Zeitschrift für deutsche sJelg-TelsT-

Kibrarn of Prinreton Mnibersitn.

Germanir eminmar.

Presenter by | Che Glass of I841.

Zeilſchrift dentſche Sprache.

Herausgegeben

bon

Profeffor Dr. Baniel Sanders.

Zehnter Jahrgang.

—— In”

Baberborn. Drud und Berlag von Ferdinand Schöningb. 1897. Zweigniederlafjungen in Münfter i. ®., Osnabrüd u. Mainz.

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Inhaltsverzeichnis.

Einige ſprachliche Bemertun u den arrergefchichten“ in dem 4. Bande der von Friedr. Bülau beramdgegebenen Sammlung: Geheime Geſchichten und

rätbielbafte Menſchen“

Bejahen und verneinen . 2: EEE IERETREH Kurze ſprachliche Bemerkungen zu Der am 27. anuar 1896 altenen vortreff:

lichen Feſtrede von Hans Pruß: ur Bann des peenbiisen Beet durch den Großen Kurfü ; . .

Auf der Landftrake .

Zu der ſprichwörtlichen Revendart: „Hunde nah Baugen tragen” . . . . . 26

Ein Harzer Brief aus Weſtfalen an den Herausgeber neb en Antwort. . . 8 RN. Bereinzelte beim Leſen niedergefchriebene Bemerkungen 30. 71. 111. 162. 198. 232. 278. 319, 8658. 392, 485, 480

Brieflaften. nn. 87. 118. 158. 240. 279. 320. 867. 399

Gine Neve Gtevband . EDITED DELETED

Die neuefte und eine über viertehafb Jahrhundert alte Homerüberiekung . . -48 Unausrottbare Unrictigfeiten der Sprache EIER

Relativpronomina Sih ſtark machen

Anzeige der eingefandten Bücher 73. 157. 197. 240. 279. 320. 367. 398. 440 Zum Ber ändnis des Wörtchens „außer“ ;

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Einige Meine ſprachliche Ausfiellungen an den Neben zum Sa der Berliner Gewerbeausfiellung am 15. Oktober 1896 . . . . 431l6

Imperfelts von

Der gebörnte Siegfrieeee Die Entwidlung des Ausftellungsweiens .

Zu dem in der National-dtg. 49, 190 enthaltenen Bericht über Die 63. Eikung

des deutſchen Reichstages 18. März 1896) Einzelne nn au einer int u = „Aluftr. Zeitung“ Mr. 2763 Wie gebt’3? . a R ee 6 5 361 Einige Bemertungen zum 9. | or . der Zeitfchriit Bon der modernen url . 2 2 on DET 378 Ftug oder fragte? .

Nadfabren, Hadfabrer, Hadjahıt, Nabreiter, Neitrop BET TEE TIERE Berfabren n. und pl. . a

Kleinere Schriften Goethe's zur Kunfı = > ie a ee OR Bi. 2 a ee et a ae an ae OR Bis in Die Ze EHFTE

Spracdliche Bemerkungen zum 22. Hefte des 8. der —E

ur quten Stunde” von Rich. Bor

Altere Mittgeilan en er meinem nn. 44 laudereien aus der Werkſtatt eines ...1444

Bemerkte Drudfehler.

©. 144 3. 24 fl. Waſen lies Wochen (bereitd berihtigt S. 200 3. 1).

S. 198 Abſatz zwei ift durch ein Berfeben der Titel des von Walter Ripp- mann . . . herausgegebenen Buches Twenty Stories from Grimm weggeblieben und vor Cambridge einzufdalten vgl. S. 255: „Haus» und Kindermärhen der Gebrüder Grimm, im Anfang).

©. 202 3.2 v. u. ift [wie fhon auf S. 280 berichtigt ift] ftatt „42 Monate Feſtungshaft“ zu feßen „44 Monate Unterfuhungsbaft“.

©. 206 ift in Nr. 14 zu feßen: f. u. Nr. 22, 26, 35.

©. 812 iſt in Nr. 59 3. 2 zu ſetzen Nr. 148 (fi. Mr. 147).

S. 331 in Nr. 148 3. 4 Nr. 59 (ftatt Nr. 158).

Rheinische Eigenthümlichkeiten bei Heinrich Heine. Bon Guſtav Karpeles.

Ein feltfjamer Zufall bringt mir gerade in dem Augenblid, wo id in den Zeitungen die Nachricht leſe, dafs die Mainzer Bürgerfhaft ein Dentmal für Heinrih Heine abgelehnt, aus Waren in Meflenburg ein Schulprogramm, weldes eine mundartlihe Plauderei „Rheiniſche Eigen- tbümlichteiten in Heine's Schriften“ enthält. Ich will mid über dieſen Zufall, der bier wieder einmal als Geſchichts-Philoſoph gewaltet, nicht weiter auslaffen, fondern nur in flüchtigen Umriffen die Züge hervorheben, weldhe ein von den Ufern des Rheins in das Yand der Obotriten ver- ihlagener Spradforfder Dr. ©. Zillgenz als rheiniſche Eigen- thümlichfeiten in Heine's Projaihriften und Dichtungen erkannt hat.

Im Grunde genommen war Heine fein Freund der niederrheiniihen Mundart. „Köln ift das Toskana einer Haffish ſchlechten Ausſprache des Deutſchen“, fagt Heine einmal in jeinen „Memoiren“. Allein man darf darum nicht glauben, dafs der Dialekt des Niederrheins etwa feinen Ein- flufs auf den Dichter geübt hätte Natur und Gewohnheit find eben io oft ftärfer als Wille und Überzeugung Und nicht felten mag es gerade die Überzeugung Heine's gewejen jein, dajs einzelne kräftige und prägnante Ausdrüde des rheiniihen Dialekts jehr wohl aud in der Schriftſprache zu verwenden wären.

Mit Recht hebt Zillgenz in vielen Verjen Heine's die Betonung der Schlufsfilben als eine niederrheiniihe Eigenart hervor, jo z. B. in Lied 32 der „Heimfehr“:

Doch nur in einfamer Kammer Sprad ih auf folde Art, Und ad, id habe geihwiegen In deiner Gegenwart.

Die Betonung der legten Silbe in „Gegenwart” ift büffelborfiiche Manier. Dagegen Klingt es durdaus nicht, wie 3. glaubt, nad dem Dialeft der Heimat, wenn Heine in feinem Gedicht gegen Meyerbeer den Yejer zwingt, das Beitwort „bat“ lang zu ſprechen.

Zeitfchrift F. deutiche Sprade, X. Jahrg. 1

Der Maöftro im Theater Meines Herzens ift er jebt, Was ich fühl’ und denke, bat er Gleich ſchon in Mufit geiekt. Am Rhein heißt e8 das „Portrett“ und Heine findet es für hübſch, im „Wintermärden“ zu fagen: Du bift mein Liebling jekt, Es hängt dein Bildnis zu Häupten des Bettes. Und ſiehſt du? Ein frifcher Lorbeer Umkränzt den Rahmen des bolden Portraites. Rheiniſch Hingt aber die Ausiprade von „Städte” im Plural nicht, wie 3. behauptet: Ich dent der alten Weiſe, Die uns fingt Bon den verlorenen Städten, Wo aus dem Meeres⸗Grunde Ningt Bloden-Beläut und Beten.

Hat und Städte werden am Rhein nie mit langem Vokal aus- gefproden; umd mit demjelben Recht, wie 3. aus den Reimen Art und Gegenwart einen Schluſs zieht, könnte man behaupten, Heine habe die Neimvofale in gehüllt und Bild, Kleid und Leut', um und Armefünder- blum als gleihlautend gehört, während doch am Rhein ü und i, ei und eu, wie auch e und ö jo ſcharf unterjhieden werben wie faum irgendwo anders in Deutjhland, und dort weder um jemals lang noh Blum’ jemals kurz geſprochen werden kann.

Aber nicht nur die Eigenthümlichkeit der Ausſprache hat Heine bie und da der Mundart des MNiederrheins entnommen. Zillgenz weift uns auh nad, dafs die eigenthümliche Vorliebe, welche der Dichter in allen jeinen Liedern für die Lilie an den Tag legt, gleichfalls eine Erinnerung der Heimaterde ift. Die Lilie war damals in ben Gärten des Mieder- rheins die Lieblingsblume. Das Wort jelbft wurde zweifilbig gebraucht und das J wie ein weiches & geiproden. So heißt es bei Heine:

Die praltiſche äußere Freiheit wird einft Das Ideal vertilgen,

Was wir im Bufen getragen

Es war fo rein wie der Traum der Liljen.

Der Dichter reimt aljo ganz umbefangen % auf &, denn wie das % dem &, fo nähert fih im der weichen rheiniſchen Ausipradhe das G dem J. Heine reimt darum auch ganz vergnügt „Familie“ auf „Ottilje“, oder „entled’ge“ auf „Komödie“, „Betten“ und „beläft’gen“.

Wenn es ihm in den Reim pafjt oder Spaß madt, jo jagt er aud gelegentlih „es regent oder begegent“ u. ſ. w. Das ift aber burdaus

———

nicht beſonders rheiniſch, ſondern gut ſächſiſch! (KLuther) und überhaupt nachläſſig deutſch.

Denſelben Einfluſs des Heimatdialekts weiſt Zillgenz auch in den Sprachformen bei Heine nach- Doch iſt „Bankrott“ ſtatt „Bankerott“ als Subst. nicht rheiniſch. ES Heißt der Bankerott, wohl aber als Adject. bankrott. Eher jhon „Branntewein” „Brandewin“, „Braunen“ ftatt

! ©. mein Wörterb. II S. 699 a unter regnen (j. d. 1b, wo aus Luther's Bibel angeführt ift: Es „regent“ auf8 Land —) und befonders Hauptihmwier. &. 319b unter dem Zitelfopf: „Berfürzung in Konjugationsformen” Nr. 4a, wo es beit: „Selten: Benn’s regent ſt. regnet) (Reim: Gegend).“ Heine 18, 341.

Bielleiht darf ih Hier auch in Bezug auf reine und unreine Neime ges legentlih auf Das hinweiſen, was ich hierüber in meinem Abriſs der „deutichen Silben- meflung und Verskunſt“ (2. Aufl.) S. 96 ff. in 88 156 ff. gelagt babe, im Befondern auch auf das „muſikaliſch Reizende“ im Heine's Frühlingslied („Leiie zieht durch mein Gemüth ıc.”), einem „Gedichte von unbeftreitbarem und unbeftrittenem Wohllaut“, welches fo viele Zonfeger angezogen, und ferner z. B. in Bezug auf dem oben erwähnten Reim eines gedehnten und eines gefhärften u (in „um‘ und „Armefünderblum‘) auf S. 98b in $ 158 Wr. 5 3. 87 ff, wo id als Beifpiele ähnlicher Reime bei Goethe ange fübrt habe:

Bud, Wider fprug Bd. 1, 6.9; 11, ©. 108 ꝛc.;

Die Frau bat gar einen feinen Gerud,

Schnuffelt immer im Gebetbuc [f. $ 168 8. 87] ©. 120 ꝛc.; darum, Chriſten thum ©. 151 ıc.

Und ſchließlich möchte ich mir noch erlauben, aus meinem bier angeführten Buche über die Berötunft S. 102 3. 136 ff. den folgenden Abſatz vollftändig berzufeßen:

„Mit einem zum Stamm gebörigen nachfolgenden 8 (f) verichmilzt das ch in der Ausfprade zu dem auch durch x bezeichneten Laute, während ein dur Flexion, in einer Nachſilbe (fam) oder durch Zufammenfegung auf ein dh folgendes 8 (f) im dialekt- freier Ausfprache davon getrennt wird. Daber gehört e8 mur der Mundart an, wenn 3. B. Hand Sachs jeinen Namen am Schluis feiner Wedichte jo oft auf Ungemad’s reimt, vgl. ald Reime: Bach's und Flachs. J. J. Reithardt „Seih. und Sagen aus der Schweiz” ©. 253; Fluch's und Fuchs (69, Gegluchs (236) ⁊c.; Auerochs, Jochs. Heine 171 ©. 239 (= 10, ©. 89 in 12 Bon.); nächſt, wächſt (Lenau „Savanarola' (1837) S. 240; Rüdert 1 S. 201; Scherr „Mired-Pidles’ (1864) &. 225; Spee „Trutznachtigall“ 19 v. 14 und 16, vgl. lechzt, wächſt Günther Tittmann 30, 8. 13 ff.; Hoffmannswaldau (Gruppe „Leben und Werke deutſcher Dichter‘ 1, ©. 382); Terte, Höchfte. Hammer „Memnon“ ©. 246 x.“

Es wäre, glaub’ id, nicht bloß mir erwünfcht, fondern an und für fih wünſchens— wertb, wenn Sprachkundige, welche bie mundartlihe Ausiprade des Deutichen zum Gegenftand eingehender und umfafjender Forfhung gemacht, fih durch die vorftchende Abſchweifung veranlafjt fänden, ihre eingehenden Beobachtungen über die angeregte Aus: iprahe des ch vor nachfolgendem | (8) ꝛc. zu veröffentlihen. Einzelne möglicft kurz gefafste Beiträge dazu würden mir auch für die Zeitichr. fehr willlommen fein,

Der Herausgeber.

1*

ZUBE

„Brauen*. Auch eine Reihe ungewöhnliher Plural-Bildungen erklärt fi aus diefem Dialekte wie „Verlüfte“, „Krägen“ ftatt „Kragen“, „Ohm“ u. f. w. Selbft in der Anwendung des Geſchlechts bei einzelnen Hauptwörtern treffen wir mundartlide Erinnerungen an. So fagt Heine „der Heine Zeh“, „das Schnürleib”, („der Scepter“, „das Ornat“, beweift dagegen Nichts, denn die landfhaftliben Antipoden Schiller und Voß wandten aud neben dem neutr. das masc. an).

Ganz in der Sprade der Düffeldorfer ift die Art, wie Heine die Endung ian zur Bezeihnung einer tadelnden Eigenfhaft oder Thätigfeit anwendet. Seine Dummerjahn, Strobmian u. dgl. find befannt. Dagegen geht Zillgenz; wohl zu weit, wenn er das Wort „Lauberhütte” ftatt „Sartenlaube“ auf niederrheiniihen Urſprung zurüdführtl. Die Lauber— hütte ift wohl mehr jüdiſchen Urfprungs.

Bejonders auffallend ift bei Heine die Endung nis ftatt der hochdeutſchen ung in ber Ableitung der Hauptwörter wie z. B. Anerfenntnis, Bedingnis, Bedrohnis, Begebnis, Bellagnis, Entbehrnis, Störnis, Berwirrnis, Zerftörnis. Doc ift auch Dies weniger Eigenthümlichkeit als vielmehr Reimbedürfnis.

Das u im der Behandlung der ſtarken Zeitwörter ftatt des doch⸗ deutſchen a mag niederrheiniſch ſein, aber es iſt doch früher ſchon eine alte deutſche Form geweſen, die Heine eher aus des „Knaben Wunderhorn“ als aus dem heimischen Dialekt geihöpft hat, wie in folgenden Verſen:

Sag mir, wer einft die Uhren erfund?

oder Die Sonne ladıte, die Bögel jungen.

Die Augen begunnen zu tropfen. Das Weib nicht zähmen funnt er. Da Hung ein ſchweres Glodenläuten.

Das Imperfektum „fie krieſchten“ mit langem i ift ebenfalls nieder- rheiniih, wenn es auch Herr E. Eljter in den „Sahresberichten für neue deutſche Litteraturgefhichte” (Band I ©. 164) für einen Drudfehler, „ftatt des in guten Heine-Ausgaben ſtehenden“ „kreiſchten“ hält.

Sogar zu jahlihen Erklärungen zieht Zillgenz den Dialekt des Niederrheins herbei. Wenn Heine einmal in feiner „Harzreife“ jagt: „Ich möchte wieder zerrinnen in die unerſchaffene Gottheit“, jo meint er natürlich die Gottheit, da fie noch nicht geihaffen hatte. Der unfihere Gebraud der PBarticipia ift aber nicht in der Sprade des alltäglichen Lebens, ſondern vielmehr in der Schriftiprade und nit bloß am Niederrhein zu Haufe. Diejenigen, welde den Anlaſs etwa benugen wollten, Heine biejerhalb zu

tadeln, dürfte man wohl in dieſem Fall mit Goethe's bekannter „wohls ihlafender Naht” auch zur Ruhe verweifen.

Daſs viele Eigenthümlichfeiten in der Sakbildung bei Heine, die den Grammatiter oft zur Verzweiflung bringen, niederrheiniihen Urfprungs find, war mir von je ber far. Man braucht gar nit an feinen Berliner Aufenthalt zu denken, wenn man ihn gar oft den Dativ mit dem Accufativ verwedieln und „während“ mit dem Dativ gebrauden fieht.

Aber auch in der Anwendung neuer Wörter, nit bloß in der Ber: wendung der alten, zeigen fi bei Seine die Einflüffe der rheiniſchen Heimat. Er wendet jhon viele franzöfiihe Wörter im Deutjhen an, bevor er noch Frankreich gefehen. Wir erfahren jetzt, daſs fie nieder- rheiniihen Uriprungs find. Auch holländiihe Wörter gebraucht er, die zwiichen Düffeldorf und Amfterdam beimiih, wie „Domine“ für Baftor, „juſt“ für gerade, „Gracht“ für Gruft, „Begine* für Nonne, Yan Hagel, Halluten u. a. Dagegen find einzelne Ausdrüde, die Heine anſtandslos braucht, ifm nur aus feiner Heimat befannt gemwejen, wie Kirmeß, Knute, Nücken, Dred: Michel, Erdäpfel, Krämpen, Klüngel, Buchs, Fettmännden, Pott, Krümpe, Benauigfeit, jchlabberig, ftakig, Krade, Roſskämme, ihmudeln, bejefeln (was wohl nad meiner Meinung aus dem jüdifch-deutichen Roth— wälſch fommt), Quiden, ausbeuteln, umfluttern, ſchrubben, gejtovt, gerudbdelt, grummen. Dajs Deine mit Vorliebe „Köllen“ ftatt Köln und „Köllſch“ gebraudt, darf als bekannt vorausgejegt werden. „Der heiligen Stadt Köllen Geſchichten“ hat er ja immer in treuer Erinnerung behalten, Und auch für ihre Späße und Koſenamen hat er ein gutes Gedächtnis. Wir finden bei ihm ſehr oft Drickes und Kobes, Pitter und Jupp, Marizzebill, Zippel und Sefchen. Dagegen vermifft Zillgenz mit Recht bei Heine echt rheiniſche Redensarten und Sprichwörter. Er erwähnt nur die drei folgenden: „Ja ung“, „zur Leiche gegangen“, „auf und zu“.

Das Sprigwort „Auch Ehrlich ftahl einmal ein FFerfelihwein“ erjcheint Zillgenz unbekannt, obgleih Heine ſelbſt hinzufügt „Man fagt am Rhein“. Jeder geborene Kölner kann ihn darüber aufklären. Das Sprichwort „Ihrlich hat die Gais geſtolln“ ift am Rhein jehr bekannt. Auch das Mittelftüd der „Tragödie“ (ES fiel ein Reif in der Frühlings- naht) vermag Zillgenz nit als rheiniſch nachzuweiſen. Es find ihm jedenfall$ die ausgezeichneten Arbeiten Hermann Hüffer's nicht befannt ge— worden, der in feinem Buche: „Aus dem Leben Heinrich Heine's“ Aus- führliches darüber beigebraht und den Nachweis geliefert hat, daſs die Vorlage des Dichters ein „im Bergifhen aus dem Munde des Volkes“ aufgejchriebenes Lied von Wilhelm v. Waldbrühl war, das Ddiejer im ber „Nheinifchen Flora” (1825 Nr. 15) veröffentliht hat. Es ift überhaupt

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Schade, dafs ein fo trefflicher Forſcher wie Zillgenz mit der neueren Heine— Litteratur mit befannt ift. Er hätte fonft auh dem Schreiber diefer Zeilen den Borwurf erfpart, daſs er das unverftändliche Jüdiſche in Heine's Schriften den deutſchen Yefern nicht erflärt habe, was in meiner fritifchen Heine-Ausgabe (Berlin 1892 2. Aufl.) wohl ausreihend geichehen ift.

Am ſchwächſten ift in der ausgezeichneten Arbeit von Zillgenz, die nad der jpradlihen Seite eine jehr werthvolle Bereiherung der Heine: Litteratur bildet, die Partie behandelt, welde die voltsthümlichen Elemente bes Niederrheins, deffen Sagen, Anfhauungen und Gewohnheiten in Heine's Schriften nachzuweiſen ſucht. Hier ließe fi Vieles ergänzen und ein Forſcher wie Karl Heffel follte Dies nicht unterlaffen. Zillgenz verzeichnet nur zwei Wiegenlieder, die „Fallhüthen“ im „Zannhäufer“, die Bretzeln und Nonnenfürzchen, die rheiniſchen Vogelſchützen, das niederrheiniſche Schilda „Dülmen“ und zwei Sagen, die vom Bafilist und die von den feurigen Männern, welche des Nahts umberwandeln.

Auch die katholiſchen Erinnerungen aus der Vaterſtadt Heine’s hätten nod vermehrt werden fünnen. Am liebften hätte ich etwas litterar-biftorifch Erflärendes über das befannte Hundegebet gehört, weldes Heine dem Kapları Althöfer in feinen Memoiren in den Mund legt. Zillgenz nimmt aud mit Recht an, daj3 eine Fatholifhe Yugenderinnerung feiner Heimat dem Dieter die Weije zum dritten Lied der „Romanze“ eingegeben habe:

Eine ftarte, fhwarze Barke

Segelt trauervoll dahin,

Die vermummten und verfiummten Leichenhüter figen drin.

Dieje trohäiihen Verſe mit vier Hebungen und Reimen nit bloß am Ende, jondern guch in der Mitte find vielen fatholiihen Liedern eigen und pafjen befonders mit ihrem feierlihen Tonfall zu Prozeſſionsgeſängen. Auch Beifpiele folder Art ließen fih noch viele aus Heine's Schriften beibringen,

Alles in Allem liefert auch dieſe Unterfuhung wieder den Beweis, dafs Heinrih Heine die Erinnerungen feiner Syugend und feine Heimat nicht vergeffen, iondern aud in der Fremde gepflegt hat. Es war nur eine fhlimme Stunde und ein unbedahtes Wort, als er in jeinen legten Lebensjahren ſich über „das fatale Kauderwälſch des Niederrheins“ beflagte. Wie die Arbeit von Zillgenz beweift, hat Heine es nit verihmäht, die niederrheiniihe Dlundart in Gedanken, Spridwörtern und Erinnerungen an die Heimat je oft zu verwenden, als ihm Dies zwedmäßig erſchien, um feinen profaifhen und poetiihen Gedanken eine lebendige Färbung zu geben oder einen eigenthümlihen Reiz zu verleihen,

u

Sauer macht luſtig.

Gäng und gäbe, Bon Dr. Herman Schrader.

Während unlängft ein bolländifher Gelehrter mich zu meinem Auf- fag über das O veranlafste (j. Jahrg. 9, ©. 454 ff.), ift es diesmal eine Engländerin, welche Auskunft über die beiden Medensarten der Über- ihrift zu haben wünſcht.

Sauer macht luſtig. Am kläglichſten find Erklärungen, welde den Urſprung in einem Geſchichtchen ſuchen. Im Theater zu Hannover, jagen fie, ſei ein beliebter Komiker Namens Sauer gewejen. Da jei es wohl öfter vorgefommen, dafs, wenn Sauer auftrat, Einer zum Andern jagte: Komm mit ins Theater, Sauer madt luftig. Schwerlid aber, wenn Jemand einen Schaufpieler rühmen will, drüdt er das mit der jonder- baren Wendung aus: „er macht luftig“. Es ift auch nicht denkbar, dafs ein gelegentlihes Wort über einen unbedeutenden Schaufpieler aus einer Mittelftadt zu einem allgemeinen deutſchen Spridwort geworden wäre.

Was fagt nun der Spradgebraud und das Volt zu unferm Worte? Saures Bier ift nicht zu trinten und ſaure Schlehen verzerren den Mund. Saures Gras und faure Kräuter verijhmäht das Vieh als Nahrung. Saure Winde nennt der Seefahrer unangenehme, bindernde. In über- tragenem Sinne bedeutet Sauer das Mühevolle, Beſchwerliche, Unliebjame, Unangenehme, Mürriſche, Verdrießliche. Ich laffe e8 mir fauer werden. Er macht mir das Yeben jauer. Er verdient fi jein jaures Brot dur jaure Arbeit in fauren Wohen. Das ift ein blutfaures Tagewerk. Ein Mann mit ejfigfauren Diienen. Jeſ. 5, 20: Wehe Denen, die aus Sauer füß und aus Süß jauer maden (die Böfes gut und Gutes böſe heißen). Eine faure Süßigfeit (bei Heine) ift rohe Geziertheit. Matth. 6, 16: Wenn Yhr faftet, follt Ihr nicht fauer jehen wie die Heuchler.

Wir jehen aus diejen Beifpielen, melde ohne Mühe verzehnfadht werden könnten, zur Genüge, dais das Volt dem Sauer, faft ausnahmslos, nur Böſes nahjagt oder doch nichts Yiebenswürdiges und Lobenswerthes in ihm entdedt. Damit fteht nun unjer Sprud als einzige Ausnahme in offenbarem Widerfprud. Es mufs alfo, wenn wir ihn nicht als offen- baren Yügner oder gedantenlojen Schwäßer brandmarfen wollen, noch irgend ein Etwas vorhanden fein, das dem Sauren ein freundliches Lächeln ab- zwingt. Fragen wir darum einmal die Chemie und den Speifejaal. Die Chemie zunächſt vermag doch Eine wohlthätige Wirkung zu berichten: die Eifigfäure wirft auf genoffene eiweißhaltige Speijen auflöfend, aljo verdauend. Auch Salziäure und Schwefelſäure, wenn fie in jehr ver-

dünntem Zuſtande als Medikamente angewandt werden, haben ſehr mwohl« thuende Wirkung bei Magenverſtimmung und heben die unbehagliche gedrückte Stimmung zu einer freien und behaglichen. Auch iſt nicht unbeachtet zu laffen, dafs die Säuren das Verlangen nah Trinken wejentlih weden und mehren.

Was die Chemie nun nahe legt, Das benutzt das gejellige Leben und beutet es praftifch weiter aus. Süße Weine, etwa griehiiche, haben nicht die ermunternde, belebende Kraft, wie etwa unſre deutfchen fäuerlichen Ahein- weine und Moſelweine. Wohl fein Volt hat eine ſolche unzählbare Fülle der föftlichjten Gejänge zu Ehren der heimischen Weine wie das deutſche. Drum ift eine ermunternde Aufforderung zum Trinken in unjerer Redens— art leicht begreiflich Hierzu fommt nod eine zweite Begründung. Bei Tiſch ruft Einer feiner Nahbarin beim Überreichen des Salates wohl dag Wort zu: Nehmen Sie; Sauer madt Iuftig. Auch hier ift es die mit Maß angewandte Eifigjäure, welder eine anregende, belebende, erheiternde Kraft zugeichrieben wird. a, junge Mädchen ftreiten wohl gar darum, wer von ihnen die unter dem Salat zuriüdbleihende jaure Flüffigfeit aus- Löffeln joll. Sie fühlen eben das Erfrifchende, ja das Erheiternde der genoffenen Säure, welche das dide Blut leichter und beweglicher madt. Aus joldem Grunde endlih tragen bleihjüchtige Mädchen und Frauen ein großes Verlangen nah Eſſig. Und in der That, der Genuſs desjelben mildert ſchnell ihre Schlaffheit und Mattigkeit und belebt fie zu muntrer Friſche.

Nah dem Gefagten weifen wir die alberne Erklärung zurüd, bie wohl nur aus Berzweiflung an einer Deutung der Nedensart geboren ift. Es fordert Jemand einen Andern zum Trinken jäuerlihen Weines und zum Genießen jauren Salates auf, um ihn, wenn er das Gefiht verzerrt, gehörig auszulahen. Mein, zur Erklärung des Wortes bedürfen wir folder Roheit nicht. Solchen Wein und jolden Salat giebt e8 auf einer an« ftändigen Zafel nicht

Gäng und Gäbe.

Man ſchreibt und ſchrieb früher auch geng und gebe. Ich ziehe meine Schreibung vor, weil ih an Gang und Gabe denke, und weil jie jegt auch wohl die gebräudlichite ift. Heut zu Tage feinen beide Wörter leider undeflinierbar geworden zu fein; früher fonnte man jagen und fagte (jogar in Superlativbildung): die gängſten Pferde; den gängften und beften Gaul. Berlidingen (j. Sanders Wörterb. I ©. 536); ein Pfund gäber Pfennige. In früherer Zeit wurden beide Worte auch einzeln gebraucht,

was jetzt nicht mehr üblich iſt: Eine gänge Sprache, die gängen Laſter. Jetzt werden beide Wörter zu einem Begriff verbunden.

Der Gebrauch der Worte entſpricht ihrer Herkunft. Zuerſt im eigent- lichen natürliden Sinne: was gut gebt, flint fih bewegt und läuft. Ein gänges Roß Ein Pferd joll fein gäng und fanfttrabend. Uns in der Stadt umzufehen, dazu waren wir gäng und bereit. Der alte Mann war noch ziemlih gäng. Selbit der menihlihe Mund kann gänge fein, wenn er viel und jchnell ſpricht. Auh vom Fuße: Ein allzumweiter Schub madt den Fuß nicht gänger oder beſſer. Er war auf feinen Füßen gäng beritten (jpottend wie: er reitet auf Schufters Rappen). Gänge kann aud das bezeichnen, wo man geht: hier ift die Straße durch den Wald am gängften (gangbarjten). Auch jonft wird das Wort in mannigfaden, zum Theil übertragenen Wendungen gebraudt. Das ift ein ftrenger und gänger Wind. Der Sauerteig maht den Teig gänge. Zur Arbeit faul und gäng im Maul (bei Fiſchart). Ein mehr als gänger (gewöhnlicher) Danf. Eine gänge Anfiht, Erklärung. Die Thürme in China haben meift einen luftigen und gängen Platz.

Gäbe (adjectivum verbale, j. gebe Sanders Wörterb. 1 ©. 5484 und gebig ©. 553b/c) was gegeben wird und was gegeben werden kann; dann überhaupt gut, annehmbar, und ungäbe jo viel als unfügſam, unge: ſchickt. Das goldne Gejhmeide ift gut und gäbe. Eine ungäbe (ichlechte) Waare Ein ungäbes (unangenehmes) Wort.

Nun beide Wörter einzeln betrachtet find, ergiebt fih mit Leichtigkeit ihre heutige jegt alfein übliche Verbindung. Ganz bejonders häufig jagt man von Münzen, daſs fie gäng und gäbe find, d. h. gültig und annehm- bar, die willig nad dem üblihen Werthe gegeben und genommen werden. Bei Deklination wird nur das zweite Wort umgewandelt: die Steuer ift in gäng und geber (gebiger) Münze zu entrichten. Die gang und gäben Redensarten. Ohne Umlaut (bei Droyjen): Götter find nicht gang und gäbe Münzen. Das Vorurtheil ift gäng und gäbe Abraham (1. Mo]. 23, 16) zahlt für Sara’s Begräbnisftätte vierhundert Sefel Silber, das im Kauf gäng und gäbe war. Ein jeder Fleiſcher (in Leipzig 1701) ſoll genge und gebe Viehe ſchlachten.

Schließlich ſprechen wir unjer Bedauern aus, dafs unjre Sprade in diejen Worten an Reichthum eingebüßt hat. In früherer Zeit konnte man jedes der beiden Wörter einzeln für fi gebrauden. Dean konnte fagen und jagte: Er fam gäng zu mir. Die Yügen find gäng in ber Unweifen Mund. Ein Pfund gäber Münze. Der Fleifher joll gäbe und unmandelbares (tadelfreies) Fleiſch in die Stadt bringen. Wir fehen, dafs jedes der beiden Wörter defliniert werden konnte. Auch Zuſammen—

TE

fegungen gab es wie durdgänge, fürgänge Sogar gefteigert fonnten beibe Wörter werden: der vorgängfte. Die gäng und gäbigfte Münze Wir fünnen es beklagen, daſs die heutige Sprade die Schmiegſamkeit im Ge— brauch diefer Wörter verloren bat. Jeder derartige Verluft ift eine VBer- armung. Tröſten wir uns damit, daſs unſre Sprade in vielen andern Stüden, zumal in Wortbildung jo wunderbar gewadien ift, dais ihr Neihthum in vollem Sinne geradezu unerihöpflih genannt werden fann.

Eine Rede Stephan’?.

In Bezug auf die Mittheilungen „aus dem vortrefflihen Bude: Unter dem Zeichen des Verkehrs“ im 5. Heft des vorigen Jahrgangs der Zeitfhrift (S. 161— 165) find mir aus Nord und Süd, aus Oft und Weit jo zahlreihe Aufforderungen zu weitern Mittheilungen zugegangen, dajs ih mir vorgenommen, aus dem Buche wenn nicht früher doch im erften Hefte des neuen Jahrganges für meine Leſer eine ältere Rede Stephan’s zum Abdrud zu bringen. Dod habe ih die dafür beftimmte (wenigftens einftweilen) zurüdgelegt, weil unſer Generalpoftmeifter im neuen Jahr eine bedeutjame Rede gehalten, der ih den Vorrang einräumen zu müſſen geglaubt.

Ich entlehne dieſe Rede einem Beriht aus der Nat.-Ztg. vom 9. Febr. d. J. (Erſtes VBeiblatt zu Nr. 92). Sie wird freilich den meiften Yejern noch friih in der Erinnerung fein, aber alle werden fie gern bier lejen und miederlefen, wo ihr doch eine länger währende Aufbewahrung in Ausfiht fteht als in den meift nur gar zu ſchnell dahin ſchwindenden Spalten einer Tageszeitung.

Der Bericht lautet:

Im Kaiferbof fand geftern zur Kriegsgedenkfeier der Poft- und Telegrapbenbeamten Berlin’s ein Feſtmahl ftatt, das einen harmoniſchen Abſchluß der vorgeftern bei Kroll veranftalteten großen Feſt⸗ lichfeit bildete. Die Speifefolge war nad Erinnerungen aus der Kriegs— zeit abgefafft; jo gab es Liebesgabenſchinken mit Franctireurſauce, Feldtelegraphenſpargel mit brauner Relaisbutter, Käfe und Butter aus unbeftellbaren Feldpoſtpacketen. Die Jlluftrationen zur Tiſchkarte ftammten von poftaliiher Hand und wetteiferten an fünftleriiher Kompofition mit der Karte von der Krol’ihen Feſtfeier. Den erften Zoaft brachte ber Staatsfefretär v. Stephan aus, er galt dem Kaifer. Zunächſt verlas der Staatsfetretär folgendes Telegramm, welches als Antwort auf die Huldigung vom Freitag vom Givilfabinet eingegangen war:

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Herrn Staatsjefretär des Reichspoſtamts, Dr. v. Stepban, Excellenz, bier.

Seine Majeftät der Kaifer und König haben Allerhöchſtſich über die Huldigung der zur Gedenkfeier verfammelt gewejenen Reichs-Poſt- und ZTelegraphen-Beamten, denen es vergönnt war, in dem rubmreichen Kriege mitzulämpfen oder als Beamte thätig zu fein, herzlich gefreut und laffen für das Gelöbnis treuer Mitarbeit an des Reiches Wohl wärmſtens danten. Auf allerhöhften Befehl

v. Zucanus, Geb. Kab.Rath.

Dann fuhr Herr v. Stephan fort:

Hohgeehrte Herren! Heute vor 25 Jahren näherte fih das blutige Drama auf franzöfifhem Boden feinem Ende. Die Scharen der Streiter und die Beamten der VBerwaltungszweige der Armee bereiteten fi vor, die geliebte Heimath wieder zu begrüßen, wohin alle Sehnfuht ging. Und in ftrablender Hoheit fam fie ihnen entgegen mit erhabener Freude und edelftem Stolz, geihmüdt wie die Braut aus dem Hohen Lied, umfloffen von dem majeftätiihen Schimmer geeinigter Maht und Größe, die faijer- lihe Germania! Die Empfindungen, welde in jener großen biftoriichen Stumde die Geifter erfüllten und welde in dem Dank gegen Kaiſer Wilhelm den Großen, den fiegreihen Lenker jo vieler Schladten, der Geburtshelferinnen des deutihen Reis, ihren Gipfelpunft fanden, werden niemals erlöihen, jo lange noch ein deutſches Herz auf diefer Erde ſchlägt. Auf die fo lange Yahre in der Tiefe der Seelen gebegten patriotijchen Wünſche der Nation war endlih „die Erfüllung, die jhönfte Tochter des größten Baters heglüdend herabgeſtiegen“. Deutihland war einig und frei, womit zugleich geſagt ift, daſs es mächtig war.

Wie tief und lebhaft jene Gefühle noch heute alle Kreife der Nation bewegen, Das hat wohl am beften die Reihe der erhebenden Gedentfeiern dargethan, welde, einer Anregung Seiner Majeftät des regierenden Kaijers folgend, in allen Gauen des Vaterlandes mit Begeifterung jtattgefunden baben. Die vaterländiiden Empfindungen von 1870 find dadurd von Neuem verftärkt worden: es ift, als ob die ragenden Gewölbe des damaligen Neihsbaues gewaltige Widerlager erhalten hätten zu ihrer weiteren Be— feftigung und als Gegenwirkung gegen den Seitenihub. In ſolchen Gedenk— feiern kommt die aufgeipeiherte Kraft längerer Zeiträume zur Auslöfung ; der nationale Geift nimmt gemwiffermaßen die Inventur auf über fein Vermögen; und wir dürfen, wohin wir auch bliden, ſei es jelbft bis in die entfernteften Gegenden der Erde, wo Deutihe wohnen, uns ohne Über: bebung fagen, dajs wir mit dem Abſchluſſe wohl zufrieden fein fünnen. Wir gehen niht auf Eroberungen aus, jondern wir wollen, frei und

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jelbftändig, Theil nehmen an der Kulturarbeit der Menichheit. Das dürfen wir dem mächtigen Herriher wohl zutrauen, aus deffen hohen Munde das Wort ftammt: Die Welt am Ende des 19. Yahrhunvderts fteht unter dem Zeihen des Verkehrs!

Unvergeisiih wird Jedem, der ihn erlebt hat, der begeifternde Moment fein, als Seine Majeftät der Kaiſer am Schluffe der erhebenden Gedenk— feier auf dem füniglihen Scloffe hierjelbft am 18. Januar die Fahne des erften Garde-Regiments mit jtarfem Arm ergriff und, einen Schritt unter dem Thronbimmel hervortretend, eine wahre Siegfrieds-Geftalt, das ruhm— bededte Feldzeichen in der mächtigen Fauſt, jenes feierliche Gelöbnis ernenerte, für die Ehre und Sicherheit des Reichs alle Zeit einzuftehen, wobei das dreieinige Lofungswort: „ein Neih! ein Volt! ein Gott!“ den ergreifenden Schluſs bildete. Dies dreifahe Yofungswort laffen Sie uns hoch und heilig halten. Ein Reich, Das ift die unmandelbare Treue und Anhäng— lihfeit an die monarchiſche Spitze, jene Treue, die im Sinne der alt« germanischen Gefolgihaften auch des perfünlihen Bandes, der Liebe, nicht entbehrt. Ein Voll, Das bedeutet, dajs wir nit ablaſſen jollen, die edlen Keime, welde die Natur in den deutihen Charakter gelegt hat, weiter zu pflegen und das patriotiihe Einheitsgefühl zu ftählen. Ein Gott, Das ift, dafs wir wandeln follen in Ehrfurdt gegen Den, der der Alfeinige ift, den die Deutihen fürdten, jonjt Niemanden auf der Welt, und im Sinne des Bibelmorts: die Furcht des Herrn ift der Weisheit Anfang! Zur Bekräftigung diefer Empfindungen laffen Sie uns die Becher erheben und in den Auf einftimmen: Seine Majeftät der Kaiſer, unjer Aller: gnädigfter König und Herr, er lebe, hoch, hoch, hoch!

Eine zugehörige Rede Stephan’ aus Nr. 90 der Nat.Ztg. bleibt mit Nüdficht auf den Umfang der Zeitfchrift einem ipäteren Seite vorbehalten.

Bismarck ald Redner.

„Dean ermweift mir mandmal die Ehre, mih für einen Dichter zu erfennen. Aber nur, weil man mid verfennt. Aus einigen dramatijchen Verſuchen, die ih gewagt habe, jollte man nicht jo freigebig folgern. Nicht Seder, der den Binjel in die Hand nimmt und Farben verquiftet, ift ein Maler.“ Mit diefen und ähnliden Worten hat Yeljing wiederholt den Dichterkranz abgelehnt, der ihm von der gerechteren Mit: und Nachwelt trogdem freudig zuerkannt ift. Einen Anlauf zu einer ähnlichen beſcheidenen Selbſtkritik macht auch Bismard, wenn er von fi behauptet: „Ich bin fein Redner!“ Aber während der Berfaffer der „Minna von Barnhelm“ und des „Nathan“ ſich niht genug thun kann in der Ausmalung aller

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der Gaben und Vorzüge, die den echten Dichter fennzeichneten, ihm aber ab- gingen, richtet fih Bismards kräftiges Selbftgefühl, kaum dafs das zage Zuge- ftändnis über jeine Lippen gekommen, ſogleich zu defto ftolzerem Bewuſſtſein auf: „Ich befige nämlich nicht die Fähigkeit, durd Erregung eines gefälligen Scheines die Gemüther zu beftehen, um auf diefe Weije Thatfachen zu ver- dunfeln. Deine Rede ift einfach und Har.“ Damit deutet er an, dajs er die politiihe WBeredtfamfeit, die während der Nevolutionszeit jo üppig ins Kraut ſchoſs, fogar für etwas Bedenkliches, ja Gefährlihes halte, da in dem wirfungsvollen Redner doch immer ein gutes Stüf von einem Dichter ftede und ein Dichter nicht der geeignete Mann jei, das Staats» ruder zu führen, das volle fühle Überlegung fordere. Nicht bei Lunge und Zunge juht er feine Hülfe, nicht der Vortrag macht für ihn des Redners Glüd, feine Stärke liegt zunädhft in Sprade und Stil und in den rhetoriſchen Kunftmitteln, die fih mit dem verhallenden Schall der Stimme nit verflüchtigen, jondern vielmehr das rechte Yeben erſt auf dem Papiere gewinnen, wo Auge und Gedanke prüfend und finnend nad Ge— fallen verweilen fünnen. Freilich darf man dabei nicht auch der modernen Anſchauung huldigen, daſs es fih für das Papier niht anders ſchicke und zieme, als wenn man möglichft fteif in Zopf und Perüde, in Escarpins und Wadenftrümpfen auf „demſelben“ einherwandele. Wer nit für die lebendige Natürlichkeit, die erquidlide Urwüchſigkeit des Ausdruds leichten Herzens einmal eine Anafoluthie, eine Epanorthofis, eine Katachreſe in den Kauf nehmen will, Der wird bei der Lektüre der bismardiihen Neben faum jeine Rechnung finden. Jeder Andere aber, der über jolde Ober: flächlichkeiten hinwegzuſehen, der das Wejentlihe vom Unwejentlihen zu unterjheiden weiß, muſs in diefen Neben eine ſchier unerſchöpfliche Fund— grube geiftvollen Wiges, würzigen Humors, dramatiiher Anſchaulichkeit und individuellfter Phantafie entdecken und es begreifen, dafs von ver- ſchiedenen Seiten äſthetiſche und ſprachwiſſenſchaftliche Studien daran gemacht worden find. So haben fih fürzlih vor allem zwei Haffiihe Philologen, die Profefjoren Blümner und Gerlah, in ausführlihen Unterſuchungen mit dem Gegenftande beihäftigt; ihre Ergebniffe find wohl intereffant genug, für einige Augenblide unjere Aufmerkſamkeit in Anſpruch zu nehmen.!

ı Der bildlihe Ausprud in den Meden des Fürften Bismard. Bon Hugo Blümner, Prof. der Haffiihen Philologie an der Univerfität Zürich. Leipzig, 1891. Ferner „Der bildliche Schmud in den Briefen des Fürften Bismard“ in mehreren Auf: fäßen in der meuen Zeitfchrift für Litteraturgeſchichte „Euphorion“ (I. Jahrg. 1894. Heft 3 u. A) u. in der Bißmard:Nummer (April 1895) der Beitichrift des allgemeinen deutfchen Sprachvereins, jo wie Fürft Bismarck ald Redner. Eine rhetoriſche Studie von Prof. Dr. Gerlad. 3. Aufl. Deſſau und Leipzig, 1892.

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Als der geborene Märker verräth ſich Bismarck zunächſt in der ſpru— delnden Quelle des Witzes, die ihm keine ihrer bunten Strahlen verſagt: vom bitterfien Sartasmus bis zum heiter wohlwollenden Scherzwort ſteht er ihm zu Gebote. Doc bleiben die jcharfen und giftigen Pfeile gerne im Köder, falls die Herausforderung nicht gar zu troßig erfolgt ift. Dieſen Grundſatz, die fhärfften Pfeile immer nur zur Abwehr, niemals für den Angriff zu verwerthen, befolgt er jelbft noch in den hitzigſten Gefechten der Konflikt- und der Kulturfampfzeit: „Ach verlege jehr ungern, erklärt er, man gewinnt nie Etwas damit, einen politiihen Gegner bloß dur Worte zu reizen, wenn man niht mehr als Worte bereit bat.“ Aber wehe! wenn er nun dod einmal ausholt und auf den Hieb, der jeinen Zorn erregt hat, die vernichtende Antwort giebt. Der Freiſinn vor allem bat bei ſolchen Gelegenheiten feine blante Fechterklinge mehr denn einmal gefpürt: „Der Herr Vorredner hat mir vorgeworfen, jo wendet er fid einmal an Richter, der Socialismus ſei gewadien wie mein Schatten. Nun, wenn mein Schatten wählt, jo gebt die Sonne unter; und ich ſetze voraus, dajs er jeine eigene Sonne meint, die im Untergange begriffen ift. Dann wird allerdings für ihn mein Schatten länger.” Noch fpigiger verfährt der Kanzler gegen Virchow, dem er ja wirklich einmal eine Herausforderung geihidt hat: „Virchow hat ung vorgeworfen, wir hätten, je nahdem der Wind gewechjelt hätte, auch das Steuerruder gedreht. Nun frage ih, was joll man denn, wenn man zu Schiffe fährt, anders thun, als das Ruder nah dem Winde dreben, wenn man nicht etwa ſelbſt Wind maden will? Das überlajien wir Andern.“ Dod dieie bijfige Ironie, die allein mit Worten fiht, tritt verhältnismäßig jehr felten auf; ein Zug innerer ftiller Heiterfeit und erquidender Herzenswärme, die, jedem hohlen Pathos abhold, mit ruhiger Sachlichkeit die Thatjachen ins Feld führt, geht deutlih erfenndar durch die gejammten Meden; und deishalb find auch blendende Fechterkunſtſtücke viel jeltener zu finden als die ftil und Kühl überlegende Taktik logifher Beweisführung. Das zeigt fih am beten bei dem Gebraud, den Bismard von der wirkjamen Antitheje macht. Niemals läfft er fich verleiten, zu Gunften einer recht geiftreihen Gruppierung von Gegenfägen biftoriihen oder politiiden That- ſachen ins Gefiht zu jchlagen. Hat er nit Recht, wenn er jeine Hoffnung, es werde fi künftig einmal ein modus vivendi mit der römiſchen Kirche finden laffen, damit begründet, dafs er jagt: „Es ift ja nicht nothwendig, dafs die Sache des Friedens und der Demuth ſtets mit ftolzen und zornigen Worten vertreten werde“ ?

Diejelbe vornehme von jeder Effekthaſcherei himmelweit entfernte Sadlicfeit verleugnet unjer Redner auch auf dem Gebiete der Vergleiche,

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der Tropen, der Metaphern und der Bilder nicht, obwohl er gerade hier von einer ſo rührigen Beweglichkeit iſt, daſs einzelne Oberflächlichkeiten gar nicht Wunder nehmen könnten. Aber es iſt ihm eben nie um den äußern Schmuck ſeiner Worte oder um den einſchmeichelnden Tonfall ſeiner Sätze zu thun, ſondern allein um möglichſt deutliche und klare Bezeichnung des ihm vorſchwebenden Gedankens, um möglichſt helle und vielſeitige Be— leuchtung des beſprochenen Gegenſtandes. Ihm quoll Charakter und Sprache von je aus einem Lebensmark; der komödienhaften Unnatur „geiſtreichen“ Witzes hat er nie gehuldigt. Von Blüthen und Knoſpen, Roſen und Dornen, woraus der äſthetiſche Backfiſchgeſchmack ſeine Redebouquets zu binden pflegt, findet man bei ihm Nichts; und doch iſt es vor Allem der volksthümliche Charakter, der Bismarck's Vergleichen und Metaphern redneriſche Wirkung verleiht. Lieber einmal alltäglich, als geſchraubt und geſucht, Das iſt wie Leſſing's ſo auch ſein Grundſatz, und deutlich kann man bei chronologiſch fortſchreitendem Leſen der bismarckiſchen Reden und Anſprachen erkennen, wie es ihm immer mehr auf die ebene Erde, in die praftiihen Werkftätten des modernen Lebens, auf die Feldflur, wo des Landmanns Saaten reifen, in die Eijenhämmer, in die Fabrifräume, in die Speider der Kaufleute, aufs Deck der Schiffe, in die Zeughäufer und auf die Manöverfelder unjres Heeres zieht. Und nun offenbart fih wieder einmal der alte Segen einer feftgefugten, im fi jeloft wurzelnden und geſchloſſenen Berfönlichkeit: gerade wo fie fih auf ihr Eigenftes und Vertrauteſtes zurüdzieht, entfaltet ſich der ganze Neihthum ihrer Kräfte So ſchafft auch Bismard’s ſchöpferiſche Eigenfraft und fühner Spradgeift Kormen und Wendungen, die als glüd- lihe Bereiherungen und Erweiterungen unjers Ausdruds gelten dürfen und die ſich zum Theil ſchon jegt umbeftrittenes Heimatsreht in unferer Sprahe erworben haben. Bon der „fonftitutionellen dem Simjon der Monardie die Locken verihneidenden Delila”, mit der jhon der Abgeordnete operierte, bis zu den „Hechten im europäiſchen Karpfenteih“ in den Reden des greifen Kanzlers, iſt's ein langer Weg, aber auf Schritt und Tritt fait begegnen Einem anziehende Bilder, bei denen man gerne einen Augenblid verweilt, ganz abgejehen von den zehn oder zwölf meifterhaft ausgeführten Gemälden, die der Erfindung eines Brouwer oder Teniers alle Ehre machen würden. „Es giebt Köchinnen, beißt es einmal, die graufam genug find, die Krebje kalt an das Feuer zu jeßen; wenn das Waffer zuerjt warm wird, dann geben die Thierchen alle Zeichen des Behagens von fi; es ift ihnen jehr wohl, aber das Ende ift übel. So würde es auch bier jein; der ganze Staat, das ganze Volt würde zu Grunde gehen.“ Und aus einem andern Gebiet nimmt unjer Redner folgenden hübſchen Vergleich: „Es find immer Yente geweien, die fi auf einen Potsdamer Zug gejeßt

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haben, während fie nur bis Kohlhaſenbrück wollten, und wenn benen ber Schaffner jagt: der Zug hält da niemals, jo meinten fie, er hat bisher ba zwar niemals gehalten, wird aber vielleicht heute da halten. So werden fie nicht nah Kohlhafenbrüd gelangen, fondern darüber hinaus nad Potsdam. So iſt e8 aud in der Politif; der Tiberalismus geräth immer weiter, als feine Träger wollen.“ Diejelbe liebevolle, bis ins Einzelne ſich erftredende Ausmalung des VBergleihs macht aud das berühmte zugleich das einzige Gleihnis aus der deutihen Mythologie jo anziehend, das der Kanzler am 2. März 1885 in der großen Kolonialdebatte gebraudt bat: „Sobald es den Deutichen gut geht, fehlt au der Loki nicht, der alte deutiche Partei- bader, der feinen Hödur findet, einen blöden, dummen Menſchen, den Ur: wähler, der die Tragweite der Dinge nicht beurtheilen kann, den er mit Gewalt veranlafjt, den deutihen Völterfrühling zu erjchlagen.“

Wie gegen die Mythologie, jo verhält fih der große Staatsmann mit feinen Eitaten aud gegen die Yitteratur ziemlih jpröde, obwohl wir aus andern Quellen wiſſen, daſs fi feine Belejenheit, für einen über- bürdeten Polititer wenigitens, durdaus nit in jo engen Schranken bewegt. Allen andern Dihtern voran ſteht ihm Shafefpeare, von deſſen Dramen fib namentlih „Hamlet“ und „Heinrih IV.” feines Intereſſes und feines Gedähtniffes erfreuen. In weiten Abjtande von dem großen Britten folgen dann erjt unjre einheimijhen Größen: Goethe mit jeinem „Fauſt“, Schiller mit dem „Wallenftein“ und der „Jungfrau von Orleans“, Heine mit feinem boshaften Doppelreim: „D Bund, du Hund, du bift nicht gejund“, Uhland, Bürger und Chamiſſo mit einigen Balladen.

Über die mannigfaltigen und von Bismarck meiftens mit gutem Geſchick angewandten Pläntlerfünfte der Redetaktik, iiber die Syronie, die Percontatio, die Dccupatio und, wie fie jonft noch heißen, gehen wir hin: weg; denn Gerlah hat Recht: bei einem jo jharf ausgeprägten Charakter wie Bismarck machen all die Heinen Talente, aus denen fi jonft vielleicht der wirkungsvolle Redner bildet, herzlich wenig aus neben der geijtigen Bedeutung jeiner Perfönlichkeit, neben jeinen Thaten und Erfolgen, feinem Anfehen und feiner faktiſchen Macht. Aus feinem andern Munde hätte das berühmte Wort: „Der Deutihe fürdtet Gott und fonft Nichts auf der Welt“ die gleihe Wirkung gehabt, wie aus dem des Reichskanzlers am 6. Februar 1888, wo hinter ihm ein Heer von 4 Millionen Kriegern ftand, jederzeit bereit, das ftolze Wort einzulöſen. „Daſs es aber jo gefommen, gehört auch zu feiner Größe, ift es doch zum guten Theile jein eigenes Werk.“ Die Größe und Erhabenheit jeines Charakters ift bei Bismard vor Allem die Quelle, aus der feinen Neden eindringlice Kraft und nahhaltige Wirkſamkeit ftrömt: fein hochgemuther, über allen Zweifel

himmelweit erhabener Patriotismus ertheilt ſeinem Worte den höchſten Glanz und die oft geradezu elementare Gewalt. Mögen es kurze Aus— ſprüche fein wie der befannte: „Ein Appell an die Furcht findet fein Echo in deutſchen Herzen“, oder mag er in längerer Rede, wie 5. B. in der oben erwähnten aus dem Februar des Jahres 1888, mahnend, warnend oder zürnend jeine Stimme erheben, dann fallen plöglih auch alfe die Heinen Flecken und Fehler, die jeinem Bortrage fonft wohl anhaften, von ihm ab, und feine aus tieffter Seele quellende Beredtjamfeit feiert ihre Ihönften und ftolzeften Triumphe. F. D.

Einige ſprachliche Bemerkungen zu den „Pfarrergeſchichten“

in dem 4. Bande der von Friedr. Bülau herausgegebenen

Sammlung: „Geheime Gedichten und räthjelhafte Menſchen“ (2. Aufl. Leipzig, Brodhaus 1868, &. 445—459),

1. „Sie hatte ihm veriproden, ihn, wenn er 3 Syahre im diefer Stellung bliebe, auf eine Pfarre zu verjorgen ꝛc.“ ©. 445, ftatt des ſprachüblichen: ihn mit einer Pfarre zu verjorgen (j. Sanders Wörter: buch 111 ©. 112b). (Ich möchte, bei diefer Gelegenheit, obgleih nicht ftreng bierher gehörig, nod bejonders auf Das aufmerkſam machen, was Sie über das Hauptwort Sorge, das Zeitwort forgen und die Zu— jammenfegungen zc. unter Hinweis auf das jtammverwandte Sarg in Ihrem Ergänz.-Wörterb. ©. 436a und 437 in gedrängter Kürze eben jo belehrend wie überzeugend beigebradt Haben.) Ich vermuthe, dajs dem Schreiber bei der Fzügung: „Jemand auf eine Pfarre verjorgen“ eine Wendung vorgejhwebt haben mag, wie: „ihm verforgend auf eine Pfarre bringen, verjeßen ꝛc.“

2. „Bei Pitſchkow geriet er mit vielen Menihen und Pferden in einen Sumpf, aus dem er mit Mühe berausfam und Knecht, Nod und einen Stiefel darin verlor, aud in Folge der Angft und Erkältung jelbft gefährlih frank wurde.” ©. 446, f. über diefe 3. B. auch bei Goethe nit jeltene Ausweihung aus der Sakfügung in Relativjägen Sanders Hauptſchwier (25. Aufl.) S. 81/2 Nr. 7 und vielfah bier in der Zeit- ihrift. Bol. in Bülau’s Buch auf ©. 450: „Diefer nahm fi darauf jeiner an, unterftügte ihn und verfhaffte ihm Stunden, durch welde und dur das Chorfingen [zu verbeffern etwa: „durch welde in Ver— bindung mit Chorſingen“] er fih die Schuljahre über erhielt“. ©. 450 und auf berjelben Seite: „Er hatte fieben Thaler mit nach Leipzig gebradt, von denen und von [vgl. ftrenger richtig etwa: „von denen

Beitfchrift f. deutſche Sprade, X. Jahrg. 2

nebft“] dem Ertrage dur ihm gefertigte Gelegenheitsgedichte er ſich ein Jahr lang nährte“ —, ferner ©. 453: „Als er zwei Jahre dort war, ſchrieb ihm fein Vater, er könne ihn nicht ftudieren laffen, er müffe Schmied werden, welhem väterliben Wunſche er fih denn aud, wenn auch nod fo ungern, unterwarf und [beffer etwa: „indem er") ein Jahr lang rüftig und unverdroffen an dem Amboſs arbeitete.“ u. ©. 458 «c.

3. „Chriftian Köthe von Eoldig, Sohn des dafigen Kirchners“ ıc. ©. 446, vgl. Grimm Wörterb. I Sp. 809; Sanders Wörterb. I ©. 268a (mit Belegen aus Goethe, Leifing, Zſchokke). Heute gilt dafür in ber Shriftiprade wohl meift dortig; aber in Bülau’s Sammlung ift das Eigenihaftswort ſehr häufig, 3. B.: „Der Sohn des dafigen Schul- meifters.“ ©. 451. „Ging in die dafige Stadtſchule.“ ©. 453 x.

4. „[Er] litt fogar Schiffbruch, wobei er fih auf einem Stüd Holz erhielt, biS die Bergeleute ihn retteten” ©. 447.

Die Zufammenfegung „Bergemann“ und die entjprechende Miehr- zahl „Bergeleute* ift weder in Grimm’s Wörterb. 1 Sp. 1, 1507 auf» geführt noh in dem von Sanders II ©. 223a. Diefer hat freilid ©. 227b gleih im Anfang, wo er von den Zufammenjegungen von „Mann“ fpricht, diefe als „unerſchöpflich“ bezeichnet und weiterhin aus- drüdlih gejagt: „Nah dem Vorftehenden . ... und nad den folgenden BZufammenjegungen, bei denen ein vorgejeßtes * das Vorkommen der Mehr- zahl auf „Leute“ (ſ. d. u. I16f)) mit einer Nüance bezeichnet, find analoge leicht zu bilden und zu verftehen, vgl. auch die von „Menſch“; aber meines Erachtens hätten doch grade die Zufammenjegungen Bergemann, Bergeleute als begriffsverjhieden von den in ihren verſchiedenen Be— deutungen aufgeführten und ausführlich beiprodenen Bergmann, Berg- leute nicht ftillfchweigend übergangen werden dürfen. !

Ich für mein Theil ſtimme Ihnen bierin unbedingt und volllommen bei und erfenne hiermit die dur das Überfehen und die Auslafjung der Zuſammenſetzung Bergemann (woran fih au 3. B. Bergemannſchaft flieht) und der Mehrzahl DBergeleute als eine tadelnswerthe und nachträglich auszufüllende Lüde an, vgl. in meinem Wörterb. I ©. 645 a, wo es unter den Zuſammenſetzungen des fächlihen Haupt- wortd Gut ummittelbar inter eimander beißt: Berg-Gut [5]: bergmännifch ges wonnenes Gut. Mattbefius Lehr. 205 b. Berge-Gut [6d und f.]: geborgenes Strandgut” und weiter I ©. 572c/3a: „Bergegelp: 1. Lohn für die Bergung ges firandeter Güter. 2. Geld an den Grundherrn der Küfte für die Verabfolgung der geborgenen Sciffsgüter“, vgl. auh II ©. 157a: „Berg(e)lohn: für dad Bergen geitrandeter Güter“ und ich möchte nicht nur, wie ſchon oben angedeutet, als weitern Nachtrag zu den Zufammenjegungen von „Mannfhaft“ (II S. 236b) hinzufügen : „Bergemannfhaft: die Mannicaft, die Geſammtſchaft der Bergeleute, d. h. der mit der Bergung geftrandeter Schiffe und Sciffsgüter Beihäftigten“, fondern aud noch zu

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5. „Sein ältefter Bruder Abel jhlug ſich inzwiſchen durd die Schul- nöthen durch.“ ©. 451, ſ. über die Doppelform der Mehrzahl von Noth (die Nöthe und die Nöthen) und Zufammenjegungen Sanders Wörterb. I ©. 447a ff. in Nr. 1d xc. und Ergänz.-Wörterb. ©. 373 a/b.

6. „Das Luthertfum fei ein leeres Lauenthum und Afterpapft- thum“ ©. 459 [als Ausſpruch des 1697 geftorbenen Geiftlihen Daniel Koh).

Bol. zu dem bervorgehobenen Wort Sanders Wörterb. II ©. 42 b/c unter lau II 3 (namentlih die dort angezogene Stelle aus der Offenb. %ob. 3, 16) und die in der Anmerkung mitgetheilten Fortbildungen. Das offenbar wortipielend im Anſchluſs an Lutherthum gebildete Lauenthum (im Sinne von Lauheit, Lauigkeit zc.) ift fchwerlih als ein wirklicher Beſtandtheil des deutihen Wortihages aufzufaffen und ich erblide in dem Fehlen diejes Wortes bei Sanders durchaus feine tadelnswerthe Lücke, aber eine gelegentlihe Erwähnung ſchien mir an diefer Stelle doch nicht ganz ungehörig.

Sehr geehrter Herr Profefjor!

Bielleiht findet fih für die vorftehenden kurzen Bemerkungen bald einmal ein Pläghen in Ihrer geſchätzten Zeitihrift, wodurd Sie zu Dant verpflichten würden

Ihren hochachtungsvoll ergebenften Pfarrer A. W. Ehrwürdiger Herr Pfarrer!

Aus dem ſofortigen unverkürzten Abdruck Ihrer ſehr werthvollen und willkommenen Bemerkungen, wie aus der beigefügten Fußanmerkung, werden Sie erſehen, wie ſehr dankbar ich Ihnen für die Zuſendung bin, ſo daſs ich kaum hinzuzufügen brauche, daſs Sie durch weitere ähnliche Beiträge, um die ich hierdurch bitte, mich und, wie ich wohl hinzu— fügen darf alle Leſer zu aufrichtigen Dank verpflichten werden.

Mit volltommmer Hochachtung Em. Hochehrwürden ergebenfter i Dan. Sanders. meinem Wörterb. 1 S. 116b, wo ih umter II bergen, in Nr. 1 gefagt babe: „See— männifch: die Güter eines verunglüdten Schiffes bergen: fie auffiſchen oder vom Strand in Sicherheit bringen... Dazu a) Berger, namentlich ſeemänniſch: Leute, die Büter eines Schiffes bergen“ ꝛc. ausbrüdlich hervorheben, dafs z. B. in Geeftädten in dieſem Sinne die Bezeichnung Bergemann umd für die Mehrzahl Bergeleute die im Bollamund üblichere ift, wie denn bier au Bergemann oft genug als Eigenname porfommt. Der Herausgeber.

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Bejahen und verneinen.

„Darf man Das wohl Schwärmerei nennen, wenn wir darüber in Entzüden gerathen?“ Alſo fragt der Profeffor und man muſs feine Frage bejaben und feinen guten Geſchmack anerkennen; denn das beigegebene Portrait Sakuntala’3 zeigt ein hübſches, lieblich-feines Huges Gefichtchen in der fnofpenhaft prangenden Anmuth der Jugend x. National-Zeitung 49, 131. (8. ©.)

Meiner Anfiht nah hätte Herr 8. ©. ftatt des hier von ihm ge braudten Zeitworts bejahen vielmehr gradezu den Gegenſatz davon, ver- neinen, wählen follen. Dan vergleihe in meinem Wörterb. III. ©. 1037b, wo ih unter ſchwärmen in Nr. 3 gefagt habe:

Jemandes Geift, Herz, Phantafie ꝛc. ſchwärmt: ergeht fi, begeiftert und außer fi, in ungezügeltem Schweifen den wirklihen Verhältniffen die bloß gedachten (idealen) unterfdiebend (vgl. Gedanke 2; 3), 3. B.: Ein- bildungstraft verlangt er [Shafejpeare], die jo gern | gefhäftig ſchwärmt, den Tag im Tag vergifit. Goethe 6, 242. So jhwärmt die franfe Phantafie | in Klärchen's fanfter, jhöner Seele | ftets janft und zärtlid. Wieland 10, 149 ꝛc.

Bon den zahlveihen Belegen hebe ih hier nur aus dem Abſchnitt a (ohne abhängige Verhältniffe) die folgenden heraus:

In den Lebensjahren, wo Schwärmen jo jhön, der Irrthum jo liebenswürdig ift, ſchon fo altklug. Börne Franzoſenfr. 5. Das Hervor- bringen eines Unbegriffenen und Unbegreiflihen durch freies Denken ift von je ber Schwärmen genannt worden. Fichte 7, 114. So ſchwärmt er denn einen Augenblid, wie es erlaubt ift, zu ſchwärmen, nicht finfter und ftolz, fondern froh und menjchenfreundlid ; denn aud die Schwärmerei gehört zu den Dingen, deren Art man an ihren Früchten erkennt. Forſter Stal. 2, 144 ... Daſs du jhaueft [f. d. 2b], nicht ſchwärmſt. Goethe 2, 296. Adelheid: „Verlaſs mich, Feiner Schwärmer!“ Franz: „Der ihwärmt, wer nit fühlt und ſchlägt mit feinem Flügel den leeren Raum.“ 34, 130. Die Phantafie, | die in den Streit fih mengt, macht Schwär- mer, | bei welchen bald der Kopf das Herz und bald das Herz | den Kopf mujs ipielen . . . Sie jhwärmt. „Allein jo fromm, jo liebenswürdig.“ Iſt doch auch geſchwärmt. Leifing Nath. 1, 1; 2. Ein junger Xaffe, | der immer nur an beiden Enden jhwärmt. 5, 5. Ihr jeid außer Eud. Die fang entbehrte Freiheit macht Euch jhwärmen. Schiller 425b. Das jentimentaliijhe Genie ift der Gefahr ausgejeßt, . . . fih nicht bloß ... über jede beftimmte und begrenzte Wirklichkeit hinweg zu der abjoluten

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Möglichkeit zu erheben oder zu idealiſieren, ſondern über die Mög— lichkeit noch hinauszugehen oder zu ſchwärmen. 1210b ꝛc.

Dieſe Belege, glaub' ich, genügen, man vergleiche dazu Weiteres unter den ſich anſchließenden Wörtern: Schwärmer, Schwärmerei, ſchwärmeriſch ıc.

Wenden wir uns nun, nach dem Vorſtehenden, zu dem an die Spitze dieſes kleinen Aufſatzes geſtellten Satze. Der ausgezeichnete Lehrer der Thierkunde an der Münchener Hochſchule Em. Selenfa bat in feinem gemeinfam mit feiner Gattin verfajsten auch in Bezug auf die Sprade vortrefflihen Werte eine begeifterte entzüdte Schilderung einer jungen von ihm Safuntala genannten Indianerin entworfen und er fragt nun: „Darf man Das wohl Schwärmerei nennen, wenn wir darüber in Ent: züfung gerathen?* und der das genannte Werk anzeigende Herr %. ©. will offenbar ihn von dem Vorwurf der Schwärmerei frei jprecdhen, indem er anerkennt, daſs die entzüdte Schilderung des Münchener Hochſchullehrers eine in den wirklihen Berhältniffen wohl begründete jei und daſs nicht etwa die Einbildungstraft des begeifterten Schilderers in ungezügeltem Schweifen der entzüdenden Wirklihfeit bloß etwas Ideales (Unwirkliches) untergefjhoben habe. Alſo, wie oben gejagt, nit bejahen, jondern ver- neinen mollte der das Buch Selenka's anzeigende Herr X. &., daſs das Entzüden des Berfaffers mit dem Namen einer Shwärmerei zu bezeichnen jei. Vgl. Zeitihr. IX ©. 19 Nr. 3; ©. 476/7 Nr. 1.

Kurze jpradliche Bemerkungen zu der am 27. Januar 1896 gehaltenen vortrefflihen Teitrede von Hans Pruß: „Die Begründung des preußiichen Heeres durch den Großen Kurfürften“,

National:Ztg. 49, 74 ff.

1. „Bier hat all das namenloje Elend feinen Urſprung genommen, das Friedrich Wilhelm im den erjten Jahren feiner Megierung zu erdrüden drohte.”

Der Hörer wird allerdings fih wohl jagen, dajs von den durd Sperrdrud hervorgehobenen Wörtern das bezüglihe Fürwort das als Subjekt im Nominativ, das darauf folgende Friedrich Wilhelm als Objekt im Wccufativ aufzufaffen ift; aber da bier Subjekt und Objekt beide, der Form nad, fomohl als Nominativ wie aud als Accufativ gelten fönnen, jo glaube id, würde doch eine Faſſung den Vorzug verdienen wie etwa: „das den jungen Rurfürften... zu erdrüden drohte“, ſ. Haupt- ſchwier. ©. 322b ff. unter Zmeideutigfeit 2 b.

a

2. Der unmittelbar darauf folgende Satz lautet:

„In einer Zeit, die in Waffen ftarrte, wurde die bequeme politifche Meisheit der Stände mit ihrer unbewaffneten Neutralität zu elender Selbftaufgabe, die nur zu ruhmloſem Untergang führen konnte.”

So weit ih jehe, ift der Ausdrud Selbftaufgabe in den bis- berigen Wörterbüchern nit aufgeführt, man fehe in meinem Wörterb. I ©. 550b/c, wo in Nr. 4 „die häufige übertragene Bedeutung” angegeben ift = etwas auffliegen, es fahren laffen und dann weiter in Nr. 5: Einem Etwas aufgeben zur Auflöjung geben, vorlegen... ., dann allgemein Einem eine auszuführende Arbeit geben, etwas zu Leiftendes auftragen ... und etwas weiterhin: Sich Etwas aufgeben: fi eine Aufgabe ftellen, wofür auf die Stelle aus Goethe 33, 166 als Beleg hingewieſen ift.

Ich erlaube mir, diefen Beleg bier folgen zu laffen:

„Er [Walter Scott] giebt fih auf, die Geſchichte feiner Zeit der- gejtalt vorzutragen, daſs er fi die Eindrüde, welde ihm die jedesmaligen Ereigniffe gemacht, wieder aufs genauefte vergegenwärtigt ꝛc.“

Dann aber heißt e8 bei mir weiter: „und mit zu ergänzendem Dativ, wobei man fih vor Verwehslung mit 4 hüte: Eine Arbeit aufgeben. Die aufgegebene Arbeit.“

Ich glaube, das Vorftehende wird genügendes Licht darauf werfen, warum das von Pruß gebraudte Selbftaufgabe in dem von ihm ge- meinten Sinne nit eben üblih ift, man vergleihe in meinem Wörterb. I S. 527b: Aufgabe (ſ. aud Ergänz.-Wörterb. ©. 217a), ferner ©.553b: Hingegebendeit; ©. 554a4: Aufgebung und Hingebung, wie aud I ©. 477c Auf: und Hinopferung, Selbftaufopferung ıc.

Wenn nun aber etwa die Leſer fragen, welchen Ausdrud Prutz meiner Anfiht nah für den von ihm gebraudten unüblihen Selbſtauf— gabe hätte jegen fönnen, jo würde id darauf antworten: Er hätte viel- leiht jagen fünnen: „zu elendem Aufgeben ihres eigenen Selbſt oder ihrer Selbftändigfeit oder ihres Fortbeſtehens oder Fortbes ſtandes ꝛc.“ oder auch: „zu einem elenden, kümmerlichen Schein- dafein zc.“, „zu einem elenden Berfümmern ac.“

Ich für mein Theil aber würde einen jhärfern Ausdruck vorziehen, wie etwa: „zu elender unmannbafter Selbſtvernichtung“ [j. mein Wörterb. II ©. 435 b].

Lieb würde es mir fein, wenn das Vorftehende in dem Kreife meiner Lejer zu weitern befjern Vorſchlägen die Anregung gäbe.

3. Aus der zweiten Hälfte der Nede (Mat.-Ztg. 49, 77) habe ich mir nur noch folgende Kleinigkeiten angezeichnet:

——

„Auf das nachdrücklichſte betont Pfuel, daſs er den Weg zu einer dauernden Waffnung zeigen wolle“ heute gewöhnlicher: Bewaffnung (. Ergänz⸗Wörterb. S. 597h), wie es denn weiterhin bei Prutz Heißt:

„Weit hinaus über das Maß, in dem Kurt Bertram v. Pfuel es für möglich gehalten, iſt der ihm [dem Kurfürſten) vorſchwebende große Gedanke der Volksbewaffnung durch die allgemeine Wehrpflicht zum militäriſchen und zum politiſchen Lebensprinzip Preußen's erſt und dann Deutſchland's geworden.” —, in redneriſcher Stellung, wofür es in minder gehobener Sprade gewöhnlicher etwa heißen würde: „zuerjt Preußen's und dann Deutihland’s*. Im Borübergehen mag auch noch die Zufammen- fegung erwähnt fein: „An der Spike feines waffenftarfen, aber fried- fertigen Volkes“, wie ih in meinem Wörterb. III ©. 1180a aus Meifner’s Gedichten den Beleg angeführt habe: „Mit waffenftarfen Armen ꝛc.“

Auf der Landitraße,

Eine Erzählung aus dem Thüringer Wald v. 8. Trinius (Illuſtr. Zeitung Nr. 2732/38, S. 577 ff.).

Kurze jprahlihe Bemerkungen.

1. ©. 577b: „Bon dort kommt's [dev Rodruf]l . .. Dort lang führt auh mein Weg“ etwa im Sinne von entlang, vgl. Ergänz.- Wörterb. S. 330a unter lang, wo es unter „3. adv. a.“ heißt:

Mit „6 Pferden lang“ [der Yänge nad lang angeſpannt) fahren. Gutzkow Ellr. 2, 316. Bier (=) lang fahren. Moltte Ruſsl. 111. Deutſch. Mujeum 15, 2, 491 zc.; ferner (berlin.), wie in Meklög. 2c.: Wo kommen Sie denn lang [= der, vgl. entlang]? Kladder. 323b, woran fi der Beleg aus Thüringen anreiht.

2. ©. 577b: „Da und dort ragten bemooste Felskanzeln [vgl. Felſenkanzel Ergänz.-Wörterb. S. 294 b] hervor, ſchmale Bächlein ſuchten ſich gludernd [ebd. ©. 322u] durch Laub und Geſträuch ihren Weg zu Thal,“ vgl. ©. 579a: „Neue Duelladern fprudelten heran; ein Rinnen und verftohlenes Gludjen drang aus dem Didi.“

3. ©. 577b: „Als ih nun den Jauchzer hörte, da jauchzt' id mit,“ ſ. Wörterb. 1 ©. 836a—c; 841c/2a; Ergänz.-Wörterb. ©. 288b.

4. ©. 578c: „Diefes Errathen und Erlaufhen, das ihm ihr Wejen aufgab, fteigerte nur noch mehr jeine Theilnahme für fie”, wo (jtreng genommen) das mehr überjhüffig ift, da in dem Zeitwort fteigern ſchon der Begriff des höhern Grades (oder Komparativs) liegt.

24

5. ©. 5780: „Ich fühle mich glücklich heute ſelten glücklich,“ vgl. über dies Adverb im Sinne von „in ſeltnem Maße“ ꝛc. Zeitſchr. IX ©. 132 Nr. 33 u. ö., unzweideutig: glüdli wie (fonft) felten; unge wöhnlih glücklich ꝛc.

6. S. 579 a: „Bor ihnen öffnete ſich ein maleriſch eingeſchluchtetes Thal,” eine Zuſammenſetzung von ſchluchten (ſ. Wörterb. III ©. 964a; Ergänz.-Wörterb. S. 453c, meift wie hier nur im Mittelmort vorfommend) die, wie in allen bisherigen Wörterbüchern, auch bei mir noch nachzutragen wäre.

7. ©. 579a: „Nur ein Hahn jritt, gefolgt von einer Anzahl Hennen, würdevoll auf und nieder“, f. über dies vielgetadelte und haupt: fählih dem franzöſiſchen suivi de nachgebildete Barticip, das ſich aber bei unjern beften und muftergültigften Schriftftellern findet, in gebrängter Kürze Hauptſchwier. S. 152b/3a.

Ich babe die Stelle von Trinius bier nur angeführt, um an einem Beifpiel zu zeigen, wie fih das allerdings nicht ganz ftreng richtige ge- folgt vermeiden läfft, vgl.: „hinter ſich eine Anzahl von Hennen“ oder: „an der Spike einer Anzahl von Hennen.“ ꝛc.

8. Nr. 2733 ©. 6lla: „Draußen wob der Mittagszauber eines goldenen Herbjttages,“ vgl. als intr, wofür im Allgemeinen die ſchwach— formige Abwandlung die üblihere (aber wie diejer Beleg zeigt doch nicht die ausihließlihe) ift, mein Wörterb. IT S. 1501c/2a (unter II weben Nr. 1 und Nr. 2 und Hauptihwier. ©. 327a).

9. ebd. „Am nädften Oftern,“ f. über Gejhleht und Zahl von Ditern Wörterb. II ©. 487 a.

10. ©. 6110: „Oben haben Sie aud) die Sonne wieder. Es geht ſich heute ſchön,“ ſ. hierzu Hauptihiwier. S. 236 b unter „Nefleriva” Nr. 3.

11. ©. 612b: „Es überflog mid ein plößlihes Froftihütteln,“ vgl. Wörterb. III S. 1027c (unter fhütteln 2 f.): Das ‘Fieber, ber Froft jhüttelt Einen... Wie Fieberjhütteln hat es mich gepadt. FreiligratÖ ꝛc. und vgl. I ©. 503c/4a in umgefehrter Folge der bie BZufammenfegung bildenden Theile, als männlihe Hauptwörter: der yieber- froft, Schüttelfroft xc.

12. ©. 612c: „Eher wie fonft verließ er uns“ ftatt: eher als ſonſt, ſ. hierüber Hauptihiwier. S. 306b Nr. 5 unter dem Titel fopf „VBergleihendes als und wie" und in ben abecelihen Inhaltsver⸗ zeichnifien (unter wie und als) an zahlreichen Stellen.

u.

Zu der ſprichwörtlichen Redensart: „Hunde nad Bautzen tragen“.

Über diefe Medensart habe ih in meinem Wörterbuh I S. 803a unter Hund lc gelagt:

Hunde tragen, führen müffen: früher entehrende Strafe (ſ. Goethe 24, 187), daher noch: in der verädtlichiten Yage, ganz beruntergefommen jein, zuweilen: nah Bauzen (j. d.), wo dann aber die Redensart auch in dem Sinne gilt: Waffer ins Meer tragen ac.

Ich laffe num zunähft die angezogene Stelle aus Goethe (in dem 2. Theil feiner „italiänifchen Reiſe“, in dem Abſchnitt: „Zweiter Aufent- halt in Rom“, im 8. Hauptftüd: „Philipp Neri. Der humoriſtiſche Heilige“) folgen. Dort ſchreibt Goethe:

„Auh ward ihm [Philipp Neri] eine entſchiedene Anziehungsgabe, welche auszudrüden die Italiäner fih des ſchönen Wortes attrativa be- dienen, kräftig verliehen, die ſich nicht allein auf Menſchen erftredte, jondern auch auf Thiere. ALS Beijpiel wird erzählt, daj8 der Hund eines Freundes fib ihm angeſchloſſen und durchaus gefolgt jei, aud bei dem erften Beſitzer, der ihn lebhaft zurüdgemwüniht und durch manderlei Mittelhen wieder zu gewinnen getradhtet, auf feine Weife verbleiben wollen, ſondern ſich immer zu dem anziehenden Manne zurüdbegeben, fih niemals von ihm getrennt, vielmehr zulegt nah mehreren Jahren in dem Schlafzimmer jeines erwähnten Herrn das Leben geendet habe. Dieſes Geihöpf ver- anlafjt uns nun auf jene Prüfungen, zu denen es jelbft Gelegenheit gegeben, zurüdzufommen. Es iſt befannt, dajs Humdeführen, Hundetragen im Mittelalter überhaupt, und wahrjcheinlih auch in Rom höchſt ſchimpflich gewefen. In diefer Nüdjiht pflegte der fromme Mann jenes Thier an einer Kette durch die Stadt zu führen; auch mufsten feine Schüler das— jelbe auf den Armen durh die Straßen tragen und fih auf diefe Weije dem Gelädter und Spott der Menge preisgeben zc.“

Hieran möge fih eine Stelle aus dem gar zu weitjchweifigen fünf- bändigen „Deutſchen Sprihwörter-Leriton“ von Karl Friedr. Wilh. Wander reihen, der auffälligerweiie die Medensart: „Hunde nah Baugen führen“ weder im erften Bande unter Bautzen (Sp. 285), noch im zweiten (Sp. 818— 898 Nr. 1— 1769), nod in dem fünften (die Nachträge enthaltenden) Bande (Sp. 1452 —1456, Nr. 1770 -1889) unter Hunde aufführt. Dagegen findet fih im zweiten Bande Sp. 895 Nr. 1699 die jprid- wörtlide Redensart:

„Ich wollte lieber Hunde führen als Dies oder Jenes thun“ mit der hinzugefügten Erklärung: ‚So hört man in unſerer Gegend‘, jagt

36—

J. F. Wenz in Frankenthal, ſich öfters Leute ausdrücken, wenn fie der Unmuth anwandelt oder wenn ihnen ſonſt etwas Unfreundliches begegnet“ und dann wird weitläufig erzählt, welche Strafe Kaiſer Friedrich der Rothbart über Hermann, den Pfalzgrafen, in Italien verhängt. Hier genügt es, das Folgende herzuſetzen:

„So wurde ſchon in Italien über den Pfalzgrafen Hermann die Reichsacht ausgeſprochen, weil er landfriedensbrüchig geworden war und es gewagt hatte, Aufruhr, Empörung und Krieg anzuzetteln. Seine Strafe, die er ſpäter erleiden mujste, war folgende: Er und noch 10 andere Grafen am Rhein, feine Mitgenoffen, muisten ein jeder einen grindigen Hund bis Speier auf den Markt tragen; die Hunde mujsten auf dem ganzen Wege dahin bellen und wurden für diefen Zweck von ben fie be— gleitenden Gerichtsdienern von Zeit zu Zeit gezwidt. Aber nur diefen Edeln war die Strafe, einen Hund zu tragen, auferlegt, den nicht edeln Leuten wurde ein Stuhl an den Hals gehängt als Zeichen der Leibeigen- ſchaft und Unterthänigfeit.“

Dann folgen noch geſchichtliche Belege dazu.

In der gleih zu Anfang angeführten Stelle aus meinem Wörterb. babe ih aub auf Bauzen bingewiefen, wozu ih aus meinem Wörterb. I ©. 91a hier Folgendes aushebe:

„I Bau! interj., namentlih Hundegebell und Lärm von Schieß— gewehren nahahmend, ſ. baff!; bauz! zc.: Bau! er ftürzt. Goethe 34, 83" und weiter ©. 1016:

„Bauz! interj.: bardauz! (ſ. d. m. IT Bau)... .“ mit der Anm.: „In der Volksſprache auch bauzen intr. (haben): lärmend ihlagen, ſchlagend hinfallen (Er ift hingebauzt ac.), bellen, j. d. S. 113c/4a] und vgl. bums! im Wortipiel: Hunde nah Bauzen tragen Eulen nad Athen, Waffer ins Meer.”

Man vergleihe auch in dem hauptfählih von meinem leider im vorigen Fahre dahingejhiedenen Freunde Prof. Villatte ausgearbeiteten deutſch⸗franzöſiſchen Theil des „encyklopädiſchen franzöfiihen Wörterbuchs“ von Sachs Villatte (Berlin, Langenſcheidt) I S. 201 b/e, wo e8 heißt:

„Bautzen . . . göogr. id. m., Budissin m., pro.: Hunde nad tragen (Wortipiel mit bauzen 1) faire des choses inutiles.“

Aber grade in Bezug hierauf ift mir in Berüdfihtigung des Umftandes, dajs ih als Gegenftüd zu der vortrefflihen Arbeit meines Freundes Billatte die Ausarbeitung des deutihen Theils zu dem encyk— lopädiſchen engliihen Wörterbuß von Prof. Muret (gleihjalls Berlin, Langenſcheidt) übernommen habe, aus Dresden eine Mittheilung zugelommen, wonah in Sachſen die ſprichwörtliche Redensart:

Hunde nach Bautzen führen hauptſächlich die Bedeutung haben ſoll: „bei Erfüllung einer übernommnen Pflicht noch Geld zuſetzen“. Zur Begründung war hinzugefügt: „Das Hundeführen ſtammt aus der Zeit, wo die Jagdhunde nach Bautzen geführt werden muſsten, und zwar vom Meißener Biſchofsſitze her über Dresden.“

Aber hiermit vergleiche man aus dem von mir hier in der Zeit— ſchrift wiederholt empfohlenen und nicht genug zu empfehlenden Werke meines verehrten Freundes und Mitarbeiters Dr. H. Schrader: „Der Bilderſchmuck der deutſchen Sprache“ (2. Aufl. 1894) ©. 160/1, woraus ih Folgendes herſetze:

„Hunde tragen gehört zu den ſymboliſchen Strafen. Die Miffe- thäter (jagt Götzinger) mujsten in demüthigendem Anzug, ein Zeichen der verwirkten Strafe auf ihrem Hals oder Nüden tragend, vor ihrem Herrn erſcheinen und eine vorgejchriebene Strede, gewöhnlich bis zur Grenze bes Baus, durhmwandern. Edle und Freie trugen ein bloßes Schwert, Unfreie den Strang um ihren Hals zum Symbol, dafs fie verdient hätten, ent: hauptet oder gehangen zu werden. Miffethäter trugen auch Ruthen oder Beien in der Hand zum Beiden des verwirften Staupenſchlags. Edle Verbrecher trugen Hunde, um anzudeuten. daſs fie werth wären, gleich einem Hunde erihlagen und aufgehängt, an der Seite eines Hundes auf: gehängt zu werden (wel Letzteres als eine Erjhwerung diefer Todesſtrafe und als niedrigfte Beihimpfung galt). Daher: er muſs Hunde tragen, führen, d. h. er ift in der verädtlichften Page, ift ganz heruntergefommen. Häufig wird ein Ortsname beigefügt, in Franken: bis Buſchendorf, im Elſaſs nah Lenkebach; am befanntejten: bis Baugen. Diefer Ortsname joll aber nur die Gaugrenze bezeihnen. Man bedarf daher nit noch einer andern Erklärung über den Ort; eine jolde verwirrt vielmehr den flaren Sinn . . . Heut zu Tage bedeutet dieje Nedensart auch: etwas Überflüffiges thun (als Habe Baugen Hunde ſchon übergenug), Waffer ins Meer, Eulen nah Athen tragen... Man hat das Wort dur die Annahme deuten wollen, dafs einige Wendendörfer bei Bauen Jagdhunde für ihre Yandesherren verpflegen und bei den landesherrlichen Jagden die Hunde nah Baugen führen mufsten. Und weil Das ein bejchmwerliches Geihäft war, jo entitand daraus die Medensart. Richtig ift diefer Deutungs- verjuch keinesfalls.“

Ob die Redensart in Sachſen wirklich im Volksmund die Bedeutung bat: „bei einem Geſchäft zc. noch Geld zufegen“, kann ih bier in Alt- ftrelig nicht jagen, und ſächſiſche Yejer meiner Zeitihrift würden mid zu Dant verpflichten, wenn fie mir darüber zuverläffige Auskunft geben wollten, wodurch id mich veranlafit jehen fönnte, den in der Handſchrift des

zweiten Theils von Muret ſtehenden einigermaßen entſprechenden engliſchen Wendungen:

a. to go to the dogs;

b. to carry coals to Newcastle noch etwa binzuzufügen:

c. to come off a looser (or to prove out of pocket) by a business.

Ein kurzer Brief aus Weitfalen an den Herausgeber nebjt defien Antwort. Sehr verehrter Herr Brofeffor!

Nah Kuno Fiſcher's eben geſammelt erſchienenen „Kritifchen Streifzügen wider die Unfritif“ (Heidelberg, C. Winter, 1896. 8°. 175 ©.) ©. 58 foll Leſſing gejagt haben: „Meinen Fauſt holt der Teufel, ih will Goethe's feinen holen!“ Und ©. 83 ſchreibt Fiſcher jeldft: Man bat „den erften beiten Johann Fauſt, der um die gleiche Zeit auf dem Büchermarkt erihien, für Leſſing's feinen angejehen.“

ft denn die bier zweimal gebraudte Verbindung des zueignenden Fürwortes mit dem Hauptworte, die uns im Miederdeutjchen jo geläufig ift, im Hochdeutſchen auh nur erlaubt? Ich babe bisher das Gegen: theil geglaubt und bitte um gefällige Aufklärung durch Ihr Blatt.

Hochachtungsvoll ergebenft MN.

Sehr geehrter Herr!

Die von Ihnen gewünſchte Antwort finden Sie in meinem Wörter: dub III S. 1070c mit zahlreihen Belegftellen und daraus in etwas fürzerer Faſſung in meinen Hauptihwier. ©. 70a unter dem Xiteltopf: „Befiganzeigende Fürwörter“ Nr. de. Es heißt dort:

„Die Fürwörter der 3. Berfon ftehen, namentlich in der Volksſprache, zuweilen pleonaftiih neben dem befiganzeigenden Genitiv... .: In ber Brinzeffin ihr Sommerlofier. Bürger Ida. Meines Herrn fein Vieh. Gellert 1, 260. Des Teufels fein Gepäd. Goethe 9, 124. Keller- meifter: Der auf des Friedrichs feine Königsfrönung | vom Meifter Wilhelm ift verfertigt worden. Schiller 352b. Vierter Bedienter: Ich mad mir an des Illo feinem Stuhl | deſswegen auch zu thun. 353b, Auf der Fortuna ihrem Schiff | ift Er zu fegeln im Begriff 324a. [Sie mögen ung Alle nit | und fähen des Teufels jein Angefiht | weit lieber als unfre gelben Kolfetter. 327 a]; auch (vgl. 2, Schluſs: gehören) mit

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Dativ ftatt Genitiv: Für meinem Feldwebel ſeine Frau. Auerbach Dorf⸗ geſchichten 1, 24; 272. Dem fein Gequicks. 513. Dem König von Garba jeine Braut. Goethe 6, 65. [Da ift dem Kerl fein Pla zu beten. | Es thut mir in den Augen meh, | wenn ic dem Narren jeinen Herrgott ſeh. 7, 183. Gegen Dem jeine Weisheit. Leſſing 3, 41; 11, 175 und andre Stellen in meinem Wörterb.) Auch (ſ. 5a) hinterm Genitiv ohne neben- jtehendes Hauptwort als Erſatz eines jolden, 3. B.: Ihre Gewalt wie des . Zeitgeifts feine. Jean Paul 36, 29 wie die Gewalt oder: wie die des Zeitgeiftes ꝛc. Er reichte ihm die Hand, drüdte des Emirs feine. Wieland 7, 54, vgl. Derjenige 2 und Sächſiſcher Genitiv 5b.“

Sie jehen aus dem Vorftehenden wohl, dafs der von Ihnen und wie ich aus vielfahen ähnlichen Anfragen weiß von Bielen als ausſchließlich niederdeutſch angeſehene Gebrauch durchaus nicht auf das Niederdeutiche beſchränkt iſt, ſondern ſich bei vielen unſer beſten und anerkannteſten Schrift- jteller findet, aber doch im Allgemeinen nicht, wo dieſe ſich in dem Ton der edeln Schriftſprache, ſondern in dem der Volksſprache bewegen; und ſo kann ich denn zum Schluſs Ihnen nicht ganz Unrecht geben, wenn Sie andeuten, daſs Kuno Fiſcher in dem zweiten von Ihnen angeführten Satz fi dem Ton der eigentlihen Schriftipradhe angemeffener ausgedrüdt haben würde etwa in der Faffung:

„Man hat den erjten beften Johann Fauſt ... . für Leſſing's Fauft oder: für den Leſſing's angeſehen.“

Ihr hochachtungsvoll ergebener Dan. Sanders.

Mutterchens neues Kleid.

(Zur guten Stunde 8, 875 ff.) Bon 9. v. Kablenberg.

Einzelnes Spradlihe mit Hinweifen auf Sanders Wörterbuch.

1. Wir Kinder konnten nicht beten vor lauter Gaffen und die großen Weiber nit vor lauter Geſpreiztheit S.875a, ſ. Wörterb. III ©. 1150b.

2. Es ift nur wegen dem Geld. ©. 875b, ſ. ebd. ©. 1513c Nr. 2.

3. Die alte Jähnſchen erflärte jehr laut: Wien leibhaftiger Engel Gottes, jo fein und jhön fieht unfere Frau Paſtern |Paftorin] aus mang [unter, j. Wörterb. II S. 322b] die olfen Taterſchen [dem alten Zigeunerinnen, ſ. Wörterb. II ©. 1287c unter „Tartar“] mit ihre uff- gewidsten [aufgewidsten, i. Wörterb. II S. 1593 Nr. 2] Feinheit ausm Wrudenader [f. Wörterb. II S. 1666b)].

4. Alle Leute Shluhzten, fogar ganz große Yungens |j. Wörterb. I ©. 844c]... und große Jungens heulen ſ. Wörterb. I ©. 757a und UI ©. 1536 c] doch befanntlic nie.

Angermünde. Frau D. WW...

Bereinzelte beim Leſen niedergeichriebene Bemerkungen.

1. Ahnungslos a. mit Genitiv,

„Solde Aufzeihnungen, die ahnungslos einer fünftigen Veröffent- lihung geihrieben wurden.” Gegenwart 45, 87b (Hieronymus Lorm). Ahnungslos mit abhängigem Genitiv findet fih 3. B. aud in meinem Wörterb. II S. 161a belegt und ift an und für ſich tadellos; aber hier hieße es doch beſſer aufgelöft: „ohne Ahnung einer fünftigen Veröffent- lichung“, was ſprachrichtig nicht nothwendig auf das Gubjeft die (d. 5. die Aufzeihnungen) bezogen werden muſs, jondern aud auf die Aufzeich— nenden oder die Briefjchreiber bezogen werden fann.

2. Hurdel m.

„Mir war, als hätte ih einen Hurdel Wölfe vor einem Löwen fliehen ſehen.“ Rud. Lindau (Über Land und Meer Bo. 71 ©. 4706). Das bervorgehobene Wort, das, wie in meinem Wörterb., jo aud in deſſen Ergänzung fi nicht findet, ift mir, fo weit meine Erinnerung veidt, bier zum erften Mal aufgeftoßen. Der Sinn ift Har = Rudel; doch mwage ich nicht, zu enticheiden, ob das Wort mit Nudel oder vielleiht mit Horde zujammenhängt, vgl. über beide Wörter 3.8. aud Kluge Etymol. Wörterb. (4. Aufl.) S. 147b und ©. 285.

3. Nicht ... als vielmehr.

„Herr Sadi Carnot werde ſich nicht unter den Präſidentſchafts— fandidaten befinden ... ., und zwar nicht aus Überdrufs an der Megier- ungsgewalt und den herrichenden wenig erfreulichen parlamentarifchen Zuftänden als vielmehr, um ein Beifpiel für die demokratiſch-republikaniſche Negel zu liefern ꝛc.“ Nat.:Ztg. 47, 309. Hier ift wohl hinter dem „nit“ ein „ſowohl“ weggeblieben, ſei es durch Schuld des Schreibers oder des Setzers.

4. Obliegen. „Um fo eifriger obliegt fie nun nad Feierabend diefem Ehrenamt.”

Über Land und Meer. Bd. 71 ©. 7b ftatt des richtigen: . . . liegt fie diefem Ehrenamt ob, j. Hauptihwier. ©. 220a ꝛc.

= 31

5. Verwechslung eines dem Infinitiv gleichlautenden Infinitivs mit dem wirfliden Infinitiv,

„Er bedauerte, an der Berbreitung des Memorandums nicht baben mitwirfen zu können.“ Nat.-Ztg. 47, 310, wo zu vor fönnen wirflid ein Infinitiv jei, nicht bloß ein dem Infinitiv gleihlautendes Barticip. Spradrihtig, aber freilich fteif und unbeholfen, würde der Schlujs etwa lauten müffen: nit mitwirken gefonnt zu haben, oder gefügiger und empfehlenswerther hätte ftatt des von bedauern abhängigen verfürzten Sapes ein Infinitiv mit „zu“ ein unverfürzter, eingeleitet mit „daſs“, gelegt werden follen: „Er bedauerte, dajs er... .. nicht habe mitwirken fönnen“, ſ. meine Schrift: „Satzbau und Wortfolge” 8 26, und viel- fah bier in der Zeitichrift.

6. Abſolutes Particip oder Eigenſchaftswort.

„zZühtig in den exakten Wiffenihaften ift die Politik nicht feine Stärke.“ Nat.-Ztg. 47, 310, wo jprahwidrig das hervorgehobene (allein ftehende) tücht ig fih nicht auf das Subjeft des Sakes (die Politik) beziehen joll, fondern auf das in dem befikanzeigenden feine ftedende per- fönlide Fürwort er, vgl. richtig 3. B.: „Er ift tüchtig in den eraften Wiffenihaften, aber die Politik ift nicht feine Stärke” oder U. m.

1. Er.

„[Da] dedte feiner grauer Nebel den Himmel. Allgemad aber, als wir ſachte zum Mheinsberger Thor hinaus wanderten, vorbei an der Löwen— apotbefe, bei dem Einem ummiderftehlih Theodor Fontane einfällt, wenn man jonft noch nicht feiner gedacht hat, löste er ſich in filbrige Schleier und bläulihen Dunft auf ꝛc.“ Nat.-Ztg. 47, Sonntagsbeilage Nr. 20 (G. Yenz).

Der Scriftiteller hat hier den Leſern doch etwas viel zugemutbet, wenn fie bei dem von mir durch Sperrdrud hervorgehobenen er an das weit davon entfernt (gleih am Anfang des Sakes ftehende) Nebel denken follen, viele werden im erſten Wugenblid an das weit näher liegende Theodor Fontane denten. In derartigen Fällen thut der Schriftfteller Recht, das gemeinte Wort zu wiederholen, aljo bier: „löste der Nebel fi 2c.“ oder, wenn er die Wiederholung vermeiden will, etwa: „löste der graue Dunft fi zc.“

8. Erihöpfen. „Ich bewundere und beneide jene Menſchen, welde die Fähigkeit des ‚Beiprechens‘ jo hoch entwidelt haben, dais fie alle Tage über ein neues dreibändiges Werk ein ‚erihöpfendes‘ Urtheil zu geben wiffen. Mein

2

Urtheil erſchöpft leider zu ſchnell, und zwar ſinkt die Kraft mit der Fülle des ſich bietenden Neuen.“ Gegenwart 45, 105b (Kornelius Gurlitt).

Das Wortſpiel, das hier doch wohl mit dem „erſchöpfenden Urtheil“ getrieben wird, ift wenigſtens mir nicht Mar. Das erſte Mal iſt „ein erihöpfendes Urtheil” ein ſolches, welches das zu beipredende Werk er- ſchöpft oder doch erihöpfen zu fünnen vermeint; wenn es dann aber weiter beißt: „Mein Urtbeil erichöpft leider zu ſchnell“, jo will fih ber Bf, wenn ih ihn vecht verftehe, doch wohl im jpottenden Gegenfinn darüber beflagen, dajs feine Kraft zu einem jo jchnell erſchöpfenden Urtheil nicht ausreiht,; aber fann Das mit den Worten ausgebrüdt werden: „Mein Urtheil erſchöpft leider zu ſchnell“? Sollte es nicht etwa heißen: „Mein Urtheil ift leider eher erihöpft, als dajs es ein dreibändiges Werk in jo furzer Zeit hätte erfhöpfen können“ ?

9. Nächſther.

„Anna ift die Stieftodhter des reihften ..... Bauern... .; nädft: her bat jie in der Stadt feine Penfionserziehung genoffen ꝛc.“ Gegen: wart 45, 110b.

Dem hervorgehobenen Worte bin ih jo weit ich mid) erinnere bier zum erften Mal begegnet. Es ift daher eine bloße Vermuthung von mir, daſs es etwa fo viel jagen joll wie: „ferner, weiter, auch ꝛc.“; aber fann das Wort feiner Zuſammenſetzung nad diefen Sinn ausdrüden? oder ift es vielleicht jogar irgend wo im deutichen Vaterlande in diejem Sinne üblich?

10. Brauden.

„Perfönlichkeiten, deren Angriffe das Publitum glaubt fi nicht ge- fallen lajjen zu brauchen.“ Nat.-Ztg. 47, 332, wo der von zu brauden abhängige Infinitiv lajjen ohne zu fteht (j. Hauptihmwier. ©. 84b), und allerdings ift der Zufammenftoß zweier unmittetbar auf einander folgender Anfinitive mit zu bart: „Deren Angriff das Publitum glaubt fih nicht gefallen zu laffen zu brauchen“; aber jorgfältige Schriftiteller vermeiden diefen Miſsſtand dadurd, dajs fie ftatt des hier von glaubt abhängigen Anfinitivs mit zu (zu brauchen) einen mit dafs eingeleiteten Saß jegen, aljo: „Perfünlichkeiten, von denen das Publiftum glaubt, daſs es fi deren Angriffe nicht gefallen zu laffen braucht“.

11, Abſcheu f. „Auf diefem Gebiet können wir allerdings Mandes von der münd- lichen Rede lernen; vor Allem die Abſcheu vor den umfangreichen Perioden, wie fie der Kanzleiftil baut ꝛc.“ Otto Behaghel, Sprachgebrauch und

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Sprachrichtigkeit (in den „Wiſſenſchaftlichen Beiheften zur Zeitſchrift des Allgem. deutſchen Sprachvereins“ 1894, Heft VI ©. 27), vgl. mein Wörter: buch III ©. 911b, wo Abſcheu als männlides Hauptwort mit zahlreichen Belegen aufgeführt ift, am Schlujs mit dem Zuſatz: Veraltet auch fem. mit Hinweis auf drei Belegftellen aus Zeien, Mathefius und Opik, die aber doch für den allgemeinen Spradgebrauh heute füglih nicht maß- gebend jein können.

12. Merks.

„Dann haben die Magyaren ein Merfs erhalten... . Die liberale Partei hat gezeigt, dafs fie nicht gefonnen ift, fih ein Merks‘ ertheilen zur laſſen.“ Nat.-Ztg. 47, 339, vgl. mein Wörterb. II ©. 296a und Ergänz.- Wörterb. ©. 354b, wo (wie in Schmeller’s bair. Wörterb. II ©. 619) Merks nur als männlides Hauptwort aufgeführt ift, auch in der hier vorliegenden Bedeutung Schlag als Erinnerungszeihen, Dentzettel. In der obigen Stelle aus der Nat.-Ztg. ſteht es zweimal als ſächliches Hauptwort, vgl. in meinem CErgänz.-Wörterb. die Stelle aus Holtei: „Geben Sie ihr einen gehörigen Tölpelmerks in den Pudel!” mit dem erflärenden Zuſatz von mir: eigentlich Imperativ: Tölpel, merts! wonach fi auch das jählihe Geſchlecht einigermaßen wird rechtfertigen laſſen.

13. Geijter: oder Geſpenſterſtunde.

Zu der bier in der Zeitihrift (f. IX ©. 241 ff.) wiederholt er: örterten Frage führe ih aus der Nat.-Ztg. 47, 341 das Folgende an: „Wenn es anders wo vom Thurm °/, auf Geſpenſterſtunde ſchlägt, ift es hier [in Italien jehr profaiih bald 24 Uhr.“

14. Zufammenftok von Berhältniswörtern; Fügung nad dem Sinn.

„Das die Wohnhäufer nicht ausſchließlich Spekulationsobjekte in der Hand des Kapitals mit von ihnen eingefegten und jcheinbar als Befiger geltenden Haustyrannen werden.” Gegenw. 45, 134c (Kornelius Burlitt). In den bervorgehobenen Wörtern beachte man außer dem harten Zujammenftoß der beiden Verhältniswörter mit von aud die Mehrzahl ihnen, in finngemäßer Fügung bezogen auf die Einzahl Kapital (im Sinne von Rapitalijten).

15. Appofition,

„Er hatte nur noch eine einzige, bedeutend jüngere Schweiter ein wunderſchönes, zartes Kind, der [ftatt: den) Stolz der Eltern, die ꝛc.“ Gartenlaube 42, 14a. (Marie Bernhard.)

Bettjchrift f. deutiche Sprade. X. Jahrg. 3

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16. Koſtgängern.

„Dafür [wurde] an den koſtgängernden Studenten unſchön sr fnaufert.“ Nat.-Ztg. 47. 346 (Cajus Möller).

Das in meinen Wörterbühern noch nit aufgeführte zielloje Zeit: wort foftgängern in dem Sinne: „ein Koftgänger ein, bei Semand in die Koft geben, von ihm beföftigt werden ꝛc.“ ſei bier nadgetragen und auf das entiprehend gebildete jpaziergängern bingewiejen, das durd die Vorfilbe er- zum zielenden Zeitwort wird in dem (in meinem Wörter: buh I ©. 536c) angeführten jherzhaften Belege aus Ymmermann: „Was will fo ein Ding erfpaziergängern und erweltfahren?“ Man fieht auch an bdiefem Beiſpiele, wie fih in unferer bildfamen Mutterjprace derartige Wörter in unerihöpfliher Anzahl bilden laffen, von denen man nur in der von mir gewählten zufammenfaffenden Anordnung einige Broben zu bieten Gelegenheit findet, wobei man die Ergänzung nah ühnlichkeit dem Nachſchlagenden wohl überlaffen darf, während die rein abecelidhe Auf: führung vollftändig im Stich läfft. Ich benuge die Gelegenheit, um hier auf eine andere Fortbildung von Koftgänger hinzumweifen. Das Koft- gängerthbum, Daheim 28, 719c, vgl.: die Kojtgängerjhaft und (in meinem Ergänz.-Wörterb.): die Koftgängerei, wie auf das Eigenjdafts- wort: foftgängeriid, u. a. m.

17. Anwurf m.

„Die Wiener Glafergenofjenihaft veröffentlicht folgende Erklärung: Syn der Bevölterung Wien's herrſcht allgemein die Anſicht, dajs die Glajer- meiſter die Hagelfataftrophe, die Wien betroffen, in infoulanter Weife zu ihrem Vortheil ausnügen, weil jelbe den koloſſalen Schaden an Glastafeln mit einer bedeutenden Preiserhöhung herftellen. Die Glajermeifter Wien’s müffen jedod diefen Anwurf als vollfommen ungereht zurückweiſen“ j. mein Ergänz-Wörterd. S. 658a, wo ih unter Anwurf in Nr. 6 die, wie im Grimm'ſchen Wörterb., auch nod in meinem eigenen fehlende Bedeutung nahgetragen: „— Vorwurf 2, Tadel“ mit je einem Beleg aus der „Gegenwart“ und der „Roman-Ztg.“, wozu id mir noch einen weitern öfterreihiihen aus der Zeitihrift: „Vom Fels zum Meer” angemerkt und jet den bier mitgetheilten. Für die Aufnahme in die allgemeine deutſche Schriftſprache aber kann ih das Wort in diefer Bedeutung nicht empfehlen, da wir in dem allgemein üblihen Vorwurf ſchon eine volltommen aus— reihende Bezeihnung haben für Das „was man Einem tadelnd vorwirft“ (f. mein Wörterb. Ill ©. 1679a), woneben id (j. ebd.) die früher häufige und 3. B. noch bei Goethe, Leſſing, Schiller, Schlegel, Tieck, Wieland u. 4.

BE

vorfommende Anwendung von Vorwurf im Sinne von „Objekt, Gegen- ftand der Betrachtung, geiftigen Beihäftigung, Fünftleriihen Behandlung“ in meinem Wörterbuh als veraltend bezeichnet habe.

‚18. Nominativ jtatt Accuſativ.

„Das im Befit der gefammten Menſchheit befindlide Diamanten- und Brillantenmaterial wird von Sadfundigen auf faum hundert Gentner geihäßt, was bei der Schwere der Steine ein gar nit großer Haufen ausmacht.“ Vom Fels zum Meer XII, ©. 1604a (H. Rojenthal-Bonin) ftatt: einen großen Haufen. Ob bier ein Fehler des Schrifttellers oder des Schreibers oder des Sekers zu Grunde liegt, bleibe dahingeftellt.

