars im Consulat. den Antrag zu Fall brachte (S. 867).

<) Cicero (ad Att X 4, 9) fragt den Curio: „quid isU", inquam, „sex tut fo8ces? si a senatu, cur laureati? si ab ipso, cur sex?" „cupin,* inquit „ex senatus consüUo surrepto; nam alüer (non) poterat. at iüe impendio nunc magis odit senatum: a me, inquit, omnia proficiscentur." „cur autem sex?" „quia XII nolui, nam licebat." Wenn er, in Erfüllung einer alten demokratischen Forderung,

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Caesar in Rom. Konflikt mit dem Tribunen MetelluB

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Offizieren, soweit sie ein selbständiges Kommando über- nehmen sollten, propraetorisches Imperium, ebenso dem Tri- bunen M. Antonius, dem er die Aufsicht über Italien übertrug1), während Lepidus als Praetor die städtischen Geschäfte leitete. Dazu kam dann der berühmte Konflikt mit dem Tribunen L. Metellus, der den Staatsschatz, dessen Caesar sich bemächtigen wollte, mit seinem Leibe deckte und gewaltsam beiseite ge- schoben werden mußte; es fehlte wenig, daß Caesar ihn hätte niederhauen lassen*). Er erklärte, es falle ihm schwerer, diese Drohung auszusprechen als auszuführen. Darauf gub Metellus nach3). Im übrigen redete er mit voller Zuversicht, er betrachte den Pompejus und seinen ganzen Anhang als bereits in seinen Händen4).

Aber durch dies Auftreten verlor er den Schein eines Vor- kämpfers für die Volksrechte und das Tribunat, in dessen

den Söhnen der von Sulla Proskribierten die Bewerbung um die Ämter gestattete (Dio 41, 18), so wird er das als ein für den römischen Bürger unverlierbares Recht betrachtet haben, dessen Anerkennung keinen Gesetz- gebungsakt erforderte.

') Antonius bezeichnet sich in dem Brief an Cicero ad Att. X 8 a als trib. pl. pro pr.; daher die lictores laureaH da Phil. II 58, wie Mommsek richtig gesehn hat.

*) So hat Curio dem Cicero erzählt, der zugleich erkennen laßt, daß die Erschlagung des Tribunen und ein darauf folgendes Gemetzel dem revolutionären Anhang Caesars sehr willkommen gewesen wäre (Cic. ad Att. X 4, 8: plane iracundia elatum voluisse Caesar em oc- cidi MeieUum tribunum pl.; propius factum esse nihil; quod si esset factum, caedem magnam futuram fuisse; permuUos hortatores esse caedis). Die übrigen Berichte schwächen die Scene meist ab, mit Ausnahme Lucans. Sehr möglich ist Möhnsens Annahme, Röm. Forsch. II 506, daß in Lucans Darstellung III 141 ff., Cotta, vielleicht ein anderer Tribun, habe dem Metellus vorgestellt, durch freiwilliges Nachgeben könne wenigstens der Schatten der Freiheit gerettet werden, und ihn so zum Zurückweichen bestimmt, dadurch sei seine Erschlagung ver- hindert worden, ein (auf Livius zurückgehender) tntsächlicher Kern ent- halten ist, obwohl alle anderen Berichte davon nichts erzählen.

•) Plut. Caes. 85 - Pomp. 62.

4) Plut. comp. Pomp, et Ages 3: er sagt zu Metellus, in xaxttvov (Pomp.) aixf*iXü>Tov autoO vouiCei xod to-jg SXXoo«; fiteavtac.

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Casars Monarchie

Namen er den Krieg begonnen hatte. So ist es begreiflich, daß er in eine sehr gereute Stimmung geriet sie »ttert in seiner Darstellung im Bürgerkrieg noch nach und aus seinem mit Verachtung gepaarten Haß gegen den Senat gar kein Hehl mehr machte1); er mußte sogar die Absicht aufgeben, eine An- sprache an das Volk zu halten, sondern ging voll Erbitterung zur Armee ab*). So war der Glaube weit verbreitet, daß er, wenn er siegreich zurückkehre, sein wahres Wesen enthüllen und dem Morden und dem sozialen Unisturz seinen Lauf lassen werde3).

Aber Caesar hat sich bezwungen und gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Schon gleich nach den Senatssitzungen, noch von Rom aus, schrieb er an Cicero einen liebenswürdigen Brief, daß er ihm seine Abwesenheit nioht nachtrage, sondern zum Besten auslege4); und bald darauf, am 16. April, als er gehört

') übereinstimmend mit Curios Äußerungen (vgl. oben 8. 850, 4) schreibt Caelius Mitte April an Cicero (fam. VDI 16 = Att. X 9 a): si exisiimas, eandem rationetn fore Caesaris in dimittendis adversativ! et condicionibus ferendis, erras; nihil nisi atrox et saevum cogitat

ainue, eti/im lonuitur iratiut sptuitui exiit' hin intercesftionibtis nlanf-

incüatus est; non meherculee erit deprecationi locus. Zu dieser Fär- bung hat freilich der offenbar von Caesar gegebene Auftrag mitgewirkt, Cicoro vom Verlassen Italiens abzuschrecken, s. unten.

*) Curio erzählt dem Cicero (Att. X 4, 8): eum (Caesarem) per- turbatum, quod inteltegeret se apud ipsatn plebem offendisse de (lerario Hanne ei cum certissimum fu'isset. anteouam vroUcisceretur conti onem habere, ausum non esse vehementerque animo perturbatio profectum. Dios Angabe 41, 16, er habe zum Volk extra pomerium in derselben Weise gesprochen wie im Senat, und ihm große Geschenke in Aufsicht gestellt [ebenso Vellejus II 50, 2], ist also falsch; Caesar civ. I 88 berichtet denn auch nichts davon. Cicero erwartet daher ad Att X 8, 6 (2. Mai), daß er sich nicht lange werde behaupten können, da er in 6 7 Tagen sogar die Zuneigung des Pöbels verscherzt habe.

*) So z. B. Cicero Att. X 8, 2 nam caedem video, si vicerit, et impetutn in privatorum pecunias et exulum reditum et tabulas novas et turpissimorum honores et regnum. Die letzteren Erwartungen haben sich erfüllt, aber die beiden ersten nicht.

*) Cic. Att. X 8 a Caesar mihi ignoscit per litteras quod non »e- nerim, seseque in optimam partem id accipere dicit. Als Folie, um

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Caesar and die Opposition in Rom, April 49 353

hat, Cicero plane nun doch noch Italien zu verlassen und zu Pompejus zu gehn, mahnt er ihm freundschaftlich ab, mit der äußerst charakteristischen Bemerkung: „Was ziemt einem tüch- tigen und ruhigen Mann und Bürger mehr, als sich von den bürgerlichen Streitigkeiten fernzuhalten ? Du wirst . . . nichts Sichereres und Ehrenhafteres finden, als dem ganzen Zwist fern zu bleiben"1). Darin tritt, in schroffem Gegensatz zu der in dem bekannten Gesetz Solons präzis formulierten Auffassung republi- kanischer Bürgerpflicht*), in bezeichnender Weise die Anschauung der neuen absoluten Monarchie hervor, die die Bürger zu passiven Untertanen herabdrückt, welche die Streitigkeiten der Macht- haber und ihrer Armeen nichts angehn. Gleichzeitig freilich ließ Caesar ihn durch Antonius und in sehr nachdrücklicher Weise durch Caelius mahnen*), und als er doch bei seiner Absicht bleibt, muß Antonius ihm mitteilen, daß Caesar ihm befohlen hat, niemanden ohne seine Erlaubnis aus Italien fortgehn zu lassen, und daß er den speziellen Befehl hat, Cicero zu bewachen4). Trotzdem hat Cicero bekanntlich bald darauf, am 7. Juni, Italien verlassen6).

Die gewaltigen Geldsummen, die Caesar dem Staatsschatz entnahm 15 000 Gold-, 30 000 Silberbarren, dazu 30 Millionen

seine Rücksicht auf Cicero in möglichst hellet Licht an setsen, teilt er ihm mit, daß Tullus und Servius Salpicias (oben 3. 850) ihm böse sind, daß er ihnen nicht das gleiche gewährt habe. >) ad Att. X 8 b.

*) In dem Brief an Atticu* X 1, 2 (8. April), wenige Tage nach dem Gespräch mit Caesar, ist Cicero gestimmt, dies solonische Gesetz nicht su befolgen (ego vero Soloiiis legem neglegam . . . et himc abero et

*) Att I 8a, und Caelius1 Brief X 9 a oben S. 352, 1. «) Att. X 10, 2. 12, 1, Tgl. 13, 2. 15, 3.

*) Auch Oppins hat ihm auf seine Anfrage, ob er in Italien bleiben oder ru Pompejus gehn solle, durch die Antwort ut consulerem dignitati meae klar zu verstehn gegeben, daß der Anschluß an Pompejus für ihn ein Gebot der politischen Ehre sei: ex quo quid sentias inteliexi, et sum admiratus fldem tuavx et in consilio dando religionem, quod cum aliud malle amidssimum tuum polares, antiquius tibi officium meum quam ülius vohtntas fuit (fam. XI 29, 1, Juni 44).

Meyer. Caesar« Monarchie 23

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354 Caesar* Monarchie

Sestertien gemünzten Geldes1) und was sich daselbst an Natur- produkten vorfand, die sich in Geld umsetzen ließen8) , deckten für den Augenblick wenigstens die Bedürfnisse des Feldzugs. Schon vorher hatte er Sorge getragen, eine der dringendsten Aufgabe» zu erledigen, die Regelung der Stellung der Trans- padaner. Durch das auf uns gekommene Bruchstück eines daran anschließenden Ausführungsgesetzes wissen wir, daß bereits am 11. März 49 durch ein von dem Praetor Lucius Roscius Fabatus, den wir schon als Anhänger Caesars kennen gelernt haben, ein- gebrachtes Gesetz ihnen das Bürgerrecht verliehen worden ist8;. Wenn, wie nicht zu bezweifeln, bei der Einbringung die gesetz- lich vorgeschriebene Frist des Trinundinum eingehalten worden ist, hat Roscius das Gesetz spätestens am 23. Februar promulgiert, also zu der Zeit der Kapitulation von Corünium, als Pompe jus sich nach Brundisium zurückzog. Deutlich erkennt man, wie dringend notwendig es Caesar erachtete, nicht nur sein den Transpadanem gegebenes Versprechen zu erfüllen, sondern da- mit zugleich den Hader über diese Frage (S. 248 ff.) aus der Welt zu schaffen und vor allem eine unanfechtbare rechtliche Grund- lage für seine großenteils aus den Transpadanem ausgehobene

') Plin. 88, 56 primo introüu urbis civiU belle suo. Li via» (Orcs. VI 15, 5) gibt 4185 Pfand Gold, fast 900000 Pfand 8ilber; letztere* waren 75600000 Sestertien.

') Darunter 1500 Pfund Silpbium aus Kyrenaika. Plin. 19, 40 Caesarem dictaiorem initio belli civilis inter aurutn argentumque protulisse ex aerario laserpici pondo MD.

*) Die lex seive illud pL sc. est, quod L. Roscius a. d. V eid. Matt, populum plebemve rogatrit kennen wir seit 1880 durch das Bruchstück einer Broncetafel aas Ateste CIL. 1 8 ü00, 8. Mommsex, ein zweites Bruchstück des rubrischen Gesetze«, Hermes 16, 24 ff. Ges. Sehr. 1 175 ff.; Bruns-Gradenwitz, fontes iuris ant. liomani 7 p. 101. Roscius war im Jahre 49 praetor (Caesar civ. I 8, 6. 8, 4). Das Gesetz, dem das Bruch- stück angehört, stammt offenbar aus demselben Jahr. In der viel- umstrittenen Frage, ob dies Ausführungsgesetz mit der lex Rubria CIL. 1 115 (I * 592). Brürs-Graderwitz, fontes p. 97 ff. identisch ist, enthalte ich mich jedes Urteils. Dio 41, 36, 4 setzt die Verleihung des Bürger- rechts an die Transpadaner erst in Caesars Dictatur im Dezember; da- mals sind jedenfalls weitere Ausführungsbestimmungen erlassen worden.

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Gesetz über die Transpadaner. Caesars erste Dictatur

355

Armee zu gewinnen : erat jetzt konnten die Veteranen seiner Legionen wirklich als römische Bürger gelten.

Dem Antonius ist es gelungen, in Italien, dessen Städte er sorgsam überwachte und inspizierte1), die Ordnung aufrecht zu erhalten. Als dann Caesar den spanischen Krieg siegreich beendet hatte, wurde er durch den Praetor Lepidus auf Grund einer ihm durch ein Gesetz erteilten Vollmacht zum Dictator ernannt den ursprünglichen Plan, dem Praetor das ihm verfassungs- mäßig nicht zustehende Recht zur Ernennung eines Dictators oder Leitung der Consulwahlen durch ein Gutachten der Augurn za begründen, bei dem Cicero mitwirken sollte*), hatte man fallen lassen müssen.

Je größer die Erfolge waren, die Caesar mit einer auch die kühnsten Erwartungen übertreffenden Schnelligkeit gewonnen hatte, um so dringender wurde die Aufgabe, in den inneren Verhältnissen Ordnung zu schaffen und dadurch das Errungene sicher zu stellen. Die Bürgerschaft Italiens, die sich gefügt hatte, vornehm und gering, war voll banger Erwartung, ob sich nicht jetzt der wahre Charakter seiner Herrschaft enthüllen, ob er nicht die bisher geübte Milde beiseite werfen und schalten werde wie Marius und Cinna. Die zahlreichen Exulanten, die zu ihm geströmt waren, verlangten die Aufhebung ihrer Verurteilung und die Wiedereinsetzung in ihre Rechte. Aber damit waren

') Cic. Phil. II 57. über seinen dort drastisch geschilderten Aufsog vgl. Att. X 10, 5. 16, 5. An einzelnen Unruhen wird es nicht gefehlt haben; so erhält Cicero am 11. Mai von den Centurionen dreier in Pompeji Hegenden Cohorten das Anerbieten, sie wollten ihm die Stadt übergeben. Daß er sich dem entzog, war selbstverständlich und nur zu billigen (Att. X 16, 4).

*) ad Att. IX 9, 3. 15, 2. Appians Bericht Ober Caesars Ernennung zum Dictator II 48 xai aüxbv b ivjuos xiyp:*m<; ^pitto 3txtdtopa, oßt» ri tffi ßoü).7j; 'ifjtptCojiivTj? o5t« npo7«poTovoüvTo$ iJpxov^o? ist staatsrecht- lich inkorrekt, und vollends die Entstellung bei Plutarch Caes. 37 «Ipt- *tl? 2:xtd<c<up &rö rf]; ßooX-?);. Das Richtige gibt Dio 41. 36 ev Ö8(j» ii ftt ovtoc ahroö M&pxo; AlpiXioe At^o; ... xw xt fcvjjup G'mßouXtoo* 3rpwr|TM>v, Ivxxäx^pa Tiv Kataapcc spox*ipto'/o9«i, xai sofK>s tlictv aitöv x«4 ti xätp'.a; vgl. Caesar civ. II 21; in Massilia legem de diciatore latam seseque dictatorem dictum a M. Lepido praetore cognovit.

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356 Caesar» Monarchie

ihre Erwartungen noch in keiner Weise befriedigt; sie hofften a if ein gründliches Gemetzel, Vermögenskonfiskationen und raiche Beute und vor allem die Tilgung ihrer gewaltigen Schulden- last; eben der Glaube, daß er das gewähren werde, hatte so viele ruinierte, sittlich verkommene Existenzen in das Lager Caesars geführt1). Im Lager des Pompejus sah es bekanntlich nicht viel anders aus; auch hier verband sich der durch die Niederlagen mir noch gesteigerte Rache- und Blutdurst mit dem Begehren, die Schulden los zu werden*).

Die gewaltige, durch Luxus und maßlosen Ehrgeiz immer mächtiger anwachsende Schuldenlast vor allem der Aristokratie und der hauptstädtischen Bevölkerung und die dadurch herbei- geführte Unsicherheit des Geldmarkts war zwar nioht die Ur- sache, wohl aber ein bezeichnendes Symptom der vollen Zer- setzung der Bürgerschaft und des Staats. Trotzdem hielt sich der Zinsfuß in Rom bei einigermaßen genügender Sicherheit in auffallend mäßigen Grenzen; der normale Satz betrug auch in den Zeiten der Anarchie nicht mehr als 4%. Das erklärt sich dadurch , daß ihm die schonungslose Ausbeutung der Provinzen gegenüberstand ; hier war die Erpressung von Wucherzinsen in den abhängigen Gemeinden und Staaten bekanntlich bis zu 48%, wie bei der Anleihe von Salamis auf Cvpern bei M. Brutus ganz gewöhnlich. Wiederholt waren ehrbare Statthalter da- gegen eingeschritten, wie Lucullus in Asien, der das Zinsmaxi mum auf 12% herabsetzte und den Zmseszins einschränkte3) ; analoge Bestimmungen erließ Cicero in Cilicien4). Durch ein Gesetz des Consuls Gabinius waren im Jahr 58 die von den Gesandtschaften der untertänigen Städte in Rom aufgenommenen Anleihen für ungültig erklärt und unter Strafe gestellt worden5) ; im Jahre 61 war ein Senatsbeschluß ergangen, der, wie es scheint,

') Außer CiceroB Briefen 8. vor allem Sallust ad Caes. I 2. 4 (Bei- lage II).

«) Cicero an Marios VII 3 (S. 818, 2) und sonst; Sallost ad Caes. I 2, 7.

*) Plut. Luc 20.

*) ad Att. V 21, 11.

») ad Att. V 21, 12. VI 2, 7.

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Die Schulden und die Uge des Geldmarkts

357

den Zinse szins oder den Zuschlag der Zinsen zum Kapital für die Provinzen untersagte1). Jetzt aber schuf der Ausbruch des Bürgerkriegs und der Auszug der Aristokratie in Rom und Italien ganz unhaltbare Zustände; alle Zahlungen stockten, niemand konnte zu seinem Gelde gelangen oder eine Anleihe aufnehmen2), wer Metall besaß, hielt es ängstlich aus dem Umlauf zurück und dem stand die Begehrlichkeit der Gefolgschaft des Siegers gegenüber. Hier war ein Eingreifen dringend geboten.

Während Caesar Spanien unterwarf und dann die Belagerung von Massilia zu Ende führte, richtete Sallust, den er mit dem Kommando einer Legion betraut und zur Unterstützung des Gaius Antonius, des Bruders des Tribunen, nach IUyrien entsandt hatte8), ein Sendschreiben an Caesar4), in dem er ihn aufforderte,

') ad Att. V 21. 18 (Dezember 51): senatus consultum modo fac- tum ... in creditorum causa, ut centesimae (der Zins von 1 °/o monat- lich) perpetuo faenore ducerentur. In der vielumstrittenen Frage, wie die für uns sehr dunkle Stelle zu deuten ist (vgl. Billbtsr, Gesch. de» Zinsfußes im Altertum 169 ff. Momusen, Der Zimtwucher des M. Brutus, Hermes 34, 145 = Ges. Sehr, in 215 ff. und die dort angefahrte Literatur), wage ich keine Entscheidung; ganz unsicher ist auch, ob das Gesotz allgemein für olle Provinzen erlassen war.

*) Dio 41, 37, 2: die Schuldner konnten nicht zahlen, auch wenn sie wollten, oot» fhp ircoäooftai v, oott littfayttoaotau ££5iov a&tot( ifi- Yvtto.

») Oros. VI 15, 8 (d. i. Livius) Bosaus et Saüusiius cum singulis legionibus, quibits praeerant, simüüer et Antonius . . . omnes parüer adversus Octavium et Libonem profecti et victi sunt; ebenso werden die Flotten des Dolabella und Hortensius besiegt, Antonius muß schließ- lich kapitulieren. Die Darstellung dieser Vorgänge ist bekanntlich im »weiten Buch des bellum civile ausgefallen. Basilus wird auch von Lucan IV 426 und Florus II 18, 32 erwähnt (vgl. Liv. ep. 110; Dio 41, 40 und Appian II 47, 191, vgl. 41, 166 erwähnen nur ganz kurz die Niederlagen de« Dolabella und Antonius, ebenso Sueton Caes. 86), Sallust nur von Orosius; es liegt über kein Grund vor, die Angabe zu bezwei- feln. Sallust hatte durch die Ausstoßung aus dem Senat sein Bürger- recht natürlich nicht verloren, konnte daher von Caesar ohne weiteres als Legat verwendet werden. Dolabella« Flottenkommando im Adria~ num mare erwähnt auch Cicero ad Att. X 7, 2 im April 49.

*) Die zweite der beiden auf uns gekommenen Broschüren, über Echtheit, Charakter und Abfazsungszeit derselben s. Beilage IL

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;35S Caesars Monarchie

„inmitten der militärischen Operationen, der Treffen und Siege", seine Aufmerksamkeit doch auch den Aufgaben des Staats oder, wie er sagt, den negotia urbana zuzuwenden. „Wenn Du weiter nichts im Sinn hast, als Dich gegen den Angriff Deiner Gegner zu wehren und gegen den feindlichen Consul (Lentulus) die Dir vom Volk bewilligten Privilegien aufrecht zu erhalten, so denkst Du, was Deiner geistigen und sittlichen Überlegenheit unwürdig ist1). Lebt aber in Dir noch der Sinn, mit dem Du von Anfang an die Koterie der Nobilität bedrängt und der römischen Plebs aus schwerer Knechtschaft die Freiheit wieder- gewonnen hast, als Praetor die Waffen Deiner Gegner ohne Waffen zersprengt hast, daheim und im Felde so große Taten vollbracht hast, daß selbst Deine Feinde über nichts andres zu klagen wagen, ab über Deine Größe, so nimm auch das an, w.is ich Dir über die Gesamtlage des Staats (de summa repubUca) vor- tragen will." Immer wieder kommt er auf diese Mahnung zurück: „Wieder und wieder mußt Du Deine Gedanken darauf richten, wie Du die Verhältnisse festigen und sichern kannst"2). „Ich bitte und mahne Dich , daß Du , der ruhmreichste Feldherr, nachdem Du die gallische Nation unterworfen hast, nicht zu- lassen darfst, daß des römischen Volkes gewaltiges und un- besiegtes Reich an Altersschwäche dahinsieche und durch schwere Nachlässigkeit auseinanderfalle. Fürwahr, wenn das geschehn sollte, kann weder Nacht noch Tag Dir die Sorge abnehmen, sondern von Schlaflosigkeit heimgesucht, von den Furien ge- peinigt und rasend würdest Du mit verstörten Sinnen umher - irren""). Er achließt mit dem Appell, den Vaterland und Vor- fahren, wenn sie reden könnten, an ihn richten würden: „Als Lohn für all das, was wir Dir bei der Geburt gegeben haben, den größten Staat der Welt als Heimat, in dieser Haus und Familie von höchstem Anselm, gute Erziehung, ehrbaren Reich-

') indigna virtute tua cogitas II 2. 8. •) H 4, 4.

') II 12, 5 fl. profecto , si id accidat, neque tibi nox neqite die* curam animi sedaverit, quin maomniis exercüus furibundus aUjwt amens aUenaia mente feraris.

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Siilliwtn .Seiidüchreibwi an Caewar

tum, alle Auszeichnungen daheim und Belohnungen im Krieg, fordern wir von Dir nichts Böses oder eine Schandtat, sondern daß Du die zerstörte Freiheit wiederherstellst. Der Ruhm, den Du bisher gewonnen hast, hat in dem vieler andrer tapferer Männer seinesgleichen ; wenn Du aber die Stadt mit ihrem ruhmreichen Namen und gewaltigen Reich, die fast schon am Rande des Untergangs steht, wiederherstellst, wer kann ruhm- voller, wer größer sein? Sollte es jetzt durch Krankheit oder eine Schicksalsfügung für dieses Reich anders kommen, wer kann zweifeln, daß das die Verwüstung, Kriege, Bluttaten über den ganzen Erdkreis bringen würde" eine Prophezeiung, die sich buchstäblich erfüllt hat. „Wenn Du aber unsem Bitten nachgibst, wird nach Wiederherstellung des Staats Dein Ruhm alle Sterblichen weit überragen und bei Dir, und bei Dir allein, der Tod noch ruhmvoller sein als das Leben. Denn die Lebenden sucht mitunter das Schicksal, oft der Neid heim; ist aber das Leben erloschen, so fallen die Neider weg, und der wahre Wert (viftus) wächst immer höher hinauf." „Ich habe," so schließt er, „was mir als das Nützlichste und Dir Dienlichste erschien, mit so wenig Worten wie möglich niedergeschrieben. Im übrigen flehe ich zu den unsterblichen Göttern, daß, wie Du auch ver- fahren mögest, es Dir und dem Staate günstig ausfallen möge."

Die Bürgerschaft, so führt er aus, zerfallt seit alters in zwei Teile, Senat und Volk (in patres et plebem)) jener hatte vormals das größte Ansehn, dieses weitaus die größte Macht. „Aber als die Korruption um sich griff und die ärmere Bevölkerung, von ihrem Grundbesitz vertrieben, beschäftigungslos und ohne festen Wohn- sitz leben mußte, begann sie, nach fremder Habe zu begehren und ihre Freiheit und damit den Staat käuflich zu machen. So ist das Volk, das offiziell der Herr war und allen Völkerschaften gebot, allmählich herabgesunken und hat an Stelle der Herr- schaft der Gesamtheit sich die persönliche Knechtschaft jedes einzelnen beschert. Diese Menge, die einmal insgesamt schlechten Sitten verfallen ist, sodann aber sich in verschiedene Lebens- formen und Beschäftigungen aufgelöst hat" statt der Einheit

inneren Übereinstimmung

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Cftewre Monarchie

ermangelt, scheint mir wenigstens wenig geeignet, die Staats- leitung zu übernehmen"1). Br forciert daher die Aufnahme von Neubürgern, „wodurch, wie ich hoffe, alle wieder zur Freiheit werden aufgerüttelt werden, da die Neubürger sorgen müssen, ihre Freiheit zu behaupten, die andern, aus der Knechtschaft herauszukommen" in erster Linie ist natürlich an die Trans- padaner gedacht, aber auch an die sonstigen Ausländer, vor allem die in Caesars Heer. „Werden diese Neubürger vermischt mit den Altbürgern in Kolonien angesiedelt, so wird sowohl für die Aushebung eine größere Volksmenge zur Verfügung stehn, als auch die Plebs, die jetzt wieder durch eine heilsame Tätigkeit gefesselt ist, aufhören, den Staat zu schädigen"1). „Ich weiß sehr wohl," fährt er dann fort, „wie wild die Vornehmen werden und welchen Sturm sie erregen werden mit der Behauptung, dadurch werde alles von Grund auf aufgerüttelt und die Alt- bürger in Knechtschaft hinabgestoßen" wie das bei den Ver- handlungen über das Bürgerrecht der Italiker seit der Gracchen- zeit geschehen war „es werde an Stelle des Freistaats eine Königsherrschaft treten, wenn durch das Geschenkeines Einzelnen eine ungeheure Menge zum Bürgerrecht gelange. Aber ich denke bei mir so: der begeht eine schlechte Handlung, der zum Nach- teil des Staats sich Gunst zu gewinnen sucht; aber wo, was dem Staat zum Heil gereicht, auch persönlichen Vorteil bringt, da ist es ein Beweis von Schlaffheit und Feigheit, wenn man sich bedenkt, das in Angriff zu nehmen." An dem Beispiel des Marcus Drusus führt er aus, wie die Koterie der Optimaten ihn, der im Interesse der Nobilität vorging, zu Fall gebracht habe, als sie sahn, daß ihm durch seine Anträge über das Bürgerrecht der

') II 5, 6 haec igitur mulUtudo primum malis moribus inbuta, deinde in artis vUasque varias dispalata, nullomodo inier se con- gruens, partim mihi idonea videtur ad capessendam rempublicam.

*) II 5, 6 ceterum additis novis civibus magna me spes tenet, fore tU omnes expergiscantur ad libertatem : qiiippe cum Ulis liber- tfltis retinendae, tum his servitutis amittendae cura orietur. hos ego censeo permixtos cum veteribus novo» in coloniis constituas; ita et res müitaris opulentior erit et plebs bonis negotiis impedita malum publicum facere desinet.

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8allu!<ts Sendschreiben an Caesar

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Italiker neue gewaltige Macht zufließen werde: „Da jeder von ihnen sich seiner schlechten und unzuverlässigen Gesinnung be- wußt war, beurteilten sie den Drusus nach sich selbst Um

so mehr mußt Du Sorge tragen, daß Du über treue Freunde und vielfache Schutzmittel verfügst."

Man sieht, wie die aristokratische Theorie in Ciceros Schrift über den Staat muß auch die der Demokratie große Abstriche von ihrem idealen Programm vornehmen und den realen Ver- hältnissen gewaltige Konzessionen machen. Eine wirkliche Volks- herrschaft ist eben so unmöglich geworden wie ein wahrhaft kollegiales Regiment der Nobilität; über beiden erhebt sich über- mächtig und für die Durchführung der Aufgaben des Staats un- entbehrlich die Einzelpersönlichkeit, so verschieden auch die Auffassung ist, nach der ihre Stellung gestaltet wird.

Zugleich erkennt Bailust die völlige Zersetzung des romischen, d. i. des italischen Volkes, ganz unumwunden an. Es ist nicht mehr imstande, seine Weltstellung zu behaupten : wenn es bleibt, wie es ist, muß es zugrunde gehn und Roms Schicksalsstunde hat geschlagen1). Nur durch umfassende Zuführung neuen, kräftigen Bluts aus den Untertanen kann es innerlich regeneriert*) und gerettet und damit die drohende Katastrophe abgewendet werden.

Auf die Einzelvorschläge, die Sallust über die Gestaltung des Senats, der Gerichte, der Wahlen macht, brauchen wir an dieser Stelle noch nicht einzugehn. Im Mittelpunkt seiner Ge- danken und Forderungen steht die Wiederherstellung der alten Zucht und Sitte, von deren Verfall, ganz wie in seinen historischen Schriften oder wie bei Polybios, mit dessen Theorie sich die Ideen Sallusts überhaupt aufs engste berühren, der Niedergaug des Staats hergeleitet wird; und dieser Verfall beruht wieder auf der Macht, die das Geld gewonnen hat. „Denn wo die Gier nach Reichtum Eingang gefunden hat, ist weder die Zucht noch die

•) Vgl. I 5. 2 f., b. unten 8. 391.

*) II 7, 2 ubi €08 (die Neubörger) in civitatem adduxeris . quo- niam quidem renovata plebs erit, eet. II 10, 1 nunc quoniam, sicuti mihi videor, de plebe renovanda corrigendaque satte dteserui.

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Caesar* Monarch!»

erworbene Berufsbildung noch irgend ein Charakter stark ge- nug1), zu verhindern, daß nicht der Geist früher oder spater, aber schließlich dennoch der Versuchung erliegt". Viele Staaten und Königreiche sind so zugrunde gegangen, die begründet wurden, als sie arm, aber tüchtig waren*). „Denn wo ein tüchtiger Mann sieht, daß ein schlechterer durch seinen Reichtum mehr Ruhm und Popularität gewonnen hat, schwankt er zuerst und wälzt die Gedanken in seiner Brust hin und her; allmählich aber besiegt der Ruhm die Ehre, der Wohlstand die Tüchtigkeit, und so lallt seine Gesinnung von dem Wahren zur Genußsucht ab; denn der Ruhm wird durch betriebsamen Fleiß genährt, fällt jener weg (führt jene Tätigkeit nicht zu Ansehn), so ist die Tugend an sich bitter und rauh. So werden, wo der Reichtum in Ansehn steht, alle guten Eigenschaften gering geschätzt, Treue, Rechtschafienheit, Scham, Keuschheit; denn der Weg zur Tugend ist steil, Geld aber kann man erstreben auf welchem Wege man will, man gewinnt ebensogut durch schlechte wie durch gute Mittel."

Die Grundforderuug, die Sallust stellt, ist daher, die Macht des Geldes zu brechen : ..Daher schaffe vor allem das Ansehn de» Geldes aus der Welt"::); „bei weitem das größte Gut wirst Du dem Vaterland für seine Bürger, Dir für Deine Kinder, ja über- haupt dem gesamten Menschengeschlecht schaffen, wenn Du dio Gier nach Geld überhaupt aufhebst oder wenigsten» soweit ein- schränkst, wie die Verhältnisse es gestatten, auf andre Weise läßt sich der Staat sowohl wie die eigenen Angelegenheiten weder im Frieden noch im Kriege regieren." Durch eine andre Ge- staltung der Wahlen und der Besetzung der Gerichte wir kommen darauf zurück - glaubt er das erreichen zu können. „So tritt neben das Geld die Würdigkeit, und jeder wird streben, den andern durch Tüchtigkeit zu überholen. Das halte ich für

') II 7, 4 neque diseiplina iitque artes bonae neque ingenium uUum »Otis poüet. Das hat Ballast bekanntlich an sich selbst erfuhren.

') imperia . . . quae per virtutem inopes ceperant. Vgl. schon den Abschloß des Werk» Herodots IX 122.

'-) II 7, 10 ergo in primis auetoritatem pecuniae demito.

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SnllosU Sendschreiben an Caesar

ein großes Heilmittel gegen den Reichtum; denn nach dem Nutzen, den es bringt, wird alle» gepriesen lind erstrebt. Durch den Lohn, den sie einbringt, wird die Schlechtigkeit gefördert; nimmt mun den Lohn weg, so ist kein Mensch ohne Entgelt schlecht. Die Habgier ist ja eine wilde, brutale, unerträgliche Bestie; wo sie hiudringt, verwüstet sie Stadt und Land, Heilig- tümer und Wohnungen, wirft göttliche und menschliche Dinge durcheinander, weder Heer noch Mauern können hindern, daß sie mit ihrer Gewalt durchdringt; sie raubt allen Sterblichen Ruf, Ehrbarkeit, Kinder, Heimat und Eltern. Aber wenn Du die Ehrung des Geldes beseitigst, wird diese gewaltige Macht der Habgier durch gute Sitten leicht besiegt werden. Freilich, obwohl alle Welt, gut und schlecht, weiß, daß es «ich so ver- hält, wirst Du mit der Koterie der Nobilität einen nicht geringen Kampf darüber zu bestehn haben. Kannst Du deren Intrigen eutgehn, so wird alles andre glatt verlaufen. Diese Leute aber würden, wenn ihre männlichen Eigenschaften dazu ausreichten1), lieber mit den Tüchtigen wetteifern, statt sie zu beneiden; da aber Trägheit und Kraftlosigkeit, Stumpfsein und Schlaffheit sie beherrscht, toben und neiden sie und erachten den guten Ruf andrer eine Schande für sich selbst."

Es sind unausfülirbare Gedanken und utopische Phantasien, die Sallust als Mittel für eine radikale Reform und Rückbildung zu den gesunden Zuständen der Vorzeit vorträgt; auch er steht unter der Einwirkung der Grundanschauung, welche die gesamte politische Theorie des Altertums seit Sokrates beherrscht und in Plato ihren vollendetsten Ausdruck gefunden hat, daß eine richtige Gesetzgebung die gesamten Lebensformen von Grund aus umgestalten und die geschichtlich gegebenen Bedingungen des Daseins sowie der Gestaltung der Gesellschaft aufheben könne eine Vorstellung, die ja auch in der Neuzeit und in der Gegenwart in Theorie und Praxis eine gewaltige Rolle spielt. Aber eben darum ist seine Schrift ein nur um so wert vollere»

') II 8, 7 st virüute satte valerent. mriius bildet er, am des eigentlichen Begriff der virtus klarer hervortreten so lassen.

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Caesars Monarchie

Zeugnis für die innere Zersetzung der Grundlagen, auf die der Staat der Republik aufgebaut war. An 8telle der Gleichheit der Lebensformen und Anschauungen und der dadurch ge- schaffenen inneren Homogenitat der Bürgerschaft war die indivi- dualistische Auflösung getreten, welche die Republik innerlich längst aufgehoben hatte und jetzt den Zusammenbruch des aus- gehöhlten und morsch gewordenen Gebäudes herrjeifährte. Und doch haftete an diesen Trümmern eine gewaltige Tradition von tiefem sittlichem Wert: unmöglich konnte man dies Ideal der Vergangenheit einfach beiseite stoßen, immer wieder erwächst •aus der Tiefe des Herzens das Streben, es zu retten, den alten Bau wiederherzustellen.

Caesars Maßregeln im Jahre 49

Auch Caesar hat später in seiner Sittengesetzgebung solchen Illusionen nachgegeben; aber in den eigentlich politischen Fragen lagen sie ihm ganz fern, hier war er der praktische Staatsmann, der mit scharfem Bück die realen Kräfte und Bedingungen er- kannte und nur mit ihnen rechnete. Schwerlich wird ihm Sallusts Schrift großen Eindruck gemacht haben, mochte er sie auch freundlich aufnehmen. Aber auch wenn er ihren Gedanken innerlich näher gestanden hätte, war es doch in der damaligen Lage völlig ausgeschlossen, daß er sich, wie Sallust forderte, .jetzt bereits dem Umbau des Staats zugewendet hätte. Wie die Dinge sich im Innern schließlich gestalten würden, ließ sich noch in keiner Weise absehn, ja schwerlich hat ihm damals schon eine bestimmte Anschauung über die Stellung vorgeschwebt, die er selbst in Zukunft einnehmen wollte; dachte er doch immer noch sehr ernstlich daran, den Krieg durch ein Abkommen mit Pompejus zu beenden. Dadurch wäre die absolute Monarchie, die er nach dem vollen Siege begründete, natürlich ausgeschlossen gewesen; offenbar sind die Gedanken, die er dann durchgeführt hat, in ihm erst allmählich aus der Gestaltung erwachsen, zu der die Entwicklung geführt hat. Zunächst war seine Aufgabe, den Krieg möglichst rasch mit derselben Energie wie bisher weiter zu führen und zu beenden.

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Caesars Maßregeln Ende 49 365

Aber allerdings lag auch im Innern eine Reihe dringender Aufgaben vor, die nicht länger unerledigt bleiben konnten. Vor allem galt es, dem Staat wieder ordnungsmäßige Beamte zu bestellen. So trat er, als er nach Bändigung und Bestrafung eines Aufruhrs der neunten Legion in Placentia zu Anfang Dezember (jul. Oktober) nach Rom zurückkehrte, die ihm über- tragene Dictatur an, ohne einen Magister equitum zu ernennen, und leitete die Wahlen, bei denen er selbst mit P. Servilius Isauricus zum Consul gewählt und die übrigen Magistraturen mit seinen Anhängern besetzt wurden. Die Verteilung der Ämter unter die Praetoren bestimmte er selbst, statt sie, wie herkömmlich, dem Los zu überlassen1); ebenso bestellte er die Statthalter für die in seinem Besitz befindlichen Provinzen2;. Mehrere gesetzgeberische Maßregeln wurden bereits vor seiner Ankunft in Rom von den Tribunen und Praetoren eingebracht und unter seiner Leitung angenommen, so Ausführungsbestim- mungen für die Regelung der Rechtsstellung und Rechtssprechung in der Cisalpina8), und vor allem die Restitution der unter der Herrschaft des Pompejus Verurteilten4), darunter auch des Gabinius, den Pompejus nicht hatte schützen können und der jetzt in Caesars Dienste trat; dagegen blieb sein alter Gegner

') Dio 42, 22, 2.

') Äppian II 48, 197.

') Vgl. oben S. 854.

*) Caesar civ. HI 1 itemque praetoribua tribunisque plebis roga- tiones ad populum ferentibus, nonnullos ambüus Pompeia lege dam- natos . . . <fi integrum restituit. Den Antrag mußten die Praetoren nnd Tribunen stellen, weil Caesar selbst keine Zeit hatte, da« Trinun- dinum einzuhalten. Die Annahme bewirkt er selbst, und tut sich nicht wenig darauf zugute, daß er Torher von ihren Diensten keinen Ge- brauch gemacht habe, also völlig korrekt verfahren sei. Cicero Phil. II 56. 98 sagt von Antonius: restituebat muUos calamitosos und macht ihm zum Vorwurf, daß er trotzdem seinen Oheim Gaius nicht zurück- berufen habe (aus Cicero entlehnt in der Rede bei Dio 45, 47. 46, 15). Mithin fallt das Gesetz noch in Antonius' Tribunat, vor den 10. De- zember: andere Verbannte mögen dann durch praetorizche Spezialgesetz* zurückberufen sein. Die Historiker schreiben diese Gesetze natürlich Caesar selbst zu (Dio 41, 86. Appian H 48. Plut. Caes. 87).

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366 Caesars Monarchie

Milo natürlich im Exil, aber auch Sextus Clodius, einer der ärgsten Unruhestifter1), und ebenso um des demokratischen Prin- zips willen Gaius Antonius, der Besieger Catilinas; erst ein paer Jahre spater gewährte Caesar ihm die Rückkehr-).

Weit größere Schwierigkeiten machte die Regulierung der (^Verhältnisse und der Schulden. Die Zustände waren ganz unhaltbar geworden, und die Tribunen hatten bereits ohne viel Erfolg durch Herabsetzung der Zinsen zu helfen gesucht8). Hier mußte Caesar eingreifen. Daß die Gedanken Sallusts un- ausführbar waren, leuchtete ein; aber ebenso lehnte Caesar einen Schuldenerlaß und eine allgemeine soziale Umwälzung ab, wie sie die Radikalen forderten. Er beschränkte sich darauf, kraft seiner magistratischen Amtsgewalt die Bestellung von Schiedsrichtern zu verordnen4), welche den Wert des unbeweg- lichen und beweglichen Vermögens nach dem Stande vor Aus- bruch des Bürgerkriegs abschätzen und so die Gläubiger in billiger Weise befriedigen sollten; außerdem bestimmte er mit Berufung auf ältere Gesetze, daß niemand mehr als fünf-

') Cic Att. XIV 18. 6. 13 A. 14, 2.

•) Cic. Phil. II 98. Strabo X 2, 18, Bekanntlich hatte Qbrigeiu Caesar diesen C. Antonius im Jahre 76 wegen seiner Erpressungen in Griechenland verklagt; es mag also eine persönliche Feindschaft hinzu- gekommen sein.

s) Dio 41, 87, 2: infolge der Schulden und der Geldnot hoaJux piv &Ktota, *oXX4 8t xcü &oX»pa *p6c atXX-r)Xoo< snparrov . . . tu*tpiao$Y) ulv xal xp6 tootoo *p©$ fcrjUÄpxwv ttv&v xato wü« toxoo«.

4) constituit ut arbitri darentur; per eon flerent aestimationes possessionum et rerum, quanii quaeque earum ante bellum fuissei, atqiie hae creditoribus traderentur Caes. civ. III 1. .Die Bestellung der arbitri erfolgte", schreibt E. Seckbi. mir. .durch die zuständigen Jurisdictionsbeamten. den praetor urbanus u. s. w., nicht durch Caesar «elbst Zu der Verordnung war er befugt, sie ist ein Dienst- befehl, den er kraft seiner maior potestas den magistratus minore poteMate erteilt." Ober den Inhalt der Verordnung stimmen Dio 41, 37 und App. II 48 mit Caesar überein (Plut. Caes. 87 begnügt sich mit der allgemeinen Wendung ouoaxfct? ttvl toxwv ixoötptC« tob; xP'(u'Pu^tac)> nur daß Dio c. 38 noch die weitere Anordnung über die Flüssigmachung des Geldes hinzufügt. Die bei Sueton 42 mit der Mafiregel des Jahres 49 verbundenen Anordnungen gehören in eine spätere Zeit

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Regulierung der Schulden

367

zehntausend Denare in Bargeld aufspeichern, sondern das übrige in Umlauf bringen müsse1), lehnte aber die Forderung, die Durch- führung dieser Maßregel dadurch zu erzwingen, daß die Sklaven darüber unter Gewährung einer Prämie zur Anzeige zugelassen würden, mit Entrüstung ab. So erwies er, daß er nicht gesonnen war, als Parteimann zu herrschen, sondern über den Parteien stehend ein gerechtes, die Ansprüche beider Seiten in billiger Weise ausgleichendes Regiment begründen wollte. Der in Rom durch die Sperrung der überseeischen Zufuhr durch die pom- pejanische Flotte drohenden Teuerung suchte er durch eine Getreideverteilung an die Plebs abzuhelfen*); den Versuch seines Schwiegervaters Piso dagegen, gestützt auf die Stimmung des Volks im Senat noch einmal die Entsendung einer Versöhnungs- gesandtechaft an Pompejus anzuregen, ließ er durch den de- signierten Consul Isauricus zu Fall bringen3}.

Alle diese Dinge, und ebenso die vorweggenommene Feier des latinischen Festes, hat Caesar in elf Tagen erledigt. Dann ging er, ohne den Antritt seines Consulats abzuwarten, etwa Mitte Dezember (Oktober) zur Armee; die letzten Gelder des Staatsschatzes und der eingeschmolzenen Weihegesohenke auf dem Kapitol nahm er mit4), um wenigstens die dringendsten finanziellen Bedürfnisse decken zu können. Auch Antonius begleitete ihn als Legat; das Regiment in Rom und Italien über- nahm jetzt ordnungsgemäß der Consul Servilius Isauricus, der Sohn seines Rivalen bei der Bewerbung um die Stellung des Pontifex maximus, der sich jedoch ganz an ihn angeschlossen hatte und auf den er sich verlassen konnte.

') Dio 41, 38. Tae. ann. VI 16: Im Jahre 83 werden sahireiche Anklagen erhoben in eoa, quipecunias faenore auctüabant adoersus legem diciatoris Caesaris, qua de modo credendi posHdendique intra Iialiam cavetur. Es ist sehr wahrscheinlich . daß Caesar die im Jahre 49 erlassene Verordnung später in seiner Gesetsgebung er- neuert hat.

.*) Nur bei Appian II 48 erwähnt: o^jmj» Xtfiumovtt ottov «siäcoxc. ») Plut. Caes. 37 (s. oben S. 350 , 3), vgl. Appian II 48 6 dt 8^ •Tnito (bei Caesars Weggang; aapomaXü»» oofiß-fjvoi Hofia-ni'?. «, Dio 41, 3».

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368

Caesars Monarchie

Wirren in Born während Caesars Abwesenheit

Die von Caesar ergriffenen Maßregeln haben, eben weil sie einen verständigen Mittelweg innehielten, keine Partei befriedigt. Die Glaubiger waren allerdings froh, daß sie ihr Kapital be- hielten; um so enttäuschter war die Masse der Schuldner und des anarchischen Pöbels1). So konnte M. Caelius, jetzt einer der

eine Ueßeiirevolution

zu erregen. So liederlich und gewissenlos er war, so wenig wohl fühlte er sich in seiner jetzigen Umgebung, nach seinem Emp- finden stand er durchaus auf seiten der Nobilität*}; überdies empfand er es bei seinen ungemessenen Ansprüchen als eine schwere Kränkung, daß Caesar die städtische Praetur nicht ihm, sondern dem Trebonius, einem seiner tüchtigsten Offiziere, verliehen hatte8). Zunächst versuchte er, die auf Caesars An- ordnungen beruhende Rechtsprechung des Trebonius in Schulden- sachen zu hindern; dann brachte er ein Gesetz ein, das ein Moratorium auf sechs Jahre in Aussicht nahm und überdies die Wohnungsmiete erließ4). Aber seine vor keiner Gewalttätigkeit zurückschreckende Agitation wurde in der Hauptstadt durch den Consul I&auricus unterdrückt, der Senat erließ den üblichen Be- schluß, der ihn zum Einschreiten aufforderte, und suspendierte

') Caelius schreibt an Cicero Anfang 48 in dem Brief VIII 17, in dem er seine Pläne andeutet: quod si timor vestrae crudelitalis non esset, eiecti iam pridetn hinc essemus. nam hic nunc praeter faene- ratore8 paucos nec homo nec ordo quisquam est nisi Pompeianus. equidem iam effeci, ut maxime plebs et, qui antea noster fuii, po- pulus vester esset, cur hoc? inquis. immo reliqua exspectute: vos invitos vincere coegero.

«) 8. den Brief VIII 17, wo er bedauert, daß er sich durch den Haß gegen Appius Claudius und die Freundschaft mit Curio zum An- schluß in hone perditam causam habe verleiten lassen; nam mihi sentio hon am mentem iracundia et amore ablatam . . . neque haec dico, quod diffldam huic causae, sed crede mihi, perire saiius est quam hos videre. Der Inhalt des Briefs ist Ton Drotuim II* $54 merk- würdig falsch wiedergegeben.

') Dio 42, 22.

«) Caesar ciy. III 20. Dio 42, 22.

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Unruhen de» Clodius and Milo

369

Caelius von seinem Amt; und als dieser dann in Italien einen Aufstand zu erregen suchte und sich zu dem Zweck mit dem aus seinem Exil herbeigekommenen Milo verband, fanden beide durch Caesars Truppen den Tod.

Bald darauf, am 9. August (7. Juni 48 julianisch), fiel bei Pharsaios die Entscheidung. Daß die Bevölkerung Italiens sich, so wenig sie auf Caesars Seite stand, auch in den entscheidungs- schweren Monaten, als seine Sache fast verzweifelt zu stehn schien, seiner Herrschaft gefügt hatte und der Versuch der Gegen- revolution gescheitert war, beruhte wesentlich darauf, daß die Optimaten und Pompejaner aus ihren Rachegelüsten kein Hehl machten und von ihnen, wenn sie siegten, ein furchtbares Blut* gericht und ein gründlicher Umsturz der Besitzverhältnisse wie unter Sulla mit Sicherheit in Aussicht stand, in schärfstem Kontrast zu Caesars wohlberechneter Milde. Nach dem Siege schickte Caesar den Antonius mit mehreren Legionen nach Italien, um es gegen einen Angriff der flüchtigen Republikaner zu sichern. Antonius ist etwa Ende Oktober (August) in Brundiaium ge- landet, kurz nachdem Cicero hier eingetroffen war. Dieser war nach der Schlacht nach Korkyra geflüchtet, hatte den Ober- befehl, den Cato ihm als dem ältesten der Consulare anbot, entsetzt abgelehnt und kein Hehl daraus gemacht, daß er jetzt seinen Frieden mit Caesar machen wolle. Der junge Gnaeus Pompe j iis und andere Heißsporne der Partei wollten ihn daher als Verräter umbringen; nur mit Mühe rettete ihm Cato das Leben und ermöglichte ihm die Flucht nach Brundisium1). Hier hat ihn Antonius verschont, obwohl er von Caesar noch nicht

') Plat. Cic. 89 Cato 54. Kine Andeutung dieser Vorginge findet sich in den Briefen an Terentia XIV 12 und an Atticus XIV 5, »owie pro Marc. 15. Er rechtfertigt sein Verhalten mit dem Blutdurst der Partei und der Abneigung, die barbarae gentes in den römischen Kampf hineinzuxiehn (Att. IX 6, 2. 7, S). Nachher kommen ihm dann die Skrupel Aber seinen Abfall und Übergang zu Caesar, nicht aus Ge- wi iiensbedenken, sondern weil er den Verlust seines Renommees und das Prekäre seiner Lage empfindet, falb die Republikaner doch noch in Afrika siegen (Att XI 7. 8, 10).

Meyer, Caesars MonaroWe 24

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370 Caesars Monarchie

begnadigt war1). In Rom dauerte es lange, bis man sichere Kunde von Caesars Sieg erhielt zumal da Caesar sich scheute, einen offiziellen Bericht über die Schlacht zu senden*) und seine Tragweite völlig übersah ; erst die Nachricht von Pompejus' Tod in Aegypten (28. September ^ 25. Juli) machte allen Zweifeln ein Ende3). Darauf wurde, kaum früher als gegen Bnde November1), Caesar auf Grund eines Gesetzes vom Consul Isauricus zum Dictator auf unbestimmte Zeit*) ernannt und ebenso, gegen das Staatsrecht, nach dem der Dictator ihn zu ernennen hat, Antonius zum Magister equitum bestellt; daher machte die Opposition, die sich an Caesar nicht heranwagen konnte, hier den Versuch, Einspruch zu erheben, die Augurn erklärten, das Reiterführeramt dürfe nicht länger als sechs Monate bekleidet werden, natürlich ohne Erfolg8). Die Bestellung der andern Beamten, mit Ausnahme der Tribunen und plebe- jischen Aedilen, wurde auf Caesars Rückkehr vertagt7). Im

') Cic. Phil. II 59 (vgl. 5) von Antonias: Victor e Thessalia Brun- disium cum legionibus revertisti. ibi me tum occidisü: magnum beneflciumf potuisse etrim faieor. Zur Chronologie s. O. E. Schmidt, Briefwechsel Cicero« 199 ff. 211.

*) Cic. Phil. XIV 23. Dio 42, 18, 1.

*) Dio 42, 17 ff.

*) Cicero schreibt Ober Pompejus' Tod an Atticus am 27. November, bat also die Nachricht kur* vorher erhalten. 0. E. Schmidt S. 211 f. setzt Caesars Ernennung viel zu früh, auf Mitte September, an.

h) Dios Angabe 42. 20, 3, er sei auf ein Jahr zum Dictator er- nannt (ebenso Plut. Caes. 51), ist bekanntlich falsch; die Münzen mit der Legende cos. teii. dict. iter. bewiesen, daß Caesars zweite Dictatur vom Ende 48 bis in sein drittes Consulat Anfang 46 gedauert hat. In dem Schreiben an die Sidonier (Juni 47) Jos. Ant. XIV 190 nennt sich Caesar aÄtoxp^ctwp nai apY.itptbc otxtatu»p xb itottpov, vgl. 192. 202.

•) Dio 42, 21. Daher behauptet Cicero Phil. II 62, er sei Caesare ignaro, cum esset ille Alexandreae, beneflcio amicorum eins zum mag. eq. bestellt Offiziell ist das richtig; tatsächlich bat Caesar natür- lich die Anordnung vorher getroffen, die jetzt in Rom nach seinen Weisungen ausgeführt wird. Sachlich ist daher Plutarchs Angabe Anton. 7 nicht unrichtig (irca r)jv vfzfjv (Katsap) 2txtdtt<up avayopeoOrtc ubxb- plv i&ta»x» üapvirYjtov, 'Avrumov ik fanap^ov iXouwo^ tl( "Ptuavjv fxtut]>tv.

7) Dio 42, 20, 4. 27, 1; vgl. die Pasten.

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Maßregeln nach der Schlacht bei Pharsalos

371

übrigen bemühte man sich, alle möglichen Ehren und Rechte auf Gaesar zu häufen, in der Absicht, wie Dio sagt, dadurch wenigstens den Schein zu wahren, als ob man noch aus eigenem Willen als Bürger handeln könne: ihm wurde das Consulat auf fünf Jahre zuerkannt das hat er nicht angenommen , femer ein Sitz auf der Tribunenbank. Das gegen Caesar gerichtete Gesetz vom Jahre 52, das ein fünfjähriges Intervall zwischen dem städtischen Amt und der Statthalterschaft eingeführt hatte, wurde aufgehoben, die Vergebung der praetorischen Provinzen wie schon im vorigen Jahr Caesar überlassen1). Weiter wurde ihm die Entscheidung über Krieg und Frieden ohne Befragung des Volks übertragen, und vor allem das Schicksal seiner Gegner, über das er tatsächlich bereits nach eigenem Ermessen entschied, auch rechtlich allein in seine Hand gelegt. Die Statuen des Sulla und Pompe jus an den Rostren waren schon vorher umgestürzt worden1).

Vom November (= September) 48 an hat Antonius bis zu Caesars Eintreffen in Rom Ende September (= Juli) 47 neun Monate lang unumschränkt in Italien geschaltet. Mit dem Schwerte umgürtet, im Purpurgewand, erschien er auch in der Stadt und leitete die Sitzungen des Senats wie die Götterfeste des Volks3). Mit der Einsetzung der Dictatur herrschte eben Kriegsrecht auch in der Hauptstadt, und da der Dictator ab-

') Dio 42, 20, 4. Die Consularprovinzen sind dagegen nach seiner Angabe unter die Consuln, d. i. Caesar and Isauricus, verlost worden. So mag diesem damals die Provinz Ada zugewiesen worden sein, die er im Jahre 46 verwaltet, während im Jahre 47 hier noch Caesars Legat Cn. Domitius Calvinus Statthalter ist und am Kriege gegen Pharnakes teilnimmt. Allerdings sollten gesetzlich die Consularprovinzen schon vor der Consulwahl bezeichnet werden; das wird aber 49 kaum ge- schehn sein, und kam für die eventuellen Consuln von 47 nicht in 'Be- tracht, da ja keine gewählt wurden.

*) Genaue, chronologisch bestimmte Angaben über die Beschlaase für Caesar verdanken wir hier wie sputer fast allein Dio, dessen An- gaben sich da, wo wir sie kontrollieren können , fast immer als richtig erweisen.

•) Dio 42, 27.

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Caesar* Monarchit-

wesend war, ging seine volle Macht auf den Magister equitum über. An Strafurteilen fehlte es nicht ; vor allem suchte Antonius Caesars Anordnung über die Herausgabe des baren Geldes energisch durchzuführen, und die dadurch veranlagten Kon- fiskationen, sowie die Einziehung des Vermögens verurteilter Gegner schaßten die dringend nötigen Mittel für den entleerten Staatsschatz und die Zahlungen an die Soldaten1). Die Städte Italiens wurden durch Garnisonen und Veteranenansiedlungen gesichert und von Antonius inspiziert2). Dabei erregte er all- gemeines Ärgernis durch das Gefolge von Dirnen und Possen- reißern, mit dem er wie früher umherzog, und durch seine wüsten Trinkgelage; daß er sich selbst auch sonst nicht vergaß und durch Erpressungen und Mordtaten seinem verschleuderten Ver- mögen aufhalf, wird kaum zu bezweifeln sein*).

Auf die, natürlich irrtümliche, Kunde, daß Cato und L. Me- t eil us, der Tribun des Jahres 49, nach Rom gekommen seien, erhielt er Ende November von Caesur die bestimmte Weisung, daß er das nicht dulden und überhaupt niemanden nach Italien laasen dürfe, dem Caesar nicht selbst die Erlaubnis gegeben habe4). Selbstverständlich mußte er diesen Befehl auch dem Cicero mitteilen; als dieser nachwies, daß Caesar dem Dolabella, Ciceros Schwiegersohn, der nach der Schlacht von Pharsalos nach Rom gegangen war und sich für 47 zum Tribun hatte wählen

') Cic. Phil. II 62 in urbe auri, argenti maximeque vini foeda direptw. Die Konfiskation des Weins ist natürlich eine Bosheit Ciceros ; die des Goldes und Silbers erklärt sich durch Caesars Verordnung.

*) Cic. 1. c Italiae rurtn^ percursatio eadem comiie mima; in oppida müitum crudelis et misera deduetio.

*) Cic. 1. c. quid ego istiiis decreta, quid rapinas, quid heredi- tatum possessionis datas, quid ereptas proferam? Daran schließt sich die Scene, daß er nach einem Gelage bei einer Amtshandlung auf dem Tribunal vor allem Volk gebrochen habe. Danach Plut Anton. 9. Dio 41, 27 «al f&p Apca-ral xal ßßpttc xal otpo-f«i «oXXai ifivovto, was vielleicht übertrieben ist.

*) Cic. Atfc. XI 7 (17. Dezember): die Anweisung stand offenbar in dem Brief, den Caesars Freigelassener Diochares aus Alezandria über- brachte, der um den 27. November in Rom eintraf (Att. XI 6, 7).

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Antonia«' Regiment in Italien

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lassen, gesagt habe, er solle Cicero auffordern, baldmöglichst nach Italien zu gehn, nahm er in dem Edikt, durch das er die Anordnung publizierte, Cicero und ebenso den pompejanischen Flottenführer D. Laelius, der nach Pharsalos den Angriff auf den Hafen von Brundisium aufgegeben hatte1) und sich jetzt wie so viele andere unterwarf, mit Namensnennung aus2). Cicero ist darüber sehr böse, da er sich dadurch bei den Pompejanern und Republikanern schwer kompromittiert fühlte3); aber wie hätte Antonius anders handeln können? Auch die Hoffnung, daß die am 10. Dezember antretenden neuen Tribunen (d. i. Dola- bella) die Sache mildern könnten, erfüllte sich nicht; vielmehr scheinen sie das Edikt durch ein Gesetz bestätigt zu haben4).

In Rom ist die erste Hälfte des Jahres mit den Unruhen er- füllt, welche Dolabella als Tribun erregte. Dieser hochadlige Lump glaubte die Gelegenheit, wo die Zukunft noch völlig im Dunkel lag, benutzen zu können, um eine selbständige politische Rolle zu spielen und dadurch zugleich seine drückende Schulden- last los zu werden. Als berufener Vertreter der Plebs, zu der er übergetreten war und die ihn gewählt hatte, erneuerte er die Agitation für die Erleichterung der Schulden ; die Unverletzlich- keit des Tribunen gab ihm eine festere Stellung als dem Caelius die Praetur. Seine Kollegen C. Asinius Pollio5) und vor allem

') Caesar civ. III 100.

s) Cic. 1. c. tum Wie edixit iia, ui me exciperet et Laelium no- ininatim, quod sane twllem; poterat enim sine nomine res ipsa ex- cipi. Bis dahin hatte Cicero gehofft, durch die Vermittlung des Oppins hnd Balbus ohne Schwierigkeit in seine im Frühjahr 49 eingenommene Stellung zurückkehren und auch seine Ansprüche auf den Triumph auf- recht erhalten zu können (Att. XI 6, 3. 7, 1. 8, 1); durch Antonius' neue Stellung wurde die Sachlage wesentlich verschoben.

J) Att. XI 7, 2 f. 9, 1. 14. 1. 15. 1. 2.

4) Att. XI 9, 1 (3. Januar 47) quid autem me iuvat, quod ante initum tribunatum veni, si ipsum quod veni nihil iuvat? iam quid »perein ab eo (Antonio), qui mihi amicus numquam fuit, cum iam lege sitn confectus et oppressus? Ob dies Gesetz mit dem von Dio 42, 20, 1 erwähnten identisch ist, dos Caesar das Recht gewahrte mit den Pompejanern ndvd' Zw rot* fiv «»tXi^rj} 3p&ooi, steht dahin.

») Nur Plut. Anton. 9 genannt. ÜberTrebelliua auch Cic. PhiL VI 1 1. X 22.

374

Caesars Monarchie

L. Trebelliua traten ihm entgegen, und noch einmal wurde Rom der Schauplatz erbitterter Kampfe zwischen den Tribunen und wüsten anarchischen Treibens. Beide Teile bewaffneten sich, und bald kam es in üblicher Weise zu Blutvergießen. Antonius versuchte, gestützt auf den Senat, der alle gesetzgeberischen Maßregeln vor Caesars Ankunft untersagte, die Unruhen zu unterdrücken; er verbot das Waffentragen in der Stadt und ließ sich und den übrigen Tribunen durch ein 8. C. ultimum da^ Recht geben, Truppen nach Rom zu legen. Zu Anfang hatte er zwischen beiden Parteien eine Mittelstellung einnehmen wollen, und gegen Trebellius den Vorwurf erhoben, er ziehe die Truppen auf seine Seite, greife also in die Militärgewalt ein; ein Ver- hältnis, das Dolabella mit Antonius' Frau der Tochter seines Oheims C. Antonius anknüpfte, trieb ihn dann auf die Seite des Trebellius1). Militärunruhen zwangen ihn, Rom zu verlassen ; er bestellte seinen mütterlichen Oheim L. Caesar (cos. 64, vgl. S. 295) zum Praefectus urbi. Der alte Mann besaß keine Autorität, und die Unruhen gingen weiter1), bis etwa Anfang Mai3) die Nach- richt vom Falle Alexandrias (27. März = 15. Januar) und der Beendigung des ägyptischen Kriegs nach Rom kam und die Tri- bunen zur Besinnung brachte. Als indessen Caesar noch immer nicht nach Rom kam und gar in den Krieg gegen Pharoakes zog, begannen sie von neuem die heftigsten Streitigkeiten, bei denen

') In der zweiten Philippica 99, in der Cioero Sympathie für C. An- tonius und Achtung vor Dolabella heuchelt, stellt er diese Beschuldi- gung natürlich als unbegründet hin: frequentistimo aenatu Kalendis Januariis (des Jahres 44) , sedenie patruo , hatte tibi cum Dolabella causam odii dicere ausus es, quod ab eo sorori (d. i. Cousine) et uxori tuae stuprum esse oblaium comperisses. Antonius hat seine Frau deshalb verstoßen, Plut. Anton. 9. Die Schwenkung in Antonius" Verhalten berichtet auch Dio 42, 29. Sl, der aber diesen Grund nicht erwähnt, sondern den Anlaß in der wachsenden Popularität Dolabella« findet.

*) Vgl. Cic. Att. XI 12. 4 (8. Mar«) : cum videas accessisse ad su- periores aegritudines praeclaras generi actiones. Ähnlich 14, 2. 15, $ (14. Mai).

*> Siehe 0. E. 8chmidt S. 222 f.

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Dolabellas Umtriebe. Konflikt mit Antonias 375

das Blutvergießen und die Brandstiftungen sich wiederholten, ja der Tempel der Vesta durch die Feuersbrunst bedroht wurde. Dolabella promulgierte jetzt seine Gesetze über die Schulden- tilgung und den Erlaß der Miete, die offenbar die Antrage des Caelius wiederholten, und verpflichtete sich, sie bis zu einem bestimmten Termin durchzubringen1); da Caesars Ankunft jetzt bald erwartet werden mußte, hielt er sich, wie Dio sagt, für verloren, und wollte wenigstens etwas Großes getan haben und nicht ruhmlos zugrunde gehn. Antonius, der inzwischen langst nach Rom zurückgekehrt war, ließ sich aufs neue durch den Senat absolute Vollmacht geben, zog noch weitere Truppen nach Rom, und als der Pöbel sich auf dem Forum verschauzte und zum Kampf rüstete, brach er bei Tagesanbruch vom Kapitol aus ein. Es kam zu einem großen Gemetzel, wie in der Zeit der Gracchen und des Saturninus; achthundert Bürger sollen er- schlagen sein. Die Tafeln mit den Gesetzesanträgen wurden zer- trümmert, mehrere der Unruhestifter vom tarpejischen Felsen herabgestürzt2). Dolabella selbst blieb unangetastet und setzte trotzdem seine Agitation weiter fort, während Antonius daa Forum besetzt hielt.

Diese Vorgänge waren nicht geeignet, Antonius' Stellung zu heben. Es kam hinzu, daß sein liederliches Leben und seine Gewalttätigkeiten die Besorgnis erregen mußten, Caesar selbst werde es noch ärger treiben. Gerade in den Kreisen der friedlichen Bürger und besseren Elemente, die sich Caesar ge- fügt hatten, erzeugten sie eine gedrückte Stimmung, die durch

!) Dio 42, 32 tobe yopiooc, tov tc n«pl Ttbv xptwv xal töv rctpl t&v svot- uiaiv , tv p*fjrj} «vi "«yjipa d-ipuv öires^"0- Cicero spricht am 9. Juli von den tabulae twvae seines Schwiegersohns und denkt ernstlich an die Scheidung seiner Tochter (Att. XI 23, 3). Danach scheint es, daß Dola- bella seine Gesetze wirklich erst jetzt eingebracht und vorher lediglich im allgemeinen für die Schuldner agitiert hat.

*) Dio 42, 32. Plut. Anton. 9. Liv. epit 118 inducUs a M. Antonio mag. eq. in urbem militibm ociingenti « plebe caesi sunt. Appian civ. H 92 sagt nur (Kouoap) Jtufröjuvo; sv 'Pinp/g otdoiv clyai xai 'Avttivtov töv Uicapxov aütoö rhv ifOp&v Ttpatiä <puXao3«iv, nivta fufrel? 'Ptip-^v

Y|lCtt*f l«J.

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CHe-^ar^ Monarchie

die anwachsende Macht der Republikaner in Afrika, sowie durch den Aufstand des Q. Cnssius Longinus in Spanien noch gesteigert wurde; man mußte darauf gefaßt sein, daß die Republikaner aus Afrika eher nach Italien kommen würden, als Caesar aus dem Orient1). So begreift es sich, daß den in Italien liegenden Soldaten der Kamm schwoll, zumal sie für die reichen ihnen versprochenen Belohnungen noch immer auf die Zukunft ver- tröstet wurden. Schon am 19. Januar schreibt Cicero von der unzuverlässigen Stimmung der in Campanien liegenden Legionen1), und wir sahen, wie Antonius deshalb mitten in den Wirren aus Rom fortgehn mußte. Als Mitte August (Anfang Juni) M. Qallius eintraf, um die Legionen nach Sicilien zu führen*) Caesar wollte von Griechenland aus unmittelbar dorthin und weiter nach Afrika gehn , brach der Militäraufstand aus; P. Sulla und Messalla, die ihnen den Befehl überbrachten, wurden von der zwölften Legion mit Steinwürfen empfangen ; sie und ebenso die zehnte Legion erklärten, nicht marschieren zu wollen, ehe sie ihre Belohnung erhalten hätten. Dem Sulla und Messalla blieb nichts übrig, als eilends zu Caesar zu gehn und ihm klar zu machen, daß er notwendig zunächst nach Italien kommen müsse4).

>) Cic. Att. XI 15, 1 (14. Mai); ferner 10, 2. 12. 3. 16, 1. 18, 1.

25, 8.

*) Zu den Africanae res hinzu accedü Hispania et alienata ltalia, legionum nec vis eadem nee voluntas, urbanae res perdiiae (Att. XI 10, 2).

s) Cic. Att. XI 20 erwähnt nein Eint reifen am 15. Augast (8. Juni) M. GcUliu8 Q.f.... venit ut legUmes in Siciliam traduceret; eo pro- iinus iturum Caesar em Patris.

*) Cic. Att. XI 21, 2 (25. August = 18. Juni): legio XII, ad quam primum Sulla venit, lapidibus egisse neminem dicitur; nuUam pu- tani 8e commoturam. iüum ( Caesar em) arbitrabantur proHnus Pa- tris in Siciliam (sc iturum J; sed si hoc ita est, huc veniat necesse est. Kurz danach 22, 2 : Sulla, ut opinor, cras erit hie (in Brundisium) cum Messalla; currunt ad ülum pulsi a müitibus , qui se negant tutquam (sc. ituros), nisi aeeeperint (die Auszahlung), ergo iüe huc veniet, quod non putabant, tarde quidem ... Pharnaces autetn, (pwquomodo aget, adferet moram.

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MilitüraulVtand. Caesars Rückkehr

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Caesars Bückkehr im Sommer 47

Inzwischen hatte Caesar gegen alle Erwartung den Krieg gegen Pharnakes bereits beendet, durch den Sieg bei Zela am 2. August (21. Mai), und eilte, nach rascher Ordnung der asia- tischen Verhältnisse, über Griechenland nach Italien. Den Plan, geradeswegs nach Sicilien zu gehn, hatte er natürlich aufgeben müssen; etwa am 24. September (11. Juli) landete er in Tarent1).

ver- lebt, hin und her schwankend zwischen der Angst vor Caesar und der vor einem Siege der Republikaner, voll Sorge um seinen durch sein Verhalten schwer gefährdeten Ruf, dazu geplagt durch Geldnöte und das daraus erwachsende Zerwürfnis mit seiner Gattin, das skandalöse öffentliche und private Treiben seines Schwiegersohns, dem den Scheidebrief zu schicken er doch nicht wagte, und durch den offenen Zwist mit seinem Bruder und Neffen, die ihm wegen seines Übertritts zu Pompejus schwere Vorwürfe machten und die Gnade des Siegers aufgesucht und gefunden hatten. Auch er selbst hatte Anfang März an diesen geschrieben2) und durch seinen Freund C. Cassius, als dieser zu Caesar übergetreten war*), und ebenso durch andre eine Ver- mittlung herbeizuführen versucht. Aber Caesar wußte viel zu gut, welchen Wert es für ihn haben würde, Cicero auf seine Seite zu ziehn: er wollte ihn mürbe machen, »ber nicht strafen. Einen freundlichen Brief Caesars vom 11. Februar, den Atticus ihm Ende Mai zuschickte, hielt er allerdings für gefälscht4); aber am 12. August erhielt er endlich ein lange erwartetes Schreiben, das die Klärung brachte. Caesar gewährte ihm nicht nur volle Verzeihung, sondern erkannte ihn als Imperator an*). Ein Brief

') Für das Datum b. 0. E. Schmidt S. 226. x *l Att. XI 12, 2.

3) fam. XV 15; vgl. Att. XI 18, 1. 15, 2.

*i Att. XI 16, 1. 17. 8, vgl. 0. K. ScmiroT S. 222 ff.

*) An Terentia fan>. XIV 23. und Ober den Inhalt pro Ligar. 7 (Caesar) ad me ex Aegypto Utteras misit, ut eisern idein qui fnis- sem; qui cum ipse Imperator in tote imperio popull Romani unus

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Ciliare Monarchie

des Brutus aus Asien, der ihm Mut zusprach, stärkte sein Ver- trauen noch weiter1). Als Caesar in Tarent gelandet war, ging er ihm entgegen; Caesar stieg sofort ab und nahm ihn eine weite Strecke mit sich2). Er mochte hoffen, ihn jetzt wirklich für sich gewonnen zu haben: Cicero hätte das höchste Ziel seines Ehrgeizes, den Triumph, erreichen können, wenn er sich willenlos gefugt hätte3).

In Rom hörten auf die Kunde, daß Caeaun komme, die Un- ruhen natürlich auf; er allein hatte jetzt zu entscheiden. Die Forderung einer Schuldentilgung lehnte er auch diezmal nach- drücklich ab: auch er selbst müsse, da er Bein Vermögen im Dienste des Staats zugesetzt habe, Gelder aufnehmen«). Aber er erkannte an, daß die Notlage ein weiteres Entgegenkommen erheische; so verordnete er, über die Verfügungen von 49 hinaus- gehend, daß von dem nach dem Stande vor dem Kriege ein- geschätzten Vermögen, aus dem die Schuldner ihre Verpflich- tungen decken sollten, die seither gezahlten oder angewiesenen Zinsen abgezogen werden dürften; dadurch verloren die Gläubiger etwa ein Viertel der ausstehenden Forderungen»). Außerdem

esset, esse me aüerum passus est. C. Pausa bringt ihm die Botschaft die fa&ces laureaii zu behalten , quoad tenendos putavi. Ferner pro Deiot. 88 iubee eum (Deiotarum) bene sperare et bono esse animo, quod scio te non frusira scribere solere ; memini enim isdem fere verbU ad me te scribere meque tttis litteris bene eperare non frwttra esse iussum; vgl. weiter O. E. Schmidt S. 228 ff.

') Cic Brat. 11. 830.

*) Plut. Cic. 89.

') Vgl. 8. 377, 5. Cicero hat die Lictoren, mit denen er bis dahin herumzog, wohl bei der Rückkehr nach Rom entlassen. Sie kosteten zuviel, und hätten ihm anch das Betreten der Stadt und seines Hause* unmöglich gemacht.

*) Bio 42, 50, 8 f.

4) Sueton Caes. 42. Dio 42, 51 erwähnt die Schuldenordnung von 47, die von der des Jahres 49 tu scheiden ist, gibt aber das von Sueton bewahrte Detail nicht. Ferner Cic. de off. II 84, *. S. 879, 2. Eine Anspielung darauf findet sich in dem Brief an Atticna XII 28, 3 vom Marz 45: Si Castricius pro maiicipHs peamiam aeeipere volet eam- que ita [so Ttrell für ei] solvi, ut nunc solvitur, certe nihil

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Neue Schuldenordnung. Bruch Caesars mit Antonius

im

wurden die Wohnungsmieten in Rom bis auf 2000, in Italien sogar bis auf 500 Sestertien auf ein Jahr erlassen1). Natürlich fühlten sich die Kapitalisten durch diese Maßregeln geschädigt, wenn sie sich auch fügen mußten: „Als Sieger," schreibt Cicero nach Caesars Ermordung*), „hat er die Absichten, die er als Genosse Catilinas im Jahre 63 gehegt hatte, durchgeführt, ob- wohl er selbst kein persönliches Interesse mehr daran hatte; so groß war in ihm die Lust zu sündigen, daß eben dies Sündigen ihn ergötzte, auch wenn ein Anlaß dazu fehlte."

Von Strafgerichten über die Ruhestörer sah Caesar auch dies- mal ab, ja er nahm den Ifolabella gegen dessen eigene Erwartung nicht nur gnädig auf, sondern hat ihn alsbald wieder zu einem seiner Vertrauten gemacht und seine Laufbahn nach Kräften gefördert. Es scheint, daß Dolabella, trotz all seiner Verkommen- heit, doch nicht ohne Begabung war, und daß Caesar in ihm einen Ersatz für den freilich ungleich höher stehenden Curio zu finden glaubte; hatte er es doch in seiner Jugend auch kaum anders getrieben. Dagegen hat er den Antonius fallen lassen. Zwar scheint er sein Amt noch bis ins nächste Jahr hinein be- halten zu haben, obwohl wir von irgendwelcher Tätigkeit in dem- selben nichts mehr erfahren. Aber er wurde völlig kalt gestellt, bei der weiteren Ämterverteilung demonstrativ übergangen, und durfte, anders als sein begünstigter Gegner, Caesar weder nach

est commodius. Auch Ciceros Äußerung an Paetus im Sommer 46 fam. IX 16, 7 nunc, cum tarn aequo animo bona perdas wird wohl mit Becht auf die Verloste bezogen, die Paetus dadurch erlitten hat. Zahlung einer Schuld durch Abtretung eines nach seinem ursprttng liehen Wert abgeschätzten Grundstücks Cic. fam. XIII 8, 2 (a M. La- berio C. Albinius praedia in aestimationem aeeepit).

l) Dio 42, 51 xb ivouuöv, 5oov iwvtauoouu; SpaxfiA« (2000 sest.) tjv maotoß 4v4c, &<p»ts. Sueton Caes. 38 annuam etiam habitationem Romae usque ad bina müia nummum, in Italia non ultra qtdngenos sestertios remisif.

*) de off. II 84 at vero hic nunc victor, tum quidem victus, quw cogitarat, ea perfecü, cum eins tarn nihil inter esset; tanla in eo peccandi libido fuit, ut hoc ipsum eum delectaret peccare, etiam ei causa non esset.

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380

Caesars Monarchie

Afrika noch nach Spanien begleiten. Mit all den schönen Hoff- nungen, mit denen er sich getragen hatte er hatte sich ein- gebildet, Caesar werde ihn im Testament adoptieren und zum Erben einsetzen1) , war es vorbei, und als Antonius bei der Auktion das Haus des Pompe jus erstand und mit der Zahlung des Kaufpreises zögerte, ging Caesar ganz energisch gegen ihn vor; so kam es zu vollem, offenkundigem Bruch*). Das Motiv wird nicht angegeben. An dein wüsten Treiben des Antonius hat Caesar schwerlich viel Anstoß genommen; wohl aber dürfen wir vermuten, daß er mit der Art, wie er die städtischen Un- ruhen behandelt hatte, nicht zufrieden war, vor allem aber ihm zum Vorwurf machte, daß er es nicht verstanden hatte, die Soldaten im Zaum zu halten.

Weitere gesetzgeberische Maßregeln von Bedeutung hat Caesar in den zweieinhalb Monaten, die er in Italien geblieben ist, nicht eingeführt. Wohl aber nahm er, vor allem, um seinen Anhängern eine amtliche Stellung zu verschaffen und sie für die Statthalter- schaften verwenden zu können, die Wahlen noch für den Rest des laufenden Jahres und für das folgende vor, und ließ zugleich die Zahl der Praetoren vom nächsten Jahr an von acht auf zehn erhöhen und den Kollegien der Pontifices, Augurn und Quin- decemvim eine weitere Stelle hinzufügen damals wird auch er zum Augur cooptiert worden sein, wodurch ihm ein weiterer entscheidender Einfluß auf die staatsrechtlich nicht unwichtige Behandlung der sakralen Vorschriften ermöglicht wurde. Unter

>) Cic. Phil. II 71 testamento, ut dicehas, flliwt. Bei Nikolaos Dam. vit. Caes. 21 fin. wird diese Notiz in einer Tradition (Etspoc X.670C) in« Jahr 44 versetzt nnd als Motiv fQr das Angebot des Diadems bei den Luperealien benutzt: ixtivtf jiiv, ü>c 7t $1x0, x«ptC»»*«t ßooX6u*vo{,

*) Cic Phil. II 64 ff. Plut. Anton. 10. Bei Plut. Caes. 51 -Jjv «k abxob oioßoXvj koI 4j AoXaßiXXa fiavta xal 4) 'Au.a[v]ttoo ftXap-ppta xal ps&üuiv 'Avtümot xat [Kop<ptvioc] rijv Xlo\xn-r\ioQ oiut>ujpoü{isvo<; olu(av xa't jwrotxo^ofKöv tu( l*av*)v ob* ouoav steckt in Kopcplvto«; eine meines Wissens noch nicht gehobene Corruptel. Das Auftreten des Amatins als an- geblichen Nachkommens des Marius fallt ins Jahr 45, e. Cic Att XII 49. Nie Dam. vit Caes. 14.

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Wahlen für 47 und 46

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andern ist damals der von seiner verunglückten Expedition nach Ulyrien (8. 357, 3) zurückgekehrte Sallust durch die Ernennung zum Praetor wieder in den Senat aufgenommen worden1). Weiter wurde der Senat durch Aufnahme von Rittern und Genturionen ergänzt. Zu Consuln ließ Caesar für den Rest des Jahres zwei semer bewährtesten Anhänger, Fufius Calenus und Vatinius, wählen*), wahrend für das Jahr 46 er selbst das Consulat über- nahm, zusammen mit Lepidus3), der jetzt in die Rolle des Antonius trat, so wenig brauchbar er sich auch gerade zuletzt wieder als Statthalter in Spanien gezeigt hatte. Strafurteue über die Besiegten unterblieben auch diesmal, vielmehr hatten nicht wenige derer, die sich ihm im Orient unterworfen hatten, jetzt naoh Rom zurückkehren können, so auch Servius Sulpicius Rufus und die Schar Republikaner, die sich in Griechenland

') Dio 41, 52, 2. In der Antwort auf Sallusts Invektive gegen Cicero wird § 17 f. mit Unrecht behauptet, daß er a Victore, qui exsules re~ duxit [zu denen Sallust nicht gehört], in senatum per quaesturam redudus est; nachher sei er dann Praetor geworden.

*) Grocbe bei Drümani« III 509 , 9 führt mit Recht die Tessera CIL I 785 (1 * 9S9), nach der beide schon am 16. November im Amt waren, gegen die herrschende Ansicht an, daß sie nar wenige Tage im Amt gewesen seien, die sich auf Dio 42 , 55 , 4 (Siccctot iic; iiö'.y a6toü faco8ttx*ivtt<;) und Cicero» Witz bei Macrob. II 8, 5 stützt: magnum ostentum anno Vatinii factum est, quod ülo consule nec bruma nec ver nec aestas nec autumnus fuit, eine Behauptung, die für die bruma auch dann zutreffend bleibt, wenn er schon etwa am 1. November (17. August) das Consulat antrat, da der 1. Januar (14. Oktober) lange vor die Winter- sonnenwende fiel : eine Übertreibung liegt dagegen in autumnus. Übri- gens folgt aus bell. Afr. 10, 1 keineswegs, daß Vatinius Caesar nach Afrika begleitet hat; die Consuln blieben vielmehr zweifellos in Rom und gingen dann im Frühjahr in ihre Provinzen. Wenn am 13. De- zember dieses Jahres nicht die Consuln, sondern der Praetor L. Va- lerius L. f. die Senatssitzung im templum Concordiae halt, in der ein Beschluß für die Juden gefaßt wird (Jos. Ant. XIV 8, 5, 145, vgl. Mommseh , Ges. 8chr. IV 146 ff. und jetzt Täubler, Imperium Romanum I 160. 168 ff.), so müssen die Consuln aus irgendeinem unbekannten Grunde von Rom abwesend gewesen sein.

») Teesera vom 1. Februar C. Caes. M. Lep. CIL. I 786 (I 940); vom 18. November C. Jul. M. Aem. ib. 737 (I * 941).

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Caesars Monarchie

gesammelt und dort Caesar» Entscheidung abgewartet hatte1). Wohl aber wurden die Rechte der begnadigten Gegner durch ein von Hirt ins, einem der für 46 ernannten Praetoren, ein- gebrachtes Gesetz beschränkt*). Die Besitzungen der Gefallenen, so das Haus des Pompe jus, wurden öffentlich versteigert; und diejenigen, welche wie Antonius glaubten, der Zahlung des Kauf- preises entgehn zu können, wie einst unter Sulla, sahen sich bitter enttäuscht. Caesar brauchte dringend Geld, und sah sich genötigt, zur weiteren Füllung seiner Kasse „freiwillige" An- leihen von Städten und reichen Privatleuten in großem Umfang zu erheben3).

Die schwierigste Aufgabe war die Bändigung der Militär- revolte. Als Caesar den Praetor Sallust mit großen Ver- sprechungen, tausend Denare für den Mann Geld konnte er nicht zahlen , zu ihnen nach Campanien schickte, entging dieser nur mit Mühe dem Tode; andre Abgesandte, darunter zwei gewesene Praetoren, wurden erschlagen4). Wie die Legionen dann nach Rom zogen und auf dem Marsfelde lagerten, und wie es Caesar gelang, durch ein psychologisches Meisterstück die Meuterer völlig umzustimmen und zu unbedingtem Gehorsam zurückzuführen, ist allbekannt.

Um den 1. Dezember 47 hat Caesar Rom verlassen; am 17. Dezember (1. Oktober) traf er in Lilybaeum ein, am 25. (9. Oktober) ging er nach Afrika in See*). Von Vorgängen in Rom in der Zeit seiner Abwesenheit hören wir nichts; in das

') Cic Att. XI 7, 4. 14, 1. 15f 1. 16, l f. 25, 2. fam. XV 15, 2. XIII 29, 2.

*) Cic Phil. XIII 32 ans einem Brief des Antonios an seine Gegner (Marz 48): neminem l'ompeianum, qui vivai, teneri lege Hirtia dicti- Uitis. Genaueres Uber dies Gesetz wissen wir nicht, ebensowenig, ob die rogatio Hirtia in dem Fragment CIL 1 627 (I * 604) hierhergehört Daß Hirtios im Jahre 46 Praetor war. zeigt eine Goldmünze mit den Legenden C. Caesar cos. ter. und A. Hirtius pr. (Coubh, monnaies de rempire I p. 7 no. 2).

*) Dio 42, 50.

*) Dio 42, 53. Appian II 92. ») bell. Afr. 1. 2.

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Ca«*ar in Italien (Herbet 47). Cicero und Brutus

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Schwanken der Stimmung, wie es die wechselnden Nachrichten vom Kriegsschauplatz erzeugten, gewährt Cicero« Korrespondenz aus dieser Zeit einigen Einblick. Mit Caesars Vertretern in Rom, Baibus, Oppins, Hirtius u. a., behielt er Fühlung, letzterem und dem nach der Schlacht bei Thapsus heimgekehrten Dolabella crab er im Juh 46 auf dem Tusculanum rhetorischen Unterricht, und Atticus diente ihm nach wie vor als Mittelsmann i im übrigen zog er sich ganz auf die literarische Tätigkeit zurück. Enge Fühlung suchte er mit Brutus, der ihn durch seinen Brief ans Asien aus der verzweifelten Stimmung in Brundisium auf- gerüttelt hatte. Mehr und mehr klammerten sich seine Hoffnungen für die Zukunft an diesen, namentlich seitdem er in seiner Cicero gewidmeten Schrift de virtote, die Anfang des Jahres 46 er- schienen sein muß, sich trotz des Anschlusses an Caesar zu den römischen Idealen bekannt und den M. Marcellus verherrlicht hatte ; er hatte diesen im Exil in Mytilene aufgesucht, während Caesar, wie Brutus berichtete, an ihm vorbeigefahren war, weil er sich beschämt fühlte, einen solchen Mann im Un- glück zu sehn1). Seitdem drängte Cicero sich ihm, der dann im Juni (April) 46 als Statthalter nach der Cisalpina ging2), geradezu auf, und schrieb für ihn ein Werk nach dem andern, zunächst die Geschichte der römischen Beredsamkeit (Brutus), dann den Oraior. Namentlich im Brutus macht er aus seiner Stimmung, aus seiner Trauer über den Untergang der Republik und der Sorge um die Zukunft kein Hehl*); auch Brutus* Urteil über Marcellus hat er in seine Schrift aufgenommen4). An ihn schließt sich, noch vor dem Oraior, die Abfassung des Calo, der in ihrer Tendenz durchaus gegen Caesar gerichteten Lobschrift

') Cic. Se fin. I 8. TW. V 1. Seneca cons. ad Helviam 8, 4. 9, 5—10.

») Vgl. Orator 84.

») equidem doleo ... in hanc rei publicae noctem incidisse, Brot. 830; süeamus deistis, ne augeamm dolorem, nam etpraeteri- iorum recordaüoeat acerbaet acerbior exspectatio reliquo- rum 266.

4) Brut. 25a

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Caesars Monarchie

auf den Heros der Republik1). Ein anschauliches Bild der Lage kurz vor Caesars Rückkehr, etwa Anfang Juli 46, gewährt ein Brief Ciceros an den in Neapel lebenden Paetus (fam. IX. 16). Mit Caesars Agenten steht er gut, von Caesar selbst hat er nichts zu fürchten, „außer das, wo der Rechtsboden einmal verlassen ist, alles unsicher ist und man für die Zukunft, die in eines Andern Willen, um nicht zu sagen Willkür liegt, keine Garantie über- nehmen kann". Er sucht alles zu vermeiden, was bei den Macht- habern Anstoß erregen kann; bedenklich sind nur die vielen Witzworte, die von Cicero kolportiert werden, und über die an Caesar mit den übrigen Akten auf seinen Befehl genau berichtet wird; und Caesar ist ein Kenner*), der zu beurteilen versteht, ob ein solches Wort wirklich von Cicero stammt. „So bleibt nur übrig, daß ich nichts leichtfertig gegen die Machthaber sage oder tue, was denn auoh dem Verhalten eines wahren Weisen entspricht." Im übrigen tröstet er sich mit den griechischen Weisen, die in Athen oder Syrakus eine Königsherrschaft er- tragen und sich dabei ihre Selbständigkeit und innere Freiheit gewahrt haben*).

Beendigung des Bürgerkriegs. Caesars Triumphe

Auf die Kunde von dem Siege bei Thapsus (6. April =7. Fe- bruar 46) beschloß der Senat eine lange Reihe weiterer Ehrungen

') Vgl. Att XII 4, Mitte Juni (0. E. Schmidt S. 240 ff.) sed de Ca- tone itpoßXfjpwi y kpxi^fittov ^st; non adsequor, quod tui convivae { Baibus usw.) non modo Hbenter, sed etiam aequo animo legere pos-

:) Wie Cicero bemerkt, hat Caesar seibat Volumina &Ko<pd*YfL<xtcov ▼erfaßt; es sind die dicta collect a?tea bei Sueton Caea. 56, die spater, wie andere Jugendarbeiten Caesars (Landes Herculis und eine Tra- gödie Oedipus), von August us unterdrückt worden sind. Eine Samm- lung von Ciceros facetiae hat kurz vorher sein Freund Trebonius, da- mals ein eifriger Caesarianer, verfaßt und ihm Ende 47 zugesandt, fam. XV 21 ; später sind sie bekanntlich von Tiro gesammelt worden (Macrob. II 1, 12), auf den die Auszüge bei Macrob. II 3. VII 3 zurückgehn?

*) fam. IX 16, vgl. 18 und aus derselben Zeit VII 3 an Marius, VII 88 an Volumnius, u. a.

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Caesars dritte Dictatur

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für Caesar, ein vierzigtägiges Siegeafest, einen dauernden Ehren - sitz auf der Bella curulis, die Einsetzung seines Namens statt des Catulus in der Weihinschrift des capitolinischen Tempels (vgl. S. 40), einen Siegeswagen und eine eherne Statue im Juppiter- tempel, der die Weltkugel zu Füßen lag, wie die Athener im Jahre 290 den Gott Demetrios malten1); die Weihinschrift, die Caesar später tilgen ließ, sollte ihn als Halbgott bezeichnen2). Bedeutsamer war, daß ihm, außer der Besetzung der Ämter, von neuem die Dictatur, und zwar jetzt als Jahramt auf zehn Jahre, mit 72 Lictoren, je 24 für die beiden früheren und die jetzt neu übernommene, und daneben die Aufsicht über die Sitten (praefectwa morwri), also die Kontrolle des Privatlebens der gesamten Bürgerschaft, auf drei Jahre übertragen wurde. Seitdem hat Caesar die Dictatur als Jahramt, neben dem Con- sulat, übernommen, und datiert dies Jahr fortan als seine dritte Dictatur; zum Magister equitum bestellte er an Stelle des Antonius den Lepidus3).

Am 25. Juli (26. Mai) traf Caesar in Rom ein4), an der Spitze seiner siegreichen Armee, die jetzt der Belohnung und Entlassung entgegensah, mit unermeßlichen Geldsummen, wie sie die Beute und die Ehrengeschenke und goldenen Kränze ergaben, die er von allen Seiten empfangen hatte6). Mit dem Sieg über die Republikaner in Afrika war der Bürgerkrieg zu Ende daß

') Duris fr. 81. = Plut. Demetr. 41.

*) Dio 43, 14, 6. 21, 2; wie lautet -fyudtos lateinisch?

*) Dio 48, 14. Über Caesars dritte Dictatur, die Dio 48, 1 falsch- lich schon am 1. Januar beginnen läßt, s. Ganter, Die Dictaturen Cae- sars, Z. f. Numism. XIX 1895, 188 ff., der die Fragen endgültig gelöst bat, vgl. oben S. 870, 5.

♦) bell. Atr 98.

*) Nach Appian betrugen die beim Triumph vorgeführten Summen 65000 Talente = 890 Millionen Drachmen oder Denare (in unserem Gelde etwa 850 Millionen Mark), dazu 2822 goldene Kränze im Gewicht von 20414 Pfund (etwa 6800 kg), nach dem damaligen niedrigen Gold- wert (Sueton Caes. 54) gleich rund 15 7j Mill. Denaren. Vellejus II 56 gibt als Gesamtbetrag der Beutegelder einschließlich der spanischen weit über 600 Mill. Sestertien (150 Mill. Denare).

Mayer, Casars Monarchie 25

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Caesars Monarchie

Pompejus* Söhne den Versuch machten, sich in Spanien noch wieder eine Macht zu gründen, und daß seit Anfang des Jahres Oaecilius Bassus in Syrien einen Aufstand erregt hatte, konnte einstweilen als irrelevant gelten. Gatos Selbstmord erschien aller Welt als ein Symbol für den Tod der Republik; der römische Staat und sein gesamter Machtbereich lag fortan willenlos dem Sieger zu Füßen. So konnte Caesar jetzt, als Abschluß der Kriege, im September seine vier Triumphe feiern, über Gallien, Aegypten, Pontus und Numidien. Daran schlössen sich un- geheure Geschenke sowohl an die Soldaten wie an das Stadt- volk, die die früher gemachten Versprechungen noch übertrafen, für jeden Soldaten außer den Landanweisungen für die Veteranen 5000 Denare, für die Centurionen das Doppelte, die höheren Offiziere das Vierfache, für jeden Bürger der Hauptstadt 100 Denare, dazu Getreide und 01; weiter eine Bewirtung des Volkes, Wettrennen, Schauspiele u. ä., und gigantische Gladia- torenspiele, bei denen ganze Armeen zu Fuß und zu Roß nebst vierzig Elefanten gegeneinander kämpften, Tierhetzen und eine Seeschlacht, als nachträgliche Leichenfeier für seine im Jahre 54 gestorbene Tochter Julia, die Gemahlin des Pompejus. Die Kämpfer waren Verbrecher und Gefangene; die Beteiligung von Senatoren, die dabei ihre Fechtkunst zeigen wollten, untersagte er; Rittern wurde es gestattet1). Das Blutvergießen und die Verschwendung waren so ungeheuer, daß es selbst den Römern zuviel wurde*). Auch sonst kam mancherlei dabei vor, was An-

*) Dio 48, 28, 5 xcu tivt? xeü t<iv Irowwv ooy 8tt t&v äXXcdv, &XX* *at lotpar*iY^l*ow? *ivo<; äv&pö< olb$ »fiovo|wtxirjo»v . *al ßouXtoTijs Ii ti< 4>o- Xooio; £ttivo< 4)diX-^a« yiv önXofia^oat , liu»X6<hj Ii * ixttvo ulv f dp iirt\(h iato b Kaioap frqtcott oufiß-rjvai, toö? V litic»o<; mptttftt |tet)ropivoo<;. Dieser Fulvius Setinaß ist wohl identisch mit Furios Leptinus bei Sueton Caes. 89, den er zugleich als den Sohn eines Praetoriers beaeichnet and ▼on dem er behauptet, daß er ebenso wie ein ehemaliger Senator Cal- penus (der also wohl yon den Censoren des Jahres 50 aus dem Senat gestoßen war) gekämpft habe : munere in foro depufftiavü Furius Le- ptinus Stirpe praetoria et Q. Calpenus, Senator quondam actorque causarum. Wer von den beiden recht hat, ist nicht zu sagen.

») Dio 48, 24.

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Caesars Triumphe. Der Mimue den Laberius 387

stoß erregte, so daß, wenn auoh über die besiegten Bürger kein Triumph gefeiert ward, doch die Szenen aus dem Kriege in Afrika , der Selbstmord des Cato und des Metellus Seipio u. ä., neben den Vorgängen in Aegypten im Bilde vorgeführt wurden. Besonders schmerzlich empfand man, daß Caesar ganz gegen die römische Sitte den Wunsch aussprach, der Mimendichter D. Laberius möge bei seinen Spielen auf der Bühne auftreten, was ihm seine Ritter- würde nicht erlaubte, und sich mit dem von Caesar protegierten Publilius Syrus messen, ein Wunsch, dem Laberius sich nicht entziehen zu können bekannte1). Caesar hat dem Publilius den Sieg zuerkannt, aber dem Laberius den Ritterring, den er durch sein Auftreten auf der Bühne verloren hatte, zurückgegeben, so daß er wieder auf den Ritterbänken Platz nehmen konnte, und ihn mit 500000 Sestertien belohnt1). So unbedeutend der Vorgang an sich war, so tiefen Eindruck hat er gemacht: er führte den Römern das Wesen der Monarchie und die Notwendigkeit, sich den Launen des Einen zu fügen, drastisch vor Augen. Das be- zeugen ebensowohl Ciceros Äußerungen3), wie der Nachhall des Vorgangs in der Literatur der Kaiserzeit.

') In seinem Prolog bei Macrob. II 7 , 8 (ans dem verlorenen Be- richt bei Gellius VIII 15 übernommen) sagt Laberia«, viri exceUcntis mente demente edita summissa placide blandüoquens oratio habe ihn auf »eine alten Tage dazu gezwungen; et enim ipei di negare cui nihil potuerunt, hominem me denegare quis posset pati? Er rächt sich durch die bekannten Verse porro Quirites libertatem perdimus und necesse est multos titneat quem tnulti Urnen t (Macrob. 1. c. Seneca de ira II 11, 3).

*) Macrob. 1. c. (Vgl. die Nachahmung durch den jüngeren Baibus in Gades im Jahre 43. Asinius Pollio Cic. fam. X 82, 2). Daran schließen die bekannten Anekdoten von den Bosheiten, die Cicero und Laberius miteinander austauschen: Seneca controv. VII 3, 9. Macrob. II 3, 10 = VII 8, 8. Die Begünstigung des Publilius durch Caesar erwähnt auch Gellius XVII 14.

') Cicero schreibt an Cornificius fam. XII 18, 2 equidem sie iam obdurui, ut ludis Caesaris nostri animo aequissimo videam T. Plan- cum (seinen alten, von Caesar zurückgeführten Feind ans den milonischen Händeln), audirem Laberii et Publi(li)i poemata. Wie tief der Vorfall auf ihn gewirkt hat, geht daraus hervor, daß er, wie Ribbeck, scen. lat. II p. 860 erkannt hat, den Eingang des Prologs des Laberius: necessi-

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Caesar« Monarchie

Mit den Spielen war die Einweihung des Forum Juliummit seinen Wandelhallen verbunden, zu dem Caesar schon nach den clodischen Handeln den Grund gelegt hatte1), als es galt, der Alleinherrschaft des Pompejus durch populäre Agitation und reiche Spenden und Versprechungen entgegenzuwirken. Die Ergänzung dazu bildete auf der andern Seite des alten Markt- platzes die für die Gerichtsverhandlungen bestimmte Basilica Julia. Dazu kam dann weiter der Bau eines grüßen Theaters zwischen Capitol und Tiber, das erst Augustus vollendet und zum Andenken an Marcellus benannt hat. Den Mittelpunkt des Forum Julium bildete der Tempel der Ahnmutter des Herrschers, der Venus Genetrix, den er vor der Schlacht bei Pharsalos gelobt hatte; er wurde inmitten der Festlichkeiten am 26. September geweiht. Auch sonst hat es Caesar an Rücksicht auf den Kult nicht fehlen lassen, wie er denn auf seine sakrale Stellung einen besonderen Nachdruck legte: auf seinen Münzen erscheinen die Abzeichen des Pontifez maximus und des Augurs mindestens eben so häufig, wie die Anspielungen auf seine Siege. Als er nach dem gallischen Triumph durch die Reihen der als Lichthalter verwendeten Elefanten zum Capitol hinaufstieg, um dem Juppiter den gelobten Dank abzustatten, hat er nach altem Brauch die Treppe auf den Knien liegend erstiegen2).

Sallusts zweite Schrift an Caesar

Die Triumphe und die anschließenden Feste sind erst in den letzten Septerabertagen gefeiert worden, wahrscheinlich vom

tos . . . quo me detrusit paene extremis sensibus? de off. I 114 ver- wendet hat: sin aliquando necessitas nos ad ea detru- serit, quae nostri ingenii non erunt. Bei Sneton Caes. 39: Ludis Decimus Laberius eques Romanus mimutn suum egii, donatusque quingentis sesiertiis et anulo aureo, sessutn in quaituordecim e scaena per orchestram transiit liegt die Spitze in der Fassung der Erzählung, die er als allbekannt (daher mtmum suum) voraussetzt ') Sueton Caes. 26.

') Dio 43, 21, 2; ebenso später Kaiser Clandias Dio 60, 28, 1. Der Brauch ist bekanntlich jetzt auf die Laterantreppe abertragen. Sueton Caes. 87 erwähnt nur die Elefanten.