19. Appofition.

„Bor dem Denkmal König Friedrich Wilhelm's I, dem großen Soldatenfönig, war... . der Altar aufgebaut.“ Nat.»Ztg. 47, 361, wo die Appofition, ftatt in den Genitiv im Anihlujs an „König Wilhelm’s des Erſten“, in den Dativ geſetzt ift, al$ wäre nit der Genannte, jondern „das Denkmal“ der große Soldatenkönig gemwejen, j. meine Hauptſchwier. ©. 48 ff.

20. Bon.

„Waren Das von Ihnen geftohlene Bilder?” Nat.-Ztg. 47, 390. Frage des Geridtsvorfigenden an den Zeugen, den Maler Lenbach, was dem Wortlaut nad) bedeuten könnte: „waren Das Bilder, die Sie ge ftohlen hatten?” aber natürlih bedeuten foll: „waren Das Bilder, die man Ihnen geftohlen hatte? —, j. Hauptihwier. ©. 324b unter „Bon“ Nr. 4.

21. Bilderwedjiel.

„Die Peitſche jpornt unbarmberzig unaufhörlich die Kleinen flinfen Pferden zu immer wilderer Eile.“ Nat.-Ztg. 47, 398. Das Wort fpornen bedeutet eigentlih: „mit einem Sporn antreiben“, gilt dann aber au ſehr oft übertragen, ſ. Beiipiele für Beides in meinem Wörterb. II S. 1145c; aber die Verbindung: „Die Peitfhe ſpornt“ wird jedes feinere Gefühl verlegen, weil bier eben zwei verjchiedene Ausdrüde un- mittelbar neben einander bilvlih gebraucht find, ſ. was ich in meinen Hauptihwier. ©. 82b ff. unter dem Titelkopf: Bilderwechſel gejagt babe. Man kann eben jo wenig jagen, dafs die Peitſche jpornt, wie, dais der Sporn peitiht. Der Miisftand wäre gehoben dur die Anderung: Die Peitſche treibt... die... Pferdchen zu immer wilderer Eile (an) ꝛc.

5*

EL

22. Borhabend.

„Konnte und durfte fie au den vorbabenden Schritt als eine Nothwehr anfehen ꝛc.“ Nat.-Ztg. 47, 398, ftatt: „den Schritt, den ber Sohn vorhatte” oder ganz kurz: „das Vorhaben [des Sohns].“ Darüber, daſs der jogenannte „mediale“ Gebrauch des Particips habend, wie handhabend, auf, bei», in- ob», unter:, vorhabend ſprachlich nicht richtig ift, aber trogdem bet quten und mujtergültigen Schriftftellern namentlih im vorigen Jahrhundert ſich nit jelten findet, waltet wohl fein Zweifel 06; und vorfihtige Schriftfteller vermeiden ſolche Barticipien heute mit Recht. Für: „Das Mädchen, das eine Schürze vorhat“ [= vorge bunden hat] kann man, obgleich fteif und unbeholfen, doch ſprachlich richtig jagen: „das eine Schürze vorhabende [vorgebunden habende] Mädchen“ aber man kann richtig niht von einer vorhabenden Schürze ſprechen und eben fo verhält es fi mit den Süßen: Der Sohn hat einen Schritt vor und: der einen Schritt vorbabende Sohn, aber nit: der vorhabende Schritt, f. mein Wörterb. I ©. 649c unter haben Nr. 19 und ©. 651a unter vorhaben 4 und ganz bejonders meine Hauptſchwier. ©. 171 ff. unter habend Nr. 2 u. 3a—c, worauf ih bier der Kürze halber nur binweijen Fann.

23. Sondern.

„Es war mehr als ein bloßer Witz, jondern der Ausbrud des Berlangens, nah Hamburg bald wieder zurücfehren zu können, wenn ꝛc.“ Nat.-Ztg. 47, 400 (Eug. Zabel), wo das hervorgehobene jondern, das ftreng genommen nur auf eine beftimmte Verneinung folgt, in einer Art finngemäßer Fügung (ſ. Hauptſchwier. 256b Nr. 3) nad einem in dem „mehr als“ liegenden verneinten Begriff ſteht, vgl.: Es war fein (oder nicht ein) bloßer Wit, jondern ꝛc.

24. Falſche Zufammenziehung. „Das berühmte von Bennigjen verfajste und [von] 35 hannover'ſchen Führern unterzeichnete Programm.“ Nat.-Ztg. 47, 400. Hier hätte das von mir in Klammern hinzugefügte zweite von nit wegbleiben dürfen,

25. Stellung.

„Den Adrefsentwurf ... der... mit 243 Stimmen gegen 63 vom Gentrum genehmigt wurde.“ Nat.-Ztg. 47, 400. Das könnte nad dem Wortlaut und nah der Stellung aud jo aufgefafft werden, als jei der Entwurf vom Centrum genehmigt worden. Der Mijsftand wäre be— feitigt, wenn gejeßt wäre: gegen 63 des Gentrums oder fonjt etwa: gegen 63 vom Centrum abgegebene.

Briefkaſten.

Herrn Dr. Xifheſm Bernhardt, Director of German Instruction in the High Schools of Washington City. Sie fehrieben mir unterm 10. Jan. d. J.:

Am Ende von Seite 241 Ihrer Zeitichrift (Jahrg. IX) ftoße ih auf den Sat von Paul Heyſe: „So! die Geifterfiunde wäre nun glüdlih angebroden." Welche Bewandtnid bat ed mit dem Komjunttiv wäre? Was berechtigt uns zu fagen: „Da wären wir ja wieder in Merieburg ?“

In gebrängter Kürze, zu der die Rüdficht auf den Naum mich zwingt, antworte ih: Diefer Konjunktiv, den Ausländern Har zu machen, allerdings Schwierigfeiten bereitet, entipricht dem Modus in einem unausgefprocden gebliebenen vorhergehenden Wunſchſatze. Die Sprederin bat bei fih gedacht: „Wäre doch nur erft die Beifterftunde glüdlich angebroben! und, da nun bie Geifterftunde wirklich glücklich angebroden ift, ruft fie, entiprecbend ihrem gedahten Wunihe: „So! Die Geifterftunde wäre num glücklich angebroden!‘

Auf diefe Weile werden Gie, vente ih, Ihren Zöglingen diefen (echt deutichen) Konjunktiv wohl begreiflih und Mar machen können. Nehmen Sie dazu etwa den An— fang von Goethe's Egmont, wo Soeft feinen Sat ſchließt: „Und fo wär’ ich bier das Jahr Meifter” entſprechend feinem im Stillen gebegten Wunide: „Wäre (ober würde) ich doch Meiſter!“

Auf Ihre weitere Anfrage muſs ich mit Nüdfiht auf den Raum die Beant- mwortung einem fpätern Hefte vorbehalten. Berlieren Sie die Geduld nit! —, melde Bitte ih aub an andere Einfender, deren Fragen bisher haben unerledigt bleiben müffen, hiermit richte.

Herrn Dr. Robert Bertin in Langenberg (Rheinland): Herzlichen, verbindlichen Dank für den Beweis Ihrer wohlthuenden Theilnahme.

Zum bürgerlichen Gefehbud.

Art. 12. Abi. 1 des Entwurfes eines Einführumgägefeßed eines bürgerlichen Geſetzbuches, wie er dem Reichstage vorliegt, lautet im Abi. 1:

„Die Eingebung der Ehe wird, fofern auch nur einer der Berlobten ein Deuticher ift, in Anfehung eines jeden der Berlobten nach den Geſetzen des Staates beurtheilt, dem der Berlobte angehört. Das Gleiche gilt für Ausländer, die im Inlande eine Ehe eingehen.”

Hierdurch joll die frage entfchieden werten, nad welchem Rechte die Ehebinder- nifje zu beurtbeilen find, wenn die Berlobten, d. b. der Berlobte und bie Berlobte, ver: ſchiedenen Rechten unterftehen. Es wird fein Bedenlen weiter erregen, daſs mit ben Worten

„Sofern auch nur einer der Verlobten ein Deutfcher iſt“

auch die Berlobte, welche eine Deutfche ift, verftanden werben wird. Bebenklich ift, wer in den Worten

„nach dem Geſetze des Staates beurtbeilt, dem ber Verlobte angehört”

mit „ber Berlobte“ gemeint jei.

E3 wird dafür eingetreten, dafs das Geſetz fich dabin verftanden wiffen will, die Ehebindernifje ſollen nah den etwa verfchiedenen Mechten des Bräutigam und ber Braut geprüft werben.

Iſt dies zum unzmweifelhaiten Ausdruck gebracht, hierüber, bochgeehrter Herr Profefjor, möchten Sie Sich erflären.

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Bemerkt ſei, der einfache Bürgersmann, dem Art. 12 vorgeleſen wird, meint, „der Verlobte“ ſei nur der Bräutigam.

Sehr zu beachten iſt, daſs in der Rechtſprechung die Anſicht vertreten iſt, die Beurtheilung der Ehehinderniſſe ſei durchaus nad dem Recht, dem der Bräutigam unter: ftellt ift, zu beurtbeilen. (Ko, Kommentar zum Allg. Preuß. Landrecht, 8. Aufl. Bd. III. ©. 2; Gruchot, Veiträge, Bd. 21, S. 121.) Bei jolbem Sprachgebrauch ded Bürgers, bei folder Rechtslage ericheint „der Verlobte“ doch keine fichere Bezeichnung für den Bräutigam und die Braut.

Wie hätte wohl die fihere Faſſung lauten follen ?

Ih darf Ahnen nicht verichweigen, bochgeebrter Herr Profeflor, dafs es nicht unerbört ift, dafs in reichsdeutſchen Belegen „der Verlobte“ ald boppelgeichlechtlich be- trachtet wird, eben fo aud „ber Ehegatte“.

So heißt es im der Reichscivilproceßordnung $ 348:

„Zur Berweigerung ded Zeugniſſes find berechtigt:

1, der Berlobte einer Partel;

2. der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr beftcht . . .*

In der Strafprocefornung $ 51:

„gur Berweigerung des Zeugniſſes find berechtigt:

1. der Berlobte der Beichuldigten ;

2. der Ehegatte der Beihuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr befteht.“

Niemand zweifelt, daf8 „der Verlobte“ die Braut if, wenn die Partei, oder die Beihuldigte ein Mann if. Damit zeigt fich ſogar in dem Wort „ber Beſchuldigte“ ein Zwitter, eben fo wie in „ber Angeſchuldigte“ $ 195, „ber Berurtheilte“ & 487. Die Beifpiele bierfür könnten fehr leicht vermehrt werden.

Sie, bochgeehiter Herr Profeffor, werden die einichlägigen Fragen in Ihren Werken bereit3 erörtert haben. Sie mögen verzeihen, wenn ich nicht felbft fuche, fondern ben bequemern Weg wähle, Sie in Anfpruh zu nehmen, und Sie für mich arbeiten zu lafien. Möchte Ihnen die Beantwortung eine zerftreuende Thätigkeit fein!

Ein Richter, zugleih im Namen mehrerer Amtögenofjen. Sehr geehrter Herr!

Sie maden es Sich allerdings bequem, aber in der That mir nicht leicht, in dem eng begrenzten Raum des Brieflaftens meiner Zeitfchrift eine Sie und Ihre Amts» genojjen auch nur einigermaßen befriedigende Antwort zu geben. Sie wünſchen offenbar eine möglihft furze Antwort, und die geftellte Frage verlodt doch den Sprachforſcher faft unmillfürlih zu einer eingehenden, ausführliben und umfangreihen Erörterung. Ich will das Möglichfte verfuchen, mich bier zwifchen der Scylla und der Charybdis hin— durdzuminden, alio zunädft ohne weitere Begründung eine möglichft Turze, all: gemein verftändlie und jede möglihe Mifsdeutung ausichließende Faſſung, wie etwa die folgende:

„Die Eingehung der Ehe wird, fo fern von dem verlobten Paare auch nur der eine Theil, fei ed num der Bräutigam ober die Braut, eine dem beutfchen Reich ange- börige Perfon ift, in Anfehung beider Verlobten nach den Geſetzen des Staates beurtbeilt, dem der Bräutigam angehört” u. f. w.“

Wenn ich Ihre Rechtsauseinanderfegung richtig verftanden babe, jo werben Sie, boffe ich, gegen eine folhe Fafjung, die auch dem Laien die Meinung des Geſetzgebers flipp und Mar ausfpricht, wohl nichts Wefentlihed einzuwenden haben; aber id von meinem Standpunft ald Sprachforſcher aus vermuthe doch, daſs Ihnen oder mandem unter Ihren Amtögenofien, wenn auch eine eingehende Erörterung aller in Betracht zu

re

ziebenden Fragen Ihre Geduld auf eine zu barte Probe ftellen sollte, doc ein kurzer Hinweis auf Stellen, wo Sie in Mußeſtunden oder um mir Ihre Ausdrudäweiie anzueignen in Wugenbliden, wo Ihnen „eine zerfireuende Thätigleit“ mehr ober minder erwünſcht ift, Einfchlägiges, zu einer eingebenden Grörterung Anregendes finden fönnen, nicht ganz unmwilllommen fein wird, und fo nenne ich Ihnen denn in meinem „Worterbuch der Hauptfchwierigleiten im ber deutſchen Sprache“ (25. Aufl. Berlin, Langenſcheidt 1895) ©. 62b/63a unter dem Zitellopf: Beamter; ©. 150 a—151b unter dem Zitellopf: Yeminina Nr. 7, beſonders ©. 150b unten und 151a oben und ferner ©. 282a/b Nr. 4c, wovon ich bier nur bie folgenden beiden Beifpiele ausbebe: Jeder biedere Deutſche und jede fittfame Deutfhin. Scherr Mirpidies X. Bei tbeild Teutichen und Teutfhin[njen. Simpliciffimns 4, 376 *1,*

Ich boffe, dafs diefe Hinweife worauf ich überhaupt bei meinen Antworten im „Brieflaften“ binziele auch Andern als den eigentlih Anfragenden zu Statten fommen und zur Anregung dienen mögen,

Eine Bemerkung des Anfragenden, die mir mit feiner Drudberidtigung erft ver- ipätet zugegangen ift, muf8 dem nächſten Hefte vorbehalten bleiben,

Herm Prof. Dr. 3. 3. Simonet in Schwyz (Schweiz): 1. In meinem Wörter: buch III S. 1683a finden Gie unter „Wurſt“ in Nr. la am Schluſs der dort aufs geführten Sprihmwörter den Hinweis: „f. ferner: Spedfeite; Schinlen 2; abwerjen 2“ und da beißt e8 denn (III S. 928a) unter „Schinten 2°:

„Mit einer Wurft einen Schinten (oder eine Spedjeite) abwerfen, z. B. Leifing 12, 513 „dur Meine Gaben Großes erlangen“ und (II S. 1072b) unter „Sped- feite*: Eine Wurft an eine Spedfeite wenden (Goethe Zelter 1, 429), ſetzen (Hebel 3, 339), nicht fcheuen (Gotthelf Schuldenb. 106), eine Wurft nach einer Spedieite werfen (Leſſing 13, 29). Daſs ihm... die Bratwurft eine Spedfeite abwerf. Rollenhagen Frofhmäufeler 182 ⁊c., f. Schinten und (III ©. 1571ec) unter „abweıfen“ 2e: „prichwörtlich: einen Schinten, eine Seite Sped (f. d. 1b), eine Spedfeite (i. d) mit einer (Brat⸗ Wurft abwerfen, bergenommen von einem Spiel; aud metonymifh: Dafs ibm ein Groſchen trag der Scherf, | die Bratwurft eine Spedfeit abwerf. Rollenhagen Frofhm. 182 :c., ſ. 3* —, woraus ih nur den Anfang beriege: „Eine Sade wirft Etwas oder jo und jo viel ab, bringt dies ald Gewinn, Ausbeute ꝛc., vgl. 2e; aus: werten 12: Es mufs ein ichönes Geld abwerfen, dad Baummollgefhäft. Benedix 4, 230 und zablreihe andre Belege, die ih mit Nüdfiht auf den Raum bier nicht wiederhole. Wander's dickleibiges „Deutiched Sprichwörterlexilon“ wird Ahnen (ſehen Sie 3. B. Br. IV Sp. 679; Bo. V Sp. 472) in Bezug auf Ihre frage wenige Aus- beute „abmwerfen“. Die von Ihnen aufgeführte Form: „Mit der Wurft nad der Spedfeite ſchlagen“ fehlt, wie Sie ſehen, aud bei mir und wäre aljo nachzutragen, vgl. Sie in meinem Ergänz.-Wörterb. S. 566b das unter Topf 10 ald Spiel erwähnte und belegte „Zöpfchen ſchlagen“ u. ä. m.

2. Sie theilen mit, daſs in May's Reiferomanen fi nicht felten nun in An— mwendungen finde, wie in folgendem Sage: „Nun er (= da er num) bemerkte, dafs er entdedt fei ꝛc.“ und Sie fragen an, ob diefe Anwendung in der heutigen Schriftfprache berechtigt und begründet fei.

In meinem Wörterb. II S. 4023 babe ih dem Worte nun ein F vorgelekst, als Zeichen (ſehen Sie die „Anleitung zum Gebrauch“ des Wörterbudes in Nr. 5), dafs ich eine ins Einzelne eingehende Behandlung des Wortes einem eigenen Werle über die Formwörter ꝛc. vorbehalten habe, aus dem ich bisher nur einige wenige Proben zu

4 —,

veröffentlihen Muße gefunden babe (feben Sie in meinem „Programm eines neuen MWörterbuched der deutfhen Sprade“. Leipzig 1854 S. 66—79). Demgemäß heißt es in meinem Wörterbud a. a. DO. unter num am Schluis in gedrängtefter Kürze:

„als conj. = nun da.“

Ich füge bier hinzu, daſs diefe Anwendung des einen (vorangehenden oder nad): folgenden) Nebenjag einleitenden grundangebenden nun im der heutigen allgemeinen Schriftſprache nur jelten vortommt, aber dod nicht fo umerbört ift, wie Sie an- nehmen und wie vielfah angenommen wird. Davon werben Sie die nadfolgenden mir fofort zur Hand liegenden Beifpiele aus Goethe und Schiller Überzeugen, wenn ich auch zu weiterm Nachſuchen in meinen Sammlungen augenblidlih nicht Muße finde:

Aus Goethe (40bänd. Ausg.) IX S. 241 (Egmont 5. Aufz.) (Egmont zu Ferdinand): „Ich lenne ein Mädchen. Du wirft fie micht verachten, weil fie mein war. Nun ich fie dir empfehle, fterb’ ich ruhig.“

IV ©. 11 (Weftöftl. Divan, 1. Bud, Nr. 12: „Im Gegenwärtigen Vergangenes“ Str. 3): „Nun die Wälder ewig fproffen, | jo ermutbigt euch mit dieſen“ ꝛc.

Aus Schiller (1bändige Ausg.) ©. 506a = Braut von Meifina B. 1879 (Don Manuel zu Beatrice): „Was kann di ängſtigen, nun du mich kennſt?“

©. 364b (Wallenftein’s Tod I Aufz. 5. Auftr.) (Wrangel zu Wallenftein) : „Und, num | dies Blatt uns für die Truppen bürgt, ift Nichts, | was dem Vertrauen nod im Wege ftände (ſtünde).“

Das wird, dent’ ib, für Sie genügen; da ich aber aus May’s Neiferomanen feine bergebörigen Belege aufgezeichnet babe, fo möchte ich freundlichft bitten, daſs Sie mir in ähnlicher Weije, wie ich es im Borftebenden getban die Ihrigen möglichſt volftändig für meine Sammlungen überlajjen wollten. Bejten Dank im Boraus!

Herrn Wild. E . . . in Brandenburg: Sie tbeilen mir aus der Nat.tg. 49, 123 den Sak mit: „ft Das Budget am 20. Febr. nicht erledigt, jo foll die Regierung berechtigt fein, die „Buillotine“ anzuwenden, wie Das Gladftone gethan, um feine Home Rule Bill durchzupeitigen“ und wünſchen von mir eine Erflärung des Ausbruds „Buillotine*. Sie finden biefe in dem vortrefilihen „Encyllopädiichen Wörterbuch der engl. und deutſchen Sprache” (Berlin, Langenſcheidt) Br. I S. 1012a, woraus ich Ihnen das Folgende berieke:

„guillotine... 1...: 4 parl., sl[ang] Wortentziebung, Rebeiperre durch vorzeitigen Debattenſchluſs.“ Herrn Dr. Alfı. B...mB.. .: Allerdings haben die von der engliichen

Regierung beabfichtigten Reformen der Setundärfchulen eine lebhafte Aufregung in Groß— britannien hervorgerufen. Ihren Wunſch, darüber ausführliche Berichte zu leſen, werden Sie dur die in Pondon eriheinenden Educational Times (Published by Franeis Hodgson, 89 Farrington Street, E. C.) befriedigen können,

Alle für die Beitfhrift ſelbſt beſtimmten Zufendungen wolle man un- mittelbar an den Herausgeber nad Aftfirelig in Mehlenburg, dagegen die für den Amſchlag oder als Beilagen Gefimmten Anzeigen an den Ber- feger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nächſte Seft müſſen jedes Mal bis fpäteflens zum 1. des Monats in den Händen des Serausgeders fein; aud bittet er, in Bezug auf deu Amfang, die Maumverhältuiffe der Zeitfhrist im Auge zu balten.

Eine Rede Stephan’s.

Im 1. Heft diefes Yahrgangs babe ih (S. 10—12) eine Nebe Stephan’s mitgetheilt, eine zugehörige Rede einem jpätern Hefte vorbe— baltend. Dieje laffe ih nun bier folgen, nah dem Berichte der National: tg. (49 Nr. 90), der ih auch die Einleitung und den Schluſs entlehne.

Das Felt der Poſt bei Kroll.

Im großen Saal bei Kroll ftrahlten geftern Abend die Kronleuchter und verftreuten ihr Licht über die Logen und Galerien, welche einen reichen Damenflor trugen, über den Saal, wo in Mitten feiner Getreuen der Staatsjefretär Dr. v. Stephan jaß, um mit ihnen die Kriegsgedenk— feier der Poſt- und Telegrapbenbeamten Berlins zu begehen. Das Arrangement hatte in der Hand des früheren Minifterialdireftors Wirkt. Geh. Rath Sachſe gelegen, der jelbjt an den drei Feldzügen theilgenommen, an dem erjten als Offizier, an den beiden legten als Leiter der Feldpoſt, der dann noch viele Jahre an der Seite des Chefs der Reihspoft ftand, bis in jein Haar ſich Silberfäden ſchlichen und jein ermüdetes Auge ihn im verflofjenen Jahre zwang, die Gejchide der Poft von nun an nur nod mit jeinen Sympathien mitzuerleben. Er jaß mitten an dem Tiſch, welder quer vor der Bühne ftand, ihm zur Seite rechts und links die Herren vom Komite; ſenkrecht auf dieſen Tiſch waren die Tiſche im Saale ge richtet; in der Mitte war Herr von Stephan, ihm zur Linten der auch im Parlament ihm als Mitftreiter nimmer von der Seite weidhende Unter: ftaatsjefretär Dr. Fiidher, neben dieſem der Gebietende der Berliner Ober: poftdireftion Geh. Oberpojtrath Griesbah und weiter hin die Herren vom Neihspoftamt. Weiter fliegt das Auge über den Saal, es ift eine unab- jehbare Zahl, die höchſten Poftbeamten in Berlin bis zum Xelegraphen- und Boftjefretär, ihrer mehr als Taufend.

Ein ihmudes Programm, weldes in einem Efjay die ftaunenswerthen Leiftungen der Feldpoſt ſchildert, theilt den Gang des Feſtes mit. Das fünftlerifch gezeichnete Titelbild zeigt eine erftürmte Stadt; links Reiterei, rehts die durch das Stadtthor abziehende Batterie und auf der Seite eriheint die Feldpoft und mit ihrem Weiter die Briefe, die erjehnten Briefe von den Lieben daheim. Auf der Rückſeite iſt ein zweites Bild, die

Zeitichrift f. deutſche Sprache, X. Jahrg. 4

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Telegraphie ſpannt ihre Drähte zum Feindesland. „Einer von den Unſerigen hat ſie gezeichnet“, lautet die freundliche Auskunft. Eingeleitet wurde das Feſt durch einen vom Obertelegraphen-Aſſiſtenten Richter komponierten Jubiläumsmarſch, den der vom Obertelegraphen-Aſſiſtenten Coßmann ges leitete Mufitverein des Vereins der Berliner Reichstelegraphenbeamten wirkungsvoll zum Vortrag bradte. Selbſtgedichtet waren die ſchwung—⸗ vollen Berje, mit welden Poftdireftor Holgendorff den Brolog ſpricht und das Hoch auf den Kaiſer ausbringt, das jubelndes Echo im Saale findet, während auf der Bühne der Vorhang fih hebt, in Blumenfhmud und Palmengrün das Bildnis des Kaifers eriheint, rechts und links flankiert von Poftillonen in Gala, welde zum „Heil Dir im Siegerkranz“ die Pofthornbegleitung in den Saal hinausſchmettern. And nun wird unter frodem Beifallsruf beſchloſſen, dem Kaifer folgenden Huldigungsgruß zu überjenden: An Se. Majeftät den Kaiſer, Schloſs.

Zaufend zur Gedenkfeier in den Krol’ihen Sälen verfammelte Neihspoft- und Telegraphenbeamte, die jämmtlih in dem großen Kriege entweder im Dienfte der Feldpoſt und Feldtelegraphie oder mit der Waffe in der Hand an deutſchen Einheitswerfen mitgejhaffen haben, geloben Eurer faiferlihen und königlichen Majeſtät in deutiher Mannentreue bis zu ihrem legten Haude unter Eurer Meajeftät erhabener Führung mitzuarbeiten an der weiteren Feſtigung deutſcher Einheit, der Förderung deutſcher Wohlfahrt.

von Stephan.

Wieder fommt die Muſik zweimal zu ihrem Recht; die Duverture zu „Athalia* von Mendelsjohn und der „Fadeltanz“ von Meyerbeer tft verballt und an dem Quertiſch erhebt fih der Vorfigende der Tafelrunde, Wirkl. Geh. Rath Sachſe, zu einer Anfprade, welde tief ergriff. Er batte die große Zeit jelbft mit durdlebt und die Erinnerung bejeelte die Worte; er dankte der Verſammlung, daß fie der friedlihen Mobilmahung Folge geleiftet, und fuhr ungefähr fort, daß der Liebe zum Vaterland, der treuen Hingebung zu Kaiſer und Reich die Feier gewidmet jei; er erinnerte daran, wie vor fünfundzwanzig Jahren an die dur den Lebensberuf geeinten Kameraden der Feldpoſt und »Telegraphie zum erften Mal Aufgaben traten, wie fie nie zuvor geftellt, unter welchen Fährlichkeiten die Poſt ihre Etappen vorſchob, die Verbindung mit der Heimat und den jeden Augenblid ihren Standort wechfelnden Ziruppentheilen über Verhaue und Gebirgspfade, verjchneite Wege aufrecht erhielt, und betonte mit berechtigter innerer Über: zeugung, daß Dies möglich wurde nur durch die fittlihe Kraft des deutſchen Beamtenthums. Die Bewegung in der Feſtverſammlung bezeugte, dajs diejer Auf Allen aus dem Herzen geiproden. Dann gedachte er bes

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genialen Leiters und Erfinders dieſes neugeſchaffenen Organismus, des damals wenige Wochen zuvor an die Spitze der Reichspoſtverwaltung be— rufenen Generalpoftmeifters v. Stephan, und wie ein braufendes Eho Hang aus dem Saal der Hochruf zurüd auf den oberften Leiter der Reihspoft- verwaltung. 2

„Das Bismardlied!“ fo erging die Aufforderung vom Präfidenten- tifch; der Geheime Poſtrath Billig hatte ſchwungboll in Verſe gebradt, was der eiferne Kanzler der Poſt gewejen:

„Auch für uns hat er gehoben einen Nibelungenhort,

Denn mit feinem @ifenbeien fegt er Thurn und Zaris fort... .“

„Bismard hoch, der ehrne Kanzler, Hoch der vielgetreue Mann“, fo tönte das Lied aus und jegte fi fort in einem mächtig wiederhallenden Hochruf. An dies Lied knüpfte der Staatsjelretär v. Stephan an, welder auf die Nede feines Freundes und Mitarbeiters mit einer An: ſprache antwortete, die in ihrem lebhaften Empfinden, ihrer Laune und ihren berzliden Tönen den Redner Stephan kennzeichnet; nahdem er ſchwungvoll geidildert, wie die Kriegsfurie am Rhein losbrach, und wie alle Kräfte im Baterlande, Eifenbahn, Sanitätswejen, Johanniter und das „Rothe Kreuz“ fih regten, fuhr er fort:

„Unjere heutige feitlihe Berfammlung gilt der Feldpoſt und der Feldtelegraphie; und wir werden uns daher weſentlich mit diejen beſchäftigen, ohne dajs damit in irgend einer Weife eine Hintenanjegung der großen Berdienfte verbunden fein joll, welhe alle Verwaltungszweige fi in diefem denfwürdigen Kriege um die Armee und das Vaterland erworben haben, zumal die Feld-Poſt und »Zelegraphie nicht jelten auf deren thatkräftige und immer bereitwillig geleiftete Mitwirkung angewiejen war. Ich fage zunähft dem Feſtkomité gemiis in Ihrer Aller Namen, meinen Dank für die Liebe umd Freudigkeit, mit welder es an die Aufgabe dieſer Gedenk— feier berangetreten ift. Ich danfe Ihnen Allen, meine, werthen Sperren und Kollegen, für die mir joeben fundgegebenen freundlichen Gefinnungen; und id danfe endlih, aber nicht zulegt, dem geehrten Herrn Vorredner für die Empfindungen, denen er jo beredten Ausdrud gegeben hat. Wenn er dabei einen Vergleich zwijchen einem Feldherrn und meiner Perſon an- gedeutet bat, jo nehme id denielben mit Bezug auf die Ihnen befannte Geſchichte an, nad welcher ein Heerführer aus den Freiheitsfriegen das Räthſel aufgab, wie man es anfange, feinen Kopf zu füffen: er ftand auf und küſste den Kopf jeines Generaljtabshefs. Mit vollem Recht haben Sie, verehrter Herr Minifterialdireftor Sachſe und lieber Freund, erwähnt, daſs die Feldpoſt und Feldtelegraphie im Jahre 1870 fih vor Aufgaben geftellt fanden, wie fie bis dahin niemals vorgefommen waren, namentlid

4*

A:

hinfihtlih der Truppenmaffen, der weiten Entfernungen, und dann immer jortrüdend der gewaltigen Ausdehnung des Kriegsjchauplages. In dem ganzen Organismus mujsten grundfegende Veränderungen erfolgen: das Poft-Etappenmwejen, die Sammelftellen, die Päderei-Depots, der ambulante Poſtdienſt auf den Eifenbahnen, die ZTransverjal- und Gürtelpoften Alles mußte neu gefhaffen werden. Die Zelegraphie hatte die neueften Fortihritte der Technik im Bau und Betriebe ins Feld zu führen: ihr fiel die mehr militäriihe Nolle zu, den ftrategiihen Bewegungen und taktiſchen Aktionen, mitunter bis in die Höhe der Front und ſelbſt in die Borpojtenlinie zu folgen, wo nicht fjelten eine neue Art von Störung in den Linien und Apparaten in überrajchender Weife eintrat: Das waren die feindlihen Granaten. Welder Yubel aber auch daheim, wenn der eleftrifhe Draht mit Blitzesſchnelle bis in die entlegenften Gaue des Vater- landes Siegesbotihaft auf Siegesbotihaft bradte, die fih in einem Tempo folgten, wie es bisher im ganzen Verlauf der Geſchichte noch nicht da= gewejen war! Die Poft hatte dagegen mehr die Aufgabe zu erfüllen, für den unausgejegten und zuverläjfigen Briefverfehr der Armee mit der Heimat Sorge zu tragen; und hier möchte ich einen Haupt- punft in der Bedeutung der Feldpoſt erwähnen. Es ift öfter hervor- gehoben worden, daſs namentlih auch das ftärtere fittlihe Moment in der deutſchen Armee einen wefentlihen Antheil an der Überlegenheit der- jelden über die Franzoſen gehabt hat. An hohem Maße hat hierzu die regelmäßige Verbindung mit den Lieben in der Heimat beigetragen. Hundert- taujende von Federn waren tagtäglih in Bewegung, um den Austauſch der Gefühle und Gedanken zwijhen Heimat und Armee zu vermitteln, ba doch nur eins für das andere lebte. 400 000 Briefe und Boftlarten wurden täglih durd die Fyeldpoft befördert, in welchen die beforgte Mutter ihre Gebete, die junge Braut ihre liebevolle Sehnſucht, die Schweiter ihre treue Fürſorge, und die Gattin, vielleiht mit einem innigen Blid auf ihr Häuf— lein Kinder, von denen fie nit wujste, ob fie nicht ſchon morgen vater- Ioje Waiſen fein würden, all. die edle Fülle eines deutſchen Frauenherzens dem geliebten Manne offenbarte. Und aus dem Felde kamen dann eben- falls Hunderttaujende jhriftlider Sendboten, Pofttarten vom Schlachtfelde, zum Theil auf dem Torniſter des Vordermanns gejchrieben und von den reitenden Poftillonen fofort aufgejammelt, Dieje Briefe, noch vielfach jet in den Familienarchiven getreulih aufbewahrt, jie bildeten jo zu jagen die Sceite, welde während des ganzen Feldzuges die traulihe Flamme des häuslihen Herdes unterhielten, jo dajs fie zwiihen Armee und Heimat nie erlojhd. Dean muſs es gejehen haben, mit welchem Ungeftüm und heißem Berlangen unjere Krieger über die aus der Heimat angelommenen

——

Feldpoſten herfielen! Damals galt der Hauptruf: Pulver, Brod und Briefe! Wie anders in der franzöfifhen Arme. Zu Etain traf ih Anfang September einen erften Trupp der franzöfiihen Gefangenen von circa 5000 Mann, melde in einem Steinbrud biwafierten. Ich Fam dort mit Einigen ins Geſpräch umd fragte u. A., wie e8 mit ihrem Brief: verkehr aus der Heimat gewejen wäre, worauf ich die Flagende Antwort erhielt: Seit drei Monaten, dafs fie aus ihrer Heimat Toulouſe fort: wären, hätten fie nicht eine einzige Nachricht von den Ihrigen erhalten. In der That, man darf wohl jagen, als unermeſslich ift die fittlidhe Stärfung anzufehen, welde der deutihen Armee durch dieſen ununter: brodenen und zuverläffigen Verkehr mit der Heimat zugeführt wurde, eben jo wie viel Troft und Sicherheit die Briefe von der Armee im Bater- lande verbreiteten. Zu feiner Zeit wurden die Poftverorbnungen, obwohl fie im Allgemeinen niht jehr umterbaltend zu jein pflegen, jo genau vom ganzen Publikum ftudiert wie damals; und ih muſs auch bei diefer Ge— legenbeit dankbar der Preſſe gedenten für ihre thätige und ſelbſtloſe Mit— wirkung bei Verbreitung der Feldpoftnahrihten. In Dankbarkeit muſs ih bier aber auch der erfolgreihen Unterjtügung und Mitwirkung gedenken, welche der Feldpoſt und Feldtelegraphie ſowohl von den einzelnen Truppen: fommandos, al® au von den Armeeverwaltungszweigen, Etappenabtheilungen, bejonder8 aber von Seiten der Eifenbabnbehörden bei Erfüllung ihrer Aufgaben gewährt worden find. Es herrihte ein wahrhaft kameradſchaft— licher Geift und Jeder juchte dem Andern nah Thunlichfeit zu helfen und gefällig zu jein. Wenn die Kolonnen marſchierten und unterwegs bei einer einladenden Gaftwirtbihaft an der Straße ein petit verre oder aud ein Stebjeidel eingenommen wurde, jo ward der fredenzenden Gallierin beim Weiterrüden regelmäßig zugerufen: „Die Feldpoſt bezahlt Alles!“, denn jie fam am Schlufs, um alle Korrejpondenzen aufzufammeln, und fie bat aub in der ebengedachten Beziehung das auf fie geſetzte Vertrauen durd- aus gerechtfertigt. Im Quartier angelangt, fonnten die Mleiften fich erholen, aber für die Poſt und den Telegraphen ging nun die Arbeit erjt recht los. In Kegelbahnen, Ställen und Scheumen, oft im Freien, mitten im Walde wurden die fliegenden Bureaus aufgeihlagen, mande Nächte zur Arbeit benugt. Nicht immer trug das Publikum diefen Umftänden Nednung, jondern bejchmwerte fih mitunter in Ausdrüden, die viel an Geredtigfeit, aber nichts an Deutlichkeit zu wünſchen übrig ließen. Bei einer ſolchen Gelegenheit legte fih Fürft Bismard mal für die Feldpoft ſchlagend is Zeug. Es war auf einem Diner bei ihm felber, wo bei der Eigarre und dem Saffee verſchiedene Klagen über die Feldpoſt vorgebracht wurden. Bismarck jaß mit der gigantifhen Pfeife auf dem Sopha „als Gemölt

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aufiheuchender Herrſcher“ und jagte mit einem Mal: Sollte es nit daran liegen, meine Herren, dafs die Feldpoſt es zu gut gemacht und Eud Alle verwöhnt hat? und num erzählte er, wie ein Muslketier, deſſen Regiment zur Armee des Prinzen Friedrich Karl gehörte und nah dem Fall von Me drei Wochen lang von der Mofel bis Loire marjciert war und Tag für Tag den Ort gewechſelt hatte, bei einem Hügel an der Yoire auf Vorpoften liegt und, als er morgens im benachbarten Dorfe in der Dämmerung die Uhr 6 ſchlagen hört, ganz entrüftet ausruft: Was? ihon 6 Uhr Morgens, und ich babe meine Briefe und Zeitungen von geftern Abend aus Berlin noch niht?? Das ift ja eine heilloje Wirth: ihaft, die Feldpoſt! Ich kann Ihnen noch mittheilen, daſs mir im Felde Klagen ausgejproden wurden, die Briefe nah Schlefien brauchten elf Tage, worauf id erwiederte, Das jei unmöglich, es fünnte höchſtens 5—6 Tage dauern; jo lange wäre aber nöthig, da Toul no nit in unferen Händen jei. Darauf wurde mir wiederholt die Verfiherung entgegengebalten : Aber wenn wir an unjere Frauen in Schleſien ichreiben, jo dauert es in der That immer elf Tage, bis die Antwort von ihnen bier ift. Indeß es find mir diejen Einzelfällen gegenüber auch Zaufende und Abertaufende von Beweijen rührendfter Dankbarkeit zu Theil geworden aus allen Schichten der Nation, den höchſten wie den niedrigiten, oft in ergreifender Weiſe, jo dajs es fich zeigte, wie tief die Wirkſamkeit der Feldpoſt in die Saiten der Volfsjeele eingegriffen hatte. Ich habe diefe Dankbarkeit dahin ab- gewälzt, wohin fie hauptfählih gehörte: auf die Schultern der pflichttreuen, gewiffenhaften, bis zur legten Kraft bingebenden Beamten, die unter ben ihwierigen Berhältniffen in Feindes Land, unter Entbehrungen und Strapagen in Schnee und Eis die Schlahten der Arbeit jhlugen, nit umgeben vom Glorienihimmer des Ruhmes, aber erfüllt von dem kategoriſchen Imperativ. Die Poft- und Telegraphenverwaltung hatte über 7000 Köpfe aus ihren Reihen im Frankreich ftehen, 3000 bei der Feldpoſt und Feld— telegraphie und 4000 als Kombattanten im Heer. Die PBoft- und Zele- graphenanlagen erftredten jih von Ye Mans bis Weißenburg und vom Jura⸗Gebirge bis da, wo die Wellen des Kanals die Kreidefeljen von Dieppe umfpülen, und id möchte hierbei bemerken, daſs die Tage der wichtigen Schlachten an der Lijaine unvergängliche Ruhmestitel für bie deutſche Feldtelegraphie geweſen find. Ich erwähnte der Kombattanten unter unferen Kollegen und freue mich ganz bejonders, dajs die Gedent- feier auch auf diefe, wie es wohl Jedem von ung am Herzen lag, aus» gedehnt worden ift. Wir bewahren den Gefallenen ein unvergänglicdes Gedächtnis; von den Verwundeten befindet fi eine ganze Anzahl bier unter uns, meine Herren, vom Geheimen Ober-Poftrath und Poftrath bis

zum Oberaffiftenten, und vom Sekretär bis zum Poft- und Telegraphen- direftor. Wir freuen uns diejer Helden und wir wünſchen, daſs fie noch lange Zeugen jein mögen des Glüds und des Anjehens des deutichen Reichs, defien Grundlage auch mit ihrem Blute gefittet worden ift. Ich möchte Dies aber auch zugleih mit bezogen haben auf die Unterbeamten, welche als Kombattanten oder bei der Boft und Telegraphie den Feldzug in rühm- lichfter Weife mitgemadt, und von denen viele ihr Blut auch auf den Schlachtfeldern vergoffen haben, und ich wünſche der Gedenkfeier, melde uniere braven Briefträger, Schaffner, Yeitungsauffeher, Poftillone zc. eben- fall8 begehen, einen würdigen Verlauf. Mit Freuden auch bliden wir Alle auf die in jenem großen Jahre geleistete Arbeit. Der Charakter der— jelben läfft uns wiederum die Wahrheit erkennen, daſs es bei der Arbeit niht allein auf die äußere Yeiftung anfommt, jondern namentlih auch auf die Empfindung, welde die Arbeit begleitet, ob fie mit der Yiebe und Freudigkeit vollführt wird, welde ihr dem von der freien Seele ausgehenden Demantglanz verleiht. Dieje Ureigenihaften werden, Das hoffen wir zu Gott, im deutſchen Weien nie abfterben, und wenn wir aud nit wünſchen wollen, daſs der Friede, den Seine Majeftät unſer erhabener Kaijer mit itarfer Hand aufrecht hält, irgend eine Störung erleiden möchte: jo find wir doch davon überzeugt, daſs, jobald der Haffiih gewordene Donnerhall wieder erbraujen jollte, eben jo wie die vergangene, jo auch die gegen- wärtige und die zukünftige Generation mit volljter Kraft und Begeifterung einftehen werden für das Heiligtum des Vaterlandes. Erheben Site die Herzen und die Becher, geehrte Herren und liebe Kollegen, und laffen Sie uns dieje Hoffnung befräftigen mit dem Rufe: Alles fürs Vaterland!“

Nahdem man darauf das „Lied aufs Vaterland“ gejungen, das ebenfall8 von dem wiederholt genannten Feſtdichter Geh. Poftraty Billig verfafft war, erhob ji Ddiejer zu einem Toaſt auf die deutihe Frau; es war ein Gedicht, das tiefempfunden zum Vortrag kam und zündete, Aus allen Theilen des Reiches, wo dasjelbe Feſt begangen wurde, waren inzwijchen telegraphiihe Grüße eingelaufen; aus der Maſſe wurde eine Stihprobe gemacht und ein Telegramm aus Braunjchweig verleien.

Die Omverture zu „Leichte Cavallerie” war der Übergang zum Feſt— ipiel, einer gemeinfamen Arbeit des Telegraphendirektors v. Albedyll und des Poſtraths Billig. Es führte eine Feldpoſt in Feindesland vor, im Wald zwiſchen Baris und Amiens, in einem Sclojsfaal, links die Poſt, rechts die ZTelegraphie, mit allen launigen und ernften Zwiſchenfällen. &s it Weihnahtsabend, der Padettransport ift abgejhnitten; nur der unver: wüftlihe, in trüben Momenten die Väter Horaz und Homer citierente Poftjefretär verliert die Yaune niht. Eine luftige Martetenderin, die der

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Feldpoſtſchaffner Kienholz nachher auch wirklich bekommt, ſchmettert ein fröhliches Lied dazwiſchen. Der Zeitungsberichterſtatter Mr. William Peef, ganz in gelb, aus England, der das Deutſche ſchrecklich verhunzt, kommt bereingeplagt, und will fie vom Fleck zur Frau; er wird in Folge deſſen ſehr fchledht behandelt, insbejondere fein gelber Eylinder. Nun kommt Mademoijelle Babette und ſpricht in allerliebftem gebrocdhenem Deutſch— Franzöfiih ihren Zorn über die Franctireurs aus und ihre Sorge um den Bater, der wider Willen dabei ift, und läfft fih von dem ſchmucken Herrn von der Telegraphie tröften. Da verjagt der Telegraph, es wird zur Revifion der Yeitung aufgebroden, nad einer Weile Rückkehr, Schüffe, Franctireurs, Hurrah. Die Yeitung ift wieder bergeftellt, die Poft frei, die Badete fommen an und die Weihnachtsbeiherung ift den Truppen gefihert; der General fommt und belohnt den Yeiter des Amtes mit dem eijernen Kreuz; eine ftimmungsvolle Schlufsgruppe und frob den Saul hinaus ſchmettert das Schlufslied:

„Wobin auch unfer Heer dann dringt, | Wir find ibm wieder nah,

Und überall, wie jest, erflingt | Der Feldpoſt bell Trara.“

Die Aufführung padte, denn der fceniihe Aufbau war vortrefflic, dazu wurde hübſch gejpielt und allerliebft gejungen. Damit jhlojs der officielle Theil und es begann eine fröhliche Fidelitas, weldhe vom Herrn Unterftaatsjefretär Fiſcher damit ftimmungsvolf eingeleitet wurde, daſs er einen Fräftigen Trintiprud auf das Komité ausbrachte und ihm im Namen der VBerjammelten für den ſchönen Abend dankte. Als die Frühftunde zum Aufbruch mahnte, jaßen noch viele Herren in fröhlihem Gejpräh und die älteren gaben dabei den jüngeren an Standhaftigfeit Nichts nad; wir nahmen dankend Abſchied von unferem liebenswürdigen Nachbar, der uns freundlich Auskunft gegeben, und ſchieden mit der Überzeugung, in einem fröhlihen Kreife geweilt zu haben, in welchem nicht die bloße Subordination die Glieder zufammenhält, fondern das aufridhtige Gefühl perſönlicher Zu— neigung und gegenfeitiger Wertbihägung die Ringe der Kette vom hödften Borgejegten bis zum unterften Beamten fchließt.

Die nenefte und eine über viertehalb Jahrhundert alte Homerüberjegung. 1.

GÖTTIZN in den hogen Hewen, ſtimm dat düſtre Feed mi an Bon den fürdterlien Zorn von jennen königlichen Mann, Bon Adilles, Peleus finen ämwerböftgen groten Sähn,

De in dufendfaches Elend leet de Griechen ftörten ben,

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Dat de Helden ehre Seelen wild im Storm tom Hades flögen

Wildes ũm ehr Fleeſch und Knalen fi de fretihen Hunnen jögen

Und de Schowen von dat Rowtüg met ehr Flüchten dorup ſchlögen.

Denn fo was dat Zeus fin Will, und fo geſchach d’t, wil d’t fo müßt kamen, Bon den Dag an güng bat los, as de twee beid toierft tofamen

An enanner wiren rönnt und ut enanner deden fporen, !

Und denn wedder blind för Wut hart up enanner deden fohren

Und mit Gift und Gall upführten io en bdfes willes Spill,

De Heerlönig Agamemnon und de Götterheld Achill.

Do wer was d’t? Wer von de Götter hetzt' fe up, dat fe Striet kregen? Gott Apollon ded dat weien. In em was de Gall upftegen Um den König, wegen den be ſchickt' ne Peſtilenz in't Heer, Dat je bülplos truppmies feelen a8 de Fleegen ben und ber. Dat was dorför, dat den Preefter Ehrvied Agamemnon nahmen Hadd de Ihr, de em müßt warden. Denn let was de Preefter famen In dat Lager von de Griechen, wo de rafhen Schäp tofamen Stünnen up den Strand. De Mann, de wull find Dochter dor utlöfen, Gatlich Fösgeld hadd de mitbröcht, ded d't doch üm fin Dochter weſen. Üm den gollnen Preeſterſtaw hadd Lurbeerbläder he rümmunnen, De Apollon heilig fünd, de ut de Fiern fchleit böfe Wunnen. Folgen? ded be bier fin Hännen, all de Griechen füllen büren Nu fin Bid, vörup de beiden, de dat Ganze deden führen: „Sähns von Atreus und ji Griechen all bier mit de blanten Schänen, De olympfchen Götter mögen d’t bald jug gewen, bat ji fänen Priamos fin Stadt zerftüren und denn glüdlih na Hus famen! Amer mi gewt min Kind trügg, nebmt bier dit Lösgeld alltofamen. Schugt, o jhugt den Gottes-Sähn, de fäler trefft jug is d’t tom framen!“

So lautet der Anfang des ſchön ausgeftatteten Buches, welches den

Titel führt: Homers Gejänge in niederdeutiher poetiiher Uebertragung von Auguft Dübr Teil 1. Niederdeutihe Ilias. Kiel und Leipzig. Berlag von Yipfius und Tiſcher 1895.

Als ih das Vorftehende, den Titel und den Anfang, jo wie aud die dazwiſchen befindliche hochdeutſche Vorrede gelefen, in welcher grade „das Plattdeutſche als dem griechiſchen (homeriſchen) Idiom ſeeliſch ver- wandt“ und ſomit eine niederdeutſche Homerüberſetzung als die für uns Deutſche geeignetſte Form angeprieſen wird, konnte ich, dem doch der

ı fpuren. ? Falten.

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„Meflenburg-Streliger Dialekt“, in welcher diefe Übertragung verfafft ift, von früher Kindheit an ſtets wohlbefannt, lieb und vertraut geweſen, mic von Dühr's mniederdeutiher gereimter trochäiſcher Ylias, wenigſtens nicht jofort, als von der geeignetften und pajffendften vertraut und heimatlich berührt fühlen.

Warum hat dieje Frage drängte fih mir faſt unwillkürlich jofort auf warum hat denn Dühr feiner „miederdeutichen Ilias“ nit einen nieder-, fondern einen hoch deutſchen Titel gegeben, und dazu feine Vor— rede nit nieder, jondern hochdeutſch verfafft?

Gleichzeitig aber drängte fih mir aufs lebhaftefte die Erinnerung an eine mehr als drei und ein halb Jahrhundert alte ihlicht:profaiiche Überfegung auf, der ih mande frohe Stunde und für mein Wörterbud zahlreihe Belege zu danfen habe.

Die Leſer werden mir wohl geftatten, dafs ich zunächſt aus meiner (kurzgefaisten) „Seihichte der deutihen Sprade und Fitteratur” (3. Aufl., Berlin, Langenſcheidt 1887, die 1. Aufl. erihien 1879) den Anfang des $ 109 herſetze:

„Auch unter den Überjegungen aus dem Yateinijhen und nidt jelten durch deijen Bermittelung aus dem Griechiſchen (vgl. $ 87 und j. namentlih Gödeke „Grundriſs“ I S. 287 ff.) dienten mande der Unter- haltungslettüre. Wir rechnen dahin, bier abjehend von den mehr er- wähnten felbftändigern Bearbeitungen von Äſop's Fabeln, 3. B. befonders die ſchlicht-proſaiſche in ihrer Art troß einzelner Mijsgriffe jehr tüchtige Überfegung der Odyſſea . . . durch Maifter Simon Schaiden- reißer genannt Mineruium, difer Zeit der Fürſtlichen ftatt Münden ftattjchreiber. Alexander Weiffenhorn, Augustae Vindelicorum excudebat. Anno M. CCCCO. XXXVIII.“

Dazu wobei ih nur den Titel etwas ausführlicher mitgetheilt habe ih dann nod in einer Fußanmerkung gejagt:

„Val. über die „ſchlicht-proſaiſchen Überjegungen“ zc, namentlich Goethe (Ausg. in 40 Bon.) 4, 322 ff. Es kann uns allerdings wohl ein Lächeln abnöthigen, wenn der wadre Schaidenreiffer S. 60 b aus dem grieh. Adv. zore damals (Odyſſee 14, 288) einen Eigennamen Totes macht.“

Ich halte es an dieſer Stelle für durchaus angemeſſen, die kurzen Andeutungen der Fußanmerkung etwas ausführlicher herzuſetzen.

Goethe a. a. O. ſagt in ſeinen „Noten und Abhandlungen zu beſſerem Verſtändnis des weſtöſtlichen Divans“ im 57. Abſchnitt:

„Es giebt dreierlei Arten Überſetzung. Die erſte macht uns in unſerem eigenen Sinne mit dem Auslande bekannt, eine ſchlicht proſaiſche

ift hierzu die befte. Denn, indem die Proſa alle Eigenthümlichteiten einer jeden Dichtkunſt völlig aufhebt und ſelbſt den poetiihen Enthufiasmus auf eine allgemeine Wafferebene niederzieht, jo leiftet fie für den Anfang den größten Dienft, weil fie ung mit dem fremden Bortrefflien, mitten in unferer nationellen Häuslichteit, in unferem gemeinen Leben überrafcht und ohne daſs wir wiffen, wie uns geſchieht, eine höhere Stimmung verleihend, wahrhaft erbaut. Eine ſolche Wirkung wird Luther's Bibelüberjegung jederzeit bervorbringen.”

Was Goethe num weiter über die von ihm jogenannte parodiftiiche Überiegungsweiie jagt, in der man eigentlih nur fremden Sinn ſich an- zueignen, aber mit eignem Sinn wieder darzuftellen bemüht ift, und als deren Bertreter er namentlib Wieland nennt und rühmt und was er ichließlich über die höchſte Stufe fagt, in der man die Überjegung der Urſchrift möglihft gleih machen mödte, jo dafs fie nit anftatt diefer, jondern an deren Stelle gelten jolle, wozu der Geſchmack der Menge ſich erit berambilden müffe und als deren Mufter und Meifter er unfern Meklenburger Landsmann, „den nie genug zu jhägenden Voß“ preift, Das, jage ich, ift zu umfangreid, als dais ich es bier vollftändig herſetzen fünnte; aber es wird mich ſehr freuen, wenn recht viele Leſer ſich durch das Vorſtehende angeregt finden, Goethe's Abhandlung vollftändig zu lejen und fih mit dem Anhalt zu durddringen.

Dühr’s niederdeutiche Sylias bewegt fih wie man ſchon aus dem oben als Probe mitgetheilten Anfang deutlih abnehmen kann nit überall ohne größern oder geringern Anftoß gegen das (wenn mein Gefühl mid nit täuſcht) mit ganz glüdlih gewählte trochäiſche Versmaß umd oft in Reimen, die ein feineres Ohr faum für wirkliche volle Reime wird anerfennen können. Dean vergleihe dieſe niederdeutihe Slias mit der homeriſchen, die in den abwechslungsreihen, aber niemals gegen das Geſetz des Verſes verftoßenden, fih immer und überall dem Inhalt treu an— ihmiegenden und fortwährend das Ohr mit lauterem Wohltlang erfüllenden Herametern dahinjtrömt. Und man wird bei aller Anerkennung des an geftrengten Fleißes und des mühevollen Ringens, es der Urſchrift möglichit gleih zu thun, doc die niederdeutiche Ilias nicht auf jene hohe und höchſte Stufe ſetzen können, auf der nad Goethe's Bezeichnung die Überjegung nit nur anftatt der Urjhrift, jondern fat an deren Stelle wird gelten fönnen.

Dazu fommt als etwas jehr Weientliches, dafs das Plattdeutihe im Yaufe von Syahrhunderten auf dem Gebiete der Schriftſprache durch ihre von ben Verhältniſſen begünftigte Schweiter des Hochdeutſchen mehr und mehr allmählih zurüdgedrängt worden ift und, während die niederdeutiche

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Mundart auf dem Gebiete des Haufes, der Wirthihaft, des Ader- und Yandbaues, der Schiffahrt u. ſ. w, wie aud in dem Bereich des Gemüthes, der innigen, herzlichen, warmen und tiefen Empfindung, der treuen, ernften und unverdroffenen Hingebung und andrerfeits des heitern und muntern Scherzes, des ſchalkhaften, wie aud des derben tief eindringenden Spottes und vor Allem auch des durh das Gemüth Ernft und Scherz, Großes und Kleines, Hohes und Niedres mit einander verbindenden und ver- ihmelzenden Humors der hochdeutſchen Mundart durdaus nit nachſteht, jondern in manden Punkten fie fogar überragt und bier nicht jelten fräftigere, reinere und wirfjamere Töne anzufhlagen weiß, daſs (fage ih) doch das Plattdeutihe fih auf dem Gebiete der Wiffenihaft nicht gleich— mäßig mit der Schriftiprade fortentwidelt und ausgebildet hat und ferner auch wenigftens zur Zeit nod nicht oder nicht mehr die Alle Hörer ergreifenden und alle Herzen padenden Töne für das Heldenlied zu finden im Stande ift.

Irre ich nicht jehr, jo würde für eine Überfegung der Odyſſee das Niederdeutfhe weit geeigneter und paffender fein als für eine Überjegung der Ilias,

II.

Nun aber wende ich mih zu des wadern Meifter Simon Scaiden- reiſſer's „Odyſſea“ und will zunädhft den oben in der Fußanmerkung erwähnten Verftoß, „der uns wohl ein Lächeln abnöthigen kann“, dem Peer etwas ausführlider mittheilen.

In der Urſchrift lauten die homeriſchen Verſe:

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Evda ubv inraeres ulrov avtuhı, noiid ddysıpa xonuar' av Alyuntiovs avdoag‘ didooay yao ünuvres. Ir di 4 # * J

all orte dn oydoov uoı Enım)ouevor Erog niser,

dn torte Doing n)9ev drop, anarı)ıa eldwg, reeixrns, ds dn nolla zax avdownoıy dwoye

Ös 1 dye nagnenıdor Yoı poealv, öpo' Ixousodea Powixnv, 09 tod ye douoı zul zriuar' Exsıro,

Evda nap aurd ueiva rerespooor el; druavror x. T. ).

und deutih in Voſſens Homer (mir liegt grade die 3. Aufl. 1806 zur Hand):

Sieben Jahre verweilt' ich dafelbft und fammelte Güter

Mir im äguptifhen Volle genug; denn fie gaben mir alle.

Aber nachdem das achte der freifenden Jahre dahertam,

Jetz o kam ein fönififher Dann, der Täuihungen kundig,

Trügeriich, der ſchon Vieles zur Plag’ ausübte der Menfchen.

Dieier lodte mich ſchlau durch Berbeifungen mit gen Fönilke

Hinzugehn, wo er felber ein Haus und Befißungen batte. Dort bei ihm vermweilt’ ich bis ganz zur Bollendung des Jahres u. ſ. w.!

Bei Schaidenreiffer aber lautet die Stelle buchſtäblich (was zugleich als Probe der damaligen jchriftdeutihen Sprade und Rechtſchreibung dienen mag):

In Egypten bin ich fiben jar gewejen, hab vil guts darinn gejamlet, dz mir die einwoner miltigklih geidendt. Im fibenden jar hat mic Zottes ain Phenicianer, gar ain bößliftig menſch, überredt, das ich mit ihm in jein vaterland gezogen, vnd ain gang jar allda bliben bin. Bor wenig verrudten tagen vnnd monaten, hab ich mich den vorgnannten Tottes mer lafjen überreden u. j. w.

Nahdem nun aber meine Xejer immerhin ein wenig über den „Phenicianer Tottes“ des biedern Schaidenreiffer gelächelt haben mögen?, will ih zunächt bier den Anfang feiner Odyſſee folgen laffen:

ı Ich füge nachträglich die Stelle hinzu, wie fie bei Voß im der erften Ausgabe (von 1781) lautete, mich dabei der nicht genug zu empfehlenden grade hundert Jahre fpäter in Stuttgart im Berlage der J. G. Cotta’jhen Buchhandlung erfchienenen Aus— gabe bedienend, deren Titel lautet:

„Homers Odyſſee von Johann Heinrih Boß. Abdrud der erften Ausgabe von Jahre 1781 mit einer Einleitung von Michael Bernays.“

Der vortrefflihe Herausgeber erwähnt in feiner ausgezeichneten Cinleitung den wadern Scaidenreifjer mehrfach (3. ®. ©. XIX :c.) mit mwohlverdienter Anertennung. Die Gegenüberftellung der voififhen Überfegung oben in der 8. und bier in der 1. Aus- gabe Tann auch meinen Leſern ald Probe für die Umgeftaltungen dienen, welche Voß mit der erften Ausgabe vorgenommen. Die Stelle alfo lautet in der 1. Ausgabe (S. 259):

Sieben Jahre blieb ich bei ihın und fammelte Reichthum Bon dem aigyptifhen Bolte genung; denn fie gaben mir alle. Doch wie dad achte Jahr im Lauf der Zeiten beranfanı, Siehe da tam ein fünififher Mann, ein arger Betrieger

Und Erzfchinder, der viele Menfhen ins Elend geftürzt bat. Diefer beredete mich, mit ibm nad Fönile zu fahren,

Wo der Bube fein Haus und fein Ermworbenes hatte.

Und ein volles Jahr verweilt' ich bei ihm im Fönile u. ſ. w.

° Er jelbft jagt am Schlufs feiner „Vorred“: „Damit aber ich vnder vilen, mit feirende erfunden wurde [würde], und in gemains vatterlands fprady, aud etwas berfür brädte, das vormals vnkantlich geweien, jo hab id demnach auß anregung bes Edlen, Ehrnfeften Zohan Seders von Meſſenbach Mautners zu Gmünd, Rhö. Kün. Maie. ıc, Kath, meines gepietenden Herrns vnd Patrons, mid erftlih vnderfangen ainzige ein- zeine] bücher Odyſſee Homeri zu Teütſch zebringen, vnnd die erfigenantem meinem groß- günftigen Herren zu ainer ergeßlichkait feiner geſchäfft vnnd ſchwachait zugefendet, folgends auf feiner berrliglait approbieren und anhalten weiter bebertigt worden, das gante werd Odyſſeam nit von wort zu wort, junder finnsweiß wie ih bie redte mainung am nädhften und deütlichſten hab fünnen belummen, nad meinen geringen Hainfugen verftand vertolmeticht, vnnd offentlich inn trud laſſen aufgeen, guter

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„Argumentum, das iſt, ain kurtzer begriff des erſten buchs. Juppiter helt ain gemaine berüffung der götter darinn auff embſiges anhalten Minervae, ainhellig von Vlyſſes widerkunfft auß der jnſel Ogigia, in ſein vatterland Ithacam, beſchloſſen wirt. Minerva erſcheint Telemacho in angenomner geſtalt Mentis des künigs der Taphier, durch welches deſſen rath vnd antreibung, Telemachus ſich entſchleußt, nach ſeinem vatter erſtlich gen Pylum zu Neſtore, darnach zu künig Menelao in die ſtat Spartam zufaren. Vnn vor feiner außraifung, heit er rede mit den werbern, haiſt fie num jeines hauß müſſig fteen, als aber fain volge bei jne gefunden, gehet Telemahus unmuttig und befommert zu beth.

Das erft buch. Gottin des gefangs dich rüff ih an Hilff preifen mir den thewren man Der land vnd ſiedt durchrayſet bat. Geübt darzu mang gefärlich tbat, Da er fein weißloſe gefertt Auß nöten gern errettet bet, Welch doch all verdorben fund Faulend in regen ſchnee und wind Darumb das fie muttwilliglich @eraubet ban der Sonnen viech.

Man fieht, auh Schaidenreijfer bedient fih für die Anrufung der Muſe der Meimverje (mie auch weiterhin z. B. im 12. Bud V. 187 ff. Blatt LIl a für den Gefang der Sirenen, im 8. Buch B. 167 ff. Watt XXXla zc.), was zum Vergleid mit Dühr's Verfen heraus— fordert. Man wird dem alten Dichter zugeftehen müffen, dafs ſeine Jamben gleihmäßiger, glatter und anſtoßloſer dahinrollen als Dühr's Trochäen; aber freilih beide Dichter haben im Betreff der befriedigenden Reimreinheit einander faum Etwas vorzuwerfen.

In der aus Dühr mitgetheilten Anfangsprobe find dem Yejer Vers— ausgänge begegnet mit Reimen wie Sähn und ben, utlöjen und wejen und daran ſchließen fih unmittelbar auf Seite 2: hüren und ihren hören und ehren]; frieg und nid; Yurbeerbläder und beter;

bofinung, ſolche edition werde den jhenigen, fo kurkweil auf Zeutfhen büchern und biftorien ſuchen, zu nuß und luſt raichen. Die ic all biemit gebetten will haben, ob ich pendert jrem judicio nit gnug getbon, ſy geruchten ſolchs meiner gebrächenlichkait (denn nichts in aller welt volltummen ift) zumejjen, vnd mein gute mainung, treümwen fleiß, mer dann ſprachkündigkait günftigflih erwegen, vnnd alfo mein Magifier Simonis Mineruii, im beflen eingedend fein, foldes mir aine fürnempfte anraitung fein wird, das gröffer werd Homeri von der erpedition vnd krieg für Troia, Jliada intituliert, welches ich yetz zutranfferieren angefangen, vnd vnderhanden hab, aud etliche bücher Ciceronid nammentlih Paradora, Somnium Scipionis, in den trud zugeben.“

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wahnt [wohnt] und t(h)ront und auf ©. 3: erfüllen und willen; güngen und tohopbringen; hüren und lihren; iwert [eifert] und liefert und ©. 3/4: äwerft [aber] und Obberſt [ver Oberfte. Das ift wohl nicht viel befjer oder vielleicht noch ſchlimmer als bei Schaiden- reiffer (bei dem es fih immer doch nur um jehr wenige furze Verszeilen handelt) Reime wie bat und that; gefertt und bet; muttwilliglidh und viech.

Aber, wie gejagt, für die richtige Würdigung von Schaidenreifjer’s Übertragung können nicht die einzelnen Verſe den Ausſchlag geben, fondern nur jeine ſchlichte Proja, und jo will id denn von diefer dem geneigten Leſer im Nacftehenden einige Proben geben, die ich mehr herausgreife als ausmwähle und die der Prüfende mit der Urſchrift und mit Voſſens Homer vergleichen möge:

J. 1. Geſang V. 44 ff. Blatt Ib.

Darauff jprah Minerva: ... O liebjter vater, er Egyſtus) ift aines verdienten tods geftorben und ih wunſch dz allen die jollihe laſter würden, kain anders no pefjers end zuthatl werde, mich rewet Egyſtus gar nit, aber der vnnfall des arm jeligen Blifjis befommert mid, Der da fern von jeinem vaterland, mitten im mör, in dem hauß Calypfos, der göttin vnd tochter Athlantis mit ſueſſen lieblojenden worten auf« gehalten vnn ongeftrengt wird, das er jeines vaterlands vergeſſe vnn bei jr befeibe. Aber Vlyſſes begert nur zuuor den rauch zejehen auß den Caminen jeines hauß, auffteigen; ift darnach willig one lenger frift in feinem vater: land zefterben. O vatter ſorgſtu nit für dz lieb haubt, gedendft du nit, dz er dir in dem Troianiſchen krieg angeneme opfer aufgefhidt hat? warım beladftu jhne mit fo viel vnglüd. Darauf Jupiter, O todter, was für ein Wort ift dir entfaren, mainftu ich vergefie des Vlyſſis, Welder in weißhait andere menſchen vbertrifft vnnd gegen den göttern mit opferung fih almege recht gehalten, ich gedend wol an jne, Aber Neptunus bat bißher nit möcht nadlaffen den des?] ainmall gefaßten Zorns. Vmm das jeinen jone Polyphemum (den medtigiften onder den Eyclopen) Vlyſſes feinen ainigenn awgs [einzigen Augs) beraubt hat, Vnn wiewol der zornige Neptu- nus, BVlyſſem bißher nit außgetilgt, jo hat er jhne doch verhindert, das er ins vaterland nit wie andere fomen ift. Wir wellen aber yetzo all bedacht fein, wie wir jne widerhaim fertigen. Neptunus wirt nun aud an dem rad bißher ain genügen haben vnd fi allein wider aller gütter will vnd mainung, nit fegen. Minerua ſprach, ft es dann ewer aller atnmütiger will das Vlyſſes wider zu den feinen komme, jo laft vns Mercurium in die injel Ogigiam abfertigen mit beuelh [Befehl] der göttin

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unjern willen zeverfünden, damit fie ſich fein thue verwegen [verzichten], Ich will dieweil auch nit feyren gen Ithaca rayſen den jone Blyifis an— treiben auf das er gen Pilum vnd Spartam ziehe nah feinem vatern zefragen, Darneben kuntſchafft vnd ruem zuerjagen, vnn ee er dieje raiſe auff fi nimt, will ich jme fedait vnn verftand in jein hertz vnn gemüt geben. Das er ain gange gemain der Stat verjamle zu ihne jamentlich ain zierlihe rede thue, die werber damit zuerjchreden. Auf dz fie fid in feinem abweſen etwo gebürlicher halten, dz jeine nit jo gar vnſchampen verzeren. Alſo redet fie vnd legte, an jhre jchneeweifje füeß guldene vnab— nützliche jhuch, nam ihren langen jpieß (ob welchem gar off die frieghafftigen Helden erzittern) grymmig in die hand und vom hymel herab vber mör fliehend Tieffe fie fih in Ithaca darnied’, ftuend alfo in dem fürhoff des hauß Bliffis, under der gejtalt des künigs der Taphier Mentis genant. Die Werber lagen in den efpette [Eisbetten] jo auß odjenhäuten gemadt vun außgejpant waren, fürgweileten mit fmoden od’ foten,

[wozu die Randbemerkung lautet: Spil mit den fnoden od’ kotten ift vor ber zerjtörung Troie im prauch gemeit] ꝛc.

II. 8. Geſang ®. 62 ff. Blatt XXX a ff.

Entzwiſchen folder zeit fam der Herold wider, fürend an der hand den weitberümpten Poeten und finger Demodocum, welchen die güttin bes gejangs fürnemlich lieb bett, ym guts vnd nadtailigs bey ainander gegeben, dann wie jy yn mit fießklingender ftimm, mit jubtiligfait vnd ſchärpffe der vernunfft vnnd junderer weißhait, auch wolkündigkait allerlay gedicht oder gejängen reichlich begabet, aljo herwider bett ſy fein gefiht vnd augen mit ewiger naht vertundelt. Jetzgnanten Poeten oder finger ſatzte Pontonous mitten im Künigklichen jal, zwiſchen den geften neben ainem pfeiler auff ain gan lauter filbern ftul, hieng die harpffen über des Poeten haupt, auff das er die zur hand berait het, brachte auch ain tiſchlin vnd jpeiß darauff ſampt ainem hohen bäder voll guts weins. Als nun die geft frölich, mit fpeiß vnd trand erjättigt waren, hat die göttin Calliope Demo- docum entzündet, die eer vnn geſchicht d’ nambhafftigiten helden mit folder einprünftigtait zufingen vnn zupreiien, das ſolchs gejangs lob gar biß in himmel erklingen thet, dann er jang wie ſich vnainigfait zwiſchen Vlyſſe vnn Achille zugetragen, wie jy offt mit herben ſpitzigen worten über tiſch anainand’ gewachſen, wie fi auch jrer vnainigfait Agamemnon ain fünig d’ völder haimlich erfremwet, wie Apollo in Pytho mit Agamemnon geredt vnd jhm gewahrjagt. . ..

Dieſe vnd dergleichen geſchicht, ſang der ſcheinbar [j. d. in meinem Wörterbuch III S. 904a Nr. 5: „veraltet: glänzend, prächtig, ſchön,

vortrefflich mit einem Beleg aus Luther und mit vier andern aus Schaidenreiſſer, und einem für das zugehörige Scheinbarkfeit], dardurch die get zu freüden, aber Vlyſſes zu trauren vnd wainen bewegt ward, bierumb er das purpurklaid, jo er dazumal antrug, über jeinen kopff zoch, fih damit zubededen, vnd fein wainen zuuerbergen. Als aber der finger Demodocus auffhöret, trüdnet Vlyſſes feine augen, ließ jein ſchönes haupt wider ſehen, vnn jo bald Demodocus wieder anfing zu fingen, wainet Blyffes wie zuvor under dem Haid oder mantel, fainer auß den ummfigenden erfante die vrſach der traurigkait vnn des wainens Blyffis, allein Alcinous, welder zunächſt neben Vlyſſe figende, fein tieffes ſeüffzen möchte hören. Dijer verftunds und jprad zu den PVheacenjern, höret jr lieben geft, vnſer leib jeind num mit jpeiß vnd trand erjettigt, darzu vnjere gemüt durd) die fiejfigkait d’ harpffe vnn gefangs genugjam erfrewet, laßt uns yes auff den plaß geen ritterjpil on geradigfait zuüben, auff dz dijer gaft, jo er wid’ haim fumpt, den feinen auch künn fagen, wie weit wir Pheacenjer in festen, ringen, jpringen vnn laufen über andere menjchen feind ıc. Il. 22. Geſang V. 393 Blatt XCIUI a.

Zelemahe haiß Euricleam zu mir fommen. Telemachus jaumet fi nit, Hopfft an die Gamer, darinn Euriclea jambt andern verſchloſſen war, rüffende. O Euryclea, mein vatter erfordert dich lauff eylends, Sy ſchloß von ftundan auff vnnd gieng mit Telemacho. Blyſſes ftund vnder den todten mit jhwanffigen henden unnd füjjen, under feine augen und klayder allenthalben mit blut beiprengt, ſchnaubende onn ſcheülich jehende, wie ain lem d’ in ainem walde ainen wilden ochjen zerriffen hatt. Euriclea erfam bart ob dem traurigen fpectadel, wolt angefangen haben zujchreyen, aber Blyſſes verpott jhrs ſprechende. Mütterlin du folt nit waynen, jonder vil meer froloden vber die erwürgten, ſy ſeind mutwillige böje leut gemeft, haben weder die götter gefördht noch niemands verſchonet, vnnd durch jhr boßhait zu jhrem verderben vrſach gegeben. Es joll niemands die Hagen, welche auß des gerechte Richters gots verhendnuß, vmb jhr vbelthat geftrafft oder getödt werden. ! zc.

Der Kenner Homer’s weiß, dais der griechiiche Dichter, wie auch aus Voſſens Überfegung Har zu Tage tritt, bier eine tiefere heiligere Scheu vor den unbetannten, geahnten höheren Mächten fund giebt als der Überfeger. Man vergleiche bei Voß ®. 408—412:

Als fie [Eurplleia] die Todten nunmehr und die Ström’ anichaute des Blutes,

Jauchzte fie laut froblodend; denn fchredlid und groß war der Anblid;

Aber Odyffeus wehrt’ ed und zähmt’ ihr wildes Entzüden;

Und er begann zum jener und fprach die geflügelten Worte:

Freue did, Mutter, im Geift; doc enthalte dich jauchzendes Ausrufs

Sünde ja iſt's, fi ſtolz erfhlagener Menfhen zu rühmen

Zeitſchrift f. deutſche Spradie, X. Jahrg. 5

Die Nüdfiht auf den Raum verbietet die Mittheilung weitrer Proben, aber aud die gegebnen werden, glaub’ id, den Leiern zu einer rühmlich anerfennenden Würdigung diefer vor mehr als viertehbalb Jahrhundert veröffentlichten Homerüberſetzung genügen.

Unausrottbare Unrichtigkeiten der Sprade. Bon Dr. Herman Schrader.

Wenn man eine Erbihaft übertommt, welche viel Gutes und Nütz— liches, aber auch etlihes Unnütze und Häſsliche enthält, jo fann man das Letztere abthun oder vernichten. Was wir aber in der Sprade von unſern Voreltern ererbt haben, mag es aud Unliebfames oder Unridtiges fein, Das ſcheint unausrottbar. Denn es fteht nicht in der Madt eines Ein- zelnen, fondern viele Millionen müjsten erft eines Sinnes werden und in ihrer Geſammtheit das als unrihtig Erkannte verwerfen und abthun. Es finden fih in unſrer Sprade Wörter, welche in der Zeit, als fie gebildet wurden, ihre volle Richtigkeit hatten. Aber die Zeiten haben fi geändert, die Menſchen wie die Berhältniffe und menſchlichen Einrichtungen find nicht die gleichen geblieben, die fie waren; allein die alten Wörter, die ſich ein- gebürgert hatten, find geblieben, und es iſt kaum Ausficht vorhanden, daſs fie vertilgt und dur neue richtigere erjegt werden. Es ift der Zweck diefer Zeilen, das Geſagte dur einige Beifpiele nachzuweiſen.

Das Thor. Meine Wohnung liegt „vor dem Königsthor“. Die Neue Königsftrage und die Greifswalderftraße folgen unmittelbar auf ein- ander in gleiher Richtung, nur dur die Querftraße, die Friedensitraße, von einander getrennt. Bor Jahren bat hier wirklid ein Thor geftanden, das zu gewiffen Stunden des Nahts verihloffen war. Das Thor ift

und darauf erft folgen bie Verſe, in denen das „Ichredliche Todesverbängnis“ der bier erfchlagenen „von dem Gericht der Götter bezwungenen Frevler“ als ein durch ihre eigne Schuld herbeigefübrtes bezeichnet ift.

Auch bier mögen die oben nad der 3. Ausgabe angeführten Berje von Voß in dem Wortlaut der erften ein Plätschen finden (ſ. o., die Fußanm. S. 58).

Als fie die Todten num ſah umd rings die Ströme des Blutes,

Da froblodte fie jauchzend; denn fchredlih und groß war der Anblid.

Aber Odyſſeus bielt fie und zähmt’ ihr lautes Entzüden

Und er redte fie an und fprach die geflügelten Worte:

Freue dich, Mutter, im Herzen, doch halte dich, dafs du nicht froblodft!

Über erihlagene Menſchen zu jauchzen ift graufam und Sünde.

Diefe vertilgte der Götter Gericht umd ihr bbſes Beginnen;

Denn fie ebrten ja keinen von allen Erdenbewohnern ;

Darum traf die Frevler das fchredlihe Todesverbängnis ꝛc.

BO

verſchwunden, aber der Name iſt geblieben. Eben ſo verhält es ſich mit dem Landsberger⸗, dem Kottbuſſerthore und anderen. Auf jener nädt- lihen Thorfjperre ruht auch die Medensart: vor Thorichlujs, wenn etwa eine Frau, die ihrer Entbindung entgegenfieht, ſpricht: ich muſs vor Thor- ſchluſs noch Dies und Jenes in Ordnung bringen. Wie beim wirklichen Zhorihlufs das Weiterwandeln in die Stadt unterbroden und gehindert wird, jo muſs jene Frau ihrer gewohnten Thätigkeit entfagen.

Der Kirchhof ift urfprünglich der eingefriedigte, oftmals ummauerte, oft auch freie Raum um eine Kirche. Set beißt oft fo der freie Raum bei einer Kirche. Syn früheren Zeiten diente diefer Kirchhof (wie aud die Kirche ſelbſt) zur VBegräbnisftätte Und von bier aus ift es geichehen, dafs noch heute das Wort Kirchhof geradezu im Sinne von Begräbnis- plat geſagt wird, wenn gleich der Kirchhof weit von der Kirche entfernt liegt. So liegt der „Kirchhof“ der Berliner Bartholomäusgemeinde wohl eine Wegftunde entfernt bei Weißenjee. Auch das Spridwort fafjt unjer Wort in dem gleihen Sinne auf, wenn es jagt: Ungarn ift der Kirchhof der Deutihen. Und Luther jchreibt: (ES find) Urſachen genug, dajs man den Kirchhof außer der Stadt habe.

Die Vorlefungen der Profefforen auf den Univerfitäten waren und find meist noch jegt im eigentlihen Sinne Das, was der Name jagt: der Profeſſor Tieft jein Heft und die Studierenden ſchreiben nad. Won allen Profefforen, die ih vor ſechzig Jahren in Halle hörte, war es allein der Profeſſor der Philofophie Erdmann, der vollfommen frei ſprach, obne irgend welche Benugung jeines Manujfriptes, aber auch er nannte feine Borträge Vorlefungen. So werden denn wohl aud die mündlich freien Vorträge der Profefjoren in den Hörfälen den alten Namen behalten, zu— mal wohl immer ein Theil der Profefjoren mit dem alten Namen aud die alte Sache beibehalten wird.

Sonderbare Wandlungen haben die urſprünglich lateinijchen, bei ung völlig eingebürgerten Wörter Minifter und Magifter erfahren. Minifter, von minus, ift etwa Einer, der weniger ift, und Magifter Einer, der mebr ift; bei uns aber ift ein Minifter Der, welder in feinem Fache das höchſte Staatsamt befleidet, und der Magifter hat eine ziemlih unter- geordnete afademiihe Würde inne. Bei den Römern war der magister eine hohe Perſönlichkeit. So war beijpielsweile der magister equitum der ftehende Gehilfe und Vertreter des Diktators, magister militum war ein Zitel der faiferlihen Generale und Legaten. In Deutſchland aber ift der Dlagifter, den wir mit Betonung der erften Silbe und mit Ausſtoßung des g in unſerm Worte Meifter wiederfinden, eine ziemlich untergeordnete Verſon. Hatte der Schüler auf einer mittelalterlihen Hochſchule etwa zwei

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ee Be

Sabre gelernt, fo ward er nad beftandener Prüfung zum Baccalaureus ernannt, d. 5. zu einem Belorbeerten (bacca laurea Lorbeer), Nah weiterem zweijährigem Kurjus ward er von der Firdlihen Behörde zum icentiaten und von der Hohidule zum magister ernannt. Wenn er dann eine der höheren Künfte (Theologie, Medicin, Jurisprudenz) erlernt bat, fann er in einer Fakultät Doctor werden. Ein minister war bei den Römern ein Diener oder Aufwärter im Haufe oder bei Gottesdienften, aud bei öffentlichen Amtern ein Gehilfe und Untergebener. In Deutich- land war er ein höherer Staatsbeamter, der Negierungsgejhäfte beforgte, erft jeit dem 18. Jahrhundert, während er früher, wie fein Name fagt, ein Diener war, auch in firhlihen Angelegenbeiten. Zuerſt in Frankreich wurde er einer der oberften Räthe des Königs; und jet bezeichnet das Wort überall den höchſten Staatsbeamten, welder an der Spitze der Staatsverwaltung, gewöhnlich eines bejonderen Theiles derjelben fteht. Die urjprünglide Bedeutung des Wortes ift aber beibehalten, wenn ein junger Theologe die Prüfung pro ministerio beftanden bat und er num candidatus ministerü geworden ift. Er fann nım in ein Pfarramt ein- treten. Die Ableitung unſers Yehnmwortes von manus Hand halten wir für falid.

Die Kugel. Bis tief in das jeßige Jahrhundert hinein hatten die Schießkugeln, wie ihr Name jagt, Kugelform; und man fagte mit Recht Kanonenkugel, Büchſenkugel, Mustetenkugel, Piftolenfugel, Zlintentugel. Solde Kugeln find gemeint, wenn es in einem Soldatenliede heißt: Große Kugeln hört man faufen, Heine aber noch viel mehr; oder wenn Körner jagt: Wenn die Kugel pfeift, wenn die Yanze jauft; oder wenn (bei Häring Willibald Aleris im Roman Kabanis) ein Soldat von feiner Fiebften Abſchied nimmt mit den tröftenden Worten:

Adje, Lowieſe, wiſch ab das Geficht, eine jede Kugel, die trifft ja micht.

Wie fteht es aber in unjern Tagen? Weder Kanonen noch die Hand- feuerwaffen führen fkugelförmige, fondern länglich abgerundete Geſchoſſe; aber dieje heißen nad wie vor Kugeln, ja man redet drolliger Weiſe gar von Spikfugeln, was doch nicht finnreiher ift als ein vierediger Kreis oder ein rundes Viereck. Die Bezeihnung wird jo bald nit aus der Welt ſchwinden.

Entzwei oder wie man früher allgemein ſagte und wie man noch jegt e3 häufig hören kann inzwei, d. 5. eigentlich im zwei Theile oder Stüde. Der Gedante an die Zweizahl hat fih im Spradgebraud ganz verloren, jowohl im eigentlichen wie im übertragenen Sinne Wenn Mephiftopheles der wüthenden Here Gläfer und Töpfe zerſchlägt mit den

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Worten: Entzwei! Entzwei! Da liegt der Brei, jo hat Das fiherlih mehr als zwei Scherben gegeben. Im Prediger Sal. 4, 12 werden gar ganz widerjprehende Zahlen zujammengeftellt: Eine dreifältige Schnur reißt nicht leicht entzwei (zur Empfehlung der Einträdtigfeit der Menſchen gejagt). Eben jo fann man au von einer Vielheit von Menichen, die einen Verein gebildet haben, jagen, fie haben ſich entzweit, ſelbſt wenn fie in ein Dutzend Parteien ſich zeripaltet haben.

Der Mond. Man bezeichnet die vier Phafen als erftes Viertel, Vollmond, letztes Viertel, Neumond. Dieſe Benennungen find dem Yaufe des Mondes, nicht feiner Beleuchtung entnommen, da der Mond beim erften und legten Viertel zur Hälfte erleuchtet ift. Wenn ein Ding in vier Theile getbeilt wird, jo kann das legte Viertel doch fein anderes jein als das vierte. Hier aber im Spradgebraude wird jhon das dritte Viertel das legte (aljo das vierte) genannt. Auch das Wort Monat gehört bieher. Man bat in den früheften Zeiten den Lauf der Zeiten nad dem Monde gemefjen und das Jahr in Mond: Monate zerlegt. Da aber jelbft dreizehn jolder Monate nicht für das Jahr ausreihten, mujste man fi entichließen, das Jahr nad dem Umlauf der Erde um die Sonne au mefjen. Eine offenbare Unridhtigfeit aber ift es, wenn wir die vier legten Monate des Jahres September, DOftober, November, December nennen. Zwar find es alte lateiniihe Namen, aber fie find jo bei uns eingebürgert, dais fie als deutſche gelten können. Dieje Namen bedeuten den fiebenten, achten, neunten, zehnten, find aber in Wahrheit der neunte, zehnte, elfte und zwölfte (Monat). Woher dieſe wunderlide Erjheinung? Um fie zu erklären, müffen wir in die alte römische Geſchichte zurücdgehen. Da heißt es nun, dajs Romulus das Jahr in zehn Monate getheilt und den erften derſelben nad) feinem göttlihen Vater Mars Martius (mensis) genannt habe. Durd den zweiten Aprilis (aperire fih öffnen) erinnerte er an das Aufgehen, Sid-Offnen der Knoſpen an den Pflanzen. Den dritten, Majus, benannte er nad der Diaja, der Mutter des Merkur. Der vierte erhielt jeinen Namen Junius von der Göttin Juno. Nun aber hat die Weisheit und Erfindungsgabe der Römer ein Ende. Wie fie ihre Söhne nad den Zahlen bezeichneten als Quintus, Sertus, Decimus, jo zählten nun au ihre Monate als der fünfte, ſechste und fo fort, Quintilis, Sextilis und fo aud weiter Sep- tember bis December. Der Quintilis erhielt dann jpäter nad Julius Cäſar den Namen Julius, und der Sextilis nad dem Kaifer Auguftus den Namen Augustus. Dem Numa Bompilius wird zugejchrieben, daſs er die Monate Januar und Februar hinzugefügt habe, den lanuarius zu Ehren des von den Römern hodverehrten Gottes Janus, des Schüßers der Eingänge und Ausgänge, der Thüren und Thore. Der Februar,

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urſprünglich der letzte Monat, trägt ſeinen Namen von den in ihm üblichen großen Sühnopfern (Februalia).

Um des intereſſanten Gegenſtandes willen fügen wir noch Folgendes hinzu. Da die Beſtimmungen des Numa Pompilius unzureichend waren, auch der alle zwei Jahre eingefügte Monat, mensis intercalaris, zwiſchen dem 24. und 25. Februar nicht ausreichte, und nachdem auch die Decemvirn um 451 vergeblich zu beſſern verſucht hatten, ſchuf endlich Cäfar mit Hilfe des Mathematiterd Sofigenes aus Alerandria im Jahr 46 v. Chr. eine jehr wejentliche Verbeſſerung. Er half der eingeriffenen Unordnung dadurd ab, daſs er in jenem Jahre (außer der Februar-Einſchaltung) noch 67 Scalttage zwilhen November und December einfügte. Das Kalenderjahr begann nun mit dem erjten Januar, weil an diefem Tage ſchon jeit 153 die Konfuln ihr Amt antraten,

Yänger als ein und ein halbes Jahrtauſend blieb diefer Kalender ın allgemeiner Anerkennung. Dann aber wurde doh einige Unrichtigfeit offenbar: das Jahr war zu lang geworden. Dean hatte den Umlauf der Erde um die Sonne jo viel zu hoch angenommen, dajs in 129 Jahren ein voller Tag zuviel herauskam. So kam es, dajs im 16. Jahrhunderte das Kalenderjahr dem Sonnenjahr um 13 Tage voraus war, daſs jomit die Frühlingsäquinoktien jhon auf den 11. März fielen. Da war es Gregor XIII. (Bapft von 1572 bis 1585), ſonſt befannt durch jeine Freudenfeſte über die Barijer Bluthochzeit, der mit Hilfe deutſcher, ſpaniſcher und franzöfiiher Aftronomen und Mathematifer eine vortrefflide gründ: lihe Berbefferung des Kalenders durchführte. Durh die Bulle vom 24. Februar 1582 ward feitgefegt, dajs in diefem Jahre auf den 4. Ofto- ber gleich der 15. folgen jolle. Und jo geſchah es. Damit nun aber den alten Yrrungen für die Zukunft vorgebeugt werde, wurde beftimmt, daſs zwar wie bisher jedes Jahr, deffen Zahl durch 4 theilbar fei, ein Schalt- jahr jein jolle, dajs aber das Schlujsjahr des Jahrhunderts nur dann ein Schaltjahr jei, wenn die Zahl des Yahrhunderts durch 400 theilbar jei. Deshalb war 1600 ein Scaltjahr, aber 1700, 1800 und auch 1900 find feine Scaltjahre, erſt 2000 wird wieder ein jolches fein. Aber jelbft das Gregorianiihe Jahr ift in 400 Jahren um etwa 2 Stunden zu lang, jo dajs im Jahr 3600 die Leute wohl einen Scalttag werden ausfallen laffen müffen. Nun, qui vivra, verra.,

Der neue Kalender ward alsbald darnach im Jahre 1582 in Stalien, Spanien, Portugal und Frankreich eingeführt, in fatholiiden Theilen anderer Länder in den folgenden Jahren. Die proteftantiiden Länder Deutſchland's fträubten ſich lange; erſt 1699 (auf Antrieb von Yeibniz) nahmen fie ihn an und ließen im Jahr 1700 auf den 18. Februar glei

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den 1. März folgen. Sie wollten ihn aber nicht gern nah einem Bapft nennen, und bezeichneten ihn lieber als „verbefferten Kalender.” Wie nüglih es aber jein fann, wenn man ein wenig Kenntnis von diejen Dingen hat, hab ich erlebt, als ich zwei Lehrer jehr heftig über die Schlacht bei Fügen ftreiten jah. Der eine behauptete: am 6. November, der andere am 16. November. Jeder berief fih auf ein Geſchichtswerk. Ich konnte den Streit dadurch ſchlichten, dajs ich jagte, beide hätten Recht, das eine Bud rechne nad dem alten, das andere nah dem neuen Kalender. Unſre Beiprehung über die Berehnung der Jahre veranlafft uns, ſchon im Voraus eines wilden wüften Streites zu gedenfen, der vorausſichtlich in wenigen Jahren entbrennen wird. Da wird nämlih (wie ſchon ums Jahr 1800) zahlreih ſich der Irrthum erheben und behaupten, das neue Jahrhundert fange mit 1900 (am 1. Januar) an. Sie laſſen ſich ver- blüffen dur die Zahl 9, welde ftatt der 8 im die Jahreszahl tritt. Um fie zu widerlegen, genügt es wohl, fie einfach zu fragen, wenn fie von Jemand 100 Mark zu fordern hätten, ob jie ji begnügten, wenn er ihnen 99 Mark zahle. Und wie fie mit Recht auch die hundertfte Mark fordern als ihnen zufommend, jo fordert au das jetzige Jahrhundert das Jahr 1900 als jein rehtmäßiges Eigentfum. Das neue Yahrhundert wird aljo in der That erft am 1. Januar 1901 beginnen (j. Zeitſchr. I ©. 373 ff. u. ö.)

Ich jhließe von meiner Beipredung die Straßennamen der Städte aus, obwohl fie oft auf alte, längft niht mehr vorhandene Zuftände hin- weijen. Denn fie fönnen jeden Tag geändert werden, und werden oft über Naht geändert. Die Grünftraße in Berlin ift längft feine Wieſe mehr, und auf der Aderjtraße geht fein Pflug. Aus der Kuhftraße in Magde— burg iſt die Berliner Straße geworden; ih weiß nicht ‘ob dort nod der Ellenbogen (eine ziemlih rund laufende Gaffe) befteht. Vielleicht Hat auch der Flohwinkel in Braunfhweig (wo ih eimft köſtliche Schiffs-Mumme trant) jeinen bedeutungsvollen Namen verloren.

Ich ichließe mit der Bemerkung, daß id durdaus nicht glaube, meinen Gegenftand, erihöpfend behandelt zu haben. Ich möchte aber anregen; und es jollte mich freuen, wenn noch viele derartige Beijpiele beigebracht, und wenn nöthig erklärt würden.

Relativpronomina. In den Hauptſchwier. habe ih ©. 6b ff. („Abhängigfeitsverhältniffe des zweiten Grades” Nr. 6) und ©. 76a/b („Bezüglide Fürwörter“ Nr. 1 und Nr. 4, vgl. aud Nr. 3) auf Fälle aufmerkſam gemadt, im

Zr

denen die Formen von welcher ausichließlih oder doch abwechſelnd mit denen von der zu gebrauden find.

Zufällig finde ih auf der erften Spalte des 2. Beiblattes zu Nr. 206 der National-Ztg. (1896) zwei hergehörige Beilpiele, denen ich bier ein Plätzchen einräumen will:

a. Zweifelbaft ift es noch, welche Einihränfung die Bergfrankheit, welche alle in jo dünner Luft körperlich angeftrengte Menſchen befällt, den Plänen machen wird.

Für das erfte welche fünnte bier Feinenfalls eine Form von der gejegt werden: „Nur welder, nicht der fteht als adjektiviſches Fürwort neben einem Hauptwort“.

Dagegen ftände ftatt des zweiten welde bier beffer die: „Bei MNelativjägen bietet der Wechſel der bezüglihen Fürmwörter (welder, der) ein Mittel, die Verfchiedenheit zwiſchen neben- und untergeordneten Süßen hervorzuheben.“

b. Der Vortragende beridtete auch von hohen Preijen, die Plakat— jammler für alte Eremplare zahlen.

Hier ftände ftatt des die beſſer welche:

„Eben jo verdienen die Formen von welder den Vorzug da, wo es von den entjprechenden von der ſcheinen fkünnte, als ob fie zu einem unmittelbar darauf folgenden artitellojen Hauptwort als Artikel gehörten.“

Sid ſtark machen. Zu Zeitſchrift IX, ©. 474.

Hierzu bemerkt Sanders mit Recht, der Sinn müſſe wohl fein „Th dafür verbürgen“, fügt aber Hinzu, er wiſſe nicht, ob und wodurd diefe Ausdrudsweije begründet ſei.

„Begründet ift fie durch Nichts als durch die leider immer nod blühende deutihe Nahäffungsfuht auf ſprachlichem Gebiet. Wir haben es bier wieder mit einem recht plumpen Gallicismus zu thun: se faire fort de... . Diefe jehr geläufige Nedensart heißt „ſich anheiihig machen

zu, es auf fih nehmen zu . . .„“ eigentlih „verfihern, dajs man im Stande fei, zu ...“ Paris, Alfred Bauer.

Sie haben volltommen Recht; aber ih bin vielleiht doch zu ent- ſchuldigen: Die jet im 12. Heft des 9. Yahrgangs als Nr. 1 ftehende Bemerkung hatte urfprünglid ihre Stelle am Schluſs der „vereinzelten beim Leſen niedergeichriebenen Bemerfungen“ (als Nr. 23 auf ©. 438)

u

des 11. Heftes, mufste aber wegen des mangelnden Raumes in der Druderei für das nächte Heft zurüdgelegt werden, und darunter hat auch die Drudberihtigung gelitten, die ih grade in jener Zeit mit der gewohnten Sorgjamkeit zu erledigen niht Sammlung genug bejaß (ſehen Sie auf S. 439 ff. den Brieffaften). So find denn die Belegitellen im 11. Heft für Nr. 22 und im 12. Heft für Nr. 1 ausgefallen (aus der Nat.-Ztg. 47, . .) und ih glaube wenn mein Gedächtnis mich nit ganz täuſcht auch uriprünglid gejchrieben zu haben: „ob aber und wodurd dieſe Ausdrucksweiſe im Deutſchen begründet ift, wüjste id nicht zu jagen“ denn die franzöfiihe Medensart war mir ſchon aus dem Dict, de l’Acad. zur Genüge bekannt, worin es beißt: Se faire fort, S’ engager à quelque chose, se rendre caution, se rendre garant. Jedenfalls aber danke ich Ihnen bejtens für Ihre durchaus zutreffende Berichtigung

Aus dem komiſchen Epos von Adolf Bartels (f. &. 73) theile ih hier al$ Probe mit Ermähtigung des Verlegers die erfte Hälfte des zehnten Gejanges mit, in deffen Stangen der Dichter feiner jatirifhen Yaune und Spottluft vielleiht allzufek den Zügel hat hießen laſſen. Dais ich feinem Urtheil nicht überall zuftimme, brauche id wohl nicht bejonders hervorzuheben. (Die zweite Hälfte des 10. Gejanges mujs ih aus Rüdfiht auf den Raum einem jpätern Hefte vorbehalten.) Zehnter Gefang. Den Traum des dummen Teufels will ic fingen, Den ihönen Traum vom deutihen Berg Parnaſs, Und ein’ge Bosheit gleich zu Markte bringen! Denn freilich ärgert Einen Dies und Das, Was hatt’ ich doch von allem meinen Ringen Nah Dichterehre? Dual obn’ Unterlafg, Indeſs Talente, die nur zu verachten, Die allerglängendften Geſchäfte machten.

Da muſs man denn allmäblih wohl verbittern Und wird dabei auch neidiſch, boshaft, fchlecht. „Ha, jene Schlauen follen vor mir zittern, Die Ruhm und Gold einheimfen als ihr Necht, Da den Erfolg mit feiner Naf’ fie wittern

Und Jeder gern des Bildungspdbels Knecht.“ Nur leider ſtellt man Die auch leicht zu ihnen, Die ehrlich ſich den Lorbeerkranz verdienen.

"Bi,

Gerecht fein, Gott, wer kann's in diefen Zeiten, Wo Jeder nur fich jelbft für Etwas hält,

Wo Kliden wüthend gegen Klicken ftreiten,

Und jeder Stammtifch eine eig’'ne Welt ?

Ih ſcheue nicht, mir Feindſchaft zu bereiten, Und hab' mand hartes Urtheil kühn gefällt. Doch ob ich alles Gute auch erhoben,

Das weiß ih nit. Es ift micht leicht zu loben.

Der dumme XTeufel, der jo mande Stunde Mit Manuitriptelefen zugebradt,

Dafs er die fommenden Genies erkunde,

Sah unſre jetz'gen all’ in einer Nacht.

Ihm träumt’, er ſtänd' in einem weiten Runde Auf ſtattlicher Tribüne, die bedacht

Und reihbeflaggt, und glaubte zu erfennen,

Es bandle fih bier um ein Pierderennen.

Biel Publitum war da, jo Herrn wie Damen, Die letztern jelbftverftändlih reichgeſchmückt. Reporter wie auch Beitungszeichner nahmen

Die Toiletten auf; und bochbeglüdt

War jede, zu der fie jkizzierend kamen

Die Gatten waren minder icon entzüdt.

Das war ein Muftern, Schnattern, Standalieren, Doch niemand wufste, was da follt” paffierenn.

Bor Aller Bliden lag ein prächt'ger Rafen,

Die Sonne fchien, der Himmel ftrablte blau.

Da ward ein raufchendes Signal geblaien,

Und fieb, ein einzig Roſs kam auf die Au.

Dem fprühten Flammen aus der ftolzen Nafen,

Ein glänzend Flügelpaar trug es zur Schau,

Doc ob es ſchwarz, ob weiß, ob braun, das weiß ich Wahrhaftig nicht, ob ich geforfcht glei fleißig.

„Der Pegaius zu Hoppegarten“ könnte

Man dieien Sang benennen, Das ift klar. ler, dem Gott dad Roſs zu ſchaun vergönnte, Der fagt’, es jei noch immer wunderbar,

Und daſs es mancher Dichter gar nicht Könnte, Der ſich zu reiten brüfte immerbar.

Mag fein! Wer feinen Pegafus im Munde Allezeit führt, ift meift ein fauler Kunde.

Nun fprang das Roſs gar fröhlih auf und nieder Und ſchien voll Feuer und doch fanft und zahm, Als harr' in Demuth es des Gotts der Lieber; Zwar dieſer nicht, ein Herold aber fam.

ME

Trompetenklang hallt' an der Brüſtung wieder, Wotauf der Mann zum Reden Stellung nahm; Deutlich erfholl e8 in der weiten Runde: „Erfchienen ift der Tag und da die Stunde!

Bor diejer glänzenden Berfammlung follen

Des deutihen Volles Dichter insgeſammt

Jetzt zeigen, was fie fönnen, was fie wollen,

Ob ibr Talent auch wahrhaft gottentftammt.

Das edle Roſs verdanten wir Apollen,

Es harrt de3 Weiters, kraft: und muthdurchflammt. Mit wahren Dichtern wird’ zum Himmel ſteigen Wohlan, ihr Herrn, wollt eure Kunſt jetzt zeigen!”

Zuerft erfchien denn nun der Chor der Alten, Alle befränzt, in wallendem Talar.

Sie mwufsten ihre Leier gut zu halten

Und jtellten überhaupt fi würdig dar.

Manch Einen jah man fromm die Hände falten, Bielleicht, weil ihm der Bauch beihwerlich war. Es giebt, Das kann ih aus Erfahrung jagen, Doch Dichter jetzt, die dieſe Zierde tragen.

Es waren etwa vierzig Mann man zähle Sie ſich gefälligſt ſelber, Stern bei Stern,

Ich bürge nicht dafür, daß feiner fehle

Laut wiehernd grüßte Pegajus die Herrn

Und fam beran, als ob er jelber wähle

Den Reiter fid. Nun, Mijsgunft liegt mir fern, Der erfte, dem er fchnuppernd nabt im SKreife, Bar unfer Heiner Goethe, Don Paul Heyfe.

Der ließ jich denn auch nicht zu lange bitten, "ab Groſſe jeine Leier in die Hand

Und wagte, als er dicht berangejchritten,

Raſch einen Sprung; da ſaß er, elegant.

Die Leier nahm er wieder und inmitten

Des Rundes ritt er, wie ein Lieutenant. Dann ließ er feinen Nenner auch noch fliegen, Doch nicht fehr hoch. Drauf ift er abgeftiegen.

Nah Heyfe famen feine Freunde alle,

Die Münchner, ald da Grofje, Lingg und Herk. Die hatten oft den Pegafus im Stalle,

Und langiam trug er fie jet himmelwärts.

Ein bischen Angft, daſs Einer jählings falle, Empfand man zwar; denn, ach, wo ift der März, Bo diefe Sänger jung und fröhli fangen ?

Doch ift die Sache fehr gut abgegangen.

BU =

Roquette und Wilbrandt, Hopfen, Jenjen wagten Darauf den bügellofen ftolzen Flug.

Man glaubt mir wohl, dafs fie nicht rafend jagten, Und daf3 der Gaul fie nicht durch Wolken trug.

Doch ſah man aud, dafs fie nicht ängftlich zagten Sie batten aber alle bald genug,

Unritten num das grüne Rund am Ende

Und fprangen ab, alle noch recht bebende.

Das Publikum fah Anfangs mit Erftaunen,

Ja, faft perpler ein Reiten diefer Art

Und batte viel zu flüftern und zu raunen,

Dann fand es doch das Nennen höchſt apart. Und mit Verwundrung merkte man am Braunen, Daſs er bei jedem Ritt ein andrer ward. Nun bab’ ich doch dem Thier Couleur gegeben ; Behalt' es fie! Der Reim, der wollt’ e8 eben.

Ja, Pegaius blieb keineswegs der gleiche,

Wenn ihn ein andrer Neiterdmann beftieg.

Bald ſchrumpfte er zum Klepper ein, ald reiche Sein Futter nicht für dieien Gängertrieg ;

Dann wiederum ward glänzend feine Weiche, Sein matted Auge ftrablend wie ein Gieg; Bald war ald Hengft er aus Arabiend Ganen, Und bald als deutſcher Droictengaul zu ſchauen.

Das letztre nur bei winzigen Poeten,

Die ih bier feldftverftändlich nicht genannt, Obwohl fie echt. Mancher, der angetreten,

Lag aud nach fünf Selunden auf dem Sand. Da balf fein Ziehn, Anklammern, Fluchen, Beten, Der Gaul hatt’ übermenſchlichen Verſtand;

Sein Rücken trug ſelbſt den geringſten Dichter, Doc keinen vom reiniſchmiedenden Gelichter.

Sehr drollig ward es, als der eble Bote

Jordan erichien, von Frankfurt ber, am Main. Natürlih war der Gaul ihm zu @ebote

Und ſchwang fi wader in die Luft hinein.

Doc glich der Meiter völlig Don Quirote,

Und Rofinante ſchien das Roſs zu fein.

Barum Das war, weiß ich nicht zu berichten, Denn immer fhätt ich Wilhelm Jordan's Dichten.

Gottſchall bracht’ eine Hitſche fromm getragen Und fprang von ihr zum Muſenroſs hinauf. Darauf begann er wild einherzujagen,

Doch plöglid Hielt das Nöfslein an im Lauf.

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Der Dichter zögerte nicht es zu ſchlagen,

Da flieg e8 ferzengrabe bimmelauf

Und ließ fih dann mit Windesjchnelle nieder. Gottſchall ſchrie laut: Ich thu's gewiſs nicht wieder.

Spielhagen kam, wie mich bedünlen wollte, Nun doch ſchon etwas altersſchwach und matt. Da auch die Politik nach oben ſollte,

Setzt' er ſich aufs Berliner Tageblatt.

Wie da der Gaul die Augen wüthend rollte! Er ruhte nicht, bis es fein Huf zertrat.

Dann trug den Reiter er ohne Beſchwerde

So etwa hundert Fuß über der Erde.

Genug, ſo ſcheint mir, that ich jetzt einſtweilen,

Daſs mir die Bosheit nicht ganz mangelt, fund.

Nun will ih wieder Stem und Kranz ertbeilen,

Und did, Klaus Groth, dich, Landsmann, preift mein Mund. Ya, du fannft reiten, wie die Wollen eilen;

Wie fcheint dad Rofſs nun Fräftig und gefund,

Als ob es einft in feinen jungen Tagen

Die grüne Marfh mit ftarfem Huf gefchlagen.

Auch Deifter Wilbelm Naabe fei gepriefen!

Wie ragt der einfam aus dem Dichtertrofß!

Erft tummelt er gemächlich auf der Wiefen, Dann jpornt zu tollen Sprüngen er das Rofs. Bor allen deutihen Dichtern Tieb’ ich diefen O ſchöne Stunden, da ich ihm genoſs!

Und fagt ihr mir, fein Meich fei eng noch immer, Ja, meine Herrn, das Herz ift aud kein Zimmer.

Noch mehr der Alten wujsten gut zu reiten, Es jeblt bier mander Dichter von Gewicht. Den Schweizer Mever doch will ich begleiten Hoch, hoch hinauf ind hellſte Sonnenlicht. Auh Martin Greif fliegt wahrlich gut zu Beiten, Und Adolf Stern weit größern Namen nicht, Und jo wär’ mander Reiter noch zu nennen, Den unfre Jüngſten nicht mehr anerlennen. (Eine Fortſetzung folgt.)

An, bei.

In Bolling’s „Gegenwart“ 47, ©. 220b heißt es in einer Humoreste von Guftav Befnard (in Stuttgart): „Meine rau hatte mir am Mittag- eſſen mitgetheilt, fie zc.” ftatt: beim Mittageffen.

Wenn e3 in verjelben Humoreste auf ©. 221b heißt: „Wir ſaßen noch am Mittagstifh zc.“, jo ftimmt die Präpofition an als Orts- bezeihnung zu dem Grundwort Tiſch, obgleih „Mittagstiſch“ in der Zufammenfegung bier als finnverwandt mit Mittagsmahlzeit erieint (j. mein Wörterbuh deutiher Synonymen, 2. Aufl. ©. 26 ff.), vgl. 3.2. auch: „Am Mittagstiih ging es dies Mal noch lärmender zu als ſonſt.“ Gartenlaube 43, 37b (Marie Bernhard). „Da... Maſcha allein am Frübftüdtiih ſaß.“ Roman-Bibliothek 23 Sp. 1567 (N. v. Klin— fowftröm). „Sie reisten nur fünf, fehs Stunden des Tages, und zwar vor der Mittagsmahlzeit, bei der jie dann immer bis 9 oder 10 Uhr des Nachts figen blieben.“ Schiffer 1086a (Dentwürdigfeiten aus dem Leben des Marſchalls Vielleville), Beim Mittag: wie beim Abend» brot xc. Beim Frübftüd.

Ich babe dem Vorftehenden hauptiählih ein Plägchen in der Zeit: ihrift eingeräumt, um dadurch vielleicht einen oder den andern Xeier, befonders unter den ſchwäbiſchen, zu einer eingehenderen Beiprehung der nah meiner Anfiht nur mundartlihen Verbindung: „am (ftatt beim) Mittagejien“ anzuregen, vgl. 3. B. auch öfterreihiih: „Nach erfolgter Einjegnung am |ftatt: auf dem] biefigen Friedhofe beftattet“ u. ä. m.

Sid unterjcheiden vor 2.

In meinem Wörterb. Ill ©. 903a babe ih das Zeitwort unter: jheiden in Nr. 1 als tr, refl. und intr. (haben) aufgeführt und in Nr. 2 hinzugefügt: „prägnant: Einen unterjdeiden: vor Andern aus— zeihnen.“ In meinem Ergänz.-Wörterh. Habe ih zu den im Wörterbuch angeführten abhängigen Präpofitionen hinzugeſetzt:

„auch: Etwas gegen etwas Andres (Nat.-Ztg. 29, 369), fih vor Andern (Goethe 17, 88) unterſcheiden.“

Ich will hier den Beleg aus Goethe vollftändig anführen:

Der edle Menih kann fih im Momente vernadläffigen, der vor- nehme nie Diejer ift wie ein ſehr wohlgekleideter Menſch: er wird fich nirgends anlehnen und Jedermann wird fih hüten an ihn zu ftreiden; er unterfheidet jih vor Andern; und doch darf er nicht allein ftehen bleiben ꝛc. Meifter’s Yehrjahre V, 16. Kapitel;

und namentlich will ic einen weitern (veriehentlih unermwähnt ges laffenen) Beleg aus Goethe 13, 134 Taſſo II. Aufz. 1. Auftritt nad- tragen, wo Taſſo ſich unterfheiden mit den beiden Präpofitionen von (der allgemein üblihen) und vor (entiprebend dem: ſich auszeichnen vor) neben einander gebraucht:

So unterſcheiden ſich die Erdengötter

Bor andern Menſchen, wie das hohe Schickſal Bom Rath und Willen felbft der Milgften Männer Sid unterſcheidet.

Bereinzelte beim Lejen niedergeichriebene Bemerkungen.

1. Unbeadtlid.

„Weil er von feinem Standpunft des Chirurgen aus den Wider- ſpruch des Vaters durchaus für unbeahtlich hielt.“ Nat.Ztg. 47, 402, üblider und beffer: für nicht beachtungswerth zc., vgl. Ergänz.-Wörterb. ©. 3b.

2. Zwiſchen.

„Wie oft zuvor und öfter nachher, vermodte die furdhterfüllte und erregte öffentlihe Meinung zwiſchen den fervilen Naturen, die fi ſchlecht— bin der Macht beugen, den feilen Seelen, die für ein Stüd Geld oder weltliher Ehre ihre Überzeugungen wechſeln, und zwiſchen den ver- mittelnden Geiftern nit zu unterjceiden, die aus tiefern Erwägungen nicht fowohl von Unterwerfung unter die alte Kirche als von einer Ver— jöhnung in einer höhern Einheit träumten, die ein wahrhaftes chriſtliches Koncil erft ſchaffen follte.“ Grenzboten 53, 1, ©. 193 (Adolf Stern), ſ. über das wiederholte zwiſchen den Aufſatz in der Zeitihr. VII ©. 325/6 unter der Überſchrift: Zwiſchen.

3. ber.

„Dr. Greeff iprah über die neueren Anſchauungen iiber den Bau der Nekhaut.“ Nat.Ztg. 47, 412. Der Mijsftand der beiden einander nicht untergeordneten über (j. Hauptihwier. unter dem Titelfopf: Ab— bängigfeitsverhältnijfe des 2. Grades Nr. 7, bejonders 7k Seite 9a) wäre auf verjchiedene Weife leicht zu vermeiden gemeien, vgl. etwa: Er beiprab (oder: behandelte in feiner Borlefung) die ıc. oder: er ſprach über den Bau der Netzhaut nad den neuern Anſchauungen u.a. m.

4. Auf ihm.

„Dais der Feſtplatz, dem natürlich bemwegtes Leben und Treiben, mie es fi geftern auf ihm entmwidelte, erft den rechten Reiz verleiht, einen großartigen und doch gefälligen und anheimelnden Eindrud macht, wird Jeder, der ſich geftern auf ihm bewegt hat, gern und freudig zus geſtehen. Es Tann nicht fehlen, daſs fih aud die turmerijchen Säfte auf ihm behaglich fühlen ꝛc.“ Nat.-Ztg. 47, 415. Statt des dreimaligen auf

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ihm, worin das von dem Verhältniswort (auf) abhängige perſönliche Fürwort (im Dativ) in der nicht gehobenen Darſtellung, wenn auch nicht gradezu immer auf eine Perſon, ſo doch auf etwas mehr oder minder perſönlich Aufgefajstes oder Belebtes bezogen zu werden pflegt (ſ. Zeitſchr. I ©. 162 —170, bejonders ©. 168 Nr. 7) würde füglidh beffer das kurze und einfahe dort gejegt fein, das auch nicht bloß vor dem breitipurigen und allzu fanzleimäßigen auf demjelben, jondern aud vor darauf den Borzug verdient.

5. Bald.

„Es ift no jehr bald“ Nat.-Ztg. 47, 416 (in einer „autorifierten Überjegung“ aus dem Englifhen), in der heutigen allgemeinen Schrift: ſprache gemöhnlih früh(e), j. mein Wörterb. ©. 70b, wo bald (im Nr. 7) frühe als mundartlich umd veraltet bezeichnet wird, obgleich fih unter den Belegen allerdings auch no je ein Beleg aus Hadländer und Platen findet.

6. Dienlid. „Die wahren Republikaner würden jedoch begreifen, dafs man der Demokratie nur dur die Freiheit dienlich ſei.“ Nat.-Ztg. 47, 417 ftatt diene oder dienen könne, j. mein Wörterb. I ©. 295 ff.

7. Aufwurf.

Sm den „liegenden Blättern” Nr. 2549 findet fih ©. 218b ff. ein jpaßhaftes Geſchichtchen, aus dem ich bier folgende Stellen aushebe:

„Herr Theobald Müller kam . . . in ein Gafthaus, in deſſen Neben- lofal eine Berjteigerung vorgenommen wurde Wie er hörte, handelte es fih um nicht abgeholte Gewinnfte aus einer Weihnadtslotterie. Eben kam ein Zuderhut zum Aufwurf. Halt, dahte fih Müller, den fteigere ich ...O ih Ejel!‘ rief da Müller, ‚da hab’ ih aljo meinen eigenen Gewinnſt erfteigert!‘*

Das hervorgehobene Wort Aufwurf fteht bier in dem Sinne: Der Zuderhut fam zur Verfteigerung, bei der Verfteigerung an die Reihe oder mundartli norddeutih: auf den Bot zc. (j. mein Wörterb. I ©. 192). Diefe Anwendung ift, als aud in meinem Ergänz.-Wörterb. ©. 658a noch unerwähnt geblieben, dort nahzutragen. Nebenbei erwähne ih, daſs man in der norddeutihen Volksſprache gemöhnlih nicht jagen würde: „Den fteigre ih“, fondern etwa: „Auf den biete ih“ oder: „Den kaufe ih“ und ähnlich auh am Schlujs: „So hab’ ih mir bei der BVerfteigerung meinen eignen Gewinnſt gekauft.“

Anzeige der eingeſandten Bücher.

(Bejprehung einzelner nad) Gelegenheit, Zeit und Raum vorbehalten.)

Adolf Bartels. Der dumme Teufel oder die Goͤnieſuche. Komiſches Epos in 12 Gelängen. 170 Seiten. 1896. Dresdener Berlagsanftalt (B. W. Eiche). ı M. 35 Pi.

Dr. Robert Bertin. Friedrich Rüdert, fein Leben und Dichten für die Jugend dar- geftellt. Stuttgart. Kommiffionsverlag des „Ehrifil. Verlagshauſes“ (mit einem Ziteltupfer) 32 ©.

Prof. Dr. Gotthoſd Böttiher, Oberlehrer an der 4. Realihule in Berlin: Übungen zur deutihen Grammatik mit einem Abriſs der deutfchen Sprachlehre für die umteren Klaſſen höherer Schulen, insbefondere für Realſchulen und verwandte Anftalten. Peipzig 1896. VII und 108 S. Pr. gebunden 1 M. 20 Bi.

Dr. Theodor Braune. Berlin NW. Spenerfir. 80 I. Wifjenihaftlihe Beilage zum Jahresbericht des Königlichen Luiſen-Gymnaſiums zu Berlin. Oftern 1896. Über einige ſchallnachahmende Stämme in den germanifhen Spraden. 18 ©. (nebft einer Überfichtätafel über die zu dem Stamm krap gehörenden Wörter).

C. Fleming. Cours complet de grammaire anglaise. Sixieme edition VII et 302 pages. Paris, Librairie Hachette et Cie. 79, Boulevard Saint-Germain [gehört zu der Methode uniforme pour l’enseignement des Langues par E. Sommer].

Frentag’s Schulausgaben Sopholled. Antigone ... . v. F. Mertens. 1896. 94 ©. Preis 60 Pf.

Dr. 8. Gebhardt. Sol Deutihland fih am den olympifchen Spielen betheiligen ? Ein Mahnruf an die deutfhen Turner uud Sportsmänner. 123 ©. Berlin. Berlag von Karl Siegismunp.

Mitteilungen des Allgemeinen Deutſchen Schriftvereind. Schriftleiter Adolf Neinede. Nr. 6. (1. 3. 1896) ©. 179—234.

». 6. von Möllendorff. Das chineſiſche Yamilienreht. Schanghai 1895. VI. u. 66 ©.

»ädagogifhe Blätter. Bereinigung des „Schweiz. Erziehungsfreundes“ und ber „Pädagog. Monatsfchrift”. Organ des Bereins kathol. Lehrer und Schul- männer der Schweiz und des jchweizerifchen kathol. Erziehungsvereind. Chef- Redaktion El. Frei zu Stordhen, Einfiedeln. 3. Jahrg. erfcheint 2 Bogen ftart je den 1. und 15. jeden Monats. infiedeln, Eberle und Rickenbach. 1896. (Het 1-3).

Dr. Rieh. Städtiſches Leben in Mellenburg in den Zeiten des Mittelalters. (Pro: gramın des Gymnasii Carolini,. Oftern 1896, entbält außerdem Schulnad- richten vom Oberfhulratt Dr. Schmidt) Neuftrelig 1896.

Louis XI et Charles le Tömeraire by J. Michelet. Edited by Arthur R. Ropes, M. A. Late Fellow of King's College, Cambridge. Cambridge at the University Press. 1896. (Pitt Pres Series), with a map, introduetion, genealogical table, chronological table, notes and index. Extra Feap 8 o. Cloth. Price 238. 6d.

Audolf Allrich, Präfelt der f. k. Therefianifchen Alademie a. D.: Die neue Schrift: 1. Thl.: a. Phono-Stenographie. 2. Aufl. 40 Kr.

b. Übungs- und Leſebuch. 40 Kr.

Zeltſchrift f. deutſche Sprade. X. Jahrg. 6

=, BE 28

2. Tbl.: Logo-Stenograpbie (Deutſche Redeichrift). Geiegmäßigfte und deis- balb einfachfte Debattenſchrift. 40 S. Mit 9 Tafeln. 80 Kreuzer. Wien 1896. Berlag der „Neuen Schrift” Wien, Neubau, Breitegafie 21.

Prof. Dr. ©. Weife. Unſere Mutterfprate, ihr Werden und ihr Weien. 2,, ver: befierte Aufl. 5.—8. Taufend. Leipzig ®. G. Teubner VII und 270 ©.

Beitfhrift des allgemeinen deutſchen Spracdvereind. Begründet von Herman Niegel. Im Auftrage des Borfiandes herausgegeben von Friedrich Wappenbans. XI. Jahrg. Nr. 4. 1. April 1896. Dazu: Wiſſenſchaftliche Beibefte zur Zeitſchrift ꝛc. Heft X (Ausgegeben am 1. April 1896). „Deutiches Reich“ und „Deutiher Kaifer*, eine ſprachlich-geſchichtliche Be— trabtung zum 18. San. 1896 von Otto Schrader umd: Die Mundart im Spiegel der Schriftfprade .. . Bon Th. Matthias. Berlag des allgemeinen deutſchen Spradvereind, Berlin.

Briefkaſten.

Der „Richter“, der „ugleich im Namen mehrerer Amtsgenoſſen“ meine Beant- wortung ſeiner Anfrage gewünſcht hatte, hat mit ſeiner mir leider verſpätet zuge— gangenen Drudberidtigung mir folgende Bemerkung eingefandt:

„Aus Ihrer gütigen Antwort erfebe ich erſt recht, bodhgeebrter Herr Profeflor, wie dringend der Abſatz aus dem Einführungsgefege zum bürgerlichen Geſetzbuche einer andern, allgemein verftändlichen und unzweideutigen Faſſung bedarf; denn die von Ahnen auf S. 38 vorgeichlagene fagt etwas Andres ald was der Gefetgeber Hat tbatfächlich als Recht feftjtellen wollen, nämlich:

Gehören die Berlobten verfchiedenen Staaten an, fieben fie unter verfchiedenem Eheſchließungsrecht, jo joll der Bräutigam nach feinem Recht, die Braut nad ihrem Recht beurtheilt werden.

Mas meinen Sie zu folgender Faſſung? —:

„Die Eingebung der Ehe wird, jo fern die Verlobten verſchiedenen Staaten an— gebören, für jeden der Verlobten nad den Geſetzen des Staates beurtheilt, dem er angehört.”

Darüber mögen die Nechtögelehrten enticheiden; aber ich möchte die Gegenfrage

an Sie richten:

Was meinen Sie zu der vom mir vorgefchlagenen Yafjung,. wenn daran nur der Schlufs geändert würde —:

„den der Betreifende ſtatt: ver Bräutigam] angehört,“ alfo (um den Sat vollftändig zu wiederholen) ? —:

„DiP Eingebung der Ehe wird, fo fern von dem verlobten Paare auch nur der eine Theil, fei e3 num der Bräutigam oder die Braut, eine dem deutfchen Reich an- gebörige Perfon ift, in Anfehung beider Berlobten nad den Geſetzen des Staates beurteilt, dem der Betreffende angehört.“

Das Borfiehende babe ih vor Einfendung in die Druderei dem Anfragenden

mitgetbeilt und diefer hat mir darauf erwiedert:

„Beten Dank für Ihre Mittbeilung. Ich ziebe meinen Vorſchlag vor. In Geſetzen darf man Wortwiederbolungen nicht jcheuen. „Der Betreffende“ klingt mir

ur ——

nicht angenehm. Warten wir nun ab, welche Geſtalt „der Verlobte“ im Reichstage erhalten wird.“

Herm Alfred A... in Graudenz. Sie ſchreiben:

„In einem Beriht aus Paris in der Morgenausgabe der National-Ztg. vom 8 April finde ih die Diittbeilung, daſs ein Vertreter de8 Gaulois Emile Zola über jeine Meinung hinſichtlich des gegenwärtig tobenden Streites zwiichen Radikalen und Gemäfigten befragt und dais der Schriftfteller feine Anficht in den Worten abgegeben babe: ‚Herr Poincare (einer der jungen Führer der Opportuniften in der Kammer) it ein febr feiner Kopf, ein liebenewürdiger Mann und er würde obne Zweifel einen jebr geſchickten Minifterpräfidenten abgeben. Herr Bourgeois ift ein ſehr gefchidter Minifterpräficent, ein liebenswürdiger Mann und ein ſehr feiner Kopf.‘ Der Schrift: ftelier wollte Damit andeuten.. ., daſs der augenblicliche Streit lediglih ein Perfonen- ftreit jei, ein Ringen um die berühmte ‚assiette au beurre‘ und daſs radikales und gemäßigtes Minifterium ‚blane bonnet‘ und ‚bonnet blanc‘ ſeien.“

Sie fahren dann fort: „Jh bin der franzöfiiben Sprade nicht ganz unkundig und weiß jo aud, dafs das franzdfifche c'est bonnet blanc et blane bonnet etwa die Bedeutung bat, wie unfer: „die Sache ift fo lang, wie fie breit ift; fachlich und im Wefentlichen ift fein Unterfchied ıc.”; und fo glaube ich auch richtig zu verftehen, was der Pariser Berichterfiatter in der deutfchen National-Ztg. bat fagen wollen, es handle fih um eine reine Perionenfrage, in der Sade fei es ziemlich Dasfelbe und made feinen weientlihen Unterfchied, wer von den beiden Genannten an der Spite bes trans zöfifhen Minifteriums für die nächſte Zeit ſtehen würde zc.; aber ich mufs offen geftehen, dafs ich über die „berühmte assiette au beurre” im Unklaren bin, weishalb ih mich eben um gütige Erflärung und Auskunft an Sie, geehrter Herr Profefjor, wende, Ihnen dafür fhon im Voraus meinen verbindlihen Dank abflattend. Zugleich aber möchte ih Sie, wenn es nicht allzu unbefcheiden ift, um Ihre Anficht darüber bitten, ob eine deutihe Zeitung für gebildete Deutſche, worunter ſich doch fehr viele ohne ver— traute Kenntnis fremder Sprachen befinden, nicht die Pflicht babe, wenigſtens die nicht allgemein übliben und verftändlihen Fremdwörter und ganz befonder8 fremden Redensarten nah Möglichkeit zu vermeiden und entweder zu erklären oder durch entfprechende deutihe Ausdrüde zu erfeßen (zu verdbeutfchen).“

Darauf antworte ich mit eimem entfchiedenen Ya, obgleih ich tie Haft, mit welcher die Zeitungen bergeftellt werden müfjen, wenn auch nicht ald Rechtfertigung, fo doch einigermaßen als Entihuldigung in Anſchlag zu bringen bitte,

Was nun aber Ybre eigentliche Frage betrifft, jo theile ich Ahnen mit, daſs die „berühmte assiette au beurre“ felbft noch in dem vortrefflichen encyllopädiichen Wörter: buch von Sah3-Billatte anerwähnt geblieben ift und erft im dem 1894 erfchienenen Supplement auf S. 25b Aufnahme und Berüdfichtigung gefunden bat.

Dort beißt es nämlich mit vorgeleßtem P (womit die Sprache des unges bildeten Volles bezeichnet ift): „accaparer l’assiette au beurre fi den ganzen Raub aneignen; avoir l’assiette au beurre, woblbabend fein, im Schmalz ſitzen“, vgl. etwa (nah Ariftopbanes, f. mein Wörterb. II S. 155b): „von dem Gemeinbrei (ein)löffeln“ (Droyfen) oder: „vom Gemeingut (ein)löffeln“ (Boß) oder; „mit dem großen Föffel (f. d. ©. 154c) aus der Staatslaſſe ſchöpfen“ ꝛc. oder: „fih vornan an die große Krippe (ſ. d. I ©. 1033) drängen umd fi dort weiblich mäften‘ (f. d. II S. 249b); ſich ein Ränzlein, Bäuchlein anmäften u. &. m.

Herrn Georg At. in Frankfurt a. O. „In der Berbandlung erflärte P. im die G. ganz verrücdt gewefen zu fein.” Nat.Ztg. 49, 182. Ihr Gegner bat Mecht.

6*

——

„Berrückt ſein in Jemand“ iſt nicht zu rechtfertigen; es hätte wenigſtens etwa heißen müſſen: „bis zum Verrücktſein (oder raſend ꝛc.) in Jemand verliebt”.

Herrn Alfred Bauer in Paris. Sie und Herr Prof. Gruber haben mir für mein Bud: „Sakbau und Wortfolge in der beutihen Sprache“ ſchon bei dem erften Erſcheinen viele werthvolle Bemerkungen, die Sie beide bei Ihrem Tangjährigen Unterricht der deutihen Sprache in Frankreich geſammelt, zur Berfügung geftellt und die ich dann auch mit gebührendem Dante benutzt und verwertbet babe (j. Vorrede S. V). Heute jenden Sie mir nun eine neue Bemerkung, die id da fie mir für die neue vermehrte Auflage meines Buches zu ſpät zugegangen ift, wenigftend bier furz nachtrage.

Es bandelt fih um Vedingungsfäße, eingeleitet 3. B. durch: „feies,.. fei es“ und ähnliche Wendungen (f. in meinem Buch $ 21, beionderd Nr. 4, namentlich ©. 84—86, vgl. au 88 14 und 17).

Sie mahen mit Recht darauf aufmerfiam, es hätte ausdrüdlich hervorgehoben werden follen, daf8, wenn derartige Sätze ald Vorderſätze auftreten, der Nachſatz in der Regel ohne einleitendes fo fteht, aber troßdem auch (nahdrudsvoll) ohne Inverſion, vgl. 3. B. den auf ©. 83 angeführten Sat aus Leifing’s Nathan:

Und ob mic fiebenfache Liebe ſchon

Bald an dies einz’ge fremde Mädchen band,

Ob der Gedanle mich ſchon tödtet, daſs

Ich meine fieben Söhn’ in ihr aufs Neue

Berlieren fol: wenn fie von meinen Händen

Die Vorſicht wieberfordert: ich geborde [in der Form des Hauptfatzes, ohne Inverfion] und ferner ©. 61 aus Goethe's Wahl: verwanbticaften :

Wenn mid der Poftbote morgen früh nicht drängte, wenn wir und nicht ent= ichließen müfsten, ih hätte [nahbrudsvoller als: jo bätte ich] vielleicht noch länger geſchwiegen zc., ſ. weitre Beilpiele ©. 57 fi. $ 17° und um ein weitres Beifpiel hinzuzufügen —: Geſetzt (oder angenommen, fei es x.) auch, daſs er Unrecht bat: du als fein Freund, durfteft ihm darüber in der Gegenwart fremder keinen Bor= wurf machen, nadhdrudsvoller als: fo durfteft du, als fein Freund ibm [meift mit einem den Gegenfat bervorbebenden doch) x. und nun das von Ihnen mir ges fandte Beifpiel:

Sei es, daf8 wir fommen, jet es, daſs wir nicht fommen: Das darf nicht füblicher als: fo darf Das doc] nicht geichehen, wozu ih zum Schluſs nody fügen will:

Mag er auch fügen, was er will [oder au in der form des Hauptfaßes: Er mag fagen, was er will]: ih glaube ibm (doc) nicht, [üblicher und nachdrücklicher als: fo glaube ich ihm doc nid].

Herzlihen Dank und beften Gruß.

Fräulein Emilie v. Fihtenhain in Linz. Mit berzlihftem, innigftiem Dant für Ihren liebenswürdigen Brief verbinde ich den aufrichtigen Wunſch für Sie: Alles Gute!

Frau Karoline v. 6 . . . in Bredlau. „Bor zwei Jahren bat der Dichter [Dtto Roquette] in feiner litterariihen Schöpfung ‚70 Jahre dem deutſchen Volle die Geſchichte feines Lebens erzählt.“ Nat.-dtg. 49, 191. Es ift allerdings fahlih kaum zu befürchten, daſs ein Leſer das hervorgehobene befitanzeigende Fürwort, ftatt auf ben Dichter, auf das deutfche Volk beziehen werde; aber ſprachlich ift allerdings die

Ausdrucksweiſe nicht ganz tadellos. Sie wünſchen, ich ſolle Ihnen eine Anderung vor— ſchlagen, wodurch jede mögliche Miſsdeutung ausgeſchloſſen wäre. Hier haben Sie mebrere Borſchläge zur Auswahl. Der Schreibende durfte nur einfach die ſchwerlich von einem Leſer vermifsten Worte: „dem deutfhen Volke“ weglafien oder ſonſt fie etwa durch Ausdrücke erlegen, wie: „der deutfchen Nation“, „und Deutfchen” oder was meinen Gie zu der Anderung: Bor zwei Jahren bat dem deutfchen Wolfe der Dichter ıc. . . .?

Herrn Sermann Geisler in Stendal. Auf dieſelbe Anfrage babe ich bereits in meiner „Zeitihrift für deutihe Sprache'' im 4. Jahrg. 1890 ©. 128a einem Herrn in Holzminden die Antwort ertheilt, die ich hier für Sie wieberbole:

Das neuerdings mehrfah gebrauchte „Speifen karte““ ftatt „Speiſekar te“ müſste dazu führen, daſs man z. B. auch Speiſen-Haus, «Kammer, -Saal, «Zimmer ꝛc. Brei, Röhre ꝛc. ſetzte.

Auf briefliche Antwort derartiger Anfragen kann ich mich aus wiederholt dar— gelegten Gründen nit einlafjen.

Fräulein Wilhelmine SH . . . r in Münden. Der größte Silberiumpen ... Erft nad beträchtliher Mühe und Arbeit gelang es dieſen riefigen „Nugeln“, der ein Gewicht von 3300 Pfund und einen Werth von 100000 Mark bat, zu Zage zu fördern x. Zur guten Stunde (1896) 9. Jahrg., 2. Heft, Brieflaften (auf der Nüd- feite des Titelblattes). Das bervorgehobene in Anführungszeihen eingeichloffene Wort ift entjtellt, feben Sie mein Fremdwörterbuch II S. 115a, wo es heißt:

Nugget (engl. nögget), m., (n ), —s; —s; in der Erde gefundener Goldfumpen, worin Sie genauer nur für das Schlufswort zu feken hätten: „edeln Metalls“ und vergleihen Sie Webſter's International Dietionary (1890) p. 986b:

Nugget (nugget), n. [Earlier niggot, prob. for nigot, an ingot. See INGOT| A lump; a mass, osp. a native lump of a precious metal; as, a nugget of gold, wie auch Muret's Engl.:deutiches enchklopäd. Wörterb. p. 1462b ıc.

Herm 4. Levy in Flensburg. Ihre Anfrage wegen des bis babe ich in ber Zeitihr. II ©. 4078 [wo auf ©. 408 3. 7 bei dem Hinmweile auf meine „Haupt⸗ ſchwier.“ (flatt ©. 86b) 36b zu leſen ift] und ausführliber III &. 412—414 behandelt, worauf ich Sie bier mit Nüdfiht auf den Raum verweifen muſs. Wenn im Ihrer dortigen Mädchenſchule gelehrt wird, „bis fei ſowohl Konjunktion wie auch eine den Accufativ regierende Präpofition, z. B. in dem Sabe: von Hamburg bis Berlin“, io würde man die Bezeichnung als „Präpofition“ wohl hingehen laſſen können (mie ja auch andere Redetheile, z. B. Dant, trog, während ac.) den Präpofitionen zugezäblt werden; aber, daſs diefe „Präpofition” „den Accufativ regiere”, ift entfchieden falic, vgl. Sie in meinem „Lehrbuch der deutichen Sprade für Schulen“ (Mit Beiipielen und Übungsaufgaben). In 3 Stufen. (Berlin, Langeniheidt.) 3. Stufe S. 6 Nr. 3 u. 4.

Herm Dr. Wii. Pr. . . . in Frankfurt aM. Das veraltende oder im Allgemeinen bereit® veraltete „auf ein Lami ausgeben ıc.“ finden Sie in Wander's Spridwörter-?eriton Il Sp. 1758 und V Sp. 1534 aufgeführt. Ich füge dazu aus meinem Fremdwörterb. II ©. 5b.

Lami, n —s; 0; die Mäglich flingende Verbindung der Töne La und Mi (f. aretinifb und Fa); veraltet fprihmwörtlih: Es wird auf ein Pami ausgeben, fich mit einem &, enbigen, ein Yami daraus entſiehen.

Die dazu dort angezogenen beiden WBelegftellen führe ich für Sie bier voll- ftändig an.

I

„Beil ich fabe, daſs meine Pebens-Art, die ih dazumal führte, im die Fänge fein qut thun konnte, fondern alles endlih auf ein lami ausgeben dörffte, gabe ich dem Artzt fehr gute Wort x.“ Simplicianiibe Schriften berausgegeben von Heinrich Kurz (feipzig 1868) II S. 300 3. 24, wozu der nicht felten feblgreifende und die feier ftatt fie zurecht zu weilen irre führende Herausgeber die Anm. fügt:

„lami eine alberne, nichtöbedeutende Sache.“

Die zweite Stelle findet fih in Wieland's „Don Eyloio“ 1,9. Kapitel (Stereotyp⸗ ausgabe Leipzig Göſchen 1853 ®p. I ©. 166) und lautet:

„Ab beforge aber immer, e8 möchte am Ende noch auf ein Lami ausgeben“ und bierzu kann ih noch aus einem Briefe Wieland’8 an Boh vom 19. Auguft 1779 die Stelle fügen:

„Mit dem Fund, worüber neulich der gute, fonft wadere und gelehrte junge Gallus ein ſolches Freudengekräh erhob, wird's wohl auf ein fa Mi binauslaufen x.”

Herrn 8. Ott in Wien. Wiederbolten berzliben Dank und die beften Wünſche. Alles Gute!

Herrn Dr. 8.5... in Berlin. Gie tbeilen ein in einem Roman von Will. Aleris vorlommendes Lied mit, worin ein in den Krieg ziebender Soldat feine weinende Liebfte tröftet:

„Adje, Lowiſe, wiſch ab dein Geſicht,

Eine jede Kugel, die trifft ja micht“ und bemerken dazu: Das kann doch nur heißen: feine Kugel trifft; gemeint aber ift: nicht jede Kugel trifft.

Sehen Sie meine Hauptichwierigleiten S. 215b: „Ein nit unmittelbar vor all, jeder, jeglider, jedweder, Jedermann, allemal, jedes Mal oder immer, überall, durchaus, ganz und gar verneint die genannten Wörter; ganz verschieden ift der Sinn, wenn ein diefe Wörter entbaltender Sat ganz verneint wird, vgl.: Nicht alle dieſe Diamanten find ect [fondern nur einzelne] und: Alle dieſe Diamanten find nicht ect {find umect] ꝛc. Freilich kann, wenn man eben alle durch die Betonung ganz beſonders heroorbebt, auch der zweite Gab die Bedeutung des erften annehmen; aber der YZweidentigkeit halber ift im Allgemeinen doch folde An— wendung namentlih in ber gewöhnlichen Proſa zu vermeiden, |. Abweichungen bei Sanders [Wörterbuch], auch für das verneinende fein,“

Die dort gegebenen Belege (von Zelter und ob. Heinr. Boß) wiederhole ich bier nicht, will aber dafür aus dem laufenden Jahrgang (49) der Nat.»dtg. (Nr. 128) die folgenden Sätze anfübren:

„Allen Berichten der Times bitte ib nicht unbedingt Glauben zu fchenten“ (Nr. 178). Nach langer Beratbung ertlärte der Natb, dafs alle Schritte noch nicht [ftatt noch nicht alle Schritte] erihöpft jein. (Nr. 201.) Für alle Gegenden werben diefe Kornhäuſer nicht angebracht fein. (Nr. 265) ftatt: nicht für alle Gegenden werden (oder: diefe Kornhäufer werden nicht für alle Gegenden) angebracht fein. ferner 3. B. auch in Ernſt v. Wildenbruch's Roman „Schweiterfeele“ (1894) ©. 109:

„Wenn man dann fo Abends zu Dreien umter der Hängelampe ſaß denn alle Abende ging Percival nicht in Geſellſchaft und auch nicht in die Kneipe ac.“ ftatt: „denn nicht alle (oder jeden) Abend ging P. in Gefellihaft oder in die Kneipe.” vgl. auch (f. Wörterb. I S. 815b unter „immer“ 1b) in dem Märzbeft der Zeitfchrift „Im deutfchen Reich“ (Berlin, Mar Harrwitz) S. 127:

RR

„Immer ift mit der Intereſſenwirthſchaft nicht auszulommen; denn der Staat braucht zuverläffigere Stügen als jene, die ibm um Lohn dienen und nur zufrieden zu ftellen find, weil fie dur das ‚Sch gebe, damit du giebft‘ gründlich verwöhnt wurden.“

Herm Dr. Stidelderg in Burgdorf (Schweiz): Für Ihren Auffaß, der für dies Heft zu fpät eintraf, boffe ib im nächften den nötbigen Raum zu finden. Beften Gruß.

Hern Karl Eh . . . in Würzburg: Wie bei den finnverwandten Zeitwörtern anfangen, anheben bat aud bei beginnen ein abhängiger Infinitiv regelmäßig das anfnüpfende zu vor fih. So ichreibt 5. B. Wieland im Oberon, 5. Geſang Str. 40: „Er iſt's, beginnt auch fie zu rufen ac.” und wenn derſelbe im 1. Selang Str. 28. 8. 6 mit Weglajjung des zu fagt:

Beginnt er feine Gefchichte dem Wirth erzäblen ꝛc., jo ift Das höchſt vereinzelt und darf nicht ald Regel gelten. Ich entfinne mich auch feines weitern Beleges für beginnen mit bloßem Jufinitio (ohne zu), weder bei Wieland noch bei einem andern Schriftfieller, während in Campe's Wörterbuh aufer den im Adelung'ſchen aus Wieland angeführten: „Hier war es, wo ich mir bemufjt zu fein begann,“ aus demielben Schriftfteller fteht: „Doch wenn das letzte Glas zu Kopf zu gehn begonnte“ [im veralteter Abwandlung].

Hern J. %. in Berlin: Sie theilen aus dem Feuilleton der Nat.Ztg. Nr. 174 (Abend-Audg. vom 12. März) folgenden Sab mit:

„Die auferordentlih umfangreihen Telepbonftörungen, gegen die jene, welde die große Hagellataftropbe anı 4. Juni 1894 anricdtete gar nicht in Betracht gezogen werden kann, bilden eine Kataftropbe für das Lolaltelephonneg, wie fie in ähnlicher Ausdehnung noch nirgends vorgelommen ift* und knüpfen daran die frage, ob in der That Jemand ein fo finmpfes Obr baben fönne, dafs er den Erſatz der bervorgehobenen jene und welche durd das einfilbige die nicht unerträglich finden müjste :

gegen die die, die die große Hagellataſtrophe ... . anrichtete.

Mit verbindlichem Dank gebe ich bier Ihre Anfrage wieder und überlafje mit onen die Antwort allen unbefangenen Leſern.

Herrn Engen 3 . . . in Bafel. Sie fenden mir einen Ausjchnitt aus der NRat.:dtg. (49, 223), enthaltend einen mir bereits befannten Auffag von Tb. Üble: „SHlaverei und Cbhriftentyum”. In dieiem Auflat findet fi die Gtelle:

„Im Gegentbeil erkennt Jeſus ftillfhweigend die Sklaverei ald eine zu Recht beftebende Einrihtung an. So im Gleihnid von den anvertrauten Gentnern. Mattb. 25, 14—30 ... Dais wir bier wirflid mit Stlaven zu thun haben, bemeifi unzweideutig der im 14. Vers vorlommende Ausdrud ‚Eigentnehte.“ Sie knüpfen daran zwei „Ipradlihe Anfragen” in Bezug auf die durch Sperrdrud bervorgehobenen Austrüde In Bezug auf den erften mögen Ihnen Büchmann’s „Geflügelte Worte” (16. Aufl. S. 45) antworten:

„Auf Mattb. 25, 13—28, wo von den vertraueten Gentnern und deren Ver— mwertbung erzählt wird, beruht der Ausdrud: „Talent“. Das grieh. raiarrov, in der Bulgata talentum, von Luther in diefem Kapitel mit Kentner überfekt, iſt fpäterbin zu einem, allen wefteuropäifchen Böltern gemeinfamen Ausdrude für geiftige Anlagen geworben (f. unten: ‚anvertrauteds Pfund‘ S. 51 und mein Wörterb. II S. 544b unter „Pfund“ 2 am Schluſs und III S. 1282e unter „Talent‘). Ich füge nur noch Hinzu, daſs z. 8. in ber Überfegung von van Eh in der Stelle aus Matth. ftatt des Lutherfhen Centner überall Talent fiebt. Bei aber eben

80

fo wie bei Luther Matth. 25, 14 nur das einfache „Knechte“, nicht das von Tb. Uhle gebrauchte „Eigentnehte”, das Sie z. B. auch in Grimm's Wörterb. III Sp. 98 nit verzeichnet finden. In der griech. Urfchrift aber ftebt allerdings nicht als ein Wort, jondern getrennt: zovg Ödiovg dovkovg und in meinem Wörterb. I S. 952b finden Sie unter den Bufammenfegungen von Knecht ganz kurz: „Eigentinedt: Leibeigner“ mit dem Hinweis auf dad Grumdwort Knecht Nr. 7, wo ih (©. Yöle) geiagt habe:

„7. Jemand, der ald Unfreier zu einem Herrn in dem entſchiedenſten Abbängigleitd- verbäftnis ftebt, feinen eignen Willen bat, fondern an den des Herrn gebunden ift, j. Stlave und vgl. 8: Willft du leibeigene Knete und Mägte haben, fo ſollſt dur fie taufen von den Heiden. 3. Moſ., 25, 44 ähnlich aud bei Zunz]; Knechte oder Freie. 1. Kor, 12, 13 [bei Eß: Stlaven oder Freie]. [Er ſei ein Knecht oder eim Freier. Epheſ. 6, 8), [er mag Knecht oder Freier fein. ER] ꝛxc.“ und dann meiter unter 8:

„8. (f. 7) Das, unter dejjen Botmäßigkeit und Herrfhaft Jemand fteht, kann auch etwas Sachliches jein, das dann aber immer einigermaßen perjonificiert gedacht ift (ogl. fröhnen): Wer Sünde thut, Der ift der Sünde Knecht. Job. 8, 34 „Jeder, der Sünde tbut, ift der Sünde Stlan” Ef]. Da ihr der Günde Knechte waret, da waret ibr frei von der @erechtigleit] Röm. 6, 20 [= „So lange ibr noch Knechte des Lafterd waret, waret ihr der Tugend nicht bebienftet.‘ Eh]. [Nun ibr frei geworben feid von der Sünde, feid ihr Knechte geworden der Berechtigleit. 18 Frei von dem Dienfte der Sünde, feid ihr nun in den Dienft der Tugend getreten.) [Und verbeißen ihnen Freiheit, jo fie felbft Knechte des Berderbens find; denn, von welchem Jemand überwunden ift, Deſs Knecht ift er geworden] 2. Petr. 2, 19 [== „Freiheit veriprecen fie ihnen, da fie doch felbft SHaven ter Berborbenheit find; denn, von wem man be= berrfht wird, Deſs Stlave ift man“.

Die National-Ztg. 49, Nr. 223 enthält einen Leitauflak :

„Das deutfche höhere Unterrihtsmweien und das Ausland‘ von Prof.

Dr. H. Stiller. Geb. Oberihulrath in Gießen.

Auf diefen ſehr anregenden, höchſt beachtens- und empfehlenswerthen Aufſatz möchte ich hierdurch an meinem Theile die Leſer meiner Zeitſchrift, insbeſondere darunter die Lehrer an höheren Unterrichtsanſtalten, eindringlichſt hinweiſen, wie auch gleichzeitig auf die in dieſem Aufſatz von dem Geh. Oberſchulrath empfohlene im Verlage von R. Boigtländer in Leipzig erſcheinende, von Direftor Dr. Wychgram herausgegebene

Deutſche Zeitſchrift für Kenntnis des ausländiſchen Unterrichtsweſens.

Alte für die Zeitſchrift ſelbſt beſtimmten Zuſendungen wolle mau un- mittelbar an den Herausgeber nad Altfirefik in Mehlenburg, dagegen die für den Amſchlag oder als Beilagen beflimmten Anzeigen an den Ber- leger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nächſte Heft müffen jedes Mal Bis fpäteftens zum 1. des Monats in den Sänden des Sserausgeders fein; auch bittet er, in Bezug auf den Amfang, die Raumverhältnife der Zeitfhrist im Auge zu Halten.

Zum Berftändnig des Wörtchens: „außer“. !

In meinem Wörterbuch habe ih (Band I ©. 610) über dad Wort: außer möglichft kurz gehandelt; eine etwas ausführlichere Darflelung Habe ich in dem von Ludwig Herrig herausgegebenen „Arhiv für dad Studium der neueren Spraden ꝛc.“ Bd. XXIV ©. 19—26 gegeben, die ih nad fo vielen Jahren den Lefern meiner Zeit- ſchrift zur gütigen Beachtung und Prüfung hiermit aufs Neue vorlege.

Außer (f. Aus I, 7) präp. und conj. 1. Es bezeichnet etwas Niht-Miteingefhloffenes und zwar etwas Ausgenommenes, als nicht hinzu: gehörig Ausgeſchloſſenes, aber auch Etwas, worüber das Erwähnte hinausgeht und mas deſshalb nur nebenbei mitberüdjihtigt wird (vgl. 7), 3 B.: Ich arbeite jeden Tag vierzehn Stunden außer [d. h. ausge: nommen, mit Ausfhlujs, nur nit ꝛc.) am Sonntag. Außer an den Wertel- tagen arbeite ih aud am Sonntag noch vier Stunden [d. h. abgejehen von der gewöhnlichen Arbeitszeit, noch dazu, nod darüber hinaus). Das wifjen Alle außer ihm [nur er nit]. Außer ihm weiß es noch fein Vater. Er ift ein ſehr braucdhbarer Arbeiter, außer dafs er noch ein bischen flüchtig ift [wenn man davon abfieht, mit der einen Ausnahme). Außer (dem) dafs er flüchtig ift, ift er auch ungeichidt. Er glaubte den Rhein» ftrom vor fi zu jehen, außer dajs hie und da ein Strauch hervorgudte. Stilling, 4, 70 [Das war der Unterfchied, die Ausnahme], Da es, außer dajs es nahrfam, im Geſchmack uns jo ergeßt. Brodes, 9, 260 [der Wohlgeſchmack kommt zu der Nahrhaftigkeit Hinzu). Er arbeitet nie, außer wenn man ihm Etwas aufgiebt. Er arbeitet auch, außer wenn man ihm Etwas aufgiebt, fleißig zc. Andere Bemerkungen über die Bedeutung finden füglih unten ihre Stelle.

2. Die Konjunktion knüpft namentlid Säge mit dafs und wenn an (ſ. 1), wobei jene meift doch nit ausſchließlich die Bedeutung

ı Probe aus dem die Kormmörter x. umfaffenden zweiten Theile meines „deutſchen Wörterbuchs“, vgl. in meinem „Programm eines neuen deutichen Wörter: buchs“ die Borfilde Ab und die Endfilbe Chen. Ih babe bier die Hinmweife auf andere dem Lefer freilih nicht vorliegende Artilel nicht fortlafen wollen, um wenigftens anzubeuten, daſs manches Hierbergehörige an andrer Stelle feine ausführliche Beiprehung gefunden. Die Belegftellen find mit Ausnahme der vorangeftellten Bibel- ftellen (nach Luther's Überfekung) alphabetiih nad dem Namen der Verf. geordnet.

Zeitſchrift f. deutihe Epradie, X. Jahrg. 7

——

haben, daſs noch Etwas mehr, obendrein hinzugefügt wird, dieſe eine Aus— nahme bezeichnen, z. B.: Außer daſs er den Einfluſs nicht hat... ., jo braudt er gegenwärtig fein bischen Armuth für fi. Engel, 12, 200; Schillers Abhandlung ... hat, außer dafs fie meine Einfiht ... . er- weiterte, mir jelbjt über die Grenzen ein meues Licht gegeben. F. Schlegel, Gr. und R. 1, Xl x. Aber auch: Hörte ihn ohne andere Bewegung an, außer dajs fie das... . Auge zu ihm bedauernd aufhob. J. Paul, 3, 70 ꝛc. [Die von ihnen Geführten] nicht liegen zu laffen, außer wenn fie in augenjcheinlihe Gefahr ihres Lebens fümen. Goethe, 14, 232 ıc.

Doch werden natürlih auch andere Sätze mit außer (meift im Sinne der Ausnahme) angelnüpft, 3. B.: Phantafierte die ganze Naht, außer [nur] da man ihm die Kommunion reihen wollte, jagte er ꝛc. Goethe, 28, 108; So nenn’ ih did | außer [es jet denn] du bindeft mich. Heine, Sal. 1, 254; Gott Half gnädig ohne Schaden davon, außer nur [nur] befam ich eine Beule [nur dafs ih eine Beule befam]. Schweiniden, 3, 58; Den Franzoſen jei jeder Gedanke unverftändlih, außer ſes jei denn] er werde in den von der Alademie gebilligten Phrafen vorgetragen. U. Springer (Prug, deutihes Mufeum 1, 2, 662); So giebt fi nicht leicht ein ehren- bafter Mann außer er braudte den Gehalt zum Sündenbode ber. Waldau, Nat. 2, 88 ꝛc.

3. Die Konjunftion fügt aud einzelne Worte und Saptheile an ohne Einfluis auf die Nektion, vgl. 4 und 7. 3. B.: Alles findet feines Gleichen außer ein Einziger. Goethe, 10, 63; Als fie Nichts fanden außer ein paar Kupferkreuzer und einen vergoldeten Sechſer. Hebel, 3, 163; Weil e8 unüberwindlid und unzukommbar ift, außer Verrätherei. Heinfe, Ard. 1, 38; Solde Dinge vertraut man nicht außer gegen wen man muſs. 117; Niemand kommt mir entgegen außer ein Unverſchämter. Yeifing 2, 163; Klinger, Fauſt 291; Außer dann als. F. Lewald, 2. Ferd. 1, 269; Die Thore, die zublieben außer dem Rhonethor. Schiller, 1082a; eine, außer nur zwei treue Diener. Talvj, Serb. 2, 248 ıc.

Anmerkung. Früher jo auch: außerhalb: Ging das ganze Yahr über nicht in die Kirche, außerhalb in der Faſtnacht. Zinkgref, 1, 279 ꝛc. und häufig: ohne, das aud mit der Präpofition außer vielfah vermengt wurde und bin und wieder no wird. Dod bildet ohne den Gegenſatz von mit, wie außer von in, und Beide können jegt nur in einzelnen Fällen ftehen, wo etwas nit mit in Etwas Enthaltenes bezeichnet werden ſoll und auch Hier noch mit dem Unterſchiede, daſs das mit außer Bei- gefügte als das Hauptjädliche, das mit ohne als das Nebenfählihe er- ſcheint: ch habe außer den zwanzig Louisd'ors noch zwei oder drei Thaler. Die Advofatur-Rehnung beträgt zwanzig Louisd'ors ohne die paar Thaler

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Auslagen in Kourant. Außer den Erwahjenen waren noch viele Kinder da. Es waren funfzig Berfonen ohne die Kinder (i. 2. Moſ. 12, 37), Das Buch koftet zwei Thaler ohne den Einband; außer den zwei Thalern für das Bud muſs ih noch ſechs Groſchen für den Einband bezadlen ꝛc. Ganz verſchieden aber: Er hat ein Haus ohne Garten, außer dem Garten noch ein Eleines Haus geerbt x. Wer ohne Bett ift, hat feins; wer außer dem Bett ift, befindet fich nicht in demſelben. Die Krankheit ift ohne —, ber Kranke außer Gefahr. Als Konjunktion gebraucht 3. B. Luther „ohne“: Wo ijt ein Gott ohne der Herr, ober ein Hort ohne unfer Gott. Pi. 18, 32, was bei Mendelsjohn lautet: Wer ift außer dem Herrn ein Gott? wer ohne unfern Gott ein Hort? Und jo verbindet Luther, 5, 492a: Ein Amt kann Niemand haben außer und ohne Befehl und Beruf. Ferner: Wer den Göttern opfert ohne dem Herrn allein. 2. Mof. 22, 20; 1. Kön. 15, 5; Ruth 4, 4; Joh. 45, 5; 1. Kor. 12, 3; Joh. 6, 46 ꝛc.; Hat no nie geregnet ohne nur geftern ein wenig. Luther 5, 2la; 535b; 6, 120a; 124b; 126b; 131a; 317b; 8, 310a; 314a; 317b u. o.; Berlidingen, 194; Zinf- gref, 1, 182 ꝛc. und jelbft noch: Muſs ein nüglih Futter werden, | ohne [außerdem] daſs er in der Grüß’, | au zum Trank uns felber nütz. Brodes, 9, 146; Daſs ih nit nahdenfen kann ohne mit der Feder in der Hand. Leſſing, 11, 641; Trotz ihrer Marmorbläffe, die Alle ohne den röthlihen Greis überzog ©. Keller, gr. Heine. 3, 188 ꝛc. Namentlich noch oft: ohnedies, ohnedem außerdem, überdies, fiehe auch 7 am Ende

4. Die Präpofition außer. (Über die Betonung von: außer ſich dgl. Bei 3m.) Sie wird in den meiften Spradlehren als nur mit dem Dativ zu verbinden angegeben; doch findet fie ſich auch ab» gejehen von der feinen Einflufs auf den Kafus übenden Konjunttion, j. 3 mit Genitiv und Accufativ, vgl. Spate 2, 237; 239. Der Genitiv ijt außer in der Fügung: Außer Landes (j. d.) veraltet, obgleih er ſich auch ſonſt nod vereinzelt findet: Wie wir außer des Rathenauer Poftkurjes gerathen waren. Chamiffo, 5, 209; Im Jahrhundert der Neformation redete man ziemlih rein Teutih außer weniger italienifcher, zum Theil auch ſpaniſcher Worte. Leibnig, 2, 457; Iſt jedoh außer Standes. Lind, Schlangen (1855) 84; Außer Mundes. Yogau, 3, 5, 64; Im Hofe gilt unftreitig fein Reglement, allein außer Hofes ꝛc. Möſer, Osn. 1, 224; Außer (des) Weges. Schuppius, 729 (auch bei Opig u. ö. vgl. unten). Unverridteter Saden, außer der zwei Belehrurtheil. Schweiniden, 3, 30; Außer des Eides gab es noch x. E. Willlomm, PBomerering (1855) 2, 70x.

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Für den Accuſativ folgende Stellen: Mit ſeinem kleinen Hute kam er zweimal außer die Mode und zweimal wieder hinein. Engel, 12, 3; Daſs mein lieber Mann ... mid durd feine gar zu große Sparjamteit außer den Stand feet, Yemandem Gefälligfeiten zu erzeigen. Gellert, 3, 223 (eine aud von Adelung angeführte, aber getadelte Stelle); [Das chineſiſche Volk] ift ein Winkelvolf auf der Erde, vom Schidjal außer den Zufammenhang von Nationen gefeßt ... . Außer diefer Lage würde es jchwerlih geblieben fein, was es ift. Herder, Phil. 5, 17; Du bift num außer unjere Gemeinihaft geftellt. Keller, gr. H. 2, 63; Da fie nicht außer ihren Elan heirathen durften. Mufäus, Märd. 1, 173; Eitelkeit, die mich außer mich verjegt. H. 2. Nicolai, 1, 112; Der Scherer be gleitete fie außer die Stube. Peſtalozzi, 1, 50; Hüte dih . . ., je außer dich zu fommen. Nüdert, Weish. 3, 63; Dafs mi das marmorne Mädchen etwas außer mid gebradt bat. Seume, Spaz. 101; Dur eine wahre Verzauberung außer die Natur verjegt. Schelling, 2, 2, 184; Der Biffen gelangt damit außer den Bereih des menjhlihen Willens. D. Ule, Natur (1855) 59b; Ein außer den Year geftelltes ch des Year. H. Voß an J. Baul, 44; Stellt ih . . . außer den Kreis. Wurm, deutihe Sprache (1856) 47 ıc. Befonders oft: Außer allen Zweifel gejegt oder geftelit, 3. B. Goethe, 39, 249; Leſſing 5, 325; 6, 290; Lichtenberg, 4, 93; Schelling, 2, 2, 12; Schiller, 7410 ꝛc. Hieran jhließen fih Fälle, in denen bei fehlendem Artikel ꝛc. die Form des Kafus nicht erkennbar ift, 3. B.: Als die beiden Frauen den artigen Dichter außer Grapität und in jeine liebenswürdige Stimmung verjegten. König, Klubl. 2, 301; Außer Faffung fommen, gerathen 2c. (dagegen als Dativ: jein); Eine Münze außer Kours, Umlauf ſetzen; Einen außer Thätigfeit bringen; Sich außer Athen laufen; Küfste fie außer Athem. Muſäus, Märd. 5, 92 [wo „Athem“ als Dativ zu faffen ift, wenn der Küffende, als Accufativ, wenn die Geküſste als athemlos erſcheinen foll] ꝛc, wie man denn gewöhnlich jagt: Außer Stande fein, aber —: Einen außer Stand [ohne das Dativ-E, J. €] ſetzen, obgleih fih auch findet: Außer Stande gejegt. Knebel 2, 363.

Tritt in ſolchen Wendungen der Artifel oder ein Fürwort ꝛc. ein, jo wird meift außer vermieden: Das bradte ihn außer Faſſung, aus feiner Faffung heraus, wie 3. B. die Stelle aus Engel, 12, 3 gewöhnlicher lauten würde: Mit feinem Hut fam er zweimal aus der Mode ıc. Hierbei liegt das Gefühl zu Grunde, dafs außer dem Wo?, wie aus (j. d. I, 7) dem Woher? entipriht, jo daſs Einen außer Faſſung bringen als Ellipſe zu erklären ift: Syn den Zuftand des „Außer yaffung-Seins“ bringen :c., wie umgelehrt Lichtenberg, 5, 472 elliptiih ſchreibt: [Die Geſchichte] ift aber außer allen Zweifel, etwa: gejegt, und Leifing, 8, 506: Rühmte

u. Br

die Zierlichkeit außer alle Maßen, vgl. 11, 665: außer der Maßen, analog: über alle Maßen, jo dafs das Rühmen über alle Schranfen, über alles Maß binaustritt, e8 überfchreitet (ſ. Aus, I, 7).

Syedenfalls find für das Schwanten des Gebrauchs hier Stellen zu erwähnen, wie: Dajs er jhlehterdings außer aller Berbindung mit dem Bater herausträte. Engel, 12, 39; Nur von der bloßen Erinnerung komm’ ih außer mir ſ. 6]. Goethe, 9, 41; 34, 40; Wenn man mid außer mir jelöft herausbringen könnte, müjsten es diefe Tage thun, aber ich falle immer wieder in mic zurüd. 24, 124; Außer aller Faſſung gebradt. 16, 2283; Ich ward halb außer mir. Klopftod, 11, 18; Die ihr Vorgeben außer allem Zweifel jegen. Leifing, 6, 114; Wie dich fein wohlgemeintes Lob außer dir jegen fünnen. Liscow, 404; 16; Daſs die Grenze bis außer den Säulen des Hercules fich erftredte. Fohenftein (Wadernagel, 3, 1, 866, 3. 22), vgl.: Daſs ih ihm nadfolgte auf den Fuß | bis außer der Menſchen Zufammenfluis. Rückert, Mak. 1, 88; Nächſt ihr ſtellt' er ſich jelber den ihöngebildeten Sefjel | außer dem Schwarm der Freier. Voß, Odyff. 1, 133; Und wann außer dem Haus und außer der Stadt fie gelommen. Ovid, 1, 206; Diejer verftellte Unglaube bradte mich außer mir. Wieland, 9, 233 ꝛc.

Die Erklärung ift oben gegeben, 3. B. für Goethe, 24, 124: Wenn man mid in das „Außer-mir“ als an einen „außer mir“ befindlicgen Ort ꝛc. bringen könnte, vgl.: Wie Har und richtig die Alten das Außer: ihnen gewahr wurden. Goethe, 39, 50; Wir haben mit dem Außeruns Nichts zu Schaffen, jondern mit dem Inuns allein. Zſchokke, 1, 194 ıc., ferner: Wenn nun jhon alle jene Thätigkeiten außerhalb der Seele fallen. C. Bogt, Köhlergl. 114, d. h. in das außerhalb derjelben liegende Gebiet ꝛc.

Gewöhnlich gilt für das außer der Bewegung: aus heraus (ſ. o.), z. B. ſprichw:: Niemand kann aus feiner Haut heraus zc., doch ift es nicht in allen Fällen anwendbar. Was z. B. aus der Stube herausgeftellt werden joll, mujs drin fein; auf die Frage aber: „Soll der neue Schrant in die Stube kommen?“ müjste die Antwort wohl lauten: „Nein, außer die Stube, odgleih ih noch nicht weiß, wohin.” Doch vermeidet man Dies meift durch eine verneinende Wendung: „Nein, nicht in die Stube“ ıc.

Endlich jei noch außer mit Accufativ nah Analogie von ausgenommen bemerkt: Wer jhon verbeirathet ift, Alle außer Einen, jollen das Leben behalten. Schlegel, Haml. 3, 1.

5. Der Bedeutung nad ift die Präpofition zunächſt örtlich, ziemlich außerhalb (f. d.): Ein Volk, das nur der Pferd zum Volt macht, das außer demjelben den Wolf fürdtet. Börne, 1, XVII; Die Vögel bringen

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außerm Leibe in Eiern ihre Frucht zu Stande. Brodes, 9, 233; zu Haufe... . Außer Haufe. Bürger, 301a; Außer den Wegen durchs Gras gehend. Chamiffo, 4, 243; In allen Städten in und außer der Halbiniel. Fallmerayer, Mor. 1, 71; Liegt außer unſerm Kreife. Goethe 39, 283; Warten außer diefen Zelten. 4, 123; Da ftehe ih auf meinem Plage ganz außer dem Dorfe. Lejfing; Hat man ihn in feinen ſcherzhaften Epopeen als in feiner Sphäre bewundert, fo wird man ihn auch bier nicht außer berfelben finden. 5, 37; Der Mord des Lajus, welder außer der Handlung ift. 13, 27 (Nicolai); Auh außer Britannien leben Menſchen. Schlegel, Eumb. 3, 4; Liegen außer dem Bereih der Kunſt. Tieck, Nov. 5, 232; Welde den Nathihlujs ! außer dem Haufe belaufdt, als Jene darin fi beipraden. Voß, Od. 4, 678; 23, 178; Im und außer dem Gehege begen . . ., in oder außer ihrer Bahn fällen. Zintgref, 2, 34.

6. Außer fteht aber wie fein Gegenſatz in (vgl. inner) in vielen Fällen, wo die rein örtlihen außer: und innerhalb (f. d.) nit anwendbar find, weil fein Bezug auf einen umgrenzten Raum ftatthat, jo namentlich vor Abftraften und vor Perjonwörtern: Wo Etwas außer Schid kam. Aleris, Hof. 1, 1, 14; Außer Acht lafjen. Bürger 2996; Die da außer Sicht [jo dajs fie nicht zu fehen war] ftand. Ehamiffo, 6, 274; Schon wieder außer Sorgen. 3, 204; Außer Brot geſetzt. Foriter, Br. 2, 307; Außer der Ordnung des laufenden Vortrags gezeigt. Goethe, 39, 445; Wo Alles außer uns herrlicher erjcheint. 14, 73; Dinge, die mich außer Athen und Befinnung brachten. Gutzkow, Ritt. 7, 484; Außer Verlegenheit fein. %. ©. Jacobi, 1, 56; Außer Beihäftigung fein. Kohl, rl. 1, 159; Außer Vergleih gejegt. Kürnberger, Am. 315; Denfen wir uns als außer uns. Leſſing, 11, 93; In Acht und Bann gethan und ihre Nähe außer Geſetz erklärt. Rant, SH. M. 51; Seid außer Furdt; Schiller 123a; Welden Genuß id außer mir hervorbringe, bringe ich in mir hervor. 7558; Selbft wachend ift er [der Traum] außer mir, wie in mir. Schlegel, Cymb. 4, 2; Das liegt nun vollends außer aller Zeit. Uhland, 201; Die Sache ift außer allem Spaß; Außer Zweifel, Trage, Streit; Außer Dienften, Thätigfeit, Wirkjamtfeit, Kraft fein; Außer der Reihe, der Ehe ıc.; Etwas außerm Zufammenhang nit verftehen, j. Aus I, 7.

Hierzu auch: Außer fih jein, fommen, gerathen, ſetzen, bringen ꝛc. (j. 4) im Gegenſatz von bei (ſ. d. 3b) fich fein, zu fih fommen: Außer fih fein. Bürger, 291a; Goethe, 10, 112; 114; Schiller, 259b; 425b; Wieland, 11, 256 :c., vgl.: Bon fi fein. Goethe, 14, 110; Immermann, Münchh. 4, 55; Schiller, 303a x. (ſ. auch: Entzüdt und Aus, I, 7); Die Seele war mir entwicdhen, ich war ja außer mir und nicht bei mir. Herder, Rel. 7, 42: „Ahr ſeid außer euch!“ Ha, dafs ich's wär, nicht in

mir, mir entronnen. Müllner, 4, 98; Iſt außer Verſtand. Döbel, Jäg. 1, 20b ꝛc.

7. Die Präpofition außer in den unter 1 (f. auch 3, Anm.) an— gegebenen Bedeutungen: Er erbt außer den hundert Thalern Alles [wobei diefe ausgenommen find]; Er erbt außer den hundert Thalern [dazu, darüber] noch einen Garten, Nichts ꝛc., vgl.: Ich felber hab vierzehn jehen in die Herberg tragen, ausgenommen [ohne die zu rechnen] die ich nit gefehen bab x. Stumpf, 6558 ꝛc. Außer mir iſt fein Gott. Sei. 44, 6; Yemand außer deinem Mann. 4. Moſ. 5, 20; Was außer Meer und Maft und Tauen | fieht er auf jeinem harten Stein? Freiligrath, Pol. 2, 41; Außer unjerm Maulthier find zwei Pferde beftellt. Goethe, 14, 220; Außer dem Namen nit das Mindefte gemein. Wieland, 15, III ꝛc. Man beadte namentlih: Außerdem überdies, dazu fommt nod :c.: Außerdem feimt unter alle dem Unkraut auch der unerfättlihfte Geiz auf. Bürger, 307b u. o. jeltner jonft; ohnedies; wenn dies nicht ftatte findet: Dafs man fih ... mit der philoſophiſchen Denkart des Mannes befannt maden müjste .. . . Außerdem verwirrt er unier Studium nur. Goethe, 3, 273; Der Maßſtab mus allgemein gültig fein; außerdem ift das Urtheil ein bloßer Madhtiprud. F. Schlegel, Gr. und R. 1, 167.

8. Beraltet adv. außen: Außer find fie fältleht [faltig], innen glatt. Forer, Fiſchb. 131a; Brannt inn’ und außer. Werder, Ar. 1, 29 ꝛc.; ferner heraus (j. Her): Wenn du außer fpeieft, was dir in’s Maul fället. Luther, 1, 389a ꝛc. Beraltete Form: Außert dem Prettigow. Stumpf, 658a ꝛc.

9. As Beitimmungswort in Zufammenjegungen, 3. B.: Außer: amtlih, =ehelih, ⸗europäiſch, -gerichtlich, -gewöhnlich, irdiſch, =kirchlich, :natürlih, -ordentlich, -ſinnlich, ⸗weltlich, ⸗weſentlich und ähnliche Eigen: ſchaftswörter, dagegen nur in wenigen Adverbien wie: Außerhalb ac. ſ. Außen, 3. Dan. Sander.

Weldes find die Hauptverjhiedenheiten zwiſchen der fran— zöfiihen und der deutſchen Sprade? Bon L. Jeanneret.! Die deutſche Sprache weiht in vielfaher Beziehung von der fran- zöſiſchen ab, ja fie fteht meiftens in vollem Gegenjag zu derſelben. Schon

ı Ein für deutſche und franzöfifche Lefer gleich beachtenswertber Aufſatz aus Nr, 1 (13e Annee Mars 1896) der Revue de l’Enseignement des langues vivantes, Directeur A. Wolfromm. Paris, A. Laisney, 6, rue de la Sorbonne (Prix de l’abonnement. Etranger 15 Francs par an.).

BB

dadurch, dafs die deutihe Sprade an den indoseuropätihen Spradftamm unmittelbar knüpft, die franzöfiiche hingegen durch die Vermittelung des Yateinijhen daraus abgeleitet ift, wird manche Abweihung bedingt.

Folge diefer Thatſache ift es, wenn das Deutſche über eine fo über- aus große Fülle von Wörtern gebietet, dafs es aus der umverfiegbaren Quelle der älteren Sprade und der Mundarten mit vollen Händen ſchöpfen fann, während das Franzöſiſche von Entlehnungen aus fremden Spraden lebt und zehrt.

Eine Hauptverjhiedenheit befteht überdies darin, daſs bie deutiche Sprade mehr einen ſynthetiſchen, die franzöfiihe vorwiegend einen analy- tiiden Charakter an fi trägt, was gleihfalls als natürliche Folge der oben erwähnten Thatjache gelten mujs. Während nämlih das Franzöſiſche die verſchiedenen VBerhältnifje der Medetheile zu einander nur unbeftimmt und mandmal einzig durch die Stellung der Worte ausdrüdt und jeden einzelnen Begriff durch ein einziges Wort in der Pegel vertreten mujs, jo vermag das Deutiche, das an End» und Flexionsſilben überaus reid ift, und dem ein bewunderungswürdiges Deflinations- und Konjuga= tionsſyſtem zu Gebote fteht, jedes Verhältnis beftimmt und klar zur An- ſchauung zu bringen und mehrere Begriffe in einem Worte zufammen- zudrängen, wodurch das Deutſche fih mit dem Griechiſchen meſſen kann. Dieſem ſynthetiſchen Charakter ift e8 auch entiprehend, wenn die deutſche Wortfügung dur ihre wunderbare Gejchmeidigfeit eine jo ausdrudsvolle und jo mächtig wirkende ift. Da im Franzöſiſchen, wie gejagt, die ver: ſchiedenen Beziehungen der Redetheile zu einander faum anders als durch die Stelle der Worte ausgedrüdt werden können, jo ift dieſe eine fefte, unverrüdte, was nicht jelten eintönig wirkt und den Nahdrud und Aus— drud der Rede beeinträdhtigt. Durch dieſe wunderbare Biegſamkeit werden der deutihen Sprade aber die Mittel an die Hand gegeben, einen Begriff ſcharf bervortreten zu laffen, eine Wirkung, welde die franzöſiſche über- haupt nit oder wenigftens [nur] durch unbeholfene Wendungen oder ſchwer— fällige Umſchreibungen bervorbringen fann.

Dagegen gebührt der franzöfiihen Sprade in Bezug auf Deutlichkeit, Durdfichtigteit, Wohlflang und Beftimmtheit entjhieden der Vorrang vor der beutihen. Diefe ungemein große Hülle des Wortihages, diefe wunder- bare Biegjamteit der Wortfügung, welche die deutſche Spracde kennzeichnen, thun nicht jelten der Klarheit Eintrag, zumal da der Hang zur SDunfel- beit und Unbeftimmtheit vielen Deutſchen angeboren zu fein ſcheint. Was den Wohlflang betrifft, jo verdient die franzöfiihe Sprade eine mufitaliie genannt zu werden, weil fie jede rauhe Häufung der Konjonanten und jeden harten Zufammenftoß der Laute forgfältig vermeidet. Beſonders

durh die Bindung wird der Wohlklang beträchtlich befördert. Solche Feinheiten verihmäht der Deutſche; an der Häufung der Konfonanten, an dem Übelklang der Kehle und Ziihlaute ift ihm wenig gelegen. Und doch it die deutihe Sprade auch eine muſikaliſche. Dajs die Betonung Hödft mufitalifh wirkt, läſſt fih nämlih nicht bezweifeln. Die Betonung ift, ftreng genommen, eine ber franzöfiihen Sprade fremde Ericheinung, da der rhetoriihe Accent mit der eigentlihen Betonung nit verwechjelt werden darf. Hierin befteht auch eine der Haupteigenthümlichfeiten der deutſchen gebundenen Rede. Im ſcharfen Gegenfag zu den alten klaſſiſchen Spraden, welche den Rhythmus auf der Zeitmeffung der Silben beruhen Taffen, und zur franzöfiihen Verskunſt, welche die Silben nit mifjt, jondern zählt, wird im Deutihen der Rhythmus vorzugsweiſe nah den Tonverhältnifien der Silben geregelt. Kein Wunder aljo, wenn die deutfhe gebundene Rede nit an der Eintönigkeit leidet, melde insbefonders Die epiſche und dra— matiſche franzöfiihe Dichtung auf die Dauer langweilig macht, und wenn fie den Reim entbehren kann, da hingegen die franzöſiſche gebundene Rede, wollte man ihr diejen Beftandtheil rauben, in mehr oder minder mwohl- Hingende Proſa ausarten würde,

Während andrerſeits die franzöfiihe Diterfprahe einen vornehmen Charakter an fi trägt und eine Menge Ausdrüde ausjchließt, und folglich die dichteriihe Sprade von der projaiiden im Franzöfiihen bedeutend abweicht, kennt die beutihe Sprache dieje freilich nur zu oft kindiſchen Bedentlichfeiten nit. Die franzöfiihe Dichterſprache gebärdet ſich wie eine vornehme Dame, die nur mit denen ihres Schlages umgehen will und Bedenken trägt, fih mit Bürgerinnen einzulaffen. Die deutſche Dichter- iprade hingegen fann mit einer gutmüthigen Bürgerfrau vergliden werden, die zwar die Gejellihaft der gebildeten Yeute vorzieht, das gemeine Volt aber nicht jcheut, und ſich bisweilen bis zum Pöbel herabläfft. Es darf dem franzöfiihen Romantismus hoch angerechnet werden, daſs er im Reiche der Sprade die Vorrechte aufgehoben und die Natur in ihre Rechte wieder eingefegt hat, da diefe übertriebene Pracht der franzöſiſchen Sprade nicht jelten in Zierlichfeit ausartete. Trotz alledem wird das Franzöſiſche, da in der Sprade eines Volkes fih das eigenthümliche Weſen desjelben aus- ipricht, fein eigenes Gepräge behalten. So ſcharf das franzöfiihe Weſen gegen das deutſche abfticht, jo jharf wird die franzöfiihde Sprade gegen die deutfche abftehen. Wie die Franzoſen fi von jeher durch Nüchternheit, Geſchmack und feinen Wit ausgezeichnet haben, fo werden ſich dieje Bor: züge aud in ihrer Sprache abjpiegeln, jo wird der franzöfiihe Schrift: ftelfer, will er fi beim Publikum beliebt machen, immer nad diejen Vorzügen ftreben müffen. So wie das deutihe Weſen von jeher ein

= Me

wunderliches Gemijh von Empfindfamkeit und Sinnlichkeit dargeftellt hat, fo werden fih in der deutſchen Sprade dieſe beiden Eigenihaften aus- ſöhnen und durchdringen müſſen.

Es wäre kindiſch, der franzöſiſchen Sprache den Vorrang vor der deutſchen, oder umgekehrt ertheilen zu wollen, da in der einen wie in der andern die Eigenthümlichkeit des Volks klar hervortritt. Beide find wunder: bare Werkzeuge, mittels deren die Schriftſteller Großes gewirkt haben. Beide ſind den Bedürfniſſen der betreffenden Nation angemeſſen und können ſich daher ohne Nachtheil mit einander meſſen.

Ein Erbprinz.

Roman von J. D. H. Temme. Leipzig 1878. 2 Bd.

Einige kurze ſprachliche Bemerkungen.

1. (ſ. Zeitihr. IX ©. 187—189) Die Gnade haben (in dem heute gewöhnlien Sinne) 3. B. ©. 9 und 20 und entipredhend: Einem eine Gnade erweifen ©. 21; daneben: ih bitte um die Gnade Etwas thun zu dürfen (— dafs mir die Gnade zu Theil werde) ©. 12 und 21.

2. „Sie [die Dame] Hatte ihren Zwed verfehlt und jie wurde nad ihm gefragt." ©. 12. Das foll hier bedeuten: nad diefem Zwede; aber (j.. Hauptihwier. S. 140a, Nr. 2) die Lejer werden im erjten Yugenblide vielleicht, eher als an den Zwed, an eine männliche Perſon denfen, nad der die Dame gefragt worden fei, vgl.: „Durchlaucht werden, bei Ihrer fpecielfen Kenntnis der Thatfachen, unzweifelhaft im Stande fein, aud über die Abfiht des Verbrehers mir Auskunft zu ertheilen. Darf ih unter- thänigft um fie [= um diefe Auskunft] bitten?* S. 13. „Excellenz wollen geneigteft einerjeitS in Erwägung ziehen, dajs die Order, um die ih Sie bat, jeden Augenblid die nöthige Hilfe mir gewähren kann, und zum Undern meiner Anfiht und Vorſicht vertrauen, dajs ich im geeigneten Augenblide den rechten Gebrauh von ihr [= von der Order] maden werde.“ ©. 36. „Der Kanonendonner wurde weit umher im Lande gehört; man konnte von ihm [= von dem Kanonendonner, daraus] auf die Lebhaftigfeit des Feuers der Kleingewehre ſchließen.“ ©. 40. „Er öffnete die Thüre; es war die Wirthsftube Er ſchritt in fie [= in die Wirtdsftube] hinein.“ S. 45 (wo das „in fie“ füglic ganz hätte weg» bleiben können). „Iſt der Wein gut?‘ Meine Gäfte find mit ihm [>= mit dem Wein oder: damit] zufrieden.“ ©. 46 ıc.

= ME 4

3. „Aber darf ih um die gnädige Erlaubnis bitten, Eurer Durd- laucht die zweite Alternative zur hochgeneigten Erwägung vorzulegen? Sie dürfte die wahrjheinlihere, die wahrfheinlide jein.“ ©. 14/5, vgl. meine Spradbriefe S. 317/8 ſAbſchnitt 388], wovon ih $ 1 hier wiederholen will: „Heißt es, daſs der Komparativ einen höhern Grad des Berglichnen bezeichne, jo feinen damit Säge im Widerfpruh zu ftehen, worin der KRomparativ weniger befagt als ber Bofitiv, 3. B.: „Er gehört zu den bejjern, wenn gleih noch nicht zu den guten Schülern.” Die Löſung diejes ſcheinbaren Widerſpruchs habe ih in dem Nachfolgenden gegeben, darf jie aber auch füglih dem Scharffinn meiner Leſer überlaffen. Hier begnüge ih mich mit der Feftftellung der Thatjache, dajs die wahr- iheinlihere Alternative nicht mehr, fondern weniger Wahrjcheinlichkeit für fih bat als die einfah wahrſcheinliche.

4. „In einem Falle, wie dieſer“ [sc. ift], „giebt es übrigens feine Landesgrenzen.“ ©. 17, vgl.: wie in diefem und ſ. dazu Hauptſchwier. ©. 310b: „Vergleihendes als und wie“ Nr. 5k.

5. „Die Prinzejfin mujste doch überlegen, welde Antwort fie auf diefe Frage zu ertheilen habe.” S. 23. „Der Herr von Stadel war entlaffen. Er war doch verwirrt geworden.” ©. 26, j. über den grade bei Temme jo „häufig wiederkehrenden Gebrauch des doch“ Zeitihr. VIII ©. 447 und die dort angeführte Stelle aus meinem Wörterbud, ferner über die Form geworden neben dem eigenihaftswörtliden Mittel wort: „verwirrt“ Hauptihwier. ©. 335b unter „Werden“ Nr. 3a, während es in der Verbindung mit dem wirklichen Mittelmort „verwirrt“ zur Bildung des Paffivs heißen müjste: „Er war doch [dadurd, dajs die Prinzeffin ihn entlaffen hatte] verwirrt worden“ [ohne die Vorfilbe ge] (aktiv): Die Entlafjung hatte ihn verwirrt.

6. „Er huſchte vor, er wollte vorüberhuſchen.“ ©. 44, |. Wörterb. I ©. 808a und Ergänz.-Wörterb. ©. 282a, an welden beiden Stellen unter den Zujammenfegungen von huſchen das freilih jelbit- verftändlihe und feiner Erklärung bedürftige vorhuſchen nidt belegt ift.

7. „Sie [die Gensdarmen] hatten ihn im der Landſtraße verfolgt.“ S. 50. „Sie jprengten weiter in der Yandftraße* S. 51. „Drüben in der Landſtraße konnte er uns nit mehr entkommen.“ ©. 54, üblider: „auf der Landſtraße“, vgl. Zeitihr. II ©. 405 Nr.5 und ©. 496 über den umgefehrten öſterreichiſchen Gebrauch: „Ich wohne auf der (in ber Mundart: af d'r) N. N.-Gaffe, -Straße.“

8. „Sie... . banden ihre Pferde an dem Walm vor dem Hauſe feft.“ ©. 52. Hier bin ich faft geneigt einen Drudfehler ftatt Wolm anzunehmen, vgl. mein Wörterb. III ©. 1661b, wo unter Wolm m.

in Nr. 2 aus Temme's Schwarzer Marie angeführt iſt. Eine Anzahl gefattelter und gezäumter Pferde ift an einem unendlih langen auf Pfoften befeftigten Balten, dem „Wolme“ angebunden, der vor der ganzen Länge und Breite des Gebäudes ſich berzieht. 1, 11, unter Hinweis auf zwei weitere Stellen aus demjelben Buche Temme's, vgl. Ergänz.-Wörterb. ©. 653a, wo aus der Nat.-Ztg. 21, 149 noch folgender Beleg hinzu— gefügt ift: „An dem hölzernen Wolm vor der Thüre zum Anbinden der Pferde." Ob Walm (mit a ftatt des 0) daneben mundartlid in derjelben Bedeutung vorkommt, mußſs ic) dahingeftellt fein laffen.

9. „Sie [die Gensdarmen] mufterten den Wirth, die Wirthin, die anwejenten Gäſte. Sie ſahen ehrlihe Lands und Landesgeſichter.“ ©. 52, in nicht grade geihmadsvoller Ausdrudsweife für: Gefihter ehrlicher Landleute, die zugleih ihre Landsleute waren, vgl. mein Wörterbuch II S. 231b.

10. „Ich denke, ich habe hier lauter gute Batricier vor mir.‘ Wir Bauern alle find unjeres allergnädigften Landesherrn getreue Unterthanen.“ ©. 53, wo Patricier ein allerdings auffälliger Druckfehler für Batrioten zu fein fcheint. [Bauern find doch feine Batricier, fondern eher das Gegentheil davon. |

11. „Die Gaftftube des Pofthaufes in Heinen Städten pflegt, be= fonders des Morgens und des Abends, von den Bewohnern des Orts vielen Beſuch zu erhalten. Die Gäfte haben ihren Bortheil dabei; zum Frühſchoppen |f. Ergänz.-Wörterb. S. 460c] wie zur Abendflaſche betommen fie als Gratiszugabe die neueften Nachrichten ꝛc.“ ©. 63/4.

12. „Am Hinterwalde wurde gefämpft." ©. 64, hier = an dem hinter der Stadt gelegenen Walde.

13. „Kurfürſt . . . Kürfürften.“ ©. 73, wohl nur durd einen Drudfehler ftatt „Kurfürften“.

14. „Den unterofficierliden Rüden durdgebläut.* S. 101 den Rüden des Unterofficiers.

15. „Adrian mufste mit Lenchen lernen, das Abece zuerft. Nachher folgte wieder das A auf das B ıc.“ ©. 114. Es follte heißen: das B auf das N.

16. „Das erfte Gefeht denn eine Shladt war es nidt fiel zu unfern Gunften aus.“ ©. 127, ſ. mein Wörterb. deutiher Syno- nymen (2. Aufl.) S. 101/2.

17. „Hatte man jhon vorher das Schießen in der Entfernung ſich nicht deuten können, für die Töne und die Laute in der nächſten Nähe hatte man völlig feine Erklärung.“ S. 129, wofür es in diejer Anwendung

———

heute gewöhnlich vollends heißt, j. mein Wörterb. III ©. 1436a, woraus ich hier Folgendes herſetze:

Bollend adv. aus mittelhochd. vollen, Acc. von volle, m., ſ. Benede 3, 363, vgl. voll Iq... Heute gewöhnlih vollends mit Belegen, dar» unter 3. B.: Das geht den Staat vollends [ganz und gar, erft recht] Nichts an. Yeifing. Geht mir mit der Demokratie und vollends [gar; nur erft] mit der Republik bei ſolchem Gefindel. Auge Vollends [nun gar noch] Thränen? Schiller [Rarlos II. Aft, 2. Auftritt, in welchen Stellen, wie oben bei Temme, ein völlig nad) dem heutigen Schriftgebraud nicht am Platz wäre.

18. „Er beharrte bei jeinem Entjhluffe Sie konnten ihm zulegt fein Unrecht geben.“ ©. 159, übliher und richtiger: nicht Unredt.

Aus dem komiſchen Epos don Adolf Bartels (1. ©. 65—69.)

Zehnter Gefang.

(Schlufs.) Baumbah und Seibel ritten gleich zufammen, Und Pegafus trug ohne Mühe fie. Wolff Julius wollte den Saul entflammen, Da ſank er bin ald wahres Schindervieh. Es thut mir leid, den Mann muß ich verdammen, Zu thun war’ ihm um wahre Dichtung nie, Nur um poetiih aufgeftugten Klingklang, Und den Philiftern nur gefiel der Singfang.

Profefior Ebers ritt, jedoch ein Maulthier,

Und aud nur um die abgeftedte Bahn ;

Als ein germanifches Theatergaultbier

Erſchien das Kriegsroſs mir von Felir Dahn.

Ernft Edftein’S Pferd das war ein Grau und Graulthier; Was hat man dir, du armes Roſs, getban?

Gottlob, jetzt darf ich wieder Athem holen

Und babe keine Bosheit noch geftoblen.

Doch halt, da nahen noch die Weiberichaaren! D je, o je, das wird 'ne böje Sad.

Wie fol ih nur den Anftand jet bewahren ? Und Weiber tragen einem ewig nad).

So laſs ich dich mur durch die Lilfte fahren, Und zwar im Wagen, Ebner-Eſchenbach.

Die andern alle mögen meinetwegen

Sich ganz sans gäne auf den Hafen legen.

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Wer kommt und ſchreit? Ihr himmliſchen Gewalten, Paul Lindau iſt's. Er ſagt, er reitet mit,

Denn er gehöre jetzt auch zu den Alten

Doch Pegaſus verſetzt ihm einen Tritt

Und rannte fort und war durch nichts zu halten.

O Gott, wie da der arme Schäder litt!

Auch thaten alle, die fhon mitgeworben,

Als fei ein Schatten er und längft geftorben.

Der Teufel hol's, das ew’ge Meitenlafjen,

Die Phantafie wird doch allmäblich matt.

Wo foll ich jetzt das jüngfte Deutichland faſſen, Das eben anrüdt aus der Bärenftadt ?

feier im Arm, das fcheint mir nicht zu paffen, Auch bat man längft die Priefterpofe fatt.

Der Dichter ift heut der Geſellſchaft Diener, Halb Vollswirthſchaftler und bald Mediziner.

Zwar giebt’3 ſchon wieder eine neue Schule,

Die nah dem Symbolismus fi benennt.

Ein Zauberweien ward des Dichter Buhle,

Und das Mofterium fein Element.

Pan fitt und ſchläft auf feinem Felienftuble, Indes die Sonne ftart berniederbremnt.

Bas frühern Dichtern am im Klang der Lieber, Das bringt man jett als blödes Stammeln wieder.

So mögen fie denn kommen! Seht, mit Stangen Stattliher Fänge ftellen fie ſich eim,

An denen große Pappentafeln bangen

Dad werben wohl ihre Programme fein.

„Die Revolution bat angefangen“

Heißt's bier und dort: „Der Frühling brach herein“. Dem Schlagwort folgen hundert Paragraphen,

Oft nachgeblölt von unfern Zeitungsfchafen.

Dem Zug voran, gefondert, fchreitet einer

Mit hellem Auge, doch mit weißem Haar.

D Theodor Fontane, geben’ ich deiner,

Dann glaub’ ih an den Frühling wunderbar. Denn jung wie du ift von den Jungen feiner, So eigen fein nit und fo frifh und Har. Bor dir eilt Pegafus die Kniee zu beugen, Und Beiter fiebt man dich zum Himmel fteigen.

Jet Wildenbruch ih kann ihn nicht vertragen, Doc ift er ficher ehrlich, brav und gut.

Mag fih fein Gaul auch Öfter überjchlagen,

Stets ſtürmt er wieder vor mit frifhem Mut.

5

Die Künſtlerſchaft kann man zwar nicht erjagen, Doch Berve auch iſt viel und heißes Blut. Auch diesmal ging's der Sonne zu mit Wonne, War's auch vielleicht nur die Theaterſonne.

O Richard Voß, o, o! Wohl möcht' ich milde

Und gut ſein, aber ach, mir fällt's zu ſchwer.

Da kommt er ſchon geritten, und die wilde Fieberglut jagt ihn haltlos hin und her.

Und er erbricht ſich. Nein, bei dieſem Bilde Verweil' ich beſſer doch nicht länger mehr.

Ih konnt’ nicht anders, lafj’ e8 drum auch gelten, Bill man mich jet ſchon roh und graufam fchelten.

Bleibtreu, mein lieber Freund, wie foll ich's machen, Daſs deine Gröoße ſich Hier deutlich zeigt?

Die gröfste Stange trägft du, und es laden

Schon viele, die bir nicht recht wohl geneigt. Pegafus gleicht faft nem papiernen Draden,

Als er mit dir empor zum Himmel fleigt.

Dod iſt's ein großer Drade, mufs ich fagen,

Er hätte M. G. Conrad auch getragen.

Ahr beide habt, Das will ich lonſtatieren Hiermit für jetzt und alle Ewigleit,

Zuerft mit hocherhobenen Panieren

Die neufte deutiche Pitt'ratur befreit,

Und würbet längft das Pantheon und zieren, MWört ihr nur fo befcheiden wie gefcheit. Conrad ift auch noch Demokrat, ich bitte! Und hält Genofjenfhait mit Meifter Quidde.

Zwar werben euch die Hart3 den Ruhm nicht gönnen; Die machten freilih Lindau fhon Berbrufs,

Als ihr noch thatet in der Irre rennen;

Nur überfah fie leider Publikus.

Da fie mir Dramen einft vermöbeln können,

So ſchick' ich fie nicht auf den Pegafus.

Sie werden mir darum, hoff’ ich, nicht grollen

Und reiten, wenn fie eben reiten wollen.

Nun fragt man: Mußſst' nicht Pegaſus ermüden Bei diefer Dichter-Meiter Legion ?

So geb’ ih ihm, und ftelle euch zufrieden, Ambrofia 'ne tücht'ge Nation.

Jet wieder los! Wem ift ed nun beichieden ? Ad, Bierbaum, Bufje, Falle, Liliencron

Und Maurice Stern, der ganze lyr'ſche Koder! Tovote ftürzt, doch fällt er auf den Pober.

96

Wenn ih nun Kirchbach noch und Kretzer nenne Und Halbe und Hartleben bintendran,

So iſt's genug. Ob auch Alberti flenne,

Ich glaube jchwerlich, dafs er reiten fann.

Auch drängt es mich, dafs ich es frei befenne, Mit Macht jetund zu Hermann Sudermann. Lag längft das Publitum im halben Schlummer, Yet wacht es auf, e8 lam die Prima-Nummer.

Der große Mann, den Matziken geboren,

Erſchien auf feinem eignen Rafjenpferd:

Er fei auf Pegafus nicht eingeihmworen,

Und grade diefer Nenner fei ihm wertb.

„Bei meinem Bart, was hab’ ich bier verloren, Da mich ganz Deutichland doch ald Dichter ehrt? Allein ih wünſche mid nicht auszuſchließen,

Nur das Plaifir con gusto zu geniehen.

Denn io sono io“ und ba ritt er!

Sein Roſs umflog im Nu die ganze Bahn, Und einen raufchenden Erfolg erftritt er

Beim Publitum, wie er's fo oft gethan.

Doch die Kollegen höhnten freilich bitter: Aufs Fliegen käme eben alles an.

Herr Subermann ſtrich feinen Bart verächtlich Und ritt Davon Das Ärgerte beträchtlich.

Da muſs man uniern Gerhard Hauptmann loben Und mit ihm komm' ich denn nun wobl zum Schluß Der bat fih über Andre nicht erhoben

Und Pla genommen auf dem Pegafus.

Kein Zweifel, er fam wirklich hoch nad oben,

Und viele Leute fahn es mit Verdruſs.

Bon oben ließ der Saul dann etwas fallen,

Was, weiß ich nicht, doch waren's weiche Ballen.

Auf dieje ftürzten Brabın und Schlenther plötzlich, Das fei die reine, goldne Poefie;

Und fie vocierten laut und ſchrien entſetzlich:

Ya, Gerhard Hauptmann, der fei dad Genie

Und dreimal heilig, dreimal unverletzlich;

Der Pegafus fei doch ein liebes Vieh: Kryftallifiert gleichfam hätt' er gegeben,

Was da die Quinteſſenz von allem Leben.

Na gut, ich lafje ed dabei bewenden,

Matt bin ich felber ſchon vom langen Ritt

Und eile unſres Teufeld Traum zu enden,

Dod halt! Ob Ludwig Yulda denn nicht ftritt?

——

Als der nicht lam, ließ Jordan zu ihm ſenden, Und ſieh, der Diener bracht' die Botſchaft mit, Er fei zwar Millionär und hab's nicht nöthig, Doch immerhin zu Billigem erbötig.

&o fam er auf dem Zweirad angefahren

„Nee, guter Freund, nun wird’ uns doch zu bunt“, So jagt ihr, „ſolche Witze kannſt du iparen;

Am Ende fommt noh Einer auf den Hund“.

Es kam auch einer; doch zu offenbaren,

Wer diefer war, ſcheu' ich mit gutem Grund. Bielleiht ihr habt ja früher fchon vernommen, Die Einer blutig auf den Hund gefommen.

ALS Berbard Hauptmann wieder abgeftiegen,

Da brad ein wildes Korps die Schranfen ein, „Wir wollen au”, fo rief man rafend, „fliegen; Ein jeder Deutfcher darf ein Dichter fein.‘

Nun, Pegafus war längft nicht mehr zu kriegen, Er flog zum Himmel gradenwegs binein,

Da wälzt’ die Menge prügelnd fih im Grafe Auch unjer Freund befam Eins auf die Naie.

So daſs er dann erwadte ... Eilend brachte Er Alles, farbenfriih noch, zu Papier

Und drängte, bis ih Stanzen daraus machte Na, diefe ftehen denn nun glüdlich bier.

Wer aber war der Meifter ? . Aler dachte

Biel drüber nah; zuletst ſchien ihm wie mir: Es hätten Marche wader zwar geftritten,

Do ein Genie fei gar nit ausgeritten.

Allerlei Geiſter. Bou Karl Emil Yranzod. Bom Feld zum Meer XV ©. 58—68. (Bgl. in Bezug auf den Inhalt einigermaßen Zeitſchr. IX, 241 ff. und 297 ff.) Spradlides ſ. im Einzelnen mein Wörterb. und Ergäng.-Wörterb,

1. ©. 58a: Plötzlich waren wir mitten drin im diditen Geſpenſter— nebel [etwa: wir waren in unjerer Unterhaltung mitten drin in dem nebelhaften Gebiet der Geipenfter, in welchem Alles in einander verſchwimmt und fein jharfer klarer Blid möglid ift.. Zu verwundern war's nidt, man ſpricht nie lieber vom Unheimlichen, als wenn's Einem recht beimelig zu Muthe ift [vgl. Wörterb. 1 S. 729b/c Nr. 1b und c!] . .. Dasfelbige ſchummerige [j. ebd. III ©. 1023a/b und hier in der Zeitſchrift S. 107 Nr. 6) Dämmer.

2. ©. 59b: Es wäre fozufagen in einem Aufwaſchen |j. d. Wörterb. II ©. 1494c Nr. 3, vgl. abwaſchen ebd. Nr. 2] geiwejen.

geitſchrift f. deutſche Sprache, X. Jahrg. 8

OR

3. ©. 62a: Furcht empfand ich nicht, aber doch ein leifes Grauen, vgl. meine Beiträge zur Syn. ©. 21 ff. Nr. 5.

4. ©. 65b: Ich war in jener Minute hart, jehr hart am Wahn- finn, „zur Bezeihnung unmittelbarer Nähe“ (ij. Wörterb. 1 ©. 697a Nr. 14, vgl.: dicht, nahe ꝛc.).

5. ©. 66a: Mit einem Mufterkofferden in der Hand, vgl. Belege für Kofferhen und Köfferchen Wörterb. 1 ©. 967c.

6. ©. 66b: Wieder ein Beitrag zur Entjtehungsgeihichte ſolcher abergläubifher Märden, wofür ih: abergläubifchen vorziehen würde, ſ. Hauptidwier. S. 254b ff.

7. ©. 66b: Nun heraus mit dem Märden, das Sie auf der Pfanne haben! hergenommen von der „Pfanne“ (j.d. 2b, Wörterb. II ©. 522b Nr. 2b) am Steinfhlojs des Gewehrs, vgl. (f. Ergänz.-Wörterb. ©. 4470): Schießen Sie los [mit Ihrem Märchen]! ꝛc.

8. ©. 67a: Euer Brenno [Fluis] iſcht ä tück'ſch Luder Iſ. Wörter: bud 1I ©. 175a Nr. 4] f. u, hier Dämme baue wär let (verfehlt) ſ. ebd. © 42h, Unm. zu laß!]... So fomme mer an die Stell, wo der Brenno ä Luder [j. o.] wird... Sonft iſcht Als für die Kay [= werth- 108, unnüß zc. j. Wörterb. 1 ©. 878b Nr. 28].

gu Dr. E. Landau's Aufſatz „Gegenjinn“. (Bon Dr. H. Stidelberger zu Burgdorf in der Schweiz.)

Die anregenden Bemerkungen des genannten Verfaſſers im 11. Hefte des 9. Jahrg. diefer Zeitſchrift veranlaffen mich zu einigen Berihtigungen und Ergänzungen. Gleih zu Anfang werden eine Anzahl Wörter erwähnt, die im Schweizerdeutichen einen andern Sinn haben als im Hochdeutſchen, jo Plunder umd bereits. Fälihlih wird ©. 424 gejagt, „daſs ber Schweizer Dialeft mit Plunder fhlehtweg Habe bezeichnet“, vielmehr bedeutet es Wäſche, Weißzeug (j. Stalder, Schweiz. Ydiotifon I, 190 unter 2, und Geiler, Basler Mundart S. 35: f. „Blunder”), und jo wurde es auch von dem erwähnten Dienftmädcden gebraudt. Freilich führt Stalder a. a. O. unter 1 aud an: „Hausgeräth vorzüglid ſchlechtes, ab- genugtes Hausgeräth*, eine Bedeutung, die zu der hochdeutſchen binüber- leitet. Für Wäſche wird in gemiffen Gegenden der Schweiz Züg (Zeug) gejagt; 3. B. heißt im Margau die ſchmutzige Wäſche „b'ſchiſſes Züg“ (vgl. J. Hunzifer, Aargauer Wörterbuß S. 313), worüber fid die ©. 424 erwähnte Dame nod mehr entjeßt haben würbe.

Worin dagegen die Unhöflichfeit in der Verwendung des Wortes bereits als beinahe liegen foll, ift mir unerfindlih. Falſch ift aud die

Zr

Annahme Landau's ©. 425, daſs diefe Bedeutung die urjprünglide fei; das Grimm’she Wörterbuh giebt zum Adverb bereit, ftatt deſſen feit dem 17. und 18. Jahrhundert bereits gejegt wurde, folgende Begriffs- entwicklung: „eigentlid promte, expedite, übergehend in illico und jam, mhd. gereite, bereite.” [Bgl. über bereits (jüddeutih) beinah zc. au mein Ergänz.-Wörterb. ©. 418b. Der Herausg.]

Wie in vielen Punkten, z. B. in der Verwechslung von lehren und lernen, jo berührt fih auh in der Verwendung von niederträdtig und gemein dag Norddeutſche mit dem Schmweizerdeutihen. Stalder II, 237 umſchreibt erjteres unter 1 mit „herablaffend, freundlih gegen Per: ſonen geringen Standes“, und Hunziker ©. 108 jagt: „g’mein: 1. ge meinjam . .. . 2. berablafjend: e g’meine ma.“

Auf ©. 426 erwartete ih in der Gejellihaft von Borger und pumpen aud leihen und deffen Ableitung lehnen zu finden; denn borgen, leihen und lehnen fünnen nah Grimm, Weigand und Sanders „leihmweije geben oder empfangen“ heißen.

Auf S. 427 wird noch einiger Zweifel über die Bedeutung der Schiller'ſchen Stelle (Tell I, 4):

Dod ihre Hilfe wird uns nicht entftehn geäußert. Dem Zuſammenhang nah heißt das Zeitwort unzweideutig „fern bleiben“. Zur Vermeidung von Mifsverftändniffen hat die Bolts- ausgabe des „Wilhelm Tell“ im Basler „Berein zur Verbreitung guter Schriften“ nit ganz ohne Berehtigung entftehn in entgehn geändert.

Im Anihlujs an Yandau’s Aufſatz erlaube ih mir noh an den Gegenfinn in den Wörtern Oheim und Neffe, Bathe, beziehungsweife Pathin, zu erinnern. Strehlle macht in der Hempel’ihen Ausgabe von Goethe V, 35 zu Neinefe Fuchs, 2. Gejang, V. 12

Endlih rief er und ſprach: „Herr Oheim, jeid Ihr zu Haufe?“ die Anmerkung: „Die Bezeihnungen ‚Obeim‘ (m) und ‚Neffe‘ werden auch im At. (Reingert) und Akte (Reineke) nicht ftreng geichieden, weder in der gegenfeitigen Anrede zwiſchen Fuchs und Wolf noch in denen zwijchen Fuchs, Kater, Dachs und Affe.“ So nennt III, 100 der Dachs den Fuchs Oheim:

„Oheim Neinefe, jeid mir gegrüßt!” und III, 436 Neffe:

Grimbart jah e8 und rief: „Wo lafft Ihr, Neffe, die Augen

Wieder jpazieren?“

Neinefe redet VIII, 5 den Dachs als Oheim an:

„Lieber Oheim, höret mid nun!“ aber VII!, 78 als Neffen:

Lieber Neffe, vergebet mir nun die fündigen Werfe!“

8*

--— 10

Ähnlich ift das Verhältnis der Taufzeugen zum Täufling; denn beide werden Pathe, Bathin genannt. In der Schweiz heißt dementſprechend Götti (woher der Name Goethe), mhd. götte, auch Täufling; Gotte, mhd. gotte, auch weibliches Pathenkind (vgl. Schweizeriihes Idiotikon, bearbeitet von F. Staub, 2. Tobler und R. Schoch 1!, 525, 531).

Ich überlaffe es der Belejenheit des verehrten Herausgebers, durch weitere Beifpiele die intereffante Erſcheinung noch näher zu beleuchten. Ich darf für die bier genannten Ausdrüde wohl auf mein Wörterbud II ©. 407/8, 435a, 469a/b, 507a und I ©. 6lla (Anm. zu „Gott”) verweilen. Der Herausg.]

Burgdorf i. d. Schweiz, den 20. April 1896. Hochgeehrter Herr Brofeffor!

Verzeihen Sie, dafs ih Sie noch einmal beläftige, indem ich Sie höflichft bitte, in meinem Artikel „Zu Dr. Landau’s Aufjag Gegenfinn“ folgenden Zufag nad Oheim und Neffe anbringen zu wollen:

Auch Muhme wird zuweilen für Nichte gebraudt; außer dem im Grimm’ihen Wörterbuh VI, 2646 angeführten Beijpiel aus dem „Bud der Liebe“ finde ich eines in Otto Ludwigs Trauerjpiel „Der Erbförfter“ I, 1, wo die Förfterin, die Nichte von Wilfens, zu dem Holzhüter Weiler jagt:

„Der Herr Wilfens wird nicht ausbleiben, wenn feiner Muhme Tochter Verlobung bat.“

Aber ſchon in dem Sag: „Im Anjhlufs an Yandau's Auffag erlaube ih mir nod an den Gegenfinn in den Worten Oheim und Neffe, Bathe, beziehungsweife Bathin, zu erinnern“ ift zwiſchen Neffe und Pathe noch Muhme bineinzujegen.

Noch weiter vorn bitte id Sie um Hineinfügung folgenden Satzes (bei Beiprehung der Wörter niederträhtig und gemein, und zwar nad dem betr. Abſchnitt):

„Ein präctiges Beijpiel liefert und Jeremias Gotthelf, indem er (Werfe V, 155) in „Leiden und Freuden eines Schulmeifters“ den Helden der Erzählung jagen läfft: „Beim Abendeffen rühmten mid die Borgejegten gar jehr und fagten, Das hätte ihmen gefallen, dajs ih gar jo ein Ge— meiner fei und niederträhtig mit Jedermann.“

Ich bebaure, Ihnen Mühe verurjahen zu müfjen; aber wenn man post festum noch ein paar prächtige Belege findet, ift es für einen Philo- logen bitter, fie zu unterdrüden, weſshalb ich bitte, mich entſchuldigen zu wollen.

Mit ausgezeihneter Hochachtung Dr. H. Stidelberger.

1011

Alldentihland, Ganzdeutſchland.

Alldeutihland, diefe fo viel ih weiß von Ernft Morik Arndt zuerft gebrauchte und dann namentlih durch Freiligrath dem deutihen Sprachſchatz dauernd als „geflügeltes Wort“ einverleibte Be— zeihnung, die ih 3. B. aud auf dem Titel meiner

Vorſchläge zur Feftitellung einer einheitlihen Rechtſchreibung für

Alldeutihland

zur Verwendung gebradt (j. das Vorwort), diefes im jedem deutſchen Herzen fo mädtig anklingende Wort hat in Büchmann’s „Seflügelten Worten“, jo weit ich fehe, mir liegt zur Zeit nur die 16. von Walter Nobert-Tornow fortgefeßte Auflage (1889) zur Hand nod feine Auf: nahme gefunden, worauf ih hiermit für die demnächſt wohl vet bald zu erwartende neuefte Auflage diejes vortreffliden Buches aufmerkſam maden wollte. Ich füge hinzu, dafs ih in meinem Berdeutihungsmwörterbud (Leipzig 1884) auf ©. 145a unter Ban 1 gejagt babe:

„vgl. auch: Pangerman -e, «ift m., -ismus m., »iftiih [u. ſ. w.), ähn- lich: Banflav -tsmus, -iſt(iſch) 2c.: die Vereinigung aller Germanen (Deutſchen), Slaven xc. zu einer ftaatlihen Einheit, das Streben nah folder Ber- einigung, Anhänger desfelben, ihm anbängend, dafür wirkend, vgl. All-, ein Gejammt-, Groß, Deutihland ꝛc.; Deutjcheinheitsjtaat, -ler, =lih, Großdeutſch, (Alldeutih)sthum ꝛc.“ aber auch zu dem hier Geſagten habe ich noch aus dem eben veröffent— lichten Werke:

Moltke's militäriſche Korreſpondenz. Aus den Dienſtſchriften des

Krieges 1866 (Berlin, E. S. Mittler-Sohn) den folgenden Sat aus Moltke's Dentihrift an Bismard vom 8. Auguft nadzutragen:

„Es würde in diefem Fall das neue Bundesverhältnis nicht bloß mit Nord-, fondern mit Ganz» Deutfhland ins Leben treten“ —, vgl. aud: ein Volldeutſchland.

Aus einem Brief des Herrn Gymnaſialprofeſſors Franz Arz in Hermannitadt (Siebenbürgen). (Bol. Zeitihrift IX ©. 178—181.)

Hochgeehrter Herr Profeffor!

. . + Bielleiht erlauben Sie mir num, zu Ihrer Beiprehung meiner Überfegung einige Bemerkungen zu machen und zwar zunächſt die, welde als

12

Entihuldigung für Manches gelten mag, dajs nämlid Dies mein erjter Verſuch war, eine Überjegung aus dem Ungariſchen zu liefern, und daſs ih dabei von dem vielfeiht irrthümlihen Streben ausgegangen bin, mid möglihft genau an das Original zu halten. Daraus läfft fi namentlich alles Dasjenige erflären, wozu Sie unter 1, 4, 12, 15, 18, 23 und 24 (©. 179 ff.) Ihre Bemerkungen gemadt, ganz bejonders aber, wozu Sie Sih unter Nr. 8 ausgeiproden haben; es jcheint ſich dabei wirklih, wie Sie jagen, um eine den fiebenbürgifhen Sachſen im Befondern eignende Ausdrudsweife zu handeln, die fih wohl gerade aus unjerm Zu— fammenleben mit den Ungarn erflären läfft und die mir darum bei der wörtlihen Überjegung der betreffenden Stellen, ohne den geringften Ver- dacht bezüglich ihrer Berehtigung in mir zu erweden, in die Feder gefloffen if. Wir haben nämlid im Sächſiſchen mit ganz derfelben ſyntaktiſchen Verwendung, wie der entjprechende ungariſche Ausdrud fie findet, allerlei Zufammenfegungen mit „mehr“ oder vielleicht richtiger: „mär”, in welden diefes „mehr“ oder „mär“ eine veraligemeinernde Kraft bat und welde den im Schriftdeutſch üblihen Zufammenjegungen mit „immer“ entſprechen, jedoch mit dem, wie es mir jcheint, bedeutſamen Unterſchied, daſs diejes „mehr“ („mär“) voran und nicht nachgeſtellt wird, wodurd der damit zufammengejeßte Ausdruck leichter als jubftantiviert erjcheinen kann. So kann denn „mehr (mär) wer“ fehr mohl jo gebraudt werden, wie das von Ihnen vorgefhlagene „irgend Einer“ oder „irgend Jemand“, wie wir es denn auch thatfählih im Sädhfifhen oft fo gebrauhen. Wenn wir num hochdeutſch ſprechen und jchreiben, wiffen wir freilih recht gut, dafs wir „mehr wer“, „mehr was“, „mehr wie“, „mehr wann“ u. ſ. f. nit gebrauden dürfen, und fegen dafür die Zufammenjegungen mit „immer“ ein, aber allerdings ohme zu beachten, dafs jene Verwendung für dieſe Ausdrüde, die in der That nur relativiih gebraudt werden fönnen, nit zuläſſig ift.

Wenn Sie unter Nr. 2 jagen, dafs ftatt des erjten der beiden gejperrt gedrudten „der“ beffer „welcher“ ftände, jo glaube id bemerken zu dürfen, dajs vielmehr das zweite durch „welder“ zu erjegen jet, da nämlih das erfte mit dem Relativum des erjten Nelativjages „mit dem“ gleihartig fein und aljo „der“ lauten mufs, indem der Relativſatz: „der die Wartenden ... .“ mit dem foeben bezeichneten erften Nelativfag: „mit dem ...“ von gleidem Range tft und darauf fommt es wohl nad der von Ahnen angeführten Stelle aus den „Hauptſchwierigkeiten“ an, wie mir Ihre Beiprehung des erjten aus Goethe entnommenen Beijpiels zu beweifen ſcheint —, während der britte: „der, jeit 10 Jahren ...“

1383

dem zweiten untergeordnet ift, aljo mit dem andern Melativum, mit „welcher“, einzuleiten wäre.!

Zu Nr. 5 habe ih zu bemerken, dajs „Lederer“ bei uns jo aus- ſchließlich üblich iſt, daſs z. B. aud eine unfrer hiefigen Gaſſen Lederer— gaſſe heißt. Das Wort „Gärber“ kommt bei uns nur in Zuſammenſetzungen, z. B. „Rothgärber“ vor, außerhalb derſelben erſcheint ſein Gebrauch als Affektation.

Dem, was Sie unter 10 ſagen, habe ich entgegenzuhalten, daſs ich bier für unſre heimiſchen Leſer habe ſagen müſſen: „Des Notärs Sohn“, denn hier in Ungarn haben wir außer den Notaren auch ſogenannte Notäre, die einfache Gemeindebeamte, etwa Gemeindeſchreiber, ſind, und der Sohn eines ſolchen iſt hier gemeint.

Was Sie in Nr. 23 der Erklärung bedürftig gefunden haben, dazu babe ih zufällig gerade heute in der meuejten Nummer der „fliegenden Blätter“ (Nr. 2623) auf der erften Seite in dem Gedichtchen „Großſtadt— Morgen“ ein intereffantes Seitenftük gefunden: „Die lieben Kindlein ſchrei'n ſich wach“, wobei mich befonders intereffiert, dafs die angegebene Wirfung des rüdbezüglihen Zeitwortes, nämlich wach, hier und dort die: felbe ift.

Daſs ih übrigens Ihre freundlichen Winfe bei einer etwaigen Neu— ausgabe meiner Überjegung dankbar beachten und befolgen werde, brauche ih Sie nicht erft zu verfihern. Daſs es aber dazu fommen möge, ift mein aufrihtiger Wunſch. Ich möchte nämlich gerne diefe Erzählung nebft drei andern ebenfalls jehr ſchönen von Eötvös verdeutjht (wozu mir die Berechtigung gütigft gewährt worden ift) in Buchform herausgeben. ?

Ihr Ahnen in aufrihtiger Dankbarkeit ergebener Franz Arz, Gymnafialprofeffor.

s Nur verdient vielleicht nach Herm Düſel's in der Zeitichrift gelegentlih aus: geiprochener Bemerkung in derartigen Yällen für die Melativfäge der erften Ordnung das gemwichtigere welcher den Borzug, während für die umtergeorbneten der ziweiten Ordnung das minder gewichtige der einzutreten habe, ohne daſs ich dieſe Unter: ſcheidung gradezu als Regel auffiellen möchte,

Der Herausgeber.

2 Wozu ih Ihnen von Herzen Glück wünfce.

Der Herausgeber.

=: I

Einzelne Bemerkungen zu dem Bude: Aus Carmen Sylva's Königreid. (Peleih-Märhen, 3. Aufl. 1886.)

1. „Nicht fo jehr wegen ihrer Schönheit ala wegen ihrem großen Fleiße“ ©. 31. Über das Berhältniswort wegen mit dem Dativ ftatt des Genitiv |. Hauptihwier. S. 328a/b unter „Wegen“ 2 ff.

2. „Das Leben im Ameifenhaufen wäre ſchwer ſchöner einzurichten gewejen als e8 war. Jede und alle fekten ihren Ehrgeiz hinein, am meiften zu leiften ꝛc.“ ©. 36, in der gewöhnlicheren Stellung: alle (in der Gejammtheit] und jede [im Einzelnen]; ferner nit: „Sie ſetzten ihren Ehrgeiz hinein“, fondern: „darein“. Der umbeabfichtigte Reim (meiften, leiften) wäre in der ungebundenen Rede beffer zu vermeiden gewejen, vgl. etwa: „das Höchfte zu leiften“ ꝛc.