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Caesars Bauten. Die neuen Aufgaben

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23. September bis 3. Oktober des damaligen Kalenders1), zwei Monate nach Caesars Rückkehr; die Vorbereitungen erforderten eben geraume Zeit. Sie bilden den Abschluß der Vergangenheit, werfen auch gelegentlich auf die Persönlichkeit des Siegers ein charakteristisches Licht; aber etwas Neues und für die Dauer Bedeutsames konnten sie nicht bringen.

Inzwischen aber war, eben durch die Beendigung des Kriegs, die bisher vertagte Präge nach der Umgestaltung des Staats brennend geworden. Der Sieger konnte sich ihrer Beantwortimg garnicht entziehn; auch wenn er, so wenig das von ihm zu er- warten war, die Dinge hätte gehn lassen wie bisher und sich lediglich auf gelegentliches Eingreifen beschränkt hätte, würde die Verantwortung für diesen Zustand ausschließlich auf ihm gelastet haben.

Gleich nach dem Siege, wie es scheint noch in Afrika, wo ihm die Statthalterschaft der neuen, aus dem Königreich Nu- midien gebildeten Provinz übertragen wurde2), hat sich Sallust nochmals an Caesar gewandt. Aufs neue mahnt er aufs dringendste, sich der großen Aufgabe zu widmen: ..daher, um Gottes willen, nimm die Staatsleitung in die Hand und bahne Dir, wie Du gewohnt bist, den Weg durch alle Schwierigkeiten ; denn so liegen die Dinge, daß entweder Du heilen kannst oder aber Alle die Bemühung darum aufgeben müssen"3). „Freilich ist die Aufgabe, das durch die Waffen Gewonnene nun einzu-

') Nach dem Kaleuder der Augusteischen Zeit sind die ludi Vic- tariae Caesaris später vom 20.— .30. Juli gefeiert worden; da das für Caesar selbst im Jahre 46 unmöglich ist und fQr die damit verbundene Weihung des Tempels der Venu» genetrix der 25. oder 26. September gleichfalls inschriftlich feststeht, ist Mommse\s Annahme (CIL. 1 1 822 f., vgl. 0. K. Schmidt S. 253 f.) wohl zweifellos zutreffend, daß die Daten nach der Kalenderregulierung umgerechnet sind. So fiel das Fest dann zugleich in den Monat, der Caesars Geburt seinen neuen Namen ver- dankte.

*) bell. Afr. <J7 1. Diu 43, 9. App. II 100, 415; vgl. Beilage II. ») I 6, 8 quare capesse, per deos, rempublicam, et omnia aspera uti soles pervade; namque aut tu tnederi potes, aut omittenda est

cum omnibus.

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Cae.-urs Monarchie

richten, für Dich schwerer als für alle vor Dir, weil Du den Krieg milder geführt hast als andre den Frieden; und dazu fordern die Sieger ihre Beute, die Besiegten aber sind Bürger. Zwischen diesen Schwierigkeiten mußt Du einen Ausweg finden und den Staat für die Zukunft festigen nicht nur durch Waffengewalt und nicht gegen Feinde, sondern, was unendlich viel schwieriger ist, durch die guten Mittel des Friedens." Da müssen alle nach Kräften mit ihrem Rat zu helfen suchen; denn „nach meiner Auffassung hängt von der Art, wie Du den Sieg ausgestaltest, alles andre ab"1).

Im Gegensatz zu Sulla und Pompejus und den Optimaten, welche nach seiner Auffassung in den Jahren ihrer Herrschaft seit 55 Rom (in Abwehr der Anarchisten und Clodianer) mit den brutalsten Mordtaten und Massakres angefüllt haben, soll Caesar fortfahren, Milde und Gnade zu üben; dadurch wird er die Stim- mung für sich gewinnen und seiner Machtstellung Dauer verleihn. Freilich werden manche semer Anhänger behaupten, daß dieser Rat von zu großer Nachsicht gegen die Besiegteu eingegeben sei und den Sieg schände2); aber diesen Stimmen soll er nicht folgen. „Sie kommen von eben den Leuten, welche durch Luxus und Verbrechen befleckt und tief verschuldet sind, und durch die falsche Behauptung der Feinde, es handle sich lediglich darum, die Republik in die eigenen Hände zu bringen, in Hoffnung auf Raub und Mord in Dein Lager gelockt sind3); als sie sahn, daß Du weder die Schulden aufhobst, noch die Bürger wie Feinde behandeltest, sind sie zu Pompejus geströmt, nur die sind ge- blieben, welche sich vor ihren Gläubigern in Deinem Lager bergen wollten, während andre aus demselben Grunde massen- haft zu Pompejus gingen. Und dieser korrupte Anhang mahnt Dich jetzt, es ebenso zu machen, wie die Geguer boa b ich t igten,

') l 1, 7 ff.

*) I 8, 4 hand scio, an qui me his dictis corruplorem vietoriae tuae nimisque in victos bona voluntate praedicent.

*) I 2, 5 maJedicHs ineiquorutn occupandae reipublicae in spem adducii homines, quibus omnia probro ac luxuria polluia erant, coneurrere in castra Uta.

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I

Sallusts zweite Schrift an Caesar 391

als habe es sich darum gehandelt, in wessen Namen von Euch beiden das Unrecht begangen werden solle, und als ob der Staat von Dir nicht befreit und wiederhergestellt, sondern er- obert sei1), damit dies verächtliche Gesindel seinen Lüsten frönen und den Sieg schänden könne.

„Die meisten Machthaber sind der irrigen Meinung, ihre Stellung werde um so gefestigter sein, je nichtsnutziger ihre Untertanen seien. Gerade im Gegenteil ziemt es sich, wenn man selbst tüchtig und energisch ist, so tüchtige Untertanen zu haben wie möglich; denn gerade je schlechter jemand ist, um so weniger fügt er sioh einem überlegenen Leiter"2). Jetzt aber handelt es sich um die Zukunft, ja um die Existenz des römischen Staats. „Denn wie alles, was entstanden ist, auch zugrunde gehn muß, so droht dies Schicksal auch der Stadt Rom, die sich durch die Kämpfe der Bürger gegeneinander aufreiben wird, so daß sie blutleer und erschöpft einem fremden König oder Volk zur Beute werden wird, während andernfalls diese ihre weltbeherrschende Stellung nicht erschüttert oder gar vernichtet werden kann, auch wenn der ganze Erdkreis und alle Völker sich zusammen- scharen. So gilt es, das Gut der Eintracht zu- stärken und das Übel der Zwietracht zu vertreiben"3).

Das Mittel dafür, das Sallust empfiehlt, ist dasselbe, das er schon in der vorigen Schrift angeraten hat. „Das wird sich er- reichen lassen, wenn Du die Ungebundenheit des Aufwandes und der Erpressungen aufhebst, nicht dadurch, daß Du die alten Ordnungen wieder ins Leben zu rufen suchst, die bei der ein- getretenen sittlichen Korruption schon längst zum Gespött ge- worden sind" also nicht durch Sitten- und Luxusgesetze, wie es die Nobilität und zuletzt noch die Censoren Appius und Piso immer von neuem ohne jeden Erfolg versucht hatten „sondern wenn Du gesetzlich bestimmst, daß für einen jeden

•) I 4, 8 ad quae te idem Wi hortantur , et scüicet Id certatum esse, utrius vestrum arbitrio iniuriae fierent, neque receptam aed captam a te rempublicam.

•)I1,5 f.

») I 5, 2 f.

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Caesar* Monarchie

sein Vermögen die Grenze seiner Ausgaben bildet"1), d.h. daß niemand mehr ausgeben darf, als er als Eigentum besitzt. „Da- her muß für die Zukunft der Geldverleiher beseitigt werden; dann sind wir darauf angewiesen, uns nach unsern Mitteln zu richten"*). Was er verlangt, ist nichts Geringeres, als die voll- ständige Aufhebung des Geldgeschäfts; olle Darlehn sollen ge- setzlich verboten und dadurch unmöglich gemacht werden also, dürfen wir hinzufügen, eben der Weg abgeschnitten werden, auf dem Caesar selbst zu seiner Machtstellung gelangt ist und dann sieh den gewaltigen Anhang gewonnen hat. „Das ist der wahre und einfache Weg, daß man das Amt für das Volk, nicht für den Gläubiger verwaltet und seine geistige Bedeutung dem Staat durch Mehrung, nicht durch Minderung (der Staatsein- künfte) erweist". „Ich weiß wohl, wie hart das zu Anfang erscheinen wird, zumal für die, welche des Glaubens waren, sie würden als Sieger freier und ungebundener, nicht beengter leben können. Aber wenn Du statt für ihre Lust vielmehr für ihr Heil Sorge tragen willst, wirst Du für sie und für uns und für die Bundesgenossen (Untertanen) einen dauerhaften Frieden schaffen; wenn aber die jungen Leute es weiter treiben können wie bisher, ist zu fürchten, daß der herrliche Ruf, den Du ge- wonnen hast, binnen kurzem zugleich mit dem römischen Staat" cum urlje Roma, wie er sagt ,,zusammenbricht"8). „Daher," so schließt dieser Abschnitt mit dem schon angeführten Satz, „bei den Göttern, nimm Dich des Staats an!"

Von seinem Radikalmittel erwartet Sallust eine Regeneration des römischen Volks und vor allem eine gründliche Besserung der heranwachsenden Generation. „Es fordert ja niemand von

') I 5, 4 id ita eveniei, si sumptuum et rapinarum licentiam dempseris, non ad vetera intfituta revocans, quae iam pridem cor- ruptis moribus ludibrio sunt, sed si suam quoique rem familiärem flnem sumptuum statueris.

*) I 5, 7. quare toUendus est fenerator in posterum, uti suas quisque res curemus. ea vera atque simplex via est, magistratum populo, non credüori gerer e, et magnüudinem animi in addendo, non demendo reipublicae osieiidere.

') I 6. 1 f.

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Sallusts Reform vorschlüge

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Dir grausame Strafen oder harte Urteilssprüche, durch die die Bürgerschaft mehr verwüstet als gebessert wird, sondern daß Du schlechte Sitten und Lüste von der Jugend fernhältst"1). Gerade die Größe der Aufgabe gibt mir das Vertrauen, daß Du Dich ihr zuwenden wirst. „Also Du mußt sorgen, daß die Plebs, die ja nun einmal durch die Spenden und die staatliche Getreide- verteilung korrumpiert ist, eine Beschäftigung hat, der sie nach- gelin kann, und dadurch abgehalten wird, dem Staat zu schaden ; die Jugend aber soll nach Rechtschaffenheit und Tätigkeit, nicht nach Ausgaben und Reichtum streben. Das wird eintreten, wenn Du dem Gelde, der Wurzel aller Verderbnis, den Wert und das Ansehn nimmst"2). An diese nochmalige Wiederholung seines Hauptsatzes schließt die aus der Geschichte entnommene Lehre, daß alle Sieger den Reichtum verachtet, die Besiegten ihn er- strebt haben. Vollends verächtlich ist der Luxus, der sich im Prassen, in den Genüssen der Tafel und der Wollust, in Bauten und prunkhaften Einrichtungen sättigen will das wird ganz wie in seinen Geschichtswerken ausgeführt3). „Aber das und alle sonstigen Übel werden zugleich mit der Ehrung des Geldes verschwinden, wenn weder die Ämter, noch was die Menge sonst begehrt, käuflich sein wird"4). Mit einer Rechtfertigung, daß er sich mit seinen Gedanken nicht zurückgehalten, sondern her- vorgewagt habe, und dem Wunsche, „daß, was Du auch für

') I 6, 4.

*) In der Praxis hat Sallust bekanntlich, wie seine Villa hi Rom lehrt, anch diesen schonen Grandsatz recht wenig befolgt. Darin wie in manchem anderen erinnert er lebhaft an seinen Antipoden Cicero, ▼gl. dessen gleichartige Äußerungen gegen den Bauluxus de off. I 188 ff., tu denen sein eigenes Verhalten in schroffem Widerspruch steht. Nur zo wahr ist, was Nepos an Cicero schreibt (bei Lactant. inst. III 15, 10): Um tum ab est, ut ego magistram esse putem vitae philosophiam beataeque vitae perfectricem, ut nullte magis existimem opus esse magistros vivendi, quam plerisque, qui in ea disputanda versentur: video enim magnam partein eorum, qui in schola de pudore ei continentia praeeipiunt argutissime, emdein in omnium libidinum cupiditatibus vivere.

*) 1 8, 8.

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Caesars Monarchie

richtig halten mögest, die Götter billigen und zu gutem Ausgang gelangen lassen mögen", schließt die Schrift.

Auf die Einzelvorschlage, welche er in der ersten Broschüre gemacht hat, kommt er höchstens in Andeutungen zurück. Dort war er auf die Gestaltung des Staats, die er erstrebte, naher eingegangen. Von der Vermehrung der Bürgerschaft durch Auf- nahme zahlreicher Neubürger und Kolonialgründlingen war oben schon die Rede; das wird in der jüngeren Schrift ergänzt durch die Sätze: „Ferner mußt Du Vorsorge treffen, wie Italien und die Provinzen besser gesichert werden"; denn, wie er vorher bemerkt, die schwelgerische und entnervte Gesellschaft ist psychisch so degeneriert, daß sie zu nichts mehr zu brauchen ist1); und „eben diese legen alles wüst, indem sie ihren eigenen Wohnsitz verlassen und fremde widerrechtlich in Besitz nehmen"*). „Ferner sorge dafür, daß nicht wie bisher der Kriegsdienst un- gerecht und ungleich gehandhabt wird, indem einige dreißig Jahre, andre dagegen überhaupt nicht dienen. Ferner wird es billig sein, das Getreide, das früher eine Belohnung für die Feigheit war" indem es unter die nicht zum Kriegsdienst herangezogene hauptstädtische Bevölkerung verteilt wurde , „unter die Muni- eipien und Kolonien an diejenigen zu verteilen, die nach Ab- legung ihrer Dienstzeit in ihre Heimat zurückkehren."

Diese Vorschläge decken sich wenigstens zum Teil mit dem, was Caesar ausgeführt hat. Er hat der Bürgerschaft große Massen von Neubürgern zugeführt, Kolonien gegründet und die kräftige Bevölkerung der Landgemeinden im stärksten Maße zum Heeresdienst herangezogen. Für seine Veteranen hat er nicht durch Getreideverteilung, sondern durch reiche Geldmittel und Landanweisungen gesorgt. Die hauptstädtische Getreide- verteilung hat er eingeschränkt und in eine Armen Versorgung umgewandelt. Einen radikalen Eingriff in das Geldgeschäft und

') I 8, 2 ubi animum , quem dominari decebat , servüio (durch ihre Lüste) oppressere, nequiquam eo postea hebeti aique claudo pro exercito uti volunt.

*) I 8, 5 nam idem omnia vaslant, suas deserendo domos et per. iniuriam alienas occupando.

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Ballast« ReformYoncblilge

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die Versohuldung dagegen hat er wie im Jahre 49 so auch nach- her abgelehnt, geschweige denn, daß er auf den idealistischen Gedanken einer Aufhebung der Darlehn eingegangen wäre; sondern er hat sich begnügt, durch vermittelnde Maßregeln den Notstand zu lindern und den Geld verkehr zu regulieren. Eben darum ist er, da er doch den Versuch machen wollte, dem Sitten- verfall entgegenzuwirken, ebenso wie Pom pejus zu dem alten, von Sallust mit Recht verworfenen Mittel der Luxusgesetze zurückgekehrt, das, wie Sallust voraussagt, natürlich auch jetzt wirkungslos blieb. In diesen Dingen ist ihm dann das Principat des Augustus gefolgt, sowohl in der Sittengesetzgebung und der Armenversorgung wie in der Versorgung der Veteranen, so andre Wege Augustus auch in der Bürgerrechtspolitik und der dem römischen Volk zugewiesenen Stellung eingeschlagen hat.

Völlig ablehnend dagegen hat sich Caesar gegen Sallusts Vorschläge für die Neugestaltung der Verfassung verhalten. Von der Aufrichtung einer wirklichen Demokratie nach atheni- schem Mustor, einer Leitung des Staats durch die Volksver- sammlung, will, wie wir gesehn haben, auch Sallust nichts wissen, da das Volk viel zu degeneriert und daher unfähig ist, diese Auf- gabe zu erfüllen: es soll seinen privaten Beschäftigungen im Erwerbsleben nachgehn und dadurch verhindert werden, Unfug zu treiben1). Aber eben so entschieden hält er an dem Grund- gedanken der bisherigen Verfassung fest, an dem freien Selbst - regiment der Republik; nur soll dessen Entartung beseitigt, die Regierung wieder für ihre wahren Aufgaben fähig gemacht werden. Auch das glaubt er durch die Aufhebung der Macht des Geldes erreichen zu können. „Weder ein Consul, noch ein Praetor soll auf Grund seines Wohlstandes, sondern auf Grund seiner Würdigkeit gewählt werden ; darüber kann das Volk leicht ein Urteil gewinnen2) Für die Wahlen gefällt mir ein Gesetz

') II 5. 6 ff. I 7, 2 uti plebs largitionibus ei publico frumento corrupta habeat negotia «ua, quibus ab malo publico tletineatur.

*) II 7. 10 neque praetor neque consul ex opttlentia , verum ex digniiate creetur. sed de magistratu facile poptüi iudicium fll> Vgl. I 8. 8.

39o

Caesars Monarchie

nicht schlecht, das Gaius Gracchus in seinem Tribunat beantragt hat, daß die Reihenfolge der Centurien aus allen fünf Klassen durcheinander durch das Los bestimmt werden soll'4 daß also das Vorstimmrecht der Reichen in der ersten Klasse und den Rittercenturien, das das Stimmrecht der übrigen Bevölkerung tatsächlich illusorisch machte, aufgehoben werden soll. „So wird Würdigkeit und Geld ausgeglichen, und jeder wird sich beeilen, dem andern durch Tüchtigkeit den Rang abzulaufen; das halte ich für eine kräftige Medizin gegen den Reichtum"1). In Wirklichkeit wäre es höchstens eine kleine homöopathische Dosis gewesen; die Frage, ob die Volksmassen, die er selbst als völlig korrupt geschildert hat, die geringste Neigung haben werden, dem richtigen Urteil zu folgen, selbst angenommen, daß sie sich das bilden können, wird beiseite gelassen, die ge- heimen Einflüsse der Drahtzieher, welche überall und zu allen Zeiten die Entscheidungen der Massen beherrschen und im da- maligen Rom mindestens eben so durchgebildet und unangreif- bar geworden waren, wie jetzt in Amerika, werden überhaupt nicht berührt.

Für die Bestellung der Richter fordert Sallust die Heran- ziehung der ganzen ersten Klasse; denn „daß die Richter von wenigen bestellt werden" wie unter Pompejus „ist Königs- herrschaft (Tyrannis, regnum), daß sie auf Grund ihres Geldes ausgewählt werden, unsittlich. Auch die Rhodier und ähnliche Staaten haben niemals Grund gehabt, ihre Einrichtung der Ge- richte zu bereuen, wo reich und arm untereinander, wie der Zufall es fügt, über die größten wie über die kleinsten Prozesse entscheidet"8). Es ist für die römischen Verhältnisse ungemein

') II 8, lf. tta coaequatur dignitate pecunia, virtute anteire aHus alium proper abii. haec ego magna remedia contra divitias statuo.

*) II 7, 11 f. Auch Cicero de rep. III 48 zieht Rhodos (vgl. 8. 241, 2) als Beispiel einer gut geordneten Demokratie heran : „dort sind dieselben Leate alle sowohl Angehörige der Volksgemeinde (de plebe) wie des Rats, and Oben abwechselnd in bestimmten Monaten die eine oder die andere Funktion; in beiden erhalten rie Diäten, und so sitzen dieselben Leute

Sallusts tteformvorschlage 397

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bezeichnend, daß Sallust hier garnicht daran denkt, über die erste Klasse in die Masse des Volks hinabzugreifen, und die Parallele aus Rhodos ist daher so unangebracht wie mög- lich; durch die Heranziehung des höheren Mittelstandes, der Vermögen bis zu 25000 Sestertieu, glaubt er die Gerichte bereits demokratisiert und den Einfluß des Geldes ausgeschaltet zu haben, die unteren Schichten kommen für ihn, wie für Rom überhaupt, im Gegensatz zu den griechischen Staaten, politisch garnicht mehr in Betracht.

Am eingehendsten behandelt er den Senat; denn in einem ge- sunden Staat haben die Höhergestellten auch ein tieferes Interesse an dem Staat1), und es muß, wie ehemals in Rom, „das niedere Volk dem Senat wie der Körper dem Geist gehorchen und seine Beschlüsse ausführen; es gehört sich, daß die Senatoren durch ihre Einsicht die Macht haben, das Volk seine Verschmitztheit nicht nötig hat"-). Bas ist nun freilich durch die einreißende Korruption zerstört, durch die Schuld der Nobilität, und so hat der Senat seine feste Haltung verloren: „unterdrückt durch die Willkür eines Andern schwanken sie hin und her, beschließen bald so bald so; wie Eifersucht auf die Machthaber oder deren Einfluß sie treibt, schätzen sie Vorteil und Nachteil des Staats ein. Weil es nun schwierig ist, daß alle in demselben Ansehn 8tehn, da jene von ihren Vorfahren Ruhm, Würde, Klientelschaft ererbt haben, die übrige Menge aber meist aus fremden Empor- kömmlingen besteht*), so mache ihre Abstimmung frei von Furcht; alsdann, wenn es verborgen bleibt, liegt jeder sich selbst

sowohl im Theater (in der Volksversammlung) wie im Rathaus und sprechen Recht in Kapitalproiessen (als Volksgemeinde?) und in allen anderen Rechtshandeln (als Rat)' ... Der Rest ist leider verloren.

') II 10, 4 equidem ego sie apud animum meum statuo: cui- cumque in ma eixritate amplior inlustriorque locus quam aliis est, ei magnam curam esse reipublicae.

■) II 10, 6 igitur ubi plebs senatui sicuH corpus animo oboedit eiusque consulta exsequüur, patres consüio vettere decet, populo super- vacanea est calliditas.

*) II 11, 4 quoniam . . . cetera multitudo pleraque insiticia sii

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mehr am Herzen als das Anselm eines Andern"1). Zwei Mittel sind es, die er vorschlägt: geheime Abstimmung und Vermehrung der Zahl der Senatoren*). Durch das letztere wird zugleich er- reicht, daß nicht, wie bisher bei der Überlastung der Senatoren durch ihre richterliche Tätigkeit und die privaten Geschäfte, die sie für sich selbst und für ihre Freunde zu erledigen haben, viele bei der Beratung der staatlichen Angelegenheiten fern bleiben. Das war noch gesteigert durch die Überhebung der Machthaber: „was einige wenige vornehme Leute mit ein paar Anhängern, die ihre Koterie bildeten, nach Belieben billigten oder verwarfen, was ihnen gefiel, das taten sie, wie es ihnen beliebte. Dem wird ein Ende gemacht werden, wenn die Zahl vermehrt und geheim abgestimmt wird; dann müssen jene ihre Anmaßung aufgeben, wo sie fortan denen zu gehorchen haben, denen sie vorher schonungslos ihre Befehle erteilten"8).

Man sieht, wie völlig fern Sallust eine radikale Demokratie liegt, wie mächtig auch auf dieser Seite die Traditionen sind, aus denen der römische Staat mit seinen Einrichtungen erwachsen ist; der Gedanke einer tiefer einschneidenden Änderung kommt für ihn überhaupt nicht in Betracht. Hier ist daher Caesar ganz andre Wege gegangen. Die einzige seiner Maßregeln, die zu Sallusts Vorschlägen stimmt, ist die Vermehrung der Zahl der Senatoren; aber zu ihr hat Caesar gegriffen nicht um die Stellung des Senats zu heben, wie Sallust verlangt, sondern um ihn vollends herabzudrücken.

Die tiefste Wurzel des Gegensatzes, der hier vorliegt, ist, daß auch Sallust, ganz wie Cicero, durchaus auf dem Boden des

') II 11, 8 sententias eorum a meto libera : ita in occulto sibi quisque alterius poientia carior est.

») II li, 5 8i numero auetus (senatue) per tabellam sententiam feret.

s) II 11, 6 f. homines nobiles cum paucis senaloriis, quos addita- menta factionis habent, quaecumque libuit probare, reprehendere, decernere, ea, uti lubido tulit, fecere. verum ubi numero senatorum aueto per tabellam senientiae dicentur, ne Uli superbiam suam di- mittent, ubi iis oboediendum erii, quibus antea crudelissime im- peritabant.

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Sali ob ts Reformvorschlilge

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Stadtstaats steht: unwillkürlich schieben sich ihm für den Staat als damit identisch die urbs Roma und die res urbanae unter, das übrige Italien ist nur eine Erweiterung oder ein Anhang der Hauptstadt. Für Caesar dagegen steht das weltumfassende Reich im Vordergrund: dessen zweckmäßige Gestaltung ist ihm das

nur ein Glied innerhalb dos

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Caesar und die Parteien. Ciceros Dankrede für Mar cellns' Begnadigung

Wie Caesar Sallusts erneutes Andrängen aufgenommen hat, wissen wir nicht1); über seine Absichten hat er sich zunächst überhaupt nicht geäußert. Aber bald darauf traten dieselben Probleme auch von der entgegengesetzten Seite unmittelbar an ihn heran.

Die weitverbreitete Besorgnis, mit der man in Italien Caesars Rückkehr entgegensah, jetzt, nach dem Siege werde er sein wahres Antlitz enthüllen und seiner wie seines Gefolges Blut- durst und Habgier freien Lauf lassen, erwies sich alsbald als grundlos. Zwar gingen die Auktionen der eingezogenen Güter weiter fort1), füllten seine Kassen und kamen zugleich seinen An- hängern zugute; aber statt der gefürchteten Strafgerichte fuhr Caesar fort, den Gregnern Begnadigung und Rückkehr nach Rom zu gewähren. Ein Gesetz, das die Rechte gewisser Kate- gorien der Pompejaner einschränkte, wurde von Caesars Ge-

>) Ober den Angriff Varros in seiner Schrift Pius aut de pac* auf Sallust (oben S. 216. 2) s. u. S. 582, 2 die Bemerkung von E. Nordes.

') Cic. fam. IV 18, 2 (Sommer 46) an Nigidius Figalus klagt Ober die naufragia et bonorum direpliones seiner alten Freunde; ferner ad Att. XII 2, 8. Phil. VIII 9. Vgl. de off. II 27 f. 88 und I 48 (quare L. Bullae, C Caesaris pecuniarum translatio a iustis dominis ad alienos non debet liberalis videri: nihil est enim liberale, quod non idem iustum), ferner seine Bosheiten beim Tode des P. Sulla (des alten Catilinariers und Klienten Ciceros), eines eifrigen Aufkaufers bei diesen Auktionen, Ende Dezember 46: fam. IX 10, 8. XV 17, 2 (Caesarem puiani moleste laturum, verentem ne hasta refrixissetj. 19, 3. de off. II 29.

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400 Caesars Monarchie

hilfen Hirtius, der jetzt die Praetur bekleidete, eingebracht (oben S. 382). Aber von Pompejus selbst redete Caesar nie anders als mit Achtung1); die geheime Korrespondenz, die im Zelt des Pompejus und in Afrika in dem des Scipio in seine Hände fiel, hat er ungelesen verbrannt, und in Reden an Senat und Volk wiederholte er die Versicherung, daß er seine versöhnliche Politik fortsetzen werde*). So durfte Cicero hoffen, daß er binnen kurzem die Begnadigung noch für manche seiner alten Freunde erreichen werde, sogar für den eifrigen Pompejaner T. Ampius Baibus, den die Caesarianer die Trompete des Bürgerkriegs nannten, und für A. Caecina aus Volaterrae, den Darsteller der etruakischen Blitzlehre. Caecina hatte Caesar durch eine Schmähschrift schwer beleidigt; das suchte er jetzt durch ein Buch Querelae wieder gut zu machen, in dem er seine Lage und seine Reue schilderte, war aber voll Sorge, ob er den richtigen Ton getroffen habe3). Gegen derartige Beleidigungen war Caesar, trotz der Nachsicht, die er unter ganz andern Umständen z. B. dem Catull gezeigt hatte, doch, wie wir gesehn haben (S. 85. 94. 173), recht empfindlich , wie er denn auf die Spottgedichte , welche die Soldaten bei seinem Triumph über sein Verhältnis zu Nikomedes gesungen hatten, in einer Rede vor dem Volk geantwortet hat4). \lu ß gehalten hat er auch hier ; aber alles, was Cicero mit seinen Be- mühungen um Caecina erreichen konnte, war, daß ihm Ende 46

') Cicero an Caecina VI 6, 10. *) Dio 48, 15 ff. Plin. 7, 94.

') Verwendung Ciceros für Nigidins Figulns fam. IV 13 (derselbe stirbt nach Hieron. chron. im Jahre 45 im Exil) ; fOr Trebianus VI 10 f. (die Begnadigung wird durch Dolabella erreicht); Rückberufung des T. Ampius Baibus, für den vor allem Pansa und Tillius Cimber, der spatere Caesarmörder, eintraten VI 12; Ampius war damals mit der Abfassung einer Schrift in virorum fortium factis memoriae pro- dendis beschäftigt, aus der Sueton Caes. 77 Äußerungen aus Caesars letzter Zeit mit feindlicher Tendenz anfahrt. Briefwechsel mit Caecina fam. VI 6. 8. 9. 7. 5, dazu XIII 66; der erste Brief (6) ist nach der Be- gnadigung des Marcellus geschrieben.

4) Dio 48, 20, 4, vgl. 8ueton Caes. 75 aeerbe loquentibus satis habuit pro contione denuntiare ne perseverarent. (Die Spottlieder Sueton Caes. 49.)

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Begnadigung der Gegner. Ciceros Loge

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durch Bulbus und Oppins der Aufenthalt auf Sicilien gestattet wurde1).

Auch Cicero hatte, so unangenehm es ihm war, dem Druck der Lage nachgeben und von seinen Landsitzen nach Born zurück- kehren müssen, um Caesar zu begrüßen und an den Senats- sitzungen teilzunehmen. Aber er hielt sich vollständig zurück; für die Betätigung seines Talents in der Debatte und vor Gericht war kein Kaum; machten ihm doch die Heißsporne seiner Partei schon Vorwürfe, daß er, in seinen Reden der eifrigste Verfechter der Republik, sich viel zu demütig unterworfen, daß er sich nicht wie Cato freiwillig den Tod gegeben habe8). Seine Lage und Auffassung im August schildern anschaulich seine Briefe an Paetus: „Des Morgens begrüße ich in meinem Hause viele brave Männer in Trauer, und andrerseits die frohgestimmten Sieger, die mir übrigens eifrig alle Rücksicht und Liebe erweisen; wenn das vorbei ist, stürze ich mich in die Korrespondenz, oder schreibe oder lese; die Trauer um das Vaterland habe ich schwerer und länger durchgetragen als eine Mutter um den einzigen Sohn"3). „Jetzt ist es schon seit fast vier Jahren eb Geschenk, auf das wir kein Anrecht haben, daß wir leben [de lucro vivimus), falls

') Cic. fam. VI 8; bei der letzten allgemeinen Amnestie Anfang 44 wird auch ihm die Rückkehr gewahrt worden sein. Sueton sagt Caes. 75 Auli Caecinae criminosissimo libro et Pitholai carminibm maiedicen- tissimis laceratam exist imationem suam civili animo tulit. L. Volta- cilinB Pitholaus ist der ans Sueton de rhet. 3 (= de gramm. 27 Rbikfsr- scheid p. 124, mit falscher Namensform; Hieron. chron. unter 81 v. Chr.) bekannte Lehrer des PompejuB und erste Freigelassene, der Geschichte geschrieben hat. Daß er auf seine alten Tage noch die Feder zu Schmahgedichten gegen Caesar ergriff, ist sehr begreiflich. Macrobius II 2, 13 zitiert ihn für ein Witzwort über Caninius Reblins' Eintags- consulat. das er VII 8, 10 dem Cicero zuschreibt (S. 460, 1).

») An M. Marius fam. VII 3, 6: ich schreibe Dir so ausführlich, ut habere* quid diceres, #i quando in vituperaiores meos incidisses; sunt enim qui, cum meus interitus nihil fuerit reipxiblicae profuturus, cri- minis toco putent esse, quod vivam ; quibus ego certo scio non videri miis mulios perisse-, vgl. § 4 mortem mihi cur consciscerem, causa non visa est; cur Opturem, multae causae.

») fam. IX 20, 8. Meyer, Caesars Monarchie 26

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402 Caesars Monarchie

es Geschenk und Leben heißen kann, den Staat zu überleben. Was geschehn wird, glaube auch ich zu wissen, nämlich das, was die wollen, die die Macht haben; die Macht haben werden aber immer die Waffen. So müssen wir mit dem zufrieden sein, was uns gewährt wird, wer das nicht ertragen kann, hätte sterben müssen. . . . Ich kann nicht den nicht lieben, durch dessen Wohl- tat mir mein Besitz erhalten ist; falls der wirklich wünscht, daß eine Staatsverfassung bestehe (esse remjnibUcam), wie er sie viel- leicht will und wie alle sie wünschen müssen, so gibt es doch kein Mittel, das ins Werk zu setzen; dazu hat er sich zu sehr mit so vielen verstrickt. Wisse, daß nicht nur ich, der ich zu seinen Beratungen keinen Zutritt habe, sondern auch der Princeps selbst nicht weiß, was werden wird; denn wir sind seine Sklaven, er der der Umstände; so kann weder er wissen, was die Um- stände verlangen werden, noch wir, was er denkt"1). Natürlich schwanken seine Stimmungen; in einem andern Brief aus dieser Zeit, durch den er einem Verbannten Hoffnung machen will, schreibt er2): „Der Machthaber scheint mir täglich mehr zu einem billigen und der Natur entsprechenden Verhalten hinüber- zugleiten; und Deine Angelegenheit muß ja mit dem Staat, der doch nicht immer zu Boden liegen kann, notwendig wieder auf- leben, auch kommen taglich mildere und freisinnigere Maßregeln vor, als wir befürchten mußten."

Durch sein Verhalten hat Caesar deutlich gezeigt, daß eine Ausnutzung des Sieges im Parteiinteresse keineswegs sein Ziel war, sondern daß er, über den Parteien stehend, eine Aussöhnung der Gegensätze und die wirkliche Beendigung des inneren Haders erstrebte; er erklärte, wer nicht wider ihn sei, den betrachte er als zu sich gehörig»). Durch dieses Verhalten verletzte er die schlechten

*) fam. IX 17; in ep. 19 bezeichnet er Baibus und »eine Genossen als reges. Ähnlich VII 28 an Carios: doleo ita rem communem esse düapsam, ut ne spes quidem melius aliquando fore relinquatur . . . reliquam spem nullam video.

») An Trebianus fam. VI 10, 5.

») Cic. pro Lig. 83 te enim dicere audiebamus, nos omnes adversarios putare nisi qui nobiscum essent, te otnnis, qui contra te tum essent, tuos.

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Verschwörungen gegen Caesar

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Elemente seine« Anhangs aufs tiefet«, vor allem die wüsten, tief verschuldeten Gesellen, die, auf Beute und Bluttaten erpicht, sich an ihn gedrängt hatten1), und die er, so sehr er sie durch- schaute und im Zaume hielt, doch einstweilen hatte benutzen müssen. So begreift es sich, daß sich in diesen Kreisen Ver- schwörungen bildeten und man damit umging, den Machthaber, der als Parteichef eine so schwere Enttäuschung bereitete, aus dem Wege zu räumen. Caesar hat von diesen Komplotten Kunde erhalten er wurde von der politischen Polizei vortrefflich be- dient — , aber es auch hier verschmäht, zu Vorsichtsmaßregeln oder Bestrafungen zu schreiten. Er begnügte sich, im Senat Mitteilung von dem geplanten Attentat zu machen, mit deut- lichem Hinweis darauf, daß es ihm aus seiner nächsten Umgebung drohe4;. Wie völlig er damals mit Antonius zerfallen war, haben wir gesehn; so ist es sehr glaublich, daß man schon damals an- genommen hat, daß die Angabe in erster Linie auf diesen ziele8). Im übrigen aber erklärte er, „er habe lange genug gelebt für seine Ansprüche an das Leben wie für den Ruhm"').

') Cic. pro Lig. 15 si in tanta tua fortuna leniias ianta twn esset, quam tu per te, per te inquam, obtines intellego quid loquar , acerbissimo luctu redundaret ista victoria. quam multi enim esseni de victoribus qui te crudelem esse vellent, cum etiam de victis reperiantur! quam muUi, qui cum a te ignosci nemini vellent, impedirent clementiam tuam, cum hi, quibus ipsis ignovisti (wie Tubero. der Ankläger des Ligarius), nolint te ewe in alios misericordem !

*) Cic. pro Marcello 21 ff. nunc venia ad gravissimam quereUam et atrocissimam euspicionem tuam . . .sed quisnam est iste tarn de- meiis? de tuisne? ... an ex eo numero, qui una tecum fuerunt? Vgl. Sueton Caes. 75 detectas coniurationes conventusque nocturna s non ultra arguit, quam ut edicto ostenderet esse sibi notas.

*) Cic. Phil. 11 74 his ipsis temporibus (nach dem Konflikt Ober den Kaufpreis für das Haus des Pom pejus, also im Jahre 46) dornt Caesaris percussor ab isto {Antonio; missus deprehensus dicebatur esse cum sica: de quo Caesar in senatu aperte in te invehens questus est.

*) Cic. Marc. 25 üaque illam tuam praeclarissimam et sapien- tis8imam vocem invitus audivi: ,satis diu vel naturae vixi vel

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Caesars Monarchie

Je weniger Caesar sich auf seinen Anhang verlassen konnte, nm so mehr suchte er Fühlung mit den anständigen und kon- servativen Elementen des Staats, den bisherigen Republikanern. Im weitesten Umfang verwendete er die bisherigen Gegner, die seit der Schlacht von Pharsalos seine Gnade gesucht hatten, vor allem für die Provinzialverwaltung. Nach wie vor hatte er den Wunsch, Cicero, den Wortführer dieser Partei, für sich zu gewinnen und seinen Namen für seine Ziele benutzen zu können ; und wenn er ihm auch das Recht freien Zutritts bisher nicht gewährt hatte1), so suchte er dooh sowohl persönlich wie vor allem durch seine Vertrauten auf ihn einzuwirken. Daß Cato, der unbeugsame Verfechter der republikanischen Traditionen, sich der Begnadigung entzogen und durch seinen Tod die Un versöhn - barkeit der Gegensätze aller Welt zum Bewußtsein gebracht hatte, hat er aufs bitterste empfunden. Um so mehr lag ihm daran, den nächst Cato weitaus bedeutendsten und geachtetsten seiner prinzipiellen Gegner, Marcus Marcellus, der als Consul im Jahre 51 den Kampf gegen ihn im Namen der Republik hatte eröffnen wollen, zu einem Gnadengesuch zu veranlassen; und der Forderung, dafür als Mittelsmann zu dienen, konnte Cicero sich nicht entziehn. So schrieb er ihm zunächst eine allgemeine Mahnung, „wenn es wieder irgend eine staatliche Gestaltung geben sollte" (H aliqua res publica), dürfe er in dieser nicht fehlen, andernfalls sei er in Rom doch am besten aufgehoben. „Aber glaube mir, auch er, der alle Macht in Händen hat, ist dem Talent günstig gesinnt; des Adels aber und der Würdenträger nimmt er sich an (amplectüur), soweit es die Sachlage und sein Interesse irgend zuläßt"*). Kurze Zeit darauf folgte ein zweiter,

gloriae* . . . saepe enim ventt ad aures meas, te idetn istud nimis crebro dicere, tibi satte te vixisse. VgL Sueton Caes. 86, er habe oft gesagt non tarn sua quam reipublicae interesse, uti salvus esset : se tarn pridem potentiae gloriaeque abunde adeptum; rem publicam, tri quid sibi eveniret, neque quietam fore et aliquante deteriore con- dicione civilia bella subüuram.

') fam. IV 7, 6.

•) fam. IV 8.

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Begnadigung des Marcus Marcellus

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ausführlicher motivierter Brief, in dem er das deutlich auaspricht: „Dir fehlt zur völligen Restitution Deiner Stellung nichts ab der eigene Wille; nur darum hat der Machthaber Dir seine Wohl- tat noch nicht erwiesen." Daran schließt sich die versteckte Drohung, er sei in Mytilene oder Rhodos doch ebensogut in seiner Gewalt, wie in Rom, laufe dort aber eher Gefahr als hier; überdies sei andernfalls die Konfiskation seines Vermögens zu erwarten1). Wenige Tage später wiederholt Cicero diese Argu- mente nochmals aufs dringendste. „Der Notwendigkeit, wie sie die Lage der Zeit bringt, muß man gehorchen; sagen, was Du denkst, wirst Du freilich vielleicht nicht dürfen, wohl aber schweigen. Denn alles liegt in den Händen eines Einzigen, und dieser folgt auch den Ratschlägen seiner Vertrauten nicht, sondern nur seinen eigenen; aber das würde nicht viel anders sein, wenn der den Staat beherrschte, dem wir uns angeschlossen hatten . . . Wenn es einen großen Sinn zeigt, den Sieger nicht um Gnade anzuflehn, so bedenke, ob es nicht Übermut ist, sein freundliches Entgegenkommen (liberalitalem) zu verschmähn. Vor allem aber, wenn Dir das Leben dort behaglicher ist, so mußt Du doch daran denken, ob es nicht weniger sicher ist: groß ist der Spielraum der Schwerter (magna est licentia gladiorum), aber im Auslande haben sie weniger Scheu vor einem Ver- brechen"2).

Diese Worte waren deutlich genug. Ob Marcellus ihnen nach- gegeben haben würde, wissen wir nicht; denn die Bemühungen seiner Anhänger und vor allem seines Vetters Gaius Marcellus, des Consuls vom Jahre 50 und Gemahls der Octavia, einer Groß- nichte Caesars, führten rascher zum Ziele. In einer Senats- sitzung gegen die Mitte des September3), jedenfalls noch einige Zeit vor Caesars Triumphen und Spielen, brachte L. Piso, Caesars Schwiegervater, die Sache zur Sprache; Gaius Marcellus warf sich Caesar zu Füßen, der ganze Senat erhob sich und unter-

■) fam. IV 7. *) fam. IV 9.

*) 0. E. Schmidt S. 251 f. Zur Zeit der ludi Caesaris war Ciceros günstige Auffassung der Lage schon wieder geschwunden.

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Caesars Monarchie

Btützte seine Bitte. Da hat Caesar seine Beschwerden über die Erbitterung, mit der Marcellus ihm entgegengetreten war, noch einmal ausgesprochen1), dann aber erklärt, daß er den Bitten des Senats nachgebe und ihn in seine frühere Stellung wieder einsetze. Dies großmütige Verhalten hat einen gewaltigen Ein- druck gemacht; man betraohtete es als die Ankündigung einer besseren Zeit. Cicero brach sein bisher beachtetes Schweigen und hielt eine feurige Dankrede; und an seinen alten Freund Servius Sulpicius, jetzt Proconsul von Achaia, schrieb er eine enthusiastische Schilderung des Hergangs*). Marcellus dagegen hat die Begnadigung sehr kühl aufgenommen, so daß es eines neuen Mahnbriefs Ciceros bedurfte3). Erst im Frühjahr 45 trat er die Heimreise an; auf derselben ist er dann am 27. Mai in Athen in einem hitzigen Wortwechsel von einem Mann, der bei ihm Geld borgen wollte, erschlagen worden4).

Die Dankrede für die Begnadigung des Marcellus, oder viel- mehr die Broschüre, die Cicero in dieser Form unmittelbar darauf veröffentlichte, ist ein sehr interessantes Dokument aus der Übergangszeit*). Wir sehn, wie in Cicero die Hoffnung auf- blitzt, der Sieger könne wirklich der berufene Leiter des republi- kanischen Staats, der wahre princeps civitatis werden, dessen

') commemorati8 praesertim offensionibus Cic. Marc. 8. Caesar accmata acerbitate MarceUi, sie enitn appeüabat fam. IV 4, 8. *) fam. IV 4. ») fam. IV 11. 10.

4) ServiuB Sulpicius, der ihn bestattet hat, an Cicero fam. IV 12; vgl. ad Att. XIII 10. 22. 2. Brutus versichert hier , daß Caesar . auf den natürlich ein Verdacht fallen mußte, unschuldig sei, und Cicero stimmt dem zu. Marcellus* Tod war ja auch durchaus gegen Caesars Inter- esse, dessen Stellung es nur gehoben hätte, wenn er sich in die neue Ordnung fügte; auch gab der Mörder sich sogleich selbst den Tod. Livius per. 115 = Val. Max. IX 11, 4 hat den Hergang ganz wie Servius Sulpicius erzählt.

5) Bekanntlich hat F. Ä. Wolf es fertig gebracht, sie für unecht zu erklären, wie ja auch noch manche andere ciceronische Reden; aber derartige traurige Verirrungen der Philologie, die im neunzehnten Jahr- hundert unter den antiken Autoren aufs ärgste gewütet hat, braucht man jetzt kein Wort mehr zu verlieren.

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Cicero» Dankrede for Marcellas' Begnadigung

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Bild er in seinen Büchern vom Staat gezeichnet hatte. Durch diesen hochherzigen Akt hat Caesar sich selbst übertroffen und einen noch weit unvergänglicheren Ruhm erworben, als durch all seine Siege: er hat damit die Autorität des Senats wieder- hergestellt1) und alle von ihm begnadigten Gegner von dem auf ihnen lastenden Druck befreit; dadurch hat er auch Cicero die Zunge gelöst2). Aber damit hat Caesar zugleich eine Verpflich- tung übernommen, der er sich garnicht entziehn kann. Wie bei Sallust schließt sich an den Dank die Mahnung, nun, nach Beendigung des Bürgerkriegs, an das zweite, noch größere Werk zu gehn, an den Wiederaufbau des Staats. „Das ist die Tätig- keit, die noch aussteht, und dafür hast Du Dich zu mühen", sagt er ganz wie Sallust, „daß Du die Verfassung des Staats ordnest"3). Auch die Aufgaben, um die es sich handelt, sind bei beiden die gleichen: „dio Ordnung der Gerichte, die Herstellung des Kredits, die Unterdrückung der Ausschweifungen, die Mehrung des Nachwuchses, die Fesselung alles dessen, was jetzt zerfallen ist und bereits völlig zerfließt, durch strenge Gesetzgebung"4) kurz, die sittliche Regeneration des Staats und des Volks, wie sie Caesar in der Tat in seiner Gesetzgebung unmittelbar darauf in Angriff genommen und Augustus diirchzuführen versucht hat.

Mit allem Nachdruck weist Cicero Caesars Wort zurück, er habe lange genug gelebt, so viel Ehre es ihm auch mache. Aufs

') § 3 inteüectum est . . . te auctoritatem huius ordinis digni- tatemque reipublicae tuis vel doloribus vel suspicionibus anteferre. S 10 parietes, me dius ftdius, ut mihi videtur, huius curiae tibi gratias agere gestiunt, quod brevi tempore futura sit Üla auctorUas in his maiorum suorum et suis sedibus.

*) § 18 durch Marcellus' Begnadigung auf die Bitten des Senats me et mihi ei item reipublicae nullo deprecante, reliquos amplissi- mos viro8 et sibi ipsos et patriae reddidit. § 2 non illius solum, sed etiam meam vocem et auctoritatem et vobis et reipublicae con- servatam ac restitutam puto.

*) § 27 hic restat actus, in hoc elaborandum est, ut rempubli- cam constituas.

*) § 28 consiituenda iudicia, revocanda ßdes, comprimendae Hbi- dines, Propaganda suboles, omnia, quae düapsa iam diffluxerunt, 8everis legibus vincienda sunt.

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408 Caesars Monarchie

dringendste mahnt er, Schutzmaßregeln gegen die Attentate, von denen er geredet hatte, zu ergreifen : die Senatoren selbst werden ihn mit ihren Leibern schützen, denn auf ihm allein beruht jetzt die Zukunft des Staats und das Heil aller1). Nicht nur dem Staat, sondern auch dem eigenen Ruhm ist er es schuldig, Hand an das Werk zu legen. „Wenn das der Ausgang Deiner Taten sein soll, daß Du nach Besiegung Deiner Gegner den Staat in dem Zustand zurückläßt, in dem er sich jetzt befindet, wirst Du mehr Bewunderung als wahren Ruhm hinterlassen . . . Wenn diese Stadt nicht durch Deine Maßnahmen und Einrichtungen gefestigt wird, wird Dein Name bei der Nachwelt unstet hin und her schwanken. Dann wird unter den Nachgeborenen ein großer Zwiespalt der Meinungen sein, ebenso wie er bei uns be- standen hat; die einen werden Deine Taten in den Himmel er- heben, die andern werden etwas, und zwar das Größte, daran vermissen, wenn Du nicht den Brand des Bürgerkriegs durch die Rettung des Vaterlands ausgelöscht hast. Nimm daher auch auf die Richter Rücksicht, die nach vielen Jahrhunderten über Dich urteilen werden, und zwar vielleicht unparteiischer als wir, da sie ohne Liebe und Begehrlichkeit, sowie ohne Haß und Neid urteilen werden"2) Worte von hohem Schwung und großer Auffassung, die sich als völlig zutreffend erwiesen haben, da Caesar eben die hier gestellte Aufgabe nicht erfüllt hat.

Die Überschwenglichkeit, mit der Cicero redet, war durch die Umstände geboten; aber es wäre sehr verkehrt, in ihr ledig- lich berechnete Nachgiebigkeit gegen den Machthaber zu sehn. Nicht nur an den Caesarianer Servilius Isauricus, damals Pro- Konsul von Asien, äußert er in einein Empfehlungsbrief : „Ich

l) § 22. Wer ist so unerfahren, qui non inieüegat, Uta salute con- tineri stiam et ex unius Uta vitapendere omnia? . . . doleoque, cum respublica immortalis esse debeat, eam in unius morialis anitna c.onsistere. si vero ad humanos casus incertosque tnotus valetudinis sceleris etiam accedü insidiarumque consensio, quem deum, si cu> piat, posse opitulari reipublicae credamus? Ganz gleichartig äußert nch Sallust II 13, 6. I 6, 8 f. (oben S. 359. 889).

s) §§ 26. 29. Vgl. bei Sallust den Appell der Vorfahren an Caesar II 18 (S. 358 f.)

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Ciceros Rede für Marcellus 409

glaube hoffen zu dürfen, daß Caesar sich bemühen wird und schon bemüht, daß wir eine Art von Verfassungsstaat erhalten"1), sondern auch an Servius Sulpicius, damals Statthalter von Achaia, dem gegenüber er aus seiner wahren Gesinnung kein Hehl macht, schreibt er nach Erzählung des Hergangs: „Frage nicht weiter! Dieser Tag ist mir so schön erschienen, daß ich gewissermaßen eine Erscheinung der wieder erstehenden Republik zu sehn glaubte""). Meine Abicht, dauernd zu schweigen, „hat Caesars Seelengröße und das rühmliche Verhalten des Senats gebrochen". Allerdings ist er von wirklichem Vertrauen noch weit entfernt: er fürchtet, sich durch seine Erklärung für die Zukunft die Bewegungsfreiheit (otium) geraubt zu haben, aber er sei „wenigstens dem Anstoß entgangen, daß Caesar, wenn ich dauernd schwieg, hätte glauben können, ich halte das Be- stehende nicht für eine Staatsverfassung", und hofft, seine öffent- liche Betätigung in engen Grenzen halten zu können8). Er preist Servius glücklich, daß er die Dinge in Rom, abgesehn von dieser einen Szene, nicht zu sehn braucht und „daß Du wagen kannst, zu schreiben, was Dich schmerzt, wo wir nicht einmal das in Sicherheit tun können" aber er setzt hinzu, „nicht durch Schuld des Siegers, der die Mäßigung selbst ist, sondern durch die des Sieges selbst, der in Bürgerkriegen immer ausschweifend ist,"

Ciceros Rede pro Marceüo ist das Gegenstück zu Sallusts Sendschreiben. Es ist sehr lehrreich, zu sehn, wie nahe sich beide, vom entgegengesetzten Standpunkt aus, in ihrer Auf- fassung kommen, so daß ihre Ziele so gut wie identisch sind. Eine wirkliche Demokratie, die Herrschaft des souveränen Demos,

») fam. XIII 68 sperare tarnen videor, Caesari, collegae nostro (als Augur), fore curae et esse, ut habeamus aliquam rempublicam.

*) fam. IV 4, 3 noli quaerere: ita mihi pulcher Ate dies visus est, ut speciem aliquam viderer videre quasi revixnscentis reipublicae.

5) sed tarnen, quoniam effugi eius offensümem, qui fortasse ar- bitraretur, me hanc rempublicam non putare, si perpetuo tacerem, modice hoc faciam aut etiam intra modum, ut et ülius voluntati et meis studiis serviam.

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Caesar» Monarchie

ist für beide völlig ausgeschlossen ; die dringendste Aufgabe ist die Regeneration des römischen Volks durch eine sittliche und soziale Gesetzgebung; aber den römischen Staat können sie sich nur in der Form der Senatsherrschaft denken, der Senat ist für beide so gut wie für Pompejus und nachher für das Principat des Augustus der allein ernsthaft in Betracht kommende Re- präsentant des popuhts Romanos.

Caesars Gesetzgebung im Jahre 46

Caesar hat die von ihm geforderte Gesetzgebung sogleich in Angriff genommen. Auch er will von einer Demokratie nichts wissen und steht ihr innerlich noch ferner als seine beiden Rat- geber: über die geheiligten Rechte des Volks und seiner Re- präsentanten, der- Tribunen, hat er sich, obwohl er ihnen den Vorwand für die Eröffnung des Kriegs entnommen hatte, wie im Jahre 49 gegen Metellus, so nachher bei der Gestaltung der Wahlen und beim Einschreiten gegen die Opposition mit souveräner Geringschätzung hinweggesetzt; weder Sallust noch Cicero konnten ein solches Vorgehn billigen1). Aber ebensowenig denkt Caesar an eine Wiederherstellung des Senatsregiments und an ein harmonisches Zusammenwirken als der führende Staats- mann, der Princeps, mit dem souveränen Senat; vielmehr ist sein Ziel die volle Erhaltung der durch den Krieg gewonnenen Stellung, die Aufrichtung der absoluten Monarchie und daher die Herabdrückung des Senats zu einem lediglich von ihm ab- hängigen Staatsrat, zu einem willenlosen Organ, das seine Be- fehle ausführt. Von einer Wiederherstellung der Republik, wenn auch nur der Form nach, wie sie Cicero gehofft hatte und Sallust als selbstverständlich betrachtete, ist bei ihm keine Rede,

') bekanntlich halt Cicero in dem Entwarf der Staatsverfassung in den Büchern de legibus an allen Institutionen des bestehenden Staats fest und verteidigt III 19 ff. das Tribunat und seine Wiederherstellung durch Pompejus gegen die Angriffe seines Bruders und des Atticus, wenn er auch zugibt, daß die Gebrechen offenkundig und die Entscheid dung unsicher sei.

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Caesars monarchische Tendenzen. Stellung zum Senat 4X1

im schroffsten Gegensatz zu der Staatsgestaltung, die sein Erbe Augustus geschaffen hat.

So ist denn der aufdämmernde Hoffnungsschimmer alsbald erloschen. Schon die ärgerlichen Szenen bei den Triumphen und Spielen brachten, wenige Tage nach der Begnadigung des Marcellus, den Gegensatz lebendig zum Bewußtsein1). Noch deut- licher trat die rein monarchische Tendenz in seiner gesamten administrativen und gesetzgeberischen Tätigkeit und vor allem in der geringschätzigen Behandlung des Senats hervor, die Caesar, auch wenn er ihn formell benutzte und, wie Dio berichtet, seine Gesetze vorher mit angesehenen Senatoren und gelegentlich mit dem ganzen Senat beriet1), überall mit voller Absicht hervor- kehrte. „Glaubst Du", schreibt Cicero im Spätherbst 46 an Paetus, der gefordert hat, er solle sich am politischen Leben ernsthaft beteiligen, „daß es eine weniger große Menge von Senatsbeschlüssen geben würde, wenn ich in Neapel wäre? Während ich in Rom bin und auf dem Forum tätig bin, werden die Senatsbeschlüsse bei Caesar redigiert; und wenn es ihm in den Sinn kommt, wird mein Name als Zeuge der Abfassung darunter gesetzt, und ich höre früher, daß ein Senatsbeschluß nach Armenien und Syrien gelangt ist, der auf meinen Antrag gefaßt sein soll, als ich erfahre, daß von dem Gegenstand über- haupt irgendwie die Rede gewesen ist. Glaube ja nicht, daß ich scherze; wisse vielmehr, daß ich schon Dankbriefe von Königen am Ende der Welt erhalten habe, weil ich für sie den Königs- titel beantragt hätte, während ich nicht nur nichts davon wußte, daß sie diesen Titel erhalten haben, sondern daß sie überhaupt auf der Welt wären"3) So kehrt er denn alsbald wieder zu seinem alten Vorsatz zurück, auf alle politische Tätigkeit zu verzichten und in philosophischen Studien Zuflucht zu suchen. Bis Caesar nach Spanien abging, mußte er allerdings in Rom bleiben und

') Vgl. CiceroB Brief an CorniBcius XII 18 oben S. 887, 3.

*) Dio 48, 27 o5t' i&ioYvu>fuT»v tfco^o'jXwv firpatttv (die gebung), iXXa Jtavc* «övru>s xoiq itpwtot«; xf^ favlvfi, Ioti V 8tt xal k&otq airjj cittxotvoo.

») fam. IX 15.

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Caesars Monarchie

hat liier unter andrem am 26. November (24. September) „die ganzen Demütigungen und Mühsale auf sich genommen, die es kostet, zu Caesar sn gelangen", um sich bei ihm für Ligarius zu verwenden1), und kurz darauf auf dem Markt vor Caesars Richter- stuhl die Rede für diesen gehalten, die seine Begnadigung er- wirkte*). Sobald aber Caesar Rom verlassen hatte, zog er sieb auf seine Güter zurück; zum Werkzeug der neuen Monarchie, wie Caesar gehofft haben mochte, wollte er sich nicht hergeben.

Inzwischen hat Caesar sich in der Tat, wenn auch in ganz andrem Sinne, mit der vollen Energie seiner Persönlichkeit der von Cicero bezeichneten Aufgabe zugewandt. In den rund fünf Monaten, die er im Jahre 46 in Rom verweilte von Ende Juli (Ende Mai) bis zum Anfang des Intercalaris posterior (An- fang November) , hat er neben den zahlreichen daneben sich drängenden Geschäften, den Festfeiern und Bauten und der Vor- bereitung des spanischen Feldzugs, ähnlich wie Napoleon nach dem Staatsstreich des 18. Brumaire, eine ganz intensive Tätig- keit auf dem Gebiet der Verwaltung und vor allem der Gesetz- gebung entwickelt, deren Umfang geradezu in Erstaunen setzt und von seiner Arbeitskraft wie von der Rascliheit und Sicher- heit seiner Entschlüsse den höchsten Begriff gibt; sie steht in dieser Beziehung seinen Leistungen als Feldherr völlig ebenbürtig zur Seite, wie man auch sonst über ihren inneren Wert denken mag.

') fam. VI 14.

') Über den Prozeß des Ligarius hat Plntarch Cic. 39 die hübsche Überlieferung bewahrt, Caesar habe gesagt: »Was steht im Wege, ein- mal nach langer Zeit wieder Cicero reden zu hören, da ja das Urteil seit langem feststeht, daß Ligarius ein Bösewicht und Feind ist?"; dann aber habe die Kede. die mit großem Geschick die Tatsachen der Anklage zngibt, wenn sie auch sie abzuschwächen sucht, und sich ganz an Caesars Oberall bezeigte Milde wendet und wie bei Marcellus um Gnade bittet, ihn aufs tiefste getroffen und die Begnadigung erzwungen, über die große Wirkung der durch Atticus publizierten Ligariana. die Baibus und Oppius an Caesar nach Spanien schicken, weil sie ihnen miriflee gefallt, s. Att. XIII 12, 2. 19, 2. 20, 2 (ferner für eine nach- trägliche Korrektur zu § 33, die in die handschriftliche Überlieferung nicht aufgenommen ist, Att. XIII 44, 'S).

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Caesars gesetzgeberische Tätigkeit. Landanweisungen 413

Hierher gehören schon die Landanweisungen an die ent- lassenen Veteranen, die zu den überreichen ihnen ausgezahlten Geldsummen hinzukamen; entsprechend dem seit Marius' Heer- reform der Republik aufgezwungenen und auch vom Principat des Augustus festgehaltenen Grundsatz, der dem Staat schon so viele schwere Krisen gebracht hatte und noch bringen sollte, sollten die ausgedienten Soldaten in Bauern umgewandelt und so zugleich der verfallenen italischen Landwirtschaft wieder auf- geholfen werden. Formell halten sich die neuen Landanweisungen im Rahmen der von Caesar als Consul erlassenen Ackergesetze. Eingriffe in die Besitzverhältnisse wurden, wie bei der Schulden - regulierung, nach Möglichkeit vermieden; statt einzelne Ge- meinden herauszugreifen und die bisherigen Besitzer mit oder ohne Entschädigung aus ihrem Besitz zu vertreiben, wie es Sulla getan hatte und nachher in noch weit brutalerer Weise die Triumvirn vorgingen, verteilte er die Ansiedler über ganz Italien und ließ überall außer dem Staatsland1) und den ihm selbst gehörenden Besitzungen nur solche Bezirke der Feldmark für die Assignationen einziehn und aufkaufen, die entweder brach lagen oder doch von den Eigentümern ohne schwere Schädigung hergegeben werden konnten. Das entspricht Sallusts Vor- schlägen; dadurch wurde zugleich erreicht, daß die Veteranen in die bestehenden Gemeinden eingegliedert wurden und keine geschlossenen Ansiedlungen bildeten, die dem Staat hätten ge- fährlich werden können*). Die beiden Motive sind im Grunde

') Auch Tempelgut wurde zu dem Zwecke verkauft, Dio 48, 47, 4. •vgl. Brutus' Rede bei Appian II 140 , 586: Sulla und Caesar rhv 'lta- Xiav . . . ico>ifioj vojicp xai X^onrjpioo vofup rr,v tt fT)v if^poövto xai outa? xai xA^otxi xai Upa. Bei der Ansiedlung von Kolonisten in Capua werden wenige Monate vor Caesars Ermordung vetustissima sepulcra zerstört: Sueton Caes. 82. Die lex Julia über die Landanweisungen an die Veteranen erwähnt auch Cic. Phil. V 58.

*) Sueton Ca*». 38 adsignavit (veter anis) et agros, sed non con- Hnuos, ne quis possessorium expelleretur. Appian II 94, in der Rede an die Soldaten bei dem Milit&rauf stand im Herbst 47: luvst» lk «al fYjv änaotv ixtsX?3&fivtcuv t«üv itoXifiuiv, 06 xa&dtTup ^uXXa^ öttpoupoofisvo^ ixsputv -ijv **t tote fyaiptfciat tobe taßjycac oovotxiCwv *a: «ouüv

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Caesars Monarchie

identisch1); es, handelt sich um die Oberführung in die ge- ordneten Verhaltnisse des neuen Staatsbaus unter möglichster Schonung der bestehenden Rechtsordnung. So wurden denn auch die sullanischen Lmdanweisutiiien und Verkäufe ausdrück- lieh als gültig anerkannt, um nicht durch ihre Einziehung bei einer zukünftigen Umwälzung auch die Caesars zu gefährden*). Die Bestimmung des Gesetzes vom Jahre 59, daß das zuge- wiesene Land zwanzig Jahre lang nicht veräußert werden darf (S. 64), gilt auch für die neuen Aasignationen '). Mit der Ausführung beauftragte Caesar Kommissare, die wie ehe- mals die Adjutanten des Pompe jus und seine mit selbständigem Kommando betrauten Generäle den Titel legaii pro praetore') und in der Entscheidung der Einzelfragen innerhalb der ihnen von Caesar zugewiesenen Kompetenz recht bedeutende Macht- befugnisse erhielten, wenn auch der Herrscher jederzeit mit einem entscheidenden Wort eingreifen konnte6). Die grund-

aXX-f}Xot{ i( i*{ noXt|iEooc, aXXa rhv toö br^ou ytJv btivfpitv xal tyjv ifioo« toö, xat tot ftfovta xpoowvoöutvoc. Ebenso Dio 42. 54, der die Ausführung angenau gleich an den Militäraufstand anschließt: x«»pav tt rfjc &y|- aooiac xetl ix iaotoö «&si o^iotv fvttfirv, oUXooc SXX^ xal «atvo ttoppt» an* iXX-r^wv asapTYjoac, äot» jvrj« tot? 6pox«»poic o?ä<; <pojiepo6<; ji-»jt* ai ^(/ö<; vtiDTtptoji&v JtotjjLO'jj, xa$* iv xoo aovotxoövta<, ftviodm.

') Das hat z. B. Drlmajin III - 554 verkannt, wenn er als Motiv der Maßregel anführt: .weniger, weil man sonst Grundbesitzer hatte ver- drängen müssen, wie Sueton glaubt, als um die neuen zu trennen und Meutereien zu verhüten.'

*) Cic. fam. XIII 8, 2.

*) Appian III 2, 5. 7, 24. Nach Caesars Ermordung wird sie von den Praetoren Cassius und Brutus aufgehoben.

*) So im Jahre 45 Q. Valerius Orca Cic. fam. XIII 4. 5.

*) fam. XIII 7 schreibt Cicero an den Ackerkommissar Cluvius, bei dem er sich für die Erhaltung der einträglichen Güter verwendet, welche die campanische Gemeinde Atella in Gallia cisalpina besaß: non sum nescius et quae temporum ratio et quae tua potestas sit, tibique negotium datum esse a C. Caesare, non iudicium, praeclare inteüego ; aber Cluvius hat ahnliche Bitten von Regium berücksichtigt, und im übrigen hofft Cicero, C. Caesari nos causam munieipii probaturos. In ähnlicher Weise verwendet er sich XIII 4 und 5 bei Orca für Vola- terrae and für den dort liegenden Besitz des C. Curtius, den Caesar in

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Caesars Veteranenansiedlungen

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legenden Anordnungen hat Caesar wahrscheinlich schon im Herbst 47 erlassen1); nach seiner Rückkehr aus Afrika finden wir Ende August 46, noch vor den Triumphen, die Kommissare in voller Tätigkeit und unter andrem mit der Vermessung der Feldmark von Vejis) und Oapena beschäftigt; Cicero ist nicht ohne Sorge, daß man ihm auch sein Landgut bei Tusculum nehmen könnte8). Diese Tätigkeit hat sich in den beiden folgen- den Jahren ununterbrochen weiter fortgesetzt4) und war auch bei seiner Ermordung noch bei weitem nicht abgeschlossen, zu- mal natürlich nach dem spanischen Feldzug noch wieder neue Veteranen hinzukamen6). So wurden die Mannschaften der siebenten und achten Legion in Campanien angesiedelt, speziell in Casilinum und Calatia'). Vielfache Härten waren bei der Ausführung unvermeidlich ; aber im allgemeinen scheint wirklich .'iißerordentlich schonend verfahren zu sein.

den Senat aufgenommen bat, und XIII 8 bei M. Rutilius für ein Gut des Senators C. Albinius unter Hinweis auf die Momente, aus denen sich eine dem Gesuche günstige Auffassung Caesars erschließen laßt.

0 Vgl. Dio und Appian S. 413, 2.

') Vgl. S. 66, 2.

'} fam. IX 17 an Paetus.

4) Vgl. Cic. ad fam. XIII 4—8 (oben S. 414 , 5) aus dem Jahre 45.

6) Appian civ. II 119, 501: Nach Caesars Ermordung fürchten die Mörder die zahlreichen Veteranen in Rom, tob? piv fipri r?)« otpattux; etystpivooe xai t{ xX-rjpooxiac o'iattTaYftfvoos , tou< £i npoaiHpxtapivooc uiv, t? 81 RapaitopirTjv toö Kabapoc }£t6vtoc OHptfuivooc. Vgl. c. 120, 507, wo- nach tö *X-?]*t>e xü»v inoorpattoofiivaiv versammelt ist xoivj} ig xX-qpooxiac äiixoo« &XXo?plac tt 7^? xal &XXoxptu>v oixtov tfctov ; ferner Antonius' Rede im Senat 183 , 557 und Brutus' Rede an das Volk c. 140 f. , worin er den Veteranen die Erhaltung ihres zugewiesenen Besitzes zusichert und zugleich den früheren Besitzern eine Entschädigung aus der Staatekasse verheißt (vgl. III 2, 5). Am 17. März ist derselbe auch durch einen be- sonderen Senatsbeschluß, neben der Bestätigung der Acta Caesaris, garantiert worden, c. 185, 565. vgl. Dio 44, 84. Cic. Phil. I 6.

•) Nie. Dam. Caes. 31. und dazu Cic. Att. XVI 8. Phil. II 102. Appian ID 40. Vellejus II 61. Ferner gehört hierher die Angabe im Liter coloniarum Röm. Feldmesser p. 289: Votturnum, muro duetum, colonia iussu imp. Caesaris dedueta. Vgl. weiter oben 8. 64 sowie S. 413, 1.

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Caesars Monarchie

Wenn Caesar die Ansprüche der Soldaten in weitgehendstem Umfang, noch über die gegebenen Versprechungen hinaus, be- friedigte, so war er nicht gewillt, ihnen irgendwelche Unbot- mäßigkeit nach zusehn, sondern hielt die Disziplin unerbittlich aufrecht1). Auch bei dem Militäraufstand von 49 hat er die Rädelsführer der neunten Legion dezimieren und zwölf von ihnen hinrichten lassen; und bei dem Aufstand von 47 sorgte er, trotz der offiziellen Begnadigung, dafür, daß die Schuldigsten nach- träglich den Untergang fanden. Als jetzt infolge der ununter- brochenen Festlichkeiten und der bei ihnen getriebenen Ver- schwendung, die die Begehrlichkeit reizte, in der Hauptstadt Soldatenunruhen ausbrachen, ist Caesar energisch eingeschritten: einen der Rädelsführer hat er mit eigener Hand gepackt und dem Henker übergeben, zwei andre wurden auf dem Marsfeld unter Assistenz der Pontifices und des Flamen Martialis in sakralen Formen nach dem widerlichen Ritus der Opferung des Oktoberrosses geschlachtet, ihre Häupter an der Regia, dem Hause des Pontifex maxi mos, in dem Caesar wohnte, aufgesteckt2). Die Zeremonie war als Sühneritus gedacht; als Wiederbelebung und Steigerung alter abergläubischer Bräuche ist sie ein Gegen- stück zu der ostentativen Ersteigung des Capitols auf den Knien (oben S. 388), und erscheint um so häßlicher, da Caesar in Wirk- lichkeit aller Religion völlig kühl gegenüberstand und sie nur als ein Werkzeug für politische Zwecke betrachtete.

Wie Caesar die Soldaten im Zaum hielt, hat er auch der hauptstädtischen Bevölkerung, nachdem sie in den Triumph- geschenken und den anschließenden Festen ihren reich be- messenen Anteil an der Beute erhalten hatte, die Zügel angelegt. Er ermittelte zunächst den Bestand der Einwohnerschaft Roms durch Hausüsteu, welche die Eigentümer der Mietshäuser aus- zufüllen hatten, und reduzierte dann die Zahl der Getreide- empfänger, die seit den Maßnahmen des Pompejus für die Ge-

') delicto (militum) neque observabai omnia neque pro modo exsequebatur ; sed deseriorum ac seditiosorum et inquisüor et pu- nüor acerrimus, connivebat in ceteris, Suetou Caes. 67.

•) Dio 43f 24.

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Bestrafung der MilitarreTolten. Einschränkung des Proletariat« 417

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treideversorgung Roms gewaltig, bis auf 320 000 Köpfe, an- gewachsen war, auf 150 000 feste Stellen, weniger als die Hälfte; die durch Todesfall freigewordenen Stellen wurden fortan all- jährlich durch einen Praetor1) unter die Aspiranten verlost1). Seit dem Jahre 44 wurden für die Getreideverteilung zwei neue plebejische Aedilen, die Aediles Ceriales, bestellt"). Dadurch wurde die bisherige Verpflegung der in die Hauptstadt sich su- sammendrangenden erwerbslosen Bevölkerung auf Staatskosten in eine geregelte Armenversorgung umgewandelt. Für die Aus- scheidenden war eine Versorgung durch Land in den Kolonien in Aussicht genommen (unten S. 495). Zugleich hob Caesar die von Clodius im Jahre 58 geschaffenen Vereine auf, in denen unter der Form religiös-sozialer Genossenschaften ganz wie in den amerikanischen Großstädten die gesamte hauptstädtische Bevölkerung organisiert war und den Drahtziehern des politischen Getriebes für ihre persönlichen Zwecke willenlos und dienstbereit zur Verfügung stand, dort in Amerika für die Beherrschung der Wahlen, in Rom zugleich für die Aufrechterhaltung der perma- nenten Anarchie mit ihren Straßenschlachten und der Terrorisie- rung des Senats und der Volksversammlungen. Solange Caesar zur Macht emporstrebte, hatte er dieses Treiben eifrig gefördert wahrlich nicht, weil er „sogar jetzt noch den großartigen Traum eines freien Gemeinwesens im Sinne trug"1) , und im Jahre 47

') Wie Asconius in Hornel, p. 59 lehrt, wurden Praetoren schon früher (im Jahre 66) zur pnblici frumenii cura herangezogen.

*) Sueton Caes. 41. Dio 48, 21, 4. Vgl. lex Iuiia municipaJis cp. 6. Bei Lirius epit. 115 recensum egü, quo ceruta sunt civium capita CL erscheint die Maßregel durch kurze Fassung der Epitome in schiefer Beleuchtung, und die Quelle Appians II 102, 425 und Plu- tarchs Caee. 55 hat daraus in der Tat einen Rückgang der Berölkerung auf die Hälfte durch den Bürgerkrieg gemacht, eine Auffassung, die auch Dio 48, 25 vertritt: iitstä-^ öX^avdpwKMx iiä ti «iv &koXu>-

X6?<dv icXy^oc, tx tt t&v äno-fpafCDV (xal 70p tiutvac dt tt fiXXa a>ai«p

i»Xo i*s8nr]x«v. im Widerspruch mit seiner eigenen Angube 43, 21, die den Vorgang richtig darstellt.

*) Dio 48, 51, 8. Pomponins Dig. I 2, 2, 32.

*) Mommskm, Rom. Gesch. III 7 333. Uefr, CtMara Monarchie 27

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Caesars Monarchie

hatte die Anarchie unter Dolabella noch einmal ihre Orgien feiern können; jetzt, wo er Monaroh geworden war, machte er dem Unfug energisch ein Ende. Alle derartigen Vereine, mit Aus- nahme der altüberlieferten Zünfte, wurden aufgehoben1), Zu- sammenrottungen des Pöbels nicht mehr geduldet, religiöse Kult- vereine durch ein Edikt verboten2).

Aber nicht nur mit den extremen Tendenzen der Anarchie hat Caesar aufgeräumt, sondern überhaupt das demokratische Programm, in dessen Namen er in den Bürgerkrieg gezogen war, als Herrscher vollständig verleugnet. Caesars Monarchie ist ebensowenig wie das Principat des Augustus eine Erfüllung der Ideale der Gracchen, wie Mommsen meint, sei es auch nur in abgeschwächter (Jestalt, sondern vielmehr ihr diametrales Gegen- teil. Beide Staatsmänner betrachteten die Massen als völlig unfähig zur Teilnahme sowohl am Regiment das hat auch Sallust anerkannt wie an der Verwaltung eines lebens- kräftigen Staate; nur die oberen, durch ein großes Vermögen von der Menge abgesonderten Stände erschienen ihnen dazu befähigt. Schon in der Regulierung der Schuldennot tritt die Rücksicht hervor, die Caesar auf diese genommen hat. Nicht eine Auf- hebung der Macht des Geldes, wie Sallust forderte, sondern eine Steigerung seiner Bedeutung, eine unverhüllte Plutokratie, die den Mantel demokratischer Phrasen, mit dem sie sich bisher deckte, abgeworfen hat, ist das Ergebnis semer Staatsgestal- tung wie der des Augustus. Nichts ist dafür bezeichnender, als daß er bei der Besetzung der Richterstellen nicht etwa, wie Sallust gefordert hatte, den dritten Stand in weiterem Umfang

') cuncta coüegia praeter antiquitus constituta distraxii, Sneton Ca*». 42.

*) Erlaß des Proconsuls von Asia (der Eingang der Urkunde ist be- kanntlich corrupt Oberliefert) an die Gemeinde Parion bei Jos. Ant. XIV 10, 8, 215, der den Jaden ihre Kultversamminngen und Kultmahle gestattet: xal *r»p Tätoc Kaloap 6 -rjni?spoc otparfrr&c ßncito< iv xfy iia- * ä f pt o 1 1 * ui X 6 a> v fr t <4 o o o 5 aovdj is^at x a t ä nöXtv fiovooc tootooc o5x ixutXoosv o&w XrvhllaTa aov»t<J<piptiv oßt« aov&tiicva itottiv. 6u,oiw; 5i x&fu» touc aUoo? *«4ooo« xuttXöcov toikotc fiovot? Uttp*nu> xtX.

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Plutokratiseher Charakter der Gesetzgebung

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heranzog, sondern im Gegenteil seinen Vertretern, den Aerar- tribunen, die ihnen seit dem Jahre 70 gewährte Beteiligung durch ein Centuriatgesetz nehmen und die drei Bichterdecurien lediglich durch Männer vom Senatoren- und Ritteroensus be- setzen ließ1). Diese Ordnung hat bekanntlich Augustus bei- behalten, nur daß dieser, weil die Senatoren und Ritter für die Bedürfnisse nicht ausreichten, für leichtere Zivilprozesse noch eine vierte Decurie bildete, für die nur der halbe Rittercensus (200000 Sestertien) gefordert wurde2).

Daß die Caesar übertragene Dictatur ebenso wie die Sullas und wie später die Amtsgewalt der Triumvirn ausdrücklich mit der gesetzgebenden Gewalt, reipublicae conslituendae, ausgestattet war, ist zwar nicht ausdrücklich überliefert, aber kaum zu be- zweifeln3); trotzdem hat er, wie Sulla, alle gesetzlichen Anord- nungen auf legitimem Wege, unter Beobachtung des Trinun- dinums, durch die Comitien annehmen lassen, und zwar vom Populus durch die Centurien, nicht von der Plebs durch die Tribus, um ihnen dauernde und unanfechtbare Gültigkeit zu

') Dio 4-'i, 28 to SixaotYjpia tot< ßooXtoTatc xal tot? licittöo: (lävotc initpt^tv, 8it«K 10 xctfrapüttatov ott pdXtata itl SixdCor Rpot«pov fip xal ix toö 6utXoo «vi? aov8irfiYvu.3xov a&toi«. Sueton Caes. 41 iudicia ad duo genera iudicum redegit, equestris ordinis ac senatorii; tribunos aerarios, quod erat tertium, sustulü. Cic. Phil. I 19 f. 24, wonach Caesar das Gesetz ad populum centuriatis comitiis tulit. Antonius will auf Grand einer angeblichen Verfügung in Caesars Nachlaß in der dritten Decurie auch Centurionen zulassen, und zwar ohne Census; da- gegen wendet Cicero ein, daß der Nachweis des Census auch vom Richter gefordert war, umgekehrt aber die Richterstelle auch den Centurionen offen .stand, weun sie das entsprechende Vermögen besaßen; jetzt aber verlange Antonius, ut ei res in tertia decwria iudicent, qui libere iudicare non atideant.

') Sueton Aug. 32 ; dafür hat er im Jahre 4 v. Chr. in Italien einen Census derer, die dies Vermögen besaßen, aufgenommen (Dio 55, 18, 4).

a) In den capitolinischen Fasten ist die rechte Seite der Tafel, welche den betreffenden Zusatz enthielt, verloren; aber genauere Be- stimmungen Uber die Kompetenz können den Gesetzen, auf die Caesars Ernennung begründet war, nicht gefehlt haben. Vgl. Mommssn, Staats- recht II 684.

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Caesars Monarchie

verleihen1). Weiter war ihm nach dem Siege von Thapsus (oben S. 385) neben der, in ihren äußeren Ehren noch weiter gesteigerten , dritten Dictatur «war nicht die Censur, wohl aber die Zusammen- fassung der cenaorischen Machtbefugnisse unter dem Titel der Aufsicht über die Sitten (cura morwn) und damit die Kontrolle über die Lebensführung eines jeden Bürgers und das Recht d<« Eingrins in sein Privatleben auf drei Jahre zuerkannt worden8) ; und auch von diesem Recht hat er sogleich umfassenden Ge- brauch gemacht. Vor allem wurde der bis zum Übermaß ent- wickelte Tafelluxus der vornehmen Herrn stark eingeschränkt und durch ein Aufwandgesetz genau festgesetzt, wieviel fortan für eine Mahlzeit ausgegeben werden dürfe; Polizeibeamte kon- trollierten die Delikatessenläden, von Soldaten begleitete Lictoren inspizierten die Küchen, um die über die erlaubte Grenze hinaus- gehenden Gerichte zu konfiszieren8). Ein andres Gesetz schränkte

•) Cic. Phil. I 17 ff. 24. 25.

*) Dio 48, 14 c<üv tt tpdtttnv tcäv k%4oton tmotdttinv (ofitio yd.p iciac <i»vo|i.ä?\W] a>3itep oö* a£ta( aotoö rtjs too tifrntoö icpoap-fjasai;; o5ot){) xpia abxbv f-nrj xal StKtaceopa t{ 2fxa ift^-rji; stXovto. Sueton c. 76 erwähnt in seiner Liste der honores Caesars auch praefecturam morwn. Monas». Staatsrecht II 685 hat die Zuverlässigkeit der Angabe bestritten, obwohl sie durch das gleichzeitige Zeugnis Giceros fam. IX 15, 5 nosier hic praefectus moribus aufs beste bestätigt wird: das Amt des kon- stituierenden Dictators lasse ,fdr eine zweite Ausnahmestellung neben sich keinen Raum*. Darin tritt, wie so häufig bei Momm.sk?«, der Dok- trinarismus der juristischen Begriffabildung hervor, der den in einer Institution liegenden Gedanken bis in seine äußersten Konsequenzen verfolgt, ein Verfahren, das gerade auf staatsrechtlichem Gebiete am wenigsten zulässig ist und notwendig zu Mißgriffen führen muß. Dal) dem Augustus in den Jahren 19, 18 und 11 dasselbe Amt angeboten wurde, erfordert geradezu das Praecedens aus caesarischer Zeit; «apa «ä itdtpta ftWj war es natürlich trotzdem, so gut wie die sullanische und raesarische Dictatur. und wurde daher ebenso wie diese von Augustus abgelehnt.

') Dio 48, 25 AvaXcufiota td»v xi tyovwov ini icktistov i'jr' ä-uma^ i^Ypiva ob* sv vöfup ftovov ({istptaatv, a)Aa xal *<p Sp-f« toyopt»«; tv foXotJCj «KoiTjaato. Sueton Caes. 48 legem praecipue sumpUuvriam eocercuit, dispositis circa macellum custodibus, qui obsonüi contra vetitum retinerent deportarentque ad ae, aubmissis nonnunquom lictoribus

Caesars Sittengeset zgebnng

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den Bauluxus ein und legte eine Steuer auf die Verwendung von Säulen und auf üppige Grabmaler: für den Betrag, der die er- laubte Grenze überschritt, war die gleiche Summe an die Staats- kasse zu zahlen1). Weiter wurde der Gebrauch von Sanften und der Kleiderluxus, der Schmuck mit Perlen und Muscheln stark beschnitten und unverheirateten und kinderlosen Frauen unter 45 Jahren überhaupt verboten2).

Mit diesen Gesetzen hat Caesar den Weg eingeschlagen, vor dem Sallust ihn gewarnt hatte; und der Erfolg ist denn auch gewesen, daß sie wirkungslos blieben: nachdem der erste Eifer verrauscht und der Sittenmeister nach Spanien gegangen war, schliefen die Zwangsmaßregeln ein8). Dies Ergebnis war unver- meidlich und von Sallust vorausgesehn ; es war der Grundirrtum der antiken Theorie, der in weitem Umfang auch die Praxis be- herrschte, man könne durch eine richtig gedachte und konsequent durchgeführte Gesetzgebung eine radikale Umwandlung der ge- schichtlich entwickelten Lebensformen erzwingen und so den

atque militibus , qui, si qua custodes fefellissent , iam adposita e tricliniis auferrent Von dieser lex sumptuaria ist in Ciceros Kor- respondenz seit dem Herbst 46 mehrfach die Rede: fam. IX 15, 5. 26, 4. Att. XII 7, 1 ; Cicero versichert, daß er für seine Mahlzeiten, auch wenn er Gaste habe, weit weniger ansgebe. als das Gesetz, si utta nunc lex est (IX 26, 4). gestatte.

') Cic. Att. XIII 6, 1 (bei den für Tullia im Frühjahr 45 geplanten Bauten): Columnarium (die Saulensteuer) vide ne nullum debeamus; quamquam mihi videor audisse a Camillo, commutalam esse legem. XII 35, 2 antequam a te proxime disce&si, numquam mihi venit in meutern , quo plus insumptum in monumentum esset quam nescio quid, quod lege concedüur, tantumdem populo dandum esse; Tgl. 36. 1 sepulcri similitudinem effugere non tarn propter poenam legis studeo cet.

*) Saeton Caes. 43 lecticarum usum, item conchyliatae vestis et margaritarum , nisi ceriis personis et aetatibus perque certos dies, ademit. Hieron. chron. ao 46: prohibitae lecticis margaritis- que uti, quae nec viros nec liberos haberent et minores essent annis XLV.

*) Anfang Juni 45 schreibt Cicero an Atticns XIII 7, er erfahre, Caesar wolle nach der Rückkehr aus Spanien in Rom bleiben, ne se ubsente leges sitae neglegerentur , sicut esset neglecta sumptuaria.

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Caesars Monarchie

Charakter eines Gemeinwesens von Grund aus umwandeln. Diese Auffassung, die auch Caesars Gesetzgebung beherrschte, ist, das muß stark betont werden, durchaus aristokratisch: das unerreichte Muster, dem man nacheiferte, war das Sparta der Lykurglegende, und in Rom hat die Aristokratie seit des alten Ca tos Zeiten ein Luxus« und Speisegesetz nach dem andern er- . lassen. An sie reiht Caesar sich an; so unangenehm seine Gesetze die einzelnen vornehmen Herrn treffen mochten, die Tendenz ist die Hebung der höheren Stände, der ordines des Senats und der Ritterschaft.

Der gleichen Absicht diente der Versuch, den seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts nicht nur zum Stillstand gekommenen« sondern ständig zurückgehenden Bestand der bürgerlichen Be- völkerung durch Prämien für Kinderreichtum zu heben1), wie er schon als Consul die Ackeranweisungen in Campanien nur für Bürger bestimmt hatte, die drei Kinder hatten (S. 64). Über die jetzt erlassenen Bestimmungen erfahren wir nichts Genaueres; aber es ist klar, daß diese Maßregel ebenso wie die weit um- fassenderen des Augustus nur auf die oberen Stände berechnet sein konnte. Wirkungsvoller war, daß kein Bürger, der nicht im Militärdienst stand, vom 20. bis zum 40. Jahre länger als drei Jahre von Italien abwesend sein dürfe, und daß den Senatoren - söhnen, wenn sie nicht dem Gefolge eines Beamten angehörten, überhaupt vei boten wurde, Italien zu verlassen2). Davon, daß Caesar, wie später Augustus, auch die Ritterschaft weiter hätte kräftigen und für die Zwecke der Reichsverwaltung über ihren Dienst als Richter hinaus organisieren wollen, findet sich in der Uberlieferung nichts; denn daß er bei seinen Festspielen auch die ritterliche Jugend im Trojaspiel paradieren ließ, wie früher Sulla3), besagt dafür nichts. Wohl aber suchte er dem weiteren Anwachsen der Sklavenschaft entgegenzuwirken: er bestimmte, daß von den in der Weidewirtschaft des Großgrundbesitzes be- schäftigten Hirten mindestens ein Drittel Freigeboreue, und zwar

') Dio 48, 25, 8 itoXoitat&as ad-Xi sjüä-rpuv.

?) Sueton Caes. 42.

3) Dio 43, 23, 6. Sueton 39.

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Bevölkerungspolitik und Krimi nalgesetze Casars

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erwachsene Männer, sein müßten1). Wie weit sieb diese An- ordnung hat wirklich erzwingen lassen, vermögen wir nicht zu erkennen.

Daran schließt weiter eine Reihe tief einschneidender Kriminal- gesotze2), de vi und de maiestate, welche die Strafen verschärften und unter andrem, um den Unfug einzuschränken, daß die Schuldigen freiwillig ins Exil gehn und hier ihr Vermögen un- gestört genießen konnten, bestimmten, daß beim Nächstenmord (parricidium) das gesamte Vermögen, in andern Fällen die Hälfte eingezogen wurde3). Die Provocation an das Volk gegen den Spruch der Geschworenen blieb auch fernerhin ausgeschlossen, wie es dem Wesen der Quaestionengerichte entsprach, in denen die Geschworenen Vertreter des Volks, nicht etwa Beamte sind, und wie es auch Sulla bestimmt hatte.

Auch persönlich hat Caesar, ebenso wie später die Kaiser, eifrig an der Rechtsprechung teilgenommen4), auf Grund der

*> Sueton 42 neve ii, qui pecuariam facerent, minus tertia parte puberum ingenuorum inter pastores haberent.

*) In der Polemik gegen Antonios, der durch die aas Caesars Nachlaß . aus seinen Chirograph , vorgebrachten Gesetze die wirk- lichen leges Caesaris aufhob. PhiL I 16 ff., erwähnt Cicero unter den leges multae et praeclarar außer dem über die Provinzialstatthalter auch opnnes iudiciariae leges Carsarix, darunter das über die Gerichts- verfassung (§§19 und 24, oben S. 76) und § 22 die leges Caesaris, quae iubent ei, qui de vi, iiemque ei, qui maiestatis damnatus sit, aqua et igni interdici; dadurch daß Antonius jetzt hier die Provocation an das Volk freigeben will, acta Caesaris rescinduntur (vgL § 21). Wie weit im einzelnen die später geltenden Rechtssätze auf Caesar, wie weit auf Augustus zurückgehe . ist bekanntlich ganz unsicher; vgl. Mommskn, Strafrecht 128 f.

*) Sueton Caes. 42 poenas facinorum auxit; et cum locupleten eo facilius scelere se obligarent, quod integris patrimoniis exula- bant, parricidas, ut Cicero scribit (die Stelle ist nicht erhalten), bonis omnibus, reliquos dimidia parte mulUwit. Mommskn, Strafrecht 1009. 3 bezieht darauf wohl mit Hecht Cicero» Bemerkung arl Brut. I 15, 11. daß die gerichtliche Verurteilung die Einziehung des Vermögens zur Folge habe [das Zitat ist bei Mommskn verschrieben].

*) Sueton 43 im laboriosisisme ac severissime dixit.

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Caesars Monarchie

magistratischen Allgewalt, die dem Dictator zustand1), und durch sein Beispiel eine strenge Durchführung der Gesetze zu fördern gesucht. Die vollständige oder teilweise Restitution der in den letzten Jahren unter der Herrschaft des Pompejus wegen bürgerlicher Unruhen oder Wahlbestechung Verurteilten oder von den Censoren des Jahres 50 aus dem Senat Gestoßenen, die er aus politischen Gründen nach seinem Siege herbeiführte2), gehörte jetzt der Vergangenheit an und entsprach seinem Ver- halten als Monarch in keiner Weise. Als Beispiele führt Sueton an, daß er die wegen Repetunden Verurteilten auch aus dem Senat entfernte, und daß er die Ehe, die ein Mann praetorischen Ranges mit einer zwei Tage vorher geschiedenen Frau schloß, wieder auflöste, obwohl gegen sie kein weiterer Vorwurf vorlag3).

Wie man sieht, entspricht die Gesetzgebung Caesars vom Jahre 46 durchaus dem Programm, welches Cicero in der Mar- cellusrede aufstellte: constüuenda iudicia, rcvocanda fides, com- primendae Ubidines, Propaganda suboles, omnia, quae düapsa iam diffluxerunt, scveris legibus vincienda sunt. Die gleiche Tendenz der sittlichen Neukräftigung der höheren Stände und der Wieder- belebung der wirtschaftlich und sozial verfallenen italischen Nationalität liegt der gesamten Gesetzgebung des Augustus zu- grunde, die daher in weitem Umfang die Gesetze Caesars wieder aufnimmt und weiter ausbildet. Nur um bo stärker tritt der

') Daneben stand ihm die ihm schon im Jahre 48 zugewiesene Entschei- dung über das Schicksal der Besiegten zu, auf der der Prozeß des Ligarius beruht, und die Entscheidung über die ausländischen Vasallen, wie im Prozeß des Dejotarus.

*) Sueton 41 nudatos opere censorio aut sententia iudicum de ambitu condemnaios restituit. Dio 48, 27 8ti 81 ttLv ^ st>-f6vtu»v ix ÄtmooTYjpiot) soXXo&c iii &iqp.äpxu>v ^1 ttvuiv xarrjf a-(t, xoi 3ti tol( Sixasjuiö ix' ipX'*!« AnotoUt*. AXo&otv tv rjj 'ItoXlqt 2totxöo»at ixitp»}«v, fct « rrjv ßooX-hv aö<H« ob* a^töoi Tiv«; aorrj< rrxatiXttt, xoUa xai navroSaxä e&po- Xtlto. Vgl. oben S. 365.

*) Sueton 43. Baß bei Caesars Rechtsprechung Entscheidungen vor- kamen, die als parteiisch angefochten wurden, war unvermeidlich; so Dio 43, 47, 4 so&ovofjivoot sxi iu>pot<; ttva^ xal i£cXt*rx°|*iv0UC T* **«k>w, «.ot« xal altiw 8cup©8ox{ac fX"v- Nachprüfen können wir natürlich nicht

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Caesars Gesetzgebung im Jahre 46

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Unterschied hervor sowohl in der Behandlung der Verfassungs- f ragen, der Stellung des Herrschers wie des Senats, wie in der spater zu besprechenden Stellung, welche dem römischen Volk innerhalb des Reichs zugedacht war.

Zu den besprochenen Gesetzen kommt, in Ergänzung des großen Repetundengesetzes aus seinem Consulat, eine Reihe weiterer über die Reichsverwaltung, vor allem die Ordnung der Statthalter- schaften. Das Gesetz vom Jahre 52, welches ein fünfjähriges Intervall zwischen dem städtischen Amt und der Provinzver- waltung vorschrieb, konnte Caesar nicht anerkennen (vgl. 8. 371), so verständig und heilsam es war Augustus hat es bekannt- lich wieder eingeführt , weil es gegen ihn gerichtet war. Vor allem aber war es notwendig, zu verhindern, daß jemand nach dem von ihm selbst gegebenen Beispiel sich eine Provinz auf längere Zeit verschaffe und dadurch eine selbständige Macht gründe. So bestimmte das neue Gesetz, daß fortan die Consuln zwei Jahre, die Praetorier ein Jahr ihre Provinz verwalten sollten, eine Verlängerimg der Amtsdauer aber niemals bewilligt werden dürfe1) eine Bestimmung, die natürlich nichts genützt hat: bekanntlich haben nach Caesars Ermordung Antonius und Dolabella sich ihre Provinzen durch Volksbeschluß auf fünf Jahre übertragen lassen. Die Vergebung der Statthalterposten behielt, wie schon erwähnt, Caesar selbst in der Hand, statt nach republikanischer Ordnung das Los entscheiden zu lassen. Des weiteren gehört hierher die Wiedereinführung der im Jahre 60 aufgehobenen (8. 50) Zölle für die Einfuhr überseeischer Waren in Italien*), die bekannte Nenregulierung des Kalenders, für die im Herbst 46 zwischen November und Dezember zwei Schalt- monate eingelegt wurden8), und vor allem der Entwurf eines umfassenden Municipalgesetzes , das die Bestimmungen über Verfassung und Verwaltung der Bürgerstädte Italiens und des Reichs übersichtlich zusammenfaßte und modifizierte, aber auch

M Dio 43, 25, 3. Cic. Phil. I 19, 24. III 38. V 7. VIII 28. »j Sueton Caes. 48 peregrinarum mercium portoria instHuit. *) Sueton Caes. 40. Dio 48, 26 u. a.

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Caesars Monarchie

die Regelung der kommunalen und Polizeiverwaltung von Rom selbst enthielt, speziell die Bestimmungen über die Getreidever- teilung, die Instandhaltung der Straßen und den Verkehr in der Stadt, und so die Reichshauptstadt wenigstens in dieser Be- ziehung mit den übrigen Bürgerstädten auf gleiche Linie stellte1). Auch hier tritt die Tendenz hervor, die Qualität der regierenden Kreise zu heben. Die Stellung der Stadträte {decuriones) ist lebenslänglich, wie die der Senatoren in Rom; aber nicht nur wer wegen Verbrechen verurteilt ist oder sei es wegen Ver- armung oder böswillig seine Schulden nicht zahlt, wer einen schimpflichen Lebenswandel geführt hat, wer wegen militärischer Vergehn aus dem Heere ausgestoßen ist u. ä., darf im Stadtrat nicht sitzen, sondern ebensowenig, wer das einträgliche Ge- werbe eines öffentlichen Ausrufers (Auktionators, praeconium) oder des Leichenbestatters betreibt, so lange er diesem Beruf angehört. Von Bewerbern über dreißig Jahren wird überdies verlangt, daß sie nachweisen, daß sie drei Jahre oder als solche gerechnete Jahrteile zu Pferde oder sechs Jahre zu Fuß in einer Legion gedient haben, wenn sie nicht durch ein be- sonderes Privileg davon dispensiert sind. Mit der Ausarbeitung dieses Gesetzes waren Caesars Vertrauensmänner beschäftigt, während er in Spanien Krieg führte1); eingeführt ist es dann

') Von der lex Julia munidpalvt ist bekanntlich ein großes Bruch- stück erhalten; zu Anfang haben vermutlich noch manche weitere Be- stimmungen Ober die Verwaltung von Rom gestanden. Die Kontroverse über die Datierung des Gesetzes hat zuletzt G. Muttelsee, Unters. Ober die lex Iulhi mun., Diss. Freiburg 1913, verstundig besprochen.

8) Cicero schreibt an Lepta im Januar 45 fam. VI 18 8imul atqtie aeeepi a Seletico tue litteras, statim quaesivi a Balbo per codicillos, quid esset in lege: rescripsit, eos qui facerent praeconium vetari esse in decurionibtts, qui fuisseni, non vetari. Dazu stimmt das Ge- setz § 23; andrerseits zeigt die Erwähnung des Quinctilis 4} 24, daß es nicht später fallen kann als ins Jahr 45. Cicero fOgt die sehr bezeich- nende Bemerkung hinzu, daß es do<li ein Skandal gewesen wate, wenn man die qui aliquando praeconium f'erissent, in den Municipien nicht in den Rat lassen wollte, wo in Rom Leute, die noch jetzt die Einge- weideschau betreiben (qui liodie haruspicinam facerent), in den Senat aufgenommen würdeu.

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Municipalgesetz. Plan der Stadterweifcerung

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im Sommer 45. Auch die Pläne für eine umfassende Er- weiterung der Stadt Rom, Verlegung des Tiberbetts an die Hügel im Westen, Bebauung des Marsfeldes und Ersetzung des- selben durch den Campus Vaticanus, wurden damals bearbeitet, unter Heranziehung eines athenischen Architekten, und das betreffende Gesetz Anfang Juli 45, vor Caesars Rückkehr, promulgiert1). An seiner Annahme kann kein Zweifel sein; aber zur Ausführung ist es, wie so viele andre Pläne, nicht gekommen,

Born während des spanischen Kriegs. Caesar und Cicero. Die Schriften über Cato

Neben der gesetzgeberischen Tätigkeit geht ununterbrochen die Reichsverwaltung einher, die ständig ein Eingreifen des Herrschers erforderte, so für das Heerwesen und für die Stellung der Vasallen und der abhängigen Gemeinden in Ost und West2).

Aus dieser angespannten Tätigkeit wurde Caesar durch die über Erwarten rasche Entwicklung herausgerissen, welche der Aufstand in Spanien unter Führung der Söhne des Pompejus nahm. Die Kräfte der dortigen Statthalter und Heere reichten für seine Bewältigung nicht aus3); so mußte Caesar sich ent-

') Cic. Att. XIII 20 de urbe augenda quid promulgahtm, non intellexi: id sane scire velitn. Das weitere Detail 88, 4, wo Cicero vor einem dadurch betroffenen Ankauf gewarnt wird, natn ista lexper^ ferretur, volt enim Caesar ; 85, 1. Vgl. Sueton Caes. 44.

*) Genauere Kunde haben wir nnr von den Verfügungen für die Juden 8. unten S. 496, die sich durch seine ganze Regierung hinziehn; hier hat Josephus Ant. XIV 10 die Dokumente bewahrt; vgl. Täubleb, Imperium Romanum I 160 ff. Inschriftlich erhalten ist ein Erlaß an diu Mytilenaeer ans dem Ende des Jahres 46: JG. XII 2, 3*>. Dittemberoeh, Sylloge ' II no. 764. Eine Verfügung (Iber den Betrieb der Schleifstein- gruben auf Kreta und den Export der Schleifsteine: Dig. XXXIX 4, 15.

s) Die Niederwerfung des «chon seit Anfang des Jahres, vor der Schlacht bei Thapsus (Liv. epit. 114; nach Rom kam genauere Kunde davon erst im September = Juli), in Syrien ausgebrochenen Aufstände» des Caecilius Rassus überließ er dagegen den asiatischen Statthaltern, die freilich damit bis zu Caesars Ermordung nicht fertig wurden.

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Caesar* Monarchie

schließen, nachdem er etwas über fünf Monate in Rom verweilt hatte, zu Anfang des zweiten Schaltmonats (jul. November)1) selbst nach Spanien zu gehn, um ein Ende zu machen.