3. „Wir find bereit, für das Wohl der Gemeinfhaft und um unferer Königin Ehre zu retten, zu fterben.“ ©. 45.

Über die beiden unmittelbar auf einander folgenden Snfinitive mit „zu“ (von denen der erjte vom zweiten abhängt) j. Hauptihwier. ©. 4a/b, ©. 3b—5a („Abhängigkeitsverhältniffe" des 2. Grades Nr. 3a), vgl. als Berbefferungsvorfhlag 3. B. „Wir find, .... um unjerer Königin Ehre zu retten, zum Sterben bereit” oder: „Für das Wohl der Gemein- ihaft und um unferer Königin Ehre zu retten, .. wir bereitwillig“ oder: „opfern wir bereitwillig unfer Leben“

4. „Wobei Mititica ſich oftmals daſs er ie Milch ausſaugen könne.“ S. 163, ſ. über das rückbezügliche knieen und deſſen Zuſammenſetzungen ſtatt des zielloſen Zeitworts mein Wörterb. | ©. 956b; Ergänz.-Wörterb. ©. 314a.

5. „Bis er gelernt, die Zähne zufammenzubeißen und zu laden.“ ©. 163, ſ. über den von lernen abhängigen Infinitiv mit oder ohne „zu“ bier in der Zeitihr. II S. 135—137 (von H. Koppel) und daran fih Anſchließendes in den Anhaltsverzeihniffen der folgenden Yahre gänge.

6. „Lebendig wird da jed Geſicht.“ S. 196, dem Versmaß gemäß, während es in der ungebundenen Rede gewöhnlih jedes hieße, vgl. Haupt- ihwier. ©. 95b/6a (Deklination der Eigenihaftswörter Nr. 6c) und den dort angeführten Beleg aus Goethes Fauft (2. THl, 5. Akt, Bd. 12 ©. 284): „Ein jed Gelüft ergriff ich bei den Haaren.“

7. „Mir fang es in den Ohren grell,

Wie Sturm hat's Meer geheult“ ꝛc

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f. für das (wie gewöhnlicher klingen) als unperſönliches Zeitwort ge- brauchte fingen Belege von Ernft Schulze in meinem Wörterb. III S. 1100e Nr. 1. 8. „Als endlih für Amerika Das erfte Schiff erfhien.” ©. 209,

in der ungebundenen Rede: Das für Amerika heftimmte Schiff, vol. (nad englifher oder franzöfiiher Weife) für ftatt nah im Verbindungen wie: „für Griechenland fih einſchiffen 2c.“ bei Goethe u. A. m., ſ. Hauptjchwier. ©. 260b unter „für“ Nr. 4.

Paul Heyſe.

Die Lejer des vorigen (9.) Jahrgangs meiner Zeitihrift erinnern fi gemwifs der anmuthigen Erzählung: „'s Lijabethle“, zu der ih mie zu andern Novellen von Paul Heyſe im 7. Hefte ſprachliche Anner- hingen gegeben habe. Dieſelbe Erzählung bat auch A. W. Spanhoofd in Nr. 11 des 7. Bandes feiner Germania A. Monthly Magazine for the Study of the German Language and Litterature (die id wiederholt der Auf— merkſamkeit und Beachtung meiner freundlichen Leſer empfohlen babe) auf- genommen, und in der Nr. 12 findet fih in der Abtheilung Editorials auf ©. 493/4 der folgende Heine Auffak, den ich als eine Probe aus der genannten Monatsihrift hier zum Abdrud zu bringen mir erlaube:

„8 Liſabethle.“

Mit Reht wird Paul Heyie, „der Meifter der deutihen Novellette und der größte Künftler in der Entwidlung piyhologiiher Probleme“ genannt. Jede einzelne feiner hundert und mehr Erzählungen ift ein kunſt— voll in fih abgeſchloſſenes und vwollendetes Miniaturgemälde, gerade groß genug, um die Charaktere jeiner Helden und Heldinnen voll und plaſtiſch fih entwideln zu laffen. Seine Heldinnen! Ya, fie find es ganz bejonders, an denen Paul Heyje feine tiefe pſychologiſche Einfiht an den Tag legt. Die meiften von ihnen haben etwas Außergewöhnliches, Myſteriöſes, Dämonenhaftes an fih (man dente nur an Laurellia in „L'Arrabiata“, jo wie an Fenica in „Das Mädchen von Treppi“ —) aber fie alle, jelbft die ertremften, werden uns dadurch menfchlich näher gebradt, daſs fie ſchließlich doch der Allgewalt der Liebe unterliegen, einer Liebe, welche alle Schranten, die fih ihr entgegenftellen, fiegreih zu überwinden weiß.

Diejelde dee, wenn ſchon bedeutend modificiert, liegt der Erzählung „8 Lifabethle” zu Grunde, der fleinen jentimentalen Spukgeſchichte, die wir in der vorigen Nr. der „Germania“ braten. Wie weiß der Dichter vom erften Moment an unfer Intereſſe für das ungewöhnlich entwidelte

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Kind zu gewinnen! Wie fchnell finden wir uns vom Erzähler unter ben myſteriöſen Bann verjegt, unter dem wir die fleine Heldin leben, lieben und leiden fehn! Es ift ein undefinierbares Etwas, das unſer Mitleid für diefe Mignongeftalt en miiniature ermwedt und bis zu dem pathetiſchen Schluſs fortwährend fteigert. Auch bier giebt die Allgewalt der Liebe den Grundton an, der Liebe, welde troß der beihräntten Sphäre der Heldin über Tod und Grab hinausreiht, der Liebe des aufopferungs- fähigen Kindes zu den ihr anvertrauten bilflojen Pflegebefohlenen.

Amtlid eröffnet. Nach dem Leben erzählt von M. v. Below. lautet der Titel einer in der SYlluftrierten Zeitung Nr. 2701 S. 406/7 enthaltenen allerliebſten Heinen Erzählung in Briefen, aus welder ib mir während des Yejens die folgenden Stellen angemerft habe, denen ich bier ein Plätzchen einräume.

1. „Jeder wird zugeben, dafs du fhön und Flug, Keiner aber kann wiffen, daſs du eben fo gut wie Hug im Grunde bift,“ vgl. mein Wörter- buch I S. 634b Nr. 9. Der Sinn würde durd eine veränderte Stellung (dafs du im Grunde eben zc.) ein mwejentlic anderer werden.

2. „Die Tante ift num zwar fein Unikum an Geift und Wiffen, vielmehr der Typus eines lieben Heinen ehrpuſſelichen Altjüngferchens,“ j. für das hervorgehobene 3. B. im Grimm’shen Wörterbuch fehlende Eigenihaftswort Zeitihr. 9, 322 u. weitere Belege in meinem Ergänz. Wörterb. ©. 397 c.

3. „Küſs mir dein Kindervolf, grüß meinen Nedfreund, deinen Gatten ꝛc.“ Die beiden hervorgehobenen Zufammenjegungen gehören zu den nach Ähnlichkeit ins Unendliche zu vermehrenden, von denen id plan- mäßig in meinem Wörterb. nur beifpielsweije einige unter dem Grundwort aufgeführt habe, die aber ein die Grundwörter und die Zufammenjegungen rein nah der abecelihen Aufeinanderfolge durch einander aufführendes und dabei nur einigermaßen nah Wolljtändigfeit jtrebendes Wörterbuch für unjere Sprade zur Unmöglidfeit machen müffen. Jeder Xejer weiß auch ohne Erklärung, dafs bier „dein Kindervolf“ jo viel bedeutet wie „deine (ſämmtlichen) Kinder; deine Kinderihar ꝛc.“ und: „mein Nedfreund” jo viel wie: „der, als Freund von Medereien, fi gern mit mir nedt, mid zu neden liebt ac.“

4. Bei dem Satze: „Meift trennte mich von ihnen und ihren Spntereffen, ihren Geihmadsrihtungen und Lebensanfhauungen eine Welt“ mödte ih in Bezug auf das Schlufswort auf mein Wörterbuh IH ©. 1554c unter Nr. 4f—g hinzuweijen mir erlauben.

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Der arme Krebs. Märden von Hand Hoffmann (Daheim 32, 207—210).

Aus dem in der Überſchrift genannten Märden babe ih mir zunädft für mein Ergänz.-Wörterb. einige Stellen angemerkt, die ich hier auch meinen Leſern mitzutheilen für angemeffen eradhte, dabei die Wörter, auf die e8 mir ankommt, einfah durch Sperrdrud hervorhebend. Man vgl. über diefe mein Wörterb. und Ergänz.-Wörterb.

1. „Das gab einen Empfangsjubel. Die junge Frau räufelte jih auf vor Freude und Eifer.” ©. 207b, wie etwas Geſtricktes, Ge— webtes, das nicht zulammenhält, jondern auseinander geht, ſich auflöft ꝛc., aljo übertragen, vgl.: fie war (oder gerieth) vor Freude, in ihrem Jubel in ihrem eifrigen Bemühen um den angefommenen Gaft ganz außer id, war ganz außer Faſſung, aus dem Häuschen, fonnte fih vor Freude nicht halten, nit faffen, nicht laffen (j. Goethe 1, S. 140 Ballade vom ver- triebenen und zurüdfehrenden Grafen, Str. 4).

2. „Am nächſten Morgen wies diefer [der alte Fiicher] mit Behagen den Gäften den Fang [die gefangenen Krebje] vor. Es war ein tolles Gekribbel der jo wenig ſchönen und doch fo fehr appetitlihen Thiere.“ ©. 2088, vgl. auch: Gefrabbel.

3. „Es ift 'ne Heine Schwäde, fo 'was muſs Einer haben, jonft wird er zu tugendhaft und Das macht ihn dann didnäfig.“ ©. 2085, bildlich aufgeblajen, ftolz zc., vgl. hochnäſig u. ä. m.

4. „Sp hat fie [die Junge] fih ganz ſachte und fanftmüthig auf bie Hinterbeine geſetzt . . . Sie [die Alte] hat aud ihre Hinterbeine gehabt und hat fih auch darauf geſetzt, daſs es nur jo 'ne Art hatte... Sie |die unge] Hat ihn aufgehegt und mit auf ihre Hinterbeine ge- nommen und fie find fo zufammen der Alten ans Xeder gegangen, bis der die Puſte ift ausgegangen . .. Die Frauensleute ... . haben ihm mit ihren hinterbeinigen Nedensarten den Abjchied verfügt.“ S. 208b.

5. „Dass er [der in die See Berjunfene] der beſte Menſch unter der Sonne bei den oberjeeiihen Zeiten gemwefen ift" ©. 210a in den Zeiten, da er noch über der See, auf dem Yande weilte.

6. „Als es aber endlih [in der Yohannisnaht] gegen die Mitter- naht fam und es war doch nicht recht dunfel, fondern ein glimmriges Licht, das doch feinen Schatten machte, Alles war ſchummrig (j. o., ©. 97 Nr 1) umd greulig ꝛc.“ ©. 2108.

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Eine Gewitternadt. Novelle von Hermine Billinger. (Vom Feld zum Meer. XIV ©. 93 fi.)

Hieraus hebe ih namentlih in Bezug auf die ſchwäbiſche Mund— art die folgenden Stellen aus:

1. „So iſt's redht, fagte die Einödbäuerin, wir find uns genug da beroben, wir brauden kein Fremdes.“ ©. Y3a, f. über Einöd ıc. mein Wörterb. IT ©. 42b/c; da beroben, 3.8. auh ©. 94b xc. (jüd- deutſch bier oben) j. Ergänz.-Wörterb. ©. 3758, f. u. Nr. 13, fein Fremdes, j. Hauptidwier. ©. 214b/5a: „Neutrum“.

2. „Sie holte ein Shweinernes [f. mein Wörterb. III ©. 1044a] aus dem Kaminſchoſs herunter“ ©. 93a, wo das legte hervorgehobene Wort (= Schornftein) in meinen Wörterbüchern nahzutragen wäre.

3. „Ich weiß, warum ih jo herb auf die Welt bin.“ ©. 94a, vgl. in meinem Wörter. 1 S. 744c unter herb, Anm.: „Mundartlich: berb [böfe] fein auf Einen. Schmeller zc.* und Ergänz.-Wörterb. S. 269.

4. „Dieben und Betrügen, Mord und Todtihlag find in der Welt draußen daheim.“ ©. 94b, vgl. mein Wörterb. 1 ©. 293a, woraus id den Anfang berjeße:

„Dieben, tr., intr. (haben) diebiih Etwas entwenden, ſich zueignen, wofür im Wllgemeinen ftehlen üblih ift wie umgekehrt Dieb für Stebler (ſ. d)“ x.

5. „Der foll uns den Sommer über 's Abece einlernen.* ©. 95a ftatt des jeltnern, obgleih der heutigen Unterfheidung von lernen und lehren gemäßern einlehren, j. Wörterb. II S. 89, 112c, vgl.: Einem das Abece eintrihtern, einpaufen :c, beibringen.

6. „'s fommt wer herauf, Vater, 's fommt wer: „So, jo“ wunderte jih der Alte, „Das ift Schön”. ‚Wer, dafs wir's Abece lernen fjollen‘* ꝛc. ©. 95a, für das üblichere Jemand oder Einer, ſ. Wörterb. III ©. j1565a mit einer größern Anzahl von Belegen aus guten und muftergültigen Schriftjtellern.

7. „Er wuiste jegt, warum fie Alle jo ungefreute Menſchen waren auf der Einöd.“ ©. 95b, f. Wörterb. 1 ©. 494b, woraus id bier wenigſtens berfegen will: „Im Städtlein ift ein gefreuter [jreudiger] Tag. Meithard Schweiz. Sag. 52; vgl.: Gefreut a: angenehm, Freude machend.“ Ein ungefreuter [unangenehmer]) Menſch. Stalder 1. 398, vgl. auch unfroh.

8. „Daſs ſie auslangte und Jedem eine Ohrfeige verabreichte.“ ©. 96b, ſ. Wörterb. II ©. 24b unter auslangen 2a bie Hand ꝛc. ausftreden, ausreden.

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9. „Ich werd’ mid gewiſs um Keinen mehr vereifern.” ©. 96b, ihwäbiih jtatt ereifern, ſ. Ergänz.-Wörterb. ©. 173c.

10. „Ich bin nit jhredig [niht ſchreckhaft, ſ. Wörterbub III S. 10084)] . . .'s zahlt ſich nit aus [es verlohnt nicht, es müßt nicht, j. Ergänz.:Wörterb. S. 97a], mid fürdten maden zu wollen.“ ©. 97a.

11. „Sie holte eine Heine Holztruhe vom Kaminſchaft herunter.“ ©. 97b = Sims, vgl. Kammbord, Kammbanf.

„So, ihr Madeln! [Mädden, j. Wörterb. II ©. 200c ff. unter „Magd“] ..... der ift nit gefcheiter als ein Stück Vieh und mag fih zu die [tatt: zu den] Ochſen.“ ©. 98a.

13. „Haft nie mehr zu ſuchen da berinnen, geh ſchlafen.“ ©. 99b hier drinnen (in der Stube) ſ. Ergänz.-Wörterd. ©. 283c und vgl. bier Nr. 1 „da beroben“.

14. „Eh foll uns der Blig mit einand derihlagen.“ ©. 100 mit einander erihlagen.

Erbleichen.

In den von Paul Lindau überſetzten „Unheimlichen Geſchichten“ von Dick-May (Engelhorn's Allgemeine Roman-Bibliothek 10. Jahrg. Bd. 12) findet ſich auf S. 81 der Satz: „Das Haar war vollkommen erbleicht“, wofür es gewöhnlich lauten würde: es war vollkommen bleich (oder weiß) geworden.

Man ſehe hierzu, was ich hierüber in meinem „Wörterbuch deutſcher Synonymen“ (2. Aufl. ©. 668 ff.) gejagt babe und was ich bier in der Zeitihr. zu wiederholen und den Lejern zur Prüfung vorzulegen für an— gemefjen erachte. Es heißt dort unter dem Titelkopf: „Werden; er- (Borjilbe)*:

Werden, verbunden mit Gigenjhaftswörtern, erſcheint in vielen Fällen ſynonym mit Zeitwörtern, die von den entſprechenden Eigenſchafts— wörtern mit der Borfilbe er- gebildet find, in fo fern auch dieſe den Übergang in den durd das Eigenihaftswort angegebenen Zuftand bezeichnen. Doch ift dabei der Unterſchied, dafs bei den Zeitwörtern mit er- der Über: gang in den genannten Zujtand als ein von innen heraus erfolgender, auf innerliher Wirkung berubender erſcheint. Das Gejagte wird klar und empfängt feine Beftätigung dur die folgenden Beijpiele:

1. Roth werden und errötbhen find finnverwandt, aber Jenes gilt ganz allgemein, mag der Übergang in die rothe Farbe erfolgen, auf welche Weife und wodurd es auch jei, 3. B.: Yadımuspapier, in Säure getaucht, wird roth, während das geröthete durch Einwirkung von Alfalien

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wieder blau wird. Hier fünnte es micht beißen: Das Radınuspapier errötbet ac, weldes Zeitwort in der gemwöhnliden Proja eigentlih nur von Perjonen gebraudt wird, deren Gefiht in Folge innerer Erregung fih durd den Ergujs des Blutes plöglih wie mit Burpur übergießt, To namentlid: Vor Scham erröthen, aber 3. B. auch vor Zorn, vor Wuth ꝛc.; doch wird man 3. B. von einer Perjon, deren Gefiht ſich in Folge von Anftrengung, von Erbigung beim Yaufen, beim Tanz ıc. roth färbt, nicht wohl jagen: Sie ift erröthet, jondern roth geworden; ferner 3. B.: Ich Habe das früher bleihjühtige Mädchen kaum wieder erkannt, weil fie durch den Yandaufenthalt jo friih ausjehend und roth geworden iſt ꝛc.

In der gehobenen und dichteriſchen Sk die es liebt, das Sach— lihe zu beleben, das Unperſönliche zu perfonificieren und das Äußerliche zu verinnerliden, finden ſich freilich aud Anwendungen, wie die folgenden (j. Sanders 2, 790 ff): Wie mande Roſ' im Thal erröthet ungejehn. Gotter. Der leifen Fluth | janft erröthendes Blau. Matthiſſon. Er- ſcheint Aurora plöglid in der um fie ber erröthenden Aurora. Foriter. Des Dftens Volk foll bluten heut’ | und vom Krieg die Sonn’ erröthen. Freiligrath. Von ihrem [der Sonne] Lächeln die Kinder des Apfelbaums erröthen. König; auch z. B.: Erfah auf feinen Ring | mit den zwiefarbigen Steinen, den er dort empfing. | Er jab, daſs der eine da nit erröthet jei | und daſs fie treu ihm meine, erkannt’ er wohl dabei. Er jahe dur die Thränen den andern an und faft | wollte dabei ihm mwähnen, als ob diefer jei erblajft (j. 2). Rückert 3, 498, vgl: Diefes Ringes Steine haben jolde Kraft | Wenn an der Farben Scheine fie werden wandelhaft, | der ein’ hier, wie er blafjet blaſs wird], wiffe, dann bin ich todt; | untreu bin ich geworden, wenn der andre da wird roth. 495 ꝛc.

Aber jeder fühlt fofort, daſs diefe Anwendungen ungewöhnlich (oder dichteriich) find, umd fo beftätigen fie denn gerade das für den gewöhnlichen Sprachgebrauch Gejagte.

2. Ähnliches, was nun feiner weitern Ausführung bedarf, gilt z. ®. für erblaffen, erbleiden und blafs, bleich werden, ſ. Sanders 1, 152c; 162a. So wird man 3. B. in der gewöhnlichen Proſa fagen: Die meiften Farben von Zeugftoffen werden in der Wäſche oder dur die Einwirkung von Luft und Sonne blajs (nit: fie erblaffen). Diefe Tinte ift zuerft fehr ſchwarz, aber fie wird leiht und bald blajs ꝛc.; dagegen: Bor Schred xc., vor etwas liberftrahlendem ſowohl er: blajfen, erbleiden als: blajs, bleib werden.

Die a. a. O. fih weiter anreihenden Nummern (3— 6) übergebe ih hier mit Rüdfiht auf den Raum.

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Bereinzelte beim Leſen niedergejchriebene Bemerkungen.

1. Stellung des Relativjates.

„Geftern fand ich bei Ellikon, beim Ausflufs der Thur, eine Flaſche mit diefem Zettel, als ih mit dem Weidling heimfuhr, weldhen ih Ihnen hiermit überjende.“ (Nat. Ztg. 47, 419, aus dem „Badener Wochenblatt“) Da der Schreiber wohl nit jeinen Weidling (Fiſchernachen) überjandt haben wird, jondern vielmehr den Zettel, jo hätte er richtig jegen müjjen: „beim Ausflufs der Thur, als ih mit dem Weidling heimfuhr, eine Flaſche mit diefem Zettel, welden zc.,“ vgl. in der Zeitihr. außer VII ©. 75 Nr. 30 in den pnhaltsverzeihniffen unter „Stellung“ und „WRelativ- pronomina*”. Ich füge aus der Nat.»Ztg. nod folgende hergehörige Sätze bei, in denen das Wort, worauf das bezüglige Fürwort bezogen werden joll, fett, das, worauf es bezogen werden fünnte, geſperrt gedrudt ift:

a) „Indeſſen bei feinem erften Bejuh im Krantenzimmer, von dem Adolf v. Ettermann thunlihft wenig Notiz nahm, fand er der Nitt- meifter] es doch gerathen, mit feinen dringenden Wünſchen vor der Hand im Hinterhalt zu bleiben.“ 46, 729 (Gg. Hartwig) unzweidentig: In— deffen im SKrantenzimmer beim erften Beſuch, von dem ꝛc.

b) „Gejtern madte fie... eine jehr anftrengende Fußtour zur Wallfahrtskirche Unjerer lieben Frau vom Berge, die 900 Meter überm Meeresipiegel liegt und nur auf einem jehr fteilen Wege zu erreichen ift 2c.“ 47, 5 x, jede Miisdeutung ausjhließend: zu der 900 Meter überm Meeeresipiegel liegenden und nur auf einem jehr jteilen Wege zu erreichenven Wallfahrtstirhe cc.

c) „Baccelli brachte einen Toaft auf den König, die Königin und den Kronprinzen von Italien aus, welcher ebenfalls mit großem Beifall aufgenommen wurde.“ 47, 204, vgl.: einen ebenfalls mit großem Beifall aufgenommenen Toaft auf ıc.

d) „Ein Brand in einem Tuchgeſchäft, Kodftr. 31, deffen Meldung am Sonnabend früh gleid nah 5 Uhr erfolgte, war .. . angelegt.“ 47, 254, rihtig: Ein Brand, deffen Meldung... nah 5 Uhr erfolgte, in einem Tuchgeſchäft ıc.

e) „Zur Zeit der normännifchen Eroberung ftand an jener Stelle der Herrenſitz eines fächftihen Grafen, der einige Jahrhunderte jpäter durh Erbidaft in den Befig des Yohanniterordens kam.“ 47, 350, vgl.: eines ſächſiſchen Grafen Herrenfig, der ꝛc. oder: ein im Befit eines ſächſiſchen Grafen befindliher Herrenfig, der ac.

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2. Indirekte Rede.

„zroß aller ſeiner Vorzüge blieb Lloyd jo obikur, dajs ſeibſt ſein Taufname unbefannt war; erſt jetzt wiſſen wir, der Mann habe Eduard geheißen.“ Gegenw. 45, —* Da wir es jetzt „wiſſen“, alſo als etwas Thatſächliches, Unzweifelhaftes, fo follte ftatt des bervorgehobenen Kon- junftivs: oder der unbejtimmten Medeweife die beftimmte (der Indikativ) gejegt fein: „Erſt jegt wiſſen wir, der Dann bat Eduard geheißen“ oder:

„dais er E. geheißen hat“. z 3. ——

„Sein Herz iſt fteinern geworden.’ Das. Licht der neuen Zeit zeigt ihm ein Näuberloh. Ihm jhaudert’3 vor der Zukunft.“ Grenzb. 53, 1, 248 (%. Collin), “aber auf der folgenden Seite fchreibt derſelbe: „Aber auch da giebt fie ſich micht den Tod; es fhaudert fie, den Tod zu rufen, wenn er ihr nicht entgegentommen mag,“ vgl. über die bier jo auffallend ſchnell wechſelnde Fügung des „es ſchaudert“ mit dem perjöns lihen Dativ oder Accufativ mein Wörterb. III S.896c; Ergänz.Wörter- buch S. 442c und Hauptihwier. ©. 169b.

4. Stellung; ſein (befigangeigendes Fürwort).

„Sie entbietet Gyges zu fih. Offerr-gefteht er die That; fie ruft ihren Gemahl zur Nahe auf, doch jo umedel ift er nicht, den Freund für jeinen Frevel büßen zu laffen.“ Grenzb. 53, 1, 255 (J. Eollin). In diefer Stellung tritt ſprachlich nit beftimmt und entſchieden hervor, ob das von mir dur Sperrdruck hervorgehobene- befiganzeigende Fürwort (feinen) auf den Gemahl oder auf Gyges (dem Freund) zu beziehen jei; gemeint ift dem Zuſammenhang und dem Sinne nah das Erftere. Die „möglihe Mifsdeutung wäre durch eine geänderte Stellung zu vermeiden gewejen, j.: Doch jo umedel tft diejer nicht, für feinen IE für den eignen) Frevel den Freund büßen zu laffen.

Ich ſchließe hier gleip aus den Grenzb. ©. 355 den folgenden Sat eines ungenannten Verfafjers an:

„Der yenaer Litterarhiftorifer Albert Lietzmann hat daher recht daran gethan, daſs er uns furz vor dem Sätulastage feines Todes“ [wer bis hier geleſen, lann dod kaum anders glauben, als daſs es ſich um den hundertjährigen Todestag des SYenaer Pitterarbiftoriters handle; aber er wird bald enttäuſcht, wenn er die Fortjegung lieft]: „(11. Ja— nuar 1894) durch Veröffentlihung von Forſter's Briefen und Tage— büchern im Frühling 1790, der auch die ‚Anfihten vom Miederrhein‘ ihre Entftehung verdanfen, das Bil \ ‚feiner Perſönlichkeit einmal en ger rüdt bat.“

" % i 18 ; P

Der auffallende ‚Mifsftand wäre etwa fo zu bpfeitigen geweſen:

„Der Senaer Litterarhiftorifer A. 2. hat, jehr recht daran gethan, dafs er furz vor dem hundertjährigen Todestag Forfter’s .... uns das . Bild von defjen Perfönlichkeit wieder näher gerüdt, indem er Forſter's Briefe und Tagebücher während der Reife im Frühling 1790 veröffentlicht bat, jener Reiſe, der ꝛc.“

5. Gröringen.

„Sie [die Bücher] erbrachten [bei "per Verſteigerung] . . . einen

Preis von 50 Pd. Sterling.” Ylluftr.dtg. Nr. 2651 ©. 426, wofür - es (j. mein Wörterb. I ©. 219 und Ergänz.-Wörterd. ©. 107b) ge wöhnlih bloß brachten "heißen würde, vgl. im Vorangegangenen: „Das Driginalmanuftript x. . erzielte 208 Pjd. Sterling.“

6. Als.

„Das Handſchreiben . .. Sein Inhalt ... . war vielleicht ein Mittel, die Talente Stambulow’s für den all, als feine. Zeit wieder gekommen ihien, dem Lande und Throne aufs Neue nutzbar zu machen.“ Nat.-Ztg.

"47, 427. Da es fih bier um einen nur möglicherweiſe künftig eintretenden

Fall, nit um einen ſchon eingetretenen handelt, To ift das hervorgehobene als nit an- feiner Stelle, es müſste beißen:- für den Fall, daſs oder furz: wenn ıc.

RE, 2. Was, „Die Thatſache, dajs, ‚alles Silber, pas“ [ftatt daS oder weldes] „gefördert werde, thatjächlich feinen Käufer finder“ Nat.-tg. 47, 419.

8. Berfahren n (pl.).

„Brof. Frenzel... . erjucht alle Fiihzüchter, über die von ihnen gemadten Anzuchtverfahren und angemwendeten Futtermittel ihm Mit: theilung zu machen.“ Nat.-Ztg. 47, 419. Über die Mehrzahl der ſub— ftantivifhen Infinitive ſ. Hauptihwier. ©. 2188 ff. „unter „Numerus“ 3I—g. Ich füge hier no folgende Stellen bei: „Zur Fernleitung der ». Kraft befigen wir befeits eine Neihe von Verfahren.“ Nat.-Ztg. 46, 35 (©. van Muyden). „Die photomechaniſchen Verfahren. Ylufte.Btg.- Nr. 2584 ©. 2a.

9, tönnen. „Wenn auch irgend eine rechtliche Verpflichtung hierzu heute fo wenig wie 1878 . . gnerfannt zu werden vermag.“ Nat.-ätg. 47, 421, richtiger: —** werden kann, vgl. dagegen: Wenn wir ſie auch nicht anzuerkennen vermögen, ſ. Hauptſchwier. ©. 321a Nr. 3. Keitfegrift f. deutſche Sprache. X. Jahrg. 9

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10. Zu vermeidende Wiederholung.

„Die chineſiſche Regierung habe dur Vermittelung des englifchen Gejandten Japan gewiffe Vorſchläge gemadt. Der Gefandte habe Japan angeratben, eine friedliche Löfung des Konflikts mit China herbeizuführen, Japan habe die Vorſchläge China's abgelehnt, worauf China Japan erklärt habe, wenn Japan die Truppen nicht aus Söul und Chemulpo zurüdzöge, würden die Unterhandlungen abgebroden werden.“ Nat.=Btg. 47, 423. Der Sa ift ſprachlich richtig und auch verftändlid, aber die fortwährende Wiederholung der beiden Yändernamen fällt dabei gewiſs jedem unangenehm ins Ohr. m einer Gefellihaft, wo die Frage er- örtert wurde, wie diefem Miisftand abzubelfen geweien wäre, wurden mehrere Vorſchläge gemadt, von denen jchließlih der folgende allgemeine Billigung fand:

Die hHinefiihe Negierung babe durch Vermittelung des englifchen Geſandten der japanijchen gewiffe Vorſchläge gemadt, und er habe diejer gerathen, eine friedliche Yöjung herbeizuführen, die Vorſchläge der chineſiſchen Negierung feien aber von Japan abgelehnt worden, worauf China erklärt babe, die Unterhandlungen würden abgebroden werden, wenn nicht bie japanifhen Truppen aus Söul und Chemulpo zurüdgezogen würden.

11. leiden in.

„Bier Magiftratsausreiter eröffneten den Zug, ihnen folgten drei Ausſchuſsmitglieder mit zwei in mittelalterliden Koftümen geklei- deten Stadtknechten.“ Nat.» tg. 47, 423, ſ. über den hervorgehobenen Dativ ftatt des üblichen Accufativs meine Hauptſchwier. S. 191b unter „Kleiden“ 1.

12, Entſchuldung.

„Die Befeitigung diejes Zuftandes kann nur erreicht werden... durh eine planmäßige Entjhuldung des Grundbeſitzes. Die Ent- Ihuldung des Grumdbefißes ift vorzunehmen durch öffentlich rechtliche Körperichaften ꝛc.“ Nat.» Ztg. 47, 423 (Grundkredit-Kommiffion des Bundes der Landwirthe), vgl.: Es muſs eine öffentlihe Organijation des Boden— fredits die Entjhuldung und durch Erridtung einer Schuldgrenze die Möglikeit einer Verſchuldung in Zukunft zum Ziele haben. Gegenm. 43, 210b, vgl. mein Wörterb. III ©. 1026a, wo ih unter entjhulden zwei Bedeutungen angegeben habe, die erjte (mit Belegen) = von Schuld frei machen (vgl. das üblihere: entſchuldigen) und als zweite (aber ohne Beleg) im Gegenſatz zu dem veralteten befhulden (vgl. verfhulden, im Sinne von: mit Schulden beladen), aljo = von Schulden frei machen.

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13. Man, wir, ſolch.

„Aus dem heiteren Bereih ſolchen [rihtiger: ſolches, ſ. Haupt- ihwier. ©. 253b Nr. 2] tritt man fo zu fagen in den Bannfreis des biftorifchen Zeitbramas zurüd, wenn wir den Autor nad Breslau ‚zur Bartei‘ begleiten.” Nat.-Ztg. 47, 424, wofür es beffer heißen würde: treten wir... wenn wir... begleiten oder: tritt man; wenn man... begleitet, f. mein Wörterb. II ©. 220c und Haupt- jhwier. ©. 202 a.

14. Imperfekt ftatt Plusguamperfelt.

„Virchow legte“ [in der anthropologiſchen Geſellſchaft] „einige der in leßter Zeit erörterten Mondhentel vor, die er aus Italien mit- brachte.“ Nat.-Ztg. 424 |ftatt: mitgebradt hatte), vgl. Zeitſchr. IX ©. 54 Nr. 8. .

15. Ziffer.

„Die größere Hälfte der Nationalrumänen überhaupt lebt auf dem Gebiet der habsburg-lothringiihen Monarchie, in einer Ziffer, gegen welhe die in Serbien und dem jet wieder ruſſiſchen Befjarabien lebenden Rumänen nit in Betraht kommen." Nat.Ztg. 47, 426, beffer: „in einer Anzahl“ :c., vgl. über Ziffer und Zahl mein Wörterb. III ©. 1764 a/b (und ©. 1693 a/b); Ergänz.-Wörterb. 676 und Zeitihr. VII ©. 280.

16. Wir Deutideln).

©. hierüber Zeitirift, befonders II ©. 145—151 und im Übrigen die Imhaltsverzeichniffe unter „wir“. Als jehr bezeichnend für die nod immer ſchwankenden Formen führe ih Hier an, dafs in dem am erfter Stelle ftehenden Auffag in der Nat.-Ztg. 47, 426 (auf der zweiten Spalte) zu leſen ift: „Das wiffen wir Deutſchen am beten“ und etwa 15 Zeilen weiterhin: „Das dürfen wir Deutſche in der Beurtdeilung der dortigen Berhältniffe am wenigften außer Acht lafſſen.“

17. Bezüglie Yürwörter.

„Dem König Friedrih, dem der Pandurenoberjt verhafft war, der einmal das ganze filberne Tafelgeihirr des königlichen Zeltes erbeutet hatte die Kriegsfage erzählte, er hätte den König jelbft gefangen, aber gegen eine anjehnlide Summe frei gegeben famen Gerüchte über eine Kor- rejpondenz des preußifhen mit dem üfterreihiihen Trend zu Ohren.“ Franz Hirſch in einem ſehr anregenden Aufſatze (Mat.-Ztg. 47, 426), vgl. meine Hauptidwier. ©. 6b, wo ih unter dem Titeltopf: „Abhängigfeits- verhältniffe des 2. Grades“ in Nr. 6 gejagt habe:

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„Bei Melativfägen bietet der Wechſel (welder, der) ein Mittel, die Verſchiedenheit zwijchen neben- und untergeordneten Sägen hervor: zubeben.“

In den obigen Säßen von Frz. Hirih kann zunächſt der Pejer oder Hörer glauben, dafs die beiden unmittelbar auf einander folgenden Nelativ- jäge mebengeordnet jeien und daſs aud der zweite fih auf den König Friedrich beziehen jolle, aljo: „Der König Friedrih . .. der einmal das ganze Tafelgeihirr ... . erbeutet hatte.“ Wie viel Harer und deutlicher träte jofort das Verhältnis zwiſchen dem Nelativjage des erjten und dem des zweiten Grades hervor, wenn der Schriftſteller geſetzt hätte:

Dem König Friedrid, welhem der Pandurenoberft verhafft war, der :c. (vgl.: weil dieſer :zc.).

18. Mandel = Getreidehode.

„Die beiden Andern hatten fih dorthin [auf das Feld] verfügt und er konnte fie dur die Getreidemandeln wandern fehen ... . Deishalb trat er in den Schuß des nädjten Getreidemandelg ꝛc.“ Nat.-tg. 47, 426.

Die Form der Mehrzahl auf nm deutet im Allgemeinen auf ein weib- lies Hauptwort (die Mandel), der Genitiv auf 3 dagegen auf ein männliches oder ſächliches, wonach aljo zwiichen den beiden herporgehobenen Formen ein Mangel an Übereinftimmung herrſcht. Ich füge bier aus dem 2. Bde. meines Wörterbuches das Nachfolgende hinzu, ©. 222a ff.:

Mandel ff... .: 2. eine Zahl von 15, !/, Schod .. ., aud alsn. und veraltet al$ m. und in Mehrzahl als Maß umverändert (vgl. 7 Fuß ꝛc.) ... [j. die Belege), vgl. das mit der Bedeutung 1 [als Frucht) und 2 jpielende Räthſel: Wenn’s in einer Schale liegt, ſind's der Theile zweie; wenn's auf einem Haufen liegt, find es zwölf und dreie. Rückert Mafamen 1920 x. a) Mandel, eine Hode von 15 Garben. Voß 2,188; allgemein (j. Anm.) Hocke . . . 3. B. bei Schmeller (2, 578) von 10—15 Garben, 3. B.: Zündet aljo an-die Mandel [pl.]) jammt dem ftehenden Korn. Richter, 15, 5. Leget fih hinter einen M. Ruth 3, 7. So viel als M. auf dem Felde ftehen. Hoſea 12, 12 :c., gewöhnlid f..... vgl. im Spiel mit 1: „ft ein Obftdieb, wer Mandeln geftohlen?“ Nein, ein Getreidedieb. Rüdert Mal. 2, 58... .

Anm... . In Bd. 2a, nah Schmeller, Verkleinerung von Mann (f. d. 17f u.20b) als Bezeichnung der aufrecht geftellten Garben, wie man 3. B. von Hafen, die fich aufrecht Hinftellen, jagt, dajs fie ein Männden, Männ— fein (mundartl. Mandel) mahen. Dafür ſpricht die Bezeichnung Kind (j. d. 6c) Endelhode (ſ. d.), das neutr. bei Schmeller, masc. bei

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Luther und aufmandeln, die Sarben aufrecht ftelen. Möglich, dafs fi daraus weil die Hoden meift aus 5 Garben beftehen die allgemeine Bedeutung 2 entwidelt bat.

19. Doppeljteigerung; hindern.

„Die Kerkerhaft wird natürlih dadurh noch verſchärfter. Die graufamfte Beftimmung ift die, dafs man ihm den Schlaf hindert. Alle Viertelftunden des Nachts hat er auf den Anruf der Schildwachen zu antworten.” Nat.-Ztg. 47, 428. (Franz Hirſch). Da verihärfen (ſ. mein Wörterb. Il ©. 892a) die Bedeutung hat: „empfindlih Treffendes noch ſchärfer eindringlich machen“, aljo in dem Mittelwort verihärft ſchon der höhere Steigerungsgrad ausgedrückt iſt, ſo genügte dies ohne Hinzufügung der Endung -er, vgl. Zeitſchr. VI S. 473 Nr. 99 über den „Pleonasmus” in dem Sage: „Wenn die Kritik in verftärkterem ſſtatt: in ftärferem oder: in verftärftem] und jhärferem Maß erfolgen ſollte“ —, ähnlih: Das gilt in erhöhtem (oder: in höherem, mit einer tadelhaften Überfülle des Ausdruds in erhöhterem Grade), vgl: Etwas wird vermehrt (midt: vermehrter), gefteigert (mit: ge: fteigerter) vgl. Zeitihr. ©. 23 Nr. 4 x. Außerdem hieße es wohl aud übliher und richtiger: „daſs man ihn fortwährend im Schlafe ftört ꝛc.“ oder: „dafs man fortwährend feinen Schlaf unterbricht, ihn aus dem Schlaf aufftört, da er alle Viertelftunde auf den Anruf der Schildwache zu antworten hat.“

20. Paſſiv.

„Aber das Haar des 3Tjährigen Mannes, deffen eijerne Geſundheit die Kettenhaft gebrochen hat deutlicher und Mar paſſiviſch, ſ. Hauptſchwier. ©. 352b Nr. 2b: defjen eilerne Gejundheit durch die Kettenhaft gebroden ift], ift grau geworden.“ Nat.-Ztg. 47, 428 (FIrz. Hirſch).

21. Rüdbezüglihes Fürwort.

„Um Zrend’s Natur zu verftehen, mus man die Phyfiognomie feiner Heimatsgenoffen fennen. Der ‚unbeilbare Haſs gegen Zwang und Aberglauben‘, den Trend jelbft als bezeichnend für ihm hervorhebt, iſt dabei eben fo dharakteriftiih, wie der offenherzige Freimuth, die Recht— haberei ꝛc.“ Nat.-Ztg. 47, 428 (Franz Hirih), vgl.: „Den Trend ſelbſt als bezeichnend für ſich hervorhebt“ aus dem Gefichtspunfte Trend’s, nicht des Schriftftellers.

22. Einflujs nehmen.

„Wenn da und dort angedeutet worden, dais hierauf die deutjche

Regierung Einflujs genommen, jo ꝛc.“ Nat.-tg. 47, 431. Einflujs

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auf Etwas nehmen (ftatt: üben, ausüben, gewinnen) ift wohl eine Übertragung aus dem franzöfifhen prendre de l’ascendant, die Brand- ftäter in feinem empfebhlenswertben Buche: „Die Gallicismen in der deutichen Schriftſprache“ (Leipzig 1874) ©. 99—101 (wo er die Anwendung des beutihen nehmen nah dem franzöfiihen prendre beſpricht) nicht hätte übergeben follen. Einen Einflufs nehmen findet fih 3. B. auch in Hanslid’s Oper ıc. ©. 126; 136, vgl. Einflufjsnabme in meinem Wörterb. II ©. 387a. Manden Lefern wird es nit unerwünjdt jein, wenn ich bier aus Bourdaloue den folgenden franzöfiihen Satz herſetze, den ih Lafaye's Dietionnaire des Synonymes 1 p. 699b entlehne: Je laisse la foi prendre sur moi l’ascendant et exercer son empire.

23. Zeugenihaftlid.

„Die zeugenfhaftlihe VBernehmung &...’8 ſcheint von befonderer Wichtigkeit zu fein.“ Nat.:Ztg. 47, 431. Das bervorgehobene Eigenſchafts— wort trage ib, als no in meinem Ergänz.-Wörterb. ©. 672c fehlend, nad. Ob e8 ſich in den allgemeinen Sprachſchatz einbürgern wird, fteht dahin. Hier hätte es einfach heißen können: Die Vernehmung E8 als Zeugen.

24. Vermiſchung der dritten und der erjten Perſon.

„|Der transcendentale Realismus ... . zeigt . . . daſs] Dasjenige, was jhlieglih wahrgenommen wird, weder äußere Vorgänge in den Sinnes- organen, noch im Gehirn, jondern rein piuchifhe Vorgänge find, die in der Seele durch jene äußeren Borgänge ausgelöft werden. Daraus fließt er dann, dafs die Welt bloß meine Vorftellung, dafs fie nur Eriheinung, bloße Modifitation des eignen Subjekts ſei“ ꝛc. Gegenwart 45, ©. 264 b. (Arthur Drews.) Hier ftimmt das hervorgebobene er (Fürwort der dritten Perjon) nit mit dem meine (Fürwort der erften Perjon). Der dem „transcendentalen Realismus" Huldigende kann wohl jagen: „Die Welt ift bloß meine Borftellung ... .„, bloße Mopifitation meines Sub» jeftes" ; aber, ftreng genommen, miüjste es doch heißen ftatt: „Daraus jhließt er [der transcendentale Nealismus], dajs die Welt bloß meine Borftellung fjei* —: daſs die Welt bloß Vorftellung des Individuums oder, deutſch geiproden: jedes Einzelnen jei zc.

Brieflaften.

Henn Wil. A... in Schweibnig: „Wie hoch wir Rubens ftellen, in Hinficht auf die Frau verfiehen wir uns nicht ihm“ Nat.-dtg. 49, 266. Ich ſtimme Ihnen volllommen bei, daf8 hier wohl ein Drudfebler vorliegt, aber wie er zuverläffig zu ver⸗ befjern ift, wüßte ih Ihnen nicht mit voller Sicherheit anzugeben.

Hern Dr, Bilh. Bernhardt, Wafhington Eity (vgl. Heft I S. 37): Ich made Sie auf den Aufſatz im diefem Hefte S. 97 befonderd aufmerlfjam, um fo mehr als die von Ihnen gewünfchte Antwort dem Bereich meiner Zeitfchrift ziemlich fern Liegt.

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Herrn Jof. Sp. ... in Breslau: Warum Herr dv. Schaliha in feinem „Schreis ben an bie fchlefifche Vollszeitung“ gefchrieben bat:

Dais nicht die Bedürfnifie der Wähler, jondern die gänzlih unfundierten

Borurtbeile der Gewählten maßgebend wurden ftatt des fo nahe liegenden unbegründeten, Das ift mir nicht klarer als Ihnen.

Herrn Dr. 8. Stihelderger in Burgdorf (vgl. ©. 98 ff.): Ihr weiterer Brief muf3 wegen Raummangel® einem fpätern Heft vorbehalten bleiben.

Herrn Dr. 8. Schrader in Berlin: Für Ihren wahren Freundesbrief nochmals berzlichen, wärmften Dant! Alles Gute!

Herm Guſt. A... in Potsdam: Daſs der Sa in der Morgen: Ausgabe der Rational-ftg. vom 28. April:

Geſchieht Das nicht, fo werden wir micht vor Jahresfrift um um unfern aus—

wärtigen Einfluſs gebradt fein :c. durch Drudjebler entftellt ift, unterliegt feinem Zweifel. Das eine der doppelt geſetzten um ift natürlich zu ftreichen, wahrſcheinlich aber aud das hier durch Sperrbrud hervor⸗ gehobene nit. Sie würden übrigens richtiger thun, in derartigen Fällen Sich an die Nedaltion der Nat.⸗“Ztg. ald an mich zu wenden, der ich bier doch nicht mehr ald eine Bermutbung ausſprechen kann.

Mr. Charles V .. . in Bordeaux: Dais es einem mit der deutſchen Sprade ſich eingehender bejhäftigenden Ausländer wie Gie ſehr auffällt, wenn er die Beimörter alt und jung unmittelbar einander nebengeorbnet findet, in Verbindungen wie: „Das erfi 15 Jahr alte junge Mädchen“ xc., finde ich fehr begreiflid, weil er eben zunächſt alt und jung nur als entſchiedene Gegenſätze auffafft, wie im Franzöfifchen jeune und vieux. Aber da Sie, wie ich aus Ihrem Briefe eriehe, mein Wörterbuch der deutfchen Sprade befiken, fo darf ih Sie wohl auf dieſes Wert Br. I S. 24 c hinweilen, wo ih unter „IH Alt“ gefagt babe:

Gegenfag von neu, frifh und bei Dem, was ein inneres Wahsthum hat,

von jung und dann weiterhin in Nr. 8: Alt mit beigefügter Zeitangabe im Accufativ ... ., was biefe oft kurze Beit hindurch eriftiert hat: Das Kind, der Brief ift vier Wochen, einen Monat alt. Ein 12 Jahr alter Knabe ıc., vgl. Sie franzöfiih äge de...

Das Borftehende wird, glaub’ id, genügen, Ihnen zu erlären, dafs es und Deutſchen nicht auffällt und durchaus feinen Widerfpruch zu enthalten fcheint, wenn wir (3. B. in der „National-Zeitung” 1896, Morgen: Ausgabe vom 1. April Seite 2, Spalte 2) leſen:

Das etwa 22 Jahre alte junge Mädchen und Ähnliches oft.

Hiermit Fönnte ic alfo ſchliehen; aber ih möchte dod die Gelegenheit benuken und Ihnen nicht bloß empfehlen, in meinem Wörterbuch das unter den Titellöpfen „alt“ umd „jung“ Gefagte vollftändig durchzuleſen, vielleicht unter Hinzufügen des unter dem legten Ziteltopf in meinem „Ergänzungs-Wörterbuch“ wenn Ihnen das vielleicht zugänglich ift Enthaltenen, jondern auch Sie befonder8 auf den aus dem Märzheft der von 9. Wolfromm geleiteten Revue de l’Enseignement des Langues vivantes entlehnten Aufjag von 2. Jeanneret aufmerffam machen (f. hier in dieſem Hefte ©. 87).

Mit dem Wunfce: alles Gute Hr hochachtungsvollſt ergebener Daniel Sanders,

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Herm Wilh. 3. . . in Darmftabt: Über den jüngft verftorbenen, nicht überall in vollem Umfang nah Gebühr gewürdigten Dtto Noquette finden Sie u. A. auch für Sie beachtenswerthe Mittbeilungen in ter National-Ztg. Nr. 225 und (mit einer Ab: bildung) in Weber's Illuſtr. Zeitung Nr. 2752 ©. 369.

Herrn Ehriflian ... in Neuftettin:

In einem nicht freigemadten Briefe, für den ih 20 Piennig zu bezahlen hatte, theilen Sie mir mit, daſs Sie zu Ihrem lebten Geburtstage ein „Autographen: Album“ zum Geſchenk erhalten hätten, für das Ihnen auf Ihre Bitten auch ſchon manch werth— volle Beiträge zugegangen feien ; und Sie fügen hinzu, daſs es Sie freuen würde, wenn auch ic Ihnen einen Beitrag für Ihre Samınlung einienden wollte.

Ih weiß nicht, ob Ihnen im dem Feuilleton der National-Zeitung (Abend- Ausgabe vom 1, April) das Nacfiehende zu Geficht gelommen ift, das ih für Sie in meiner von Ihnen gewünſchten Handſchrift abzuichreiben mir die Mühe made:

„Profeffor Felir Dabn erfuht uns um Aufnahme folgender Zufchrift: ‚Um der ganz unglaublichen Beläftigung durch die Autograpbenfammler Schranten zu ziehen‘ oder tod eine erſprießliche Wirkung abzuzwingen, werde ich fortab jedes Geſuch der Art durh Yuiendung eines gedrudten Formulars des Inhalts beantworten: ‚Handiriftproben gewähre ich nur gegen Erlegung einer Mark für die deutfche Schiller: ftiftung‘. Ich erfuche die Yeidensgenojjen um Befolgung dieſes Borgangs.

Breslau, 29. März 1896. Hochachtungsvoll Felir Dahn.“

Ich ſchließe mich wenigftens in Ihrem Falle Herrn Proiefjor Dahn an,

Schiden Sie in einem freigemadten Briefe dem Berleger dieſer Zeitfchrift Die Beicheinigung der deutſchen Schillerftiftung zu, daſs fie von Ihnen den Betrag von mindeftens einer Mark erhalten babe, und füger Sie eine Freimarle bei. Dann wird ohne Weiteres der geehrte Berleger, Herr Ferdinand Shöningb im Paderborn, den über eine volle Seite füllenden von Ihnen gewünjchten Beitrag in meiner Hand» ſchrift Ihnen poftfrei zuzufenden die Güte haben.

Sollten Sie aber, was ich Jhnen keineswegs verdenken würde, Sich nicht inner- bald eines Monats nah dem Erfcheinen dieſes Heftes bei Herrn Schöningh melden, um den gewünjchten Beitrag für Ihre Sammlung unter den Ihnen gejtellten Bedingungen zu erwerben, und follte unter Erfüllung dieſer felben Bedingungen ein Anderer das Blatt für fih erwerben wollen, jo fteht ed dem Erſten, der fich dazu meldet, germ zur Berfügung.

Altjtrelig (Mellendg.), 30. April 1896. Daniel Sanders.

Alte für die Beitfhrift feld beſtftimmten Zuſendungen wolſle man un- mittelbar an deu Herausgeber nad Altfirelig in Mehlenburg, dagegen die für den Amfdilag oder als Brilagen befimmien Anzeigen au den Ber- leger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nächſte Heft müſſen jedes Mal Bis fpäteftens zum 1. des Monats in den Händen des Serausgeders fein; aud bittet er, in Bezug auf den Amfang, die Baumverhältniffe der Zeitfhrift im Auge zu Halten.

Aus dunkler Zeit.

Roman von Adolf Stredfuf.

Um die Beiprehung des in der Üüberſchrift genannten, in dem „Berliner Tageblatt“ veröffentlichten Romans bin id vielfah aus dem Kreife meiner Lejer erjuht worden. Einer darunter, Herr Dr. Paul NR... in Stettin, ſchreibt:

Ich weiß aus Ihren bisherigen derartigen Bücherbeſprechungen und kann e8 nad der Eigenart Ihrer Zeitihrift nur durhaus billigen —, dajs Sie dabei wenn au nit ausſchließlich doch hauptſächlich nur das Spradlihe ins Auge faffen, die Würdigung des Kunftwerfs den zahl- reihen dafür beftimmten Fachzeitſchriften überlaſſend. Was nun den ſach— lichen Inhalt und die fünftleriihe Behandlung des Romans betrifft, jo habe ih die Anfiht und das Gefühl, daſs die Vorausjegungen, auf denen als Grundlage die Geſchichte beruht und aufgebaut ift, nicht ſehr wahr: icheinlih find; aber, jobald man dem PVerfaffer zugiebt, dafs diefe Vor— ausjegungen, wenn auch nicht eben jehr wahrjheinlih und glaubhaft, doch auch nicht gradezu unmöglih find, jo wird man ihm, glaub’ ih, nicht beftreiten fönnen, dafs er auf diefer Grundlage mit großem Geſchick einen von Anfang bis zu Ende höchſt jpannenden Roman aufgebaut hat, welder ragen berührt, die grade in der heutigen Zeit von den verſchiedenen Parteien je nah deren Standpunfte meift einfeitig erörtert und verfochten werden, und daſs der Bf., wenn er auch jeinen Standpunkt durchaus nicht verleugnet, doch auch den entgegengejegten freilih nicht als beredtigt, jondern meift als auf jelbftfjüchtigen Beweggründen beruhend doch als auf geſchichtlicher Entwidlung früherer Zeiten beruhend, zu erflären und jo einigermaßen zu entſchuldigen ſucht.

‚Aus Gemeinem ift der Menſch gemaht | und die Gewohnheit nennt er feine Amme. | Weh Dem, der an den würdig alten Hausrath | ihm rührt, das theure Erbſtück feiner Ahnen! | Das Jahr übt eine heiligende Kraft; | was grau vor Alter ift, Das ift ihm göttlid. | Sei im Befige und du wohnft im Net,‘ ſ. Schiller's „Wallenftein’s Tod“ I, 4.

Nahdem ih aus dem Briefe des Herrn Dr. Paul RM... das Bor- ftehende eingerüdt, glaube ih um jo eher mit Nüdjiht auf den Umfang mid auf das Sprachliche beſchränken zu dürfen, wozu ich voraufſchicken

Zeitſchrift f. deutiche Sprache. X. Jahrg. 10

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will, daſs der Bf. mir nur zu jehr wenigen Bemerkungen, faum zu einem wirflihen Tadel Anlafs giebt. Da jeder Abſchnitt des Feuilletons gleich— mäßig vier Spalten umfafft, fo habe ih für Die, welche vielleicht einzelne Stellen im Zuſammenhange nachſchlagen wollen, zur leihtern Auffindung in edigen Klammern den in fleinerer Schrift gefegten Nummern der Sort: jegungen die Buchſtaben a, b, c, d zur Bezeihnung der 4 Spalten hin- zugefügt:

1. [2p) „So fraftlos, daſs ſelbſt der Laie die entjeglihe Krankheit erkennen mujste, die in England zahllofe Opfer erfordert.“

In meinem Wörterb. I ©. 478b habe ih unter erfordern als veraltet und mundartli aufgeführt: a) Etwas erfordern: e8 (zurüd)fordern. Luk. 19, 23. b) Einen erfordern: fordern, auffordern, zu fi berufen, mit einigen Belegen (j. Ergänz.-Wörterb. S. 209b/c und im Grimm'ſchen Wörterb. III Sp. 802 und 804 unter erfodern, erfodern, erfordern). Weiter aber heißt e8 in meinem Wörterb. dem heutigen &ebraud gemäß: Eine Sade erfordert Etwas: nimmt nad ihrer Beſchaffenheit es für ſich in Anjprud, macht es nothwendig: Die Arbeit erfordert Fleiß, Aufmert: famfeit, Übung, viel Zeit x. S. Erforderlich, «nis.

Danach hätte aljo dem heutigen allgemeinen Sprachgebrauch gemäß der Df. ftatt des Schlujswortes das einfahe Grundwort fordert fegen müffen. Es wäre erwünjdt, wenn aus dem Kreife der Lejer Nachweiſe gegeben würden, wo etwa in Deutihland nod heute ein derartiges er- fordern ftatt fordern üblich ift.

2. [20] „Zu diefem Zwede ſchickte fie mir eine nicht zu bemängel[n]be, mit allen juriftiihen Klaufeln verjehene Vollmacht.“

Hier ift das von mir in edigen Klammern hinzugefügte n wohl nur durch einen Drudfehler weggeblieben.

3. (9b) „Das war das Gejceidtefte, was du thun konnteſt, fiel Herr Kunzen, Leo billigend zunidend, ein.“ —, beffer: indem er ihm bilfigend zunidte, j. Hauptihwier. S. Ib Nr. 8.

4. {11a] „Ein ſtändiſch gegliederter Feudalftaat war das \yugend- ideal des Königs geweien, der aus der Revolution bervorgegangene Schein- fonftitutionalismus war ihm in der Seele verhafft, er duldete ihn eben nur und hätte er ſich nicht an feinen Eid gebunden erachtet, Hätte er nicht zugleich den Wiederausbrud einer Revolution gefürdtet, dann würde er längft die Häglihe Scheinverfaffung umgeftoßen haben, um nit zum rohen Abfolutismus zurüdzutehren, jondern um, geftügt auf den Feudal— adel, dem Lande eine glänzende ftändifhe Berfaffung zu geben,“ in rihtiger Stellung: nit, um ... jondern, um ꝛc.

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5. [15e] „Er konnte fi eines unbehaglihen Gefühls des Mifstrauens gegen Klenze als ſelbſt gegen deſſen reizende Fran nicht erwehren,“ wo jtatt des hervorgehobenen als richtig wie ftehen müſste, vgl. auch: ſowohl gegen Klenze als (oder wie) gegen zc.

6. 26e) „Das Blut drängte ihm zum Herzen,“ wofür es aud beißen könnte: drang, j. über das Verhältnis von dem intranfitiven drängen und von dringen mein Wörterb. I S. 312b in Nr. 3.

7. (83 a] „Iſt es denn fo eilig?" „Na, ob? Die Frau [Hebamme] ift ooch da, fie hat gejagt, ih foll man fchnell zum Doktor Werner loofen, es wäre die höchſte Eiſenbahn“ in Berliner Mundart für aud, nur, laufen und (volfsthümlih, natürlich erft in der Zeit der Eijenbahnen entjtanden) für: die höchſte Zeit, höchſt eilig (preffant), die dringendfte Eile erfordern.

8. (374) „Sie find verhaftet, Herr v. Wedeln! Von diefem Augen- blid an Haben Sie Sich als Gefangener zu betrachten,“ wofür es aud heißen könnte: als Gefangenen, j. Hauptihwier. ©. 236a; 72b und vgl. [65 ej: „Graf Leo, der vielbeneidete, der glänzende Kavallerie: officier, der legte Stammhalter des erlaudten gräflih Walloden'ſchen Ge— ihlehts, der Erbe des großen Majorats, war der unglüdlihite Menſch auf Gottes weiter Welt, wenigjtens fühlte er ſich jelbit als jolder“ [vgl.: als jolden).

9. 1500) „Eine nicht unbeträtlihe Zahl anderer weniger be fannter Revolutionäre,“ wofür es richtiger und feiner Mifsdeutung ausgefegt heißen müfste: anderer weniger [oder minder] befaunten, ſ. Hauptigwier. ©. 40b Nr. 2 und ©. 333b/4a Nr. 3.

10. (sıa) „No einmal, zum dritten Mal las der General den Brief, der ihn jo tief erregte, jedes Wort prüfte er; mehr und mehr bes ihäftigte fih in ihm die Überzeugung, daſs die von Wernifjen gegen Leo erhobene Beihuldigung auf einen durd den Haſs gegen Streber er- zeugten Irrthum beruhen müſste,“ durch zwei Drudfehler entjtellt: lies: befeftigte und: auf einem.

11. 1655] „Er jeßte mir mit dieien Worten das Piftol auf die Bruft, ih mufste ihm antworten“ ftatt des heute üblicheren die Pijtole, j. mein Wörterb. 1 S. 553c und Fremdwörterb. Il ©. 275.

12. [660] „Mit vor Zorn bebender Stimme herrſchte er ihn an,“ beffer, mit Vermeidung des Zufammenftoßes der beiden Präpofitionen (1. Hauptihwier. ©. 232b/3a) etwa: „Indem feine Stimme vor Zorn bebte“ oder: „In heftigem Zorn, der jeine Stimme erbeben ließ“ oder in ähnlicher Weiſe.

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13. 1674] „Ich bin Ahnen Aufflärung darüber ſchuldig, weſshalb ich jegt von Ihnen fordern mufs, dajs Sie ſelbſt die Erklärung abgeben, Sie treten von Ihrem Gelöbnis zurüd ... . Dann muſs ich den Beweis führen, dafs ih zum Beſten meiner Schwefter voll beredhtigt bin, das Berlöbnis zu löſen ... Ich fordere von Ihnen, daſs Sie die Ver— lobung auflöfen, ohne daſs auf mich oder meine Schweiter der geringite Makel, der Heinfte Vorwurf fallen darf,“ f. über das Verhältnis der drei hervorgehobenen, hier gleihbedeutenden Wörter mein Wörterb. II ©. 149b und ce, namentlih verloben 2b. Der Bf. hat für den be- ftimmten Ausdrud Verlobung die umfaffenderen Ge- und VBerlöbnis gejegt der beliebten Abwechslung halber, ſ. in meinen Hauptihwier. S. 327 b „Wechſel der Ausdrüde“,

14. [70e) „Immer zwei Stufen auf einmal nehmend eilte der alte General die Treppen in die Höhe,“ vgl. mein Wörterb. II ©. 409b, wo unter dem „in feiner Anwendung fehr ausgedehnten Zeitwort" nehmen in der Nr. 5 „mit perfönlihem ꝛc. Subjett und jahlihem Objekt“ in a unter Anderem Beifpiele gegeben find, wie: „den Weg wohin nehmen; einen Anlauf (zu Etwas), einen boden Flug, Aufflug, Aufſchwung :c. nehmen,“ aber das bier von Stredfuß gebraudte jehr üblihe „mehrere Stufen einer Treppe ꝛc. auf einmal nehmen“ nit aufgeführt ift, das ich biermit nachtrage, vgl. auch (Ergänz.-Wörterb. ©. 272b: „Hinderniffe nehmen beim Wettrennen“) u. ä. m.

15. [74a/] „Er berief fih dabei auf feine ausführlihen Berichte, die er unmittelbar nah jeder Verſammlung und jeder Unterredung mit friſchem Gedächtnis eingejhrieben hatte,“ wofür eg wenn id nicht irre üblider etwa beißen würde: „wo er Alles noch ganz friich im Gedächtnis hatte“ zc.

16. [78a] „Jetzt gilt e8, das Errungene feitzuhalten, die neue deutſche Neihsverfaffung zu ſchirmen gegen alle ſchon jegt fi geltend madende Sonderbeftrebungen, fie freiheitlih weiter auszubauen und zu befeftigen, mofür es nah dem heute durchgedrungenen Sprachgebrauch (f. Haupt: ihwier. ©. 30a/b, Anm. zu Nr. 13) heißen müfste: „gegen alle ſchon jetzt fi geltend machenden Sonderbeftrebungen“. Bielleiht aber liegt bier au nur ein Drudfehler zu Grunde, da gleich auf der nächft folgenden Spalte (78), mit dem heutigen allgemeinen Gebrauch übereinftimmend, gejegt ift: „Gegen ihn wurden in der dunflen Zeit auch nad) feiner Frei— ſprechung alle nur denkbaren nicht: dentbare] Polizeifhitanen auf: geboten.“

17. (794) „Unfere junge, von dem Erfolg des Jahres 1870 beraufchte Generation glaubt gar nit, daſs Das, was die Zeitungen erzählten,

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jemals möglich geweſen jei, fie hält die mwahrbeitsgetreuen Berichte für tendenziös übertrieben; in wieder zwanzig Jahren wird man fie vielleicht ganz in das Bereich der Märden verweijen, wenn nicht etwa, im ewigen Wechſel der Geihichte, der jegigen lichten Glanzperiode abermals eine ähn- lihe dunkle Zeit folgt.“

Hier am Schluſſe glaube ih aus meinem Wörterd. II S. 704c das Folgende berjegen zu müffen:

Bereih: das Einem oder einer Sade zukommende Gebiet nad jeinem Umfange, fo weit e8 reiht, m. und n. Adelung und Campe haben dies jo gewöhnlihe Wort noh nidt, Grimm nur als m. Wir geben Belege: 1. mit nicht erkennbarem Geſchlecht [aus Chamiffo, Goethe, Platen, Tieck :c... 2. m. [aus Burmeifter, Chamiffo, Enfe, Goethe, Gotthelf (glei darauf aud als n.) Gutzkow, Fanny Lewald]. 3. n. [aus Auer: bad, Boas, Ed. Devrient, Gervinus, Goethe, Gotthelf, Gutzkow, Kladde- radatſch, Joſ. König, Kühne, Kurz, Joſ. Rank, Roquette, Arn. Auge, Tihudi, Volger, Waldau, Walesrode, wie bier bei Stredfuß]. Weitere Belege im Ergänz -Wörterb. ©. 4ldc.

Schweiter:Seele. Roman von Emft v. Wildendrud. Stuttgart 1894. (9. G. Cotta Nachf.)

Zu diefem 467 Seiten ftarten Roman babe ih mir für meine Zeitſchrift gleich beim Leſen viele Stellen amgezeichnet, zu denen ich die folgenden (meift kürzeren und bauptjählid da8 Sprachliche betreffenden) Anmerkungen den Lejern meiner Zeitfchrift durch mehrere Hefte zur Anregung und Beurtheilung vorzulegen für angemeſſen erachte:

Erftes Bud. (S. 1— 245.)

1. Mandmal ging fie allein, manchmal auch am Arme ihres Gatten, des alten Majors a. D. Bennede; und dann ſchritt hinter ihnen noch ein Drittes, die braune Hühnerhündin Diana, die uralte mit dem langen jeidenweihen Tell und dem janftmüthigen Augenaufſchlag. Außer der Diana hatten fie feine Kinder, hatten nie welde gehabt. „Dat eben nicht fein folfen,“ meinte Tante Löckchen. S. 2. Über das fählihe: ein Drittes für das MWeiblihe Wejen (die Hündin) vgl. Hauptſchwier. ©. 214b/e und f. unten Nr. 95.

Auf den gutmüthigen Spott, womit die Hündin gleihjam als das verhätichelte „Kind“ des von dem Schriftiteller mit Vorliebe im Ganzen als bejonders gut und liebenswürdig geſchilderten alten Ehepaars bezeichnet wird, braucht nicht wohl erft eigens aufmerkſam gemacht zu werden.

2, Darum konnte er „ein Haus“ machen. Und über dem Haufe ftand der Wahliprud: „Semper fidel!'* Immer luſtig. Darum, wenn

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zum Abende Einladungen nah dem Haufe jenfeit des Waſſers ergangen waren, gab's ein freudiges Rumoren unter dem jungen Geſchlecht: Heute Abend bei Tante Löckchen! Heute Abend wird ‚gefempert‘! ©. 2 (aud S. 156); vgl.: Es war gar feine „Semperei“, wie gewöhnlid. ©. 231.

Diefer Sat ift bier wegen des Zeitwortes jempern und der Fort: bildung ausgehoben, das als Beleg dafür dienen fann, mit welder Leichtigkeit im Deutjhen jeldft aus Fremdwörtern Fortbildungen möglid find, die in der Urſprache nit gewagt werben könnten, ſ. u. Nr. 4.

3. „Merkwürdig,“ pflegte Papa Nöhring in jpäteren Jahren zu jagen, wenn er jeinem Bufenfreunde, dem Major a. D. Bennede, den Vor- gang erzählte, . . . „merkwürdig, wie fih das Mädchen damals ſchon über den Bruder gefreut hat. War doch nod ein ganz Heines Ding dazumal, war aber jhon wie toll mit dem Jungen und bat ihn gehätſchelt und getätjhelt und für Nichts Augen unt Ohren gehabt als nur für den Percival umd ift fo geblieben bis auf den heutigen Tag. Merkwürdig!“

„Iſt aber auch danach, der Percy,“ pflegte er dann eben fo regelmäßig hinzuzuſetzen, . . . „ift ja auch wirflih ein ganz famoſer, allerliebjter unge, ein lieber Kerl.“ ©. 10.

Hauptſächlich babe ih dieſe längere Stelle hergeſetzt, weil fie als Grundlage und für die Entwidlung der meiften Hauptfiguren des Romans mit allen guten Eigenihaften und Schwächen des Romans, injonderheit der Hauptfigur, d. i. Percy’s Schweiter, Freda (der „Schweiter-Seele“ des Titels), jo bezeichnend ift (j. u. Mr. 30); nebenbei aber mögen bier auch folgende Bemerkungen ein Plägchen finden. In meinem Wörterb. III ©. 1333a babe ih unter toll 1by den nachſtehenden Beleg aufgeführt:

Petronius war toll mit Häufer aufzubauen. Joach.] Nadel 4, 85 mit dem Zufag: „— mit Häuferbauen, von Bauwuth bejeffen (bautoll)*; aber, wenn ih mich nicht täuſche, jo ift nach dem heutigen Spradgebraud aud die Verbindung: „wie toll fein mit Jemand oder mit Etwas“ nicht üblih, vgl. dagegen: „ih wie toll haben mit zc. oder freuen mit (über) ꝛc.,“ wo aber das „mit“ nit von „toll“, fondern von dem Zeitwort abhängt.

Über die formelhafte Verbindung dur den Gleihflang (au in der ungebundenen Rede), wie bier: „hätſcheln und tätſcheln“ j. in meinem Abrifs der... Versktunft (2. Aufl) ©. 60-70, bejonders ©. 69 $ 129, wo die Stelle aus Wildenbrud einzureihen wäre, ſ. u. Nr. 17; 48; 70; 79; 80; 82; 85; 93; 94; 96; 100; 106; 112; 115; 116,

4, „Auch nod was befommen, du Taugenichts, für all deine Lum— pacivagabunderei?“ [als liebfofende Scelte] ©. 13, ſ. o. Nr. 2.

*

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5. [Er] begann mit dröhnender Stimme und rollendem Zungen-R die „Kraniche des Ibykus“ zu deflamieren. &. 18, j. Ergänz.«MWörterb. ©. 40la unter „NR“ 1.

6. Herr Major Bennede, von der braumjeidenen alten Diana gefolgt. ©. 21, vgl.: dem die bra unſeidenhaarige Diana folgte xc., j. Hauptihwier. ©. 152b/3a.

7. Aus den Mantelfrägen, die hoch aufgeihlagen waren ıc. ©. 21, j. Wörter. J S. 1009.

8. Maſſenhafte Korrekturen überjäeten das Ganze. ©. 28, vgl. Wörterb. III ©. 834: „Überfäen: befäen (j. d. 1; 2) in dichter Menge überdeden, zumeift im Partic.“ ꝛc. und jo würde es jpradüblicder etwa heißen: „Maſſenhaft binzugejchriebene Verbeſſerungen bededten (oder überdedten) das Ganze“ oder jonft: „Das Ganze war von maffenhaft hinzugeſchriebenen Berbefferungen überjäet“ zc.

9. Ihre Seele erfüllend mit einem Meere von tiefem, jattem, goldenem Licht. ©. 38, gemäß der von mir in den Hauptſchwier. ©. 96 ff. unter dem Ziteltopf: „Deklination der Eigenfhaftswörter* in Nr. 10 auf: geftellten und begründeten Regeln für den heute überwiegenden Sprach— gebraud, (j. u. Ar. 29), vgl. 3. B. au bei Wildenbruch. Was die Welt ihr zu bieten hatte an geliebten Menjhen, an liebem, vertrautem Hausrath. ©. 109. Mit kurzem, hberausfordendem Blide ©. 128. Dais fie... fih in langem, träumendem Denfen verlor. ©. 194, In langem, ihwarzem Mantel. S. 223. Ein Kleid von weißem, türkiſchem Baummollenftoff. ©. 285. Boll dumpfem, todtem Schweigen. ©. 295. Mit fejtem, jiherem Schritt. S. 328 ꝛc.

10. Weil er ein Verlegenheitsthierden ift und vor Geſell— ihaften ... . eine Angſt bat wie vor'm euer. ©. 40/1, eine noch in meinem Ergänz.:Wörterb. unter den Zufammenjegungen von „Ihier“ nad: zutragende Bezeihnung für einen blöden, linkiſchen und vor Verlegenheit fih in Gejellihaften unbeholfen benehmenden Menſchen, vgl.: Es tft ja ein jo furdtbar verlegenes Thierchen, jobald mehr dabei find, verliert er die Kourage. ©. 106.

11. Er verfehrte nicht einmal mit feinen Kollegen, mit Niemandem. „Mit Niemandem?" ©. 44, ſ. Hauptſchwier. S. 190a: „Jemand: (vgl. Einer, ſ. Ein 10f. Das Bemerfte gilt eben jo für Niemand ſubſtantiviſch Feiner): 1. Abwandlung: Genitiv: -(e)s (abhängig von Hauptwörtern diefen gewöhnlih vorangeftellt); Dativ: unverändert, em sen, Accujativ: unverändert, »en,“ verfürzt aus meinem Wörterb. I ©. 838a mit binreihenden Belegen für die verjhiedenen Formen, wozu ih aus Wildenbruch's Roman, außer der obigen, noch folgende Stellen

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fügen will: Sie fonnte mit Niemandem mehr fpreden. ©. 186. Das Bedürfnis . . ., jeine Freude an Jemandem auszulaffen. ©. 195. Dann machte fie fih, um Niemanden anjehen zu müffen, an den Blumen zu ihaffen. ©. 219. Daſs du nur immer Jemand an deiner Seite haben möchteft, der dich verfteht. S. 223. Der Augenblid gehört Jedem, aber die Zukunft Niemandem. ©. 230. Wenn er fih mit vollem Bruftton über Etwas oder über irgend Jemanden begeiftern fonnte. ©. 231. Ohne noh Yemanden anzufehen, ... . ftürzte er zur Thür. ©. 238. Bon Niemandem gefehen in der todtenftillen Naht. ©. 244. Wenn fie heute Jemandem die Hand reihte. ©. 353. Yemandem, den man Tiebt, thut man wohl Etwas zu Liebe. ©. 394.

12. „m fünffüßigen Jamben.“ Ein wieherndes Gelächter brach aus. „In fünfbeinigen Jamben.“ ©. 43, womit der Witling ferneres höhniſches Gelächter erregen will, wie man denn (j. Wörterb. I ©. 323b, unter „Fuß“ Nr. 6) in der Berstunft wohl von Füßen eines Verſes, von Bert, Silben, Wortfüßen, aber niht von Beinen eines Verſes ꝛc. fpricht, vgl. kurz vorher: Er [dev nah wieherndem Ge— lächter haſchende Witzbold) mwujste, daſs er noh mehr Bonbons [hier übertragen Süßigkeiten, Yedereien, Näfchereien ꝛc. für die ladluftigen Hörer] in der Taſche hatte.

13. Im Geheimen verbrad er doch auch Gedichte. ©. 44, vgl. Ergänz.-Wörterb. ©. 101b, wo es unter verbreden in Nr. 5 beißt: „In neuerer Zeit auch im ſcherzhafter Färbung mit beftimmtem Objekt, namentlih von litterarifchen zc. Sünden, 3. B. als Ausdrud des Tadels oder der Beiheidenheit von Seiten des Berfaffers: ein Gedicht ... xc. verbreen [vgl.: auf dem Gewiffen, zu verantworten haben]“ mit vielen (leicht zu mehrenden) Belegen.

14. Während er [der Dichterling] drüben in der Gejellihaft glängte, deflamierte, den Mädchen den Kopf verdrehte und fih als „Dichter von Gottes Gnaden“ feierte, jaß Das [der wirklich gottbegnadete Dichter] hier einſam und ftill und ſchrieb Dramen in fünffüßigen Jamben. ©. 48, vgl. Hauptihwier. ©. 215a (unter dem Titelkopf: Neutrum), woraus ih hier folgende zwei Belege herjege: Ich bin bei Kindern, Das fchreit und weint und lacht! Gußfow. Aber Unjer Eins! [j. o.] Ich bin fo ein Ding, was man Hageftolz nennt. Das hat feine Frau! Leſſing und ferner bei Wildendruh ©. 268: „Das hat ein Talent zum Berliebtjein, dieje deutjhen Jungfrauen.“

15. Die Naſenlöcher beinahe hätte man fie Nüftern [i. Wörterb. II S. 4558] nennen fünnen, blähten fih auf. „Was drängft du dih an mih? Was ſuchſt du? Was willft du?“ fragte der Blid.

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©. 49, mit Perjonifitation des „Blicks“ in gehobener Sprade und ein- dringlier al3 mehr im Ton der gewöhnlichen Rede etwa: Das lag (als Frage) in dem Blid.

16. Wie er da vor ihm ftand, der Heine vierſchrötige Kerl auf feinen furzen, feft in den Boden gepflanzten Beinen! Wie ein norriger Baum- ftamm, der zum Winde jagt: Pufte du nur! woll’n jehen, ob du mid umpuften kannft. ©. 55, ſ. Wörterb. II ©. 607c/8a.

17. Bercival Inurrte und murrte etwas Unverftändlihes. ©. 55, ſ. 0. Nr. 3 (Schlufs) und BVersfunft S. 70a $ 126 3. 16.

18. Die Handſchrift machte ihm zu jchaffen; fie war edig, frafelig und nervös. ©. 58, vgl. Wörterb. 1 S. 1010c, wo es in der Anmerkung zu Krafel am Schlujs heißt: „Kri(chkelkra(chkel (m): in manden Kartenfpielen, namentlih im Grobhäujern, eine Reihe von 4 auf einander folgenden Karten in 4 verſchiedenen Farben, wohl zunädhft das „Hin und Her“ bezeichnend, vgl. Krakel-, ſchleſiſch Gragelwerk, wie mundartlid auch: Schlehtgeihriebenes, vgl. Kridelei, Krähenfüße und frafeln, fafeln, verädtlihe Bezeihnung eines Gemäldes. Kürnderger Amerikan. 219 ꝛc, ſ. auch Kritikakel.

19. „Ich werd's Ihnen vorleſen, aber ganz ohne rhetoriſchen Schwung ... Dann mit eintöniger, beinahe verlegener Stimme begann er das Gediht herunterzuleſen.“ „Herunterzulejen,“ es gab feinen andern Ausdrud dafür sc. ©. 58, ſ. Wörter. I ©. 115a umd vgl. bei Wildenbruch S. 80: Einen Dienft konnte er dem Berfaffer des Gedichts immerhin erweiſen und den wollte er ihm thun, er würde es prachtvoll ſprechen, ein bischen anders, al3 der gute Schottenbauer es ihm neulich beruntergeleiert hatte.

20. Dann . . . hatte fie jih in Empörung, Stolz und Wuth auf- gefträubt. ©. 63, ſ. Wörterb. III ©. 1233a.

21. Solch ein Eleiner, bäfsliher, unbedeutender Kerl... Sold ein Wurzelmann follte es fein, der... ihren jchönen, ftrahlenden Percy unterfriegte? ©. 64, vgl. Wörterb. II S. 234a, wo id unter ben Bufammenjegungen von Mann für Wurzelmann in der Bedeutung 3 erklärt habe:

„3. Alraun (j. d. 1 und 2, vgl. Mandragora, Galgenmann :c.) Arnim 33. Der verfluchte Heine Wurzelmann 83 ꝛc. fo auch von Perfonen: Er blieb ein trodnes Wurzelmännden. Freytag. Dram. W. 9." —, vgl. ebd. ©. 220b:

„Burzelmann: Purzelmann, Steh- auf :c., f. Blei-, Hanjel-Mann und Wurzelburzius“

= 0:

unter welchen letztgenannten Worte (III S. 1085a) auf Purzel ver- wieſen ift, worunter ih (II ©. 607b) in Nr. la gejagt babe:

„ein abgeftumpftes, kurzes Ding, namentlih ein Heiner, raſchbeweg— liher und pojfierlicer, foboldartiger Kerl :c. (f. Bernd) 224; 210 und Puß I; Purzel wird, wie im Niederfähf. Purrel (ſ. Brem. Wörterb. 3, 379) Einer genannt, der kurz und did mit jeglihem Ende oben zu jein jcheint. Voß 2, 205 als Anmerfung zu: Den Ausbund drolliger Purzel. 70, vgl.: Ein Heiner Wurzelburzius..., ein Alraunden. Urnim 93; purzelid; Purzel-Alp und b“ —, ſ. überhaupt das darauf Folgende. Über unterfriegen j. Wörterb. I ©. 1032c.

22, Wie ein Käfer, der feine kurzen Beine ftrampelnd dur einander wirft. ©. 64, j. Wörterb,. III S. 1231b.

23. Es war ein geradezu Frampfhaftes Beftreben in ihr, fih vor- zumachen, dajs das Gedicht, das Percival heute Abend ſprechen würde, von ihm jelber verfafit jei. ©. 67, ſ. Wörterb, II ©. 194c, wo aber nur Belege in Nr. 3 gegeben find für: „Einem Etwas vormachen,“ nicht aber mit rückbezüglichem Dativ: ſich. Und in der That heißt es wenn mein Spradgefühl mih nit trügt durdaus jprahüblid: ſich (nie: Einem) Etwas einreden, einbilden, aber gewöhnlid doch nur: Einem (nit: ſich) Etwas vormaden.

24. Das Blut in ihr jiedete und wallte, wie das brodelnde Waffer im SKeffel, unter dem eine Flamme brennt. ©. 70. Vgl. über die Ab- wandlung von jieden Wörterd. III ©. 1096 c/3a Nr. 2 und Anm. und vgl. 1 ©. 966a unter kochen 1b. In der übertragenen Bedeutung ift das ftarkformige Imperfektum heute faft ganz veraltet, obgleih 3. B. noch Nüdert in jeinem Gediht Roſtem und Suhrab ©. 82a gejhrieben: „Der Kampfluft Heißes Blut in jeinen Adern ſott,“ was ih a. a. O. als „ſelten“ bezeichnet habe.

25. Als thäte fih der Rachen des Ungeheuers gierig begehrlid auf. ©. 71, f. die beiden hervorgehobenen Wörter in meinem Wörterb. I S. 565b und 583a, je in Nr. 1. Die Zujammenftellung beider habe ih als erwähnenswerth für mein Ergänz.-Wörterb. angezeichnet.

26. Alfo wollen wir ihm allein die Beihte abhören. ©. 106, ſ. Hauptihwier. S. 10b/la unter abhören 3.

27. Wie der ftille Hausgeift dazufigen und Wade zu halten über dem Haufe und den geliebten Beiden, die es umſchloſs. ©. 108, |. Hauptihwier. S. 207b (Über Nr. 9a).

28, Alle Abende ging PBercival nit in Gejellihaft ꝛc. S. 109, f. Heft II ©. 78/9.

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29, Ein Bulfan, aus dem ftatt der Lava Gold entitrömte, Gold in ſchwerer, heißer, Alles umftridender, Alles betäubender Welle. ©. 122, wo die vier Dative der weiblihen Beiwörter gleihmäßig jämmt- ih jtarfe Abwandlung haben, was auch für männliche und ſächliche Bei- wörter wohl ausihlag: und maßgebend fein mujs (ſ. o. Nr. 9).

30. „Sehr intereffant“ von allen Worten, die dem Menſchen zu Gebote ftehen, um den Eindrud einer Dichtung wiederzugeben, das ödeſte und ſchnödeſte ©. 127, ſ. c. Nr. 3 (Schluſs) und Verskunſt $ 123.

31. „Was mir an unjrer Zeit jo mijsfällt, was mir gradezu gräulic ift, Das ift, daſs es no nie eine Zeit gegeben hat, wo der Individualität des Dichters jo alle Berehtigung abgefproden worden ift, wie heut zu Tage. Die Poeſie, um mih fo auszudrüden, ift doch wie ein Garten und in einem Garten blüht Alles durch einander und Das gerade giebt ihm doc feinen Reiz. Wenn nun ein Menſch käme, der nur eine bejtimmte Sorte Blumen mag und darum alles Andere, was die Blumenart nicht it, ausriffe und zertrampelte na, jehen Sie, man würde jolden Hotten- totten doh am Kragen nehmen und binausjagen auf Nimmerwiederfehn. In der Litteratur aber, da ift es erlaubt. Da fommen dieje Kerle mit ihren verfluchten jogenannten ‚Ridtungen‘ und die nehmen fie wie eine Keule in die Hand und damit wird Alles, was nicht in die Richtung paflt, furz und flein geichlagen! Iſt Das erlaubt? frag’ ih... .“

Zu dieſem längern Nedeerguis des alten „Papa Nöhring” (j. vo. Nr. 3) halte man, was der PVerfaffer des Romans ziemlih im Anfang (S. 3) gelagt:

„Der alte Herr Nöhring war... . in jeiner Jugend auch poetiſch angehaucht gewejen. Wahrſcheinlich hatte Percival der Sohn] die dichterifche Ader von ihm geerbt. Sehr ſtark war fie bei dem alten Herrn Nöhring nicht gerade gewejen, nur eine dünne Silberhaut, unter der das eigentliche Metall jeiner Natur, mochte es nun Kupfer oder Eifen fein, bald wieder zum Vorſchein fam. Darum hatte es ihn feine allzuichweren Kämpfe gefojtet, über die Leichen jeiner Jugenddichtungen hinwegzuſchreiten und die Landſtraße des Lebens zu gewinnen, die ihn zu Amt und Rang und ver— nünftigem Austommen führte Aber die Sehnjuht war ihm geblieben, nicht eben leidenihaftlih, aber nabhaltig, gewiffermaßen hroniih, und das Bedürfnis, fih in jeinem Berufsleben ein Gudloh offen zu halten, aus dem er in das Land der Träume binausihanen fünnte ꝛc.“

Alſo, um es kurz mit einem Goethe'ſchen Ausdrud zu bezeichnen, Papa Nöhring war ein „Dilettant mit Ehre“ (j. Goethe 40bänd. Ausg. Bd. 31, ©. 423).

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Wenn id dur diejen meinen Hinweis recht viele meiner Leſer ver- anlaffe, fi mit diefem fo weit meine Erfahrung reiht wenig ge- lejenen Auffage aus dem J. 1799: „Über den fogenannten Dilettantismus oder die praftiiche Liebhaberei in den Künſten“ (S. 422 —446) vertraut zu maden und dadurch fi reiche Belehrung und nachhaltigen Nugen zu verſchaffen, jo wird es mich freuen. ö

Hier begnüge ih mid, nur die furze Stelle aus ©. 433 herzuſetzen:

„Impudenz bes neuften Dilettantismus, durch Reminiscenzen aus einer reihen fultivierten Dichterſprache und die Leichtigkeit eines guten mechaniſchen Äußern gewedt und unterhalten,” wobei gewifs den meiften Lejern Schiller's bekanntes Zweizeil ins Ge— dächtnis fommt:

„Dilettant. Weil ein Vers dir gelingt in einer gebildeten Sprache, Die für dich dichtet und denkt, glaubft du ſchon Dichter zu fein?“

Wie Papa Nöhring erjheinen in dem Roman aud defjen Buſen— freund, der Major a. D. Bennede und defjen bejonders liebenswürdige und alibeliebte, in dem Belanntenfreis und darüber hinaus als „Tante Löckchen“ verehrte Gattin nicht als die Dichtkunſt ausübende, wohl aber als an den Werfen von Dihtern und Dilettanten fid mit Hingebung erfreuende Perfonen. Bon Nöhring’s Kindern aber ift der Sohn Percy (ſ. Nr. 3) der echte Dilettant, in welchem aber feine ihn vergötternde Schweiter einen gottbegnadeten Dichter erblidt, Bis fie einem ſolchen wirklich im Leben begegnet.

Daſs jie bei ihrer Empfänglichfeit für das wahrhaft Dichteriiche fi den Einwirkungen des gottbegnadeten Dichters nicht verihliegen und ent= ziehen fann, von dem fie fih fträubend und widerjtrebend eingejtehen muis, dafs er ihren in ihrer „Schwefterfeele" ſchwärmeriſch geliebten und ver- ehrten Bruder weit in den Schatten ftellt, in ihrer ftolzen, berben, keuſchen und fpröden Mäpddenhaftigfeit dem in feiner äußern Erjheinung hinter ihrem ftrahlenden und alle Herzen gewinnenden Bruder jo weit zurüd» ftehenden, aber ihn geiftig eben jo weit überragenden Dichter zunächſt ihren jungfräuliden Stolz und ihren Hajs entgegenftemmt, bildet den haupt- ſächlichen Inhalt des Romans.

Nah diefer boffentlih den Lejern nicht unmwilltommenen Mit: theilung über den Anhalt des Romans wende ih mich nun wieder der Eigenart meiner Zeitjichrift gemäß dem Spradliden zu.

32. Sein Gefiht war in Gluth getaucht, er lächelte wie ein ſchä— miges Kind. ©. 134, vgl. Wörterb. III ©. 889.

33. Nöhring, Vater und Sohn, redten die Köpfe auf. ©. 137,

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vgl.: Freda und Schottenbauer richteten gleichzeitig die Köpfe auf. ©. 387, j. Hauptihwier. ©. 130b, wo ih unter dem Titelfopf: Einzahl in Nr. 2 gejagt habe:

„Subftantiva zur Bezeihnung von etwas bei einem Wefen nur einmal Vorhandenem oder in Betracht Kommendem ftehen dem Geiſt der deutfhen Sprade gemäß, auch wenn von mehreren Wejen die Rede iſt, in der Megel nit (wie z. B. im Englifhen) im Plural, fondern im diftributiven Singular, 3. B.: Alle Berfammelten gelobten mit Herz, Mund und Hand, für ihr Baterland Alles, ihr Leben, ihr Gut und Blut zu opfern, wobei zu beachten, daſs bier auh Hand im biftri- butiven Singular fteht, weil jeder Gelobende zum Handihlag eben nur eine Hand, die rechte, reiht (ſ. u.) auh Gut (als folleftiv die einzelnen Güter jedes Gelobenden umfaffend) ꝛc.“

Das weiter Folgende muſs ih mit Rüdfiht auf den Raum a. a. D. nachzuleſen bitten, wo ih auch Beifpiele aus guten Schriftftellern gegeben, in denen der Plural ftatt des richtigern diftributiven Sing. fteht. Dazu wäre aud der Sak von Wildenbruch zu fügen, vgl.: Beide vedten den Kopf auf und ferner: Die drei Inſaſſen des Haufes gingen ſchweigend um einander herum, die beiden Männer mit etwas ſchweren Häuptern [ftatt: mit etwas ſchwerem Haupt], Freda mit offenen, iharfen, jpottluftigen Augen. S. 146. Alles war ja im ſchönſten Gleiſe. Das jah man Percival und Papa Nöhring an den Geſichtern [ftatt: am Geſicht] an. ©. 194; f. auf unten Nr. 94.

34. Freda blieb ftehen, wie fie geftanden hatte, bis dafs die Thür hinter ihm ins Schlois fiel. ©. 140, vgl. Zeitihr. VII S. 14—16, wo ih zahlreiche Belege aus Wildenbruch's Novellen für das Bindewort bis dass ftatt des heute gemöhnlihern einfachen bis gegeben habe, vgl. aud IX ©. 369 Nr. 2. Daran jhließen fih nod folgende Stellen aus dem Roman an: Alt und grau wollen wir doch wahrhaftig nicht werden, bis dajs wir beirathen. ©. 178. Stieg man... hinauf, bis dafs man auf der Höhe und bei der Ruine angelangt war. ©. 288. Bis dafs der Bater aufgeftanden. ©. 381. Er ruhte nit, bis dafs fie ſich die längften und ſchönſten Zaden abgebroden hatte. ©. 408. Einmal babe ih auch bei Wildenbruch das einfahe bis gefunden, ©. 227, wo es heißt: Der ſiand nun in einer Ede des Gemachs und rührte fih nicht, bis alle Andern abgefertigt waren.

35. Daſs ich neugierig bin, wer von euch Beiden den größeren Kater haben wird. ©. 40 Kagenjammer, j. Wörterb. J ©. 835a; 877 Nr. 4; Ergänz.-Wörterb. S. 287b; 295.

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36. Dais, wenn er jo viel Talent hätte... als er fi ein- bildet, Shatejpeare ein Waiſenknabe wäre ©. 141, |. Wörterb. ©. 312a.

37. Da fein anderer Pla mehr frei war, jegte fie fih unmittelbar vor der Thür |sc. hin, vgl.: vor die Thür, j. Hauptihwier. S. 197 b/8a], jo daſs fie ihm gerade gegenüber ſaß und ihr Gefiht vom Fichte der Rampe beleuchtet wurde, nieder. ©. 150, vgl. Hauptſchwier. S. 213b unter dem Titeltopf: „Nachklappende Sagtheile*, wo es in Nr. 2 heißt: „Tadel- baft ift es aber andrerſeits aub, die grammatiih richtig abgetrennte Borfilde nah einer längern Zwiſchenſchiebung faum nod erwartet nad): Happen zu laſſen“ zc., 3. B. in dem vorliegenden Fall befier: ... . jegte fie ih unmittelbar vor der Thür nieder, fo dajs...

38. „Brauden Sie wirtlid nod die Anerkennung der Einzelnen, nahdem Alle Ahnen gehuldigt haben?“ . . Natürlid wußſste fie recht gut, dafs es gerade die Anerkennung „der Einzelnen“ war, auf die es ihm anfam. ©. 153/4. Aus dem Zuſammenhang weiß der Yejer, dais bier: „der Einzelnen“ als Genitiv der weibliden Einzahl (die Einzelne) aufzufaffen ift, während es der Form nah auch als Genitiv von der Mehr: zahl (die Einzelnen) aufgefafit werden könnte. Wo Dies nit jo Har hervortritt, wäre ein jolder Genitiv als zweideutig zu vermeiden (vgl. Hauptihwier. ©. 353a Nr. 2b) und als unzweideutig zu jeßen: die Anerkennung der Einzigen, wo der Begriff „einzig“ die Auffaffung als Mehrzahl ausichlieft.

39. Papa Nöhring . . . pries ... das Schidjal jeines Hauſes, dem dur die Belanntihaft mit dem genialen jungen Dann ein jo föjt- lihes Stüd Menſchenthum |j. d. Nr. 1 im Ergänz.-Wörterb. ©. 354 a] angewachſen [j. anwadhfen 4 Wörterb. III ©. 1444c) war. ©. 155.

40. „Junge ih falle um und bin bin“ [vor Entzüden ꝛc. ©. 158, j. hin Nr. 4 Wörterb. I ©. 762a.

41. „Seh ſchäme dich, du bift ſchlecht oder gar, du bift ver- rückt!“ Vielleiht war fie ja wirklich verrüdt; wenn Jemand mit jeinen Empfindungen jo ganz aus der Weihe der Andern hHeraustritt, ihnen jo ganz entrüdt fteht, nun, jo ift folde „Entrüdtheit” in den Augen der vernünftigen Menichen eben „Verrüdtheit. ©. 166 bier hervor— gehoben als ein für meine Wörterbücher unter ent, verrüden, Ent:, Verrüdtheit Hinzuzufügender Beleg, j. Wörterb. II ©. 798a/b und c; 7998; Ergänz.-Wörterb. ©. 429 cc!

42, Wenn er am Schluffe des Halbjahrs eine gute Genjur nad Haufe bradte, dieſer Jubel, diejer jhmetternde, durchs ganze Haus! ©. 167, j. Hauptihmwier. ©. 276b/7a über die Nachſtellung der attributiven Adjektiva bei Dihtern und in der gehobenen Profa, vgl. ohne

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folge nahdrüdlihe Hervorhebung 3. B.: diefer durchs ganze Haus ſchmet— ternde Jubel.

43. Percival jah fie jhon dahin gleiten, natürlih dem Unglüd au, das ꝛc. ©. 171, wo dem Sinne nad das an der Spike dee Sakes jtehende Bercival Objelt und das auf das Zeitwort folgende jie Sub- jeft fein joll (ſ. über jolde zu Mifsverftändniffen irre leitende „Snverfion‘“ Hauptihmwier. ©. 352b). Zur Bejeitigung jeder möglihen falihen Auf: faffung hätte der Schriftfteller etwa jegen können: Ihren Bercival zc. (al auch durh die Form deutlih erfennbaren Accuſativ, j. u. Nr. 47).

44. Papa Nöhring Hopfte ihm verftändnispoll auf den Rücken. S. 177. Dazu hatte er ihn auf die Schulter geflopft. ©. 178. Bercival flopfte den Vater auf die Hand. ©. 179. Yeife Elopfte er fie in den Rüden. ©. 423, vgl. (im Dativ): Er flopfte dem beiorgten Mann lachend auf die Schulter. ©. 440, j. Wörterb. I ©. 942a unter flopfen le, Hauptihmwier. S. 91a und ausführlider in Herrig's Archiv XV, 60 und j. hier bei Wildenbruh 3. B. auch ©. 30: „Indem fie ihn dreimal nad einander auf die Schulter ſchlug“ zc., aber doh auch: Indem er ihm auf die Schulter jhlug. S. 377.

45, Wallnows und Nöhrings, Nöhrings und Wallnows, Das war von jegt an alles Eins, ein Haus, eine Wirthſchaft, ein Kuddelmuddel- ©. 180, ſ. Ergänz.-Wörterb. S. 324a, 358a (unter Moder ıc.).

46. Es war Freda immer unangenehm gemweien, wenn Brautleute jih vor den Augen Anderer herzten und füjsten, jegt wurde es ihr geradezu widerwärtig, unerträglid. Sie ging hinaus, jie fonnte es nit mit an— jehen, wie die Beiden „fih abledten“ verächtlich einander abfüffen :c.)- Sie ging in den Garten, in die freie Yuft; es war, als wenn der „Arme: Leut“-Geruch wie er in dem niedrigen nicht gelüfteten, dumpfen Woh— nungen armer Leute zu berrichen pflegt], den fie vorhin verjpürt hatte, fie überall verfolgte. S. 180/1.

47, Das Haus dröhnte fürmlih wieder. S. 181 „dröhnend wiederhallen“ (j. d.) Ergänz.-Wörterb. ©. 163.

48. Ein Vortheil war es, dajs fie [Manettchen] gar feine Antwort verlangte; jo brauchte Freda Nichts zu jagen. Nachdem fie dieje aus den Armen gelaffen, wandte fie fi wieder zu dem Bräutigam zurüd ꝛc. ©. 181. Hier ift (vgl. Nr. 43) ohne Inverſion fie Subjelt, dieje Objekt und in diefer natürlihen Stellung feine Verwechslung zu befürdten; aber troßdem wäre doc meiner Anfiht nah eine andere Wendung vorzuziehen, 3. B. etwa: Nach beendeter Umarmung ꝛc.

49. So ein huſchliches, muſchliches Neft. S. 182, vgl. Ergänz.- Wörterb. ©. 282a, woraus ich Folgendes berjege:

136

„Huſchelig a: . . . 3. Ein Heim. . ., fauber, huſchlich. R. Wald- müller. Ein Orden 6 [traulih eng?, ſ. das Folg.]) Huſcheln ſ. au (Frommann) Mundart. 3, 132; 6, 132; 154 und: Das junge Bolt huſchelt fich jrüdte leife zc.] näher zufammen. Bazar 17, 264c, vgl. bübern ſ. u.) huſchern. Hufen . . .: Man huſcht eben zujammen wie die Vögel im Neft. Auerbah N. Dorfgeih. 3, 11; Freytag Bild. 2, 1, 329, aud: fih zufammenhufdern, ſ. hubern,“ j. ©. 279b:

„Hubern tr.: Die Bruthenne . . ., damit fie die ungen unter ihren Flügeln hubern (erwärmen) fan. Winkel Handb. für Jäger, 1, 363, pgl.: Die jungen Scharrvögel ... . werden von ihr [der Alten] gehudert. Ausland 52, 752a; v. Tramm 1, 309; au huddern. Mundart. 6, 213; Bilmar 180; huckern 178, vol. auch: Sih (zufammen)hüfeln hockend, fauernd] zufammen frümmen. Schmeller Bair. Wörterb. 2, 160 ſich büfern (3. B. vor Froft, von Falken) Becher Jäg. 1778 ©. 926. Hüfern fie fih an einander, Männlein und Weiblein. Gartenlaube 27, 184b ꝛc. Die jungen Faſanen huſchern fih. Winfell 1, 365; ſ. zufammen dufchelljn:c.; butiden la.“

Für muſchlich in demjelben Sinne wie huſchlich (vgl. franz. coi, engl. snug) zur Bezeihnung eines Naumes, in dem man fi eng, traulich, heimelig an einander jhmiegt, wäre in meinem Wörterb. II ©. 351b ff.; Ergänz.-Wörterb. S. 362a die Stelle aus Wildenbruch nachzutragen. Für die Neimverbindung beider Wörter (wiederholt ©. 349: eine „huſch— liche, muſchliche“, allerliebfte Wohnung) f. o. Nr. 3 Schluſs.

50. „Kindchen, dur fiehit mir ein bischen blaſsſchnäbelig aus.“ ©. 185, eigentlib von Vögeln, aber au ſehr häufig, wie hier, übertragen auf Berfonen, deren Gefiht, Tippen zc. blaſs ausjehen. Wegen diejer Über- tragung bätte dieſe aud bei Grimm ac. unerwähnt gebliebene Zuſammen⸗ fegung unter den Zujammenfegungen von jhnäbelig in meinem Wörter: buch III ©. 983a wohl bejonders erwähnt werden follen, weishalb ich fie bier nachtrage.

51. „Der Alltag iſt die Wirklichkeit und die Wirklichkeit bat Recht“ ... Alfo gab es auch für fie von nun an Nichts weiter als den Alltag und den Kleinkram des Lebens! ©. 186. Ich habe ſchon vor 43 Yahren im 2. Heft meiner Kritik des Grimm'ſchen Wörterbudes (Hamb. 1853) ©. 71 auf die wunderlihe Behauptung Jakob Grimm’s (Bd. 1 Sp. 239) hingewieſen

ALLTAGS, adv. quotidie, wie tags könnte auch alltags gesagt werden, doch ist es nicht üblich, noch weniger ein subst. alltag und fie durch Belege widerlegt, denen ih in meinem Wörterb. III ©. 1279a (und gelegentlih aud hier und da einige in der Zeitichr.) hinzugefügt.

137

Daran jhließt fih der obige von Wildenbruch, vgl. auch ©. 392: Schotten: bauer wurde fih bewuſſt, wie der Alltag des menſchlichen Lebens mit den größten Ereignifjen fertig wird.

52. „Sie wilfen ja... ., was für länglich-fäuerliche, gurkenähnliche Gefihter die Herren vom Geriht bei uns zu Haufe zu machen pflegen, wenn das Geipräh auf den jhiefgegangenen Meferendar kommt, ber ftatt ordentliher Referate Trauerſpiele ſchreibt ꝛc.“ ©. 190, j. mein Wörterb. III ©. 918a unter ſchief Nr. 4.

53. Deſſen Stüf ... . hat einen Bombenerfolg errungen. ©. 198, in der Schaujpieleriprade, äbnlih: ein Bombenhaus (in einem künftigen Hefte)

54. Im nächſten Augenblick hielt er den alten Mann in leiden— ſchaftlichen Armen umfangen. S. 203. Nicht die Arme, ſondern der ganze Menſch war leidenſchaftlich. Vgl. die in den Hauptſchwier. ©. 347 a unter dem Titelkopf: „Zuſammengeſetzte Hauptwörter“ in Nr. 1 beſprochenen Beiipiele. Meinem Gefühle und meiner Anjiht nah würde es bier in der Erzählung, im Ton der gewöhnlichen Rede einfaher und beſſer heißen: „. .. hielt er den alten Dann leidenshaftlid umarmt oder: in feinen Armen oder vielleiht auch (mas ih weniger qut heißen würde): in leidvenfchaftliher Umarmung umfangen.“ Bol. ud ©. 152 Nr. 2.

55. „DO du Himmelderrgott, dieſe Seligfeit!" ©. 203, welder Ausruf dem in meinem Wörterb. 1 S. 6lle unter „Herrgott“ Gejagten hätte hinzugefügt werden können.

56. Ihr Fettihwänze und Neidbämmel! ©. 207, ſ. Neid— hammel Wörterb. 1 ©. 677b unter Hammel 3 allgemein üblih als Schimpfwort für Perjonen (wie Dreck- :c, Geiz. ıc. Hammel) und vgl. ebd. Fetthammel, zunächſt eigentlih von einem zum Schlachten beftimmten, aber auch (bejonders in Meklenburg, ſ. Ergänz-Wörterb. ©. 252b) „übertragen auf wohlhäbige Nichtsthuer“ mit Belegen aus Reuter, vgl. hier bei Wildenbruh in ähnlicher Übertragung vom Thier auf Perſonen Fettſchwanz, ſ. Wörterb. III ©.1035b, vgl. unten Nr. 68.

57. Sie werden’s ja wohl gefühlt haben, wie mir das Herz von Liebe zu den Menihen überihwoll und überquoll. ©. 210, j. über die Meimverbindung oben Nr. 3 (Schluss).

58, Sie fühlte, wie Mutter Wallnow und Thereſe mit neugierigen Augen auf fie einblidten. ©. 219, vgl. Wörterb. I ©. 165 den Beleg aus Heinr. v. Kleift: auf Einen höhniſch einbliden, vgl. gewühnlicer: wie fie mit neugierigen Augen (oder Bliden) auf fie eindrangen ꝛc.

59. „Gaftein und wie die andern Altenmännerbäbder |i. einit- weilen geitihr. 10, ©. 247 Nr. 34] da oben in den Bergen beißen ꝛc.“

Zeltſchrift f. deutſche Spradie, X. Jahrg. 11

133

&. 224 Bäder für alte Männer, zu ihrer Kräftigung und Berjün- gung 2c., vgl. Wörterb. I S. 676, wo ein Beleg für das in andrer Auffaffung gebildete, aber einigermaßen finnverwandte SYüngelbad aus Luther (mit Hinweis auf Yungbrunnen, Zauberbad) fi findet.

60, Den Bogen geipannt und, ehe fie ſich's verſah, ſurr! hatte er abgejhoffen und fie hatte ihren Pfeil im Leibe. S. 226, vgl. Wörterb. III ©. 1273b/e (und Ergänz.:Wörterb. ©. 545c), woraus id bier nur berjege: „ſurren, intr. tr.: fhwirrend jummen (j. d. II 1a und furren, ſchnurren zc.)“ mit vielen Belegen, au für die Zufammen- fegungen und fih anichließend, das Gefurr (mit Zufammenjegungen). Die tonnahahmende Synterjeftion jurr! bei Wildenbruch wäre nachzutragen.

61. Dann find wir allefammt futſch, in alle vier Winde! ſ. Wörter- buh I ©. 525b; Ergänz.-Wörterb. S. 217a; Fremdw. I ©. 418b.

62. Daſs der Herr Bengel da wirflih zum Examen arbeitet und nit alle 3 Tage von Berlin zu ihnen berübergefligt fommt. 5.233, f. Wörterb. I ©. 466a; Ergänz.-Wörterb. ©. 207a/b.

63. So ging das Geſpräch herüber und hinüber, aber es Elappert ©. 234, vgl. Wörterb. 1 ©. 920b, wo es unter klappern la beißt: „oft mit Hervorhebung des hölzernen, klangloſen Tons“, mit Belegen (gegenübergeftellt dem Hingen).

64. Ihren Blid . . der jonft jo ruhig und bewufit auf fein Ziel losging und jegt, wie ein verflogener |j. Wörterb. I ©. 463b Nr. 2] Bogel im Zimmer umberflatterte [j. ebd. ©. 456b/c] ©. 235.

65. Sie war ftarf wieder, ſtark und feft. ©. 242, wo ridhtiger die Stellung lautete: Sie war wieder ftark ꝛc.

66. Nah den Ereigniffen von heute, würde er keins von beiden thun, weder herantommen noch jhreiben. ©. 243, rihtiger wohl: Nichts von Beidem.

67, Freda ftraffte fih auf. ©. 244, fih ftraff auf-, empor: richten (aus der jchlaffen Haltung, in der fie fi befand) zc., öfter bei Wildenbrud, ſ. Zeitihr. 9, S. 375 Nr. 34.

(Die Beiprehung des 2, Theil bleibt einem fpätern Hefte vorbehalten.)

Zu Johannes Mathejius. Bon Georg Loeſche, Doktor der Philoſophie und Theologie, k. k. o. d. Profeffor der Kirchengeſchichte in Wien. In meiner (furz gefaisten) „Geſchichte der deutihen Sprade und Litteratur bis zu Goethes Tod“ (3. Aufl. 1887) findet fih ©. 25a in 8 97,3 das Folgende:

139

Johannes Mathefius, geboren 1504 in Rochlotz, einer der liebens- würdigſten Schüler Luther’s, von 1541 ab Pfarrer in Joahimsthal, wo er 1565 ftarb. Wir nennen bejonders feine Sarepta oder Bergpoftill (Nürnberg 1562 u. 0.) und ferner jeine Hiftoria von des Ehren Mannes Gottes Dr. Martini Luthers Anfang, Lehr, Leben vnd Sterben ze. (Nürnberg u. a.) Von ihm find aud viele einfach liebliche Kirchenlieder (Schöne geiftlige Lieder, Nürnberg 1580) und ein Kleines Lehrgediht Deconomia oder Bericht, wie fih ein Haußvater halten ſoll. Nürnberg 1561.