Vorher war es nötig, die Staatsleitung für die Zeit seiner Ab- wesenheit zu ordnen; und dabei trat der wahre Charakter der neuen Monarchie noch unverhüllter zutage. Caesar bekleidete damals außer der dritten, bis in den Frühling des Jahres 45 laufenden Jahresdictatur 2) sein drittes Consulat; Lepidus stand ihm als Consul und Magister equitum zur Seite. Wahlen für die Ämter des nächsten Jahres ließ er überhaupt nicht vor- nehmen, abgesehn von den Tribunen und Aedilen der Plebs, deren Stellen nach alter, unverbrüchlicher Satzung rechtzeitig besetzt werden mußten; erst von Spanien aus*) gab er dem Lepidus die Weisung, Wahlcomitien zu berufen, in denen Caesar für 46 zum alleinigen Consul ernannt wurde4) für diese Stellung mochte er sich auf das Vorbild des Pompejus im Jahre 52 be-

») O. E. Schmidt, s. 4'22, setzt seinen Abgang aus Rom etwa auf den 5. November julianisch.

') Völlig korrekt bezeichnet ihn daher, worauf Mommsen hingewiesen hat, das bellum Hispanicum als dictator tertio , designatus dictator quorto. Eben«) in der Inschrift von Mytilene JG. XII 2, 85 b ZI. 7 ITÄtoc 'loöXto? Kaioap u&xoxpdxjiop 8txxdxt<»p xi xptxov, xafo[oxda*v©e xb «xapxov].

*) In Rom glaubte man zunächst. Caesar werde nach seinem Ab- gang noch Wahlen vornehmen lassen oder die Beamten selbst ernennen. Scribe quaeso, schreibt Cicero vom Tusculanum aus an Atticus XII 8 etwa um die Mitte des zweiten Intercalaris (0. E. Schmidt S. 261 ff.), quid referat Celer (der also von Caesar zurückkommt) egisse Caesarem cum candidatis, utrum ipae in Fenicularium (das „Fenchelfeld* in Nordspanien) an in Martium Campum cogitei. et scire sane velim, numquid necesse sit cotnitiis esse Rornae.

*) Dio 43. 83 säixtaxtupsos Ii i-vj xoxe (als er in Spanien stand) xal Sitaxoc o^i itoxs xal fix' e;<5$u> toö fxoa? «Jtt8jix^rj. ?oö Atiu3oo Iv x% \n- «ap^ta xöv o'iju.ov i$ xoöxo oovayocyövxos" tjtitdpxfios fdp xal xoxe aüxöc Ivt- auxöv, «aoxöv ev xig önax»ta enstixütv Imt'xpX0'' «apd xd icdxpicu Das letztere soll wohl besagen, daß er. obwohl er Consul war und als solcher die Comitien hatte berufen müssen, sich bei dem Akt als mag. eq. bezeich- nete. Als cos. sine conlega für 4*> erscheint Caesar auch in den Fasti Capitol., Amerini und Colotiani.

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Besetzung der Ämter für 4">. Die Stadtpraefectur 429

rufen. So war Rom, wie im Jahre 47, auch im Jahre 45 ohne regelrechte Beamte; wie damals Antonius, so blieb jetzt der Magister equitum Lepidus als alleiniger Inhaber der höchsten Gewalt in Rom zurück. Indessen Caesar hielt ihn offenbar an sich für diese Stellung wenig geeignet; auch mochten die Er- fahrungen, die er im Jahre 47 mit Antonius gemacht hatte, ab- schreckend wirken. So bestellte er als seine Stellvertreter eine Anzahl von Vertrauensmännern, für die er den Titel des Prae- fectus urbi, des vom Consul bei dem latinischen Fest oder sonst, bei Abwesenheit aller Oberbeamten1) ernannten Stellvertreters für die hauptstädtische Verwaltung, hervorsuchte. Gegen alle bisherige Ordnung betraute er aber damit nicht einen einzelnen, sondern ein Collegium von sechs oder wahrscheinlich acht Per- sonen, die die Geschäfte unter sich teilten. Sie hatten vor allem die Rechtsprechung an Stelle der Praetoren zu leiten; zwei andre übernahmen an Stelle der Quaestoren die Verwaltung des Ärars2), einer von diesen besorgte zugleich im Juli an Stelle des sonst dafür zuständigen Praetor urbanus die Abhaltung der Apollinaris- spiele3). Äußerlioh traten diese Präfecten mit den Abzeichen der vollen Amtsgewalt auf, Lictoren, Purpurtracht und sella curulis; als dagegen Einsprache erhoben wurde, beriefen sie sich auf das Gesetz, das Caesar das Recht gewährte, Beamte mit Amts- insignien zu ernennen (wie den Curio schon im Jahre 49, oben S. 350, 4)4). Auch trug einer von ihnen kein Bedenken, während

') So bestellte Antonius xls mag. eq. im Jabre 47, als er au den aufständischen Legionen ging, einen praef. urbi (oben S. 874), was aller- dings sonst auch nie vorgekommen war.

*) Sueton 76 . . . ita ut medio tempore comitia nulla habuerit praeter tribunorum et aedilium plebis, praefectosque pro praetori- bus constituerit , qui absente ae res urbanwt administrarenL Dio 48, 28 i£ictfM£T«ö3« cJjv woXtv züp Auctjq> x-xi itoXtav^fioi; ttolv o*tu>, J><; tioi Sonst, 5; i\, u»$ p&XXov icticbrtoxat. tKixpvlat;. Die Differenz wird sich dadurch erklären, daß die beiden Vertreter der Quaestoren von manchen nicht mitgezählt wurden.

*) Dio 43, 48, 3; die Leitung der Megulesäen im April Übernahmen ih^egen an Stelle der curolischen die plebejischen Aedilen.

*) Dio 43, 48, 2.

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Caesars Monarchie

seiner Abwesenheit beim latiniachen Fest sein Amt weiter auf einen andern zu delegieren, was dann dieser Stellvertreter des Stellvertreters am nächsten Tage wiederholte, Maßnahmen, die nllen Grundsätzen des Staatsrechts ins Gesicht schlugen1).

Bedeutende Persönlichkeiten waren auch diese Präfecten nicht*}, und die von Caesar ihnen zugewiesene Kompetenz ging nicht über die Erledigung der laufenden Geschäfte hinaus. Die wirklichen Regenten des Staats waren Caesars bewährte Ver- trauensmänner und Kabinettssekretäre C. Oppius und L. Cornelius Baibus, der Bankier aus Gades; sie kannten seinen Willen und hatteu Vollmacht, in den wichtigsten Dingen die Entscheidung zu geben9). „In allen Angelegenheiten habe ich gesehn," schreibt Cicero Ende 46 an Caecina (oben S. 400) und sein Briefwechsel bestätigt das durchweg „daß das von Caesar als gültig an- erkannt wird, was Baibus und Oppius in seiner Abwesenheit verfügt haben"4). Es war die vollentwickelte Kabinettsregierung6),

') Dio 48. 48. 4 «oXtapxä« t* tu; tv tat* avoxat« newaora? ixtpov abeb^ t-*is üoTtpaiac av&ttXsto xal hxtlvoq fiXXov 5 jtvjtt irpottpov pr^-' üaTtpov *ott i^imo.

') Durch die Münzen kennen wir zwei von ihnen, L. Planen« und ('. Clovius, die beide auf dem Avers Caesar als dict. tert. bezeichnen, also Ende 46 oder Anfang 45 geprägt haben. Unbegründet ist die Annahme, daß auch Sestius zu ihnen gehört habe, den Cicero Att. XIII 2, 2 (vgl. 7, 1) ironisch als noster parochus publicum bezeichnet (»Lieferant*; demnach bat er wohl irgendwelche Lieferungen übernommen; im Jahre 62 hofft Cicero nach fam. V 6 offenbar, bei ihm eine Anleihe machen zu können) und der damals mit Ariarathes, dem Sohn des kappadokischen Königs Ariobarzanes verhandelte, der. wie Cicero höhnt, .von Caesar irgendein Königreich kaufen will', um seinen Schulden aufzuhelfen.

3) Neben ihnen standen Manner wie A. Hirtius, dessen Stellung als Leiter der Kanzlei M. Strack Bonner Jahrbücher 118, 1909, 189 ff. dar- gelegt hat. ferner Pansa u. a. Hirtius war wahrend des afrikani- schen Kriegs in Italien (oben S. 882) , ging aber jetzt mit Caesar nach Spanien.

*) fam. VI 8 omnibus rebus perspexeram, quae Baibus et Oppius abseilte Caesare egissent, ea solere Uli rata esse. Vgl. z, B. Att. XII 29. 2.

») Richtig bezeichnet Tacitus Anh. XII 60 ihre Stellung, wo er von der Entwicklung der Gerichtsbarkeit der Procuratoren redet: C. Oppius

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Kabineteregierong. Die Stimmung in Rom 431

die die überlieferten staatsrechtlichen Formen kaum noch irgendwo beachtete.

Dem Fortgang des spanischen Kriegs stand man in Rom ziemlich indifferent gegenüber. Pompejus hatte niemals große persönliche Sympathien erweckt; durch den Ausgang des Bürger- kriegs und den innern Zwist, der während seines ganzen Verlaufs zwischen den Koalierten bestand, waren sie vollends geschwunden; und deutlich empfand man, daß es sich hier nicht um Wieder- herstellung der Republik, sondern um einen dynastischen Kampf der Prätendenten gegen den Sieger handelte. Am treffendsten bezeichnet Cassius in einem Brief aus dem Januar 45 die Stim- mung, ein eifriger Republikaner, der im Frühjahr 47 seinen Frieden mit Caesar gemacht und von ihm eine Legatenstelle erhalten hatte1): „Schreib mir, was in den beiden Spanien vor- geht. Ich will des Todes sein, wenn ich nicht in Sorgen bin, und ich will lieber den alten milden Herrn behalten als einen neuen grausamen erproben. Du weißt, wie albern Gnaeus ist, und wie er Grausamkeit für Tugend hält, und Du weißt auch, wie er glaubt, daß wir uns immer über ihn lustig gemacht hätten; so fürchte ich, er wird sich für unsern Spott nach Bauernart mit dem Schwert revanchieren wollen"2).

Cicero hatte in Rom bleiben müssen, so lange Caesar dort war; die folgenden Monate hat er größtenteils auf seinen Gütern zugebracht. Alle Hoffnung auf eine Besserung der Lage hat er völlig aufgegeben. „Wenn die Würde darin besteht, daß man

et Cornelius Baibus primi Caesaris opibus potuere condiciones pacis et arbitria belli tractare. Über die Chiffreschrift, die Caesar in der Korrespondenz mit ihnen verwendete, s. Gell. XVII 9. Sueton 56.

') fam. VI 6. 10. Nach seinem übertritt zu Caesar hatte Cicero ihm im August (Anfang Juni) 47 von Brundisium aus geschrieben, mit der Absicht, daß auch er bei Caesar ein gutes Wort für ihn einlegen solle, fam. XV 15.

*) fam. XV 19, 4. Ähnlich schreibt Cicero im Januar 45 an Tor- quatos, der im Exil in Athen lebt> fam. VI 4, 1: illa in dien singuics magis magisque opinio hominum conflrmatur, etiamsi inter causas arrnorum aliquantum intersit, tarnen inter Victorias non multum inter futurum, alteros propemodum iam sumus experti; de altero nemo est quin cogitet, quam sit metuendus iratus Victor armatus.

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Caesars Monareh ie

über den Staat die richtige Ansicht hat und dio Gutgesinnten diese billigen, so behaupte ich meine Würde," achreibt er dem auf Korkyra im Exil lebenden Cn. Plancius1), der ihm gratulierte, weil er gehört hatte, Cicero „habe seine frühere Würde wieder- erlangt"; „wenn sie aber darin besteht, daß man seinen An- sichten praktische Geltung verschaffen oder sie wenigstens in freier Rede verteidigen kann, so ist mir auch nicht eine Spur von Würde übrig geblieben. Es kann sich für uns nur noch darum handeln, das was zum Teil schon vorhanden ist, zum Teil bevor- steht, mit Gelassenheit zu ertragen; das ist freilich in einem Kriege dieser Art nicht leicht, dessen Ausgang, wenn die eine Partei (Pompejus' Söhne) siegt, ein Blutbad, im andren Fall die Knechtschaft sicher in Aussicht stellt"2). Außer politischen be- schäftigen ihn hausliche Sorgen, die Auseinandersetzung mit Terentia nach der Scheidung, die unselige, zur Aufbesserung seiner zerrütteten Vermögensverhaltnisse geschlossene Ehe mit Publilia3), dann die Trauer um den Tod der Tullia (Marz 45), die ihn in dieser Lage völlig niederwirft und zu den sinnlosesten

•) fam. IV 14. 0. E. Schmidt 8. 238 setzt den Brief, der zugleich Plancius1 Glückwunsch za der Scheidung von Terentia und der Ehe mit Publilia beantwortet, in den Anfang dos Jahres 46. Der Krieg, auf den Cicero anspielt, ist aber offenbar der spanische Krieg, und die angeb- liche Restitution Ciceros die Änderung seiner Lage durch die Rede für Marcellus. Mithin gehört der Brief in den Winter 46/5. So auch Tyrsll und Ptoser IV p. 421.

*) Ähnlich die folgenden Briefe VI 2 4 , ferner im April 45 an Toranius fam. VI 21. an Luccejus V 13. an Servius Sulpicius IV 6, 2. Vgl. auch das Fragment eines Briefs an Axius [codd. ad Actium] aus der Zeit der spanischen Kriege (Seneca de brev. vit. 5, 2): quid agatn hic quatris. moror in Tuscidano meo semüiber.

') Die Notlage , in die ihn diese junge Frau mit ihren Verwandten und vor allem die Schwiegermutter brachte, schildert drastisch ad Att. XII 32 (vgl. 34, 1). Bekanntlich blieb ihm nichts übrig, als bald darauf die skandalöse Ehe aufzulösen und die schöne Mitgift wieder herauszugeben. Vgl. Plut. Cic. 41; die dort angeführte bos- hafte, aber durchaus zutreffende Äußerung des Antonius darüber ist bei Dio 46, 18, 8 in der Rede des Pufius Calenus gegen Cicero be- nutzt.

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Cicero während des spanischen Kriegs. Seine Schrift über Cato 433

Projekten für ihre Vergötterung verlockt. Aber in seiner poli tischen Haltung ist er fest und ehrenhaft geblieben. Einen Augenblick faßt er den Gedanken, daß sein Sohn zu Caesars Heer nach Spanien gehen könne, wie es sein damals mit dem Oheim völlig zerfallener Neffe Quintus getan hatte; aber alsbald ent- schied er sich, obwohl der Sohn gern nach Spanien gegangen wäre, ihn vielmehr zum Studium nach Athen zu schicken: mit Recht „würde man ihn tadeln, ob es nicht genug sei, die eine Seite verlassen zu haben, daß er nun sogar für die entgegen- gesetzte kämpfen wolle"1). Aber dem immer wiederholten Drangen des Oppius und Baibus und andrer Caesarianer, das ihm Atticus übermittelte, er solle sich in Rom zeigen und im Senat und vor Gericht an den Geschäften teilnehmen«), leistete er keine Folge8); dagegen veröffentlichte er gleich nach Caesars Fortgang aus Rom seine im vorhergehenden Sommer vollendete Lobschrift auf Cato. Daß diese Schrift nicht auf uns gekommen ist, ist sehr zu bedauern; es wäre interessant und auch für die Zeitgeschichte lehrreich zu sehn, wie er sich mit dem „archi- medischen Problem" abgefunden hat, von dem er im Juni 46, kurz nach dem Eintreffen der Kunde von Catos Selbstmord, an Atticus schreibt4): „Ich kann es nicht erreichen, etwas zu schreiben, was Deine Tischgenossen (Baibus, Oppius usw.) nicht nur gern, sondern auch nur mit Gleichmut lesen können; ja so- gar, wollte ich seine Anträge, seine ganze Tendenz und politische Auffassung und Tätigkeit Übergehn und lediglich seine Würde und Festigkeit loben, so würde ihnen das ein verhaßter Ohren- schmaus sein. Aber in Wahrheit kann dieser Mann überhaupt nicht gelobt werden, wenn man nicht ausführt, daß er, was jetzt

») Att. XII 7, vgl. 8. 24, I. 32, 2.

*) Att. XH 21, 8. 28, 1, 27, 3. 28, 2. In gleichem Sinne schreibt Luccejus fam. V 14; Giceros ablehnende Antwort V 15.

*) Zwei ans dieser Zeit stammende Empfehlungsbriefe Ciceros an Caesar sind fam. XIII 15. 16 erhalten, der eine in charakteristischer Weise vollgestopft mit Zitaten aus Homer und Euripides.

*) Att. XII 4, von 0. E. Schmidt S. 242 ff. auf den 13. Juni ge- setzt

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Caesar« Monarchie

eingetreten ist, vorausgesehn und zu hindern gesucht hat, und daß er, um es nicht eingetreten zu sehn, das Leben verlassen hat: was von diesen Dingen kann man aber einem Aledius (einem der untergeordneten Werkzeuge Caesars) schmackhaft machen 1" Wir wissen, daß Cicero durchaus in dem hier an- gedeuteten Sinne geschrieben hat; das einzige wörtliche Zitat, das auf uns gekommen ist, lautet: „Ihm war beschieden, wovon sonst meist das Gegenteil einzutreten pflegt, daß alles an ihm in Wirklichkeit großer erschien als im Gerücht, und daß, was sonst nicht oft vorkommt, die Erwartung durch die Kenntnis- nahme, die Augen durch die Ohren besiegt wurden"1). Daß er mit seiner Schrift Anstoß erregen mußte, wußte er; so hat er sich in dem unmittelbar nachher veröffentlichten Orator dadurch zu decken gesucht, daß er die Veranlassung auf die Bitte des M. Brutus zurückführte, den Caesar protegierte und dem er im Sommer 46 die Verwaltung der wichtigen Provinz Gallia cis- alpina übertragen hatte: „Ich hatte den Cato niemals geschrieben, aus Furcht vor der der Tugend feindlichen Zeitlage, hätte ich es nicht für Unrecht gehalten, Deinen Mahnungen, die sein mir teures Gedächtnis wachriefen, nicht zu folgen. Aber ich bezeuge, daß ich nur auf Deine Bitte, nach anfänglicher Weigerung, ge- wagt habe, das zu schreiben; denn ich wünsche, daß die Be- schuldigung uns gemeinsam treffe, damit, falls ich eine so schwere Inquisition nicht tragen kann, Dir die Schuld zufallt, mir die ungebührliche Last (iniuutum onus) auferlegt, mir, sie über- nommen zu haben; dabei wird Dich dann für den Irrtum unserer Beurteilung der Lage das Lob entschädigen, das aus dem Dir zugewiesenen Anteil entspringt"2).

Ciceros Cato hat Sensation gemacht. Rasch hintereinander folgten mehrere Schriften gleicher Tendenz, von M. Brutus im

J) Macrob. VI 2, 83.

') Cic. Orator 85. Vgl. Caecina an Cicero fam. VI 7, 4 (?gl. oben S. 400) : auges etiam tu mihi timorem, qui in oraiore tuo caves tibi per Brutum et ad excusationem socium quaeris: tibi hoc omnium patronus facit, quid me, veterem tuum, nunc omnium clientem sen- tire oportet ?

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Ciceros Cato und seine Wirkung 435

März 451), von M. Fadius Gallus im Hochsommer«); ob auch die von Plutarch zitierte Schrift des Munatius, eines vertrauten Genossen des Cato8) , in diese Zeit oder erst nach Caesars Er- mordung anzusetzen ist, wissen wir nicht. Noch stärker war die Wirkung auf der Gegenseite. Caesar lag es allerdings ganz fern, gewaltsam vorzugehn und etwa die Schrift zu unterdrücken oder ihren Verfasser zu verfolgen; wohl aber antwortete er ihm als Schriftsteller mit einer Gegenschrift in zwei Büchern, den die er um die Zeit der Schlacht bei Munda (17. März) verfaßt hat4). Als Vorlaufer derselben diente eine Schrift des Hirtius, der in Caesars Gefolge nach Spanien gegangen war; sie traf schon am 9. Mai bei Cicero ein*), mit dem Hirtius ja in freund-

schaftlichen Beziehungen stand; im vorigen Sommer hatte er bei ihm mit Dolabella zusammen rhetorischen Unterricht ge- nommen. „Wie Caesars Angriff gegen meine Lobschrift aus- fallen wird", schreibt Cicero an Atticus, „habe ich aus dem Buch ersehn, das Hirtius mir geschickt hat, in dem er Catos Laster sammelt, aber mir dabei die größten Lobsprüche erteilt." Cicero bittet Atticus, das Buch in seinem Verlagsgeschäft vervielfältigen zu lassen ; er wünsche ihm weite Verbreitung, „damit durch den Tadel jener Leute Catos Lob nur gemehrt wird"*). Von Caesars Schrift wissen wir, daß er die zu Catos Lob angeführten Tat-

») Cic. Att. XII 21. Eine (nicht veröffentlichte) Gegenschrift hat Octavian verfaßt, rescripta Britto de Caionex Sueton Aug. 85.

») fam. VII 24, 25. vgl. 0. E. Schmidt S. 854 f.

') Plut Cato min. 25. 87 vgl. c. 9. 27. 81. Plutarch kennt die Schrift durch die Schrift des Thrasea, der Munatius vielfach benutzt hat ; es war offenbar eine wirkliche Biographie, nicht ein tr*u>u.iov. Nach der Erzählung bei Plut. 86 f. über den Konflikt zwischen Cato und Munatius auf Cypern, den Caesar ausgenutzt hat, während Munatius eine unparteiische Darstellung gab, ist es wohl am wahrscheinlichsten, daß Munatius nach Caesar geschrieben und ihn berichtigt hat.

*) Sueton Caes. 56. Bekannt ist Livius' Urteil fr. 45 Weissiuborx : (Catonis) gloriae neque profuit quisquam laudando nee vüuperundo nocuit, cum utrumque summis praediti fecerint ingeniis.

») Att. XII 40, 1. Das Datum nach 0. E. Schmidt S. 282.

«) Att. XII 40. 1. 41, 4. 44, 1. 45, 3. 47, 3.

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Caesars Monarchie

Sachen teils bestritt, teils erklärte, sie seien anders zu beur- teilen oder überhaupt nicht ruhmwürdig, sondern unrechtmäßig oder moralisch anstößig1). Schon im Jahre 55 hatte Caesar auf Catos Angriffe und seine Forderung, ihn den Germanen aus- zuliefern, mit einer erbitterten Schmähschrift geantwortet (oben 8. 173); diese Schrift und ebenso die des Pompejaners Me- telms Scipio gegen Cato hat er offenbar jetzt verwertet. Die nicht wenigen Fälle, in denen Catos Verhalten durch den starren Rigorismus seines Tugendbegrirls oder gar durch die praktische Befolgung der stoischen Paradoxen, die sich bei ihm mit der Verherrlichung der alten Traditionen Roms verband, bei den Zeitgenossen Kopfschütteln und Anstoß erregt hatte, wurden natürlich weidlich ausgenutzt: in diesen Dingen war Caesars Naturell und Auffassung in der Tat der diametrale Gegensatz zu Cato, und dieser mußte ihm völlig unverständlich erscheinen. So zählte er die Fälle auf, wo er die natürliche Rücksicht auf seine Angehörigen und Vertrauten kühl beiseite gesetzt habe, die Abweisung seines alten Jugendfreundes Munatius, als er bei der Einziehung der Schätze des Königs Ptolemaeos auf Cypern mit seinem Mißtrauen bis an die äußerste Grenze ging2), sein

') Cic. Top. 94 : aut negari potent, id factum esse quod laude tur, aut non eo nomine adflciendum quo laudator adfecerü, aut omnino non esse laudabile, quod non recte, non iure factum sit; quibus omnibus generibus usus est nimis impudenter Caesar contra Catonem meum.

■) Plut. Cato min. 36 8e& tolc tt £XXoic ?&otc <5>c äitiatüv itpooexpooo«, %at tiv oovrjdiatatov ditavtaw Moovdtiov il( opY^v iXtfOv 8<!v fcvijxtatov ytvo- (iiy-f)v tv£ßaX»v, <t>ot» xal Kattaapi -fpdcpoyK Xofov xatä xoö Kdtcnvo; ittxpotdrrjv to&to fiipo« rfj^ xarrj-fopia« Siatptß^jv icapao^Btv. Über Munatius' eigene Darstellung s. S. 485 Anm. 8. L. Piotrowicz, de Q. Caecüü Metelli Pii Scipionis in M. Porcium Uticensem invectiva. Eos XVIII 2, 1912, 129 ff. hat gezeigt, daß Caesar hier wie offenbar auch sonst eine Bro- schüre des Metellas Scipio (Plut Cato 7. 57) gegen Cato benutzt, die wahrscheinlich im Jahre 56 oder 55 im Interesse der Machthaber bei dein Kampf um das zweite Consulat des Pompejus und Crassus verfaßt ist. Der Zwist war dadurch entstanden, daß Scipio «eine verstoßene Braut Lepida, als Cato sie heiraten wollte, dann doch diesem abspenstig machte und heimführte; Cato rächte sich mit scharfen Jamben. In seiner Schrift griff Scipio vor allem die Verkäufe der cyprischen

Caesars Schriften gegen Cato

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Verhalten gegen seine sehr andersartige, dem Genußleben er- gebene Stiefach wester Servilia, die geschiedene Gattin des Luculliis1). „Mit Ausnahme dieses einen, den die Natur anders gebildet hat, als alle andern, hält ein jeder die Seinen teuer", lautet ein erhaltener Satz*). Geldgier war seine Haupttrieb- feder; dadurch erklärt sich nach Caesar die allerdings höchst wunderliche, auf altrömischen Rechtsanschauungen beruhende Überlassung seiner Frau Marcia an Hortensius (S. 219) und die Wiederaufnahme der Ehe nach dessen Tode3). Auch dem Wein war er ergeben während Caesar bekanntlich darin sehr mäßig war*) ; aber wenn er nachts trunken nach Hause kam, schämten sich die, welche ihm begegneten, als hätten nicht sie den Cato,

Kostbarkeiten in Öffentlicher Auktion für schweres, durch Cato cum Besten des Staatsschatzes nach Möglichkeit in die Höhe getriebenes Geld an, 8. Plin. 8, 196. 29. 96. wo nach dem Autorenverzeichnis im ersten Buch Scipio die Quelle ist: die spanischen Fliegen, die er verkaufte, seien Gift (daher bei Seneca in einer kindischen Con- troverse VI 4 venenum Cato vendidit); auch daß er eine Statue des Zeno nicht verkaufte, sondern für sich behielt, Flin. 34, 92, führt Pio- trowicz mit Recht auf Sei pios Schrift zurück; ebendaher wird stammen, daß er unum ex tribunatu militum philosophum, alierum ex Cypria legatione deporiavit, im Gegensatz zu dem Verhalten seines Urahnen. Plin. VII 118.

') Plut. 54, nachdem erzählt ist, daß Cato im Bürgerkrieg für sie und ihren Sohn gesorgt hat: aXV 5 ft Kaioap o63i t&v in' «x»;.v^j ßXaapv]- fi/.ü» toü Kättuvot i<p»t3«o. Er warf ihm schwerlich unerlaubten Um- gang mit ihr vor, wie man meist interpretiert, sondern vielmehr ihre Vernachlässigung.

») Caesar in Anticatone priore: uno enim excepto, quem alius modi atque onmis natura ftnxit, suos quisque habet caros (Priscian).

') Plut. (Juto 52: «1$ o 8-rj fiaXtota Xoi8opo'jfi»vo<; b Kaioap tü> Kätcovt ifiXoisXootiav «pofipei xal fuoftapvtav *ü> T^F*1?- Auch die Angabe c. 11, jemand habe sich nicht entblödet zu schreiben (fy 6 tpfyaq), Cato habe die Asche Beines Bruders durchgesiebt, um aus ihr das mitverbrannte Gold herauszuholen, bezieht sich offenbar auf Caesar, wie die weitere Bemerkung o&tu>s 06 tü> 4itp«i aovov, oXkä xal t<j> fpavsuo t6 ayoK«ödovov xal xb avüKÖ8cxov inlowo««v beweist.

«j Sueton Caes. 58 wni parcissimum ne inimici quidem negaverunt. Vgl. Cut os bekanntes Wort unum ex omnibus Caesarem ad evertendam revipublicam sobrium accessisse, Sueton Caes. 53. Quintilian VIII 29.

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Caesars Monarchie

sondern dieser sie abgefaßt1). Aber bei Cato fügte sich nun ein- mal jeder „der Anmaßung, Frechheit und Herrschsucht des Einen"*).

Über Cicero äußerte sich Caesar mit ausgesuchter Höflich- keit: er entschuldigte sich, daß er, ein Soldat, den Wettkampf mit dem unvergleichlichen Stilisten wage»), pries sein Verdienst um die Ausbreitung des römischen Genius als alle kriegerischen Triumphe überstrahlend4), verglich seine Beredsamkeit und seine politische Haltung mit der des Perikles und Theramenes»). Nach Tullias Tode hat er ihm den üblichen Kondolenzbrief geschickt6). Aber er begehrte eine Sühne, ein (utXrriJLa, für den Cato7); und so wird Cicero zu Anfang Mai von Caesars Vertrauensmannern und von Atticus, der hier wie immer als Vermittler dient, gedrängt, eine Schrift an Caesar über die Staatsgestaltung zu richten, also eine Ausführung der Andeutungen in der Marcellusrede, nach dem Muster der Schriften des Aristoteles und Theopomp an Alexander.

') Plin. ep. III 12 (Caesar) describit eos, quibm (Cato) obviam fuerat, cum Caput ebrii reiexissent, erubuisse; deinde adicit „putares non ab Ulis Caionem, sed itios a Catone deprekemos* '. Vgl. 8. 219, 3.

') Gellius IV 16. 8 als Beispiel des Dativs der vierten Deklination auf u : Caesar in Anücatone Munius* inquü „arrogantiae, superbiae dominatuque' '.

*) Plut. Caes. 8 «apaiTtltat, fivj otpaTtamxoö X£rov ävftp&c &vt«£*TäCuv ttpbt 3wvdtY|Ta £>Vjtopoc t&? ooö{ xal oxoX-ijv fcicl to&to roXX^v fi^ovto?.

*) Plinins nat. hist VII 117 in der Apostrophe an Cicero: ut die- tator Caesar hostis quondam tuus de te scripsit, omnium trium- phorum laurea maior, quando plus est, ingenii Romani terminos in tantum propagusse quam imperii.

') Plut. Cic. 39: Im Anticato hat Caesar töv xt Xäjov a&toB (Ktxt- p<uvo<) xol tiv ßtov <2>c [idcXiota tqi IhptxXiooc iotxota xou OvjpauivocK mcouvm.

•) Att. XIII 20, 1 (vgl. 22, 5) aus Hispalis am 80. April, bei Cicero im Juli eingetroffen.

*) Att. XIII 27 schreibt Cicero nach der Ablehnung seiner Schrift durch Caesars Vertraute, er wolle den Plan aufgeben, praeseriim cum illwi occurrat, ülum (Caesarem), cum aniea nihil scripserim, existima- turum, me nisi toto beüo confecto nihil scripturum fuisse; atque etiam vereor, ne putet me hoc quasi Caionis ^mX^n* esse voluisse. Natürlich ist der Gedanke, den Cicero hier abweist, eben das gewesen, was Caesar und seine Agenten wünschten.

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Caesar fordert eine politische Schrift Cicero» 439

Er ist denn auch am 9. Mai1) an die Ausarbeitung gegangen : „Den oo(ißooX«tm*öc habe ich wiederholt versucht, aber ich kann nichts finden, obwohl ich sowohl 'AptototsXooc wie 9eo7cö|tfsoo icpö« 'AXeSavSpov bei mir habe. Aber worin besteht die Ähn- lichkeit? Jene schrieben, was für sie ehrenvoll und einer guten Aufnahme bei Alexander gewiß war. Kannst Du etwas der Art finden? Mir wenigstens kommt nichts in den Sinn." Ein paar Tage darauf, am 14. Mai*), ist er trotzdem mit der Arbeit fertig Atticus hat inzwischen aufs neue gedrängt : „Gestern habe ich auch den Brief an Caesar fertig gebracht: denn Du wünschtest das. Ihn zu schreiben, war wohl nicht so schlimm, wenn man es für notwendig hielt; aber so, wie er jetzt ist, ist es wirklich nioht nötig, ihn zu schicken. Indessen darüber magst Du entscheiden ; ich werde Dir aber ein Exemplar schicken, vielleicht von Lanuvium aus (wohin Cicero an den nächsten Tagen gehn wollte), falls ich nicht etwa nach Rom gehe; das wirst Du morgen erfahren." Man sieht, wie wenig wohl sich Cicero bei der erzwungenen Aufgabe fühlte, und wie unsicher er war, ob er den richtigen Ton getroffen habe: denn seine Überzeugungen zu verleugnen und einfach als Caesarianer zu schreiben, hatte er sich jetzt so wenig wie früher überwinden können. An Schmeicheleien fehlte es nicht, aber dabei kamen die Phrasen, die ihm sonst so reichlich zu Gebote standen, nicht in Fluß, und so empfand er selbst, daß die ganze Schrift verfehlt sei und bei Caesar nichts erreichen könne, wohl aber bei den Männern, auf deren Urteil er Gewicht legte, berechtigten Anstoß erregen

') Att, XII 40, nach 0. E. Schmidts Chronologie: oujtßooXtotiuiv saepe conor: nihü reperio, et quidem mecum habeo et 'Apwtotttoo« et 0so- k6jiicoo npöc 'AXUavdpov. sed quid simüe? Uli et quae ipsis honesta essent scribebant et grata Alexandro. ecquid tu eius modi reperis? mihi quidem nihil in meutern venit.

■) Att. XIII 26, von Schichk und 0. E. Schmidt S. 282 f. 285 mit Recht hierher gesetzt: heri etiam effeci epistolam ad Caesarem; tibi enim placebat. quam non fuit malum scribi, si forte opus esse pu- tares; ut quidem nunc est, nihil sane est necesse mittere. sed id qui- dem, ut tibi videbitur. mütam tarnen ad te exetnplum foriasse La- nuvio, nisi forte Romatn? sed cras scies.

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Caesars Monarchie

müsse1). Er hatte sich bemüht, in der Art, wie es Theophrast in dem äoXitixöv irp&c toö« xaipooc getan hatte, den Um- ständen Rechnung zu tragen, ohne dabei etwas zu sagen, was ein wahrhaft guter Bürger nicht sagen darf2), und so „aus dem rohen Eichenholz etwas herausgeschnitzt, was allenfalls wie ein Bildwerk aussehn konnte"3). Atticus äußert sich natürlich zu- stimmend; aber Cicero wünscht, was wohl auch Atticus geraten hat, daß er die Broschüre zunächst Caesars Vertretern, d. i. Oppius und Baibus, zur Begutachtung vorlege, ehe sie jenem zugeschickt wird4). Diese aber erklärten offen, so könne der Brief nicht abgehn, und verlangten die Änderung so zahlreicher Stellen, daß die ganze Schrift dadurch hinfällig wurde5). Nach ihrer Absicht sollte Cicero dem Caesar eben das, was dieser

') Att. XIII 27 (nach der Ablehnung der Schrift) : quod enim aliud argumentum epistolae nostrae nisi xoXaxet« fuü? an si ea quae optima putarem suader e voluissem, oratio mihi defuisset? totis igitur litteris nihil opus est: ubi enim eiuteoffia magnum null um fteri possit, axottoriia vel non magnum molestum futurum sit, quid opus est jiapamvÄovtosiv? Es folgen die oben S. 488 Anm. 7 angefahrten Worte. Anch die Parallele des Aristoteles, so schreibt er am nächsten Tage (XIII 28), war nicht zutreffend, da der junge Alexander in der Tat sich den Weg weisen lassen wollte, der zu ewigem Ruhm führte; und doch ist auch er alsbald als König entartet. Das sicp6ßXi;|Aa 'Ap^t- (mj&kov' war in der Tat unlösbar.

*) Att. XII 51, 2 nihü est in ea, nisi optimi civis, sed ita optimi, ut tempora, quibus parere omnes noXittxol praecipiunt.

*) XIII 28, 2.

4) XII 51 epistolam ad Caesarem mitti video tibi placere . . . sed scito, ita nobis esse Visum, ut isti ante leger ent: tu igitur id cu- rabis. sed nisi plane iis intelleges placere, miltenda non est. id autem utrum Uli sentiant anne simulent, tu intelleges; mihi simu- latio pro repudiatione fuerit. toöto ii |rrpuu<rjj (»sondiere*). XII 52, 2 und XIII 1. 8 erwartet er die Entscheidung.

'-) Att. X III 27 (nach 0. E. Schmidt am 25. Mai): epistolam ad Caesarem nobis vero rectissime placuü, ut isti ante leger ent; aliter enim fuissemus et in hos inofflciosi et in nosmet ipsos, si ülum offensuri fuissemus, paene perictüosi. isti autem ingenue; mihique gratum, quod quid sentirent non reticuerunt; iUud vero vel optime, quod ita multa mutari volunt, ut mihi de integro scribendi causa non sit.

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Cicero sträubt sich gegen die Schrift an Caesar

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plante, als Ratschläge erteilen. So mißbilligten sie es auch, daß Cicero es diesem anheimgestellt hatte, ob er gegen die Parther ziehen wolle, aber darauf hingewiesen hatte, daß die Ordnung des Staats und die Durchiührung der neuen Gesetze zunächst eine längere Anwesenheit des Regenten in Rom fordere; Caesar beabsichtigte zwar auch, wie ein kurz darauf eingetroffenes Schreiben lehrte, zunächst die Ordnung in Rom durchzuführen, wollte dann aber so bald wie möglich den parthischen Feldzug beginnen; und das hätte Cicero raten sollen, „als ob Caesur nichts tun werde, als nach dessen Rat"1). Cicero fühlt sich erlöst; er empfindet deutlich, wie arg er sich nach allen Seiten hin kom- promittiert haben würde2). Als Atticus nochmals drängt, schreibt er freilich, die Schmach, die er damit auf sich nähme, würde ihn doch nicht abhalten, obwohl sie es sollte; aber die Gedanken kämen ihm nicht3). Sein besseres Selbst sträubte sich eben mit Erfolg gegen die schimpfliche Nachgiebigkeit, und so erklärt er

') XIII 27 (im Anschluß an das vorige): quamquam de Parthico betio quid spectare debui, nisi quod ittutn teile arbürdbar? XIII 31, 3 id ipsum, quod isti aiunt ülum scribere, se nisi constitutis rebus non iturum in Parthos, idem ego suadebam in illa epislola: utrum liberet, facere posse auctore me. hoc enim iüe exspectat videlicet neque est facturus quicquam nisi de meo consüio. XI LI 7 Sestius . . . venisse a Caesars narrabat litter as; hoc scribere, sibi certum esse Romae manere, causamque eam ascribere, quae erat in epistola nostra, ne se absente leges suae neglegerentur , sicut esset neglecta sumptuaria.

*) XIII 27 quid quaeris? valde me paenitebat, nec mihi in hac quidem re quicquam magis ut vettern accidere potuit, quam quod okooSt) nostra non est probata.

») XIII 28: de epistola ad (aesarem, iurato müii crede, non possum. nec me turpitudo deterret, etsi maxime debebat: quam enim turpis est adsentatio, cum vivere ipsum turpe sit nobis! sed, ut coepi, non me hoc turpe deterret ; ac Vellern quidem essem enim qui esse debebam , sed in meutern nihil venit . . . Caesar würde sich bis nostris moderatis epistolis niemal» freuen können; iüe vero potius non scripta desideret, quam scripta non probet, postremo ut volet. abiit illud, quod tum me stimulabat, cum tibi dabam *p6- $lf\p* 'Apxi|»ßKov. multo mehercule magis nunc opto casum ülum quem tum timebam, vel quem libebit.

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Caesars Monarchie

die Sache für definitiv erledigt1). In den nächsten Tagen hat er dann noch an die Abfassung eines politischen Dialocs eedacht. den ein in Olympia oder sonst irgendwo sich zusammenfindender ÄoXtttxöc ooXXoTfoc römischer Gesandter des Jahres 146 halten sollte, und sich dazu die Werke Dikaearchs kommen lassen*). Doch auch diesen Gedanken hat er alsbald füllen lassen; er warf sich wieder sranz in die uhilosoohische Schriftstellerei und voll- endete jetzt, nach dem Hortensius, die Bücher de finibus und

Indessen Caesar war mit Ciceros Verhalten keineswegs be- friedigt; er beharrte auf seinem Ansinnen. Als Vorbereitung schrieb er im Juli an Baibus einen zur Mitteilung an Cicero be- stimmten Brief mit großen Lobsprüchen über dessen Cato; durch die wiederholte Lektüre desselben habe er einen reicheren Wortschatz gewonnen, während er sich bei der Lesung von Brutus' Schrift beredt vorgekommen sei*) im übrigen trotz aller Berechnung ein gewiß zutreffendes Kompliment. Cicero begnügte sich, Caesar durch Oppius und Baibus wissen zu lassen, er habe dessen Schrift gegen Cato gelesen und sie habe ihm sehr gut gefallen4). Indessen schon vor Eintreffen jenes Briefes hatte Brutus, ehe er Caesar entgegenreiste, ihn ermahnt, etwas an diesen zu schreiben; aber er hatte, trotz anfänglicher Zusage, keine Lust5). Jetzt aber kam Mitte August durch Atticus die

') XIII 81, 8 de epistola ad Caesarem . . . obsecro ab-

iciamu8 ista et semüiberi saltem simus: quod adsequemur et ta- cendo et latendo.

») Att. XIII 30, 8. 81, 2. 82, 2 f. 88, 2; vgl. 0. E. Schmidt 8. 874 f.

*) Cicero schreibt an Atticus am 13. August (XIII 46): legi epistolam (Caesars an Balbos) : multa de meo Gatone, quem saepissime legendo 8c dicü copiosorem factum, Bruti Catone lecto se sibi vteutn disertum.

*) Att. XIII 50 cum mihi Baibus . . . dixisset, se et Oppium scrip- sisse ad Caesarem, ine legisse libros contra Catonem et vehementer probasse.

») Att. XIII 44 (21. Juli) Brutus apud me fuü, cui quidem valde placebat me aliquid ad Caesarem. adnueram, sed pompa (bei deu ludi Victoriae Caesaris am 20. Juli , s. unten S. 448) deterret. Aus der Antwort darauf ist bei Quintilian III 8, 42 ein Bruchstück erhalten:

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Cicero muß nachgeben

dringende Mahnung, er müsse an Caesar ein ausführliches Schreiben aufsetzen, und ihm blieb nichts übrig, als zu ge- horchen. Der Brief, der nicht über die Staatsgestaltung, sondern über Caesars Cato handelte, fand Oppius' und Balbus' Billigung und wurde von ihnen an Dolabella geschiokt, der inzwischen verwundet aus Spanien zurückgekehrt war und ihn befördern sollte1); denn mit seinem ehemaligen Schwiegersohn stand Cicero nach wie vor offiziell in intimem Verkehr, eins der drastischsten Bilder aus der Zersetzung und inneren Verlogenheit der Beziehungen innerhalb der sittlich völlig morschen Aristo- kratie*). An Atticus hat er den Brief nicht geschickt, wie er sagt, infolge eines Versehens, nicht aus Scham: „denn ich habe wahrlich nicht anders geschrieben, als ich a mon egal schreiben würde; denn ich denke wirklich gut von jenen Büchern, wie ich Dir mündlich gesagt habe. So habe ich ohne flatterie und doch zugleich so geschrieben, daß ich glaube, er wird nichts lieber lesen"3). Trotzdem ist es wohl unzweifelhaft, daß ihn, wie

Cicero scribit ad BrtUum, praepositis plurimis , quae honeste mo- dert Caesari possint: simne bonus vir, ai hoec suadeam ? minime: suasoris enim finis est utilitas eius, cui quisque suadet . at recta sunt, quis negat? sed non est semper rectis in suadendo locus (fr. 6 bei Purser).

') Att. XIII 50 admonitus quibusdam tuis lUteris, ut cui Caesar em uberiores litteras mittere instituerem . . ., conscrtpsi de iis ipsis libris epistolatn Caesari, quae deferretur ad Dolabellam; sed eius exemplum misi ad Oppum et Balbum scripsique ad eos, ut tum deferri ad Dolabellam iuberent meas litteras, si ipsi exemplum probassent. ita mihi rescripserunt, nihil umquam se legisse melius epistolamque meam iusserunt dari Dolabellae. 0. E. Schmidts kühne Kombination Ober den Brief XIII 47 a. S. 346 ff. . den er fälschlich auf diese Vorgange deutet, halte ich für verfehlt.

*) Vgl. Ciceros Brief fam. IX 11, in dem er ihm Tullias Tod mit- teilt, ungefähr dos moralisch Verwerflichste, was Cicero geschrieben bat.

3) Att. XIII 51 ad Caesarem quam misi epistolatn, eius exem- plum fugit me tum tibi mittere, nec id fuit, quod suspicaris, ut me puderet tui, \ ne rtdicule f micyüus, nec mehercule scripsi aliter ac si icpis wov tyoiovque scriberem; bene enim existimo de Ulis libris, ut tibi coram. itaque scripsi et &xoX«x»6t<i>s et tarnen sie, ut nihil eum existimem lecturum libentius.

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Caesars Monarchie

ehemals im Jahre 56 bei der ?raXiv<j>$ta de provinciis consukiribus1), ein Gefühl der Scham an der Zusendung an Atticus gehindert hat. Wenigstens der Schmach einer Veröffentlichung des Schrei- bens scheint er entgangen zu sein.

Gleichzeitig ist ein sehr charakteristischer Warnungsbrief an Fadius Gallus, den Verfasser einer Lobschrift auf Cato (S. 435), vor verfänglichen Äußerungen: „Du scheinst zu fürchten, unser Lachen könne leicht ein sardanisches Lachen werden, das grimme Lachen der Todesopfer über den eigenen Untergang. Aber höre, Hände weg! Der Meister ist schneller da, als wir dachten; ich fürchte, die Cato als Held preisen, können leicht in die Hölle fahren"2).

Caesars Rückkehr aus Spanien. Ehrungen und Attentatspläne. Cicero und Brutus

Inzwischen waren in schwer umstrittenem Kampf die Pom* pejaner in Spanien vernichtet, über die auf ihrer Seite stehen-

') Att. IV 5, 1. oben S. 147.

*) Der Text fam. VII 25 gilt für coirupt; quod autem me mcnes, valde gratum est, idque ut Semper facias rogo; videris enim vereri, nisi + istum f hdbuerimus, rideamus ^iXioxa oapidvwv. sed heus tu, fnanum de tabula! magxsiet adest citius quam putaramus; vereor ne in Catomum (s. Laberius bei Gell. 16, 7, 4) Catoninos. Aber sind nicht die angefochtenen Worte, denen man durch die verschiedensten Vorschläge zu helfen gesucht hat, einfach zu Übersetzen: ,Du scheinst zu fürchten, wenn jener, von dem Du redest" nämlich Caesars Günstling, der Flötenspieler Tigellius, mit dem sich Cicero, wie der vorhergehende Brief VII 24 sowie XITI 49 ff. lehrt, Überworfen hatte „nicht auf unserer Seite stehe, könnte es uub schlecht bekommen* (nämlich wegen der Schriften über Cato). Das hat, meint Cicero, nichts zu bedeuten, aber jetzt kommt der Meister, d. i. Caesar, und wie es uns da gehn wird, laßt sich nicht sagen. Der Schluß des Briefs spricht mit höchster Anerkennung von der Fassung eines Abschnitts in Gallus1 Brief, der mit cetera labuntur beginnt, und sagt ihm als tiefstes Geheimnis, nur sie beide könnten so schreiben : praeter duo nos loqui- tut isto modo nemo ; bene malene videro, sed quicquid est, nostrum est; er solle also diesen Stil weiter pflegen. Politische Bedeutung hat das nicht.

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Neue Ehrungen Caesars

den Städte ein hartes und blutiges Strafgericht verhängt; noch unerschütterlicher als vorher war Caesars Allmacht begründet. In Rom beeilte man sich, auf die Kunde von dem Siege die un- vermeidlichen Konsequenzen zu ziehn und weitere Ehren und Rechte auf den Sieger zu häufen. Der Senat bestimmte, daß die Palilien (21. April), der Geburtstag der Stadt Rom, an dessen Vorabend die Siegeskunde von Munda eingetroffen war, fortan zu seinen Ehren mit Wettrennen im Circus gefeiert werdeu sollten1), und ordnete ein fünfzigtägiges Dankfest an*) die vierzig Tage, mit denen der Sieg in Afrika verherrlicht war, mußten natürlich noch überboten werden. Ihm selbst wurde, als dem ewigen und unüberwindlichen Sieger, der Ehrentitel des Siegers, Imperator, dauernd als Eigenname {praenomen) zuerkannt, der sich auf seine Nachkommen vererben sollte8); als äußeres Abzeichen erhielt er das Recht, immer das Triumphal- gewand und den Lorbeerkranz zu tragen*). Zugleich wurde seine Militärhoheit in vollem Umfang festgestellt: alle Heere des Staats standen unter seinem Oberbefehl, Siege konnten nur unter seineu

') Dio 48, 42, 3. 45, 6, 4- Vgl. Cic. Att. XIV 14, 1. 19, 3.

*) Dio 43, 42, 2 xal rcpos«; (außer den Triumphen) xai Upou^vtat inl xivtvjxovta ^pipo; rj^rjoav.

•) Dio 48, 44, 2 xo tt toü aitoxpdtopo^ ovofia . . . xafrdxa; toüto 8yj ■cö xal vüv tolc xb xpato<; aei igoost 8i86u*vov «xstvu> töte jcpu»tu> ts xal itptuTOV utsrcep n xopiov itpo3«ö-»aav. xai tooaorj oiwpßoXfl xoXaxsta^ tyP^r aavro, Sxnt xai too? woi8o^ too? -n ifYOvous aoroö o5tu> xaXzis&ai 'Ir^fi- oao&ai, {i-fitt *«*v°v « *&xo5 l/ovro? xal Ytpovxo; -J^y] ovto«. Sueton (aes. 76 nennt unter den von ihm angenommenen Ehren insuper praenomen Imperatorte. Caesar hat den Vornamen Imperator bekanntlich nicht geführt, wohl aber hat August ihn als ererbt in Anspruch genommen (Dio 52 , 40, 2 . 41 , 4), und zwar schon vom Jahre 40 an (Mommsex, Staatsrecht II 2, 744; auf seinen Münzen vom Jahre 38 an). An der Tatsache des Senatsbeschlusses ist daher nicht zu zweifeln, obwohl Caesar von ihm keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. Dio 43, 46: von den ihm zuerkannten Ehren 6 Katoap tot$ u.iy xprjoftat fyi*to, xoi$ 81 ?}itXX«v ei xai ta jiäXtaxa tiva a2>?ü>v rcap-^xaxo).

*) Dio 43, 43, 1. Sueton 45, wonach dieser wie alle Ehrenbeschlüsse vom Volk bestätigt worden ist (ex omnibus decretis sibi a senatu populoque lumoribus non aliud aut recepit aut usurpavü libentius quam ius laureae coronae perpetuae gestandae).

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Caesars Monarchie

Anspielen erfochten werden, und ihm allein stand daher das Siegesfest und der Triumph zu, such wenn er am Kampf nicht teilgenommen hatte1). Auch die politische Leitung des Staats sollte fortan dauernd in seinen Händen liegen: zu der Diotatur auf zehn Jahre wurde ihm ein zehnjähriges Consulat und das Recht, alle Ämter, auoh die der Plebs, ohne Befragung des Volks zu besetzen, zuerkannt das hat er abgelehnt*) , ferner die freie und alleinige Verfügung über die Staatskasse»). Damit hängt zusammen, daß fortan Caesars Kopf mit dem Lorbeer- kranz auf die von den Münzmeistern geprägten Münzen gesetzt wird, ihm also das Bildnisrecht zuerkannt sein muß4); bis dahin hatte er sich begnügt, seine Amtstitel und die Abzeichen seines Oberpriestertums und Augurats, sowie den Kopf der Venus, der Victoria oder der Juno, der Pax (des im Jahre 46 errungenen Friedens) und bei den zur Zeit seiner Triumphe geprägten Münzen Trophäen und gefesselte Gallier als Repräsentanten der besiegten Nation in einem der Köpfe hat man bekanntlich, schwerlich mit Recht, ein Porträt des Vercingetorix gesucht auf seine Münzen zu setzen; jetzt trat auch hier sein tatsächliches König- tum6) unverhüllt hervor. Aber offiziell wurde die absolute

') Dio 48, 44, 6 Upojrrjviav (— supplicationem) tt Igoipttov, tadxtc ä» vtXT] ti Tic oojiß'J »al Adalat tic' aorj) f i'yvaiyrat, xav fi^te rjotpattoaaytt jujJr* 8X.»»c ixixoiva>o*vtt tü»v xatajrpax*Kvtuiv fJooav. c. 45, 2: acpotnuto^ •et fiovov tx«v.

») Dio 46, 45 ta« <ct Tap apy4? ateip xat t«c xoö icX-^oo? avUrtaav, xal ßxatov ahzbv inl fttxa ftTj, &<mtp xal ftixtatropa itpÖTcpov, Kpotxtipioawo. 47, 1 t+jv axöft<t£iv aötüfv (der Magistrate) 6 Kataap 6&x i&i£ato.

■) Dio 48, 44, 2 xal ta 8f)n6ata y^pr^an u.6vov Äiotxtiv txiXtooav.

4) Die Chronologie der Münzen dieser Zeit hat Gamtbr, Z. f. Num. XIX 1895, 188 ff. vortrefflich klargelegt. Die Zahl der bisherigen Illviri aere argento auro flando feriendo war im Jahre 46 auf vier vermehrt worden ; seit dem Anfang des Sommers 45 prägen sie mit Caesars Kopf und zunächst der Legende Caesar dict. quart., dann Caesar itnp., worauf im Februar 44 dict. perpetuo und parens patriae folgt.

*) Als rex bezeichnet Cicero den Caesar am 2. August Att. XIII 87, wo er aus Anlaß der Beschuldigungen, die sein Neffe Quintus bei Caesar gegen ihn und den eigenen Vater vorgebracht und gegen die Hirt jus ihn verteidigt hat (alienissimos nos esse a Caesars, fldem nobis ha-

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Münzrecht und göttliche Ehren Caesars

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Monarchie, die man so aufrichtete, als Begründung der wahren Freiheit, der Sieg in Spanien ab ihre Sicherung proklamiert und daher der Liberias ein Staatstempel beschlossen und Caesar als „Beiraer" bezeichnet und dieser Beschluß in die Akten ein- getragen1).

Daneben geht die weitere Annäherung des Herrschers an die Götter des Staats einher. Im Mai wird beschlossen, daß ihm als dem deus invictus eine Statue im Tempel des Quirinus, des vergötterten Romulus diese Auffassung des alten Gottes war damals längst allgemein angenommen und daher zugleich der eigentlichen Verkörperung des römischen Staats, aufgestellt werden sollte*); hier auf dem Quirin al sollte zugleich, so scheint es, die Amtswohnung liegen, die ihm zuerkannt wurde3). Eine andre Statue wurde denen der sieben (oder vielmehr acht) Könige und des Befreiers L. Brutus! auf dem Capitol angereiht4).

bendam non esse, me vero eliam cavendum). an Atticus schreibt: yoß*p&y &v -qv, nisi oiderem, scire regem, me animi nihil habere. ') Dio 48 , 44 hti vlvq . . . itpooiti aötöv tt iXtotoputrqv mal i{ ti

') Dio 48, 45, 8 SXXtjv xi ttva ctxova i$ tiv toB Kopivoo vafcv, dt<p &vtxv)t4> ixrrpii^am«, . . . ivi&toav. Cic. Att. XII 45, 8 (17. Mai) eum oövvaov Qui~ rini malo quam Salute. XIII 28, 8 (26. Mai) Quirini contubernalem.

') Dio 48, 44, 6 taöta xt oov (den Imperatornamen) tot* xy Kataapt x*l oluiav, &oxt tv t«p ZryLoiup olxitv . . . ftooav. Diese Wohnung (die nach einem spateren Beschluß mit einem Giebel geschmückt werden sollte, S. 518) kann nicht mit der Regia identisch sein, die Caesar als Pontifex maximus schon seit dem Jahre 63 bewohnte (Sueton 46 habi- tavit primo in Subura modicia aedibus; post autem pontificatum maximum in Sacra via domo publica); sie wird nicht fertig ge- worden sein und daher sonst nicht erwähnt. Daß sie auf dem Quirinal, offenbar in nächster Nähe des Tempels, liegen sollte, ergibt sich aus Cic. Att. XII 47, 8 (domum tuam pluris video futuram vicino Cae- 8are, vgl. 45, 8 de Caesare vicino scripseram ad te, quia cognoram ex tuis lüteris, woran sich die A. 2 angefahrte Bemerkung anschließt), wo Cicero den Atticus, der auf dem Quirinal wohnte (Nepos Att. 18), als zukünftigen Nachbar Caesars bezeichnet.

4) Dio 93, 44 , 3 xai «XX-nv k xb KarnttiXiov xapa *oo« ßa«Xt<Soavta; ito« iv tt} 'Piifuj 4v«<hoav; mit Recht weist er dabei auf die Statue des Brutus hin. Sueton 76: statuam inter reges.

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Caesars Monarchie

Bei den Festspielen sollte seine Statue aus Elfenbein, wie die Götterbilder des Phidias, neben denen der übrigen Götter in Prozession aufziehn, wie man alsbald hinzufügte, auf dem Sieges- wagen1). Zum ersten Male erschien sie bei der nach dem vor- jährigen Beschluß als Jahresfest eingeführten Feier der ludi Vidoriae Caesaris vom 20. bis 30. Juli (oben S. 389); da erregte diese allem römischen Empfinden ins Gesicht schlagende Ver- götterung doch allgemeines Entsetzen, und bewirkte, daß auch die Caesar begleitende Victoria mit Schweigen empfangen ward8). Aber solche Stimmungen hatten keine Bedeutung mehr. Man mußte sich eben fügen, und als Lepidus an Cicero die Auf- forderung richtete, am 1. August in den Senat zu kommen was da verhandelt werden sollte, wissen wir nicht , „das werde ihm und Caesar außerordentlich willkommen sein"3), blieb ihm nichts übrig, als zu gehorchen. Eifrig erkundigt er sich immer wieder, wenn Caesar nach Rom kommen wird, um nur ja recht- zeitig zu seiner Begrüßung erscheinen zu können.

Bei dieser Entwicklung ist es begreiflich genug, daß der Gedanke, sich des Herrschers gewaltsam zu entledigen, erneut auftauchte. So hat C. Trebonius, einer der tüchtigsten Offiziere Caesars und wie im Jahre 55, wo er als Tribun das Gesetz über die Pompe jus und Crassus zuzuweisenden Provinzen einbrachte, so im Jahre 48 als Praetor im Konflikt mit Caelius (S. 368) und dann als Statthalter des jenseitigen Spaniens ein eifriger Ver- fechter seiner Interessen, erwogen, ihn auf dem Wege durch Süd- frankreich zu ermorden; offenbar kam, als er sah, zu welchem Ergebnis die von ihm geförderte Politik führte, die republikanische

') Dio 48, 45, 2 xai tot« piv avipiävta abtoö IXt?aytivov, battpov Ik %a\ Spfio 8Xov sv tal<; lnico3po}iuxic (Uta x&v dtiu>v äf aXfiittuv ttifuwafrau rTvo»3av. Vgl. Cic. Att. XIII 28, 3 (am 26. Mai): hunc de pompa, Quirini contubemalem.

') Cic. Att. X III 44 (von 0. E. Schmidt S. 829 richtig datiert und ge- deutet) : o suavis tuas liUeras ! etsi acerba pompa . . . populum vero praeclarum, quod propter malum vicinum (d. i. Caesar) ne Victoriae quidem ploditur. Der Eindruck davon hielt Cicero ab, auf Brutus' Draugen an Caesar zu schreiben {sed pompa deterret, oben S. 442).

a) Att. Xlll 47 b.

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Attentatsplüne gegen Caesar

44!)

Gesinnung bei ihm zum Durchbruch. Er hat in Narbo den Antonius, der Caesar entgegengereist war1), daraufhin sondiert. Nach seinem Bruch mit Caesar, im vorigen Jahr, hatte man diesem ja bereits derartige Absichten zugetraut (S. 403). Jetzt aber verhielt Antonius sich ablehnend, und so ließ Trebonius den Gedanken fallen2). Andrerseits hat Antonius ebensowenig Caesar Mitteilung davon gemacht und ihn gewarnt. Sein Verhalten war also dasselbe, wie das des Philotas, als ihm die Verschwörung des Dimnos gegen Alexander mitgeteilt wurde: die Hand wollte er zu der Tat nicht bieten, aber es wäre ihm ganz recht gewesen, wenn sie ohne sein Zutun geschehn wäre.

Auch Cicero hat damals bereits mit diesem Gedanken gespielt : auf die Kunde von der Aufstellung der Statue Caesars im Quirinustempel schreibt er am 17. Mai: „Ich sehe ihn lieber als Kultgenossen des Quirinus, als der Salus"8), die auf dem Quirinal gleichfalls einen Tempel hatte, d. h. ich wünsche ihm, wie das der Consul C. Piso im Jahre 67 bei der Lex Gabinia dem Pom- pejus gedroht hatte*), das Schicksal des vergötterten Romnlus, der nach der allgemein angenommenen Auffassung der rationa- listischen Annalistik von den Senatoren zerrissen worden war, weil er zum Tyrannen entartete eine Hoffnung, die sich in weniger als Jahresfrist buchstäblich erfüllt hat6). So weit war

l) In den spanischen Feldzug hat Caesar ihn so wenig mitgenommen, wie vorher nach Afrika. Auf der Reise machte er einen plötzlichen Abstecher zurück nach Rom, der großes Aufsehen erregte (Cic. Att. XII 18 a, 1. 19, 2. 20, Mitte Marz 45); der Grund aber waren private Ge- schäfte, die er zugleich benutzte, um seiner Frau Fulvia, der Witwe des Clodius und Curio, die er vor kurzem geheiratet hatte, eine freudige Überraschung zu bereiten (Cic. Phil. II 76 ff. = Plut. Anton. 10, letzterer mit falscher Motivierung).

«) Cic. Phil. II 84. Plut. Anton. 13.

*) Att. XII 45, 3 cum oowoov Qttirini malo quam Saluiis.

*) Plut. Pomp. 25.

s) Nach Appian II 114, 476 war diese Erwägung für die Verschwo- renen bei der Wahl der Curie zum Schauplatz ihrer Tat ausschlaggebend, u»C xwv ßooXtotwv, «l xal fr») Kpof"t*oi6v, icpofr6jiu>s ot* tÄowv xb fpfov oovm- X^ofiiviov, 3 xal s«pl 'PüjuöXov tupawtxov i% ßaoiXtxöä -pvojmov ilifsto

Meyer, Caesars Monarchie 29

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Caesar* Monarchie

er von der Stimmung der Marcellusrede zurückgekommen. Beine Hoffnungen klammerten sich immer mehr an Marcus Brutus, der durch seine Abstammung von dem Begründer der Republik und von Mutters Seite von dem Tyrannenmörder Ser- vilius Ahala, der den Sp. Maelius, als er sich zum König machen wollte, auf offenem Markt niedergestoßen hatte, wenn irgend einer für die Tat prädestiniert erschien. Brutus war ein überzeugter Republikaner und gehörte schon durch seine Herkunft der demo- kratischen Partei, d. i. der Partei der Ritterschaft an; sein Vater hatte im Jahre 77 als Genosse des Lepidus den Auf- stand im Polande organisiert und Pompejus hatte ihn nach der Gefangennahme hinrichten lassen. Als notorischer Gegner des Pompejus war er im Jahre 59 zuerst unter die angeb- lichen Attentäter auf diesen eingereiht worden (S. 85); später hat er gegen den Plan geschrieben, Pompejus zum Dictator zu machen, und ist im Jahre 52 eifrig für Milo eingetreten (Ö. 224, 4. 235). Um so größeres Aufsehn machte es, daß er beim Ausbruch des Bürgerkriegs, den ererbten Haß seiner Bürgerpflicht opfernd, ins Lager des Pompejus gegangen war1). Nach Pharsalos hat er dann allerdings, wie so viele andre, seinen Frieden mit Caesar gemacht, der diesem infolge des Verhältnisses, in dem er seit langen Jahren mit Brutus* Mutter Servilia (die dann den D. Junius Silanus, Consul 62 geheiratet hatte) stand, besonders willkommen war*). Aber

oofiß^vat, &6£*cv to fprov, utoictp Htivo xal *61k iv ßouXsoTV)pi<|> ftvopcvov, oo xot' tictßooXvjv AXX" &nip r*jc «oXhmc «tup&xfrat.

') Bis dahin hatte er Pompejus den Groß verweigert, Plut Brat. 4 = Pomp. 64. Vgl. Cic. ad Att. XI 4, ans Pompejus' Lager: Brutus amicus; in causa versatur acriter.

*) Sueton Caes. 50. Plut. Brut. 5. Durch den von Plutarch Cato 24 = Brut. 5 berichteten Vorgang bei der Verhandlung über die Catilinarier wurde es stadtbekannt. Es setzte sich, wie Sueton berichtet, in Cae- sars Consulat und Monarchie fort, wo Caesar ihr, die damals langst ver- witwet war, aus der Beute großen Landbesitz gegen geringe Zahlung zu- wandte; vgl. Cic. ad Att. XIV 21, 3 (11. Mai 44), der es als SkosöXoikov be- zeichnet, Pontii Neapolitanum a matte tyrannoctoni possideri. Dafür soll sie ihm ihre Tochter Junia Tertia, die Gemahlin des Cassius, zuge-

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Brutus* politische Stellang

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Brutus folgte darin nur den Traditionen seines Zweiges des j umsehen Geschlechts, dessen Angehörige, im Gegensatz zu den Decimi Bruti (Albini), den Naclikommen des Callaicus, alle der demokratischen Partei angehört und für sie das Leben gelassen hatten1); durch seinen Schwager Lepidus, den Gemahl seiner Stief- schwester Junia, war er noch weiter mit der Partei verbunden. Von Caesar wurde er begünstigt und erhielt für das Jahr 46, ob- wohl er noch nicht Praetor gewesen war, die Statthalterschaft des cisalpinischen Galliens. Aber aus seiner Gesinnung machte er kein Hehl, gab ihr vielmehr sowohl in der Schrift de virtute,

führt haben, worüber Cicero spottete: quo melius etnptutn sciatis, tertia dedueta („damit alle Welt weiß, daß es wirklich gekauft ist, ist ein Drittel abgezogen*, oder aber .ist Tertia ihm zugeführt"; Sueton Cnes. 50 = Macrob. II 2, 5). Daran knüpft dann die nur bei Plut. Brut. 5 und Appian II 112 , 468 vorliegende Fabel an, Brutus sei Caesars Sohn gewesen, die weder zu den Daten von Caesars Leben (sein Verhältnis zu Servilia fallt in weit spätere Zeit, als sie schon nicht mehr jung war], noch zu denen über Brutus stimmt, mag dieser nun. nach Cic. Brut. 324. im Jahre 85, oder, nach Vellejus II 72, im Jahre 78 geboren sein [bei Liv. epit. 124 ist die Zahl nicht erhalten]; über diese Frage ver- mag ich zu einer Entscheidung nicht zu gelangen (s. Bynuu, Das Leben des Brutus bis auf Caesars Ermordung, Halle 1897 ; Groebe, Hermes 42, 1907, 304 ff. und bei Drumanm IV * 21 f. (für 85); Seeck, Rhein. Mus. 56, 1901, 631 ff. und Hermes 42, 1907, 505 ff. (für 78). Daß er um 58 Quaestor (de vir. ill. 52) war. beweist nichts, da es für die Quaestur keine feste Alters- grenze gab (vgl. 8. 577, 4); daß ihn aber Caesar für das Jahr 44 zum Praetor ernannt habe, ehe er das gesetzliche Alter erreicht hatte, ist wenig wahr- scheinlich: bei Dolabella, den er mit 35 Jahren [so wird die Zahl 25 bei Appian II 129, 539 (vgl. III 88, 361) zu korrigieren sein] zum Consul machte, lagen die Dinge anders, als bei dem begnadigten Gegner Brutus. Den Ausruf Caesars bei der Ermordung *al «6 tixvov geben übrigen» bekanntlich gerade Plutarch und Appian nicht; er findet sich nur, als unverbürgte (und gewiß nicht historische) Erzählung einiger, bei Sueton Caes. 82 und Dio 44, 19, 5.

') Außer dem Vater des Caesarmörders , Volkstribun 83, von Pom- pejus hingerichtet 77 (Liv. epit. 90), der gleichnamige Praetor des Jahres 88, der sich 82, von Pom pejus eingeschlossen, bei Lilybaeum tötete (Liv. ep. 89), und L. Brutus Damasippus, einer der fanatischsten Marianer, Praetor 82, nach der Schlacht am colli nischen Tor von Sulla hingerichtet

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Caesars Monarchie

mit der enthusiastischen Schilderung des M. Marcellus (oben 8. 383), wie in seiner Lobschrift auf Cato, den Stiefbruder seiner Mutter, offenen Ausdruck. Daß er Catos Selbstmord mißbilligte, da man hinnehmen müsse, was das Schicksal verhänge1), konnte zugleich als eine Rechtfertigung seines eigenen Verhaltens gelten. Nach der Rückkehr aus seiner Provinz gestaltete er diese Beziehungen noch enger: er schied sich von seiner Gemahlin Claudia, der Tochter des Appius Claudius (Censor im Jahre 50), und heiratete Catos Tochter Porcia, die Witwe des Bibulus2).

Cicero fühlte sich offenbar auch personlich zu Brutus hinge- zogen : seine in sich geschlossene Persönlichkeit, sein sicheres Auf- treten, der philosophische Doktrinarismus, mit dem er alle Fragen beurteilte er vertrat bekanntlich in der Hauptsache die Lehreu der älteren Akademie, zu denen dann, unter der Einwirkung Catos, eine stoische Beimischung kam , die Festigkeit des Willens, die er überall bezeigte und ostentativ zur Schau trug3), das alles wirkte auf ihn um so stärker, da es so ganz das Gegen- teil seiner eignen, stetig schwankenden und ängstlich abwägen- den Persönlichkeit war, die nur schwer zu einem bestimmten Entschluß zu gelangen, noch schwerer ihn festzuhalten und

') Bei Plut Brat 40 sagt Brutus bei Philippi zu Cassius: ^tta- odufjv Katutva Staxpirjaäuivov iaotäv, <ü<; oüy ooiov o&8' av8p&( fpfov jico- X<upttv ttj> Äitftovt «al p*r] ?tyto8-ai xh oopittntov &8tü>{, iuX* aito$i3paaxttv; jetst aber habe er seine Ansicht geändert Jene Auffassung hat er gewiß in seiner Schrift vorgetragen.

') Die Scheidung von Claudia, mit der er noch vermählt war, aU Cicero den Brutus schrieb (267. 824), fand Mitte Juni 45 statt (Cic. Att. XIII 9, 2. 10, 8). Die Mutter 8ervilia war mit der neuen Ehe wenig einverstanden (Att XIII 22, 4, vgl. 16, 2).

■) Caesar sagte von ihm: „Es kommt viel darauf an. was er will, aber das was er will, will er mit Energie" (magni refert, hic quid velit, at quicquid voll, valde voltj; das habe er erkannt als er Ende August (d. i. Mitte Juni) 47 vor ihm in Nicaea für Dejotaros redete, da habe er sehr heftig und freimütig gesprochen (Cic. Att XIV 1,2; die Rede wird im Brutus 21 erwähnt und war veröffentlicht, Tac. dial. 21). Bei Plutarch Brut 6 (wo an Stelle des Dejotaros versehentlich & t«i»v Aißotuv ßaotXtüc genannt wird) ist Caesar» Äußerung entstellt in ooto^ b vsavwt? obx olio (iiv S ßo6X«tot, it&v 8' Ö {JouXrtat, a?68pa ßouXstat.

Cicero und Brutus

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durchzuführen vermochte. So hat er sich ihm geradezu auf- gedrängt: er widmet ihm eine rhetorische und philosophische Schrift nach der andern, er will ihn nach seinen in einer laugen Praxis ausgebildeten Anschauungen zum vollendeten Redner und damit zum führenden Staatsmann der nächsten Generation er- ziehn, er nimmt es hin, wenn Brutus das sehr kühl und über* legen aufnimmt und ihm offen ausspricht, daß er seine rhetori- schen Lehren nicht für richtig halte und sie nicht befolgen könne1) in der Tat war es für einen Mann von Brutus' Naturell ganz unmöglich, in Ciceros Stil zu reden und zu schreiben, und Cicero hat das auch anerkannt, als Brutus ihn nach Caesars Er- mordung aufforderte, seine am 15. März an das Volk gehaltene Kode für die Veröffentlichung zu korrigieren*) , ja er verzieh

') Cic. Att. XIV 20, S (11. Mai 44) quin etiam cum ipsius (Bruti) precibus paene adductus scripsissem ad eum de optimo genere di- cendi (d. i. den Orator), non modo mihi, sed etiam tibi scripsit, sibi ilhtd, quod mihi placeret, non probari.

*) Cic. Att. XV 1 b, 2 (18. Mai): Brutus noster misit ad me ora- tionem suam habitam in contione Vapitolina petivitque a me, ut eam tie ambitiöse corrigerem antequam ederet. est autein oratio scripta elegantissime sententiis, verbis ut nihil possit ultra: ego tarnen, si illam causam habuissem, scripsissem ardentius. ^ö- »ts:$ indes quae sit et persona dicentis. itaque eam corrigere non potui. quo enim in genere Brutus noster esse volt et quod iudicium habet de optimo genere dicendi, id ita consecutus est in ea or ac- tione , ut elegantius esse nihil possü ; sed ego sccutus sum aliud, triee hoc recte sive non recte. Er bittet dann Atticus um sein Urteil, fürchtet aber, dieser werde hyperatticus in iudicando »ein; sed si recordabere A-rjuoo&tvooi; fulmina, tum intelleges posse et äxttxiütata et gravissime dici. Atticus stimmt zu (XV 3, 2), wünscht aber doch. Cicero möge etwas schreiben quasi a Bruto habita oratione, obwohl dieser seine schon herausgegeben habe, qui tandem convenit? an sie, ut in tyrannum iure optimo caesum ? mulia dicentur, multa scribentur a nobis, sed alio modo et tempore. Einige Tage vorher, am II. Mai, hat sich Cicero bereits eingehend ausgesprochen (Att. XIV 20, 3): Es gibt keinen Dichter und keinen Redner, der »ich nicht selbst für den besten hält, und das gilt auch von Brutus, de quo etiam experti sumus nuper in edicto |es ist das Att. XIV 20. 4. fam. XI 2, 1 erwähnte Edikt, durch das Brutus und Cassius ihre Anhänger in den Municipien zu pas- sivem Verhalten ermahnten]; scripseram rogatu tuo: meiim mihi pla-

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ihm schließlich sogar, daß er sich in seinem Cato sehr von oben herab, in einer Ciceros Eitelkeit aufs tiefste verletzenden Weise, bei der er überdies die Tatsachen falsch darstellte, über dessen Tätigkeit bei der Unterdrückung und Bestrafung der Catilinarier geäußert hatte1 ) .

Auf die politischen Hintergedanken Ciceros einzugehn war freilich Brutus zunächst garnicht geneigt8). Offenbar war er

cebat, iUi8UUtn. Plutarch Brut. 2 verwendet zur Charakteristik Keines 8tila die griechischen Briefe des Brutus, die nebst den von einem .König Mithridates" (etwa aus der kommagenischen Dynastie?) verfaßten Ant- worten auf uns gekommen sind und deren Echtheit Röhl , Rhein. Mos. 70, 1915, 316 ff. erwiesen hat. Sie sind in der Tut äußerst charakte- ristisch für die kühle Art des Brutus, der durchweg in echt sophisti- Hcher Weise mit philosophischen Argumenten operiert und dabei die Gedanken in möglichst knapper Formulierung zusammenfugt; sie er- innern an die Art, wie Agesilaos und andere Spartaner zu argumen- tieren liebten. Sieh logisch scharf auszudrucken verstand Brutus; aber seinen Worten fehlte, wie Cicero mit Recht empfindet, jede Wärme und daher die Überzeugungskraft und die Wirkung. Shakespeare hat in der Rede des Brutus vor Caesars Leichenfeier seine Art und seinen Stil, auf Grund der Andeutungen Plutarchs, ganz vorzuglich getroffen.

') Atticus hatte ihm darüber Vorstellungen gemacht; aber Brutus' Antwort befriedigte Cicero garnicht : legi Bruti epistolam eamque tibi remisi , schreibt er am 17. Marz an Atticus (XJ1 21), sane twn pru- denter rescriptam ad ea, quae requisleras . sed ipse tnderit. quam- quam illud turpiter ignorat es folgt die Darlegung der Vorgange bei der entscheidenden Senatsverhandlung am 5. Dezember 63. tne autem hic laudat, quod rettulerim, non quod patefecerim, (quod) cohortalus 8im, quod denique anteqwim consulerem ipse iudicavrrim . . . hie autem se etiam tribuere multum mihi putat, quod scripserü 9op- timum considem*. quis mim ieiunius dUrit inimiew? ad cetera vero tibi quemadmodum rescripsit! tantum rogai, de senatus consitlto ut corrigas. hoc quidein fecissei, etiam si (a lib)rario admonitus esset, sed haec Herum ipse viderit. Trotzdem widmet er ihm kurz darauf sein Werk de flnibus idem dann die Tusculanen und de deorum natura folgen) und denkt daran, ihn und Cato in den Academica auf- treten zu lassen. Anfang August verfaßt er eine laudatio auf die da- mals gestorbene Porcia, Schwester Cutis und Witwe des L. Domitius Ahenobarbus (Att. XIII 87. "3. 48. 2), ebenso wie Varro und ein sonst nicht bekannter Ollius (LolliusV).

5) So große Verdienste 0. E. Schmidt um die Chronologie und Inter- pretation des ciceronischen Briefwechsels dieser Zeit sich erworben bat,

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Brutus' Stellung zu Caesar

der Ansicht, daß die Zeit des absoluten Regiments nur eine durch den Zwang der Lage geschaffene vorübergehende Not- wendigkeit sei, wie ehemals das womöglich noch despotischere und zugleich weit blutigere Regiment des Cinna und Carbo, und daß Caesar nach voller Beendigung der Bürgerkriege den Staat in republikanische Formen zurückführen werde. Daß Caesar selbst für ihn entschiedene Sympathie zeigte obwohl das Ver- hältnis beider von der späteren Tradition stark übertrieben und romantisch ausgestattet ist , hat diese Stimmung noch ver- stärkt. So hat Brutus in einem Brief an Cicero Caesar gegen den Verdacht verteidigt, Marcellus' Ermordung veranlaßt haben1);

so seltsam ist die Ansicht, die er sieb, um Ciceros Verhalten durchweg verteidigen zu können, von Brutus gebildet hat, wohl das wunderlichste Zerrbild unter den vielen, die von diesem entworfen sind (vgl. außer seiner Schrift über Ciceros Briefwechsel seinen Vortrag über Brutus: Verhandl . der Görlitzer Philologenvers. 1889). Er meint . Brutus sei ein geheimer Agent Caesars gewesen, der Cicero in die Falle locken sollte, sein Cato sei in erster Linie bestimmt gewesen, Cicero herabzu- würdigen: zum Mörder Caesars sei er geworden, weil seine Hoffnung, von diesem adoptiert zu werden, »ich nicht erfüllte! Gegen Schmidt ist die von mir veranlaßt« Schrift von Krnkst T. Btnuv , Das Leben des M. Juni us Brutus bis auf Caesars Ermordung, Halle 1897, gerichtet. Brutus' Zinswucher auf Cyporn ist gewiß nicht schön; aber er ist echt römisch-republikanisch, ein Hecht, das dem vornehmen Römer zusteht. Um ihn moralisch richtig zu beurteilen, muß man die Art vergleichen, mit der viele im Privatleben sehr human auftretende Geschäftsmänner in allen modernen Nationen ihre Geschäftsinteressen rücksichtslos ver- folgen und ihre ausstehenden Kapitalien oder Zinsen ausnutzen und bei- treiben, ohne sich darum zu kümmern, was das auf die Betroffenen für Wirkung hat. zumal erst, wenn es sich um Anleihen ausländischer und vor allem orientalischer Staaten handelt, im übrigen steht dieser Zins- wucher mit Brutus' Verfahren in Asien 43, das seine Briefe (S. 454, A.) so anschaulich illustrieren, in vollem Einklang.

') Att. XIII 10. 3 (ca. 20. Juni): Cicero halt das für völlig über- flüssig, da die Schuldlosigkeit Caesars klar sei, und begreift den Brief nicht : Brutus . . . per litter as purgat Caesarem de interitu Marcelii, in quem, ne si insidiis quidetn iüe interfectus esset, caderei tdla suspicio; nunc vero cum de Magio (sein Selbstmord) constet, nonne furor eius causam omnem sustinet ? plane quid sit non inteUego explunabis igüut. quamquam nihil habeo , quod dubitem und

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im Juli ermahnt er Cicero, an Caesar zu schreiben1), und sucht durch Atticus auf ihn einzuwirken, daß er sich nicht weiter in seine philosophische Schriftstellern vergrabe, sondern nach Rom gehe2). Er selbst reiste Caesar mit frohen Hoffnungen nach Gallien entgegen, und die Aufnahme, die er hier fand, bekräftigte seine Auffassung: er meldete nach Rom, daß Caesar sich fortan den boni viri, den aristokratischen Republikanern, anschließen werde. Den Anlaß dazu hat, wie man mit Recht vermutet hat, gegeben, daß Caesar erklärte, er werde jetzt wieder Wahlen vornehmen lassen, somit das absolutistische Regiment nicht weiter fortführen. Cicero ist durch diese Auffassung tief enttauscht: „So also meldet Brutus," schreibt er an Atticus, „jener wolle zu den boni viril Das wäre eine frohe Botschaft ! Aber wo will er die finden % es sei denn, daß er sich aufhängt . . . Wo bleibt da aber Dein Kunstwerk, das ich in Brutus' Parthenon gesehn habe, der auf Ahala und Brutus zurückgehende Stamm- baum?"»)

Dieser Hinweis in einem ganz vertraulichen Brief nimmt eine Äußerung wieder auf , die Cicero nach der Aussage des Vettius schon in Caesars erstem Consulat getan haben soll (oben S. 86). Sie redet deutlich genug. Wer diese Worte und die über Caesar und

dann fällt ihm ein, daß sich da« Motiv des Magius sehr wohl vermuten lashe (oben S. 406, 4).

') Ätt. XIII 44, s. oben S. 442, 5.

») Att XIII 89, 2 (Anfang August): Romam, ut censes, veniam, sed inviius; valde enitn in scribendo haereo. Brutus, inquis, eadem. scüicet. sed nisi hoc esset, res me ista non cogeret.

') Att. XIII 40 (gegen Mitte August): üane nuntiat Brutus, iUum ad bonos viros? tba-ftih*. sed ubi eos? nisi forte se suspendit. + hic autem ut fultum est f. ubi igitur y&o*iyyt\v* tuum, quod vidi in Parthenone, Ahalam et Brutum ? Atticus hat bekanntlich auf Brutus' Bitte eine besondere Schrift Qber den Stammbaum seiner Familie ver- faßt (Nepos Att. 18), die ihn natürlich auf den Begründer der Bepublik eu rückführte. Die Gegner bestritten das mit Recht mit dem Hinweis darauf, daß dieser seine Söhne hingerichtet und keine Nachkommen hinterlassen habe (Dion. Hai. V 18. Dio 44. 12, 1); Posidonios hat dann noch einen dritten, son.4 unbekannten Sohn des alten L. Brutus er- funden (Plut. Brut. 1), und ebenso wird sich Atticus beholfen haben.

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Cicero und der Gedanke der Ermordung Casars

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Quirinus in ihrer Tragweite richtig würdigt und berücksichtigt, daß Cicero nach seiner ganzen Art sich im Gespräch noch viel unzweideutiger ausgesprochen haben wird, zumal als während des Winters die Aufrichtung der Monarchie immer weiter vor- schritt, und daneben in Betracht zieht, daß er, nach dem Tode so vieler bedeutsamer Männer, bei Freund und Feind und darum auch bei Caesar selbst1) immer mehr als der letzte hervorragende Repräsentant der alten republikanischen Zeit galt und daß des- halb nicht wenige ehrenhaft« Männer es ihm verargt haben, daß er seinem Schmerz, bei dem der Tod der Tochter mit dem Falle der Republik zusammenwirkte, so völüg nachgab und sich ganz in die philosophische Schriftstellerei stürzte, statt sich im öffent- lichen Leben zu betätigen2), der wird zugeben müssen, daß es nicht unberechtigt war, wenn Antonius ihn am 19. September 44 als den intellektuellen Urheber der Ermordung Caesars be- zeichnete, so wenig er jemals an der Tat teilgenommen haben würde und so recht die Verschworenen daher taten, ihn nicht ins Geheimnis zu ziehn.

Bei der Rückkehr nach Rom hat Caesar in der Narbo- nensis einen Teil seiner Veteranen angesiedelt (S. 487). Unter- wegs schloß sich ihm Decimus Brutus an, der bisher das jen- seitige Gallien verwaltet hatte, im cisalpinischen Gallien über- zeugte er sich von der trefflichen Verwaltung des M. Brutus

') Vgl. Cic. Att. XIV 17, 6 (8. Mai 44) ego autem credas mVii velim minore periculo enistimo contra ilias nefarüu partes vivo tyranno dici potuigse quam mortuo; iüe enim nescio quo pacto ferebat me quidem mir ab iiiler. Vgl. XV 4, 8.

*) z. B. Cic. Att. XII 21, 5. 23, 1. 28, 2. 88. 8. 40, 2. Mit vollem Recht verteidigt sich Cicero dagegen: si qui me fr actum esse animo ei debilitatum putant, sciant, quid litterarum et cuius generis con- fliHam, credo . . . existimeni mi... reprehendendum non esse, daß ich vielmehr, weil ich den Trost gesucht habe, quae inaxime libe- rales sit doctoque homine dignissima, Lob verdiene (XII 88, 3). An wine Freundin Caerellia schreibt er (Quintil. VI 3, 112): haec aut animo Catonis ferenda sunt aut Oiceronis stomacho. Daß ein Urteil wie das Mommskns über Cicero* philosophische Schriften sachlich und persönlich von (»rund aus verkehrt ist. ist jetzt wohl allgemein anerkannt.

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Caesars Monarchie

im letzten Jahr sein Nachfolger war jetzt der recht tüchtige und humane C. Vibius Pansa. Den Antonius nahm er, nach zweijähriger Pause, aufs neue zu Gnaden an, ja er gab ihm auf seinem Wagen den Ehrenplatz an seiner Seite, wahrend Decimus Brutus und sein junger Großneffe Octavius im nächsten Wagen folgten1); er mochte ihn jetzt für hinlänglich gedemütigt halten, um sein Talent wieder verwenden zu können, und dachte ihn zugleich als Gegengewicht gegen Dolabella zu benutzen, den um seinetwillen fallen zu lassen ihm ganz fern lag. Etwa Anfang September traf er in Rom ein2); kurz darauf feierte er seinen Triumph, an den sich eine, weil sie zuerst ziemlich dürftig aus- gefallen war, nochmals wiederholte Bewirtung des Volkes an- schloß3). Den republikanischen Ordnungen glaubte er dadurch Rechnung zu tragen, daß er auch den Statthaltern der beiden Spanien, Q. Fabius Maximus und Q. Pedius, in deren Provinzen der Krieg geführt war, den Triumph gewährte, obwohl sie nicht unter eigenen, sondern unter Caesars Auspicien gekämpft und tatsächlich zur Entscheidung nicht viel beigetragen hatten*). Beim Volk freilich erregte es schweren Anstoß, daß er jetzt offen über besiegte Bürger triumphierte6); und der Tribun Pontius Aquila gab dem allgemeinen Gefühl Ausdruck, als er, wie Caesar auf dem Triumphwagen an der Tribunenbank vorbei- fuhr, zu seiner Entrüstung nicht vor ihm aufstand*).

') Plor. Anton. II, vgl. Cic. Phil. II 78. Vellejus II 59, 3. Ober M. Brutus Brut. 6; über Caesars Art zu reisen s. auch Plut. Caes. 17. Sueton 57.

") Vellejus II 56 sagt, er sei mense Octobri nach Rom zurück- gekehrt ; aber schon am 13. September hat er in Lavicano suo, einem Gut südöstlich von Rom. sein Testament gemacht (Sueton Caes. 83), und am 13. Oktober triumphiert Fabius Maximus. natürlich spater als Caesar. Vellejus' Angabe ist daher ungenau.

») Dio 48. 42. Liy. 116. Sueton Caes. 38. Plin. 14. 97.

*) Dio 43, 42; vgl. Qnintil. VI 3, 61. Act. triumph. Q. Fabius Q. f. Q. n. Maximus cos. ex Hispania III Idus Octob.; Q. Pedius M. f. proco8. ex Hispania Idib. Dec. Die Daten für Caesars Triumphe sind nicht erhalten.

») Plut. Caes. 56.

•) Sueton Cae*. 78: Caesars spateres Verhalten gegen den ihm die Ehrenbeschlüsse überbringenden Senat (S. 517) tanlo intolerabüius est

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Caesar» spanischer Triumph. Herabdrückung des ConsulaU 459

Die republikanischen Ämter hat Caesar in der Tat wieder besetzen lassen: er legte sein alleiniges Consulat nieder und ließ für den Rest des Jahres zu Consuln den Q. Fabius Maximus, noch vor dessen Triumph, und den C. Treboniua wählen1), von dessen wahrer Gesinnung er offenbar keine Ahnung hatte. Die allem Herkommen widersprechende Neuerung, die in der durch kein berechtigtes Motiv veranlaßten Niederlegung des Consulat« inmitten des Amtsjahrs und der Bestellung eines Nachfolgers für den Rest des Jahres lag, empfand man sehr deutlich. „Als der Dreimonatsconsul Fabius Maximus das Theater betrat und der Lictor, wie es Brauch ist, Achtung proklamierte, rief alle Welt, er sei kein ConsuT'*). Noch deutücher zeigte sich, daß das Einlenken in die verfassungsmäßigen Bahnen nur ein wesenloser Schern war, als zu Ende des Jahres Fabius Maximus staib. „Auf den 31. Dezember waren auf dem Marsfelde Comitien für die Quaestorenwahlen angesetzt; um die zweite Morgenstunde, als der Amtssessel des Q. Maximus, von dem jene Leute be-

rifiiim, quod ipse triumphanti et subseUia tribunicia praetervehenti sibi unum e coüegio Pontium Aqiiilam non assurrexisse adeo in- dignaius sit, ut proclamaverit : „repete ergo n me Aquila rempubli- catn tribunus!" et nev destiUiit per continuos dies qtiicquam cui- qttam nisi sub exceptione polliceri, „tri tarnen per Pontium Aquüam licuerif. Ürumannh Bemerkung III * .Einer solchen Unbesonnen- heit, einer so achnflden Verhöhnung der Römer war Caesar nicht fähig; die bedenklichen Heden sind ihm von «»inem Keinde. etwa von Tanusius Geminas angedichtet, oder man hftrt<- sie doch nicht bei den Triumphen, nicht öffentlich von ihm.* ist sehr naiv. Dagegen nimmt er wohl mit Recht an, daß sein Out bei Neapel (Cic. ad AU. XIV 21. 3, oben S. 450, 2) nicht wegen dieses Verhaltens, sondern früher konfisziert ist. weil er auf soiten des Pompejus gestanden hatte. Pontius Aquila gehörte spater zu den Verschworenen und tie! bei Mntina.

') Dio 48. 46. Fast. con«. Bekanntlich sind Suetons Angaben Caes. 76 Ober Caesars drittes und viertes Consulat ungenau; der Satz nlroque anno binos cotwules substituit sibi in ternos novis- simos menses gilt nur für sein viertes Consulat 45. nicht fflr sein dritte* 4ü.

*) Sueton Caes. 80. Auch Cicero in der gleich angeführten Stelle fam. VII HO erkennt Fabius nicht ab Consul an (sella Q. Maximi, quem Uli consiilem esse dicebant/.

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haupteten, er sei Consul, aufgestellt war, kam die Kunde, er sei gestorben, und der Stuhl wurde fortgenommen. Er aber (Caesar), der für Tributcomitien Auspicien eingeholt hatte, hielt jetzt Genturiatcomitien ab; um die siebente Stunde proklamierte er einen Consul, der bis zum 1. Januar amtieren sollte, d. h. bis zum nächsten Morgen; und so wisse, daß unter dem Con- sulat des Caninius Rebilus niemand zu Mittag gegessen hat. Aber auch kein Verbrechen ist unter ihm vorgekommen; denn er war von so wunderbarer Wachsamkeit, daß er in seinem ganzen Consulat keinen Schlaf gesehen hat"1). Es war nicht möglich, das höchste Amt des Staats ärger zu verhöhnen, als es durch diese Szene geschah*); und wohl begreifen wir, daß Cicero seineT Schilderung und seinen Bosheiten hinzufügt : „Das erscheint Dir lächerlich, denn Du bist nicht dabei gewesen ; würdest Du das sehn, so würdest Du die Tränen nicht halten können."

Die Verleihung des Consulats auf kurze Frist hat Caesar bei- behalten und dann bekanntlich die Triumvirn und Augustus übernommen. Für das Jahr 44 ließ er sich das fünfte Consulat übertragen, zusammen mit Antonius; zu seinem Nachfolger, wenn er im Frühjahr in den Partherkrieg abgehn würde, bestimmte er den angeblich erst 25 Jahre alten*) Dolabella, dem er auch sonst die höchsten Ehren erwies: so führte er am 19. Dezember 45, als er in Puteoli war, sein militärisches Gefolge in Parade an Dolabellas Villa vorüber, wie sonst bei niemand anders4). Aber

>) Cicero an Curia« fam. VII 30. Ciceros Witz berichten auch Dio 43, 46. 4 und Macrob. II 3, 6 und VII 3, 10 neben anderen, darunter den, daß Rom jetzt nicht nur flamines Diales sondern auch consules Diales habe, der II 2, 13 richtiger dem M. Voltacilius Pitholaus (oben S. 401. 1) zugeschrieben wird. Ein weiterer Witz Ciceros Plut. Caes. 58 (variiert Macrob. VII 3. 10). Den Hergang berichten auch Sueton Caes. 76. Plin. Vll 181.

") Eine ähnliche Komödie hat Vitellius aufgeführt, Tac. Hist. III 37, während Nero ein gleiches abgelehnt hat (Sueton Nero 15).

3) Appian civ. II 129, 539. Wahrscheinlich ist die Zahl in 35 zu korrigieren, s. oben S. 451. A.

4) Cic. Att XIII 52 Dolabellae vülam cum praeteriret, omnis armaiorum copia dextra sinisira ad equum nec cUibi usquam.

Vermehrung und Besetzung der Ämter für das Jahr 44 461

daß sein Zank mit Antonius eich fortsetzte, war ihm nur recht: er duldete, daß Antonius am 1. Januar im Senat, als Caesar mitteilte, Dolabella solle sein Nachfolger werden, erklärte, er werde das als Augur verhindern, und sich beide die ärgsten Insulten an den Kopf warfen1). Als dann die Wahlversammlung berufen wurde, hat Antonius in der Tat im letzten Moment, nachdem die Wahlhandlung schon fast beendet war, auf Grund eines angeblichen Götterzeichens Einspruch erhoben und die Vollendung der Wahl unmöglich gemacht2). Hier, wo es ihm vielleicht im Moment lästig, aber im Grunde ganz willkommen war, duldete Caesar die Betätigung der „Freiheiten" des römi- schen Volks.

Auch für die übrigen Ämter fanden jetzt die Wahlen statt. Die Zahl der Quaestoren wurde auf 40, die der plebejischen Aedilen seit dem Jahre 44 auf 4 (oben S. 417), die der im Jahre 47 auf 10 vermehrten Praetoren (S. 380) auf 14, und vom Jahre 44 ab noch weiter auf 16 erhöht3). Das entsprach der damaligen Zahl der Provinzen4). Die Statthalterschaften vergab Caesar nach wie vor nach eignem Ermessen, ohne Heranziehung des Loses5); die ihm übertragene Ernennung der Beamten dagegen hatte er abgelehnt (S. 446). Dafür brachte der Tribun L. Antonius, der jüngste Bruder des Marcus, vermutlich gleich nach seinem

') Cic. Phil. II 79 ff. 99.

*) Cic Phil. II 82, wo man zugleich sieht, daß die Wahl eine Form war: die Auslosung der praerogativa, die Abstimmung der ersten Klasse, der suffragia, die Berufung der zweiten Klasse omnia sunt cüius facta quam dixi. Offenbar nahm außer ein paar offiziellen Vertretern , wie seit langem bei den Curiatcomitien , niemand daran teil. Der Hergang auch Plnt. Anton. 11. Auch in der Senatssitzung am 15. März beab- sichtigte Antonius nach Cic. Phil. II 88 den Einspruch zu wiederholen; vgl. auch Phil. 1 31. Dolabellaa Übernahme des Consulats nach Caesars Ermordung beruhte also lediglich auf dessen Willenserklärung und war gesetzlich unberechtigt.

') Dio 43, 47, 2. 49, 1. 51, 3. Sueton Caes. 41.

4) Mommskn , Ges. Schriften IV 171 (Hermes 28. 601): die Gesamt- zahl war seit dem Hinzutreten von GaUia comata, Africa nova, Uly- rieum und Achaia 18, 2 consularische und 16 praetorische.

») Dio 43, 47, 1.

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Amtsantritt am 10. Dezember 45 ein Gesetz ein , daß Caesar fortan mit Ausnahme der Consuln, für die die alte Wahlfreiheit formell beibehalten wurde, die Hälfte der Beamten ernennen solle er verwendete dazu Empfehlungsschreiben an die Tribus, welohe die Namen der Kandidaten enthielten, die zu befolgen die Stimmkörper gesetzlich gebunden waren *) ein Recht, das das Principat bekanntlich erst ganz allmählich, vielleicht erst vou Tiberius an, und nur in sehr viel beschränkterem Umfang wieder aufgenommen hat2). Daß auch die dem Volk freigelassenen Stellen im wesentlichen nach seinen Wünschen besetzt wurden, bedarf keiner Bemerkung. Die Zahl der Priesterstellen war schon im Jahre 47 vermehrt worden9). Die so neu geschaffenen und vom Herrscher vergebenen Amtsstellen reichten freilich noch bei weitem nicht aus, die Ansprüche und die noch viel größere Be- gehrlichkeit der Anhänger vor allem nach consularischen Ehre n

») Cic. Phil. VII 16 sagt ironisch von den dem L. Antonius zuer- kannten Ehrungen (vgl. VI 12): est enim patronus quinque et tri- ginia tribuum , quarum sua lege, qua cum Caesare magistratus partitus est, suffragium sustulit; patronus centuriarum equitum Romanorum, quas item sine suffragio esse voluit. Dio 48, 51, 3 'gptlto 7&p t«p jtiv ^6?<}> to&c -fyuoitc (ttüv apxovtutv) 6 Kataap sv v6p.tp ttv't toöto «oi7)a<£|«vo9, !p74> Ii xdvtac- Eutrop. IV 25 cum ergo et honores ex sua voluntate praestaret, qui a populo antea deferebantnr. Sueton Caes. 41 comitia cum populo partitus est, ut exceptis consulatus conpetiioribus de cetero numero candidatorum pro parte dimidia quas populus vellet pronuntiarentur , pro parte altera quos ipse edidisset. et edebat per libeüos circum tribum missos scriptura brevi: „Caesar dictator Uli tribui. commendo vobis illum et ittum, ut vestro suffragio suam dignitatem teneat."

') Tiberius beschränkte die Zahl der vom Kaiser ernannten Kandi- daten für die Praetur gleich su Anfang auf vier , und lehnte ein weiter- gehendes Recht ab (Tac. ann. I 15). Von den Quaestoren ernannte der Princeps nach Mommsens Vermutung nur zwei. Erst seit Nero ist das kaiserliche Commendationsreoht weiter ausgedehnt und auch auf das Consulat erstreckt worden.

*) 8. 880. Davon handelte die lex lutia de sacerdotiis, die Cicero ad Brut. I 5, 3 erwähnt; sie gestattete unter anderm auch die Wahl nicht Anwesender.

Amterbesetzung durch Caesar. Behandlung des Senats 463

zu befriedigen1); daher hat Caesar, außer der zugleich diesem Zweck dienenden tatsächlichen Befristung des Consulats auf wenige Monate, die er nach der Rückkehr aus Spanien eingeführt hatte, dazu gegriffen, gewesenen Praetoren, im ganzen zehn, Rang und Abzeichen der Consulare zu verleihen*); auch dies Mittel hat das Principat erst im Lauf seiner Entwicklung, seit Übernahme der Censur durch Claudius, für die Erteilung des consularischen Ranges sogar erst seit Macrinus wieder eingeführt.

Noch schärfer als in dieser Behandlung der republikanischen Ämter tritt der Gegensatz zwischen der caesarischen Monarchie und dem augusteischen Principat in der Behandlung des Senats hervor. Während Augustus (und ebenso Tiberius) den Senat durchaus als den eigentlichen Souverän und Regenten des römischen Staats anerkannte, in dem er nicht mehr sein wollte, als das erste und einflußreichste seiner Mitglieder, und daher die dringend notwendige Reinigung des Senats von unlauteren Elementen nur mit der äußersten Behutsamkeit und möglichster Schonung seiner vom Princeps unabhängigen Stellung vornahm*), hat Caesar auf den Reichsrat, der nun einmal als überkommenes Organ der Verwaltung unentbehrlich war, mit gründlicher Ver- achtung herabgesehn und ihn dementsprechend behandelt. Trotz der oben erwähnten gesetzlichen Maßregeln, welche die sittliche Haltung der höheren Stände heben sollten, hat er kein Bedenken getragen, große Massen der zweifelhaftesten Elemente in den Senat aufzunehmen, „ohne irgendwelchen Unterschied, auch wenn einer Soldat oder Sohn eines Freigelassenen war", darunter zahlreiche Ausländer, namentlich Spanier und Gallier, die eben erst, nach der Unterwerfung durch Caesar, das Bürgerrecht er- halten hatten und daher kaum Lateinisch konnten und von

') Vgl. z. B. Cic Att XII 49 (Mai 45), wo er entsetzt ist, daß der eifrige Caesarianer M. Cuiüus (Posturous , %. B. Att IX 2a, 8) daran denken kann, Consul »u werden.

*) Sueton 76 decem praetoriis viris consularia ornamenta tri- buit. Dio 43, 47, 8 uoXXo&c 84 xfiil w>s i&icatptöac xo6? « äkoctoxotoc

*) S. meinen Aufsatz Ober AugostuB, Kleine Schrillen S. 475.

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Caesars Monarchie

Koni nichts wußten1). Auch wenig ehrenhaft geltende Gewerbe, wie die Eingeweideschau, standen der Aufnahme nicht im Wege2). Die Zahl der Senatoren wurde so auf neunhundert ge- bracht3), und die Körperschaft in ein geschmeidiges Werkzeug umgewandelt, in dem die Träger der altrömischen Traditionen in der Masse verschwanden; aber dieSchmach empfand man und gab der Empfindung durch Spottgedichte und Maueranschlage Ausdruck4).

Ein weiteres Spezialgesetz, von dem Tribunen L. Cassius, dem Bruder des Caesarmörders, eingebracht, übertrug Caesar das alte Königsrecht der Patricierernennung, von dem er eifrig Gebrauch machte5); unter anderen hat er seinem Großneffen C. Octavius das Patriciat verliehen9). Dies riecht, durch das

') Dio 48, 47, 8 rcpoai« jtau.!cXvjdvl<; ircl rrjv T»pot>3ta/ p.ir)8»v 8t»xptva>v {V^jt* tl ti<; «patta>r*)<; u.-fjt' st ti$ «««Xsoöipoo rcat$ yjv ior^pa^tv, o>ot« xat «vaxoolooc xb xttföXatöv a&td»v Y«vso*at. Sueton 76 civitate donatos, et quosdam e semibarbaris Gallorum, recepü in curiatn. Ein Beispiel ist Decidius Saxa, quem nobis Caesar ex ultima Celtiberia tribunum plebis dedit, Cic. Phil. XI 12. XIII 27. Aus Italien stammt z. B. C. Cur- tiu», der bei Volaterrae ein Gat hatte: hoc autem tempore cum Caesar in senatum legit, quem ordinem ille ista possessione amissa vix tueri polest, weshalb Cic. fam. XIII 5 sich für ihn verwendet. Dem P. Mallius. der Cicero bittet , er möge sich bei Caesar dafür verwenden , daß sein Stiefvater in den Stadtrat von Pompei aufgenommen werde, antwortet er: Romae, si vis, habebit ; Pompeis difflcile est (Macrob. II 3, 11; vgl. auch die Bemerkung zu Laberius II 3, 10 = VII 3, 8).

•) Cicero fam. VI 18, 1, oben S. 426, 2.

*) Dio 43, 47, 8; vgl. Cicero div. II 23 Caesar ist ermordet in fOj?enaf u,g«em maiore ex parte ipse cooptasset, tot centurionibus suis inspectantibus.

*) Sueton Caes. 80 peregrinis in senatum aüectis libeUus pro- positus est: „bonum factum: ne quis senatori novo curiam mon- strare velW. et illa vulgo canebantur:

GaUos Caesar in triumphum ducit, idem in curiam. Galli braccas deposuerunt, lahm clavum sutnpserunt.

») Tac. ann. XI 25 patriciae familiae . . . quas dictaior Caesar lege Cassia et princeps Augüstus legi Saenia sublegere. Sueton Caes. 41 patricios adlegit. Dio 48, 47. 3 noXXoic . . . to&<; t&natpt3a<; . . . sf^atiXt^tv. L. Cassius war im Jahre 44 Tribun, Cic. Phil. III 23.

•) Sueton Aug. 2. Dio 45, 2, 7. Nie. Dam. vit. Caes. 15 incorrect : nach der Rückkehr mit Caesar aus Spanien 3tatptßu»v iv *6X»i ükö rffi ßovX-fj<; (!) at«o8«txvotat »Iva: tä>v «atitxtcuv.

Die angebliche Entartung Caesais

465

für die Monarchie ein neuer Hofadel gebildet wurde, ist bekannt- lich im Jahre 29, als er noch absoluter Herrscher war, auch dem Octavian übertragen worden1) und dann seit Claudius' Censur mit dem Principat verbunden.

So traten die Grundlinien der neuen Monarchie immer deut- licher hervor.

Caesars Ziele. Die absolute Monarchie

Nach einer weitverbreiteten Ansicht wäre Caesar in seinen letzten Jahren entartet: seine Erfolge hatten ihn schwindlig gemacht und ihm den Sinn für die Wirklichkeit getrübt, die wüsten Schmeicheleien, die er, unter dem Scheine, sie abzu- lehnen, dennoch erst recht forderte, hätten ihn vollends ver- dorben, so daß er glaubte, wie er alle Menschen weitaus über- rage, so auch jeder Despotenlaune nachgeben und sich alles er- lauben zu dürfen. Die Krankheiten und Schwindelanfälle, an denen er litt, hätten seine Reizbarkeit und daneben seine Un- bedachtsamkeit und Willensschwäche noch gesteigert. So sei er seiner großen Aufgabe nicht gewachsen gewesen, sondern in immer größere Abhängigkeit von seiner wüsten Umgebung ge- raten, er habe sich planlos von den Dingen treiben lassen und sei, während er sich mit grandiosen, aber phantastischen Ent- würfen trug, in Wirklichkeit nicht mehr fähig gewesen, noch etwas zu leisten.

Dieser Auffassung, die namentüch H. Nissen und 0. E. Schmidt nachdrücklich vertreten haben und die ja vielfach, so bei Nissen selbst, auch das Urteil über Alexander beherrscht1), ent-

•) Mon. anc 2, 1. Dio 52, 42, 5.

*) .Sicher ist,' sagt Nissin, .daß kein Mensch die Sittlichkeit der antiken Welt so tief and so nachhaltig geschadigt hat. wie der Am- monssohn" ; dem entspricht seine Auffassung Caesars, und 0. E. Schmidt. Ciceros Briefwechsel 66 f. stimmt dem zu. Auch Ober Bismarck kann man ja nicht selten dasselbe Urteil hören ich erinnere nur an da« Zerrbild , das Haus Delbrück von seiner letzten Zeit entworfen hat und leidenschaftlich verficht ; und Cromwell. Napoleon und andere Große teilen sein Schicksal. Mommsek sprach über Bismarck genau wie Nissim Uber Alexander.

Meyer, Caesars Monarchie 30

406

Caesars Monarchie

spricht im wesentlichen das Bild, das Shakespeare von Caesar gezeichnet hat, eine der großartigsten Schöpfungen seines Genius und hier, bei dem psychologischen Problem, hat der Dichter, der sich ganz in die Welt der Biographien hineingelebt hat, vollen Anspruch, gehört zu werden. Er zeichnet Caesar als einen inner- lich angefressenen, an maßloser Uberhebung rettungslos er- krankten Gewaltherrscher, der sich für ein übermenschliches, göttergleiches Wesen hält, wahrend er von körperlichen Ge- brechen aller Art heimgesucht ist, der glaubt, über alle Schmeichelei erhaben zu sein, und dem Schmeichler, der das ausnutzt, erst recht anheimfällt, der prahlt, unerschütterlich und der Furcht unzugänglich zu sein, und sich und den andern vor- täuschen möchte, daß er sich durch schlimme Vorzeichen nicht bestimmen läßt, sondern nur tut, was sie fordern, weil er es so will, der nicht wagt, die Hände nach dem Diadem, das er be- gehrt, auszustrecken, sondern in kläglicher Weise um die Volks- gunst buhlt, und als das mißlungen ist, verschüchtert und mürrisch zurückkehrt und bekennt, daß er Leute wie Cassius fürchten würde, wenn er überhaupt Furcht kennte1).

') Ein genialer Zog, der zeigt, wie bewußt Shakespeare sein Bild gestaltet hat, ist, daß er Caesar» körperliche Gebrechen nicht nur stark betont, sondern durch Hinzufügung der Taubheit auf dem linken Ohr noch gesteigert hat ; davon berichtet die Überlieferung nichts, höchstens daß Plut Caes. 17 r»jv wfaXty voom&yi« einen Anhalt bot. Daß Caesar bei ihm mit Vorliebe von sich in der dritten Person redet, ist wohl aus seiner Kenntnis der Schriften Caesars entnommen . aber gleichfalls sehr cha- rakteristisch verwendet: Caesar sucht dadurch sich selbst gewissermaßen zu objektivieren, er staunt sich selbst als ein höheres Wesen an. Wie »ehr sich Shakespeare in diese Zeit eingelebt hat, erkennt man erst recht, wenn man damit vergleicht, wie völlig fremd ihm im Timon die griechische Welt geblieben ist, obwohl er hier Plutarchs Alkibiades be- nutzt hat. Caesars körperliches Leiden ist in seinen letzten Jahren gewachsen, Sueton 45: tempore extremo repente animo Linqui atque etiam per somnum exterreri solebat; comiHali qttoque morbo bis inier res agendas correptus est. Nach Nie. Dam. 28 wollten ihn die Ärzte am 15. Marz nicht in den Senat lassen ttä vfoov oxotui&ir) txastote oojxßatvoooav akxy xat tote spooiwaoBaav ; vgl. Sueton 81 ob infirmam valetudinetn diu cunetatus. Appian II 110, 459 zahlt unter den Granden,

Caesar bei Shakespeare

467

Wir besitzen eine Äußerung Caesars, die für diese Auf- fassung spricht, die Rede, die er nach dem Siege von Munda in Hispalis an die Spanier gehalten und die der biedere Ver- fasser des bellum Hispaniense offenbar inhaltlich getreu auf- gezeichnet hat: er hält den Spaniern seine Verdienste um sie und ihre immer erneuten Aufstande und Verbrechen vor. „Und in diesem Kriege glaubtet ihr den Sieg davontragen zu können? Wußtet ihr denn garnicht, daß auch wenn ich unterging, das römische Volk Legionen hat, die nicht nur euch Widerstand leisten, sondern sogar das Himmelsgewölbe zertrümmern können?"1) Das ist in der Tat dieselbe Denkweise, die Shake- speare in den letzten Worten Caesars bei Abweisung des Bitt- gesuchs der Verschworenen mit gewaltigster Wirkung zum Aus- druck kommen läßt. Und wohl können wir begreifen, daß Caesar nach seinen unerhörten Erfolgen von solchen Stimmungen er- faßt wurde. Hatte er doch erreicht, was nie weder vor ihm noch nach ihm einem Menschen beschieden war: nach fünf, be- reits durch einen längeren Friedenszustand unterbrochenen Kriegsjahren lag die ganze Welt willenlos zu seinen Füßen, es gab niemanden mehr, der ihm noch hätte Widerstand leisten können'). Auch Napoleon hat niemals auch nur einen Moment die gesicherte Machtstellung besessen, die Caesar dauernd ein-

weehalb er gegen die Geten und Parther ziehen will, auf tttt voo-rjfia toö oiojiato; d*paiu6u»v, SKtXfj'itav xal csacjiiv al<pvl8tov tjut'.TtTOvta a6rq> fiöXiota xatä ti{ ip^t«?.

') bell, ffisp. 42, 7: in quo vos viciores existimabatis? an me de- leto non animadvertebatis habere legiones populum Romanum, quae non soluni vobis obsistere, sed etiam caelum diniere possent? qua- rum laudibus et virtuie . . . Damit bricht das Erhaltene unglücklicher weise ab. Sueton 55 erwähnt zwei Reden, die Caesar vor der Schlacht an die Soldaten gehalten haben soll (apud milites in Hispania) , die aber Augustus kaum für echt hielt.

*) Der flüchtig im Gebiet der Laeetaner (Dio 45, 10, mit der oft vorkommenden Verschreibung in Aaxr^avLa; Strabo III 4, 10, wo sie weiter in 'laxx-rriavol entstellt sind; Florus II 13, 87 nennt statt dessen Celtiberia) zwischen Ebro und Pyrenaeen umherirrende Sextus Poni- pejus und Caecilius Bassus in Syrien kamen ernstlich wirklich nicht in Betracht.

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Caesars Monarchie

nahm; und ebensowenig kann ihm Alexander verglichen werden, der im jugendlichen Alter, im Grunde noch am Anfang seiner Laufbahn, hinweggerafft wurde mitten aus den großartigsten, durchaus ideal gedachten Aufgaben einer sich in der Vollkraft der Jugend fühlenden Welt. An Ideale glaubte auch Octavian, als nach der Einnahme Alexandrias sein Wille die Welt be- herrschte: er hat ein langes Leben hingebend der Aufgabe ge- gewidmet, sie zu verwirklichen, und sie durchgeführt, indem er der gealterten Welt die Verfassung des Principats gab und die römische Nation in der Muße des Friedens zu neuem Leben er- weckte und zur Bewahrung der herrschenden Stellung fähig machte. Aber Caesar glaubte nicht an Ideale, oder wenn er es einmal getan haben sollte, so waren sie ihm längst vor der harten Wirklichkeit in nichts zerstoben: der Kampf, den er geführt hatte, war wie der Napoleons ein Kampf um die persönliche Macht- stellung, um die Gewinnung des Raums für die umf aasende Be- tätigung seiner Herrsch ergaben. Ein höheres Ziel, bei dem der h andelndc Mensch als Werkzeug in der Idee aufgeht und vor ihr ver- schwindet, stand nicht dahinter, mochte es nun in mystischen reli- giösen Ideen halb unbewußt wirken, wie bei Cromwell, oder lebendig befruchtend vor der Seele stehn, wie bei Alexander und beiBismarck.

In der Tat gab es für Caesar, bei seiner Denkweise, keine andre Wahl: er hatte die Macht und mußte sie festhalten. Der Vollender und Typus des Römertums, ab der er so oft aufgefaßt wird, ist er keineswegs; vielmehr war er nach allen Richtungen darüber hinausgewachsen, und steht Rom innerlich jetzt so fremd gegenüber, wie nur Napoleon sowohl seiner heimischen Nationalität wie seinem Adoptivvater lande. Aber er wußte auch, daß er damit den Boden des Rechts in noch ganz andrer Weise verließ, als bisher schon, und hat das offen ausgesprochen. Cicero bezeugt uns, daß er die Worte des Eteokles in Euripidea' Phoenissen ständig im Munde führte: „Wenn es gilt, Unrecht zu tun, so ist es am ruhmvollsten um des Königtums willen; in allem andern muß man die göttlichen Gebote achten"1). Zu-

') Cicero de off. III 82 (daraas Sueton Caes. 30); vgl. I 26 teme- rita8 C. Caesaris, qui omnia iura divina et humana perveriil

Caesar» Auffassung and Ziele

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gleich jedoch wußte er, was dem Staat bevorstand, wenn er ihn nicht fest in der Hand behalten würde: „Nicht sowohl sein eigenes Interesse sei es," sagte er, „sondern das des Staats, daß er erhalten bleibe; er habe schon lange Macht und Ruhm im Überfluß gewonnen ; aber wenn ihm etwas zustoße, werde der Friede im Staat nicht mehr besteh n und die Bürgerkriege unter wesentlich schlimmeren Bedingungen wieder ausbrechen"1).

Man begreift wohl, daß er übersättigt war. Aber zur Ent- artung und etwa zu blasierter Genußsucht hat diese Stimmung nicht geführt, sei es auch nur zu dem Streben, die unumschränkte Herrschermacht voll auszukosten. Vielmehr hat er sich die staunenswerte Elastizität seines Geistes erhalten, und auch das lebendige Interesse für alles, was an ihn herantrat. Es offenbart sich ebensowohl in seiner allumfassenden Tätigkeit wie in seinen schlagfertigen und geistvollen Äußerungen und hat ohne Zweifel den Schriften gegen Cato so wenig gefehlt, wie dem, im übrigen mit sehr bewußter politischer Berechnung und ganz unbedenklicher Entstellung der Tatsachen geschriebenen Werk über den Bürgerkrieg, das er in den letzten Monaten seines Lebens geschrieben haben wird2) und unvollendet hinterließ.

propter eum, quem sibi opinionis errore finxerat, principatum. Den Versen der Phoenissen (524 f.) stirap 70p äiixs-.y xp*f). topawtöoc nfyn xa/.- Xtotov a&iutv, t£XXa &' eootßttv ^piwv unmittelbar voran geht v. 520 5p- Xtiv «apov u.oi, tö»8» (dem Bruder) 8ooX.«üou> sott;

') Sueton 86, oben S. 404 A. Livius urteilte Aber Caesar in incerto esse , utrum illum magis nasci reipublicae profuerit an non nasci (Seneca nat. quaest. V 18). Ganz hübsch wird Caesars Tätigkeit bei Orosius VI 17, 1, natürlich nach Livius. in den Satz zusammengefaßt, er sei ermordet worden, dum reipublicae statttm contra exempla maiorum dementer instaurat.

*) Eine Angabe über die Abfassungszeit des bellum civile besitzen wir nicht; aber vor dem Ende des spanischen Feldzugs wird Caesar schwerlich die Zeit dafür gehabt haben, so schnell und leicht er ar- beitete (Hirtius bell. Gall. VIII 1, 6). Die Arbeit ist durch den Tod abgebrochen worden, der unglückliche Krieg in Illyrien im J. 49, das Seitenstück zu Curios Peldzug in Africa, ist im zweiten Buch, in das er hatte eingefügt werden müssen, nicht mehr zur Darstellung gelangt; für die Portsetzung lagen nur die Rohmaterialien vor, die für das

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Caesars Monarchie

Aber gerade darin zeigt sich am deutlichsten der adlige Kern, der unverwüstlich in ihm steckte, daß er die gesättigte Stimmung lebendig und schwer empfand und unverhüllt aussprach. Ihm hatte das Leben alles gewährt, was es von Herrlichem zu bieten vermag; aber er hatte es als schal erfunden, der Preis lohnte die Mühe nicht, die es gekostet hatte, ihn zu erringen. Wie er schon im Jahre 46 ausgesprochen hatte, er habe genug gelebt, und alle Mittel zur persönlichen Sicherung verschmähte, so lehnte er Anfang 44 nicht nur das Anerbieten des Senats ab, ihm eine Leibwache aus Senatoren und Rittern zu bilden, sondern auch daa seiner Anhänger, seinen Schutz zu übernehmen1); vielmehr entließ er die Garde aus spanischen Cohorten, die bis dahin zu seiner Bewachung diente4): er wolle, sagte er, nicht in ewiger Furcht leben3). Eben so ablehnend verhielt er sich bei Anzeigen

bellum Alexandriii um in Überarbeitung, für die beiden anderen Kriege in ihrer ursprünglichen Gestalt in das Corpus der Geschichte seiner Feldzüge aufgenommen sind; vgl. Sueton Caes. 56.

l) Dio 44, 6, 1 fpoopö tt ix twv twxituv xol ix tu»v ßooXcotöv iiö^. Plut. Caes. 57 röv il <ptXtov a£tooytu>v aotov 8opo<popitodtK xal xoXXäv ixt to&to xapt^ovtutv (antobe 06^ üxiiutvtv. Nie. Dam. 22 fin.

*) Sueton Caes. 86 sunt qui putent, conflsum man novissimo Wo senatus consulto ac iure iurando etiam custodias Hispanorum cum gladiis adinspectantium se removisse = Dio 44. 7, 4 to& Katcapo« . . . *ap<rr)oa«oc <»<; o&x 5v Ttots o5&' ux' ixeiviuv [dem Senat] toiot&rd -rt tyr^- Copivu>v otjy 6x' &'kkoti tivöc &t' ahxobz extßooXtolhjoofttvov xax toötoo obbk owpaTOf 6Xa£iv ftt xp-noapivoo' tä> fip 8yj X6y«|> *P^S tK T<*'v ßoo^otüv xal xpö? td»v Ixttxtov tYjptlofta: xpotpievoc xal t4jv ix toö xplv «ppoopäv xpoo- xottXaotv. 45, 15. 2. bei s. Ermordung, xahap u,Y]8i)u$ ftt ypoop? ypm- pivoo. Appian II 107, 444 oirrtp*: V öoai oTparnjtÄ«? a&xöv ix tä>v «oXi- pov ?ti t3ü>jiaTO»üX.axoov, dxiarr] t?j< <poXux-?)s xal fttta tvjs &Y)fioola< 6xtj- ptoia; ixgyat'vtto jiövo^. Cic. I*hil. V 17 nnus M. Antonius in hoc urbe post conditam urbem palam secum habuü armatos, was weder die Könige noch die Usurpatoren Cinna, Sulla, Caesar getan haben; non possum adfirmare nuüis telis eos stipaios fuisse; Jioc dico: nec multi8 ei occuUis.

*) Appian II 109, 455 xu&ouivwv 2' ixttvotv (t£v tplXoov), coy^mpti xdXtv abxbv ou>pjato<poXaxtIv ta^ 'Ißfjptxä^ axetpac. 'o&iiv atuys^Tspov' f^tj 'SiirjvrxoB? «foXoxfj?' sott füp att 8*016x05' = Plut. Caes. 57 (oben Anm. 1), tixdiv <i>c ßiXxiov iottv axo£ äxodavttv a»t xpoo8oxav. Sueton Caes. 86

Ablehnung der Schutemaßregeln

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von Verschwörungen und verdächtigen Äußerungen1). Den klugen Rat des Pausa und Hirtius zu befolgen, er müsse die Herrecherstellung , die er durch Waffengewalt gewonnen habe, durch Waffengewalt behaupten*), also sich mit militärischen Schutzmaßregeln umgeben, widersprach seinem Naturell. Be- kannt ist, daß er sich einen raschen und unerwarteten Tod wünschte8), und nicht unbegründet ist Suetons Angabe: „Manche der Seinen haben nach seinem Tode den Verdacht geschöpft, er habe nicht langer leben wollen und es sei ihm gleichgültig ge- wesen, daß seine Gesundheit nicht mehr fest war, und daher habe er auch die warnenden Vorzeichen und die Meldungen seiner Freunde vernachlässigt"4).

Aber so lange er lebte, mußte er tätig sein und schaffen. So hat er sich mit rastloser Energie dem weiteren Ausbau des Staats zugewandt. Wie in der Gesetzgebung des vorigen Jahre« verfuhr er auch hier, im Gegensatz zu der bedächtigen, lange und sorg- sam abwägenden Weise seines Großneffen8), mit derselben, auf

alii e diverao opinantur, msidias undique imminentis subire semei quam cavere (maluisse). Anders and noch ruhmvoller gefaßt bei Vel- iejns II 57: ille diciitans mori se quam timeri matte, dum cJemen- tiam quam praestiierat exspectat . . .

') Sneton Caes. 75, s. oben S. 403, 2. Dio 44, 15, 2, die Verschwö- rung wäre beinahe verraten worden, xattoi toö Kotoapo« fi-Jj« \6fov «vi «tpi totoötoo Ttvi<; KpooStjopivoo xai navo .axopüx; toö<; iaa7Y*XXovrds ti ToiootoTpojtov «oXaCovtoc. Versuch eines Sklaven, ihn zu vergiften, den er nur simplici morie bestraft: Sueton 74.

*) Vellejus II 57 laudandum experienHa consilium est Pansae aique Rirtii, qui Semper praedixerant Caesari, ut principatum arm 18 quaesitum armis teneret.

') Sueton 87. Plut. Caes. 68 = App. II 115, 479, bei einem Diner bei Lepidus am Abend vor («einer Ermordung.

*) Sueton 8t» suspicionem Caesar quibttsdam suorum reHquü, neque voluisse se düitius vicere neque curasse quod vaieiudine minus prospera uiereiur cet

*) Eb ist su beachten, daß die Zeit, in der Octavian als absoluter Herrseber an der Spitze des Römerreichs stand, von der Einnahme Ale xandrias am 1. August 30 oder vielmehr schon vom Sommer 32 an bis «uro 13. Januar 27, länger ist als die gesamte Regierungszeit Caesars;

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Caesars Monarchie

dem Gebiet der inneren Politik als Überstürzung erscheinenden Eile, die er im Felde betätigt hatte und der er seine Siege ver- dankt«. Aber der oft erhobene Vorwurf, er habe nur nach den Bedürfnissen des Moments gehandelt und keinen organischen Bau aufgeführt, und darum auch nichts Bleibendes geschaffen, trifft ihn in keiner Weise1); vielmehr stand die Gestaltung, die er dem Staat geben wollte, vollkommen klar vor seinen Augen, und er hat sie vollständig konsequent in dem Umfang durchgeführt, in dem es in dem kurzen ihm noch beschied enen Zeitraum über- haupt irgend möglich war. Der Neubau war in allem Wesent- lichen fertig, als er ermordet wurde; ihn dauerhaft zu machen, so daß die Menschen ihn als gegeben und unabänderlich hin- nahmen und sich in ihn einlebten, fehlte nur die Zeit, und die hat ihm der Dolch der Republikaner geraubt. Jener Vorwurf ist denn auch im Grunde lediglich ein mißverständlicher Aus- druck für die Tatsache, daß in einer absoluten Monarchie wohl ausführende Gesetze und Verwaltungsmaßregeln möglich sind, tlaß aber eine Verfassung ihrem Begriff widerspricht und daher wohl von Sulla und Augustus, aber nicht von Caesar gegeben werden konnte.

Die Welteroberung

Die Monarchie Caesars ist ihrer Idee nach die Wiederauf- nahme und volle Durchführung der Weltmonarchie Alexanders: die Welteroberung, im vollsten Sinne des Worts, ist ihre Voraus- setzung und ihre Rechtfertigung. Sie ist zugleich das Ziel, auf das nicht sowohl die Entwicklung der römischen Macht, als viel- mehr die gesamte Kulturentwicklung der antiken Welt seit Jahr- hunderten hingedrängt hatte und die doch nie zur Wirklichkeit geworden war. Wie die Entwicklung des Orients in dem großen

nnd dabei waren diese Jahre für Octavian nur die Vorbereitungszeit für die Inangriffnahme seines eigentlichen Lebenswerks.

') S. oben 8. 821 ff. Nach dieser Seite ist Mommssns Darstellung ▼öllig im Rechte, so sehr sie sonst in der Gesamtanffassung in die Irre geht.

Der Gedanke der Welteroberung

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Kulturstaat der Achämeniden, dem „Königtum der Länder", ihren Abschluß gefunden hatte, so erschien die Erhebung der griechischen Kultur zur Weltkultur und der Zusammenschluß der ganzen Oikumene unter ihrer Herrschaft zur Einheit eines universellen Kulturstaats als der naturgemäße Abschluß der griechischen Entwicklung. Rom aber und Italien war mit vollem Bewußtsein in diese Kultur eingetreten und wäre ganz in sie aufgegangen, wenn Augustus nicht gerade hier entscheidend ein- gegriffen und dem zwar hellenisierten, aber doch seiner selb- ständigen Eigenart sich bewußten Römertum noch einmal Raum verschafft hätte. Inzwischen aber waren weite Gebiete, die im Jahre 168 tatsächlich der Suprematie Roms unterstellt waren, durch die Schuld des republikanischen Mißregiments seiner Ober- leitung entzogen worden und damit zugleich der hellenistisch- abendländischen Kultur verloren gegangen; die orientalische Re- aktion hatte eingesetzt und alles Land östlich vom Euphrat von der Mittelmeerwelt losgerissen, ja sie hatte mächtig nach Syrien, Palästina, Aegypten, sogar weithin in Kleinasien um sich ge- griffen. Die erste ernstliche Gegenwirkung hatte, nach dem Scheitern des Lucullus, Pompejus durchgeführt, und wenigstens das westliche Asien geordnet und der römischen Herrschaft unterstellt. In derselben Weise hatte Caesar im Westen Gallien bis an den Rhein dem Römertum und der Kultur gewonnen, während andre Unternehmungen, wie die der Statthalter Make- doniens in Thrakien, nicht zum Ziele geführt, die des Crassus mit einer schimpflichen Niederlage geendet hatte. Auch im Westen freilich war die römische Herrschaft überall noch nicht zum Abschluß gekommen, in Spanien, in den Alpenländern und Tllyrien waren noch überall weite Gebiete unbotmäßig, Caesars Unternehmungen gegen Britannien und die Germauen waren resultatlos ausgegangen; aber das waren Aufgaben, deren Lösung Caesar unbedenklich der Zukunft überlassen konnte, wo sie bei der Organisation, die er dem Reich und dem Heerwesen geben wollte, ohne große Anstrengung durchgeführt werden konnten nur die weitere Unterwerfung Ulyriens, das Caesar als gesonderte Provinz konstituierte, hat unter seinem Regiment der Statthalter

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Caesar* Monarchie

Vatinius (cos. 47) seit 46 in Angriff genommen. Weit wichtiger war zunächst die endliche Ordnung der ganz verfahrenen Ver- hältnisse auf dem Rumpf der Balkanhalbinsel, dem Hinterland Makedoniens bis zur Donau, und die Zurückdrängung der Grete» und Daker, die im Norden derselben unter König Byrebistas ein mächtiges, nach allen Seiten um sich greifendes Reich gebildet hatten; sodann aber der Rachekrieg gegen die Parther und die Wiedergewinnung der Osthälfte des Reichs Alexanders mit seinen zahllosen, unter den Seleukiden mächtig aufblühenden, jetzt aber dem Verfall überantworteten Griechen Städten für die Mittelmeer- welt und die abendländische Kultur. Diese großen Unterneh- mungen durchzuführen war in der Tat eine Aufgabe, die eine zielbewußte Verwendung der Gesamtkräfte des Reichs unter genialer Leitung erforderte und Caesars würdig war. So hat er schon gleich nach dem Siege bei Munda zu erkennen gegeben, daß er nach dem Abschluß der Neuordnung des Staats in den Partherkrieg ziehen wolle1). Die Volksstimmung kam dem durchaus entgegen, wie sie ja später das gleiche auch von Octavian erwartete: jetzt oder nie war die Gelegenheit, die Schmach von Karrhae zu rächen. So wurde zu Anfang des Jahres 44 der Partherkrieg einmütig beschlossen und die dafür erforderlichen Mittel bewilligt2).

Die Vorbereitungen traf Caesar mit der gewohnten Umsicht und Sorgfalt*). Von dem Kriegsschauplatz verschaffte er sich

') Cic. Att. XIII 27. 31 , 8, vgl. oben S. 440 t. Nach der Leichen- rede des Antonius bei Dio 45, 46. 3 wollte Caesar schon nach dem Sieg über Poropejus und Pharnakes gegen die Parther wehn, wenn der afri- kanische Krieg nicht dazwischen gekommen wäre; ebenso Appian III 77, 312, nach dem Caesar deshalb die Legion, die sich unter Caecilios Kas8ii8 empörte, in Syrien gelassen hatte.

aj Dio 48, 51 Kpfltftovtoc 84 a&toö ta&t« emd-opia tt säet coi( 'Pi»- paloic öpotu>c iovjXfc tipiopfjoai t<j» tt Kpdoo<|> xal tote o&v aottp f&apttat, nai iXirl«; tot«, etiwp itott, to?><; fldpfoo«; xataatpi<}«io&«w. tdv tt oov «6Xa- pov tä> Kataav. öpo&opa86v jtjnrjftoavto xai rrjv «apaox« crr)v a&too «oXX-bv »jtoioövto.

') Vgl. Sueton 58 wt obeundis expedüionibus dubütm caulior an audentior.

Vorbereitung de« Kriegs gegen Geten und Parther 475

ein klares Bild, die Grundzüge des Feldzugsplans wurden genau festgelegt, drei Jahre dafür in Aussicht genommen1). Zunächst sollten die Geten und Daker besiegt und jedenfalls über die Donau zurückgeworfen werden, dann wollte er von Kleinarmenien aus, also gedeckt durch das Gebirge, nicht wie Crassus durch die mesopotamische Steppe, wo die Legionen dem Angriff der parthischen berittenen Schützen ausgesetzt waren, in das Parther- reich einbrechen, und hier eine Feldschlacht vermeiden, bis er selbst und seine Truppen ihre Kampfweise kennen gelernt hätten1). Den Abschluß mochte dann ein Zug durch die Kaukasuspasse, bis zu denen Pompejus vorgedrungen war, längs des Kaspischen Meeres, das damals bekanntlich für eine Bucht des nordischen Ozeans galt, in die Steppen Osteuropas bilden, der ihn in den Rücken der Germanen geführt und auch deren Unterwerfung ermöglicht hätte; alsdann „wäre das römische Weltreich rings vom Ozean" und im Süden von der afrikanischen Wüste „umschlossen"*).

») Dio 48, 51, 2.

*) ßueton 44: Caesar plant«. Dacos, qui se in Ponium et Tkra- ciam effüderant, coercere, mox Parthis inferre bellum per Arne- niam minorem, nee nisi ante expertos adgredi proelio. Vgl. Kromayer, Hermes 31. 81, der zeigt, daß Antonius bei seinem Partherkrieg Caesars Plan befolgt hat. Über den Getenkrieg b. Strabo. VII 3, 5 Bopipwta*; -rjpxi tiLv rWv (vgl. Dittexbergkr, Sylloge 342, 8. Aufl. 762), «<p' 8v teapsoxtudaato Kalaap ö atpawönv,

vgl. S 11. Appian civ. III 25, 93. Krwßhnt werden die geplanten Kriege auch Appian civ. II 110. 4 -»9. lllyr. 13. Sneton Aug. 7. Vellejus II 59.

») Plut. Caes. 58: Nach Besiegung der Parther plante Caesar rcapa rvjv Kaoftiav ddXaooav xai tiv Kauxaaov txtHpitXd'Ovtt töv Ilövtov «5 t-rjv Xxt>8i«7]v ifißaXttv, xal td mpi^topa Tappiavot^ xat Tcpfiavtav a6r)jv swi- cpuijLÖyri 3tä KsXtüv ixavtXdttv tl$ MtaXfav , xat juvd'{<ai töv xöxXov roötov ttjc 4ji«u.ovüx^ T(j> iravTa^öd-sv 'Uxtavdi iceptopto&ttoir^. Ahnlich Nie. Dam. 26 itavooouivoo »Xaovstv npb$ fui int ta üdpikay dpysta xal 'Jv&töv, u><; dv xaxtiv»v üxfpwSujv ftvo\iivu>y tl$ ftiav dpx*»lv xs<paXatu>&si-<i fJjC *do?|<; xal daXdtrfj^ xa xpdrf). Wie weit diese Plane sich hätten ausführen lassen, ist eine andere Frage, wie bei Alexander; aber Caesars Gedanken gibt dieser Bericht gewiß richtig wieder.

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Caesars Monarchie

Für diese Kriege hatte Caesar ein Heer von 16 Legionen mit 10000 Reitern bestimmt1), also rund 100 000 Mann. Sechs dieser Legionen, nebst den zugehörigen leichten Truppen und dem Troß, schickte er noch im Winter über das Adriatische Meer nach Apollonia2); die Gelder für den Partherkrieg wurden nach Asien gesandt*). Andre Legionen, so die legio V. Alaudae, waren auf dem Marsch in Italien begriffen und sollten den Feldherrn selbst begleiten4). Für den Getenkrieg erschien offenbar schon eine geringere Truppenzahl ausreichend5); die volle Stärke von 16 Legionen sollte dann durch Heranziehung der 6 Legionen aus Syrien, Cilicien und Bithynien erreicht werden, die zunächst zur Niederwerfung des Aufstands des Caecilius Bassus in Syrien bestimmt waren, der sich mit seinen Truppen in die Stadt Apamea geworfen hatte6).

Diese Feldarmee umfaßte zugleich die Besatzungen der asiatischen Provinzen und Makedoniens. Der Gesamtbestand der unter Caesars Oberbefehl stehenden Truppen war natürlich viel großer, da nur die völlig befriedeten Provinzen Sicilia, Achaia, Asia, Africa, Cyrene, Creta keine stehende Besatzung

') Appian II 110, 460. Angaben Ober die Starke der Legionen fehlen leider ganz.

*) Appian III 24, 92; vgl. Dio 45. 9, S. Nie. Dam. Caes. 16. ') Nie. Dam. 20.

*) Cic. Phil. I 20. ad Att. XVI S, 2 u. a. Eine andere Legion lag am 15. Marz auf der Tiberinsel unter dem Kommando des mag. eq. Lepidus (Appian II 118, 496, vgl. Dio 44, 19, 2); auch diese war wohl für Caesars Armee, nicht etwa für Lepidus' Provinzen bestimmt.

') Daß die Truppenmacht des Dakerreichs unter Byrebistas auf 200000 Mann geschlitzt wird, steht dem nicht im Wege, sondern ent- spricht durchaus dem von Caesar gegebenen Zahlenverhältnis in den gallischen Kriegen. Als dann, um die Zeit von Caesars Ermordung, Byrebistas gestürzt wurde und sein Reich zusammenbrach . schrumpfte die Zahl des Aufgebots auf 40000 Mann zusammen (Strnbo VII 3, 12. 13).

•) Appian III 77 f. = IV 58. Cassius an Cicero fam. XII 11. Bassus hatte zu der Legion, die sieh mit ihm empört hatte, noch eine zweite ausgehoben.

Caesar* Armee

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erforderten, während sie in den übrigen und vor allem im Weeteti überall zur Aufrechterhaltung der römischen Herrschaft unent- behrlich war. Auch hierin ist Caesar weit über das Maß der Republik hinausgegangen und hat an Stelle des Zufalls und Schwankens, die damals auch in diesen Dingen herrschten, eine feste Ordnung gesetzt, die sich aus den im Bürgerkriege zunächst zur Sicherung der eroberten Gebiete ergriffenen Maßregeln er- gab. Diesem Zweck dienten in erster Linie die äußerst um- fangreichen Aushebungen, welche er damals ununterbrochen vor- nahm1), während er den Krieg gegen Pompejus bekanntlich fast ausschließlich mit den erprobten Veteranenlegionen geführt hat; im afrikanischen Krieg mußte er dann zur Hälfte, im spanischen in noch größerem Umfang neugebildete Truppen verwenden eben darum wäre er bei Munda beinahe den Feinden erlegen. Im Jahre 44 standen in den beiden Spanien 4 Legionen, in Qallia Narbonensis und Comata 5, in der Cisalpina 2, von denen eine im Jahre 45 neu ausgehoben war*), in Blyricum 4, in Africa nova (Numidien) 3, ferner ursprünglich 3, später 4 in Aegypten als Besatzung zur Sicherung der Herrschaft der Kleopatra»), und wahrscheinlich eine in Sardinien*). Das ergibt zusammen mit

') So ließ er in Spanien vier Legionen zurück, zwei von Varro über- nommene pompejanische and zwei kurz vorher in Italien neu ausge- hobene (bell. civ. II 21, 4. Alex. 53, 5). Nach Masailia legte er zwei Legionen (civ. II 22, 6). Dazu kam dann der Ersatz für die aus Gallien fortgezogenen Veteranenlegionen, usw.

«) Planen* an Cicero X 24, 8.

») Sueton Caes. 76. bell. Alex. 38, 8. Appian III 78, 818 = IV 59, 256. Gamms an Cicero XII 11. 12.

4) Caesar civ. I 80, 2. Mit Recht folgert Domaszevvski (s. S. 478, 1) 8. 177 aus den Worten des D. Brutus (3. Juni 48) ad fam. XI 26 de- liberant (im Senat), uirum traidant legiones ex Africa necne ei ex Sardinia, daß damals auch auf Sardinien mindestens eine Legion stand. Dagegen nimmt er mit Unrecht an, daß auch in Africa vetus, wo im Jahre 44 Cornificius Statthalter war, eine Legion gestanden habe; diese Provinz hatte offenbar so wenig Besatzung wie Achaia und Asia, son- dern ihren Schutz übernahmen die drei Legionen in Numidien (Appian III 85, 851). In Cicero« Korrespondenz mit Cornificius (fam. XII 28. 2. 80, 4. 6). den er im Jahre 48 auf seiten des Senats festhielt, ist denn

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den 16 Legionen der Feldarmee einen Bestand von 38 oder 39 Legionen1), also einschließlich der Legionsreiterei nahezu eine Viertelnüllion. Dazu kommen dann die leichten, aus den Unter- tanen genommenen Truppen, der Troß, und die Mannschaft der Flotte. Um aber die militärischen Leistungen dieser Zeit voll zu würdigen, sind, außer den sechs in Afrika und Dlyrien im Jahre 49 zugrunde gegangenen Legionen, noch die neun Veteranenlegionen aus dem gallischen Kriege hinzuzurechnen, die nach Beendigung des Bürgerkriegs aufgelöst und mit Landbesitz ausgestattet wurden8), und die Massen der sonst entlassenen Veteranen. Bei Caesars Tode wimmelte ganz Italien von diesen Veteranen, deren Besorgnis um das ihnen zugewiesene Land ein Hauptferment der Gärung der folgenden Monate bildete; aus ihnen hat dann Octavian im Oktober 44 die Truppen ange- worben, mit denen er die Insurrektion gegen den Consul Antonius unternahm.

auch nie von unter ihm Btehenden Legionen die Rede, sondern nur von der Beschaffung von Geldmitteln, die er zur Bildung von Truppen, ofl'enbar aus den in der Provinz ansässigen Bürgern (und Nichtbürgern), verwendet hatte und verwenden wollte (de sumptu, quem te in rem mititarem facere et fecisse dicis, nihil sane possum tibi opitulari 80, 4. Nach einem Senatsbeschluß vom Juni 48 sollte ihm T. Seztius. der von Caesar eingesetzte Statthalter von Africa nova, eine Legion übergeben, App. III 85, 851, vgl. Ganter, Provinzial Verwaltung der Triumvirn S. 15 f.); mit diesen Truppen hat er sich dann gegen T. Sextius zur Wehr gesetzt (Appian IV 58 ff. Dio 48, 21 f., vgl. c. 17, 6 u. a.>.

') Die Entwicklung der Armee Caesars und ihren Bestand bei seinem Tode haben Möhnsen, Das Militärsystem Caesars, Hist. Z. 38, 1877 Ges. Sehr. IV 156 ff. und, im einzelnen mehrfach zutreffender, v. Domaszewsm. Die Heere der Bürgerkriege in den Jahren 49 bis 42, Neue Heidelberger Jahrb. IV 1894, 157 ff. zu ermitteln gesucht; vgl. auch Grokbe bei Drumajin III * 702 ff. Für die Zeit von Caesars Tode kommt Mommsen auf 82, Don A8ZBW8KI auf 37 Legionen ; volle Sicherheit ist nicht zu erreichen.

*) Domaszewsei S. 165 f. 175 f. , sowie Tierbilder der Signa, Arch. epigr. Mitt. XV 184 ff. Die von Pompejus aus Italien gezogenen und weiter in den Provinzen gebildeten Legionen kommen dagegen hier im wesentlichen nur dnreh ihre allerdings recht beträchtlichen Verluste in Betracht, da Caesar die besiegten Mannschaften größtenteils in sein Heer eingestellt hat.

Caesars Armee. Einstellung von Nichtbürgern

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Die militärischen Anforderungen, welche durch diese Truppen - zahl dauernd gestellt waren, gingen weit über das Maß dessen hinaus, was die Bevölkerung Italiens aufbringen konnte. Der Census von 69 hatte 910 000 erwachsene Bürger ergeben. Seit- dem waren allerdings die Transpadaner hinzugekommen; aber diese waren bereits von Caesar für die gallischen Kriege und dann für die Aushebungen der Jahre 50 und 49 aufs stärkste in Anspruch genommen1), und ihnen steht gegenüber, daß die Be- völkerungsvermehrung im übrigen Italien langst zum Stillstand gekommen und rückläufig geworden war, soweit die Bürgerrechts- verleihungen und die massenhaften Freilassungen nicht die Lücken ausfüllten*), und daß die Massen des hauptstädtischen Proletariats militärisch nicht verwendbar waren. Auf mehr als rund eine Million erwachsener Männer, vom vollendeten sieb- zehnten Jahr an, werden wir daher die bürgerliche Bevölkerung Italiens in der Zeit Caesars keinesfalls ansetzen dürfen. In der Notlage eines Kampfes um die Existenz, wie in der Zeit Hannibals oder wie gegenwärtig in Deutschland, mag ein Volk wohl ein Viertel der erwachsenen Männer, ja noch mehr, zwei Fünftel bis zur Hälfte, jahrelang ins Feld stellen»); aber auf die Dauer, als stehender Einrichtung, kann kein Volk einer derartigen An- forderung genügen, wenn es nicht physisch und wirtschaftlich zugrunde gehn soll4).

Somit ergibt sich, daß Caesar für seine Armee die untertänige, nicht römische Bevölkerung nicht nur in beschränktem Umfang für die leichten Truppen (Schleuderer und Schützen) und vor

') Vgl. Domasxbwsej S. 161 ff.

*) Gans gleichartig Kind gegenwärtig die Zustande in dem Haupt- teil der nordamerikanischen Union , vor allem in Neuengland und dem übrigen Osten, in charakteristischem Gegensatz zu den französischen Kanadiern, die sich stark vermehren ; aber in der Union bewirkt nur die Ginwanderung und daneben die Vermehrung der Neger ein ständiges Anwachsen der Bevölkerung.

*) Vgl. Ober die militärischen Leistungen Roms im hannibalischen Kriege meinen Aufsatz Ber. BerL Ak. 1915, 948 ff.

4) Vgl. Sueton Caes. 79, bei dem Plan, die Residenz nach Alexandria oder llion zu verlegen: exhausta Italia düectibus.

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Caesars Monarchie

allem für die Reiterei1) verwendet, sondern gegen den funda- mentalen Grundsatz der Republik, daß in den Legionen nur römische Bürger dienen können, in großer Zahl in seine Legionen eingestellt haben muß. Das hat er denn auch bereits für die gallischen Kriege getan. Schon daß er, gegen das Staatsrecht, die Transpadaner als Bürger behandelte und aushob, gehört hier- her. Im Jahre 52 erschienen dann zur Deckung der Narbonensis 22 Cohorten, die er in der Provinz selbst hat ausheben lassen2); aus ihnen ist vermutlich die ganz aus Galliern bestehende legio V. Alaudae hervorgegangen, deren Soldaten er dann als Herrscher das Bürgerrecht verlieh'). Mitte Februar 49 trafen außer der achten Legion und dreihundert vom König von Noricum ge- stellten Reitern auch „22 Cohorten aus den neuen Aushebungen in Gallien" bei ihm ein4), gewiß nicht nur aus der Transpadana, sondern auch aus dem jenseitigen Gallien5). Auch Pompejus mußte bei der Verstärkung seines Heers nicht nur die Bürger aus den östlichen Provinzen, sondern auch die Untertanen in Massen heranziehu6); und ebenso bestand von den beiden Legionen des Varro in Hispania ulterior, die dann Caesar über-

') Caesars Reiterei bestand bekanntlich durchweg aas Amilian. Galliern, Germanen and Spaniern. *) bell. Gall. VII 65, 1.

*) Sueton 24, vgl. Domabzbwski S. 162. Groebc bei Drumann III * 703. Der Tribun L Antonius verlangt« dann in dem Richtergeset«, das er im Sommer 44 einbrachte, unter Zustimmung seines Bruders Marcos, da8 su der Ton ihm aus den Centurionen neu gebildeten dritten Richter- decurie (oben S. 418, 1) auch diese Legion herangezogen werde: addn eüam, laßt Cicero ihn sagen, iudices manipularis ex lec/ione Alau- darum: aliter enim nostri negant, posse se salvoe esse (Cic Phil, f 20, vgl. V 12. XIII 3. 87).

*) Caesar civ. I 18, 5; mit den 22 Cohorten des Jahres 52 sind sie schwerlich identisch.

*) Allerdings sagt Labienus civ. III 87, 4 von Caesars Truppen im Jahre 48: hae copiae ex delectibus horum otmorum in citeriore Oallia sunt refectae, et plerique sunt ex coloniis Trans- padanis.

•) vgl. Caesar civ. III 4. 81.

Das Heer Caesars und das des Principats

4SI

nahm, die eine aus Nichtbürgern1). Nach der Kapitulation von Herda hat Caesar in Spanien große Aushebungen vorgenommen, teils für die Auffüllung semer Legionen, teils für „etwa dreißig cohortes alariae**), d.i. Truppen von Nichtbürgern {auxilia). Zur Abwehr des Pharnakes bildete sein Legat Domitius Calvinus eine legio Fontica ex tumtdtuariis müüibus?). Wenn wir genauere Kunde besäßen und diese Dinge nicht möglichst verschleiert würden, würde die Tatsache noch deutlicher hervortreten, daß ein beträch tüch er Teil der Armee Caesars aus Untertanen be- standen hat, die beim Eintritt in die Legionen zu Bürgern ge- macht wurden. In noch weit größerem Umfang haben dann nach Caesars Ermordung sowohl die Triumvirn und ihre Generäle wie die Republikaner im Osten und dann Sextus Pompe jus ihre Massenheere in dieser Weise gebildet; und Antonius sah sich, da ihm Octavian den Nachschub italischer Rekruten sperrte4), immer mehr auf Aushebungen in den orientalischen Provinzen angewiesen, aus denen seine Legionen denn auch größtenteils entnommen waren5).

Und nun zeigt sich auch, daß der Unterschied zwischen der Armee des Principats und der Caesars lange nicht so groß ge- wesen ist, wie wir bisher geglaubt haben. Augustus hat nach der Beendigung der Bürgerkriege den Bestand des Heeres be- kanntlich auf 22, ja vielleicht auf 18 Legionen reduziert und dann beim pannonischen Aufstand im Jahre 6 n. Chr. auf 26 er- höht; damit war das Maximum dessen erreicht, was das Reich bei der bestehenden militärischen und finanziellen Organisation

') legio vernacula civ. II 20, 4. bell. Alex. 53, 5; die andere stand schon so lange dort, daß sie ganz mit Spanien verwachsen war.

*) civ. II 18 , 1 , vgl. 20, 4. duae vemaculae legiones gehn später zn Cn. Pom pejus dem Sohn Qber; eine andere bildet dieser ex coloniis, weitere aus flüchtigen Sklaven, bell. Hisp. 7, 5, vgl. 13, 1 f.

•) bell. Alex. 34, 5.

4) S. Kromayer, Hermes 33, 1898, 20 ff.

*) Vgl. Seecjc, Die Zusammensetzung der Kaiserlegionen, Rhein. Mus. 48, 1893 8. 608 f. Qber die aegyptischen Legionen des Antonius auf Grund der Inschrift aus Koptos Ephem. epigr. V 5 = Dessau 2483, gegen Mommsen, Hermes 19, 4 ff. = Ges. Sehr. VI 23.

Meyer, Caesars Monarchie 31

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aufbringen konnte, und als in der Varusschlacht drei Legionen vernichtet wurden, konnten mit großer Anstrengung und durch Zwangskonskription auch unter dem hauptstädtischen Proletariat nur zwei von ihnen durch Neubildungen ersetzt werden. Diese 25 Legionen ergeben eine Zahl von rund 125 000 bis 150000 Mann bürgerlicher Truppen. Datu kommen aber, abgesehn von den Praetorianern und den cohortes urbanae, die aus den Untertanen ausgehobenen Auxilien, deren Mannschaftsbestand insgesamt der der Legionen nahezu gleichkam1). Somit erhalten wir auch für die gesamte Militärmacht des Principats, wie für die Caesars, einen Bestand von rund 250 000 bis 300 000 Mann. Das bestätigt zugleich das oben gewonnene Ergebnis. Der Unterschied besteht nicht in der Stärke der Truppenmacht, sondern in dem funda- mentalen Gegensatz der Verfassung des Principats und der caesarischen Monarchie; während die letztere Bürger und Nicht- bürger möglichst annäherte und gleichmäßig behandelte, hat Augustus den Unterschied zwischen beiden streng festgehalten und so die Herrsch erstellung der römisch-italischen Nation ge- wahrt oder vielmehr wiederherzustellen versucht. Das bedingte allerdings, daß er die militärischen Kräfte der Untertanen nur in beschränktem Umfange und nur zu den Truppen zweiten Ranges, den Auxilien, heranziehen konnte. Caesar dagegen würde zweifel- los die Niederlage des Varus in derselben Weise, wie die Ver- nichtung von anderthalb Legionen durch Ambiorix, mit einer umfassenden Neubildung von Legionen beantwortet und jetzt die Unterwerfung Germaniens erst recht durchgeführt haben.

Die Entwicklung des Principats hat dann allerdings, wie überall, so auch auf diesem Gebiet allmählich und von den Mitlebenden kaum bemerkt zu demselben Ergebnis geführt, das Caesar vorwegnehmen wollte. Im zweiten Jahrhundert ist der rechtliche Unterschied zwischen Legionen und Auxilien tat- sächlich illusorisch geworden : auch die Legionen werden aus den Untertanen genommen und bei Eintritt in den Dienst durch einen fiktiven Akt zu römischen Bürgern gestempelt, wie die

') Tac. Ann. IV 5.

Bürgerrechteverleihungen. Gades

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Aiudlien beim Austritt aus dem Dienst. Dieser Gedanke, Italien (nnd die Kulturländer überhaupt) vollständig vom Kriegsdienst zu entlasten und damit zu entwailnen. lag Caesar natürlich "anz fern und wäre damals überhaupt noch unfaßbar gewesen. Denn damals war die Bevölkerung Italiens noch die militärisch brauch- barste und angesehenste der gesamten Welt, wie im vierten Jahrhundert und weit bis ins dritte hinein die Bevölkerung Griechenlands1); auf italische Rekruten als Stamm der Armee konnte daher niemand verzichten, der ein Heer bilden und Krieg führen wollte.

Das Reich. Kolonien, Latiner und Bürger

Die Tendenz, Bürger und Nichtbürger auf gleiche Linie zu stellen und das Reich zu nivellieren, beherrscht die gesamte Staatsgestaltung Caesars. Vor dem absoluten Herrscher ver- schwinden die rechtlichen Unterschiede der Beherrschten in der homogenen Untertänigkeit, und er sucht sie alle in gleicher Weise seinen Zwecken und denen des einheitlichen Reichs dienst- bar zu macheu. Daher hat Caesar, auch hierin in scharfem Gegen- satz gegen Augustus, das Bürgerrecht freigebig verliehen, sowohl an einzelne*) wie an ganze Kategorien und zahlreiche Gemeinden. So hat er alle Ärzte und die Vertreter der übrigen wissen- schaftlichen Berufe es ist vor allem an die Lehrer der Gram- matik und Rhetorik und der technischen Disziplinen zu denken , die in Rom ansässig waren oder dorthin übersiedeln wollten, mit dem Bürgerrecht beschenkt*). In Spanien hat Gades, die Heimat seines Kabinettsministers Baibus und der Sitz einer sehr betrieb -

') Im dritten Jahrhundert treten ihr dann die Kelten als viel- begehrte Konkarrenten zur Seite ähnlich wie bei Caesar die Gallier nnd Germanen ; im Westen waren keltische Söldner schon von Dionys neben den Griechen nnd den kraftigen oskischen Trappen verwendet worden.

') So z. B. Saxa nescio quis, quem nobis Caesar ex ultima Celti- beria tribunum plebis dedit, Cic. Phil. XI 12 ~ XIII 27; Petraeum et Menedemum, civitate donatos et hospites Caesaris Phil. XIII 88.

*) 8aeton 42. Dem Peripatetiker Kratippoa, der in Athen blieb, verschaftte Cicero von Caesar daB Bürgerrecht, Plnt. Cic. 24.

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Caesars Monarchie

samen und wohlhabenden Kaufmannschaft, schon im Jahre 49 von ihm das Bürgerrecht erhalten, was er später durch die Co- mitien bestätigen ließ1). Dem folgten zahlreiche Verleihungen nach der Schlacht bei Munda im Jahre 45: „während er in den Städten, die zum Feinde gehalten hatten, Geld eintrieb und den einen ihr Gebiet beschnitt, den andern den Tribut erhöhte, gab er den zu ihm Neigenden Landbesitz und Steuerfreiheit, und einigen das Bürgerrecht, andern die Stellung einer römischen Kolonie, jedoch nie umsonst"2) er hat es eben immer vor- trefflich verstanden, ohne zu große Gewaltsamkeit Geld zu machen. Zu der ersten Kategorie gehört Hispalis (Sevilla), dessen Bewohner die von ihnen selbst nach der Schlacht bei Munda erbetene Besatzung überfielen und niedermachten; dafür wurden sie selbst bei einem Ausfall überfallen und in Masse zusammen- gehauen8). Als Strafe nahm Caesar der Stadt das Gebiet am rechten Ufer des Baetis und besiedelte es unter dem Namen Osset quod oognominatur Julia ConsUintia; auch das verödete Hispalis selbst wird eine Verstärkung der Bevölkerung erhalten haben und wurde jetzt Kolonie mit dem Beinamen Romulensis oder Romula4). Auch Corduba, Gründung des Consuls Marcellus

') Liv. ep. 110 Gaditanis civitaiem dedit. Dio 41, 24. Im bellum civile II 2, 1 erwähnt er das nicht, sondern nur die Belohnungen, welche er auf dem Landtag in Corduba erteilt habe, sowie die Rückgangig- machung der Gelderhebungen und Strafen Varros und die Rückgabe des Tempelvermögens an den Hercules von Gades. Über die Erweite- rung der Stadt durch den jüngeren Baibus (Strabo III 5, 3) s. Kahr- steot, Archftol. Anzeiger 1912, 217 ff.

*) Dio 43, 89, 5.

») bell. Hisp. 35 f. Dio 43, 89.

*) 8trabo III 2, 1 nennt Hispalis nächst Gades und Corduba die be- deutendste Stadt, xal a&rr] äiwixo? 'Ptofiau»v vovl & tA uiv ejutoptov ooji- |iiv«t, rjj tt}vg H xal t(f> iicoixfjoaii vtcuatl toi>c Kaüapoc otpamu»tac 4j Baitt^ [wohl verschrieben, vielleicht für Osset] 6rcip*x«t, xatstp oo oovotxooptvYi Xa(iicpwc. Dadurch erklärt sich Plin. III 11 a laeva (des Baetis) Hispal coUmia cognomine Romulensis, ex adverso oppidum Osset, quod cognominatur Iulia ConstanHa. Ferner Isidoras, etymoL XV 1, 71 Hispal im Caesar Iulius condidit, quam ex suo et Romas urbis vocabulo Iuliam Romulam nuncupavit. Osset kommt sonst nicht

Kolonien in Spanien

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152 und die älteste römische Kolonie im Baetisgebiet1), hatte an den Pompejanern noch nach der Niederlage festgehalten, und als die eine Partei sich ergeben wollte, steckte die andre die Stadt in Brand; da drangen Caesars Soldaten ein und richteten ein gewaltiges Blutbad an das bellum Hispaniense nennt 22 000 Erschlagene, ungerechnet die außerhalb der Stadt Um- gekommenen*). Der Rest mußte sich durch große Geldzahlungen freikaufen3); die Stadt heißt später, ob seit Caesar, ist nicht sicher, colonia Patricia4). Zu den Städten, welche am eifrigsten auf Seiten der Söhne des Pompejus abgehalten hatten, gehörte Urso6); daher hat Caesar auch dieser Stadt einen Teil ihres Ge- biets genommen und für Kolonisten bestimmt, die nach dem Namen der neuen Ansiedlung Colonia Genetiva Julia Urbanorum*) aus der stadtrömischen Bevölkerung entnommen waren. Die Gründung war noch nicht perfekt, als Caesar ermordet wurde; das Statut, das er für sie hatte ausarbeiten lassen, ist dann von Antonius aus seinem Nachlaß mit mancherlei Änderungen und Flüchtigkeiten publiziert worden7) und uns großenteils inschrift- lich erhalten.

Zu den Städten, die Caesar treu geblieben waren, gehörte Ulia8); wenn es daher fortan den Namen Fidentia») trägt, offenbar

vor; Hispalis heißt inschriftlich sowohl Eotnula wie civitas Ro- mulensium. Ähnlich mag es sich erklären, wenn neben Astigi vetus, einer freien Stadt, die Kolonie Astigi erscheint (Plin. III 12). ') Strabo III 2, 1.

») bell, flisp. 84. Dio 43, 89. App. II 105.

') Dio 48, 39, 2 tobe Ii Xouco&c i^p^upbato ; ebenso Hispalis.

*) Plin. III 10 nnd in Inschriften sowie auf Münzen.

*) bell. Hisp. 22. 26. 28. 41.

•) Plin. III 12 Urso quae Genua [verschrieben für Genetiva] t7r- bonorum; in dem Gesetz immer nur Col. G en. lul. Neben den cokmistehn im Gesetz die incolae, d. i. die Altbürger von Urso, sowiedie hospüesatventores- que, die dauernd oder vorübergehend dort anwesenden Fremden (cap. 126).

7) Das hat Fabricius, Zum Stadtrecht von Urso, Hermes 35, 1900 S. 205 ff. scharfsinnig erwiesen und damit eine vielfach behandelte Kontroverse erledigt.

8) bell. Alex. 61. Hisp. 8 f. Dio 48, 31, 4.

•j Plin. III 10 Iulia (Schreibfehler für Ulia) quae Fidentia, vgl. Dessau 9081.

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Caesars Monarchie

als Kolonie, wird das als eine Belohnung zu deuten sein. Das gleiche gilt von Ucubi, das Gnaeus Pompejus hatte niederbrennen lassen1), und das jetzt den Namen Ciaritas Julia erhielt*). Bei andern Städten, wie Asido, quae Caesarino und den Kolonien Hasta, quae Regia, sowie lptuci, quae Virtus Julia, vielleicht auch üliturgi, quod Forum Julium dxcüwr2). ist nicht zu ent- scheiden, welcher der beiden Kategorien sie angehören, zum Teil auch, ob ihr in dem Beinamen zum Ausdruck kommendes Bürger- recht auf Caesar zurückgeht und ob in ihr Kolonisten angesiedelt sind4); aber zweifellos stammen von ihm weit mehr derartige Verleihungen und Ansiedlungen, als wir nachweisen können5). In Lusitanieu stammt von ihm die colonia Norbensis Caesarina cogiunnine, vielleicht auch die Kolonie ScaUabis, quae Praesidium Julium vocatur, sowie das Bürgerrecht von Olisipo (Lissabon), municipium civium Romanorum OUsvpo Felicitas Julia coguo- minatum' ), und das latinische Recht vonEbora, quod idem Ltbera- lüas Julia7). In Hispania citerior geht auf Caesar wohl sicher die Erhebung von Tarraco zur Kolonie zurück8); ferner das latinische Recht von Castulo, qui Caesari{ni) juvenaUs appel- lantur9). Auch nach Emporiae hat er im Jahre 45 eine Bürger-

') bell. Hisp. 27.

*) Plin. III 12; ebenso inschriftlich.

■) Plin. III 10 12. Die meisten dieser Namen sind auch inschrift- lich vertreten.

') Für weiteres Ober die hier erwähnten Städte Spaniens und der Narbonen&is ist vor allem auf die Vorbemerkungen so den eintelnen Städten im CIL. zu verweisen; von Älteren namentlich A. W. Zumpt, Com- ment. epigr. I 1850. p- 810 ff.

*) So z. B. Urgia cognominata Castrum Iulium item Caesaru Salutariensis Plin. III 15. und andere dort genannte Orte.

«) Plin. IV 117, ebenso inschriftlich.

7! Plin. IV 1 18, inschriftlich spater municipium Eborum, Dksbau6900.

*) Inschriftlich nnd auf Münzen Colonia Iulia Victrix Triumpfialts Tarraco; vgl. bell. civ. II 21, 5, wonach Caesar im Sommer 49 hier die Gesandten der Provinz empfangt und abreist privatim ac pubhce quibusdam civitatibus habitis honoribus.

•) Plin. III 25: inschriftlich später municipes Gwttulonenses CIL. II 3270, Dkssau 5518.

Kolonien in Spanien und der Narbonensis

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kolonie geführt, die zu der alten Doppelstadt der Griechen und Indiketen hinzukam und alsbald mit ihr verschmolz1).

In der Narbonensis hat Caesar nach Beendigung des Bürger- kriegs bei der Rückkehr aus Spanien im Jahre 45 einen Teil seiner Veteranen mit Land ausgestattet und die Kolonien nach den Le- gionen, denen sie angehörten, benannt. Zur Verfugung stand daiür das /umfangreiche Gebiet im Bereich der Rhonemündungen und an den Seealpen, das er im Jahre 49 den Massalioten abgenommen hatte1). Hier wurde in Arelate die sechste Legion angesiedelt, außerdem wurde die alte, schon im Jahre 118 gegründete Bürger- kolonie Narbo Marthis durch die Mannschaften der zehnten Legion verstärkt8). Beide Legionen waren durch die Kriege

') Li*. 84, 9, 3. Über die Topographie s. Fhickehhaus, Bonner Jahrb. 118, 17 ff.

*) Nach Caesar civ. I 35, 4 sagen die Massalioten. daß Pom pejus ihnen agros Volcarum Arecomiconim et Helviorum publice conces- serit, Caesar beUo vicios SaUgas adtribuerü vectigaliaque auxerit; vgl. Plin. III, 88 Agatha quondam Massüiensium et regio Volcarum Tecto8agum /!/ atque ubi Wwda Rhodiorum fuit. Caesar nimmt ihnen teils im Jahre 49 teils üattpov ihr ganzes Gebiet ab (Dio 41, 25, 3. C-ros. VI 15. 7. Flor. II 13, 25 omnia ablaia). Im Marz 48 macht An tonius der Senatspartei unter anderem zum Vorwurf. MassiUensibus iure belli adempta reddüuros vos pollicemini (Cic. Phil. 18, 321, ebenso daß sie veteranorum colonUis deductas lege et senatusconsulio susttUistia, wozu MoiiMSKit Cic de off. II 27 f. funten 8. 500, 1) vergleicht.

*) Diese Vorgänge hat Kromater . Die Militärkolonien Octavians und Caesars in Gallia Narbonensis, Hermes 81, 1896, 1 ff. aufgeklärt und die auf Mommskns Annahmen fußende Darstellung von Herzog, Galliae Narbon. prov. hiatoria, 1864. p. 79 ff. (danach Hirschfel» im CIL. XU) berichtigt. Die beiden Kolonien erscheinen bei Plinius III 32 ab Narbo Martins Decumanorum colonia und 86 colonia . . . ilre- late Sextanorum; ebenso Mela II 5. Die Ansicht Mommsews, Böm. Gesch. III 1 553, daß diese Kolonien nur zu Ehren der betreffenden Legionen benannt, nicht von ihnen besiedelt seien (ebenso Herzog), ent- behrt jeder Begründung. Daß die zehnte Legion bei Munda mitkämpfte (bell. Hisp. 31, 4), beweist gleichfalls nichts dagegen, da sie nach dem spanischen Feldzug zweifellos aufgelost ist; überdies hatte sie damals nur noch einen sehr schwachen Bestand (etsi erant pattcij. Der Ansiedlung in Narbo entspricht es, dali nachher im Jahre 43 die Veteranen der zehnten Legion, als diese wieder aufgeboten wird, in der

Caesars Monarchie

fast ganz aufgerieben; gegen die zehnte Legion hegte Caesar überdies seit dem Militär aufstand im Jahre 47 (oben S. 376) einen unversöhnlichen Groll1), der es erklärt, daß diese ehemals so bevorzugte Truppe nicht in Italien, sondern in der Provinz angesiedelt wurde. Einem glücklichen Zufall verdanken wir die Nachricht, daß Tiberius Nero, im Alexandrinischen Krieg Quae- stor Caesars, der Vater des spateren Kaisers, mit der Organi- sation dieser Kolonien betraut war2). Zwischen den Rhone- städten Arelate und Arausio im Osten und Baeterrae weit im Westen, nahe bei Narbo, lag das große Gebiet der arekomi- schen Volker mit dem Vorort Nemausus, dem 24 Ortschaften unterstellt waren; dies hat von Caesar das Recht einer latini- schen Kolonie erhalten*). Ebenso ist den übrigen Städten und Völkerschaften der Provinz, darunter Tolosa, Ruscino, den AJlo- brogern mit der Hauptstadt Vienna (die durch Augustus römi- sches Bürgerrecht erhält), Antipolis, Avenio, Cabellio usw., von Caesar latinisches Recht verliehen worden4); nur die Ge- Armee des Lepidus stehn (fam. X 11, 2. Appian III 88, 842). Die vollen Namen Colonia lulia Paterna Arelate and Colonia Julia Paterna Narbo Martins zeigen, daß sie von Caesar begründet sind, im Gegensatz zu den benachbarten coloniae Baeterrae Septimanorum, Arausio Secundanorum , Forum Iuli Octavanonttn Plin. III 55 f. Mela II 5, mit vollem Namen Colonia Firma lulia Secundanorum Arausio und Colonia V(ictrix?) lulia Septimanorum Baeterrae; Kromayer zeigt, daß diese von Octavian nach Beendigung des Kriegs gegen S. Pompejus angelegt sind, vgl. Dio 49, 84, 4; Forum Iuli er- hält durch Augustus. der es zum Reichshafen erhob, den Beinamen Pacata oder Pacensis und Classica (Plin. III 35), wahrscheinlich im Jahre 30. Caesar selbst hat seine siebente und achte Legion in Cam- panien angesiedelt (oben S. 415).

>) Appian II 94, 396. vgl, bell. Afr. 54.

•) Sueton Tib. 4 od deducendas in Qattiam colonias, in quis Narbo et Arelate erant, missus est.

*) Strabo IV 1, 12 (auch bei Plinius latinisch); vgl. Herzog p. 85. Da es Bchon vor Augustus Münzen mit der Aufschrift Col. Nem. ge- prägt hat, muß sein latinisches Recht auf Caesar zurflckgehn.

4) S. die Liste der latinischen Städte bei Plin. III 86 f., sowie vorher Ruscino Latinorum, 85 oppidum Latinum Antipolis. Daß diese Stellung ülter ist als Augustus, also auf Caesar zurückgehn muß, hat Herzoo gezeigt.

Latini6ches Recht in der Narbonensis. Spanien, Sicilien 489

birgsstämrne blieben Untertan, die Vocontier in besonders privi- legierter Stellung als Föderierte.

So rückte durch Caesar die Narbonensis in die Stellung ein, die bis auf ihn die Transpadana eingenommen hatte. Überhaupt ist die Verleihung des latinischen Rechts an romanisierte Städte und Landschaften als Vorstufe für die Aufnahme der bisherigen Untertanen in das volle Bürgerrecht von ihm zwar nicht ge- schaffen worden das hat Pompe jus Strabo im Jahre 89 durch sein Gesetz über die Transpadaner getan , wohl aber syste- matisch weiter ausgebaut; und darin sind ihm bekanntlich Augustus und die spätem Kaiser gefolgt. Auch an mehrere spanische Gemeinden hat Caesar, wie wir gesehn haben, latinisches Recht verliehn. Vor allem aber hatte Sicilien, die älteste der römischen Provinzen, längst völlig befriedet und im weitesten Umfang romanisiert zugleich aber auch durch das Eindringen des italischen Großgrundbesitzes und der Weidewirtschaft ver- ödet und seiner Rolle als Kornkammer Roms entkleidet1) , Anspruch auf Berücksichtigung. Caesar hat den Städten Syrakus, Katana und Kentoripa durch neue Ansiedler auf- geholfen; ebenso wurde Panormos römische Kolonie*). Dann hat er ein Gesetz abfassen lassen, welches der ganzen Insel das latinische Recht gewährte; der Entwurf fand sich in seinem Nachlaß und erhielt wie alle seine Verfügungen Gesetzeskraft,

') Siehe Strabo VI 2, 6, 7 und Oberhaupt seine gesamte Schilderung der Insel. Aus diesem Grunde, und nicht etwa, wie Mojimsen, Röm. Gesch. III 7 507 Anm. meint, wegen der Verleihung der Latinit&t und des daraus folgenden Wegfalls des Zehntens , nennt Varro de re rust. II praef. 3 Sicilien nicht mehr unter den Provinzen, aus denen das Brot- korn bezogen wird, sondern nur Africa und Sardinien. In der Kaiser- zeit kam dann Aegypten hinzu.

*) Strabo VI 2, 4 fin. xabvrp rrjv icöXtv (Syrakus) 4viXaß«v 6 Kaloop xal t4jv KatävTjv (vgl. 2 , 8 med. Kan6rt\ . . . otx-ijtopa^ iiltxxat 'Pcu- jia'.'ou;), J>s 8* aoTu»s K«vt<Jptic«, aofißaXofiivrjv itoXXa np6< cr,v riojucfjtoo xaxdXootv die Stadt hat ihm offenbar reichliche Geldmittel gegeben. § b üdvopfios U «ol Tiofuuaiv *x*1 *a™"««v. Vgl. CIL. X 7286 (Dessau 2938) col. Panhormit. Vielleicht geht die Stellung von Panormos als Kolonie wie die von Syrakus auf Augustus zurück (Dio 54, 7, 1).

490

Caesars Monarchie

Antonios aber hat, dorch große Geldsummen bestochen, das Geschenk in die Bewilligung des vollen Bürgerrechts um- gewandelt1).

Aach die alte afrikanische Provinz, der schmale Küstenstreifen des den Karthagern bis zuletzt verbliebenen Gebiets, war bereits stark romanisiert, vor allem die jetzige Hauptstadt Utica. Caesar hatte sich derselben schon in seinem Consulat angenommen und, wie es scheint, ihr bereits damals durch ein Gesetz die Latinität verliehn, weshalb sie im Bürgerkrieg ' mit ihren Sym- pathien durchaus auf seiner Seite stand*). Als Monarch hat Caesar dann die Absicht des Gaius Gracchus, die ihm den Tod gebracht hat, wieder aufgenommen, Karthago als römische Bürger- kolonie wieder herzustellen; außer Veteranen sollten auch Bürger angesiedelt werden3). Auch diesmal kam der Tod dazwischen,

r) Cic. ad Att. XIV 12 sds quam düigam Siculos . . . multa Ulis Caesar, neque tue inrifo. etsi Latinüas non erat ferenda, verum tarnen ecce auiem Antonius accepta grandi pecunia flxil legem a dictatore comitiis latam, qua Sieuli cives Romani: cuius rei vivo iüo nulla mentio. Diodor XIII 85, 3: die Gesetze des Diokles von Syrakus (d. i. sein Reehtsbuch) bestanden jiixpi fooo *dvtt<; ol 2ti»Xiü»Tat tt)c 'Pwuauov KoXtttta< -fjiuäJWjoav.

*) bell. civ. U 36 bei Curio« Feldzug 49: UHcenses pro quibus- dam Caesaris in se benefteüs Uli amicissimi; bell. Afr. 87, 3 Cato, quod in Uticensibtis propier beneficium legis Iuliae parum suis partibus praesidii esse existimaverat, plebem inermem oppido eiecerat . . . senatum atttem custodia tenebat. Diese lex Julia, die natürlich in Caesars Consulat fallen muß, kann, wie auch allgemein angenommen wird , kaum etwa« anderes enthalten haben als die Ver- leihung der Latinit&t. Bürgerrecht erhält Utica dann schon im Jahre 86 durch Augustus (Dio 4», 16).

*) Dio 43. 50, 3. Appian Lib. 136. Solin 27 , 1 1 . die alle das Datum 44 v. Chr. geben. Flut. Caes. 57. Strabo XVII 3. 15 Kawap<K w'i &toü ntjx^avToc titoixou^ 'Puijwütov toü; Kpoatpoo|itvoo{ xat tüiv arpa- tia»tu»v «va<;. Der Name int Colonia Iulia Concordia Carthago, Drs- sau 9469. Die Konstruktionen Kohnkmanns, Die caesarische Kolonie Kar thago, Fhilol. LX 1901. 402 ff., der eine großzügige, auf demokratischem Liberalismus basierte Kolonialpolitik Caesars nachweisen will und an nimmt, daß Karthago ein großes Territorium mit zahlreichen abhängigen Ortschaften erhalten habe, als , wahre* Abbild hellenistischer Stadt.

Karthago. Na midien

491

vollendet wurde die Kolonie erst durch Augustus im Jahre 29. Auch mehrere andere Orte, wie Clupea und Curubis, sind durch Caesar, der nach der Schlacht bei Thapsus einen Teil der Truppen , die im vorigen Jahr gemeutert hatten, in Africa ansiedelte, Burgerkolonien geworden1).

In Numidien hatte schon im zweiten Jahrhundert in der Hauptstadt Cirta eine bedeutende Niederlassung bestanden*), die durch Jugurtha vernichtet, aber nach dessen Besiegung gewiß wieder aufgelebt ist. Im afrikanischen Kriege hatte dann der Freibeuter P. Sittius, der alte Catilinarier (S. 17), verbündet mit dem Maurenköni" Bocchus, mit seinen Scharen energisch zugunsten Caesars eingegriffen und ihm durch einen Angriff auf Jubas Reich Luft geschafft, und dabei Cirta und zwei gaetulische Ortschaften eingenommen»). Zum Lohn überließ ihm Caesar Cirta und teilte das Gebiet des Numiderhäuptlings Arabion,

a. «_»

des Sohns eines Mossinissa, zwischen ihm und Bocchus*). Sittius siedelte seine Freischaren hier an, und dadurch wird Cirta als Colonia Sittianorum eine römische Stadt5) , der die Küsten- städte Chullu und Rusicade sowie im Binnenlande fifileu als Bürgerstädte zugehören und von der zahlreiche Binnenorte (cwieUa) in Abhängigkeit stehn. Unmittelbar nach Caesars

Staaten', sind von W. Barth kl in der vortrefflichen Dissertation Zur Gesch. der röm. Städte in Africa, OreifBwald 1904, widerleg worden. Kr zeigt 8. 20, daß daneben eine punische Stadt entstand, die im Jahre 28 von August™ offiziell als Freistadt gegründet wurde und spater römisches Bürgerrecht erhielt.

') Barthel 8. 24 f. 29. Bio 43, 14. 1. Über Curubis s. CIL. P 780. 788 (Dessau 5319. 5320).

*) Sallost Jug. 21. 26. Micipsa hatte auch zahlreiche Griechen hierher gezogen (Strabo XVII 3, 13).

») bell. Afr. 25, 2. Dio 48. 3. Ungenau Appian II 96, 402. Über «eine weitere Beteiligung am Kriege ». bell. Afr. 86. 48. 93. 95 f. Dio 48, 12, 2.

*) Appian IV 54.

*) Mela I 6. Plin. V 22. Zahlreich« Inwohner von Cirta tragen daher den Namen Sittius (CIL VUI 7737—7779). Weiteres über die Stellung Cirtas und der zugehöriefcn Orte s. bei Mommskji , Hermes' T 40 ff. = Ges. Sehr. V 470 ff. und IUrthkl S. ff. 44.

492

Caesars Monarchie

Ermordung ist dann Arabion, der nach Spanien geflüchtet war, zurückgekehrt, hat Sittius umgebracht und die Sittianer für sich gewonnen, und eine Zeitlang in dem neuen Bürger- krieg in Afrika als Parteigänger eine Rolle gespielt, bis er im Kampfe den Tod fand1). In der Folgezeit heißt Cirta Colonia Julia Juvenalis Honoris et Virtutis oder kurz Cirta Julia*). Im übrigen wurde die neue Provinz dem Sallust zur Aus- plünderung überlassen3).

In der griechischen Osthälfte des Reichs fehlten die Vor- bedingungen für die Erteilung des latinischen Rechts; und auch zur Gründung von Kolonien, die zugleich als Stützpunkte des römischen Westens dienen konnten, bot sich nur selten die Mög- lichkeit. In Asien sind nur drei Kolonien Caesars bekannt, drei Handelsstädte an der Propontis und dem Schwarzen Meer: Apamea, Colonia Julia Concordia4), Heraklea am Pontes, und Sinope. Die Colonia Julia Felix Sinope*) wurde im Jahre 45 gegründet und den Ansiedlern ein Teil des Gebiets in Stadt und Land zugewiesen*). Heraklea, im mithridatischen Kriege durch Cotta aufs schwerste heimgesucht, hatte sich schon unter Caesars Consulat bemüht, die Freiheit wiederzuerlangen, und

') Appian IV 54 (= 88) ; 55 f. Das Datum ergibt sich aus Cicero ad Att. XV 17, 1 (14. Juni 44): Arabioni de Sittio nihil irascor. ") CIL VIII 6857 (Dissau 7041). Ptolem. IV 3, 28. VIII 14, 8. •) Dio 48, 9. [Cic] in Sali. 19.

4) Strabo XII 4, 8 oi 8* 'Anau*^ &notxi*v IM£avro «Pwuauüv, wäh- rend das benachbarte Prusias (Eios) xoXtxtoodjMvoi irp&c 'Ptufictlooi; tovot- m»C Freistadt wurde (etwa auch durch Caesar?). Plin. V 149 colonia Apamena. Der Name der Kolonie inschriftlich (Dissau 314) und auf Münzen, wo in der Regel noch der Beiname Augusta hinzutritt. Wie Mommskm bemerkt (Res gestae Divi Aug. 120), lehrt das mon. anc cep. 28. daß Augustus in der Provinz Bithynia et Pontus keine Kolonien ge- gründet hat, die dortigen Kolonien also von Caesar stammen müssen. Augustus hat aber offenbar die Privilegien von Apamea vermehrt, daher der Beiname.

») So in Inschriften und auf Münzen, deren Aera das Datum der Gründung ergibt. Als Kolonie auch Plin. VI 6.

•) Strabo XU 8, 11 vovl Ii *«l 'PcujmUw axouiav Mntai, »od uipo«

xöXswc xal r9j« X<"Pa« t«tva»v ioti.

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Kolonien in Kleinasien und Griechenland. Korinth 493

sein Gesandter Brithagoras hatte ihn mit seinem Sohn Propylos unablässig heimgesucht, bis er im Jahre 47 vor Erfüllung seines Wunsches starb1). Dann hat Caesar, wobl gleichzeitig mit der Kolonisierung Sinopes, auch hierher Kolonisten geschickt, denen in der stark entvölkerten Stadt8) ein Quartier nebst einem Teil des Landgebiets zugewiesen wurde3). Antonius unterstellte dieses einem galatischen Dynasten Adiatorix, der kurz vor der Schlacht bei Actium die römischen Ansiedler bei Nacht überfiel und nieder- metzelte. Adiatorix wurde dann von Augustus nach seinem Triumph hingerichtet, die Kolonie aber nicht wiederhergestellt4).

In Europa hat Caesar, auch hier dem Gaius Gracchus folgend, den Wiederaufbau Korinths in Angriff genommen ; die Ansiedler der Kolonie Laus Julia Corinthus wurden größtenteils aus römischen Freigelassenen genommen, meist wohl griechischen oder orientalischen Ursprungs5), wie denn die rasch aufblühende Stadt trotz des offiziellen römischen Charakters niemals, wie etwa Karthago in Afrika, wirklich eine römische Stadt werden konnte; in seiner neuen Gestalt wurde Korinth eine internationale

') Memnon hist. Her. 60. Die Daten ergeben Bich daraus, daß Britha- goras den Caesar, auch als er von Rom abwesend ist. Oberallhin be- gleitet und dann 8u>3rxa8r.a? vrjv itaptipwiv ii*(Mtpo6oi)c xal tttpl rfjs »1$ 'Piüjrfjs iitayödoo toö Kaisapo; $fxvooopivoo an Altersschwache stirbt. Auch Laodikea (doch wohl L. am Lykos) schickt seinen Gesandten Andrem de libertate patriae au Caesar, dem Cicero sagt : iav suttuxB?' ««P1 •tyuLv npioßtooov Macrob. II 8, 12. Über die Freiheit von Knidos s. unten S. 507.

') Memnon c. 60 gibt an, daß bei der Wiederherstellung der Stadt, nach der Ausplünderung durch Cotta, durch Brithagoras (um 65 v. Chr.) mit Mühe 8000 Einwohner einschließlich der Sklaven zusammengebracht wurden ; in den folgenden Jahren sei dann die Stadt wieder gewachsen.

•) Strabo XII 8, 6 i8s*ato V iitotxiav 'Poujiaubv iiA jiip« xf|<; «ölUo»? xal r?j< X^f»«-

*) Strabo I. c. Memnon wird diese Dinge eingehend im 17. Buch erzahlt haben, das aber dem Photios nicht mehr vorgelegen hat.

•) Strabo VIII 6, 28 4] K£ptv$o<; &veX-fj<p{h) ndXiv 6iw Kataotpoc to5 &eo5 8ii f>jv »öipotav, iitoixoo< irfn^avto? toö &»Xeofttpixoö fivoo^ nXtiotoo^. Erwähnt bei Dio 48 , 50 , 4. Plut. Caes. 57. Mela II 8. Pausan. II 1, 2. 3, 1. Appian Lib. 136. Der Name auf Münzen.

494

Caesars Monarchie

Industrie- und Handelsstadt mit herrschender griechischer Fär- bung. Ergänzt werden sollte die Gründung durch die Durch- stech ung des Isthmus1), ein Plan, den schon Periander gehegt und Demetrios Poliorketes wieder aufgenommen hatte, dessen Durchführung aber Caesar so wenig beschieden war wie allen seinen Vorgangern und Nachfolgern im Altertum. Sonst kennen wir nur noch die Kolonie, die in Buthrotum in der Mitte der epirotischen Küste, Korkyra gegenüber, begründet werden sollte; der Stadt, die mit ihren Geldzahlungen im Rückstände war, sollte dafür ihr Gebiet abgenommen werden. Als dann Cicero im Interesse des Atticus, der hier große Besitzungen hatte, sich für sie verwendete, zeigte sich Caesar zum Entgegen- kommen bereit, wenn die Buthrotier zahlten; Atticus legte die Summe aus, und Caesar gewährte auf den von andren Senatoren unterstützten Vortrag Ciceros den Buthrotiern ein Dekret, das sie freigab. Trotzdem aber gingen die Vorbereitungen weiter, die Kolonisten sammelten sich zum Abgang; einer der für das Jahr 43 designierten Praetoren, Lucius Plancus (Plotius)*), wurde mit der Ausführung beauftragt. Auf die Remonstrationen Ciceros erklärte Caesar, er und Atticus möchten ganz ruhig sein ; er wolle nur einstweilen das Aufsehn und die Beunruhigung in Rom ver- meiden, wenn die Ansiedler übers Meer gegangen seien, werde er ihnen schriftlich ein andres Gebiet zuweisen. Ob es ihm damit ernst war, läßt sich nicht mehr erkennen; bei seiner Ermordung war die Sache jedenfalls noch in der Schwebe. Im folgenden Jahre ist lange darüber verhandelt worden; die Kolonie aber wurde wirklich begründet und heißt nach ihm Colonia Julia

•) Plin. IV 10. Sueton 44. Dio 44, 5, 1. Plut Ca«. 58.

•) Bei Cic. ad Att. XVI 16 Ä ist L. Planco praet. des. [bei den folgenden Briefen fehlt der Vorname] nicht L. Planoas, der älteste der Brüder, Stadtpraefect 46, Statthalter von Gallia comata 44. tarn Coneal fflr 42 designiert, sondern sein Bruder Gaias, der nach der Adoption L. Plotius Plancus hieß, wie Mommszn bei Borghesi. Oeuvres I 208, 2 erkannt hat Bei Dhomaioi IV» 282 irt das über- sehen, and der Name fälschlich, nach Manatitu Vorgang, in Qnaeus korrigiert.

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("aes-ar* Kolonien. Entwürfe tür Italien

495

Buthrotum, daneben auch Colonia Augusta; sie wird durch Octaviau bestätigt und verstärkt worden sein1).

Bs ist lediglich Zufall, daß wir von einigen dieser Kolonien etwas mehr erfahren und so ein Bild von den Hergängen bei ihrer Gründung gewinnen können ; es wird noch manche gegeben haben, von denen keine Kunde auf uns gekommen ist1), ebenso wie bei der Verleihung des latinischen Rechts und andrer Privi- legien. Außer den Veteranen hat Caesar, wie Sueton berichtet, insgesamt 80 000 Bürger in die überseeischen Kolonien über- führt*): es war vor allem das hauptstädtische Proletariat, ein- schließlich zahlreicher Freigelassenen (so in Ureo S. 485 und in Korinth S. 493). So suchte er ihm, während er die Getreide- versorgung einschränkte (8. 416 f.), eine ausreichende und dem Staate Nutzen bringende Existenz zu verschaffen, während er zugleich die Hauptstadt von den turbulenten Müßiggängern befreite4). Außerdem wurde dadurch die Verschmelzung zwischen

') Den Hergang berichten die Briefe Ciceroe an Planen» und Capito, ad Ätt. XVI 16 A. C; zahlreiche Erwähnungen in den sonstigen Briefen an AUicuß aus dem Jahre 44. Buthrotum Kolonie: Plin. IV 4. Strabo VII 7, 5. Der Name auf Manzen. Vielleicht geht auch die Kolonie Byllis (CIL. III 600. Dissau 2724; colonia BuUidensis Plin. IV 85) »chon auf Caesar zurück.

») Vgl. im allgemeinen Dio 43, 50, 3 im Anschluß an Karthago und Korinth: noXXa? xai £aX.O£ »v ttq MtaXta xai «fco» *6X»i« ti? piv avipxofte- fvrjot, t&< 8t xai ex xaiv?js xat»orrtoato. Wenn Plinius V 128 die Insel Pharos bei Alexandria als colonia Caesaris dictatoris bezeichnet, so ist colonia hier in demselben Sinne zu verstehen, wie bei den ur- sprünglichen römischen Bürgerkolonien (col. mariümae) und den persi- schen und lagidischen Militarkolonien in Aegypten: die Legionen, die Caesar als Garnison hinlegte, sind hier dauernd stationiert und daher /.ugleich angesiedelt.

*) Sueton 42 ocioginta civium milibus in transtnarinas colonias distributis ; dadurch ist Rom exhausta, er sorgt für die frequentia der Stadt durch die Anordnungen, welche die besitzenden Klassen in ihr festhalten (oben S. 422).

*) Die Legende bei Appian Lib. 136 führt die Gründung Karthagos darauf zurück, daß Caesar dort im Traum orportiv ttoXüv xXcdovta sieht, und daher aus Rom die dhtopot hinschickt, die Land begehren.

49G

Caesars Monarchie

Bürgern und Untertanen, das Hinübergreifen der italischen Nation in das Reich, gewaltig gefördert.

Eine heikle Aufgabe der Politik bildete, wie in der Neuzeit so auch damals schon, die Regelung der Stellung der Juden, die sich nicht nur in Massen über die ganze hellenistische Welt ver- breitet hatten, sondern auch in Rom im Geschäftsleben sowohl wie unter dem turbulenten Gesindel schon seit geraumer Zeit eine betrachtliche Rolle spielten1). Caesar hat sich, im Gegen- satz zu Fompejus und der Senatspolitik, wie dem jüdischen Kirchenstaat von Jerusalem, so auch den Juden der Diaspora gegenüber sehr wohlwollend erwiesen und sie offenbar als betrieb- same und anstellige Geschäftsleute gewürdigt und zu benutzen verstanden. Er hat die Absonderlichkeiten ihrer Religion und ihrer Sitten unter seinen Schutz gestellt und ihre Kultvereine nebst den dafür erhobenen Beisteuern als rechtlich anerkannt und von seinem gegen die Bildung von Vereinen erlassenen Verbot ejrimiert (S. 418, 2); ebenso blieben sie von der Heranziehung zum Kriegsdienst befreit, und die Statthalter und Gemeinden wurden angewiesen, sie am Sabbat unbehelligt zu lassen8). Diese Politik ist bekanntlich von Augustus und Agrippa fortgesetzt und weiter ausgestaltet worden. So begreift es sich sehr gut, daß Caesars Ermordung ganz besonders von den Juden beklagt worden ist und sie in Rom viele Nächte hindurch eine Trauerfeier um ihn begingen8).

Die Hauptstadt Kulturaufgaben

Uber dem Reich wurde Italien und die Hauptstadt in keiner Weise vernachlässigt. Auch hier nahm Caesar Pläne von gewaltigem Umfang in Angriff, die ebenso wie der Isthmuskanal die Nachwelt bis zur Gegenwart beschäftigt haben und zum Teil

') Siehe Cicero pro Flacco 66 ff. Philo leg. ad Gaium 281 ff.

») S. die Urkunden bei Josephus Ant. XIV 10 (vgl. 8. 427, 2).

*) Sueton Caes. 84 in sumtno publico luctu exterarum gentium multitudo circuktfitn suo quaeque more lamentaia est, praecipueque Iudaei, qui etiam noctibus continnis btistum frequentarunt.

Die Juden. Pläne für Rom und Italien

497

noch in keiner Weise gelöst sind. So den Versuch, die pomptini- schen Sümpfe trocken zu legen1), ferner die Trockenlegung des Puciner Sees durch einen Stolleu in den einschließenden Bergen'), wodurch das Ackerland seiner Ufer vor den verheerenden Über- schwemmungen durch den schwankenden Wasserstand geschützt und zugleich in dem Seebecken ein neues reiches Kulturland ge- wonnen werden sollte; das ist bekanntlich, nach einem miß- glückten Versuch des Claudius, im Jahre 1875 ausgeführt worden. Vom Adriatischen Meer sollte über den Kamm des Apennin eine große Heerstraße zum Tiber angelegt werden*). Diesen Fluß selbst sowie den Anio wollte er regulieren und von Rom aus durch die Ebene von Latium und das pomptinische Sumpfgebiet nach Tarracina einen großen Kanal bauen, zugleich den Unter- lauf des Stroms eindämmen und statt der schlechten Rhede von Ostia einen neuen großen Seehafen aulegen; die Vorarbeiten dazu waren bereits in Angriff genommen. Wenigstens der neue bequeme Hafen ist dann bekanntlich von Claudius durch die Anlage des Portus Augusti geschaffen worden*).

In Rom selbst ging die Bautätigkeit (S. 427) ununterbrochen weiter, und weitere Entwürfe schlössen sich an. An den Fuß des Tarpejischen Felsens sollte, wie in Athen an die Akropolis, ein gewaltiges Theater anlehnen5), an die Stelle der im Jahre 52 bei Clodiua' Leichenfeier niedergebrannten, von Faustus Sulla wieder aufgebauten Curia Hostilia ein Tempel der Felicitas treten den Namen dieser Gottheit, die ihn so sichtbar be- günstigte, hatte Caesar in der Schlacht bei Thapsus als Parole

') Soeton 44. Cic. Phil. V 7. Dio 44, 5, l. Nach Caesar* Ermordung läßt Antonius bereits das za gewinnende Land durch seinen Bruder, den Tribunen Lucius, zur Verteilung anweisen, Dio 45, 9. 1.

*) Sueton Caes. 44. Claudius hat das Werk wieder aufgenommen, aber ohne bedeutenden Erfolg, Tac. ann. XII 56 f. Dio 60, 11, 5. PI in. 86, 124. Sueton Claud. 20.

J) Sueton 44.

4) Plut. Caes. 58. Sueton Claud. SO (?gl. Dio 60, 11). 5j Sueton 44. Dio 43, 49, 2. Meyer, Caesars Monarchie 32

498

Caesar.« Monarchie

ausgegeben1) , während für die Senatssitzungen fortan» wenn sie nicht außerhalb des Pomeriums im Theater des Pompe jus stattfinden mußten, eine neue Curia Julia an dem von Caesar erbauten Forum Juli um bestimmt war1), ein Bau, der erst von Augustu8 vollendet worden ist. Auf dem Mörsfeld sollte dem Kriegsgotte, dem Stammvater und Schirmer des römischen Volks, ein Tempel ohnegleichen errichtet werden*). Die Stadt sollte erweitert, das ganze Marsfeld bebaut werden das war um so nötiger, da zahlreiche Quartiere der inneren Stadt den Neubauten zum Opfer fielen ; das Tiberbett sollte schon vom Pons Mulvius an an die jenseitigen Höhen des Möns Vaticanus verlegt werden, die dadurch geschaffene weite Flache des Campus Vati- canus die Rolle des bisherigen Marsfeldes übernehmen4). Auch das Pomerium, die geheiligte Furche, welche die Stadt des Staats- rechts aus der Feldmark aushebt und die Grenze des Stadt- friedens und der Tribunengewalt bildet, hat Caesar verschoben*).

Auch sonst umfaßten Caesars Gedanken alle Gebiete der materiellen wie der geistigen Interessen. Die unübersehbare Fülle der römischen Gesetze, die zahlreichen Spezialgesetze einerseits, welche jahraus jahrein erlassen wurden, andrerseits die für die Rechtsprechung maßgebenden Weisungen, welche die Praetoren in ihren Edikten gaben, und durch die das formell noch immer

') bell. Afr. 83. Bio 44, 5, 2. Der Tempel wurde von Lepidus er- baut; darauf bezieht sich Cicero ad Att. XIII 42, S (Ende Dezember 45) orai Lepidus, ut veniam; opinor augures vetie habere ad templum effandum. Vgl Cicero« Äußerung über Caesars felicüas in dem Brief an Nepoe (fr. 4) bei Ammian 21, 16, 18.

') Dio 44, 5. 44, 49, 2.

») Sneton 44.

*) Cic ad Att. XIII 88, 4 (Jnli 45), vgl. XIII 20. 85, 1 (oben 8. 421, 1).

») Dio 48, 50, 1. 44, 49, 2. Gellius XIII 14, 4: den Aventin haben auch Sulla und divus Iulius, cum pomerium proferret, außerhalb des- selben gelassen. Schwerlich ist mit Mommsen, Staatsrecht II 1 717, dar- aus, daß Tacitus Ann. 12, 28 und Seneca de brev. vitae 14 Caesar nicht unter denen nennen, die das Pomerium erweitert haben, zu folgern, daß er es nicht getan bat.

Kodißkation des Rechts. Bibliothekplan

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als geltend betrachtete Recht der zwölf Tafeln tatsächlich fast durchweg obsolet geworden war, dazu die Konkurrenz des für die Bürger geltenden formalen Rechts mit dem vom Praetor itUer cwes et peregrinos entwickelten Recht, das auf dem Grund- satz der Billigkeit und von Treu und Glauben beruhte, hatten im Rechtsleben einen Zustand geschaffen, wie er gegenwärtig in England und in noch höherem Maße in den Vereinigten Staaten besteht. Schon Pompejus hatte geplant, hier Ordnung und Über- sichtlichkeit zu schaffen (oben S. 240); Caesar hat den Gedanken aufgenommen, er wollte ein handliches bürgerliches Gesetzbuch schaffen, „das aus der unermeßlichen und wirren Fülle der Ge- setze das Beste und Unentbehrliche in einigen wenigen Büchern zusammenfaßte"1). Als Vorarbeiten dazu dienten die Arbeiten des Aulus Oülius, der zahlreiche Werke über alle Teile des Zivil- rechts verfaßte und als erster das praetorische Edikt sorgfältig bearbeitete1); neben ihm war in gleicher Richtung Gaius Trebatius tätig, der auch das Sakralrecht eingehend behandelt hat"). Aber dem Plan ist es gegangen wie so vielen gleichartigen in der Neu- zeit; ausgeführt ist er erst nach Jahrhunderten und nach mehreren vorläufigen Ansätzen von der absoluten Monarchie unter Justinian.

Dem geistigen Leben sollte eine große öffentliche Bibliothek dienen, mit deren Zusammenstellung der bedeutendste Gelehrte Roms, Marcus Varro, beauftragt wurde*). Der Plan knüpft an an das Werk des ersten Ptolemaeos und seines Ministers aus der Schule des Peripatos, des Demetrios von Phaleron; aber zu der in Alexandria gesammelten griechischen Literatur die dortige Bibliothek ist übrigens bekanntlich in den Kämpfen Caesars in

•) Sueton 44.

*) Pomponius Dig. I 2, 44, als Caesari familiarissimus bezeichnet.

') ib. 45. Trebatius kennen wir genauer au» Ciceros Briefen an ihn (er hat ihn im Jahre 54 an Caesar nach Gallien empfohlen) sowie aus Horaz Sat. II I. Sein oft cifciertee Werk de religionibus (neun Bücher) war, wie die Fragmente zeigen, sakralrechtlichen Inhalts.

4) Sueton 44 bibliothecas Graecas Latinasque qttas maximas posset publicare, data Marco Varroni cura comparandarum ac di- yerendarum. Ebenso Isidor etyra. VI 5, 1.

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Caesars Monarchie

Alexandria in Flammen aufgegangen und dadurch unermeßliche Literaturschatze unwiederbringlich vernichtet1) trat jetzt ebenbürtig die römische hinzu. In diesem Gedanken gelangt zugleich das Gefühl zum Ausdruck, daß man am Ende einer Entwicklung stehe und die neue jetzt beginnende Epoche der Weltgeschichte die Vergangenheit als abgeschlossen betrachten und in ihrer Totalität überblicken und studieren müsse. Derselbe Gedanke liegt der Bibliotheksgründung des Ptolemaeos zugrunde und tritt noch klarer in dem ersten derartigen Unternehmen her- vor, das die Weltgeschichte kennt, in der großartigen Bibliothek des Assyrerkönigs Assurbanipal.

Die Finanzen

Alle diese Maßnahmen erforderten gewaltige Geldmittel. Es würde sehr lehrreich sein, wenn wir in das Finanzwesen Caesars einen Einblick gewinnen könnten ; aber hier versagen die Quellen so gut wie ganz; denn daß er die gewaltigen Goldmassen, die er aus der Beute und aus dem Staatsschatz (S. 353 f.) in den Ver- kehr brachte, zur Einführung einer Goldmünze, des Aureus, im Wert von 100 Sestertien, benutzte, hilft wenig weiter. Daß er auch auf diesem Gebiet die Interessen des Gesanitreichs und daher das Wohl der Untertanen, nicht, wie die Republik, ihre Aussaugung duroh die Aristokratie und die Geldleute des herrschenden Volkes im Auge hatte2), geht daraus hervor, daß er

') Linus bei Seneca de tranq. an. 9, 5 und Orosius VI 15, Sl. Gel lins VII 17, 3. Ammian XXII 16, 13. Als Gesamtzahl der Bibliothek geben Gellius, Ammian und Isidor, etym. VI 8, 5 700000 volumina, als verbrannt Liviui 400000. Die spatere alexandrinische Bibliothek, in der I>idjraos Chalkenteros und seine Genossen arbeiteten, war bekanntlich die frühere pergamenische , die Antonius der Kleopatra zum Geschenk gemacht hat (Plut Anton. 58).

*) Cicero de off. II 27 muß anerkennen, daß die Herrschaft des Senats und der Nobilität Aber die Untertanen , die ursprünglich patro- cinium orbis terrae verim quam imperium gewesen sei, allmählich immer mehr und seit Sulla vollständig verloren gegangen sei; desitum est enim videri quiequam in socios iniquum, cum exstüisset in civis

Caesars Finanzen. Die Stenern

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in der Provinz Asia, als er auf dem Feldzuge gegen Pharoakes im Sommer 47 von Tarsos aus die Verhältnisse des Orients ordnete1), den von Gaius Gracchus eingeführten und an die Kapitalisten des Ritterstandes verpachteten Zehnten, diese furchtbare Geißel der Provinz, aufhob und durch feste Steuer- sätze ersetzte, deren Erhebung den Gemeinden selbst über- lassen wurde*); in demselben Sinne hatte er schon als Consul durch sein Repetundengesetz wie durch die Herabsetzung der Pachtsummen (S. 75) gewirkt. In SiciUen fiel der Zehnte, wenn nicht vorher, so durch die Verleihung des latinischen Rechts von selbst weg; in den übrigen Provinzen war er über- haupt nicht eingeführt. Daß er die Zölle auf die in Italien (Rom) aus den Provinzen eingeführten Waren wiederhergestellt hat, ist schon erwähnt (S. 425).