Welche Schriften von Mathefius ih für mein Wörterbuch der deutſchen Sprade benußt habe, ift aus dem am Schluſs des 3. Bds. befindlichen „Duellenverzeihnis" S. 1822a zu erjehen. Dr. Loeſche hat aud in dem „Verzeihnis der Sigla“ in dem 1. Be. jeines „Johannes Mathefius“ ©. XV mein Wörterbud aufgeführt, und meine ſprachlichen Bemühungen um Mathefius haben ihn veranlafft, fih mit einigen Anfragen über einiges ihm Unflare an mich zu wenden, und ih habe mit großem Vergnügen, fo weit id es vermochte, ihm die gewünjchte Auskunft gegeben. Als Dant dafür jandte er mir feine in den Bücheranzeigen des 11. Heftes vom 9. Jahrg. meiner Zeitihr. auf ©. 439 mit genauer Titelangabe auf: geführten bis dahin erjchienenen Bücher über Mathefius. Ich benuke gern die Gelegenheit dieſe ungemein reihhaltigen und fleißigen Arbeiten, wie ſie es verdienen, allen Betheiligten aufs angelegentlidjte zu empfehlen.

Heute aber empfing ih das in den Bücheranzeigen mit dem aus- führliden Titel verzeihnete Bud des Herrn Dr. Loeſche umd gleichzeitig den nahfolgenden Brief.

Wien, 23. 5. 96. XIX, 4. Eobenzip. 42. Hochgeehrter Herr!

In dankbarer Erinnerung an Ihre freundliche Hilfe neulich erlaube ih mir, Ihnen den betr. Band Mathefius zu überreihen, in dem freilich einige der damals mitgetheilten Ausdrüde unerklärt bleiben muſsten.

Gleichzeitig nehme ih mir die Freiheit, für einen weiteren Band einige Anfragen an Sie zu richten, die ih mit meinen Hilfsmitteln nicht beantworten fann.

Ihrer gütigen Gewährung entgegenjehend,

Hochachtungsvoll ergebenft Dr. Loeſche.

Ih laſſe nun die Anfragen des Herrn Dr. Loeſche, in denen die ihm unflaren Ausdrüde durch Sperrdrud hervorgehoben find, in der Reihen— folge, wie er jie leider! zumeijt ohne genaue Angabe der Stelle, wo,

11*

1409

oder des Zufammenhanges, in weldem die Ausdrüde fi finden mit- getheilt, ber auch da, wo ich feine (oder mwenigftens feine vollftändig befriedigende) Erklärung zu geben im Stande bin, weil doch vielleiht aus dem Kreife meiner Leſer einer oder der andere eine Erklärung hier in der Zeitihrift mitzutbeilen fih angeregt fühlen dürfte, wodurd er, wie Herrn Dr. Loeſche, auh mid zu Dank verpflihten würde.

Gott jagte zu Adam und Eva im Parabdieje:

Ich untergebe euh den ganzen Erdenkreis; ihr follt alles zu eurem Beften brauden:

allein das einige löhlein oder heunlein das ih mit meinem wort abgezirfet habe, will ih mir zum Gottesdienft vorbehalten und aus— gezogen haben.

Bemerlung ded Herausgebers,

Gleich bier im Anfang fee ich Etwas ber, das ich doch für Nichts mehr als eine Vermuthung ausgeben möchte, mit dem auch für Manches im Folgenden zu bes berzigenden Sprude: Si quid novisti reetius istis | candidus imperti, si non, his utere mecum.

Ich möchte nämlid annehmen, daſs „beunlein“ vielleiht nur (einer mund- artlihen Ausſprache zufolge) als Berkleinerung von Hain (f. d. in meinem Wörter: buh1©.659b aud die Belege, ald gehegtes Gehölz zc.) anzufehen ift, und ähnlich möchte ih in 1öchlein eine Berlleinerung des im meinem Wörterb. II &. 149c unter I Loch in Nr. 1 mit der Erflärung = Buſchholz, Hain und dem Hinweis auf Lob I 1 erbliden, f. bier die Belege, worin id außer den Stellen von Juſt. Möfer namentlich auch nach Friſch (Teutſch-Lat. Wörterb. Berlin 1741, S. 620 b) die Stelle aus Matbefius in etwas anderer Form angeführt babe, wie ich fie auch bier wiederholen will:

Mathes. Sarept. Cone. 14: ®ott verbot dem Adam ein Löchlein oder Hain, davon er nit efien folt. Auch was Friſch weiter dort fagt, verdient volle Beachtung, 3. B. über Eigennamen wie Hobenlob und Hobenlod; doch mit Rüdfiht auf ven Raum lafje ih es an diefem Hinweiſe bier bewenden.

In Bezug auf die freilih von Herrn Dr. Loeſche nicht in Frage geftellte Ber: bindung am Schlufs möchte id wenn aud nur ganz kurz auf mein Wörterb. III S. 1750a/b unter ausziehn 3 hinmweifen, woraus ich wenigftens ben einen Beleg aus Luther berfeßen möchte: Dieweil er's ihm felbft [Ehriftus es ſich allein) „auszogen“ und vorbehalten ꝛc.

Rebekla, ein plüntjtiges (alfo wohlgenährtes) und trewſtlichs Jung— fräulein.

Bemerlung des Herausgebers.

Hier bat Herr Dr. Loeſche fein Wort befonderd hervorgehoben. Die Bedeutung von „plüntſtig“ mohlgenährt fcheint alſo ihm feinem Zweifel zu unterliegen; da die Stelle mir nicht im Zufammenhang vorliegt und ich das Wort in diejer Form geleien zu haben mic nicht entfinne, fo jcheint e8 mir fraglih, daf an einen Zuſammenhang mit Plunz zu denten fein dürfte, worüber e8 in meinem Wörterb. II ©. 5673 ganz furz beißt: Blutwurft Blumauer 2, 135, f. Schmeller, vgl. Plunzen [plumpe Kerle]

3 I. =

Fifhart Garg. 197b. Nah Schmeller aber (1, 336) haftet dem Hauptwort Plunt ıc. in der Übertragung xc. etwas Verächtliches an: „Er ift Tauter Blunt, homo mollis, ignavus. Promp. v. 1618, 2 (verächtlic) Weibäperfon; plunzet adj., ichlapp, ſchwer⸗ fällig,” wie es denn auch z. B. in Hügel’8 Bud: Der Wiener Dialelt (1873) ©. 423 beißt: „Blunz'n eine Blutwurft, auch Spottwort für eine dumme Berfon. (Redensart) Dei’ Weib ift a didi Blunz'n“ —, während nad Dr. Loeſche plüntftig in fobendem Sinne zu ftehen fcheint; bei „tremwftlich”“ wird man zunädft wohl an tröftlich denken (f. d. uw. Troſt in meinem Wörterb. III ©. 1388 und namentlich Friſch II ©. 385 a unter treift). Wie gefagt, ift mir die Stelle außer ihrem Zuſammen— bang nit Mar, und bier wird wohl Herr Dr. Loeſche mir eher Aufllärung zu geben im Stande fein als ich ihm.

Seltſam, aud bei Wander nit vorfommend, ift die Nedensart: Main und Mord anrichten.

Bemerfung des Herausgebers.

Hier wird es genügen, ganz kurz auf mein Ergänz.-Wörterb, S. 352 b hinzu— weifen, wo aufgeführt ift:

Mein n = Falld. Hand Sachs Göd. 1, 135 + f. Mein:Eid und meinen 6, wo es in Bezug auf Mein-Eid beißt: d. i. erfonnen, zu meinen wie lat. mentiri zu mens. Wadernagel Glofjar 477, vgl. vielfach die etymologiihen Wörterbücher, beionders aber Friih I 635c/6a: Main s. m. dolus hat vor Alterd allerhand Bos— beit, Sralichheit, Untreu u. dgl. . . . bedeutet, woraus ich nur noch herieke:

Matthesius Sarept. Conc. 18. Mahn und Mord anrichten (f. o.).

Faſanen und Karpelaunen = Kapaunen?

Merrettih in einer Fleiſchbrühe giebt ein gut Gommentel.

Bemerlung des Herausgebers.

Außer Stande, hierzu eine auch nur einigermaßen befriedigende Erflärung zu geben, will ih doc die Gelegenheit benugen, au® meinem Fremdwörterb. I S. 674b das Folgende berzufegen:

„Sommentar (lat.) m... . 3 B. Cäſar's Kommentarien über den gallifchen, über den Bürgerkrieg . . ., beute zumeift: ... . ortlaufender Kommentar zu einem Schriftfteller x. Einem über etwas NAuffallendes einen Kommentar geben ac., ſ. auch: Als Slofjen oder Comment über den Altoran .... Jm Comment Mahmet. Luther 8, 25a.“ Bielleiht leitet diefer Gebrauch Luthers Herrn Dr. Loeſche oder einen der Leſer meiner Leitichrift auf eine richtige Spur zur Erklärung der fragliher Stelle aus Matheſius.

Mandelkern und überzogenen Kümmel.

Bemerkung des Herausgebers. Ich wage laum auf mein Wörterb. III S. 1755 bje hinzuweiſen, wo es unter

„Überziehen“ in Mr. 3 beißt: das Objelt mit Etwas überzieben . . . Mandeln, Fenchel törner mit Buder überziehen, vgl. eb. I S. 2ile unter „brennen“ in Wr. 6i: „Mandeln brennen, fie mit gebranntem Zucker überziehen”. Ich ftand bisher in dem Glauben oder muſs ich fagen: in dem Wahne? —, dafs Ausprüde wie Überzogene Anis⸗, Fenchel, Kümmellörner ꝛc. in allen Konditoreien und Apotbefen Allveutich- lands allgemein üblich, verfländlih und Mar feien. Sollte Das für Öfterreich nicht zutreffen? Ich möchte Herrn Dr. Loeiche freundlich bitten, mich darüber aufzullären und mir mitzutbeilen, welche Ausdrüde dafür in Öfterreich gebraucht werden.

=. 1

Zemen und Hedtfopf.

Bemerlung des Herausgebers.

Es ſcheint, fo weit ich aus dem ohne genaue Angabe der Stelle oder des Zuſammenhanges mitgetbeilten Satze vermutbe, fih um beſonders Iedere Speifen zu bandeln; und da fee ich denn aus Friſch II S. 471c das folgende ber:

Bemer „Hirſch-Zemer, gallice eimier von cima, dem Schwanz, das Gtüd vom Hirfchen, woran der Schwanz ift‘‘ ꝛc. ſ. befonderd mein Wörterb. III ©. 1761 unter Ziemer 3, woraus id Folgendes anführe:

(nach frz. eimier, f. Zimier, mhd. zimier und zimber. Benede 3, 892a, 893 b vgl. Schmeller 4, 259) bei Zerlegung zabmer und wilder Thiere: der Rüden, beſonders des Hintervierteld, auh mit Nebenform ... .: Der Schwanz [des Hiriches] heißt die Blume. Bon der Blume über die Keulen bis an die Rippen wire der Zimmer ge nennet; von dem Zimmer bis auf die Blätter heißt es der Nüden. Dübel Neu eröffnete Yügerpractica 1, 25b. Die Sauen ... haben Mehr: [oder Mürbe- Braten, Blätter, Keulen, Zimmer. 25b. Wenn der Hirih zerwirlet und zerſchlagen wird, werben 3 Bämer gemadt. Heppe Wohlred. Jäger 342. Zerlegen: ein zerwirltes Wild weid— männiich zerflüden.... . Wedel: oder Blumen-Zimmer; Mittel-Jimmer; Vorder oder Blatt-Zimmer. Laube Jagdbrevier 303 ıc. Ein Kapitalbirih!... Das ift ein Zimmer, wie ihn fein Neichsprälat auf die Zafel kriegt. Gartenlaube 13, 243b.. .; ferner Zufammenfegungen nah den Namen der Tbiere: Ein Gemszimmer auf der Tafel. Monatblätter zur Allgem. Ztg. 1, 77a. Hirfhzimmer mit Salat. Guklow Ritter v. Geift 5, 468... . Einen koftbaren Rehzimmer. König KHlubbiften 1, 147. Ein delifater Nebzimmer. Jean Paul 21, 106. Das Nebzimmer (bei Andern: der) das Nüdenftüd, befonderd das hintere. Voß Ged. 1, 189. Dies Spieherzimmer, das wunderbar zart und Löftlich fchmedte. Mügge Rom. 3, 6, 221 x. und fherzbaft in der Thierfabel: Sechzig feifte Mäufezimmel | machten die Berfammlung [der Katen] ſatt. Ob gefpidt, Das weiß der Himmel ⁊c. Fichtwer (Mendelſohn 4, 1, 300) ꝛc.

Ein fefter Schmarn hat neben dem Einhentel fein Preis.

Bemertung des Herausgebers.

Bielleiht (für mehr als eine bloße Bermuthung gebe ich im keinerlei Weile das Folgende aus!) hat man unter Einhenkel ein bentelfürmiges Backwerk zu verfichen, eima in der Form eines Brezels, Kringels, ſ. dieie Ausdrüde in meinem Wörterbuch ! und vgl. dort au dad bei Luther und Matbefius vortommende Hängel für Wehr⸗ gebänge, wie auch das iprihwörtlide: Das bat feinen feſten Preid, wie die Semmel beim Bäder ꝛc.

Die Kinder friegen oft jtumpfe Zähne, wenn die Eltern Winter: trollen gegejjen haben.

Bemerlung des Herausgeber.

S. mein Wörterb. 1 ©. 320 b:

I Droll m., —en; —en; =e f.; —n: plumpe, grobe Perfon: Gi jebt, wie did die Amme tbut! .. . | Wenn ib vor Tag am Waſchtrog fteb, | fo bleibt die Drolle rubig liegen. Pieffel Poet. Verſ. 3, 26, vgl. Zrülle und Trulle Grober Ader- Drolf [Bauer]. Hans Sachs 4, 3, 57d. Ahr groben Narren und Acker-Trollen. Schaidenreißer Odyſſea 88 a; Kirchhof Wendunmuth 448b ꝛc.

Anm. Wohl von troflen (f. d.) als finnverwandt zu traben, trappen, vgl. Ader- trappe, und fo ſcheint Trapp = Troll, f. d. Frifh 2, 389 b; in der Bebeutung:

143

„Kamm der Weintraube“ (vgl. Hopfentrollen. Schmeller 1, 489 = Kätzchen; Drodeln oder Troddeln. Nemnih 114, Eichenzäpfhen x.) nur Umbeutung mit Anlehnung an frz. grappe” ... und im Anfchluf8 daran in meinem Ergäng.:Wörterb. ©. 163b:

Droll: 1 m. x.; »e f. 2c.: 1. ſ. auch Troll, Trull und z. B.: Eine Drolle, auch Rabener 3, 188; Baurentroll m. Paracelfus Ehir. 263e = Paurtrülle m, Uhland Bollsl. 647, vgl. Bauerntrolle f. Reinwald Henneb. 1, 170, auch drollig. 2. (j. Anm.) Trollfen) m. (vgl. Troddel 1; 26), wie Hopfen- auh Neben: trolle. Fiſchart Großm. 116 und: Es trägt oft eine gute Rebe einen Wintertrollen i. Friſch 2, 889b KHerling (f. d.) und nah Ser. 31, 29 x.: Wintertrollen, von denen den Söhnen die Zähne einiglen. Seb. Frand Kriegs. des Friedens 210 u. ö. (v. Schmid, Schwäb. Wörterb. 142) x.

Lieber tot fein, als eine Braut haben mit vollem rath.

Set muſs ih nod (in meiner Rede und Ermahnung) den jungen Gejellen einen Trab jchenfen.

An andrer Stelle: Jemandem etwas eintraben einjhärfen, aber wober ?

Ein voller Zapfer, der geflucht oder über neun geworfen oder ſonſt eine Xeichtfertigfeit begangen.

Bemerkung des Herausgebers,

In meinem Wörterb. III S. 10560 babe ih unter dem Worte: See f. in Nr. 1a u. A. gefagt:

Über Sand (f. d. 2d) und See. In das Land und weiter, | viefleicht gar über die See. Goethe 1, 69. Der Norden über See. Görres Die heilige Allianz xc. (1822) ©. 24 (|. Überfeeifh) c. Dazu (vgl: weit weg fein 2c.) oder bergenommen von Seefranten (f. [einen Aufjag von mir] Herrig’d Ardiv 16, 238): Er war etwas über Gee [be- trunfen] und ſchlief jogleih ein. Seume Spaz. nah Syratus 175, engl. to be half seas over [j. Webiter (1890) p. 1296a; Muret Encyelop. Engl. Dietionary I p, 1023b :c.]; nieberd. halver see oder söe wesen, bochd. halb fieben fein, balb beraufcht :c,, vgl.: Über fieben werfen. Schmeller [III &. 185), wozu ich die dort gegebenen Belegitellen füge: Über fiben werfen vomitare. „Bey den Gaftereien füllten fi die Töchter und Jungfräwlin dermaßen an, daß fie über fiben werffen (das beißt aber ein jungfrawtründlein!) und fambt der Mutter auf ofine Gaſſen und Pläten bligblag vol berumftörklen.“ Albertini's Gusman 475. „Alles über fibene werfen, was im Leib if.“ Desjelben überfegter Guevara;

f. ferner Schwäbiihed Wörterb. ... . von M. Zohann Chriſtoph von Schmid ©. 415, wo es heißt:

„olfe, eilf, er Hat olfe geworfen, er ift ſtark beraufcht; wer im Würfelfpiele eilf wirft ift dem höchſten, zwölf, ganz nah.“ Die Umwandlung von ei in o findet auch in Holge, d. i. Heiligenbild ftatt.

Ich darf auch wohl darauf aufmerffam machen, dafs ich in meinem

Deutihen Sprachſchatz, geordnet nach Begriffen zur leichten Auffindung und

Auswahl des pafjenden Ausdrucks. Ein ftiliftiiches Hilfsbuch für jeden Deutſch Schreibenden. Hamburg 1373, 1877. Tb. I: 1040 ©. und XXXI ©.; II Regifters Theil VI und 2136 ©.

in Thl. I am Schluſs von Nr. 214e neben einander aufgeführt babe:

= =

vomieren; brechen; fich erbrechen; ausbrechen; fich übergeben ; jpeien (f. o.); aus⸗ fpeien; [nah Speier] appellieren ; löden; austöden; (aus kotzen; foten wie die Gärber- hunde; kalben; fälbern; ein Kalb machen, anbinden, legen; den Fuchs ftreiien, rupfen; Elf —, Über Sieben werfen (269 m) x.; feelfrant fein, werden; dem Meereögott Neptun, lat., Ocean ꝛc.) den fhuldigen Tribut zablen, bezahlen, abftatten ꝛc.; kotzern; walgern; mwüblen; würgen; worgen; gärben; } unmillen; eteln ꝛc.

Meiner Anfiht nah ift die uriprünglichfte und auch am weiteften verbreitete Ausdrudsweife: Über Sieben werfen; dazu lommt, wie wir aus Herm Dr. Loeſche's Mittheilung eriehen, in gleihem Sinne: über Neun werfen und in einem von Ägibius Albertini aus dem Spaniſchen überiegten Schelmenroman: Olfe (p. i. E{i)lf) werfen, vgl. über die von Würfel: (oder auch Karten= zc.) Spielen hergenommene fprichwörtliche Redensart „mit wechfelnder Zahl“ (f. mein Wörterb. I ©. 58a unter Auge 13 m): auf feinen fünf, neun, e(i)lf, zwölf, achtzehn Augen halten, bleiben, befteben u. &. m.

Wer (von Berlobten) heimlih dem anderen die Abreden außfellet, fället Gott in jein Geridt.

Bemerkung des Herausgebers.

Sollte das tranfitive ausfallen (für das ih in Diefer Anwendung feinen weitern Beleg zu geben weiß) etwa fo zu erklären fein:

Wer das vor der einzugebenden Ehe bei der Berlobung Berabredete und feierlich Gelobte fpäterhin „ausfallen läſſt“, d. 5. nicht hält umd redlich erfüllt, ſei es, daſs er fein gegebnes Wort ganz oder theilweiſe zurüdzieht, Der fällt Gott ins Gericht, da ber Menſch nicht Idien fol, wad Gott zufammengefügt? xc.

Eine rehte Hausmutter, die nicht ftetS vor dem Spiegel fteht und täglih für die Wafen geht.

Erabaten (7 Kroaten, Karpathen?) gibt gute Wildpader (Wein).

Bemerlung des Herausgebers.

Ich würde eher geneigt fein, als gutes Weinland an Kroatien [vgl. mein Fremdmörterb. I &. 716a Krabat 1 die Stellen aus dem Simpliciffinus!) zu denen, auch ſchon wegen des Singular giebt, während ber Plural: (die) Karpathen auch das Zeitwort geben erfordern würde.

Roſatzer⸗, Schertethaler-Wein.

Spedler voll guten Weins muß ein Beder fein.

In dreien ſitzeten Mäthen, joll beißen: 3 Rathsſitzungen figenden Räthen.

Gott wehre dem Türken, der uns den Simcher der alten Deutſchen und ſchiemer edlen Trunk verwüſtet hat.

Zwei Briefe des Herrn Dr. Rich. Roſenbaum in Berlin.

Hochverehrter Herr Profeſſor! Vor kurzem hatte ich J. Möſer's Patriotiſche Phantaſien zu einem beſtimmten Zweck in der Hand und fand darin I 92 den Sag: „Adieu patrie, id gehe nah Holland . . .*“ So jagt der in jeiner Heimat

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unzufriedene Knecht zu feinem Brotherrn, um fich vielen feiner Osnabrüder Landsleute anzufäließen, die alljährlih in Holland Dienfte ſuchen. Ich fenne aus meiner Heimat (Böhmen) den Ausdrud: adieu partie! Er iſt in hoben und niederen Kreiſen gebräuchlich, aljo ganz landläufig und befagt im allgemeinjten Sinne, dafs man fih von Etwas abmwende, fei es von einer Sade, jei es von einer Perſon oder gar auch von einer Idee. Er wird am häufigften aud von lindern angewendet, wenn fie etwas zer Ichlagen haben, e8 weg werfen, namentlih in die Tiefe oder ins Waffer, aljo auf Nimmerwiederjehen. (Seltener hört man auch die Umbildung: à la marche partie! die beijpielsmweife die Bekräftigung eines dem Finde gegebenen Befehles zur fofortigen Ausführung fein fol.) Erwachſene be- dienen fi des Ausrufes gern, wenn ein unangenehmer Beſuch fie verlaffen bat. Kurz, es ift ein Abichied von Etwas, und zwar einer, der Einem nicht bejonders ſchwer wird.

Die Form bei J. Möfer (patrie für partie) läfft mid daran denken, in patrie die uriprüngliche Form des Ausrufes vor mir zu haben. Und Das bejtätigt mir bis zu einem gemiffen Grade aud Ihr Fremdwörter: bud, das I, 12 vermerkt: „Adieu, Partie, und über Stod und Stein nah Holland . . .“ Hamb. Th. 2, 351 :c. Ich vermuthe in dem Gitat Schröder's Hamburg. Theater. Iſt Das rihtig? Leider ift mir dieſes Wert nicht zugänglid, ih kann aljo daraus aud niht den näheren Bu: jammenbang erjehen, aus dem die Worte bei Ihnen genommen jind. Dffenbar aber entftammen fie einer ähnlichen Situation wie die von mir oben aus Möjer angezogene. Ich habe in den verjchiedenjten Wörter: büchern nahgeihlagen und finde nur noh in Wander’s Deutihem Sprid- wörterleriton III, 1186 s. v. Partie als Nr. 3 angeführt: Adje, Partie. (Rottenburg.) Die Erklärung Wander's dedt ſich mit meiner etwas all- gemeiner gehaltenen. Ich fenne den Wusdrud, wie gejagt, aus meiner öfterreihiihen Heimat au in dem von Wander fpeciell vermerkten Sinne. Mottenburg ijt alſo die Wander befannte Gegend, in der dieſe Formel geläufig tft.

Es würde mi num jehr interejjieren, hochverehrter Herr Profeffor, wenn Sie aus dem reihen Shape Ihres Wiffens und Ihrer Sammlungen mir andeuten wollten, ob Ahnen die Medensart als nod anders wo im Schwunge befannt ift, in welder Bedeutung Sie fie kennen, und ob Ihnen litterarifche Belege dafür außer den bier angezogenen zu Gebote ftehen.

Da ih es jhon einmal wage, Sie in Anſpruch zu nehmen, jo gejtatten Sie mir gütigft noch eine furze Frage: Aus dem Munde meiner biefigen Wirthin, deren Wiege in Marienwerder in Oftpreußen ftand, befam ih auf die Frage nad einer mir unbefannten Straße Berlin’s den Beſcheid:

-— 116

„Ad, das ift Shon beim Teufel auf der Rinne!“ Die Nedensart war mir unverftändlih, ih fragte nah der Bedeutung und man fagte mir, Das bieße: jehr, jehr weit von hier weg! Ich finde die Redensart unter den 1694 verichiedenen Formeln mit „Teufel“ in Wander's Spridwörters lerifon nicht, aud unter „Rinne“ nidt. Wohl finden fi andere, die man leihtlih damit zujammenftellen lönnte, wie 1092: Da bat der Teufel Adje gejagt (Troppau); oder 1395 das befannte: Dort geben die Teufel einander gute Naht (ftatt Teufel auch: Füchſe, Hajen), mit der Erklärung: Ein Ort, wo es recht öde, einfam und unerquicklich ift.

Meine Gewährs, frau” verfihert mid, die Ausdrucksweiſe „beim Teufel auf der Rinne“ fei in ihrer Heimat ganz geläufig, fie wife ſich namentlid zu erinnern, dajs ihre Mutter fie nur allzubäufig gebrauchte.

Wenn ih Sie bitten dürfte, hochverehrter Herr Profeffor, mir auch darüber Ihre Meinung zu jagen, jo würden Sie mib zu ganz bejonderem Dante verpflichten.

Ich verharre in ausgezeichneter Hochachtung

Euer Hohmohlgeboren ergebenfter Richard Roſenbaum, Dr. phil. Berlin, d. 7. 5. 1896. W. 8, Friedridftr. 79a. Hochverehrter Herr Profeffor!

Seit Empfang Ihrer gütigen Antwort vom 10. Mai, für die ih Ihnen bejtens danfe, Hab ih mid bemüht, Schröder's Hamb. Theater, Band II irgend wo zu erlangen. Es war leider überall vergeblih. Ich kann aljo das betreffende Citat weder ausführlider angeben nod aus feinem Zujammenhange beleuchten. Im Übrigen ift e8 doch unweſentlich für den zwiſchen uns verhandelten Gegenftand.

Ich bin gerne bereit, für Ihre von mir jehr geihägte Zeitihrift gelegentlih einen Beitrag einzujenden. Ich babe ein größeres litterar- biftorifches Thema vor und gelange deshalb ſchwer dazu, ſprachliche Beobach— tungen in größerem Zujammenhange zu maden. Es jind meift nur Einzelbeobadtungen, die da ahfallen, und mit Miscellen will id Sie nit beläftigen. Sobald ih einmal eine Gruppe einheitlih umfaffen kann, werde ich nit verfäumen, mid an Sie zu wenden. Ich gehöre ja zu den auf: merkiamften Lejern Ihrer Zeitihrift; denn ich veröffentlihe in Sauer's Euphorion regelmäßig einen fnappen Inhalt der Beiträge in Ihren Heften.

Mit dem Wunſche recht guter Gejundheit und den beften Empfeh- lungen zeichne ih mid)

Ihr verehrungsvoll ergebenfter Richard Nofenbaum. Berlin W., Friedrichſtr. 79 a, den 21. Mai 1896,

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In meiner Antwort auf den erften Brief hatte ih Herrn Dr. Rofen- baum etwa gejchrieben (eine Abihrift habe ih nicht zurüdbehalten), dafs die von ihm aus Möjer's Phantafien angeführte Stelle aus einem Aufſatze nidt von Möfer, jondern, wie es in der Fußanmerkung ©. 87 aus: drücklich beißt: „Diejes Stüd, weldes von einem andern Berfafjer ift, wird der Verbindung halber mit eingerüdt“ aud in der vierten ver- befjerten Auflage, (Berlin bei Friedrich Nicolai 1820) Bd. I S. 91/2 buchſtäblich jo gejegt iſt:

Der Knecht ift kaum der Kinderlehre entlaufen, jo fängt er an, troßig gegen jeinen Brodherrn zu werden. Er fpridt im hoben Zone: Wollet ihr mir niht 20 bis 24 Thaler Lohn, jo viele Elfen Hemde- und Wollenlaten nebft ein paar Schuhe jährlich geben, adieu patrie! ich gehe nah Holland. Vermiethet jih ein auswärtiger Knecht bei einem biefigen Bauern, fo fordert er obigen Kohn, und bedinget ſich dabei einen jährlichen bolländijhen Gang ausdrücklich mit aus zc.

Danach ſcheint auch mir das partie aus dem urjprüngliden patrie entjtelft zu jein. Hinzufügen will ih, daſs ih aus meinen Kinderjahren mid jehr wohl entfinne, die Redensart: adieu partie! häufig ganz in dem von Herrn Dr. Nojenbaum angegebenen Sinne von meinen Spiel» fameraden hier in meinem Geburtsort Altjtrelig gehört und ihnen gegen- über jo gebraudt zu haben; heute ift bier die Medensart, wenn aud nicht ganz, doch faft ganz in Abgang gefommen.

Ich hatte Herrn Dr. Roſenbaum auf das am Schluſs des dritten Bandes meines Wörterbuches befindlihe „Quellenverzeichnis“ aufmerkſam gemadt, wo es auf ©. 1820a heißt: Hamburgiihes Theater herausgeg. v. F. 2. Schröder] Hamburg 1776 ff. und damit jeine Vermuthung beftätigt unter der (wie ih aus dem 2. Brief erjehe) irrigen Annahme, er werde auf der Königlihen oder Univerfitätsbibliothef in Berlin die fragliche Stelle wohl mit Leichtigkeit auffinden können. Ich füge nun nachträglich binzu, daſs ich das Bud zur Zeit aus der Großherzoglichen Bibliothek in Neuftrelig entliehen hatte, wo es in allen Theilen jih auch wohl ned befindet und von wo ihm (etwa durch Vermittlung der Königlihen oder Univerfitäts:Bibliothef) der 2. Band oder ſämmtliche Bände gern auf einige Zeit zugejandt werden würden.

Was nun aber die Nedensart „auf des Teufels Rinne“ betrifft, fo fonnte ih dur einen glüdlihen Zufall jhon bier in Witftrelig aus der gütigen Mittheilung einer aus der früheren Provinz Preußen mit ihren Töchtern in unſer Städtchen übergefiedelten Apotheferwittwe entnehmen, daſs die fraglihe Redensart in Oft: und auch wohl in Wejtpreußen gäng und gebe ift, und meine aus Königsberg ftammende liebenswürdige Schwägerin

Frau Betty Friedländer in Berlin ſchrieb auf eine an ſie gerichtete Anfrage:

„Auf des Teufels Rinne wohnen” beißt jo viel wie: „an einem weit entfernten Theile der Stadt, an einem ſchlechten Plage wohnen, 3. B.: Dortbin gehe ih nicht, der wohnt auf des Teufels Rinne“. Übrigens babe ih diefe Bezeihnung jehr häufig auch in Berlin angewendet, obne dajs ich bisher im geringsten geahnt, dais ih mi dadurch als Oftpreußin verrathe.“

Freundliche Yejer meiner Zeitihrift würden Herrn Dr. Roſenbaum und auch mich zu Dank verpflichten, wenn fie mittheilen wollten, in welden andern Gegenden von Alldeutihland die fraglie Nedensart im Munde des Volkes lebt und wie fie etwa zu erflären jei.

Zum Schluſs will ih hier eine Vermuthung nicht zurüdhalten, die vielleiht zur Erklärung dienen kann, die ih aber natürlich für Nichts als eine bloß mögliche gebe:

In einem im „Berliner Tageblatt“ 1895 veröffentlihten Roman von Adolf Stredjuß heist es in der 68. Fortſetzung:

„Wohin in aller Welt willft du in diefer gottvergejienen Stadt— gegend?“ —, vgl. in meinem Wörterb. 1 S. 580h, wo in Nr. 12d unter den verjchiedenen Zujammenjegungen des Barticips vergeifen mit einem dem Genitiv: Verhältnis entjprechenden Beitimmungswort für die mit „&ott“ freilich nur der eine Beleg aufgeführt ift: Nun begann | mit einer Stirn von Erz der gottvergejsne Mann. Alringer Doolin 151, vgl. im Ergänz.- Wörterd. S. 227) in Nr. 12d aus den Simplicianiſchen Schriften (herausg. von Heinr. Kurz. Leipzig 1863) I ©. 50 3. 8 einen Beleg, den ih bier etwas vollftändiger buchſtäblich berjege: „Als er fih nun von den Ehr- und Gottes: vergeflenen Schelmen fo gar geſchmähet gejehen“ :c., vgl. ferner in meinem Wörterb. il S. 36c unter „verlaffen“ Nr. 12d: Bon allen Freunden verlaffen. Bon Gott und Menſchen verlaffen. In der von Menjhen und Gott verlafjeniten Wildnis. Kohl Irland 1, 21 ꝛc. . . .; aud in Zufammenjegungen, wo das Beitimmungswort einem Hauptwort mit von entſpricht: . . . Der Fluh der gottverlajsnen Unnatur. Hölderlin Hyp. 2, 113 und Ergänz.-Wörterb. ©. 33le: ld: .. . Die Heinften Städte, wenn fie nit gänzlid gott- und eijen- bahnverlajjen find. Gegenw. 14, 308. Sp gottverlajjen [verdammt] dumm. Ebers Schw. 248; Mar v. Merifo 4, 20 ꝛc, vgl. Hadländer Don Quix. 2, 3l ꝛc. Bol. ſchließlich auch als finnverwandt das Eigenihafts- wort unjelig in meinem Wörterb, III S. 1075c, aus defjen zahlreichen und leiht zu mehrenden Belegen (vgl. leidig zc.) ich hier nur zwei berjegen will: Wujste er fih denn doch jo zu richten und zu ſchicken, dajs er von

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dem unſeligen Dorfe loskam. Goethe 25, 42. Alles dies joll mir nun in dieſem unfeligen Venedig zu Trümmern gehen. Schiller 736a. Meine Vermutbung ift nun die, dafs „des Teufels Rinne“ etwa die „gottvergeffene“ oder „gottverlafjene”, „unfelige* Kluft bezeichnen dürfte, welde das „verdammte” Teufels: oder Höllengebiet von der reinen, feligen, mwonnigen Gotteswelt trennt. Ich jchließe mit der an Herrn Dr. Roſenbaum und an die Lejer gerichteten Bitte: Si quid novisti rectius istis, Candidus imperti; si non, his utere mecum (ſ. o. ©. 140).

Ein Brief de3 Herrn Dr, Stidelberger. Burgdorf in der Schweiz, den 17. Wpril 1896.

Hochgeehrter Herr Profeſſor!

Indem ich Yhnen die eingehende Beantwortung meines Briefes durch Ihre Fußnoten in Mr. 11 des 9. Jahrg. diefer Zeitichrift beſtens ver- danke, eriaube ih mir, Sie um die Aufnahme einiger Zufäge zu erſuchen.

©. 431, Anm. 1 führen Sie eine Stelle aus Ihrem Wörterbud) der Hauptichwierigfeiten an, wonah im Niederdeutihen das prädifative Subftantiv in Verbindung mit dem unbeftimmten Artikel Accuſativ-Form bat. Nun heißen Ihre Beifpiele, ins Schweizerdeutſche übertragen „er iſch e rihe Ma“, dagegen mit beftimmten Artikel: „er iſch der richſte Ma“. Da bei uns im Allgemeinen auslautendes e ſchwindet, en aber als tonloſes e ericheint, fo liegt e8 nahe, „e rihe Ma“ wie den entjprechenden platt- deutſchen Ausdruf als Accujativ aufzufaffen. Eine äußere Unterfheidung zwijchen den beiden Fällen findet in diefem Zuſammenhang nit Statt, und die betreffenden Worte können ebenjo wohl als Subjekt oder Präbdifats- normen, wie als Objelt dienen. In meiner „Mundart von Schaffhauſen“ (Paul und Braume, Beiträge zur Geſchichte der deutihen Sprade und Yitteratur XIV, 400) nahm ih an, dajs das jchweiz. Adjektiv in Ver— bindung mit dem unbejtimmten Artikel den Nominativ nah dem Accufativ bilde, erfuhr aber Widerfpruh von Seiten Peter Schild's in jeiner „Brienzer Mundart” (Beiträge XVII, 384-385), indem diejer Dialeft- forijher den Nominativ auf e dur Ausfall des r erklärte Schild findet es ©. 385 unwahrſcheinlich, daſs die Mundart in der ftarfen Flexion anders verfahren follte als in der ſchwachen; jo gewichtig feine Gründe auch find, jo unterftügen doch die von Ihnen angeführten niederdeutichen Beifpiele meine Anficht, wenigftens in Bezug auf meine Mumbdart.

1590

Geſtatten Sie mir, aud auf meine eigenen Bemerkungen im 11. Heft des 9. Yahrg. zurüdzufommen. S. 430 erwähnte ih die Vermuthung, daſs Peitalogzi der UIrheber des Wortes Zweitel fein könnte, worauf Sie dieſes als älter nachwieſen. Da es nun aber außerhalb der Schweiz faft gar nicht im Gebrauch ift, fo ließ es mir feine Ruhe, und deſshalb durch— ftöberte ich zwei Werfe des großen Pädagogen, die mir unbedingt Aufſchluſs geben mujsten. Es jind dies „Anfhauungslehre der Zahlenverhältnifje“ und „ABE der Anjhauung oder Anjhauungs-Lehre der Maßverhältniſſe“ (beide Zürid, Bern und Tübingen 1803). In dieſen Werfen kommt nirgends das Wort Zweitel vor, auch wo die Zujammenftellung mit andern Brüden es nahe gelegt hätte; jehr oft aber werden halb und Hälfte ausgeichrieben, 3. B. „Zahlenverhältniſſe“ I, S. 16: „der halbe, der dritte 2c. Theil”. II, ©. 30 ff.: „Auflöfung der Ganzen in Halbe“. „Maßverhältniſſe“ II, 1: „Die Hälfte der erften Linie hat drei Sechstel“ ꝛc. II, 111: „Jeder von zwei gleihen Theilen beißt ein Halbes, oder eine Hälfte,

In der Hoffnung, daſs Sie das Weiterjpinnen der angelnüpften Gedantenfäden nicht verdriehe,

grüßt Sie hohadtungspolfft Dr. 9. Stidelberger.

Ein Brief des Herrn Dr. Wagner. Colmar i. €, 2. Mai 1896. Sehr geehrter Herr!

In dem intereffanten Aufiag von Dr. H. Schrader über das O (Zeitihr. IX Heft 12) finden ſich zwei Stellen, zu denen id) mir folgende furze Bemerkungen geftatten möchte.

1. „Sehr viel Kopfzerbreden hat mir das franzöfifhe Wort Les O de Noel gebradt . . . Und ich habe jet die große Freude, dafs ein Freund von mir in dem MWörterbuhe der franzöfiihen Akademie die bes ftimmte Angabe gefunden bat, diefe D bezeichnen Gejänge, welche in den legten 9 Tagen vor Weihnachten gejungen werden und welde alle mit einem O anfangen. Das Näthjel ift jomit gelöft!* Dieje O de Noel fennt man nun aber nit bloß in der franzöfiihen Afademie, ſondern überall im katholiſchen Deutihland. Es find nämlih die fieben (micht neun) Antiphonen zum Magnificat, welde mit O anfangen und an den 7 legten Tagen vor Weihnachten gejungen werden. Darnach giebt es am Rhein in diejer Zeit auch deutſche Andachten, welche die O-Andachten heißen.

121

Es wäre aljo jehr leicht gewejen, in Deutichland Aufihlujs über die O— Geſänge zu erhalten.

2. Die Salve-Andahten, von denen ©. 459 die Rede ift, haben meines Eradtens mit den Pafjionsliedern des hl. Bernhard von Clairvaur gar Nihts zu thun. Sie find vielmehr ein Reſt aus katholifher Vorzeit, in der, wie überall in der fatholiihen Kirde, am Samstag Abend eine Andaht zu Ehren der Mutter Gottes gehalten und dabei die befannte Antiphon Salve regina gejungen wurde. Auch der Name „das Salve“ für diefe Andaht am Samstag Abend it in fatholiihen Gegenden überall befannt.

Hochachtungsvoll Dr. Wagner, Oberlehrer.

Botenbrot ꝛc.

Herr Profeſſor M. Lazarus aus Berlin ſchrieb mir aus Schönefeld bei Leipzig unterm 12. uni v. %. für mein Wörterbuh das Folgende:

„In meiner Kindheit hörte ih oft ‚Bedenbrod‘ in der Bedeutung von Lohn für das Bringen einer guten Botihaft, z. 8. für eilige Meldung eine8 daher fommenden lieben Gajtes, meift von Armen erjagt und in Geld bezahlt. Nun verſteh' ih auch das danach gebildete Zeitwort: ‚beden- broden‘. In einem 1776 in Amfterdam gebrudten Gebetbud „in Teutſch“ wird ein Sak aus einem Gebet am VBerjöhnungsabend überfegt:

Und auch du ſollſt beckenbrot zu Denlen], die fih an dir beſchützen:

. ih dab Israel vergeben.“

Ich füge dazu das Folgende aus meinem Wörterb. 1 ©. 223b (unter den Zufammenjegungen von Brot):

„Botenbrot: Botenlohn; Geſchenk, das dem erften Überbringer einer freudigen Nachricht gereiht wird, zuweilen ironiih: Dem guten Boten | fein Botenbrot? Yeifing 2, 330 [Nathan V 1 v. 3165/6] . . .; Schaibenreiffer 59 b (Odyſſ. 14, 152; 166 bei Voß: Der Lohn für die fröhlihe Botſchaft . . der Botihaft Kohn) ꝛc. . .. Nebenform: Böten- (Schaidenreijfer 66 b), Betten: (Stalder Schweiz. Idiot.), Bäder (ebd.; Auerbach Dorfgeih. 1, 269) Brot” und weiter in meinem Ergänz.-Wörterd. S. 109a andere Belegſtellen; dann: (veraltet für Die Botſchaft jelbft): Bring das Botenbrot, | Berner hat mich geſchlagen todt. Hans Sads God. 3, 245°, 351 ꝛc. umd dazu (j. Friſch 1, 122c): Paulus . .. .. hat das Evangelium [ge-] „bottenbrotet“ [verfündigt]. Hedion Kirchenhiſt. 245 b.“

1532

Daran fließt fih die von Prof. Yazarıs oben mitgetheilte Stelle in ungefügem Deutid, deren Sinn etwa ift: Du (Israel) ſollſt Dant bezeigen Denen, welche Dir die frohe Botſchaft gebracht, dafs Gott Israel vergeben habe.

Bereinzelte beim Lejen niedergejchriebene Bemerkungen.

1. Miſslaut.

„Die Überzeugung, dafs... . eine Steigerung der Fahrgeſchwindig— feit andere Betriebsmittel nothwendig made, ſcheint unter den Verkehrs— tehnifern immer weiter um fi zu greifen; fie fpiegelt fih namentlih in dem in den zahlreih auftauchenden neuen Syſtemen zu beobadıtenden Beitreben wieder, die Eleftricität als Helferin in der Noth zur Dienft- leiftung heranzuziehen." Sonntags-Beilage zur Nat.-Ztg. (Jahrg. 47) Nr. 30, vgl. minder miislautend: „in Dem bei den zahlreich auftauchenden ꝛtc.“ oder (wenn man die beiden in beibehalten will): „in dem Bejtreben wieder, weldes fih in den zahlreich auftauchenden neuen Syſtemen beobadten läfft.“

2. Gehobene und ſchlichte Darftellung; kleiden.

„Die gebirgige Natur der Halbinjel verhindert die Entwidlung größerer Flüſſe; die Mehrzahl jind echte Gebirgsjühne mit kurzem Unterlauf.“ Sonnt.-Beilage zur Nat.-Ztg. (47) Nr. 30. In der ge hobenen Sprade, zumal der Dichter, kann ein Gebirgsjtrom wohl als Gebirgsjohn bezeichnet werden (j. in meinem MWörterb. und Ergänz.- MWörterb. unter Sohn 2f und Zufammenjegungen); aber bier in der ihlihten Proja waren doch Gebirgsftröme wohl mehr an der Stelle, «vgl. 137 Nr. 54. Wenn es in demjelben Aufjage weiterhin beißt:

„Im Gegenjaß zu ihren Häufern kleiden fi die Koreaner, wenigftens die Städter, im Allgemeinen gut“, jo bedarf es wohl feiner weitern Ausführung, dais das Zeitwort Fleiden in Bezug auf die Häufer bier nit pafjt, zumal es fih im Vorangehenden nicht etiwa um den äußern Mauerbewurf (den fogenannten Bu der Häufer), jondern um die innere Ausjtattung mit Hausgeräth (Möbeln :c.) handelt.

3. ein; Sammlerei,

„Wir gingen durh Ebermannftadt; aber Wagen war Feiner zu haben.“ Bom Fels zum Meer 13, 1185a (Mar Haushofer), üblicher: aber es war fein Wagen zu haben oder: ein Wagen war nicht zu haben, j. meine Schrift: Satzbau und Wortfolge S. 219/220 und das dort Angezogene,

15

Etwas weiterhin beißt es: „Ich konnte nur bedauern, daſs geologifche Sammlerei für einen Fußwanderer etwas bejhwerlich iſt“ —, üblicher. geologiijdes Sammeln, vgl.: das Sammeln von Berfteinerungen ꝛc.

4. Haufen.

„Die Wahl meines Nahfolgers überließ id grundfäglid ganz der Fakultät, weil mit ihm künftig nit ic, ſondern die Fakultät zu Haufen babe.“ v. Bettenkofer (Nat.-Ztg. 47, 436), ſ. in meinem Wörter. I ©. 712c unter haufen IV 2c und Ergänz.-Wörterb., allgemeiner üblich etwa: gemeinjam zu wirfen ꝛc

5. Unkund (als Beiwort).

„Die Defien unfunden Ariftotelifer.“ Rud. Kleinpaul Sprade ohne Worte (1888) ©. 100 ftatt unfundig, ſ. mein Ergänz.-Wörterbud ©. 325.

6. Gläubigeriſch.

„Mit den gläubigerifhen [freditoriihen] Bankgruppen . . Den gläubigerifhen Banfen.“ Nat.-Ztg. 47, 440, bis jegt nit üblich, aber ſprachrichtig gebildet.

7. Neben.

„Elifabetd .... negte mit vielem Fleiße.“ Nat.gtg. 47, 440 (Thomas Hardy, in einer „autorifierten Überjegung aus dem Englijchen“). Die Urſchrift ift mir nit zur Hand, doch glaube ih, dafs das hervor: gehobene Wort hier die Bedeutung haben fol: fie fertigte Nekgeftride oder Netze (vgl. mein Wörterb. II ©. 431b und Ergänz.-Wörterbud S. 370e unter negen 2). Der Überfeger hätte füglich ftatt des hier wohl den menigften Leſern jofort verjtändlichen Zeitworts eine der von mir gewählten Umſchreibungen jegen follen, vgl. über das von Juſtus Möſer gebrauchte Zeitwort knötchen Filet machen. Zeitihr. VI ©. 450.

8. Wenig.

„Bor dem Gebäude haben fich verhältnismäßig wenige Neugierige, die fih rubig verhalten, eingefunden.“* Nat.-Ztg. 47, 441. Das ift nicht ganz unzweideutig; e8 ließe dem Wortlaut nah die Deutung zu: es haben fih dort nur... . wenige Neugierige, die fih ruhig verhalten, eingefunden, die Mehrzahl von ihnen fuchten Unruhen zu madhen. Das ift aber grade das Gegentheil von Dem, was gejagt werden follte; jede Zweideutigkeit war vermieden, wenn der Schlujs etwa bieße: „und dieſe verbielten ſich ruhig.“

Beltſchtift f. deutſche Sprade. X. Jahrg. 12

154

9. Bhlogifton.

„Da doch das Metall bei diefem Proceſs um den räthſelhaften Phlogifton erleichtert wird. Erſt Yavoifier gelang es, diejen Widerjprud zu löjen, indem er den Phlogifton aus der Chemie verbannte” ꝛc. Illuſtr. Zeitung Nr. 2653 ©. 470a (Dr. M. Weinberg). Es jollte heißen: das (räthſelhafte) Phlogifton, j. mein Fremdwörterb. II ©. 253a und 3. B. Gehler Phyſikal. Wörterb. (790) III ©. 460 ff.

10. Überanftrengen.

Darüber dafs das Mittelmort rihtig nur überangeftrengt beißen darf, nicht (mit Wegfall des ge): überanftrengt j. meine Hauptſchwier. ©. 299a. Dajs fid die legtere Form daneben findet, ift dort erwähnt; aber bier möchte ih doch als befonders auffälliges Beiipiel für das Schwanken der Schriftjteller auf die vortrefflihe Leipziger Illuſtr. Ztg. Nr. 2653 binweifen, wo in einer Erzählung von Mar Montani auf ©. 487a ridtig fteht: „Sie haben Sid... bei der Pflege des Kindes überangeftrengt“, dagegen auf der 2. Spalte derjelben Seite: „Wäre Maus nit krank geworden, jo hätte fih die alte Yohanne nit überanftrengt und, hätte fie fih nit überanftrengt, fo ac.“

11. Die kalte Schulter zeigen; Zuſtrich.

„Die böfe Welt hatte ihm bekanntlich angeflagt, dafs er der Home Rule nur die kalte Schulter zeige“ National-Ztg. 47, 443 (aus London). Das werden deutihe Lejer faum verftehen, wenn fie fi nicht die deutihen Worte in das Engliſche überjegen: to show the cold shoulder ſich falt, fühl, gleihgültig verhalten gegen ... .

Wenn es in demjelben Aufſatz weiter heißt: „Daſs die Lords einen Adftrib und Zuftrih im Budget vornehmen können“, jo wird der Leſer wohl durd den Gegenſatz errathen, was der hervorgehobene Ausdrud jagen joll, aber im Deutſchen üblich ift er bis jegt nicht, man jpridt gewöhnlich von einem Abjtrih und im Gegenjag von einer Erhöhung des Budgets.

12, Bon.

Bon dem Volke der Barken hat fürzlih der befannte Anthropologe

. interefjante Unterfudungen angeftellt. Nat.-Ztg. 47, 444 ft.: über das Volk.

13. Entehren.

Unter diefem Worte habe ih in meinem Wörterb. I ©. 344b als

„ungewöhnlich“ bezeichnet: „einen Officier zc. entehren, ihm feine Dfficiers-

würde nehmen; dagegen verftößt es, wenn in der Nat.-Ztg. 47, 445 e8

15

heißt: „Gerüchte, welde über eine Entebrung Li-Hung-Tſchang's [des Vicelönigs durch den chineſiſchen Kaifer] in London umliefen...... Der Kaiſer habe ihm... als Zeichen feiner Ungnade einen hohen Orden entzogen ꝛc.“ Nach deutſchem Sprachgebrauch würde es etwa heißen müffen: eine Ehrenentziehung ıc.

14. Ausplatten.

Unter diefem Zeitwort habe ih in meinem Wörterb. II ©. 560a in der Bedeutung: „Zu einer Platte ausdehnen“ aud einen Sag von Ad. Stahr angeführt: „Dafs er die furzen Schlagworte aufgreift, durch langweiliges, fi immer wiederholendes Ausfpinnen den Dufaten zu einem Neitermantel ausplattet.” In ähnlider bildliher Anwendung jchreibt Ernſt Morig Arndt in einem Briefe vom 2. Nov. 1820 an Gottlieb Ehriftian Friedr. Mohnike (ſ. Nat.Ztg. 47, 446): „Das find die Haupt- punkte; es wird auch durchs Aushreiten und Ausplatten im Wejentlichen nicht klarer.“ Da z. B. in Grimm’s Wörterb. I Sp. 924 nur aus— plätten angeführt ift (und zwar nur mit der GErflärung lavigando tollere und dem Beifpiel: Falten ausplätten, vgl. mein Wörterb. a. a. O.), jo jhien es mir angemeffen, dem Sake von Arndt bier ein Plätzchen einzuräumen.

15. Abhängige Rede.

„Erfreut fagte der Arzt zu, um dann feinerjeitS zu bitten, Fräulein von Arnsfeld möchte ihrem Neffen erlauben, ſich gelegentlih fein kleines Mujeum anzujehen. Unter den Sammlungen mannigfachſter Art, die er auf früheren weit ausgedehnten Reifen im In- und Auslande erworben hatte, befanden fi einzelne jeltene Stüde, die für den Jüngling von Spntereffe jein möchten.“ Roman-Ztg. 31, 3 Sp. 530 (A. Marby). Das Schlufswort (möchten) zeigt, daſs der zweite Satz eine Anführung der von dem Arzte geſprochenen Worte enthält. Dem gemäß müſsten auch die in diefem Sag durch Sperrörud bervorgehobenen Zeitwörter ftatt im Indikativ im Konjunktiv ftehen: Unter den Sammlungen, ... . die er. erworben habe (oder hätte), befänden fih zc., vgl. Hauptſchwier. ©. 180/1 Nr. 4.

16. Unficherheit im Gebraud der Biegungsfälle.

In der Beilage zum „Daheim“ 1894 Nr. 42, ©. 1 findet fid auf der 2. und 3. Spalte der folgende Satz:

In den denkbar günftigften Verhältniffen, im Befige einer holden rau, dem ehemaligen Hoffräulein der Herzogin, Regina Wekkinger, zweier Töchter und vier Söhnen, geehrt und geliebt von ganz Münden, fühlt der geniale Dann fi dort jo wohl, daſs zc.“

127

156

und ebd. auf der vierten Spalte heißt es:

„Er ſchlägt einen derb komiſchen Ton in jeinen ‚deutichen Yiedern‘, in feinen ‚italiänifchen Vilanellen“ an, Stüde, welhe zumal in Münden große Beliebtheit erlangten.“

Ich möchte faft annehmen, der Bf. jei fein Deutiher, folde be- fremdende Unſicherheit zeigt er in dem richtigen Gebraud der deutſchen Biegungsfälle: er jeßt zu dem Genitiv „einer holden Frau“ die Appofition (ftatt in denfelden Biegungsfall) in den Dativ (f. meine Hauptſchwier. ©. 48a und vielfah in den Inhaltsverzeichniſſen der Zeitihr.) und um: gekehrt zu den Dativen: „in feinen... Liedern zc.“ die Appofition ohne das Dativn am Schluffe: „Stüde“ ftatt „Stüden” (vgl. ridtig: „welche Stüde ... . große Beliebtheit erlangten“) und ferner verbindet er durch das gleihftellende „und“ Genitiv und Dativ: „im Befige zweier Töhter und vier Söhnen“ (vgl. hierzu Hauptihwier. ©. 73b Nr. 2a). Ich füge hierzu gleih den folgenden Sat, den die Nat.-Ztg. (47, 448) aus dem „Gentralorgan der Socialdemofratie“ u. a. mittheilt:

„Aber, was Denen geglüdt ift in Folge hervorragender Talente [Genitiv] und eifernem Fleiße |Dativ, ftatt: eifernen Fleißes], dazu ift nicht Jeder im Stande.“

17. Hermaden.

„Der Genturio zu Kapernaum bittet Jeſus (nah Matth. 8; nad Luk. 7 läfft er ihm bitten), feinen ungen zu heilen, der an der Gicht darniederliege und ſchreckliche Schmerzen leide. Und er madt fo viel mit diefem Jungen ber, daß jogar der Gemeinderath des Städtleins aus- rüden und bei dem Wunderarzte Fürbitte einlegen mufs.“ Grenzb. 53, 1, 385. Was will der Schreiber mit dem Ausdrud jagen: „Er madt jo viel mit ihm her?“ etwa: er madt jo viel Wejens von deſſen Krankheit, ipricht (klagt, jammert) fo viel darüber?

18. Bezüglihes Fürwort.

„Während der Sohn und ein Freund des Vaters, der eine exem— plariihe Züchtigung feft beſchloſſen hat, den Erzürnten zu bejänftigen bemüht find ꝛc.“ Grenzb. 53, 1, 394.

Da das bervorgehobene bezüglihe Fürwort fih auf das unmittelbar davor ftehende Hauptwort im Genitiv: „des Vaters“ bezieht, jo ift es ganz rihtig gebraudt. Aber vielleicht empfiehlt fih doch auch hier eine Umftellung: „Während den erzürnten Vater, der... der Sohn und ein Freund zu befänftigen bemüht find ꝛc.“

157°

19. Präpofitionen; Imperfekt und Präſens.

„Rom, . . . Warfhau wurden nah dem deutihen Syſtem ähnlichen Grundiägen befeftigt.“ Nat.-Ztg. 47, 450 (v. Boguslawsti), beffer: nad Grundiägen befeftigt, die dem deutſchen Syſtem ähnlich find, vgl. Haupt: ihwier. ©. 233a, wo es in Nr. 7 heißt: „Noch tadelhafter ift, wenn unmittelbar auf die Präpofition ein Kafus folgt, der davon abhängig feinen fann, es aber nicht iſt.“ Auf derjelben Spalte jchreibt v. Boquslawsti: „Außerdem fonftruierte man die fogenannten Brijanz- geihoffe, d. h. Hohlkugeln, welche, mit einer bejondern Sprengladung ver- jeben, ſowohl die ftärkften Mauer- als auch Erddeckungen durchſchlugen,“ wo ſtatt des hervorgehobenen Imperfekts im Schluſsworte richtiger das Präſens (durchſchlagen) ſtehen würde.

20. Was.

„Keiner ſollte mir das blauſeidene Tuch ſtreitig machen, was“ ſſtatt: das oder weldes] „dort oben an dem höchſten Aſt hängt.” Illuſtr. Ztg. Nr. 2654 ©. 515a (Trinius), ſ. Hauptidwier. ©. 327a Nr. 2.

Anzeige der eingefandten Bücher. (Beiprehung einzelner nach Gelegenheit, Zeit und Raum vorbehalten.)

Jerome A. Anderson, M. D., F. T. S. Reincarceration, a study of tho human soul, in its relation to rebirth, evolution, post mortem states, the compound nature of man, hypnotism, ete. XII and 192 pages.

The Lotus publishing eompany, 1504 Market Street, San Franeisco, Cal. Second edition.

Karl Breul: Wallenstein (I): Wallenftein’d Tod, ein Zrauerfpiel von Friedrich Schiller, edited with introduction, notes, appendices and a map. LXVII and 304 pages. Cambridge: at the University Press (Pitt Press Series). Extra Feap. 8vo. cloth. Price 35. 6d.

Sreylag's Schulausgaben Maffiiher Werte für den deutfchen Unterricht:

Theodor Körner, Bring, beraudg. von Karl Ludwig, Mit einer Abbildung. 126 ©. 1896. Preis gebunden 70 Pf.

Homer's Ilias. Nach der Überfegung von Joh. Heinr. Voß, berausg. von Dr. Bruno Stehle, Seminardireltor in Colmar. 248 ©. 1896. Preis geb. 1 Mart. (Bgl. Zeitfchr. S. 48—58.)

William 0. Judge. Fellow of the theosophical society. Second edition VIII and 154 sides,

The Ocean of Theosophy. New York; the Path, 144 Madison Avenue. London Theosophical Publishing Society, 7 Duke Street, Adelphi, W. C.

Theosophy as a guide in life. 4 p. New York, the Path, 144 Madison Avenue.

18

Karl Achrdad. Das gefammte Erziehungs: und Unterrichtöwefen in ben Ländern deutſcher Zunge. Bibliographiſches Berzeihnis und Inhaltsangabe der Bücher, Auffäte und behördlichen Verordnungen zur deutichen Erziehungs- und Unter: richts⸗Wiſſenſchaft nebft Mittbeilungen über Lehrmittel. Jm Auftrage der Gefellihaft für deutihe Erziehung und Schulgeſchichte. Berlin 1896. Jahrg. I Heft 1. Kommiffionsverlag v. J. Harrwitz Nachfolger. Pr. vierteljährlih (3 Hefte) 5 Matt.

Hugo Keyßner, Geb. Juſtiz- und Kammergerichtsrath. Das Recht am eignen Bilde. (IV und 64 ©.). Berlin. J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. 2 M.

Dr. Georg Loefhe, Johannes Matbefius, Ausgewählte Werte. Erſter Band: Leichen- reden. In Auswahl berausgegeben, erläutert und eingeleitet. Mit Porträt. XXXVIN und 284 ©. [ald 4. Br. der „Bibliothek deutſcher Schriftfteller aus Böhmen“. Berlag von F. Tempsly in Wien und Prag und ®. Freytag in Leipzig]. Preis gebeftet 2 M.

Brieflaften.

Herm id. Br. . . . in Altbrandenburg. In der Nationalsftg. 49 ©. 305 fteht auf der erften Spalte gebrudt:

„Das Hauptziel jeder brittifhen Megierung in Südafrila ift, unfere Stellung als vorherrfhender Staat (paramont state) zu erhalten. Es macht nicht aus, ob wir und Suzerän oder Paramont nennen ꝛc.“ Gie haben Ihrem Gegner gegenüber volllommen Recht, daſs in dem bervorgehobenen Worte (fei e8 mit Tateinifchen ober deutſchen Buchſtaben gebrudt) binter dem o ein u hätte binzugefügt werben müſſen.

Herm Prof. Dr. Edrard in Nürnberg. Ihren Aufſatz Hoffe ich ſchon im nächſten Heft zum Abdruck bringen zu können,

Ham Fr. 8. ... in Münfter: Das „Überwahungspflichtige Rindvieh“ (in dem Münfteriihen Anzeiger vom 6. Juni d. J. Nr. 151) entlehnt aus dem Reichs— geſetz ift nicht unrichtig gebildet, aber gehört allerdings zu den langathmigen und fhwerfälligen Bufammenfegungen, die nicht als wirkliche Bereicherungen des beutfchen Sprachſchatzes zu betrachten find Ich babe mich darüber wiederholt in der Zeitſchrift auögefproden, vgl. Sie auch im laufenden Jahrg. den Auffag von 2. Seanneret, namentlih die Schlufsbemerkung S. 90, und eben Sie in meinem Wörterb. II. S. 538 und Ergänz.-Wörterb. S. 3850/63 zahlreiche (aber umerjchöpfliche) Beifpiele der Bu- fammenjegungen von Pfliht und pflidhtig.

Herrn Karl Sempel, vereid. Sachverſtänd. für Stenograph. und Schriftleiter der kurzſchriftl. Babelöberger Blätter in Eharlottenburg. Mit verbindlichem Dant für die freundliche Zuſendung der monatlich ericheinenden „kurzfchriftl. Blätter“, von denen jet die Nr. 6 des 9. Jahrg. für 1896 zum Jahrespreis von M. 1,50 erfchienen ift, muſs ih von einer Beſprechung als außerhalb der enggezogenen Grenzen meiner Zeit ſchrift liegend abſehen. Freundlichen Gruß.

Den Brüdern Kudwig und Wild. R. ... in Hamburg. Ich theile durchaus die Anficht, die Karl Frenzel in dem Feuilleton der Nat.» tg in Nr. 345 in Bezug auf die Anfrage ausgefprocden hat, die Sie an mich richten. Ich will daraus, nicht bloß für Sie, wenigftens das Folgende herſetzen:

„Wenn es nad) jeinen [de Publitums]) Wünſchen ginge, müfsten die Zeitungen die Lebensläufe aller berühmten Perfönlichleiten immer bereit halten, um fie in dem

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geeigneten Augenblif [nad dem Borangegangenen in fürzefter Frift nach dem Hin- fcheiden des hervorragenden Mannes] veröffentlichen zu lönnen. Das Einfeitige, Flüchtige, Ungenügende und Schiefe einer ſolchen eiligen Berichterftattung, der jede genauere Beobachtung, Verdichtung des Materiald auf das Wefentlihe fehlt, wird nicht beachtet, e3 genügt, daf8 die Lefer einen Tag lang über den „berühmten“ Mann, je nad ber Tonart ihrer Zeitung, mitzureden im Stande find.“

Herrn Dr. Mid. Hofendbaum in Berlin: Berbindlihen, freundligen Dank fir Ihre gütige Einfendung, die ich bier folgen laſſe:

„Die | Witsige | Tyrolerin. | | Eine Wochenſchrift. | [Bignette.] | | Nütn- berg, | In Commiffion zu haben, in Joh. Jac. Bauers | Buchhandlung, 1765. |

Aus der Borrede:

„Wer die Tyroler-Mädgen lennet, wird wifjen, dais ihr Umgang angenehmer als mancher Fräulein Schlender oder Mademoifelle Andrien ift. Sollte jemand das unbe— fonnene Urtheil fällen, ic bätte meiner Tyrolerin Handelwaaren [sie!) aufgeladen, welche ihrem Beruf nicht gemäß ift [sic!]; dem gebe ich zu bedenken, daſs aud zuweilen das Hoch⸗Erbare Frauenzimmer mit einer phyſilaliſchen Betrachtung über die Natur der Hermapbroditen, oder fogenannte Zwieborn unterhalten wird.“

Ich erlaube mir hierbei, darauf aufmerlfam zu machen, daſs ich in meinem „Wörterbuh” und in deſſen „Ergänzung“ planmäßig mir nur die möglichſt voll fändige und erſchöpfende Behandlung des zu dem allgemeinen ſchriftdeutſchen Sprachſchatze Gehörenden zur Aufgabe gemacht umd die unerfhöpfliden Buiammenfegungen und Bildungen mit Borfilben, welche v. beiden Klafien fih ins Unendliche mehren lafjen, ohne eine wirllide Bereiherung des ſchrift— deutfhen Spradihakes (von Luther bis auf die Gegenwart) zu bilden, fo wie alles mehr oder minder nur Mundartliche nur nebenbei und in einzelnen Beilpielen berüdfichtigt habe. Ich darf vielleicht die Schlufsverfe aus Platen’8 Epigramm: „Santt Peter“ herſetzen (II &. 280), die mir dabei vorfchwebten:

„Mäßige Tempel... ., nicht riefige bauten die Griechen, Wo Jahrhunderte dran füdeln, wie kann es gebeihn ?“

Um nun aber nach dieſer Abſchweifung auf Ihre gütige Mitteilung zurüd: zulommen, bemerle ich, daſs die mundartlihen Nebenformen für das heutige fchrift- deutſche Zwitter auch in meinem Wörterb. und deſſen Ergänzung nicht ganz unerwähnt geblieben find. Sehen Sie gefl. in meinem Wörterb. I ©. 2673, wo es unter den Bujammenfegungen von Darm (mit dem Hinweid auf deſſen Nr. 2) beikt:

Bwiedarm: (mundartlich) Zwitter, Halb unentichiedener Menſch. Schmeller [1, ©. 396].

Ich fee für Sie die Stelle aus Gchmeller etwas vollftändiger ber:

„Der Darm, wie hochdeutſch; fig.: Ding, das im Verhältnis zur Breite oder Dide allzulang ift,...... Der Wödarm, Menſch, der keinen Schmerz ertragen kann; Knider, Fig. . .; der Zwidarm, der von zwei Dingen, von denen er eigentlich eines fein follte, weder das eine noch das andere ift oder recht ift; Grenzbewohner, Zwitter, Hermaphrodit. In diefem letztern Sinn hat das Boc, von 1482 zwiborn; gl. a 572 zwitara nothus; o. 458 zuitb arm hibris.”

Weiter Heißt e8 in meinem Wörterb. III ©. 1806 b in der Anm. 21 zu Zwei:

„Switter, abd., mhd zwitarn (zwidorn), daraus mundartl.: Zwie-Darm

(f. d. u. Schmeller 1, 396; 4, 299!) und Zwiſchdorn Ryff [Chierbuch Alberti Magni 1545] 185,“

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. welde Stelle ih aud im Wörterb. III S. 1815 c (f. dort die beachtendwertben Beleg- fielen für die dort allgemein angegebene Bedeutung: „ein Weien, dad und in fo fern e8 an der Natur zweier verfchiedenen Arten Theil bat“) volftändig angeführt babe: Den Strauß halten Etliche einen „wiſchdorn“, nämlich für einen halben Bogel und ein balb vierfüßig Thier

und im Ergänz.-Wörterb. ©. 691 b die beiden Stellen aus ben von Heinr. Kurz heraus⸗ gegebenen „Simplicianifhen Schriften”: „Wiewol ich kein Weuter, fondern nur ein Zmwidder zwilden ihnen und den Mufquetierern bin" 1 &. 280° und: „Das andere Geichleht [Sprahmenger), fo Zwickdärm oder Zwitter* 4, 380° und nun zum Schluſs des alten, wadern Joh. Leonh. Friih Teutſch-Lat. Wörterb. (1741) II ©. 489b: „Bwitter, von zwey. Zwidder Alber. ad voe. Maus androgynus, der beyderley Geſchlechts ifl. vulgo Zwidern hermaphroditus” (vgl. Regifter p. 48 b) und des Altmeifterd Adelung's Wörterb. der bochd. Mundart (1786) V Sp. 476 unter Zwitter die Anm.: „Dieſes Wort ift gleichfalld von zwie, zwey. In einigen ge meinen Mundarten lautet es im der eigentlichen Bedeutung: Zwiedarm, Zwiedorn, Bwiddorn.”

Ich hoffe, dajd Sie in dem Borftehenden einiges für Ihren Zwed Brauchbares finden werden. Mit beftem Gruß. Ihr hochachtungsvoll ergebener Dan. Sanders.

Herm Chriſtoph Bo. . . . in Hannover. Gie machen darauf aufmerkfam, dafs in dem erften Auffage in Nr. 332 der Nat.-Ztg. folgende Formen der Mebrzabl von Anwalt und Zufammenfegungen binter einander vorlommen :

„Sur Bermeidung der übermäßigen Anfammlung von Rechtsanwalten in den großen Städten „Ob und wie viel Anwälte” „Wo man noch Anwälte braucht.” „Ernennung der Rehtsanwälte‘ und Gie fordern mid auf, bier in der Zeitfchrift aus einander zu feßen, welhe Form die richtige je. Ih fann Sie aber nur auf mein Wörterb. III &. 1468c verweilen, woraus id bier kurz zufammen- gefafjt das Folgende herſetze:

Anwalt... = Sachwalt, Sahmwalter ..., oft, namentlich bei nicht juriftifchen Schriftftellern unrichtig mit d als Auslaut ... .; im Mehrzahl mit und obne Umlaut, 3. ®.: a) in der Einzahl Anwald, mit Belegen aus Ehamifjo, Freiligrath. Bon diefem Anwalde. Leffing; Anwald und: Ohne Anwald’s Hilfe. Schiller Mar. Stuart (im der Ibändigen Ausg. geändert in „Anwalt's“); Schlegel's Shaleip.; Thümmel ... Mehrzahl, 3. B. b) Anmolte, bei Wil. Aleris; Börne; Enfe; Varnh. v. Enfe; Her. Gotthelf; Schlegel's Shafefp.; Job. Heinr. Voß. ce) Anwalde bei Klopſtoch: Mufäus; Tieck. d) Anwälte, bei Droyfen; Gutzlow; Herder; Heine; Scerr; Wieland. e) Anwälde, bei Peſtalozzi; Sealsfield.

Die unter e gegebenen, dem Borangegangenen entfprechenden Belege für Zufammen- fegungen Tann ich bier füglid übergehen.

Alte für die Beitfhrift ſelbſt beſtimmten Iufendungen wolle man un- mittelbar an den Seransgeber nad Altfirefit in Meklendurg, dagegen die für den Amſchlag oder als Brilagen Beflimmten Anzeigen an deu Ber- feger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nähfte Sefl müſſen jedes Mal Bis ſpäteſtens zum 1. des Monats in den Händen des Serausgebers fein; and Bittet er, in Bezug auf den Amfang, die Maumverhältnife der Zeitfhrift im Ange zu baften.

Schweiter:Seele. Roman von Ernft v. Wildenbrud. Stuttgart 1894. (J. G. Cotta Nach.) (Schlufs, f. Heft 4 S. 125—138 Nr. 1-67.)

68. Sie war in einem Zuftande beftändiger Gerührtheit, fo dajs Freda ihr den Beinamen „Thränenreſervoir“ zulegtee ©. 248, ſ. in meinem Wörterb. II S. 813a unter rühren 13 „im adjeft. Partic. Paſſ.“ zu 5d und e (f. d.!) und dazu die (als jelbftwerftändlid nicht immer be- ſonders aufgeführte) Fortbildung auf =heit, wie bier 3. B. aud: Zu der unter Thränen lädelnden Gerührtheit. Nat.-Ztg. 48, 313 u. o.; auch mit dem Gegenjag: Ungerührtheit. Für Thränenrejervoir (ſ. Fremdwörterb. II ©. 434 a) hätte hier vielleiht als Spottname (neben: Thränen- Behälter :c.) aud 3. B.: Thränen-Quelle, «Urne ꝛc. ge- jegt werden können.

69. Darum ging fie, wie eine mit Bormwurfftoff geladene Kanone umbder. Wäre die Kanone losgegangen, jo hätte e8 einen fürchterlichen Knall gegeben; denn die ganze Geſchichte war doch zu unfinnig und ver- dreht! ©. 249, vgl. für die eben nur ſcherzhaft für den Augenblid gebildete Zujammenfegung VBorwurfsjtoff etwa das unter ©. 173 Nr. 5 Gejagte.

70. Aber nun ging ein Tag nah dem andern um, nun rüdte die Abreiſe näher und näher ꝛc. ©. 249, vgl. in meinem Wörterb. 1 S. 5634,

wo id unter dem trennbar zufammengefegten umgehen (mit dem Ton auf der Borfildbe) am Schluſs von Nr. 1 gejagt habe: „Wie das Jahr umgeht jeinen Kreislauf vollendet, auch in Bezug auf einen Theil: Acht Tage waren umgegangen. Linck Schlangen 76“; aber dieſer mit der Stelle bei Wildenbruh übereinftimmende Gebrauch ift doch wohl nur als munbdartlid zu bezeichnen; in der allgemeinen Schriftiprade wird man wenn mic nicht Alles täuſcht —, wo es fih in Bezug auf den Verlauf einer Zeit, nicht um einen im fi geichloffenen Kreis, wie bei dem „Umlauf* eines Jahres ꝛc. handelt gemeinhin nur jagen: die angegebene Zeit gebt hin, gebt dahin, vergeht (vgl.: verläuft, verftreidt.zc.), nit: fie gebt um.

71. So fam es, daſs fein Name nicht mehr genannt wurde, dafs er verhallte und verjhallte ©. 250, vgl. für die Neimverbindung oben (Heft 4) ©. 126 Nr. 3 und die dort angeführten Stellen.

Zeitſchrift f. deutſche Epradie, X. Jahrg. 13

12

72. As fie fie [die Kleider] zu Haufe einpadte, waren fie ihr ganz ſchön, jogar recht ſchön erſchienen. ©. 265. Obgleih auch von feinhörigen Schriftjtellern der unmittelbare Zujammenftoß zweier „jie” nicht immer peinlih vermieden wird, jo würde doch im Fällen, wie hier, eine Umſtellung meiner Anfiht nad ſich wohl empfehlen: Als jie zu Haufe jie einpadte ꝛc. Aufmerkſam machen möchte ih bier auf recht als Steigerung des vorangegangenen ganz, f. in meinem Wörterb. I ©. 539 bh unter ganz Nr.5 und vgl. ITS. 673b unter I redt Nr. 2c, wo auf ganz Mr. 5 hätte verwiejen werden fünnen oder jollen.

73. Indem Papa Nöhring aufftand, machte er den zunächſt Sitzenden jeine Verbeugung, um ihnen nah deutiher Sitte gejegnete Mahlzeit zu wünſchen. Freda bemerkte, dajs man feinen Gruß einigermaßen überrajcht anjah und kaum erwiederte. Das Ärgerte fie wieder. War der jchlidte alte Mann diejen Leuten nicht gut genug? Sie wujste eben noch nicht, dajs man in andern Yändern die jchöne deutihe Sitte nicht fennt, ſich gejegnete Mahlzeit zu wünſchen, dafs andere Nationen es vorziehen, fich ftumm an den Tiſch zu jegen und ftumm wieder aufzuftehen. ©. 266.

Diefer Unterſchied zwiſchen deutiher Sitte und der anderer Völler ift vielfah erwähnt, ich verweiſe a. B. auf den beutjch-franz. Theil von Sads-Billatte ©. 1141c/2a, wo es heißt:

„ih wünſche Ihnen eine gejegnete Mahlzeit, geiegnete Mahlzeit (oder F [d. h. familiär] proſ(i)t Mahlzeit, F Mahlzeit! in Frankreich nicht üblich), etwa bonne digestion!* und auf Langenſcheidt's Nothwörterbuh der engl. und deutihen Sprade. Theil III. Sachwörterbuch S. 385, wo man unter dem Titelfopf: Mahl— zeiten tie Bemerkung findet:

„Geſegnete Mahlzeit“ oder: „Guten Appetit“ hört man in England niemals wünſchen, dagegen jagt man das Tifchgebet (grace) vor dem Ejjen und das Dankgebet (returns thanks) nad demjelben.“

Ich Habe aber der Stelle aus Wildenbruch Hier einen Pla einge- räumt, weil id wohl nit mit Unrecht annehme, dajs unter Deutſchen und Ausländern viele Leſer der Zeitihrift gern von diefem Unterſchied deuticher und nichtsdeutiher Sitte hören oder wieder hören werden. Vielleicht giebt aud meinem verehrten Mitarbeiter Herrn Dr. H. Schrader das Vor— ftehende eine Anregung zu einem jeiner von allen Lejern immer aufs freudigfte begrüßten Auffäge.

Erwähnen möchte ich jhlieglih noch (außer dem Hinweis auf mein Wörterb. 111 ©. 2726a unter „Mahlzeit“ (b und c), dajs der trefflidhe Joh. Hein. Voß gewiſs mit herzliher innerer Freude die echt deutſche Redewendung unverändert, nur durch ein zweifilbiges Anredewort

163

eingeleitet, in jeiner Yuije zu dem von ihm jo geliebten und unferer Sprade dauernd einverleibten Herameter benugt hat:

Kinder, ih wünſche euch Allen nun eine gejegnete Mahlzeit.

74. Bier nun zum erjten Male fam ihr eine Ahnung von dem dunklen großen Etwas, das man „Muttererde“ nennt, eine Ahnung, dais ungzerreißbare Bande uns an die Scholle binden, die uns geboren bat x. ©. 267, j. mein Wörterb. I ©. 372c, wo unter den Zuſammen⸗ jegungen von Erde ſich Muttererde in zwei andern Bedeutungen findet, aber die hier geltende (— Geburtsland, Heimatiland]) zc. nachzutragen wäre.

75. „Er bat jo Etwas von einem Dandy,” fuhr der Negierungs- rath fort, „beinahe, wie man heut zu Tage jagt, von einem Gigerl,“ man vgl. über dieje in der jüngjten Zeit aus Wien in die allgemeine deutjche Schriftiprade eingedrungene Bezeihnung z. B. in dem enchyklopädiſchen Wörterb. der engl. und deutihen Sprade (1891) Theil I von Muret 1891 ©. 625c, wo es unter dandy in Nr. 1 heißt:

„Dandy m. Stußer m., feines Herrhen; Gef m., Gigerl m,, Modenarr m.“ Ich füge für dies mit feinen Fortbildungen 3. 2. in Hügel's befanntem Bub: Der Wiener Dialeft. Lerifon der Wiener Volksſprache. (1873) noch nit zu findende Wort noch einige Belege bei:

Der Gigerl, der in Amerifa Yohnnies heißt. Nat.-Ztg. 46, 209 [vgl. bei Muret a. a. O. ©. 1195b: „Johnny ... . (pl. Yohnnies): Spikname, den die füderaliftiihen Soldaten den Südftaatlern beilegten; (in Amerifa) Giger! n, Stußer m. (der bejonders Schaujpielerinnen nadhläuft) ꝛc.“. Das Gigerl, Nat.-Ztg. 46, 184 (Hopfen, zweimal); giglerbaft. 47, 444. Die englifhen Gigerlfähne [Schuhe], in denen auch die Zierlihgeborene ungeheuerlihe Plattfüße hat. 46, 18. In Gigerl— ſchritt. 46, 27; Das Gigerl. Grenzboten 53, 1, 642; 647 u. ä. m.

76. In der fremde ift der Deutjhe ein anderer Menſch als bei fih zu Haufe Nicht, dajs ihm der Fremde immer jympathiich wäre, im Gegentheil, manchmal ift er ihm durchaus unangenehm und gegen den Strid ; aber Das ändert Nichts an der Sade, er imponiert ihm unbedingt ꝛc. ©. 278

Diejen wenigen Zeilen (die allerdings nicht eigentlih in meine „Zeitihrift für deutihe Sprache“ hinein gehören) habe ich in diefer das Plätzchen doch nicht verfagen wollen; aber Wildenbrud füllt auch noch faſt die ganze folgende Seite mit Darlegung feiner Anfiht über dieje Eigenart der Deutjden. Mit Nüdfiht auf den Raum mujs ih mid) begnügen, für die Lejer, die gern die Darlegung und die Begründung dieſer feiner

Anſicht hören möhten, auf den Roman ſelbſt zu vermeijen. 13*

164

77. Das [das Effen der Fadennudeln] ift ja eine ganz unmenſchliche GEiferei. ©. 289, ſ. Wörterb. 1 ©. 378c, bier etwa: ein mit Schwierigkeit verbundenes Eſſen ꝛc.

78. „Gefällt es Ihnen in Stalin?“ ... Aber ſehr. ©. 290, ſ. Zeitiär. !I ©. 259/60 u. ö. (ſ. Inhaltsverz. zu den folg. Yahrgängen, 3. ®. III und in diefem Hefte ©. 173 Nr. 3).

79. So dajs das Ganze... beinahe wie ein gläjerner, von innen leuchtender Berg ausjab, von denen man in den Märden von Tauſend und einer Nadt ſſ. hierzu Zeitihr. I ©. 454/5 und VI ©. 113 Nr. 12] lieft. ©. 297. Der Berbindung: ein... Berg [Einzahl] .. von denen [Mehrzahl] zc. liegt eine fogenannte „Fügung nah dem Sinn“ ſſ. diefen Zitelfopf in den Hauptihwier. ©. 156—160 und insbejondere Nr. 2, ©. 159, vgl. das dort weiter Angezogene] zu Grunde, in dem aus dem Hauptwort in der Einzahl dem Sinne nad dasjelbe in der Mehrzahl zu ergänzen ift, vgl. als ganz gewöhnlih und allgemein üblih 3. B.: Er ift ein Mann, wie e8 deren [sc. der (oder folder) Männer] viele (oder: zu Dutzenden zc.) giebt u. ä. m.

80. Diejer geihniegelte und geftriegelte Patron mit dem auf- gewidsten Schnurrbart. ©. 302, vgl.: In der gejhniegelten, ge- bügelten, parfüimierten Toilette des neunzehnten Jahrhunderts. S. 308. Weil er einen wohlgebügelten und geihniegelten Anzug, einen aufs gewidhsten, parfümierten Bart trug. ©. 339, f. (Heft 4) ©. 126 Nr. 3 (Schluſs) und Berstunft ©. 69a ($ 121la 3. 33).

81. Alſo verrauſchte und verbrauste die ganze Sturmfluth der Empfindungen lautlos nad innen. ©. 302, f. über dieſe Verbindung durch den Gleihklang (j. Heft 4 Nr. 3, Schluſs) Hier dur die Affonanz oder Übereinftimmung des Inlauts meinen Abriſs der Verskunſt 8 92—98, inſonderheit $ 97 und vgl. bier Nr. 83.

82, Die gezückten Meffer in der Fauft, jo dajs die nadten Klingen in der Sonne auflehzten, wie Zungen, die nad Blut dürften. ©. 307, ſ. lechzen und aufledzen Wörter. II ©. 70c; Ergänz.-Wörterb. ©. 3388.

83. Daſs in dem großen weiten Naume ein dumpfes Summen und Surren war. ©. 311, wo zu der in Nr. 81 erwähnten Afjonanz auch noch die Anfangs-Allitteration (j. Verstunft $ 67; 8 96 und 8 104) als verbindender Gleichklang Hinzutritt, |. u. Mr. 94; 97.

84, „Aber jo feien Sie doch nicht jo!“ ©. 320. Über die beiden bervorgehobenen jo (weldes Wort ih in meinem Wörterbub als eins bezeichnet habe, das in dem geplanten, aber nicht ausgearbeiteten Wörter: buch der Formwörter eine ausführlihe Behandlung finden jollte) will id

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bier bei der fih jo bequem darbietenden Gelegenheit wenigftens in aller Kürze das Folgende bemerken: Das jo am Schluffe (vgl. in demielben Sinne, nur noch gewöhnlicher: „Haben Sie Sih doch nit jo!“) ift dur eine jogenannte Ellipfe zu erklären (wonach etwas bloß Gedachtes unausges ſprochen bleibt und von dem Hörer ac. ergänzt, d. h. hinzugedacht werden muss): jeien Sie doch nit fo [wie Sie jest in der That find oder Sich zeigen). Haben Sie Sid doch niht jo [, wie Sie Sich jet haben oder behaben, benehmen], d. 5. im vorliegenden Falle: jo zimperlic.

Auch das erjte jo beruht auf einer Ellipfe, entiprehend dem einen Nachſatz einleitenden jo (j. in meiner Schrift: „Satzbau ꝛc.“ das jo im Smbaltsverzeihnis!), etwa zu ergänzen: da die Sache einmal jo liegt, id) jo verhält, jo u. ſ. w.

85. Das Lächeln ſ. Wörterb. II S. 3] auf feinem Gefiht war zu einem Grinſen geworden, zu einem frech vertrauliden gemeinen Grinien [j. ebd. IS. 628c]. „Fräulein Kompagnon, id gratuliere.“ ©. 322.

86. Als würde er jih über fie ftürzen und ihr Gefiht bededen und befleden mit plumpen, dien, fcheußlihen und abicheulihen Küffen. ©. 323, ſ. Heft 4, ©. 126 Nr. 3, Schluſs.

87. Wir wollen doch nit fo ein Zwanzigfrancsftüd nah dem andern eingrapjen [vgl. Wörterb. I ©. 118a, Ergänz.-Wörterdb. ©. 235b], ©. 327, vgl. einftreihen als minder gemeinen Ausdrud.

88. Sie hatte fih ja vorgenommen, zu vergefjen, hHinwegzuleben über das graulige Erlebnis, als wäre es nit dageweien. ©. 337, |. die Zufammenjegungen von leben (Wörterb. II ©. 66a; Ergänz.-Wörterb. ©. 3366), hier nachzutragen als eine nicht eben gewöhnliche Bildung im Sinne von: dur das Yeben über Etwas hinwegkommen.

89. Weil fie geglaubt hatte, er wäre ein „engliiher Lord“, irgend ein bedeutender Zremdländer. ©. 338 ftatt des üblihern Ausländer, vgl. Wörterb. II S. 20a.

90. Sant fie auf den Stuhl... und hängenden Hauptes ſaß jie alldort. ©. 341, vgl. Wörterb. 1 ©. 309c, wofür es beute wohl übliher bloß dort hieße, und aud der Ausdrud hängenden Hauptes (ſ. Wörterb. I ©. 688 a Nr. 1d) ift nicht eben in der heutigen Sprade jehr geläufig; täuſcht mich mein Gefühl nicht, jo würde es übliher lauten: das Haupt hängen lajfend oder: gejenktten Hauptes.

91. Den Spaß wollen wir ihr nu mal niht maden. ©. 342, |. Wörterb. II S. 450a: „ftatt des in der Schriftſprache heute gewöhnlichen nun, aber nod allgemein üblih in der Volksſprache und im Ton bderjelben auch in der Schriftiprade*.

92. Es war ja, als wenn Einem der Boden unter den Füßen wippte ſſ. Wörterb. IIl ©. 1624a und Ergänz.-Wörterb. ©. 6414) und federte [j. Wörterb I S. 422b Nr. 3 und Ergänz.-Wörterb. ©. 195b] S. 349.

93. Immerfort zu den beiden Alten zurüdblidend, als wollte fie fih vergewiffern, das feiner davon verloren gegangen fe. ©. 349 von ibnen |da es fih niht um etwas Sadliches, Sondern um Perfonen handelt].

94, Alles... brummelte und brodelte [j. o. Heft 4. Nr. 3, Schluſs und in Bezug auf die gemeinſame Anfangs-Allitteration Nr. 83; 97) in lauter ftiller Freude, Zufriedenheit und Beglüdtheit. ©. 349, wo vielleiht vorzuziehen wäre: in eitel ſtiller Freude, weil der Form nad lauter [j. d. Wörterb. II S. 62a Nr. 2] nit bloß als uns» veränderlihes Beiwort im Sinne von ganz ꝛc. aufgefafjt werden fünnte, jondern aud als weibliher Dativ des Beimorts laut, was freilih im Widerfpruh ftände mit dem unmittelbar folgenden ftill.

95. Um für fih und für feine Thereie für all die Piebe zu danken [ogl. Hauptihwier. ©. 3a Nr. Tb, beffer: um im eignen Namen und in dem feiner Thereje für zc.], die ihnen in fo überreihem Maße zu Xheil geworden jet und die fie „in aufridtig gerührten, treubewahrenden Herzen“ (Mehrz., vgl. mehr im Geift der deutſchen Sprade (j. Heft 4, ©. 132/3 Nr. 33) in der Einzahl: in aufrihtig gerührtem, treubewahrendem Herzen oder auch mit dem unbejtimmten Gejhlehtswort in einem... gerührten, treubewahrenden Herzen] hegen, pflegen [j. Heft 4, ©. 126, Nr. 3, Schluſs] und weiter tragen würden.“ |

96. Percival brach wie ein junger Sturmwind herein, jeine Thereſe an dem einen, die „Karyatide“ [Nanetthen]) am andern Arm. Hinter ihnen erihienen ein Dritte und Viertes [j. Heft 4, S. 126 Nr. 1], Mutter Wallnow und Herr NRehtsanwalt Fehler. S. 359.

97, Dificiellerweije ift er fort, futſch [f. Heit 4, ©. 138 Nr. 61] und heidi ſ. Wörterb. I ©. 725al. ©. 360. Vgl. über die dur den Gleichklang (hier durch die Anfangs-Allitteration) verbundenen beiden erjten Wörter Heft 4, S. 126 Nr. 3 (Schlufs) und infonderheit Nr. 83; 107.

98, Und, wenns jhummerig [j. Wörter. III ©. 1023a/b; Ergänz.-Wörterb. S. 465a], dann wird der Hut aufgejegt und dann geht's raus. Und nad einer Stunde zwei ſſ. Wörterb. I ©. 353 b unter Il Ein, Anm. le und Hauptihwier. S. 120b—122 unter Ein Ta—h] ift er ſchon wieder zurüd. ©. 361 (Worte der Wirthsfrau im Zon der Volksſprache).

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99, Ich [der eben verheirathete Negierungsrath] habe ein paar Wochen Bummelurlaub. ©. 362 Urlaub, den ih verbummeln fann, ein noch in meinem Ergänz.-Wörterb. ©. 332c unter den Zufammenjegungen von Urlaub nadzutragendes Wort.

100. Wann dem Schottenbauer fein Stüd in Berlin wieder geipielt wird. ©. 362/3, val. Zeitſchr. IX ©. 28/9.

101. Über das Gefiht des ſchweigſamen alten Mannes ging ein Nuden und Zuden. ©. 368, ſ. Heft 4, ©. 126, Nr. 3 (Schlufs).

102, Bercival, der mit zwei Gläfern Limonade erihien, und Herr Major a. D. Bennecke, der draußen „in Seidel" gemacht hatte. ©. 369, ft. getrumfen, eigentlich eine nur burſchikoſe Ausdrudsweife, vgl. Wörterb. II S. 189 unter maden 1, wo dieje aber nadzutragen ift, vgl. ©. 192h/c unter maden 3 (intr, haben) in Nr. a, wo es heißt: „faufm: In einer Brande, in einem Artifel machen. .... und danach übertragen mit fomijher Färbung: Von Vielen, die in Batriotismus machen. Freſe Goethe 2, 212. Der Kondukteur machte ſtark in dem Artikel [Bunih] Golf 3, 142, er trank ſtark.

103. Ib arbeite... .. in Steuerſachen an unjerer Negierung ... So bift du mir als Steuerihraubenzieher verfallen. ©. 377, I. Schraubenzieher. Wörterb. 3, 1758c gewöhnlich nur ſachlich, aber hier in der jcherzhaften Zujammenjegung perjünlid von Jewmand, der die „Steuerihraube jharf anzieht“ (j. Ergänz.-Wörterb. S. 4616).

104. „Sie dürfen mir einen Kuſs geben, rau Therefe, geborene Wallnow.“ „Du Laps“ ſſ. S. 312 Nr. 23], erwiederte Thereje, indem fie ihm lachend mit dem Fächer über die Wange ftrid. ©. 378.

105. „Soll ih euch einmal den Franz Moor hinlegen oder Richard den Dritten?" ©. 378; auh ©. 392. Dieje der Bühnenſprache entlehnte Bedeutung vordellamieren wäre noh im Ergänz.-Wörterd. ©. 333 nadzutragen.

106. Es mujfste jein und darım jollte es jein ihre ftarke Seele ftand auf und bijs die Zähne auf einander. ©. 380. Dafs die „Seele“ aufſteht (vgl. jih auf-, emporridtet, ſich aufrafft, auf: bäumt, empört :zc.) widerftreitet dem Sprachgebrauch nicht; aber die Verkörperlichung der Seele, wonad fie „die Zähne zuſammenbeißt“ jcheint mir jedenfall3 in der ungebundenen Rede die Grenzen des ſprachlich Statthaften zu überjhreiten.

107, Wie mit Siebenmeilenftiefeln iprang es [das Bühnenſtück durch Deutihland und, wohin es jprang, da ſchlug es Funken und Feuer aus dem Boden. ©. 381, i. Heft 4, S. 126, Nr. 3 (Schluſs) und bier Nr. 83, 97.

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108, Es war kein jhaumgebadner Erfolg. ©. 381, übertragen vgl. mein Wörterb. und Ergänz.:Wörterb. unter baden 4—6; Gebäd und vgl. außer Schaum auch 3. B. Auflauf 3; Buffer 5 xc. Etwas Schaumgebadenes, ein Shaumgebäd bezeichnet ein Badwerf aus (geihlagenem, gequirltem) Schaum, das hoch aufläuft, aber ſchnell in fih zujammenfintt. Danach bedarf „ein. ihaumgebadner Erfolg“ feiner weitern Erklärung.

109, Den Strom von Liebe . . ., der wie ein lebendiger Quell aus den jungen Herzen aufftieg und jein altes Leben umwärmte und umfing. S. 387, ſ. Ergänz.-Wörterb. ©. 608b, wo das echt zujammengefeßte (auf der zweiten Silbe betonte) ummwärmen erklärt it: mit Wärme umbülfen, umfangen und dazu Belege aus Goethe und Sean Paul gegeben find.

110. Der ift ja jegt der reine Seftierergeift geworden; unter wegs ift er beim Weinhändler ausgeftiegen, um ein paar Flaſchen Cham— pagner zu belen... Du wirft ja rein toll mit deinem ewigen Seft... „Vapa,“ erwiedert er, „joll ein Abend, wie diefer, unbegoſſen bleiben?“ ©. 391. Auf welden wunderlihen Wege das Wort Sekt (entjtanden aus vino secco Trodenbeerwein) in Deutihland als Bezeihnung für Champagner üblich geworden, ift aus Bühmann’s „Geflügelten Worten“ (16. Aufl) S. 218 zu erjehen, ſ. aud mein Fremdwörterb. II ©. 486 b und das dort Angezogene. Das jherzhafte „Sektierergeift“ (im Sinne von Shwärmer für Champagner) gehört zu jenen wohlfeilften Wortwigen, denen Nichts als ein bloßer Wortantlang zu Grunde liegt. Zu (um)bes goſſen vgl. Zeitihr. VIII ©. 351 Nr. 19.

111. Die große, feierlihe Stimmung, die vorhin in diefen Räumen geherricht, verflachte fih und plattete jih ab. ©. 392, in übertragener Bedeutung, die noh im Ergänz.-Wörterb. nicht belegt iſt.

112. Wie ih das [Geld] befam . ... und den Haufen Goldftüde jo darin fühlte hu ganz kalt fam mir das Zeugs vor. ©. 399. Laſs das Zeugs [die alten Papiere] liegen! ©. 410; f. Wörterb. III S. 1735a unter Zeug Nr. 27.

113. Eine Heine flitternde, glitternde Welle. ©. 408, j. Heft 4, ©. 126 Nr. 3 (Schlufs); über glittern (= gligern) j. Ergänz.- Wörterbuch ©. 231b.

114. „Eine Idee, die man wieder vergeffen fann, ift überhaupt gar feine geweſen . .. Sol eine dee... ., fiebit du, Heut zu Tage brauchen fie dafür den Ausdrud, dajs man einen ‚Einfall‘ hat“ er lachte ärgerliid auf „Sold ein dummes läderlihes Wort! An dem einzigen Wort fiehjt du, daſs die Menſchen heut zu Tage gar nit mehr

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wiffen, was Poeſie ift, wie fie entjteht. Ein Einfall! Als ob Einem eine Dichtung einfallen fünnte! als ob fie Einem von draußen wo angeflogen füme! Das, was man eine dichteriiche {dee nennt nun was find’ ih denn nur für einen Ausdrud, um es zu beihreiben fiehft du das ift ein Aufleuchten der Seele, des tiefften Innern, wo man plößlid in Fernen jieht, von denen man feine Ahnung gehabt hat. Na, mit einem Wort, jold eine Idee, das ift eben ein Erlebnis; und ein Erlebnis, das man gehabt bat, niht wahr? - das braucht man nicht erjt aufzujchreiben, das vergifjt man nit.“ ꝛc. ©. 411/2.

Diejem Ergujs eines bier im Roman als gottbegnadeter Dichter Geichilderten habe ih zunächſt um des Sadlihen willen eine Stelle ein— geräumt; aber das Vorftehende fände auch wohl, wenn der Raum dazu ausreidhte, als Beleg paffende Aufnahme in einem Wörterbub, z. B. in dem meinigen, jet es unter Einfall (l S. 398c Nr. 2c) oder unter dee (ebd. S. 8l4da Nr. 1), wobei von dem einen Wort auf das andere verwieſen werden fünnte.

Daſs aber der gottbegnadete Dichter hier und weiterhin wiederholt ein durchaus umnöthiges: „ſiehſt du?” einjchiebt, finde ih nicht grade pafjend. Ich vermutbe, daſs Wildenbruch von dem Dichter, der ihm für die Hauptfigur feines Romans, den Dichter Schottenbauer jo zu jagen als Modell gedient hat, das erwähnte Flickwort als Rede-Einſchiebſel oft genug gebört habe, aber war es wirklih nöthig, daſs er ihm dieſe Schwäche (mie fie fich allerdings zumeilen auch bei geijtbegabten Menſchen findet) in dem Noman aufbeftete, nahdem er ihn fhon, im Gegenjaß zu dem ſchönen ftrahlenden” Percy, als einen Kleinen, häfsliden, unbedeutenden Kerl, als einen Wurzelmann (f. Heft 4, S. 129/30 Nr. 21) geſchildert hatte?

115. „Sie find alio wohl höfliih hinter dem Stüd her?" „Ya, in den erjten Tagen Novembers follte e8 berausfommen.“ ©. 416, hier zur Aufführung fommen, auf die Bühne, vgl. Wörterb. 1 ©. 978a, ähnlich wie (ſ. dort) von erjcheinenden Büchern (auf den Büchermarkt fommen, ausgegeben werden) ꝛc.

116. Einen unabjebbaren Garten... ., wo es aus allen Beten quoll und ſchwoll und fih nit zu laffen wuſste vor treibender Yuft, 1. Heft 4, ©. 126 Nr. 3 Echluſs).

117. & regte und bewegte fih Etwas in ihrem Innern ꝛc. ©. 119, ſ. o., Heft 4, Nr. 3 (Schluſs).

118. Im Vertrauen auf ihre Hilfe hatte er fih in thörichte Ver— ſprechungen verjegt [verwidelt]. ©. 427, j. Wörter. 1 S. 452c; Ergänz.- Wörterd. ©. 202 c.

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119. Das ift ja dem Schottenbauer jeine Handidrift. ©. 428, ſ. Zeitihr. X ©. 29.

120. Die Gedanken Schottenbauer’s waren in roher Weije vernußt; der Vorgang voll tief innerlichen Yebens, den er angedeutet, war zu einem rein äußerlihen Geſchehnis verunftaltet. S. 436/7, j. mein Wörterb. deutijher Sunonymen (2. Aufl.) ©. 31 ff. Nr. 1 und Nr. 7.

121. Heute Abend wird jhon wieder ein Stüd von ihm in Berlin aufgeführt, am königlichen Schaufpielhaus. ©. 440, mundartlid ftatt des allgemeinen ſchriftdeutſchen im, vgl. über die uriprünglih öſterreichiſche Vertaufhung von an (am) mit andern Präpofitionen, 3. B. in Verbin: dungen wie am [ftatt im] Theater, am [ftatt auf dem] Schladtfelde. Der Antrag am [ftatt: bei dem] Bunde. Zeitihr. VI ©. 216, und z. B. in öfterreih. Todesanzeigen, allgemein üblih: „nah abgehaltenem Trauer— gottesdienfte umd erfolgter Einjegnung am [ft.: auf dem] biefigen Friedhofe im eigenen Grabe beftattet zc.,* am [jtatt auf] dem Wege bleiben VII, © 31 Nr. 4uä m.

122, Dieie Feſte . . , wo man... . eine endloje Neihenfolge vers ſchiedener Weinjorten angeboten erhielt. S. 441, mehr nah engliihem als nah deutihen Spradgebraud, wonach es übliher im Paffiv hieße: „wo Einem eine endlofe Reihenfolge verihiedener Weinjorten angeboten wurde“, j. Hauptihwier. S. 68 unter dem Titelfopf: befommen, woraus id Folgendes herſetze:

„Etwas geſchenkt als Gejhenf] befommen. Ich befomme [mir werden] die Bücher zugeihidt ꝛzc. Danach bei Einigen veralfgemeint (ohne bervortretenden Begriff des Empfangens :c.) jogar: Zum Schlufs befomme ih wird mir) nah Neujahr wieder abgenommen, was ich zu Weih— nadten erhalten babe ꝛc., jo auch friegen und erhalten, als nit nach— ahmungswerthen Anglicismus“ und weiter die drei genannten Zeitwörter in meinem Wörterb. (mit Belegftellen).

123. Noch nie war es ihr jo fürchterlich ſchwer geworden, ſich an der Heinftädtiihen Vergnügtbeit zu betheiligen, die nad jedem Gange [beim Feſtmahl] lärmender wurde. ©. 441, j. Ergänz.-Wörterd. ©. 233 a unter vergnügen 5d das Bergnügtjein mit Belegen, wozu aud noch Wildenbruch's Roman „Eifernde Yiebe“ ©. 188 gefügt werden fönnte. In der vorliegenden Stelle nahe grenzend an den ſubſtantiviſchen Infinitiv (j. a. a. O. Nr. 6) das Vergnügen.

124. Yet hielt die Droſchke an, vor ihrem Haufe bielt fie an; einen Wugenblik no, dann wurde der Schlag von innen geöffnet; aus dem Innern ftieg Jemand heraus, ein Mann, ein fremder Mann, der

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leife in den Wagen bineiniprab, zu Dem oder zu Denen, die jid im Wagen befanden.

Der hervorgehobene Schluſs ift in der Sprade des Gerichts ge— halten, wonad bei einem von Gerichtswegen eingenommenen Augenſchein über alle dabei wahrgenommenen thatfählihen Umſtände nicht eingehend und beftimmt genug mit peinliditer Genauigkeit Bericht erftattet werden fann. Syn einem ſolchen Beriht durfte niht unausgeiproden bleiben, ob der Ausgeftiegene jeine Worte nur an eine einzelne Perſon im Wagen oder an mehrere gerichtet habe. Vom jpradliden Standpunft aus will ic bierbei bemerken, daſs bei der Zufammenfafjung des legten Relativſatzes die Mehrzahl des Zeitwortes in dem Schlujswort einen freilih ent- ihuldbaren und leicht verzeihliden Anjtoß enthält, da der Plural be- fanden nur zu dem zunächſt ftehenden „zu Denen“, nicht zu der vor- aufgegangenen Einzahl „zu Dem“ pafjt. Diejen Heinen Anftog hätte der Schriftſteller vielleiht vermeiden fünnen dur die Umgeftaltung des Schluſs— ſatzes, wobei zugleich der von einem Nelativfag erjter Ordnung abhängende Nelativfag zweiter Ordnung befeitigt wäre, etwa fo: „ein fremder Maun, der leife zu dem oder zu den Inſaſſen des Wagens hineinſprach.“ Aber Das nur nebenbei, da es fih bier niht um die Ausdrucksweiſe eines gerichtlichen Berichterjtatters handelt. Für den Romanſchriftſteller hätte es meiner Anfiht nad genügt, einfach zu jagen: „ein fremder Mann, der leife in den Wagen hineinfprad, vielleicht um die Spannung Freda’s auszudrüden und zu begründen mit der Dinzufügung: „Hineinjehen fonnte Freda nicht.“

125. Dieje breite, wölbende Stirn. ©. 451, ſ. Hauptſchwier. ©. 56a über „den medialen Gebraud von Zeitwörtern, zumal im attri« butiven Participium Präjentis :c.“, unter denen neben andern namentlih auch wölbend aufgeführt ift, und im Wörterb. III ©. 1654b, woraus ich bier furz das Folgende herjege:

„2. bejonders oft pajjives Particip . .. . 3. refl.: gewölbt fid aufbauen, erheben, zeigen... 4. zu 3, mit Wegfall des ſich (j. d. F) im adjeftivifhen Bartic. Präf., jehr häufig, faft 2“ mit zablreihen Belegen (ſ. auch Ergänz.Wörterb. ©. 6), denen fih auch die Stelle aus Wildenbruch anjhließt; vgl. bier aus Wildendruh aud Nr. 128.

126. Sein Gefiht war wie vereift in Beſtürzung und Angſt, ſ. Wörterb. Il ©. 358.

127. „Aber num jagen Ste mir, Kindchen, Kindchen, was Sie uns für Geſchichten ſſ. Wörterb. III S. 913b] maden. Halb zu Tode baben wir uns erſchrocken, als wir es gehört, haben." ©. 461, |.

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hierzu im 3. Jahrg. der Zeitihrift den Aufſatz: „Etwas über rüdbezüg- lihe Zeitwörter, namentlih über erihreden und deffen Abwandlung“ ©. 64—66 und befonders ©. 106—113 und außer dem dort Angezogenen Weiteres in dem „abecelich geordneten Inhaltsverzeichniſſen“ meiner Zeitſchr.

128. Ihre Seelen waren es, deren Aufblühen fie vernahmen, die ſich öffneten in ſchauernder Luft und in einander wuchjen mit Faſern, Fäſerchen und jehnjühtig flammernden Trieben. ©. 465 ſehnſüchtig jih an einander flammernden Trieben, ſ. o. Nr. 125.

129. Schließlich nur noch eine jahlihe Bemerkung über Etwas, das ih zum vollen Abſchluſs des Romans ausdrüdlih hinzugefügt jehen möchte.

Am 9. Kap. des 2. Theils (S. 346) hatte der Papa Nöhring jeiner „ſich bemakelt fühlenden“ Tochter Freda auf ihre reuige Beichte gelagt, fie werde erjt dann wieder rein werden, wenn fie fih nit in Stolz ver: härte, jondern fühle, daſs jeder Menſch einmal in die Yage fommen fünne, dajs er ih von Andern Etwas vergeben laffen müffe, und dafs es eine wunderfhöne Sache jei, wenn man fih von einem edlen, guten Menſchen Etwas vergeben laffen fünne.

Meiner Anfiht und meinem Gefühl nah hätte der Berfaffer zum vollen Abſchluſe des Romans es den Leſer in irgend einer Weile beftimmt erkennen laſſen müffen, dais die im Anfang des Nomans, wie eine in der Knoſpe verhüffte und verichlofjene Blüthe, voll jungfräuliden Stolzes und, wie eine Art von Brunhilde, im Gefühl ihrer Hoheit umd ihrer geijtigen Überlegenheit über ihre Umgebung fih gegen Männerliebe gefeit wähnende Freda dur ein ſchmerzliches Erlebnis gereifter Entwidlung und Entfaltung doch ſchließlich durch die geiftige und jeeliihe Schönheit und Hoheit eines gott- begnadeten edlen Dichters umd durch gute, liebevolle Menſchen überwältigt, ihm nicht nur ihre Hingebende Liebe widmet, fondern auch wie früher ihrem Vater nım ihrem Geliebten eine vollftändige Beichte ablegt, weil fie fühlt, „dais es eine jhöne Sade ift, wenn man fih von einem edeln, guten Menſchen Etwas vergeben laffen kann.“

Erft durch einen ſolchen Schlujs und Abſchluſs würde von dem Lejer das Gefühl genommen werden, dafs zwiihen dem Paare dod ein dunfler Punkt bleibt, der die volle Befriedigung ausſchließt.

grau Hilde. Roman von Georg Hartwig (Rat..dtg. 49, 95 fi.). Spradlihe Bemerkungen. 1. „Trog der achten Abendjtunde wehte der Wind noh warm und trug den Blumenduft Heiner Vorgärten mit fi fort.“ Nr. 95. Bier

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ſcheint mir das die beiden Sätze mit dem gemeinfamen Subjeft (der Wind) xc. verbindende und nit ganz ftreng richtig, Daſs der Wind troß der achten Abendftunde noch warm weht, ift ganz richtig aus- gedbrüdt; aber, daſs er da er einmal weht den Blumenduft mit ji fortweht, ift die natürliche Folge feines Wehens und man kann nicht eigent- lid jagen, daj8 er Dies troß der achten Abendftunde thut. keines Eradıtens hätte auf das herporgehobene und ein er folgen ſollen, aljo ein niht zufammengezogener Satz.

2. „Einen jo durchſiebten Hut“ Nr. 95, üblicher und richtiger: einen jo burhlöderten j. mein Wörterb. III ©. 1095.

3. „Werde ich denn willkommen jein? ‚Aber natürlid‘*. |. über dies dem franzöf. mais nadgebildete aber Zeitihr. II ©. 259; VII ©.173/4 Nr. 15 u. ö., f. o. im vorliegenden Hefte, S. 164 Nr. 78.

4. „Wendjtein jprang, von diefer rüdfihtslofen Hinterwäldlerei entjeßt, auf.” Nr. 98 = Grobheit, Ungeſchliffenheit zc., wie jie dem Weſen eines Hinterwäldlers gemäß ift, ſ. Hierzu und zu ähnlichen Fortbildungen mein Wörterb. III ©. 1464c; Ergänz-Wörterb. ©. 6028.

5. „Zwiſchen der rau Landſchaftsſyndikus Röhling und Herrn van Emden beitand eine Scheffelialzverwandtidhaft... Ihres Viertels- vetters.“ ©. 101. Bgl. Wörterb. III ©. 845a, wo es unter Salz in 1b heißt: „einen Sceffel Salz eſſen an einem Ort [lange dort verweilen], mit Jemand [lange mit ihm umgehen, jo dafs man ihn genau kennt) ac.“ und ferner 1I ©. 55a unter weitläufig in Nr. 2 heißt: „weit auseinanderlaufend, von einander entfernt, nicht nahe zufammenftehend: . . . Eine weitläufige Berwandtidaft; man braudt einen Sceffel Erben, um fie abzujäen; ein weitläufiger Vetter“, wo Erbjen üblicher und richtiger als Salz ijt, da man wohl Erbien und zwar ‚dünn‘ ſäet (j. Wander Spridwörterler. I Sp. 833 Nr. 11), aber nit Salz. Solche allgemein üblihe Wendungen gehören wirtlih ins Wörterbuch, und danach kann man auch in der Umgangsſprache füglich ſcherzhafte Zufammenjegungen bilden, deren Sinn man, da man ihn, fih aufs halbe Wort verjtehend, bei der unerihöpflihen Zulammenjegungsfähigteit unjerer Sprade, aus dem Zu- jammenhang erräth; und aud der Schriftfteller mag, wo er fi im Zone der ſcherzhaften Umgangsiprade bewegt, jolde Zujammenjegungen ver: wenden ; aber der Verfaffer eines deutichen Wörterbuches wird von derartigen Zufammenjegungen nur vielleicht ein oder das andere Beiipiel geben, aber nicht das Unerfhöpflide in einer ausjchlieflih abecelihen Anordnung er- jhöpfen wollen, worüber id mid) in der meinem Wörterbud vorangejchidten „Anleitung zum Gebrauch“ (j. Hergehöriges auf dem Umſchlag des 1. Bandes vom 23. Aug. 1867) und öfter bier in ber Zeitihrift ausgefproden. Die

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bier von dem Bf. gebraudten Ausdrüde: Scheffelfalzverwandtidaft und Biertelsvetter für „weitläufige Verwandtihaft und Berwandte“ boten mir eine erwünjchte Gelegenheit, wieder einmal auf die für ein wirklich volljtändiges deutſches Wörterbuh vor Allem zu beachtende, aber zumeift außer Acht gelaffene Anordnungsweife hinzuweiſen (j. die folgende Nr.).

6. „Unſer Chriſtenthum ift nur ein veredeltes Judenthum und ein verumedeltes Heidenthum,” j. mein Wörterb. I S. 341b, wo umter dem Grundworte „edeln, tr. edel machen“ die gewöhnlichen Zuſammen— jegungen veredeln und deſſen Gegenjag: verumedeln unmittelbar hinter einander behandelt find (j. d. vorhergehende Nr.) und vgl. Ergänz.«Wörter- buh ©. 171a/b.

7. „Er betradtete das glühende, edle Antlig jeines Weibes, die gleihwohl mit ihren Gedanken weit entfernt von ihm weilte, mit ftolger Liebe.“ Nr. 110, wo das weiblide die, in finngemäßer Fügung be zogen auf das ſprachlich jählihe Hauptwort Weib (j. Hauptidwier. ©. 159a Nr. Im), in empfehlenswerther Weife verhütet, daſs der Yejer auch nur einen Augenblick ſchwanken fönnte, ob das bezüglide Fürwort im ſächlichen Geſchlecht nicht auf das fählihe Hauptwort Antlig bezogen werden ſoll.

8. In einer etwas gewagten Zufammenftellung zweier treuges dienter lies: treugedienten, ſ. Hauptihwier. ©. 351b und bier ©. 167 Nr. 23] Roben zu einer Toilette. Nr. 113, Über das gedient im aftiven Sinne (aud von Saden), j. unter dienen 1d in meinem Wörterb. I ©. 294a; Ergänz.-Wörterb., ©. 147a, woraus ih bier den Beleg aus Mörike herjege: Sein wohlgedientes rechtſchaffenes Rohr [als Spazierftod].

9. „Ich habe zweimal geliebt... . Beide Lieben zerrannen.“ Nr. 119, ſ. über die jeltene Mehrzahl von Liebe Hauptihmwier. S. 219a Nr. 3g und mein Wörterb. II ©. 128c.

10. „War fie verwandelt, dajs fie plöglich eine Seligfeit überdrang, welche fie aufjauchzen machen wollte?” Nr. 131, vgl. (worauf in meinem Ergänz.-Wörterb. ©. 162b hingewiejen ift) die befannte Stelle aus Goethe's Fauft (Bd. II S. 202):

„Wenn fonft von deinen Worten, deinen Bliden

Ein ganzer Himmel mih überdrang:

Und du mich füfsteft, als wollteft du mich erſticken ac.“ und ferner die dort aus Hans Sachs angezogene Stelle. Dieje Anwendung des zielenden Zeitworts ift wohl nad Goethe's Borgang bei Neueren nicht jelten, 3. B. auch Nat.-Btg. 46, 629. Nebenbei bemerkt hätte wohl die natürliche Stellung des Subjeftes

15

vor dem Objekt (da beide fih dur die Form der im Nom. und cc. gleihlautenden Wörter nicht unterſcheiden) den Vorzug verdient: „Dajs plöglih eine Seligfeit jie überdrang zc.“

11. Den Raufbold, der ein fräftiges Individuum wie einen Hund über den Haufen fnallt [tr.] Nr. 143, j. Wörterb. 1 ©. 948c, und niederfnallen (und finnverwandte Ausdrüde), auch Ergänz.:Wörterb. ©. 312.

12. War er nit Mannes genug, die eigene thörihte Gefühls- ipielerei ... . zu überwinden? Mr. 143, vgl. Wörterb. Il ©. 1141a; Ergänz.-Wörterb. S.493a, ähnliche Zufammenjegungen, wonad) entiprechende fi bilden laffen und feiner weitern Erklärung bedürfen.

13. Mit etwas kurzathmiger und verfetteter Stimme Nr. 143, vgl.: „Die Stimme, wo fie nicht den Metallmangel durd jtarfes Schreien erjegen Fonnte, Hang fett und ſchwerfällig ꝛc.“ Wörter. I ©. 438a (unter „fett“ 5) und Ergänz.-MWörterb. ©. 199c unter: verfetten, Ver— jettung (des Herzens) ꝛc.

14. „Was Sie dann nod,* fügte er mit fnorrigem [derbem?] Spott hinzu, „Rührendes an die große Glode hängen wollen, muſs ver- dammt lang angebaumelt werden” —, |. Glocke Wörterb. I S. 600b/e Ergänz.:Wörterb. ©. 231, ferner in Bezug auf den Ton des Bloden- geläuts in beiden Werfen unter „Bam(m)“ und den dort weiter an» gegebenen Stellen. Die hier von Hartwig angewendete Zuſammenſetzung anbaumeln [wohl in dem Sinne: mit dem tönenden Glodenläuten mujs (in einer verdammt lang entfernten Zeit) angefangen, angehoben werden] fehlt bei mir, ift aber auch meines Erachtens feine glüdlihe Bereiherung des Sprachſchatzes.

15. Ein ſchwer belaſtendes Verdachtsmoment . . . darüber ſo leicht keine Fürſprache half. Nr. 146, ſtatt des heute in der gewöhnlichen Rede üblichern worüber.

16. „Er ſchweningert wahrſcheinlich ſeiner Taille zu Liebe“ ent— gegnete Eckhof. „Jeder muſs nun einmal nach ſeiner Fagçon ballſelig werden.“ Nr. 152, Anſpielung auf die von Prof. Schweninger in Heidel— berg 1886 errichtete Heilanjtalt zur Behandlung der Fettſucht (hier er ſucht jih dur vieles Tanzen auf dem Balle zu entfetten, vgl. Heft 4, ©. 126 Nr. 2 u. 4) umd auf Friedrich des Großen bekannten Ausiprud.

17. Der Dank für dieje verehrte Selbftzurüdjegung des Weibes [= dafür, dajs das Weib fih in feiner Werthihägung hinter den Dann zurüdjegt) ift Untreue des Mannes. Nr. 164,

18. Die Verlobung eines Mädchens ift nah unferem Ritus immer eine Folge, nie die Urſache. In diejem Fall beißt zuerft der Mann an

116

und, wenn die Betreffende demjelben irgend wie einen Geſchmack abzu— gewinnen hofft, jo beißt fie nad. Nr. 164, vgl. mein Wörterb. I ©. 112a.

19. Die den ausgeträumten Rauſch mit feinem häfslihen Boden- jag von Erinnerungen unter Beihilfe einer Thräne veraßen. Nr. 164, vol. Wörterb. III S. 1359.

20. „Gewiſs!“ fagte fie, ihm erröthend nahjhauend. Nr. 176, wo das erjte Mittelwort der Gegenwart dem unmittelbar nachfolgenden nicht neben-, jondern untergeordnet ift, beffer (vgl. Hauptihmwier. unter dem Titelfopf: Abhängigfeitsverbältniffe des 2. Grades, mo derartige Fälle nadzutragen wären) etwa: indem fie erröthend ihm nachſchaute.

21. An der nächſten Ede nahm er [Wendftein, der Arzt] einen Sälitten. „ns Anquiftoriat!“ Der alte jpatlahme Gaul ſetzte fi willig in einen wärmenden Trab. Der Schließer droben im Hauptgang des Gebäudes fagte ihm, daſs fih Rechtsanwalt Edhoff bei der Gefangenen Elife Nitting befinde. Nr. 176.

Der Leer jagt fih ohne Weiteres, dajs der Schließer jeine Worte nicht an den jpatlahmen Saul gerichtet haben werde, fondern an den Arzt, aber jprahlih wäre doch die Weglafjung des ihm oder als Erjat dafür: dem Arzt vorzuziehen, um auch dem Spottluftigen die bei der Mehr- deutigfeit der ?Fürmwörter der 3. Perſon nit bloß möglide, fondern eigentlich nächitliegende Mijsdeutung zu entziehen.

22. Es legte ſich alpſchwer auf ihre Bruft. Nr. 185, was den unerihöpfliden Zuiammenfegungen von „ſchwer“ in meinem Wörterb. III, ©. 1047c vielleiht hätte hinzugefügt werden können, j. ebd. I ©. 23a unter Alp.

23. „Der Kampf zweier unverjöhnlider [vgl.: unverſöhn— lichen] Mächte.“ Nr. 183, ſ. ©. 174 Nr. 8.

24. Laſſen Sie den all, welder jet Ihrer Begutahtung unterliegt, nit einen Beitrag zu dieſer beflagenswerthen Begriffsirrung werben. Nr. 188, vgl. Hauptſchwier. ©. 195b, wo es unter „laffen“ in Nr. 5 heißt:

„ft der abhängige Smfinitiv ein Zeitwort mit doppeltem Nominativ, wie fein, werden, bleiben, ſcheinen :c., ſo fteht aud das Prädikat meift im Accufativ, ſ. namentlih: Gott einen guten Mann fein laſſen und 7 [und ausführlih] Herrig Arhiv 27, 228; doch findet fih auch zuweilen ftatt deffen der minder forrefte Nominativ 2c.“

25. Ich warne die Herren Gejhworenen, fih von jolden Luft- ipiegelungen nicht blenden zu laffen. Mr. 188, wo nad heutigem Gebrauch die nah warnen überfhüffige Verneimung (ſ. Hauptfhwier. S. 223a

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unter Pleonasmus 4c) beffer weggeblieben wäre, namentli unter Hin- zufügung eines auf den abhängigen Tynfinitiv mit „zu“ vorbereitenden davor.

26. Sie haben den Ausfagen des Zeugen Nitting entnommen, dafs er mit brüderlihem Sinn einer Ausfühnung entgegenftrebte:c. Nr. 188.

Ich benutze die Gelegenheit, um hier von Dem, was ich unter dem Worte entgegen in meinem Wörter. I S. 554b/5a gejagt, das Fol— gende anzuführen:

„Entgegen, hochdeutſch gemöhnlih nur in Verbindung mit Zeit- wörtern, zumeift mit abhängigem Dativ, bezeichnet das Sich-hin- Bewegen nah Etwas, und zwar: 1. in jo fern dadurch ein Näherkommen, eine Annäherung bewirkt wird, die, fortgejet, zum Zufammentreffen, zum Be: gegnen führt, Örtlih und übertragen ıc. . .. 2. in jo fern die Richtung des Entgegentommenden der des Kommenden fonträr ift, zur Bezeichnung des ſich Widerjegenden, etwas Feindliches Bekämpfenden ꝛc.“

Am Schluſs der hierzu gegebenen Belege heißt es dann:

„Veraltet, wegen nahe liegender Verwechslung mit 1: Einem ent— gegen wandeln. 3 Mof. 26, 21; 28 ꝛc.“

Ich will zur Verdeutlihung hinzufügen, daſs die hier angezogenen Stellen bei Luther lauten:

„Und wo ihr mir entgegen wandelt und mid nicht hören wollt, fo ꝛc.“ (B. 21). „Werdet ihr aber dadurch mir noch nicht gehorden und mir entgegen wandeln, jo will ih euch im Grimm entgegen wandeln und will euch jiebenmal mehr ftrafen ꝛc.“, daſs dagegen in den von Zunz herausgegebenen „24 Büchern der heiligen Schrift“ die Stellen lauten: „Und wenn ihr mir mwiderwärtig wanbelt und euch weigert, mir zu geboren, jo ꝛc. . . . Und, wenn ihr bei Dem mir nicht gehorchet und mir widerwärtig wandelt, jo werde ih mit Grimm euch zumider wandeln und werde auch ich euch ſiebenfach züchtigen ac.”

In dem oben angeführten Safe von Georg Hartwig ift allerdings durh den Zujag „mit brüderlidem Sinn“ jede Mijsdeutung aus- geihloffen, als ob es fih um ein Entgegenftreben in feindlichen, befämpfendem Sinn handeln fönnte, und es liegt mir durdaus fern, die Ausdrudsweije des Schriftftellers zu tadeln ; aber ich wollte doch die Gelegenheit benußen, um bei den Lejern die Frage anzuregen, ob fie nit doch vielleiht einer Wendung den Vorzug geben würden, wie etwa: „daſs aud er mit brüders lihem Entgegenfommen eine Ausjöhnung wünſchte, nah einer Ausjöhnung verlangte ꝛc.“

27, Die Tugendfpiegelei einer 20jährigen Erzieherin wird wohl nit jo weit her gemwejen jein. Nr. 191. Das bervorgehobene Wort fehlt

Zeitſchrift f. deutſche Sprade, X. Jahrg. 14

178

noch in meinem Ergänz.-Wörterb,, vgl. in meinem Wörterb. I ©. 381a (unter E.) von dem Eigennamen Eulenjpiegel die Fortbildung Eulen- piegelei und III ©. 1136a, wonad) die Bedeutung fi ergiebt: die Eigen» Ihaft, dajs die Erzieherin ein Tugendſpiegel geweſen.

28. Mit unendliher Selbjtbeherrihung nahm Frau Hilde ihre ruhige Haltung zurüd. Nr. 194, wo ftatt des mehrdeutigen und danach leicht mijszuverftehenden zurüdnehmen (j. Wörterb. II S. 4206) deut- liher und üblicher ein Ausdrud wie zurüdgewinnen (j. ebd. III ©. 1621c) jtände.

29. Bei diefer Bewegung ſchreckte fie heftig zujammen. Nr. 197, wofür das ſtarkformige ſchrak nicht üblicher, aber ſprachlich richtiger wäre.

30. Was anders war denn der Grundzug aller Dinneigung als finnlihe Wünihe? Alle Umdichtungen und Nebenumftände waren Lügen, mit denen die Natur ihre Opfer anlodt oder, mit denen die Menſchen jeloft die nackte Wahrheit umſchleiern. ©. 197, vgl. in meinem Wörter- buch I ©. 29la umdichten (erklärt durch: dichtend umgeftalten) und III ©. 9516 (mit einem Schleier umhüllen). Wie bei dem Grundmwort dichten (j. d. 2 und 3) die Bedeutungen: „dentend durch Thätigfeit der Phantafie fchaffen, wie Dies zumal der Poet thut“ und daran fi anjhließend, —: durch Thätigfeit der Phantafie ihaffen, im Gegenjag zu dem in Wirflichfeit Vorhandenen, vorjpiegeln (gewöhnlich erdichten) nah an einander grenzen und aud mehr oder minder unvermerft in einander übergeben, jo au bei umdichten. In dem bier vorliegenden Sake tritt mehr die Bedeutung der Abweihung von der Wirklichteit, wie bei dem umſchleiern die täuſchende DVerichleierung oder VBerhüllung in den Vordergrund.

31. Er athmete tiefer auf; dann ſagte er leife: „Wir lieben uns!“ Was fie an fih taufendmal erfahren, überdrang fie in dieſen drei Worten mit jo jchmerzlider Gewalt, dajs Hilda wie geblendet ihre Hand gegen die Augen drüdte. Er bezwang das berauſchende Gefühl, das dieje Ver— wirrung in ihm wadrief. „ES ift nit anders, Wir lieben einander: Daran find wir unſchuldig ꝛc.“, ſ. zunädit mein Ergänz.-Wörterb. ©. 162b,

wo id zu dem zielenden überd ringen ganz furz die Erklärung gegeben: „ans, eindringend und überwältigen“ mit dem Hinweis auf die bekannte Stelle in der Schlufsicene des erjten Theils von Goethes Fauft, wo Margarethe zu Fauft jagt:

Wenn fonft von deinen Worten, deinen Bliden

Ein ganzer Himmel mich überdrang ꝛc., mit dem Hinweis auf eine ganz Ähnliche Anwendung ſchon bei Hans Sachs.

179

Aber doch wohl erft nah Goethe (a. a. O.) und durch ihn ift das zielende überdringen in allgemeinen Gebrauch gefommen.

Wenn es im Anfang des zweiten Satzes heißt: „Was fie an ſich taujendmal erfahren“, jo ift Das zweideutig, zwar nicht weil die Form erfahren als 3. Perfon der Mehrzahl im Präſens aufgefafft werden könnte (ſ. Hauptihwier. S. 170b Nr. 3), was durh den Sinn bier aus- geichloffen ift —, jondern, weil nicht klar hervortritt, ob das hinter dem Particip erfahren zu ergänzende Imperfekt von haben, entiprechend dem Subjekt, fie hatte (als Einzahl) oder hatten (als Mehrzahl) zu lauten hätte. Wenigftens war ih Zeuge, dais, als der Sak vorgelejen wurde, im erſten Augenblick die Anfiht Vertreter fand, e8 jei unter dem fie nur die weiblihe Perion zu verftehen. Freilich einigte man fih bald dahin, daſs es fich bei dem fie um beide Yiebende handelt. In Fällen wie diejer ift die Fortlaſſung des Hilfszeitworts (die, wo fie unzweideutig ift, wohl dazu dienen kann, den deutſchen Stil minder ichleppend zu machen) nicht zu empfeblen. Der Schriftiteller hätte etwa ſetzen müffen: Was fie an fih taufendmal erfahren hatten, überdrang fie |vielleiht noh mit dem verftärfenden Zufag: Beide] in diejen drei Worten mit jo jchmerzlicher Gewalt, dais Hilde ꝛc. . . . Er bezwang das beraufchende Gefühl ꝛc.

Schluſs folgt.)

Zur Allitteration bei Goethe.

Allitteration in Goethe's Gök von Berlidingen. Bon Dr. Ebrard, Gymnafial-Proiefjor in Nürnberg.

Die Allitteration, welde Begriffe, die in innerem Zuſammenhang ftehen, dur gleichen Anlaut auch äußerlich verbindet, ift jeit längerer Zeit der Gegenftand mannigfaher Unterfuhungen. Aber gerade unjern deutſchen Klaſſikern ift in Bezug auf die Allitteration bis jegt im Ganzen nur wenig Beahtung geſchenkt worden, wiewohl fie ſich derjelben in ausge: dehntem Maße bedient haben. Über die Alfitteration bei Schiller findet fi in Herrig’s Arhiv für das Stud. d. n. Spr. Br. 63 ©. 379 ff. ein längerer Aufiag,! der fi indeß nur darauf beſchränkt, das Vor: handenſein allitterierender Redewendungen in den poetiihen Werfen diejes Dichters zu fonftatieren; dagegen ift die Allitteration bei Goethe, der dies zum Schmud der Rede nicht wenig beitragende Mittel viel reihliher an: gewendet hat als Schiller, meines Wiffens bis jegt noch feiner ein- gehenderen Forihung unterzogen worden. Es dürfte ſich daher vielleicht

ı Die Allitteration in den Schiller'ſchen Dichtungen, von H. Schults. 14*

= 40

verlohnen, die Allitteration bei Goethe zum Gegenftand einer näheren Unterfuhung zu maden.

Verſchiedene Fragen find es, deren Beantwortung hierbei von Intereſſe ist: 3. B. ob die Allitteration in Goethe's profaiihen Schriften in dem— jelben Maße auftritt wie in feinen poetifhen Werfen, in wie weit er den bereits vorhandenen Beftand feititehender allitterierender Formeln und Medensarten durch Neubildungen erweitert und bereichert, ob er fi ber Allitteration in allen Perioden feines Yebens in gleihem Maße bedient hat. Indem ich mir vorbehalte, auf die beiden erften ragen bei anderer Gelegenheit ausführlih zurückzukommen, ſoll zunächſt nur die legte etwas näher ins Auge gefaßt werden.

Für die Beantwortung der Frage, ob Goethe in allen Perioden jeines Yebens die Allitteration in gleihem Maß angewendet hat, find be- jonders Diejenigen feiner Werke von Wichtigfeit, die uns in mehrfacher Bearbeitung, in einer früheren und jpäteren Gejtalt, vorliegen. Vergleicht man die vericiedenen Bearbeitungen mit einander, jo wird man nit jelten finden, daſs in der fpäteren der ſprachliche Ausdruck durch Anwen dung allitterierender Wortverbindungen im Vergleih zu der früheren einen bejonderen Schmud erhalten hat. Zwei Beiipiele mögen genügen. So find in dem Gedicht „Die Freude” die beiden Verſe:

Da fliegt der Kleine (= der Wafferpapillon) vor mir bin

Und fett fih auf die ftillen Weiden. _ in der jpäteren Bearbeitung folgendermaßen abgeändert:

Sie (— die Pibelle) ſchwirrt und ſchwebet, rafter nie!

Doch ftill, fie fett fih an die Weiden.

Ferner: Iphig. auf Taur. II, 1, 7O1 ff. lauten die Worte Oreft’s an Stelle der urſprünglichen, fürzeren Faſſung, wie fie in den drei früheren Bearbeitungen vorliegt:

Wenn fie dem Menſchen frobe That beicheren, daſs ... . bewährte Feinde fallen,

dann danf er. Mich baben fie u. ſ. w. in der endgültigen vierten Bearbeitung:

Wenn fie dem Menichen frobe That beicheren,

Dafs .. . alte Feinde fallen oder flieh'n;

Dann mag er danten! Denn ihm bat ein Gott

Des Lebens erfte, Jette Luft gegönnt.

Mich haben fie u. j. w.

Wenn es aud befanntlih in vielen Fällen ſchwer zu entſcheiden ift, ob man eine Allitteration für zufällig und unbeabjihtigt halten oder ihr beftimmte Abſicht des Schriftftellers unterlegen foll, jo unterliegt es doch wohl feinem Zweifel, dajs an Stellen, wie die beiden eben angeführten,

= 381:

die Anwendung derjelben in der fpäteren Faſſung nicht zufällig, jondern vom Dichter gewollt und aus bewusster Abfiht hervorgegangen tft.

Bon ganz bejonderem Intereſſe aber ift in dieſer Beziehung Götz von Berlidingen. Wenn in diefem Schauſpiel, in welchem „die han— deinden Perſonen ihre wahre und echte Sprade, fein gemachtes Schrift: deutih reden”, „wo überall die fräftigfte, einfach volfsthümlihe Sprach— weiſe berrfht”!, auch allitterierende Redewendungen eine gewiſſe Rolle jpielen, jo ift Dies nicht zu verwundern,. Bei einer Vergleihung der drei Bearbeitungen, in denen uns dies Drama vorliegt: A (1771), B (1773), C (1804) ergiebt fi nun, daſs Goethe von Bearbeitung zu Bes arbeitung in immer ausgedehnterem Maße von der Allitteration Gebrauch macht, und im Folgenden joll der Verſuch gemacht werden, nachzuweiſen, in wie weit Dies der Fall tft.

Ohne auf das ſyntaktiſche Verhältnis der durch Allitteration ver: bundenen Wedeteile näher einzugehen, ohne zu unterjuden, ob diejelben foorbiniert (Ruh und Raſt, wahr und warm, ſchützen und jcdirmen, drunter und drüber, auf und an), oder nicht koordiniert (bewegte Melt, Heilige des Himmels, das Leben laſſen, zu Ktreuz Friehen, im Kerzen hegen), oder ob fie dur Zujammenjegung zu einem Wort vereinigt (Meuchelmörder, lichterloh) find, follen, dem Gang des Stüdes folgend, zunächſt I. diejenigen Allitterationen angeführt werden, die jämmtliden drei Bearbeitungen A, B, C gemeinjam find. Ich lege die Aus- gabe von Baehtold? zu Grunde und führe die einzelnen Stellen mit Angabe der Seitenzahl an.

I. Aufzug. Seite 12. e8 ift ſchwer und befchtmerlih ihn zu tragen. ”„» m burd die wir werben, wachſen und gebeiben.

14. bin ich die Fitterliche Mechte nicht werth ?

15. im edeljten, einfältigiten Bertrauen.®

18. das Kind Purierte Krönig und Kaiſer.

25. A: erbeigentümlih; B und C: erb und eigenthümlich.

31. was die Fürſten da für weite Wäuler machten.

36.(AımB= C II 7 6, 56) Kenntnis des Ännern und Außern Zuftandes, alles in einem.

47. (A und B = C II, 4) A: weder zu gehorchen? noch zu Berrichen ;

und C: weder zu berrihen noch zu geboren.

ı Bielihomwäty, Goethe I ©. 177. Rich. W. Meyer, Goethe ©. 75.

»Jal. Baehtold Goethes Göh von Berlihingen in dreifacher Geftalt heraus— gegeben. 2. freiburg i. Br. 1888.

s Dais alle Bolale unter ſich allitterieren (edel einfältig, aus ein), fowie daſs unbetonte Borfilben bei der Allitteratiom nicht in Betracht kommen (ge-horchen Herrichen), fondern nur betonte Silben (die Mugen aufthun), darf als befannt vorausgeſetzt werden. Bol. hierüber auh D. Sanders Abrifs der deutſchen Silbenmefjung und Verskunſt (2. Aufl.) II: Bom Gleichtlang, beſonders $ 100—119.

Eeite 48

132

.(A und B= CI, 5) A und B: mit der gefehäftigiten Geſchwindigleit; C: gefhäitig und geihwind,

.(Aun B= CI, 5) ibre ſüße Seele. III. Aufzug.

. einen Fußfall thun.

. wenn er nicht Herr von feinen Handlungen ift.

A und B: ich muſs die Mugen ſelbſt auftbun; C: indeflen wir die Augen auftbun.

. ih wollt... . ich bätte eine Kugel vorm Kopf.

. 8 gebt Alles drunter und drüber.

. 68 flobe Freund und Feind.

.(A un B= CV, 8) ein rothröckiger Schurle.

. (A und B = 6 IV, 12) ein braver Weiter und ein rechter Regen kommen

überall durch.

.(A und B= C WV, 17) Hilf, Heiliger Gott. IV. Aufzug,

. Ih würde mich nicht fatt an ihnen fehen können. ich wollte die Zähne zufammerbeißen.

. wer fein Ungriſcher Ochs ift. . und bift von jeber zu kurz Fommen. . eher... . ald dafö ich ihnen übern Kopf kommen werde.

. feine Anſchläge vernichten, fein Anſehen untergraben. V. Aufzug.

. A mein (B und C: dein) eben zu Jafjen. . weil Blut an deinen Kleidern Plebt, .{(A un B= C ©. 177, 1, 27) das Land... gleicht einer Metzge, wo

Menſchenfleiſch feil it. . feine Ruh und Haft.

. du Engel des Himmels bringft die Qualen der Hölle mit dir,

dein höchſter Haß würde zerfchmelzen.

. Hichter des heimlichen Berichts. ihr ſchwurt auf Strang und Schwert.

. find eure Herzen rein und eure Hände, A: wefjen (B des, C deis) Herz rein ifi und weſſen (B und C deſſen) Hände rein find. mein Herz ift rein von Miffethat und meine Hand (B C: meine Hände) von unichuldigem Blut, Bott hemme den Weg zum Willen. ich hebe meine Hand auf und Hage,

. bewahrt euer Herz vor (B: für) Miffetbat und eure Hände vor unfhuldigem Blut.

A: dafs du ihn... . ſähſt und fegnetefi; B C: fiehft und fegneft.

11.

Nun findet fi aber allerdings in A eine Reihe von Alfitterationen, die in B und © fehlen, in B oder gemeinfam in A und B jolde, die C nit enthält, die mit dem oben aufgeitellten Sat aljo in Widerfprud zu

183

ſtehen ſcheinen. Fragt man aber nad der Urjade, warum fie in der

jpäteren Bearbeitung fehlen, jo wird man finden, dajs nur an folgenden

zwei Stellen Goethe in der jpäteren Bearbeitung die urjprünglih ange— wandte Allitteration als jolche bejeitigt oder dur eine andere Wendung des Ausdruds erſetzt bat:

III. Aufzug, ©. 125 A: wo ſie's nicht mit einem Wal von Wiünichelrutben finden follten. j Dagegen B: mit feinen Wünichelruten. (C: völlig verändert.)

IV. Aufzug, S. 140. A: eine fo ehrliche, fo edle That.

Dagegen B und C: eine fo edle That.

In allen andern Fällen hat das Fehlen der Allitteration in den jpäteren Bearbeitungen feinen Grund nicht in der Befeitigung der allitte rierenden Redewendungen an fi, fondern in der völligen Umgeftaltung nder gänzlihen Tilgung entweder der ganzen Scene oder einzelner Partieen derjelben, wodurch dann natürlih auch das Verſchwinden der Allitteration im Einzelnen bedingt und veranlafft war.! Hieher gehören folgende Stellen:

a) in A allein (jedoch nidt in B und C):

I. Aufzug. Seite 5. gebrandihakt und ausgebrennt. 18. Menſchen, die aus Weichheit wohlthun. 19. ein ewiger unwirkſamer Winter. 21. ritten wir Bin und Ber. » 832. ih will dich um diefe Züge Fieblofen. 43. eine einzige, eigene Erfahrung. II. Aufzug. 53. Berg auf und Berg ab und Thal amd und Thal ein. 72. Hunde Heulen und zittern. 73. ih würde in ewigen Üngften fein. 78. ihr wolltet ter erfte fein und der einzige. 79. leben und Ieben laſſen. II. Aufzug. 83. da ibm feurige Rofje zur Herrlichleit des Herrn führten, 113. der wird eine reiche Kitlung für feine Zunge fein ganz Lebenlang haben, 119. die Heiligen des Himmels. 123. dafs er uns bei dem Anfang gegen dad Ende gleichgiltig gemacht bat. „bon einem Punkt zum andern. IV. Aufzug. 134, in wilden Wald. 151. unbändig wie ein Wirbelwind.

! Auh an der zuletzt angeführten Stelle (S. 140) fteht die Befeitigung der Allitteration offenbar im engfien Zufammenbang mit der unmittelbar auf obige Worte folgenden bedeutenderen Kürzung, die in B und C gegenüber A von Goetbe vor— genommen wurde.

%

a I

V, Aufzug. Seite 152. im wilden Wald, in der Winternacht. „da famen des Nachts fieben Währwölf zu mir, waren fieben fieben Weiber vom Dorf. 153. Hilf, Heilige Mutter Gottes. 154. meinen $naben zu ſuchen und meine Kenechte. 156. beißt die Zähne zuſammen. 157. wie ein Heiliger de8 Himmels, 158. alle guten @eifter geleiten dic. 156. find eure &ingeweide au eifern! wie eure Kleider ? 161. in den tiefften Thurn. » er lag im tiefen Thurn. » heiße, höllenheiße Flüche. „» » ſtürm, ſtürm, Winterwind. um eines wankelmüthigen Weibes willen. 167. aus dem Fegfeuer. 169. wir müffen auf⸗ und abziehen. 173. arm und alt und unglüdlic. 189. id umfaſs deine Füße.

b) in A und B (jedod nit in C): I. Aufzug. 39. der Kaifer Hält feinen Hof. U. Aufzug. 54. des Inurriihen Hofhundes. 57. zur Reimftange . . . zum odvogel. 69. die Ritterpflicht, der Heilige Handichlag. 70. du Weislingen mit deiner fanften Seele. 76. ich werb meine® Wunſches gewährt. A: zum orbinären Haushahn; B: ein ordinärer Haushahn. 77. auf Zebenslang. 1. Aufzug. 92. um ihr Herz und ihre Hand zu bitten. 98. fein Iebenlang. 1085. fie kommen mit Bellem Hauf. IV. Aufzug. 146. die Zähne zufammengebifjen. 150. Andrer Gut und Gel. „= um bobe Reichthümer und Hang zu gewinnen, #„ eines fapiern und treuen Ritters, V, Aufzug. 152. A: einen Haſen .. . einen Hamſter. Entſprechend B Seite 170: einen Hafen... einen Hahn. 168. er bat fi zu Mebellen, Miſſethätern, Mordern gefellt. 185. Rufer, beginne das Gericht.

ı Bol. Schiller, Zerft. von Troja, Str. 3, 8 erfte Pesart: eiſern ift fein Eingeweide.

15

c) Eben jo verhält es ſich mit denjenigen Allitterationen, die fih noch nit in A, wohl aber in B finden, dagegen in C fehlen. Unter den hie— her gehörigen Stellen ift nur eine einzige, an welder durch Beränderung des Ausdruds die Allttteration als ſolche bejeitigt zu fein ſcheint:

V. Aufzug. S. 158 B: bei Strafe ibm (— dem Bertrag) ſtreng nadzulommen. C: mit Strenge muſs man darauf balten.

An allen andern, nunmehr folgenden Stellen hat das Fehlen der Allitteration in C wie oben feinen Grund in der völligen Umgeftaltung oder Kürzung der Scene:

I Aufzug. Seite 44. Diefe einfache, einzige Glüdieligteit. DO. Aufzug. 58. wollt muthilich kriegen und männilich fiegen. ”» auf! auf! an! an! 56. ein alte8 Weib, dad Warzen... . vertreibt (A: eine alte frau, die W. v.) 61. wir wollen ihnen die Hölle Heiß machen. 72. mein guter Geift. 78. lönnteft du mich fieben, fönnteft du meiner beißen Leidenichaft einen Tropfen Linderung gewähren, » » Hin und Ber zerrifien. ”» » deſſen Andenten Jebhaft neu in Liebe bei mir iſt. 81. achtzehn Goldgulden. » » fünfzehn Goldgülden. ”» „Haus und Hof fteht gut. UI. Aufzug. 9. fo wahr und warm hat noch Niemand an mir gebangen. 116. das Glück fängt an mir wetterwendiſch zu werden (A: fauniih; fo auch B in der Ausgabe von 1773). 128. wie fie theilnahmen an der Herrlichkeit ihre Herrn. V. Aufzug. 152. brunter und drüber. mit Bellem wütigem Hauf. 169. brennen zwei Dörfer Jichterlob. 170, die Jäger jauchzen Holla Ho. 471. man bört ſcharf ſchießen. 173. gitternd auf deinen Beben zu mir fchleichen. 174. in den tieiften Thurn. 187. des Heitern Himmeld und der reinen Luft.

Unter jämmtliden in diefem Abjchnitt angeführten Stellen bilden aljo nur drei wirflih eine Ausnahme von dem oben aufgeftellten Satz; alle übrigen ftehen nur ſcheinbar mit demfelben in Widerjprud, weil es fi bei dieſen nicht um Beſeitigung der Allitteration als folder handelt.

Ill.

Im Gegenjat zu den bisher angeführten follen nunmehr die (in A

noch fehlenden) Allitterationen, die B und C gemeinfhaftlid

16

angebören, folgen, und zwar vor Allem a) diejenigen Stellen, an welden der in A noch jchmudlojere, fürzere Ausdrud durch allitterierende Wort» verbindungen bereichert oder ermeitert ift:

A (ohne Allitteration): B und C: Seite 9... . muſs ih ihnen pfeilen, dafür pfeif ih ihnen ... allerlei Weiſen allerlei Reifen. und Jerne fie allerlei Juftige Lieder. 12. Kreuze und sriedendfahne zu Kreuze und Frriedensfahnen zu Führen. tragen.

22 . niftelten uns an ibn... ... niftelten uns an ibn . .. dafs er und bielten ihn feft. ſich nicht regen noch rühren konnte, inzwiſchen der Herr die Knechte umd der Herr und der Hanns fielen über

übermältigte. die Knechte Her. 28. wir haben Freud und Leid mit wie wir Kiebs und Leid zufammen trugen. einander getragen. 130. es fing ein Knab' ein Meifelein. es fing ein Knab' ein Wögelein. 166. wollt, ih wär taufend Meilen wollt, ich wäre taufend Meilen davon und davon. läg im tiefften Thurn, der in der Fürkei fteht.

Seite 4. . in meiner Stub’ (C: in meinem Haufe) ſoll's ebrlih und ordentlich zugeben. . das ift ein gefunden Freſſen.

. die rehticaffenften Ritter begeben mehr Ungerectigteit.

. B: in tiefen Thum; GC: im tiefften Thurm.

. das Schlenzen und Scharwenzen mit den Weibern.

*⸗

iſt.

b) Un folgenden, ebenfalls hieher gehörigen Stellen verdankt die Allitteration in B und C ihre Anwendung nicht einer Veränderung des Ausdruds, jondern der völligen Umgeftaltung der urjprüngliden Faſſung.

168. 174.

188,

I. Aufzug. kroch er zum Kreuz.

daſs fie ihrer Leut und Länder Beſtes (C: beitens) wahren. von den ungerechten Rittern.

. 1’8 nicht ein guter Geift.

I. Aufzug.

.B(=C8&, 127 Fried und Freundſchaft der Nachbarn. . Rand und Leute.

IV, Aufzug.

. Das war Hilfe vom Himmel.

V. Aufzug.

mit dir feigen Kerl, Fürftendiener.

B (=C ©. 177) als Meuter, Miſſethäter in den Kiefften Thurn geworfen. Die Hand des Herrn liegt ſchwer auf ihm.

IV.

Verhältnismäßig groß ift endlich die Anzahl derjenigen Allittera- tionen, die C allein angehören, durch welche alfo die legte Bearbeitung unferes Dramas im Vergleich mit den früheren bereihert und erweitert Wie im vorigen Abjchnitt verdankt ein Theil derjelben (a) einer

jpeciellen Beränderung des Ausdruds,

187

die andern (b), und zwar bei weiten

die Mehrzahl, der völligen Umgeftaltung der früheren Faffung ihr Vor—

bandenjein. a) Frübere Faſſung (A oder B) ohne Allitteration: Seite 13. A: wenn ihn die eurige (Stimme) wanlen madt. B: wenn ibn bie eurige überwältigte.

20. B: der fo treulos ... . handelt.

» m der feinem beften treuften Freund nachſtellt.

48. A und B: Bamberg und zehn

Meilen in die Runde entbieten euch ein taufendfaches Gott grüß euch.

B: alle Welt bofft.

b) I. Aufzug.

G;

wenn ihn euer Anruf Übermältigte.

der... für einen fürtrefflihen Mann gilt und fo treulos . . . bandelt,

der fih von jeinem beften treuſten Kame— raden lostrennt.

vom Biſchoff an bis zum Warren berunter grüßt euch der Hof und vom Würgermeiſter bis zum Nachtwächter die Stadt.

alle Welt ift voll Werden und Gedeihen.

Seite 3. dann weiter in die weite Welt. 4. mit fühen Bliden, mit fanften Winken. vn Ms nicht Wande, Band», Mied» und Magelfeft. „6. fo gut als ein Reiter und vielleicht fo gut als ein Ritter. 15. wenn ihr Mader auf euern Wegen bfeibt. 20. aus diefer wilden Welt heraus und in ein Klofter. 41. Begt fie nur im ftillen Sherzen. 43. wäre doch au dem Äußern fhnell wie dem Innern geholfen.

II. Aufzug.

659

» m Fußfänig.

60. ſiehend, fiteend, liegend, laufend. 62

“" r Kiften und Kafıen.

63. beute Feind, morgen Freund,

. für kalte Küche geiorgt.

. alle... . empfangen ibu mit offenen Armen.

. man gebt Müger vom Rathhaus herunter ald man Binaufging. . gefangen und gefeffelt im engen Kreis. . der alte Kauz, der alte Hunz von Bamberg ſteht vor euch.

. wie der Faden einmal gefponnen ift, wird er geweift und verwoben.

wir find verloren! Ritter und Meiter!

» m habt ihr feine Ritter und Weiter geichen ? III. Aufzug. 84. ein Höheres Haupt ald unfern Bürgermeifter. „nm das ift ein Übler Umſtand. 88. unmittelbare Folge fo weifer, väterlicher Vorkehrungen.

. aus einer Hand in die andere,

nn An Wahrzeichen, ein Wunderzeichen.

„m einen jungen, Kafchen Mitter.

„m tüdiich ift er, nicht Mug; feig, nicht borfichtig.

188

Seite 90. leidenſchaftliche Gunft, Jaunifcher Haid beherrihen unfer eben. ”" den füchtigiten, den treuſten. 9. die ganze Welt, ih weiß nicht wie, weiſt immer mich zurüd auf fie, 9. Land und Leute. 94. eber den Abtiifinnen eines Kloſters als Amazonen gleichen. 106. er zündet die Zelten an,

IV, Aufzug. 114. alfo freift du doch eine fremde. 118. ih will nicht ruhen noch raſien. 119. die nicht fo leicht biegen oder brechen. da fam ein Motheod auf einem Schimmel... . geritten. 120. ob Dauern wohl bewacht, ob Thore wohl vertwahrt find. 121. verriegelt und verrammelt. 123. mie eine der andern fo ähnlich fieht. 126. ohne dejjen Willen fein Haar von euerm Haupte fällt. 127. e8 muis ein Herr fein im Hauſe. „nr dem müflen fie horchen und geboren, zinfen und zablen. V. Aufzug.

154. fie baben mich amfgefafft und angeſprochen. 155. nun gebt alles Brunter und drüber. 157. euch zu fehügen, zu ſchirmen. 159. nah Geld und Gut,

164. nad einzig eigner Willtür. 165. Leib und eben gewagt. „nr fußfällig bitt' ich euch. ”„» » biefe sungebeuern ũbelthaten. 169. die ſtille, die betwegte Welt. 170. Ich Heid es nit. Ich laß es nicht. 174. mit Zuverfiht einen zaudernden Zweifler. 175. zur großen That, zur erften, einzigen, größten, 176. findet, feſſelt ibn. „m ein Meuchelmörder. 177. meine Worte mit dem Ton . . . der Liebe beleben. 186. alle Heben die rechte Hand empor.

Um auch noch Zahlen ſprechen zu laffen, jo gehören 42 Allittera- tionen gemeinjam A B Can, 37 A allein, 183 AB, 24 B allein, 23BC, 65 C allein. Während aljo (abgejehen von den 24 Allitterationen, die B allein eigen find, fih mithin noch nit in A finden, aber aud in C wieder fehlen) 55 Allitterationen Anfangs (in A oder A B) vorhanden find, jpäter aber (in B oder 0) wieder verfchwinden, beträgt die Anzahl derer, die in A oder AB nod fehlen und erft in B oder Ü auftreten, 88. Was endlich die Summe der oben angeführten allitterierenden Stellen betrifft, fo ergiebt fih, dafs der ältejten Faſſung des Götz A im ganzen 97, der Bearbeitung B 107 und GC 130 Ullitterationen angehören.

= AB;

Antwort auf den Brief von Dr. Herrn Wagner auf S. 150 der Zeitichrift (Juli 1896).

Wenn Herr Dr. Wagner in diefer Zeitihrift S. 150 zu meinem Aufjage einige Bemerkungen über das O de No@l und das Salve ge- madt, jo ift mein Wunſch wohl beredtigt, meine Anfiht zu vertheidigen.

Ich hatte auf Grund der franzöfiihen Akademie neun Andachten angenommen; er behauptet, es feien nur fieben. Da wird es mir wohl erlaubt fein, daſs ih an der Autorität der Akademie auch jegt noch feſt— balte. Und wenn er meint, e8 ſei ſehr leicht gewejen, über jene Geſänge in Deutihland Ausfunft zu erhalten, jo ift diefe Behauptung etwas fonderbar, da id ausprüdlich geſtehe, daſs es mir bier in Berlin ehr ſchwer geworden ift, Auskunft zu erhalten. Es lag mir gar nit daran, die Orte zu erforichen, wo der Ausdrud gebraudt wird. Möglich, daſs er auch in Spanien und Italien üblih ift. Ich ſuchte vielmehr Urjprung und Erklärung. Und da ift es doch wohl ſehr natürlih, dajs ih von dem franzöfiigen Worte Beides in Frankreich ſuchte und aud fand.

Wenn Herr Dr. Wagner ferner behauptet, die Salve-Andahten hätten ihren Namen nit von den Salve-Gedihten Bernhard’s von Clairvaur, jondern von der Antiphon Salve regina, die einftmals in katholiſcher Vorzeit gejungen jei, jo iſt Das eine von ihm durd Nichts bewiejene Behauptung. Warum denn Naheliegendes und Gewiffes in Fernliegendes und Ungewifjfes umtaufhen? Wenn ih das Wort auf Bernhard von Clairvaux zurüdführe, jo habe ih Klaren geihichtlihen Boden, und Die Beftätigung liegt in den noch jegt in evangeliihen Kirchen gebraudten Liedern desjelben, die mit dem Worte Salve beginnen. Wie jollten die Evangeliihen dazu kommen, Gejänge aus fatholifher Vorzeit aufzunehmen? Übrigens ift das Salve regina (mater misericordiae hätte Herr Doktor bin: zufügen können) ein Abendgebet an die heilige Jungfrau in der katholiſchen „Vorzeit“ gewejen, während das evangeliihe Salve ein fürmliher Nach— mittagsgottesdienft ift, in welhem gern jene Salvelieder gefungen werden. Man darf au wohl jagen, wenn das Salve lediglih auf die Jungfrau Maria hätte müffen bezogen werden, jo würden die Evangeliichen ſchwerlich Namen und Sahe angenommen haben. Drum halten wir mit Entſchieden— beit an der Herkunft von dem heiligen Bernhard feſt. Es iſt übrigens das Wort Salve (fei gegrüßt!) in deutihen Yanden gar nicht ungewöhnlich. Ja fogar die römiſchen Gladiatoren begrüßten den Kaiſer mit dem Zuruf: salve Caesar imperator. Die Inſchrift Salve in Goethe's Haufe rief den Gäften ein freundliches Willtommen zu. Salve heißen aud die Ehren- ſchüſſe und Begrüßungsihüfle durch Kanonen.

Dr. Schrader.

10

Ein Brief an den Herausgeber.

Hohgeehrter Herr Profeffor! in der Hoffnung, Ihnen und Ihrer Sammlung einen Heinen Dienft erweifen zu können, ſchicke ih Ihnen unter Kreuzband die Nummer 27 von dem 2. Jahrg. der „Welt am Montag“ zu. In dieſer finden Sie an der durd Blauftift bervorgehobenen Stelle den Begriff des Zeitwortes „lufanifice)ren“ dargelegt!; ob die Begriffs« bejtimmung dieſes neuen, vielleiht von Bosheit und politiiher Gegnerſchaft gebildeten Wortes richtig oder ſchief ift, überlaffe ich gerne Ihrem berufenen Urtheile; doch möchte ich meine unmaßgeblihe Anfiht über die Bildung des Wortes in den nadhfolgenden Zeilen kurz ausdrüden:

1. hätte man in dem von dem Namen des Herrn v. Yucanıs ges bildeten Worte das „C“ (c) des Eigennamens nicht durch „k“ erſetzen dürfen,

2. jheint mir das Zeitwort auch nicht ganz richtig gebildet zu fein, wenigitens ijt feine Abftammung für einen, dem der innige Zuſammenhang mit dem Cigennamen Yucanıs unbekannt ift, vollftändig unklar.

In den Tageblättern ſchwärmt es jegt von Bildungen folgender Art:

Der Fall (Proceis) Hammerftein (oder noh wohlklingender: der Fall v. Hammerjtein); das Duell Koge- Schrader u. j. w. Wenn man jolde Fügungen, (welche man Kinder-Lallen und -Geſtammel nennen kann), ſich laut vorlieſt, bekommt man ſehr leicht eine Gänſehaut. In vielen Fällen iſt unſern Zeitung(8)? ſchreibern das grammatiſche Wiſſen in der deutſchen Sprache noch nicht gänzlich abhanden gefommen, ſie fühlen noch richtig und ſchreiben: der Sturz Caprivi's, die Angelegenheit Friedmann's u. j. w.

Weishalb die Zeitungsichreiber bei den von Wörtern wie „Fall, Procefs, Duell” abhängigen Eigennamen die Abhängigkeit nit mehr bes zeichnen, jcheinen fie jelbjt nicht zu wiffen.

Über die Zuläffigkeit der in eriter Linie aufgezählten Fügungen im der guten Schriftiprade, bitte ib Sie, Sih im Brieffaften Ihrer Zeit: ihrift äußern zu wollen.

Über das Berbum lucanifiren tbeile ich Ihnen noch mit, daſs der „Vorwärts“ das Wort in jeinen politiihen Mittheilungen ſehr oft gebraudt.

In Hochachtung grüßt Sie Ihr aufmerkfamer Schüler Emil Gründling. Berlin N., Aderftr. 169, den 9. Juli 1896.

ı Die Stelle lautet: Da das Wort „Iufaniiiren“ in den deutſchen Wörter- bücern bisher noch feinen Pla gefunden bat, jo wollen wir zu Nu und Frommen unſerer politifchen Yejer eine genaue Definition dieſes Begriffes zu geben ſuchen. Yulas nifiren bedeutet, wenn ein Staatsmann nicht über große Principienfragen und

191

Einige kurze Ipradlihe Bemerkungen zu einem Auflage: „heater und Reichshauptſtadt“ von Paul Sclenther.

(In Tb. Barth's „Nation“ vom 20. Juni 1896 ©. 573 b ff.)

1:

Im 4. Heft ©. 137 Nr. 52 hatte ih über das Wort „Bomben- erfolg“ in ber Schaufpielerfprahe geiproden, auf Spätere verweiſend. Kurz, nahdem der Bogen bereits gedrudt war, las id den in der Über: ihrift genannten Aufjag, aus dem ih bier das Folgende nachtrage (©. 573b/4a).

„Wo irgend etwas Zugfräftiges geboten wird, ift der Andrang groß. Immer tauht bald bier, bald dort ein Stüd auf, von dem es heißt, Jeder müſſe es gejeben haben. Und, bis in Berlin und Umgegend Jeder: mann es geſehen hat, vergeht ein fetter Winter, während deſſen der Theater: direftor unter Umftänden zum Millionär werden kann. Faſt jedes unferer Theater hatte in den legten Yahren derartige im Agentenjargon foge: nannte Bombenerfolge Bald war es im Deutichen Fulda's Talisman, bald im Yeifingtheater Sudermann’s Ehre, bald bei Herrn Barnay ber alı. ſchreckliche Kean‘, bald im Mefidenztheater irgend eine Pariſer Boule- vardicene ꝛc.“

2.

„Seitdem Berlin wirflih die deutiche Tcheaterhauptitadt geworden ift, herricht im geſammten deutjchen Scaufpielerjtand eine heiße Sehnſucht nah Berlin zu gelangen und bier Erfolg zu haben. Ehe diejes Ziel nicht erreicht ift, hält ih der Schauipieler für ein verfanntes Genie ꝛc.“ (S. 574b,) Ä

Über die allerdings auf älteren Gebrauch fich ftügende, aber jedenfalls nah der heutigen Schriftſprache mindeftens überſchüſſige und oft zu Mifsverftändniffen oder (abfihtlihen) Mijsdeutungen Anlajs gebende Verneinung nah „ehe“ zc. ſ. Hauptihwier. ©. 227 b ff. unter „Pleonas- mus“ Nr.4, bejonders 4b ff. Dort heißt es beiipielsweile: Nicht früher oder nit eher als bis (nicht); niht eher oder bevor (nit). Bevor Sie mir Nichts Etwas] ſchicken, jollen Sie auch meine Ballade nicht haben. Bürger 464a :c., vgl. auch Beitir. IX, 324 Nr. 1; 388/9 Nr. 30. Differenzen der Weltanfhauung zu Ball kommt, fondern über die Intriguen einer Heinlihen Tagespolitif, Derartige pflegt fi nicht im offenen Parlamentsfaal abzufpielen, fondern mebr hinter den Kuliſſen. Dann fommt ber fhwarze Mann, Herr v. Pucanus, der milde Scharfrichter, und hebt zu geräuſchlos tödlichem Streide das Schwert. Graf Caprivi wurde lulanifirt, nicht aber Herr v. Berlepſch.

Der Herausg.

192

In dem obigen Sate von Schlenther aber ift der zu dem Nebeniag mit „ehe nicht“ gehörende Hauptiag fein verneinter und dadurch wird die Verneinumg nah dem ehe entihieden fehlerhaft, was wohl Jedem ein- leuchten wird, wenn ftatt des faljhen „ehe“ das richtige Bindewort gefeßt wird, aljo etwa: So lange diejes Ziel nicht erreicht ift, (jo lange) hält fih der Schaufpieler für ein verfanntes Genie ıc.

3.

„So wenig es undeutſch geweſen wäre, wenn draußen im Treptower Park ſtatt der Berliner Gewerbeausſtellung eine Weltausſtellung entſtanden wäre, ſo wenig iſt es undeutſch, wenn dem weltlitterariſchen Standpunkt Goethe's gemäß im deutſcheſten aller Theater neben Leſſing, Goethe, Schiller, Kleiſt, Grillparzer auch Kalidaſa, Sophokles, Shakeſpeare, Calderon, Molière zur Geltung und zur Wirkung kommen. Ob ſie dort immer zur Wirkung und zur Geltung gebracht worden ſind, laſſe ich unter diskretem Hinweiſe auf Laube's Burgtheater, die Meininger und die Nothgedrungenheit des deutſchen Theaters‘ dahingeſtellt.“ ©. 575a, ſ. mein Wörterbuch I ©. 317c; Ergänz-Wörterb. S. 162b, als binzuzufügenden Beleg für diefe meiner Anjiht nah als fteif und unbeholfen befjer zu meidende Wort- bildung. Ich würde hier das Wort Nothlage als übliher und gefüger vorziehen.

4,

„Dieje zweitoberfte Aufgabe überläfft das Berliner Hoftheater andern Bühnen” S. 575a, vgl. Bildungen wie: der zweit, dritt- ältejte zc. (j. mein Wörterb. 1 ©. 25a Nr. 9) Ich würde als üblicher bier etwa vorziehen: Diefe zweite der Hauptaufgaben (vgl.: diefe in der Reihenfolge, nad ihrer Rangordnung, Wichtigkeit, Bedeutiamfeit zc. zweite Aufgabe).

5,

„Daher fieht fih die Leitung der Hofbühne genöthigt, fogenannten Harmlojen und anſpruchsloſen Bretterjpäßen den Vorzug zu geben“ (S. 575b), vgl. für das Verftändnis mein Wörterb. I ©. 214a Nr. 3g und „breiterhaft”, ebd. 214c, wozu ih, da der Beleg der letzten Stelle dort fehlerhaft angeführt ift, zugleih ergänzend, das Folgende her— fegen mödte: „Calderon's Tochter der Yuft... Wenn irgend ein Verlauf menſchlicher Thorbeiten hohen Stils über Theaterbretter bervorgeführt werden jollte, jo möchte genanntes Trauerſpiel wohl den Preis davon tragen. Goethe [40bänd. Ausgb.) 35, 431. Eigentlihe Naturanidauung verleiht er [Calderon] feineswegs; er ift vielmehr durchaus theatraliſch, ja bretterhaft; was wir Illuſion heißen, bejonders eine jolde, die Rührung erregt, davon treffen wir feine Spur.“

193

Mit Bretterjpäßen will bier Schlenther offenbar Bühnenauf- führungen bezeichnen, die von allen hohen und erhebenden Kunftforderungen und Runftgejegen der Bühne abjehen und durh mehr oder minder derbe Späße, Poffen, Hanswurftereien ꝛc. die Zuſchauer beluftigen und vor allen Dingen nad Herzensluft lachen maden wollen.

6.

Die neuerdings von Fachleuten lebhaft erürterte Frage, ob die Sewerbefreiheit alles Übels Urjaat ift. ©. 576a.

Das hervorgehobene Wort ift jo weit ih jehe bisher noch in feinem Wörterbuch zu finden und verdient meines Eradtens auch feine Aufnahme in den deutihen Wortihag, vgl. üblich, und auf richtiger An- ſchauung beruhend, z. B.: ob die Gewerbefreiheit alles Übels Wurzel (oder Grund, auch Urfade :c.) ift.

Bereinzelte beim Leſen niedergeichricbene Bemerkungen.

1. Deſſen. „Admiral v. Werner ift ein entſchiedener Verehrer des Generals v. Stoſch und dejjen Jjtatt: feiner] Yeitung der deutihen Marine.“ Nat.-Ztg. 47, 459, |. Hauptihwier. S. 239 ff. Nr. 3.

2. Relativjäge.

„Es liegt in jold einer großen Flagge, welche wir nur an hoben Feſttagen in Gebrauch nehmen, | | aljo in gewijjer Beziehung doch auch eine Bedeutung beilegen, ein jelbjtberwujstes Hervordrängen ꝛc.“ Nat.-Ztg. 47, 459 (Admiral v. Werner). An der durch | bezeichneten Stelle wäre (wenn der Bf. nicht aus der Sakfügung hätte berausfallen wollen) etwa

-

hinzuzufügen: „welder wir”, ſ. Hauptſchwier. ©. 81 Nr. 7.

3. Entlang (mit vorangehendem Dativ).

„Das tropenhaft Gigantifhe dieſes ungaftlihen Gürtels [aus ſtach— ligen Aloen] bewundernd, ſchritt ih ihm entlang." Wh. Jenſen (Vom Fels zum Meer 1894, ©. 15la), j. mein Wörterb. II ©. 220/3a über entlang mit vorangehendem oder nachfolgendem Ucc., Genit. und folgendem Dativ, wozu bier noch der Beleg mit vorangehendem Dativ tritt.

4. Steifleinenthum n. „Ein Feind des franzöfiihen Haffiihen Stils und Steifleinen- thums.“ Nat.-Ztg. 47, 460 (8. Frenzel), eine, wie in meinem Wörterb. Zeitſchrift f. deutſche Sprache. X. Jahrg. 15

14

auch noch in meinem Ergänz.-Wörterb. fehlende Fortbildung des Eigen— ihaftswortes „fteifleinen“ in der übertragenen Bedeutung, zumeilen (wie Steifheit :c., j. mein Berdeutihungswörterb. ©. 152a) für Pedan- terie, Bedantismus verwendbar.

5. Sich verſchwimmen.

„Der Mifserfolg des berühmten Mleifterihaftsihwimmers .. ., der beim Wettfampf um den Preis der Stadt Charlottenburg ſich ver: ihwamm ꝛc.“ Nat.-Ztg. 47, 460 (vgl. fehl ſchwimmen) in diejer Anwendung des rückbezüglichen Zeitworts no in meinem Ergänz.-Wörter- buch fehlend.

6. Richt (Stellung); ohne.

„gum SKampfe in der bekannten Opernfonfurrenz ... ., aus ber freilich, wie Viele vielleiht erwartet hatten, ein deutiher Mascagni nicht hervorgegangen ift.“ Gegenw. 45, 295. (Alfr. Stößel) ftatt: „aus der freilich nit, wie... . Viele erwartet hatten, ein... . Masc. hervorgegangen ift. —“ „Daſs fih auch ohne mufitaliihe Veranlagung und einem damit eng zujammenhängenden [ftatt: und ein damit eng zujammenhängendes] Verftändnis für die Tonkunſt doh ein Anfpruh auf das Attribut der höchſten geiftigen Befähigung wohl erheben läfft.“ ebd. ©. 296a. Der veraltete, no bei Goethe, Herder, Leſſing und in der Verbindung ohne: dem vorkommende Dativ (ftatt des Accuſativs), abhängig von ohne (ſ. Hauptihwier. S. 221a), fann hier nicht als Rechtfertigung angeführt werden, da Stößel bei den dur das gleichtellende und verbundenen Hauptwörtern das erjte in dem Accuf., daS zweite in den Dativ gejegt hat.

7. Relativjat. „Er gab... . einen Mevolverfhujs auf den Beamten ab, der in- deffen fehl ging.“ Nat.-tg. 47, 462, ftatt: Er gab... auf den Beamten einen Revolverſchuſs ab, der x.

8. Rahbildungen nahahmen ?

„Nahbildungen von Goldgegenftänden ..... Diefe Nahbildungen find vom Hofjuwelier Telge in Berlin vollendet nachgeahmt worden.“ Nat »Ztg. 47, 466. Nicht die Nahbildungen, jondern die Goldgegen— ftände find nachgeahmt worden, vgl. rihtig: Diefe Nabbildungen (oder Nahahmungen) find von dem Juwelier hergeftellt worden, find ein Werf des Juweliers ıc.

9. Aber.

„Für die Betriebe aber, bei denen als auf der Grenze liegend von

Fall zu Fall geurtheilt werden muſs, entiheidende Merkmale zu finden,

195

wäre aber nit nur eine Aufgabe für die Gewerbeinfpeftion, fondern ꝛc.“ Nat.-Ztg. 47, 468. Hier wäre das zweite bervorgehobene aber zu ftreichen.

10. Beziehungslojes Mittelwort.

„Schon jeit längerer Zeit fräntelnd, hatten die Freunde doch ge- glaubt, daſs die Ärztlih verordnete Kur in Elfter dem nunmehr Heim- gegangenen die alte Kraft wiedergeben werde.“ Nat.-Ztg. 47, 469 —, aber nit die Freunde Fränfelten, jondern der nunmehr Heimgegangne Fänfelte. Es hätte alfo etwa heißen müffen: „Obgleih der nunmehr Heimgegangne ihon ſeit längerer Zeit fränfelte, jo hatten die Freunde doch geglaubt, dafs ihm ꝛc.“

11. Appofition. Das hübſche Gediht von Davies, eines |ftatt: einem] der Freunde Bacon’s. Nat.-Ztg. 47, 470, j. Hauptihwier. ©. 48b Nr. Sb.

12. Wortftellung; wie und was ıc.

In einem aus dem Englijhen überjegten Aufjage (Nat.-Ztg. 47, 471) finden fi folgende Sätze:

„Die Chinejen haben mehr Schlachtſchiffe, aber es fragt fih, wie viel Schlachtſchiffe im modernen Seefriege Werth haben,” wo wohl gemeint ift: „wie viel Werth Schladtihiffe im modernen Seekriege haben“ und etwas weiterhin:

„Bei diefen Manövern wujste ih nicht, wen“ [ftatt: was] „id mehr bewundern follte, das“ [übliher: den) „Elan der Truppen. oder ihre Geduld“ [wohl beffer: Ausdauer] „im Feuergefecht.“

13, Kein, nicht.

„[Das] hätte feinen Anlajs zu Bemerkungen geben fünnen und auh nicht gegeben.“ Nat.-Ztg. 47, 472, richtiger: Das bätte (einen) Anlafs zu Bemerkungen nicht geben fünnen und aud nicht gegeben, |. ©. 92 Nr. 18.

14. „Es'“, abhängig von Präpofitionen, j. darüber Zeitihr. I ©. 44 ff. und ©. 163 ff. und im 2. Jahrg. die im Inhaltsverzeichnis angegebenen Aufjäge über „Betonung von Präpo- fitionen von perjönliden Fürwörtern“, wie aud die Inhaltsverzeichniſſe der ſpätern Jahrgänge. Die Frage bier noch einmal anzuregen, veran- laffen mich zwei Säße, die ſich beide in Zolling’s „Gegenwart“ 45, 308 b finden. Der erſte lautet: 15*

196

„England ſollte weiter bedenfen, dajs Ruſsland und Frankreich in einem Kriege mit ihm Alles zu geminnen und wenig zu verlieren haben, während für es jelbft jein Alles auf dem Spiele fteht.“

Und etwas weiterhin beißt es:

„Bedenkt man in der That, was für England auf dem Spiele ſieht, bedenft man weiter, daſs Dank jeiner Politif der Iſolierung ſich aud nit für es regen würde, jo ꝛc.“

In diefer zweiten Stelle widerftrebt, wenn mein Spradgefühl mic nicht ganz täujcht, das von dem Verhältniswort für abhängende tonlofe (oder ſchwachtonige) es dem deutſchen Ohre, während dies in dem erften Sat gegen die Verbindung: „für es felbft“ (wo der Ton auf dem nachdrücklich hervorzuhebenden jelbft liegt) Nichts einzumenden haben wird, j. hierüber namentlih Zeitihrift II S. 155 oben.

15. Drudfehler?

„Der Officter hatte fih der vorjhriftsmäßigen |? vorjgrifts- widrigen?] Behandlung zur Übung eingezogener Volksſchullehrer durch Schimpfworte jhuldig gemacht.“ Meflbg.-Strel. Yandesdtg. 9, 196.

16. Zeichengeld und Geldzeichen; ſämmtlich.

„Das aus einem völlig werthlojen Stoff geihaffene Papiergeld hat überall nur die Bedeutung eines Zeihengeldes.“ Grenzb. 53, 1, 471. (D. Bähr.) Das bervorgehobene Schluſswort joll bier offenbar bedeuten: „nit ein wirkliches Geld, jondern ein bloßes Zeichen anftatt des Geldes“; genauer würde aljo der Schlufs wohl lauten: die Bedeutung eines bloßen Geldzeichens.

„Sämmtliche große Kulturländer“ ebd. S. 477, wofür es nach der Ähnlichkeit mit „alle“ dem heutigen Gebrauch gemäßer wohl richtiger beißen würde: „ſämmtliche (wie: alle) großen Kulturländer“, ſ. Haupt— ihwier. ©. 30a und 243b.

17. Forderung auf.

„Die flovenifhe Forderung auf Utraquifirung, d. 5. Erridtung ſloveniſcher Barallelklaffen am deutfhen Gymnaſium.“ Nat.-Ztg. 47, 479. Man jagt zwar: eine Forderung auf Piftolen ꝛc, aber hier müjste ftatt auf der Genitiv jtehen: Die Forderung der Erridtung floveniicher Baralleltlafjen.

18. Sp wenig wie.

„Damit es fih die preußifhen Polen abgewöhnen, dieje Gebiete als Theile ihres fünftigen Reichs anzufehen, jo wenig wie Schleſien und Pommern dazu gehören werden.” Grenzb. 53, 1, 491. Die Theile diefes Sakgefüges ftehen in feinem richtigen Zufammenhange. Der Bf. hat etwa

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fagen wollen: Dieſe Gebiete werden fo wenig Theile eines künftigen pol- niſchen Meiches fein, wie Schlefien und Pommern dazu gehören werben; aber durfte er dafür fagen, dafs die preußifchen Polen jid) etwaige Ge— danken abgewöhnen müffen, jo wenig wie Schleſien und Pommern zu einem künftigen polniſchen Meiche gehören werden? Das aber hat er dem Wortlaut nah gejagt, vgl. Anatoluth.

Anzeige der eingefandten Bücher.

Beſprechung einzelner nad) Gelegenheit, Zeit und Raum vorbehalten.)

Prof. Dr. 8. Althof. Das Waltharilied, überſetzt und erläutert (Sammlung Göſchen). 152 ©. Leipzig, Göfhen 1896. Pr. in eleg. Yeinwandband 80 Pf.

3. leid, Oberlebrer a. D. Vereinfachte deutihe Rechtſchreibung und richtige Aus— ſprache 42. S. Berlin 1896. Drud und Berlag von Mar Schildberger. Pr. 80 Bf.

Friedrid ZDuctmeyer (Öberlehrer am Klaſſ. Gymn. in Tafchlent in Turkeftan, Rufſſ. Afien):

Die fiebente Großmacht oder der Schatten. Luftipiel in 5 Alten. 136 ©. Pr. 1 M. 50 Pf. Leipzig. Verlag von Ernft Wieft Nachfolger.

Mod, Gersbach. Deutihe Treue, Beitichrift für Militäranmwärter der deutichen Armee und Marine 1. Zabıg. Nr. 7. 4 Bogen. Preis für jedes Bierteljahr 1 M. 50 Bf, einzelne Nr. 30 Pf. Mob. Gersbach, Frievenau- Berlin (Wieland: Str. 20).

Goethe, Elavigo, für den Schulgebraud Herausgegeben von G. Bötticher (Freytag's Schulausgaben für den deutjchen Unterricht). Leipzig, G. Freytag, 1896. 64 ©., Preis geb. 50 Bi.

Heath’s Modern Language Series. Edited with introduetion and notes by A. W. Spanhoofd, Editor of „Germania“ and President of the New Eng- land College ob Languages. Boston U. St. D. C. Heath u. Co. Pub- lished 1896:

Fritz auf Ferien von Hand Arnold 1896. geb. 58 ©. Krambambuli von Marie v. Ebner-Eſchenbach. Memoiren eines DOfficierdburfchen v. A. Oslar-Klaufmann, geb. 78 ©.

E. Th. A. Hoffmann. Le Tonnelier de Nuremberg. Meifter Martin der Küſer und feine Gefellen. Texte Allemand publie avec une notice et un com- mentaire par Alfred Bauer Membre de la Societs de Linguistique de Paris, Deuxiöme edition, revue et augmentee de nouvelles notes, Paris Libraire Hachette et Cie. 79, Boulevard Saint (Germain, 79. 1896. X et 196 pages. Formät petit in 16, cartonne 2 fres.

Diefe ſehr hübſch ausgeftattete 2. Ausgabe von dem dem Leſern diefer Zeit— ichrift wohl belannten Herrn Alfr. Bauer, dem wie Herrn Prof. Ehrift. Gruber ich febr wertbvolle Beiträge für meine (jebt ebenfalld in 2. Aufl. erichienene) Schrift: „Satbau und Wortfolge im der deutfhen Sprache” danke, bat aufer den jehr bes actenswertben Yußanmerkungen auch morauf ich befonders aufmerffam machen möchte

Notes additionnelles et justificatives gegeben, von denen viele erft im diefer neuen Ausgabe binzugelommen find.

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Sriedr. Pfaff. Alemannia, XXIV. Yabrg. 1. Heft (6. 1-96). Gagen und Er- zählungen aus Baden. Zum Vokalismus des Alemannifchen. Über Herm. Fiſcher's Geographie der ſchwäbiſchen Mundart, Deutſche Handfchriften im Maibingen. Zur Erklärung des Rabolfzeller Marktprivilegs vom Jahr 1100. Anzeigen und Nachrichten. Bonn, P. Hannſtein's Verlag.

Walter Rippmann. M. A., Late Scholar of Gonville and Caius College, Cam- bridge: at the University Press. 1896. VIII and 246 pages Extra Fcap 8vo cloth. Price 8 sh.

Friedr. Müdtert. Gedichte (Auswahl), für den Schulgebrauch herausgegeben von Dr. Herm. Fietlau: I. Gedichte deuticher Art (188 ©. Pr. geb. 80 Pf.). II. Aus dem Morgenlande (136 &. Preis geb. TO Pf.) Leipzig. Freytag 1896. (Schul: ausgaben für den beutfchen Unterricht).

[Einige Bemerkungen dazu in einem ber folgenden Hefte

A. W. Spanhoofd. Germania, a monthly Magazine for the German Language and Literature. Newest Language Texts. Published by the Germania Publishing Company. Boston Mass. Per year 1.00, per copy. 10 cents (Agent for Great Britain Henry Schaefer, 19 Ludgate Hill, London E. C.)

R. Schmidt-Gabanis. Humoriſtiſch-ſatiriſcher Krimskrams aus dem Bazar der Kunft und der Marktbhude des Lebens. Berlin 1896. Berlag von Freund und edel. VIII und 158 ©.

Derf. Geheimrath's Jette's Poefie-Album. Bom DichtersHerd einer Berliner „Dienenden für Alles“ herausgegeben von Nihard Schmidt-Cabanis. I. Berlin 1896, Berlag von Hugo Steinitz SW., Charlottenftraße 2. VIII und 112 ©. Preis 1 M.

Die Widmung an Karl Helmerding lautet: Wenn mander ooch Berlin’fh dhut radebrechen: Wie richt’je Spree:jeboofte Jöhren ſprechen Ob je meinswejen Herrfchaft oder Küchen De wenigften verichftehn det leider beit; So’n Kwatſch kann mir den janzen Witz verleeden .. . Na, Eens ſteht doch bomfeft mang uns zwee beeden Wir fennen Bogtländ’ich fchreiben un ooch reeden Und darum hab’ id Dir det Buch geweiht. Berlin, im Mai 1896. Richard Schmidt-Eabanis,

Poffskafender für das Jahr 1897. Meunter Jahrgang. Berlag und Druf von K. W. Kafmann in Danzig (Ketterbagergafje 4). 103 S. und (auf ungezählten Seiten) Berzeihnid der Märkte in ganz Deutihland, in 100 000— 150000 Er. ericheinend. Pr. 50 Bi.

Heiner. Winkler. Germanifhe Kafusfontar I. VII und 552 ©. Berlin 1896. Ferd. Dümmler's Berlagsbuchhandlung.

A. Wolfromm. Revue de l’Enseignement des Langues Vivantes. 180 Annee, Depot. Paris A. Laisney 6, rue de la Sorbonne. 1896.

Brieflaften. | Herm Weler A... in Münfter: Das Wort Ebetbeil ift, fo weit ich im Augenblid ſehe, bisher in keinem Wörterbuch bejonberd aufgeführt. Um Ihre

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Anfrage in möÖglichfter Kürze zu beantworten, möchte id Sie erfuchen, im 1. und 2. Heft des laufenden Jahrganged der Zeitſchrift S. 87—89 und ©. 74 nachzuleſen, womit meine Antwort auf Ihre Anfrage natürlid nur vom ſprachlichen Stand: punkt aus eigentlich ſchon gegeben if. Die fragliche Stelle in der Rede des Eentrums= abgeorbneten Dr. Lieber in der 113. Situng des beutfchen Reichſtags vom 24. Juni Tautet nach dem Berichte der National-Ztg. (Barlaments-Ausgabe Nr. 405) fo weit es für das Berftändnis des Zufammenhangs nöthig ift —:

„Heute und damals halten die katholiſchen Mitglieder des Centrums daran feft, daſs die Gefegebung über die Ehe an und für fi, abgeiehen von ihren Wirkungen auf rein bürgerlichem Gebiete, der Kirche gebührt, weil die Ehe nad katholiſchem Glauben ein Sakrament und als folches jeder ftaatliheg Zuſtändigleit entrüdt ift. Wir bedauern nun, dafd ed nicht gelungen ift, noch irgend welche Ausficht auf Ge— lingen bietet, den von unjern Vertretern in der Kommiffion geftellten Antrag auf Anerkennung bes kirchllichſen Eherechts wenigftens für kirchentreue Ehetheile zur Annahme zu bringen.“

Über den Sinn des bervorgehobenen Wortes wird gewiſs Niemand im Zweifel fein können; aber meiner mit der Ihrigen übereinftimmenden Anficht nad würde der Mebner doch wohl richtiger gethan Haben, eine andre wenn aucd längere Wendung zu wählen, die allgemeiner üblih ift und auf jofortiges allgemeines Ber- ftändnis rechnen durfte, etwa:

auf Anerkennung des kirchlichen Eherechtes wenigftend für Perfonen, denen oder: für ein Paar, defien beiden Theilen (oder Hälften) als treuen gläubigen Katholifen die Ehe ein ber ftaatlihen Zuftändigleit entrüdies Sakrament ift.

Ham Prof. Blafendorffl, Borfigendem des Stettiner Sprachvereins z. 3. in Laaſe bei Zarnow: Die Berdeutihung Beden für Baffin ift allgemein üblich, |. mein Wörterbud, Berbeutihungswörterb., Fremdwörterb. Dort finden Sie aud Zufammen» jegungen, die nach Ähnlichkeit ſich vermehren laſſen und feiner befondern Erklärung be- dürfen. Da ih eben jo wie Sie meine Bücher nicht mit ind Seebad genommen, fo dann ich nicht mit Sicherheit fagen, ob ich die von Ihnen angeführten Berdeutihungen Bade und Shwimmbeden für Bade um Shwimmbaffins befonderd auf- geführt babe. ebenfalls find fie meiner Anfiht nah durchaus empfehlenswerth umd volllommen berechtigt. Der Zufall fügt es, dafs ich gleichzeitig mit Ihrer Anfrage eine Ar. der Nationaldtg. (49, 435) empfing, worin e8 u. U. heißt:

„Durch Sammelbeden am Queis Wafjerträfte zu gewinnen, welde in den Thalſperren ſelbſt 8000 Pierdeftärten ... . betragen“, ftatt Sammelbaffins u. ä m. Freundlichſten Gruß Ihnen und den Mitgliedern des Stettiner Sprachvereins.

Herm Dr. Sriedr. Düfel in Strelit. Ihre guten Nachrichten haben mich ſehr erfreut. Ihre Beiprehungen über Paul Bornftein’8 Gedichte: „Aus Dämmerung und Naht“ und... E. Petzet's Wert über Joh. Peter Uz ınuid ich wegen Raummangel® einem fpätern Hefte vorbehalten. Herzlidhe Grüße von uns in Wamemünde bier an Sie und Ihre verehrte Frau Mutter. Alles Gute!

Frau Oberappellationsratb M. ãleiſcher, geb. Gelpde in Charlottenburg. Herz« lichen, verbindlihen Dank für Ihr freundliches Schreiben, das mich sehr erfreut bat. Meine Antwort aus Warnemünde, wohin mir aus Aitftrelig Ihr Brief nachgeſendet worden ift, werden Sie hoffentlich richtig erhalten haben.

Herrn Georg Aoeſche, Dr. der Philofophie und Theologie, f. k. o. b. Prof. der Kirhengefh. in Wien. Mit beſtem Dank für Ihre freundliche Zuſchrift theile ich die in Ihrem Mathefins:-Auffaß zu berichtigenden Drudjehler auf S. 144 mit, wonach

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3. 24 (ftatt des finnloien „Wafen“) „Wochen“ zu Iefen if. [Sollte Das etwa zu erflären fein: die täglih (— alltäglid, an den Wodentagen) nit im Sonntagsftaat, iondern in dem Anzuge für die Woche im Alltagdanzuge gebt?) Yu 3. 36 (der leisten des Aufſatzes) ift (ftatt „ſchiemer“) „Ihirmer“ zu leſen. Ferner weifen Sie für 3. 31 zur Erflärung von „Roſatzer-Wein“ auf Glaß Weinbuh 1885 ©. 160 bin, wonach Roſacio ein italiän., wenig haltbarer Rothwein im Genuefiihen iſt. Freundlihfter Gruß!

Herrn £. Ott in Wien. Ihre zarte Aufmerkfamteit bat mich hoch erfreut und innig gerührt. Herzlicften Dank und den Wunſch alles Guten! Bon dem Aufentbalt in Warnemünde darf ich mir nad dem bisherigen Erfolge wohl ſchließlich Günſtiges verfprechen. J

Fräulein Johanna 5 . . aus Mellenburg. Als Verdeutſchung für das franzöfiihde Modewort Dessous babe ih Unteranzug gebildet, aber auch das von Ihnen gebildete Unterkleidung ift meiner Anficht nach volllommen zutreffend und empfehlenswerth.

Herrn Dr. HS. Schrader in Berlin. Mein vortrefflicher Mitarbeiter, den ich als „Freund“ begrüßen zu können ftol, bin, Sie haben nit nur mic, fondern ſicher alle Leer der Zeitfchrift Iebhaft erfreut durch die Mittheilung, daſs wir von Ahnen, dem rüftigen Achtziger, demnäcft ein neues Buch zu erwarten haben, auf das ih ohne biöher den Titel zu kennen höchſt geipannt bin. Glück auf! und: alles Gute Ihnen und den Ihrigen, namentlih auch Ihrem Sohne Dtto!

Herın Johannes WB... in Mainz. Sie tbeilen die folgenden Süße aus der Gegenwart 49, ©. 162a mit:

„Die Entfremdung weniger vom Chriftenthum ald von der Kirche nimmt aufe jallend zu. Wer die Augen nicht abfichtlich verichließt, fiebt fie förmlich wachen. Sie ift zu Har und fichtbar, um länger über fie zu jhreiben.“ und Sie fragen bei mir an, wie bier das hervorgehobene Schlufsmwort zu erflären fein dürfte. Meiner (unmaßgeblihen) Anfiht nah durch die einfache Annahme eines Drud- fehler, indem ftatt ſchreiben fhweigen zu leſen fein dürfte.

Herrn Eng. 3. in Treptow: Wenn das bervorgehobene Wort (in dem im der Nat.-Big. 49, 159 aus der Zeitichrift „Der Socialift“ abgedrudten Schriftftlüd) nicht auf einem Druckfehler beruht, fo fagt das Wort jedenfall® nicht, was der Schreiber bat fagen wollen: „Ein mutbmwertber Verfechter und Bertheibiger ꝛc.“ Gemeint ift etwa: ein muthvoller oder mutbiger, vielleiht au: ein muthbewehrter ac.

Herrn Prof. Aug. Siemaun in Celle. Ihr ſehr willlommener Beitrag folgt, fobald fi der nötbige Raum dafür finden läſſt, hoffentlich ſchon im nächſien Heft. Beiten Gruß.

Alle für die Beitfhrift feldft Beftimmten Bufendungen wolle man un- mitteldar au den Herausgeber nad Altfirefit in Mehlenburg, dagegen die für den Amfhlag oder als Beilagen beſtimmten Anzeigen an den Ber- leger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nähfte Seft müſſen jedes Mal Bis fpäteftens zum 1. des Mouats in den Händen des Herausgebers fein; auch Bittet er, in Beyug auf den Amfang, die Raumverhältniſſe der Beitfhrift im Auge zu Balten.

Geifter und Menſchen.

Ein Roman in 3 Bänden von Adolf Wilbrandt. Nördlingen 1864.

1. VBorbemerfung.

In diefem vor 32 Jahren erjchienenen Buche hatte ih mir ſchon vor mehreren Monaten die Stellen angezeihnet, an die ich meine ſprach— lihen Bemerkungen für meine Zeitihrift knüpfen wollte.

Der 1837 in Noftod geborene Berfaffer des Nomans hat jeine Kinder: und Jugendjahre in dem zu Roftod gehörigen an der Mündung der Warnow gelegenen Warnemünde verlebt, wo aud viele feiner Novellen jpielen, und wohin id jegt, da mid die Verordnung meines Arztes dort- bin geführt, das zu beſprechende Bud Adolf Wilbrandt’S mit mir ge— nommen.

Das erfte Mal, dajs ih in dem Seebade Warnemünde vermweilt, bildet einen Lichtpunkt in meinem Leben, an den ich heute froh und weh- müthig zurückdenke, froh in der Erinnerung an den anregenden, heitern, gejelligen Kreis, den wir dort im Jahre 1848 bildeten, und wehmüthig, weil die Meiften aus dieſem mir jo nahe ftehenden und innig verbundenen Kreije bereits dahin geſchieden find.

Ich nenne unter diejen Dahingegangenen zuerft meine vortreffliche Gattin Yda, geb. Friedländer, meine-treue Stüge, die miv durch einen unerwarteten plögliden, aber fanften Tod am vorlegten Tage des Jahres 1895 entriffen ward, dann deren Schweiter, Sophie, die Gattin meines beffern Ychs, des Kaufmanns und Senators Alerander Sanders, den ih in dem Vorwort zu meinem „Deutihen Wörterbuhe” als meines Vaters „ähnliden Sohn“ mit Recht habe bezeichnen dürfen, ferner den nun ſchon vor 20 Yahren dahin gejchiedenen Adolf Glaſsbrenner, mit dem ich gemeinjam die bei Hoffmann und Campe in Hamburg er: ſchienenen „Xenien der Gegenwart” verfafft habe und den die deutiche Litteraturgeihichte mit Recht den „Vater des (älteren) Berliner Witzes“ genannt hat, der ſich ſelbſt aber in vielen jeiner Schriften gern al$ Brenn- glas bezeichnete, aber in Hinblid auf feinen Ernſt und Heiterkeit ver- bindenden Humor auch als Ernft Heiter, während er mid wenn id nit alle die Freiheiten, Die er fih mit der Sprade, in feinen Gedichten,

Zeitſchrift f. deutihe Sprade, X. Jahrg. 16

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namentlih auch im Bersmaß, erlaubte, ungerügt durchgehen laſſen wollte als den allzuftrengen Dr. Zopf zu bezeichnen liebte. Bier reihe ic jeine im vorigen Jahre verftorbene vortrefflihe Sattin Adele an, die als Schaufpielerin und als Lehrerin der Schauipieltunft fih mit Recht einen anerkannten und gefeierten Namen als Peroni-Glaſsbrenner erworben bat und die in Verbindung mit meiner oben genannten Schwägerin Sopbie fih meiner Unterweilung im Engliſchen anvertraute, wobei ich den vielfachen anregenden Bemerkungen beider vielleiht mehr zu danken hatte, als fie mir.

Weiter nenne id den 1816 in Roftod geborenen und vor zwei Jahren verjtorbenen Rechtsanwalt Moritz Wiggers, der in demielben Maße, wie er bei allen Freiſinnigen der beiden Meflenburg in wohlverdienten hoben Ehren jtand, bei den fih „konſervativ“ nennenden, aber von allen andern Bewohnern der beiden Großherzogthümer „Rückſchrittspartei“ Genannten verhafft und gefürdtet war, den Borfigenden des Fkorfftituierenden mellen- burgiſchen Landtags, ſpäter in den berüchtigten fogenannten „Roſtocker Hochverrathsproceſs“ verwidelt und zur Zuchthausftrafe verurtheilt, wodurch Moritz Wiggers in der Adhtung, Ehre und Liebe des Meflenburger Volks Nichts verlor, fondern als Märtyrer für feine Überzeugung nur um jo höher ftieg, während bie bis dahin im ganzen Volk als entehrend betrachtete Zuchthausſtrafe bei Vielen nit mehr als entehrend betradhtet wurde.

Ferner die beiden weit über den Kreis ihrer Zuhörer hinaus dur ihre ſchriftſtelleriſche Thätigkeit bekannten und hochgeehrten Profefforen ber Roftoder Univerfität, Profeſſor Wilbrandt (den Vater Adolf Wilbrandt's) und Profeffor Türk, und den gefinnungstüchtigen, freifinnigen Gutsbefiger Samuel Schnelle auf Buhholg, den Schwiegervater des weiter unten zu nennenden Profejfors Julius Wiggers, und, um abzufäließen, den Nehtsanwalt Auguft Cohn aus Neuftrelig, mit deffen Vater jhon mein jeliger Bater befreundet war.

Dieje Neihe von bereits verftorbenen Mitgliedern aus unſerm da— maligen engern, trauten Warnemünder Kreije hätte ih noch um einige Namen vermehren können; um jo fürzer fällt leider! die Neihe Derer aus, die, wie ih, noh am Leben find und die mir wie ih ihnen durch allen Wechſel der Zeit hindurch treu verbunden geblieben find.

Es find Dies der ausgezeichnete Profeffor der Theologie, Dr. Yulius Wiggers, der Ältere Bruder von Morig Wiggers (geb. in Roftod 1811) und, wie diejer, in den berüchtigten „Noftoder Hochverrathsproceſs“ verwidelt und verurtheilt. Sein dem WReuter’ihen „Ut de Feſtungs⸗ tid“ an die Seite zu ftellendes Buch: „42 Monate Feitungshaft“ möchte ich bei diejer Gelegenheit allen Denen angelegentlihft empfehlen, die von

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den damaligen Meflenburger Zuftänden ein getreues Bild gewinnen wollen, ferner der Noftoder Rechtsanwalt Karl Müller, der ihon damals wie noch jegt Redalteur der über Meklenburg's Grenzen hinaus in Norddeutihland verbreiteten, jegt im 186ſten Jahrgang ftehenden „Roftoder Zeitung“ war.

Diefen Beiden, die, wie ih, aus unſerm trauten Warnemünder Kreiſe von 1845 nod am Xeben find, rufe ich meinen beliebten kurzen, aber Alles in ſich ſchließenden herzlichen Wunſch zu:

| Alles Gute!

Die Leſer diejer meiner Zeitfchrift aber werden, jo hoffe ih, mir, dem ım 77ften Lebensjahre Stehenden, e8 zu Gute halten, dafs ih ber loquacitas senilis folgend den Bemerkungen zu dem Romane von Adolf Wilbrandt dieje „Vorbemerkung“ voranzujhiden mir erlaubt habe- (Die Bemerkungen zu dem Wilbrandt’jshen Roman ſelbſt mujs id mit Rüdfiht auf den Raum den jpätern Heften vorbehalten.)

Sternjhnuppen. (Roman von Robert Byr im Feuilleton der National:dtg. 49 Nr. 269 ff.)

1. Die elettriiche Glode, welche die Abfahrt des Abendzuges von der legten Station fignalifierte, hatte bereits zu Klingen begonnen, als auf ber von jungen Pindenbäumen gejäumten Straße, die das Gebirgsſtädtchen mit jeinem fleinen Bahnhofe verband, ein rajches Gefährt herangejagt kam ꝛc. Nr. 269, vgl. Zeitihr. I S. 327 Nr. 5, wo zwei Belege für den nit genauen Gebrauch des Imperfekts ftatt des richtigen Präfens gegeben und beiproden find. Ich fee davon den einen ber: „Mimi nahm die Pferde- bahn, um in das Billenviertel zwiſchen der Alfter und der Wandsbeder Chauſſée zu gelangen, wo die Uhlandftraße lag“ [lies: liegt), mit einem Hinweis auf einen Brief von Heinr. Heine, ebd. 1 S. 308 $ 99, ſ. ferner auch 3. B. Zeitihr. 1 ©. 193/4 $ 12; ©. 343 $ 44 u. ö. Demgemäß wäre ftatt des hervorgehobenen verband genauer verbindet zu jeßen, vgl. (mit dem fürzern Mittelwort ftatt des Melativfages): „auf der das Gebirgsſtädtchen mit jeinem Heinen Bahnhof verbindenden Straße.“

2. Die flüchtigen Graufhimmel . . . fielen... . wieder in jchlanfen Trab, um fo die letzte Strede zu hinterlegen. Nr. 269, mundartlid ftatt des in der Schriftiprade üblihen zurüdzulegen, j. Wörterb. II ©. 8la Nr. 2a.

3. In Heinen abgelegenen Orten ift alle Welt in Kenntnis aud der unbedeuten[d]ften Beränderung des Beamtenftandes. Nr. 274, ſ. über

das von mir in edigen Klammern binzugefügte d „im Superlativ vor ft” 16*

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meine Hauptihmwier. ©. 86 Nr. 2 (vgl. umgelehrt ebd. in Nr. 1 den regelrehten Ausfall des d in Wörtern wie Unbedeutenbeit ftatt des nur vermeintlich korrektern (oder regelrehtern) Umbedeuten[d]beit).

4. Du fleiner Haſenfuß braudteft überhaupt feine Angft zu haben. Var [= &$ war] nur eine Beule in der Patentbüchſe [des Wagens). Jetzt ift der Budel heraus. Alles in Ordnung. Das Wertel hält nod. Alſo friih aufgeftiegen zc. Nr. 274. Die durh Sperrdrud hervorgehobene öfterreihiiche Verkleinerung von Werk (f. mein Wörterb. III ©. 1576 ff.) bezeichnet bier, wie man fieht, das Feine kunftvolle Werk, die Patentbüchſe des Wagens, dagegen (f. Ergänz-Wörterb. S. 631a) in Ofterreih zumeift einen Leierfaften, j. a. a. DO. aud die Fortbildungen (ein-, fort-)werkeln.

5. Willft du zu mir auf den Bod, Bachſtelzchen? Nr. 274, als fofende Anrede an die Tochter nah dem zierlihen beweglichen Bogel (1. Wörterb. 111 ©. 1208a).

6. Wir mujsten im Bernauer Hof untertreten. Mama trant ein Glas Wein. Nr. 274, vgl. für das auf der erften Silbe betonte, aljo unecht zufammengejegte untertreten (veridhieden von dem gleich geſchrie— benen, aber auf der dritten Silbe betonten, echt zufammengejegten Worte) mein Wörterb. III ©. 1373a/b, woraus ih bier nur den Beleg aus Tieck berjege: Ein Überdah, wo die Bauern untertreten, wenn der Regen fie überfällt.

7. „Ya, jo macht er’s immer. Hat noch Keiner je einen Knopf von ihm bejehen. Mich kriegt er nit mehr daran.” „Na, er ift doch wenigitens freundlih.“ Was kauf ih mir davor? Die Freundlichkeit! Geld ift mir lieber.“ ꝛc.

Bol. mein Wörterb. I, S. 959b/c unter Knopf 4, woraus id bier Folgendes herſetze: „AndrerjeitS bezeichnet die Nedensart: Knöpfe haben „Seld haben“, mit Bezug auf die namentlih früher bei wohlhabenden Yandleuten übliche Sitte, angeöhrte Geldftüde ftatt der Knöpfe zu tragen: Da der Alte Knöpfe in der Yade und gute Freunde an der Hand hatte. Höfer Yeb. 12, f. Frommann Mundart. 6, 118 ꝛc. und burſchikos: Knöpfe jpringen lajjen. Geld ausgeben. Vollmann“ x.

In Bezug auf das hervorgehobene mundartlide davor ft. des in der heutigen Schriftiprache geltenden dafür |. mein Wörterb. I S. 519a/b und bejonders Büchmann's Geflügelte Worte (16. Aufl.) S. 190, wo es heißt:

„Was ih mir dafür kaufe!“ (eigentliih: Wat id mir davor fofe!) im Sinne von: Was ih mir daraus made! ſtammt aus der Poffe von David Kaliſch (1820—72): ‚Berlin, wie es weint und ladht‘.“

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8. Bin ih es, der ihnen den Rauſch antrinkt? Nr. 277, hier ausgehoben als Nachtrag und Ergänzung zu meinem Wörterb. III ©. 1379a/b, wo nur Beiipiele mit dem rüdbezügliden Dativ aufgeführt find: fih einen Rauſch, Haarbeutel ꝛc. antrinfen.

9. Flor de Habana ift es juft feine |j. Wörterb. 1 ©. 892a unter „fein“ Nr. 8, ftatt nicht oder: es ift juft feine Havannacigarre], f. u. Nr. 29; 43; aber dih ſchüttelt's [= jhaudert es; j. mein Wörterb. LI ©. 1027e unter jhütteln 2 f.] ja förmlid vor dem demofratijchen Kraut [j. Wörterb. I ©. 1020c unter Kraut 1d]. %a, man ent: mwöhnt es, wenn man unjere Verſammlungen feit lange nit mehr auf: ſucht. Nr. 227 man wird deſſen ungewohnt, verliert den Geſchmack daran :c., j. mein Wörter. III ©. 1650b ff., woraus id mit Rüdjicht auf den Raum nur Folgendes (mit Weglaffung der meiften Belege) herſetze:

„Entwohdnen.... 2. einer Sache ungewohnt, entfrembdet werben, j. entwöhnen 1: a) mit abhängigem Genitiv... .; b) zuweilen mit Accuſativ ſtatt Genitiv, nicht bloß: Ich bin es (ſ. d. 9) entwohnt zc., jondern auch: Sie müfjen ihn [dem Landjunfer) unter fremde Yeute thun, damit er die Dorfluft entwohnt. Rabener 4, 101...

Entwöhnen: 1. vereinzelt intr. jtatt entwohnen (ſ. d.), 3. ®.: Ich bin wohl alt genug, der Mutter zu entwöhnen. Rückert Weish. 4,139...

Gewohnen... 1. intr. (haben) bei Älteren und no in gehobenem Stil... a) mit Genitiv: Daſs du nit gewohneft der Narrheit. Sirach 23,19... Er konnte nicht der dumpfen Yuft gemwohnen. Uhland 503... b) mit Accujativ ft. Genitiv (vgl. gewöhnen 1), zunädit (j. Es 9) bei allgemeinen Fürmwörtern: Keine üble Nahrung, wenn man’s nur gewohnt, Auerbah Sevatt. 532 . ..; dann aud: Daſs es [das Füllen] den Zwang gewohnen joll. Gellert 1,13 .. . Noch ehe du dein Glücke wirft gewohnen. Leſſing 1, 95. Bis wir durch öfteres Tragen fie [die Kleider] gewohnen. Schiller 559a ...

Gemwöhnen: 1. zumeilen (volksüblich bejonders in Öfterreich) mit Accufativ gewohnen (j. d. 1b; 3b), gewohnt werden: . . . „Man gewöhnt's!“ wie Bauernfeld in feinem „deutichen Krieger” jagt. Yaube Dram. W. 5, XV. Dem allein | die blöde Menſchheit zu vertrauen, bis | fie bellern Wahrheitstag gewöhnen. Yeifing Nath. 4, 4... .“

An Ddiefen wenigen Andeutungen mujs ich e8 hier genügen laffen; vielleiht regen fie manden Leſer an, die angeführten Wörter in meinem Wörterb, vollftändig nachzuleſen.

Hier will ich nur in Bezug auf den Vf. des beſprochenen Romans kurz hinzufügen, daſs unter dem Schriftſtellernamen Robert Byr ſich der

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1835 in Bregenz geborene und auch jet dort lebende Robert von Bayer verbirgt (oder vielmehr bekannt ift), der bis 1862 öſterreichiſcher Dfficier war.

10. Die... . Auglein ſchielten . . . am dem ftattlihen Anſatz zu einem Bäuchlein . . . herab... „Ja, e8 gedeiht dir.” Nr. 277, vol. mein Wörterb. I ©. 276a unter „gedeihen 1“, woraus ih bier nur das erfte Beifpiel heriege: „Er ifft viel, aber er gedeiht dabei nicht, es gedeiht ihm nit” (vgl.: es ſchlägt ihm nit an, ſ. III ©. 939c ımter ans ſchlagen Nr. 17).

11. Sept werde ih [als Ingénieur] bald dahin, bald dorthin geftedt, wie eben wieder bier, Flickſchuſterei zu treiben. Nr. 283, verädtlid im Gegenfag zu „ganzer, felbftändiger Arbeit zc.,“ vgl. Flickerei, Flickwerk, Flickarbeit :c. |

12. Er macht gar fein Hehl daraus, dajs ih ihm nit zu Geſicht jtebe. Nr. 233 dafs ih ihm nicht paffe, nicht recht bin, dafs er mid nicht leiden mag, ſ. „Geſicht“ I 2 (Wörter. III ©. 1091b Nr. 2 und Ergänz.-Wörterb. S. 480 c.)

13. Bis das liebe Schweſterchen ſich plöglih ale Goldihmetterling entpuppte. Nr. 286, vgl. in meinem Wörterb. 1 ©. 450b: „Boldfiid: Name mehrerer Fiſche mit Goldglanz . . ., zumeilen aud als Bezeihnung eines reihen Mädchens, das gefiiht oder geangelt wird.“ Natur- geihihtlich bezeichnet übrigens Goldjhmetterling feine beftimmten Arten von Schmetterlingen.

14. Wenn man bedentt, was werden hätte fönnen, aud die Folgen, für die unbefonnenen Yeute ꝛc. Nr. 290, in gemwöhnlider Stellung: mas hätte werden fünnen, vgl. meine Schrift: „Satzbau ꝛc.“ ©. 114, ſ. u. Nr. 22; 25; 34.

15. Sie leitete dabei den Saft jo, dajser mit der Hauptnieder: lafjung im Rüden vor einem Winfelhen ſaß, in das mit einem Verſuch fapriciöfer Anordnung ein paar kiſſenüberdeckte Korbftühle um einen fleinen Blumentiſch zujammengefhoben waren. Nr. 292. Ich geftehe, daſs die bervorgehobenen Wörter mir nicht ganz Mar find; vielleicht fanrı einer der Leſer mid darüber ganz aufllären.

16. Nur flüchtig erwiederten fie denjelben [den Gruß], fie waren beide jo beihäftigt, jo kur an der Zeit x. Nr. 307, mundartlid jie hatten jo wenig Zeit; ihre Zeit war jo furz bemefjen oder zugemeffen, jo knapp, jo jehr in Anſpruch genommen zc., in meinem Wörterb. und Ergänz.-Wörterb. noch unermwähnt.

17. Nicht einen Augenblid konnte das elektrijierte Korkfmännlein ruhig an derjelben Stelle bleiben. Nr. 307, bildlih zur Bezeihnung eines

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fortwährend bin und ber fih bewegenden Männleins, das dur die Eleftricität angezogen und dann wieder abgejtoßen, bin und her pendelt, vgl. in einem andern Bilde: Quedjilbermännden u. ä. m.

18. Der erftbefte Sonntagsparadeur Nr. 307, bier = Sonn: tagsreiter (f. mein Ergänz.-Wörterb. S. 41Ya/b [der nur Sonntags auf’s Pferd fommt, um mit jeinem Neiten Parade zu maden]).

19. Das war ja niemand Anderer als die Darjtellerin der Gräfin Orfina ꝛc. Nr. 335, in der allgemeinen Schriftiprade üblider: fein Anderer oder: Niemand anders, j. Hauptihmwier. S. 190a u. Wörterb. 1 ©. 838b (Nr. 2 f.), vgl.: Es war Dies niemand [fein] Geringerer als Prinz Eduard xc. Nr. 355. Daher eigentlih niemand Anderem [feinem Andern] ein Verdienft dabei zufalle. Nr. 361 u. o.

20. Jede Shrumpfelige Sclaffheit, die der häufige Gebrauch von Schminfe unvermeidlih hinterläjit. Nr. 335 runzelig, |. Wörter- buh III Seite 1016c/7a, mit der Nebenform ſchrump(e)lig, val. ſchrumpff)eln xc.

21. Sie haben Recht. Die Nolle liegt mir eigentlih nit... Seht erjt wird es mir völlig Har, warum mir die Rolle diejer eigen: nüßigen Italiänerin [der Orfini in Leſſing's Emilia Galotti] nit liegt. Nr. 337. Für diefe in der Scaufpielerijprade durchaus üblihe Aus- drudsmweije vgl. man zunächſt in meinem Wörterb. II ©. 135/6 liegen, bejonders Nr. 2 („mit abhängigen Präpof., alphabetiih“) und Nr. 3 („mit Adverbien der Art und prädifativen Beſtimmungen“). Sie bedeutet fo viel wie: Die Nolle liegt nicht eigentlih in dem Bereich oder Kreis (niht inmerhalb des Kreifes 2c.) meiner ſchauſpieleriſchen Eigenart, Be: fähigung, Natur zc., nit innerhalb meines eigentlihen Nollenfahes, niht ganz paſſend für mid, mir nicht ganz paſsgerecht :c., vgl. 3. B. aud in meinem Wörterb. III ©. 1110c unter ſitzen 2g, woraus ih Fol: gendes berjege: „von Kleidungsftüden.... Gut, ſchlecht figen (oder Heiden, 1. d. 2). Alles jaß mie angegoffen. Höfer... Wie euch die Hojen figen! Schiller... Die Weite jaß ichlotterig. Spielhagen . . . und übertragen: Eine Gabe, die ihr jo fremd ſitzet [fteht 2c.| wie jener Ejelin die Rede— jeligkeit. Wieland” und ferner mein Wörterb. II S. 505a: „Ballen... 4: genau jo fein, wie Etwas, wofür oder wozu es beftimmt it, fein ſoll und muſs, diefem gemäß fein, damit in Übereinftimmung fein“, mit zahlreichen Belegen, von denen ih hier nur folgende herſetze: „Etwas pafjt Einem in den Kram. m alle Sättel pafjen oder gerecht jein. Etwas paſſt wie die Fauft aufs Auge ſchlecht, niht. Doch pafit eine ſolche Anjtellung mir am füglichjten auf den Yeib. Ehamifjo.“

22. Das find die Zuftände, die man heranwachſen hat laſſen.

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Nr. 341, in gewöhnlider Stellung: hat heranwachſen lajjen, vgl. oben Nr. 14.

23. Ein hübſcher Menſch, mit dem man fi gut unterhält und der bier, wenn man ihm noch geſchickt den legten Schliff giebt, vortrefflih zu brauchen jein wird, deine firen Gähnabende im Winter ein bischen aufzupugen. Nr. 345, mo wie man aus dem Zuſammenhang entnimmt die „firen Gähnabende“ die unter Gähnen verbrachten (oder langweiligen) jours fixes bezeichnen, als eine der unerihöpflihen Zufammenfegungen, deren Sinn man erräth, ohne dajs fie als Vermehrung des deutihen Wort: ſchatzes anders als gelegentliches Beiipiel Aufnahme ins deutſche Wörterbuch beanſpruchen fünnen, vgl. in derielben Nr.: Wirklih ein beneidenswerthes Glück! Andere Schauſpielerinnen] Haben fih Kronen erjpielt —=durd ihr Spielen auf der Bühne erworben, während das tranfitive erjpielen in meinem Handwörterb. ©. 215b nur ganz allgemein erflärt ift (und erklärt werben fonnte): durch Spielen erwerben (aud) von anderen Arten des Spiels), vgl. 3. B.: Er hatte dur ein Börjenipiel geftern 1000 Dark eripielt und hat heute 2000 veripielt u. ä. m., und weiterhin in derjelben Nr.: Die ftarken dunfeln Brauen [dev Schaujpielerin] zogen fih jo eng zufammen, dajs fie beinahe in einander liefen und nur eine tiefe Furche fie trennte, die Medeafalte, d. 5. die Falte, wie fie die Schaufpielerin (ihrer Rolle gemäß) als Medea den Zujhauern zeigt und zeigen muſs zc., vgl. unten Nr. 27,

24. Der Mufiffinn ift bei unjerer Heinen Blödheit nod am meiften entwidelt, wo nah dem Zuſammenhange das hervorgehobene Wort nit den Zuftand einer blöden und ſchwachſinnigen Perſon, jondern eine ſolche Berfon ſelbſt bezeichnen foll, vgl.: Du Heiner Leichtſinn! du Über: mutb! u. ä m. Ich bezweifle, dajs in diefem Sinne das Wort Blöd— heit in den allgemeinen Gebraud übergehen wird.

25. Zugleih war jedoch Hilde, die ein paar Schritte weiter zurüd binter ihrer Hoheit geftanden .. . vorgeeilt. Nr. 355 eilig vor: getreten, vorangeeilt.

26. Es lag Nihts in dem Befehl, was auffallen hätte können. Nr. 355, in gewöhnliherer Stellung: was hätte auffallen fünnen; und 3. B. Nr. 361: „Und wenn fie etiwa ihren Augen nit glauben hätte ſſtatt: Hätte glauben] wollen u. ä. m., j. o. Nr. 14.

27. Was? Hat did die Auszeihnung . . . jo grandig gemacht? Nr. 355, vgl. mein Wörter. 1 ©. 617c, wo es unter Grandig II beißt: „Il Grand (frz. grang) = groß: ©. thun. Da geht's g. ber xc. Zuwetlen verlängert: grandig.” Hier, wo die zur „vornehmen Hof- geſellſchaft“ zählende Sprederin die nit dazu gehörende Angeredete in

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böhniihem Spott jo darftellen will, als ob dieſe durch die einmal ihr widerfahrene Auszeihnung fih von dem Wahn und dem Dünfel erfüllt glauben könnte, ala ob fie troß ihrer abhängigen dienenden Stellung von num ab mit zu der „vornehmen Hofgeiellihaft” gehöre, ift das franzöfierende grandig wohl ganz an jeiner Stelle.

28. Die wohlverhüllten, tugendbemäntelten Moralpredigten, die fie jegt mit ergebener Miene hinzunehmen gehalten war. Nr. 358, in dem leiten Ton diejes in der Hofgejellihaft jpielenden Romans nit unbe rehtigt ftatt des genauer und ftrenger richtig gebildeten: mit dem Tugendmantel bededten ac.