Aber zur Bestreitung der Ausgaben reichten die regulären Einnahmen in keiner Weise aus, auch ganz abgesehn von den Riesensummen, die die Triumph algeschenke nebst den Spielen und Bauten und daneben die Belohnung seiner Anhänger er- forderten, zumal bisher in jedem Jahre ein schwerer Krieg zu führen war und jetzt erst recht ein Feldzug von größten Dimen- sionen bevorstand. Caesar wußte, und hat es ausgesprochen, daß seine wie jede kräftige Herrschaft auf zwei Stützen ruhte,

tarda crudelitas. Aber seine Behauptung, Caesar habe es noch schlimmer gemacht, indem er victoria etiam foediore non singulorum civium bona publicaret, sed universas provindas regionesque uno calami- tatis iure comprehenderet, was er durch die Behandlung Massiiias illu- striert, ist für das äußere Regiment eben so übertrieben wie für das innere, trotz der Plünderung Numidiens durch SallusL ') bell. Alex. 66, 2 f.

*) Dio 42, 6. 3 über Caesars Auftreten im Osten nach Pharsaloa: außer der Gelderhebung SkXo prfiha Xoic&v, dUo *ai »b»p-r»x»v

itavrac Saa tvcSt^rtQ. tob? foöv xsXuivac ittxpöxaxä c<piot xpopivoo« &icaX)ufc4a<; i< «pöpoo ouvxcXtiav aupßaivov x«üv xsXdtv xaxeox*»}aaxo. Appian V 4, 19 in der Rede des Antonius an den Landtag von Asia 41 v. Chr., im Anschluß an CaeKars Maßregeln als Consul: tct< V 6ßp«c<; (der publi- cum) inaow üptv föp tob« «popoo« i«ixpt<|»«v af«p*iv «opi x&v fsu>p-

•fOOVTlUV.

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Cae-fara Monarchie

der Armee and dem Geld, und daß beide sich gegenseitig be- dingten und erhielten1). Einen beträchtlichen Teil der Aus- gaben deckte, wie früher in Gallien, die Siegesbeute sowie der im Jahre 49 gründlich ausgeleerte Staatsschatz, einen weiteren die Konnskation und die fortgehenden Auktionen der Besitzungen der besiegten Gegner, soweit sie nicht begnadigt waren (S. 381 f. 399 f .)• Aber Caesar war ein Finanzkünstler ersten Ranges; wie er schon als Propraetor im jenseitigen Spanien verstanden hat, sich große Geldsummen ohne schweren Druck zu beschaffen (S. 56), so hat er nachher als Prooonsul in Gallien, und dann im Bürgerkriege und als Monarch seine Kunst im größten Stile geübt. Er war, wo nicht die Politik ein Strafgericht forderte, immer bereit, Milde zu üben und Verzeihung zu gewähren, wenn man nur zahlte; darin aber stellte er um so höhere Forderungen. So hat er von den Besiegten und von den Gemeinden, die nach der Entscheidung sich nicht sogleich ergaben, oder die sonst sich vergangen hatten, überall gewaltige Summen erhoben, in Spanien, in Asien und Aegypten, in Afrika*). Hier hat er in Zama den Besitz des Königs Juba verkauft , das Vermögen der Römer, die in dessen Dienste getreten waren, eingezogen, ebenso das aller Offiziere und Unteroffiziere des feindlichen Heeres; Thapsus mußte eine Kontribution von 2 Millionen Sestertien, der zugehörige Gerichtsbezirk {conventus) 3 Millionen, Hadrumetum 3 Millionen, der Bezirk 5 Millionen zahlen, zusammen 11 Millionen (rund 2l/Ä Millionen Mark) ; „dafür schützte er die Städte und ihren Besitz gegen Plünderung und jede Gewalttat". In Utica gab er den Mitgliedern des von den Republikanern aus den römischen Kaufleuten und Bankiers gebildeten Rats der Dreihundert ihr

*) Bio 42, 49, 4 ti 8k oojtitäv timtv, xpityiwcoirat&c AvTjp i-r'v6T9» «Ivai Xi-fatv ta dovaattlac napooxtoaCovta xai <poXd<wovta xai ticao- Sovta, otpatuutac xai xpV*™» xaöta IC aXX-r)Xu»v oovtacrjxivai * tt f&p fpoyg ta atpaT*c>|ia?a auvi^adat, xai ixctvnv ix t&v SrXcov ouX- Xtfcofrat* x£v ftattpov 6itottpoöv aotü»v tvitl$ -p, xai ti sttpov ooyxaxa- Xt>a-rjoto*au

») Dio 41 , 24 im Jahre 49 in Spanien iXoi^wv o :PAv% oWiv «X4jv Xf>f\\t.6n<»v btXoftii, ta5ta f^p «ajucXt)^ iatxpa£«v: ebenso 43 (42, 6, 8) und 47 (42, 49) in Asien. 45 in Spanien (44. 89, 4) n. a.

Kontributionen und Strahunimeu

verfallenes Vermögen gegen eine auf drei Jahre verteilte Zahlung von 100 Millionen Sestertien (rund 22 Millionen Mark) zurück. Leptis wurde eine jährliche Abgabe von 3 Millionen Oel, Thapsus wegen der Armut der Gemeinde eine Getreidelieferung auf- erlegt. Ebenso mußte Sulci auf Sardinien, weil es die feindliche Flotte aufgenommen und unterstützt hatte, 10 Millionen zahlen und der Jahreszehnte wurde um den achten Teü des Ertrags (127t %) erhöht, außerdem das Vermögen der Haupter der Gegenpartei eingezogen1). Diese uns glücklicherweise erhaltenen Angaben geben einen Begriff von der Art, wie er durchweg ver- fuhr. Auch Tempelvermögen hat er mehrfach eingezogen, so 47 in Tyroe, 45 in Gades*). Einen extremen Fall bietet Megara, das nach der Schlacht bei Pharsalos im Widerstand bis aufs äußerste ausharrte und von Fufius Galenus erstürmt werden mußte. Die Bürger, die dem Gemetzel entronnen waren, wurden ab Sklaven verkauft; aber „damit die Stadt nicht ganz und gar vernichtet werde", verkaufte er sie, offenbar nach Caesars Weisung, teils an ihre Angehörigen, teils um ganz geringe Summen, damit sie freigegeben werden könnten eine andre Art, wo sie selbst nichts mehr besaßen, doch noch Geld aufzubringen3). Wie er in Spanien im Jahre 45 freigebig Privilegien für Geld erteilte, haben wir schon gesehn. Außerdem aber hat er es immer ver- standen, für sich Stimmung zu machen und mit mehr oder weniger Zwang freiwillige Beiträge und Vorschüsse zu erhalten, sowohl von Privaten wie von Gemeinden und Dynasten, und daneben in üblicher Weise die dem Sieger bewilligten goldenen Kränze von beträchtlichem Wert. Die Vorteile, die der Anschluß an

') bell. Afr. 90. 97 f. Appians Angabe II 100, 416 täv xpiaxooioiv Soou^ thpt iiitpd'etprv ist jedenfalls stark übertrieben.

') Dio 42, 49, 2. Anf den angeführten Tatsachen beruht das Urteil bei Sueton 54 postea vero evidentissimis rapinis ac sacrüegis et onera bellorum civilium et triumphorum ac munerum sustinuit im- pendia.

') Dio 42, 14, 4. Über das Blutbad, welches ausbrechende Löwen, die C. Cassius hier für seine Aedilität verwahrte, anrichteten, s. Plut. Brut. 8. Athen dagegen wurde „um seiner Toten willen* verschont, Dio 42, 14. 2. Appian II 88. 368.

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Casars Monarchie

ihn bot, waren eben so groß, daß man ihm bereitwillig große Opfer brachte; man wußte, daß man ihm trauen konnte.

So hat Caesar es fertig gebracht, nicht nur seine Ausgaben zu decken, sondern im Tempel der Ops einen Staatsschatz von 700 Millionen Sestertien (rund 155 Millionen Mark) zu hinter* lassen1). Dazu kam sein riesiges Privatvermögen, dessen Be- stand allein an barem Gelde auf 25 Millionen Denare (100 Mil- lionen Sestertien = rund 22 Millionen Mark) geschätzt wurde1).

Caesars Gehilfen

Es ist in der Tat eine staunenswerte Tätigkeit und Energie, die Caesar in den wenigen Monaten seiner Herrschaft entfaltet hat; sie widerlegt so gründlich wie möglich den Vorwurf, daß seine Kräfte oder die Klarheit seines Geistes getrübt gewesen seien oder daß er ohne bestimmtes Ziel in den Tag hinein gelebt habe und in trübselige Abhängigkeit von seiner Umgebung ge- raten sei. Er wußte sehr genau, was er tat und was er erstrebte, und er war und blieb der Herr. Durchführen freilich konnte er sein Werk nur durch Verwendung zahlreicher Gehilfen, und da mußte er nehmen, was er vorfand, auch so problematische Leute wie früher Vatinius und Mamurra aus Formiae, zeitweilig Leiter seines Geniekorps {praejeclus fabrum, wie ehemals Baibus, S. 60), der dann zu allgemeiner Entrüstung die gewaltigen Summen, die ihm aus der gallischen Beute zugeflossen waren, in einem luxuriösen, mit Marmorsäulen geschmückten und mit Marmor- platten ausgelegten Stadthause und in ausgedehntem Grund- besitz anlegte und in einem wüsten Lebenswandel verpraßte. Caesar ließ sich das Gerede nicht anfechten; er trug seine Hin- neigung zu dem Liebling offen zur Schau, und Mamurra wird in der Tat bei aller Frivolität keine unbegabte Persönlichkeit

') Cicero Phil. II 98. V 11. VIII 26. XII 12. XIII 12. Velleju* II 60, 4.

3) Plut. Cic. 46; Anton. 15 anf 4000 Talente (24 Mill. Denare) ab- gerundet. Auch App. III 17, 68, wo Ootavian erklärt, das gern ü ritte Geld würde sur Verteilung an 800000 Bürger reichen (75 Denare auf den Kopf), ergibt 22>/i Mill.

Caesars Gehilfen

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gewesen sein1). Gleichartig war das Verhältnis zu Curio, M. An- tonius und seinen Brüdern, Lepidus, Dolabella, den Brüdern Lucius und Titus Plancus u. a. Aber daneben stehn manche tüchtige und ihm wirklich ergebene Persönlichkeiten, deren Ar- beitskraft und Intelligenz er voll auszunutzen verstand, und deren im stillen sich abspielender Tätigkeit die Ein zeigest altung und der Ausbau seines Werkes zugewiesen war. Unter ihnen stehn Aulus Hirtius und Oaius Oppius in erster Linie, deren Vertrauensstellung zu Caesar zugleich den Charakter intimer gegenseitiger Zuneigung trug. Oppius hat bekanntlich eine Bio- graphie Caesars geschrieben, die auch auf die rein persönlichen Züge näher einging*) und offenbar in der auf uns gekommenen Überlieferung mehrfach zugrunde liegt; Hirtius hat die Er- gänzung und Fortführung der von Caesar begonnenen Darstellung seiner Taten in Angriff genommen. Ferner der gewandte Ge- schäftsmann Balbu&$) nebst seinem gleichnamigen Neffen, der

') Ober Mamtimi s. außer den bekannten Gedichten Catolls 29. 41. 43. 57. 94. 105. 114. 115 Cicero ad Att. VII 7, 6 Labieni divitiae et Mamurrae et Balbi horti et Tttsculanum, sowie Nepos bei Plin. 36, 48 mit der Angabe Über sein Haus.

*) Die aus seiner Schrift entnommenen Züge bei Plut. Caes. 17 nnd frueton 53. 72 (denn auch die Angabe Ober die Rücksichtnahme Caesars auf ihn bei einer Erkrankung im Winter auf der Reise geht offenbar auf Oppius selbst zurück) stammen ersichtlich aus derselben Mittelquelle; solche Berührungen zwischen Plutarch und Sueton finden sich gelegent- lich auch sonst und geben einen Einblick in Umfang und Gestalt der an Caesar anknüpfenden Literatur. Aus Oppius1 Schrift stammt auch die Notiz über Marius' Ertragen von Schmerzen bei einer Operation Plin. 11, 252, ohne Angabe der Quelle benutzt bei Plut. Mar. 6; ferner ein scharfer Ausfall über Pompejus' Grausamkeit im Jahre 81 bei Plut. Pomp. 10, woran die (gleichfalls der Quelle entnommene) Bemerkung anknüpft iXX' '0*kU}> piv, 5tav iwpl t&v Katootpo«; woXtpiwv rt y'tXwv XsfYjtai, ctpdÄpa itl ittotuSttv uit' t'jXaßtün;. Für Oppius und Matius Persönlichkeit s. ad fam. XI 27—29.

') Auf die Angabe des Sidonius Apollinaris epist. IX 14, 7, der unter den Werken über Caesar, die er wegen ihres Stils bewundert, auch Balbi ephemeridem aufzahlt, ist garkein Verlaß und die Ver- mutung, daß er Caesars Commentarii fälschlich dem Baibus zuschreibe, wohl zutreffend. Das von Sueton Caes. 81 aus Cornelius Baibus, fa-

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Caesars Monarchie

freilich, als er in den Jahren 44 und 43 als Quaestor im jenseitigen Spanien unter Aainius Pollio sich selbst überlassen war, vom Größenwahn befallen in wüstem Treiben Caesar nachäffte1); so- dann der treue Gaius Matius, Gaius Pansa, die Juristen Aulus Ofilius und Gaius Trebatius (oben S. 499) u. a., schließlich untergeordnete Persönlichkeiten, die gelegentlich in Ciceros Brief- wechsel auftauchen, wie Aledius und Caesars Geheimsekretär Faberius, der es verstand, seine Stellung zu einträglichen Ge- schäften zu benutzen*). Diese Vertrauensmänner und Kabinets- räte hatten nicht nur die politischen Korrespondenzen3) und per- sönlichen Verhandlungen mit Freund und Feind zu führen, die Geldgeschäfte zu besorgen, die Verdächtigen möglichst unauffällig zu überwachen und über alles, was vorfiel, an Caesar zu be- richten (vgl. oben S. 384) ein ganzes Heer von untergeordneten Organen und Agenten muß für alle diese Aufgaben verwandt worden sein , sondern zugleich die Gesetze und die Ver- waltungsmaßregeln auszuarbeiten. Für die Einbringung der Ge- setze an die Comitien bediente sich Caesar dann, wenn er nicht selbst hervortreten wollte, der gerade vorhandenen Beamten: so im Jahre 4G des Hirtius als Praetor (S. 382), im Jahre 44 des Lucius Cassius (S. 464) und Lucius Antonius (S. 461 f.) als Tribunen. Besäßen wir für Rom auch nur so viel urkundliches Material, wie uns für Athen aus der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts erhalten ist, oder wäre Caesars Korrespondenz mit

miliaris8imu8 Caesaris angeführte Vorzeichen der Ermordung Caesars braucht nicht aus einem Geschichtswerk entnommen zu sein.

') Pollio an Cicero X 32. Unter Augustus hat es dann bekanntlich auch der jüngere Baibus noch zum Consulat gebracht.

*) Über seine Geldgeschäfte mit Cicero s. 0. E. Schmidt, Ciceros Briefw. S. 289 ff. = Comment. Flkckwsen 223 ff. Nach Caesars Ermor- dung wurde er das willfährige Werkzeug des Antonius für seine Fäl- schungen, Appian III 5, 16, vgl. Cic. ad Att. XIV 18. XV 13, 3. Auf dem Arentin baute er sich ein prächtiges Haus: Vitruv VII 9, 2.

3) Bekannt ist die außerordentliche Raschheit und Sicherheit, mit der Caesar arbeitete, so daß er mehrere Briefe, bis zu sieben, gleich- seitig diktieren oder daneben zugleich andere Geschäfte erledigen konnte (Plin. VII 91. Plut. Caes. 17; vgl. Hirtius bell. Gall. VIII praef.).

Caesars Gehilfen

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Oppiufl und Baibus und andern Vertrauten, die ebenso wie sein Briefwechsel mit Cicero erhalten und veröffentlicht war1), auf uns gekommen, so würden wir in diese Dinge einen viel leben- digeren Einblick erhalten.

Neben diesen Bürgern hat Caesar, wie jeder römische Staats- mann, die Angehörigen seines Haushalts, Sklaven und Frei- gelassene, deren er natürlich gewaltige Massen besaß2), in weitestem Umfang auch für die Staatsgeschäfte verwendet , so vor allem für die Münze und die Steuererhebung in den Provinzen. Besondre Entrüstung erregte, daß er den Legionen in Alexandria, die im übrigen offenbar stark orientalisiert waren, den Sohn eines seiner Freigelassenen, Rufinus, zum Kommandanten gab*). Auch angesehene Griechen hat er verwendet, so den Theopompos von Knidos, einen Sammler der Mythen, dem zuliebe er den Knidiern die Freiheit schenkte4), wie früher Pompejus den Mytilenaeern um des Theophanes willen. In diesen Dingen ist das Principat dem Vorbild Caesars gefolgt; aber in Abhängig- keit von diesen Leuten, wie Pompejus und so mancher der Kaiser, ist Caesar nie geraten, und wenn er es gern sah, daß seine Frei-

') Sueton Caes. 56 cxtant et (epistulae) ad Ciceronem, item ad familiäres domesticis de rebus, worauf die Mitteilung über die darin verwendete Geheimschrift folgt (D für A usw.). Gellius XVII 9 libri sunt epistularum C. Caesaris ad C. Oppium et Balbum Cornelium, qui rebus eins absentis curabant, gleichfalls mit Bemerkungen über die darin vorkommenden litterae singulariae sine coagmentis sylla- barum, quas tu putas positas incondite; über ihre Lesung habe der Grammatiker Probus in einer Schrift gehandelt,

*) Daß er für brauchbare und gebildete Sklaven (servitia rectiora politioraque) gelegentlich so große Summen zahlte, daß er den Preis nicht in seine Rechnungen eintragen ließ, erwähnt Sueton 47.

») Sueton 76. (Natürlich wird Rufinus. wie früher Mamurra, als sein exsoletlts bezeichnet.) Ein Freigelassener Caesars, Demetrius, ist unter Antonius Statthalter von Cypern geworden (Dio 48, 40, 6).

*) Plut. Caes. 48. Strabo XIV 2, lr> £v8pe; i^toXofot Kv&o: . . . xdfr' •f(f*ä$ 9(6icO(iitO(. 0 Kateapo«; to& $to5 <p&0{ tcüv US701 3uvajiiv«»v, xal n\h$ sApttut3ü>Po<. Erwähnt bei Cicero ad Att. XIII 7, 1. Als nach Caesars Ermordung Trebonius Statthalter von Asia wurde, flüchtete er nudus nach Alexandria: Cic. Phil. XIII 33.

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Caesars Monarchie

gelassenen zu Reichtum gelangten1), so hielt er unter seinem Gesinde strenge Disziplin und duldete so wenig wie Augustus anmaßende Überhebung2).

Die Begründung des Gottkönigtums Caesars

Es blieb, ehe Caesar den Feldzug gegen die Geten und Parther antreten konnte, die Krönung des Gebäudes, die offizielle Ein- führung der tatsachlich bereits nach allen Richtungen begründeten Monarchie als dauernder, rechtlich anerkannter Verfassung des römischen Reichs. Es gehört zu den kaum begreiflichen Dingen, denen wir in geschichtlichen Urteilen nicht selten begegnen, daß Napoleon, der doch sehr wohl wußte, weshalb ihm das lebens- längliche Consulat nicht genügen konnte und weshalb er sich zum Kaiser krönen ließ, ausgeführt hat, Caesar habe nicht nach der Königswürde gestrebt, weil ihm das Wesen der Macht genügt habe und auf den Titel nichts ankomme, und daß Mommsen derselben Ansicht zuneigt und behauptet, die Frage sei von untergeordneter Bedeutung3). In Wirklichkeit gehört gerade bei der Monarchie der Titel ganz untrennbar zum Wesen der Macht, weil er erst dem Ubergangsstadium ein Ende macht und die neue Staatsgestaltung als definitiv hinstellt: durch die Zuerkennung der Königswürde wird der freilich im letzten Grunde immer hoffnungslose, aber doch ganz unabweisbare Versuch ge- macht, die Usurpation zu legitimiereu und gesetzlich zu begründen. Caesars Absichten und die Schritte, die er zu dem letzten Ziel getan hat, liegen denn auch so deutlich vor Augen, wie nur irgend etwas in seiner Geschichte.

Das Königtum, das er erstrebte, war nicht, wie Mommsek meint, das römische Wahlkönigtum, wie es die 8tadtchronik ge-

') App. III 94, 891.

*) Sueton 48 domesticam disciplinam in parvis ac maioribux rebus düigenter adeo severeque rexit, ui pistorem alium quam sün panem convivis subiacieniem compedibus vinxerit, Hberium

querente, capitali poena adfecerit. ») Rßm. Geech. III 7 484.

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Caesars Gottkönigtuni

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staltet hatte, wenn er auch seine Statue neben die der Könige stellen Heß (S. 447). Schärfer betonte er, mit Berufung auf seine Abstammung von Julus, dem Sohne des Aeneas, das im Nebel des Mythus schimmernde erbliche Königtum von Alba, dessen sei es schon von der Tradition gestaltete, sei es für diesen Zweck konstruierte Tracht er annahm, ein weites Purpurgewand und hohe rote Schuhe1). Aber sein Reich umfaßte nicht einen kleinen Stadtbezirk, sondern die gesamte einheitliche Kulturwelt, und sein Vorgänger und Vorbild ist das Gottkönigtum der helle- nistischen Weltmonarchie, wie es Alexander geschaffen hatte und wie es dann in dem asiatischen Großreich des Antigonoa und der Seleukiden, und in andrer, noch schärfer ausgeprägter Gestalt im Lagidenreich voll ausgebildet war.

Wie die Idee des Gottkömgtums aus den politischen Theorien der griechischen Welt erwachsen ist und die Aufgabe, den freien Rechtsstaat der Stadtrepublik in den von dem einheitlichen Willen des Herrschers geleiteten Gesamtstaat des Weltreichs einzufügen, mit innerer Notwendigkeit immer wieder auf diese Losung hinführte, haben wir hier nicht zu verfolgen2). Von den hellenistischen Staaten ist sie auf die neuen Weltherrscher, die Römer, übertragen worden; der Stadt Rom werden in den griechischen Städten Spiele gestiftet und gelegentlich Tempel erbaut, und mehrfach haben in den asiatischen Provinzen die Statthalter göttliche Ehren erhalten. So ist es nur natürlich, daß Caesar, „der Sproß des Mars und der Venus", gleich nach seinem Siege im Jahre 48 durch einen gemeinsamen Beschluß „der Städte, Gemeinden und Völkerschaften (d. i. Landbezirke) von Asia" als „in die Erscheinung getretener Gott und Heiland des gesamten Menschengeschlechts" gefeiert wird*), ganz wie

') Dio 48, 48, 2: cg « fip hafrrjn x«°v0,t*P? »v K&<5lv «vYißpövtto xal rjj 6ito)io*t xal (Uta xabxa ivtot« xai 64nr)X^ xal ipodpoxp&p xata to6c ßaotX.ta<; to&c iv cj} "AXfl-g ltoti ftvopivot>c, <2>( xal «pooiqxuiv oeptot Äta tiv "IooXov, i^pffto. Culena» in der Rode bei Dio 46, 17, 5. Vgl. Festus p. 142 s. v. mulleus.

*) Eingehender habe ich diese Entwicklung in dem Aufsatz übe r Alexander in meinen Kleinen Schriften 8. 802 ff. klargelegt.

») CIG. 2957, DriTKNBKnogR, Sylloge " 347. » 760 töv axö "Apeu»? xai 'A<ppo&«trr)c **iv 'ExifavrJ xal xoiviv to* avd-paixtvou ß(oo 9a»r?)pa mau

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Caesars Monarchie

nachher Augustus. Aber während dieser innerhalb der römisch - italischen Welt die göttlichen Ehren beharrlich ablehnte und seine Nachfolger, soweit sie die Verfassung des Principats aufrecht erhielten, ihm darin folgten, hat Caesar diese Stellung gerade in Rom selbst und innerhalb des herrschenden Volkes begehrt, wie Alexander sie von den griechischen Republiken forderte.

Schritt für Schritt hat Caesar seine Erhebung zu voller Gött- lichkeit gefördert. Den göttlichen Ursprung seines Geschlechts, den er mit manchen andern teilte1), hat Caesar von Jugend auf betont*); jetzt suchte er darauf einen Vorrang und den Anspruch auf die Herrscherstellung zu begründen. Den Namen seiner Ahnmutter Venus Victrix gab er als Parole in der Entscheidungs- schlacht von Pharsalus wie spater bei Muoda*), und der Tempel, den er ihr damals gelobt und im Jahre 46 bei seinen Siegesfesten geweiht hat4), galt der Erzeugerin seines Geschlechts, der Venus Genetrix, die dadurch in die Staatsreligion eingefügt wurde. Erst damals ist die Gestalt des Julus, des Eponymen des Ge- schlechts, hervorgeholt und versucht worden, sie in die rezipierte Geschichte einzureihn, was nur durch Gewaltsamkeit möglich war, sei es, daß man ihn zum Bruder oder Sohn des Askanios

würde yielleicbt noch besser »Heiland der gesamten Kalturwelt" über- setzen. Caesars Titel sind hier pont. Utax., dict., cos. II. Ebenso in Kar- thaia auf Koos CIO. 2869. 16. XII 5, 557 (ygL 556) 6 &f)}LOc 6 Kapdawwv tiv dtöv uod aOTOxp&opa Kai acurfjpa rrj< olxoo|iivYjc Talov 'IouXiov Katoapa Tatoo Kaioapo? olbv av*d-»)iuv. In Pergamon, gleichfalls aus dem Jahre 48, heißt er t&v 'FAX-^vcov aitavttov oiutfjpa xai thtftirrp, Mitt. Athen. Inst. 83, 1908, 410 no. 44.

') Aimylos, der Eponym der Aemilier, soll entweder ein Beiname des Mamercus, Sohn des Pythagoras, oder ein Sohn des Aeneas sein: Festus p. 28 Aemiliam, vgl. Plut. Aem. Paul. 2. Der Stammbaum des Antonius wurde auf Anton, Sohn de» Hercules, zurückgeführt, Plut. Ant 4.

») Oben 8. 881. Dio 41 , 84 , 2 laßt ihn zu den meuterischen Sol- daten in Placentia sagen 4} xl uiv aaö toü Alvuoo xal a*6 too *IooXot> •fi-rov«; so bat er ohne Zweifel wirklich geredet

*) Appian II 76, 819. 104, 480.

4) Appian II 68, 287. 102, 424. Da das von Arkesilaos gearbeitete Kultbild nicht rechtzeitig fertig wurde, wurde zunächst das Modell auf- gestellt, Plin. 85, 156.

Caesars Oberpriebtertum. Die Gestalt des Julus

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machte, sei es, daß man ihn einfach mit diesem identifizierte1). Eine weitere Schwierigkeit machte, daß nach der Überlieferung das albanische Königshaus und Romulus (wenn er nicht, nach der älteren Fassung, einfach der Enkel des Aeneas war) nicht von Juhis, sondern von Silvius abstammten ; man half sich da- durch, daß Julus mit der Uebertragung des Oberpriesterturas abgefunden sei, datierte also die von Caesar im Jahre 63 gewonnene Würde in die Urzeit zurück*). Um des Aeneas und Julus willen hat Caesar beim Übergang über den Hellespont im Sommer 48 den Iiiern ihre Freiheit und Privilegien bestätigt und ihr Gebiet erweitert8).

Auf seine Stellung als Oberhaupt der römischen Staatsreligion hat Caesar immer besonderes Gewicht gelegt und sie daher auf seinen Münzen mit Vorliebe betont4), bis er nach Verleihung

') Das soll nach Servius ad Aen. I 267 Caesnr selbst getan haben : an ein Zitat aas Cato (der natürlich von Iulus noch nichts wußte) fügt er die Bemerkung occiso Mezentio, sicut I. Caesar (die pleniores codd. haben L. Caesar; es ist aber doch wohl der Dictator gemeint) scribit Iulum coeptum vocari; weiter wird der Name auch mit llos gleich- gesetzt. Ober die Schwierigkeiten, die die Einreihung des Iulus in den Stammbaum des Aeneas machte, und Wesen und Tendenz der verschie- denen Auswege s. Norden, Vergils Aeneis im Lichte ihrer Zeit, Nene Jahrbb. IV 1901, S. 257 ff. 276 ff. Nach Strabo XIII 1, 27 ist Iulus tü>v ajtOf6vu>v tl$ tcLv &«© Alvttoo.

*) Diodor VII 5, 8 Vogel (der vielleicht auf Kastor zurückgeht), aus dem armenischen Eusebius (S. 138 Karst): Silvios wird zum König ge- wählt, .Iulios aber, verlustig gegangen des Fürstentums, wurde in das Hohenpriestertum eingesetzt und war wie ein zweiter König; von wel- chem her, sagen sie. noch bis auf heute bestehe zu Rom das julische Geschlecht*. Noch drastischer Dion. Hai. I 70, 4 'loüXy 8i ivtl r^c ß«otXcia{ ttpdt ti{ igooeiot xpoettifhq xai tt|r}] «j» « &mv86vq> *po5)(ot>oa r)Jc povapxta; *al rjj ^aota»^ wtj ßtoo, tti »ai ijti ib a&toö fivo<i ixap- «oöto (! !), 'loöXtot wXijftivttc dit* ixs(vou.

*) Strabo XIII I, 27; vgl. Lucan IX 959 ff.

*) Einmal findet sich auf dem Revers die Figur des Aeneas , der seinen Vater und das Palladium rettet; auf der Vorderseite sehr oft der Venuskopf, aber auch andere Götter, wie Janus , Ceres, Victoria. Daneben die Trophäen und andere Anspielungen auf seine Siege. Für die Münzen genügt der Verweis aui' die bekannten Werke von Cohen und Babelon.

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Caesars Monarchie

des Bildnisrechte seinen Kopf im Lorbeerkranz und mitunter in der Tracht des Pontifex inaximus, mit hinaufgezogener, das Hinterhaupt verhüllender Toga, auf die Vorderseite, die Statue der Venus mit der Victoria auf der Hand auf die Rückseite setzte. Wie sehr das Ansehn des Herrschers bei der Menge durch die sakrale Würde gehoben wurde, hat er* sehr wohl gewußt. Aber nichts weist darauf hin, daß er in der feinen Weise, wie nachher Augustus, die neue Staatsgestaltung mit einer Wieder- belebung und klug erwogenen Anpassung der altrö mischen Reli- gion verbunden habe; denn daß ihm, als dem pontifex maximus, Varro seine antiquarisch -theologischen Libri rerum divinarum widmete1), eine halb rationalistische, halb von einem ver- schwommenen religiös-philosophischen Mystizismus beherrschten Systematik der römischen Staatsreligion, und ebenso Granius Flaccus sein Buch de indigitamerUis*), kann, selbst wenn Caesar diese Schriften veranlaßt haben sollte, höchstens beweisen, daß er daran dachte, auch in den gänzlich verfallenen Staatskultus wieder Ordnung zu bringen. Aber gerade das, worauf es ihm allein ankam, die Einführung des Herrscherkultus, kam in diesen Büchern überhaupt nicht vor.

Die Vorstufen, die Götteistatue im Tempel des Quirinus und seine Elfenbeinstatue auf dem Siegeswagen im Festaufzug der Götterbilder3), haben wir bereits kennen gelernt (S. 447 f.). Jetzt,

l) Lactant. inst. I 6, 7. Augustin civ. dei VII 85. In dem vou Augustin III 4 bewahrten Fragment Varro utile esse cwiiatibus dicit, ut se viri fortes, etiam falsum sit, diis genitos esse credant, ut eo modo animus humanus velut divinae stirpis flduciam gerens res magnas adgrediendas praesumat audacius, agat vehemenüus, et ob hoc impleat ipsa securitate feUcius vermag ich nicht mit Agahd (Jahrb. cl. Phil. Snppl. 24, 154) und Rzitzensteih (Zwei religionsgesch. Fragen 99) eiue Anspielung auf Caesar und sein Gottkönigtum zu sehn. Auch galt Caesar ja keineswegs als diis genitus wie Alezander und Scipio; nur sein Geschlecht ging, wie zahlreiche andere auch, auf eine Gottheit zurück.

') Censorin. 3, 2.

') Gleichartig ist, daß Philipp von Makedonien bei der Hocbzeitsfeier in Aegae 330 sein Bild als dreizebutes dem der Zwölf Götter anreihen

Erheb ang Caesars zum Gott

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zu Anfang des Jahres 44, folgte die volle Durchführung in einer laugen Serie von Senatsbeschlüssen. In allen Tempeln Roms und der Städte des Reichs sollte seine Statue aufgestellt und ihm an seinem Geburtstag von Staats wegen geopfert werden1). Der Consul Antonius selbst beantragte, dem Monat Quintiiis, in dem er am 12. geboren war, fortan den Namen Julius zu geben1); ferner, daß den Circusspielen der ludi Romani ein fünfter Tag (der 19. September) für Caesar hinzuzufügen*) und die Siege Caesars jährlich durch ein Fest, alle vier Jahre durch feierliche Ge- lübde für ihn zu begehn seien*). Auch eine durchs Los bestimmte Tribus sollte fortan seinen Namen tragen*). In die Eidesformel wird der Schwur beim Genius Caesars aufgenommen*) Dann folgte der letzte Schritt: Caesar wird als Juppiter Julius geradezu unter die Staatsgötter aufgenommen und ihm, wie den großen Göttern Juppiter, Mars und Quirinus, ein Flamen Julianus be- stellt — dieses Priestertum hat Antonius übernommen7)

ließ, Diod. 16. 92. Vgl. zu diesen Vorstellungen Weinrkich, Lykisnhe Zwölfgötterreliefs, Ber. Heidelb. Ak. 1913, S. 11 f. Wimowa. Hermes 52, 1917, 100 f.

') Dio 45, 4, 2. Florus 11 13, 91 circa iempla imagines.

*) Censorin. 22, 16. Macrob. I 12, 84. Hieron. chron. ao. 45; ferner Dio 45, 5, 2. Appian II 106, 443. Vgl. Cic ad AU. XVI 1, 1. 4. 1.

") Cic. PhiL II 110. Dio 45, 6, 2.

*) App. II 106, 442 ty)v köXiv äva Jto< ixootov, at^ a&t&c "ty^pfciS *y itapata^saiv ivtxa, Upta; th xal Uptta{ ava ictvcatti^ *&X*5 OY|fioola( 6itlp a&toö tttoodat. Dio 45, 6, 1 t5x*o&at 6nlp a&toö Äiyiooia xat' «toc ixao- tov . . . § 2 xax tooroo xal iwvwcrjptoa ©l a»< ^pa»t . . . ivojiwav. Diese Festtage sind denn auch in den inschriftlich erhaltenen Kaiendorf asten durchweg verzeichnet (17. März Munda; 27. Marx Alexandria; 6. April Thapsus; 12. Juli Geburtstag; 2. August Herda und Zela; 9. August Pharsalus), s. die Ubersicht bei Wissowa, Religion und Kultus der Römer * S. 445 und 563 ff.

8) Dio 45, 5, 2.

•) Dio 45, 6, 1 erjv To^v a&toö öfivüvai.

T) Dio 44, 6, 4 xal «).o? Ata aütiv avttxpöc 'IoöX,tov tcpoo*f|-fopioaav xal vaöv a6t(p rj} t' 'Eicucxtto aüxoö ttpmadijvat f-rvwsav, ttpta otptoi töv 'Avtiivtov ö»oic«p ttva AtdXiov (Flamen Dialis) npoxttpioajuvot. Cic. Phil. II 110. est ergo Hamen, ut Iovi, ut Marti, ut Quirino, sie divo Iulio M. Antonius? (Cicero macht ihm zum Vorwurf, daß er sich noch nicht Meyer. Caesars Monarchie 88

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Caewirs Monarchie

ferner zu den Luperci Quinctiales und Fabiani ein drittes Kol- legium der Luperci Julii hinzugefügt1). Als Gott erhält Caesar ferner das Polster (jndvinar) für das Göttermahl, und auf sein Haus (vgl. S. 447), doch wohl die Regia, die Amtswohnung des Pontifex maximus, wird ein Giebel gesetzt wie auf die Tempel, als Abzeichen, daß hier ein Gott wohne2). Im übrigen wurde, wie von Juppiter seine Eigenschaften, wie Fides und Victoria, sich als gesonderte Gottheiten ablösen und wie überhaupt die Verehrung abstrakter Begriffe dem damaligen Stande der Religion und Ethik entsprach, so dem Caesar seine dementia, die göttliche Milde, die er fortdauernd bewies, als seine sinnfälligste und heil- bringendste Eigenschaft zur Seite gestellt und ihr ein Tempel errichtet, in dem Caesar mit ihr zusammen verehrt werden sollte"). Diesen Tempel, der indessen wohl niemals fertig ge- worden ist, hat Caesar auf Münzen mit der Beischrift Clementiae Caesaris abbilden lassen.

hat inaugurieren lassen). XIII 41. 47. Als Gott, und zwar als deus Caesar, nicht wie später als Divus Iulhts, bezeichnet ihn in dieser Zeit ein Ratsherr von Nola. der durch ihn zu seinem Amt ernannt war : CIL. X 1271, Dessau 6348 (CIL. I * 1611) M. Salvio Q. f. Venusio decurioni /be/nefleio Bei Caesaris.

') Bio 44, 6, 2. 45, 30, 2. Cic. Phil. XIII 81.

*) Cic. Phil. II HO zählt als Caesar bewilligt auf ut haberet pul- vinar, simulacrum, fastigium, flaminem, Sueton 76 tensam et fercu- lum (Prozessionswagen und Tragbahre für das Götterbild) circensi pompa, templa, aras, simulacra iuxta deos, pulvinar, flaminem, luper cos, appeüationem mensis a suo nomine. Das fastigium in domo erwähnt auch Florus II 18, 91, sowie Plutarch Caes. 68 aus Livius (äXXa Yjv ydp ti r$ Katoapo; oixiqt icpoaxuutvov otov itei xöafiip xai acpv^nqti ßooXfjc t]rY]<ptaa(iiw]( ixpwnjpiov), der unter den Vorzeichen der Er- mordung berichtete, daß Calpurnia es im Traum einstürzen sah (= Ob- seq. 67).

•) Dio 44, 6, 4 (oben S. 518, 7). Appian II 106, 448. Plut Caes. 57. Bei Cicero ad Att. XIV 22, 1 (14. Mai 44) sagen die Caesarianer: clementiam Uli malo fuisse, qua si usus non esset, nihil tote ei ac- cidere potuisse. Nach seiner Ermordung und den anschließenden Wirren erfolgte die definitive Aufnahme Caesars unter die Staatsgötter als Divus Iulius bekanntlich durch die Triumvirn zu Anfang des Jahres 42 (Dio 47, 18, 4).

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Amnestie. Ausbau der monarchischen Stellung 515

Von dieser Milde gab Caesar jetzt einen neuen Beweis, indem er eine allgemeine Amnestie erließ, die allen noch nicht be- gnadigten politischen Gegnern, soweit sie nicht wegen eines Verbrechens verurteilt waren, die Bückkehr nach Rom gewährte. Zugleich ließ er die umgestürzten Statuen des Pompejus und des Sulla wieder aufrichten1) so die des Pompejus in der von ihm erbauten Curia bei seinem Theater, zu deren Füßen Caesar ermordet wurde , ein Akt, von dem Cicero sagte, daß er da- durch zugleich seine eigenen Statuen dauernd festige2). Damit war der Bürgerkrieg definitiv abgeschlossen; eben deshalb ent- ließ Caesar seine bisherige Leibwache und lehnte die Bewachung ab, welche die Senatoren ihm aus ihrer Mitte anboten (oben S. 470); auf eine Münze ließ er den Kopf der Friedensgöttin setzen, mit der Beischrift Paxa*). Der Senat beschloß zum Dank für die durchgeführte Versöhnung der Parteien die Errichtung eines Tempels der „neubegründeten Eintracht", der Concordia nova, der jährlich ein Fest gefeiert werden sollte4).

Neben der religiösen Begründung der monarchischen Stellung geht ihr politischer Ausbau einher. Zu dem Bildnisrecht in der Münzprägung kam jetzt ein erhöhter golduer Sitz in der Curie und wo er vor der Öffentlichkeit erschien, z. B. bei der Recht- sprechung; nur bei den Festen sollte er, wie schon im Jahre 48 beschlossen war, zwischen den Tribunen auf der Tribunenbank sitzen*). Zugleich wurde er für unverletzlich wie die Tribunen,

') Dio 43. 49, 1. 50. Appian II 107, 448. Plut. Caes. 57. Sueton 75 denique tempore extremo etiam quibus nondum ignoverat cunetis in Italiam redire permisit magistratusque et imperia capere; sed et statu as Lud Bullae atque Pompei a plebe disiectas reposuit; ac H qua posthac aut cogitarentur gravitis adversus se aut dicerentur, inhibere maluit quam vindicare.

*) Plut. Cic. 40 = Caes. 57.

*) Bei Babklok, monnaie* de la republique II 28 no. 89 u. a. *) Dio 44, 4, 5.

l) Dio 44, 4, 2. 6, 1. 17, 8. 57, 15. 6. Floru* II 18, 91 suggestus in curia ; Sueton 76 sitggestum in orchestra, sedem auream in curia et pro tribunali. Appian II 106, 442. Cicero div. I 119 (= Plin. 11, 186; ebenso Val. Max. I 6, 13), vgl. II 37, wonach das Opfertier obne Herz, das in der Regel auf die Iden des März versetzt wird, paulo

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Caesars Monarchie

jeder Angriff auf ihn in Tat oder Wort für eine Majestäts- beleidigung erklärt, ganz wie bei diesen1) es ist die persön- liche Seite der tribunicischen Gewalt des Principats, welche auch dem Monarchen zuerkannt ist. Dagegen fehlt bei Caesar die Be- deutung, welche diese durch Augustus gewann, dem sie in ihrer allumfassenden, schillernden Unbestimmtheit die Möglichkeit ge- währt, die Leitung des Staats auch im Innern ganz in seine Hand zu nehmen; denn Caesar besaß diese Leitung bereits un- verhüllt kraft der übrigen ihm übertragenen Rechte und Ämter.

Hinzu kam eine Reihe weiterer Ehrungen, wie sie die ge- schäftige Schmeichelei nur ersinnen konnte manche andre Be- schlüsse der Art, die ihm nicht paßten, hat Caesar abgelehnt2) : lorbeerbekränzte Faaces, das Recht, in den Tempel des Juppiter Feretrius spoUa opima zu weihen, obwohl er keinen feindlichen Feldherrn eigenhändig erlegt hatte. Statuen an den Rostren, der Rednerbühne, mit dem Graskranz, weil er den Bürgern das Leben gerettet, und dem Eichenkranz, weil er Rom von der drohenden Belagerung befreit habe, triumphierenden Einzug in Rom in Form der Ooatio bei der Rückkehr vom latinischen Fest, schließlich ein Grab innerhalb des Pomeriums*).

Weit bedeutsamer war, weil von staatsrechtlicher Wirkung, daß alle seine Amtshandlungen für dauernd gültig erklärt wurden und die Beamten sich beim Amtsantritt zu ihrer Anerkennung und Beobachtung eidlich verpflichten mußten4). Zugleich wurde ihm die Dictatur nebst der praefectura momnx jetzt auf Lebens- zeit zuerkannt, und ihm daneben der Titel eines Vaters des Vaterlands verliehn, den er auf die Münzen setzen sollte*).

ante interitum Caesaris (im Februar) gefanden wurde, cum immolaret iUo die , quo pritnum in sella aurea sedü et cum purpurea veste processit (s. unten S. 526. 2). Vgl. auch Sueton 77.

») Lit. ep. 116. Dio 44, 5, 3. Appian II 106, 442.

*) Dio 44, S. 2. 4. 7, 2. Sueton 76.

*) Dio 44, 5, 8. 5. 7, 1. Der Eichenkran* anch App. II 106, 441. 8tatua loricata auf seinem Forum Plin. 84, 18. 4) Dio 44, 6, 8. Appian II 106, 442.

») Lit. 116. Dio 44. 4. 4. Plut. Caes. 57 fciwiTopa «itiv &Kffet£«v

Weitere Ehrungen Caesars

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Alle diese Beschlüsse wurden im Senat mit überwältigender Majorität angenommen; nur einige wenige, wie der Praetor Gaius Cassins, haben dagegen gestimmt Caesar, seinem ständigen Verhalten getreu, hat ihnen das nicht nachgetragen1). Cicero dagegen wagte nicht, sich dem Zwange zu entziehn, und hat die ersten, noch gemäßigten Anträge selbst eingebracht*). Dann aber überboten sich die Schmeichler; und die Vertreter Caesars taten natürlich alles, um zu erreichen, was ihr Herr begehrte, wenn auch der Gedanke, für ihn die Königswürde zu beantragen, den Stimmungen so wenig entsprach, daß Caesar selbst einen derartigen Antrag unter Hinweis auf den nach der Verjagung des Tarquinius darauf gelegten Fluch untersagte8). Aber Brutus hatte nicht unrecht, wenn er später dem Cicero vor- hielt, die nachgiebige Schwäche und die verzweifelte Stimmung, die er wie alle Republikaner gezeigt hätten, habe Caesar geradezu verlockt, nach dem Königtum zu streben4).

ti irxaToitoiooTov RpooXaßo6oif){. App. II 106, 442. Sueton 76. parens patriae auch Cic. Phil. XIII 23. 25. Inschrift von Brundisium CIL. I * 789 dkssau 71: C. Julio Caesari pont. max. patri patriae. ') Dio 44, 8. 1.

J) Plut. Caes. 57 = Cic. 40, bestätigt durch Cicero Phil. XIII 40 f., wo Antonios dem Cicero vorwirft, er betröge den Hirtius nnd Octavian eisdem omamentis, quibus deeeptum Caesarem gloriattis est. Cicero kann die Tatsacho nicht leugnen; aber er behauptet, die Schuld an Caesars Ermordung trage Antonius selbst durch sein Auftreten an den Luperealien. Es ist sehr zu bedauern, daß Ciceros Korrespondenz für den Anfang des Jahres 44 völlig versagt; wir würden andernfalls die Vorgänge noch genauer verfolgen können.

») Appian II 107, 444.

*) Brutus an Cicero I 16, 8 ista tero imbecülitas et desperatio, cuius culpa non magis in te residet, quam in omnibus aliis, et Caesarem in cupiditatem regni impulit et Antonio post interitum illius per8uasit, ut interfecti locum occupare conaretur; jetzt bezeugst Du sie gegen Octavius. Nach Caesars Ermordung hat die offiziöse Geschichtschreibung seiner Anhänger es versucht, die Schuld auf die Antragsteller abzuwälzen, teils lediglich aus maßloser Streberei und Schmeichelei, teils in böswilliger Absicht, um ihn verhaßt zu machen nnd zu verderben; so Nikolao« Dam. 20, der Caesar als d«Xoö< xb ual finttpo; itoXiuxYjc «xv^c 8ia xiui «x8r,}ioi>« atpattta? darstellt, der sich

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Caesars Monarchie

In der Tat war für Caesar alles, was ihm bewilligt wurde, anzureichend. Wie für Napoleon das lebenslängliche Consulat, so war für ihn die lebenslängliche Dictatur nur die Vorstufe für die offen anerkannte Monarchie. Wie er seine Stellung auf- faßte, wurde aller Welt deutlich, als der Senat in feierlichem Zuge, unter Vortritt des Consuls Antonius und der übrigen Be- amten mit ihren Lictoren, ihn aufsuchte, um ihm die neuen Ehrenbeschlüsse zu überbringen1), die dann auf silbernen Tafeln mit goldenen Buchstaben eingegraben und zu Füßen des capito- linischen Juppiter aufgestellt werden sollten3). Er selbst saß auf seinem goldenen Stuhl beim Tempel der Venus Genetrix; und als der Senat erschien, stand er nicht auf, sondern nahm die Ehren, darunter die lebenslängliche Dictatur, sitzend in Empfang. Das machte ungeheures Aufsehn und schuf eine tiefgreifende Er- bitterung, und so wurde zu seiner Entschuldigung behauptet, er sei unwohl gewesen, oder er habe, mit den Bauten beschäftigt, das Nahen des Senats nicht bemerkt3). Diese Absurditäten be- dürfen keiner Widerlegung ; eben so verkehrt aber ist es, in seinem Verhalten eine Anwandlung von Sultanslaune zu sehn. Viel- mehr hat Caesar den Anlaß benutzt, um seine Stellung zum Senat ganz deutlich zu manifestieren: der göttliche Monarch empfängt in der öffentlichen Staatsaktion seinen Staatsrat sitzend, wenn dieser ihm seine Huldigung darbringt. Viel eher glaublich ist die Erzählung, daß er habe aufstehn wollen, aber

daher leicht betören läßt (!) ; ebenso Plut. Caes. 57. nach dem die ju3oriv«s mit den Schmeichlern zusammenwirken, um ihn dann angreifen zu können, ähnlich Dio 44, 8 . 1 : die Senatoren überbieten sich in An- tragen, fttttta in' a&raic ixttvai? xa: tfiijjupovro xai ÄUßaXXov tu; rfitu>i « o<pä< Xau.ßdvovta xai o-rx-qpöttpov 4k' a&tüv C*»vta ; 7. 2. 9. 1.

J) Die Szene wird geschildert von Liv. 116. Dio 44, 8. Plut. Caes. 60. Appian II 107. 445 f. Sueton 78. Nie. Dam. 22.

*) Dio 44, 7, 1.

a) Letzteres erzahlt Nie. Dam. 22 ganz naiv ; nach Dio 44, 8, 3 wird Diarrhöe, nach Plut. Caes. 60 ein drohender Anfall der Epilepsie als Entschuldigung angegeben. Plutarch soibst verlegt dann die Szene, wie Caesar seinen Hals zum Abschneiden bietet, vom Luperealienfest fälsch- lich hierher. Für das Datum s. S. 526, 2.

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Empfang de« Senat» mit den Ehrenbeschlüssen

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Baibus, der Minister, der seine Gedanken am besten kannte, ihn zurückgehalten habe1), oder daß Trebatius, der leutselige Jurist, ihn gemahnt habe, aufzustehn, er aber diesen unfreund- lich angeblickt habe*). Jedenfalls wußte Caesar auch hier genau, was er tat. Aber es ist natürlich, daß der Senat sein Verhalten nur als eine schwere Beleidigung ansehn konnte.

Im persönlichen Verkehr hat Caesar sich, soweit es möglich war, wie bisher leutselig und unbefangen gegeben; allerdings war er so überlastet, daß auch die angesehensten Männer oft stunden- lang warten mußten, wenn sie ihn sprechen wollten er selbst hat einmal bemerkt, „er könne nicht zweifeln, daß alle Welt ihn hassen müsse; wenn Cicero im Vorzimmer sitzen und warten müsse, bis es ihm genehm sei, ihn vorzulassen, könne er ihm un- möglich wohlgesinnt sein, und doch sei dieser, wenn irgend jemand, noch leicht zu behandeln"*) ; und er hat es in vielen Fallen vorgezogen, auch in Rom selbst die Besprechungen schriftlich zu erledigen, so daß er Herr seiner Zeit blieb4). Aber das Gefühl des Zwanges ließ sich auch dann nicht vermeiden, wenn er zu Gast war, denn er war der Herr. Sehr anschaulich schildert Cicero den Besuch, den er ihm auf seiner Villa bei Puteoli am 19. Dezember 46 machte: sein militärisches und ziviles Gefolge einschließlich der Freigelassenen und Sklaven belief sich auf 2000 Mann, die alle bewirtet werden mußten. Caesar selbst verweilte zunächst bei Philippus, dem Gemahl seiner Nichte Atia, ließ niemand vor, und erledigte mit Baibus Rechnungen und Geschäfte. Dann machte er eine Strandpromenade, nahm ein Bad, entschied eine Angelegenheit, die Mamurra betraf, lieli sich salben, ruhte, und präparierte sich auf das Diner durch ein

') Sueton 78 = Plut. Caea. 60. ») Sueton 78.

*) Cic. ad Att. XIV 1, 2 ego dubitem, quin summo in odio sim, cum M. Cicero sedeat nec suo commodo me convenire possit ? at- qui, si quisquam est facilis, nie est; tarnen non dubito, quin tne male oderit ; oder 2, 2 in anderer Fassung ego nunc tarn sim stuüus, ut hunc ipsum facilem hominetn puiem mihi esse amicum, cum tarn diu sedens meum commodum exspectet?

*) Plut. Caes. 17, offenbar aus Oppins.

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Caesars Monarchie

Brechmittel1). Die Mahlzeit, trefflich gekocht, verlief unter an- geregtem Gespräch ganz angenehm. „Aber der Gast war keiner, zu dem man sagt: bitte, komm doch auf dem Rückweg wieder zu mir. Einmal ist es genug. In der Unterhaltung kam nichts Wichtiges (Politisches) vor, dagegen viele philologische Fragen. Indessen er war vergnügt und zufrieden." Als er an der Villa Dolabellas, des designierten Consuls, vorbeikam, ließ er seine Truppe in Parade marschieren, eine Ehre, die er keinem andern erwies").

Wie er für ein Gespräch den Gegenstand bestimmte, ver- langte er auch sonst die Rücksichtnahme, die dem Herrscher gebührt. Es ist durchaus glaublich, daß seine Aeußerungen authentisch sind, die Sueton aus einer Schrift des Titus Ampius (oben S. 400) anführt: „Die Republik ist ein Nichts, nur ein Name ohne Körper und Gestalt. Sulla war ein Kindskopf, daß er die Dictatur niedergelegt hat. Die Menschen müßten sich allmählich gewöhnen, mit großer Rücksicht mit ihm zu sprechen, und was er sage, als Gesetz hinzunehmen"3).

Wenn das Weltreich, das er plante, durch die Besiegung der Parther und der Geten voll aufgerichtet war, rückte Rom in der- selben Weise aus der zentralen Stellung, die es bisher einnahm, wie die griechische Welt und Athen sie durch die Eroberungen Alexanders verlor. Der Schwerpunkt verschob sich dann in das Ostbecken des Mittelmeers, und die Notwendigkeit wurde un- umgänglich, die Welthauptstadt hierhin zu verlegen. Auch diese Konsequenz hat Caesar ziehn wollen; sie bot zugleich den ge- waltigen Vorteil, daß er dadurch von dem Druck frei wurde, den Rom mit seinen republikanischen Einrichtungen und Tra-

') Diese häßliche römische Sitte hat Caesar auch sonst befolgt (pro Dejot. 21, cum vomere post cenam te veüe dixisses), obwohl er im allgemeinen mäßig war.

') Cic. ad Att. XIII 52.

*) 8ueton 77. Daß er im übrigen sich in private Beziehungen nicht einmischte and nichts dagegen hatte, <iaÖ man den Verkehr mit Leuten fortsetzte, quos ipse non diligebat, bezeugt Matius an Cicero XI 28, 7.

Plan der Verlegung der Residenz. Eleopatra

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ditionen trotz allem noch immer auf ihn ausübte. Das weit- verbreitete Gerücht, daß er seine Residenz nach Alexandria oder Hion verlegen und Rom durch Vertrauensmänner regieren lassen wolle, ist zweifellos durchaus zutreffend1), denn es liegt in der Natur der Dinge, und wir müßten diesen Plan vermuten, auch wenn er nicht bezeugt wäre. Auch an Augustus ist diese Frage herangetreten, als die Welt zu seinen Füßen lag; dadurch, daß er sich entschied, nicht ein Weltreich zu gründen wie Caesar, sondern die Herrschaft Roms und darum die Republik wieder herzustellen, ist auch diese Frage zunächst entschieden worden8). Aber die Entwicklung hat schließlich bei der Begründung der absoluten Monarchie durch Diocletian doch zu der Verlegung der Hauptstadt in den Osten geführt3), obwohl das Reich hier nicht erweitert worden war; so hat Caesar auch hier das Ergebnis vorwegnehmen wollen, zu dem dann die Entwicklung langsam in drei Jahrhunderten geführt hat.

Die direkte Anknüpfung an Alexander hatte Caesar seit langem ins Auge gefaßt. Es ist nicht nur ein Liebesverhältnis gewesen, das Caesar im Jahre 48 mit Kleopatra angeknüpft hat das hätte schwerlich jahrelang vorgehalten : sondern die Königin war die letzte Erbin Alexanders und das ägyptische zugleich das letzte, wenigstens dem Namen nach noch selb- ständige Königreich der Kulturwelt4). So hatte die Verbindung

') Sueton 79 quin etiam varia fama percrebruit, migraturum Alexandream vel Munt, translatis simul opibus imperii exhausta- que IUüia dilectibus, et procuratione xtrbis amicis permi&sa. Nie. Dam. 20 o'i piv fiip fyuowov, ßooiXtiov eaotip rpwxivat ao|MidoY)c Y^)C xa »aXdtrrj« Atfontov axo&tuvövat . . . ot V iy 'IXUp toöto fyaoav abxbv uiX- X»tv wa&omofcu.

*) Horas carm. III 3. Tgl. Kleine 8chriften S. 467 f. 472.

•) Constantin hat bekanntlich das neue Rom zuerst in der Tat in Ilion schaffen wollen.

4) Daß Caesar nach der Einnahme Alexandrias (27. Marz 47 = 15. Ja- nnar jul.) noch etwa 2 '/s Monate in Aegypten blieb (Jüdeich. Caesar im Orient 8. 112) and die Zeit zu der Fahrt ni lauf warte zusammen mit Kleopatra benatzte (Sueton 52. App. II 90, 379), erklärt sich wohl dar- aus, daß er für den Feldzag gegen Pbarnakes den Eintritt des Sommer«

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Caesars Monarchie

mit ihr eine weit höhere Bedeutung; und eben darum ließ Caesar sie im Jahre 46, nachdem sie ihm einen Sohn geboren hatte, nach Rom kommen1), wies ihr eine Wohnung in seinen Gärten jenseits des Tiber an1), und stellte ihre Statue im Tempel der Venus Genetrix neben dem Kultbild der Göttin auf3). Seine ganze Regierung hindurch ist sie in Rom geblieben; erst Mitte April 44 ist sie nach Aegypten zurückgekehrt4).

Zum Wesen der Monarchie gehört die Erblichkeit; und hier schwebte über dem römischen Weltreich dasselbe Verhängnis, das das Reich Alexanders zerstört hat, daß der Herrscher keinen Sohn hatte. Der Gedanke daran hat Caesar sehr ernstlich be- schäftigt. Daran, seinen Sohn von Kleopatra zu legitimieren, konnte er einstweilen nicht denken, wenn er auch aus seiner Vaterschaft kein Hehl machte8); aber Rom hätte ihn unter den gegenwärtigen Verhältnissen niemals anerkannt, ganz ab- gesehn davon, daß das römische Recht eine Legitimierung eines unehelichen Kindes nicht kannte und auch die Arro-

ab warten wollte. Daß, wie Sueton angibt, die ihn begleitenden Truppen eich weigerten, ihm dabei zu folgen (cum Cleopatra . . . paene Aethiopia tenus Aegyptum penetravit, nisi exercüus sequi recusasset), ist sehr glaublich; sein Verhältnis zu der Königin widersprach allen römischen Anschauungen.

') Dio 48, 27, 8. Hieron. chron. ao. 46: Cleopatra regio comitatu urbem ingressa. Sueton 52.

■) Cic. ad Att. XV 15, 2 superbiam autem ipsius reginae, cum esset trans Tiberim in hortis, commemorare sine magno dolore non possum.

*) Appian II 102, 424, vgl. Dio 51, 22, 3.

*) Cic ad Att. XIV 8 (14. April 44) reginae fuga mihi non nw- lesta est; erwähnt auch 20, 2. XV 1 a, 5. 4, 4. 15, 2. 17, 2. 8uetons Angabe Caes. 52, Caesar selbst habe sie nonnisi maximi.s honoribus praemiisque auctam remisit, ist also ungenau.

*) Nie. Dam. 20 bestreitet diese Behauptung mit Berufung auf Cae- sars Testament, das ihn nicht erwähnt. Das ist Augustus' Auf fassang, und offiziell zutreffend; sachlich wird wohl Antonius' Behauptung in einem Schreiben an den Senat (Sueton Caes. 52) richtig sein, Caesar habe ihn anerkannt, Matius und Oppius konnten das bezeugen; aber Oppins bestritt in einer Schrift dem Octavian zuliebe, daß Caesariou Caesars Sohn sei.

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Die Frage der Nachfolge. Octavian

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gation einee Unmündigen unzulässig war1); überdies konnte er unmöglich ein dreijähriges Kind beim Abgang in den Krieg als Erben zurücklassen. So hat er, als er nach der Rück- kehr aus Spanien am 13. September 45 auf seinem Gut bei Labici sein Testament machte, sich schließlich entschlossen, den nächsten Verwandten, seinen achtzehnjährigen Großneffen Octavius zum Erben einzusetzen und zugleich zu adoptieren die Adoption war am Schluß des Testaments nachgetragen"). Das bedeutete tatsächlich, wenn auch nicht rechtlich, zugleich die Ernennung zum Nachfolger im Reichsregiment. Caesar hatte den Knaben allmählich hervorgezogen und ihm allerlei Ehrenstellen über- tragen; am spanischen Feldzug hatte er wegen Krankheit nicht teilnehmen können, sondern war erst nach dem Siege dort ein- getroffen. Nach der Rückkehr verlieh Caesar ihm den patricischen Adel») und schickte ihn dann nach Apollonia in Illyrien, um dort seine Studien zu vollenden. Im Frühjahr sollte er ihn dann auf dem Kriegszuge begleiten, und zwar mit der Würde eines Magister equitum; denn Lepidus sollte diese bei Caesars Weggang nieder- legen und die Verwaltung des diesseitigen Spaniens nebst der Narbonensis übernehmen4). Alsdann mochte Octavius sich unter

') Darauf hat mich Skcxel hingewiesen (Gaiusl 102. Gellius V 19, 10). *) Sueton 88 (in ima cera); vgl. Nie. Dam. 13.

3) Sueton Aug. 2. Dio 45, 2. 6.

4) Dio 43, 51. 7 ff., nach dem er an Lepidus' Stelle zwei mag. eq. treten lassen will (36o ovr* aitoü [codd. auröv] itipoo;, i8uj ^ättpov, -.xitapX'V]oat inoajoj, und vorher too^ « tuiiaox'^oavra? &\\ov tt tiva xat töv 'Oxt&kov . . . itpoixtipiaato). Eine solche Neuerung wäre Caesar sehr wohl zuzutrauen; Octavius hätte dann hei der Armee, der andre in Rom das Amt versehn. Aber in den Trümmern der capitol mischen Fasten für 44 (CIL. I * p. 28) ist erhalten ut qum M. Lepidus palu- datus fexissetj, was Möhnsen gewiß richtig dahin ergänzt, daß Octa- vius alsdann zu seinem Nachfolger designiert war und nicht antrat. Dann folgt Cn. Domitius M. f. M. n. Calvinus {der Consul von y.i. als Tribun 59 Caesars Gegner, spater Legat Caesar* bei Pharsalus, im Krieg gegen Pharnakea und in Africa) /mag. eq./ in insequentem an- n/um designatus] erat, non iniit. Weun diese Angabe richtig und nicht in Octavians Interesse gefälscht ist, hat Dio ein Verseil n begangen. Appian III 9, 30 'Outdooio^ . . . twiapxo; |iiv Koc'rapoc 7*y«v»jto

524

Caesars Monarchie

Caesars Leitung weiter ausbilden und für die Übernahme der Nachfolge erzogen werden. Sollte er indessen vor seinem Oheim hinweggerafft werden, so Hieb nichts übrig, als dem Zufall freien Spielraum zu lassen: für diesen Fall hat Caesar sein Vermögen unter eine Anzahl Erben verteilt, darunter Decimus Brutus, deD bewährten Statthalter Galliens während des Bürgerkriegs, in den letzten Monaten des Jahres 45 Praetor, dem er für das Jahr 44 die cisalpinisohe Provinz und für das Jahr 42 das Consulat zu- gewiesen hatte1).

Indessen die Adoption war immer nur ein Notbehelf; und die fundamentale Verschiedenheit der Charaktere läßt es fraglich er- scheinen, ob Caesar für Octavius große Zuneigung empfunden und ihn innerlich als den geeigneten Nachfolger betrachtet hat. Die Möglichkeit war immer noch vorhanden, daß Caesar, wenn das Geschick günstig blieb, noch einen Sohn zeugte und heran- zog. Caesar hat diesen Gedanken sehr ernstlich erwogen und in seinem Testament die Vormünder für diesen eventuellen Sohn bestellt, unter ihnen Antonius, Decimus Brutus und mehrere andre seiner Mörder2); auch die Angabe wird richtig sein, daß in den Senatsbeschlüssen zu seinen Ehren auch bestimmt war, die Stellung des Pontifex maximus solle sich auf seinen even-

«pi« ?v ta>c setzt die Führung des Amts fälschlich an Stelle der De- signation. — Wenn die Angabe Plin. VII 147 über Angustus richtig ist: repulsa in magisterio equitum apud avunculum et contra peti- Honem eins praelatus Lepidus, so ist seine Ernennung schon für das Jahr 45/4 erwogen, aber von Caesar abgelehnt worden.

') Sueton 83. Zur Erbschaft war Octavius für drei Viertel, für den Rest die beiden Söhne seiner älteren Schwester, Lucius Pinarius und Quintus Pedia« berufen (vgl. Plin. 35, 21. Ebenso Appian III 22, 82. 28 , 89). Außerdem vermachte er bekanntlich der stadtrömischen Plebs viritim 800 Sestertien sowie seinen Garten jenseits des Tiber. [Liv. epit. 116, Octavius sei heres ex parte dimidia instüutus, ist falsch.]

') Sueton 83. Dio 44, 35 [wo Antonius, Decimus Brutus u. a. flüchtig als zu Vormündern des Octavius bestellt bezeichnet werden]. D. Brutus auch Appian II 143, 597 [der ihn hier und 166, 611 zugleich adoptiert werden laßt!]. Plut Caes. 64; Antonius als secundus heres auch Flor. II 45. 1.

Die Nachfolge. Plan neuer Vermählungen

tuellen Sohn oder Adoptivsohn vererben1); so war die sakrale Würde, die ihm von dem Urahnen Julus her zustand (S. 511), also seinen Vorfahren mit Unrecht vorenthalten war, dauernd mit seinem Hause verbunden.

Von Calpurnia freilich konnte er einen Nachkommen nicht mehr erwarten; aber den Weg wiesen auch hier die makedonisch - hellenistischen Monarchien, in denen der König oft genug mehrere Gemahlinnen hatte und dann aus seinen Söhnen einen als Nach- folger bestimmt hatte. So ließ er ein Gesetz entwerfen, das ihm gestattete, beliebig viele Frauen zum Zweck der Kinderzeugung heimzuführen; der Tribun Helvius Cinna war beauftragt, den Antrag einzubringen, sobald Caesar Rom verlassen habe1). Wenn das bewilligt war, stand es ihm frei, auch Kleopatra zu seiner Gemahlin zu erheben und seinen Sohn von ihr durch ein Ge- setz legitimieren zu lassen s). Das ist der Weg, den nachher in

•-"^ mm mm h m.

') Dio 44, 5, S xbv fti irk olov, <5v tiva ^«vv^a^ ?| xal fca»caiY|GY]w.. ip- /'.epsa arroSecx^vai l^tftoavxo. Ein derartiger Beschlaß liegt so in der Richtung von Caesars Politik, daß kein Grund vorliegt, die Angabe als Fälschung im Interesse des Augustus zu betrachten. Dieser hat bekannt- lich Lepidus' Pontificat als illegitim betrachtet, wie es denn auch er- schlichen war.

*) Sneton 52: Helvius Cinna tr. pl plerisque confessus est, ha- buisse se scriptam paratamque legem, quam Caesar ferre iussisset, cum ipse abesset, ut uxores liberorum quaerendorum causa quas et quot vellet ducere liceret. Sueton, der die Angabe unter die Geschichten von Caesars geschlechtlichen Ausschweifungen einreiht, hat den Sinn des Antrags so wenig verstanden, wie Dio 44, 7, 3 4|A6).ei xal fovai$tv Soatc £v iO-tX^-p oovtival ot itoXfvrjodv ttvi{ ijcitps^at, 5tt noXXat^ xal tott ftt, xatictp it8vrrjxovto6rr|< a»v, iyp^joato. Auf den Antrag sielen die bei Gellius XVI 7. 12 erhaltenen Verse des Laberius:

Duos uxores? hoc hercle plus negoti est, inquit cocio:

sex aediles viderat. .Zwei Frauen willst du haben? Da gibt's wahrhaftig mehr au tun, sagt der Mittelsmann: sechs Aedilen dagegen [die Caesar eingeführt hatte, oben 8. 461] hatte er schon gesehn." Helvins Cinna, ein Werkzeug Cnesars, ist derselbe, der bei Caesars Leichenfeier irrtümlich als Mörder zerrissen wurde.

*) In seinem Testament hatte er ihn selbstverständlich unter dein bisherigen Recht nicht berücksichtigen können.

526

Caesars Monarchie

Nach ahmung Caesars Antonius gegangen ißt, der Kleopatra neben Octavia zu seiner rechtmäßigen Gattin erhob1), freilich ohne dazu durch ein Gesetz die rechtliche Basis zu besitzen. Antonius hat denn auch den Caesarion als Sohn Caesars anerkannt. Eben darum konnte Octavian ihn nicht dulden; während er die Kinder der Kleopatra von Antonius aufzog, ja halbwegs als Mitglieder seiner Familie behandelte, hat er den Knaben, der ihm als Rivale und berechtigterer Erbe Caesars entgegengestellt wurde, umbringen lassen, als er in seine Hände fiel.

In Ausführung der Senatsbeschlüsse hat Caesar, wahrschein- lich am 14. Februar*), die vierte Jahresdictatur niedergelegt und die lebenslängliche angetreten8). Seitdem erscheint der Titel did. perpetw meist, und gelegentlich statt dessen porww patriae auf seinen Münzen. Aber schon vorher hatte er die ersten Schritte zur Erlangung der Königswürde getan. Mit dem Senat war dafür zunächst nichts zu machen ; so sollte die Volksstimme die Forderung erheben. Denn wie Pompejus und später Augustus wollte auch Caesar gezwungen sein, die Last, die sein Herz be- gehrte, auf sich zu nehmen. Als er am 26. Januar vom latinischen Fest im feierlichen Zuge der Ovation in Rom einritt, war seine Statue an den Rostren mit einem lorbeerbekränzten Diadem geschmückt, und aus der Menge wurde er als König (Rex) an- gerufen. Scheinbar unwillig und die Anrede mißverstehend ant- wortete er, mit mißglücktem Witz, wie er ihm sonst kaum je entschlüpfte: „Ich heiße nicht Rex, sondern Caesar." Das

') 8. seinen Brief bei Sueton Aug. 69. Vgl. Kromatbr, Hermes 38,

1898, 8. 35 ff.

*) Nach Val. Max. VIII 11, 2 (vgl. 1 6, 18) warnt der Haruspex Spurinna infolge eines schlechten Vorzeichens Caesar vor den nächsten dreißig Tagen, von denen die Iden de« Marz der letzte ist. Das geschah aber nach Cicero de div. I 119. der es genau wissen konnte, an dem Tage, an dem Caesar zuerst im Purpurgewand auf dem goldenen Stuhle saß (vgl. oben S. 515, 5), also unmittelbar nach der Szene mit dem Senat, in der ihm auch die lebenslängliche Dictatur übertragen wurde. Daß er am 26. Januar ovans ex monte Albano noch Dict. IUI war, lehren die Triumphal fasten.

3) So in den Fasten CIL. 1 1 p. 28. 61. 64.

Angebot des Königtums

527

Diadem wurde von der Statue durch die Tribunen C. Epidius Marcellus und L. Caesetius Flavua entfernt, und sie schritten ^ogen die Urheber des Skandals ein und setzten sie unter all- gemeiner Zustimmung gefangen. Da hielt Caesar mit seiner wahren Gesinnung nicht mehr zurück: er versuchte zunächst, den Vater des Caesetius, einen römischen Ritter, zu bestimmen, seinem Sohn die Niederlegung des Tribunats zu befehlen1), und als der sich weigerte, verklagte er beide Tribunen in einer Senats- sitzung im Tempel der Concordia, sie suchten durch die Be- schuldigung, er strebe nach dem Königtum, beim Volk Haß gegen ihn zu erregen, sie seien des Todes schuldig. So weit wollte er allerdings nicht gehn ; aber er veranlaßte ihren Kollegen Helvius Cinna, ihre Absetzung zu beantragen (vgl. S. 530, 2) d e Comitien mußten natürlich gehorchen , und stieß sie dann kraft seiner sittenrichterlichen Gewalt aus dem Senat*).

Wenig später, am 15. Februar bei den Luperealien, wieder- holte sich derselbe Vorgang, diesmal in formellerer Weise. Der Cotisul Antonius, der als Lupercus Julianus den altherkömm- lichen nackten Wettlauf hielt, trat an Caesar, der in seinem königlichen Prunkgewand auf dem tags vorher bewilligten goldenen Thron saß, heran, und überreichte ihm in feierlicher

') Val. Max V 7, 2.

z) Der Hergang (erwähnt auch Cic. Phil. XIII 81) wird, mit mancherlei Variationen in Einzelheiten, berichtet von Liv. ep. 116. Dio 44, 10. Appian II 108. Plut. Caes. 61 (Anton. 12 hat Plutarcb den Vorgang fälschlich an die Luperealienszene angeschlossen). Vellejus II 68, 4 f. Nie. Dam. 20; bei letzterem wird der Zuruf des Volks , der CaeBar als König be- grüßt, absichtlich hinter die Absetzung der beiden Tribunen gestellt, und Caesar antwortet, dieser Forderung könne er nicht nachgeben, ßooXtQ&oti fäp <}i&XXov) r»)v Rjtatov apx'iiv t^ttv vo[Ufiu»$ $j ßootX«tav icapavö|ia>c. Die Ab- setzung durch Cinna (vgl. Dio 46, 49, 2) und die Ausstoßung aus dem Senat durch Caesar (censoria nota, Vell.) sind zwei verschiedene Akte. Nach Nikolaos 22 waren sie verbannt und dann durch ein von Caesar ge- billigtes Gesetz des Praetore Cornelius Cinna zurückberufen worden; das kann, trotz Appian Hl 122, 514, der ihre Röckberufung aus dem frei- willigen Exil durch Cassius am 16. März gefordert werden läßt, doch richtig sein. Nach Vellejus klagt Caesar, esse ifibi miserrimum, quod aul natura sua ei excedendum foret aut minuenda dignitas.

528

Caesars Monarchie

Rede ein Diadem mit den Worten: „Dies sendet dir das römische Volk durch mich." Die naive Auffassung, als habe Antonius auf eigne Paust gehandelt, bedarf auch hier keiner Widerlegung. Aber die erwartete Zustimmung der Menge blieb aus: so lehnte Caesar das mehrfach wiederholte Angebot ab, ja er riß sich das Gewand vom Hals und bot jedem, der Lust habe zuzustoßen, seine Kehle dar1); das Diadem ließ er zum Juppiter aufs Capitol bringen, denn dieser allein sei der König der Römer, und zu- gleich in die Akten eintragen, daß er die ihm vom Volk durch den Consul angebotene Königswürde nicht angenommen habe (vgl. S. 517) 2).

Es war klar, daß auf diesem Wege ohne offene Gewaltsam- keit nicht zum Ziel zu gelangen war. Da griff er zu einem andern

') Diesen Zug bietet Plutarch Anton. 12; im Caes. 60 hat er ihn an die Szene mit dem 8enat verschoben und läßt ihn sein Verhalten später mit der drohenden Epilepsie entschuldigen. Das hat Shakespeare für seine großartige Ausgestaltung der Szene benutzt.

*) Den Hergang erzählen im wesentlichen identisch Liv. 116. Dio 44. 11. Appian II 109. Plut. Caes. 60 = Anton. 12. Vellejus TL 56. 4. Erwähnt bei Cic. Phil. H 84 ff. III 12. V 38. XIII 17. 81. 40. Nie. Dam. 21 läßt das Diadem zuerst durch einen Licinius auf den 8ug~ gestus gelegt werden; das Volk fordert, daß Lepidus es Caesar auf- setze, als der zögert, legt es ihm Cassius, der Caesarmörder, begleitet von Casca, auf die Knie das ist handgreifliche Verleumdung , dann greift Antonius ein. Die Volksstimmung ist nach dieser Darstellung natürlich ganz überwiegend für die Annahme des Königtums, aber An- tonius hat aus eigenem Antrieb gehandelt, und Caesar bleibt fest. Nach einem it»po<; \öfo$ hofft Antonius, in dem Glauben, Caesar dadurch einen Gefallen zu tun, so seine Adoption zu erreichen (?gl. oben S. 880). Nach der Rede Octavians an Antonius bei Appian UI 17, 60, vgl. 19, 72 hätte Caesar diese Adoption ernstlich erwogen; aber er habe gefürchtet. Antonius, der Nachkomme des Herakles (oben 8. 510, 1). würde es als eine Degradation betrachten, ein Aeneade zu werden. In der Rede des Fufius Calenus bei Dio 46, 17. 19, 4 hat umgekehrt Antonius dem Caesar das Diadem angeboten, um ihn zur Vernunft zu bringen und zu zwingen, seine monarchischen Aspirationen aufzugeben. So absurd das ist, so zeigt es doch, in welchem Licht die Partei des Antonius unter dem Druck der öffentlichen Meinung ihren Führer erscheinen lassen möchte; es entspricht der Aufhebung der Dictatur durch Antonius.

Da« Sibyllenorakel. Sonderstellung Italien« im Weltreich 529

Mittel : in den sibyllinischen Büchern entdeckte der Quindecemvir Lucius Cotta (der Consul des Jahres 65) den Spruch, die Parther könnten nur von einem König besiegt werden1). Dieser gött- lichen Weisung mußte der fromme Senat sich ebenso fügen, wie zwölf Jahre zuvor der über die Intervention in Aegypten. Dafür war Caesar bereit, auch seinerseits einen Schritt ent- gegenzukommen und dadurch zugleich an seinen feierlich ge- gebenen Erklärungen formell festzuhalten: Rom und Italien sollten von dem Königreich eximiert bleiben, der Königstitel nur für die Untertanen lander gültig sein*).

Auch diese Angabe ist bestritten worden. Man hat nicht beachtet, daß sie vollständig der Gestaltung entspricht, welche Alexander, und dann Antigenes und die Seleukiden seit Antiochos II. ihrem Weltreich gegeben haben: auch hier blieben die Griechenstädte frei, unter eigener Verwaltung und eigenem Recht; aus dem Machtbereich des Königs waren sie ausgeschieden, und seine Beamten hatten in ihnen nichts zu befehlen. Dafür aber erkannten sie ihn als Gott an, und waren

') Sueton 79. als fama: proximo senatu Lucium Cottam quin' deeimvirum sententiam dicturum, ut, quoniam libris fatalibus con- tineretur, Parthos nisi a rege tum posse vinci, Caesar rex appelia- retur. Ebenso Dio 44. 15, 8 (Xö-po t«P *tv0« °»v 4Xijd«öc **i ^•odo&c, otä itoo tptXtc ÄtOfOKOitloftai , 3c*Xdovro<). Appian 110 = Plut. Caee. 60. Daß das Gerücht durchaus begründet war , bezeugt so deut- lich wie nur möglich Cicero de div. II 110 (geschrieben im Sommer 44) : Sibyllae versus, quorum interpres nuper falsa quadam hominum fama in senatu dicturus puiabatur eum, quem re vera regem habe- bamus, appellandum quoque esse regem, si salvi esse veüemus. Un- begreiflicherweise folgert Momhsen. Röm. Gesch. III 7 485 aus dieser Stelle, das Gerücht sei wirklich falsch gewesen; als ob Cicero anders hätte reden können! Zur Ausführung ist der Plan ja nicht mehr gekommen, also ließ er sich ableugnen. Aber Mommskn hat ganz übersehn, daß Cicero unmittelbar darauf den Spruch als echt behandelt: hoc si est in libris, in quem hominem et in quod tempus est? und den Zweifel ge- radezu zurücknimmt: cum antistitibus agamus, ut quid vis potius ex Ulis libris quam regem proferanl , quem Romae posthac nee di nee

') Diese Angabe haben nur Appian II 110, 461 und Plutarch Caes. 64 aus der gemeinsamen Quelle bewahrt.

Meyer, Ca«Bar< Monarchie 34

530

Caesars Monarchie

daher verpflichtet, seine Willenserklärungen als Gottgebot an- zunehmen und zu befolgen wie ein Orakel. Wie auf diese Weise die freien Rechtsstaaten der Griechenwelt in die Universal- monarchie eingefügt waren, würde fortan Rom und Italien inner- halb der Monarchie Caesars als Freistaat gestunden haben, nur daß Caesar hier noch unmittelbarer hätte eingreifen können, da er nicht nur

hätte sich alsdann die Gestaltung der Welt in ihr Gegenteil ver- kehrt, wie im Reich Alexanders: aus dem weltbeherrschenden Volk wären die Römer, während ihre Heere die Welt eroberten, ein von der allgemeinen Reichsordnung eximiertes Glied der Weltmonarchie geworden.

Die Opposition und die Verschwörung

Durch diese Vorgänge, die sich in rascher Folge abspielten, wurde, trotz aller feierlichen Erklärungen, die Mißstimmung über Caesars Regiment gewaltig gesteigert. Nicht nur die Anhänger des Senats, die sich ihm gefügt hatten, sahen alle Hoffnungen Bch winden, sondern ebenso die Demokraten, welche die Ge- danken Sallusts geteilt hatten; gerade die ehrlichen unter seinen Anhängern, soweit sie nicht überzeugte Monarchisten waren, mußten sich am meisten enttäuscht fühlen. Wo sich ein Anlaß bietet, kommt diese Stimmung zum Ausdruck. Caesetius und Marullus werden bejubelt und als neue Brutus gepriesen, die wie dieser den Tyrannen gestürzt haben1). Sie selbst haben ein Edikt angeschlagen, in dem sie über die Unterdrückung der Redefreiheit Klage führten1). Als kurz darauf die Gonsulwahlen

') Plnt. Caes. 61 : Caesar habe daher in seiner Anklage im Senat beide wiederholt als brttti et Cymaei, d. i. als Dammköpfe und Schild- bürger nach Art der Bewohner von Kjme (Strabo XIII 8, 6, wegen iv atod-noia verhöhnt) bezeichnet: *ov dr^ov tfoßptC<»v soXXdnuc Bpoötooc wai

s) Dio 45, 10, 2, nach dem erst die« Edikt Caesar den Anlaß an ihrer Absetzung gibt, während er vorher nur seinen vollen Unwillen ausgesprochen habe.

Ein demokratische« Pamphlet gegen Caesar

531

stattfanden, wurden mehrfach Stimmen für sie abgegeben1). An der Statue des Lucius Brutus bei den Königen auf dem Capitol fand man die Inschrift: „Daß Du doch lebtest!" und an der Caesars die Verse: „Brutus ist, weil er die Könige verjagt hat, der erste Consul geworden, dieser ist, weil er die Consuln ver- jagt hat, zuletzt König geworden"2). Auf Marcus Brutus, den Nachkommen des Begründers der Republik und des ServUius Ahala (vgl. S. 456), jetzt Praetor urbanus, richteten sich un- willkürlich die Augen; Worte wie „Brutus, du schlafet" oder „Du bist kein Brutus" fanden sich wiederholt auf seinem Tri- bunal3). Wir besitzen Kunde von einer interessanten Broschüre, in der diese Stimmung Ausdruck gefunden hat4). Ihr Verfasser benutzt die Traditionen von dem Prozeß des Lucius Scipio Asiaticus: er ist verhaftet und soll ins Gefängnis abgeführt werden, da trifft sein Bruder, Publius Africanus, aus Etrurien ein, stößt den Büttel weg, und entreißt ihn den Händen der Tribunen. Da hält Tiberius Gracchus, selbst Tribun, eine Rede, in der er klagt, die tribunicische Gewalt sei so durch einen Privat- mann aufgehoben. Früher sei Scipio ganz anders aufgetreten, er habe dem Volk zum Vorwurf gemacht, daß es ihn zum lebens- länglichen Consul und Dictator machen wolle, er habe ver- hindert, daß ihm Statuen auf dem Comitium, den Rostren, der Curie, dem Capitol, in der Cella Juppiters gesetzt würden, daß man beschließe, seine Wachsmaske im Triumph algewand im Juppitertempel zu verehren und von dort zu holen8). Jetzt aber

') Sueton 80. Dio 45, 11, 4.

') Sueton 80. Dio 45, 12. Fiat Brat. 9. Die Verse lauten: Brutus, quia reges eiecii, consul primus f actus est; Hic, quia consules eiecit, rex postremo f actus est.

') Dio 45, 12. Plut. Brat. 9 = Caes. 62.

*) Livius 88, 56, 5. 8—18; Wesen und Tendenz der Broschüre hat Mommsen, Rßm. Forschungen II 502 ff. erkannt Es war eine selbständige Schrift in Redeform, nicht etwa eine Einlage in Annalen.

*) Das ist der einzige Zug, der für Scipio wenigstens insoweit zu- trifft, daß seine Wachsmaske wirklich in späterer Zeit hier verwahrt und für die Leichenfeiern von hier geholt wurde (Val. Mai. VIII 15, 2. Appian Iber. 23; vgl. Ber. Berl. Ak. 1917, 1076): aber Mommsen weist

532

Caesar. Monarchie

sei er degeneriert und habe alle Mäßigung vergessen; ihm selbst aber, dem Redner, bleibe nichts übrig, als selbst gegen die Ge- fangensetzung des Lucius Scipio zu interoedieren, denn es sei erträglicher, daß die tribunicische Gewalt und die Staatsver- fassung von einem Tribunen als von einem amtlosen Manne ge- brochen werde. Daß alle diese Dinge in der Zeit Soipios ganz unmöglich sind, ist klar; wohl aber treffen sie sämtlich auf Caesar zu. Somit ist unter der Maske des Scipio in Wirklichkeit Caesar gemeint; die Schrift stammt aus den Kreisen seiner Anhänger, von einem Manne, der seine Leistungen denen Scipios gleich- stellt, aber sein späteres Auftreten nur um so schmerzlicher empfindet und ihm in der Rolle, die er Scipio spielen laßt, vor- hält, wie er sich den Anträgen auf seine übermenschlichen Ehren und verfassungswidrigen Ämter gegenüber hätte verhalten sollen. Dem rechtlichen Bürger bleibt nichts übrig, als seine Entartung zu bedauern und sich der Gewalt zu fügen, ja sie unter den Formen des Rechts zu verhüllen, damit wenigstens der Anschein gewahrt werde, als bestehe der Staat noch1). Die Broschüre muß im Februar 44, nach der Übertragung der lebenslänglichen Dic- tatur oder vielleicht im Januar während der Verhandlungen darüber, um womöglich noch Caesars Ablehnung zu erwirken? , geschrieben sein, jedenfalls kurz vor Caesars Ermordung1).

Andre gingen weiter. Aus den geschilderten Vorgängen und Entwürfen ist mit innerer Notwendigkeit die Verschwörung er- wachsen, der Caesar zum Opfer gefallen ist.

Dieser einfache Zusammenhang, der den alten Historikern, Livius, Dio, Plutarch, Sueton, völlig klar ist, ist von den modernen deutschen Darstellern meist gänzlich verdunkelt worden. Für Dbo-

mit Recht darauf hin, daß auch Caesar« Statue für die Feataufsdge aas dem Jappitertempel geholt wurde.

') Vgl. Dios gleichartige Äußerung 42, 20. 1 f., oben 8. 871.

*) Mommsen will sie schon ins Jahr 49 setzen, weil sich da« gewalt- same Auftreten Scipios gegen die Tribunen deutlich auf den Konflikt Caesars mit L. Ifetellus im April 49 bezieht (vgl. S. 851). Aber damals konnte weder von der lebenslänglichen Di etat ur noch gar von den son- stigen hier aufgezahlten Ehren die Bede sein; sie muß wesentlich später

Die Motive der Verschwörung. Brutus' Stellung 533

mann steht es fest, daß die Verschwörung „nicht dem Könige galt, sondern Caesar", niedrige Motive sind der wahre Anlaß, die Losung Freiheit und Republik nur ein Vorwand; die Tat sei nicht nur politisch ein Unglück von den verderblichsten Folgen, sondern sittlioh ein Verbrechen. Noch weiter geht Mommsen; nicht nur, daß er von Caesar und seiner Staatsgestaltung ein Idealbild zeichnet, welches unter den damaligen Römern kein einziger als zutreffend hätte anerkennen können, sondern er ver- langt auch, daß man die durch die Entwicklung notwendig ge- wordene Monarchie als legitim habe anerkennen sollen, und kehrt so das Verhältnis zwischen der Republik und dem Usur- pator geradezu um; die „sogenannten Befreier", wie er standig sagt, haben unter dem Deckmantel republikanischer Phrasen nur niedere persönliche Ziele und die Aufrichtung ihrer eignen Herr- schaft statt der Caesars erstrebt, die Person des Brutus verfolgt er geradezu mit erbittertem Haß. Das hat dann ganz ver- hängnisvoll auf die Späteren gewirkt und die seltsamsten Zerr- bilder von Brutus geschaffen, von denen die Darstellung 0. E. Schmidts1) und als Gegenbild dazu die von Ed. Sohwartz8) als Probe dienen mögen, der zwar Brutus' Persönlichkeit und Motive weit richtiger auffaßt, als Schmidt, aber seine Politik und Strategie und darum auch sein Verhältnis zu Cicero eben so falsch beurteilt hat.

Und doch hegen die Dinge einfach genug. Brutus' Stellung und Auffassung haben wir bereite kennen gelernt. Seine republi- kanische Oberzeugung hatte ihn, im Gegensatz zu den Tra- ditionen seiner Familie, ins Lager des Pompejus geführt; aber diese Traditionen ermöglichten es ihm, mit Caesar seinen Frieden zu machen und unter ihm hohe Stellungen einzunehmen, ohne seine Gesinnung zu verleugnen. Zugleich überbrückte das ge- meinsame republikanische Gefühl in der Opposition gegen die werdende Monarchie den alten Gegensatz der Parteien; so wurde Cato, der Stiefbruder seiner Mutter, sein Ideal, er schrieb die Lobschrift auf ihn, heiratete seine Tochter, und wies Ciceros un-

') Oben S. 454, 2.

a) Hennee 33, 1898, 285 ff.

534

Caesars Monarchie

unterbrochenes Werben wenigstens nicht zurück. Aber noch im Sommer 45 hoffte er, Caesars monarchisches Schalten sei nur ein unvermeidliches Übergang83tadium gewesen, er werde jetzt nach dem Siege die Verfassung wieder aufrichten (S. 456) ; um so tiefer war die Enttäuschung, als er nun so ganz andre Wege einschlug.

Damit war aber für einen Mann von Brutus' Gesinnung und Haltung der Weg gewiesen, und daran konnte auch das Wohl- wollen nichts ändern, das Caesar ihm fortwährend bezeugte für Caesar war offenbar weit weniger eine aus seinem Verhältnis zu Brutus' Mutter stammende Zuneigung wirksam, als da« Streben, gerade einen Mann von dieser Haltung in seinen Diensten zu haben; in seinem Testament hat er ihn nicht be- rücksichtigt. Wenn Caesar nach dem Königtum strebte, stellte er sich außerhalb des Gesetzes; und damit war jeder Römer nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, an ihm das Urteil zu vollziehn, das er sich selbst gesprochen hatte, und mit jedem erreichbaren Mittel die Usurpation zu verhindern. Gerade Brutus war durch die Tradition seiner Familie in doppelter Weise, von Vaters- wie von Muttersseite her1), dazu prädestiniert. Von allen Seiten wurde ihm diese Anschauung entgegengetragen; wenn sich ihm Genossen für die Tat anboten, konnte er garnicht anders, als darauf eingehn.

Dieselben Gedanken traten auch bei andern hervor. Es ist nur natürlich, daß dabei persönliche Momente mitwirkten: so- lange man die Wirkung der Monarchie nicht am eigenen Leibe erfuhr oder gar vom Herrscher Vorteile erhielt, mochte man sie

') Dabei ist ganz gleichgültig, wie es sich mit der umstrittenen Abstammung von dem sagenhaften Begründer der Republik tatsachlich verhielt (oben S. 456, 8); für Brutus selbst stand die Abstammung zweifellos fest, und für die Masse der Römer auch, und allein auf diesen Glauben kommt es an. Eben um dieser Stellung willen wird Brutus nicht nur in Plutarchs Biographie in den Mittelpunkt der Verschwörung gestellt, sondern von Dio 44. 14 geradezu als ihr Anstifter betrachtet; auch bei Livius stand er im Vordergrund (ep. 116 ex his causis con- spiratione in eum facta, cuius capita ftterunt M. Brutus et C. Cas- sius, et ex Caesaris partibus Dec. Brutus et C. Trebonius).

Castus' Persönlichkeit und Motive

535

ertragen, sobald er die eigenen Interessen verletzte, trat das Gefühl, daß man wider alles Recht einen Herrn habe, nur um so stärker hervor, und der Eidschwur mahnte, durch den die Vorfahren alle künftigen Generationen gebunden hatten, nie wieder einen König in Rom zu dulden. Gerade bei Cassius, dem .eigentlichen Anstifter und Organisator der Verschwörung1), wird das Motiv stark hervorgehoben, daß er sich dadurch gekränkt fühlte, daß Caesar seinem Schwager Brutus, obwohl er der jüngere war, die vornehmere städtische Praetur verliehn und ihn mit der Fremdenpraetur abgefunden hatte*). Aber, wie schon Plutarch hervorhebt*), es ist ganz unberechtigt, ihm des- halb eben Vorwurf zu machen. Wir kennen ihn und seine Ge- sinnung genügend aus seinen Briefen an Cicero: er war ein stolzer Republikaner4), „der letzte Römer", trotz seines Be- kenntnisses zum Epikureismus von starker, oft heftig hervor- brechender Leidenschaft; schon als Knabe hatte er dem Faustus Sulla eine Ohrfeige gegeben, als dieser die Gewaltherrschaft seines Vaters pries, und Pompejus hatte damals vermitteln müssen'). Im Bürgerkrieg hatte er, im Jahre 49 Tribun, mit einer Flotte gegen Sicilien operiert und sich dann, nach Pompejus' Tode,

*) Bei Plutarch sammelt er die Verschworenen und zieht auf ihren Wunsch auch den Brutus heran, mit dem er bis dahin um der Praetur willen und schon vorher aus privaten Gründen (14 «ituüv «potiptov T,<jo}ej} 8icKp»pofiivot>c» Plut. Brut. 7) zerfallen war; das Gespräch, durch das er ihn gewinnt, wird c. 10 = App. II 118 ausführlich mitgeteilt. Das geht doch wohl auf Brutus' Freund, den Rhetor Empylos zurück, der xatm- AJXomt juxpäv fiiv, ob <paöXov Ii oö-pfpafifia trtpl Kaisapoc orvatpfatax;, 3 Bpo&toc iiu-jifpaitmt. Das schließt natürlich nicht aus, daß Brutus auch selbst schon dem ihm so vielfach entgegengetragenen Gedanken naher getreten war. Die bekannte Szene mit Porcia (Plut. Brut. 13 = Dio 44, 18, Val. Max. III 2, 15. Polyaen VIII 50) stammt dagegen aus dem ßtßXi&tov juup&v &«opvr))iovct>|i<&Tu>v Hpoötoo des Bibulus, ihre» Sohns aus erster Ehe (Plut. Brut. 13. 23).

») Vellejus n 56, 8. Plut. Brut. 7 = Caes. 62 = App. II 112, 446 f.

») Plut. Brut, 9.

4) Vgl. Cic. Phil. II 26 C. Cassius in ea famüia natus, qttae non modo dominatum, sed ne potentiam quidem cuiusdam ferre potuit. Auf welche Vorgänge oder Traditionen sich das bezieht, wissen wir nicht

») Plut. Brut. 9. Val. Max. III 1, 3.

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im Osten dem Caesar ergeben1); als aber Caesar beim Feldzug gegen Pharnakes von Antiochia nach Tarsus fuhr2), wollte er die Gelegenheit benutzen, ihn bei der Landung zu beseitigen, konnte indessen, da Caesar am entgegengesetzten Ufer landete, den Plan nicht ausführen3). Dann hat er sich den Verhältnissen gefügt und mit philosophischen Fragen beschäftigt4) (vgl. oben S. 431), bis die Krisis eintrat. Daß er zu Anfang des Jahres 44 im Senat, wo er als Praetor gezwungen war, sich zu äußern, gegen Caesars Ehrungen gestimmt hat, wurde schon erwähnt (oben S. 517) ; aus seiner Gesinnung hat er also kein Hehl gemacht.

Für die Verschwörung bezeichnend ist, daß ein großer, wenn nicht der größere Teil der Teilnehmer aus alten Anhängern Caesars bestand6). So L. Tillius Cimber, einer der Vertrauten Caesars (S. 400, 3)6), Servius Galba, Caesars Legat im Jahre 56

') Dio 42. 18, 1. 6; Tgl. Cic. ad Att. XI 18, 1. 15. 2. Daß die An- gabe Appians II 88 and 111, 464, Gaiu» Cassius habe sieb Caesar im Hellespont ergeben, anf einer Verwechslung mit einem sonst nicht be- kannten Loci ob Cassius beruht, den Dio 42, 6. 2 und Sueton Caes. 68 nennen, hat Groebb bei Druman* II * 548 f. erwiesen.

■) bell. Alex. 66, 1 : Von Syrien ans ipse eadem classe, qua venerat, proficiscitur in Ciiiciam.

*) Cic. Phil. II 26 Cassius . . . hanc rem in Cilicia ad osiium fluminis Cydni confecisset, si iüe ad eam ripam, quam constituerat, non ad conirariam navis appuHsset. Mit Unrecht ist die Angabe Ton Neueren bezweifelt worden; ob Cassius die Tat ausgeführt haben würde, ist allerdings zweifelhaft.

*) S. die Briefe fam. XV 18. 17. 16. 19.

*} Der Gegenpartei gehörten außer Brutus und Cassius Ton be- kannten Persönlichkeiten noch Cn. Domitius, der Sohn des Consuh» des Jahres 54 an, den Cicero daher in der Liste der Hauptverschworenen Phil. II 26 ff. aufführt. Es ist seltsam, aber bezeichnend, daß Dromahn III 2 35 seine Teilnahme diesem authentischen Zeugnis gegenüber leugnet, weil er später Ton den Tri um vir n zu Gnaden aufgenommen und daher seine Teilnahme offiziell bestritten wurde (Sueton Nero 3. Appian V 62, 261, Tgl. 59, 247). Die anderen Pompejaner, wie Ligarius und Pon- tius Aquila (8. 458). treten den Caetarianern gegenüber an Bedeutung ganz zurück.

*) Von ihm sagt Cicero Phil. II 27: quem ego magis fecisse illam rem sum admiratus, quam facturum pitiavi, admiratus autem ob eam causam, quod immemor benefleiorum, memor patriae feett.

Die übrigen Verschworenen

537

und sein Kandidat für das Consulat im Jahr 49 (8. 267), L. Minucius Basilus, gleichfalls Caesars Legat und im Jahre 45 Praetor1); die beiden Brüder Publins und Gaius Casoa*), von denen jener für das Jahr 43 zum Tribunen gewählt war. Noch wichtiger war der Beitritt des Trebonius, der schon im Sommer 46 denselben Gedanken erwogen hatte (S. 448 f.), dann aber von Caesar für den Rest des Jahres zum Consul gemacht war, und vor allem der des Decimus Brutus, der von allen Beteiligten Caesar weitaus am nächsten stand (S. 524) und den Verschworenen durch seine militärische Erfahrung, sowie durch die Gladiatorenschar, die er zur Verfügunghatte, einen besonders willkommenen Rückhalt bot*).

Bei manchen der Verschworenen mögen rein selbstsüchtige Motive das Maßgebende gewesen sein, wie von Basilus berichtet wird, Caesar habe ihn dadurch in der Praetur schwer gekrankt, daß er ihm statt einer Statthalterschaft Geld gab4). Galba war mit Caesar in Konflikt geraten infolge einer Bürgschaft, die er für Pompejus geleistet hatte, und die nun, nach der Konfiskation von dessen Vermögen, verfallen war, und hatte Caesar deshalb in einer Gerichtssitzung interpelliert, worauf dieser dem Gläubiger

') Dio 48, 47, 5, s. 8. 587, 4. Cicero hat ihm gleich nach der Tat das fam. VI 15 erhaltene Billet geschrieben: tibi gratulor; mihi gaudeo; te amo; tua tueor; a te amari et quid agas quidque agatur certior fleri volo.

*) Cic. Phil. II 27 genannt.

») Vellejus II 58. Plut. Brut 12. Nie. Dam. 26. Als tiäv afe$ Katoapi fiXtd-cuiv bezeichnet ihn Appian II 111, 464 natürlich waren die Gegner daher auf ihn ganz besonders erbittert, vgl. Cic. Phil. X 15 , ebenso Nikolaos Dam. 19 , der ihn daher vor allen andern nennt and daran den durch und durch tendenziösen, ganz falschen Satz knüpft, alle seien vorher Gegner Caesars gewesen und von ihm begnadigt worden. Vgl. über ihn die Dissertation von Bonduraht, D. Ianius Brutus Albinos, Chicago 1907.

*) Dio 48, 47, 5. dessen Satz, er »ei berühmt geworden, &ct Kpoxv)- Xemothlc Iv cj) «patirjf t? 6«' afcoö 6«uaft4pifjö« aber jedenfalls nicht richtig ist. Appian III 98, 409 berichtet, daß er im Jahre 48 von seinen Sklaven umgebracht wurde, als er einige zur Strafe zu Eunuchen machen wollte ; eine erfreuliche Persönlichkeit scheint er also nicht gewesen zu sein. Ebenso hat Livius erzählt, wie Oroe. VI 18, 7 zeigt.

538

Caesars Monarchie

das Geld aus seiner Privatkasse auszahlen ließ1). Aber weder bei Trebonius1) noch bei Decimus Brutus liegt zu einer solchen Annahme irgend ein Anlaß vor. Sie erhielten von Caesar alles, was sie nur begehren konnten Trebonius jetzt als Procorum I die Provinz Asia, Decimus Brutus die Cisalpina und dann das Consulat , die Ermordung besserte in keinem Fall ihre Lauf- bahn, sondern gefährdete sie: nur ideale Beweggründe können sie geleitet haben, wie denn auf Decimus Brutus ohne Zweifel ebenso wie auf seinen Namensvetter die Abstammung vom Vertreiber der Tarqainier eingewirkt hat*).

Oft genug sind den Verschworenen der Mangel an Einsicht und die verderblichen Polgen zum Vorwurf gemacht worden die ihre Tat über Rom und die ganze Welt gebracht hat. Das ist auch nicht unbegründet. Aber nur zu leioht vergißt man dabei, daß oft gerade die unheilvollsten Taten aus den reinsten Motiven hervorgegangen sind, da eine idealistische Gesinnung das Ver- ständnis der realen Mächte und der Bedingungen geschichtlichen Schaffens eher hemmt als fördert.

Andre allerdings dachten anders: Favonius lehnte die Teil- nahme ab, denn schlimmer als eine ungesetzliche Monarchie sei ein Bürgerkrieg4). Nachher als die Tat geschehn war, hat er sich natürlich den Republikanern mit Eifer angeschlossen ; aber er sab, was bevorstand : wollte man das Leben unter der Monarchie nicht ertragen, so mußte man wie Cato freiwillig in den Tod gehn, aber nicht den vergeblichen Versuch wagen, die gefallene Entscheidung rückgängig zu machen.

•) Val. Max. VI 2, 11. vgl. Cicero an Lepta fam. VI 18, 3 (Anfang 45).

■) Cicero sagt Phil. II 27 an C. Trebonio ego persuasi? cui ne suadere quidetn ausus essem ; qua re etiam maiorem ei respublica gratiam debet, qui libertatem popuH Romani unius amicitiae prae- posuit depulsorque dominatus quam particeps esse maluü.

») Cic. Phil. II 26. Nach Plnt. Brot 12 wird er, nach einer erfolg- losen Sondierung durch Cassius und Labeo, von M. Brutus sofort gewonnen.

') Plut. Brut 12, wo aht Gegenbild zu ihm der Epikureer Ströhns genannt ist, der erklart, ein verständiger Weiser dürfe sich durch schlechte und unverständige Leute nicht aus der Ruhe bringen lassen. Beiden tritt Labeo nachdrücklich entgegen.

Idealistischer Charakter der Verschwörung 539

Welche Gesinnung die Verschworenen beherrschte, zeigt die Ablehnung des Eides1) und die Tatsache, daß sich unter etwa sechzig Teilnehmern2) kein Verräter fand, und klarer noch die Verhandlung über die Frage, ob außer Caesar noch andre fallen sollten, vor allein Antonius, da man auf Trebonius* Bericht über den Vorgang im Sommer 45 den Gedanken aufgab, auch ihn zur Teilnahme aufzufordern*). Es ist dem Brutus wie von Cicero, so seitdem immer wieder vorgeworfen worden, daß er das ver- hindert und so das Werk nur halb vollbracht, sich selbst den Untergang bereitet habe. Aber Caesar war auf manifester Tat ertappt und vogelfrei, jeder andre dagegen nicht; mochte er noch so viel begangen haben, dagegen gab es rechtlich nur die Klage und das Urteil der Gerichte. Gerade daß alle politischen Erwägungen und Klugheitsrücksichten zurückstehn mußten, hebt ihre Tat: die Verschworenen hätten ihr Werk geschändet, wenn sie auch Antonius umgebracht hätten.

Caesars Ermordung

Daß seinem Leben Gefahr drohe, wußte Caesar sehr wohl, er kannte die Römer gut genug, um zu wissen, wie sie über sein Verhalten denken mußten. Auch daß er gegen Cassius und Brutus Verdacht schöpfte, ist glaubwürdig überliefert: denen, die ihn vor Antonius und Dolabella warnten, die eben damals wieder in erbittertem Hader lagen (oben S. 461), antwortete er, diese Leute, die das Leben in vollen Zügen genössen, fürchte er nicht, wohl aber die blassen und mageren Gestalten, wie eben den Cassius und Brutus4). Vorsichtsmaßregeln verschmähte

') Plut. Brut 12. App. II 114, 475. •) Sueton Caes. 80.

») Plut. Anton. 18. Brut. 18. 20. App. II 114 , 478. Vell. II 58. Daß man auch Lepidus' Ermordung erwogen habe, sagt Dio 44, 19; ifivovto a iv a&toit Xofot, a>< ^pvj xat 5XXoo£ ävaip»ta{hxt, dem Brutus ent- gegentritt, Nie. Dam. 25. Ober Antonius schreibt Brutus am 15. Hai 48 an Cicero (ep. ad Brut. 14, 2): ülud quidem non muto, quod ei, quem me occidere res non coegit, neque crudelüer quiequam eripui neque dissölute quiequam remisi.

«) Plut. Caes. 62 = Brut. 8. Anton. U.

540

Caesar» Monarchie

er hier wie überall; aber es ist sehr glaublich, daß er das Zerwürfnis zwischen beiden in dem Streit um die Praetur ab- sichtlich schürte1), ebenso wie das zwischen Antonius und Dola- bella. Als er vor Brutus gewarnt wurde, soll er geantwortet haben, dieser könne doch ruhig seinen Tod abwarten; alsdann, das ist der Sinn dieser Äußerung, sei ihm eine leitende Stellung im Staat gewiß*). Indessen wies er alle weiteren Warnungen ab, so gut wie die Schutzwachen, die man ihm bot (oben S. 470): er wolle nicht in ständiger Furcht leben. Innerlich hatte er sich längst gänzlich von Rom losgelöst; nur noch wenige Tage, so konnte er die Stadt verlassen, und schwerlich wäre er, wenn er den Osten erobert hatte, je wieder in sie zurückgekehrt, es sei denn auf wenige Tage, um noch einmal einen Triumph zu feiern*).

AJle Vorbereitungen waren getroffen. Etwa Ende Februar hielt er die Wahlcomitien ab, in denen die Consuln gleich für die Jahre 43 und 42 nach seinen Wünschen gewählt, die Praetoren und sonstigen Beamten für das laufende Jahr bestellt wurden; ebenso hat er die Provinzen für das Jahr 44 vergeben4). Am 18. Marz beabsichtigte er, zur Armee nach Makedonien abzugehn*) ;

') Piat. Brut. 7 ol ik Katoapoc »pfov Ttvsa&ou ?tXovtt«iav taörnv, txaTlpw xpof o iXml&<uv ivÄiÄovtoc iaotov. Dem entspricht es, daß er zwar Cawnus größere Ansprüche (infolge seiner Leistungen in Syrien nach Crassun' Tod) anerkannte, aber dennoch dem Brutus den Vorrang gab.

*) Plut. Caes. 52 = Brut. 8. 0. E. Schmidt hat die Erzählung voll- ständig miügedeutet, wenn er meint, Caesar habe dem Brutus dadurch Hoffnung auf seine Nachfolge gemacht (vgl. oben S. 454, 2).

•) Cicero schreibt am 28. Mai 44 an Atticus (XV, 4, 8): nus Idus Martiae non delectant (s. S. 542, 5) : ille enim numquam revertisset, was doch wohl nicht nur die Möglichkeit einer Katastrophe, sondern auch die seines dauernden Aufenthalts im Osten andeutet

*) Über die Provinzen und ihre Statthalter unter Caesar s. die ein* gehende Untersuchung von Stkrnkopf, Hermes 47, 1912 , 821 ff., der nachweist, daß Caesar darüber für das Jahr 48 noch keine Anordnungen getroffen hat Im übrigen s. Dio 48, 51, nach dem er beabsichtigte, die Ämter auf alle drei Jahre des Feldzugs im voraus zu besetzen, das aber auch bei den Consuln und Tribunen nur für das zweite Jahr ausführte.

*) App. II 111, 462 t&ttvoi 8'oOtov piXXovta «pö raapnjs Yjuipac ol tX&pol xatixovov; ebenso 114, 476.

Caesar* Ermordung

541

auf den vierten Tag vorher, den 15. Märe, war die Senats- sitzung angesetzt, in der der Antrag auf die Verleihung des Köni^stitels auf Grund des Sibyllenorakels gestellt werden sollte4).

Eben das hat die Verschworenen gezwungen zu handeln. Sie hatten zunächst verschiedene Pläne erwogen: Caesar bei den Vorbereitungen zu den Wahlen zu ermorden, wenn er noch vor Tagesanbruch (um die Auspicien richtig einzuholen) die Brücke über den Bach Petronia auf dem Marsfeld überschritte; oder auf der Via sacra, wo er sich gleichfalls im Gedränge der engen Straße leicht von seinem Gefolge abschneiden ließ ; oder beim Eintritt ins Theater1). Keiner dieser Pläne kam zur Ausführung; unent- schlossen zögerte man so lange, daß die Gefahr der Entdeckung immer dringender wurde*). Da ließ die Ansetzung der Senats- sitzung auf den 15. März keine Wahl mehr: es war der letzte Moment, der noch zur Verfügung stand, und mit Recht hob Cassius hervor, daß er und Brutus als Praetoren alsdann ge- zwungen sein würden, sich über die Ernennung zum König zu

') Offiziell stand nach Cic. Phil. II 88 die Frage der Besetzung seines Consulats durch Dolabella und der von Antonius dagegen er- hobene Einspruch (oben S. 461) zur Verhandlung: auspicia, de qui- bus Idibus Martiis fuit in senatu Caesar acturus.

») Diese Plane berichten übereinstimmend Sueton 80 qui primum cunctati, utrumne in Campo per comitia tribus ad suffragia vocan- tem partibus divisis e ponte deicerenl atque exceptum trucidarent, an in Sacra via, vei in aditu theatri adorirentur, postquam senatus Idibus Mariiis in Pompei curiam edictus est, facüe tempus et locum praettderunt; und Nie. Dam. 23 tivk« uiv o&v clai>ipov, fco r?|« 'hpd«; xaXoupiwic ö8oö Uvxt i-fttiptlv- i<poka -fftp KoXXaxt«; ixtlvij (da lag »eine Amtswohnung, die Regia) Sk\ot V Iv toi? ap^ouptotau;, iv al« fttt xa&t- stavra iv *«p ttpi rite ic&«a»c iwÄhp t&c &PX^C lu&vm «vo fftpopav, itaxÄ.v]- otüjxtvoi fpyov, 8na»{ ot |iiv u>attav abxbv 4k6 rrjs fttpüpac ol &i i*i8pa- fiovttc xtnvatav' alXot 84, btav *4at fiovojtd^tuv Siftuwu. (die an Stelle des Theaters bei Sueton treten); dann entscheidet man sich für den Senat. Den Plan auf dem Martfeld hat M. Deutsch, The plot to murder Caesar on the bridge , Univ. of California Publications in class. Pb.iL II 1916, 267 ff. sehr hübsch erklart, durch Heranziehung der Petronia amnis, quam magistratus auspicato transeunt, cum in Campo quid agere volunt (Pestus p. 250, vgl. Mommsbj», Staatsrecht I * 98, 6).

\i Dio 44, 15. 1.

542

Cae*an> Monarchie

äußern, und weder schweigen noch dagegen sprechen konnten, also ihre Überzeugung verleugnen müßten, wenn sie nicht vor- her handelten1). So wurde der Entschluß gefaßt; man konnte sich dabei zugleich auf das von der jüngeren Annalistik geschaffene Vorbild der Urväter berufen, die in der Curie den Komulns zer- rissen, als er zum Tyrannen geworden war2).

Den Verlauf der Tat an den Iden des März zu erzählen, ist nicht erforderlich. Die Verschworenen waren der Überzeugung, daß mit der Beseitigung des Usurpators die legitime Republik wieder hergestellt sei und von selbst wieder in Funktion treten werde8). Brutus hat dem dadurch einen bezeichnenden Aus- druck gegeben, daß er, als Caesar am Boden lag und der ver- störte Senat auseinanderstob, den blutigen Dolch hoch empor- hebend Ciceros Namen ausrief und ihm gratuliert«, daß die Freiheit wiedergewonnen sei4). Zur Mitwirkung hatten sie Cicero nicht aufgefordert, sie wußten, daß er kein Mann der Tat war6). Aber er hatte jetzt die Stellung gewonnen, daß die Republik in ihm verkörpert schien, er überragte alle andern Senatoren weit- aus an Ansehn und geistiger Bedeutung; imd niemand konnte zweifeln, daß die Tat seiner Gesinnung entsprach. Er hat sie denn auch sofort verherrlicht«) und sich eifrig bemüht, den

') Dio 44, 15, 4. In der Venion bei Plut Brat. 10 = Appian II 1 18, 470ff. ist daraus ein Jüngeres Ge«priich zwischen Cassiun und Brutus gemacht, durch das dieser fflr die Beteiligung an der Verschwörung gewonnen wird, vgl. S. 585, 1.

•) Appian II 114, 476, oben S. 449, 5.

') Sehr deutlich geben Brutus und Cassius ihrer Anschauung in dem Brief an Antonius vom 4. Augast 44 (ad fam. XI 8) Ausdruck: neque est Antonio postulandum, ut eis imperet, quorum opera liber est... nos in hac sen- tentia s umi48,utte cupia m ws in libera republica magnum atquehonestu m esse.. . tu etiam atque etiam vide, quid suscipias, quid wstinere possis,

') Cic. Phil. II 28, aus Antonius' Anklagerede gegen Cicero: Cae- sare interfecto, inquti, statim cruentum alte extollens Brutus pu- gionem Ciceronem nominatim exclamavit atque ei recttperatam libertatem est gratulatus. Den Ruf erwähnt auch Dio 44, 20, 4.

5) Plut Brut. 12.

°) Gelegentlich freilich kommen, in der verzweifelten Lage der folgenden Monate, auch andere Stimmungen cum Ausdruck. So ent-

Cicero und Octavian

543

Mördern ihre Stellung im Staate zu sichern oder wenigstens zu erhalten; und so töricht es ist, wenn er später sein Bedauern ausspricht, daß man ihn nicht zugezogen habe er würde, be- hauptet er, die Verschonung des Antonius hintertrieben haben , so hat doch Antonius nicht unrecht gehabt, wenn er ihn als den intellektuellen Urheber der Tat bezeichnete (vgl. S. 457).

Die Erwartung der Befreier hat sich bekanntlich nicht er- füllt. Die realen Mächte, die sie in ihrem Idealismus nicht in Rechnung gestellt hatten, machten sich sogleich mit ganzer Wucht geltend; auf sie gestützt, erhob sich in dem Consul, dessen Ver- schonung Brutus durchgesetzt hatte, ein neuer Usurpator, und ihm zur Seite trat als sein Rivale der Adoptivsohn Caesars. Im Kampf gegen beide sollte die wiederhergestellte Republik sich durchsetzen. Sie hat versagt. Cicero schloß den Bund mit dem legitimen Erben Caesars gegen den illegitimen, in der Hoffnung, ihn in der Hand behalten, ausnützen, und dann beiseite werfen zu können: aber tatsächlich setzte er sich und der Republik dadurch den Herrn, Octavian war nicht nur der gewandtere, sondern vor allem der stärkere, und durch das Bündnis mit ihm hatte die Republik selbst ihn, der in offener Rebellion sich sein Heer geschaffen hatte, als eine selbständige und berechtigte Macht anerkannt. Das hat Brutus dem Cicero wiederholt vor- gehalten, als dieser, von leidenschaftlichem Haß gegen Antonius und seine Brüder verblendet, im Kampf gegen diese jede Ver- söhnung unmöglich machte1) und dadurch nur in immer stärkere

schlupfen ihm am 23. Mai 44 zn seinem eigenen Erstaunen in einem Brief an Atticus die Worte : licet enim de me Ut Übet exislirnes (oelim (fuidem quam optimej, si haec ita manerU, ut videntur, feres quod dicam —, me Idus Martiae non delectanl. Ute enim num- quam revertisset; nos timor conflrmare eins acta non coegisset; out . . . ita gratiosi eramus apud iUum, quem di mortuum perduint !, ut nostrae aetati, quoniam interfecto domino tiberi non sumus, non fuerit dominus iüe fugiendus, rubeo, mihi crede; sed tarn scrip- 8er am: delere nolui (ad Att. XV 4, 8).

J) Cicero verlangt daher, Brutns solle den gefangenen Gaius An- tonius hinrichten lassen (ad Brut. U 5. 5. I % 5. 3, 8. 4, vgl. Plut. Brat. 26), während Brutus ihn verschonte, in der Hoffnung, noch zu

Caesars Monarchie

Abhängigkeit von Octaviao geriet1). Ganz unausführbar war dann Ciceroe Forderung, Brutus solle mit seinem Heer nach Italien kommen; Brutus wäre damit lediglich blindlings ins Verderben gerannt und hätte die letzte Aussicht, die sich der Republik noch bot, leichtfertig preisgegeben; er hatte voll- kommen recht, wenn er der Ansicht war, daß die Republik in seinem Lager sei und, wo die Lage in Rom hoffnungslos geworden war, jeder Republikaner Rom verlassen und wie im Jahre 49 zu Pompejus, so jetzt zu der Armee kommen müsse, die er und Cassius noch einmal im Orient aufbrachten*).

Aber diesmal blieb wie Cicero so auch die große Masse der Senatoren und ihres Anhangs in Rom. Als dann die Katastrophe hereinbrach, als Octavians Truppen Anfang August 43, statt gegen Antonius und Lepidus, vielmehr gegen Rom vorrückten, um dem Erben Caesars das Gonsulat zu verschaffen, da hat der Senat schmählich versagt. Solange sie noch keine unmittelbare Lebensgefahr bedrohte, blieben die Senatoren fest und wiesen Octavians Forderungen zurück oder gewährten wenigstens nur halbe Concessionen ; sobald es bitterer Rrnst wurde, versagte

einem Aasgleich gelangen zu können (14, 2 ; nach I 3, 5 hat er an Cicero geschrieben acrius prohibenda beüa civilia esse, quam in superatos iracundiam exercendam, wogegen Cicero sich mit aller Leidenschaft wendet).

') In dem Brief I 16 , in dem Brutus sich . nach langem Zögern, gegen Cicero deutlich ausspricht (noch offener redet er in dem gleich- seitigen, zur Mitteilung an Cicero bestimmten Brief an Atticus I 17), sagt er mit vollem Recht: deinde quod pulcherrime fecisti ac facis in Antonio vide ne convertatur a laude maxitni animi ad opi- nionem formiiinis; nam si Octavius tibi placet, a quo de nostra salute petendum sit, non dominum fugisse, sed amiciorem dominum quaesisse videberis.

») Ed. Schwartz. Hermes 88, 1898 S. 218 f. 240. 243 f. hat die mili- tärische Lage vollkommen verkannt und ist daher zu einer ganz schiefen Beurteilung des Brutus gelangt, wenn er ihm daraus einen Vorwurf macht und meint, nicht staatsmilnnische Erwägung, sondern «die Wut des eigensinnigen Fanatismus, des gekränkten Stolzes* habe ihn zurück- gehalten, „för die, welche sich vor dem Sohne Caesars so schmachvoll erniedrigt hatten, auch nur einen Mann zu opfern*.

Der Untergang der Republik. Cicero« Aufgang 545

ihr Mut arid sie unterwarfen sich allen Geboten der Armee und ihres Führers. Als dann das Gerücht sich verbreitete, zwei Legionen Octavians hätten sich für den Senat erklärt, flackerte der Mut noch einmal auf: noch einmal wurden, trotz des schon geschlossenen Abkommens, Maßregeln ergriffen, um den Wider- stand zu organisieren, die Senatoren versammelten sich bei Nacht, Cicero begrüßte sie an der Tür der Curie. Dann aber erfuhr man, daß das Gerücht falsch war, und da stob alles auseinander, Cicero flüchtete in seiner Sänfte1). Vielleicht wäre Octavian doch noch vor dem Äußersten zurückgeschreckt, wenn der Senat fest ge- blieben wäre er wußte indessen, so gut wie Napoleon am 19. Brumaire, daß er das nicht zu befürchten brauchte. Der Senat aber hat, wo alles verloren war, die Gelegenheit nicht er- griffen, wenigstens in Ehren unterzugehn, wie ehemals die Väter, welche, wie die Chronik berichtet, die hereinbrechenden Gallier auf ihren Sitzen furchtlos erwarteten8). Auch Cicero hat ver- sucht, seinen Frieden mit Octavian zu machen, und ihm einen klaglichen Brief geschrieben, in dem er sich bedankt, daß er, jetzt als Consul der Vorsitzende des Senats, ihm das Ge schehene verzeihe und, wie seinem Stiefvater Philippus, die Er laubnis gewähre, den Verhandlungen fernzubleiben3); und er hat

') Appian III 93.

*) Die Worte, die Cicero Phil. III 85 ausspricht: quod si iam, quod di omen avertant .', fatum extremum reipublicae venit, quod gladiatores nobile* faciunf, ut honeste occumbant, faciamus nos, principe* orbis terrarum gentium que omnium , ut cum dignüate potius cadamus quam cum ignominia serviamus, and ebenso X 19: postremo erutnpat enim aliquando vera et me digna voxf , si veter anorum nutu mentea huius ordinis gubernantur omniaque ad eorum voluntatem nostra dicta facta referunhir, op- tanda mors est, qua» cwibue Romanis semper fuü Servitute potior, haben Cicero und der Senat, als die befürchtete Lage eingetroffen war, nicht wahr gemacht.

*) Appian III 92, 382 Ktxt puty rt t&v movowv xofropsvoc ntp<*£« StA i&v Kouoapoc «plXwv ivroyttv awt$, xat iytt>x<*" aitsWftlto ... 6 ik toaoötov ÄK«p(vato tmoHtDRtwv, Stt t»v filaiv a6x$ teXsotato« tvt»rx<4voi. Von dem Brief ist bei Nonius 486, 17 ein Satz erhalten (fr. 15 Purskr; das Zitat ad Caesar em iuniorem Ob. / ist falsch, es maß lib. II beißen, da ein drittes Meyer, Caesar« Monarohie 35

546

Ciiesar« Monarchie

es über sich gebracht, noch fast vier Monate lang in Rom oder auf seinen Gütern zu bleiben, ein trauriges Bild gefallener Größe, bis das Geschick ihn ereilte. Mit vollem Recht konnte Brutus sagen, daß er über Cioeros Ausgang mehr Scham als Mitleid empfinde: er und seine Freunde in Rom seien in Knechtschaft geraten mehr durch eigene Schuld als durch die der Gewalt- haber, sie brachten es fertig, Dinge zu sehn und zu erleben, die sie nicht einmal zu hören ertragen dürften1).

Bnch, das in ein paar Zitaten vorkommt, wahrscheinlich auch Schreibfehler ist, s. die sehr aufklärende Abhandlung von L. Gurlitt, Nonios Mar- cellus und Ciceroe Briefe. Programm Steglitz 1889): quod mihi et Phi~ lippo vacaUonem das, bis gaudeo: nam et praeteriüs ignoscis et concedis futura. Ober die letzten dreieinhalb Monate Ciceros besitzen wir garkeine Nachrichten, geschweige denn eigene Äußerungen. Asinius Pollio hat in einer Rede pro Lamia aus der Zeit des Triumvirats be- hauptet, Cicero sei bereit gewesen, seine Beden gegen Antonius zu ver- nichten: „üaque nunquam per Ciceronem mora fuit, quin eiuraret suas esse, quas cupidissime effuderat, orationes in Antonium, multi- plicesque numero et accuratius scriptae Ulis contrarias edere ac vel ipse palam pro contione recitare poUicebatur" . adieceratque (Pollio) his alia sordidiora multo, ut ibi facüe liqueret, hoc Uttum adeo falsum esse, ut ne ipse quidem Poüio in historiis suis ponere ausus sit (Seneca suas. 6, 15). Das ist dann ein beliebtes Thema für alberne Deklamationen geworden: deliberat Cicero, an Antonium deprecetur, und deliberat Cicero, an scripta sua conburat promittente Antonio incolumitatem , si fecisset, aus denen Seneca suas. 6 und 7 zahlreiche Proben anführt. Das Gegenstack ist die epistula ad Octavianum. Nach Plut Cic. 47 hätte sich Cicero noch auf der Flucht mit der Hoffnung getragen, Octavian werde ihn retten, oder er habe sich an dessen Herd schleichen und dort töten wollen, um den Raehedümon auf ihn herbei- zurufen. Ob an diesen Erzählungen irgend etwas historisch ist und aus wem sie stammen, läßt sich nicht entscheiden.

*) Plut Brut 28 Bpoütos Sfe r?j? Ktnlptnvo« «Xtorfc r& altty <p-nolv aiaxovM&at uäXXov 4j t$ icdfkt oovaXfMV, ifaaXelv ik tolg fcsl 'Pa>jiifjc cpÜLoic ' SouXsösiv t ftp aöuüv altty jväXXov 9j tfiv copawoövtaov, «al xaptspttv &pd»vta< xal zapömaq, & jcnl* dmouttv a&totc dhwwcov Y)v. Es ist begreiflich, daß Cicero sich nicht entschließen konnte, zu Brutus zu gehn, nachdem seine Politik so völlig gescheitert war und Brutus* Warnungen sich als durch- aus zutreffend erwiesen hatten. Daß es dann für ihn, der sich ver- messen hatte, als leitender Staatsmann [princeps, vgl. oben S. 191 , 1) das Geschick der Welt zu lenken, nur noch den Ausweg Catos gab. hat

Geschichtliche Bedeutung der Ermordung Caesars

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Das Geschick konnte die Unterwürfigkeit nicht wenden: es war ein Kampf auf Leben und Tod gewesen, den man geführt hatte, und wie Cicero und der Senat den Tod des Antonius und seiner Genossen gefordert hatten und ebensogut den Octavian beiseite geschoben haben würden, wenn sie gesiegt hätten, so konnten die Sieger die von Caesar geübte Schonung, die so arge Früchte getragen hatte, nicht nochmals wiederholen. Dazu kam aber die Begehrlichkeit ihres Anhangs und der gewaltig an- geschwollenen Soldateska, von der sie selbst abhängig waren und die sie nicht, wie Caesar, hätten im Zaum halten können, auch wenn sie gewollt hätten; das hat dem Strafgericht seine entsetzliche Gestalt gegeben.

Mit der Erhebung Octavians zum Consul und den Pro- skriptionen ist die Republik in Rom erlegen, auf dem Schlacht- felde von Phüippi der Versuch, sie mit den Kräften des Reichs wieder herzustellen, definitiv begraben. Das, und nioht etwa Caesars Monarchie, ist das Ende der Republik. Es blieb aber noch der Kampf um die neue Gestaltung des Reichs; und mehr als eüi Jahrzehnt hat es gedauert, bis auch dieser zum Austrag gelangt war.

Unermeßliches Elend hat Caesars Ermordung über die Welt gebracht. Und doch ist sie nicht ohne gewaltige und segensreiche Folgen geblieben. So unfähig zur Erfüllung ihrer Aufgabe die Republik, so zersetzt und kraftlos das Senatsregiment geworden war, die Idee, die in ihren Traditionen lebte, hatte sich als eine gewaltige Macht erwiesen, die man nicht ungestraft, wie Caesar sich vermessen hatte, verächtlich beiseite schieben konnte. Sein Erbe hat dem Rechnung getragen ; es entsprach seinem Charakter und seiner gesamten Denkweise, daß er den Weg Caesars nicht gehn konnte1). So hat er die Monarchie und die Welteroberung abgelehnt und statt dessen die Republik wieder hergestellt und damit das schon in voller Zersetzung begriffene Römertum noch einmal gekräftigt.

er sehr wohl empfunden (s. S. 545, 2), aber er war moralisch tu schwach, um ihn zu betreten.

') 6. meinen Aufsatz Ober Augustne in meinen Kleinen Schritten.

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Caesar» Monarchie

Den Iden des März ist es zu danken, daß die Entwicklung, die Caesar mit kühnem Griff hatte vorwegnehmen wollen, lang- sam und segensreich in Jahrhunderten sich vollzogen hat, daß Rom und das Römerrum nicht nur ein Name geblieben ist, sondern sich jetzt erst, im Anschluß an den Staatsbau des Augustus, voli entfalten und ausleben konnte. Dieser Staats- bau war freilich nicht mehr die alte Republik, die in der Welt- eroberung ihr Größtes geleistet, für die Cato sowie Brutus und Cassius und ihre Genossen in den Tod gegangen waren ; aber noch weniger die Monarchie Caesars, an die sie nur dem Namen nach anknüpft, und die daher nur eine Episode, nicht, wie Caesar gewollt hatte, ein Abschluß gewesen ist: sondern der wahre Vor- gänger des Principats des Augustus ist Pompejus, es ist die Staatsgestaltung, deren Bild Cicero in der Schrift vom Staat entworfen und deren Durchführung er von Caesar in der Mar- cellusrede gefordert hatte.

So konnte Iivius, der, wie alle seine Genossen, ganz auf dem Boden der Ideen des Augustus steht, die Geschichte des Bürger- kriegs, wie Augustus sagte, als Pompe janer schreiben was durchaus nicht als Tadel gemeint war1). Es hat, gerade weil er ein völlig unbedeutender, weder im Guten noch im Bösen irgend- wie hervortretender Mensch war, nur eine um so tiefere sym- bolische Bedeutung, daß Octavian nach der Einnahme von Alexandria, die den Bürgerkrieg beendete, den Sohn Ciceros zum Conan I für die nächsten beiden Monate ernannt hat

') Tacitns ann. IV 84 (Rede de» Cremutiu« Cordus): Titus Livius . . . Cn. Fompeium tantis laudibus tulit, ut Pompeianum eum Augustus appellaret; neque id amicitiae eorum offecit. Scipionem, Afranimm, hunc ipsum Cassium, hunc Brutum nusquam latrones et parrir cidas, quae nunc vocabula imponuntur, saepe ut insignis viros no- minai. Bekannt int die Erzählung Plntarchs (Cic 49), Augustus habe einen seiner Enkel bei der Lektüre einer Schrift Ciceros getroffen, lange in derselben gelesen und sie dann mit den Worten zurückgegeben:

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Der Perduellionaprozeß des Rabirius im Jahre 63

Über den Prozeß des Rabirius im Jahre 63 sind so viele verschiedene Ansichten aufgestellt nnd von hervorragenden Autoritäten vertreten, daß ioh den Anlaß nicht Vorübergehn lassen will, ihn noch einmal zu behandeln, zumal ich glaube, daß sich ein völlig gesichertes Ergebnis gewinnen läßt.

Die Berichte der Historiker finden sich bei Sueton und Dio. Nach Sueton Caes. 12 (Caesar) subomavit etiam qui Gaio Rabtrio perdueUi(jnis dient diceret, ... ac sorte iudex in rewn ductus tarn cwpide condemnavit, ut ad populwn provocanti nihil aeque ac iudicis acerbüas prof uerü. Eingehender erzählt Dio 37, 26 28. Labienus unternimmt, unterstützt von den andern Tribunen, den Per- duellionsprozeß gegen Rabirius wegen der vor 36 Jahren er- folgten Tötung des Satuminus, die ihm trotz seines Leugnens zugeschrieben wird, um die vom Senat den Gonsuln gegebene Vollmacht für rechtsungültig erklären zu lassen und so die Macht des Senats vollends zu brechen und für die tribunicischen Um- triebe und die alsdann legitimierte Revolution völlig freie Hand zu gewinnen. Der Senat setzt sich zur Wehr, es wird zunächst um die Einsetzung des Gerichtshofs, dann, als diese durch die Bemühungen Caesars und andrer durchgesetzt ist, über das Ur- teil gestritten. C. und L. Caesar (der Consul des Jahres 64) sind zu duumviri perduellionis ernannt, und zwar von einem Praetor, nicht, wie es rechtens war, durch das Volk. Rabirius provociert an das Volk, wäre aber zweifellos von diesem verurteilt worden, wenn nicht der Praetor und Augur Metellus Celer, nachdem alle andern Bemühungen gescheitert waren, die Fahne, die nach alter Vorschrift während der Centurienversammlung auf dem Jani-

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oulum wehen mußte, eingezogen und dadurch ihre Auflösung erzwungen hätte. Darauf laßt Labienus, der den Prozeß hätte erneuern können, die Sache fallen.

Aus diesem Prozeß besitzen wir eine authentische Urkunde und zugleich ein staatsrechtliches Dokument ersten Runges in der allerdings nicht vollständig erhaltenen Rede Ciceros pro Rabirio. Aber eben an diese knüpft die vielverhandelte Streit- frage an, wie sie aufzufassen ist und wie sie sich zu den historisch eu Berichten verhält. Cicero erwähnt sie kurz in der Aufzählung seiner Consularreden ad Att. II 1, 3 {quarta pro Rabirio) und im Orator 102 (ius omne retinendae maiestatis Rabirii causa con tine!)alur; ergo in omni genere amplificattonis exarsimus). Wichtiger ist die Angabe in der Rede gegen Piso 4: ego in G. Rabirio per-

il tLpll irvn.ui rcn Y / tvrvnAa n*iJ*> *m> pjvnjnt]*>-m iW/>r rwi&itn m smntiLi

ouctorUatem sustinui contra imidiam aique defendi.

Seit Nekbühr zuerst behauptet hat, die auf uns gekommene Rede sei nicht in einem Perduellionsprozeß, sondern in einem Multprozeß gehalten und die Überschrift, die sie in den auf eine Abschrift Poggios zurückgehenden Handschriften trägt, pro C. Rabirio perduettioms reo ad Quinte sei falsch1), ist diese Ansicht, wenn auch mit mancherlei Modifikationen, die herr- schende geworden*). Auch Mommsbn hat sie angenommen; er formuliert sie dahin8), daß der Perduellionsprozeß vor den Oen- turien nicht zur Entscheidung gekommen sei. „Der Prozeß, in dem Cicero sprach, ist vielmehr ein tribunicisohes Multverfahren, das dem gescheiterten Perduellionsprozeß substituiert ward" ; „die Worte in der Überschrift perduellionis reo sind von den Heraua- gebern aus der Rede in Pison. 2, 4 irrig eingesetzt worden"*).

•) Ciceronis orationnm pro M. Fonteio et pro C. Rabirio fragmenta ed. a B. 6. Niebuhrio, 1820, p. 69 f.

*) So bezeichnet sie mit Recht Plaumakn, Das sogen, senatnscon- sultum ultimum, Klio XIII 1918, 377, der sich ihr gleichfalls anschließt.

■) Staatsrecht II «, 598. 2 = 11 * 628, 3 and II * 287, 1 = II » 398, 3. Ebenso im Strafrecht 588. 1.

4) Ebenso wie Momusir stellt Lakob, Röm. Alt. III 241 f. den Her- gang dar; desgleichen Hkituuid in seiner formell and sachlich unbw-

Der Perduellionsprozeß des Rabirius

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Aber trotz dieser in solchen Dingen seltenen Ubereinstimmung der modernen Forscher kann diese Auffassung nicht richtig sein. Schon das ist sehr bedenklich, daß sie die Darstellung Dioe, der sich sonst überall in der gesamten Geschichte dieser Zeit als ganz vortrefflich unterrichtet erweist, entweder schlechthin verwerfen oder zum mindesten in wesentlichen Punkten korrigieren und vor allem annehmen muß, seine Behauptung, nach der Vereitelung des Provocationsprozesses auf dem Marsfeld habe Labienus die Sache fallen lassen (i£i)v uiv 7<ip t<p Aaß«$V(j> xai ao^t? Sixdoaoäou, ob uivtoi xal kxoirpw afod), sei falsch, es sei viel- mehr jetzt noch ein Multprozeß gefolgt, in dem Rabirius frei- gesprochen sei. in noch größere Schwierigkeiten aber kommt man gegenüber Ciceros Angaben; man muß alsdann annehmen, er habe, obwohl er das nirgends erwähnt, in der Sache zweimal gesprochen, zuerst im Perduellionsverfahren, sodann im Mult- prozeß, und nur diese zweite Rede habe er herausgegeben; in der Rede gegen Piso aber erwähne er nicht diese zum Ziele führende und dem Publikum bekannte Rede, sondern sein Auf- treten in dem PerduelUonsprozeß, obwohl dieser nach der herr- schenden Auffassung keine Erledigung der Frage gebracht hatte. Indessen die Angabe dieser Rede, daß er in dem PerduelUons- prozeß „die Autorität des Senats gegen die gehässigen Angriffe

deutenden Ausgabe Ciceroiiis pro C. Rabirio [perduellionis reo] oratio ad Quirites, with notes, introdoction and appendices, Cambridge 1882. Abweichend and im wesentlichen richtig dagegen Ihne, Röm. Gesch. VI 282 ff. Von älteren bat sich Dbümanw III 163 = III 9 158, 4 gegen Nik- buhr erklart, dessen Bemerkung nach ihm .keiner Widerlegung bedarf*. Rubino (Unters, zur röm. Verf. 1839, 313 f.) hat Nisbuhrs Ansicht dahin modifiziert, daß Cicero durch den Senat die Aufhebung des Perduellioos- Verfahrens durch die Duumvirn erreicht und an dessen Stelle der tri- bunicische PerduellionsprozeB tritt; Hüschke (Multa und Sacramentum, 1839, 512 ff.) hat dann Nkbuhrs Ansicht wieder aufgenommen nnd ein- gehend begründet An Rubixo achließt sich im wesentlichen Wnu an (Der Perduellionsprozeß des Rabirius. Jahrb. f. klass. Phil. 119, 1879, 177 ff.), mit manchen richtigen Bemerkungen, aber ganz unhaltbarem Gesamt- ergebnis. Eingehend kritisiert werden die angeführten und einige andere Arbeiten von 0. Schulthbss, Der Prozeß des Rabirius . Programm Thur- gau 1891, der sich in der Hauptsache wieder an Hüschsjc anschließt.

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aufrecht erhalten und verteidigt habe", gibt genau den Inhalt der erhaltenen Rede wieder, und nicht minder die Angabe des Orator, daß die Rede ius omne retinendae maiestatis in schwung- voller Ausführung behandelte. Mit diesen Worten ist in der Tat ihr Inhalt so gut wie erschöpfend wiedergegeben; denn über alles andre geht er ganz kurz und geringschätzig hinweg (§§ 6—9), er spricht, wie er selbst sagte, nicht sowohl als Anwalt, wie als Consul. Auch die Ausführung über die Vorgänge des Jahres 100 und die Erschlagung des Saturninus (§§ 18—31), fast die Hälfte des Erhaltenen, dient dem Nachweis der Rechtsbeständigkeit und bindenden Verpflichtung des Senatöbesehlusses, auf Grund dessen damals die Consuln und in ihrem Gefolge Rabirius den Kampf eröffnet haben, in dem Saturninus umgekommen ist. Durch die ganze Rede geht die Verherrlichung des Senatsbeschlusses oder vielmehr der vox itta oonsulis „gut rempublicam salvam esse vettent' als des Bollwerks der Staatsordnung1); sie mündet aus in die Erklärung, daß er, wenn Labienus die revolutionären Handlungen des Saturninus wiederholen würde, als Consul in der gleichen Weise gegen ihn vorgehn würde2). So dient die ganze Rede in der Tat der Festigung und Verherrlichung der senatm auctoritas, der retinenda rnaiestas. Cicero nimmt diese maiestas, als deren Vertreter der Tribun und die Popularpartei sich und die Plebs betrachtet, für den Senat und den durch ihn bevollmächtigten Consul in Anspruch9). Das Auftreten des Labienus ist contra rempublicam 35), es ist die Pflicht des Consuls, seinem Unternehmen mit allem Nachdruck entgegen-

') So gleich zu Anfang § 2: Der Prozeß dreht sich in Wirklichkeit nicht um die Person des Rabirius, sed ut ülud summum auxilium maiestatis aique impern, quod nobis a mawribus est traditum , de re publica tolleretur usw. Das stimmt völlig zu der Angabe im Orator.

«) Wie wenift ahnte Cicero damals, daß er in der Tat ein halbes Jahr später in die gleiche Lage kommen und gezwungen sein werde, «ein Wort wahr zu machen!

») § 38 idem ego quod is, qui auctor huius iudicii est, clamo, praedico, denuntio. § 85 ncm vos ad arma vocan(dos esse, verum) ad suffragia cohoriandos contra oppugnationem vestrae maiestatis putavi.

Der Perduellionsproaeß des Rabirius

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zutreten, und aller guten Bürger, mit ihm gemeinsam seine Ab- sieht zu vereiteln und praesidia reipublicae, summum in con- sulibus Imperium, summum in senatu consüium zu erhalten 3). Ernsthaft kann, so oft das bestritten ist, garkein Zweifel sein, daß die Rede, die wir besitzen, dieselbe ist, die er an den an- gefühlten Stellen, auch in der Rede gegen Piso, erwähnt, daß er in der Sache nur diese eine Rede gehalten hat, und daß sie da- her den Titel pro C. Rabirio perduellionis reo mit Recht führt.

Wir müssen also versuchen, die Rede mit der sonstigen Über- lieferung in Übereinstimmung zu bringen und ein Bild des Hergangs zu gewinnen. Den Anstoß, von dem Niebuhr und seine Nachfolger ausgegangen sind, bietet die Angabe, daß Labienus behauptet und beklagt, Cicero bestätigend sich rühmt, daß er das perduellionis iudicium aufgehoben habe (nam de perduellionis ludicio, quod a me

non Rabiri), daß daher die Strafe der Hinrichtung, die Cicero (§§ 11 ff.) mit schauerlichen Farben ausmalt, um nachzuweisen, daß nicht Labienus, sondern vielmehr er die wahrhaft populäre Auffassung vertrete, den Rabirius in Wirklichkeit nicht mehr bedroht, sondern nur das Exil (§§36 f.), und zwar, wie es scheint, als Folge einer Verurteilung in eine Geldstrafe, die er nicht würde zahlen können1); denn § 8 bezeichnet Cicero die Anklage, in der neben der Tötung des Saturninus alle möglichen andern Verbrechen des Rabirius aufgezählt waren, als muliae inrogatio.

Indessen Cicero hat das iudicium perduellionis nicht etwa in einem vorhergehenden Prozeßverfahren, sei es durch seine Rede, sei es etwa mittels der Einziehung der Fahne durch Metellus, zu Fall gebracht das müßte notwendig in der Rede erwähnt werden, und in letzterem Falle würde Labienus ganz anders reden, denn dadurch ist das Verfahren und die drohende Hin- richtung ja keineswegs rechtlich „aufgehoben", sondern nur die

') Daß der Prozeß §§ 1 und 2 als defensio capitis und discrimen capitis bezeichnet wird (ebenso § 81) und es sich nach § 5 um die vita C. Rabirii handelt, vgl. vorher in tanta dimicaiione capitis famae fortunarumque omnium, spricht natürlich nicht dagegen ; s. aber unten

S. 5M f.

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Verhandlang vertagt , sondern durch eine von ihm veranlagte Aktion des Senats. Davon hat er am Schluß seiner sachlichen Ausführungen geredet; der Schlußsatz dieses Abschnittes ist im vatikanischen Palimpsest § 32 erhalten: üaque non senatus in

quam vos universi, cum orbis terrae distributionem atque illum ipsum agrumCamjxinum animis, manibus, vocibus (repudiavisti*). Dadurch wird Dios Angabe 37, 27 vollauf bestätigt, daß zu- nächst über die Einsetzung des Gerichtshofs (icspi toö Sixaonjctou, täv uiv, Sjcwc u,*, oüvax&t, töv äs ?va xadiCijoTQ, 8txato6vta»v), dann, als das durchgesetzt war, über das Gerichtsverfahren gestritten wurde (xtpi zt ci)c xptosox; aodt« aoveßiqoav). Unter Berufung auf die lex Porcia und das Gesetz des C. Gracchus, ne de cajnie civium Romanorum iniussu vestro iudicaretur1) 12), und weiter darauf, daß C. Gracchus bei seinem Gesetz gegen Popillius Laenas, der als Oonsul 132 die Mitschuldigen des Tiberius hatte hinrichten lassen, nicht etwa einen Per- duellionsprozeß eröffnet und seine Hinrichtung gefordert hat, son- dern lediglich den bürgerlichen Tod, die Verbannung (§§ 14 f.), hat also der Senat durchgesetzt, daß als Strafe nicht der Kreuzes- tod more rnaiorum, sondern nur eine Geldstrafe bestimmt wurde. Möglich scheint auch, daß diese mit Verbannung verbunden war ; denn Cicero erwähnt die mttüae inrogatio in § 8 nur deshalb, weil Labienus in der Motivierung derselben alle möglichen anderen angeblichen oder wirklichen Verbrechen des Rabirius herangezogen hatte, um dadurch in üblicher Weise Stimmung zu machen, obwohl sie mit der Hauptsache nichts zu tun hatten und daher von Cicero ganz geringschätzig beiseite ge- schoben werden2). Es ist also nicht ganz ausgeschlossen, daß

') Dieses Gesetz kam allerding« in Betracht, da die Duamvirn das Urteil za fallen hatten, nicht etwa das Volk, vor dem nur das Ptoto- cationsverfahren stattfand.

■) Nach Aufzählung der Übrigen Beschuldigungen sagt Cicero an der betreffenden Stelle, der einsigen, wo von der multa die Rede ist, sum Schloß : nam quid ego ad id Umgarn orationem comparem, quod est in eodem multae inrogatione (in der also auch die Torhergehenden

Der Perdaellionaprozeß des Rabiria«

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Labienus die Verhängung einer Geldstrafe um dieser Vergehn willen neben der Verurteilung wegen perduellio beantragt hat1). Allerdings steht eine solche Kumulierung von zwei Klagen im Widerspruch mit dem anerkannten Grundsatz der iudicia populi, ne poena capitis cum pecunia coniungatur (Cic. de dorn. 45), und erscheint, wie Huschke sagt, als eine „prozessualistische Unmög- lichkeit"; aber das ganze Verfahren war überhaupt so ex- zeptionell, daß diese Annahme doch vielleicht zulassig ist*). Wahrscheinlicher bleibt indessen doch wohl, daß der Straf- antrag auf eine hohe, die bürgerliche Existenz des Beklagten vernichtende Geldstrafe lautete, die dann das Exil zur unver- meidlichen Folge hatte, und Cicero deshalb an dieser Stelle von einer multa spricht. Jedenfalls lautete trotzdem die Anklage doch auf perduellio, und der Prozeß blieb ein Perduelhonsprozeß und war nicht etwa in einen tribunicischen Multprozeß ver- wandelt. Cicero spricht denn auch nicht etwa auf dem Forum vor den Tribus»), sondern, obwohl das nirgends ausdrücklich gesagt ist und die Anrede Quirites natürlich nichts beweist, auf dem Marsfeld vor den Centurien: er redet zu den boni et fortes eives, quak» vos omnibus nnpublicae temponbus exstitisti* 3, vgl. 6), zu eben denen, die ihn zum Consul gewählt haben ( § 18, vgl. 2). Die Centurien sind mithin, da der Tribun selbst nur die pUbs, nicht den pofulus berufen kann, für Labienus von

Klagpunkt« aufgezib.lt waren), hunc nec suae nec alienae pudicitiae pepercisse?

') Das ist die Ansicht von Druvakh und Wir*. Vgl. Mommsen, Strafrecht 72, 2, »daß wenn der Angeklagte bei einem Multaproztsti zum Exilium geht, die Interdiction [von aqua et ignis] gefolgt sei, ist anerweislich und nicht wahrscheinlich*.

*) Verbanden findet sich multa und perduellio auch Cic. pro Mil. 38, wo Cicero ironisch fingiert, daß Clodius diem mihi, credo, dixerat, multam inrogarat, actionem perdueUionis intenderat.

3) Ich bemerke, weil das mehrfach mißverstanden ist, so von I>ru- ukvh, Huschke, Wirz. daß Labienus das Bild des Saturn inus nicht etwa in der Versammlung aufgestellt hat, vor der Cicero spricht, sondern in rostra atque in contiotum attulit 24), also bei den Reden, die La- bienus für sein Gesetx auf dem Forum gehalten hatte.

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einem Praetor berufen und ihm von diesem die Leitung über- tragen worden, wie es im tribunicischen Perduellionsprozeß Her- kommen war1), wenn es auch im Fall des Rabirius nicht be- sonders bemerkt wird.

Tribunicische Perduellionsprozesse hat es in Rom auch in späterer Zeit oft genug gegeben; im Jahre 107 war für dieselben durch eine lex tabellaria des C. Caelius die geheime Abstimmung durch Stimmtafeln eingeführt (Cic. de leg. III 36). Aber das von Labienus beantragte Verfahren durch einen Prozeß vor duumviri perduellionis war längst verschollen und wurde von ihm und Caesar non ex memoria vestra ac patrum vestrorum sed ex annalium monument is atque ex regum commentariis ausgegraben 15). Benutzt haben sie dabei offenbar die Aunalen des eifrigen Demokraten Licinius Macer, der die von seinen der Aristokratie an gehörigen Vorgängern in deren Interesse reich ausgestaltete annalistische Darstellung in übrigens recht wenig geschickter Weise ins Demokratische umgesetzt hatte und der sich bei SaUust in semer Rede als Tribun im Jahre 73 auf das Vorbild der alten Plebejer beruft.

So hat Labienus denn auch die Beschuldigung de locis reU- gioais oc de lucü, die Rabirius verletzt haben sollte, aus einer Klage wieder hervorgeholt, die Licinius Macer (der bekanntlich 67 gestorben war) mehrere Jahre vorher, vielleicht eben in seinem Tribunat, erfolglos gegen Rabirius erhoben hatte 7).

Die schematische Darstellung des Perduellionsprozesses stand bekanntlich in den Annalen in der Geschichte des Königs Tullus, absurderweise angeknüpft an den Schwestermord des Horatius*),

') Liv. 26, 3, 9. 48, 16, 10. Valerius Antias bei Gell. VI 9, 9. Vgl. unten S. 559. Gans unmöglich ist die Ansicht von Wim, die Rede (Sceroa sei ebenso wie die des Hortensias „in einer contio an einem der vorläufigen Anquisitionstermine* gehalten von diesen Terminen ist bei diesem ganzen Vorgang nirgends mit einem Wort die Rede , also anf dem Forum , erst spater sei der Schlußtermin vor den Cen- turien auf dem Martfeld gefolgt, der dann so verlaufen sei, wie Dio ihn schildert.

*) Diese widersinnige Anknüpfung ist einer der vielen Belege dafür, wie verkehrt die von den Juristen, speziell von Rubwo vertretene Her

Der Perduellioasprozeß des Rabirius

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und ist uns bei Livius I 26 erhalten1). Die Formulierung der lex horrendi carminis lautet: Duumviri perdueüionem iudicent; si a duumviris provocarit, provocaUone certato; si vincenl, caput obnubüo; infelioi orbori teste suspendüo; verberato vel intra po- merium vel extra pornerium. Dem entspricht die Ausführung: der König bestellt2) vor einem concilium populi die Duumvirn; diese verurteilen den Angeklagten, und derjenige, der das Wort führt (alter ex iis), spricht: PubUHorati, tibi perdueüionem iudico ; lictor, conliga manus, worauf Horatius mit provoco antwortet. Wörtlich dieselben Formeln*) i lictor conliga manus; caput ob- nubüo, orbori infelici suspendito führt Cicero § 13 an. Ebenso berührt sich mit Livius' Angabe, daß die Duumvirn glaubten, den Angeklagten überhaupt nicht freisprechen zu dürfen, auch wenn er schuldlos war (qui se absolvere non rebantur ea lege ne

htiuptung war, von der auch Mommser ausgegangen ist und die sein Staatsrecht stark beeinflußt hat, die Annalisten hatten eine tiefere juri- stische und staatsrechtliche Anschauung besessen. Nur zu oft ist genau das Gegenteil der Fall.

') Bei Fest us p. 297 s. v. sororium tigiüum wird die perdueUio sachlich korrekt durch parrUHdium ersetzt: Horatius wird zuerst im Hausgericht von seinem Vater freigesprochen, accusatus tarnen parricidi apud duumviros damnatusque provocavü ad popuium. Dionys IU 22 hat den Duumviralprozeß gestrichen und lediglich den Prozeß vor dem Volk gegeben , an das der König die Entscheidung verweist. Dadurch bat er den Sinn der Oberlieferung völlig zerstört; denn damit ist auch die Provocation weggefallen. Auch bei Cicero stammt das Verfahren mit »einen et suppliciorum et verborum acer- bitate8 aus der Königszeit (daher § 17 non tribunicia actione sed regia) und ist nach Begründung der Republik alsbald, wenn auch nicht sofort, als vesügium crudelüatis regiae beseitigt worden (§§ 10. 13). Daß § 18 ista cruciatus carmina auf Tarquinius Superbus zurück- führt, ist natürlich lediglich rhetorische Phrase.

*) duumviros, inquit, qui Horatio perduellionem iudicent, secun- dum legem facio. Aber nachher heißt es hoc lege duumviri creati, was, wenn der Zusammenhang nicht beachtet wird, auf eine Wahl durch das Volk führen würde; s. unten 8. 560.

*) 8ie kehren nachher bei Livius § 11 in der Sohüderung wieder, die der für seinen Sohn eintretende Vater von der Hinrichtung gibt dort steht auch » lictor, wie bei Cicero.

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innoxium quidem posse), dieBehauptung Ciceros § 12 C. Gracchus legein tulit, ne de capite civium Romanorum iniuetu vestro iudi- caretw, Ate popidaris a II virie iniussu vestro non iudicari de cive Romano, sed indicta cmisa civem Romanum capitis condemjhan coegü; das Verfahren vor den Duumvirn war eben, da die Ent- scheidung bei dem jxrpidus der Centurien lag, tatsachlich zu einer bloßen Pormalitat herabgesunken, die die Provocation und das Volksgericht einleitete. Dem entspricht Suetons Angabe, daß Caesar »orte iudex in reum duetus tarn cupide condemnavü, ut ad poputum provocanti nihil aeque ac iudicis acerbüas profuerit. Ob er dem Kabirius eine kurze Verteidigung gestattet hat, wissen wir nicht; jedenfalls hat ein regelrechtes Prozeßverfahren mit Zuhilfe- nahme eines An walts nicht stattgefunden und ist Caesar als Duumvir auf diese Verteidigung nicht eingegangen, sondern hat das Todes- urteil in der vorgeschriebenen Formulierung gesprochen. Man sieht, daß Mommsen8 Äußerung (Strairecht 165, 1): „daß den Duovirn das Recht der Freisprechung fehlt (Cic.proRab. 12), ist eine advo- katische Flause", die Sachlage keineswegs zutrefiend wiedergibt.

Im übrigen gaben die Annalen, soweit wir sehn können, kaum eben Anhalt; der einzige Fall, der auf uns gekommen ist, ist die ältere Version der Hinrichtung des M. Manlius wegen seines Ver- suchs, sich zum König zu machen, Liv. VI 20, 12: Sunt qui per duumviros, qui de perducUione anquirerent, creatos auetorcs sint damnatum1); in der entstellten Version, die Livius ausführlich wiedergibt und die schon Varro befolgte8), ist das durch eine Anklage der Tribunen vor den Centurien ersetzt, und diese stürzen ihn nach seiner Verurteilung vom Tarpejischen Fels herab. Sonst kommt etwa noch der Prozeß des Sp. Cassius wegen des gleichen Verbrechens in Betracht, nur daß hier an Stelle der duumviri perduellionis fälschlich die quaestores (parricidii) ge- setzt sind3) das Gegenstück zu der Darstellung des Prozesses

') Daher ist er nach Nepos bei Gellius XVII 21, 24 verberando necatus. Vgl. Mommskn, Röm. Forsch. II 198. 2) Bei Gellius 1. c.

s) Liv. II 41, 1 1 intenio apud quosdam, idque proprius fide est (die andere Version § 10 laßt ihn durch das Hausgericht des Vaters

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des Horatius und wieder ein Beleg, wie wenig die Annalisten sich um die juristischen Fragen gekümmert haben, welche die alte Uberlieferung, die nur die nackte Tatsache der Verurteilung kannte1), ausmalten. Doch mag es in der uns nicht erhaltenen Überlieferung aus dem dritten Jahrhundert noch Fälle gegeben haben, in denen nicht ein Tribun, sondern Duumvirn das Per- duelüonsverfahren leiteten; der Antrag, sie zu bestellen, muß freilich immer von einem Magistrat, und zwar in der Regel von einem Tribunen ausgegangen sein, und eben deshalb hat der tribunicische Perduellionsprozeß sie verdrängt. Von diesen Pro- zessen kommt für uns noch der des P. Claudius Puloher wegen seiner Niederlage bei Drepana (249 v. Chr.) in Betracht: er wurde deshalb von den Tribunen Pullius und Fundanius wegen per* duellio angeklagt, aber als die Centurieu zusammentraten, brach ein Gewitter aus, das als Vitium die Verhandlung unmöglich machte. Als dann die Tribunen die Klage von neuem erheben wollten, intercedierten ihre Kollegen: es sei nicht zulässig, daß sie während ihrer Amtsführung denselben Mann zweimal wegen Perduellion verklagten. Darauf erhoben sie eine Multklage, und Claudius wurde vom populus zu einer schweren Geldstrafe ver- urteilt*). Dieser Vorgang kann als Praecedens gelten dafür, daß Labienus die Perduellionsklage nach Metellus' Eingriff fallen

verurteilt werden), a quaestoribus Kaesone Fabio et L. Valerio dient dictam perduellionis damnatumque populi iudicio, dirutas publice aedes. Ebenso Dion. Hai. VIII 77 (bei dem die Quaestoren ihn 78, 5 vom Tarpejischen Fels stürzen, was natürlich fälschlich von den Tri- bunen auf sie übertragen ist); bei Cicero de rep. II 60 wird nur ein quaestor genannt: Sp. Cassium . . . quaestor accusavit eumque, ut audistis, cum pater in ea culpa esse comperisse se dixi&set, cedente populo morte mactavit.

') Diod. XI 87 Eicoptoc Kdooioc . . . lofe im&iobai topaw&t «al xata-

*) schol. Bob. su Cic. in Clod. et Cur. p. 837 Orhai, 90 Stabol; ebenso Val. Max. VIII 1, 4. Vergleiche damit Cicero pro domo 45, wo in der Aufzahlung der dem Angeklagten günstigen Bestimmungen über die iudida populi am Schluß erwähnt wird, daß denique etiam si qua res illum diem aut auspieiis auf excusatione sustulü, toia causa iudidumque sublatum sü.

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ließ; ebenso aber haben sich natürlich die Vertreter der Ansicht, daß er dann eine Multklage erhob, auf sie berulen.

Im einzelnen ließen diese Angaben, als Labienus auf sie zurückgriff, manches unklar, und konnten verschieden ausgelegt werden. So hat Labienus, offenbar nachdem sein Antrag auf Eröffnung des Verfahrens durch die Plebs genehmigt war, die Duumvirn durch einen Praetor bestellen lassen, als den Rechts- nachfolger des Königs Tullus; dagegen aber wurde eingewandt, daß sie dem Herkommen gemäß von der Gemeinde gewählt werden müßten, offenbar mit Berufung darauf, daß in den Annalen dafür das auch bei Livius I 26, 7 (oben Ö. 557, 2) und VI 20, 12 stehende doppeldeutige oreare verwendet war; und dieser Einwand wird von Dio als berechtigt bezeichnet1). Somit wird dies eines der Argumente gewesen sein, auf Grund deren der Senat unter Ciceros Führung die Kassation des Verfahrens durchsetzte; denn Ciceros Ausdruck de perduellionis iudicio, quod a me svbhtwn esse criminan soles 10), erklärt sich nur, wenn das ursprünglich beabsichtigte Verfahren wirklich aufgehoben wurde. Dazu kam dann die Behauptung, daß das Verfahren längst antiquiert sei, was Cicero im folgenden kurz weiter ausfuhrt {quod utinam, Quirües, ego id aut pritnus aut sollt* ex hoc re- publica sustulissem/), und weiter die Angriffe gegen die Grau- samkeit des Urteils, das den Zeiten des Königtums entsprochen haben möge, aber für den freien Staat längst nicht mehr passe und mit seinen Gesetzen, der lex Porcia und der lex Sempronia und dem Verfahren des C. Gracchus in Widerspruch stehe. Da-

') Dio 37, 27: Die Duumvirn xa«c<]/Y)fioavto aötoö xattoi fit) xo6$ tob 8*r|fioo xatä icätpta, älXa Kp&c aotoö toö otparrjfoa o&x s£6v alpe- Wvxt«. Praetor urbanus war wahrscheinlich L. Valerius Flaccus (Cäc. proFlacco 6. 100), und er wird die Ernennung vollzogen haben; jeden- falls nicht, wie man gewöhnlich annimmt, Metellus Celer. Suetons An- gabe, Caesar sei sorte iudex in reum ductus , bezieht sich wohl dar- auf, daß er unter den beiden Duumvirn derjenige ist, der das Urteil spricht, wie Liv. 1 20, 8 cUter ex iis. Sonst müßte man annehmen, daß offiziell Losung vorgeschrieben war, der Praetor aber eben die für erlöst ausgab, die Labienus gewünscht hatte, wie das ja bei Losungen in Rom und anderswo oft genug geschehn ist und geschieht.

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Der rerduollionaproBeß de« ftabinud 5ßl

durch wurde erreicht, daß die Fällung eines Todesurteils mit Geißelung und Kreuzigung für unzulässig erklärt wurde. So kann Cicero sich rühmen, daß er das von Labienus geplante Verfahren unmöglich gemacht und ihn gezwungen habe, seine grausame, den Vorgang der Könige nachahmende Aktion aufzugeben1).

Aber damit war die Sache noch nicht erledigt. Rabirius hatte natürlich nach dem Spruch Caesars sofort an das Volk provociert, und so mußte dies ab der Souverän die Entscheidung geben1). Die Duumvirn freilich konnten hier ihre Sache nicht mehr ver- treten, wie es das Schema des Prozesses des Horatius gebot») ob sie in solchem Falle auch die Leitung der Verhandlung hatten, wie Mommsen annimmt, analog den quaestores parricidii, oder ob sie nur als Partei auftraten, unter dem Vorsitz eines andern Beamten, wissen wir nicht. Jedenfalls wurde jetzt die Leitung dem Labienus übertragen und ihm zu dem Zweck die Centimen zur Verfügung gestellt. Ob dabei alle sonst vorgeschriebenen Termine des Anquisitionsverfahrens innegehalten wurden oder ob, da ja der ganze Hergang irregulär war*) und aus den Annalen konstruiert wurde, gleich die Schlußverhandlung stattfand, ist nicht überliefert. Die Klage lautete nicht mehr auf den Tod, sondern auf eine Geldsumme, vielleicht verbunden mit gleich- zeitiger, oder, da Rabirius die Summe jedenfalls nicht zahlen

') § 17 quam ob rem fateor, Labiene, proflieor et prae me feto, te ex iüa crudeli, importuna, tum tribunicia actione 8t d regia meo con- ditio, viriuie, auctoritate esse depulsum. Wenn et weiter fortfahrt qua tu in actione quamquam ornnia exempla maiorum, omnis leges, omnem auctoritatem senatus, omnis reUgumes atque auspuHorum publica iura neglexisii, tarnen a me haec in hoc tarn exiguo meo tempore non audies; liberum tempus nobis dabitur ad istam die- ceptationem, so scheint er damit auf eine weitere Diskussion im Senat nach dem Aasgang des Prozesses und eine eventuelle Anklage zu ver- weisen.

') Vgl. im Prozeß des Paulus die Äußerung des Königs Agrippa zu Feetus aot. apost. 26, 82 airoXtXö<j*ai Movuto s Ävftptoito« o&to«, tl jtvj «tuxexXijTO Kouoapa.

') Liv. I 26, 6, s. ohen S. 557.

4) Vgl. Dio 37, 27, 3 obV Sri mpa tot vevojttojuva -fj xptat« frj»YOvtc ivt&opoövto.

Meyer, Uaesars Monarchie 36

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Beilage I

konnte und ins Exil gehn mußte, nachfolgender aquae et ignis inierdictio. Die Verteidigung übernahm Hortensius, der den Nachweis führte, daß nicht Rabirius den Saturninua erschlagen hatte1), und Cicero; diesem gewahrte Labienus für seine Rede bei der abschließenden Verhandlung nur eine halbe Stunde 6)«).

Cicero sagt, daß, als er, den Vorwurf gegen Rabirius in eine Verherrlichung umwendend, das Bedauern ausspricht, daß Ra- birius die Tat, wegen deren er angeklagt ist, nicht begangen habe und ihm daher der Ruhm derselben nicht zukomme, sich ein Geschrei erhoben habe ; aber die Gegner, die sich laut machten, seien nicht viele, das eigentliche Volk, das ihn zum Consul ge- wählt habe, lasse sich dadurch nicht beeinflussen und bei diesen Worten sei auch der Lärm schon viel schwächer geworden*). Das mag übertrieben sein, ist aber schwerlich rein erfunden ; denn er redet vor den Centurien, und hier, wo die Besitzenden den Ausschlag geben, ist die Stimmung natürlich eine andre, als in den Tributconiitien der Plebs. Dazu stimmt Suetons An- gabe, daß dem Rabirius bei dem Provooationsverfahren nichts so zugute gekommen sei als die Gehässigkeit (acerbitas), mit der

') pro Rab. 18 at id C. Rabirius multorum testimoniis, Q. Hor- tensie) copiosissime defendenie, aniea falsum esse doeuit. Das konnte eventuell auch in den vorhergehenden Anquisitionsterminen geschehen fcein. Aus Hortensius' Rede pro C. Rabirio, die also veröffentlicht war, zitiert Charisius p. 71 die Worte cicatricum mearum (H. Mbybr, orat. rom. fragmenta 371).

*) Die erhaltene Rede, von der allzuviel nicht verloren sein kann, ist in der Tat recht kurz, aber doch, wenn wir die fehlenden Stücke möglichst kurz ansetzen, langer als die Catilinarien und die Philippiken (mit Ausschluß von II und etwa noch V), und würde jedenfalls beträcht- lich mehr Zeit in Anspruch nehmen als eine halbe Stunde; Cicero hat sie also bei der Publikation wesentlich erweitert.

•) § 18 nihil me clamor iste commovet, sed consolatur, cum, in- dicat esse quosdam civis imperitos, sed non multos. nunquam, mihi credite , populus Romanus hic qui silet consulem me fecisset, si vestro clamore perturbaium iri arbiiraretur. quanto iam levior est acclamatio! quin coniinetis vocem indicem stultiliae vestrae, testem uancit atis '

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Der Perduellionsprozeß des Rnbirius

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Caesar das Urteil gesprochen hatte1). Indessen sicher war man des Ausgangs doch nicht, zumal die Abstimmung ja nicht öffent- lich, sondern durch Stimmtafeln stattfand; und so hat Metellus Celer zu dem Mittel gegriffen, durch das er die Auflösung der Versammlung erzwang.

Darauf, daß Labienus die Sache dann fallen ließ, brauchen wir nicht nochmals zurückzukommen; auch er und Caesar hatten sich überzeugt, daß sie bei einem nochmaligen Verfahren jeden- falls nicht zum Ziel kommen würden. So haben sie ihre Absicht aufgeben müssen, das Senatusconsultum ultimum für unge- setzlich erklären zu lassen und ein Vorgehn auf Grund des- selben in Zukunft unmöglich zu macheu.

Beilage II

Sallusts politische Broschüren an Caesar

Die beiden Schriften ad Caesarem senem de republica sind zusammen mit den Reden und Briefen aus Sallusts Geschichts- werken in der bekannten Handschrift des Vatikans überliefert"). Lange Zeit haben sie ganz allgemein für ein späteres Machwerk gegolten ; Jordan, dessen Ausführungen') für die Neueren um so mehr maßgebend geworden sind, da er ihr Ergebnis in seiner Ausgabe einer der wenigen Sallu st ausgaben, die diese Schriften aufgenommen haben wiederholt, läßt sie von einem Rhetor der flavischen oder trajanischen Zeit verfaßt sein, andre denken

') Dios Behauptung bei der Motivierung der Maßregel des Metellus navttoc 8' fiv xal Jtapä tq» frfjpwj) iäXto ('Paß(pioc) ist also wahrscheinlich übertrieben.

*) Es ist ratsam, darauf hinzuweisen, daß die Überlieferung der invectiva Sallusts gegen Cicero und der Antwort Ciceros eine ganz andre ist.

s) H. Jordan, de suasoriis .quae ad Caesarem senem de republica inscribuntur. 1868.

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Beilage II

gar an die Zeit Prontoe. Neuerdings hat eine Reaktion eingesetzt ; neben andern ist vor allem Pöhlmann1) nachdrücklich für die Echtheit eingetreten und hat aie eingehend zu erweisen und ihren Inhalt politisch zu würdigen versucht. Doch dürfte die gegenteilige Ansicht auch jetzt noch die herrschende sein und vielfach, wie es zu gehn pflegt, ohne Prüfung nachgesprochen werden; wie fest solche absprechenden Urteile zu sitzen pflegen, wenn sie einmal Eingang gefunden haben» ist ja eine nur zu häufige Erfahrung. So wird eine neue Prüfung um so mehr ge- boten sein, da sich, wie ich glaube, in der Frage in mancher Richtung noch wesentlich weiterkommen läßt, als ea Pöhlmann gelungen ist.

Ganz zweifellos ist zunächst, daß die beiden Aufsätze ent- weder von Sallust selbst verfaßt sind oder aber von einem Schrift- steller, der die Maske Sulluste angenommen hat; es ist völlig ausgeschlossen, daß hier etwa der Zufall eine Rolle gespielt hat und sie wider die Absicht des Verfassers unter die Schriften SalhiBts gekommen wären, etwa wie so viele Reden in die Sammet- uusgaben der attischen Redner oder die unechten Schriften in die Werke des Plato und Aristoteles. Vielmehr wenn sie nicht von Sallust herrühren, so hat der Verfasser es vorzüglich ver- standen, sich in Sprache und Geist Salluste einzuleben, und ebenso in die Verhältnisse seiner Zeit. Dadurch unterscheiden sie sich auf das stärkste von Machwerken wie der von Didius (S. 164, 1) verfaßten Antwort Ciceros auf Sallusts Invektive oder seinem Brief an Octavian ; das Problem hegt vielmehr ebenso wie bei der jetzt glücklich überwundenen Anzweiflung des Briefwechsels zwischen Cicero und Brutus oder bei den Briefen Piatos, und nichts ist ver- kehrter und oberflächlicher, als die Behauptung, daß die beiden Aufsätze ein annseliges, von Fehlern, Anachronismen, mißglückten Nachahmungen wimmelndes Machwerk wären. Genau das Gegen -

>) „An Caesar!« .Über den Staat!' Zur Geschichte der antiken Publizistik, in seinen Oes. Abh. Aas Altertum und Gegenwart, Neue Folge 1911, 184 ff. (vorher Ber. der Münch. Ak. 1904). Auch Scharz, Röm. Literaturgesch. 1 2, 3. Aufl. S. 188 sprioht sich entschieden für die Echtheit an».

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SallusU Broschüren an Ottwar

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teil ist richtig, und ein sehr interessantes, gründliches Studium ver- dienendes Erzeugnis der Literatur sind sie daher auf jeden Fall. Stammen sie aber von Sallust, so sind sie die ältesten Erzeug- nisse seiner Feder, und gewinnen alsdann durch den Einblick, den sie in die geistige und Uterarische Entwicklung dieses Schrift- stellers gewähren, trotz oder vielmehr gerade infolge der Imitation des Thukydides einer der selbständigsten und eigenartigsten Ge- stalten der römischen Literatur, nur noch erhöhte Bedeutung.

Vielfach hat man sich bemüht, das Problem durch eingehende sprachliche Untersuchungen zu lösen, so vor allem Jordan im negativen, Pöhlmann im positiven Sinne. Zu einem sicheren Resultat ist man dadurch aber bisher nicht gelangt, zum Teil, weil diese Untersuchungen mit Beobachtungen und Behaup- tungen überladen sind, denen geringe oder garkeine Über- zeugungskraft innewohnt, und weil die Berührungen mit Stellen der übrigen Schriften Sallusts meist nicht scharf genug angefaßt sind1). Ich sollte allerdings denken, daß es möglich sein muß, bei dieseu Stelleu zu entscheiden, wo die Priorität liegt, ob wir es mit einer mehr oder weniger geschickten Nachahmung zu tun haben, oder ob vielmehr Sallust einen Gedanken, den er hier zuerst ausgesprochen hat, später in seinen historischen Schriften in derselben Fassung oder mit formellen und inhaltlichen Modi- fikationen verwertet hat; und ebenso, ob in dem Hyperarchais- iiius, der in den beiden Schriften herrscht, eine über das Ziel hinausschießende, für Sallust unmögliche Imitation steckt, oder ob Sallust in der weiteren Entwicklung seines Stils seine Neigungen gedämpft und die Extreme seiner Anfänge gemildert hat. In- dessen eine derartige Untersuchung kann, wenn sie zum Ziel führen soll, nur von einem Philologen geleistet werden, der diese Dinge vollkommen beherrscht und mit gründlicher Sachkenntnis ein feines stilistisches Gefühl und dasjenige, nicht allzuhäufige

') Sehr mit Hecht hat Pöhlmaiw die Berührungen mit Thukydides hervorgehoben, die Bich hier wie in den anderen Schriften Sallusts finden; freilich geht er meines Erachten« auch dabei mehrfach Aber die (irente hinaus, wenn er aas einseinen Anklangen eine direkte Benutzung der betreffenden Stelle dee Thukjdides folgert.

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Beilage II

Maß ästhetischen Urteils und gesunden Menschenverstandes ver- bindet, ohne das die Analyse notwendig auf Irrwege geraten muß. Nach dieser Richtung hin werden also die hier vorgelegten Untersuchungen einer weiteren Ergänzung bedürfen1).

Um so sicherer läßt sich der Inhalt der Schriften prüfen; und er führt, glaube ich, zu einem völlig gesicherten Ergebnis.

Die Vorschläge, welche der Verfasser macht, sind früher schon besprochen worden. Am meisten am Herzen hegt ihm die Auf- hebung des unheilvollen Einflusses des Geldes, der Habgier und Verschuldung, worin er, ganz wie Sallust*), die Grundursache des Verfalls der alten Zucht, der Korruption und der heillosen Zersetzung des Staats sieht. Aber daneben macht er eine Reihe einzelner Vorschläge: die Bürgerschaft in ihrer jetzigen Gestalt ist unfähig, das Regiment zu führen; sie soll durch Neubürger und Gründung von Kolonien gestärkt und gehoben, danach der Kriegsdienst gleichmäßig gestaltet, die Gctreideverteüung für die ausgedienten Soldaten bestimmt werden. Der Senat soll durch Vermehrung der Mitglieder eine bestimmte Zahl will er nicht geben und durch Einführung der geheimen Abstimmung ge- hoben und für seine Aufgaben brauchbar gemacht werden. Zu den Richterstellen sollen alle Bürger der ersten Klasse heran- gezogen werden. Bei den Wahlen dagegen soll der Vorrang der Reichen beseitigt und, nach C. Gracchus* Vorschlag, die Folge der Centurien aus allen fünf Klassen durch das Los bestimmt werden.

Das sind Vorschläge, die Caesar größtenteils nicht befolgt hat. Zwar hat er zahlreiche Neubürger aufgenommen, Kolonien gegründet, die Zahl der Senatoren bedeutend vermehrt; aber eine Hebung der Stellung und des Ansehns des Senats lag ihm ganz fern, die Getreideverteilung hat er anders geordnet, den Zutritt zu den Riohterstellen ganz im Gegensatz zu dem Wunsch

') Zu meiner Freude teilt mir E. Nordkit mit, daß er diesen Nach- weis der Echtheit sowohl bei den Schriften an Caesar wie bei der .In- vektive gegen, Cicero erbringen kann.

«) Catil. 10 ff. 36 f. (vgl. 88). Jug. 41. hist. I fr. 12 ff. Mauixkh*

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Sallusts BroHchüren an Caesar

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des Verfassers auf Senat und Ritter beschränkt, die Wahlordnung nicht geändert. Ebensowenig entspricht die vorgeschlagene Staatsgestaltung den Ordnungen des Principats, so daß etwa, was ja an sich denkbar wäre, der Verfasser das Endergebnis der Entwicklung schon dem Caesar als zu erstrebendes Ziel vor- getragen hätte, wie bei Dio Maecenas dem Augustus die Staats- gestaltung der Severerzeit als Programm entwickelt. Vielmehr ist es das Programm einer gemäßigten, ehrlich gemeinten Demo- kratie, das sich nicht realisiert hat, sondern ein frommer Wunsch geblieben ist. Aber andrerseits sind die Schriften nichts weniger als Rhetorenarbeit, vielmehr sehr ernst gemeinte und mehrfach ins einzelne gehende Reformvorschläge1), deren Annahme der Verfasser erhofft. Das ist ein ganz starkes Argument für die Echtheit: für die vollentwickelte Kaiserzeit hatte dieses Pro- gramm garkeine Bedeutung mehr, weder praktisch noch theo- retisch; es ist garnicht einzusehn, wie in der Zeit der Flavier oder etwa der des Claudius oder Nero ein demokratischer Theo- retiker — fall? es damals überhaupt einen solchen gab dazu hätte kommen können, derartige, seiner Zeit ganz fernliegende, völlig utopische Reform vorschlage vorzutragen. Wir könnten uns vorstellen, daß bei einer den Traditionen des Altertums ent- sprechenden Gestaltung der Schriftstellerei jemand ein halbes oder ganzes Jahrhundert später etwa Niebuhr im Jahre 1815 eine Rede in den Mund legte, in der er sei es die Grundzüge der Stein-Hardenbergischen Gesetzgebung und der damals geplanten

') Daß er dabei zunächst nur die Grundlinien zeichnet und die weitere Ausarbeitung zurückstellt, bis Ober die prinzipielle Annahme seiner Gedanken entschieden ist, ist durchaus sachgemäß; aber er hat auch diese Dinge schon durchdacht und ist zur weiteren Ausführung bereit: .vielleicht," sagt er, II 12, .vermißt du genauere Angaben über die Zahl der Senatoren, die Zahl und Verteilung der Richter. Das alles könnte ich leicht geben; aber zunächst meinte ich nur die Grundzüge Dir vorlegen und empfehlen zu sollen, wenn du auf diesen Weg ein- gehn willst, ist das übrige parat* (ea mihi omnia generatim di~ scribere haud difflcile factu fuit; sed prius laborandum Visum est de summa consilii, idque tibi probandum verum esse, si hoc itinere uti decreveris, cetera in promptu erunt).

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preußischen Verfassung, oder aber die der Reichsverfassung von 1867, oder et wa auch die ständischen Ideale Friedrich Wilhelms IV. entwickelte; aber ganz unbegreiflich würde es sein, wenn man ihn Vorschlage machen ließe, die weder für die Gegenwart noch für den Verlauf der geschichtlichen Entwicklung irgendwelche Bedeutung hätten und daher völlig in der Luft schweben würden. Wer ein solches Schriftstück abfaßt, will doch damit irgend eine Wirkung erzielen, sei es lediglich belehrend, sei es praktisch in der eigenen Gegenwart. Wie solche Erzeugnisse aussehn, bei denen die Maske einer geschichtlichen Persönlichkeit angenommen wird, zeigt die oben besprochene Rede des Tiberius Gracchus gegen Africanus, d. i. gegen Caesar (oben S. 531 f.), in der die Ent- täuschung seiner demokratischen Anhänger über die von ihm eingeschlagene Bahn zum Ausdruck gelangt, oder etwa die drakontische Verfassung bei Aristoteles.

Auch der Ausweg ist nioht gangbar, daß die beiden Schrift- stücke etwa aus einem Geschichtswerk entnommen seien, dessen Verfasser die Gestalt des SaUust benutzt hätte, um Caesar das demokratische, von ihm nioht befolgte Programm vorzutragen, so wie Agrippa bei Dio dem Augustus das Ideal der Republik entwickelt, und daß sie dann in eine Gesamtausgabe der Schriften Sallusts gekommen wären, wie die Rede, die Anaxinienes dem Demosthenes als Antwort auf Philipps Manifest vom Jahre 341 halten ließ, in die Sammlung der Reden des Demosthenes. Dieser Deutung steht nicht nur der Inhalt entgegen, sondern vor allem die Form; es scheint völlig unmöglich, einen Anlaß zu ersinnen, bei dem ein Historiker die beiden Sohriftstücke in dieser Gestalt hätte einlegen können, sie müßten dann ganz anders aussehn. Sie können garniohts andres sein als Broschüren aus der Zeit Caesars selbst : und alsdann müssen sie, wie schon bemerkt, in der Tat von Sallust selbst verfaßt sein.

Äußerlich tragen beide Schriften diejenige Gestalt, die durch. Isokrates für die politische Broschüre maßgebend geworden ist; dabei ist es irrelevant, ob sie in der Form von Reden oder, wie Isokrates' Philippos und manche andre, in der von Sendschreiben auftreten. Es ist Pedanterie und verkehrte Spezialisierung, wenn

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Sallu*tt> Broschüren an Cae*ar

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Jordan der zweiten, , da sie sich selbst als Sendschreiben gibt1), den Titel epistola, der ersten, die auch als Rede in Caesars Kabinet gesprochen sein könnte2), den Titel oratio vorgesetzt hat; in Wirk- lichkeit sind eben beides Broschüren.

Sehr verschieden ist dagegen die Situation, welche jede der beiden Schriften voraussetzt; sie stehn zeitlich ziemlich weit von- einander ab, und zwar ist die an zweiter Stelle überlieferte die ältere*). Hier steht Caesar im Felde, mitten im Bürgerkrieg; trotzdem fühlt sich der Verfasser verpflichtet, sich schon jetzt über die Fragen der inneren Politik und der Neuordnung des Staate mit Ratschlagen und Mahnungen an ihn zu wenden*). Aber er ist nicht bei ihm, und eben darum erhalt diese Broschüre den ausgesprochenen Charakter des Sendschreibens. Offiziell ist Caesars Gegner „der feindliche Consul", d. i. Lentulus, er ist damit beschäftigt, „sich gegen den Angriff der Feinde zu wehren und die ihm vom Volk gewährte Vergünstigung" (d. i. die Bei- behaltung der Provinz und die abwesende Bewerbung um das Consulat) „gegen den feindlichen Consul zu behaupten"; aber es wäre seiner unwürdig, sich darauf zu beschränken6). Von An- fang seiner Laufbahn an hat er erfolgreich für die Freiheit der

') II 12, 1 bezeichnet er die Schrift als lüterae (perlectis lüterUJ; ▼gl. 2, 1 quae insa sunt de republiea, tibi scripsi; 13, 8 quam pau- cissimis potui perscripsi.

') Die allgemeinen Ausdrücke I 5, 1 de hello satis dictum; 8. 8 disserere; 8, 10 a me quidem pro civüi parte dictum et adiutum fuerit, vgl. auch 1 , 9 jeder muß jetzt sein bestes sagen (utei dicat), beweisen wenig; ebenso findet sich in II dicere und disserere neben scribere gebraucht (2. 4. 10, 1). Von einer bestimmten Rücksichtnahme auf rein mündliche Verhandlung in Gegenwart Caesars in seinem Hause, etwa wie in Ciceros Rede pro Deiotaro, findet sich keine Spur.

*) Das hat bereits Joh. Clericos in der seiner Ausgabe 1710 voraus- geschickten Vita Sallustii ganz richtig erkannt, die ich durch den Ab- druck in der Ausgabe Frotschkrb kenne, ». p. XIX.

4) IX 2, 2 inter labores müitiae interque proelia. victorias, Im- perium statui admonendum te de negotiia urbanis.

*) II 2, 8 namque tibi si id modo in pectore consiHi est, ut te ab initnicorum impetu vindices quoque modo contra adversum con- Bulem beneflcia populi retineas, indigna virtute tua eogilas.

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Beilage II

plebs gegen die Koterie der Nobilität gekämpft1); jetzt darf er sich der Aufgabe nicht entziehn, „die gestürzte Freiheit wieder- herzustellen"2).

Von den Gegnern, der factio nobilitatis, die auf alle Weise versuchen wird, die Macht des Geldes aufrecht zu erhalten8), wird eine scharf pointierte Schilderung entworfen. „Da sie der Trägheit und kraftloser Schwäche (inertia), dem Stumpfsinn und dem Starrkrampf verfallen sind, so toben und neiden sie, und betrachten den guten Ruf andrer als eine Schande für sich selbst. Aber was soll ich weiter über sie reden, sie sind ja bekannt genug. Was Marcus Bibulus an Tapferkeit und Geisteskraft besitzt, hat sich in seinem Consulat Luft gemacht; seine Zunge (Redegabe, Ungua) ist schwach, nach seiner Begabung ist er eher schlecht ab verschlagen; was kann er noch zu unternehmen wagen, dem das Consulat, das höchste Kommando, zur größten Schande ge- reicht hat? Oder hat Lucius Domitius die Kraft, etwas zu leisten? ein Mann, bei dem jedes Glied mit Verbrechen befleckt ist4), die*Zunge eitel, die Hände bluttriefend, die Füße flüchtig; was man anstandshalber nicht nennen kann, erst recht unanständig*). Der einzige, dessen Begabung ich nicht verachte, ist Cato; er ist gewandt, mit reichem Redefluß, verschlagen. Das sind Künste, die man durch die Schule der Griechen erwirbt«). Aber männliche Tugend (virtus), Wachsamkeit, Arbeitsamkeit sind bei

') II 2, 4 sin in te ille animus est, qui iam a principio nobüU tatis factionem disturbavü, plebem Romanam ex gravi Servitute in Uberiatem restüuit, in praetura inimicorum arma inermis disiecü cet.

*) II 18, 8 utei libertatem eversam restUuas.

*) II 8, 6.

4) Dieselben Worte cuius nulla pars corporis a turpitudine vacai, Ungua vana, manus rapacissimae , gula immensa, pedes fugaces, quae honeste nominari non possuni, inhonestissima ver- wendet die Invectiye gegen Cicero 8, 5. Die Grundlage bilden die be- kannten Schmähreden und Verleumdungen der attischen Redner.

*) Vgl. dazu Caelius' Schilderungen des Domitius ad fam. VIII 1, 4 (oben S. 247, 2). 12, 1 ff. 14, 1. 15, 2.

•) unius tarnen M. Catonis ingenium versutum, loquax, caUidum haud contemno. parantur haec disciplina Graecorum. sed virtus, vigilantia, labor apud Graecos nulla sunt.

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Sallusts Broschüren an Caesar

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den Griechen nicht zu finden; denn wo sie ihre eigne Freiheit infolge ihrer kraftlosen Schwache (inertia) verloren haben, wie kann man glauben, daß nach ihren Vorschriften die Herrschaft geführt werden kann? Die übrigen Mitglieder der Koterie sind die kraftlosesten (zur Leistung unfähigsten, inertissimi) des Adels, in denen wie in einer Inschrift1) außer dem guten Namen nichts zu finden ist. Menschen wie Lucius Postumius und Marcus Favonius kommen mir vor, wie die überschüssige Ladung eines großen Schiffs; wenn man heil ankommt, sind sie von Nutzen; gerät man in Bedrängnis, so wirft man sie zuerst über Bord, weil sie am wenigsten Wert haben"*).

Diese eben so lebensvolle wie boshaft gezeichnete Galerie von Porträts atmet so unmittelbar die lebendige Gegenwart des Parteikampfs, daß es völlig unmöglich ist, daß sie von einem späteren Schriftsteller, und nun gar von einem Rhetor stammen könnte. Dabei ist sie sallustisch durch und durch. Um so mehr ist zu beachten, daß sie sich mit der berühmten Schilderung Catos im Catiliua zwar berührt, aber keineswegs deckt. Auch dort ist Cato der diametrale Gegensatz zu Caesar, was in der Charakterisierung beider in allen Einzelzügen durchgeführt wird, und auch dort besitzt Caesar die Eigenschaften, die hier Cato abgesprochen werden, Arbeitsamkeit, Wachsamkeit, männliche Tugend*). Aber im Catilina erkennt er Cato als ebenbürtigen Rivalen seines Gegenbildes an, dem er an Geistesgröße und an Ruhm gleichsteht; er hat das in der Leidenschaft des Partei- kampfs geschriebene Urteil seiner Jugendschrift ebenso korri- giert, wie er das gehässige Bild, das Caesar von Cato gezeichnet

') So nach Jordans Konjektur sicut in tüulo; die Handschrift bietet sicut instituto; Justus Lipsiüs, dem die älteren Herausgeber folgen, korrigierte sicut in statua.

*) II 8. 7-9, 4.

•) Cat. 54, 4 postremo Caesar in animum induxerat lab o rare vigilare, negotiis amicorum intentus sua neglegere . . .; sibi ma- gnum imperium, exercitum, bellum novom exoptabat, urbi virtus enitescere posset. Catos Streben dagegen geht aut tnodestia, decus, severitas ; cum strenuo virtute, cum modesto pudore, cum innocente abstinentia certabat, esse quam videri bonus malebat.

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hat, und das er naturbeb genau kennt, mit voller Absicht durch seine Schilderung zurückweist.

Zugleich gibt diese Stelle einen sicheren Anhalt für die Datierung der Schrift. Sie ist geschrieben, als alle Genannten noch am Leben sind, also zwar nach der Flucht des Domitius aus Corfinium Ende Februar 49, aber vor dem Tod des Bibulus im Frühjahr 48, mithin im Spätsommer oder Herbst 49, nach der Kapitulation von Herda, etwa als Caesar vor Massilia stand und man seine Rückkehr nach Rom und die Maßregeln, die er als Dictator ergreifen mußte, erwartete.

Ein einige Jahre spater geschriebenes Gegenbild zu der Schilderung Sallusts findet sich bei Cicero im Brutus 267 ff., wo im Anschluß an L. Torquatus und C. Triarius die Opfer des Bürgerkriegs aufgezählt und als Redner charakterisiert werden, darunter1) M. Bibulus, dessen Schriftstücke korrekt abgefaßt sind, zumal wenn man in Betracht zieht, daß er kein Redner war, und der in vielen Fällen sich standhaft verhalten hat; L. Domitius, der ohne jegliche Kunst, aber doch echt lateinisch und mit großem Freimut redete; und auch T. Postumius ist als Redner nicht zu verachten, in Staatsangelegenheiten aber war er als Redner eben so heftig wie ab Krieger; er ließ sich zu sehr die Zügel schießen und war zu leidenschaftlich, aber ein guter Kenner der Gesetze und Ordnungen des Staatsrechts. Dieser Titus Postumius ist offenbar derselbe, der Anfang 49 vom Senat als Nachfolger des Furfanius, der Sicilien als quaestor pro praetore verwaltete, nach Sicilien geschickt wurde, aber bei den Verhandlungen mit Caesar Ende Januar erklärte, er werde nur zusammen mit Cato, zu dessen Legaten er vermutlich be- stimmt war, hingeh n, da er glaubte, bei den erwarteten Verhand- lungen im Senat in Rom werde seine Stimme von Einfluß sein1).

') Neben Appius Claudias (f Anfang 48), P. Lentulus Spinther (Todesdatum unbekannt, jedenfalls nach dem Frühjahr 47, ad Att. XI 13, 1), L. Lentalus Cru* (Ende 48 in Aegypten umgebracht). Favonius wird im Brutus nicht erwähnt, er war ja noch am Leben.

*) ad Att. VII 15, 2 negat se sine Catone Üurum, et suam in senatu operam auctorilatemque quam magni aestimat. An seiner Stelle

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Sallust* Broschüren an Caeaar

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Sonst kommt er meines Wissens nicht vor1); ich möchte vermuten, daß er mit dem ebensowenig bekannten Lucius Postumius bei Salhist identisch und der Vorname verschrieben ist.

Zur Macht gelangt sind diese Leute durch Pompejus, der, sei es aus angeborener Schlechtigkeit, sei ea, weil er Caesar auf alle Weise in den Weg treten wollte, dessen Feinden die hier direkt hoste* , nicht wie sonst mimtet genannt werden die Waffen in die Hand gegeben hat'). Er hat die Plebs, die früher die höchste Gewalt, die Souveränität, besaß*), in die Knechtschaft gestoßen4), und das Regiment einigen wenigen Senatoren über- geben, die über die Steuern, Ausgaben, Gerichte verfügen. Be- sonders erbittert ist der Verfasser über das letztere; die gewaltige Erregung über die politischen Prozesse, in denen Sallusts Genoasen verurteilt wurden, während er selbst zwar der Verurteilung ent- ging, aber durch die Censoren aus dem Senat gestoßen wurde, zittert hier nach, ebenso wie sie bei Caesar zum Ausdruck kommt*). „Zwar sind die Gerichte, wie früher, den drei Ständen

wird daher Fannius cum imperio in Sicüiam praemittUmr. Dann übernahm bekanntlich Cato selbst das Kommando auf der Insel, wah- rend C. Fannius die Provinz Aua erhielt

') Schwerlich identisch ist Postumius, Sohn der Postumia, dar Ge- mahlin des 8er vi us Sulpicius, bei Cic. ad Att. V 21. 9. 14, und sicher ein anderer der pro Sest. 111 erwähnte Postumius, adolescens gravis, Schwestersohn des verkommenen Clodianers Gellius, der diesen nicht zum Vormund seiner Kinder bestellt hat, also im Jahr 56 schon ge- storben war. Ein sonst gleichfalls nicht bekannter Günstling Caesars Postumius wird fam. VI 12, 2 im Jahr 46 erwähnt.

*) II 8, 1 sed quoniam Cn. Pompeius aut animi pravitate aitt quia nihil eo maluit, quod tibi obessei, ita lapsus est, ut hosübus tela in manus iaceret.

•) plebeni Romanam, quoius antea summa potesfas erat eben durch die lex Hortensia Ober die bindende Kraft der Plebiacite und die darauf beruhende herrschende Stellung der Tribunen, die Anfang 49 vergewaltigt wird.

*) plebem . . . ne aequis quidem legibus in Servitute reliquü. Vgl. II 4, 3. 12, 5. 18, 8 über die Gefahrdang der libertwt, die durch das Vorgehn gegen Caesar unterdrückt ist.

5) civ. III 1, 4: durch Gesetze der Praetoren und Tribunen non- nullos ambitus Pompeia lege damnatos illis temporibus, quibus in

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überlassen, aber die Mitglieder jener Koterie regieren, geben und nehmen nach Belieben, umgarnen die Unschuldigen, erheben ihre Genossen zu Ehrenamtern. Kein Verbrechen, keine Schandtat steht der Erwerbung der Magistratur im Wege. Nach ihrer Be- quemlichkeit schleßpen und plündern sie die Leute, als hätten sie die Stadt erobert, setzen sie Willkür und Belieben an Stelle der Gesetze. Hatten sie den Sieg durch ihre Tüchtigkeit er- rungen und nutzten sie ihn dann Dich ihrer Art dadurch aus, daß sie die andern in Knechtschaft hielten, so würde mich das nur mäßig wurmen; aber es sind kraftlose Menschen (homines inertissimi), deren ganze Macht und Tüchtigkeit in der Zunge sitzt, die die Herrschaft, die ihnen durch Zufall und die Sorg- losigkeit eines andern zugefallen ist, frech ausnützen." Und nun folgt die Behauptung, daß kein früherer Bürgerzwist so viele angesehene Familien von der Wurzel aus vertilgt habe, selbst Sulla sei nicht so heftig und maßlos aufgetreten: „obwohl er, dem nach Kriegsrecht im Siege alles gestattet war, einsah, daß durch Hinrichtung der Feinde seine Partei gefestigt werde, zog er es doch vor, nach Tötung einiger weniger die übrigen lieber durch Wohltaten als durch Furcht an sich zu fesseln1). Dagegen sind durch M. Cato, L. Domitius und ihre Parteigenossen*) vierzig

urbe praesidia legionutn Potnpeius habuerat, quae iudicia aliis audientibus iudicibus, aliis sententiam ferentibus [dem liegt zu- grunde, daß die Auslosung der Richter und die den Parteien freistehende Ablehnung einzelner erat nach dem Zeugenverhör, aber vor den Plä- doyers erfolgte] singulis diebus erant perfecta, in integrum restituü.

') L. Sulla, cui omnia in victoria lege belli licuerunt, tametsi 8upplicio hostium partis suas muniri inteüegebat , tarnen paucis interfectis ceteros beneftcio quam metu retinere maluü.

*) Die handschriftliche Überlieferung at bereutem Catonem L. Do- müio ceterisque eiusdem factionis quadraginta Senatoren, multi praeterea cum spe bona adulescentes sicutei hostiae mactati sunt ist von Morosen in at bereute a M. Catone L. Domitio cet. korri- giert. Dasselbe besagt Ohsllis Vorschlag at fiercule M. Catoni, falls der Dativ die Bedeutung von a mit dem Ablativ haben soll; ganz un- möglich wäre dagegea die von Pöhlmajih dieser Lesung gegebene Über- setzung : „dem Cato und dem Domitius usw. sind sie geopfert worden*. Aber in jener Auffassung ist, wie mir E. Nords« bemerkte, diese Le-

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Salluste Broschüren an Caesar

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Senatoren, ferner viele hoffnungsvolle junge Leute wie Opfer- tiere abgeschlachtet, und der Blutdurst dieser unverschämten Menschenkinder war durch das Blut so vieler armer Bürger noch nicht gestillt1): weder die verwaisten Kinder, noch die hoch- betagten Eltern, noch die Klagen und Seufzer von Männern und Frauen haben ihren grausamen Sinn gebeugt, sondern tagtäglich immer heftiger gingen sie daran, durch arge Taten und Reden die einen aus ihrer Rangstellung" so den Sallust selbst und die übrigen durch die Censoren aus dem Senat Ausgestoßenen , „die andern aus der Bürgerschaft auszustoßen*). Denn was soll ich noch von Dir selbst reden? wollen doch die feigen Leute ihr Leben hingeben, um Dir Schmach anzutun, wenn es ihnen nur möglich wäre"').

Diese Stelle hat von jeher ein Hauptargument für die Un- echtheit der Schrift gebildet; denn es ist zweifellos, daß, selbst wenn in den Wirren der letzten Zeit vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs einzelne politische Morde vorgekommen sein sollten, ein derartiger Massenmord, wie er hier geschildert zu werden scheint, vollkommen ausgeschlossen ist. Wir kennen die Zeit in allen Einzelheiten so genau, um das mit Sicherheit sagen zu können, ganz abgesehn davon, daß Catos Verhalten ein total andres war, und daß Caesar, wenn auch nur Ansätze dazu vor- gekommen wären, sich das in seiner Darstellung im Bürgerkriege gewiß nicht hätte entgehn lassen. Von der Blutgier der Gegner, von der Abschlachtung der Gefangenen durch Bibulus und Labienus redet er; und ebenso kennen wir die blutigen Gelüste der Republikaner und des Pompejus aus Ciceros Korrespondenz und sonst. Aber das sind Dinge, die hier nicht in Frage kommen.

sung noch besser als die Mommscts; der Dativ verschleiert die unmittel- bare Beteiiigang, etwa: „im Namen des Cato osw. sind sie zum Opfer hingeschlachtet".

l) quom interea inportunissima genera hominum tot miserorum civiutn sanguine satiari nequierunt.

') quein acerbim in dies male faciundo ac dicundo dignüate alios, alias civiiate eversum irent.

*) nam quid ego de te dicam? cuius contumeliam homines ignavissimi vita sua commutare volunt, si liceat.

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Beilage II

Der Ausweg freilich, daß ein unwissender Rhetor diese Behaup- tungen aus den Fingern gesogen habe und sich dadurch verrate, führt hier so wenig zum Ziel, wie in allen ähnliohen Fallen, wo man sich damit beruhigt und ein schwieriges Problem dadurch zu lösen versucht hat, daß man der Unwissenheit und dem Stumpfsinn eines Fälschers die Schuld zusohreibt; denn der Verfasser der Schrift, selbst wenn es nicht Sallust wäre, ist sonst überall über die Vorgänge so genau orientiert und schreibt so vollständig aus der Situation zu Anfang des Bürgerkriegs heraus, daß diese Beschuldigung völlig unzulässig ist: im Gegenteil, ein schwerer Irrtum oder eine krasse Übertreibung , falls etwas Der- artiges vorhegt , wäre viel eher bei einem Zeitgenossen in der Leidenschaft des Parteikampfes zu begreifen, als bei einem spätem Sohriftsteller, der die geschichtlich feststehenden Tat- sachen genau kannte.

Aber eben so unhaltbar sind die Deutungen, welche die Ver- teidiger der Echtheit versucht haben. Seit der Aldina las man at hereuie nunc am Colone, L. Domüio ceterisque, und das wird, im Anschluß an Spandau, von Pöhlmann in der ersten Fassung seiner Schrift in cumGarbone, Domüio, ceteris korrigiert: es seien die Opfer des sullanischen Bürgerkriegs und speziell des Pom- pe jus Cn. Carbo und On. Domitius, die Pompe jus im Jahre 81 in Sicilien und Afrika hinrichten ließ. Pöhlmann beruft sich darauf, daß Appian als Opfer der sullanischen Proskriptionen „gegen vierzig Senatoren" angibt1). Daran knüpft eine Deu- tung Bardts*) an, der Pöhlmann sich in dem Wiederabdruck seiner Schrift zuneigt: nicht Sulla ist der Massenmörder ge- wesen , sondern die noch heute bestehende Adelskoterie , als deren Repräsentanten Cato (geb. 95)*) und L. Domitius

') civ. I 95, 442 ßootaut&c «ooapdxovta wal räv x«Xooftivu>v Ikxcu>v äfjupl xt^t°ü< xal i£axos(ooc hcl &av&tq» «pot>Tpaytv.

*) In seiner Rezension der PöHLMiNitschen Abhandlung in der Berl. Philol. Wochenschr. 1904, 940 ff.

») Liv. per. 114. Plut. Oafco 8. 78. Da das Datum von Grokbk, Hermes 42, 1907. 310 ff. = Drumaks V » 169, 6 auf Grund der Tatsache, daß Cato im Jahr 65 Quaestor war, bezweifelt ist, weil die Quaestur

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Satlust« Broschüren an Ca«*ar

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(geb. 98)1) genannt werden, obwohl sie zur Zeit der su IIa machen Proskriptionen noch nicht dem Knabenalter entwachsen waren. Aber diese Deutung ist nicht nur so gezwungen und unnatürlich, daß ihr wohl niemand zustimmen wird, sondern sie widerspricht geradezu dem Text: denn der Verfasser stellt ja die Bluttaten, welche die Optimaten gegenwärtig, vor Ausbruch des Bürger- kriegs, begangen haben, in scharfen Gegensatz zu denen der sullanischen Zeit, die eben darum nach Möglichkeit, weit über die realen Tatsachen hinaus, abgeschwächt und entschuldigt werden (paucis inUerfectis).