29. Das Hoffräulein hielt ihren Vortrag über die Kinderbewahr- anftalt in dem Wöhnerinnenunterftügungsverein. Nr. 361, als ein Beifpiel dafür, zu welch Tangathmigen und ſchwerfälligen Wortbildungen im Deutſchen die faft unbegrenzte Fähigkeit Zufammenjegungen zu bilden verführen fann, mit denen das Maß der Bielfilbigkeit noch feineswegs erihöpft ift (vgl. 3. B.: Wöhnerinnenunterftügungsvereing-Mit- glied, -Sigung :c.), ſ. o. Nr. 23 u. vgl.: Faft wundert man fid, daſs die „Kleintinderbewahranftalt” ſich die Verkürzung um die erfte Silbe hat gefallen lajjen.

30. Inkorrektheit dulde ih feine in meinem Palais. Nr. 361, ſ. o. Nr. 9, ftatt: Inkorrektheiten dulde ih nicht ꝛc. oder: Ich dulde feine Inkorrektheit(en).

31. Es wird alſo wohl geboten fein, ... . ein Auslangen mit ihm zu finden. Wohl nicht auf die Dauer, aber doch vorläufig. Nr. 370, ftatt des jchriftdeutich allgemein üblihen Austommen, unter welchem Titelkopf e3 in meinem Wörterb. | S. 976b in Nr. 2f heißt: „Mit Einem aus: lommen: fertig werden, in Frieden leben: Wie ſchwer und unmöglich es fei, mit manden Menſchen auszufommen. Hebel 3, 489, j. 3 und durch— fommen, vgl.: Mit Jemand nachkommen. Matheſius Luther 1418, j. umgeben.“ Bgl. etwa: Es wird aljo wohl geboten fein, fih mit ihr, wenn auch nicht auf die Dauer, jo doch vorläufig zu vertragen zc.

32. Zum Abbruh jener Mauerrefte verwendet, die ihrer Schat- baftigfeit oder Uneinfügbarfeit in den neuen Plan wegen zum Verſchwinden beftimmt waren. Nr. 397.

Die Präpofition wegen fann befanntlih dem von ihr abhängigen Genitiv vorangehen oder nahfolgen (f. mein Wörterb. III ©. 1513c ff.); doch verdient die Voranjtellung unbedingt den Vorzug, wo (mie hier) der abhängige Biegungsfall durch etwas dazwiſchen Stehendes getrennt ift, aljo beffer: die wegen ihrer Schadhaftigfeit oder Uneinfügbarfeit in den neuen

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Plan zum Verſchwinden beftimmt waren, vgl.: die, mweil fie zu ſchadhaft waren oder in den neuen Plan fih nit einfügen wollten, ꝛc.

33. Der den Bau raſcheſtens gefördert zu ſehen wünſchte. Nr. 397, vgl. in meinem „Lehrbud der deutihen Sprache“ (8. Aufl.) $ 84: „Be: merfungen über den Superlativ und den Komparativ der Adverbia“ be— ſonders Nr. 7.

34. Eine Feuerfeſte fönnteft du dir doch wohl anihaffen. Weiß Gott, man befommt ja förmlich Luft, bei dir einzubredhen. Nr. 400. Die Gigenihaftswörter feuer-, diebes-, einbrudssfeit, -fiher zc. zur Bezeihnung von Räumlichkeiten, die gegen die Gefahr vor Feuer, Dieben, Einbrüchen ꝛc. gefihert (geſchützt, feſt zc.) find, find allbefannt und gebräuchlich (ſ. Wörterb. 1 ©. 436c und Ergänz Wörter. ©. 198c, ſ. namentlich das bier in der Zeitihrift wiederholt beiprodene bombenfeft). Für feuerfefte Geldihränte gebraudht man oft nad dem Namen eines in ber Herftellung folder befonders bewährten Berliner Kunſtſchloſſers deffen Namen Arnheim als männlihes Hauptort und fo aud wohl in Gedanfen an das zu ergänzende männlihe Hauptwort „Geldſchrank“ die Bezeihnung: der FFeuerfefte, ein Feuerfeſter. Das von Byr gebrauchte weiblide: „Die Feuerfeſte“ ift mir bisher noch nicht begegnet und, wie ih glaube, wenigftens in Norddeutſchland nicht üblich, obgleih durd eine Ergänzung, wie etwa von Kaſſette ꝛc., leiht erflärbar. Ich habe bei diefer Ge— legenheit darauf beſonders aufmerkſam machen wollen. Vielleicht theilen freundlihe Yejer mit, ob in nicht norddeutichen Gegenden dieſe Bezeichnung allgemeiner verbreitet ijt.

35. Er rechtfertigte jih mit der Eile, in der er die Reſidenz wieder verlaffen hatte müfjen [ftatt: Hatte verlaffen müffen, Nr. 403, ſ. o. Nr. 14.

36. So hatte er auch feinen Grund, ihr jein Unbehagen fühlen zu laſſen. Nr. 409, wo ftatt des franzöfiihen Dativs ihr richtiger der Accujativ fie ftände (j. Hauptihmwier. S. 195b Nr. 4).

37. Damit hopste fie jelbft in ziemlih gelungener Nahahmung [eines Känguruhs mit vor dem Buſen neben einander gehaltenen Händen davon. Nr. 419, vgl. gefüger den Zufammenftoß der beiden Präpo- fitionen vermeidend etwa: Damit hopste fie, in ziemlich gelungener Nahahmung, die Hände vor dem Buſen neben einander haltend, davon.

38. Es fehlte nicht viel und er hätte „Hurrah“ gerufen. Ar. 426, vgl.: e8 fehlte nicht viel, dajs er „Hurrah“ gerufen (hätte) oder: fo hätte er „Hurrah“ gerufen, vgl: faft, beinahe, bei einem Haarexc. hätte er „Hurrah“ gerufen.

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39. „Sie müfjen aljo zugeben, dafs Unregelmäßigfeiten ftattgefunden haben.“ Ich werde mich gegen diejen Anwurf vertheidigen. Nr. 430, j. mein Wörterbud).

40. Der Hartnädige durfte in feiner Widerborftigfeit nit fort- gelaffen werden. Nr. 430, ſ. mein Wörterbud.

41. Nun murde der noch immer Geiftesabwefende . . . erjt in die rihtige Klammer genommen. Nr. 430, vgl. Klemme :c.

42. Sie fennen den tiefen Widerwillen Seiner Hoheit gegen alle radifalen Strebungen. Nr. 430, j. mein Wörterbud.

43. In der feuchten Luft, die große häſsliche Fleden an der Wand abjegte. Nr. 432, als zurüdbleibende Spur hinterließ.

44. Nutzen bringt mir dein Sturz aud feinen (ftatt: nit), ſ. o. Nr. 9 ic.

45. „Es find beide [Hände] Künftler.” Und werden nun geſchmeichelt über Verdienft. Nr. 438, ſ. über die Fügung von jhmeiheln mein Wörterbuch und Hauptſchwier.

46. Während die beiden Herren zu verhandeln begannen, huſchelt ſich Valeska traulich zu Hilda ins Sopha. Nr. 448, ſ. mein Wörterbuch.

47. Den Hut auf der Seite, die brennende Cigarre im Munde, Irrlichter in den kleinen gekniffenen Augen und ein blödes Lächeln auf den feuchtenden ſſtatt: feuchten, ſich feuchtenden) Lippen. Es war nicht das erſte Mal, daſs fie ihn in dieſem [trunfenen] Zuftande ſah, aber nie noch [gewöhnlihe Stellung: noch nie] hatte er jie mit gleihem Widermillen erfüllt. Nr. 456.

48. „Was haben Sternihnuppen fonft für ein Loos? Sie leuchten auf, erlöfhen und verihmwinden im Nichts.“ „Nein, fie verihwinden nicht! . . . Im Nichts? Das ift eine irrige Anihauung. Sie find da und müffen bleiben. Nun hat fie die Erde aufgenommen und auf ihr führen fie ihre Einzeleriftenz als ein neuer Theil diefer Gejammtheit und in neugejhaffener Wehjehvirkung zu ihr. Nur der Glanz erliiht dem Auge, dem er einen Stern vorgetäufht. Der trügeriihe Lichtſchein tft vorüber weiter Nichts. Iſt es denn jo fhredlih zu verlöſchen? Man lebt auch ohne Glanz, der uns verzehrt und glüdliher vielleiht als in dem falten Äther, hier unten im erwärmenden Anſchluſs an dieje große Alles umjhlingende Einheit der Kräfte.“

Das durh Sperrdrud hervorgehobene er ift hier niht ganz im der Ordnung. Im Vorhergehenden ift von „Sternihnuppen“ (weibliches Hauptwort in der Mehrzahl) die Nede; Hier wird nun aus der Mehrzahl in die Einzahl übergegangen, es hätte alſo ftatt des jogenannten perjönliden Fürworts im männlihen Gejhleht (er) das im weiblihen Geſchlecht (ſie)

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gefegt werben müſſen; aber diejes jie träte micht deutlih und beftimmt genug hervor, weil eben in feiner Form mit dem jie al$ Mehrzahl des Fürworts zufammenfallend, vgl. als Verbeſſerungsvorſchlag 3. B.: „Nur der Glanz der Sternihnuppe erliiht dem Auge, dem fie einen Stern vorgetäuſcht.“ (j. über das Schluiswort mein Wörterbud.)

(Foriegung folgt.)

Abgründe des Lebens. Novellen von Ida Boy-Ed, Leipzig, Berlag von Karl Reißner. 1837.

I. Der alte Randolph. (S. 1—86.)

1. Der helle Sonnenſchein, weldher blendend vom Schnee wieder: blinkte. ©. 5, ſ. mein Wörterbud).

2. Damit ſchlug der Konjul, während er langſam neben dem Greis weiter ſchritt, dieſem [vgl.: diefen) Fräftig auf die Schulter. ©. 8, |. Zeitſchr. ©. 135 Nr. 44 und das dort Angeführte.

3. Wenn du jo langjam gebjt, frieren meine Füße ©. 14, vgl. (mehr im Geift der deutihen Sprade): frieren mir die Füße, ſ. Haupt» ichwierigfeiten: „Dativobjeft“.

4. Das Unfehlbare ift bier fihtbar worden, das dunkle Sehnen zur offenbaren Ehrfurdt. ©. 19, nad älterem Gebrauch (3. B. in der Bibel) ftatt des heute üblihen geworden.

5. Bei dem Haufe Dollfus in Hamburg arbeitete der zwanzigjährige Sohn und Enkel der beiden Randolph's in einer Zwitterjtellung als Bolontär und Kommis. ©. 25.

Die beiden Randolph's find „der alte Randolph“ (nad dem die Erzählung benannt ift, j. 0.) und deſſen Sohn Albertus Randolpb, ſelbſt jhon „ein graubaariger, alternder Mann“ (S. 19). Wenn in dem obigen Safe von dem „Sohn und Enkel“ der beiden Randolph's die Rede ift, jo jagt fi der Lefer bei dieſer Zuſammenfaſſung, dajs damit des „alten Randolph's“ Enkel gemeint ift, deifen Bater „Albertus Randolph“ if. Stiliftiih aber ift diefe Zujammenfaffung nit ganz ohne Anjtoß, vgl. —, was ih vorziehen würde, —: „Dort arbeitete in der BZmitterftellung eines Volontärs und Kommis ein zwanzigjähriger Süngling, der Sohn des Herrn Albertus Randolph und Enkel des befannten „alten Randolph“ ꝛc.“ oder: „Dort arbeitete in der Zwitterjtellung eines Volontärs und Kommis der zwanzigjährige Guſtav Randolph, des Herrn Albertus Randolph Sohn und fomit natürlih der Enkel des be— fannten „alten Randolph“ ꝛc. oder in ähnlicher Weije.

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6. Des Fiſchers, der das büftere Auge auf die Heimkehr jpähend erhebt, um das Aufleuchten des Fanalfeuers an der Flujsmündung zu beobachten, damit er jeines Hafens nicht fehle S. 27, vgl. mehr im Zon der gewöhnlichen (nit gehobenen) Rede: damit er feinen Hafen nit verfehle, ſ. mein Wörterb.

7. Wenn Albertus... jeinen ... Arbeitstag dem Abend zufliehen ſah. ©. 28, vgl. in gewöhnlicher Mede: dem Abend ſich nähern oder fih zuneigen.

8. Die jchneehellen, von jpärlidem Gasliht ſchwankend überhuſchte Straße. ©. 31, j. mein Wörterbud, vgl.: die von ſchwankendem, fladern- dem Gasliht ſpärlich erleuchtete Straße.

9. Er brütete lange ſchweigen [wohl nur Drudfehler ftatt: ſchweigend] vor fih hin. ©. 32.

10. Im Herbſt einer Ehe, die tief glüdlih war, und in welde nun die Angft Schatten wirft, dajs eine Stunde der Trennung fommen könne, fommen müffe! ©. 37/8, gewöhnlid: tief unglüdlid, aber: im böhften Grade glüdlih, vgl. Zeitſchr. IX ©. 428.

11. Diefelbe Lampe . . . ftrablte ftill ihr weißes Yicht auf die furdtblaffen Gefihter der Beiden. ©. 38, warf ftrahlend ıc.

12. Es litt ihn nit zu Haufe Zu eng umſchrankten ihn die Wände, zu tief drüdte das Dad ihn nieder. ©. 43/4, ſ. mein Wörterb. und unten Nr. 37.

13. Schon tropfte leiſe klingend zuweilen eine Waſſerperle herab von dem Geäft auf den eifig jchimmernden Boden. ©. 44, vgl: Schon fiel... zumeilen ein Tropfen wie eine Berle :c.

14. Er war ganz erfüllt von einem ungeheuren, furdtbaren und noh gegenftandslojen Zorn. ©. 45, vgl.: Der ungeheure gegen- ftandsloje Zorn in ihm wallte jet jefundenlang zielbewufft auf gegen den Greis und gegen den Syüngling. ©. 46 [gegen die als feinen Gegen- ftand fi der Zorn richtete).

15. Setzte fie eine Minder im Zeh ihres Strumpfes an die rehte Stelle, vom Abnehinen der Maiden, wodurd deren Zahl ver- mindert wird.

16. Er arbeitete nur noch rajtlofer wie [ftatt als] jonft. ©. 72.

17. Als er auf feinem täglihem [wohl nur Drudfehler ftatt: täglichen] Berufswege mit düftern Mienen einherigritt. ©. 73.

18. Dabei entlud fih das Geihlois [L: Geihois] ... ., bläulicher Dampf wölbte empor. ©. 79, ſ. mein Wörterbud, vgl.: ſich wölken.

19. Dann hallte wieder ein Schufs; ſchnell entfluthet die Schall: welle hinauf zum klarblauen Äther. S. 80, dringt fluthend ꝛc.

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20. An feinem Bette hatte ein Weib gewaht, aus deſſem bagerem Antlig thränenloje brennende Augen Tag und Naht jorgiam auf ihn ihauten. ©. 81.

Über die Miisformen defiem, derem (dem Dativ eines Genitiv!!) ſ. Hauptihwier. unter dejien.

21. Sie war gewiſs, dajs ein Wort von umferen Lippen geht wie ein Samenforn von eines Säemanns Hand auf fruhtbaren Boden [mit dem Accujativ nah auf, zu erflären durch ein binzuzudentendes Barticip, wie: gefäet, geworfen zc. j. Hauptſchwier. unter Präpofitionen]. Fürchterliche Saat war aufgegangen aus dem Wortiamen, den ihr Mund gejäet. An Geduld und Liebe hatte es ihr gebrochen [von gebreden, das aber nur im Infinitiv, Präſens, Imperfelt ꝛc. allgemein gebräuchlich it, aber niht mie bier im Barticip].

22. Die fahlen oder epheuumrangten [Drudiehler: jtatt epheu- umranften]) Gräber. ©. 83.

1. Das ftumme Geridt. (S. 87—108.)

23. Der rauhe Weft warf die Wogen der Nordſee gegen die flache jütifhe Küfte, dafs fie lang über den fandigen Strand ledten und bis nade an den Fuß der beiden Fiiherhütten einen naffen Saum vorjhoben. ©. 89.

Dean beachte am Anfang diefer Novelle die „Allitteration in der Proja* (j. den Auffag von Dr. Ebrard ©. 179—188) in den Worten: Weit, warf, Wogen; über lecken j. mein Wörterbud.

24. Vor den Hütten der weise, von Wogen überworfene |[i. unten Nr. 31 u. 46] Strand, hinter den Hütten die Heide, die moorige, flache, des Nachts von Nebeldünften überfpielte [j. mein Wörterbud] jütiſche Heide. ©. 89.

25. Ein Kiefernbäumden . . . fpiegelte feinen röthlihen, geduckten (f. mein Wörterbuß] Stamm im Moorwaffer. ©. 89.

26. Er ftand eine Weile und jah auf die beiden Boote, die wie ein rubendes Doppelgeipann [j. mein Wörterbuh] friedlih beifammen zwifchen den Hütten lagen. Dann ging er mit ſchweren Schritten zur Nahbarhütte und ftieß mit dem Knie die Thür ein [j. in meinem Wörterb. eine und aufftoßen], die vor dem zweiten Anftoß erft [in ge- wöhnlicerer Wortitellung: die erft vor dem zweiten Anftoß] zurüd ging. Während der Mann über die Schwelle trat, fegte [intr., j. mein Wörter: bud) ihm voraus eine Windmwelle in den Raum. S. W.

27. Sein Antlig war mit einem leifen Schein von Fröhlichkeit überbreitet. ©. 96, j. mein Wörterbud.

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28. Endlih erihienen Niels und Antje in der Thür. „Guten Tag aud“, fagten alle drei faft zu gleiher Zeit aud. ©. 97. Irre ih nit jehr, jo wird die Grußformel: „Guten Tag au!” in Mittel- und Süddeutihland in der Negel nur als Erwiederung auf einen Gruß wie: „Guten Tag!“ gehört; aber plattdeutih jagt auch der zuerft Grüßende: „goden dach ok!“*, wobei als eine fennzeichnende Eigenheit der traulichen niederdeutihen Mundart der Dinzufügung des „auch“ als jelbftverftänd- liche Borausjegung zu Grunde liegt, dajs auch der Begrüßte dieſelbe freundlihe und wohlwollende Gefinnung gegen den Grüßenden hegt, wie er fie gegen diejen ausjpridt.

29. Im kümmerlichen Geäft der ſchwarzen Kiefern... ., die wie Arme aus dem öden Boden emporgriffen in die herbe düſternde Luft. ©. 103, j. mein Wörterbud.

30. Als fie das Boot abſchoben und hineinjprangen, trat Antje aus der Thür. Das hatte fie noch nie gethan, außer man rief nad) ihrer Hilfe. S. 102, außer wenn man nad ihrer Hilfe rief, vgl. den Auf: ſatz „außer“ Beitihr. X ©. 81-387.

31. Am Kiel raufhte weißes Shaumgeiprüh zifhend auf und überwarf Niels, der unbeweglih dajaß in dem naffen Tropfenihauer ©. 102, vgl. die hervorgehobenen Wörter in meinem Wörterbud.

32. Seitdem kann er nit mehr lange ſchwimmen, jeit Das mit dem Arm war. ©. 103, vgl. in gewöhnliderer Stellung —: Seit das (Unglüd) mit dem Arm war, |jeitdem; kann er nit mehr lange ſchwimmen.

33. Wenn Niels den Löffel zum Munde führte, konnte er nicht anders, er mujste Antje anjehen und dann würgte ihn der Biſſen. ©. 104, vgl.: dann blieb ihm der Biffen im Halſe fteden, jo daſs er ihn nit binunterwürgen konnte ꝛc.

34. Uber er, der font ſchlief wie ein Todter, er konnte nicht die Augen ſchließen. Er jah dem Schein des Mondes zu, der das vor dem Fenſter hängende Neg als duntelfadiges Karre [j. Fremdwörter: buch, Hier etwa: Gitterneg]an die gegemüberliegende Wand hinſchattete, ſ. die hervorgehobenen Wörter in meinem Wörterbud.

35. Das find verrüdte Menſchen da draußen... Da wirft du wohl nicht mehr viel an verdienen. ©. 108, da... an getrennt ftatt daran oder, da es fich hier um Perſonen handelt: an denen.

II. Sein Schüler. (S. 109 —156.) 36. Der Plan der Pflafterjteine auf dem [hier der mit Stein- platten gepflafterte] Schulhof war durch Yindenbäume unterbroden. ©. 111.

216

37. Den ganzen heißen jonnigen Schulhof umſchrankte eine rothe PBadfteinmauer. ©. 112, f. o. Nr. 12.

38. Dafern Sie Alban nicht mit größerer Strenge zur Erfüllung feiner Pflihten anhalten, könnten wir ihn nicht behalten. ©. 119, ſ. ın meinem Wörterbuh dafern, wofern.

39. Der Legte ſchritt Wallroth über die glühenden Pflafterfteine hinaus auf die Straße. S. 120, ftatt: als der Fette oder als Letzter.

40. Den... Bilfentheil der Stadt, allwo [j. in. meinem Wörter: buch ftatt des einfahen wo]... das Meine Haus ftand, weldes jein und feines Weibes eigene Heimat war. ©. 121.

Ohne die Zujammenfaffung würde es mit dem eigenſchaftswörtlichen befiganzeigenden Fürwort heißen: „welches feine eigene Heimat war“, aber in der Zujammenfafjung mit dem befikanzeigenden vorangeftellten (jogenannten Genitiv) verwandelt fih bier das eigenſchaftswörtliche (als Eigenihaftswort abzumandelnde) befitanzeigende (poffeifive) Fürwort in den (natürlid unabmwandelbaren) Genitiv des perfönliden Fürworts, vgl.: „In meinem [Poffeifivpronomen] und in meines Bruders Namen“ (mit wiederholtem in), dagegen zujammengefafft (ohne Wiederholung des im) auch: In mein und meines Bruders Namen, vgl. etwas anders: „Mit meinem berzlidften Glückwunſch“ und: „Mit der Meinigen herz— lihftem Glückwunſch“ (ij. Hauptichwierigkeiten), dagegen in der Zuſam— menfaffung: „Mit meinem und der Meinigen berzlidhftem Glüd- mwunih“, dagegen in umgefehrter Meihenfolge: „Mit der Meinigen und meinem herzlichſten Glückwunſch“, wo wie man ſieht die Wahl des ſtark- oder des ſchwachformigen Dativs des Eigenjhaftswortes ſich je nad dem unmittelbar vorangehenden befiganzeigenden Fürwort oder ſächſi— ſchen Genitiv zu richten hat.

41. „Scht, ſcht!“ [vgl. „ſt!“) machte fie, mit beiden Händen dem Geräufh abwinfend, vgl. in meinem Wörterbud die Bemerkung unter „machen“ (j. d.), wonad dies tadelhaft ift, wenn es fi um Ge— ſprochenes handelt, aber in der Ordnung, wo an Stelle des Geſprochenen bloße Yaute treten, wie hier das Stille gebietende „ſcht“ (Interjektion).

42. Bin id) dod deine Gefährtin —, bin ih nit? Ich arbeite mit dir für dich und unjer Kind, wie ein guter Kamerad. Thu ic nicht? ©. 125, mehr engliih (am I not? do I not?) als beutich, wo gewöhnlich ein Hinweijendes Fürwort: Das oder es hinzuzufügen wäre: bin ih Das nicht? Thu ih Das niht? —, vgl: Iſt es nit jo? oder bloß: Nicht?

43. Haartradt und Kleidung wies die Mode von vor jehszehn Jahren zurüd. ©. 126, vgl. zur Vermeidung des Zufammenftoßes

es

der beiden Präpofitionen ſ. die Sadregifter in den verichiedenen Jahr— gängen der Zeitihr.) und in einer ver richtigen Ausiprahe des Zahlwortes gemäßern Schreibweiſe ſſ. Zeitihr. IX ©. 38]: „die Mode aus der Beit vor jehzehn [ohne das Schluſs-s der erften Silbe] Jahren“ oder 3. B. aud: „Haartraht und Kleidung wies (oder: wiejen) auf eine um jehzehn Sabre zurücliegende Zeit hin ꝛc.“

44. Er fajste die lieben Hände feft, welche feine Rechte umfalteten vw u.] ©. 128, als untrennbare auf der zweiten Silbe betonte Zus jammenjekung, welde gefaltet jeine Rechte umgaben.

45. In einem ziemlich großen Salon, deſſen dreifach getheiltes, und mit buntem Glaswerk umziertes |, als Zierat umgebenes] Fenſter auf den Vorgarten binausjah. ©. 143.

46. Die Chaijelongue, mit einem perfiihen Teppih überworfen. ©. 143, j. o. Nr. 24, vgl.: worüber ein perfiiher Teppich geworfen war.

47. Neben gingen Thüren. ©. 144, ftatt des Adverbs: nebenan in den Nebenräumen :c.

48. Es ift ſchon aus mandem leihtfertigem [rihtig: leicht: fertigen, vielleiht ein bloßer Drudfehler]. S. 153, vgl.: In feinen Adern rollt auch noch ein bejonderer Tropfen Blut, der wallt plöglih in einem heißem und doh engherzigem [ftatt einem heißen und doch eng— berzigen]| Ehrgeiz auf. ©. 155, ſ. Hauptihwier.: Deklination der Eigen: Ihaftswörter. :

49. Schwöre es mir! Verſpreche es! S. 159, ftatt des richtigen: ver- ſprich, entiprehend den Formen des Präſ.: du verſprichſt, er verſpricht zc.

50. Du mufjt die Hefte noch einmal überforrigieren. ©. 162, vgl.: die bereits von mir forrigierten [von mir in Bezug auf die fehler durchgeſehnen) noch nad korrigieren, einer zweiten Berihtigung unterwerfen.

51. Heinz brütete ftill über ein Bud. ©. 166, ſ. brüten über mit Accuf. oder Dativ in den Hauptihwier. unter über 9.

52. So blieb er liegen ohne Schmerzen, faſt ohne Schwäche, aber in einem jeltjamen Zuftande des Halblebens [= eines Lebens, das nur als ein halbes Leben bezeichnet werden kann], in weldem jein Körper ihm jede Bewegung zur Niejenlaft machte, in welchem jein Geift es ver- weigerte, zurüd oder vorwärts zu denfen, und immer nur ftarr und hilflos an den eigenen Gedanken hing. ©. 171/2.

53. Alle Scham, die Konstanze wegen ihres mifsrathenen Sohnes jhon er- duldet, jeder Augenblid der Yeiden ward in ihr wach und gebar einen plößlichen großen Zorn gegen ihren Sohn. ©. 173, vgl.: erzeugte, vief hervor ıc.

54. Auf dem mondblintenden [im Lichte des Mondes blinfenden] Kiesmeg. S. 1753.

Zeitſchrift f. deutiche Sprache. X. Sabre, 17

213

Einige Bemerkungen zu der im vorigen Hefte S. 195 an- gezeigten Auswahl aus Friedr. Nüdert’3 Gedichten aus dem

Morgenlande von Dr. Herm. Fietlan (in Freytag's Schulaudgaben) Bd. U. I

Auf Seite 29 find die Anfangszeilen des (dem Inhalte nah mit Platen’s Gedichte „Harmofan* übereinftimmenden) Gedihtes „Hormufan“ jo gedrudt:

Hormufan, der edle Perfer, ift, gebunden und gefhmüdt,

Dais er feinen Tod empfange, feinen Siegern vorgeführt. Da das ganze Gedicht aus zweizeiligen durch männlihe Reime verbundenen Strophen befteht, fo liegt in diefer eriten Strophe offenbar ein Drudfehler vor, der von dem Drudberihtiger durch die Anderung des von mir her— vorgehobenen Schlujswortes der erften Zeile in „geſchnürt“ hätte befeitigt werben müffen.

Il.

Sm Bezug auf den Versbau hätte zu dem Gedichte Nr. 7 auf ©. 48/9 der Herausgeber, meiner Anfiht nad, wohl darauf aufmerkſam machen müffen: a) dafs es fih bier um ein Ghaſel handelt (j. die Ein- leitung zu dem erjten Bänden der Auswahl ©. 13), in dem aber nicht bloß fämmtlihe grade Verszeilen mit der erften am Schluſs, jondern aud am Anfang dur den Meim gebunden find, Ich ſetze das ganze Gedicht als Probe diejer funftvollen Reimart ber, wobei ih die Reimmwörter am Anfang umd die am Ende durh Sperrdrud hervorhebe:

Klage nicht, daſs du im Feſſeln ſeiſt gefhlagen, Klage nicht, daſs du der Erbe Joch muſſt tragen. 2 Klage nit, die weite Welt fei ein Gefängnis,

Zum Gefängnis machen fie nur deine Klagen. 4 Frage nicht, wie fi das Räthſel wird entfalten: Schön entfalten wird ſich's ohne deine Fragen. 6 Sage nicht, [die] Liebe habe dich verlafien,

Wen hat (die) Liebe je verlaſſen? Kannſt du's jagen?! 8 Zage nicht, wenn dich der grimme Tod will fchreden ; Er erliegt Dem, der ibm antritt obne Jagen. 10

Jage nicht das flücht'ge Reh des Weltgenufjes!

Denn es wird ein Leu und wird den Jäger jagen. 12 Schlage nicht dic ſelbſt in Feſſeln, Herz, fo wirft du Klagen nidt, dafs du in Feſſeln feift gefhlagen. 14

ı In Berö 7 und 8 babe ich dem Versmaß gemäß das in edige Klammern eingejchlofiene [die] hinzugefügt, das in runden Klammern eingefchlofjene (die) als überfchüffig (die) befeitigt. Hier Liegt offenbar eine Nachläffigleit des Drudberichtiger® vor; in der Schlufszeile find die Anfangsworte klagen nicht (ftatt Mage nicht) kein ganz reiner Reim,

219

II.

Auf ©. 23/4 fteht ein Gedicht: „Der Sad des Kadi“ mit dem Hinweis auf die Anmerkung 143. Hier (S. 120) hätte meiner Anficht nah wohl darauf aufmerkſam gemacht werden müſſen, daſs ſämmtliche grade Zeilen durch die männliche Aſſonanz (ſ. d. in meinen Abriſs der Silbenmeffung und Verskunſt, 2. Aufl.) auf au gebunden find, f. die eriten vier Zeilen:

Bei Beſchir, dem Kabi, Tlaget

Eine arme Wittwe laut,

Unrecht fei ihr widerfahren

Bon der Gläub'gen Oberhaupt, i. im Folgenden die Schlufswörter der graden Zeilen: auf; gekauft; Kauf; geraubt; erlaubt; getrant u. f. w.

IV.

Auf S. 35—45 fteht das Gedidt: „Der Blinde“, dem ein Stoff aus „Zaufend und einer Naht” zu Grunde liegt. Denſelben Stoff hat Chamiffo in feinem befannten Gediht „Abdallah“ in ſchlichter und gelungener Form dem Chat deutiher Dichtung einverleibt und, jo zu jagen, verdeuticht, während in der Rückert'ſchen Bearbeitung mehr Die orientaliihe Weife ausgeprägt if. Bei Chamiffo lautet 3. B. der Anfang einfah und ſchlicht:

Abdallah Liegt behaglih am Duell der Wüfte und ruht, Es weiden um ibn die Kamele, die achtzig, fein ganzes Gut ıc.; bei Rüdert dagegen (mobei ih auf Einzelnes nur durch Sperrdrud auf: merfjam made): Es zieht mit feiner Schar von hoben! Kamelen, achtzig an der Zahl, Derweil ded Mittags Flammen loben, Abdallah durch das öde Thal. 1

Und, wo ein Kranz von Dattelpalmen

Umziebet eines Quelle Rand,

Stredt er fein Heer [f. u. zu Str. 7] auf weihen Halmen Und fich auf's fchwellende Gewand. 2

Dem Sultan gleich, der in der feften

Umzinglung feiner Treuen rubt,

Frucht, Schatten nimmt er von den Nften Und fühlen Schöpftrunk aus der Fluth. 3

ı Man beachte auch, daſs das am Schlufs der erften Verszeile ſtehende Eigen ſchaftswort hohen dem Sinn nah eng zu dem den Anfang der zweiten Weräzeile bildenden Hauptwort Kamelen gehört (Enjanıbement), wodurd der Versbau nicht ganz einfah und ſchlicht erſcheint, vgl. Strophe 3.

; 17*

20

Bol. außer dem Enjambement (j. Fußanm. zu Str. 1) die Anatoluthie (den Übergang aus dem mit dem hervorgehobenen „der” beginnenden Nebenſatz in den Hauptja mit dem Subjekt „‚er‘), vgl. u. in Nr. 3 Str. 22 u. 23. Da tritt, die ernften Mannesſchritte Gelentt von einem Cederſtab, Ein Derwiih in des Kreifed Mitte Und grüßt zum Aubenden herab. 4 2. Strophe 6—8 lautet: Steh auf und zieh mit deinen Scharen Auf meiner Spur vertrauensvoll! Den Schatz will ich dir offenbaren, Der achtzig Rüden laften fol. 6 wo das hervorgehobene Zeitwort ungewöhnlid als zielendes gebraudt ift, vgl.: der eine Laft für achtzig Kamelrüden werden foll. Gleich wie der Wolf mit freud'gem Schreden Neubungernd auf vom Lager fpringt, Wenn ihm, dem Satten, ferned Blölen Der ungebofften Beut' erklingt. 7

So ſpringt der Kaufmann wie von Sinnen

Empor und fühlt fi plöglid arm.

Kann ih die Schäge nicht gewinnen,

Was foll mir diefer dürft'ge Shwarm? 8

Man beahte das ungewöhnliche dihteriihe neuhungernd, vgl.: Wie der fatte Wolf, mit neu erwahendem Hunger freudig erjhredt vom Lager aufipringt, wenn ihm das Blöfen einer fernen Schafherde die Hoff- nung auf eine neue Beute erregt (oder im Reim zu „erihredt“ „erwedt”), jo ꝛc. Diefer dürft'ge Shwarm, vgl.: dieje werthloje (oder: wenig Werth habende) Kamelherde, die der Dichter in Str. 2 und weiterhin als „Heer“ bezeihnet. „Schreden, Blöfen.“ Bei diejem unreinen Reim könnte darauf aufmerkſam gemacht werden, dajs Rüdert nit ſowohl auf unbedingte Meinheit der Neime fieht, wie auf bedeutungs- volle und durch den Weiz der Neuheit überrajhende Reime, j. über reine und unreine Reime meinen Abrijs der Silbenmeffung und bier z. B. in Strophe. 15: Bliden und Rüden ıc. 3. 14—16: Hier, fpricht er, laf$ die Träger [= bie zum Lafttragen dienenden Kamele, f. u. Nr. 8 Str. 38 u. Wr, V] raften,

Nah rechter Art auf’3 Knie gelenkt,

Bereit, um zu empfahn [empfangen] die Laften,

Die dir des Himmels Wille fehentt. 14

Abdallah winkt mit fchnellen Bliden Ihr Zeichen der gewöhnten Schar [vgl.: der daran gewöhnten Schar :c.]

21

Schon fentt den achtzigften der Rüden nicht ganz reiner Reim auf Bliden, f. oben die Schlufäbemerkung zu Nr. 2.] Mit Stolz der lebte Dromedar. 15

Hier liegt in der Verſchiebung der beiden Ordnungszahlwörter: „der achtzigſte“, „der legte“ eine Abweihung von der gewöhnlichen Nede vor, die meiner Anfiht nah fih durch die hergebrachte Bezeichnung einer dichteriſchen Freiheit (licentia po&tica) nit wird redtfertigen, ja faum entſchuldigen lafjen.

Dem Wortlaut nad laſſen die beiden letzten Verszeilen nur bie Deutung zu, dafs der [oder, ſ. u.: das] letzte der achtzig Dromedare achtzig Rüden gehabt habe, von denen es auf den Wink des Kameltreibers auch den achtzigſten gejenft babe, um die aufzupadende Laft fih aufladen zu laffen, während doch gemeint ift, dafs auch der (oder das) achtzigſte der Dromedare auf das Zeichen des Treibers jih auf das Knie niedergelaffen babe, um die aufzupadende Laſt auf feinen Rüden in Empfang zu nehmen. Über das zwiſchen dem männlichen und dem ſächlichen Geſchlecht des Haupt: worts Dromedar ſchwankende Gefhleht j. mein Wörterbud und Fremd— wörterbud.

Der ftrenge Beter aber fchreitet

Zum Felfen, der fih dräuend ftrafft,

Inden er leicht die Hand verbreitet,

Ihn zu berühren mit dem Schaft. 16 wo der Dichter den leblofen Fels wie ein lebendes Weſen behandelt, das fih ftraff emporridtet (— ſchroff emporfteigt, fteil oder jäh in die Höhe gebt, f. mein Wörterbuch)

Indem er leicht die Hand verbreitet, dichteriſch jtatt: ausbreitend, ausftredt, j. mein Wörterbud.

4. Strophe 18/19:

Dem Krämer prefft die ftrenge Kehle Das Ab, das in der Bruft fih regt. 18

Er blinzt das Auge, krampft den Finger. 19 didhteriih, vgl.: Der Kehle des durch den wunderbaren Glanz geblendeten Krämers möchte fih als Ausruf bewundernden Staunens ein „Ah“ ent: ringen, aber die Kehle ift ihm wie zufammengeprefit, jo dais das „Ad“ nicht aus der Kehle herpordringen kann; er blinzt [intr.] mit dem Auge, der Finger frampft ſich [reilex.].

5. Strophe 22— 24:

Wie wenn auf ſchroffer Trelienzinne

Ein Scifferjüngling fieht die Tree,

Die ſüß ibm winkt zum Spiel der Minne,

Dann ftürzt fie braufend in die Gee; 22

22

Die aufgehobnen Wogen ſchlagen

Den grünen Schleier um fie ber;

Und, will er feine Beut’ erjagen,

Muis er fein Leben weibn dem Meer. 23. So wird von innerlicher Fehde

Abdallah's giere Bruft zerfleiicht,

Da feines Führers kalte Nede

Bon ihm das halbe Leben heiſcht. 24.

Vgl. dieje ſich Hauptjählih in nebengeordneten Hauptiägen bewegende dihterifche Darftellung mit der ftrafferen Zujammenziehung zu einem ftreng in Haupte und Nebenfägen verbundenen, gegliederten Satganzen (einer Periode), 3. B.:

Wie der Schifferfüngling, der von jchroffer Felſenzinne aus die Fee fieht, die ihm zum füßen Spiel der Minne winkt und fih dann braujend in die See ftürzt, ſo dafs die aufgehobenen Wellen den grünen Schleier um fie her ſchlagen und er, wenn er jeine Beute erjagen will, jein Leben dem Meer mweihen mufs, jo wird die von Gier erfüllte Bruft Abdallah's von innerliher Fehde zerfleiiht, da die Falte Rede jeines Führers von ihm das halbe Leben verlangt, vgl. über die Anakoluthie den Über- gang aus dem Nebenjag in den Hauptiag ©. 219/20 Nr. 3.

6. Strophe 26:

Willſt du vielleiht mit Go umfpangen

Den Koran, der dein Bold fein ſoll? in gehobener Sprade mit Gold als einer Spange umgeben, ſ. mein Wörterbud.

7. Strophe 29-31:

Nun auf! ruft Jener, auf die Hände! [= hebt auf, erhebt ꝛc.) Wir tauchen fie in goldne Fluth,

Daſs unſer Tagewerlk fi ende,

Bevor die Sonn’ ab ihrem ruht [= von, ſ. mein Wörterb. IS. 2] 29

Gleich wie der Maulwurf blind mit Schnaufen Wühlend Trochäus als Versanfang ftatt des Jambus, f. Silben: meſſung 2c.] im Koth die Furchen zeucht, So rafft der Krämer Goldeshaufen, Keucht, fommt und gebt, gebt, fomınt und keucht. 80 Man beadhte hier im Schlujsvers die Tonmalerei des raftlos im

eiligen und doch mühſamen Hin- und Her» fih- Bewegens, welde in den kurzen (einfilbigen) Wörtern hervortritt, von denen die zweite Hälfte nur die Umkehr der erjten Hälfte ift (j. u. Str. 80).

Doh wie die Biene ſummend leiſe

Den Seim trägt, dais bie Zelle ſchwillt,

So hat mit feinem Bauberreife

Der Greis die Säde leicht gefüllt. 31

an

Es ift wohl faum nöthig, auf den Gegenſatz diejer und der vorher» gehenden Strophe beionders aufmerkſam zu maden, wonach dem blind mit Schnaufen und Keuchen mübjelig im Koth mwühlenden Maulwurf die leiht duch die Luft jchmwebende und mit leifem Summen die Zelle mit ſüßem Honigjeim füllende Biene gegenübergeftellt wird.

8. Strophe 38:

Als er getheilt die Herde [der Dromedare) fieht.

Stumm nimmt er feine vierzig Gänger,

Indeſs mit vierz’gen jener zieht vgl. die mehr orientalifhe als deutſche Bezeihnung für die Kameele (ſ. o. in Nr. 3 Strophe 14 Träger).

9. Strophe 55:

D gebt zu meinem ganzen Trabe Mir aud die lebten zehne noch, im Deutſchen ungewöhnlih für die einhertrabende Kamelherde.

10. Strophe 60:

So quell’ aus ihrem [der Zauberflaihe] Schäumen Dir der Zufriedenbeiten Bad x.

Über die jeltne Mehrzahl abſtrakter Hauptwörter wie Zufriedenheit vgl. Hauptihwier. „Numerus“. Vgl. für diefe beiden Zeilen in beuticher Faſſung etwa: So ftröme dir aus dem Schoße der Zauberflafhe die Fülle der Zufriedenheit zu xc.

1l. Strophe 65:

Dann tbun fih auf des Erdleibs Gründe, [vgl. Erbenleib Str. 7]

Di grüßen mit dem Silberblid [f. mein Wörterbuch.

Die fhlängelnden Metallgewinde [vgl.: die ſich ſchlängelnden und windenden Metalladern im Innern der Erbe. ]

Der Adern lebendes Berftrid [= bie fih in einander verftridenden Metalladern‘.

12. Strophe 69: Und dreimal fireihend überwebt er Des rechten Auges Wimperbang

vgl.: er bewegt ftreichend den in der BZauberjalbe getauchten Finger über die einen Vorhang vor dem Auge bildenden Wimpern. 13. Strophe 76: O komm geihwind mid blind zu thauen, bier mid dur den Thau der Wunderjalbe, die du in das linfe Auge flößeft (mie du mid glauben maden willft) blind zu maden. 14. Strophe 77:

Der beugt fich weigernd noch zurüd, Dann neigt er vor fich und williahrt,

_ 24

vgl. (in der gewöhnlichen Rede): dann neigt er fih vor und mwilffahrt [mit Hinzugefügtem Dativ] dem Bittenden, die Bitte zc. 15.

Er fällt geblendet, todestrumten, [wie ein Truntener taumelnd in den Zod fintend ?] Bernichtet auf fein Angefiht. 79 16. Strophe 80, vgl. oben Str. 30: Und liegt und fhweigt und jhweigt und ftarrt, V.

Zum Schluſs will ich für dies Mal nur noch, weil es ſich in der vorhergehenden Nr. IV mit um die Kamele Abdallah's handelt, die dort nad arabiſcher Weile in Nr. IV als Träger und Sänger bezeichnet find, auf das auf ©. 12—16 mitgetheilte Gediht: „das Kamel“ hinweiſen, aus dem ich hier wenigftens ein Versgebinde herſetzen will:

Bon fhauenden Dichtern geſchildert, Bon verliebten Blicken verfolgt,

Umkoſt von federn Gefellen,

Deren einer

Heißt der Küffer der Reiterinnen, Weil er zu Fuß herichreitend

Neben ihnen boben Wuchſes

Auf zu ihrem Munde ragt

Ich benutze die Gelegenheit, als Ergänzung zu der „Einleitung“, die dem 1. Bde. der hier beiprodenen Schulausgabe von Rüdert auf S. 3—15 vorangejhidt ift, ein jehr empfehlenswerthes Büchlein beizufügen, das den Titel führt:

Friedrich Nüdert, fein Leben und Dichten, für die Jugend dar— geftellt von Dr. Robert Bertin. Stuttgart, Kommiffionsverlag des „Chrift- lihen Verlagshauſes“ (32 ©.).

Aus dem Wundergarten der deutſchen Sprade. Bon Dr. Herman Schrader, jo beißt das Bud, auf das ih ſchon im 5. Heft der Zeitichrift auf Seite 200 die Aufmerfjamfeit der Leſer zu lenken geſucht habe, ohne dajs id damals jhon im Stande gewejen, ihnen den Titel des Buches zu nennen und über den Inhalt nähere Angaben zu machen, weil mid der Bf. aufs freudigfte und verbindlicfte hat überraihen wollen. Wie jehr ihm Dies gelungen, werden die Lejer ermefjen, wenn ich ihnen mittheile, daſs mir von dem Bf. fein ganz vortreffliches Wert in Warnemünde (mo id mid zur Stärkung meiner angegriffenen Gefundheit 3. 3. aufhalte) zuging

223

mit der mid hoch erfreuenden und hocehrenden, wenn aud durch die

Überfhägung meines geringen Verdienſtes bejhämenden Widmungsinfhrift:

„Herrn Profeffor Dr. Daniel Sanders, dem großen Meifter der Sprachwiſſenſchaft, feinem bochverehrten Freunde

Berlin, 4. Auguft 1896. der Berfaffer“ und wenn ich aus dem begleitenden Briefe den Anfang und den Schlufs herſetze.

Jener lautet:

„Sie ſind von Rechtswegen der Erſte, dem ich mein eben erſchienenes Buch zuſende. Sie werden zwar manche alten Bekannten darin finden, aber auch Manches, was Sie noch nicht kennen.“

Das bezieht ſich darauf, daſs ein Theil der hier geſammelten Aufſätze zuerſt in meiner Zeitſchrift erſchienen iſt, wo fie in hohem Grade die wohl— verdiente Anerkennung und den lebhaften Beifall bei allen Lejern gefunden haben. Ich darf, hierauf geftügt, wohl meine feft begründete Überzeugung ausipreden, daſs das neu erſchienene Buch, Altes und Neues, ſehr bald einen jehr ausgedehnten Lejerkreis und in dieſem überall hohe Anerkennung und lebhaften Beifall finden werde.

Der Schlujs von Dr. Schrader's Brief aber lautet:

„Die herzlichſten Wünſche für Ihr Wohlergehen, nebſt den treueften Grüßen auch von meinem Sohne Otto, jendet Ihnen mit der Hoffnung: „Alles Gute!“

der Ihre Schrader.“

Zur richtigen, volltommnen Würdigung der innigen Freundſchaft zwiihen Dr. Schrader und mir mujs ich nod bemerken, dajs wir beide einander bisher niemals perjönlich gejehen und dajs wir auch ohne Dies durch viele gemeinjame Beziehungen, namentlih durch unjere Liebe zum deutſchen Vaterland und zu unjerer herrlichen Deutteripracde einander immer näber und näher getreten und mit der Zeit treue Freunde geworden jind.

Was ih noch etwa über das jetzt erichienene Buh zu jagen hätte, geihieht wohl am bejten, wenn ih aus dem „Vorwort“ des Berfaffers das Folgende herſetze, wobei ich freilich mich jelbjt vielfach wiederholen mujs. Der Anfang des Vormwortes lautet:

„Wenn ich diefes Werk als eine Fortjegung oder Weiterbildung meines Bilderihmudes der deutihen Sprache anjehen darf, fo ift es wohl erlaubt oder berechtigt, dajs ich mit hoher Freude und innigem Danke der fo überaus wohlwollenden und günftigen Beiprehungen jenes frühern Wertes gedenke. Wenn ich hier zwei derjelben anführe, jo geſchieht Das wahrlih nit aus Prahlerei oder Ruhmſucht (obſchon wohl Niemand einem Berfaffer Freude über günftige Aufnahme jeines Werkes verargen wird),

226

fondern ich möchte dem Leſer Muth machen, mit ein wenig Hoffnung und Vertrauen diejes neue Werk aufzuihlagen und zu leſen. Bor Allem ein Wort... .! des Herrn Profejjor Dr. Sanders. Ihm ſchrieb ein gelehrter Doktor aus Wien, dafs ihm jeine Gattin dies vortrefflihe und nit genug zu rühmende Wert verehrt habe und dajs fie fih beide daraus belehrt und daran erfreut, erfriiht und erquidt haben und daſs fie aus vollem Herzen dem Urtheile des Sanitätsraths Dr. Ed. Mayer? beiftimmen, der dies Buch einen wahren Schaf für das deutihe Haus genannt, das jeden ehten Deutihen mit Freude und Stolz über unjere jo berrlide und namentlich jo bilderreihe Mutterſprache erfüllen muſs.

Profefjor Sanders fügt Hinzu: Es wird Sie erfreuen, wenn id Ihnen mittheile, dajs wohl die gejammte Preffe in der Empfehlung dieſes Buches, „das einer Empfehlung für Keinen bedarf”, der ſich Einſicht in das Werk verſchafft, übereinftimmt.

In der in Paris im Verlage von Profefjor Gaidoz herausgegebenen Melusine (März-April 1895 Nr. 8) jagt der Herausgeber zu Anfang: Voiei un livre de lecture fort agr&able et fort instructive pour celui qui a dejä une certaine connaissance de la langue allemande et qui desire en connaitre surtout eten comprendre les metaphures familieres et les expressions proverbiales . . . Und der Schlujs lautet: Nos observations n’ ont d’autre but que d’apporter notre Scherflein & la prochaine edition de cet aimable livre.

Ich hoffe ein wenig, dajs mein neues Buch nit hinter dem vorigen zurüdjteht ... .

Ich kann nicht Schließen, ohne daſs ich aud) hier dem Prof. Dr. Sanders, den ih mit gerehtem Stolz meinen Freund nennen darf, meine herzlichſte Verehrung und meinen innigiten Dank ausſpreche, da er mir nit bloß durch feine Mleifterwerfe, jondern aud durch brieflide Mitteilungen jeder: zeit in der liebenswürdigften Weife förderlich gemejen ift. ®

So gehe denn das neue Buch mit einiger Hoffnung in die Kreije der gebildeten Welt und wede und fördere die Hochachtung vor dem ges dankenreihen und dihteriih begabten deutihen Volke und die Liebe zu unjerer herrlihen deutſchen Sprade.

Berlin, 21. Yuni 1896.

Der achtzigjährige Verfaſſer.“

ı Die hier durch Punkte bezeichnete Lücke enthält in Bezug auf meine Verdienſte um die deutihe Sptachwiſſenſchaft eine Bezeichnung, Die ih ſchon oben als Überfhägung babe ablehnen müſſen.

2 In Halle,

® Bal. auch hierzu die Bemerkung in der erften Fußanmerkung.

227

Es thut mir leid, dafs ih dem Vorftehenden eine tadelnde Bemerkung nachhinken laffen mujs, nämlih in Betreff des langen Drudfehlerverzeidh: niffes auf ©. VII und VIII (das nod nit einmal ganz vollftändig ift); aber freilid trifft mie ih aus langjähriger Erfahrung und aus brief: licher Mittheilung weiß mein Vorwurf nit den Verfaffer, fondern den Verleger, der ihm (wie er mir jchreibt) die rechte reine Freude an dem Werk vergällt Hat und ſich auch mande Eigenmädtigfeiten erlaubt hat.

Ich wünſche dem Bf. (und hoffe, dafs diefer Wunſch in Erfüllung geht), dafs er fih an einer von den Drudfehlern und den Eigenmädtig- feiten des Verlegers gereinigten, zweiten und den weiteren Auflagen werde erfreuen fönnen, worin namentlih aud der „philoſophiſch“ gehaltene Auf: ſatz gSsovos Her Unberufen, die ihm von dem Bf. beftimmte Stelle als ernter würdiger Schluſs einnehmen möge.

Alles Gute! Daniel Sanders.

Bom Unterjchiede ſchlichtgewöhnlicher Rede und gehobener Dichterſprache. Zum Winter (1870).

Winter naht, ſchutzloſen Volles Dränger; O, wie bebt vor ihm der Armuth Hütte, Der jo lang ſchon der Ernährer fern iſt. 8

Müßig in der Ecke ſteht das Werkzeug, Ungeduldig nach der Hand ſich ſehnend, Die ihm Seele leiht und Stimm' und Kräfte, Mit der Noth, der drohenden, zu ſtreiten. 7

Sorge blickt in das Geſicht der Kleinen,

Wenn fie ſchlafend mit gefchlofsnen Händchen Ahnungslos in fühem Frieden athmen. 10 Sorge dedt den Tiſch zu largem Dale,

Theilt das Brot und überzäblt und rechnet,

Wie viel Tag’ es reicht, und rechnet wieder, 13

Wer wird num dem Zorn des Winters wehren, Wenn er einbricht ins verwaiste Obdady ?

Wer vem Hunger fi} entgegenftellen

Auf der Schwelle, wenn er frech ſich eindrängt ? Und die fchleichende, die Sorge, bannen? 18

Thät’ge Liebe, freundliches Erbarmen Liebt den Schritt bin zu der Armuth Hütte. 20 Wem gegeben ift mit reihen Hänpen,

223

Selbft mit reichen Händen geb’ er wieder!

Dem ein Wen'ges drüber ift gegeben,

As er braucht, ein Wen'ges mög’ er fpenben! 24 Beſſern Gang kann Reiner thun vom Haufe

ALS, der ausgeht, fremde Noth zu lindern;

Neinre Freude trägt im Herzen Keiner

Als der beimkehrt und er bat geholfen. 28

Bon drinnen und draußen. Gedichte von Johannes Trojan. 1888. ©. 116/7.

Ich hatte veranlafft, dafs eine junge liebenswürdige Dame, die fi dur einen funftgerehten Vortrag auszeichnet, das vorjtehende Gedicht einem befreundeten Kreife von Zuhörern vorlas. Die Vorleferin ſelbſt und die Hörer waren von dem ihnen bis dahin unbefannten Gedichte er- griffen und, als ih die Bemerkung hinwarf, daſs grade dies ſchlichte, einfade, und doch jo ergreifende Gedicht fich wohl dazu eigne, einige Unter- ſchiede zwiſchen der jchlicht-gewöhnlihen Rede und der gehobenen Dicter- iprade zum flarern Bemwufjtjein zu bringen, fo fnüpfte fih daran eine Unterhaltung, von der nah ihrer Beendigung die Theilnehmer überein- ftimmend meinten, auch den Yejern meiner Zeitihrift würde die zujammen- fafjende Mittheilung als Anregung willtommen fein.

Und jo biete ih denn den Hauptinhalt der Unterhaltung biermit den Lejern als einen Heinen Beitrag zu dem in der Überjchrift bezeichneten Segenftand.

Von vorn berein war man darüber einig, dais die Neimlofigfeit des Gedichtes (ein Reim tritt nur in den Schlufsworten der Verje 21 und 24 bervor) ganz dem Weſen diejer Dichtung entiprede, die auf den Schmud des Neimes verzichtend ſich von der einfachen ſchlichten Proja nur durd die regelmäßige Versbewegung unteriheidet umd abhebt.

Weiter bemerkte man, daſs die gehobene Sprade des Gedichtes dur eine Stellung der Worte, die ein wenig von der gewöhnlichen der Proja abweicht, und durch Weglafjung des Artikels, wodurch namentlich abjtrafte Begriffe mehr oder minder als belebte und bejeelte Weſen (per- jonificiert) erſcheinen, unterihieden ift, vgl. 3. B. zu Vers 1:

Der Winter, der Dränger (oder Bedränger) des ſchutzloſen Volkes [oder: der das ſchutzloſe Volt bedrängt] naht, vgl. auch V. 8 und 11 „Sorge“ (perjonificiert), wofür es in der ein— fachen, ſchlichten Proſa gewöhnlicher mit dem Geihlehtswort heißen würde: „Die Sorge”, wie denn au in der legten Stelle die Sorge offenbar als Perſon auftritt, wenn ihr in den von ihr ausgejagten Zeitwörtern eine mit Bewuſſtſein ausgeübte Thätigkeit beigelegt wird: fie dedt den Tiich, theilt das Brot, dabei überzählend die Zahl der damit zu Spetienden]

229

und rehnend und mwieberrehnend wiederholt redhnend, weil fie jorgjam und ängſtlich überlegt, ob fie nit durd eine andere Eintheilung ein günftigeres Ergebnis erzielen fönne|, wie fie mit dem Vorrath reichen könne ac.

Aber aud eine in der Wirklichkeit vorhandene Sade, ein Ding wird als bejeelt und belebt dargeftellt, wern es 3. B in ®. 4 von dem Werft: zeug beißt, dafe es ſich ungeduldig nad der Hand jehne, die ihm erſt Seele, Stimme und Kräfte leihe [man beachte auch hier die abweichende Wortſtellung!], mit der drohenden Noth zu ftreiten (d. h. den Kampf gegen fie aufzunehmen).

Hierbei ift aber auch in Bezug auf das neben dem Hauptwort jtehende Beimort die dichteriihe Abweihung in der Stellung bejonders zu beadten. In der gewöhnlichen Rede nimmt das Beiwort die Stellung zwiihen dem Gejchlehtswort und dem Hauptwort ein: die drohende Noth, wofür es bier im Gediht heißt: die Noth, die drohende, mit nacgeftelltem Beiwort unter Wiederholung des Gejhlehtsworts, vgl. dazu in ®. 18 eine andere dichteriiche Stellung, wobei dem mit dem voran- gehenden Gejhlehtswort verjehenen Hauptwort das gleihfalls mit dem Geſchlechtswort verjehene Beimwort feinem Hauptwort nicht nach- jondern vorangeftellt ift: die ſchleichende die Sorge (ftatt: die ſchleichende Sorge).

In den Verſen 21 und 22 bemerken wir wieder die jhon erwähnte Abweichung von der gewöhnlichen jhliht projaishen Wortftellung, wonach die Worte etwa lauten würden: Wem mit reihen Händen gegeben ift, Der gebe jelbft mit reihen Händen wieder.

Die beiden folgenden BVerszeilen (V. 23 und 24) find die einzigen, gegen die ich in Betreff der Abweihungen von der gewöhnliden Proja einige Einwände erheben zu dürfen glaube.

Meiner Anfiht und meinem Sprachgefühl nah würde der Inhalt in der gewöhnlihen Spradweije etwa lauten müffen:

„Wem ein Weniges über Das |jtatt: drüber] gegeben ift, was [ftatt: als, das einem vorangegangenen mehr entiprechen würde] er braudt, Der möge ein Weniges jpenden* und die Abweichungen des Dichters hier: von jheinen mir niht ganz einwandfrei.

Ob meine Lejer, eben jo wie meine Hörer jchließlih in ihrer Mehr: zahl diejer Bemerkung zuftimmen werden, mujs ich dahingeftellt jein laſſen, vgl. die bier folgende Bemerkung zu den beiden Schlufszeilen des Gedichtes (®. 27 und 28). Auch diefe enthalten eine und zwar ftärfere Ub- weichung von der rein projaiihen Darftellungsweije, in welder ohne die dichteriſche Verkürzung durch Weglaffung eines Sabgliedes die Worte etwa lauten würden:

230°

Meinere Freude trägt Keiner im Herzen, als der heimfehrt mit dem Bewuſſtſein, dajs er geholfen habe.

Meiner Überzeugung nad werden wohl alle Leſer darin überein- ftimmen, dafs die dihterifhe Wirkſamkeit bier grade in dem Nicht-Aus- ſprechen des durch Sperrdrud in der profaifhen Darftellungsmweife Hervor- gehobenen beruht, in jo fern das Ausiprehen der Thatſache: „er bat geholfen“ mehr jagt als die Miittheilung der Empfindung: er hat das Bewuſſtſein, dajs er geholfen habe.

Goethe und Straßburg.

(Aus der National-Zeitung vom 26. Zuli 1896, Nr. 466.)

In der Gefhichte der Straßburger Univerfität leuchtet ein Tag hervor, der demnächſt zum 125. Male wiedertehrt. Es war am 6. Auguft 1771, als Goethe dort promovierte und fi den Titel eines Licentiaten der Rechte erwarb. Am 9. Auguft 1871 feierte Straßburg die 100. Wiederkehr des Tages. Welche Bedeutung Goethe für Straßburg gehabt, Das hob der damalige greife Neftor der hiefigen Gelehrten, Ludwig Spach, bei der Feftfeier in der Aula der Akademie in folgender finnigsernfter Weije hervor: „Wenn fi die ganze gebildete Welt an Goethe's Meifter- werfen erbaut, wenn fie ihn als ebenbürtig neben die größten Genien des Altertbums, des Mittelalters und der Neuzeit binftellt, jo ift Straßburg ganz abionderlih zur Dankbarkeit gegen ihn verpflichtet. Ertheilte er doch Straßburg und dem Eljafs ein Adelsdiplom, nit ausgefertigt auf ver- gänglihes Pergament oder Kinefiihes Seidenpapier,! nein mit tiefem Schriftzug eingegraben in die Felſen Hohenburg's, in die verftedteften Thal- gründe der Vogefen, gezeichnet auf den Muſcheln des Baftberges, defien geologische Bedeutjamfeit er vorahnend errieth; niedergelegt in eine einjame Pfarre, nahe an den weidebegrenzten Werdern des Nheinftromes, aber vor allem mit Keilichrift gemeißelt in die Münfterpyramide, von deffen Spige er zum eriten Male hinausjah in das paradiefiiche Yand, bei deſſen bloßer Erinnerung auf jeine adtzigjährige Stirn ein jugendlider roienrother Schimmer fih ergoß. Einen Adelsbrief hat er ausgeihrieben für jeden ausgezeichneten Geift, für jede damalige intellektuelle Größe der hoben Schule und des Eljaffes, für did, Schöpflin, den Dann eijernen Fleißes mit der Suada ciceronifcher Beredtſamkeit um den heiter lächelnden Mund; für den dreifach begabten, ber in Deutichland’s, Gallien’s und des alten

* üblicher: nicht ausgefertigt auf vergänglichem Pergament oder chineſiſchem Seidenpapier, ſ. Hauptichwier.

231

Latium's Sprade gleihfam zu Haufe, ein bindendes Mittelglied wurde zwiſchen Oft und Welt und Süd; für did, Jeremias Oberlin, den finnigen Antiquar, den erften ernften Forſcher auf dem unbeaderten Boden des alt- germanifchen und altfranzöſiſchen Idioms, für Koch, den Begründer eines fafslihen chronologiſchen Idioms und dem gefeierten Lehrer des Staats- rechts, für die auf mediciniihem und chemiſchem Gebiete noch jet befannten Namen von Spielmann, Ehrmann und Lobftein; für did, Franz Lerſe, den Freund und treuen Gehilfen des früh erblindeten Sängers des Prinzen Eugen, des Stordes zu Delft und des opfermuthigen Pelikans; für den ehrenhaften Aktuar Salzmann, den Mentor der Goethe’ihen Tijchgefell- ichaft, den väterlihen Nathgeber und Freund des nah Erfahrung gierigen Sünglings; für euch alle, des Dichters Freunde und Studiengenoffen, die, gleih ihm, an der Bruft der Alma mater gelegen; für den myſtiſchen Seifterfeher und den praktiſchen Ofuliften! Yung Stilling: für den un— jeligen Reinhold Lenz, der, wenn er zugelaffen wird in die Vorhalle des Tempels der Unfterblichkeit, es einzig und allein der neidlojen Freundſchaft jeines großen Gönners und Beihügers jhuldet: für Dietrid, den Gründer der Hohöfen im Yägerthal, den Vater des juridifh gemordeten Maires von Straßburg . . . Was nur Goethe's Zaubergerte bier und in weiterer Umgebung vorübergehend ftreifte, ift unter dieſer leihten Berührung zu bödftem Leben erftanden; die von ihm im eigentliden Sinn geformten Geftalten umſchweben ihn, im Geifterreihe jenjeits, auf reellem Boden dies» jeits, fie danten ihm, daß er fie aus dem Scattenlande der Bergeffenheit errettet.“ Straßburgs akademiſche Bürger wollen wir auf dieſen Gedenk— tag aufmerkſam machen.

Berichtigung.

In meinen Brief Heft 4, S. 149 dieſer Zeitſchrift hat ſich ein ſinnſtörender Drudfehler eingeſchlichen. 3. 17 von unten ſollte der ſchweizer— deutihe Sat heißen: „er iſch der rihft Ma“ (mit: der richte Da). Wie der darauf folgende Sat zeigt, fam es mir gerade darauf an, die Endungslofigteit des Adjektivs nah dem beftimmten Artikel im Gegenjat zu dem e nad dem unbejtimmten Artifel hervorzuheben.

Burgdorf, den 29. Juli 1896.

Dr. 9. Stidelberger.

ı Augenarzt.

132 Bereinzelte beim Lejen niedergeichriebene Bemerkungen.

1. Erſtmals.

„Die 7. Auflage [des Dictionnaire de l’Acad&mie] von 1879 bat das Berdienjt, nad ihrer eigenen Vorrede die Vorreden aller früheren Ausgaben erjtmals mwortgetreu abgedrudt und zufammengeftellt zu haben.“ Nat.-Ztg. 47, 486, vgl. mein Wörterb. II ©. 215b, mit einem Beleg aus Mörike's „Maler Nolten”, mehr jüd-, als allgemein jchriftdeutic. Wenigftens in Norddeutihland würde man für dieſe in der älteren Sprade nit jeltene Zufammenjegung gemöhnlider jagen: zum erjten Mal.

2. Fürwort der 3. Perſon, falſch gebraudt.

„Der Anſpruch nun vollends, den dienod lebenden Mitglieder des Gründungstomites von 1873 erheben als ein ‚Permanenz-Komite‘ für diefe Kongrefje zu gelten, ift gänzlich haltlos. Wie viele von ihnen leben noch?“ Nat.-Ztg. 47, 492.

Wie viele von ihnen [d. H.: von den noch lebenden Mitgliedern] leben denn noch? Statt Deſſen hätte e& heißen müffen: Wie viele von den Mitgliedern leben denn noch?

3. Stellung.

„Dr. Hein ift an Stelle des auf feinen Antrag ausjceidenden Zeichenlehrers Moré zum Zeichenlehrer ... . gewählt worden.“ Nat.Ztg. 47, 492. Das ließe auch die Deutung zu, dafs der Zeichenlehrer More nit auf feinen eigenen Antrag, fondern auf den des Dr. Hein ausge- ſchieden ſei. Diefe Mifsdeutung wäre vermieden durch die Änderung: „An Stelle des auf feinen Antrag ausjheidenden Zeichenlehrers M. ift Dr. H.2c.“

4, Blüher ıc.

Sm der Zeitihr. VI S. 395 Nr. 1 habe ih aus der Kreuz-geitung einen Beleg angeführt, worin eine Roſe als „unermüdlide Blüherin“ bezeichnet if. Daran fchließe ih noch die folgenden Stellen: Ein jehr danktbarer Blüher ift die fajerige Palmenlilie. Vom Fels zum Meer XI (Sammler ©. 34c). Mit einem Spätherbitblüher. Nat.-Ztg. 46, 629. Die Viktoria regia ift eine Nahtblüherin. 47, 494. Die Pflanze eriheint num als echter Tagblüher. eb.

5. überflüſſiges. „Er war erjt fünf Jahre alt, als er den Vater verlor [und einer Wittwe Sohn wurde], Das ift für jeden Knaben ein großes Unglüd,

23

ganz beſonders aber für ein Kind voll künſtleriſcher Anlagen.“ Daheim 30, 743a (Th. H. Pantenius). Das von mir in eckigen Klammern Ein- geſchloſſene hätte hier als überflüjfig füglih weggelaffen werden können und follen.

„Was er mir weije verfchweigt, zeigt mir den Meifter des Stils,“ vgl.: „Die Gejhidlichkeit im Weglaffen macht in allen Dingen einen großen Theil unferes Könnens und Wiffens aus." Afadem. Reden von Sir Joſhua Reynolds.

6. Sein, unfer.

„Mitten in das ruffiihe Leben unter der Negierung des Kaijers Nikolai [Mikolaus] führen uns die Erinnerungen des berühmten ruffifhen Arztes Pirogow, die joeben als dritter Band der von Herrn Profejjor Theodor Schiemann herausgegebenen ‚Bibliothek ruffisher Denktwürdigfeiten‘ erſchienen find,“ ſchreibt TH. H. Pantenius im „Daheim“ 30. Yahrgang ©. 740b.

Am Schluſs feiner Anzeige des genannten Buches (vier Spalten weiter) jagt er dann von Pirogom:

„Da, wo jeine Urtheile allgemeiner werden, wird man immerhin gut thun, feſt zu halten, dajs Pirogow troß aller von ihm beftandenen Eramina wiffenihaftlih ein Autodidakt war” und ohne weitern Übergang heißt e8 dann:

„Unjere Erinnerungen find von Herrn Dr. Auguft Fiſcher in Berlin vortrefflih überjeßzt.*

Warum nicht deutlicher:

Seine „Erinnerungen“ oder: Pirogow’s „Erinnerungen“ [mit Anführungszeihen] oder jonjt: Sein (oder Pirogow’s) Bud ift ꝛc.; denn das von Dr. Fiſcher überjegte Buch find doh in der That Pirogom’s und nidt: unjere „Erinnerungen“.

7. Aushauchen.

„Mit halb erlofchenen Augen blidte er noch einmal auf, ſprach ein paar unverftändlihe Worte und Haute aus.“ Nat.-Ztg. 47, 498, ſelten in nicht gehobener Sprade ohne Objekt, vgl.: er hauchte die Seele, das Leben zc. aus, j. mein Wörterb. I ©. 703c

8. Aber.

„Doch verlor fie den Vater jhon fehr früh und da dann aud die Mutter alsbald ftarb, jo wurde das noch nicht zwei Jahre alte Kind zu einem Ontel, einem Zollbeamten, gebracht, der es aber aufs liebevolifte und zärtlihfte erzog.“ Illuſtr. Ztg. 2658 ©. 621c. Das bier durdaus nicht an feiner Stelle ftehende aber könnte einfach geftriden werben.

Beitfchrift |. deutiche Sprade. X. Jahrg. 18

234

9. Wollen. „Bon Seiten diefer Kommiſſion wird vorgeihlagen: 1. Es wolle . eine Sammelforfhung . . . organifiert und das Reſultat ... dem nädjten Kongreis vorgelegt werden, 2. Es wolle... eine Statiftif ... . angefertigt werden ıc.“ Nat.-Ztg. 47, 502 ftatt: es möge oder es folle u. ſ. w. oder aftiwiih: man wolle eine Sammtel- forſchung organifieren ꝛc, j. mein Ergänz.-Wörterb. ©. 652b Nr. 101.

10. Greignet.

„Weilen bei ereignetem Krieg mit Frankreich Würtemberg noch allezeit großen Schaden erlitten.” Nat.:3tg. 47, 504 (aus dem. %. 1716), vgl.: Eine jih ereignete Begebenheit. (Edfermann) Hauptſchwier. ©. 172a und andere Belege in meinem Wörterb. 1 ©. 350c und Ergänz.-Wörterb. ©. 107a. Richtig 3. B.: Weil, jo oft ſich ein Krieg mit Frankreich ereignet bat zc. oder mit Weglaffung des entbehrlicen Zeitworts: Weil bei jedem Krieg mit Frankreich ꝛc.

11. Mit, mit,

„Die Klofterinfel ift mit einem loje zufammengefügten Damm mit dem Feſtland verbunden.” Nat.-Ztg. 47, 504 (Marie v. Bunjen), befjer (ſ. Hauptſchwier. ©. Sb Nr. Th): ift durd einen... Damm mit dem Feſtland verbunden.

12. Genitiv. „Die Pracht des blutrotben Mohn." Nat.-Ztg. 47, 504, ftatt Mohnee)s, vgl.: „Zadelhaft ift die Fortlaſſung des Genitiv-s (oder es)“ Hauptihwier. S. 104a.

13. Otterin; Brüterin.

„Eine beherzte Otterin. Der fürſtlich Schwarzenberg’ihe Heger F. Zina in Mysnec bei Pijef, Böhmen, jah auf einem feiner Revier— begänge in der Blanice eine Zifhotterin mit vier Syungen ſchwimmen ꝛc.“ Paul Wolffs Weidmann 25, 415a, j. mein Wörterb. II S. 487 b/c über I Otter m. und f,, woraus ih hier nur Folgendes aushebe: „Das männlihe Geſchlecht jdheint [für das marderähnlihe Säugethier] ſowohl mit Rüdjiht auf die ältere Sprade . . . und den weidmänniſchen Gebrauch wie auch zur Unterjheidung von II [die Giftihlange] vorzüglider und empfeblenswerther.“ Otter in als Bezeihnung für das Weibchen des Dtters ift, wie in meinem Wörterb. auch no in dem Ergänz.-Wörterb. ©. 487 und fo weit ih jehe in allen bisherigen deutſchen Wörter- büchern nicht aufgeführt, weishalb ih den obigen Beleg nachgetragen.

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In derjelben Nr. des Weidmanns findet jih auf ©. 413h au ein in den bisherigen Wörterbüchern gleichfalls nicht aufgeführtes weibliches Hauptwort, indem es dort heißt: „Die Nebhenne als Brüterin.“

14. Zu erjcheinend falih, ftatt „eriheinend“ oder „zu veröffentlichend“ (j. Hauptichwier. ©. 144a/b) fteht 3. B aud in der „Gegenwart“ 45, 377a: Die neu zu erjheinende Auflage.

15. Bangen,

„Bangft du meiner?“ heißt es in einem Operntert von Axel Delmar, j. Gegenwart 45, 383a, ftatt: „um mid, (um) meinetwillen, meinetwegen“, vgl. mein Wörterb. I ©. 77c, wo aus Anaftafius Grün's „Schutt“ als jelten angeführt ift: „Wir brauchen jeines Sturzes [wegen] nicht zu bangen.“

16. Appoſition; Satzzeichnung.

„So figuriert neben der Königin von Frankreich, Marie Antoinette, bekanntlich die |ftatt mit Wegfall des „bekanntlich‘“ bloß: der] Tochter der Kaiſerin Maria Therefia, die Frau Trankſteuereinnehmerin Eſchke.“ Roman-Bibl. 22, 2063. So wie der Sat dafteht, wird der Xefer „die Tochter“ zunächſt als Subjeft des Sates, nicht als Appofition zu Marie Antoinette auffafjen. Syedenfalls hätte der verkürzte Satz als folder durd die Einſchließung in Klammern bezeichnet werden müſſen:

Marie Antoinette (befanntlid die Tochter der Kaijerin Maria Therefia).

17. Ohne,

„Schwarztoppens Handlung ging aus dem Gefühle der Pietät ber- vor ohne höhere Inſtruktionen, wie fäljhlih behauptet wurde.“ Nat.sdtg. 47, 516, wofür es unzweidentiger etwa heißen würde: „nidt wie fäljlih behauptet wurde in Folge höherer Inſtruktionen.“

18. Giſcht f.

„Er [Yazarus] vertiefte fih in das Studium idealer ragen, ob aud) die braujende Giſcht der ungeftümen Zeitftrömung fie zu überfluthen drohte." B. Münz in einem Auffag: „Zu Morik Yazarus’ 70ſtem Ge— burtstag“ (Nat.-Ztg. 47, 516), vgl. mein Wörterb. I S. 587c, wo id Giſcht (mit zahlreihen Belegen) nur als männlides Hauptwort auf- geführt habe, eben jo in meinem Ergänz.-Wörterb. ©. 225 b, wo id doch hinzugefügt: „Ungewöhnlih: Die weiße Gift. Nat.-Ztg. 34, 286.”

18*

2136

19. Richt ganz richtig verfürzter Sat. „BVBollftändiger Neuling in allen die See und ihre Beihiffung berührenden Fragen, war meine Wijshegierde natürlich groß.“ Nat.-Ztg. 47, 522, ftatt: „Da id ein voliftändiger Neuling ... war, jo war meine Wijshegierde 2c.” Wichtig wäre die Verkürzung, wenn aud im Nahjag ich das Subjelt wäre, 3. B.: „Vollftändiger Neuling ... . war ih natürlich jehr wijsbegierig ꝛc.“

20, Behilf; ala.

„Vielleiht ftammt diefer armfelige Behilf“ ſgewöhnlich: Behelf, j. mein Wörterb. I ©. 735b/e; Ergänz.-Wörterb. ©. 268a] „aber auch gar nit aus dem Wunſch umjerer Poeten, ihrer unzulänglihen Indivi— dualifierungsfunft beizuipringen, als aus dem Erbfehler der Nation, das fremdländiſch Klingende vornehmer und jchöner zu finden.“ Hebbel (f. Mittheilungen des deutſchen Spracdvereins. Berlin V ©. 13). Hier follte entweber ftatt des „als“, „jondern“ oder fonft ftatt des „gar nit“ „nicht ſowohl“ ftehen.

21. Selten.

„Die Fülle der groß und ſchön entwidelten, felten gefunden Äpfel, Birnen ꝛc.“ Nat.-Ztg. 47, 530.

Dies Beifpiel ift wie geihaffen, die hier in der Zeitichrift wieder: holt ausgeſprochene Warnung vor dem zweideutigen Umftandsworte jelten im Sinne von: „in jeltnem Maße, Grade ꝛc.“ eindringlichft einzufhärfen. Bei den Worten: jelten gefunde Apfel denkt der Leſer oder Hörer doch zunächſt an Äpfel, die nur felten (d. h. in ſeltnen Fällen) gefund find.

22. Deklination von „der. „Durch eine Liebesangelegenheit, in Folge der er vom Konfiftorium zur Ehe gezwungen wurde.“ Nat.-tg. 47, 536. 2. Bfellermann] ftatt üblider: in Folge deren, ſ. Hauptſchwier. S. 109b.

23. Doppelte Verneinung.

„Weder in Franfreih noch im Italien ... machten jeine An- fihten, unmittelbar nad ihrer Veröffentlihung, keinen [ftatt: einen] ftärteren Eindrud.“ Nat.Ztg. 47, 540 (8. Frenzel) mit überſchüſſiger DBerneinung, |. Hauptihwier. ©. 227.

24. überführen. „Dann [wurde]... in aller Stille die Berhaftung vorgenommen und die Inhaftierten nach Magdeburg überführt.“ Nat.-Ztg. 47, 543.

237

Noch auf derjelben Spalte findet fih dafür das richtige: „In Magdeburg wurden die Berhafteten nah der Eitadelle übergeführt“, |. Zeitihr. 8, ©. 6 Nr. 12 und das dort Angegebene.

25. Behindernd.

„Sie [die Leuchte] wäre mir auf der Wanderung nutzlos und be- Hindernd geweſen“ Bom Fels zum Meer XIV ©. 303a (Wild. Jenſen). vgl. in meinem Wörterb. | ©. 764a umter hindern: „Dazu das Partic. Präj. (adjektiviſch) binderlih, ftörend mit Dativ der Perſon oder mit für” ꝛc., ſ. Hauptſchwier. ©. 55: „Attributive Participia Präfentis Nr. 1.“ Darunter fehlen Beijpiele oder Belege für behindernd, mweishalb ich hier den mitgetheilten Sat nadgetragen, in welchem ih freilich hinderlich für behindernd vorgezogen haben würde.

26. Gemüthlid.

Unter diefem Worte habe ih in meinem Wörterb. II ©. 393a als erfte Bedeutung angeführt: „das Gemüth betreffend, darauf bezüglich zc.“ mit Belegen aus Börne, Goethe, Gutzkow, Kofegarten, woran ich bier den folgenden von Wh. Jenſen reihe: „Schwer ermattet, mehr gemüthlich als körperlich, fiel ih... .. gegen Morgen in tiefen Schlaf." Im All— gemeinen aber überwiegt die a. a. D. angegebene prägnante Bedeutung.

27. Erbreitern.

„Der demofratifhe Parteitag in Ravensburg hat den Riſs zwiſchen den leider bisher im gleicher Nichtung kämpfenden Parteien gründlid er- breitert.“ Mat.-Ztg. 47, 547. Zu den Belegen für das feltene er: breitern in meinem Wörterb. I S. 209c und Ergänz-Wörterb. ©. 102c (vgl. auch Grimm’s Wörterb. III Sp. 737) habe ich bier den obigen (aus Würtemberg ftammenden) Beleg gefügt. Irre ich nicht jehr, jo würde man dafür in der allgemeinen deutſchen Schriftiprade bier gewöhn— licher erweitert ſetzen.

28, Sein. „Damals lernte er [Wilhelm Müller] auch Guſtav Schwab auf feiner [ftatt: defjen] Reife in Norddeutihland kennen.“ Nat.-Ztg. 47, 554.

29. Konjunktiv,

„Am 25. Sept. 1827 war er [Wild. Müller] mit feiner Gattin nah Deſſau zurüdgetehrt, zwar angegriffen von der Meife, aber do heiter und vergnügt in der Erinnerung an die Genüffe, die er gehabt, vor Allem aber aud froh darüber, dajs er wieder in jeinem trauten Heim bei jeinen

23

Kindern ſei.“ Nat.-Ztg. 47, 544, wo fir das Schlujswort (im Kon: junftiv der indireften Rede) üblicher wohl der Indikativ des Imperſekts (war) ſtände.

30. Zwiſchenſchiebungen.

„Er Joſeph v. Meaiftre] vergleicht das ruhmreiche, freie und blühende Stalien des 13. und 14. Jahrhunderts mit dem von den Ofterreichern, die er als Savoyarde eben jo hafjt, als er die Franzoſen liebt, unterdrüdten Italien feiner Zeit.” (8. Frenzel) Nat.-Ztg. 47, 554, beffer ohne die das Zufammengehörige aus einander reißende Zwiſchenſchiebung (vgl. Haupt: ihwier. ©. 213b, Fußanm. und ©. 244b): Er vergleiht das ruhmreiche . .. Italien des 13. und 14. Yahrd. mit dem feiner Zeit, welches von den Oſterreichern unterdrückt war, die er ıc.

31. Wupp.

Über dieje Apnterjeftion zur Bezeihnung des jchnell, im Nu Ein- tretenden j. mein Wörterb. III S. 1674c und Ergänz.:Wörterb. ©. 637b, aud Belege und Fortbildungen; nadzutragen aber ift Wupp als männlihes Hauptwort, ähnlih wie Nu, z. B.: „Ein Wupp, da war der Wunſch erfüllt!" Fliegende Blätter Nr. 2560 ©. 66a.

32, Bezügliches Fürwort.

„Gegen das läftige Verſchlucken fann ih noch ein anderes, eben fo einfahes Mittelhen als das bereits genannte angeben, das nicht allgemein befannt ift.“ Daheim 30. Jahrg. Nr. 51, Beilage ©. 5b. Welches Mittelhen ift nicht allgemein befannt? das bereits genannte? oder das andere?

33. Verfüttern. „Indem wir [Yandwirthe] unfere weniger gute Waare im unjer Vieh verfüttern.“ Gegenw. 46, ©. 4a, wo üblicher für ftatt in ftände oder jonjt etwa: als Futter für unfer Vieh verwerthen (verwenden, verbrauden).

34. Wer, weſſen, deſſen ıc.

„Wer der Erjheinungen Kette ins Unbegrenzte ſich verlieren fieht, wird nicht leicht fich entjchließen, in ihren Gang einzugreifen; deſſen Blick gewohnt ift, den entfernten Zufammenhang der Dinge zu verfolgen, Der wird nicht gut fein Auge für die nächſte Nähe einftellen können.“ (Ev. Sokal) Gegenwart 46, 5a. Hier fände jtatt des hervorgehobenen deijen richtiger (entiprechend dem vorangehenden wer) weijen, vgl. Hauptihmwier. ©. 77 bff. und z. B.: Der(jenige), welder der Erjheinungen Kette ıc.... Der(jenige) defjen Blick ꝛc. . . ., Der wird ıc.

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35. übergehen.

„Übergeben wir num zur eigentlich krankheitserregenden Wirkſamkeit der Bakterien jo ꝛc.“ Gegenw. 46, 66 (Ed. Sokal) öſterreichiſch ftatt: geben wir... über, ſ. mein Wörterb. I ©. 562c und Ergänz. Wörter: buch ©. 224c unter übergeben Nr. 9.

36. Dazuhin

ein, wie im Grimm'ſchen Wörterb., auch in dem meinigen und in meinem Ergänz.-Wörterb. fehlendes und meiner Anfiht nah auch jehr über: flüjfiges und jchleppendes Bindewort für das einfahe dazu in dem Sinne von „dazu fommt noch ꝛc.“ Ich bin diefem Bindewort fo weit mein Gedächtnis reiht, zum erften Mal in der Nat.-Ztg. 47, 557 begegnet, wo es nad einer Aufzählung von Berlegenheiten an der Delagoabai heißt: „Dazu hin ift den Portugiejen der Verſuch, unter den Eingeborenen Ber: bündete zu werben, übel ausgeſchlagen.“

37. Rüde.

„An Schlafen ift auf den ſchmalen Polftern und [bei] dem Naffeln und Stoßen der Wagen nicht zu denken.“ Nat.-Ztg. 47, 558. Das von mir in hinzugefügte bei fehlt wohl nur durch eine Flüchtigkeit des Seßers und Drudberichtigers.

38. Sargen.

„Im Hatjhenden Guſs [Regen] ließen wir uns . . . in den großen Dmnibus jargen und fuhren zum Bahnhof.” Nat.-Ztg. 47, 558, ftatt der üblihen Zufammenjegung einjargen, j. die und andre in meinem MWörterb. III ©. 856c und Ergänz.-Wörterb. ©. 436. Ein Beleg für das Grundwort fehlt noch in beiden Wörterbüchern.

39. Jung. „Die Chanfonette Elly Mondey, ein junges Mädchen im Anfang der zwanziger Jahre ꝛc.“ Nat.edtg. 47, 558, wo das bervorgehobene Eigenihaftswort überflüffig ift (f. die Inhaltsverzeichniſſe der Zeitihrift).

40. Abknöpfen.

Einem etwas abfnöpfen, aud in der figürlihen Bedeutung: es ihm wegnehmen, ihn deffen berauben, wofür in meinen Wörterbüchern fich noch fein Beleg findet, vgl.: „Daſs ihnen ahnungslos ein Titel abge- fnöpft werden würde, in deſſen ungeftörtem Befit fie fi vielleicht jeit Jahrzehnten befunden haben.“ Grenzboten 53, 2, 187, wofür es in ber Scriftiprade gewöhnlich etwa heißen würde: entzogen.

240

Anzeige der eingefandten Bücher.

(Beipredumg einzelner nach Gelegenheit, Zeit und Raum vorbehalten.)

Freytag’s Schulausgaben x.: Das Gubdrumlied in Auswahl und Übertragung. Fiir den Schulgebrauh herausgegeben von Walter Hübbe, Gymnaſial-⸗Lehrer in Hamburg. 1896. 112 ©. Pr. geb. 60 Pf.

Dr. Herman Schrader. Aus dem Wundergarten der Sprache. VIII und 288 ©. Weimar 1896. Berlag von Emil Felber, f. in dieſem Hefte S. 224.

Brieflaften.

Herm Prof. H. Ziſchoſf in Montzen (Belgien). Freundlichen Dank für Ihren Auffaß, der möglichft bald zum Abdrud gelangen wird.

Henn Dr. Th. Braune. Berbindlihen Dant für die freundliche Mittheilung Ihrer „neuen Beiträge zur Kenntnis einiger romanifcher [romanifchen)] Wörter deuticher Herkunft“ in der Zeitfchrift für romanische Philologie.

Herrn George C. Keidel, Johns Hopkins University, Baltimore, Md. U. S. A. Ihre Pofttarte vom 25. Juli it mir in dem Seebad Warnemünde, wo ich mid 3. 3. aufhalte, am 4. Auguft richtig nachgefandt worden, aber das darin erwähnte Heft über Ihre AEsopie Fable Literature habe ih nicht erhalten. Bielleicht baben Sie die Güte, das verloren gegangene Eremplar durch ein zweites zu erſetzen. Beften Gruß. Nahicrift: Das von Ihnen verfpätet abgefandte Eremplar ift mir jetzt zuge— gangen. Berbindlihen Dant.

Fräulein Ella X . . £ in Kaffel: Sie tbeilen mir aus dem Kafjeler Tageblatt bom 20. Juli (Nr. 199) den in einer Novelle: „In zwöliter Stunde“ von Karl Ev. Klopfer enthaltenen Sat mit:

„Es fam übrigens diterd vor, daſs fich Zwehlen im Lehnftubl einem Meinen Borfhläfhen überließ, che er das Bett auffuchte“, und fragen an, ob die hervor— gehobene Berfleinerung üblich und zu billigen fei. Bei der Leichtigleit, mit der wir im Deutihen Zuſammenſetzungen bilden können, ift gegen die Bildung: Borſchlaf und die Berfleinerung: Borfhläihen (emtfprehend den Mörtern Schlaf, Schläfchen) in dem Sinne eines dem eigentlihen Schlaf vorangehenden Schlafe8 oder Schläfhens wohl Nichts einzuwenden.

Alle für die Beitfhrift felön Genimmten Bufendungen wolle man un- mittelbar an den Herausgeber nah Altfirefis in Meklendurg, dagegen die für den Amfhlag oder als Beilagen beſtimmten Anzeigen an den Ber- leger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nähfte Seft müffen jedes Mal Bis fpätefteus zum 1. des Monats in den Händen des Serausgebers fein; aud bittet er, in Bezug auf den Amfang, die BHaumverbältniffe der Zeitfhrist im Auge zu haften.

Kohinor. Mal’ Ochio. Die Trovatella.. Die Holzhauer.

Novellen von A. Baron von Roberts. Dresden und Leipzig. Verlag von Heinrich Minden. 1886.

Einzelne ſprachliche Bemerkungen.

1. Zu „Kohinor“. ©. 1—46.

1. ©. 9. Plöglih überſchlug Kohinor [das Pferd der Kunftreiterin], ein dumpf bröhnender Fall, die hart pralfenden Schläge der Hufe gegen die Holzwand und ein entfegliches Durdeinander, das fih am Boden wälzt, vgl. mein Wörterb. III ©. 943b, wo unter überſchlagen II vr.) in Nr 2 in dem bier geltenden Sinne Belege für das rüd- bezüglihe Zeitwort gegeben find, von denen ich hier die folgenden aus» führlicher herſetze:

Alles ſeh ich fo gerne von dir; doch ſeh ih am liebſten

Wenn der Bater bebend über dich jelber dich wirft,

Du dich im Schwung überfhlägft und nah dem tödlichen Sprunge

Wieder fteheft und Läufft, eben ob Nichts wär’ gefchehn.

Goethe 1. ©. 284 [Epigramm, Benedig. Nr. 45.]

Doch bald erregten die Iuftigen Springer ein lebhaftes Vergnügen, wenn fie erft einzeln und zulegt alle zufammen ſich in der Luft über- ſchlugen. 16. ©. 110 [Meifter's Lehrjahre I. 2. Bud 3. Kap.)

Wir haben jelbft einen Fall gejehen, wo ein Pferd vor einem ſolchen Ehof niederftürzte, drei der folgenden über das erfte hinausfielen, ſich überjhlugen und die legten glüdlih über die gefallnen wegfprangen und ihre Reife fortjegten. 24. ©. 237 [Ytaliän. Neife II. Das römische Karneval.)

Er ſetzte fih auf's Mäuerhen, blieb eine Zeit lang ruhig, dann überjhlug er ſich rüdmwärts in die Tiefe und ward nun tobt aus dem Waffer herausgebradt. 25. ©. 32/3 [Kampagne in Franfr., 3. Sept. 1792.]

Sein Rofs wird hen es überſchlägt ſich ſtürzt, Er windet ſchwer arbeitend fich hervor. Schiller 485 a Jungfr. v. Orl. V, 11, B. 3457). u. a. m. Beitihrift f. deutiche Sprache, X. Jahrg. 19

42

Ein Beifpiel für das bloße überihlagen ohne das rüdbezügliche Fürwort in diefem Sinne habe id weder angeführt nod (jo weit mein Gedähtnis reicht) früher gehört oder gelejen; weitere Belege hierfür würden jehr willfommen fein.

2. ©. 11. Statt deffen eriheint Der. O. Loyal mit feinen ſechs ungarifhen Vollblut und läfjt in ohrenbetäubendem Schellengeraffel jeine unvergleihlihe Cjitospoft durch die Manege dahinrajen, vgl. in meinem Wörterb. und Ergänz.-Wörterb. unter Blut und Zujfammen- jegungen Stellen und Belege wie: Ein Roſs aus arabiſchem Blut. Platen 4, 274. Dafs die Pferde ausgeartet und das reinfte ſchöne Blut jehr jelten geworden ift. Niebuhr Nachgel. 204. Halbblut Gegenjag Vollblut, deſſen Gejhleht nur von einer Seite edel ift, zumal von Pferden, zuweilen auch masc.: Als er auf feinem Halbblute dem Schloffe zufprengte. Freytag Soll 1, 31. Ein Halbblut, das [vgl.: der] noch im Stall fteht. Di. 3, 64; auch Mehrzahl: Für Vollblute [Bolldlut- Pferde) find Mennen nothwendig. Nat.-Ztg. 27, 79 zc. Den gejammten Adel, lauter Vollblute. Hausblätter (66) 4, 241 ıc.

Die unveränderte Mehrzahl (wie oben bei Baron Roberts) dürfte wohl nur in der Sprade der Yodeys und der Sportliebhaber vortommen, vgl. übliher: Mit feinen jehs Vollblut-Pferden [oder Hengften]. Weitere Belege wären erwünidt.

3. Für das wie ftatt des emipfehlenswerthern als nad einem Komparativ oder einem komparativiſchen Begriff (j. Hauptſchwier. Seite 306b ff. und die Inhaltsverzeichniſſe der Zeitſchr.) führe ich bier aus der erjten Novelle an:

„Sie werden ihr die thörihte Rüfwärtseiferfudt [= die Eifer- ſucht auf eine Liebe aus einer Zeit, die weit zurüdliegt, aus einer Zeit, da der Liebende die jetzt einzig Geliebte no gar nicht gekannt] zu heilen ſuchen, die ja Nichts ift wie [ftatt als] ein plößliches Aufflammen ge- heimer Liebe.” ©. 37; ferner aus der zweiten Novelle ©. 79: „Wie die Kranke ausjah? Nun, nit ander wie die meiften alten Damen”; und in der vierten ©. 265: „Eine Weile war es ftill, Nichts wie das Rauſchen des Waffers neben uns“ und ©. 264: „Mehr wie zehn Mann werth zc.*

„Und Stile Nichts wie [ft.: als] das Praffeln und Kniftern der Flammen.“ ©. 40.

4. Bal. über das Schwanken eines auf den Genitiv zweier folgenden Eigenihaftswortes zc. in der Form auf «er oder auf «en (die nad meiner Anfiht die eınpfehlenswerthere und heute aud überwiegende ift) ſ. Haupt— ihwier. ©. 351 Nr. 2.

243

Baron v. Roberts jhreibt ©. 36: „Das Schickſal zweier guter Menihen“ u. S. 37: „Das Glück zweier edler Menjhen“, wofür id guten, edlen vorziehen würde.

5. Die Ausdrüde, die ih mir ſonſt noch aus der erften Novelle angemerft habe, find Zufammenjegungen, die fi entiweder in meinen Wörter: büchern finden oder nah Ähnlichkeit der dort aufgeführten fih ins Unend- liche vermehren laffen und feiner bejondern Erklärung bedürfen. Bon dieſen Zufammenfegungen gebe ih im Folgenden eine Auswahl von vielleicht mehr oder minder willftommenen Belegen, in der Anordnung meines Wörter: buches, d. 5. abecelich geordnet nah den Grundmwörtern, wodurd allein fih eine anmähernde wirkliche innere VBollftändigteit deutiher Wörterbücher erreichen läfft (vgl. im Einzelnen mie gejagt mein Wörterb. und mein Ergänz»Wörterb.) u. j. unten Nr. 21 und 69.

Brachte Borris das Gefpräh auf Nomane und Movelle, er, der jolde „Zuderbädereien“ [= Waaren der Zuderbäder oder Konditoren], mie er jie nannte, niemals genojs. ©. 40, vgl. etwa: Xedereien, Naſchereien ꝛc.

Begann mit einem Elfenbein [etwas aus Elfenbein Gefertigtem, vgl. Falzbein, Elfenbeinmeffer zc.], das er auf dem Kaminfimfe fand, die Bogen aufzufhneiden. ©. 40.

Mit gedantenhlöden Augen die hohe Hünengeftalt des Ankömmlings anblinzend. ©. 40, hier etwa mit den blöden (furz-, ſchwachſichtigen) Augen des der Wirklichkeit abgefehrten Dichters ıc.

Deine zweifelnde Seele verlangt nah einem Ausweis [vgl. Beweis, Dokument 2c.] meiner Yiebe, nad einer Bethätigung meiner Liebe, die jener fernen Gewaltthat [= Gewalt aus einer fernliegenden Zeit] gleihblütig wäre. ©. 42, etwa = einer Liebe, die an Heißblütigfeit Ber Gewalt» that gleich wäre :c.

Aus Furt, dajs dann die Morgenröthe eines wirkliden Glücks, die zumeilen ihre Seele ahnend um dämmern mochte, für immer in graue, eintönige Naht verblaffen mödte. ©. 21.

Paſſt der Schluſs [der Erzählung] niht in unjern Plan, jo wird er eben fo herumgedrechſelt werden müffen, daſs er paſſt. ©. 32, vgl. umdredieln und (f. u.) umfneten :c.

Ein jhmwüles, geheimnisjhweres Wort. ©. 20.

Schwer und ſchickſalsſchwül wie eine drohende Gewitterwolle. S. 30, vgl. gewitterſchwül.

Durd den herbftitillen Wald. ©. 21.

Rückwärts-Eifer ſucht ſ. o. Nr. 3. 19*

244

Daſs er, der ſtrahlende Held, in ſolch mattem Alltag proſaiſch verklingen ſollte. S. 23, hier nur beſonders angeführt, weil Jakob Grimm in ſeinem Wörterbuch I Sp. 239/40 ausdrücklich in unbegreiflicher Weiſe geſagt hat:

ALLTAGs, adv. quotidie, wie tags könnte auch alltags gesagt werden, doch ist es nicht üblich, noch weniger ein subst. alltag. da hingegen die accusative allentag und alletage adver- bialisch stehn und letzteres in alletag verkürzt wird, so sind die folgenden zusammensetzungen von ihm abzuleiten und stehen für alletages, vgl. die Berichtigung in meiner Kritif des Grimm'ſchen Wörterbuches (2. Heft, Hamburg 1853) ©. 71 und zahlreiche (leicht zu mehrende) Be: lege aus guten Schriftftellern in meinem Wörterb. III ©. 1279 umd 3. 2. in der zweiten Novelle von U. v. Roberts ©. 154: Ich hoffe, daſs aud Dies fih mit der Zeit geben werde, nahdem fie fid mehr und mehr dem Alltag diejes Lebens wieder befreundet, ſ. auch Zeitihr. ©. 136 Nr. 51.

Ein borftiges Zebra gab ein paar jeiner hohen Wuthtöne. ©. 12.

Strahlend im Bolltriumph ihrer Schönheit. ©. 8.

Wir müffen eben diefes Teufelszeug von einer Geſchichte [vgL.: dieje verteufelte Gejhichte] mit in unjere Berehnung ziehen. ©. 32.

II. Zu der zweiten Novelle: „Mal’ Ochiv. (S. 47—162.)

6. Dann leugnete er jo ziemlich alles, woran wir armen Sterb- lihen unjere gläubige Hoffnung zu bangen pflegen. ©. 54. Vgl. den ausführlihen Aufjag über die Frage: „Wir Deutihen oder wir Deutſche?“ bier in der Zeitihr. II ©. 145—151 und daran fi weiter- hin Anjhließendes, worin ih mid für die auf das wir folgenden Eigen- ſchaftswörter oder eigenihaftlihen Hauptwörter in der hier au von Baron v. Roberts angewandten ſchwachen Abwandlung entihieden habe. Für das umlautloje bangen würde bier als zielendes Zeitwort die umgelautete Form hängen den Vorzug verdienen, ſ. Hauptihmwier. S. 173a.

7. Auf die breite Mauerbrüftung gelehnt, ſchaute ih hinaus, in jene violette Bergtiefe hinein, daraus [ftatt des heute in der ſchlichten unge- bundnen Rede (j. Hauptihwier. ©. 88a) üblihern woraus) fih der Deülheimer Schlepper feuhend und fauchend emporarbeitet. ©. 57.

8. Während dem Klappern des Geſchirres ... wiederholte fie zc. ©. 64, j. Hauptſchwier. ©. 232a über „Präpofitionen mit Genitiv und Dativ“, und im Bejondern über während mein Wörterd. III ©. 1461c Nr. 3.

245

9. Bewirkten es die Gedanken an die verhängnisvolfen Augen der Frau Doktor jelig? S. 65, vgl.: der jeligen Frau Doktor u. ſ. dazu Wörterb. III S. 1074b unter felig Le.

10. Daſs irgend ein bejonderes Schidjal über deinem Hauſe gewaltet bat oder gar noh waltet. ©. 68, vgl.: So mujste ich fait ftaunend fragen, wie die äußerft mwohnliche, anheimelnde Ausftattung der innern Räumlichkeit mit den dunfeln Gerüchten in Einklang zu bringen fei, die über diejem Anwejen walteten. ©. 80, vgl. walten über zumeift mit Dat., aber daneben auch mit Accuſ. Wörterb. III S. 1470a Nr. 2 und Hauptfhwier. ©. 296b Nr. 7.

11. Es war ein langes zweiftödiges Gebäude mit vielen diht an einander gereibten Fenſtern, feiner Bauart nah durdaus nicht jehr alt, aber dur Vernadläjfigung vor der Zeit alt geworden, ehemals hell getündt, nun vom Wetter unfreundlih grau angehaucht ...

(Dann folgt nod eine weitere Schilderung des düſtern Eindruds, den das Gebäude mit feiner Umgebung madt; und dann heißt es weiter]:

Nicht weniger einladend jah der Garten aus, der das Haus von drei Seiten umgab ıc.

Es bedarf feiner Auseinanderjegung, daſs bier niht Alles in Ordnung itt. Dem Sinn nad fünnte man ftatt der Verneinung des vermindernden Komparativs grade im Gegentheil die eines fteigernden vermuthen: Nicht einladender zc.; aber den Buchſtaben nah weit Das zu jehr von dem Gedrudten ab und jo neige ich denn der Annahme zu, dajs der Schriftfteller etwa geichrieben haben wird:

Noch weniger einladend ꝛc.

12. Überall Bilder an den Wänden, bie und da eine Statuetle. Sammelwerke auf dem Tiſche und die hunderterlei eleganten und originellen Nichtigkeiten ſſ. Wörterb. Il S. 435b und vgl.’ Kleinigkeiten ꝛc.), welche einem Hausinnern nah unſern Begriffen den Charakter des Wohnlichen verleihen. ©. 80/1. Täuſcht mich mein Spradgefühl nit, jo wäre hier die Auflöjung der Zufammenjegung das Üblihere und Empfehlenswerthere: dem Innern eines Haujes [vgl. aud mein Fremdwörterb. 1 S.551b: nterieur].

13. „Herr Doltor,“ hauchte fie leiie hin, „es ift doc feine Ge— fahr?* Das Zeitwort hinhauchte (ohne hinzugefügtes Objekt) ift freilich verftändlih, aber doch nicht. eben gewöhnlih, vgl. in meinem Wörterb. I ©. 703c den Beleg: Olga haudte die Erklärung hin, dajs ꝛc. Gutzkow Ritt. vom Geift 6, 445 und entiprehend eiwa: Herr Doktor, dieſe Worte hauchte fie leiſe hin oder: diefe Worte tönten wie hingehaudt (oder: wie ein Hauch) an mein Ohr :c.; doch fchreibt von Roberts in

246

berjelden Erzählung ©. 148: Plöglih füllten fih ihre Augen mit Thränen, „Arthur!“ Haute fie bin. Ich meigte mich zu ihr hinab. ©. 164. „Das arme Kind!“ hauchte fie mit einem Seufzer hervor.

14. Was war aus jenem ?jreigeift geworden, dem Leugner über- irdiiher Gemwalten. ©. 84/5, vgl. Wörterb. II ©. 120a, wo es unter leugnen heißt: „Dazu: a) Leugner(in), leugnende Perjon, namentlih Zu— jammenfegungen: Gottesleugner“ x. Dem entiprehend hätte es viel- leicht am Schlufs üblicher gelautet: der überirdiihe Gewalten geleugnet.

15. Und wie ih da ſaß, fam es über mid wie unendlihes Mitleid: baben dieje Wangen nicht das Recht, mit dem freudigen Roth der Jugend zu prangen? vgl. in Bezug auf die bier von mir durch den Drud bervorgehobenen „Reime in der Proſa“ 3. B. die in dem Inhaltsverzeichnis des erften Jahrgangs der Zeitihr. ©. 563a angegebenen Stellen (mo auch auf weitere ir meinem Stil-Mufterbuh hingewieſen ift) u. ſ. w.

Ich will übrigens nicht unterlaffen, ausdrüdlid zu bemerken, daſs gerade in dem vorliegenden Sage des Barons dv. Roberts der (vielleicht unbeabfihtigte) Reim ſich doch wohl erklärt dur die Annahme, dajs die ſchlichte Rede fih, wenn auch unbewufft, zur dichteriſchen Sprade emporhebt.

16. Wer war Bambino? Kein Kind mehr, wie der Name bejagen möchte. Nein völlig ausgewahfen, wenn aud nit gar groß gerathen, fein und zart gebaut, wie ein Baino vom Corjo. S. 100, mit der Fuß— anmerfung zu dem bervorgehobenen Fremdwort: „Römiſcher Stußer“. Da das italiäntihe Wort in meinem Fremdwörterbuch ſich nicht findet, jo babe ih es bier nachgetragen und will noch gleih einen zweiten Beleg binzufügen: Der mit dem Monofle bewehrte „paino“. Telmann (Nat.- Btg. 47, 251).

17. Bambino ſchrak zufammen bei diefer Frage. ©. 122, ridtig und empfehlenswerth ftatt des freilih nicht jeltnen f chreckte zuſammen, ſ. Hauptſchwier. ©. 249b und vielfach in den abecelichen Inhaltsverzeich— niſſen der Zeitſchrift.

18. „Ai!“ kreiſchte ſie mit dem Tone, den ihr der kochende Haſs aus der Bruſt preſſte, „Ai!“ Und fie hebt den hagern Arm mit der geballten ꝛc. ©. 141, j. über die auch 3. B. von Goethe als Wehruf gebraudte Anter- jeftion Ai! mein Wörterb. J ©. 19a.

19. Die Sonne neigte fih den Bergen zu und dieſe Berge begannen ins Biolette zu dunfeln. ©. 162 wie es dunfler wurde, ins Biolette überzugehen, j. Wörterb. I ©. 330c/la, unter dunfeln 3, woraus id bier nur anführen will: Bei den tieferen Keſſeln dunkelte dies Grün zu einem tiefen ſchönen Blau. Kohl Alp. 1, 163.

47

20. Ein Gekrabbel und Gezappel, dabei ein Juchzen und ausgelaffenes Heia! ©. 190, ſ. Wörterb. I ©. 724b unter Hei! Nr. 2: „Jubelruf, Jauchzen“ und fih anſchließende Verlängerungen, wie aud ©. 346a: Eia!

21. (f. o. Nr. 12) Beifpiele einzelner nad Ähnlichkeit leicht zu mebrender und aus dem Zuſammenhang ſich fofort von felbit erflärender BZulammenfegungen:

Eine Gaffe.... ., an deren grauen überhangenden Häuferhöhlen alte Weiber mit matten Glasaugen [bier gläfern ftarre, ausdrucksloſe Augen, ſ. Wörterb. I ©. 58c] tauerten: ©. 133.

Gebenedeit jei fie, die das Stammelgebet des bangen Mutterberzens erbörte. ©. 166 das ftammelnde oder geftammelte, vgl. Wörterb. I ©. 120a x.

Wie ih... . die Macht, die fremde Augenpaare urplöglih über uns auszuüben vermödten, ins Romangebiet verwies. ©. 78 (j. Wörterb. 1 ©. 129a).

Bei diefen [den Thierbändigern] wird der brennende Starrblid des Auges meift unterftügt durch eine kräftige Erfdeinung zc. ©. 62 (ſ. Ergänz.-Wörterb. ©. 83c, vgl. Wörterb. I ©. 164c).

Daſs die Hoffnung auf Genefung Olga von den neuerwadhten Wahn: gedanken befreien würde. ©. 89. Dede Spur des geipenftiihen Wahn: gedankens. ©. 154 (f. Wörterb. 1 S. 265a, Ergänz.:Wörterb. ©. 135 b).

Iſt das arme Wejen wirkiih eine Wahnbejangene? ©. 95 (I. Wörterb. 1 S. 409c; II 190b).

Umglänzt [j. Wörterd. 1 ©. 5896] und umflimmert [j. ebd. ©. 465.) von tem goldigen Schimmer ftand fie. S. 77/8.

Am Abend, da ich [der Arzt] von meinen Berufsgängen heim fam. ©. 157, vgl. Geihäftsgang 1 (Wörterb. I ©. 534b/e).

Die braunen arbeitsharten Hände in einander gelegt. ©. 64 (ſ. Ergänz.:Wörterb. I 258c).

Häuferhöhlen (j. o. Ölasaugen), vgl. Wörterb. I ©. 777e.

Als ih die magere, feucht kalt anzufühlende Hand der Patientin ergriff. ©. 78, f. Wörterb. I ©. 855b.

Der Sirocco lag an jenem Tage wie ein Bleimantel über der ewigen Stadt. ©. 123, j. Wörterb. II ©. 238a, vgl. bleiihwer zc.

Wie die Blume, die eben no eine Knoſpe war, die am Früh morgen ihre Hüllen fprengt. ©. 123. Un jenem Frühmorgen ꝛc. ©. 148, ſ. Wörterb. II ©. 333c.