Es kommt hinzu, daß der Verfasser in der zweiten Broschüre I 4 zweieinhalb Jahre spater seine Behauptung wiederholt, nur daß er hier Sullas blutiges Vorgehn sachgemäß schildert: „Ist schon in Vergessenheit versunken, was kurz vor dem gegen- wärtigen Kriege dem Porapejus und dem Siege Sullas zum Vor- wurf gemacht wurde2), daß Domitius, Carbo, Brutus und andre nicht mit den Waffen in der Hand, noch in der Schlacht nach Krie<£srecht, sondern nachher als Schutzflehende durch ein ver- brecherisch es Verfahren getötet, die römische Plebs in dem städtischen Schlachthof wie Vieh zusammengehauen ist? 0 weh, wie waren jene geheimen Begräbnisse von Bürgern und plötz- lichen Mordtaten, die Flucht von Frauen und Knaben in den

nach Möhnsen , Staatsrecht 1 1 563 ff. erst im Lauf des 81. Lebensjahrs habe bekleidet werden dürfen, so bemerke ich, daß diese Behauptung Mommhens falsch ist: es gab für die Quaestur Oberhaupt keine Alten grenze, sondern es war nur die Vollendung einer zehnjährigen militäri- schen Dienstzeit gefordert (vgl. S. 451 A.)

') Domitius bewarb sich um das Consulat für 55, natürlich suo ö««o, vgl. Cic. ad Att. IV 8 b.

') an iila, quae paulo ante hoc bellum in Cn. Pompeium vic- toriamque Sullanam increpabantur, oblivio interfecit, Domitium . . . interfectos cet? Diese Dinge, die Hinrichtung der demokratischen Führer durch Pom pejus, sind diesem wirklich eben damals wiederholt vorgerückt worden, sowohl von Brutus (Seneca controv. XI, 8 M. Brutus . . . eius (Pompei) civili sanguine non inquinatas solum manua, sed infectas ait, vgl. o. S. 211 A.) wie von Helvius Mancia aus Formiae in einem Prozeß pegen L. Libo vor den Censoren (im J. 55?), als Pompejus für diesen auftrat (Val. Ma*. VI 2, 3. oben 8. 15«, I).

Meyer, Caesars Monarchie W

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Beilag« II

Schoß der Ehern oder Ruder, die Verwüstung der Häuser, ehe Du den Sieg erfochtest, sch rocklich und grausam!1) Und jetzt lordern eben jene Leute (die zu Caesar übergetretenen Optimaten) Dich auf, das gleiche zu tun!" Diese Parallelstelle schließt auch von vornherein den Versuch aus, die Worte veUdi hostiae mactati sunt und civium stmguine iu II 4 als rhetorische Übertreibung für die Verurteilung in Capitalprozessen zu fassen, bei denen es sich in Wirklichkeit nur um das Exil und den bürgerlichen Tod gehandelt hätte: beide Stelleu redeu vou wirklichen Bluttaten, von einem oder mehreren Massakres, die die Optimaten unter Führung des Cato und Domitius veranstaltet haben.

Die Lösung des Rätsels bietet eine genaue Analyse der Stelle II 4. Das vergossene Bürgerblut war ihnen noch nicht genug, so daß sie acerbius in dies male faciundo ac dicundo dignüate alios, alios civitaU: eversum irent. Das bezieht sich, wie schon bemerkt, auf die gerichtlichen Verurteilungen der Jahre 52 bis 50 und das Vorgehn der Censoren im Jahre 50; die Bluttaten liegen also vorher. Das führt zunächst auf die Ermordung des Clodius und die anschließenden Händel, bei denen am Morgen des 19. Januar oomplures noti homines elisi sunt, inter qucs C. Vibienus Senator (Ascon. p. 33), die Kämpfe um das Haus des Milo und des Interrex Lepidus, die täglichen Schlägereien zwischen den Scharen der Bewerber um das Consulat, bei denen ft£xaL xoXXal xal a^pa-ral aodw Mvovto (Dio 40 , 50, 1), das Ein- schreiten der Soldaten des Pompejus gegen den clodianischen Pöbel beim Prozeß des Milo, wo gleichfalls hptßxbjoiv ttvsc aotöv xal ourtöavov (Dio 40, 53, 3). Aber auch die an der- artigen Scenen reichen Jahre der vorhergehenden Anarchie ge- hören hierher mindestens bis hiuauf zu dem Consulat des Pom- pejus und Crassus; und hier waren ja Cato und Domitius die Hauptgegner, die im Widerstand gegen ihre Wahl bis zum Blut- vergießen beharrten; und daran schlössen sich weitere Massakres bei den Aedilenwahlen und bei der Durchbringung des trebo-

') eheu, quam illa occuUa civium fünera et repentinae caedes, in patent um aut liberorumsinum fuga mulierum et puerorum, vasiatio domuum ante pariam a te victoriam saeva atque crudeüa erant.

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SaUuste Broschüren an Ca«sur

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uischen Gesetzes (oben S. 154 f. 157 f.). Daß der demokratische Schriftsteller alle Schuld auf die Optimaten schiebt und die turbulenten Massen, Clodius und seine Gefolgschaft und die Anhänger der Machthaber als unschuldige Opferlämmer be- trachtet, ist selbstverständlich und kehrt in Vergangenheit und Gegenwart bei allen Revolutionen und Parteikämpfen und ebenso bei den Straßenkämpfen ausnahmslos wieder wir erleben das ja jetzt tagtäglich ; der Vorwurf, daß die Regierung ihre Macht frevelhaft mißbraucht und ohne jedes Recht auf das harmlose Volk schießt, wird allezeit erhoben und verfehlt niemals seine Wirkung, auch wenn der Konflikt völlig bewußt von den Massen und ihren Leitern herbeigeführt ist und sie das Blutvergießen direkt provozieren wollten.

In demselben Sinne äußert sich an beiden Stellen Sallust; daß er als Opfer aus dem Senat dieselbe Zahl nennt, die für Sullas Proskriptionen gegeben wird hier ausdrücklich als runde Zahl , ist entweder eine zufällige Koinzidenz oder der Schriftsteller hat absichtlich die Zahl der Opfer Sullas auf Pompejus und seine Genossen übertragen. Über das Ein- schreiten des Pompejus gegen die Unruhestifter hat sich Caesar im bellum Gallicum billigend geäußert, da er damals offiziell noch mit seinem Rivaleu im Einvernehmen stand; die wahre Gesinnung seiner Partei kommt bei Sallust zu Wort.

Auf die Einzelvorschläge, die Sallust im Jahre 49 macht, und auf den Appell im Namen des Vaterlandes und der Vor- fahren am Schluß brauchen wir hier nicht weiter einzugehn. Die Distanz zwischen dem sich hervorwagenden Ratgeber und dem Feldherrn und Herrscher, dem außer seinen gewaltigen Machtmitteln die Übersicht der gesamten Lage und die Mög- lichkeit, sich von allen Seiten Rats zu erholen, zur Verfügung steht, und auch die geistige Überlegenheit Caesars erkennt er unumwunden an; Caesar wird entscheiden, ob er die Ratschläge für brauchbar hält und befolgen will1). Von sich selbst sagt er,

') II 4, 5 mihi quidetn qxiae mens suppetit eloqui non dubitabo; ceterum tuei erit ingenii, probare quae vera atque utilia factu putes. Ähnlich am Schluß, und ebenso I 8, 7 ff.

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Beilage II

daß er als junger Mann in die politische Laufbahn eingetreten sei und sich bemüht habe, das öffentliche Leben genau kennen zu lernen, nicht nur, um in die Ämter zu gelangen, was vielen durch schlechte Mittel gelungen ist, sondern um auch in Wesen und Machtmittel des Staats den richtigen Einblick zu gewinnen1); daher habe er auch nicht körperliche, militärische, sondern geistige Ausbildung erstrebt und sich mit der Literatur be- schäftigt2). Das gibt ihm die Berechtigung, sich mit seinen Ratschlagen hervorzuwagen; und wiederholt beruft er sich in beiden Broschüren, ganz in der Art, wie nachher im Catilina und Jugurtha, auf die Lehren und allgemeinen Sätze, zu denen ihn das Geschichtsstudium geführt hat8), gelegentlich in engem Anschluß an Sätze des Thukydides4). Es ist der zukünftige Historiker, der zu Caesar spricht, der aber den Wunsch, eine Rolle im Staat zu spielen, damals noch nioht aufgegeben hat.

Auf seine gegenwärtige Lage deutet Sallust nur einmal hin, gegen Ende der ältern Schrift, mit den Worten: „Wo immer Du glückliche Fortschritte machst, da wird man auch von mir gut sprechen. Aber mir liegt noch mehr der dringende Wunsch am Herzen, daß sobald als möglich, auf welche Weise immer,

*) II 1, 8 sed mihi Studium fuü adulescentulo rempublicam ca- pessere, atque in ea cognosemda multam magnamque cur am habui: non ita, ut magistratum modo caperem, quem mutti malte arti- bus adepti erant, sed etiam ut rempublicam domi militiaeque, quaniumque armis viris opulentia possei, cogniium habuerim.

*) II 10, 2 postquam mihi aetas ingeniumque adolevit, haud ferne armis atque equis corpus exercui, sed animum in litteris agitavi; quod natura ftrmius erat, id in laboribus habuL atque ego in ea vita multa legendo atque audiendo ita comperi cet. Vgl. dazu die bekannten Stellen Cat. 3 f. lug. 3 f.

») II 5, 1. 10, 8. 10, 7 f. I 3, 2 f. 7, 4.

*) I 5, 2 ego sie existimo: quoniam orta omnia inlereunt, wird auch Rom einmal dem Untergang anheimfallen, und zwar dadureh, daß die Bürger miteinander kämpfen und dann erschöpft einem König oder Volk zur Beute werden; sonst könnten alle Völker zusammen das römische Reich nicht erschüttern. Das entspricht ganz der Auffassung des Thukydides vom Schicksal Athens; vgl. speziell Perikles' letzte Rede mit den Worten Kdvta fi-i ?«<p'>xt xal iX*3ooüa9'«'. II 64.

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Sallust« Broschüren an Caesar

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dem Staat geholfeil weide; denn die Freiheit steht mir höher al» der Ruhm"1) - daran schließt die pathetische Mahnung am Schluß. In diesen Worten bekennt er zugleich, daß er bisher keineswegs in gutem Renommee steht; durch Caesars Siege wird das ausgeglichen und innerhalb der siegreichen Partei sein Ruf wiederhergestellt werden.

Am Schluß der älteren Schrift gibt er seiner Überzeugung Ausdruck, daß alles menschliche Leben unter der Aufsicht einer göttlichen Macht steht und daß es daher nicht gleichgültig ist, ob man gut oder schlecht handelt, sondern nach der Ordnung der Natur (die mit der Gottheit identisch ist) der Lohn für die Guten und für die Bösen ein verschiedener ist damit ist nicht die sittliche Vergeltung gemeint, sondern der Ausgang, zu dem ihre Handlungen führen, der Erfolg, der ihnen schließlich zuteil wird. Daher darf man sich im Bewußtsein seiner Handlungen mit der Hoffnung trösten, wenn dieser Erfolg durch die Ein- wirkung zufälliger Umstände länger auf sich warten läßt2); „denn allerdings", so sagt er an einer andern Stelle, „waltet über den Dingen der Zufall, die Tyche (Fortuna), und gestaltet sie nach Laune, und so fuhren schlechte Pläne oft eher zu einem glücklichen Ausgang als gute"3).

') II 12. 3 f. natn ubicumque tibi res prospere cedet, ibi mihi bona fama eveniet. sed me Uta magis cupido exercet, ut quocum- que modo quam primum respublica adiutetur; liberiatem gloria cariorem habeo.

■) II 12, 7 namque mihi pro vero constat, omnium morialium citam dwino numine invisier, neque bonutn neque malum facinus quoiusqam pro nihüo haberi, sed ex natura divorsa praemia bono* malosque sequi, interea si forte ea tardius procedtmt, suus quoi- que animus ex conscientia spem praebet.

*) II 1 . 2 quin etiam saepe prava magis quam bona consilia prospere eveniunt, quia plerasque res Fortuna ex Ubidine sua agitat. Dazu vgl Cat. 8, 1, wo Sallust wieder zu seinem alten Sat* snrück- kehrt: sed profecto Fortuna in omni re dominatur: ea res cunctas ex lubidine magis quam ex vero celebrat obscuratque. Den Anlaß dazn gibt ihm die Bemerkung, daß Athen« Taten Überall gepriesen werden, weil es große Schriftsteller hervorgebracht hat, wahrend Rom diese und daher der Ruhm versagt geblieben sind.

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Beilag« U

Diesen Satz, der mit dem andren logisch, aber nicht psycho- logisch im Widerspruch steht er soll ihn entschuldigen, wenn seine Vorschlage nicht zu dem gehofften Ausgang führen sollten , nimmt er im Eingang seiner zweiten Schrift zurück: „Bisher", so sagt er hier, „herrschte allgemein die Ansicht, daß die Tyohe (Fortuna) Königreiche und Herrschaft und alles andre, was die Sterblichen gierig begehren, als Geschenk vergebe, weil sie häutig Unwürdigen, wie nach Laune gegeben, in die Hände fielen und keinem dauernd und unversehrt verblieben. Aber die Erfahrung hat gelehrt, daß der Spruch des Appius wahr ist, daß ein jeder seines Glückes Schmied ist; vor allem Du beweist das, der Du alle andern so sehr übertroffen hast, daß die Menschen eher müde geworden sind, Deine Taten zu loben, als Du, Lobeswürdiges zu tun"1). Das bildet den Eingang zu der Aufforderung, nunmehr dafür zu sorgen, das was er durch seine Leistungen errungen hat, auch zu erhalten.

Diese Broschüre ist geschrieben, als der Krieg beendet ist: Caesar ist der Sieger, er hat jetzt die Aufgabe, den Kriegszustand in den Frieden h iiiüberzuführen und dauernd zu sichern'). Wie er sich den Besiegten gegenüber verhalten wird, ist noch nicht entschieden, seine Anhänger erwarten Beute*) und die Optimaten unter ihnen fordern ein blutiges Strafgericht nach Art des Sulla4).

') I 1, 1 pro vero antea optinebat, regna atque imperia Vor- tun am dono dare, item alia quae per mortalis avide cupiuntur, quia et apud indignos saepe erant quasi per libidinem data neque cuiquam incorrupta permanserant. sed res doeuit, id verum esse quod in carminibus Appius ait, fabrum esse suae quemque For- tuna? , atque in te maxime cet. Das berührt sich eng mit Cicero pro Marcello 7 : im Kriege hat der Feldherr den Ruhm mit andern eu teilen, maximam vero partem quasi suo iure Fortuna sibi vindicat . . . Aber den durch die Begnadigung den Marcellus gewon nenen Ruhm teilt Caesar mit niemand, quin etiam üla ipsa rerum humanarum domina Fortuna in isiius sodetatem gloriae se non offert.

*) I 8, 1 igitur quoniam tibi victori de beüo atque pace agi- tandum est, hoc uti civiliter deponas, iüa ut quam iusiissima et diuturna sit. Vgl. I 1, 8.

») 1 1, 8 ad hoc Victore* praedam petunt, vicü cives sunt,

') l 4, 3.

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Aber, so argumentiert der Verfasser ganz wie Caesar in dem Brief an Oppius und Baibus (oben S. 339), grausame Gewaltherrschaften haben keinen langen Bestand und ihr Träger lebt in fortdauernder Gefahr; „dagegen wer durch Wohlwollen und Gnade seine Herr- schaft mildert, dem erscheint alles froh und glänzend, auch die Feinde sind ihm gewogener als dem andern die Mitbürger. Ich weiß nicht, ob nicht manche behaupten werden, durch diese Worte verfälsche ich Deinen Sieg und sei gegen die Besiegten viel zu wohlwollend; aber ich meine, wir sollen, was wir und Vorfahren unseren ausländischen Feinden so oft gewährt haben, erst recht den Bürgern gewähren und nicht nach Barbaren - art Mord mit Mord und Blut mit Blut sühnen. Oder hat man schon die Vorwürfe vergessen, mit denen kurz vor diesem Kriege Pompejus und Sulla überschüttet wurden?"')

Man sieht, die Besorgnis besteht noch, die bei Cicero immer wieder zum Ausdruck gelangt, daß Caesar dieses Beispiel nach- ahmen, daß jetzt das so lange befürchtete Blutbad wirklich kommen würde, sicher ist man noch nicht, ob seine bisherige Milde2) nicht nur eine Maske war, die er nach dem vollen Siege abwerfen werde. Das ist die Situation nach der Schlacht bei Thapsus, wo die Erschlagung so zahlreicher Bürger und der an- gesehensten Häupter der Gegner, und speziell die Tötung des Lucius Caesar durch die Soldaten trotz der ihm gewährten Be- gnadigung die Befürchtungen von neuem steigerte*). Damals also ist die Broschüre geschrieben.

Von dem Krieg sagt der Verfasser: „Du hast ihn zu führen gehabt gegen einen berühmten Mann, der über große Mittel ver- fügte und nach Macht gierig war, dessen Glück aber größer war als seine Einsicht; angeschlossen haben sich ihm einige wenige, die durch eignes Unrecht4) Deine Gegner waren, ferner solche, die die Verwandtschaft oder andere Beziehungen dahin zogen.

') I 8, 2 ff.

*) Vgl. I 1, 8 bellum (Uforum paee mollius gessisü. ») Vgl. Cicero an Varro IX 7.

4) I 2, 2 per suam tniuriam, doch wohl das Unrecht, das sie reibst begangen haben, nicht das, was Caesar Urnen angetan hat.

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Beilage 11

Denn einen Anteil an seiner Herrschaft hatte niemand" die Optimalen sind also nur seine Gehilfen gewesen, und werden als selbständige kriegführende Macht nicht anerkannt; die Auf- fassung deckt sich ganz mit der Caesars im bellum civile „noch wäre, wenn er einen Genossen hätte dulden wollen, der Erdkreis durch den Krieg erschüttert worden. Die übrige Volks - masse ließ sich mehr durch das Herkommen als durch eignes Urteil lei+en, dann folgte einer jenem, ein anderer Dir als dem Einsichtigeren"1). Dann folgt ein äußerst charakteristischer Satz über die Anhängerschaft Caesars: „Zu derselbeu Zeit erregten die gehässigen Schmähungen gegen Dich, Du wollest Dich zum Herrn des Staats machen, Hoffnungen bei denen, deren ganzes Leben durch Schmach und Laixus befleckt war*)" das sind also Leute wie Caelius, Dolabella und die ganze vtxoia , „so daß sie in Dein Lager strömten und offen den friedlichen Bürgern Tod und Plünderung und was immer ihrer verderbten Gesinnung gefiel, androhten. Von diesen Leuten hat ein großer Teil, als sie sahen, daß ihnen weder ihre Schulden erlassen wurden, noch Du mit den Bürgern wie mit Feinden umgingst, sich verlaufen (deßuxcre)" das sind also Leute wie Caelius „wenige sind zurückgeblieben, die von ihren Gläubigern so bedrängt waren, daß sie im Lager sich sicherer fühlten als in Rom"3) Leute wie Dolabella und sein Anhang. „Aber es ist ungeheuerlich zu sagen, wie viele und zahlreiche Sterbliche aus demselben Grunde später" so wie C»cero „zu Pompejus gegangen sind ; er war für die Schuldner die ganze Kriegszeit hindurch gewissermaßen ein Heiligtum, in dem sie für die Gläubiger unantastbar waren"4).

') I 2, 4 cetera muttüudo volgi more magis quam iudicio, post alius alium quasi prudentiorem secuti.

*) I 2, 5 per idem tempus maledictis ineiquorum occupandae reipublicae in sperrt adducii homines, quibus omnia probro ac luxuria polluta erant.

•) I 2, 6 pauci restitere, quibus maius otium m caslris quam Romas futurum erat: tanta vis creditorum impendebat.

') I 2, 7 sed ob f-asdem causas immane dictust , quanti et quam rnulti mortale» pvntea ad Pompeium discesserint, ecque per omne tempus belti quasi sacro atque inspoliato fano debitores usi.

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Sullust* Brobchüren tin Caesar

Das stimmt vollständig überein mit der Schilderung, die Cicero im Hochsommer 46 seinem Freunde M. Marius gibt: er sei aus Scham und um seines Rufes willen zu Pompejus gegangen. „Pas habe ich bereut nicht so sehr um der Gefahr willen, der ich mich aussetzte, als wegen der vielen Gebrechen, die ich dort antraf: erstlich weder große noch kriegsbereite Truppenmacht; sodann, mit Ausnahme des Feldherrn und außerdem einiger weniger ich rede von den ersten Männern {principes) die übrigen im Krieg selbst raubgierig, sodann aber in ihrea Reden so grausam, daß mir vor dem Siege selbst schauderte; dazu aber eine ge- waltige Schuldenlast gerade der hochgestelltesten Männer1). Mit einem Wort: gut war nichts mit Ausnahme der Sache."

Diese korrupten, mehr als problematischen Elemente, die sich an Caesar herandrängen, schüttelt Sallust von diesem und von sich ab sie haben ihm, als sie nach Caesars Ermordung zur Macht kamen, die weitere Beteiligung am politischen Leben ver- ekelt und ihn, nicht ohne innere Kämpfe und äußere Gefahren, zu dem Entschluß gebracht, definitiv auf die weitere politische Laufbahn zu verzichten und sich, ähnlich wie wenige Jahre später sein Nachfolger und Rivale Asinius Pollio, ganz der Ge- schichtsschreibung zu widmen1). Eben diese Leute sind es, die jetzt von Caesar fordern, er solle verfahren wie seinerzeit Sulla und Pompejus'); sie haben vergessen, wie deren Bluttaten in den Jahren vor dem Krieg angegriffen wurden und wie wüst und grausam damals die herrschende Partei mit Morden gewütet hat, „als ob darum gekämpft worden wäre, nach wessen von euch beiden Willkür das Unrecht begangen werden sollte, und als

') f am. VII 8, 2 maximum autem aes alitnum amplissimorum virorum.

*) Jag. 3, 1 magistratus et imperia, posiremo omnis cura rerutn pubUcarum minume mihi hoc tempesiaie cupümda videntur, quo- niam neque viriuü honos datur, neque Uli, quibus per fraudem is fuit, tuti out eo magis honesti sunt. Cat 4, 1 igitur ubi animus ex multis miseriis atque periculis requievit et mihi reüquam aetatem a republica procul habendam decrevi.

») I 4, 8 ad quae te idem Uli hortantur. Vgl. Tnbero im Prozeß de» LigariuB oben S. 408, 1.

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Beilage II

ob der Staat vou Dir nicht befreit, sondern erobert wäre1) und deshalb die ältesten und besten un*er allen Truppen nach Ablauf ihrer Dienstzeit geger ihre Brüder und Eltern die Waffen ergriffen hätten nämlich damit die Verworfensten der Sterb- lichen durch das Unglück andrer die Mittel erhielten, dem Bauch und bodenlosen Lüsten zu frönen und den Sieg zu schänden, so daß durch ihre Schandtaten das Lob, das die Tüchtigen sich er- worben hätten, befleckt würde2). Denn auch Dir, denke ich, entgeht es nicht, wie es um die Lebensführung und die Ansprüche dieser Leute bestellt war, als der Sieg noch zweifelhaft war, und wie manche von ihnen in den militärischen Operationen Dirnen mit sich geführt und Gelage gehalten haben, die ihrem Alter uach nicht einmal in friedlichen Zuständen sich solchen Aus- schweifungen ohne Entehrung hätten hingeben dürfen3).'4

Diesem Gesindel soll Caesar nicht folgen, sondern fortfahren, Milde zu üben und sich der großen Aufgabe zuwenden, den Staat und die alte Zucht wiederherzustellen. „Daher, bei den Gottern," beschwört er ihn, wie wenige Monate später Cicero in der .Marcellusrede, „nimm Dich des Staats an und bahne Dir, wie Du es gewohnt bist, den Weg, der durch alle Schwierigkeiten hindurch führt; denn entweder kannst Du helfen, oder alle müssen den Gedanken daran aufgeben4). Niemand fordert von Dir grau- same Strafen oder harte Urteilssprüche, durch die die Bürger-

l) neque receptam sed capiam a te rempublicam.

■) ut ex alienis malis deterrumi mortale* ventri atque pro- funda* lubidini sumptus quaererent atque essent obprobria victoriae, quorum flagitiis commacularetur bonorum laus.

*) neque te praeterire puto, quali quisque eorum more out modesiia etiam tum dubia victoria sese gesserit quoque modo in belli administratione scorta aut convivia exercuerint nonnuüi, quo- rum aetas ne per oHum quidem talis voluptatis sine dedecore at~ HngeriL

*) I 6, 8 quare capesse, per deos, rempublicam, et omnia asper o, uti soles, pervade; namque aut tu mederi potes, aut omittenda est cura omnibus. Ebenso Cicero pro Marc 27 hacc igitur tibi reliqua pars est, hie restat actus, in hoc elaborandum est, ut rempublicam constitutum; ebenso 22.

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Snllosts Broschüren an Cae*ar

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schaft mehr verwüstet als gebessert wird, sondern daß Du die schlechten Sitten und Gelüste von der Jugend fernhältst."

Immer von neuem wird, wer auch nur einiges politische Ver- ständnis besitzt, staunen über die Naivität, mit der derartige, unmittelbar aus der Situation heraus geschriebene und sie ganz lebendig vor Augen führende Äußerungen dem Zeitgenossen ab- gesprochen und einem stümperhaften Rhetor späterer Jahr- hunderte zugewiesen werden.

Verfaßt ist die Schrift, wie schon gesagt, kurz nach der Schlacht bei Thapsus, im Frühjahr 46. Man könnte sich sehr wohl denken, daß Caesar in seiner tiefen Menschenkenntnis dem idealistischen Mahner die neue afrikanische Provinz verliehen hat, damit er hier seine Grundsätze selbst bewähren könne. Sallust hat bekanntlich die Probe nicht bestanden1). Er wird sich, wie für seine Jugendsünden, darunter den Ehebruch mit Milos Frau*), damit vor andern und vor sich selbst ent-

') Dio 48, 9, 2 f. Caesar abergibt dem Sallust Numidien U<r<p piv apx*tvi ^PTM* ^ £tiiv Tt **l f fipstv iititp«'}»v. &uiX*i xal e$u>po&öxYpt koXXü xal fipicaotv, &azt xal xarrrfop*r)*^)vat xal oIo^ovtjv ala^Corrjv o^Xtpau; Caesar spricht ihn frei. Diese Überlieferung ist von Didius, dem Verfasser der Ant- wort auf die unter Sallust* Namen Überlieferte Invective. benutzt: Ans Africa inferior tantum hic exhausü, quantum potuit aut fide no- minum traici aut in naves contrudi . . . ne causam diceret, sesiertio duodeciens (1200000) cum Caesare paciscitur.

5) E. Norden, der Teile vorliegenden Werkes in der Korrektur la* achreibt mir: .Durch die obigen Darlegungen scheint mir neues Licht auf das einzige Fragment zu fallen, das Gellius XVII 18 aus dem 3. 216, 2 zitierten Logistoricus überliefert : M. Varro ... in libro quem inscripsit Pius aut de pace C. Sallustium scriptorem seriae illius et severae orationis . . . in aduUerio deprehensum ab Annio Milone loris bene caesum dicit et, cum dedisset pecuniam, dimissum. Daß unter Pius Q. Caecilius Metellus Pius Scipio, der Schwiegervater des Pompejus, der sich nach der Schlacht bei Thapsus den Tod gab, verstanden ist, unter- liegt wohl keinem Zweifel; er war mit Varro befreundet (r. r. III 10. 1). Ihm zu Ehren verfaßte also Varro eine Gegenschrift .Ober den Frieden, gegen die sallustische Broschüre: der Hieb traf nicht nur den Sallust, de«<«ri Widerstreit zwischen Worten und Lebensführung auch sonst der poin- pejanischen Partei willkommenen Anlaß zu Pamphleten bot, sondern auch das Gedächtnis des Milo, eines erbitterten Gegners des Pius

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Beilage II

schuldigt haben, daß eben die Zeiten so korrupt seien, daß solche Mittel und Wege unvermeidlich waren uud auch er der Versuchung nicht ganz habe entgehn können1).

Beilage III

Ciceros Briefwechsel

Ober Entstehung und Charakter der Sammlungen der Briefe Cioeros haben die Untersuchungen der letzten Jahrzehnte, vor allem die Arbeiten von L. Gurlitt2), die bis dahin sehr ver- schwommenen und phantastischen Anschauungen wesentlich ge- klärt und einer sachgemäßen Auffassung den Weg geebnet. In- dessen herrschen über manche Dinge noch immer, auch bei ihm, unbegründete, aus Vorurteilen erwachsene Vorstellungen. Daher erscheint es ratsam, auf diese Probleme kurz einzugehn ; in Wirklichkeit hegen die Dinge auch hier viel einfacher, als man meist annimmt.

(oben S. 217, 4. 224), wurde nach seinem wenige Jahre zuvor erfolgten Tode verunglimpft."

') Vgl. II 7, 4 ff. (oben S. 362). Ferner Cat 3, 4: es herrschen audacia, largitio, avaritia: qttae tameisi animus aapernabatur, in- soiens malarum artium, tarnen inier tanla ciiia imbecüla aetas am büUme corrupia tenebatur; ac me cum ab reliquorutn malis moribus dissentirem (!), nihilo minus honoris cupido eadem qua ceteros fama aique invidia vexabat. Der geschraubte Stil zeigt deutlich, wie wenig rein sein Gewissen war. Vgl. Cat. 12.

») Vor allem in dem Programm: Nonius Marcellus und die Cicero- Briefe, ßteglite 1888, und in dem zusammenfassenden Aufsatz : Die Knt- Htehung der ciceronischen Briefsammlungen, Neue Jahrb. VII 1901, 532 ff., ferner in sahireichen Ein sei arbeiten von seiner Dissertation de Cic. epi- stulis, Göttingen 1879, an. Neben ihm ist H. Pktkr, Der Brief in der Literatur, Abb. sachs. Ge». d. W. XX 1901 zu nennen, ferner die kurze treffliche Einleitung C. Bardtk zu seinen Ausgewahlten Briefen aus ciceronischer Zeit, Kommentar. 1898. Auf die einzelnen, von ihnen sehr verschieden aufgefaßten Streitfragen gehe ich nicht weiter ein, sondern begnüge mich, meine Auffassung kurz darzulegen.

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Ciceros Briet«

589

Eine Gesaratsanimlung der Briefe Ciceros hat es niemals ge- geben, und ebensowenig eine umfassende Auslese sei es inhalt- lich, sei es formell interessanter Briefe, abgesehn von der Samm- lung der Empfehlungsbriefe, die jetzt das 13. Buch ad fam. bildet, mit dem Titel ad C. Memmium et ceteros. Von diesen 79 Briefen stammen nahezu zwei Drittel, etwa 48, aus caesarischer Zeit (Jahr 46 und 45), etwa 17 aus dem Proconsulat in Cilicien (51/50), der Rest, etwa ein Dutzend, aus älterer Zeit. Somit ist ganz klar, daß diese Sammlung gegen Ende seines Lebens angelegt ist, und zwar nach stilistischen Gesichtspunkten, als Probe einer gewandten, aber sachlich inhaltlosen Briefkunst, und daß dafür zusammengestellt wurde, was von solohen Briefen zur Hand lag oder sich ohne Mühe erreichen ließ. So ist Güblttts Vermutung zweifellos zutreffend, daß Cicero in dem Brief an Atticus XVI 5, 5 vom 9. Juli 44 eben diese damals von Tiro vorbereitete Sammlung im Sinn hat, wenn er schreibt: mearum epistukirum nuüa est oovaftü'pj ; sed habet Tiro instar septuaginta, et quidem sunt a le quaedam sumendae. eas ego oportet perspiciam, corrigam; tum denique edentur.

Alle anderen Briefe sind isolierte Einzelpublikationen, Brief- wechsel mit einzelnen Persönlichkeiten, die teils nur die Briefe Ciceros an diese, teils die beiderseitige Correspondenz bald voll- ständig, bald mit kleineren oder größeren Lücken enthalten. Unter ihnen treten zunächst die großen, mehrere Bücher um- fassenden Sammlungen hervor1): die 16 Bücher ad Atticum, die 9 ad M. Brutum, 9 ad A. Hirtium, 3 ad C. Pansam, 2 ad Cae- 8arem (Octavian)2), 2 ad Marcum filium, 2 ad Q. Axium, 2 ad

') Bei den Briefen an Hirtius, Panaa, Axius, den Sohn beruht die Briefzahl auf Zitaten bei Nonius, bei denen an Nepos auf Macrob. II 1, 14. Natürlich kann es in diesen Fallen noch mehr Bücher gegeben haben, es kann aber anch umgekehrt die hohe Buchzahl fehlerhaft sein.

*) Daß die Zitate ad Caesarem und ad Caesarem iuniorem die- selbe Sammlung bezeichnen und daß »ie wahrscheinlich nur zwei Bucher umfaßte, nicht drei, wie einzelne Zitate bei Nonius angeben, hat Gur- litt in dem Steglitzer Programm erwiesen. Dagegen waren Caesar» Briefe an Cicero zugänglich (Sueton Caes. 56, Tgl. unten S. 616, 3), und in dieser Sammlung mögen auch Briefe Ciceros enthalten gewesen sein ;

Beilage in

Corntlium Nepotem, 3 ad Quintum fralrem, und die Briefe ad G. Licmium Calvum, die, da bei Priacian das erste Buch zitiert wird, auch mindestens zwei Bücher umfaßt haben müssen. Von diesen größeren Sammlungen sind bekanntlich später die Briefe an Atticus, Quintus und Brutus nebst dem gefälschten Brief an Octavian zu einem Sammelband zusammengefaßt und so auf uns gekommen, von den zu Anfang stehenden Brutusbriefen allerdings nur das letzte, neunte Buch.

Neben diesen umfangreicheren Sammlungen stehen diejenigen, welche nur ein Buch füllen, und weiter diejenigen Korrespon- denzen, welche nur aus wenigen Briefen bestehen. Mit diesen ist man verfahren wie mit den isolierten Gedichten in den Ge- dichtsammlungen, z. B. bei Pindars Isthmioniken : es wurden mehrere Korrespondenzen zu einem Buch zusammengefaßt und dies dann nach den zu Anfang stehenden Stücken benannt. Fünf- zehn dieser isolierten Bücher sind dann später mit den Emp- fehlungsbriefen zu der Sammlung zusammengefaßt, die wir ad familiäres zu nennen pflegen. Dafür, daß diese Sammlung von Tiro zusammengestellt ist, scheint zu sprechen, daß die Briefe an diesen am Schluß stehn; und kaum zu bezweifeln ist, daß er, wie diese letzteren und die Empfehlungsbriefe in lib. XHI, so auch die Briefe an Terentia lib. XIV zusammengestellt hat und an der Publikation beteiligt gewesen ist. Aber im übrigen läßt die Anordnung der Bücher jede ordnende Hand und überhaupt jeden leitenden Gedanken vollkommen vermissen, sondern ist so willkürlich wie möglich. Bekanntlich wird denn auch diese Samm- lung im Altertum nie erwähnt. Durchweg werden die einzelnen

aber eine besondere Aufgabe des Briefwechsels Ciceros mit Caesar bat wahrscheinlich nicht existiert. Ferner bestreitet Ourlitt mit Recht die Existenz einer Briefsammlung an Porapejus; die beiden Zitate aas M. Tuüius ad Pompeium lib. IUI (Nonina p. 298 s. excipit) stammen aas dem von Cicero ad Att VIII 11 d mitgeteilten Brief an Pom pejus. Ebenso stammen die Zitate M. Tuüius ad M. Catonem Non. p. 264 s. v. cogere und p. 278 s. v. contineiis in Wirklichkeit aas fam. XV 4, 2 and 8, 2 (Gorlitt 8. 2). Danach wird es sehr fraglich, ob das einzige sonstige Zitat M. Tuüius episiola ad Catonem Non. p. 488 k, v. plus suyerlassig ist and diese Briefsammlung existiert hat*

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Cicero« Briefe. Die einzelnen Sammlungen

591

Bücher unter ihrem Solidertitel zitiert1), und auch im Mediceus erschienen sie durchaus als solche, als u.ovoßlßXot, nicht etwa durchgezählt: M. Tutti Ciceronis epistolarum ad P. Lentuhtm, ad Curionem [consulem] et oeteros, ad App. Claudium, ad. Q. Me- tellum et ceteros usw. Gleichartig werden die vereinzelt zitierten Briefe ad M. Titinium (Sueton de rhet. 2) und ad Hastüium (Charis. I p. 110) gewesen sein, ferner die von Quintiii an und Ausonius zitierten Briefe ad Caereüiam. Dazu kommen die von Plutareh Cic. 24 angeführten griechisch geschriebenen Briefe an die Rhetoren Gorgias, Pelops und Herodes, von denen die letz- teren vielleicht in der Sammlung der Briefe an seinen Sohn standen1).

Von den erhaltenen Sammlungen ist die Entstehung und Oberlieferung bei den Briefen an Atticus völlig klar. Atticus hat die Briefe, wie sie einkamen, zu Rollen aneinandergeklebt und in elf Volumina bewahrt, die wie Nep03*) so zweifellos auch andre schon bei seinen Lebzeiten eingesehn haben (s. S. 83, 1. 610). Die Abgrenzung dieser Rollen wird von einem seiner Itbrarii oder anagnostae4) besorgt und teilweise dem Zufall überlassen worden

') Wer genau zitiert, sagt wie GellioB I 22, 19 in libro epistularum M. Ciceronis ad L. Plancum et in episiula Asini PoUionis ad Cice- ronem = fara. X 88, 5 oder Nonius p. 83 s. comedim : Cicero ad Varronem epistola Paeti = fam. IX 20, 8. Daneben zitiert Nonius aas fam. XV (ad senatum et ceteros) p. 264 s. v. cogere and 273 s. continens als ad M. Catonem = XV 4 , 2 and 3 , 2, ebenso p. 378 s. v. delenitu* and 291 s. exigere als ad Cassium - XV 16, 8 und 1 (an der ersten Stelle mit dem irrtümlichen Zusatz üb . I); ferner p. 274 s. continens: ad senatum - XV 2, 2.

*) imotoXotl icapi Ktxfpotvoc «iol 'HptuJ-rjv, Sttpat Ii «pi? t&v oi6v, rfxtXeoofL/voo ot>|jtftXooo<ptlv Kpatimccp. Das Zitat bei Charisius p. 108 Cicero ad Marcellum simiolum deminutive dixit ist bekanntlich ein Schreibfehler für ad Marium (fam. VII 2, 8).

*) Nepos Att 16 ei rei (der vertrauten Freundschaft mit Cicero) sunt indicio praeter eos libros, in quibus de eo facit mentionem, qui in vulgus sunt editi, undeeim volumina epistolarum ab consu- latu eius usque ad extremum tempus ad Atticum missarum ; quae qui legat, non multum desideret historiam contextam eorutn temporum.

') Nepos Ätt 18, 8.

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502

Beilag«» III

sein; doch ist anzunehmen, daß auch bei dieser ursprünglichen Einteilung der Einschnitt da lag, wo eine Unterbrechung der Korrespondenz eingetreten ist. Als sie dann später publiziert wurden, hat man sie der Bequemlichkeit wegen auf 16 vdumina (Bücher) verteilt. Wann diese Publikation stattgefunden hat, läßt sich nicht ermitteln. Daß das Schweigen des Asconius über die Absicht, Catilina zu verteidigen, nichts beweisen kann, ist S. 23 A. bemerkt, ebenso, daß sie in der historischen Literatur von Anfang an benutzt sind (unten 8. 615 f.); zitiert werden sie seit Seneca. Aber gänzlich unhaltbar ist die weitverbreitete Ansicht, bei der Herausgabe sei an ihneu inhaltlich etwas geändert oder ein Teil der Briefe unterdrückt worden1). Man beruft sich dar- auf, daß nach Ncp03 die Briefe „bis in die letzte Zeit des Lebens Ciceros" reichten, während sie Mitte November 44 abbrechen; die späteren Briefe seien wegen absprechender Urteile über Octa- vian unterdrückt worden. Aber bei dieser für antike Anschau- ungen ganz unwahrscheinlichen Annahme einer Censur*) denn der Verfasser war ja tot hat man nicht nur übersehn, daß zahllose Briofe mit sehr bedenklichen Äußerungen in den andern Sammlungen ruhig veröffentlicht waren, sondern vor allem, daß von da an Cicero und Atticus beide zusammen in Rom lebten, daß also Cicero im letzten Jahre seines Lebens garkeine Ver- anlassung hatte, an Atticas zu schreiben. Wie Nepos sich hier ungenau ausgedrückt hat, so auch bei der Angabe, die Briefe be- gännen mit Ciceros Consulat. Bekanntlich hegen vielmehr aus Ciceros Consulat keine Briefe vor damals war Atticus in Rom , wohl aber einige aus den Jahren 67 (I 3. 5 11), 66 (I 4) und 65 (1 1. 2). Aber zu Anfang stehn eben diese Briefe aus dem Jahre

') Die beiden in den Sammlangen Baitirs nnd Purscrs für die Worte vectigaliorum und propriua grammatico aeceasi angefahrten angeblichen Zitate aus den Briefen an Atticas bei Charisius and Dio- medes beruhen natürlich auf Flüchtigkeit oder Konfusion.

*) Aaf diese Annahme hat F. Lbo, Die Publikation Ton Ciceros Brieten an Atticas. Gött. Nachr. 1895, 442 ff., seine Behauptung be- gründet, weder die Briefe an Atticus noch die ad familiäres hätten ror Tiberiu» Tode publiziert werden können.

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Cicero« Briefe an Atticus

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65, in denen Cicero von den Aussichten seiner Bewerbung redet, und so ist Nodos' Aussage erklärlich genug.

Nicht weniger verkehrt ist es, wenn man sich darüber wun- dert, daß in der Sammlung keine Briefe des Atticus stehn, und darin einen Beweis ängstlicher Vorsicht sieht, mit der er sie unter- drückt habe man hat an die Briefe der Frau von Stein er- innert. Atticus hat die Briefe Ciceros aneinandergeklebt und verwahrt, seine eigenen Briefe in die Rollen aufzunehmen hatte er garkeinen Anlaß. Die bewahrte vielmehr Cicero in der gleichen Weise: in den Nöten des Bürgerkriegs schreibt er ihm am 18. März 49 (IX 10, 4): nam cum ad kunc locum venissem, ewlvi volumen epistularum tuarum, quod ego (sub) »igno habeo servoque düigentiswme , und führt daraus der Reihe nach Atticus' Äußerungen aus den letzten Monaten an. Diese Briefe des Atticus später zu publizieren lag garkein Anlaß vor: da» Interesse richtete sich ausschließlich auf Cicero, nicht auf seineu Korrespondenten.

Als Cicero ein berühmter Mann geworden war, hat Atticus begonnen, seine Briefe sorgfältig aufzuheben, von der ersten Trennung der beiden Anfang 61 (I 12) an. An den Anfaug der Rolle ließ er stellen, was noch von früheren Briefen bis zum Jahre 67 hinauf vorhanden war; dabei hat man sich um die chronologische Ordnung nicht weiter gekümmert, und so gerieten die beiden jüngsten Briefe, aus dem Jahre 65, an den Anfang. Fortan aber wurden die Briefe regelmäßig so aneinandergeklebt, wie sie eingingen; nur ganz selten ist dabei einmal eine Ver- tauschung des Platzes vorgekommen, abgesehn von den Briefen in XII und XIII.

Im übrigen gliedern sich die Briefe folgendermaßen:

1. Älteste Briefe v67 65) I 1—11.

2. Briefe an Atticus nach Epirus Januar 61 bis December 60 I 12—11 3.

3. Cicero geht im April 59 aufs Land II 4 17; hier besucht ihn Atticus am 10. Mai auf der Reise nach Epirus (II 15, 2. 16, 4. 17, 1). Die Briefe dorthin II 18—25 (Juni bis October 59) schließen unmittelbar an.

Meyer, Caesars Monarchie 38

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594 Beilage III

4. Briefe Cicero« ans dem Exil April bis Deoember 57 III 1—27. Im December reist Atticus nach Epirus (III 25—27), damit hört die Korrespondenz auf.

5. Briefe Ciceros aus Rom nach seiner Rückkehr bis zu Atticus' Heimreise September 57 bis Januar 56 IV 1 4. Cicero geht am 8. April 56 aufs Land (ad Qu. fr. II 5), kehrt aber alsbald wieder nach Rom zurück (S. 139 Anm.); in diesen kurzen Aufenthalt fällt vielleicht das Billett IV 4 b. Dann geht er im Juni längere Zeit aufs Land; hierher gehört IV 5—8 (S. 139 Anm.) Im nächsten Jahre, 55, geht er wieder Ende April aufs Land: IV 9—12; und dann im November IV 13. Im Mai 54 geht Atticus nach Asien und kehrt im November zurück. Hierher gehören IV 14 19.

Diese kleinen Gruppen schließen sich ganz natürlich zu einer Rolle zusammen, die in Buch IV vorliegt.

6. Jetzt folgt eine große Lücke in der Korrespondenz, da beide Freunde vom December 54 bis April 51 zusammen in Rom leben. Wenn Cicero auch in diesen Jahren, woran nicht zu «weifein ist, aufs Land gegangen ist und von da aus an Atticus geschrieben hat, so hat dieser die vermutlich sehr kurzen Billetts nicht auf- gehoben.

Die Korrespondenz setzt wieder ein mit Ciceros Abgang in die Provinz Anfang Mai 51 und reicht bis zu seiner Rückkehr nach Rom (oder vielmehr Formiae) Ende December 50: V 1 bis VII 9.

7. Daran schließen, mit kurzer Unterbrechung, die Briefe aus dem Bürgerkrieg vom Weggang aus Rom am Morgen des 18. Januar 49 bis zur Rückkehr aus Brundisium Anfang Sep- tember 47: VII 10 XI 25. Hier sind die letzten Briefe un- geordnet eingereiht, die richtige Ordnung ist: XI 18. 25. 23. 19. 24. 20. 21. 22.

8. Im Gegensatz zu allen übrigen Briefen liegen die aus der caesarischen Zeit (April 46 bis December 45) nicht nur in völlig ungeordnetem Zustande vor, sondern sind in den Handschriften überhaupt nicht voneinander geschieden oder durch die Adresse getrennt, sondern fortlaufend geschrieben. Um die Zerlegung in die einzelnen Briefe und die chronologische Anordnung hat sich,

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Ciceros Briefe an Atticue

595

nach dem Vorgang vonTh. Sohiohe, O.E. Schmidt die größten Verdienste erworben1); über manche Einzelheiten wird natürlich niemals volle Sicherheit erlangt werden können.

Die Konfusion mag bei der Publikation und in den Abschriften gesteigert sein, namentlich durch Weglassung der Überschriften, die ja auch sonst nicht selten vorkommt und dazu geführt hat, daß gelegentlich mehrere Briefe in den Handschriften ab Einheit erscheinen; aber in der Hauptsache muß sie schon im Original vorhanden gewesen sein. Man wird annehmen müssen, daß Atticus die zahlreichen, vielfach sehr kurzen Briefe aus dieser Zeit zunächst nicht sorgfältig aufgehoben hat, und sie dann später, zum Teil vielleicht schon zu kleinen Konvoluten zu- sammengefaßt, zu Rollen zusammenstellen ließ, wobei die zeit- liche Folge noch weniger berücksichtigt wurde, als bei den elf ältesten Briefen.

9. Den Abschluß bilden die Briefe aus dem Jahre 44 (7. April bis Ende November), Buch XIV— XVI. Während sonst die chronologische Ordnung festgehalten ist, ist ein kurzes Billett, mit dem Cicero ihm Anfang Juli sechs Briefe zusendet, in denen er sich für Atticus' Besitzungen in Buthrotum verwendet (vgl. S. 494), an den Schluß gestellt, also nachträglich hinzugefügt.

Wenn wir von diesen neun Gruppen die beiden ersten zu- sammenfassen und annehmen, daß die großen Gruppen 6. 7. 9 je zwei volumina bildeten, ergeben sich die elf volumina, von denen Nepos redet, ohne Schwierigkeil. Bei der Publikation sind sie dann noch weiter zerlegt worden.

Ähnlich wie mit den Briefen an Atticus hegt es mit denen an den Bruder; sie müssen aus dessen Nachlaß stammen. Quintus hat von den Briefen, die er während seiner Statthalterschaft in Asien und dann aus dem Exil von seinem Bruder erhielt, nur die wichtigsten aufgehoben, je zwei (I 1 4), alle sehr umfang-

') Cicero« Briefwechsel S. 487 ff., mit einer Neuausgabe der beiden Bflcber. Er weist auch nach, wie die herkömmliche Einteilung und Zäh lung der Briefe im sechzehnten Jahrhundert schrittweise eingeführt und 1680 durch 8wbo Bonn« zum Abschluß gebracht ist, aber garkeine Ge- wahr besitzt.

596 Beilage III

reich. Sorgfältiger hat er dann die Briefe bewahrt, die er von ihm erhielt, als er Legat des Pompejus (II 1—6, Deoember 57 bis Mai 56, vgl. S. 139 Anm.) und dann vom Jahre 55 an Legat Caesars war (II 7— III 9). Wenn sie bereits mit dem Deoember 54 abbrechen, obwohl er bis zu Cioeros Proconsulat in Caesars Diensten blieb (bell. Gall. VII 90), und von spateren Briefen keine Spur erhalten ist, so werden diese bei der Katastrophe des Qu intus und seiner Familie bei den Proskriptionen zugrunde gegangen sein. Was sich erhalten hat, ist dann publiziert worden, ob von Tiro oder von wem sonst, läßt sich nicht sagen.

In derselben Weise sind die Briefe an Tiro von diesem ge- sammelt und veröffentlicht: zu Anfang stehn die vom November 50 bis Februar 49, als Tiro krank in Griechenland zurückgeblieben war (XVI 1—12), dann folgen ein paar ältere (13 16), zum Schluß die aus der letzten Zeit (17—27); auch ein paar Briefe des Quintus und des Sohns hat er aufgenommen (8. 16. 21. 25 27). Ebenso stammen die Briefe an Terentia aus dem Exil (XTV 1 4) und aus dem Bürgerkrieg (5 24, schlecht geordnet) aus deren Besitz und sind vielleicht von Tiro gesammelt und publiziert.

Die Briefe an den Redner und Dichter Licinius Calvus, offen- bar im wesentlichen literarischen Inhalts, sind, wie Ciceros Brief an Trebonius XV 21, 4 aus dem Herbst 47 lehrt, nach Calvus' Tode, also schon bei Lebzeiten Ciceros, veröffentlicht worden, woran dieser, wenn er auch seine Einwilligung dazu nicht ge- geben hatte, doch, wie seine Äußerung zeigt, ernstlichen Anstoß nicht genommen hat1).

Ganz anders liegt es bei den übrigen auf uns gekommenen Briefsammlungen : sie stammen aus Ciceros Nachlaß, und ebenso offenbar die Briefwechsel mit Octavian, Hirtius und Pansa2).

') ego illas Calvo litteras mini, non plus quam hos, quas nunc legis, exüKmans exüuras; aliter enim scribimus, quod eos solos, quibus miüimus, aliter quod multos lecturos putamus.

*) Die Briefe an Nepos und Axius mögen ans deren Besitz veröffent- licht Bein, ebenso die an Caerellia und gewiß die an seinen Sohn nach Athen. Über die Briefe an Titinius und Hostilius läßt sich garnichU sagen.

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Ciceros Briefe aue den Sammlungen Anderer

597

Wie die Briefe des Atticus hat Cicero auch andere wichtige Korre- spondenzen in Rollen gesammelt und bewahrt, wahrend andere Briefe vereinzelt oder etwa in kleinen Convoluten aufbewahrt wurden. Im Jahre 45 hat Tiro ihm den Wunsch angedeutet, er möge auch seine Briefe in Sammelrollen aufheben1). Natürlich bewahrte er in derselben Art auch die wichtigeren eigenen Briefe im Konzept2) oder in einer, meist wohl von Tiro gefertigten, Kopie3), ganz wie es in der Gegenwart und überhaupt zu allen Zeiten geschieht in der Sorgfalt, mit der man dabei zu Werke geht, unterscheiden sich natürlich wie jetzt so auch damals die einzelnen Persönlichkeiten. Nichts war natürlicher, als daß diese eigenen Briefe dann mit denen der Korrespondenten zusammen- gelegt und zu einem vokimen verbunden wurden. In dieser Gestalt liegt uns der Briefwechsel mit Brutus vor : die Briefe von Brutus stehn zwischen denen Ciceros meist eben an der Stelle, wo sie eingetroffen sind, und daher vor ihrer Beantwortung, aber oft nach einem erst später, aber vor ihrer Ankunft geschriebenen

') XVI 17 video quid agas: tuas quoque epistolas vis referri in Volumina. Die Stelle ist oft falsch verstanden ; offenbar hat Tiro in einer philologisch-stilistischen Frage auf eine frühere Äußerung verwiesen und Cicero nahegelegt, diese Briefe wieder nachsusehn. Mit der Samm- lung der Briefe Ciceros hat diese Äußerung garnichte zu tun. Für die, übrigens keineswegs sichere, Datierung des Briefs s. 0. E. Schmidt S. 368.

*) So, wie Bahdt erkannt hat, den Brief an Crassus V 8 in doppelter Fassung, s. S. 169. 1.

5) ad Qu. fr. II 10, 5: als ein Brief an Caesar nach Balbus Mitteilung durch Feuchtigkeit verwischt angekommen ist, itaque postea misi ad Caesarem eodem Wo exemplo lüteras. Ebenso im Jahre 45 an Fadius Gallus VII 25 quod epistukm conscissam doles, noli laborare, salva est; domo petes, cum libebit (das ist wahrscheinlich der Brief VII 24). Ferner ad Att. XIII 6, 8 quod epistulam meam ad Bnitum poscis non habeo eius exemplum ; sed tarnen salvum est et aii Tiro te ha- bere oportet e, et, ut recordor, una cum Uta obiurgatoria tibi meam tjuoque, quam ad cum rescripseram , misi. Bekanntlich hat Cicero vielfach eigene und fremde Briefe an Atticus geschickt, die uns so er- halten sind, gelegentlich sogar doppelt, wenn sie zugleich in ad fam. Ktehn.

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598

Beilag* III

Brief; verstellt ist I 4, und nachträglich eingefügt die beiden zusammengehörigen Briefe an Cicero und an Atticus 1 16. 17.

Eine Sonderstellung nimmt das Buch der Briefe des Caelius an Cicero ein (fam. VIII), das in den Handschriften fälschlich als M. TuUi Cic. episttUarum ad M. Ceteliuin bezeichnet wird. Bs enthält lediglich Briefe des Caelius. Es ist begreiflich, daß Cicero die für ihn äußerst wertvollen Berichte, die dieser ihm während seines Proconsulats schickte, sorgfältig bewahrte1), getrennt von seinen Antworten, und dann die drei Briefe, die Caelius ihm im Bürgerkrieg geschrieben hat, daran anfügte. Seine eigenen Antworten stehn in lib. II. Daß Caelius' Briefe aus Ciceros Nachlaß veröffentlicht sind und sich in der Sammlung seiner Korrespondenz erhalten haben, erklärt sich nur aus dem historischen Interesse, das sie beanspruchen konnten. Das gleiche Interesse betont übrigens auch Nepos bei den Briefen an Atticus, und es ist ohne Zweifel, neben dem rein persönlichen bei den Briefen an Terentia und Tiro, bei der Veröffentlichung seiner gesamten Korrespondenz das maßgebende gewesen; ein rein literarisch -stilistisches, wie z. B. bei Plinius' Briefen, liegt nur bei den Empfehlungsbriefen lib. XIII vor, hat also sonst glück- licherweise nicht eingewirkt. Im übrigen ist es bezeichnend, daß an eine chronologische oder sachliche Ordnung der Briefe niemand gedacht hat; sie sind genau so veröffentlicht, wie man sie im Nachlaß vorfand*).

') Dabei sind ep. 8 10 an falscher Stelle eingefügt; die richtig Ordnung ist 5. 9. 8. 10. 6. 7. 11. Solche Versehn kommen beim Ordnen von Briefschaften nur xu leicht, vor.

*) Parallelen aas den moderneu Publikationen von Briefwechseln bieten sich in Fülle, namentlich bei Goethe und Bismarck. Besonders instruktiv sind die beiden Bände „Kaiser Wilhelm I. und Bismarck4 und .Aus Bismarcks Briefwechsel", die 1901 als .Anhang zu den Ge- danken und Erinnerungen* von seinem literarischen Gehilfen Horst Kohl aul Grund seiner eigenen Weisungen veröffentlicht sind. Der erste Band enthalt seine gesamte Korrespondens mit Kaiser Wilhelm 1., der zweite eine Fülle der verschiedensten Briefe an Bismarck, Hoch interessante« neben siemlich Unbedeutendem, nebst einigen Briefen Bis- marcks. Nur sind die Briefe hier, anders als bei Cicero, streng chrono- logisch geordnet, ohne Rücksicht auf die einxelnen Korrespoudontea.

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Cicero« Briefe ad familiäres

51)9

Lediglich Briefe Ciceros an einen einzelnen Adressaten ent- halten die Bücher ad P. Lentidum, den Statthalter von Cilicien, (fam. I) über die ägyptischen Händel der Jahre 56 54, mit Hinzufügung eines Briefs an den Juristen L. Valerius, den er dem Lentulus empfiehlt es ist klar, daß dieser Brief nur von Cicero selbst hierhergestellt sein kann , und die ad Appium Claudium, seinen Vorgänger in Cilicien und Censor im Jahre 50 (fam. III), aus den Jahren 51 und 50. In beiden Büchern ist die chronologische Folge gewahrt, nur daß III 8 vor 7 stehn müßte. Bezeichnend ist, daß in III 10, 11 auf die Ankündigung nunc ea, quae a me profecta quaeque instüuta sunt, cognosce die Ausführung fehlt, sondern der Text fortfährt atqw haec agimw et agemris magis pro dignitate quam pro perieub tuo. Cicero hat also in der Abschrift (oder dem Entwurf), die er bei seinen Akten behielt, dies Detail als irrelevant weggelassen.

Die übrigen 11 Bücher enthalten alle Briefe an mehrere Korrespondenten1). Sachlich zerfallen sie in folgende Gruppen:

1. Drei Bücher Briefe aus der Zeit nach Caesars Ermordung (X— XII)2). Lib. XII, ad 0. Gassium et ceteros, enthält Ciceros Briefe an Cassius vom Mai 44 bis Ende Mai 43 (1—10) und anschließend die Briefe, die dieser ihm im Jahre 43 geschrieben hat (11—13), sowie ein Schreiben des Proquaestors von Asien Lentulus an Cicero und einen offiziellen Bericht desselben an den Senat aus der gleichen Zeit (14. 15). Es folgt ein Brief des Trebonius an Cicero vom 25. Mai 44 (16), und dann Ciceros Briefe an Cornificius, den Statthalter von Africa. aus den Jahren 44 und 43 (21—30), denen vier ältere Briefe aus dem Jahre 46 vorangesetzt sind (17 -20). Die früheren Briefe an Cassius und Trebonius stehn dagegen in üb. XV, ein weiterer an Trebonius in lib. X. So zeigt sich deutlich, daß die Absicht war, in Buch XII nur Briefe

•) Ks ist denkbar, daß die Bacher ad TiHnium, ad Hosttiium, ad Caerelliam ebenso aassahn.

*) In dieselbe Zeit gehören die Briefe an Hirtius (die wohl 47/6 begannen), Pansa, Octarian (ad Caesarem iuniorem) and die an seinen Sohn, ferner natürlich der Hauptteil des Briefwechsels mit Brutus.

600 Beilage in

aus der Zeit zusammenzustellen, wo Cicero der Vertreter der Mörder Caesars und schließlich der Regent der Republik war; nur das Convolut der Briefe an Comificius ist ungetrennt geblieben. Das gleiche gilt von üb. XI, ad M.1) Brutwn et ceteros. Den Anfang bildet ein Schreiben des Decimus Brutus an Brutus und Cassius vom 16. März 44, gleich nach der Mordtat, und zwei offizielle Schreiben dieser beiden an Antonius. Dann folgt Ciceros Brief- wechsel mit D.Brutus November 44 bis Juli 43 (4—26). Als Appendix sind, um sie irgendwo unterzubringen, Ciceros Brief an Matius und dessen Antwort (27. 28) aus dem Spätsommer 44 und ein ähnlicher Brief an Oppius (29) angefügt. Buch X, ad L. Pkmcum et ceteros, enthält den Briefwechsel mit Plancus, dem Statthalter der Gallia nova, aus derselben Zeit (1—24, darunter wieder ein offizielles Schreiben an den Senat 8), an den sich zwei Briefe an seinen Legaten Furnius (25. 26) und einer an Lepidus (27) naturgemäß anschließen. Den Schluß des Buchs bilden drei Briefe des Asinius Pollio, Statthalters der Hispania Ulterior (31 33), und drei des Lepidus (34. 34a. 35), die seinen Übertritt zu Antonius vorbereiten und entschuldigen. Dazwischen sind versprengt ein Brief Ciceros an Trebonius Anfang 43 (28) und der Bericht des Galba über die Schlacht bei Forum Gallorum am 14. April 43 (30) eingefügt, ferner seltsamerweise ein kurzes Trostschreiben an Appius Claudius, einen Anhänger des Antonius, das richtiger bei dem Brief an D. Brutus XI 22 stehn sollte, wo Cicero ihn diesem empfiehlt.

Man wundert sich allgemein, daß diese Briefcorpora und ebenso die Brutusbriefe mit dem Ende Juli 43 abbrechen und aus den letzten Monaten von Ciceros Leben überhaupt keine Briefe vor- liegen«), und auch hier wieder hat man vermutet, sie seien aus Rücksicht auf Octavian unterdrückt worden. Aber man sieht den Wald vor Bäumen nicht. Die Briefe aus Ciceros letztem Lebensjahr stammen aus der Zeit, wo er das anerkannte Oberhaupt der Republik war, und sind daher größtenteils halb, manchmal sogar ganz offizielle Schreiben, welche den Regenten des Staats

') So im Mediceus. aber wohl Flüchtigkeit für D. •) Nur die Briefe an Octavian reichten weiter, *. das Fragment S. 545, 8.

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Ciceros Briefe ad fanailiaie*

601

über die Ereignisse unterrichten und in denen er zu ihnen Stellung nimmt und seine Weisungen gibt. Aber im Juli 43 bricht seine Macht jäh zusammen, mit Octavians Marsch gegen Rom, der klaglichen Unterwerfung des Senats, und seiner Wahl zum Consul am 19. August sinkt Cicero in volle Unbedeutendheit hinab und

sein Leben bis zur Katastrophe am 7. Dezember. Da ist es nur natürlich, daß seine Korrespondenz mit dem Ende Juli abbricht; von da an hatten weder Plancus und Asinius Pollio, noch Brutus und Cassius und ihre Genossen ihm noch etwas zu schreiben, und er ihnen auch nicht.

2. Aus der Zeit der Monarchie Caesars stammen fam. IV. VI. VII. IX1). Buch IV, ad Servi[li]um Sutyiciwn et ceteros, enthält die Briefe an diesen aus den Jahren 49 46 nebst zwei seiner Schreiben (5. 12) und den eng damit verbundenen Brief- wechsel mit M. Marcellus aus dem Jahre 46 (7—11). Angeschlossen ist ein gleichzeitiger Brief an Figulus und zwei an Plancius (13 15). Buch VI, ad A. Torquattm (et ceteros), sammelt zahlreiche gleich- artige Briefe aus dem Jahre 46 und 45: an Torquatus (1 4), an Caecina (5 8), mit einem Schreiben von diesem und dem zugehörigen Empfehlungsbrief an Furfanius (9), den Statthalter Siciliens, an Trebianus (10. 11), an Ainpius (12), an Ligarius (13. 14), an Lepta (18. 19), an Toranius (20. 21), an Domitius (22)«). Dazwischen steht ein kurzes, wahrscheinlich unmittelbar nach Caesars Ermordung geschriebenes Billett an Basilus (15, oben

') In diese Zeit gehört auch der Brief an Caerellia S. 457, 2. In den Briefen an Atticus wird sie in dieser Zeit wiederholt erwähnt (XII 51, XHI 21, 5 u. 8. w.; ebenso an Servilios Isauricus fam. XIII 72 im J. 46), in der Rede des Fafios Calenus bei Dio 46, 18 Ciceros Verhalten zu ihr alK unsittlich geschildert. Dieser ganze Passus geht auf Antonius' Ant- wort auf die philippischen Reden bei Plut. Cic. 41 zurück. Der Brief- wechsel mit Nepos, der sich offenbar durch viele Jahre hingezogen hat, reichte, wie die erhaltenen Fragmente lehren, bis Uber Caesars Tod hinab, ebenso der mit Axius; denn Tiro hat, offenbar beträchtlich nach Ciceros Tode, ein 8endschreiben an diesen publiziert, in dem er Catos Rede für die Rhodier kritisierte (Gellius VI 8, 8 ff.).

") Vgl. 0. E. Schmidt S. 238. 275.

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602

Beilage HI

8. 537, 1), und ein kurzer Briefwechsel mit Bithynious, dem Statt- halter Siciliens, aus den nächstfolgenden Wochen (16. 17). Gleich- artig ist Buch IX, ad M. Varronem et ceteros : zuerst acht Briefe an Varro, literarischen Inhalts, dann der Briefwechsel mit dem Schwiegersohn Dolabella aus den Jahren 4S-44 (9—14), dann Briefe an Paetus (15—26) aus dem Jahre 46, nebst einem älteren aus dem Jahre 50 (25) und einem aus dem Jahre 43. Noch weiter zurück greift Buch VII, ad M. Marium et oeteros. Zunächst vier Briefe an Marius aus den Jahren 55—46, dann die Briefe an Trebatius nach Gallien im Jahre 54 und 53 (6—18), denen der Empfehlungsbrief an Caesar (5) vorangeht, und angeschlossen vier aus der Zeit nach Caesars Ermordung (19—22). Sodann Briefe an Fadius Gallus aus den Jahren 46 und 45 (24—27) nebst einem älteren (23), drei Briefe an Curius und einer von diesem aus der caesarischen Zeit (28—31), zwei Briefe an Volumnius aus den Jahren 50 und 46. In diesen vier Büchern sind also Ciceros von ihm bewahrte Briefe oder Briefkonzepte aus der caesarischen Zeit gesammelt, einige ältere und jüngere, sowie die wichtigsten Schreiben der Adressaten hinzugefügt; dagegen liegt hier nicht, wie in der ersten Giuppe, die vollständige gegen- seitige Korrespondenz vor.

3. Aus Ciceros Pioconsulat stammt Buch XV, ad senatum et cetero8. An zwei offizielle Schreiben an den Senat schließen sich völlig sachgemäß die Schreiben an Cato, in denen er diesen über seine Lage genauer unterrichtet und ihn für den .Triumph zu gewinnen sucht, nebst dem Antwortschreiben Catos (3 6); sodann die Gratulationsschreiben an die neu gewählten Consuln L. Paullus und Garns Marcellus nebst seinem Vater und seinem Vetter Marcus1) (7 13). Dann folgt, ebenfalls hierher gehörig, ein Brief an Cassius nach Syrien; an diesen sind dann die ihm in caesarischer Zeit geschriebenen Briefe nebst einer seiner Ant- worten angefügt (15—19)*), und daran reihen sich zwei Briefe

') Die Briefe an diesen au« dem Jahre 46 stehn dagegen in lib. IV, s. oben S. 601.

*) Die 15, 4 erwähnten Briefe des Cassini dagegen sind nicht er- halten.

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Cioeros Briefe ad familiäres (503

an Trebonius aus derselben Zeit (20. 21)1). Deutlich erkennt mau, von welchen Gesichtspunkten der Sammler sich leiten ließ: die Briefe aus dem Proconsulat bilden den Grundstock, an den letzten Adressaten sind einige andre interessante Briefe angefügt, die für ein selbständiges Buch zu wenig waren und sich anderswo nicht gut unterbringen ließen. Denn der Briefwechsel mit Cassiufl und Trebonius aus der Zeit nach Caesars Ermordung war in die für diese Zeit bestimmte Sammlung aufgenommen (oben S. 599).

Die Ergänzung zu diesem Buch bildet Buch II, ad Curionem [consulem] et ceteros. Zunächst Briefe an Curio wahrend seiner Quaestur in Asien im Jahre 53 (1 6) und ein Gratulationsbrief aus Cilicien nach seiner Wahl zum Tribunen (7, Ende 51), der ihn zu richtigem Verhalten mahnt: er solle nur sich selbst folgen. Dann folgen die Antworten auf die Berichte, die Caelius ihm nach Cilicien schickt (7—15), nebst einem späteren Brief Anfang Mai 49 (16, Antwort auf VIII 16). Den Schluß bilden die Schreiben an die Quaestoren Cn. Sallustius (oben S. 164, 1) und Coelius Caldus und an den Propraetor von Asien Minucius Thermus aus dem Jahre 50 (17—19).

Aus dem Proconsulat stammen ferner die schon besprochenen Briefe an Appius Claudius (III) und die Briefe des Caelius (VIII).

4. Eine Sonderstellung nimmt endlich Buch V ein, ad Q. Meteilum et ceteros. Die Sammlung erstreckt sich vom Jahre 62 bis zu Caesars Ermordung, also über 18 Jahre, und die 21 Briefe verteilen sich auf nicht weniger als 13 verschiedene Korrespon- denten. Zum TeU sind es auserlesene Stücke von höchstem In- teresse, wie der Brief an Pompejus vom Jahre 62 (7), der an Crassus vom Jahre 54 (8), an C. Antonius vom Jahre 62 (5), der Brief- wechsel mit Metellus Celer vom Jahre 62 (1.2), mit Metellus Nepos vom Jahre 57/6 (3. 4), der Brief an Luccejus vom Jahre 56, in dein er ihn bittet, eine Schrift über sein Consulat zu schreiben (12), an den dann ein Briefwechsel zwischen beiden aus dem Jahre 45 anschließt (13—15), ferner so rare Stücke wie der Brief

*) Daß Brief20 Ende 46 geschrieben ist, nicht im April 44, wie die Heraas- geber angenommen haben, hat Mommsen, Hermes 28, 604 = Ges. Sehr. IV 174 ff. gezeigt. Das hat Pürsbr auch noch in der Oxforder Ausgabe abersehn.

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604

Beilage III

an Sestius über Caesars Hauskauf im Jahre 62 (6), und der Brief an Sittius (17, vgl. oben S. 17, 1). Dazu kommen dann einige recht unbedeutende Briefe, die offenbar aus stilistischen Gründen aufgenommenen Trostschreiben an Titius (16) und Fadius (18), der Briefwechsel mit Vatinius aus dem Jahre 45 (9 11), die Briefe an Mescinius Rufus aus den Jahren 49 und 46 (19 21). So kann dies Buch als eine Auswahl interessanter Briefe aus Ciceros Nachlaß bezeichnet werden, in die, wie auoh in moderner Zeit so oft, auch eine Nachlese einiger unbedeutender Stücke aufgenommen ist.

Wenn somit das Verfahren des oder der Herausgeber der einzelnen Sammlungen klar genug ist, so ist es müßig, weiter nach dem Namen desselben zu fragen, so nahe es liegt, an Tiro zu denken. Nur das sei noch einmal betont, daß von einer Aus- wähl aus einer größeren Publikation, sei es nach stilistischen, sei es nach historischen Gesichtspunkten, bei den auf uns ge- kommenen Sammlungen nicht die Rede sein kann. Soweit sie sich überhaupt erhalten haben, besitzen wir sie vollständig so, wie sie die Originalausgabe veröffentlicht hat.

Überblicken wir schließlich den Gesamtbestand der Briefe, so zeigt sich, daß, wie zu erwarten war, ganz wie in den modernen Parallelen, vor allem bei Goethe1), die große Masse den letzten Lebensjahren entstammt. Sie setzt mit dem Proconsulat ein; vorher liegt, da hier auch der Briefwechsel mit Atticus und mit dem Bruder versagt, sogar eine fast vollständige Lücke von zwei- einhalb Jahren (Januar 53 bis Mai 51, oben S. 207). Aus seiner Entwicklungszeit und den Anfängen seiner Laufbahn bis zum Jahre 67 ist kein einziger Brief erhalten. Wenn wir von den Briefen an Atticus und an den Bruder absehn, reichen über das Proconsulat hinaus die Briefe an Curio aus dem Jahre 53 (Hb. II), die in den Jahren 55 und 54 beginnenden Briefe an Marius und an Trebatius in üb. VII (sowie vielleicht der Brief an Fadius Gallus VII 23), das Briefbuch an Lentulus (I), die Briefe an Terentia aus dein Exil XIV 1 4, und einige Empfehlungsbriefe in lib. XIII.

') Eine Ausnahme bildet Bismarck, der, seitdem er Minister ge« worden war, immer weniger zum Briefschreiben gekommen ist.

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Ciceros Briefe. Gesamtbe^Uind

605

In noch frühere Zeit, bis zum Jahre 62, geht nur eine Anzahl der auaerlesenen Briefe in lib. V zurück, dessen Sonderstellung auch darin ganz augenfällig hervortritt. An dieser Sachlage würde sich auch nicht viel ändern, wenn die verlorenen Bücher auf uns gekommen wären. Denn bis über die Mitte der fünfziger Jahre kann auch der Briefwechsel mit Calvus, und vielleicht der mit Axius und mit Nepos, nicht hinaufgeragt haben1). Der Brief- wechsel mit Brutus wird erst in Ciceros Proconsulat eingesetzt haben, als Atticus, der Mittelsmann zwischen beiden, Cicero drängte, sich der Schuldforderungen des Brutus anzunehmen. In diese Zeit gehören die Brieffragmente, in denen Cicero von seinem Verhältnis zu Appius Claudius, dem damaligen Schwieger- vater des Brutus, an diesen schreibt (oben S. 162, 5).

Was die Humanisten, vor allem Paulus Manutius, und ihre Nachfolger durch liebevolle Versenkung in den Schriftsteller zur Aufhellung des Textes und zur Erschließung des Verständnisse» geleistet haben und das ist trotz gar mancher Verirrungen und überfeiner Kombinationen nicht wenig , findet sich bequem in Wielands vorzüglicher Übersetzung (1808 ff.) verwertet. Das neunzehnte Jahrhundert ist dann über sie vielfach hinaus- gekommen, sowohl in der Konstituierung des Textes bei der bekanntlich wie so vielfach in der Philologie des letzten Jahr- hunderts die Einquellenhypothese in der Handschriftenfrage lange Zeit verhängnisvoll gewirkt hat , wie in der Interpretation. Bahnbrechend war vor allem Mommsens Aufdeckung der Blatt- versetzungen im zweiten Buch der Briefe an den Bruder und im vierten der Briefe an Atticus*). Von den Neueren haben in erster Linie die Arbeiten 0. E. Schmidts und Sternkopfs reiche Förderung gebracht. Die große kommentierte Ausgabe sämtlicher Briefe in chronologischer Ordnung von Tyrrell und Purser3)

') Auch die Briefe an Caerellia gehören erst in die letzte Zeit (vgl. S. 601. 1). Die Briefe an den Bankier Axius mögen früher begonnen haben; in der Korrespondenz mit Atticus erscheint er schon I 12, 1.

») Ztechr. f. Altertumsw. 1844 und 1845 = Ges. Sehr. VII.

*) The correspondence of M. Tullius Cicero, by Ttrrbll and Purser, 7 vol., 1884 ff., 2. Aufl. 1904 ff.

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Beilage 1?

verdient dagegen, so wenig sie im berücksichtigt bleiben kann, das Lob kaum, mit dem sie überschüttet wird. Bs fehlt an energischem Zugreifen; nur zu oft versagt sie bei Einzelheiten ganz, und vor allem vermißt man eine wirklich in die Tiefe dringende, umfassende geschichtliche Auffassung; mit den Ein- leitungen und Anmerkungen Wielands halt ihr Werk den Ver- gleich nicht aus. In der Oxforder Ausgabe der Briefe von Purser sind manche Mißgriffe verbessert, aber wirklich ausreichend ist sie auch nicht1). 0. E. Schmidt und Sternkopf sind weit tiefer eingedrungen und viel weiter gekommen. Eine wirklich den idealen Anforderungen entsprechende kommentierte Ausgabe könnte nur ein philologisch gründlich geschulter Historiker schaffen, der dies geschichtliche Material ersten Ranges auf Grund voller Versenkung in die Zeit und ihre Bedingungen und mit lebendigstem Einblick in alle in der geschichtlichen Entwicklung wirksamen Kräfte bis ins einzelnste erläutern würde.

Beüage IV

Die Quellen

Wie für die ersten beiden Generationen der Revolutionszeit und überhaupt die ganze Epoche vom Ende des Polybios bis auf Tacitus, ist auch für die ciceronische Zeit von den grundlegen- den Geschichtswerken fast nichts auf uns gekommen. Erhalten sind uns, mit Ausnahme von Caesar und 8allust, nur Schriftsteller, die das Material aus dritter oder vierter Hand haben; und dabei sind natürlich Entstellungen und Irrtümer unvermeidlich. Ab- gesehn von einfachen Flüchtigkeiten, sind sie vielfach durch das Streben veranlaßt, die Vorlage kurz zusammenzufassen. Der- artiges ist namentlich bei Appian ganz gewöhnlich, wenn auch

>) So sind nicht einmal die Zitate au* den Briefen in der antiken

Literatur vollständig aufgenommen.

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Die Quellen. Appian and Plutarch t)07

in dieser Zeit, eben weil er hier viel ausführlicher wird, nicht so häufig wie in den anderen Abschnitten seines Werkes1). Dazu kommt dann seine alles Maß übersteigende Unwissenheit, die ihn mitunter zu den naivsten Kombinationen veranlaßt1). Nur um so deutlicher tritt demgegenüber die Vortrefflich keit des Materials hervor, das die Vorlage, die er ausschreibt, in selbständiger Auf- lassung gestaltet hat; und im allgemeinen muß man anerkennen, daß er hier wie sonst nicht ungeschickt exzerpiert hat.

Auch bei Plutarch fehlt es durchaus nicht an solchen Ver- sehen, entstellenden Kürzungen und Auslassungen*). Als Schrift- steller steht er natürlich auf einem ganz anderen Niveau als Appian, und wenn er auch der Aufgabe nicht gewachsen ist, die gewaltigen Staatsmänner und Feldherrn, deren Leben er erzählt, in den großen Weltverhältnissen, in denen sie sich bewegen, richtig zu erfasse)], sondern sie kleinbürgerÜoh anschaut und danach sein ethisches Urteil fällt4), so hat er doch durch die geschickte Auswahl und Gruppierung der Tatsachen und durch die Form semer Darstellung fesselnde Lebensbilder geschaffen, die ihre Wir- kung immer geübt haben und weiter üben werden.

Wie überall, hat Plutarch auch in den zahlreichen Biographien aus der hier behandelten Zeit neben den umfassenden Gesohichts- werken anderweitige Literatur herangezogen, vor allem bio- graphische Schriften. So ist für sein Leben des jüngeren Cato

») 80 8. 67, 8. 69, 4. 72, 2. 87. 1. 117, 1. 154, 8. 206, 5. 288, 1. 265, 2. 274, 8. 295, 6. 528, 4. 586, 2.

«) 80 in dem hier behandelten Zeitraum S. 148, 1. Um ein rich- tiges Urteil Ober Appian and seine Quellen zu gewinnen , ist es vor allem notwendig, alle die Stellen im Auge zu behalten, an denen er eigene Vermutungen vorbringt und seine Unwissenheit, im Gegensatz zu den oft vortrefflichen Angaben »einer Quelle, klar zutage tritt. Eine Zusammenstellung derselben wäre sehr willkommen.

*) 80 8. 27, 1. 88, 1. 68. 1. 69, 3. 75. 2. 98, 1. 182, 1. 170, 2. 226, 8. 238, 1. 272, 1. 280, 1. 282, 8. 284, 1.

*) Vgl. S. 127, 2 und dem gegenüber das verständige Urteil CU>er Crassus' Feldsug gegen die Parther S. 174. 1. Die Entstellung der Nachrichten zugunsten Caesars S. 22 A. (unter Einwirkung Sallusts), 96 A. und Ciceros S. 98, 1 geht dagegen wohl schon auf die von ihm benutzte Quelle zurück.

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(308

Beilage IV

die Biographie Thraseas die Hauptquelle, die wieder die ältere Biographie des Munatius benutzt1); für das Ciceros eine Bio- graphie, in der neben Ciceros Sohriften vor allem auch die Tiros verwendet ist; die große Einlage der dieta Ciceronis c. 24—27 geht direkt oder indirekt auf diesen zurück2). Für die sich überall ergänzenden Biographien des Pompejus, Craasus und Caesar und für große Abschnitte der übrigen hat Plutarch dagegen ein umfassendes Geschiohtswerk ausgezogen, und zwar bekanntlich dasselbe, das auch Appian exzerpiert; im weitesten Umfang stimmt er mit diesem inhaltlich und oft auch wörtlich übereiL»). Diese Übereinstimmung reicht in einzelnen Abschnitten weit über die caesarische Zeit hinaus; sie findet sich ebenso, neben andern stark abweichenden Stücken, in der Gracohenzeit*), im mithri- datischen Krieg, in der Erzählung von Hannibals Unterredung mit Scipio und seinen letzten Schicksalen5). Schon dadurch ist ausgeschlossen, daß, wie man eine Zeitlang geglaubt hat, Strabo oder gar Asinius Pollio diese Quelle wäre*). Diese immer wieder auftauchende Meinung wird weiter daduroh widerlegt, daß die Quelle mehrfach arge Fehler begangen hat, so daß Pompejus im

') 8. 485, 3.

*) Zitiert wird Tiro c. 41 und 49; aber die Art der Anführung zeigt, wie Leo, Griech.-röm. Biographie 168 ff. mit Recht betont, daß er nicht etwa die Vorlage Plutarch* ist (wenn auch auf ihn gewiß noch viel mehr zurückgeht). Ein Name für die biographische Hauptquelle laßt sich nicht ermitteln; man könnte an Nepos denken.

*) So z. B. S. 38, 1. 68, 1. 78, 2. 113, 7. 144, 1. 172. 2. 281, 1. 246, 1. 250, 8. 450, 2. 529, 2 und an zahlreichen anderen Stellen.

*) Siehe meine Untersuchungen zur Gesch. der Gracchen (Kleine Schriften S. 897 ff.).

») Appian 8yr. 10 f. = Plut. Tit. 21 und Pvrrh. 8, wonach er das gleiche auch im Üben Scipios erzählte. Die Ansicht Nisssns, das Ge- spräch zwischen Scipio und Hannibal (das bekanntlich auch Livius 35, 14 aus Claudius entlehnt hat) gehe auf Polybios zurück, ist unhalt- bar und jetzt von Hollbadx, Hermes 48, 1913, 75 ff. endgültig wider- legt; dessen Ansicht freilich, Scipio sei im Sommer 193 doch in Asien gewesen, vermag ich nicht zuzustimmen.

•) Daß Plntarch die Angabe Pollios nur durch Vermittlung eines griechischen Schriftstellers kennt, lehrt deutlich. Caes. 46, s. S. 845, 2.

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Die Quellen. Appian and Plutarch

609

Jahre 55 nicht nur beide Spanien, sondern auch Africa als Pro- vinzen erhalten habe (S. 158, 1), ferner die Übertragung des Auf- tretens eines Centurionen bei Octavians Forderung des Consulats im Jahre 43 auf Caesar und die Verhandlungen im Jahre 50 (S. 269, 2), sowie die schiefe Auffassung der Volkszählung Caesars in Rom (S. 417, 2), die sich allerdings auch bei Dio findet und vielleicht bei Livius vorkam. In der Erzählung von Caesars Über- gang über den Rubico ist der Bericht des Aainius Pollio mit Caesars verfälschter Darstellung kontaminiert (S. 293, 1). Weiter wird Pollios Angabe über die Zahl der bei Pharsalos gefallenen Pompejaner bei Plutarch und Appian gegeben, bei Appian neben den Zahlen Caesars und anderer1). Auch Pollios Beurteilung Ciceros klingt bei Appian und Plutarch durch (S. 99 A). Daneben ist Livius gelegentlich bei Plutarch benutzt und zitiert8). Somit liegt bei Appian und Plutarch nicht eine Primärquelle zugrunde, sondern eine abgeleitete Darstellung, welche das in den grund- legenden Werken enthaltene vortreffliche Material meist umsichtig verarbeitet, aber dabei einzelne Fehler begeht'). Die Quelle ist, wie ja auch Appian ausdrücklich sagt, ein Werk, das die gesamte römische Geschichte behandelt hat4). Einen Namen dafür zu

') Es seien nnr 6000 Soldaten gefallen, die übrigen seien der au« Sklaven bestehende Troß im Lager (Plut. Caes. 46 = Pomp. 72. App. II 82). Caesar civ. III 99 gibt ungefähr 15000 gefallene Pompejaner, was bei Appian in 25 000 entstellt iat. Ebenso stammen bei Appian 30 Centurionen und 200 Soldaten, die auf Caesars Seite gefallen sind d>{ Wpotc ooxti, x&toi ucü oiaxioiot), aus Caesar, den er aber nicht zitiert.

*) Außerdem zitiert er bekanntlich den Nepos und Marcell. 30. Brut 58 sogar einen so sekundären Schriftsteller wie Valerius Maximus.

*) Aus derselben Quelle stammen auch die Reden, welche bei Ap- pian II 50 ff. Pompejus und Caesar im Winter 49/8, vor Caesars Über- gang nach Illyrien, halten; für die Rede des Pompejus sind wertvolle tatsächliche Notizen richtig verwertet (S. 291, 4. 300, 1. 301 A.) Ebenso in Caesars Rede an die Meuterer II 94 (S. 413, 2) und sonst (S. 415, 5). Ferner die Reden des Octavianus und Antonius III 17. 19 (S. 528, 2).

*) Vgl. Unters, zur Gesch. der Gracchen, Kleine Schriften 897 ff, wo ich es indessen noch mit Unrecht für denkbar hielt, daß Asinius Pollio die Quelle Appians und Plutarchs für die Bürgerkriege sei. Aber Meyer, Caesar« Monarchie 89

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592 Beilage III

sein; doch, ist anzunehmen, daß auch bei dieser ursprünglichen Einteilung der Einschnitt da lag, wo eine Unterbrechung der Korrespondenz eingetreten ist. Als sie dann später publiziert wurden, hat man sie der Bequemlichkeit wegen auf 16 Volumina (Bücher) verteilt. Warnt diese Publikation stattgefunden hat, läßt sich nicht ermitteln. Daß das Schweigen des Asconius über die Absicht, Gatilina zu verteidigen, nichts beweisen kann, ist S. 23 A. bemerkt, ebenso, daß sie in der historischen Literatur von Anfang an benutzt sind (unten S. 615 f.); zitiert werden sie seit J^neca. Aber i/änzlich unhaltbar ist die weitverbreitete Ansicht, bei der Herausgabe sei an ihneu inhaltlich etwas geändert oder ein Teil der Briefe unterdrückt worden1). Man beruft sich dar- auf, daß nach Nepo3 die Briefe „bis in die letzte Zeit des Lebens Ciceros" reichten, während sie Mitte November 44 abbrechen; die späteren Briefe seien wegen absprechender Urteile über Octa- vian unterdrückt worden. Aber bei dieser für antike Anschau- ungen ganz unwahrscheinlichen Annahme einer Oensur*) denn der Verfasser war ja tot hat man nicht nur übersehn, daß zahllose Briefe mit sehr bedenklichen Äußerungen in den andern Sammlungen ruhig veröffentlicht waren, sondern vor allem, daß von da an Cicero und Atticus beide zusammen in Rom lebten, daß also Cicero im letzten Jahre seines Lebens garkeine Ver- anlassung hatte, an Atticas zu schreiben. Wie Nepos sich hier ungenau ausgedrückt hat, so auch bei der Angabe, die Briefe be- gännen mit Ciceros Consulat. Bekanntlich liegen vielmehr aus Ciceros Consulat keine Briefe vor damals war Atticus in Rom , wohl aber einige aus den Jahren 67 (I 3. 5—11), 66 (I 4) und 66 (I 1. 2). Aber zu Anfang stehn eben diese Briefe aus dem Jahre

') Die beiden in den Sammlangen Baiters aml Pursfrs für die Worte vectigaliorum and proprium grammatico accessi angeführten angeblichen Zitate ans den Briefen an Atticas bei Charisius and Dto- medes beruhen natürlich aof Flüchtigkeit oder Konfasion.

*) Aaf diese Annahme hat F. Lio, Die Publikation Ton Ciceros Briefen an Atticus , öött. Nachr. 1895 , 442 ff. , seine Behauptung be- gründet, weder die Briefe an Atticas noch die ad familiäres hätten vor Tiberius' Tode publiziert werden können.

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Cicero« Briefe an Atticna

593

65, in denen Cicero von den Aussichten seiner Bewerbung redet, und so ist Nodos* Aussage erklärlich genug.

Nicht weniger verkehrt ist es, wenn man sich darüber wun- dert, daß in der Sammlung keine Briefe des Atticus stehn, und darin einen Beweis ängstlicher Vorsicht sieht, mit der er sie unter- drückt habe man hat an die Briefe der Frau von Stein er- innert. Atticus hat die Briefe Ciceros aneinandergeklebt und verwahrt, seine eigenen Briefe in die Rollen aufzunehmen hatte er garkeinen Anlaß. Die bewahrte vielmehr Cicero in der gleichen Weise: in den Nöten des Bürgerkriegs schreibt er ihm am 18. März 49 (IX 10, 4): nam cum ad huno locwn ventesem, evolvi volumen epistularum tuarum, quod ego ($ub) signo haljeo 8ervoque düigentissime , und führt daraus der Reihe nach Atticus' Äußerungen aus den letzten Monaten an. Diese Briefe des Atticus später zu publizieren lag garkein Anlaß vor: das Interesse richtete sich ausschließlich auf Cicero, nicht auf seinen Korrespondenten.

Als Cicero ein berühmter Mann geworden war, hat Atticus begonnen, seine Briefe sorgfältig aufzuheben, von der ersten Trennung der beiden Anfang 61 (1 12) an. An den Anfang der Rulle ließ er stelle*), was noch von früheren Briefen bis zum Jahre 67 hinauf vorhanden war; dabei hat man sich um die chronologische Ordnung nicht weiter gekümmert, und so gerieten die beiden jüngsten Briefe, aus dem Jahre 65, an den Anfang. Fortan aber wurden die Briefe regelmäßig so aneinandergeklebt, wie sie eingingen; nur ganz selten ist dabei einmal eine Ver- tauschung des Platzes vorgekommen, abgesehn von den Briefen in XII und XIII.

Im übrigen gliedern sich die Briefe folgendermaßen:

1. Älteste Briefe ^67 65) I 1 11.

2. Briefe an Atticus nach Epirus Januar 61 bis December 60 I 12—11 3.

3. Cicero geht im April 59 aufs Land II 4 17; hier besucht ihn Atticus am 10. Mai auf der Reise nach Epirus (II 15, 2. 16, 4. 17, 1). Die Briefe dorthin II 18 25 (Juni bis October 59) schließen unmittelbar an.

Meyer, Ca e-sars Monarchie 38

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694 Beilage HI

4. Briefe Ciceroa ans dem Exil April bis Deoember 57 III 1—27. Im December reist Atticua nach Epirus (III 25—27), damit hört die Korrespondenz auf.

6. Briefe Cäeeros aua Rom nach seiner Rückkehr bis zu Atticus' Heimreise September 57 bis Januar 56 IV 1—4. Cicero geht am 8. April 56 aufe Land (ad Qu. fr. II 5), kehrt aber alsbald wieder nach Rom zurück (8. 139 Anm.); in diesen kurzen Aufenthalt fallt vielleicht das Billett IV 4 b. Dann geht er im Juni längere Zeit aufs Land; hierher gehört IV 5—8 (S. 139 Anm.) Im nächsten Jahre, 55, geht er wieder Ende April aufs Land: IV 9—12; und dann im November IV 13. Im Mai 54 geht Atticus nach Asien und kehrt im November zurück. Hierher gehören IV 14—19.

Diese kleinen Gruppen schließen sich ganz natürlich zu einer Rolle zusammen, die in Buch IV vorliegt.

6. Jetzt folgt eine große Lücke in der Korrespondenz, da beide Freunde vom December 54 bis April 61 zusammen in Rom leben. Wenn Cicero auch in diesen Jahren, woran nicht zu zweifeln ist, aufs Land gegangen ist und von da aus an Atticus geschrieben hat, so hat dieser die vermutlich sehr kurzen Billetts nicht auf- gehoben.

Die Korrespondenz setzt wieder ein mit Ciceros Abgang in die Provinz Anfang Mai 51 und reicht bis zu seiner Rückkehr nach Rom (oder vielmehr Formiae) Ende December 50: V 1 bis VII 9.

7. Daran schließen, mit kurzer Unterbrechung, die Briefe aus dem Bürgerkrieg vom Weggang aus Rom am Morgen des 18. Januar 49 bis zur Rückkehr aus Brundisium Anfang Sep- tember 47: VTI 10 XI 25. Hier sind die letzten Briefe un- geordnet eingereiht, die richtige Ordnung ist: XI 18. 25. 23. 19. 24. 20. 21. 22.

8. Im Gegensatz zu allen übrigen Briefen liegen die aus der caesarischen Zeit (April 46 bis December 45) nicht nur in völlig ungeordnetem Zustande vor, sondern sind in den Handschriften überhaupt nicht voneinander geschieden oder durch die Adresse getrennt, sondern fortlaufend geschrieben. Um die Zerlegung in die einzelnen Briefe und die chronologische Anordnung bat sich,

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Cit-eros Briefe an Atticus

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nach dem Vorgang von Th. Sohiohe, 0. £. Schmidt die größten Verdienste erworben1); über manche Einzelheiten wird natürlich niemals volle Sicherheit erlangt werden können.

Die Eonfusion mag bei der Publikation und in den Abschriften gesteigert sein, namentlich durch Weglassung der Überschriften, die ja auch sonst nicht selten vorkommt und dazu geführt hat, daß gelegentlich mehrere Briefe in den Handschriften als Einheit erscheinen; aber in der Hauptsache muß sie schon im Original vorhanden gewesen sein. Man wird annehmen müssen, daß Atticus die zahlreichen, vielfach sehr kurzen Briefe aus dieser Zeit zunächst nicht sorgfältig aufgehoben hat, und sie dann später, zum Teil vielleicht schon zu kleinen Konvoluten zu- sammengefaßt, zu Rollen zusammenstellen ließ, wobei die zeit- liche Folge noch weniger berücksichtigt wurde, als bei den elf ältesten Briefen.

9. Den Abschluß bilden die Briefe aus dem Jahre 44 (7. April bis Ende November), Buch XIV— XVI. Während sonst die chronologische Ordnung festgehalten ist, ist ein kurzes Billett, mit dem Cicero ihm Anfang Juli sechs Briefe zusendet, in denen er sich für Atticus* Besitzungen in Buthrotum verwendet (vgl. S. 494), an den Schluß gestellt, also nachträglich hinzugefügt.

Wenn wir von diesen neun Gruppen die beiden ersten zu- sammenfassen und annehmen, daß die großen Gruppen 6. 7. 9 je zwei volumina bildeten, ergeben sich die elf wlumina, von denen Nepos redet, ohne Schwierigkeil. Bei der Publikation sind sie dann noch weiter zerlegt worden.

Ähnlich wie mit den Briefen an Atticus liegt es mit denen an den Bruder; sie müssen aus dessen Nachlaß stammen. Quintus hat von den Briefen, die er während seiner Statthalterschaft in Asien und dann aus dem Exil von seinem Bruder erhielt, nur die wichtigsten aufgehoben, je zwei (I 1—4), alle sehr umfang-

') Ciceros Briefwechsel S. 437 ff., mit einer Neuausgabe der beiden Bücher. Er weist auch nach, wie die herkömmliche Einteilung und Zah- lung der Briefe im sechzehnten Jahrhundert schrittweise eingeführt und 1580 dnrch Simko Bosiu« zum Abschluß gebracht ist, aber garkeine Ge- wahr besitzt.

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596 Beilage III

reich. Sorgfältiger hat er dann die Briefe bewahrt, die er von ihm erhielt, als er Legat des Pompejus (II 1—6, December 57 bis Mai 56, vgl. S. 139 Anm.) und dann vom Jahre 55 an Legat Caesars war (II 7— III 9). Wenn sie bereits mit dem December 54 abbrechen, obwohl er bis zu Cioeros Prooonsulat in Caesars Diensten blieb (bell. Gall. VII 90), und von späteren Briefen keine Spur erhalten ist, so werden diese bei der Katastrophe des Quintus und seiner Familie bei den Proskriptionen zugrunde gegangen sein. Was sich erhalten hat, ist dann publiziert worden, ob von Tiro oder von wem sonst, läßt sich nicht sagen.

In derselben Weise sind die Briefe an Tiro von diesem ge- sammelt und veröffentlicht: zu Anfang stehn die vom November 50 bis Februar 49, als Tiro krank in Griechenland zurückgebheben war (XVI 1—12), dann folgen ein paar ältere (1&— 16), zum Schluß die aus der letzten Zeit (17—27); auch ein paar Briefe des Quintus und des Sohns hat er aufgenommen (8. 16. 21. 25 27). Ebenso stammen die Briefe an Terentia aus dem Exil (XTV 1 4) und aus dem Bürgerkrieg (5 24, schlecht geordnet) aus deren Besitz und sind vielleicht von Tiro gesammelt und publiziert.

Die Briefe an den Redner und Dichter Licinius Calvus, offen - bar im wesentlichen literarischen Inhalts, sind, wie Ciceros Brief an Trebonius XV 21, 4 aus dem Herbst 47 lehrt, nach Calvus* Tode, also schon bei Lebzeiten Ciceros, veröffentlicht worden, woran dieser, wenn er auch seine Einwilligung dazu nicht ge- geben hatte, doch, wie seine Äußerung zeigt, ernstlichen Anstoß nicht genommen hat1).

Ganz anders liegt es bei den übrigen auf uns gekommenen Briefsammlungen: sie stammen aus Ciceros Nachlaß, und ebenso offenbar die Briefwechsel mit Octavian, Hirtius und Pansa2).

') ego illas Calw Uiteras misi, twn plus quam hm, quas nunc legis, existimans exituras; aliier enim soribimus, quod eos soloa, quibus mitHmus, aliler quod multos lecturos putamus.

*) Die Briefe an Nepoa und Axius mögen ans deren Besitz veröffent- licht sein, ebenso die an Caerellia und gewiß die an seinen Sohn nach Athen. Über die Briefe an Titinios und Hostiliua läßt sich garnicbU sagen.

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Ciceros Briefe aus den Sammlungen Anderer

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Wie die Briefe des Atticus hat Cicero auch andere wichtige Korre- spondenzen in Rollen gesammelt und bewahrt, während andere Briefe vereinzelt oder etwa in kleinen Convoluten aufbewahrt wurden. Im Jahre 45 hat Tiro ihm den Wunsch angedeutet, er möge auch seine Briefe in Sammebollen aufheben1). Natürlich bewahrte er in derselben Art auch die wichtigeren eigenen Briefe im Konzept2) oder in einer, meist wohl von Tiro gefertigten, Kopie3), ganz wie es in der Gegenwart und überhaupt zu allen Zeiten geschieht in der Sorgfalt, mit der man dabei zu Werke geht, unterscheiden sich natürlich wie jetzt so auch damals die einzelnen Persönlichkeiten. Nichts war natürlicher, als daß diese eigenen Briefe dann mit denen der Korrespondenten zusammen- gelegt und zu einem volumen verbunden wurden. In dieser Gestalt liegt uns der Briefwechsel mit Brutus vor : die Briefe von Brutus ptehn zwischen denen Ciceros meist eben an der Stelle, wo sie eingetroffen sind, und daher vor ihrer Beantwortung, aber oft nach einem erst später, aber vor ihrer Ankunft geschriebenen

') XVI 17 video quid agas: tuas quoque epistolas vis referri in Volumina. Die Stelle ist oft falsch verstanden ; offenbar hat Tiro in einer philologisch-stilistischen Frage auf eine frühere Äußerung verwiesen nnd Cicero nahegelegt, diese Briefe wieder nachzusehn. Mit der Samm- lang der Briefe Ciceros hat diese Äußerung garnichts zu tun. Für die, übrigens keineswegs sichere, Datierung des Briefs s. 0. E. Schmidt 8. 368.

*) So. wie Bardt erkannt hat, den Brief an Crassus V 8 in doppelter Fassung, s. S. 169, 1.

s) ad Qu. fr. II 10, 5 : als ein Brief an Caesar nach Baibus' Mitteilung durch Feuchtigkeit verwischt angekommen ist, itaque postea mUi ad Caesarem eodem Mo exemplo liiieras. Ebenso im Jahre 45 an Fadius (iallus VII 25 quod epistulam conscissam doles, noli laborare, salva est; domo petes, cum libebit (das ist wahrscheinlich der Brief VII 24). Ferner ad Att. XIII 6, 3 quod epistulam meam ad Brutum poscis non habeo eius exemplum; sed tarnen salvum est et ait Tiro ie ha- bere oportere, et, ut recordor, una cum iüa obiurgatoria tibi meam quoque, quam ad eum rescripseram , misi. Bekanntlich hat Cicero vielfach eigene und fremde Briefe an Atticus geschickt, die uns so er- halten sind, gelegentlich sogar doppelt, wenn sie zugleich in ad fam. ptehn.

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Beilage III

Brief; verstellt ist I 4, und nachträglich eingefügt die beiden zusammengehörigen Briefe an Cicero and an Atticus 1 16. 17.

Eine Sonderstellung nimmt das Buch der Briefe des Caelius an Cicero ein (fam. VIII), das in den Handschriften fälschlich als M. Tutti Cic. epistidarwn ad M. CaeUum bezeichnet wird. Es enthält lediglich Briefe des Caelius. Es ist begreiflich, daß Cicero die für ihn äußerst wertvollen Berichte, die dieser ihm während seines Proconsulats schickte, sorgfältig bewahrte1), getrennt von seinen Antworten, und dann die drei Briefe, die Caelius ihm im Bürgerkrieg geschrieben hat, daran unfügte. Seine eigenen Antworten stehn in lib. II. Daß Caelius' Briefe aus Ciceros Nachlaß veröffentlicht sind und sich in der Sammlung seiner Korrespondenz erhalten haben, erklärt sich nur aus dem historischen Interesse, das sie beanspruchen konnten. Das gleiche Interesse betont übrigens auch Nepos bei den Briefen an Atticus, und es ist ohne Zweifel, neben dem rein persönlichen bei den Briefen an Terentia und Tiro, bei der Veröffentlichung seiner gesamten Korrespondenz das maßgebende gewesen; ein rein literarisch -stilistisches, wie z. B. bei Plinius' Briefen, hegt nur bei den Empfehlungsbriefen lib. XIII vor, hat also sonst glück- licherweise nicht eingewirkt. Im übrigen ist es bezeichnend, daß an eine chronologische oder sachliche Ordnung der Briefe niemand gedacht hat; sie sind genau so veröffentlicht, wie man sie im Nachlaß vorfand*).

') Dabei sind ep. 8 10 an falscher Stelle eingefügt; die richtig* Ordnung ist .">. 9. 8. 10. 6. 7. 11. Solche Vereehn kommen beim Ordaen von Briefschaften nur zu leicht vor.

*) Parallelen ans den modernen Publikationen von Briefwechseln bieten sich in Fülle, namentlich bei Goethe und Bismarck. Besonder* instruktiv sind die beiden Bände «Kaiser Wilhelm I. und Bismarck* und „Aus Bismarck« Briefwechsel*, die 1901 als .Anhang tu den Ge- danken und Erinnerungen* von seinem literarischen Gehilfen Horst Koni, auf Grund seiner eigenen Weisungen veröffentlicht sind. Der erste Band enthalt seine gesamte Korrespondenz mit Kaiser Wilhelm 1., der zweite eine Fülle der verschiedensten Briefe an Bismarck, Hoch interessantes neben ziemlich Unbedeutendem, nebst einigen Briefen Bis- marcks. Nur sind die Briefe hier, anders als bei Cicero, streng chrono logisch geordnet, ohne Rücksiebt auf die einzelnen Korrespondenten.

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Cicero« Briefe ad familiäres

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Lediglich Briefe Oiceros an einen einzelnen Adressaten ent- halten die Bücher ad P. Lentulum, den Statthalter von Cilicien, (fam. I) über die ägyptischen Händel der Jahre 56-^54, mit Hinzufügung eines Briefs an den Juristen L. Valerius, den er dem Lentulus empfiehlt es ist klar, daß dieser Brief nur von Cicero selbst hierhergestellt sein kann , und die ad Appium Claudium, seinen Vorgänger in Cilicien und Censor im Jahre 50 (fam. III), aus den Jahren 51 und 50. In beiden Büchern ist die chronologische Folge gewahrt, nur daß III 8 vor 7 stehn müßte. Bezeichnend ist, daß in III 10, 11 auf die Ankündigung nunc ea, quae a me profecta quaeque imtüuta sunt, cognosce die Ausführung fehlt, sondern der Text fortfährt atquc haec agimus et agemus magig pro dignitate quam pro periculo tuo. Cicero hat also in der Abschrift (oder dem Entwurf), die er bei seinen Akten behielt, dies Detail als irrelevant weggelassen.

Die übrigen 11 Bücher enthalten alle Briefe an mehrere Korrespondenten1). Sachlich zerfallen sie in folgende Gruppen:

1. Drei Bücher Briefe aus der Zeit nach Caesars Ermordung (X— XII)2). Lib. XII, ad C. Cassium et ceteros, enthält Ciceros Briefe an Cassius vom Mai 44 bis Ende Mai 43 (1—10) und anschließend die Briefe, die dieser ihm im Jahre 43 geschrieben hat (U— 13), sowie ein Schreiben des Proquaestors von Asien Lentulus an Cicero und einen offiziellen Bericht desselben an den Senat aus der gleichen Zeit (14. 15). Es folgt ein Brief des Trebonius an Cicero vom 25. Mai 44 (16), und dann Ciceros Briefe an Comiflcius, den Statthalter von Africa, aus den Jahren 44 und 43 (21 30), denen vier ältere Briefe aus dem Jahre 46 vorangesetzt sind (17 20). Die früheren Briefe an Cassius und Trebonius stehn dagegen in lib. XV, ein weiterer an Trebonius in lib. X. So zeigt sich deutlich, daß die Absicht war, in Buch XII nur Briefe

') Es ist denkbar, daß die Böcher ad Tiiinium, ad HostUium, ad (Jaereüiam ebenso aussah n.

l) In dieselbe Zeit gehören die Briefe an Hirtius (die wohl 47/6 begannen), Pansa, Octavian (ad Gaesarem iuniorem) und die an seinen Sohn, ferner natürlich der Hauptteil des Briefwechsel* mit Brutus.

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aus der Zeit zusammenzustellen, wo Cicero der Vertreter der Mörder Caesars und schließlich der Regent der Republik war; nur das Convolut der Briefe an Cornificius ist ungetrennt geblieben. Das gleiche gilt von üb. XI, ad M.x) Brutum et ceteros. Den Anfang bildet ein Schreiben des Decimus Brutus an Brutus und Cassius vom 16. März 44, gleich nach der Mordtat, und zwei offizielle Schreiben dieser beiden an Antonius. Dann folgt Ciceros Brief- wechsel mit D. Brutus November 44 bis Juli 43 (4—26). Als Appendix sind, um sie irgendwo unterzubringen, Ciceros Brief an Matius und dessen Antwort (27. 28) aus dem Spatsommer 44 und ein ähnlicher Brief an Oppius (29) angefügt. Buch X, ad L. Plancum et ceteros, enthält den Briefwechsel mit Plancus,'dem Statthalter der Gallia nova, aus derselben Zeit (1—24, darunter wieder ein offizielles Schreiben an den Senat 8), an den sich zwei Briefe an seinen Legaten Furnius (25. 26) und einer an Lepidus (27) naturgemäß anschließen. Den Schluß des Buchs bilden drei Briefe des Asinius Pollio, Statthalters der Hispania ülterior (31—33), und drei des Lepidus (34. 34a. 35), die seinen Ubertritt zu Antonius vorbereiten und entschuldigen. Dazwischen sind versprengt ein Brief Ciceros an Trebonius Anfang 43 (28) und der Bericht des Galba über die Schlacht bei Forum Gallorum am 14. April 43 (30) eingefügt, ferner seltsamerweise ein kurzes Trostschreiben an AppiuB Claudius, einen Anhänger des Antonius, das richtiger bei dem Brief an D. Brutus XI 22 stehn sollte, wo Cicero ihn diesem empfiehlt.

Man wundert sich allgemein, daß dieße Briefcorpora und ebenso die Brutusbriefe mit dem Ende Juli 43 abbrechen und aus den letzten Monaten von Ciceros Leben überhaupt keine Briefe vor- liegen*), und auch hier wieder hat man vermutet, sie seien aus Rücksicht auf Octavian unterdrückt worden. Aber man sieht den Wald vor Bäumen nicht. Die Briefe aus Ciceros letztem Lebensjahr stammen aus der Zeit, wo er das anerkannte Oberhaupt der Republik war, und sind daher größtenteils halb, manchmal sogar ganz offizielle Schreiben, welche den Regenten des Staats

') So im Medice«, aber wohl Rflchtigkeit für 7). *) Nur die Briefe an Octavian reichten weiter, s. das Fragment S. 545, 3.

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Ciceros Briefe ad familiaie«

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über die Ereignisse unterrichten und in denen er zu ihnen Stellung nimmt und seine Weisungen gibt. Aber im Juli 43 bricht seine Macht jäh zusammen, mit Octavians Marsch gegen Rom, der kläglichen Unterwerfung des Senats, und seiner Wahl zum Consul am 19. August sinkt Cicero in volle Unbedeutendheit hinab und fristet kümmerlich und entschlußlos sein Leben bis zur Katastrophe am 7. Dezember. Da ist es nur natürlich, daß seine Korrespondenz mit dem Ende Juli abbricht; von da an hatten weder Plauens und Asinius Pollio, noch Brutus und Cassius und ihre Genossen ihm noch etwas zu schreiben, und er ihnen auch nicht.

2. Aub der Zeit der Monarchie Caesars stammen fam. IV. VI. VII. IX1). Buch IV, ad Servi[l%]um Sulpicitm et ceteros, enthält die Briefe an diesen aus den Jahren 49 46 nebst zwei seiner Schreiben (5. 12) und den eng damit verbundenen Brief- wechsel mit M. Marcellus aus dem Jahre 46 (7 11). Angeschlossen ist ein gleichzeitiger Brief an Figulus und zwei an Plancius (13 15). Buch VI, ad A. Torquatum (et ceteros). sammelt zahlreiche gleich- artige Briefe aus dem Jahre 46 und 45: an Torquatm (1 4), an Caecina (5 8), mit einem Schreiben von diesem und dem zugehörigen Empfehlungsbrief an Furfanius (9), den Statthalter Siciliens, an Trebianus (10. 11), an Ainpius (12), an Ligarius (13. 14), an Lepta (18. 19), an Toranius (20. 21), an Domitius (22)«). Dazwischen steht ein kurzes, wahrscheinlich unmittelbar nach Caesars Ermordung geschriebenes Billett an Basilus (15, oben

•) In diese Zeit gehört auch der Brief an Caerellia S. 457, 2. In den Briefen an Atticus wird sie in dieser Zeit wiederholt erwähnt (XII 51, S. XHI 21, 5 n. s. w.; ebenso an Servilius Isauricus fam. XHI 72 im J. 46), in der Rede dee Fufius Calenus bei Dio 46, 18 Ciceros Verhalten zu ihr alx unsittlich geschildert. Dieser ganze Passus geht auf Antonius' Ant- wort auf die philippischen Reden bei Plut Cic. 41 zurück. Der Brief- wechsel mit Nepos, der sich offenbar durch viele Jahre hingezogen hat, reichte, wie die erhaltenen Fragmente lehren, bis über Caesars Tod hinab, ebenso der mit Axius; denn Tiro hat, offenbar beträchtlich nach Ciceros Tode, ein Sendschreiben an diesen publiziert, in dem er Catos Rede ffir die Rhodier kritisierte (Gelliun VI 8. 8 ff.).

*) Vgl. 0. E. Schmidt S. 23tf. 275.

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Beilage III

S. 537, 1), und ein kurzer Briefwechsel mit Bithynicus, dem Statt- halter Siethens, aus den nächstfolgenden Wochen (16. 17). Gleich- artig ist Buch IX, ad M. Varronem et ceteros: zuerst acht Briefe an Varro, literarischen Inhalts, dann der Briefwechsel mit dem Schwiegersohn Dolabella aus den Jahren 48 44 (9—14), dann Briefe an Paetus (15—26) aus dem Jahre 46, nebst einem älteren aus dem Jahre 50 (25) und einem aus dem Jahre 43. Noch weiter zurück greift Buch VII, ad M. Marium et ceteros. Zunächst vier Briefe an Marius aus den Jahren 55—46, dann die Briefe an Trebatius nach Gallien im Jahre 54 und 53 (6—18), denen der Empfehlungsbrief an Caesar (5) vorangeht, und angeschlossen vier aus der Zeit nach Caesars Ermordung (19—22). Sodann Briefe an Fadius Gallus aus den Jahren 46 und 45 (24—27) nebst einem älteren (23), drei Briefe an Curius und einer von diesem aus der caesarischen Zeil (28—31), zwei Briefe an Volumnius aus den Jahren 50 und 46. In diesen vier Büchern sind also Ciceros von ihm bewahrte Briefe oder Briefkonzepte aus der caesarischen Zeit gesammelt, einige ältere und jüngere, sowie die wichtigsten Schreiben der Adressaten hinzugefügt; dagegen liegt hier nicht, wie in der ersten Giuppe, die vollständige gegen- seitige Korrespondenz vor.

3. Aus Ciceros Proconsulat stammt Buch XV, ad senatum et ceteros. An zwei offizielle Schreiben an den Senat schließen sich völlig sachgemäß die Schreiben an Cato, in denen er diesen über seine Lage genauer unterrichtet und ihn für den .Triumph zu gewinnen sucht, nebst dem Antwortschreiben Catos (3 6); sodann die Gratulationssch reiben an die neugewählten Consuln L. Paullus und Gaius Marcellus nebst seinem Vater und seinem Vetter Marcus1) (7 13). Dann folgt, ebenfalls hierher gehörig, ein Brief an Cassius nach Syrien; an diesen sind dann die ihm in caesarischer Zeit geschriebenen Briefe nebst einer seiner Ant- worten angefügt (15—19)*), und daran reihen sich zwei Briefe

') Die Briefe an diesen an» dem Jahre 46 stehn dagegen in lib. IV, s. oben S. 601.

») Di© 15 . 4 erwlhnten Briefe de« Cossios dagegen sind nicht er- halten.

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Cicero* Briete ad familiär««

an Trebonius aus derselben Zeit (20. 21)1). Deutlich erkennt mau, ■von welchen Gesichtspunkten der Sammler sich leiten ließ: die Briefe aus dem Proconsulat bilden den Grundstock, an den letzten Adressaten sind einige andre interessante Briefe angefügt, die für ein selbständiges Buch zu wenig waren und sich anderswo nicht gut unterbringen ließen. Denn der Briefwechsel mit Cassius und Trebonius aus der Zeit nach Caesars Ermordung war in die für diese Zeit bestimmte Sammlung aufgenommen (oben S. 599).

Die Ergänzung zu diesem Buch bildet Buch II, ad Curionem [consukm] et ceteros. Zunächst Briefe an Curio während seiner Quaestur in Asien im Jahre 53 (1—6) und ein Gratulationsbrief aus Cilicien nach seiner Wahl zum Tribunen (7, Ende 51), der ihn zu richtigem Verhalten mahnt : er solle nur sich seibat folgen. Dann folgen die Antworten auf die Berichte, die Caelius ihm nach Cilicien schickt (7—15), nebst einem späteren Brief Anfang Mai 49 (16, Antwort auf VIII 16). Den Schluß bilden die Schreiben an die Quaestoren Cn. Sallustius (oben S. 164, 1) und Coelius Caldus und an den Propraetor von Asien Minucius Thermus aus dem Jahre 50 (17-19).

Aus dem Proconsulat stammen ferner die schon besprochenen Briefe an Appius Claudius (III) und die Briefe des Caelius (VIII).

4. Eine Sonderstellung nimmt endlich Buch V ein, ad Q. Metellum et ceteros. Die Sammlung erstreckt eich vom Jahre 62 bis zu Caesars Ermordung, also über 18 Jahre, und die 21 Briefe verteilen sich auf nicht weniger als 13 verschiedene Korrespon- denten. Zum Teil sind es auserlesene Stücke von höchstem In- teresse, wie der Brief an Pompejus vom Jahre 62 (7), der an Crassus vom Jahre 54 (8), an C. Antonius vom Jahre 62 (5), der Brief- wechsel mit Metellus Celer vom Jahre 62 (1. 2), mit Metellus Nepos vom Jahre 57/6 (3. 4), der Brief an Luccejus vom Jahre 56, in dein er ihn bittet, eine Schrift über sein Consulat zu schreiben (12), an den dann ein Briefwechsel zwischen beiden aus dem Jahre 45 anschließt (13—15), ferner so rare Stücke wie der Brief

') Daß Brief 20 Ende 46 geschrieben ist, nicht im April 44, wie die Heraus- geber angenommen haben, hat Mommsen, Hermes 28, 604 = Ges. Sehr. IV 174 ff. gezeigt. Das hat Poturr auch noch in der Oxforder Aasgabe Übersehn.

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Beilage III

an Se8tius über Caesars Hauskauf im Jahre 62 (6), und der Brief an Sittius (17, vgl. oben S. 17, 1). Dazu kommen dann einige recht unbedeutende Briefe, die offenbar aus stilistischen Gründen aufgenommenen Trostschreiben an Titius (16) und Fadius (18), der Briefwechsel mit Yatinius aus dem Jahre 45 (9 11), die Briefe an Mescinius Rufus aus den Jahren 49 und 46 (19 21). So kann dies Buch als eine Auswahl interessanter Briefe aus Ciceros Nachlaß bezeichnet werden, in die, wie auoh in moderner Zeit so oft, auch eine Nachlese einiger unbedeutender Stücke aufgenommen ist.

Wenn somit das Verfahren des oder der Herausgeber der einzelnen Sammlungen klar genug ist, so ist es müßig, weiter nach dem Namen desselben zu fragen, so nahe es liegt, an Tiro zu denken. Nur das sei noch einmal betont, daß von einer Aus- wahl aus einer größeren Publikation, sei es nach stilistischen, sei es nach historischen Gesichtspunkten, bei den auf uns ge- kommenen Sammlungen nicht die Rede sein kann. Soweit sie sich überhaupt erhalten haben, besitzen wir sie vollständig so, wie sie die Originalausgabe veröffentlicht hat.

Uberblicken wir schließlich den Gesamtbestand der Briefe, so zeigt sich, daß, wie zu erwarten war, ganz wie in den modernen Parallelen, vor allem bei Goethe1), die große Masse den letzten Lebensjahren entstammt. Sie setzt mit dem Proconsulat ein; vorher liegt, da hier auch der Briefwechsel mit Atticus und mit dem Bruder versagt, sogar eine fast vollständige Lücke von zwei- einhalb Jahren (Januar 53 bis Mai 51, oben S. 207). Aus seiner Entwicklungszeit und den Anfängen seiner Laufbahn bis zum Jahre 67 ist kein einziger Brief erhalten. Wenn wir von den Briefen an Atticus und an den Bruder absohn, reichen über das Proconsulat hinaus die Briefe an Curio aus dem Jahre 53 (üb. II), die in den Jahren 55 und 54 beginnenden Briefe an Marius und an Trebatius in üb. VII (sowie vielleicht der Brief an Fadius Gallus VII 23), das Briefbuch an Lentulus (I), die Briefe an Terentia aus dem Exil XIV 1—4, und einige Empfehlungsbriefe in üb. XIII.

J) Eine Ausnahme bildet Bismarck, der, seitdem er Minister ge- worden war, immer weniger «um Briefschreiben gekommen ist.

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Ciceros Briefe. Gesamtbe^tand

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In noch frühere Zeit, bis zum Jahre 62, geht nur eine Anzahl der auserlesenen Briefe in lib. V zurück, dessen Sonderstellung auch darin ganz augenfällig hervortritt. An dieser Sachlage würde sich auch nicht viel andern, wenn die verlorenen Bücher auf uns gekommen wären. Denn bis über die Mitte der fünfziger Jahre kann auch der Briefwechsel mit Calvus, und vielleicht der mit Axius und mit Nepos, nicht hinaufgeragt haben1). Der Brief- wechsel mit Brutus wird erst in Ciceros Proconsulat eingesetzt haben, als Atticus, der Mittelsmann zwischen beiden, Cicero drängte, sioh der Schuldforderungen des Brutus anzunehmen. Li diese Zeit gehören die Brieffragmente, in denen Cicero von seinem Verhältnis zu Appius Claudius, dem damaligen Schwieger- vater des Brutus, an diesen schreibt (oben S. 162, 5).

Was die Humanisten, vor allem Paulus Manutius, und ihre Nachfolger durch liebevolle Versenkung in den Schriftsteller zur Aufhellung des Textes und zur Erschließung des Verständnisses geleistet haben und das ist trotz gar mancher Verirrungen und überfeiner Kombinationen nicht wenig , findet sich bequem in Wiblands vorzüglicher Ubersetzung (1808 ff.) verwertet. Das neunzehnte Jahrhundert ist dann über sie vielfach hinaus- gekommen, sowohl in der Konstituierung des Textes bei der bekanntlich wie so vielfach in der Philologie des letzten Jahr- hunderts die Einquellenhypothese in der Handschriftenfrage lange Zeit verhängnisvoll gewirkt hat , wie in der Interpretation. Bahnbrechend war vor allem Mo Müsens Aufdeckung der Blatt- versetzungen im zweiten Buch der Briefe an den Bruder und im vierten der Briefe an Atticus1). Von den Neueren haben in erster Linie die Arbeiten 0. E. Schmidts und Stebnkopfs reiche Förderung gebracht. Die große kommentierte Ausgabe sämtlicher Briefe in chronologischer Ordnung von Tyrrell und Pursee3;

') Aach die Briefe an Caerellia gehören erst in die letzte Zeit (vgl. 8. 601, 1). Die Briefe an den Bankier Axius mögen früher begonnen haben; in der Korrespondenz mit Atticus erscheint er schon 1 12, 1.

*) Ztechr. f. Altertumsw. 1844 und 1845 = Ges. Sehr. VII.

*) The correspondence of M. Tullius Cicero, by Tyrrell and Purser, 7 vol., 1884 ff., 2. Aufl. 1904 ff.

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Beilage 17

verdient dagegen, so wenig sie nnberückmohtigt bleiben kann, das Lob kaum, mit dem sie überschüttet wird. Es fehlt an energischem Zugreifen; nur zu oft versagt sie bei Einzelheiten ganz, und vor allem vermißt man eine wirklich in die Tiefe dringende, umfassende geschichtliche Auffassung; mit den Ein- leitungen und Anmerkungen Wielands halt ihr Werk den Ver- gleich nicht aus. In der Oxforder Ausgabe der Briefe von Pubser sind manche Mißgriffe verbessert, aber wirklich ausreichend ist sie auch nicht1). 0. E. Schmidt und Sterhkopf sind weit tiefer eingedrungen und viel weiter gekommen. Eine wirklich den idealen Anforderungen entsprechende kommentierte Ausgabe könnte nur ein philologisch gründlich geschulter Historiker schaffen, der dies geschichtliche Material ersten Ranges auf Grund voller Versenkung in die Zeit und ihre Bedingungen und mit lebendigstem Einblick in alle in der geschichtlichen Entwicklung wirksamen Kräfte bis ins einzelnste erläutern würde.

Beilage IV

Die Quellen

Wie für die ersten beiden Generationen der Revolutionszeit und überhaupt die ganze Epoche vom Ende des Polybios bis auf Tacitus, ist auch für die ciceronische Zeit von den grundlegen- den Geschiohtswerken fast nichts auf uns gekommen. Erhalten sind uns, mit Ausnahme von Caesar und Sallust, nur Schriftsteller, die das Material aus dritter oder vierter Hand haben ; und dabei sind natürlich Entstellungen und Irrtümer unvermeidlich. Ab- gesehn von einfachen Flüchtigkeiten, sind sie vielfach durch das Streben veranlaßt, die Vorlage kurz zusammenzufassen. Der- artiges ist namentlich bei Appian ganz gewöhnlich, wenn auch

*) So sind nicht einmal die Zitate aus den Briefen in der antiken

Literatur vollständig aufgenommen.

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Die Quellen. Appian und Plotarch (J07

in dieser Zeit, eben weil er hier viel ausführlicher wird, nicht so hanfig wie in den anderen Abschnitten seines Werkes1). Dazu kommt darin seine alles Maß übersteigende Unwissenheit, die ihn mitunter zu den naivsten Kombinationen veranlaßt*). Nur um so deutlicher tritt demgegenüber die Vortrefflich keit des Materials hervor, das die Vorlage, die er ausschreibt, in selbständiger Auf- fassung gestaltet hat; und im allgemeinen muß man anerkennen, daß er hier wie sonst nicht ungeschickt exzerpiert hat.

Auch bei Plutarch fehlt es durchaus nicht an solchen Ver- sehen, entstellenden Kürzungen und Auslassungen*). Als Schrift- steller steht er natürlich auf einem ganz anderen Niveau als Appian, und wenn er auch der Aufgabe nicht gewachsen ist, die gewaltigen Staatsmänner und Feldherrn, deren Leben er erzählt, in den großen Weltverhältnissen, in denen sie sich bewegen, richtig zu erfassen, sondern sie kleinbürgerlich anschaut und danach sein ethisches Urteil fällt4), so hat er doch durch die geschickte Auswahl und Gruppierung der Tatsachen und durch die Form seiner Darstellung fesselnde Lebensbilder geschaffen, die ihre Wir- kung immer geübt haben und weiter üben werden.

Wie überall, hat Plutarch auch in den zahlreichen Biographien aus der hier behandelten Zeit neben den umfassenden Geschichts- werken anderweitige Literatur herangezogen, vor allem bio- graphische Schriften. So ist für sein Leben des jüngeren Cnto

') 80 S. 67, 8. 69, 4. 72, 2. 87. 1. 117, 1. 154, 8. 206, 5. 288, 1. 265, 2. 274, 8. 295, 5. 528, 4. 586, 2.

■) 80 in dem hier behandelten Zeitraum S. 148, 1. Dm ein rich- tiges Urteil über Appian und seine Quellen xu gewinnen , ist es vor allem notwendig, alle die Stellen im Auge zu behalten, an denen er eigene Vermutungen vorbringt und seine Unwissenheit, im Gegensatz zu den oft vortrefflichen Angaben seiner Quelle, klar zutage tritt. Eine Zusammenstellung derselben wäre sehr willkommen.

») 80 8. 27, 1. 88, 1. 68. 1. 69, 3. 75, 2. 98, 1. 182, 1. 170, 2. 226, 8. 288, 1. 272, 1. 280. 1. 282, 3. 284, 1.

*) Vgl. 8. 127, 2 und dem gegenüber das verständige Urteil Ober Crassus* Feldlug gegen die Parther S. 174. 1. Die Entstellung der Nachrichten sugunsten Caesars S. 22 A. (unter Einwirkung Sallusta), 96 A. und Ciceros S. 98, 1 geht dagegen wohl schon auf die von ihm benutzte Quelle En ruck.

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C08 Beilage IV

die Biographie Thraseas die Hauptquelle, die wieder die ältere Biographie des Munatius benutzt1); für das Ciceroe eine Bio- graphie, in der neben Cioeros Schriften vor allem auch die Tiros vorwendet ist; die große Einlage der dicta Ciceronis c. 24—27 geht direkt oder indirekt auf diesen zurück2). Für die sich überall ergänzenden Biographien des Pompejus, Crassus und Caesar und für große Abschnitte der übrigen hat Plutarch dagegen ein umfassendes Geschichtswerk ausgezogen, und zwar bekanntlich dasselbe, das auch Appian exzerpiert; im weitesten Umfang stimmt er mit diesem inhaltlich und oft auch wörtlich übereüi*). Diese Übereinstimmung reicht in einzelnen Abschnitten weit über die caesarische Zeit hinaus; sie findet sich ebenso, neben andern stark abweichenden Stücken, in der Gracchenzeit1), im mithri- datischen Krieg, in der Erzählung von Hannibals Unterredung mit Scipio und seinen letzten Schicksalen5). Schon dadurch ist ausgeschlossen, daß, wie man eine Zeitlang geglaubt hat, Strabo oder gar Asinius Pollio diese Quelle wäre6). Diese immer wieder auftauchende Meinung wird weiter dadurch widerlegt, daß die Quelle mehrfach arge Fehler begangen hat, so daß Pompejus im

') 8. 485, 8.

*) Zitiert wird Tiro c. 41 and 49; aber die Art der Anfahrung zeigt, wie Leo, Griech.-röm. Biographie 168 ff. mit Recht betont, daß er nicht etwa die Vorlage Platarchs ist (wenn auch auf ihn gewiß noch viel mehr zurückgeht). Ein Name für die biographische Hauptquelle laßt sich nicht ermitteln; man könnte an Nepoa denken.

») So z. B. S. 88, 1. 68, 1. 78, 2. 113, 7. 144, 1. 172. 2. 281, 1. 246, 1. 250, 8. 450, 2. 529, 2 und an zahlreichen anderen Stellea.

*) Siehe meine Untersuchungen zur Gesch. der Gracchen (Kleine Schriften S. 397 ff.).

») Appian Syr. 10 f. = Plut. Tit. 21 und Pyrrh. 8, wonach er das gleiche auch im Leben Scipios erz&hlte. Die Ansicht Nissbns, das Ge- spräch zwischen Scipio und Hannibal (das bekanntlich auoh Livius 85, 14 aus Claudius entlehnt hat) gehe auf Polybios zurück, ist unhalt- bar und jetzt von Holliadx, Hermes 48, 1913, 75 ff. endgültig wider- legt; dessen Ansicht freilich, Scipio sei im Sommer 193 doch in Asien gewesen, vermag ich nicht zuzustimmen.

*) Daß Plutarch die Angabe Pollios nur durch Vermittlung eines griechischen Schriftstellers kennt, lehrt deutüch. Caes. 46, s. S. 345, 2.

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Die Quellen. Appian and Plutarch

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Jahre 55 nicht nur beide Spanien, sondern auch Africa als Pro- vinzen erhalten habe (8. 158, 1), femer die Übertragung des Auf- tretens eines Centurionen bei Octaviana Forderung des Consulats im Jahre 43 auf Caesar und die Verhandlungen im Jahre 50 (S. 269, 2), sowie die schiefe Auffassung der Volkszählung Caesars in Rom (S. 417, 2), die sich allerdings auch bei Dio findet und vielleicht bei Livius vorkam. In der Erzählung von Caesara Über- gang über den Rubico ist der Bericht des Aainius Pollio mit Caesars verfälschter Darstellung kontaminiert (S. 293, 1). Weiter wird Pollios Angabe über die Zahl der bei Pharsalos gefallenen Pompejaner bei Plutarch und Appian gegeben, bei Appian neben den Zahlen Caesars und anderer1). Auch Pollios Beurteilung Ciceros klingt bei Appian und Plutarch durch (S. 99 A). Daneben ist Livius gelegentlich bei Plutarch benutzt und zitiert55). Somit liegt bei Appian und Plutarch nicht eine Primärquelle zugrunde, sondern eine abgeleitete Darstellung, welche das in den grund- legenden Werken enthaltene vortreffliche Material meist umsichtig verarbeitet, aber dabei einzelne Fehler begeht*). Die Quelle ist, wie ja auch Appian ausdrücklich sagt, ein Werk, das die gesamte römische Geschichte behandelt hat«). Einen Namen dafür zu

') Es seien nur 6000 Soldaten gefallen, die übrigen seien der aus Sklaven bestehende Troß im Lager (Plut Caes. 46 = Pomp. 72. App. II 82). Caesar civ. III 99 gibt ungefähr 15000 gefallene Pompejaner, wus bei Appian in 25000 entstellt ist Ebenso stammen bei Appian 30 Centurionen und 200 Soldaten, die auf Caesars Seite gefallen sind (4j, <«c itipoi« 8o*tt, xö-toi ual 8ta*6oiot) , aus Caesar, den er aber nicht zitiert.

*) Außerdem zitiert er bekanntlich den Nepos und Marceil. 30. Brot 53 sogar einen so sekundären Schriftsteller wie Valerius Maximus.

*) Aus derselben Quelle stammen auch die Reden, welche bei Ap- pian II 50 ff. Pompejus und Caesar im Winter 49/8, vor Caesars Über- gang nach Illyrien, halten; für die Rede des Pom pejus sind wertvolle tatsächliche Notizen richtig verwertet (8. 291, 4. 300, 1. 301 A.) Ebenso in Caesars Rede an die Meuterer II 94 (S. 413, 2) und sonst (S. 415, 5). Ferner die Reden des (Marianus und Antonius III 17. 19 (S. 528. 2).

*) Vgl. Unters, zur Gesch. der Gracchen, Kleine Schriften S97 ff., wo ich es indessen noch mit Unrecht für denkbar hielt, daß Asinius Pollio die Quelle Appians und Plutarchs für die Bürgerkriege sei. Aber Meyer, Caesars Monarchie 89

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finden, halte ich bei der Dürftigkeit unserer Überlieferung über die späteren Historiker für aussichtslos; auch Juba, an den zu denken nahe liegt und den Plutarch in den römischen Bio- graphien sowie in den quaest. Rom. sehr oft zitiert, ist doch dafür zu wenig greifbar, vor allem für die spätere Zeit1).

Sehr selbständig steht Dio Cassius dem von ihm verarbeiteten Material gegenüber. Er ist ein wirklicher Historiker, der inmitten des politischen Lebens semer Zeit steht, und daher auch von der Vergangenheit ein lebendiges, der Wirklichkeit und den in ihr wirksamen Kräften entsprechendes Bild zu gewinnen strebt. Eine fundamentale Neugestaltung des StofEs auf Grund selbständiger Durcharbeitung des ursprünglichen Quellenmaterials ist ihm so wenig möglich wie irgendeinem andern der antiken Historiker (und auch dem größten Teil der modernen Historiker vor der Ent- stehung der kritischen Geschichtsforschung des neunzehnten Jahr- hunderts), wenn sie nicht die eigene Gegenwart darstellen. Aber ebenso wie Polybios beschränkt er sich keineswegs auf ein ein- faches Nacherzählen, sondern sucht die Überlieferung auf Grund der durch eigenes Nachdenken gewonnenen Anschauung kritisch zu gestalten ; und wo er einen Anstoß rindet, wo ihm das Berichtete unwahrscheinlich oder unmöglich vorkommt, scheut er vor ener- gischem Eingreifen und selbständigen Kombinationen so wenig zurück, wie irgendein moderner Historiker2). Daß er dabei Irr-

er ist, wie erwähnt, von der benutzten Quelle herangezogen worden, vielleicht sogar sehr stark.

') Das gleiche gilt z. B. von Nikolaos von Damaskos' Geschichte werk and von Timagenes (vgl. S. 127, 2). die im Übrigen für diese Quelle natürlich nicht in Betracht kommen. Auch Fenestellas Annalen, die bei Asconius wiederholt für Einzelheiten aas Cicero» Leben and ebenso bei Plutarch

Sulla 28. Crass. 4 herangezogen werden, bleiben für uns unfaßbar. Das einzige größere Bruchstück Fenestellas aus dieser Zeit s. S. 129, 2.

*) So S. 78, 3. 87, 1. 88, 1. 125, 3. 158, 1. 242, 2. 870, 5. Ganz selbständig und das überlieferte Material umgestaltend und neu dis- ponierend verfahrt er in der Zeit nach Caesars Ermordung. Er er- ledigt die Vorgänge in Rom nach der Leichenfeier ganz kurz und stellt dann von Anfang an Octavian in den Mittelpunkt der Darstellung, während er Antonius und ebenso die Senatspartei in den Hintergrund

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Die Quellen. Dio 611

*

tümer begeht und uns das Robmaterial willkommener wäre, ist unvermeidlich ; denn eine abgeleitete Quelle ist um so wertvoller, je sklavischer sie der Vorlage folgt und je unbedeutender ihr Ver- fasser ist. Aber das Werk selbst, das Dio geschaffen hat, ist natürlich ganz anders zu werten: seine römische Geschichte ist eine großartige Leistung, zumal in einer Zeit, in der wir sonst nur vollen Niedergang und Zersetzung und höchstens noch, wie auf juristischem Gebiet, die letzten schon gesunkenen Aus- läufer der alten Kultur erblicken. Auch über die Persönlich- keiten hat er sich ein selbständiges Urteil gebildet, das seinen Erlebnissen entsprechend durchweg pessimistisch ist und die unlauteren und niedrigen Motive betont; bekannt ist seine scharfe Verurteilung Ciceros und Senecas. Besonderes Interesse wendet er durchweg den staatsrechtlichen Momenten zu, die überall in scharfer Formulierung gegeben werden. Daneben ist für ihn bekanntlich die volle Gläubigkeit an Vorzeichen charak- teristisch1), in der sich der Geist seiner Zeit drastisch wider- spiegelt. Mißgriffe und Irrtümer kommen gelegentlich vor*), aber als Ganzes ist seine Darstellung dieser Epoche ganz vor- trefflich, und ich glaube, daß sie beträchtlich über der des Livius gestanden hat.

Daß Dio den Livius hier wie sonst in weitem Umfang, aber keineswegs als einzige Quelle, benutzt hat, ist zweifellos. Sonst

drängt and geringschätzig und vielfach im einzelnen verkehrt behandelt. Um »ich dnrch die Wirren dieser Zeit den Weg zn bahnen und dem Leser ein möglichst übersichtliches Bild der unendlich verschlungenen Vorgänge zu gewähren , erzählt er zunächst die Vorgänge in Italien bis zum Triumvirat und den Proskriptionen, und holt dann erst die Ge- schichte des Brutus und Cassius sowie des Trebonius, Dolabella, Cae- cilius Bassus nach, verfährt also hier nicht synchronistisch. Daß diese Anordnung sein Werk ist, ist klar; Livius hat, wie die periochae lehren, wesentlich anders disponiert.

') Siehe S. 180, 1. 108, 1. u. a. i. B. S. 15, 1. 41, 4. 111 A. 146. 2. 204, 1. 210, 2. 288, 3. 261, 1. 801. 2. 850, 3. 352, 2. 370. 5. Auch bei Dio findet sich die Einwirkung der verfälschten Darstellung Caesars bei den Verhandlungen zu Anfang des Bürgerkriegs, die bei ihm zu einer Dublette geführt hat, S. 801. 2.

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ist Lucans Epos bekanntlich die Hauptquelle, aus der wir Livius' Darstellung erkennen können. Manche Einzelzüge und Äuße- rungen, wie die bekannte antithetische Charakteristik des Caesar und Pompejus (S. 314, 3), sind bei ihm erhalten; aber weder dies Epas, noch die bei Orosius, in den Periochae, bei Florus, Obsequens, Valerius Maximus und sonst erhaltenen kurzen No- tizen1) reichen aus, um sein Werk wirklich zu rekonstruieren und zu erkennen, was er aus eigenem zur Gestaltung der Über- lieferung beigetragen hat. Indessen der Verlust, den wir dadurch erlitten haben, ist nicht so groß, wie er vielfach geschätzt wird. Denn er steht von den Vorgängen viel zu weit ab, um als Primär- quelle in Betracht zu kommen. Nach Hieronymus* Chronik ist er im Jahre 59 geboren, war also bei Caesars Ermordung eben erst 15 Jahre alt, mithin noch nicht fähig, die Ereignisse der vorhergehenden Epoche selbständig in sich aufzunehmen8). Als er zur Zeit der Begründung des Principats daran ging, sein Werk zu schreiben, und vollends, als er damit bis an die caesarische Zeit vorgedrungen war, war diese längst bearbeitet, und er dar- auf angewiesen, die ihm vorliegenden Darstellungen zu benutzen, im günstigsten Falle etwa in der Weise, wie Polybios in der Ge- schichte des hannibalischen und der folgenden Kriege die Priraär- quellen selbständig überarbeitet. Neues Material hat er schwer- lich noch in irgendwie bedeutendem Umfang hinzugebracht oder hinzubringen können. Aus seiner ehrlichen Überzeugung hat er kein Hehl gemacht, wie er denn bekanntlich, trotz alles En- thusiasmus für die Regeneration des Römertums durch Augustus, seine Sympathien für die Republik und Pompejus nicht verleugnet hat das vertrug sich ja auch in Wirklichkeit viel besser mit-

') z. B. S. 98, 2. 851. 2. 435, 4. 469, 1. 500, 1. Bei Plutarch wird Linas wie nicht selten in den alteren Biographien, so im Caesar 47 (s. Anm. 2) und 68 (oben S. 514, 2) angefahrt, bei Appian nur III 77, 815, falls die Korrektur Acßüp für Aißcovi richtig ist, für den Aufstand des Bassus. Eine Berührung zwischen Appian und Li?ius s. S. 537, 4.

a) Eine Jugenderinnerung hat er in der Erzählung aufgenommen, daß Caesars Sieg bei Pharsalos an demselben Tage von einem Seher C. Cornelius in Patavium verkündet wird (Plut. Caes. 47. Obsequens 65; aufgenommen von Dio 41, 61, 4).

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Die Quellen. Livius

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einander, als es den Anschein hatte, da Augustus trotz der An- knüpfung an Caesar in Wirklichkeit viel mehr der Fortsetzer des Pompejus war. Auch für historische Kritik und eine richtige Würdigung der Quellen hatte livius Verständnis, wie die er- haltenen Bücher durch zahllose Einzelbemerkungen, durch die ständige Anführung der von den späteren Fälschungen völlig abweichenden Angaben der ältesten Annalen, durch die Verwertung des Polybios beweisen; er steht darin hoch über Dionysios von Halikarnaß. Aber Herr seines Stoffs ist er nicht geworden; ganz abgesehn von seiner starken rhetorischen Manier muß die Weich- heit seiner Empfindung, die Neigung zu milder Beurteilung und zur Vertuschung häßlicher Szenen ihm eine wirklich zutreffende Schilderung der Revolutionszeit mit all ihrem Schmutz und ihren brutalen Verbrechen noch weiter erschwert haben1).

Nur um so deutlicher tritt, den individuellen Variationen der abgeleiteten Darstellungen gegenüber, sowohl die Vortrefflich keit wie die Einheitlichkeit des zugrunde liegenden und von ihnen allen benutzten Materials hervor. Somit müssen wir als Grund- lage für die gesamte Uberlieferung über diese Zeit ein großes, alle Vorgänge bis ins einzelnste verfolgendes Geschichtswerk betrachten, auf dem direkt oder indirekt alle späteren Bear- beitungen fußen. Im Grunde ist die Aufgabe der modernen Ge- schichtsforschung nichts anderes, als dies Werk zu rekonstruieren und durch Einfügung des ciceronischen Materials zu kontrollieren und gelegentlich zu ergänzen ; in der Auffassung und Beurteilung der so ermittelten Tatsachen und der Persönlichkeiten mag man dann seine eignen Wege gehn. Wer der Verfasser gewesen ist, wird sich freilich kaum ermitteln lassen; dafür ist eben unsere Kunde von der historischen Literatur viel zu dürftig, Fragmente fehlen für all die zahllosen Historiker nach Posidonios fast voll- ständig. Natürlich wird sich einem jeden zunächst der große Name des Asinius Pollio aufdrängen. Aber direkte Nachrichten über sein Werk besitzen wir so gut wie garnicht. Die Fragmente

') VgL S. 98, 2 fein Urteil über Cicero. Bei der Verschwörung von 05 hui er wahrscheinlich, ebenso wie Sallust, die Beteiiigang des CraKBus und Cnesar vertuscht, 8. 21 Anm.

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beschränken sich, abgesehn von ein paar für uns nicht in Betracht kommenden Notizen, auf die Charakteristik Ciceros (S. 98, 2), eine Notiz über die Schlacht bei Munda1), die Angabe über die Äußerung Caesars auf dem Schlachtfeld von Pharsalos nebst der von Caesar abweichenden Angabe über die Zahl der gefallenen Pompejaner2) und den Bericht über den Übergang über den Rubico3), in dem er Caesars gefälschte Darstellung berichtigt für diese Vorgänge wird er als Augenzeuge von der Quelle Appians und Plutarche verwertet. Zu diesen Angaben stimmt, daß er, wie Sueton bezeugt, sich über die Zuverlässigkeit der Berichte Caesars in seinen Kommentaren mit Recht sehr absprechend geäußert hat4); wenn er die Schuld der Fehler zum Teil auf unzuverlässige Berichterstatter und ungenaue Erinnerung schob und die Ansicht äußerte, Caesar selbst würde sie bei längerem Leben korrigiert haben, so ist das offenbar nur eine Konzession an den Divus Julius, an die er selbst schwerlich geglaubt hat4). Sonst wissen wir nur noch, daß sein Werk mit der Koalition der Machthaber im Jahre 60 begann9); und eben das spricht aufs stärkste dagegen, daß es die grundlegende Quelle ist. Denn die Überlieferung über die vorhergehenden Jahre trägt genau denselben Charakter wie nachher, ein Einschnitt ist nirgends erkennbar. Überdies ist Appians Darstellung der Bürgerkriege von der Graochenzeit an in Auffassung und Tendenz durchaus einheitlich und aus einem Guß; das geht natürlich nicht auf ihn und auch nicht auf die von ihm selbst benutzte Vorlage, sondern auf die ursprüngliche

l) Sueton Caes. 55.

*) 8. 845 und oben S. 609, 1.

») PlQt Caes. 82 = Appian II 85, a. S. 298, 1. Daß Asinius Pollio die Quelle ist, geht aus Plutarchs Angabe iroXXä ftfc xal täv ? iXtuv tote «apobotv, u»v Tjv xal IIoXUwv 'Aolvio?, oüvJnrjii6p-rjo»v ÄvaXoYtCöjisvo; xtX. hervor.

') Sueton Caes. 56 Asinius Pollio parum dilig enter parumque integra verüate composilos putal, cum Caesar pleraque et quae per alios erant gesta, temere crederet ei quae per se, vel consulto vel etiam memoria lapsus perperam ediderü, exiatimatque rescripturum ei correcturum fuisse.

8) Hora* carm. II 1, vgl. S. 60, 2.

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Die Quellen. Asinius Pollio

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Darstellung zurück übrigens weicht, was noch besonders betont werden muß, diese Auffassung von der des Livius aufs stärkste ab und stellt die Ereignisse in ganz andrem Lichte dar, als dieser1). Es wird nichts übrig bleiben, als uns zu bescheiden und wie für die Gracchenzeit so auch für die caesarische das Spiel mit Ver- fassernamen zu unterlassen *).

Um so weniger darf die Frage umgangen werden, woher das hier zusammengefaßte und verarbeitete Material stammt; und darauf ist eine Antwort allerdings möglich. Daß es durchaus zuverlässig ist, beweist die Kontrolle, die uns hier durch Ciceros Briefwechsel und Reden ermöglicht ist. Daß das darin vorliegende Material in weitestem Umfang benutzt worden ist, ist zweifellos3), gleichgültig, ob die Korrespondenz schon veröffentlicht oder noch in Privatbesitz war: wenn Nepos die Briefe Ciceros bei Atticus lesen konnte, wird dieser dem Asinius Pollio und andren dio Einsicht ebensogut gestattet haben. So wird deim auch der Brief ad Att. VII 11, 3 bei Plutarch Pomp. 63, d. i. natürlich von der Quelle Plutarchs, zitiert (S. 300, 1), ebenso bei Livius der Bericht des Servius Sulpicius über Marcellus' Tod an Cicero fam. IV. 12 benutzt (S. 406, 4), bei Plutarch im Brutus 22. Cic. 45. comp. Dem. et Cic. 4 die Briefe des Brutus 1 16. 17 wie mau an deren Echtheit zweifeln konnte, ist mir unverständlich ; und die Berührung der Geschichtsdarstellung mit Ciceros Briefwechsel

•) Siehe meine Untere, zur Gesch. der Gracchen, Kl. Schriften 397 ff.

s> Sonst wissen wir über Asinius Pollio noch, daß er sich für den Stil durch den Philologen Atejus P rae textat us beraten ließ, der für ihn praecepta de ratione scribendi verfaßte. Derselbe hatte früher für Sallust ein breviarium rerum omnium Romanarum, ex quibus quae vellet elujeret verfaßt (Sueton de gramm. 10). So mag er auch dem Pollio bei der Materialsammlung geholfen haben, wie er denn ein philologisch- antiquarisches Sammelwerk (Hyle) in achthundert Büchern zusammen- gebracht hat Undenkbar wäre es nicht, daß dies Werk die große Fundgrube bildete, in der das Material geordnet vorlag und aus der die Historiker geschöpft haben.

*) In den Reden des Cicero und Fufius Calenns bei Dio lib. 45 u. 46 sind bekanntlich Ciceros Philippiken und Antonius Antwort auf diese ausgiebig benutzt (vgl. S. 432. 3).

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ist vielfach so eng1) und die Schilderang seines Verhaltens bis ins einzelnste so zutreffend, daß die Benutzung ganz evident ist.

Gleichartige Sammlungen lagen aus Caesars Nachlaß vor, außer seinen Berichten an den Senat*) seine Briefe an Cicero und ad familiäres (S. 607, 1)*). Dazu kamen dann seit Caesars Consulat die acta diurna tarn senattis quam populi (S. 68). Wie eingehend diese über die täglichen Vorgänge berichteten, zeigen die bei Asconius erhaltenen Bruchstücke4). Aber auch schon für die Zeit vorher, seit um die Mitte der sechziger Jahre wieder eine genauere Kunde auf uns gekommen ist, trägt die Überlieferung den gleichen Charakter, so daß auch da schon und offenbar weit hinauf bis in die Gracchenzeit ein ähnliches, weim auch nicht so reiches Material vorhanden gewesen sein muß. Zum Teil stammte dasselbe aus den Senatsprotokollen und den Akten (commentarii) der Beamten, wie sie Polybios für die Darstellung der Vorgänge in Rom vom Jahre 188 an benutzt; daneben aber offenbar aus privaten Aufzeichnungen. Als Cicero im Jahre 51 in seine Provinz geht, besorgt ihm Caelius einen regelmäßigen commentaritis rerutn urbanamm, der alle, auch die unbedeutend- sten, Tagesereignisse verzeich neteÄ), und zu dem er dann die auf

') ». B. S. 88. 1. 98, 2. 182, 1. 299. 8. 460, 1 und sonst oft.

•) Diese Berichte, die viel umfangreicher waren als sonst üblich, und daher auch Äußerlich Buchform hatten (quas primus videtur ad paginas et formam memorialis libelli convertisse, Sueton 56), hat er ofFenbar bei Abfassung des Bellum Gallicura tugrunde gelegt und überarbeitet, vor allem auch durch die Einschiebung geographisch-ethnographischer Exkurse.

*) Von den Briefen an Oppins und Baibus (GeUins 17. 9) sind in Ciceros Briefwechsel Proben erhalten. Aus der Korrespondenz mit Cicero findet sich in KOblers Caesarausgabe III 2 p. 206 nur ein Zitat aus dem dritten Buch, bei Servius in Verg. Georg. III 204 (III p. 298 Thilo): Caesar tesüs est libro ad Ciceronem III: multa milia equitutn atque esgedariorum habet. Das gehört also in den britannischen Feldzug des Jahrs 54 und zu dem Material, das Caesar dem Cicero für das dar- über gewünschte Epos sandte (S. 202). Sonst findet sich noch ein Zitat Caesar ad Pisonetn: loceüum tibi signatum remisi, aus Charisius (Hobler p. 221). das inhaltlich nichts ergibt

*) S. 105, 4. 215, 1.

•) ad fam. VIII 1, 1. 2, 2. 11, 4, und dazu Ciceros Äußerung II 8, 1.

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Die Quellen. Briefe und Akten. Reden

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uns gekommenen politischen Berichte achrieb. Ebenso werden es andere vornehme Männer auch gemacht haben; sie mußten ja, wenn sie in der Provinz oder im Felde tatig waren, über die Vor- gänge in Rom genau orientiert bleiben. So wird es derartige Berichte in Masse gegeben haben, analog den schriftlich ver- breiteten Korrespondenzen und Journalen, welche als Quellen der neueren Geschichte eine so große Bedeutung haben; und natürlich ist dann derartiges Material im Altertum so gut wie in der Neuzeit von den Historikern verwertet worden. Das gleiche gilt übrigens auch von der Geschichte der hellenistischen Welt, z. B. von den Details der Hofgeschichte des Lagidenreichs und des Seleukidenreichs, die Polybios bewahrt hat; und die Anfänge werden schon bis in den Anfang des vierten Jahrhunderts hinauf- reichen, wie u. a. das Detail über Konon zeigt, das Theopomp in dem Bruchstück aus Oxyrynchus hat geben können.

Zu diesem Material kommen dann die veröffentlichten Reden und Pamphlete. Erhalten sind von dieser äußerst umfangreichen Tagesliteratur außer den Reden Ciceros, von denen, soweit er sie publiziert hat, wenigstens die Mehrzahl auf uns gekommen ist, die unter Sallusts Namen überlieferte Invective Pisos gegen Cicero aus dem Jahre 54 (S. 163 ff.) und seine beiden Schreiben an Caesar1). Gleichartig waren die Reden und Pamphlete der beiden Curio (S. 80, vgl. S. 19, 3. 22 A. 78, 3), des Memmius nebst Caesars Antwort darauf (S. 93 f.), die Edikte des Bibulus (S. 81, vgl. 22 A.), die Reden und Broschüren des Brutus (S. 79, 2. 211 A. 224, 4. 235, 1.), Varros Tptxipavoc (S. 80), die Schmäh- schrift des Caecina gegen Caesar (S. 400), sodann die zahl- reichen Schriften über Cato (S. 436) und Brutus' Schrift de virtute mit der Äußerung über M. Marcellus (S. 383); ferner

') Erwähnt sei noch, daß bei Athenaeos VI 278 b ein ooYTP(Wa des L. Aurunculeius Cotta stpi rJj« 'Ptopaunv ftoXrofa; in lateinischer Sprache erwähnt wird (Pktbr, Hirt. Rom. Rel. II p. LXI), das er kurz vor seinem Tode im Winter 54/3 verfaßt haben muß, da er in ihm von Caesars Ex- pedition nach Britannien redete. Weiter wissen wir darüber nichts ; es zeigt aber auch wieder, wieviel Literatur es gegeben hat, von der gar- keine Kunde auf ans gekommen ist.

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Beilage IV

kamen natürlich auch die veröffentlichten und vielgelesenen Reden des Hortensius und des Calvus (8. 128, 1. 198) in Betracht. Daran reihen sich die anticaesarischen Schriften von T. Ampius Baibus (S. 400, 3. 520), Tanusius Geminus (S. 18. 22 A. 172 2.), M. Actorius Naso (S. 19, 3. 22 A.), die zum Teil die Geschiohte dieser Zeit oder einen Abschnitt derselben behandelt zu haben scheinen. Harmloser waren die Sammlungen von Anekdoten und Aussprüchen berühmter Manner, vor allem Ciceros (durch Tre- bonius S. 384, und spater durch Tiro), wie sie auch Caesar selbst verfaßt hat (S. 384, 2). Ferner gehört die Literatur über Cato hierher, die schon bei seinen Lebzeiten mit der Broschüre des Metellus Scipio gegen ihn (S. 436, 2) begann. Auch die poetische Literatur hatte politische Bedeutung, die Invectiven des Catull und Calvus (S. 198 f. 60Ö, 1), des Voltacilius Pitholaus (S. 401, 1), des Furius BibaculuB (Tac. Ann. IV. 34) gegen Caesar, Varros Saturae, auch der Mimus des Laberius (S. 387). Endlich gehört auch die bei Livius im Auszug erhaltene Broschüre hierher, welche Caesars monarchische Stellung in der Form einer Rede des Tiberius Gracchus im Scipionenprozeß angreift (S. 531 f.).

Von den größeren zeitgenössischen Geschichtswerken ist aus der an Pompejus anknüpfenden Literatur das seines Günstlings Theophanes wohl für seine Feldzüge erkennbar, aber nicht für die innere Geschichte Roms. Ganz ungreifbar ist Luccejus, von dessen historischen Arbeiten wir nur durch Ciceros Brief f am. V 12 Kunde haben, in dem er ihn vergeblich für ein Werk über sein Consulat zu gewinnen sucht. Posidonios, von dem er sich bei dem gleichartigen Versuch ebenso eine höfliche Absage holte (ad Att. IT 1, 2), liegt uns für den Anfang der von uns behandelten Epoche noch in ein paar wohl zweifellos aus ihm geschöpften Fragmenten Diodors vor, darunter zwei Bruchstücken aus der Geschichte der catilinarischen Verschwörung (oben S. 29, 4). Daß er durchaus auf Seiten des Pompejus stand, ist bei seiner Stellung ohnehin zweifellos und wird durch mehrere Fragmente über Pompejus' Auftreten in der Zeit Sullas bestätigt1); die

') Diod. 89, ». 10. 20.

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Die Quellen. Pamphlete und Geschichtswerke 619

«

Zeit nach dem Abschluß der Feldzüge des Pompejus im Osten hat er nicht mehr behandelt1). Auch die letzten Auslaufer der vorlivianischen Annalistik sind hier anzuführen, so wenig sie wirklich maßgebende Darstellungen gewesen sein können. Aber eine und die andere wichtige Notiz wird in ihnen zu finden gewesen sein, wie denn Sueton aus Tubero die Angabe entnimmt, daß Caesar ursprünglich den Pompejus zum Erben eingesetzt hatte1).

Weit wichtiger sind dann die von den handelnden Persönlich- keiten selbst verfaßten Darstellungen ihrer Taten, die natürlich immer zugleich eine politische und persönliche Tendenz haben. Ganz unverhüllt trat diese in den prosaischen und poetischen Schriften Ciceros über sein Consulat hervor, an die sich seine Anecdota oder de consUits suis anreihen3). Aber nicht minder beherrscht sie Caesars Cominentarien, die uns glücklicherweise erhalten sind, zusammen mit der von Hirtius begonnenen Er- gänzung und Fortsetzung und dem Rohmaterial für den afrika- nischen und spanischen Krieg, freilich nur auf Grund einer einzigen stark verstümmelten Handschrift. Im übrigen ist das Corpus in der vorliegenden Gestalt offenbar bald nach dem Tode des Hirtius publiziert worden, von wem, wissen wir nicht, und wird so von Sueton Caes. 56 beschrieben4); zur Ausfüllung der im zweiten Buch des Bürgerkrieges gebliebenen Lücke, in der

l) In der vielumstrittenen Frage, wie weit sein Werk herabgereicht hat, halte ich für das Wahrscheinlichste, daß er ebenda geschlossen hat, wo Diodor abbricht, mit der Rückkehr des Pompejus und den unmittel- bar anschließenden Ereignissen bis zum Jahre 59.

») Caes. 83, S. 343, 1. Höchst unwahrscheinlich ist, daß bei Sueton 56, 7 der korrupte Text feruntur et f ait vero ab adulescenttüo (Cae- sare) quaedam scripta, ut Laudes Herculis, tragoedia Oedipus, item Dicta CoUectanea (s. 8. 384, 2) , quos omnis libeUos vetuit Augustus publicari in epistula, quam brevem admodum ac simplicem ad Pom- peium Macrum, cui ordinandas bibliothecas delegaverat, mimt, mit Rufferschied und Peter ut ait Q. Tubero zu korrigieren sei.

*) S. 27, 1. 33. 2. Bekanntlich hat auch Atticus eine griechische Schrift über Ciceros Consulat verfaßt fad Att. II 1, 1. Nepos Att. 18, 6.)

*) Cicero» bekannte, auch von Sueton zitierte Äußerung Brut. 262 bezieht sich offenbar nur auf das Bellum Gallicum. Dagegen keunt Asinius Pollio offenbar auch das Bellum civile (vgl. S. 469, 2).

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der mißglückte Feldzug in Ulyrien im Jahre 49 hatte behandelt werden sollen (8. 357, 3), hat offenbar kein Material vorgelegen1). Daß Caesars beide Schriften durchweg von einer ausgeprägten Tendenz beherrscht sind, seiner Politik dienen und sie rechtfertigen sollen, und daher voll sind von Verschleierungen und argen Ent- stellungen, tritt an vielen Stellen klar zutage*).

An Caesars Schriften schließt sich in Charakter und Tendenz Sallusts Catilina an, obwohl er als Schriftsteller eine ganz anders- artige Stellung beansprucht und den Thukydides zum Vorbild nimmt. Aber sachlich ist es eine geistvolle caesarianiscbe Tendenz- schrift, die vor starken Entstellungen keineswegs zurückscheut; darüber hat E. Schwartz eingehend gehandelt8). Wie es scheint, hat er unter anderm die Darstellung des Tanusius Qeminus be- rücksichtigt und korrigiert (S. 18, 2); andrerseits hat sein Werk, ebenso wie die Schriften Caesars, die grundlegende Darstellung, welche die Späteren benutzen, mehrfach beeinflußt4). Dieses Werk ist also jünger als Sallust, was auoh ohnehin anzunehmen war; es wird in die Anfange der augusteischen Zeit zu setzen sein.

Daneben stehn die Biographien Cioeros von Nepos5) und Tiro, die Catos von Munatius (S. 436), die Caesars von Oppius (S. 505, 2.

') Die Annahme von Klotz, daß das Bellum Gallicnm zahlreiche wpatere Interpolationen geographischen Inhalts enthalte, halte ich für ganz unmöglich. Wohl aber sind derartige Einfügungen von Caesar »elbst bei der Herausgabe im Winter 52/1 vorgenommen und an den von Klotz aufgezeigten Fugen erkennbar. Baß Caesar dabei seine all- jährlich eingesandten Berichte an den Senat (S. 616, 2) ebenso wie die Berichte seiner Unterfeldherrn benutzt hat, ist selbstverständlich; aber die jetzt vielfach vertretene Ansicht, er habe die einzelnen Bücher bereits als selbständige Schriften publiziert, kann ich nicht für zutreffend halten.

») Siehe Uber das Bellum Gallicum S. 94. 8. 142, 2. 17S A. 227. 1. 238 , 2. 245. Über das achte Buch von Hirtius S. 252, 1. 2. 266, 8. 272, 1. Über das Bellum civile S. 282, 1. 290, 3. 291, 1. 2. 298, 1. 2. 297, 3. 802, 1. 807, 2. 4. 302, 1. 803, 1. 804. 1. 805. 1. 806, 2. 351. 365, 4. 469, 2.

*) 6. 20, 8; vgl. 18, 2. 19. 25, 1. 29, 4. 32, 1. 34. 1.

*) S. 22 A.; vgl. 21 A. 82, 2 (Asconius benutzt ßalhut direkt S. 18, 2. 19, 8).

s) Gell. XV 28, 1.

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Die Quellen. Caesar. Sallust. Biographien. Sueton 021

519, 4. 522, 5), die des Atticus von Nepoa, weiter die Schriften des Empylos, Bibulus und Volumnius über Brutus1) und schließ- lich die Selbstbiographie des Augustus, die auch seine Jugend - geschiente nebst Caesars Ermordung behandelt hat. Sie ist auch von Nikolaos von Damaskus in dem größtenteils erhaltenen Eingang seiner Biographie des Augustus benutzt1); aber das reiche und gute Material, das hier gegeben wird und zum Teil fast wörtlich ebenso bei Sueton wiederkehrt9), kann wenigstens zum größten Teil nicht auf ihn zu rückgeh n, sondern muß aus einem detaillierten Bericht über Caesars Ermordung stammen.

Daneben findet sich bei ihm eine sehr naive offizöse Apolo- getik, welche Caesar von den ihm gemachten Vorwürfen ent- lasten und die Schuld auf seine Werkzeuge und falschen Freunde, vor allem auf Antonius schieben und zugleich die Mörder mög- lichst belasten will4). Umgekehrt findet sich eine eben so naive und unhistorische Apologie des Antonius in der von Dio 46, 1 ff. aufgenommenen Rede des Fufius Calenus gegen Cicero6), für die im übrigen die Antwort des Antonius auf die Phibppiken in der- selben Weise benutzt ist, wie diese für die Rede Ciceros bei Dio 45, 18 ff.6).

Abseits von den Geschichtswerken steht Sueton, der gemäß der Anlage seiner Biographien im Gegensatz zu Plutarch die Lebensgeschichte nur kurz berührt, dagegen ein um so reicheres Material zur Dlustration der Persönlichkeit, Lebensführung und administrativen Tätigkeit zusammenstellt. Dabei sind die ver- schiedenartigsten Quellen benutzt, im Leben Caesars gelegentlich Fassungen zu seinen Gunsten (S. 56, 2), weitaus überwiegend aber ihm feindliche, zum Teil direkt gehässige und entstellende An- gaben (z. B. S. 56, 4). In der Materialsammlung berührt er sich

«) Plut. Brut. 2. 18. 28. 48. 51; vgl. 8. 585, 1. ») Vgl. dazu E. Schwartz, Die Verteilung der römischen Provinzen nach Caesars Tod, Hermes 38, 1898, S. 205 ff. ») S. 521, 1. 541, 2.

*) S. 380, 1. 464, 5. 517, 5. 518, 3. 527, 2. 528, 2. ») S. 432, 3. 528, 2. «) 8. 365, 4.

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622

Beilage IV

mit dein reichen Material, welches Asconius und auch die scholia Bobbiensia u. a. zur sachlichen Erläuterung der ciceronischen Reden zusammengetragen haben1). Natürlich hat Sueton auch die Geachichtswerke gekannt, und berührt sich daher vielfach eng, zum Teil fast wörtlich (z. B. S. 68, 1. 505, 2) mit Dio, Plu- tarch u. a. Aber es ist nicht zu vergessen, daß die Hauptereignisse dieser Zeit ihm und den andern Gebildeten natürlich völlig ge- läufig waren, und daß es daher verkehrt ist, jede einzelne An- gabe auf eine bestimmte Quelle zurückführen zu wollen. Das gilt auch von dem kurzen, geschickt und mit Umsicht das Wichtigste heraushebenden Abriß des Vellejus Paterculus, der es verstanden hat, auf wenigen Seiten ein lebensvolles Bild der Zeit und der Persönlichkeiten zu entwerfen.

») Ein großes Sammelwerk ahnlichen Inhalts hat unter Vespasian, nach seinem Rücktritt aus dem öffentlichen Leben, Mucianus begonnen, der bekanntlich gleichzeitig auch noch ein anderes großes Kollektaneen- werk zusammengeschrieben hat, aus dem Plinius zahlreiche Curiosa mit- teilt. Jenes Werk erwähnt Tacitus in dem kurz vor Mucians Tod (f 76) spielenden Dialogus 87: nescio an venerint in mantis vestras hoec vetera, quae et in antiquariorum bibliothecis adhuc manent et cum maxime a Muciano contrahuntur ac tarn undecim, ut opinor, Ac- torum libris et tribus Epistularum composiia et edita sunt. Daraus

war xu ersehn, daß Pompejus und Crassus non viribus modo et armis, sed ingenio quoque et oratione oaluisse, und ebenso die Lentuli, Metelli, Luculli, Cjiriones und andere Vornehme. Somit muß hier das Reden- material eingehend behandelt und durch die Akten erläutert worden sein.

s

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Register

Die römischen Persönlichkeiten sind nnter den Namen aufgeführt, nnter denen sie bekannt sind, nicht unter den Gentilnamen. Pur die Schicksale <les Caesar, Cicero tiuJ Pompejus sind die Stellen nicht aufgeführt.

A

Acta diurna 68, ölfi, M. Actorius Naso 19. 3, 22 A. Adiatorix in Heraklea 493. Aegypten 12, 14. 18. 126 ff. 422.

495. 502. Aelius Ligus (Tribun 58) IM. 106,

111 A.

Aemilier, Abstammung von Aemylus 510, L

L. Aemilius Paullus (cos. 50) 29,

8a. 200, ö. 253. 259, 2fiL 220. Aesernia 66j

L. Afranius (cos. 60) 52. 118, 130,

177. 318, Afrika 420 ff.

Albanische Königstracht 509. C. Albinius (Senator) 415 A. Aledius 434. 506.

Alexandria, Brand der Bibliothek 499; Plan der Verlegung der Resi- denz mich Alexandria 52L

C. Alfius Flavus (Tribun 59) 70, 5.

Aüobroger 488.

Amatius 280, 2.

T. Ampius Bulbus 38. 400. 520.

Q. Ancharius (Tribun 59) 10.

Andron von Tjw>dik>-n 493, L

L. Annalius (Senator) 158.

Antipolis 488.

L. Antistius (Tribun 58) 94. Antonier, Abstammung von Hercules

510, L 528, 2. C. Antonius (cos. 63) 23. 28. 44, 3.

73. 80. 340. 308. 374. C. Antonius (Praetor 44) 357, 543, L

L. Antonius (Tribun 44) 4£1 f . 4Sa 3. 497, L

M. Antonius (cos. 44) 166, 213» 266; Tribun 4fii 288. 222, 280 ff. 2SS. 2113. 3üü f. 353. 35JL 305, 4, 367; tiw^. eq. 48—47: 389 ff; Zer- würfnis mit Caesar 328. f. 403. 449. 458; cos. 44j 460 f. 485, 490. 513. 518, 521 f. 539. 541, L 542, 3. 543 f. Antwort auf Ciceros Ph i 1 i pp. 601, L 621.

Apamca 492.

Appian ÖOl ff.; Reden 604, 3.

P. Aquillius Gallus (Tribun 55) 156.

152 f. 12L Arabion, Numiderhäuptling 491 f. Arausio 488 A. Arelate 482 f.

Aristoteles, polit. Theorien 129 f. 184. Arretium 52, 62, 3. Asconiue 18, 2. 22 A. 23 A. Asia, Steuern unter Caesar 501 ;

Beschluß für Caesar 509. P. Asicius 128, L Asido in Spanien 486. Q Asiniue Pollio 292. 303, L 313.

506. 546 A. ; Sein Geschichtswerk

9A 2. 345. 608 f. 613 f. Astigi in Spanien 485. L C. Atejus Capito (Tribun 55) 156.

151 f. 171 f. Atella 414, ä Athen 503, 3.

Atilius Serranus (Gavianus), Tribun

57; 108. M. Atius Baibus 65, 2. T. Pomponius Atticus 383, 433.

624

Register

494; Schrift über Brutus Familie 466. 3j Briefwechsel mit Cicero 522 ff. 619, 3,

Augustus s. Octavianus.

P. Autronius Paetus lfi. 21 A. 32, L

Avenio in Gallien

C. Avianus Philoxenus 249, 4. Axius 60L L 606, L

B

Bae terrae in Gallien 488 A, Cornelias Baibus 60. 148, 3. 254, 1.

275. 298. 2, 40L 402, L 430. 434.

440. 442. 505. 519; Cicero pro Balbo

148, 3; Briefe Caesars an ihn und

Oppius 306, 507 : angebt Schrift

über Caesar 505, IL Baibus minor, Neffe des Vorigen

(cos. 40} 298, 2, 387, 2. 484, L

505f.

L. Minucius Basilus 357 . 537,

L. Bellienus 24, 4,

Bibliotheksplan Caesars 499 f.

Bibulus, cos. 59: 68, 69 ff. 83 f. 93. 570. 572; spätere Zeit 102. 130, 132. 229; in Syrien 238, 3. 243, 2, 268, 262, 3. 315j Edikte 22 A. 8i ; sein Sohn. Schrift über Brutus 535, L

Bovianum 60, 2.

Brithagoras von Heraklea 41)3.

bruti et Cymati 530. L

D. Brutus 34£L 467. 624, 631 f.

L. Brutus, Begründer der Bepublik 447. 63L

M. Brutus, Abstammung 456. 3j Stellung seiner Familie 460 ff. ; Geburtsdatum 451 A.; erstes Auf- treten 06,224, 236, 605; nachPhar- salos, Stellung zu Cioero undCacsar 378,382, 406, 4.434, 442, 450ff. 457. 516; Verschwörung 63L 533 ff. ; nach Caesars Ermordung 414, 3j Stil 453 f.; Schrift gegen Pom- pe jus und Caesar79, 2.211A. 577, 2 ; pro Milone 224, 4. 235; pro Dejo- taro 452, 3j de virtute 378; Cato 434, 442= 46L 453 f. ; griechische Briefe 464 A.

Buthrotum, Caesar. CoL 404.

Byllis, Colonie 495, L

Byrcbistas, Getenkönig 474. 475, 2. '476. 5,

c

Cabellio in Galien 488.

Caecilius Bosaus, Aufstand gegen Caesar 386, 427, 3, 474, L 476, Ö.

A. Caecina 400. 430.

M. Caclius Rufus 128, 2. 270, 1_L Tri- bun 52: 2LL 228. 23L 238j Aedil 51; 253; üebertritt zu Caesar: 270, L 283 f. 288. 2ft4 f. 362. L 353; Versuch der Gegenrevolution 366 f. ; Cicero pro Cadio 23 A. 135, 2,

M. (Caclius Vinioianus 263,

M. Caepio = Brutus 224,4.

Caerelha, Briefe CJseroe an sie 457. 2, C01, L

C. Caesar, Familie 335: Stammbaum 335. 509 fT.; Geburtsdatuni 59, 2j Krankheit 337, lj Persönlichkeit und Beurteilung 321 ff. 330 ff. 465 ff; Anfange seiner Laufbahn 334, 340 f. 8 f. 12 ff.; Rede über die Catilinarier 34 f; dicta collec- tanea und andere Schriften 384, 2_; de analogia 202; ArUicatonea 435 ff. vgl. 173; bellum Gallicum 246. 616. 2. 620j bellum civüe 469, 2. 619; über Iulus öl_L Li Bricf- wcchael 507, L 589. 2. 616. 3.

L. Caesar, cos. 6±i 15, 2H6, 347, 2* 549; praef. urbi 47; 374.

L. Caesar, Sohn des Vorigen 2U6. 302, 347, 2, 583.

Caesarion 622 f. 626 f.

L. Caesetius Flavus (Tribun 44) 627, 630 f.

Calatia 416.

BL Calidius 283,

calle*, provincia 58, 3.

Q. Calpenus 386, L

L. Calpurnius Bestia 39,

C. Licinius Calvus 128, L 132, L 133,

im 20 Ij Briefwechsel mit Cicero 69(5.

Campanien 14, 62 f. 63 ff. 416, 488, 4. L. Caninius Gallus (Tribun 56) 131. 161.

C. C;minius Rebilus (cos. 45] 307,

460. Cape na 415.

Capua 14, 03 ff. LLL 413, L Casilinum 415.

Register

C. und P. Casca 528, 2. 53L C. (?) Cassius (Tribun 66) 114 A C. Cassius Lunginus (Praetor 44)

21L3IL43LfiQ2,3.512.528,2.

535 f. ; nach Caesars Ermordung

414, 3.

L. Cassius (Tribun 44), Bruder des Vorigen 464. ein anderer 636, L

Q. Cassius Longinua (Tribun 49) J68. 279 ff. 2ML 361). 376.

Sp. Cassius, Hochverrat sprozeß 558 f.

Castulo in Spanien 488.

Catihna 15, 16 ff. 454, L

C. Cato 79j Tribun öJk 114 A 129. ff. 150 f. 128.

M. Cato (Uticen-ns), Persönlichkeit 218 ff. 295 f- 670 ff. 526. ff.; Ge- burtsdatum 676, 2 ; gegen die Cati- linarier ZSk 454, Tribun 62i 37 3.; die folgenden Jahre: 45. 47. SQ ff öS, 69 ff. 92. 101 ; nach Cvpern 89 f. 97, 152. 436, 2; Rückkehr 152 fT. 155 ff. 172 fT7 Praetor 64: 7JL ß, 16L 193, 195 ff.; gegen Pompejus 2Ü9 f. ; Bündnis mit Pompejus 221 f. 229 f. ; in den milon. Händeln 224, 232. 226 f.; Bewerbung ums Consulat 245; gegen Caesar 25JL 262, 3, 281 f. 295; auf Sicilien 3U3, 1 ; im Bürger- krieg 310, 315, 317, 3601 Ab- tretung seiner Frau an Hortensius 219. 437; Schriften über Cato 431 ff., vgl. 173,

Cat ull 198f. 202. 250A. 337, L 2. 505,1.

Q. Catulus (cos. 78) Censor 65; 12 f . ÜL 32. 10.

Censoren 10, 12 f. 50, 96, 15«, 1 , 239. 270.

Chullu in Numidien 491.

M. Cicero, Persönlichkeit 119 ff. 330, L 393, 3j de coiundatu ZL 62, L 163; de consiliis 33, 124; Bericht an Pompejus 37j Gedicht über Caesars britannischen Feldzug202. 616, 3; facetiae 384,vgLMacrobiuB; de lege agraria 14j pro Rabirio perduell. 15, 36, 5üQff.; in Coli- linam 2S ff. 34 f.; pro Murena 24, L 219j pro Sulla 17^ L 21 A 3_L 2j gegen Metellus Ncpos 39, 4j in Clodium et Curionem 47, 3j pro Flacco%&, post red. 122, vgl. 105,3; de domo Iii A. 121L 126. 1 ; de har. Meyer, Caesars Monarchie

re*p. 132 ff.; pro Sestio 133, 135; »» Vatinium 136; pro Gaelio 23 A. 135, 2j de prov. com. 146 f. 167, 4j pro ßalbv 148. 3_i»'n Pisonem 163 f. 103, 3; pro Plancio 24. 7, 199. 5; 200, 3j pro Scauro 194 f.; pro Vatinio 198 f.; pro Qabinio 206: pro Rabirio Postumo 207, 1; de aere aiieno Milonis 213; pro Milane 235. L 236; pro Marcello 406 ff. ; pro Ligario 403. 412; de repu- blica 112 ff. 24L 296, 2j de legibus 187. 410, l_i Brutus 383. 572; Oralor m 434, 453, 1; Cato 38JL 133 ff. ; laudatio auf Porcia 464, Ii de offieiis 190, L 387, 3. 399^ 2j dedivin. 529, L Briefe: BeuJIL an Brutus 162, 5, 442. 5, 517, 4_j 597 f. ; ad Axium 005, 1 ; ad Caerel- liam 467. 2, 601. Lj °d Caesaretn t uniorem 545, 3, 589, 2j adNzpotem 393, 3, 498, L 60L. L M. Cioero, Sohn des Vorigen 433. 518,

Q. Cicero (Praetor 62) 109, 113, 7,

118, 12L 139 A. HL 119, 347, 2.

377; de pet. cons. H, L Q. Cicero, Sohn des Vorigen 3-17. 2.

377, 433, 446, 5, L.Tülius Cimbt r 400, 3, 53JL L. Cornelius Cinna (Praetor 44 ) 527.2. C. Helvius Cinna (Tribun 44} 525,

527.

Cirta in Numidien 491. Claudia, erste Gemahlin des Brutus 152,

Appius Claudius, Praetor 52j 108. 111 A. 112. 115, 116, 137. I43j cos. 54i 16L 162,5. 19L 195 f. im 258, 599, 60öj Censor 60j 122 A. 239, 266, 3. 270, 572, L

Appius Claudius, zwei Neffen des Vorigen 224. 268,

P. Claudius Pulcher, Prozeß im Jahre 249 : 559.

dementia Caesaris, Tempel 614.

Clodia Boüiictf, Gemahlin des Me- tellus Celer 48»

P. Clodius Puloher, Anklage Cati- linas 16, 22; Sakrileg 42 £; Adro- gation 73j Tribun 53_; 80, 82 ff. 93, 95 ff.; politische Ziele 103: Konflikte mit Pompejus 103 fT. 113 ff. 13J ff.; Versöhnung 137.

IQ

620

Register

142; gegen Cicero 31, 2. 138 ff.;

späteres Auftreten 150 ff. 201, 1 ;

Tod 212 ff. S. Clodius 133. 215. 231. 366. C. Clovius, praef. urbi 45: 430, 2. Clupea in Afrika 491. Cluviua, Aekerkommisaar 414. 5i Gomitien, nicht besucht 182. 212, L

461, 2j Centuriatoomitien 555.

562.

Novum Comum, Gründung durch

Caesar 92^ 4. 240. Conoordia nova, Fest 615. M. Coiisidius Konianus 291, L Q. Considius Gallus 84. Corduba in Spanien 484. 337, L Cornelia, Gemahlin des Poin pejus

231.

Q. Cornificius 23A 47T, 4, Coeconius, Ackerkommiasar (Prae- tor 63) 66, 3, L. Cottälcofi. 65) 8.. 16; Censor 13, ^

291, lj Quindecemvir 522, Cotta, Tribun 48 (!): 351, 2, L. Aurunouleius Cotta, Schrift über

röm. Verf. 617, L Craasipcs, Ciccros Schwiegersohn

im

M. Crassus 8 f.; Censor fifi; 12 f.; Umtriebe, Verbindung mit Cati- lina 13 fL 23 ff. 21. 32, 1; Gegen- satz gegen Pom pejus 37 f. f. öl ff.; Verbindung mit ihm und Caesar 56. 5iL 18, 1011 124. 130 ff. 137. 142 f. ; cos. 55: 153 ff. 158 ff. ; Versöhnung mit Cicero 162f. 168f. ; Partherkrieg 165, 170 ff. 174 f. 21L

P. Crassus, Sohn des Vorigen

154.

Cura marum 420.

C. Curio (coa. 76) 12, 2. 4L 80. 85.

99, 132; Ikdeji 19. 3. 22 A. 78, 3;

Dialog 81^ L C. Curio, Sohn des Vorigen 47. 81.

83. 85 f. 209, 3j Tribun 50: 253,

259 ff. 276: im Burgerkrieg 279.

28L 284. 28JL 302, L 350. f. ; Reden

78, 3. Q. Curius 32.

C. Curtius aus Volaterrae 414, L 464, L

M. Curtius Postunius 463, L Curubis in Afrika 491.

D

Dakerkrieg Caesars 474 f. 476. 5. Decidiua Saxa, Celtiberer 464. L Dejotarus 424, L 452, 4. Demetrius, Freigelassener Caesars

507, 3.

Didiu», Verfasser der Schrift gegen

Sallimt. 164, L Dikaearch 442. Pinn von Alexandria 128. Bio Cassius 610 f.; Beden 62L Dionys von Halikarnaß 557, L

559 A.

Cn. Dolabella, von Caesar angeklagt 340.

P. Dolabella, Geburtsdatum 444, 2j Anschluß an Caesar 305, 2. 347. 357. 3j Tribun 47: 373 ff. 379; von Caesar begünstigt 383. 400, 3. 443; Consul 44j 46L 520. 54L L

I,. Dom it jus Ahenobarbus 86j Prae- tor 58: 93; Bewerbung ums Con- eulat 55: 136. 153 f.; cos. 54j lfiL 176. 191. 195 f.; Quaesitor im Prooeß Mi los 232; Persönlichkeit 190. 247 . 2. 570. 512. 514 IT.; im Burgerkrieg 26A 3. 28L 220. 314.

Cn. Domitius, Sohn des Vorigen 536, &

Cn. Domitius Calvinus, Tribun 59: 70j cos. 53: 12L 125 f . 208, 211; unter Caesar 371, L 523, 4.

Dbühahn, Vorrede g. VI. 35. 48, 2. fiäi L 74i 3. 323. 368, 2. 414^ L 459 A. 494, 2. 533. 536, 5,

£

Ebora in Lusitanien 486. Emporiae in Spanien 486, Empylos, Schrift über Brutus 535. L

F

Faberius, Caesars Sekretär 506. Q. Fabius Maximus (coa. 44) 459. q. FabriciuB (Tribun 57) 108, M. Fadius Gallus, Schrift über Cato 435. 444.

C. Fannius (Tribun 59) 70. 573 A. Fausta, Gemahlin Müob 216,2. 224.

9d by Google

Register

(>27

M. Favonius 72. 117. 128. 132. Un. | 157. 571: Aedil 53i 220i in den milonischen Händeln 224. 253; im Bürgerkrieg (Praetor 49) 29JL 309. 31L 317j lui Caesars Er- mordung 538.

Felicitas, Tempel 491.

Fenestella, Annalen, 22, 2, 129, 2. 610, L

Ferrero 229 ff.

L. Flaccus (Praetor 63] SIL

L. Flavius, Tribun fr): 52. 51; Praetor 58i 193, 105, L

Forum Iulii in Gallien 481,

Fuciner See 497.

Q. Fufius Calenus, Tribun Qii 45.

41 ; Praetor 59: TL 81. 23 A. ; bei den

milonischen Händeln 231; im

Bürgerkrieg gegen Megara 503 ;

cm. 47: 381: Rede hei Dio: 432, 3.

528, L ('»Ol. L 615, 3. 62L Fulvia, Gemahlin des Clodius, Curio,

Antonius 214, 289. 449* L Fulvius Setinus oder Furius Lep-

tinus 386, L

G

A. Gabini ub, cos. 5& 19. OL 92. 99. 103 ff.; in Syrien 145, 2. 185 ff.; Processe 202 ff. 365j Gesetze 1 30. 356.

Gadcs 5L 483, CÜ3.

Scrvius Galba (Praetor 54] 192. 282.

536. 532. M. Gallius 328.

L. Gellius Poblicola (Censor 70] la Col. Genetiva in Spanien 485. 66. A. Geten s. Daker.

Getreideversorgung Roms 416 f. Gracchen 186.

Tib. Gracchus, fingierte Redo unter seinem Namen gegen Caesar 531 f. Granius Flaccus de indigüamentie

Hadrumetum in Afrika 502» Hannihal, angebliche Unterredung mit Scipio 608.

Hasta in Spanien 486.

Heeren 322 £.

Helvius Cinna s. Cinna.

Helvius Mancia 156, L 577, 2.

Heraklea am Pontos 492.

C. Lucilius Hirrus (Tribun 53] 1 92.

20fi f. 253 f. A. Hirtius 275_i Praetor 46: 382. 383.

4M 430. 3. 446, fL 47_L 505_;

Schrift über Cato 435; Bell. GhU.

VIII: 620, 3. Hispalis in Spanien 484. Horatius, Perduellionsproceß 556 f. Q. Hortcnsius, cos. 6ih 18. 99. L3IL

133. 160. 195; in den milonischen

Handeln 224, 23L 253. 562j Ehe

mit Catos Frau 219. 437. Q. Hortenaius, Sohn des Vorigen

292, 357. 2. P. Plautius Hypsjteus, Tribun 56:

130; Kandidat für das Consulat

52i 2LL 213. 2m 223. 232.

I

Bion SIL 521 Illiturgi in Spanien 486. Rlyricn unter Caesar 472. Juba, Geschichtswerk 610. Juden, unter Caesar 381. 2. 418, 2. 4M

Julia, Caesars Tochter, Pompejus' Gemahlin 78. 108. 155, llfi, 388.

Julus, Ahne Caesars 5Q9_. ßiü f. 525.

Junia Tertia, Cassius' Gemahlin 450, 2.

K

Karthago 490. 495, 4, Karthaia auf Kos, Dekret für Caesar 519 A.

Katana auf Sioilien 489. Kentoripa auf Sicilien 489. Kios 492, 4. Kleopatri 521 f. 525 f. Knidos 507. Korintb 493 f.

Kratippos Peripatetiker 483. 3. Kymaeer = Dummköpfe 530, L

628

Register

L

Antistius Labeo 538. 3. 4.

T. Labienus, Tribun ftk 15. 38,

649 ff.; im Bürgerkrieg 251, 289.

302. 308, 313, 311 340. D. Laberius, Mimen 387. 525, 2, Laectaner in Spanien 467. 2. D. Laelius 323. T. Lamia 99, Laodikca ±93, L

M. Juventius Laterensis 75 f. Sil 122. fi.

Latinisches Recht unter Caesar 489. Legionen CaesarB 143. 145. 266.

470 IL 48L 3j legio V Alaudae 252.

476. 480; des Pom pejus und

Crassu* 170, L 242. 311 f. Cn. Lentulus Clodianus (cos. 72,

Censor 70) 10. L. Lentulus Crua (cos. 49) 2QL 274,

281 ff. 298, 2. 306, 2. 313. 317. 5fiIL

572. L

Cn. Lentulus Marccüinus (oos. 56) 110 A. 124. 131 ff. 130. 150 f.

L. Lentulus Niger, Flamen Martialis 85, 204,

P. Lentulus Spinther (cos. 57) lüß, 108. 112, 116, 2, 128 ff. 317. 572, L

P. Lentulus Sura (coe. 7L Praetor 63) 30.

M'. Lepidus (cos. 66) 350, L

iL Lepidus, Interrcx 52j 216; Prae- tor üb 35L 355; cos. 4& 381^ mag. eq. 38A 428. f. 44JL 471, 3, 476. 4. 498, L 522. 539, 3,

Leptis in Afrika 503.

lex curiata 22L 313*

lex Iulia municijxilw 425 f.

L Scribonius Libo (Tribun 56) 130. 150, L 222, 302, 314 A.

C. Licinius Macer (Tribun 73), der Historiker 8. L 42. 2. 55JL

C. Licinius Calvus, sein Sohn, siehe Calvus.

Q. Ligarius 412, 424, L 536, 5.

Aclius Ligu» a. Aelius.

Livius SlSTüüiL ßllff.; über Cicero 1)8. 2j über Pompe jus und Caesar 314. 3. 469, L 514, 2. 548, Rede des Tiberius Gracchus gegen Scipio 531 f.

L Lucullus 2. 6L 20. 25. 80, 130, Lucana Pharsalia 612,

L, Luccejuß 24. 58. 128. 162. 432, 2. 618,

L Luscius 24, 4. Lusitanicn 486.

Macrobius, Witae Cioeros 381, 2. 384. 2. 387, 2j Laberius' Prolog 387, L

Num. Magius, praef. fabrum des

Pompe jus 305 f. P. MalliuB aus Pompeji 464. L Mamilius, lex M am Uta Q6A. Mamurra 504, 519. C. Manlius, Aufstand Ü3i 22. M. Manlius, Perduellionsproceß 558. C Marcellus (cos. 50) 228. 253. 252.

261 ff. 271 ff. 310. 350, L 405. C. Marcellus, Vetter des Vorigen

(cos. 49) 267. 274. 281. 283, 22L

310.

M. Marcellus, Bruder des Vorigen

27j cos. 51: 245 ff- 224, 282 f. 310;

Exil, Rückbei'ufung und Tod:

383, 404 ff. 455, L Marcia, Catos Frau 212, 437. Q. Marciua Rex (cos. 68) 12, Mars, Tempel CaeBars 498. C. Epidius Marullus (Tribun 44} 527.

530.

Massilia 487 f. 500, 2,

C. Matius 340. L 500. 520, 3. 522, 5.

Megara 503.

C. Memmius (Praetor 68) 143. 124 ff,

208, 4. 237, M. Valerius Messalla, cos. fili 47.

65, 65, 3. U6_i Censor ßfil 156, L M. Valerius Messalla (cos. 53) 12L

195. 208. 210. 253, 320. " C. Messius (Tribun 57) liö. L Metellus (Tribun^) 352. 322. Q. Metellus Celer, Praetor 03, 15»

39, 5, 48, 543, 554, 2j cos. 8Ü,

52 ff, 22. 74, 3, Q. Metellus Creticus (cos. 69} 4L

5L

Q. Metellus Nepos, Tribun 62:37 ff.;

Praetor 60: 51; cos. 57: 108. U0A.

112 f. U5 f. 143. 157. Q. Metellus Pius Scipio 27j cos. 52:

212, 210. 217, 4, 223 f. 232. 232.

254; im Bürgerkrieg 283 f. 220.

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Register

629

308. 314; Schrift gegen Cato 212, 436, 2.

Mileu in Numidien 4ÖL

Milo (Tribun 67) 108» Iii f. 131 f. 140; Kandidat für das Consulat 52: 209. 212 f. 214 ff.; Proxcsse 234 ff.; Ausgang 366. 369.

Q. Minucius Therreius (Tribun 62) 40.

Mommbhn, Vorr. S. VII. 4^30. 3JLL 3üf. 5612.6Ö12.6ö12.13üA. 141 f. 218. f. 227, L 324 IL 420, 2. ^2. 4^3.50^ 533,556, 2. 558. 521 A. 603, L 605.

Mucia, Pompejus' Gemahlin 45, 52. 78. 115.

Mucianus, antiquariacbea Sammel- werk. 622, L

Mucius Orestinus (Tribun 64) 23. Munatius, Freund Catos, 40j Schrift

über Cato 435, 3. 436. 608. Munatius Planous s, Plauens. Murena (cos. 62) 39, L ML

N

Narbo, Narbonenais 487 ff. Nemauaus ÜüL

Nepos 608, 2, 609, 2. 620; Brief- Wechsel mit Cicero 393. 3. 49». L 601. L

Ti. Nero, Vater des Kaisera 4 88.

Nibbuhb 321 f.

Nigidius Figulus 400, 3.

Nikolaos vonDamaskos 610, 1; Bio- graphie des Augustus 374,1. 458, 5. 3S0, L 464, fl. 517, 4. 518, 527. 2. 528, 2. 621j Berührungen mit Sueton 5217 L 541, 2,

I* Ninniua Quadratus (Tribun 58) 07. 99. 104.

H. Nisskk 465.

Norba in Lusitanien 480.

I* Novius Niger, Quaestor fi2i 32j Tribun 58; 105. 4. Numcriua (Tribun 57) 109.

0

Octavia, Caesars Großnichte 228.

405.

C. üftavius, Octavian 458. 464.

523 f.; aus späterer Zeit 471, 4, 487, 1 543 ft Ö2L ~ Principat des .Augustus 17JL 18J, 4ÜL 420, 2. 4JKL IM. 4SI f . 510. 512, 5UL 52L 548; Schrift gegen Brutus' Cato 435, L

Octavius, gegen Pompejus und Caesar 79, 2.

A. Ofilius, Jurist 499.

Olisipo in Lusitanien 480.

C. Oppius 201 A. 349. 353, 5, 4ÜL 430. 433. iALL 142. 505_i Biographie Caesars 505, 2. 5^19, 4. 522, öj Briefe Caesars an ihn und Baibus 507. 306.

Orca, Ackerkommissar 414, 4* jg.

Osset in Spanien 484.

P

Pauaetios 178, L Panormos auf Sicilien 489. C. Vibius Pausa 378 A. 400, 3. 458. 471.

Pari her krieg des Crassua ff.

174 f. 21L 252j Caesars 413 f. L. Aemilius Paullus (cos. 50) siehe

Aomilius. M. Papirius 103. C. Papius (Tribun 64) 13. Q. Pedius 458, 524. L Pergamon, Dekret für Caesar 510 A. Petronia amnis auf dem Ma rufe kl

541.

Pbaros, angebliche Kolonie Caesars 495, 2.

L. Marcius Philippus (cos. 56) 147. 150. 152. 29_L L 5UL 513=

L. Philippus, Sohn des Vorigen (Tri- bun 49) 2ÖL

L. Pinarius 624, L

C, Piso (cos. 67) 12t L 32»

C. Piso Frugi, Ciceros Schwieger- sohn 86. 98, L 167.

Cn. Piso, Quaestor pro praetore in Spanien Uff. 2k

L. Piso, Caesars Schwiegervater 78: cos. 58: 91. 95. 97 ff. 103. 107. 1Ü3 ff. 166j Censor 5Üi 239- 2ßl f. 271 f.; im Bürgerkrieg 2ÜL 301. 35L ML 404.

M. Pupius Piso s. Pupius.

Cn. Planciua 199, öx 200, 3. 432»

i

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630

Register

C. Munatius Plancus = I*. Plotius

PlancuB 494» 2. L. Plancus, Brader des Vorigen,

praef. urbi 45j 430, 2. 494, 2, T. Plancus Bursa, Bruder des Vori- gen (Tribun 52) 214, '210. 224.

23! f. 235, 23JL 38L 3. Plato 11Ü, 184, 1HL 190. A. Plautius (Tribun 56) 13L Plautius, Tribun 20 (?): 34L L. Plotius Plancus (= C. Munatius

Plancus) 494^ 2. Plutarch 607 fL Polybios im Pomerium 498. Pompeji 464, L Pomptinische Sümpfe 41)7. C. Pomptinus, Praetor 63_: 92;

Triumph 197 f. Pompeja, Caesars Gemahlin 48, Cn. Pompe jus Strabo (cos. 89} 249. Cn. Pompejus Magnus, dessen Sohn

1—318.

Cn. Pompejus, dessen Sohn 369. 43L

Pompejus, dessen Bruder 467. 2. Q. Pompejus Rufus (Tribun 52)

209 f. 216 ff. 220, L 223, 238* Pontius Aquila (Tribun 45] 450, 2,

458, 536, 5. Porcia, Gemahlin des Bibulus und

Brutus 452. 535. L Porcia, Ca tos Schwester, Gemahlin

des Domitius Ahenobarbus 454, L Posidonios 2?» 4. 178, L 456» 3.

618 f.

L. und T. Postumius 571. 572 f. Procilius 20L L Praeneste 66» Prusias (Kios) 492, Ptoleraaeos Auletes 14^ 1. 76. 127 ff.

im 207, L Publilia, Cioeros Gemahlin 432, 3, Publilius Syrus, Mimen 387. M. Pupius Piso (cos. 61) iL 45, 4L

Q

Quaestur, keine Altersgrenze dafür

451 A. 576. 3. Numerius Quintius (Tribun 56)

116.

Quirinus 44_L ALL

C. Rabirius 15. 549 ff.

C. Rabirius Postumus 207, L

L. Racilius (Tribun 56) 114 A. 133.

Regium in Gallia cisnlpina 414. fi.

Rhodos. Verfassung 24L 2, 3JML -

L. Roscius (Praetor 49) 284, 21ML

302. 354. Romulus und Caesar 447. 449. 542. lex Rubria 354» 3> Rufinus, Sohn eines Freigelassenen

Caesars 50L Rullus, Tribun 63. Ackergesetet 13 f. Ruscino in Gallien 488, Rusicade in Numidien 491. M Rutilius, Ackerkommissar 415 A P. Rutilius Lupus, Tribun Sh 12JL

130. 136; Praetor 40; 350^ L

S

Sallust, Tribun 52: 2111 224, 231. 238; im Bürgerkrieg 357. 3; Prae- tor 4L 38L 3Wi in Numidien 3S1L 393, 3, 492, 58_7_i Invektive gegen Cicero 163.fi,; Antwort darauf (von Didius) 164. L 216. 2.381. L 587, Li °d Caesarem sentm 351 ff; 389 ff. 409 f. Beil. II; Catilina 20, 2, 25» L 34» L ^. über Cato und Caesar 571 ; über seine Laufbahn 580 f. 588. L Rede des Lioinius Macer 42» 2.

Cn. Sallustius, Ciceros Berater 205.

Salustius, Proquaestor in Syrien 164. L 265, 2m

Scallabis in Lusitanien 486.

Saufejus 237»

Q. Scaevola (Tribun 54) 19L M. Soaurus (Praetor 56) liLL 2Ü8. 23L

C. Scipio in Comum 249.

Scipio Africanus maior 185; Ge- spräch mit Hannibal 668; angeb- liche Rede gegen Tib. Gracchus 531 f.

Scipio Africanus minor bei Cicero

de rep. 184. Metellus Scipio s. Metellus. O. E. Schmidt 454» 2, 465, 540» 2*

595, 605 f. Ed. Sohwabtz 20» 2. 533, 544,

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Register

631

Serranus (Tribun 57] 114 A. 111L Servilia, Brutus' Mutter 8iL 450, 2. 462. 2.

Servilia, Catos Stiefschwester 437.

Q. Servil i us Caepio 7JL

P. Servilius Isauricus (cos. 79) 15,

130. 146; Censor 55j 156, L P. Servilius Isauricus, Sohn des

Vorigen 132i Praetor 54: 1SL

cos. i&i 3ül m am 32L l 4m

P. Sestius (Tribun 57) IM, 109. 122.

135, 2. 304, 2. 430, 2. Shakespeare, Auffassung Caesars

466. 528, L Rede des Brutus

4M A.

SibyUenorakel 12k 202, 204, 2. 529, Sicüien 489 f. SOI. Sinopo 492.

P. Sittius 12. 20. 491 f. C. Sosius (Praetor 49) 350, L Spurinna, Haruspex 526. 2. .statilius 538. 4. Sueton 621 f. Sufrna.« (Tribun 56) 198. Sulci auf Sardinien 503. Faustus Sulla 78. 225. 228. 525. P. Sulla liL17JL21A.114A. 37JL 399. 2.

Servius Sulpicius Rufus, Interrex 52i 229i cos. Sil 245 f. 257 f.; im Bürgerkrieg 35£L 28L 406, 410.

Syrakus 489.

T

Tacitus über Pompe jus' drittes Con- sulat 240. f.; über Oppius und Baibus 430, iL

Tanusius Geminus 18, 2. 22 A. 172, 2.

L. Tarquinius, Denunziant iL

Tarraco 480.

Terentia, Ciceros Gemahlin 48. 164. L

Terentius (Tribun 54) 196, 4, Q. Terentius Culleo (Tribun 58) 105. Thapsus in Afrika 503. Theophanes v. Mytilene 12L 618. Tbeophrast 80, ß, 440. Theopomp, der Historiker 80. 438 f. 617.

Thfopompos v. Knidos 507. lex Thann 67, 3, Thrasca über Cato 608_-

L. Tüliufl Cimber 400. 3. 536.

Timagenes 121. 610, L

Tiro 689. 5m 596 f . 60L lj Leben

Ciceros 608. Tolosa in Gallien 488. A. Torquatus 222. 431* 2. L. Torquatus (cos. 65) ÜL 18. 22.

24, 4.

L. Torquatus, Sohn des Vorigen 21 A. 21, 2.

Transpadaner 12. 248 f. 245 f. 354.

C. Trebatius 208 A. 306, 2. 499. 519.

L. Trebellius (Tribun 47) 374.

Trebianua 400, 2. 402, 2.

C Trebonius, Tribun 55i 157. 158, 1 ; Praetor 48i 36& 448j cos. 45: 450; Verschwörung gegen Caesar 448, 521 f. ; Sammlung von Cice- ros facetiae 384. 2.

Cn. Tremullius Scrofa 65, 2.

P. Triarius 195.

Tubero. Annalen 342, L 619, 2j

Anklage des Ligarius 403, L Tutculum 415.

U

Ucubi in Spanien 486.

Ulia in Spanien 485.

Urgia in Spanien 486, 5.

Urso (Col. Genetiva) in Spanien 485.

Utica TA 49Ü 502.

V

L, Valerius (Praetor 46) 381, 2.

L. Valerius Klaccus, Praetor 6JL- 560. Ii Proceß 8JL

Valerius Maximus 83, L 609, 2.

Valerius Messalla s. Messalla.

M. Varro, Ackerkommissar 65j Le- gat des Pompe jus 177: Biblio- theksplan 499; Tptxipavo; 80_; über Sallust 216. 2. 587, 2; libri rerum divinarum 512,

P. Vatinius, Tribun ßfii U A. 12. 76,5.11.84.86. 92.94, 2. 135; Praetor 55: 155j Proceß 198 ff.; unter Caesar 308; cos. Iii 28L 414.

Veji 66, 2. 415. Vellejus Paterculus 622»

632 ' :

liebster

Vcnafrum in Samnium 66, 2. Venus Viotrix und Genetrix 510. 522. Vercingetorix* Aufstand 226 f. 233 f.

243. Ml. m 446. L. Vettius 32 f. 84 ff. C. Vibicnus im

L. Vibullius Rufus 144. 306, 3. 309. Victoria Caesaris, Spiele 389. L 418. Vicnna in Gallien 488. Vocontier 48Ü.

Volaterrae 53. 62, 3. 414, 5. 464, L L. Volcacius TuIIuü (cos. 66) HL 130. 295 f. 350.

Arekomische Völker 488. L. Voltacilius Pitholau«, carmirui und Gescbichtswerk 40_L L 460, L Volturnum in Campanien 415, 6. Volumnius, Schrift über Brutus 62L

Z

Zama in Nu midien 502.

Zinsen und Zinsgesetze 196. 3561.

307. 368. 378 f. 321 f. Vgl. 24. 26.

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5-5

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Friedrich Lenz

Professor an der Universität Gießen

2. durchgesehene Auflage (3. u. 4. Tausend) Wer polirisch führt, wer in politischen Ausbildungskursen Auf- klärung verbreiten will Uber Karl Marx und seine Lehre, vor allem seine Staats- und Gesellschaftslehre, findet in dem Lenz- schen Buche eine Fülle von Stoff, dessen geistige Beherrschung ihn befähigt, die Probleme, die im Marxismus verschlossen sind, zu erkennen und sieghaft zu Uberwinden.

Dr. A Bovenschen in der »Halleschen Allgemeinen Zeitung"

Die Aera Bülow

Eine historisch-politische Studie von

Johannes Haller

Der bekannte Tübinger Historiker zieht in diesem für die neueste Geschichte höchst bedeutenden Buche den Schleier von bisher ängstlich verhüllten Vorgängen und Zustanden.

Druck der Union Deutsche Verlagsgescllschaft In Stuttgart

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