Solde Traummaturen thun dergleihen wie auf ein Geheiß, das ihnen plöglih vom Himmel herniederfällt. S. 122 träumerifhe Naturen, vgl. Wörterb. II ©. 401la (Natur 36 und Zufammenjegungen).

43

Signora Olga malte ihn im Dreiviertelprofil [j. Wörterb. II ©. 593b]. Es war ein Glüd, daſs die Signora feine Vol lanſicht ſſ. ebd. III ©. 1092c] begehrte... . In diefer Dreiviertelftellung [j. ebd. ©. 12082]. ©. 115.

Nahdem fi der zweite Flur abſchluſs, ächzend wie die Hausthür, binter mir geihloffen. ©. 76, j. Wörterb. III ©. 967b.

Die Monate eines fonnenjtrahlenden, ftillverflärten Glückes. ©. 154, ſ. Wörterb. III S. 1230c.

Die gras durchwachſene Schwelle. S. 75, ſ. Wörterb. III ©. 444 c.

Einzelne von jenen Händen wiefen nad einem dunflen Thürwege, welder die immer enger werdende Gaſſe abſchloſs . . . So gelangten beide zu dem Thür wege. ©. 134, ſ. Thür weg (unter: Thormweg) Wörterb. III ©. 1512c/3a; Ergänz.-Wörterb. S. 617c x.

11}. Zu der dritten Novelle: „Die Trovatella. (S. 163— 238.)

22. Das italiäniſche Trovatella (j. auch ©. 176 ꝛc.) bezeichnet ein weibliches Findellind. Das in meinem Fremdwörterb. fehlende Wort wäre dort II S. 575b nadzutragen, eben jo (das aus dem Griechiſchen entlehnte): Aus dem Bephotrophio Findelhaus] in Neapel (S. 181). Eine gewiffe Donnina (S. 171), Verkleinerung von Donna, Fräulein. Figliuolo (S. 171) Söhnden, Schmeihelanrede gegen den Sohn und entiprehend: Mammina(S. 165); felice notte mammina! (S. 177). Parocco (S. 172; 206) Piarrer. Steht halbe Nähte lang vor gewiſſen ‚Fenftern, fingt feine Rifpetti und Ganzonen (S. 180). Sangue di Div! Das will id. ©. 186, vgl. in meinem Wörterb. I ©. 177a xc. die Bemerkung über Potz Blut! Seid jo gut, Sora, und fommt ein ander Mal wieder! (S. 223), Verkürzung aus Signora (f. d. Fremd⸗ wörterb. ©. 500a und ebd. Signor, wie ©. 512b: Sor). Wenn aber auf ©. 238 zu leſen ift:

„Ein Madonnenbild mit dem ſchönen Schifferiprud, der lateinifch und italiäniſch zugleich lautet:

In mare irato, in subita procella,

Incovo te, nostra benigna stella“ —, jo ift das erfte Wort in der zweiten Zeile der Inſchrift dur einen Drud- fehler entjtellt; e8 jollte lauten: Invoco, vgl. Mr. 25.

23. Und wie nun ihre mittelgroße, faft feingliederige Geftalt am Herde hielt, von dem unrubigen Geflader (j. Ergänz.-Wörterb. ©. 263a) des anbrennenden Dochtes grell beleuchtet [wurde], da hätte Benetto wohl die deutlihen Spuren der durchſorgten (ſ. Wörterb. 111 ©. 112b) und

= u

durchwachten Nächte in ihrem olivenblajfen [j. u. Nr. 38], ohnehin etwas jharf ausgeprägten Antlit bemerken müſſen. ©. 167.

24. Weis die Noth am größten it, Deis Opfer das ſchwerſte. ©. 170. Hier hätte nah weſs (eben jo wie nah dem entipredhenden Deis) der bejtimmte Artifel vor dem nachfolgenden Hauptwort fehlen müffen, j. Hauptihwier. ©. 238a: Weſs (oder weſſen) Noth am größten ift, Deis (oder Deſſen) Opfer iſt das ſchwerſte.

25. Auf einmal: Krie! Krach! feft ſaß das Boot, daſs wir nur jo durch einander flogen. ©. 174. Auch bier (vgl. Nr. 22, Schluſs) darf ih wohl einen Drudfebler annehmen, wonach ftatt des e am Schlujs des bervorgehobenen Wortes ein c zu jegen wäre, f. mein Wörterb. 1 S.1005c die Anm. zu Krach, deren Anfang lautet: „Abd. krach, mhd. krach, Ton- wort, vgl. franz. Interjektion crac, crie-crac, jo aud deutih: Das muſs auf! (Er bricht) Krid! Krad! Goethe 10, 133” ꝛc.

26. Wie er die getreppte Gaffe nah der Marina herunterftieg. S. 178, ſ. Wörterb. III S. 1369b.

27. Es war ein nüdterer, eiskalter Raum. ©. 184, ſ. Wörterb. II S. 450c, woraus ich das Folgende herjege: „Über die Form nüdtern neben dem veraltenden nüdter, vgl. alber und jo auch Nüchterkeit (d. Sachs Götz 1, 150; Zincgräf 1, 359; Hutten, |. Wadernagel 3, 233 3. 10) ftatt Nüchternbeit (ſ. d.) ꝛc.

28. An ſolche jeltiame [oder befjer: jeltiamen, j. Hauptſchwier. S. 254b] Fälle find wir in einem Findelhaufe ſchon gewohnt. ©. 185/6 ſ. Wörterb. III ©. 1650c unter gewohnen 3d, üblider ohne das an am Anfang des Sakes (ſ. ebd. b) oder ohne Präpofition im Genit. (j. ebd. a): Solder jeltjamen Fälle xxc. oder jonft: An jolde... Fälle find wir... gewöhnt, ſ. ebd. ©. 1651b unter gewöhnen 2a.

29. Es wurde uns bös mitgeipielt und der Sakramenter von einem Sturm hat uns hölliſch verzeibt, ehbrwürdige Mutter! nun ja, der Sturm hat uns tühtig zujammengeworfen. ©. 186, |. Ergänz. Wörterb. ©. 474c, unter jehr 2b, woraus ih das Folgende berjege: „gewöhnlih adv., ſ. arg 2, vgl.: Diefe Sade ift hölliſch, ochſig, knollig, blödfinnig, verflucht, etlig theuer, nur fagt er [der Berliner] nit: fie ift jehr theuer. Gegenwart 3, 108b, vgl. Zeitihr. IX ©. 476 Nr. 10.

Sehr hübſch verbeffert der an derbe Ausdrüde gewöhnte Mariner (oder Matroje) der hochwürdigen Oberin des Klofters gegenüber das ihm geläufige hölliſch in das minder anftößige tüchtig.

30. Die feften tapfenden Tritte der Heinen Perſon ballten laut in den gewölbten Gängen, dazu Flitterte der großförnige Roſenkranz an ihrem Gürtel. ©. 188. Zu dem erjten der hervorgehobenen Wörter vgl.

250

in meinem Wörterb. III ©. 1179b und 1286c die Bemerkungen über Stapf x. und Tapp x. Zu klittern aber vgl. Ergänz.-Wörterb. ©. 310b, wo e8 unter Nr. 4 beißt: „(Tonmwort) mit bellern Klang Hattern (j. d.), 3. B.: Die Perlen [der zerriffenen Schnur] fliegen in der Stube umher, an die Wände Hittern fie zc. Über Land und Meer 38, 850 ꝛc.“ u. ſ. w., vgl. das üblichere Tonwort Elirren (und die Bemer- fungen darüber) Wörterb. J ©. 940c.

31. Wie er dur das ftarrende Unkraut, das den Fuß der Mauer gleihjam bewehrte, mit Mühe dahinſchritt ıc. S. 197, bier etwa gleihfam als Wehr gegen das Erklimmen, Erklettern ſchützte (vgl. Wörter: buch II ©. 1521b/c; Ergänz.-Wörterb. ©. 6208) in nicht gewöhnlider: fondern mehr gezierter Ausdrucksweiſe.

32. In gleihmäßig braunes Kattun gar jauber gefleidet. ©. 183. Zuerft ſah Benetto nur das braune Findlingsfattun . . . Das Kattum ihres Kleides fnitterte ihr um die fchlanfen Beine. ©. 198, gegen den allgemeinen Gebraud, wonad das Fremdwort Kattun (j. mein Fremd— wörterb, I ©. 639b; Wörterb. I ©. 877c/8a) nur männliden Ge— ſchlechts ift.

33. Seine Stimme feftigte ji und nun famen die Worte in bellem, faft fiherem Klang heraus. ©. 199, übliher: Seine Stimme wurde (oder erflang) fefter ꝛc, vgl. Wörterb. I ©. 437a/b; Ergänz.-Wörterb. ©. 199a.

34. Sie führte eine große braune ſehr nachdenkliche Priſe lang- ſam zu ihrer Nafe. ©. 203, ſ. was ih über den freieren und kühneren Gebrauch der Beiwörter neben Hauptwörtern 3. B. Hauptihwier. ©. 347 a in Nr. 1 gejagt, und vgl. 3. B. auch Wörterb. 1 S. 701b die Anm. zu baftig. Ohne ſolche Kühnheit würde man gewöhnlich etwa jagen: Sie führte langfam und ſehr nachdenklich eine große braune Prife zu ihrer Naſe.

35. Die Schwalben ſtrichen mit lautem Schwi! durch die zitternde Luft. S. 205, als eine noch in meinem Wörterb. und in deſſen Ergänz. nicht aufgenommene Tonnachahmung für den zwitſchernden (ſ. d.) Laut der Schwalben.

36. Mit in einander gepreisten Händen ſaß fie da. ©. 221, vgl. (ohne Zufammenftoß der Präpofitionen): Die Hände in einander geprefjt (oder preſſend) jaß fie da ſſ. u. Nr. 47].

37. Zwei weiße Schmetterlinge haften darüber hin. ©. 235 (ob Drudfebler ftatt huſchten?)

38. (ſ. 0. Nr. 5 und 21): Zufammenfegungen, z. B.: Ein fleiner fefäugiger Knabe. ©. 191, ſ. Wörterb. I ©. 59c; Ergänz.-Wörterb.

PESIBe, |. BEFBE

©. 24c. Dlivenblafs ſ. o. Nr. 23. Zuerſt zudte eine Troß- falte zwijhen ihren Brauen. ©. 199, (vgl. in der vierten Novelle S. 270: Die Trogfalten begannen wieder zwiſchen ihren Brauen zu zuden und ©. 282: Zwiihen den Brauen jene zudende Drobfalten) Fand er mid in Fieberfroft. ©. 221. Da aus dem Herzen ein Lerchen— jubel ſchöner irdiiher Glüdjeligkeit ftatt des Gebetes emporftieg. ©. 238. Ein mehrftimmiger Ausbruh hellen Spieljubels. ©. 189 hier Jubel jpielender Kinder]. Findelfiofter. S. 197; 205 [ein Klofter als Findelhaus) Das Muttergotteslämpdhen [daS vor dem Mutter- gottesbilde brennende] ... . fnifterte hell auf. S. 166. Mit blinkenden Muttergottesmünzen am Halje ©. 183. Unſere Kleine aber, die Anita |der Findling| trägt von Anfang an die Merkmünze am Halfe [als Ertennungszeihen]. ©. 232. Eine Stimme, die fehr verftändig Hang, aber einen vollen Chor girrender Lach noten zur Folge hatte. ©. 185. Das blafje Antlig der Oberin, eingerahmt von der fchneeweißen, papier- fteifen Ordenshaube. ©. 185. Ein leijes Flüftern, aus dem fich zu: weilen eine balblaute &ebetsfilbe löste. S. 209. Zwiſchen den braunen Zravertinfäulen zog der Himmel mit blendend weißen Wolfen vorüber und darunter von einem Shrägftrahl entflammt, gleifte das Meer im ftärfften Spiegelglanze. S. 189. Die braunen Strandwände hatten gezittert im jhäumenden Anprall der Wogen. ©. 166. Zwei Tage lang hatte e3 gejtürmt, gerade wie diesmal, es war wie ein Gotteszorn und dann plöglih eine Stille. ©. 167.

IV. u ber vierten Novelle: „Die Holzhauer“. (S. 239—288.)

39. Der Klo fuhr ſplitternd (intr., ſ. Wörterb. III S. 1145 bh Nr. 2) und Frahend auseinander und das blanke Eifen ſtak (f. ebd. ©. 1191a unter fteden Anm.) tief im unterliegenden (zuzuu, |]. ebd. II S. 138a/b unterliegen I und II) Holze. ©. 244.

40. Die diden Ringe der zufammengemwulfieten Hemdärmel. ©. 245, eine von mir nicht befonders aufgeführte Zufammenfegung von wulften (Wörterb. III ©. 1670c; Ergänz.-Wörterb. ©. 656 a).

41. Mit weldem faft zärtlihen Ausdrud ihres rothgedunfenen Ge— fihtes fie das Eifen der Säge mit der Spedihwarte ſtrich und gleichſam jhmeidelte ©. 246, j. über die Fügungen von ſchmeicheln ausführlid (mit zahlreihen Belegen) Wörterb. III S. 973a/b, wie aud Ergänz.- Wörterb. S. 455b und furz zufammengefafit Hauptihwier. ©. 248b. Nah dem heutigen Gebrauch hat die Ausdrucksweiſe des Schriftitellers, der ftreihen und ſchmeicheln zufammenfaffend gleihmäßig als zielende Zeit- wörter behandelt, etwas Ungefüges (j. darüber Hauptihwier. ©. 344 a/b

252

unter Zufammenfaffung 2b, als fogenanntes „Zeugma“ f. u. Nr. 49). Berbefferungsvorihlag: Mit weldem faft zärtliden Ausdrud ihres roth- gedunfenen Gefihtes fie gleihjfam ſchmeichelnd u. ſ. w.

42. Das gefräufelte Wildhaar [f. u. Nr. 69], das ihre Stirn und Schläfen umwölkte (f. Wörterb. III ©. 1658a/b), war ganz beftäubt vom Sägemehl. ©. 248.

43. Nah ein paar Monaten erjchien fie mit einer Tragbotte... Damit follte fie das zerfleinerte Holz ... . auf den Boden jhaffen. ©. 248, vgl. Hotte ©. 251. Ich ftreifte ihr gewaltfam die Tragbänder von der Säulter ... und rifs fie etwas unfanft vor der Hotte weg. ©. 252 j. Wörterb. I ©. 7Y5c, ſ. u. Nr. 48.

44. [Das] hieß mi zu neuem findifchen [ftatt richtig: Findij chem] Zornesausbruch emporfahren. S. 250, ſ. Hauptihwier. ©. 98a/b und vielfah im Inhaltsverzeichnis der verjchiedenen Jahrgänge der Zeitichrift unter „Deklination der Eigenihaftswörter.

45. „Du bringft es ja doch nicht fertig,” fagte fie mit einem falten wegwerfenden Ton, die Lieder faft mit dem Ausdrud einer Miſsachtung halb über den Glanz der Augen gejentt. „Weißt du, du bift ein Preuß!“ Damals herrſchte in der Bevölferung der Feſtung Luxemburg eine unaus- rottbare Antipathie gegen das Preußenthum, das ihr der deutihe Bundes— tag in Form einer ftarfen und wohl aud etwas herriſch fih gebärdenden Beſatzung auferlegt hatte. Es war die Zeit nach dem italiänifchen Feldzug von 1859 und die VBerherrlihung des Zuaventhums jtand in höchſter Blüthe bei den dortigen Franskillions. Bejonders wir Preußenfinder hatten in den ganz in franföfiihem Geifte geleiteten Schulen viel unter dieſer Anti- pathie zu leiden. „Preuß! Ein Preuße!“ und wir mujsten uns mit unjern Fäuſten Dagegen wehren ıc. ©. 251, bier angeführt als Ergänzung zu Dem, was ih im Wörterb. II ©. 589a und befonders im Ergänz.- Wörterb. S. 394c unter Preuße :c. gejagt.

46. Da nahm ih alle Kraft zujammen, rudte mid empor ꝛc. ©. 252, bier etwa ſich emporraffen, vgl. über rüden und ruden Wörterb. II S. 797b, Anm. und Ergänz.-Wörterb. ©. 429bj/c.

47. „Öelt, Herr Student! (wir [Öymnafiaften] vom Athenäum wurden im Volke „Studenten“ genannt) [j. Fremdwörterb. II ©. 5252] Studieren und Arbeiten ift Zweierlei, he? Dazu noch ein Preuß!“ (ſ. o. Nr. 45). Mit über der Bruft gefreuzten Armen ftand fie vor mir [f, vo. Nr. 36], beffer: Die Arme über die Bruft gefreuzt (oder kreuzend) zc.

48. Eine Trage [hier Hotte mit, f. o. Nr. 43] Holz den Speider dinaufzufhleppen ©. 254, j. Ergänz.-Wörterb. ©. 568b.

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49. Meine glutbzitternden ſſ. y. Nr. 69] Augen haſchten, baten, fledten nad einem Blid. ©. 155, in einem „Zeugma“ (ſ. o. Nr. 41), da es jprahüblih heißt: nah Etwas haſchen, aber —: um Etwas bitten, flehen, vgl. gefüger: . .. haften nah einem Blid, baten und flebten darum x.

50. Das Räthſel diefes Rendezvous, das troßig auf feine Löſung beftand! [j. über beftehen auf mit Dat. oder Acc. Wörterb. III ©. 1194c Nr. 11 und Hauptihwier. ©. 72a]. Es war Etwas, das mit brutal padendem Griff mein Herz zu umlrampfen |f. Wörter. I ©. 1013b] ſchien.

51. Die von Gewehrſchüſſen umknatterte Fantafia [j. Fremd— wörterb. II ©. 244b Nr. 6] der Wüſtenſcheiks. ©. 263. Das feiner bejondern Erklärung bedürfende zielende Zeitwort umfnattern wäre unter den Zujammenjegungen von Inattern (Wörterb. I ©. 950b; Ergänz.- Wörterb. S. 313a) nahzutragen.

52. Unter dem Bajonett fiel fie, das handhabte fie wie eine Spielerei, wie ihr andern Frauensleute die Nadel. ©. 264/5, j. über dies über: ihüffige ander (bejonders nach wir, ihr) Hauptſchwier. S. 41 unter Ander Nr. 7.

53. Ein famoſer Kerl [i. d, Ergänz-Wörterb. S. 299c und das dort Angezogene], das Mädchen... Du gehft mit ihr [= als deiner Geliebten, j. Ergänz.:Wörterb. ©. 221a Nr. 5h] ©. 267. Der Erfolg des jhönen Mädchens, mit dem er „ging“. ©. 273.

54. „Freilich, ein jhwierig Ding das Frauenzimmer da ’Cr& ſſ. Fremdwörter. 1 ©. 717b und II 461b/2a Nr. 2] nom!! Da muis man ſchon die afrikaniſche Praris hinter ſich haben [wie der Sprecdende aus der yremdenlegion. Du armer Yung das id fürdte, du kom mſt mit ihr nicht klar [vgl. Wörterb. I ©. 973c unter fommen 4h: „mit Etwas zurecht (ſ. d.) kommen, zu Stande fommen (ſ. 10k)“ und ©. 974c: „über Etwas ins Klare, ins Meine kommen!. Du mujst Das Andern überlaffen. Wie man jolde Frauenzimmer manipulieren muſs (er machte dabei eine jchraubenartige Bewegung mit den Fingern ber einen Hand), Das lernt man nur da unten.” Dann, die Hände in ben Hoſen— tajhen, die er nah Franzoſenart ausjpreizte [in bejjerer Stellung, da das bezüglide die ſich nit auf „Hoſentaſchen“ ſondern auf „Hände“ beziehen joll: die Hände, die er nad Franzoſenart ausjpreizte, in den Hoſentaſchen, ließ er das Feuerwerk feiner algierifhen Liebihaften Los. ©. 267.

! Seine Rede bildete ein Kauderwälfh von franzöfifhem Kafernen » Zargen, arabiihen Benennungen und luxemburgiſchem Patois (f. u. Nr. 68).

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55. „O, du bift bös, Preuß, Das mufft du nicht. Wenn du nicht ſolch ein Gefiht maden willft, jo kann man [= id, ſ. Hauptſchwier. ©. 207b unter man 2a] dir’s fagen.“ ©. 270,

56. Es gab damals im September ſchon einen gewiſſen Moſel— Frühmoſt dort zu Lande [in Luremburg], „reden“ genannt, ein megen jeines beraujchenden Dämons berüdtigtes Getränk. S. 273/4, in meinen Wörterbüchern nicht aufgenommen, vgl. bier Moft und Zufammenjegungen (Wörterb. U S. 335); der Heurige (I S. 7565, Ergänz.-Wörterb. ©. 271a).

57. Er nannte fie Du nun ja, fie waren ja Nahbarskinder, aber Hatte er fie nicht meulih mit dem [in Yuremburg] landesüblichen „hr“ angerdet? ©. 274, vgl. über die Anredefiirwörter mein Wörterb. I ©. 325b unter „Du“ IL.

58. Der Wein jhüttete über den Tiih. ©. 276, ungemöhnlid) intr. ber verihüttete Wein flojs (ergoſs fih) über den Tiſch, vgl. Nr. 60,

59. Trum, trum, trum [Nahahmung des Trommelklangs] paff, paff [des Schießens!. Zuletzt Mangen die Schüffe und das Ge— trommel nur noch aus gedämpfter Ferne.

60. Er jhüttelte ihr Haupt in fprühendem Eifer. Ihre Haare wälzten [jelten intr. wälzten fi, fielen fi wälzend] ſchwer herab. ©. 278 (vgl. Nr. 58 und ſ. wälzen intr. Wörterb. ©. 1473b Nr. 3; Ergänz.-Wörterb. ©. 604 b.)

61. Nah meiner Geſundung bradte man mid auf das Gymnaſium des benahbarten Trier. ©. 278/9, j. Ergänz.-Wörterb. ©. 545 a, üblider: nad meiner Geneſung oder: nachdem id wieder gejundet (oder gewöhn- lider: gejund geworden) war zc.

62. Ihre Kleider zerzauft und beihmußt, als hätte fie fih durch allerlei Un wegſamkeiten Bahn gebroden. ©. 281 unmegjame Strecke ac.

63. Neu aufzijhelnde Feuersbrünſte S. 283 die ziſche(lInd neu aufflammten, auffladerten 2c., wie ähnliche, jeldftverftändlihe Zufammen- jegungen im Wörterb. und dejfen Ergänzung nicht einzeln aufgeführt,

64. Aus einer Lüde in der zerfchlitterten Balfenwand. ©. 284, etwa im Sinne von „zeriplitterten” (ob bloßer Drudfehler ftatt deſſen?) oder „zerichmetterten, durh das Geſchütz zertrümmerten ıc.

65. Sie war toll auf ihn. S. 286 mie toll, rajend in ihn verliebt, vgl. Wörterb. III ©. 1333a unter toll lay: Die Dirne ift toll nah Männern ꝛc.

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66. Eine der erften von Euren Zuderhüten |j. Ergänz.-Wörterb. ©. 282b „Zuderhut au Geſchoſs von diefer Form“ mit Be legen] warf das Ding [die Kantine] über den Haufen. ©. 286. Natürlich müjste das erfte Wort einer beißen bezogen auf das männliche Haupt« wort Zuderbut. Vermuthlich liegt eben nur ein Drudfehler vor.

67. Plang! Plang! Plang! ein Arthieb nad dem anderen. ©. 287, vgl. Wörterd. II ©. 556b: „Plang! interj. 3. B.: Pling, plang, pling! Bode Empfindf. 4, 6, Nahahmung von Saitengeflimper” ꝛc.

68. (ſ. o. d. Fußanm. zu Nr. 54) Wenn das Eifen ſich verfing, entfuhr feinen zufammengebiffenen Zähnen ein zijchelndes „sacre nom d’un chien!“ oder ein „Krrr—t Yes feines Patois, verdorben aus Chrifto Jeſus! ©. 243/4, auh Krr—t Yes! welh ein Weib! ©. 264.

69. (f. o. Nr. 5 und 21) Beijpiele von Zufammenjegungen:

Die von dem Stangengerüft herabhängenden Ollampen waren wie Straßenlaternen in Nebelwetter von dihten Dunftballen umhüllt. ©. 274; 275. Tragband ſ. 0. Nr. 42. Aus meinen Augen brad die Vollgluth meiner Seele. S. 270. Auf dem belleren Wegegrund. ©. 260. Wildhaar ſ. o. Nr. 42. In feiner gallonierten und rothbehosten Pradt. S. 261. Auf einem Seelenverfüufer von einem Kahn. ©. 287. Sein grinfendes Taugenihtslädeln. S. 268. Im beifern Wimmerlauten. ©. 242. ®ie ein Stehauf- Männ- hen emporſchnellen. S. 263. Ich hörte den Haſſesſchrei. ©. 277, 285. Es Hang jo dunfel, jo verhängnistief. ©. 258. Ein dürres gleihjam Holztrodenes Männlein. ©. 245. Vom raudumwallten Kirchthurm. S. 284. Branntweinflafche, die er in Reichweite ... liegen hatte. ©. 244. Gluthzitternd ſ. o. Nr. 49 u. ä. m.

Haus: und Kindermärden der Gebrüder Grimm.

Die unter den Bücheranzeigen in einem früheren Hefte aufgeführte engliihe Ausgabe einer Auswahl der Grimm’shen Märden hat in mir eine alte faft meinem Gedächtnis entſchwundene Erinnerung wach— gerufen, an einen Aufjag, welchen ih in Nr. 4 des 1. Bandes einer Zeit: ſchrift veröffentlicht habe, die den Titel führt:

„Die Frauen: Arbeit. Ein internationales Kunſt-Journal für die weiblide Geihmadsbildung und die jocialen Intereſſen der rauen. Herausgegeben von Jeanne Marie von Gayette-Georgens, Dr. Hermann Kletde und Dr. Yan Daniel Georgens.“

Es ſchien mir niht unangemefjen, diefem alten Aufſatz hier in meiner Zeitihrift ein Plägchen einzuräumen, weil die dort ausgejprodenen An—

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fihten mir auch beute noch der Beachtung vieler meiner Yejer und namentlich meiner Yeierinnen nicht unwerth erjcheinen.

Der Aufſatz jeldft aber lautet:

Einige Aphorismen über Kindermärden.

Das Märden ift ein vortrefflihes Mittel, auf die Phantafie der Kinder anregend zu wirken. Aber, je wirkſamer dies Mittel ift, je empfäng- lider fi die Kinderphantafie für die erjten, dur die Kinderftubenmärden eingepflanzten Eindrüde zeigt und je bleibender und von je nahhaltigerem Einflujs auf die jpätere Entwidlung und für das ganze Leben dieje erjten findliden Eindrüde find, um jo jorgfamer werden denkende und adtjame Eltern, zumal die Mütter, denen die Kindererziehung für die erjten Lebens— jahre hauptſächlich obzuliegen pflegt, in der Auswahl der zu erzählenden Märchen jein, wie fie auch die VBortragsweije jelbft und die Kunft des Er- zählens als ein wohl zu beahtendes Moment mit ins Auge fajfen werden. Wir beihränten uns aber bier abjihtlih auf den erjten Punkt als den unbedingt widtigften, zugleih die Bitte hinzufügend, diefe Aphorismen nur als eine Anregung zu betradten, wodurch wir veranlaffen mödten, dais dies wichtige Thema von verjchiedenen Seiten aus erwogen und befproden werden möge.

Der kindliche Geift ift ein jungfräulider Boden, voll der regiten Triebfraft; und der dort gejtreute Same wurzelt leiht und treibt und wählt, es ſei num ein guter Same, den hr ausgejäet und von dem Ihr eine jegensreihe Ernte erwarten dürfet, oder Samen des giftigften Unfrautes, das, wenn es wuchernd emporgejhoffen und Ihr es voll Ent- jegen erkannt habt, Ihr mit großer Anftrengung und meift doch vergebens auszurotten Euch beftrebt.

Das Vorftehende wird, glaube ich, genügen, um jeder jorgjamen Mutter die Wichtigkeit des von uns gewählten Themas einleuchtend zu machen und in ihr die unumftößliche Überzeugung zu begründen, dajs man beim Erzählen von Märden für die Kinder nit auswahllos zu Werte gehen dürfe, jondern für guten, von jedem Unfraut möglichſt vollftändig gereinigten Samen Sorge zu tragen, fi angelegen jein lafjen müffe.

Bielleiht aber ‚entgegnet man mir, dajs eine jolde Auswahl bereits getroffen fei und nennt mir als eine folde die befannten Kinder und Hausmärden der Gebrüder Grimm.

Es liegt mir hier durhaus fern, den Werth diejes Buches auch nur im geringften zu tadeln, ſofern man den wifjenihaftliden Maßftab an dieje Sammlung legt, namentlih fie mit dem Auge des deutjchen Alter- thumsforfhers betrachtet, der jedem lebendig ſich fortentwidelnden Trieb

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der alten Volksdichtung und jedes Überbleibfel der alten Mythologie zu ſchätzen weiß.

Aber Das ift bier, wo wir die Märden ausſchließlich nah ihrem Wertbe für die Kindererziehung betrachten und betrachten müſſen, nicht der leitende Geſichtspunkt und darf es nicht fein; bier iſt und bleibt viel: mehr die Frage, ob die gedachte Sammlung ohne Weiteres und aus- nahmslos, ihrem Titel gemäß, als „Haus- und Kindermärden“ zu benußen ſei, und dieje Frage müffen wir nad unſerer beften Überzeugung ent: jhieden verneinen.

Zwei Punfte find es namentlih, auf welde ih mir erlauben möchte, heute die Aufmerkſamkeit Derer binzulenten, die das von mir amgeregte wichtige Thema meinem Wunſche gemäß einer weitern Erörterung und Prüfung unterziehen wollen.

Zunächſt zieht fih durch jehr viele deutihe Märchen als ein charak— teriftiiher Zug, dajs Tyemand, der feiner Dummheit, Ungeſchicklichkeit, Un— anftelligkeit, Trägbeit, Faulheit oder jonftiger tadelnswerther Eigenſchaften wegen zurüdgejegt wird, und den man allgemein jo betrachtet und be: handelt, als fünne und werde im Leben nichts Geſcheites und Tüchtiges aus ihm werden, dajs gerade ein Solder, jage ıd, am Schluis bes Märchens die Braut erringt oder den Preis erhält.

Unſchwer wird Derjenige, der diefe Märden als Trümmer und Überrefte alter Götterjagen zu betrachten im Stande ift, in jolden zurüd- gejegten Perfonen die fih dem ftumpfen und dumpfen Blid verhüllenden göttlichen Wejen erkennen, die ſich am Schlujs auch dem blöden Auge in ihrem Glanz und in ihrer Herrlichkeit enthüllen. Auch dürfte, wenn die Märchen eine Belehrung für Erzieher und Eltern bieten follen, dieje leicht darin zu finden fein, daſs fie nit vorichnellen Urtheils, wenn bei einigen Zöglingen fi jofort glänzende oder jhimmernde Eigenſchaften entfalten, während bei anderen jolde nicht zum Vorſchein fommen wollen, jenen ſo— fort den Preis zuerfennen, jondern die weitere Entwidlung abwarten und fi) dabei jagen jollen, dajs das Echte, Dauernde fih häufig um jo lang» famer entwidelt. Aber für Kinder möchten wir, da Betradtungen, wie wir fie im Obigen angedeutet, ihnen natürlid durhaus fremd find und ganz fern bleiben müfjen, alle jolden Märden als unpafjend verwerfen, die nur zu geeignet find, in ihnen den Glauben zu erweden, auch ſie jeien ſolche verfannte und zurüdgejegte Wejen, die ſich ohne dajs fie weiterer Anftrengung bedürften zur Beihämung der fie Verfennenden fpäterhin in dem ſchönſten Glanze zeigen werden.

Wie anders als diefe deutihen Märden die, wie gefagt, nur Sagenrejte find wirft auf die Jugend 3. B. die Gedichte des göttlichen

Zeitiährift f. deutiche Sprache, X. Sabre. 20

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Dulders Odyſſeus! Wenn ſie ihn auf ſeinen Irrfahrten begleitet und ſein unabläſſiges Mühen und Sorgen für ſeine Gefährten, ſein raſtloſes Sehnen und Streben nad der trauten Heimat und den Seinen kennen gelernt, dann mag man ihn getroft auch der Kinderphantaſie als den in Lumpen gehüllten, verachteten und geihändeten Bettler vorführen, damit er darauf in vollem Glanz als Sieger über die freien und übermüthigen Freier ſich zeige.

Wenn man die erwähnten deutſchen Märchen der Kinderwelt nicht vorenthalten will, ſo dürfte, nach dem gegebenen Fingerzeige, jedenfalls eine Ergänzung der Sagentrümmer für bie Kinder unerläßlich nothwendig jein, und es wäre eine vielleicht jchwierige, aber fiher auch lohnende Auf- gabe für einen wahren Dichter, aus dieſen Trümmern einen Bau aufzu- führen, wonad auch das Kind ihon in den Verkannten und Zurüdgejegten des Märdens das wahrhaft Göttliche, nur einftweilen ſich Verhüllende ſo— fort erkennen würde und müjste,

Mit jolhen Ergänzungen, aber aud nur mit folden, würden wir auch die uns für Kinder fo bedenklich erjcheinenden Märden als paffend für die Kinderwelt anerkennen.

Ein zweiter, fih ganz eng anſchließender Punkt betrifft die Holle, welde in deutſchen Märden die Stiefmütter zu fpielen pflegen.

Dieje eriheinen überall und ausnabmlos als wahre Ausbunde von Bosheit und Tüde, welche gegen ihre eigenen, eben fo wie fie jelbft mit den ſchwärzeſten Farben geichilderten Spröjslinge die in jeder Beziehung guten, lieben und unfhuldigen Stieflinder zurüdjegen und auf das bart- berzigfte und grauſamſte quälen.

Sollten und dürften die Märden ein Erziehungsbuh für Mütter fein, denen die Aufgabe geworden, Kindern ihres Gatten aus früherer Ehe die Mütter zu erjegen, jo möchte man jolde Erzählungen immerhin gelten laffen; aber für Kinder, denen doch in nicht jeltenen Fällen das Schickſal die Mutter raubt, den Vater zugleih in die Nothmwendigkeit jegend, ihnen eine andere Mutter zu geben, find ſolche Märden ein wahres Gift. Sie erihweren in vielen Fällen aud der treueften, liebevolliten Mutter, die fih den Kindern ihres Gatten aus früherer Ehe mit der innigften und wärmften Hingabe widmet, ihre Aufgabe auf das empfindlichfte; fie erzeugen in den Kindern den Glauben, jede von der Stiefmutter ausgehende Strafe, auch die gerechtefte, jet eine umverdiente, jedes Gute, das ihren Stief- geihwiftern zu Theil wird, läme diefen nur auf ihre, der Zurückgeſetzten und Benadtheiligten, Koften zu und fie ſei eine Ungeredhtigfeit gegen fie jelbft.

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Daſs folde Erzählungen ein für alle mal aus den Kindermärden zu tilgen find, ſcheint uns feine Frage; vielleiht aber möchte dem ver- derblihen Einfluſs gegenüber, den folde Märchen vielfah geübt haben und noch fortüben, es wohl bier und da am Orte fein, Kindern Erzählungen oder Märchen von dem Segen einer guten und braven GStiefmutter zu geben.

Geiftelr)n und Zufammenjegungen.

Sn meinem Wörterb. I ©. 569a habe id das veraltete und mund: artliche Zeitwort geiften (intr. und tr.) aufgeführt und zu den darauf folgenden Zufammenjegungen den Hinweis auf die entipredhenden von :geiftern und »geiftigen gefügt. Mit Rüdfiht auf den Raum beihränfe ih mic hier auf die Aushebung der folgenden Stellen, indem ich die unter meinen Lejern, die Ausführlicheres wünfchen, auf den angegebenen Ort vermweije:

- „Begeiften tr.: mit Geift erfüllen, vgl. begeiftern, das reger ift, weil es eigentlih nur heißt: mit Geiftern, d. i. mit Lebensgeiſtern, und alfo mit erhöheter Empfindung und Regſamkeit erfüllen, namentlich in den Zuftand verjegen, wo ‚alle Sinne ftärfer, höher, volltommmer‘ find (vgl. Goethe 9, 44): Gott hat den Adam durch Einblaſen lebendigen Odems, Prometheus jein Thongebilde durh himmliſches Feuer be- geiftet [belebt, bejeelt], aber: Gott begeifterte die Propheten, die Muſen, den Dichter ꝛc. So kann begeiften wohl für begeiftern ftehen (zwar jeltner und dichteriſch), aber nicht umgekehrt: Wenn Liebe je den Liebenden begeiftet. Goethe 2, 96. Laſſt euch einen Gott begeiften. 248; 6, 82. Des Salzes Krume . . . | ein trefflih Sinnbild Deffen, was begeijtend wirft, | Gejelligfeit belebet, Freund und Freund bewährt. 416. Da herrſchet Well’ auf Welle fraftbegeiftet. 12, 233. Ein paar begeiftete Goldſtücke [belebte —, nämlich Goldftüde von dem Goldregen, in welchem Zeus zur Danae fommt]. 31, 409. Was man in der Folge altaliihe Grundlagen, jäuernde Wirkjamfeiten und begeiftende Vereinigungsmittel genannt bat. 39, 100. Das Herz, vom Athem Gottes . . . durchweht und begeiftet. Immermann Mündh. 4, 309. Durch eigene lebhafte Kraft begeiftet werden. Lobenftein Arm. 1, 116. Lebet in einander, o ihr Leiden, | Geift beieelt, begeiftet Seele du! Rückert 1, 192.“

Das unter begeiftern Gejagte übergehe ich hier als zu umfangreich, laffe dagegen das Nachſtehende aus ©. 570a folgen:

„Begeiftigen: Die begeiftigenden [den Menſchen geiftig anregenden zc.] Vorzüge der Gebirgsländer. Humboldt Kosm. 2, 313. Bon tiefer

20*

20°

begeiftigten [mit tieferem Geiſt begabten] Künftlern. Deutid. Muſeum (v. Pruß) 1, 2, 570 (Carus).“

Ferner: „Durchgeiſten tr.: durhdringend mit Geift erfüllen, vgl. begeiften: Nur der kranke Menſch ift ein Menſch, feine Glieder haben eine Leidensgeihichte, fie find durdhgeiftet. Heine Meifeb. 3, 165. Geift, der die Geifter all durchgeiftet. Alfr. Meißner Ged. 30. Ein feines, flares, durchgeiftetes Angefiht. Ad. Stahr. (D. Muſeum v. Prutz 1,2, 934),” vgl. „Durdgeiftigen tr.: mit Geift durchdringend geiftig madhen: Er durch— geiftigt jenen Seftenftreit mit dem Hauche zweifelnder Sronie. Dunzel 223. Darftellung veredelter durchgeiftigter Menſchheit. Ed. Devrient 2, 167. Schien fein ganzes Weſen durcgeiftigt und erfüllt von berjelben Ruhe. Mor. Hartmann Unft. 2, 157. Der Ausdrud der Gefihtszüge, von der Krankheit durchgeiftigt, hat in der Nuhe etwas wunderbar Edles. Ad. Stahr Bar. 1, 314,“ vgl. in meinem Ergänz-Wörterb. ©. 226a: „Der kunſt⸗ durchgeifterte Opig. Knittel Sinnenf. Vorr.“

Hierzu füge ih noch einen Beleg, der mir joeben in der von dem Gebrüdern Spanhoofd in Bofton herausgegebenen vortrefflihen Monats- fhrift Germania Vol. VII Nr. 5 Sept. 1895 auf ©. 193b in dem Auffag von Heinr. Viehoff: „Wie ein jhönes Gedicht entftand“ aufgeftoßen ift und mid zu diefem kurzen Aufjag veranlafft hat. Ich ſetze den Sak ber: „Das ift vortrefflih, jagte endlih der Pfarrer [zu Guftav Schwab, der ihm fein eben niedergejchriebenes Gedicht: ‚Gewitter‘ vorgelejen hatte], Sie haben den Stoff in der That ganz und gar durchgeiſtert und ihn von aller Erdenſchwere befreit.“

Zum Schluſs möchte ih nod mit der Bemerkung nit zurüdhalten, daſs das Zeitwort durchgeiſtern in diefer Bedeutung jelten ift und daſs es, wenn ich nicht jehr irre, üblicher bier lauten würde: „Sie haben den Stoff ganz und gar durdgeiftigt

Frau Hilde.

Roman von Georg Hartwig (Nat.=dtg. 49, 95 ff.).

Spradlide Bemerkungen II. (8. IS. 172—179.)

32. „Ich jehe eine dauernde Qual darin,“ jagte fie mit vor Schmerz fih feuhtenden Bliden ꝛc, Nr. 197, vgl. (zur Vermeidung des Zufammenftoßes der beiden Verhältniswörter): indem ihre Blicke fih vor Schmerz feuhteten oder: mit Bliden, die vor Schmerz fi feuchteten, oder ganz kurz: mit thränenfeudhten Augen zc., vgl. ©. 264 Nr. 50.

261 --

33. Mit rofigem Antlitz, balbergrautem blondem Haupthaar. Nr. 206, nah der, in den Hauptichwier. unter dem Xitelfopf: „Dekli— nation der Eigenihaftswörter” in Nr. 10 (S. I96— 99) aufgejtellten und begründeten Regel.

34. Ich ſuchte wie ein Dachs Ihre Fährte. Nr. 206, bier natürlich in der Bedeutung: „Dahshund“, ſ. Wörterb. I ©. 2584 Nr. 2.

35. Die famoje Wittwengeihichte, die mid .. . lebhaft an die Sittah gemahnte, der wir in Indien beimohnten. Nr. 206, f. Fremd— wörterb. II ©. 472b über das indiihe Satti, wo auch ein Beleg an- geführt ift: Die Suttis oder Wittwenverbrennungen. Weitermann 3, 518b. Dazu wäre die obige Form (auf ©. 504) nadhzutragen.

36. „Ein Kagenjammer“ ... Der Oberungar ſpukt nod. Nr. 208, j. Ergänz.-Wörterb. ©. 585c, wo unter Ungar 3 die Bedeutung are gegeben ift, Ungarwein (j. Wein 1d).

37. Er war viel zu erfreut von diefem Beifammenfein, als daſs er an feiner Kurmethode verzweifelt wäre. Nr. 208, vgl. Hauptſchwier. ©. 322b, wo es unter verzagen 2 heißt: „Im wirflichen Perfekt heißt es: Jemand bat (an Etwas) verzagt, verzweifelt, vgl. die Verbindungen von jein mit dem abjeftiviihen Particip, den Zuftand des Subjekts ihildernd: Er ift verzagt, verzweifelt, freilich bei dem letztern auch mit abhängigen BVerhältniffen: Er ift daran verzweifelt ꝛc.,“ (j. auch Belege für die Fügungen mit haben und fein Ergänz-Wörterb. ©. 688).

38. Stürme allein find Yebengerweder Nr. 214, vgl. Leben— weder. Ergänz.-Wörterb. ©. 616a.

39. Die fefte Wahl allein entdornt den Weg. Nr. 244, vgl. Ergänz.- Wörter. ©. 156.

40. Er will es vielleicht nicht jehen, weil er ein augenverblendeter Thor if. Nr. 217, vol. Wörterb. I ©. 163b: augenverblendenpd; Augenverblendung; aber meiner Anfiht nah würde hier richtiger das bloße „verblendeter Thor“ ftehen, zumal es fih bier um die Ber: blendung des Auges nur im übertragenen Sinne handelt.

41. Yet war die ſchreckhafte Vorjtellung eine erdenweite Trennung geworden. Nr. 217, vgl. bimmelweit, wovon es im Wörterb. III ©. 155c heißt: jo weit wie der Himmel fih ausdehnt -- unendli (oder fehr) weit: 1. vgl. weltenweit . . . 2. beionders (vgl. weit 2d; 4e), vgl. wolfenweit, das ich erklärt habe: entfernt wie die Wolfen, mit dem Beleg aus Körner: Und läg’ e8 vor mir wolfenweit | und fternhod über mir. Das bei mir noch nicht erwähnte erdenweit wäre aber etwa zu erklären: jo weit von einander entfernt, wie e8 auf Erden überhaupt möglih if, um den ganzen Erddurchmeſſer.

262

42. Daſs die böje Wunde bei unjerer Näherin, welde die jpanijche liege verurfahte, ſchön zuaubeilen beginnt. Mr. 217. Diefer Satz ift ſprachlich zwiefach zweideutig: 1. joll das bezügliche Fürwort welde auf das unmittelbar davor ftehende Näherin oder (mie es gemeint ift) auf das entferntere Wunde bezogen werden? (j. Zeitſchr. VIII S. 431 Nr. 10 und das dort weiter Bemerkte und in dem laufenden Jahrg. ©. 194 Nr. 7). Wollte man aber diefe Zweideutigfeit bloß durch veränderte Stellung ber feitigen und alfo 3. B. ſetzen: „Dajs die böfe Wunde, welde die jpanifche Fliege bei unjerer Näherin verurſachte ꝛc.“, jo wäre es damit noch nicht ganz abgethan, da es (f. Hauptſchwier. S. 352 b unter „Zweideutigfeit“ 1b) dur die Form nicht unzweideutig zu enticheiden ift, weldes von den beiden Wörtern: welde und: die ſpaniſche Fliege das Subjelt und mweldes das Objekt if. Man würde aljo no einen Schritt weiter gehen und etwa ſetzen müſſen: „Daſs die bei unferer Näberin durd die ſpaniſche liege verurſachte böſe Wunde jhön zuzubeilen beginnt.“

43. [So] begrüßten ſich, Angefihts der majejtätifhen Seffelreiben, die beften Belannten ceremoniös. Es wurde mehr geflüftert als geiproden. Der Bann war noh niht gebrochen, welden die lähelnde Wirthin ge— fliffentlih um fi breitete. Mr. 219. Bier bat jih der von mir durd Sperrörud hervorgehobene Heim wohl unbeabjihtigt eingeftellt und ich würde zu feiner Vejeitigung eine Anderung vorſchlagen, etwa: „Man ftand nod unter dem Banne, welder ꝛc.“

44. Kultur ift eine jharfe Beize. Sie laugt durch und durd. Nr. 223, ſ. zunächſt laugen 2 intr. (haben) in meinem Wörterb. II ©. 55b, wo id aber nad der Stelle hier bei Hartwig hätte hinzufügen müfjfen: „auch mit fein in der Bedeutung: als Yauge, beizend ein-, hin— durchdringen“, vgl. mein Wörterb. I S. 113b, woraus id hier Folgendes herjege („Zufammenjegungen von beizen“):

„Il Durchbeizen, beizend durddringen, Köder frejfen ꝛc, in dem Sinne: vollftändig beizen, auch als untrennbare Zujammenfegung, |. T durch: Das Scheidewaffer hat mir die Hände durdgebeizt. Die Häute müffen nod in der Grube bleiben, weil jie noch nit durchbeizt find. Moos vom Negen durcgebeizet. Gotter 1, 290. Der ganze Körper mit einer Schminke durchbeizet. Yeifing 6, 518 ꝛc. II. Durchbeizen _ .) j. I. Einbeizen: beizend eindringen, eindringen laffen, fi einfreffen, Etwas in eine Beize einlegen: Dies alles hilft jegt nur den Argmwohn, der ihn beißt, | fih in fein Herz noch tiefer einzubeizen.“ Wieland u. ſ. w., vgl. Wörterb. I ©. 313a/b (die Zufammenjegungen von dringen) das

unter „I durchdringen intr. (fein)“ und: „Il durchdringen tr.“, worin

263

fi aud der Hinweis findet: „ſ. F durch.“ Das vorgejegte Kreuz (7) deutet auf ein von mir geplantes „Wörterbud) der Formwörter, der Vor» und der Endfilden“ zc., wovon ih jedoh nur in meinem „Brogramm eines neuen Wörterbudhes der deutſchen Sprache“ (Leipzig 1854) einige Proben (S. 67— 79) veröffentliht babe, das aber vollftändig auszuarbeiten ich nit die Zeit und Muße gefunden babe. Unter diejen Umftänden möchte ih in Bezug auf die Zufammenjegungen mit der Verbindung: durd und durch auf meine „Vorſchläge zur Feſtſtellung einer einheitlihen Recht— fhreibung für Alldeutihland” Heft I S. 74 hinweifen, vgl. mein „Ortho— graphiſches Wörterbuch“ (2. Aufl. Leipzig, Brodhaus 1876) ©. 32b, woraus ih zum Abſchluſs diefer Abſchweifung das Folgende herſetze:

„rerner 3. B. nicht bloß durch dringen ꝛc. verb. als untrennbar oder trennbare Zufammenjegung, jondern auch (j. Vorſchläge ꝛc. I ©. 74, vgl. auf und ab :c.): durch- und durddringen, wo durch und durch zuſammengefaſſt gleihjam einen Borfilbenfompler bildet ꝛc.“

45. Aber es giebt ein Yeid, das in dem Granit mandes Herzens in jeinem Urgeftein eingebettet ruht: der Hajs. Nr. 227. Da bier „der Haſs“ zu dem von „es giebt” im Accuſ. abhängenden: „ein Leid“ als Appofition fteht, jo müjste es ftreng richtig heißen: den (nicht: der) Hais. Den Nominativ damit zu vertheidigen, daſs man ihn als Appofition zu dem als Subjelt in dem Relativjag im Nominativ ftehenden Nelativpronomen das auffaffen will, geht wohl faum an; dagegen wäre der Nominativ durhaus an jeiner Stelle, wenn der Schlujs lautete: das [Subj.] ift der Haſs.

46. Immer weiter feuchte die Maſchine, als wolle fie bis ans Ende der Welt jagen, das für Jeden gerade jo weit entfernt ift, als feine Gruft geihaufelt liegt. Nr. 227. Hier wären füglih die beiden legten Wörter zu ftreihen: Das Ende der Welt ift für Jeden gerade jo weit entfernt als (oder: wie) feine Gruft für ihn sc.: entfernt ift, aber nicht: wie feine Gruft geihaufelt liegt.

47. Aber ihr Heilmittel hatte ihm weh gethan, bitterweh: Er wollte ihr diejelben [lies: dasjelbe] niht nad benugen. Nr. 229 nad) ihrem Vorgang dasjelbe anwenden, vgl. Wörterd. II Sp. 457b; Ergänz.-Wörterb. Sp. 375b.

48, Ein altperfiiher Sprud jummte ihm im Ohr:

„Haft du dir einer Welt Befig gewonnen, Sei nicht erfreut darüber, es ift Nichts; Und ift dir einer Welt Befig genommen,

Sei nicht in Leid darüber, es ift Nichts; Borüber gehn die Schmerzen wie die Wonnen, Geh an der Welt vorüber, es iſt Nichts.“

204

Zu den (von mir durch Sperrdrud hervorgehobenen) Reimen möchte ih auf meinen Abrifs der Berstunft (2. Aufl.) $ 161 Nr. 10 hinweiſen, aus dem ich hier Folgendes über die Neime bei Goethe herjege:

„m im Reime gebunden mit n nit bloß in den tonlojen Endungen em und en... ., fondern auch: Scham, gethan [&oethe, 40bändige Ausg.) 1, S. 177. ergehn, Polyphem 2, ©. 262; vernehmen, dröhmen (vgl. $ 159, Y) 12, ©. 284; brennt, fümmt. 4, ©. 26; wendet, entiremdeit. 2, ©. 257 ıc.; ibm, fliehbn. 4 ©. 105 und (j. $ 158, ®) hin. 1,©. 150; wimmern, Snnern. 12, ©. 280 :c.; Gelzerbrunn, herum. 2, ©. 146 x.”

49. Sie litt. Die Liebe konnte tröften, verjühnen, vernarben. Nr. 248, wo die drei auf einander folgenden Zeitwörter, obgleih ohne Objekt, doch entichieden tranfitive oder thätige find, vgl. mein Wörterb. II ©. 394a, wo ih vernarben in Nr. 1 als intr. (mit fein) und als refl. aufgeführt habe mit der Erklärung: „jih mit einer Narbe jchließen, namentlid von Wunden, eigentlih und übertragen (j. verharihen)“ mit zahlreichen, leicht zu mehrenden Belegen, und dann hinzugefügt habe: „2. tr. vernarben (1) maden: Die Zeit hatte jenen alten Heinen Wit vernarbt. Holtei 2, 174. Vernarbe meine Wunde, Häre die Nation auf! 2, 170.“ Un dieje jeltne Anwendung (vgl. Wörterb. 1 ©. 696a, mo aus Schlegel’8 Hamlet 3, 4 der Beleg angeführt ift: Yegt nicht die Schmeidelialb’ auf eure Seele |... . fie wird den böjen Fleck nur leicht verharſchen) ſchließt fih die Stelle aus Hartwig's Roman an.

50. Sie ftarrte Wendftein aus ihren blauen, mit vor dem Mund gefalteten Händen in athemlofer Spannung an. Nr. 278, beffer mit Vermeidung des Zulammenftoßes der beiden Präpofitionen (ſ. S. 260 Nr. 32): die Hände vor dem Mund gefaltet.

51. Berjtanden hatte ſie. Aber nit begriffen, wie fie in ihrem Vater, zu dem fie in keuſcher Kindlichkeit aufgefehen, fortan den flüchtigen Verbreher verachten follte. Mr. 248, vgl. in Bezug auf die beiden von mir durh Sperrdrud hervorgehobenen finnverwandten Zeit- wörter mein Wörterb. 1 ©. 623b unter begreifen 1d, woraus id nur Folgendes herſetze: „oft übertragen: Etwas geiftig faffen, einjehen, in feinen Gründen erkennen (j. Begriff 4): . . . Ich verftehe dich jehr wohl [weiß, was du mwillft], aber ich begreife dich nit [das Warum] ꝛc.“

52. Der Gatte jener noch nit verfleinftädtelten noch nidt zur Kleinftädt(I)erin gewordenen] rau. Nr. 251, ſ. mein Wörterb. III ©. 1166 mit einem Beleg aus Mujäus.

53. Den Unheimifhen auf der Erde wird diejelbe wenige Fuß unter ihrer Oberflähe zur treueften Freundin. Nr. 260, in richtigerer

265

Stellung: Den auf der Erde Unheimiſchen [i. d., Wörterb. I ©. 72Yb; Ergänz.-Wörterb. ©. 366€] wird eben dieſe Erde [nahprudsvoller als diejelbe oder fie] wenige Fuß unter ihrer Oberfläche zur treuejten Freundin [oder den Gegenjag wirktungsvoller hervorhebend: zur eigentlihen oder: zur wirklihen Heimat].

54. Das ftille Herz, das ſich lange ausgefreut, nun aud aus» geſchmerzt hatte. Nr. 263, vgl. Wörterb. I S. 494b, wo ſich aus— freuen mit der Erklärung: „fih zu Ende, jatt freuen” und einem Belege aus Yeifewig Jul. v. Tarent aufgeführt ift; ſich ausjhmerzen aber ift nit erwähnt, vgl. über derartige ins Unendliche zu mehrende, aber nit üblihe Zufammenfegungen mit aus- meine kritiſche Beleuchtung des Grimm’ihen Wörterbudes II S. 21b.

55. Der herbe Läuterungsproceis, den fie durchrungen. Nr. 266,

vgl. mein Wörterb. II ©. 763b/e: I ſich duͤrchrin gen v. refl. (als trenn— bare, auf der Vorſilbe betonte Zuſammenſetzung) ſich hindurchringen

und II durchringen tr. (als untrennbare auf der Grundſilbe des Zeit— worts betonte Zuſammenſetzung): Etwas durchringen, ſich ringend hindurch— arbeiten und damit zu Ende kommen, es überwinden (vgl.: ausringen 4) mit Belegen aus E M. Arndt; Kofegarten; PBlaten; oh. Heinr. Voß.

56. Aber mitten im Hochgefühl ihrer glänzenden Erfolge, in der Fülle Defjen, was über ein begnadetes Menſchenherz an Selbftfreude und Begeifterung bereinbrehen fann, fühlte Hilde, wie oft! eine Saite in ihrer Bruft tiefjhmerzlih antlingen. Mr. 266.

Die hervorgehobene Zujammenjegung findet fih meines Wiffens in feinem deutihen Wörterbud. Verſtehe ih Das, was der Schriftfteller damit hat bezeichnen wollen, richtig, fo joll das Wort etwa ausdrüden: Freude, die Jemand an dem eignen Selbft, das ihn mit voller Befriedigung erfüllt ꝛc, in jeinem Innern fühlt ꝛc. und in dieſem Falle hätte er viel: leiht für den Leſer deutlicher etwa jegen können: „an freudigem, berehtigtem Selbjtgefühl*.

Ginige beim Lejen niedergejchriebene ſprachlich auffällige Stellen [pgl. überall Sanders Wörterbuh und Hauptfhwierigkeiten]. Bon Dr. R. Bertin. 1. Aus Rofegger: Die Schriften des Waldihulmeijters: Den Eltern obliegt es (Statt: liegt es ob), im Finde den Grund zur gedeibiamen Weltanfhauung zu legen.

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Der genießt jhon im vorbinein ftatt: von vornberein.

2. Aus Carl von Bincenti: Starte Seelen. Novellen:

Wiederholt fommt in ihnen der Ausdrud: der Dämmer ftatt: die Dämmerung vor, fo 3. B.: „Schon fällt der Abenddämmer in die Tiefe des Hofes.“

3. Auch A. Godin (Frau Amelie Linz-Godin) gebraudt das Wort „Dämmer“, jegt ihm aber den ſächlichen Artifel vor, jo in der Novelle: Ein Brief (in der „Gartenlaube“ veröffentlit):

„Mit weit offenen Augen blidte jie in das Dämmer, das um fie ber etwas Schwanfendes gab.“

E. v. Vincenti bedient fi in feiner Novelle „Das Thal der Seligen“ (in einer der Novellen feines Werkes: „Starte Seelen“) des Wortes feine ftatt: „nicht“, wenn er fchreibt:

„Blumen gab's heute Feine.“

4. Ebenſo maht es Friedr. Spielhagen; denn wir leſen in feinem Noman: „Stumme des Himmels“, im Anfang des 9. Kapitels:

„Neulinge kamen keine“ (ftatt: nicht).

Sm ſelbigen Roman ftoßen wir (im 17. Kapitel) auf folgende Stelle:

„Das war ein fatal langer Aufenthalt, aber jtand nicht (ftatt: „war nit”) zu ändern,“

Im 7. Kapitel desjelben Romans fällt uns folgende Stelle auf:

„In der Sorge für, in der Yiebe zu den Kindern mochte dann im Laufe der Zeit die Wunde vollends ausheilen.“ Durch die Kürze des Ausdruds ift die Härte entftanden; es mujste gejagt werden: „syn der Sorge für die Kinder, in der Liebe zu den Kindern ...“ [oder: „zu ihnen” Sanders).

5. Einer pleonaſtiſchen Verneinung begegnen wir bei Rud. Baumbad in feiner Dihtung: „Kaifer Mar und jeine Jäger“, I. Hans ſpricht:

„Mit Gunft, iſt das fein Wirthshaus nicht?“ (ſtatt: „nicht ein“).

Eine gleiche pleonaſtiſche Verneinung, nur in umgekehrter Wortfolge, enthalten Gretchen's Worte über Mephiſtopheles, die ſie zu Fauſt ſpricht:

„Man ſieht, daſs er an Nichts keinen Antheil nimmt“ (ſtatt: „an Nichts einen“) ſoder: „an Nichts Antheil“ Sanders).

6. Aus Adolf Wilbrandt: „Vater und Sohn“: „Die Geiſtesgaben, die er ſich abſpricht, fehlen thun ſie noch nicht!“ Auch eine Art Pleo— nasmus, doch härterer Art ſtatt: „fehlen noch nicht!“ In derſelben Erzählung heißt es bei Wilbrandt: „Da biſt du wieder der kleine Bub, der, wenn die Mutter oder ich ihm ſeinen Willen nicht thaten“ (ſtatt: „that“. Letztere Stelle verſtößt alſo gegen die Regel bei Sanders: „Wörter-

267

buch der Hauptſchwierigkeiten in der deutſchen Sprache“ unter „Einzahl” g: „Werden ſingulariſche Subjefte nit durch das hinzufügende und ver- bunden, jondern durd das ausſchließende oder gejondert, jo ftehbt das Verbum im Singular.“

7. Aus Ernft von Wildenbruch's Roman „Schwefter-Seele" (im 7. Kapitel):

„Wie jo gar nicht jie (Freda Nöhring) jih doch an die große Welt zu gewöhnen lernte!” Diejer Sak muſs lauten: Wie fie fih doch jo gar nit an die große Welt gewöhnen lernte! [vgl. über den von „lernen“ abhängigen Synfinitiv mit oder ohne zu hier in der Zeitihrift ©. 104 Nr. 5; ©. 280 und bejonders III ©. 134—137. Sanders).

8. Faſt ebenjo auffallend ift die Wortfolge bei Hamerling in „Was man fih in Venedig erzählt” I, zu Anfange:

„Der Name diefer Riva ſchreibt fi von einer düſteren Begebenheit ber, deren Schauplag vor langer Zeit jie war” (ftatt: „deren Schauplatz fie vor langer Zeit war“).

9. Aus dem Roman von Marie Bernhard: „Die Perle“, in dem zweimal hing an ftatt des Tranfitivums (zielenden Zeitwortes) hängte an gejegt iſt:

„Ein fteifer Nordoft wehte fort und fort, machte den Boden ftein- hart, hing ganze Tropffteingebilde aus Eiszapfen überall an“ und:

„während Ilſe Silberketten und Heine Wahsengel mit ſchimmernden Flügeln an die grünen Hfte hing.“

Die deutihe Sprade in Belgien. Bon Prof. H. Biihoff in Monten (Belgien).

So mie das franzöfifhe Spradgebiet fih in der Gegend von Malmedy über die belgijhe Grenze nah Deutihland hinein hinausftredt, fo ftredt fih auch das deutihe Sprachgebiet nördlih von Malmedy über die Grenze Deutihlands nah Belgien hinein. Der ſich von Aahen bis Eupen binziehende Grenzftreifen der belgiſchen Provinz Lüttich ift deutſcher Zunge Er umfafjt neun Gemeinden mit 15000 Einwohnern. Südlich ftößt dies Fleine deutihe Sprachgebiet an das franzöfiiche, weitlih an das vlämiſche und nördlid an das holländische. In allen Kirchen dieſer aus- ſchließlich katholiſchen Grenzdörfer wird in deutſcher Sprade gepredigt, in den Schulen hochdeutſch neben franzöſiſch gelehrt. Das Bolt bedient ſich des Hochdeutſchen als Schriftſprache. Die Gebildeten, die alle in den höheren Lehranftalten Belgiens eine franzöfiihe Erziehung genießen, vernadläffigen leider ihre Mutterſprache und gebraudhen im jchriftlihen wie mündliden

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Verkehr die franzöfiihe Sprade. Die Kenntnis der deutihen Sprade tft denn au beim Volke wie bei den Gebildeten eine jehr geringe; alle ver- ftehen Deutih; aber feiner ift im Stande, fließend deutſch zu ſprechen oder rihtig zu fchreiben, Yehrer und Geiftlihe nicht ausgenommen, letztere müjsten denn Neihsdeutiche fein, mas bie und da der Fall if. Der deutiche Unter: riht in den Vollsſchulen ift denn auch ein jehr mangelhafter, obgleih das Hochdeutſche als Yeitiprabe gilt. Die Amtsſprache ift die franzöſiſche. Nicht nur die Yandesgejege, jondern aud die Semeindeverordnungen werden den Deutih-Belgiern in franzöfiiher Sprache zugeftellt. Nur der ganz Ungebildete verfteht fein Franzöſiſch. Die Verwälſchung diejes deutſchen Landestheiles, hat, obſchon fie nicht ſyſtematiſch betrieben wird, in legter Zeit doch bedeutende Fortihritte gemacht. Der bedeutendfte Träger der— felben ift das Beamtenthbum. Die Poft-, Steuer- und Polizei-Beamten, jo wie die zahlreihen Grenzaufjeber find ausihlieglih Wallonen. Kirche und Schule müſſen Rüdfiht auf fie nehmen. Die widtigiten den Gottes— dient betreffenden Mlittheilungen werden auch in franzöjiiher Sprade befannt gemadt, und in einzelnen Pfarreien findet felbft ab und zu eine franzöfiihe Predigt ftatt. Der fremde, der diefe renzftrede bereijt, wird faum bemerten, dajs er fih im deutihen Lande befindet. Die Inſchrift eines alten am Wege ftehenden Kreuzes könnte ihn nod daran erinnern. Die Anzeigen der Geihäfts- und Wirthshäufer find faſt alle franzöfiid. Wie traurig es num auch in diefem deutſchen Theile Belgiens mit ber deutihen Sprache ausfieht, jo ift doch ein vollftändiges Verdrängen der— felben durch die franzöfiihe in nächfter Zeit nicht zu befürdten. “Die einzige Stüße des Deutihthums ift bier zu Lande die katholiſche Kirche. So lange fie an der deutſchen Sprade feft hält, wird diejelbe auch erhalten bleiben. Und dafs fie wohl gejonnen ift, Dies zu thun, beweift der Um— ftand, dajs fie vor kurzem all dieje deutjchredenten Grenzdörfer zu einem ausihlieglih deutihen Defanate vereinigt hat; dadurd hat fie der deutichen Sprade auf lange Zeit ein Bollwerk errichtet.

Die Deutih-Belgier der Provinz Lüttich find urſprünglich Vlaminger. Sie find durch deutihe Geiftlihe verdeutiht worden. Kirchlich ftand das Land nämlih bis zur Gründung der Unabhängigkeit Belgiens unter der Dberherrihaft des Aahener Domkapitel. Der endgültige Sieg der deut— ſchen Sprade über die vlämiſche ift erft im Anfange diejes Jahrhunderts erfolgt. Unter diejem Siege muſs die Thatſache verftanden werden, daſs vom Beginne unjeres Yahrbumderts an das Volk die deutihe Sprade als Säriftiprahe betradtet hat und dafs im Elementarunterriht das Hoch— deutjhe das Vlämiſche verdrängt hat. Alle amtlihen Scriftftüde vom Beginne des 15. bis zu Ende des 18. Jahrhunderts find in vlämiſcher

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Sprade verfafit, während die gleichzeitigen Regiſter der Paftoralrenten, von den Pfarrern jelbft niedergeichrieben, faſt ausſchließlich in deutſcher Sprade aufgeftellt find, ein ficherer Beweis, dafs dieſe Pfarrer auch deutſch predigten. Die Mundart nähert fih noch heute viel mehr der vlämiſchen als der hochdeutſchen Sprade. Sie ift eine überwiegend niederdeutſche. Die wenigen hochdeutſchen Beitandtheile, die fih darin vorfinden, find meiftens der Einbürgerung des Deutſchen als Sprade der Kirche zuzu— ſchreiben Bemerft man 3. B, daſs von den Formen der Zehner bis hundert drei das hochdeutſche z aufzeigen, während die fieben übrigen niederdeutih find, jo unterliegt Das feinem Zweifel.

In der belgiihen Preffe ift die deutiche Grenzftrede der Provinz Yüttih durch zwei Zeitungen vertreten: „Die Fliegende Taube” und „Das Freie Wort“. Die ältefte und verbreitetite deutiche Zeitung Belgien’s ijt „Die Fliegende Taube“; fie fteht bereits im ihrem 49. Yahrgange.

Nicht nur die nordöftlide Ede der Provinz Yüttih ift in Belgien deutiher Zunge, jondern auch die ganze an das Großherzogthum Yurem- burg ftoßende Grenzitrede der belgiihen Provinz Yuremburg. Dieies deutihe Spradgebiet ift bedeutend ausgedehnter als das Yüttiher; es ift von dieſem dur ungefähr 10 Meilen wallonifhen Spracgebietes getrennt. Es umfafft 21 Gemeinden mit 35000 Einwohnern; außerdem find 5 Gemeinden jprahlid gemiſcht. Ringsum außer von Seiten des Groß: herzogthums Luremburg find die Luremburger Deutih-Belgier von Wallonen umringt und folglih ihrem Andrange weit mehr ausgejegt als ihre Sprad- genofjen der Provinz Yüttih. Die Verwälihung hat denn auch hier viel bedeutendere Erfolge zu verzeichnen. Die Hauptftadt der Provinz Yurem- burg und Deutih-Belgiens überhaupt, Arlon, hat ihren Charakter einer deutſchen Stadt faſt vollftändig verloren. In der Kirche hat die franzöfiiche Sprade mit der deutihen gleihen Fuß gefaßt und in der Schule iſt letztere aus ihrer Stellung als Yeitiprade verdrängt worden. In Arlon war wirflid die deutihe Sprade mit einem völligen Untergange bedroht; dort ift denn auch zuerft durch Gründung eines Bereins zur Hebung und Pflege der deutſchen Sprade im deutjch-redenden Belgien Abhilfe geihaffen worden. Diefer vor drei Jahren durh Herrn Profeſſor Keerth aus Lüttich, einen geborenen Arloner, in's Yeben gerufene Verein hat, laut des erjten Sakes jeiner Statuten, den Zwed, die deutihe Sprade in Belgien zu neuem Leben zu erweden, der deutjch:belgiihen Bevölferung Achtung und Yiebe für ihre Mutterſprache einzuflößen und ihr die Erhaltung derielben ans Herz zu legen. Um diejen Zwed zu erreihen, bat er beihlofjen jährlich VBerfammlungen der Deutich-Belgier zu veranftalten, Flugſchriften beraus- zugeben, populäre Vorträge halten zu lafjen, deutſche Volksbibliotheken zu

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gründen, deutihe Zeitungen zu verbreiten, und überhaupt alle Beftrebungen zu unterftügen, die fih auf den Zweck des Vereins beziehen. Die jährlichen Veriammlungen find regelmäßig abgehalten worden, die letzte vom 26. De- zember vorigen Jahres mit bedeutendem Erfolge, zwei deutihe Büchereien find in Arlon und Megig gegründet und deutſche Zeitungen möglichft ver- breitet worden. Eine Flugſchrift wird binnen furzem herausgegeben werben. Der Berein, der anfänglih auf allgemeine Gleihgültigfeit ftieß und mit den größten Schwierigfeiten zu kämpfen hatte, ift im Stillen fehr erfreulich gediehen. Seine Fortdauer ift jet gefihert und er wird es hoffentlich vermögen, die großen und ſchönen Aufgaben die er fich geftellt, zu löfen.

Eine deutihe Zeitung erjcheint im Belgiſch-Luxemburgiſchen, die „Arloner Zeitung“. Sie ift das Organ des deutihen Vereins.

Die Mundart der Luxemburger Deutich-Belgier gleiht faft voll: fommen derjenigen des Großherzogthums Yuremburg. Sie tft eine über- wiegend hochdeutſche. Eine wiſſenſchaftliche Unterfuhung derjelben von Prof. Bourg bringt die zu Yuremburg ericheinende Zeitihrift „Ons Hemecht“ (Unjere Heimat), in ihrem erften und zweiten Jahrgange; diejelbe wird in kurzem in Buchform eriheinen. Cine ähnliche Arbeit über die Mundart der Deutjh-Belgier der Provinz Yüttih wird auch hoffentlich nicht lange auf fih warten lafjen.

Montzen (Belgien) im Auguft 1896.

Fügung nad) dem Sinne.

Zu den unter diefem Titelkopf in meinen Hauptihwier. ©. 156b— 160a angeführten Beiipielen füge ih bier noch das folgende aus Rückert's Werten (Gejammtausg. von 1882) VII, 304, wo in dem Gedichte: „Des Stromes Liebe* die 4. Strophe lautet:

Und dämpfen wollt’ id meinen Muth,

Wenn ih ein Duellden fände,

Das willig jeine Meine Fluth

Mit meinem Strom verbände:

Ich gäbe meinen wilden Sinn

Geduldig ihr in Feſſeln bin

Und lernte fanft zu murmeln, ihr, dem Quellden, vgl.: der Heinen Quelle (perjonificiert); das dem ſprachlichen Geſchlecht entſprechende ihm wäre unflar, da der Lejer es nur zu leicht auf eins der dazwiſchen ftehenden männlichen Hauptwörter Strom, Sinn zu beziehen geneigt fein würde; dagegen heißt es richtig dem fählihen Geihleht des unmittelbar davor ftehenden: „das Quellden“ entiprehend in ®. 3: Das millig jeine [niht: Die willig ihre]

at A

fleine Fluth mit meinem Strom verbände. Über den von lernen ab» bängigen Infinitiv mit „zu“ vgl. in diefem Jahrgang ©. 104 Nr. 5 und das dort Angeführte.

Geifter und Menſchen. Ein Roman in 3 Bänden von Adolf Wilbrandt. Nördlingen 1864. (S. die Vorbemerlung S. 201—203.)

Erjter Band.

1. ©. 1: An einem Maitage ... . ritt ein feftliher Reiterzug am Waldjaum dahin. Dafs der Schriftiteller ftatt des unnöthigen Fremd— worts Kavalkade einen deutſchen Ausdrud gejeßt hat, verdient meiner Anfiht nah entihieden Yob; aber er hätte mit Vermeidung des Über: Thüffigen in der Zufammenjegung einfah das bloße Grundwort ſetzen folfen; denn, dafs ein fejtliher Zug, der am Waldfaum dahinritt, ein Neiterzug war, braucht dem Leſer doc gewijs nicht erjt bejonders gejagt zu werden.

2. ©. 3: Ich habe jo lange auf Univerfitäten und Wfademien ihmarogert, bin mit meiner Palette durh die Gallerien gekrochen, habe Menſchen gefuht und die Natur in Nord und Süd mit meinem Pinjel beftohlen: eben diefem Bagundenthbum mus id ein Ende maden. Über das Particip der auf der zweiten Silbe betonten Zeitwörter ſchma— rotzen (mit den Nebenformen ſchmarotzern, Shmaruger(r)n) ohne die Borfilbe ges, vgl. ©. 44: Eine falfaterte Brigg, ſ. mein Wörterb. III ©. 97la; Hauptihwier. ©. 162b unter Ge Nr.2 x. PVBagabunden- thum j. Wörterb. III ©. 1415b; Fremdwörterb. II ©. 589a.

3. ©. 5: Nah vorne zu aber hatte man freien Blick auf die weite, mwellenloje Ebene. Vgl. in meinem Wörterb. III S. 1552b und Ergänz.-Wörterb. S. 627a unter Welle 10, z. B.: Die natürlichen Wellen des Erdbodens ꝛc. und Zufammenjegungen, wie 3. B.: Boden-, Erd», Land», Terrainmwelle xc.

4. ©. 6: Die blauen Uniformen und die fhwarzen Röcke ſaßen zwiſchen den helfen rühlingskleidern der Amazonen, wobei man die Bezeihnung der Perfonen nah der unterjheidenden Kleidung beachte, vgl.: Die Militärperfonen (oder DOfficiere) in ihren blauen Uniformen und die Civilperfonen in ihren ſchwarzen Röcken faßen zwiichen den Amazonen in den hellen Frühlingskleidern.

5. ©. 6: Man bläft wie ein bishen Schaum zur prädtigen Seifenblafe den Tag zur Emigkeit auf, ſ. Wörterb. I ©. 15la unter aufblajen 4, vgl.: man dehnt in jeiner lebhaften Einbildungstraft den

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raſch dahinſchwindenden kurzen Tag zur Ewigfeit aus, malt es fi aus, als würde er ewig dauern, nie ein Ende nehmen u. j. w.

6. ©. 8: Hier klopfte er mich [vgl.: mir, ſ. Zeitihr. ©. 135 Nr. 44] auf die Schulter, vgl.: Indem er dem Freund voll Herzens- freude auf die Schulter ſchlug. ©. 38 ꝛc.

7. ©. 8: Aber mit Victor Hugo laſſ' ih mich doch nicht vergleichen, Herr v. Walter, dazu bin ih denn doch noch zu gut: Abſolutement nit —, Worte des Kammerdieners im Schloſs, gleich bezeichnend für feine ergebene Dienftftelung und für jeine Behandlung der mit Vorliebe an— gewandten Fremdwörter.

8. ©. 8/9: Sind wir nit den Bienen zu vergleihen, die am Saft naſchen und ihre Maifefte in Wald umd Flur feiern, gerade wie wir? Aber was ift ein Bienenihwarm ohne Königin? Was wären wir, wenn wir feine Königin hätten? Sind wir nit zum Erſchießen [in burſchi— fojem Ton, zur Bezeihnung eines hohen Grades] vergnügt, weil die ſchönen Augen unferer Herrin „euer“ fommandieren und uns zum Sturmlauf auf dieſe Flaſchenbatterien unter die Fahne rufen zc.

9. S. 11: Wie fommft du hierher zu uns? Du bift fremd? Aus den Alpen, antwortete das Mädchen. Wie heißt du? Wilhelmine. Der Name klingt nicht ſehr alpenhaft :c., j. Ergänz.-Wörterb. ©.7 c.

10. ©. 15: Du bift ungeihliffen! rief die Baronin aus. Wei diefem Wort warf die Fremde den Kopf mit einer überaus empfindlichen Sebärde zurüd und erwiederte langſam: Gott ſchleift die Steine ver- ſchieden und die Menſchen: mit Glüd und Unglück, aber Das können die Menſchen nicht vertragen zc, vgl. bierzu das unter „ſchleifen“ im Nr. 2(a—d) in meinem Wörterb. Il S. 925b/c Gejagte, wo es den Belegen hätte hinzugefügt werden fünnen.

11. ©. 17: Ich muis erfahren, wer fie ifl, woher fie fommt, was fie will. Sie hat niht aus Zufall diefe wunderbaren ſchwarzen Augen; es fteden Dinge dahinter, nach denen ih brenne, das Mädden hat mid ganz närriih gemacht —, ſ. mein Wörterb. I ©. 210c, wo fih u. 9. folgende Belege aus Schiller finden: So brannten meine Yippen | nad Danae’s verihlojsnen Küffen nie. Mein Herz brannte nah Herzen. Boll Ungeduld brannte er nad einer Schladt.

12. ©. 28: Die unerledigten Baroneffen, die in der Verzweiflung an den Männern fi der Kirche ergeben haben, jpöttiih: die aus ihrem ledigen (unverheiratheten Stande) nit erledigt (erlöft) worden find, vgl.: die ledig (unverheirathet, ſitzen) gebliebenen.

13. ©. 24: Sie find anders als wir; aber haben fie nit ihre eigenen Zugenden? Die Tugenden ihres Standes find doch auch Tugenden!

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Sie find Kavaliere, Soldaten, Jäger und fo meiter. Gott madte fie dazu, laffen wir fie gelten.

Du idealifierft fie dir, ermwiederte Albrecht, ſchwermüthig den Kopf ihüttelnd. Du fennft fie noch nicht, wie ih. Sie find umerträglid, weil fie Alles jein wollen, obne Etwas zu werden. Gott, meinen fie, hat fie ohne ihr Zuthun zu den Göttern der Erde gemadt. Sie glauben fi zu entadeln, wenn fie fih zu wirflihen Menihen machten; denn fie würden aufhören, Halbgötter zu fein. Ich bitte dich! was find die Tugenden ihres Standes? Sie haben nur Vorrechte; Qugenden find zufällig oder zweideutig zc.

Ich babe diefe längere Stelle bierher geiegt, nit um irgend eine beiondere fpradlide Bemerkung daran zu knüpfen, jondern um eben eine Probe der Darftellungsweije im Allgemeinen und der verjciedenen An— fihten von politiſchen Standpuntten aus zu geben.

14. ©. 31: ®ir Männer fönnen’s doh nie zu der Beredtſamkeit bringen, die aus jo einem weibliden Springbrunnen ausftrömt; wir find engbrüftige Flaſchenhäl ſe dagegen.

15. ©. 35: Sie wifjen, dajs ih in Ihrer Kunft [des Malens Ihre Schülerin bin und daſs Sie mih in der traurigiten Unfertigfeit zurüdlaffen.

16. ©. 40: Einen... Wagen... ., in dem zwei Männer von auffallend ungleiher Yeibesgeftalt jaßen: vorn auf dem Kutſcherſitz ein mächtiger runder Bau [= einer von mädhtigem rundem (Körper-)Bau], dem man auch im Sitzen die riefige Yänge anſah, [genauer und feiner (abfihtlihen) Miisdeutung ausgeiegt: dem man aud, wenn (oder während) er ſaß 2c.; bei der Fügung des Infinitivs könnte Jemand, der allzu- ftreng jede etwa möglide Mifsdeutung vermieden ſehen will, fragen: ſoll fih das „im Sitzen“ auf den Dativ oder auf den Nominativ: man beziehen).

17, ©. 41: Mein Gott! der, Oheim! rief er aus und fprang auf den Wagen zu. Oheim! lachte der Alte, indem er ſich aufrichtete: man ſieht, daſs der ‘unge fremd geworden ift! Nichts von Oheim: Dies ift dein Onfel, mein Sohn! Mufs fo ein vornehmer Herr gleih die guten alten deutihen Wörter verlernt haben! Na, fomm nur herauf, Better! Hier ift noch ein Pla neben dem alten Ontel ıc.

18. ©. 42: Du baft di berausgelegt; eine gewiffe wohlthuende Rundung bat fih eingefunden; aber verfeinert! jehr verfeinert! Es fommt dem jungen Herrn wohl Böhmisch [j. mein Wörterb. 1 ©. 184b Nr. 2] vor, wieder mit jo einem bürgerlichen” altmodiihen Ontel über die Land— ſtraße zu kutſchieren? Kannft du noch Plattdeutih, Junge?

Beitſchrift f. deutfche Sprade. X. Jahrg. 21

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19. ©. 45: Was meinen Sie, Kandidate? Ach foll mich in einen gottbeihaulihen Großvaterftuhl jegen und bei einem guten Glas Roth— wein an das ewige Leben benfen.

20. ©. 47: Dafs fie als Heiner Neftvogel [j. mein Wörterb. I ©. 1043b: Neſtküchlein und das dazu Angeführte]) ein jchönes Kind war.

21. ©. 43: Ich reife noch nicht, man bat mich bewogen, noch auf einige Zeit im Schloſs zu bleiben. Man? Mer ift diefer Man?

22. ©. 49: Ich weiß mur, dafs ih es in Eurem Schlojs nicht 8 Tage aushielte. Die Menihen find ja nit wie Unfer einer! Das find hostes generis humani, wie mein alter Konreftor jagte; baben blaues Blut und figen auf Shwarz (f. mein Wörterb. I ©. 46a 3. 11) und find welde [= einige] mande darunter, die Nachts vor Dummheit nicht einjchlafen.

23. ©. 49: Nehmen Sie Sih vor Dem da in Adt. Mit Dem pflüdt man feine Kirjchen [im Sprichwort gewöhnlih: tft nicht gut Kirſchen eſſen].

24. ©. 49: Ich will dir in beine Idylle nicht hineinreden, jede Jacht geht vor Unter, wo fie Grund findet [iprihwörtlih: Jeder nad jeiner Weije].

25. ©. 50: Meine geliebte Beihtmutter... . In dein beidt- mütterlihes Herz muſs ich wieder ein Stüd aus meinem Dajein niederlegen [gebildet nah Beicht-Vater, »wäterlid).

26. ©. 72: Wie jcheint Ihnen diejer alte Graf mit feinem Fla— mingo von [= langhalfigen] Sohn.

27. ©. 74: „Dajs wir es mit ein paar vornehmen Geifter- ihreibern zu thun haben.“ Was beißt Das? ... „Wie? Das wiffen Sie nidt? . . . Haben Sie nie Tifhrüden [j. mein Wörterb. II S. 796a Nr. Ir und Zeitihr. IX ©. 303 Nr. 75] oder Tiſchklopfen geſpielt?“ Ich Habe wohl einmal einem Tiſch ftehn bleiben helfen [Particip in der Form des Infinitivs, |. Hauptſchwier. S. 174b Nr. 1ec]; denn er rübrte fih nit, obgleih wir unfer zehn ſehr verdädtig waren [nah den Drudberihtigungen auf S. 333 L: zehn und jehr andädtig]; aber was hat Das mit dem Geifterfhreiben zu thun? „Das Tiihrüden, Beſter,“ lachte Roderih, „war das Ei der Leda ſſ. d. u. Diosturen in meinem remdwörterb. I ©. 270a]; aus dieſem Ei hat man die ganze Welt der Haldgötter oder Dämonen ausgebrütet. Auf das Tiihrüden folgte das Beifterklopfen; auf das Klopfen das Schreiben; jeßt fangen die guten Geifter ſchon zu reden und zu er- iheinen an und bald werden fie mit unjern Häufern Ball fpielen und uns am hellen Tage auf der Nafe tanzen. Aber fommen Sie,“ fuhr

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der Spötter fort, „wir müffen diefe Geifterfreunde aus der Nähe ftudieren.”

28. S. 88: In diejem Augenblid erſchrack er ftatt erihraf, j. ©. 113: Lucius erihrad, dagegen 3. 3. III ©. 239: Sie eridraf, wie wenn fie ein Gejpenjt erblidt zc. und mein Wörterb. II ©.

29. ©. 89: Der Heine Graf griff in die Taſche und zog aus einem Einjhlag das denftwürdige Papier hervor Umidlag, Kouvert, ſ. mein Berdeutihungswörterb. ©. Y4a.

30. ©. 96: Als er an einen der nächſten Querwege fam, jah er rechts auf dem freien Najenplag mit dem buſchigen Hügel, den er jo oft von feinen Fenſtern aus betradtet hatte, den alten Baron zc. Das ber: vorgehobene Nelativpronomen bezieht fih bier auf das unmittelbar davor ftehende männlide Hauptwort Hügel (nit auf das vorangehende Raſen— plaß) und ift aljo unzweideutig und ganz in der Ordnung, ſ. „Relativ: fäge” ꝛc. in den verſchiedenen Jahrgängen der Zeitjcrift.

31. ©. 97: Er grübelte einem inneren Zuſammenhang zwijchen geftern und heute nah, j. über nachgrübeln; nadjinnen mit ab- bängigem Dativ mein Wörterb. 1 ©. 632b und III ©. 1106a und vgl. 3. B.: Er grübelte nadhfinnend über einen inneren Zuſammenhang ıc.

32. S. 103: Alle unjere Verhältnifje ftoßen ihn ab; ftatt fie mit Humor oder Adhjelzuden zu ertragen, rennt er ſich ihre Stadel in die Bruft und badert mit Natur und Unnatur, mit Himmel und Erde Nah dem überwiegenden Spradgebrauh heißt es heute in der Einzahl: der Stadel (männlid), in der Mebhrz.: die Stadeln, wie von einem weibliden Hauptwort (j. hierüber Hauptſchwier. S. 42b und vgl. 3. 2. ähnlih: der Maft, die Maften, jeltner: die Mafte), In der Stelle von Wilbrandt kann man jehwanfen, ob man „ihre Stadhel“ als weib- lihe Einzahl oder (was wahrſcheinlicher ift) als Mehrzahl ftatt des üblichen: ihre Stadeln aufzufaffen habe.

33. ©. 104: Am andern Ufer des Teihs trat zwiſchen den über: hängenden Bäumen eine lange, hagere, jteife Gejtalt hervor, den Kopf mit einer grünen Mütze bededt, der dürre Leib in einem ungebührlic langen Rod gekleidet, das jilberne Haar vermwildert bis auf die Schultern gewachſen. Hier ift der Form nah „den Kopf” offenbar der Accuſ., „der dürre Leib“ der Nominativ, während das jilberne Haar ſowohl als Accuf. wie als Nominativ aufgefafjt werden fan. Wahrſcheinlich liegt bloß ein unberidtigter Drudfehler vor und es tft jtatt „der dürre Yeib“ zu jeßen: „den dürren Yeib“, j. das Nähere in meinen Hauptſchwier. ©. 11b/12a.

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34. ©. 105: Wenn ih diejes Kind finden könnte! Ich ſuche fie allerwege, in finngemäßer Fügung ftatt des auf das jählide Haupt- wort zu beziehenden es. Man erkennt ſofort daraus, daſs es jih um ein weibliches Kind, um ein Mädchen, niht um einen Knaben handelt, j. Hauptidwier. ©. 157b Nr. 2t.

35. ©. 107: „Ich eriuhe Sie“, jtammelte er vor Wuth, „feine neuen Beleidigungen nachzuſchicken“, mit zu ergänzenden Dativ, ogl.: Ihrer erjten Beleidigung feine neuen nachzuſchicken (folgen zu laffen, hinzuzufügen ꝛc.).

36. ©. 110: Sie ftieß einen Schrei aus und eilte dem Geräuſch noch beflügelter nad. Hier ftände ftatt des gejteigerten eigenjchafts- wörtlihen Mittelwortes wohl übliher mit hinzugefügtem Hauptwort etwa: noch beflügelteren Schrittes oder: mit nod beflügelterem Schritte, vgl.: indem jie ihren Schritt nodh mehr beflügelte zc.

37. ©. 114: Sie halten fie für eine Abenteurerin, vgl. daneben: Ubenteuerin, ſ. mein Wörterb. 1 ©. 5b.

38. ©. 118: Statt dem Volfe zu helfen, Bildung zu verbreiten, große Beiipiele von Herz und Geift umd wahre Bürger ihrer Nation zu fein, vergraben fih dieje Herren in Maulwurfshaufen ꝛc. Von den drei Ynfinitiven mit „zu“ ift der erfte den beiden andern nebengeoroneten übergeordnet, was Unflarheit erzeugt (ſ. Hauptihwier. ©. 36 f. Nr. 3), vgl. empfehlenswerther etwa: Statt dafs fie dem Volke helfen jollten,

Bildung zu verbreiten zc. Schluſs folgt.)

Zwei Briefe an den Herausgeber.

I. Berlin, 11. September 1896.

Hocgeehrter Herr Profefjor!

Beim Durblättern des vorigen Jahrgangs Ihrer Zeitſchrift ftoße ich wieder auf eine Anfrage im Brieitaften, die ich feiner Zeit fogleih beantworten wollte, was aber, ich weiß felbft nicht miehr, aus welchem Grunde, unterblieben if. Obgleih nun meine Mittheilung wahrſcheinlich ganz überflüffig if, will ich fie doch nicht zurüdhalten. Sie ſchreiben im AJulibeft 1895: „In Berliner Yeitungen bin ich wiederholt Anzeigen begegnet, worin 3. B. „einer jungen Dame von fchlanfer Figur (Größe 42, doppelt gelb)“ eine Stelle angeboten wird. Es handelt ſich dabei ofjenbar um eine in ber Handelsſprache üblihe Bezeihnnung für ten Zeint einer jogenannten Probiermamſell.“ Indeſs dieje naheliegende Bermuthung ift irrig. Die in der Klammer fiehenden Wörter find nur die Überfegung der Angabe „von ſchlanker Figur" in das Konfeltionsdeutic. In den Konfeltionsgefhäften ift es üblich, auf die fertigen Gegenftände zur Unter— iheivung ber Figuren, für die fie beſtimmt find, Sterne von verjchiedener Farbe zu

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mäben, 3. B. auf Mäntel u. f. w. für ſchlanle Figuren gelbe, für ftarfe grüne, und zwar je nad dem Grade der Schlantbeit oder Körperfülle einen oder zwei. Falls alfo eine doppeltgelbe Probiermanıfell geiucht wird, beißt Das: eine von der Figur, dafs fie zum lmprobieren der mit zwei gelben Sternen veriebenen Gegenſtände pafit.

Sebr gefreut babe ih mid, in demfelben Hefte Ihre Ausiührung über „Geburts— tag“ zu lefen; denn ich habe ihon oft gegen den darin gerügten und fort und fort mwucernden Miisbraub oder, man jage gerade heraus, Unfinn angetämpft; ſelbſt die Beitichrift des Allgem. deutſchen Spracvereind hat vor Jahren von einem jiebzigjäbrigen Seburtätage geredet. Auch der Irrthum, dafs Jemand, wenn er 70 Jahre alt wird, feinen 71. Geburtötag feiert, will aus den Köpfen der Yeute nicht fchwinden. Sie bemerkten: „Beim Zählen wird meift nur der Tag der Wiederkehr (nicht der der Geburt felbft mit) gerechnet.“ Ich mwüfste auch nicht, wie man Das vernünftiger Weile thun ſollte. Es find zwei ganz verjchiedene Dinge, die man nicht zulammenzäblen darf. Der Tag, an dem man geboren wird, ift der Tag der Geburt, der Erinnerungstag diejed Ereigniffed, den man zu feiern pflegt, der Geburtstag; man follte Dielen feinen Unterfchied, oder bejjer: dieſe feine Unterfcheidung, für Die ich mich des vollen Beifalles von Dr. Herman Schrader erfreut habe, nicht verwifchen. Fragt man Jemanden, wann er geboren fei, fo wird er Einem gewöhnlich nur das Jahr, fall3 er febr genau ift, auch noch den Tag der Geburt nennen, fragt man ihn mach feinem Geburtätage, wird er fiber das Jahr nicht beifügen.

Zum Schluſſe erlaube ih mir noch eim Drittes beizufügen. Als Schiedsrichter zwiichen zwei Wettenden über den Berd „wo die lebten Häufer find“, bezw. „Itehn“ batten Sie beide Fafjungen als richtig anerlannt und für die erſte Faſſung Goethe's Gediht: „Der Gott und die Bajadere* genannt. Darf id mir erlauben, Ihnen mit: zutbeilen, daſs mir neulich eine zweite Belegftelle aufgeftopen ift? Im Rückert's „Ita— liäniſchen Gedichten” ftebt in dem Gedicht: Die Fahrt um den Pofilip I:

Mein Heines Segel jchwellte der Wind; Ich fuhr, wo die legten Häujer find, Die von den Straßen hinaus fich dehnen Und ftil an den Poftlip fi lehnen.

Halten Sie, hochgeehrter Herr Profeffor, diefe Beläftigung meinem Intereſſe für Ihre Zeitichrift zu Gute daſs ich den 8. Jahrgang im deutfchen Spracdverein Berlin beiprohen babe (Mittheilungen 1894, Heit 8) wird Ihnen befannt fein und ge nehmigen Sie ven Ausdrud

vorzügliher Hochachtung Ihres ergebenen Dr. Richard Böhme, II. Zum bürgerlihen Geſetzbuch.

In Ihrer Zeitichrift Bd. X Heft 1 ©. 37 ift unter dem objiehenden Kennwort darauf aufmerfiam gemacht, dafs Art. 12 Abi. 1 des Eutwurfes eines Einführungss geietses zum bürgerlichen Geſetzbuch ſprachlich nicht zu billigen fei. In Ihrer Zeitfchrift Bd. X Heit 2 ©. 74 find Beſſerungsvorſchläge gemacht. Es darf als erfreulich be— zeichnet werden, dafs der Entwurf geändert worden ift. Es lautet jet die entiprechende Stelle Art. 13 des Reichsgeſetzes:

„Die Eingebung der Ehe wird, fofern auch nur einer der Berlobten ein Deuticher

ift, in Anfebung eines jeden der Verlobten nach den Gejegen des Staates beurtbeilt, dem er angehört. Das Gleiche gilt jür Ausländer, die im Inlande eine Ehe eingeben,”

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Die gerügte Bedenklichkeit iſt alſo beſeitigt. Ob die Zeitſchrift der Hebel für die Anderung geweſen iſt? Nach den Schluſsworten des erſten Satzes des jetzigen Geſetzes, ſcheint es faſt. Wenn auch der ſprachliche Mangel beſeitigt iſt, jo fann die Geſetzesfaffung doch nicht gerühmt werden. Daſs der deutſche Verlobte bei Eingehung der Ehe im Reich nach deutſchem Geſetz geprüft wird, bedurfte im Einführungsgeſetz feines Ausdruckes. Geſagt mufste werben, daſs der Ausländer-Berlobte nach dem Geſetz feines Vaterlandes geprüft werden foll. Der Art. 13 hätte dabin gefafit werden follen:

„Die Eingebung der Ehe wird in Aniehbung des Verlobten, welcher Ausländer ift, nach den Belegen des Staates beurtbeilt, dem er angehört.”

Der zweite Sab des Art. 13 fonnte dann fortfalen. Manches ließe fih noch an der Fafjung des Art. 13 bemängeln, fo können die Worte „auch nur“ als über: flüffig bezeichnet werden. Es muſs genügen, dafs die Zweideutigkeit fortgeichafft ift.

Gruß vom Einiender.

Vereinzelte beim Lejen niedergejchriebene Bemerkungen.

1. Brauden.

„Der Moment, in welhem man... nur den Hahn aufdreben braucht.“ Nat.-Ztg. 47, 590 (Mar Horwig), ftatt: aufzmdreben, j. Hauptſchwier. ©. 84b.

2. In im.

„Die beiden liederpupen . . . verwandelten fih plöglih in in tiefes Schwarz gelleidete Yeidtragende.” Nat:Ztg. 47, 590, wo die beiden zufammenftoßenden im auch einem ftumpferen Obr unerträglid hart klingen müffen, vgl.: „in Yeidtragende, die in tiefes Schwarz gefleidet waren“ oder: „in Leidtragende mit tieffhwarzer Kleidung“ ꝛc.

3. Stellung.

„Da aber Marie fejt in ihrem Entichluffe, ihm nicht mehr zu ant- worten, blieb, war aud in ihm der Unmuth über die Liebe mächtig geworden." Nat.-Ztg. 47, 590, (K. Frenzel), wo das Verhältniswort über von dem nachfolgenden mädtig abhängen foll, aber aud, der Stellung nah, als von dem unmittelbar vorangehenden Unmuth abhängig auf: gefafjt werden fünnte, vgl.: war aud in ihm der Unmuth mächtiger (ftärker) als die Liebe geworden.

4. Griheinungen,

„Aus den in der legten Zeit uns zugegangenen philofophiiden Er- iheinungen ꝛꝛc.“ Grenzb. 53, 2 Nr. 19 ©. 278. „Philofophiide Er- iheinungen“ für „philoſophiſche Schriften, die erſchienen find“ reiht fich ebenbürtig dem Schluſsſatz des „Schwarzen Brettes“ in derjelben Nr. (S. 288) an.

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Diefer lautet: „Jedenfalls jollte das Berliner Tageblatt den Ver— faffer diejer jhönen Sätze als ftändigen Mitarbeiter zu gewinnen fuchen. Er nennt fih zwar F. OD. heißt aber ohne Zweifel Iſidor Veilchenfeld.“ Ohne Zweifel? Was würde der fundige Thebaner, von dem die anti- jemitifhen Bemerkungen im „Schwarzen Brett“ herrühren, zu einem Satze jagen, wie:

„Der fundige Thebaner nennt fih zwar nicht, beißt aber ohne Zweifel Karlchen Miefnid.“ ?

5. Berdeutjchen.

„Der nit bier geborene Frankfurter fpottet natürlih über dieſe findlihen Eitelfeitsgallicismen; wer aber die Hartnädigfeit fennt, mit der die Bevölferung an Unfitten hängt, wird fein großes Vertrauen haben, daſs fih der Altfranffurter bald verdeutichen werde.“ Grenzb. 53, 2, 282, Das joli heißen: dais er fih bald nicht als Altfrankfurter, jondern nur als Deutſchen fühlen werde.

Anzeige der eingefandten Bücher,

(Beiprehung einzelner nach Gelegenheit, Zelt und Raum vorbehalten.)

Dr. 8. Scdefffer. Die Schule Berdeutihung der hauptſächlichſten entbehrlichen Fremdwörter der Schulfprade (ald Nr. VII der Berbeutihungsbücer des allgemeinen deutfchen Sprachvereins) 68 S. Berlin, Verlag des allgemeinen deutichen Sprachvereind (Jähns und Ernft). 1896.

Sriedrich von Schiller. Philoſophiſche Schriften (Auswahl). Für den Schulgebraud herausgegeben von &. Bötticher (in Freytag's Schulausgaben) mit Einleitung und Anmerfungen. 160 ©. Leipzig, ©. Freytag. Pr. geb. 80 Pf.

Brieftaften.

Herrn Zoſeph A. in Brandenburg a, 5. Sie fragen an, wie das „als“ in dem folgenden Sat aus der Nat.edtg. in der Morgenausgabe vom 8 Sept. d. %. zu erffären fei:

„Daſs gerade in diefem Jahre Anlafd zu ſolchen Beforgniffen vorbanden fei als in früheren Jahren.“

Ich antworte: dadurch, daſs vor dem von mir geiperrten Wort „Anlafs* im Drud ein Komparativ ausgefallen ift, etwa (wie aus dem Nachfolgenden zu fließen ift): weniger x.

Ich habe in der von Ahnen angeführten Nr. der Nat.-Ztg. noch manche andere Drudiebler angemerkt, 3. ®. in dem erften Beiblatt auf der zweiten Spalte: Die jüngft

. entdedte Amöbe erreicht [ftatt: erregt] begreiflicherweife das lebhafteſte Intereſſe bei den Mebdicinern zc.

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Herrn Jakob M. . . n in Potsdam: Gie fragen an, ob „übernimmt“ als eine Form des Particip8 von „übernehmen“ und fei ed auch nur mundartlid ftattbaft fei, indem Sie anführen, daſs in dem „weiten Beiblatt der Nat.-Btg. der Morgenandgabe vom 17. Sept. d. I. auf der erften Spalte der zweiten Seite gebrudt ftebt: „Setste er fib von Müdigkeit übernimmt auf eine Bank“.

Mir ift eine folde Korm nicht befannt, fehen Sie in meinem Wörterb. II S. 111b in der Anm. zu „nebmen“ die von der beutigen Schriftpradhe abweichenden Formen in der Abwandlung des Beitwort®; aber ih alaube auch, daſs bier wie nicht felten in der Nat.⸗Ztg. der Drudfeblerteufel fein Spiel getrieben haben und dais ftatt „übernimmt“ einfach „übermannt“ zu leien fein wird.

Herrn Wilh. v. RM... in Münden: Die Antwort auf Ihre Frage über ben (erft neuerdings in der Genealogie üblich gewordenen) Ausdrud: „Abnenverluft“ finden Sie in der vortrefflichen J. J. Weber’ihen „Illuſtr. Zeitung” Nr. 2764 ©. 759, worauf ib Sie mit Nüdfibt auf den Raum verweilen muſs.

‚Herrn MM. £. Weil in New-York: Sie fhreiben mir unter dem 30. Auguft: „Mir ift geratben worden, mich an Sie mit der Bitte um treffende Verdeutſchung zu wenden: 1. de& Momantiteld: My Aggravating Wife und 2. de Worte: to tamper; to tamper with, etwa in der Berbindung: this lock has been tampered with, Ihrem gütigen Beicheid in dem Brieffaften Ihrer wertvollen Zeitichr. entgegen- ſehend ac.“

Für den Buchtitel könnte ich Ahnen nah dem vortrefflichen engliſch-deutſchen MWörterbub von Muret p. 58a etwa vorfhlagen: „mein Duälgeift (oder ähnlich: mein Plagegeift) von einer Frau”. Ich füge einige weitere Borichläge hinzu: Deine nergelnde (quengelnde) rau; meine rau, die Nerglerin (Duenglerin) und für einen Buchtitel freilich nicht furz genug die mir mit ibrem (ewigen) Nergeln, ihren Nergeleien feine ruhige Stunde (Rube) läfit, mich fortwährend zum Ärger reizt xc.

Der Sat: this lock has been tampered with Tiefe fi deutſch vielleicht am einfachftien geben: Man ift mir (oder: es ift mir Jemand) bei dem Schloß geweſen (vgl.: man bat es beimlih zu öffnen, aufzumachen, verſucht).

Drudberichtigung. Heft 6, ©. 202, 3. 2 von unten (ftatt: „42 Monate Feſtungsbaft“) Ties: „dA Monate Unterfuhungsbaft“.

Affe für die Beitfhrift ſeſbſt beſtimmten Zufendungen wolle man un- mittelbar an deu Herausgeber nad Altfirelib in Meflendurg, dagegen die für den Amſchlag oder als Beilagen Beflimmten Anzeigen au den Ber- leger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nächſte Sseft müffen jedes Mal bis fpäteftens zum 1. des Monats in den Händen des Herausgebers fein; aud bittet er, in Bezug auf den Amfang, die Baumverbäftniffe der Zeitfhrift im Ange zu halten.

Johann Beter 1}. Bon Dr. Friedrich Düſel.

Der fröhlihe Aufihmwung, durch den unfre Litteratur um bie Mitte des vorigen Jahrhunderts aus den Banden frivoler Unnatur, feiler ©elegenheitsbegeifterung und formlojer Verknöcherung erlöft wurde, wird allzeit auf den Namen bes Meffiaspihters getauft bleiben: Klopftod war es, der der deutihen Dichtung wieder Würde und Wärme, Schwung und Tiefe brachte. Aber wie ſich jede gejunde reformatoriihe Bewegung, die aus dem innern Bedürfnis der Zeit geboren ift, neben dem Hauptträger ihrer jhöpferiihen Idee Hilfsbereite Mitarbeiter erwedt, die den Umſchwung vorbereiten, den neuen Bau ausgeftalten und die neuen Werthe für den weiteren Umlauf in Heinere Münze prägen helfen, fo rief aud der große Läuterungsprozeſs des vorigen Jahrhunderts, der unſrer Dichtung von allerhand Kruften und Schladen endlid wieder die liebe Seele rein ſchmolz, neben Klopftod eine ganze Neihe untergeordnneter Kräfte hervor, die ihn und jein Werk vorbereiteten, ſtützten und popularifierten.

Der Nachruhm ift diefen Geftalten jelten hold. Nur zu leiht bejonders nun gar im 18. Jahrhundert, wo noch die „Schule“ jo viele einzelne Berfönlichkeiten vertilgte häuft er alle Yorbeern auf das ragende Haupt des Führers und läfft Mitfämpfer und Gefolge unbefränzt. Wenn zudem nun einer von dieſen zurückgeſetzten Geiftern noch den unvortheils baften Namen Uz führt, Hinter dem man weit eher die ſchalkhafte Figur eines jpießbürgerlihen Wippchenmachers als das ernfte Genie eines Dichters vermutben möchte, jo jcheint dieſem Bedauernswerthen alle Anwartidaft auf die Unsterblichkeit, vorausgejegt dafs es nicht auch eine komiſche giebt, von vorneherein genommen zu fein. In foldem Falle hat dann wirklich einmal die hiftorifche Litteraturmwiffenihaft die Pflicht, ihres ſchönen Ge— rechtigkeitsamtes zu walten und das geftörte Gleichgewicht des geihichtlichen Verdienftes wiederherzuftellen. Nur ſchade, daſs jolde „Rettungen“ Das lehrt vor Allen die Beobahtung der Differtationslitteratur gar zu oft in überihwängliche Lobſchriften ausarten und ihre Heinen Helden vollends gleih zu großen Göttern machen möchten! Wenn irgend wo, jo ift für ſolche Arbeiten weiter Blid, ſcharfe Kritif und feiner Takt von Nöten. Dem

Beitichrift f. deutſche Sprade, X. Jahre. 22

jungen Litteraturhiftorifer, der vor Kurzem dem Ansbaher Dichter Johann Peter Uz den Liebesdienit einer ausführlihen Biographie! erwiejen bat, ift diefe Dreitugend glüdliderweije zu Theil geworden. Nur ein jchlichtes wifjenihaftlihes Ehrendentmal will er dem faſt Vergeffenen widmen, deſſen hundertfter Todestag eben vorüber ift, und dem Landsmann fo vielleicht zu dem beideidenen Ruhme verbelien, der ihm in der Geſchichte der ana- freontifhen, philoſophiſchen, patrivtiihen und religiöien Dichtung gebührt.

Uz wurde am 3. Oftober 1720 zu Ansbach geboren. Da er fehr früh feinen Vater verlor, rubte auch jeine Erziehung, wie die fo vieler unjrer Dichter, faſt ausihlieglih in den Händen der Mutter. Nachdem er das Gymnaſium feiner Baterftadt abjolviert hatte, jtudierte er von 1739 an Jurisprudenz in Halle, daneben auch Afthetit bei Baumgarten, deffen berühmte „Dissertatio de nonnullis ad poema pertinentibus“ einen tiefen Eindrud auf ihm machte. Gigentlihen feſten Anſchluſs aber fand er erft bei der rationaliftiihen Schule Chr. Woli’s, der am 6. Dezember 1740 nad fiebzehnjähriger Verbannung in einem fürmliden Triumpbzuge nah Halle zurückkehrte. Muſik und Poefie waren bei regem Betriebe des eigentlihen Studiums jhon damals Uzens Nebenbeihäftigungen; bei Leibe aber nicht mehr, denn bis auf Yeifing ftand es einem tüchtigen Manne der feinen Gejellihaft nit an, fih anders als in den Mußeftunden mit den Muſen abzugeben. So hatte e8 der Meifter Hagedorn in jeiner erjten Gedihtiammlung vom Jahre 1729, den „Poetiſchen Nebenftunden“, ſank— tioniert; jo wurde es von allen feinen Anhängern und Nahfolgern ängſtlich aufrecht erhalten. Auch Gleim, fo gern er jhon damals poetifh erzog und patriarchaliſch beihügte, ftand no ganz unter dem Banne diejes zeitgemäßen Vorurtheils, und die gemeinfame Lektüre und Produftion, die ihn bald aufs engfte mit dem jungen Uz verband, bielt ſich durdaus in den Schranken der Naft- und Feierftunden. Dennod raubte Gleim's Weggang nah Berlin (1741) dem einſam zurüdbleibenden Freunde jo viel von den nothwendigen Bebürfniffen feines geiftigen Lebens, dafs er binfort mürriſch und verbiffen feine öden Tage dahinſchleppte. Selbft der Brief, der doch damals weit mehr für zwei getrennte Herzen that als heute, und der ſcheinbare Erjaß, den er auf der bald darauf bezogenen Leipziger Univerfität an Gellert'S heiterer Liebenswürdigteit fand, konnten ihn für den Berluft nicht entſchädigen. „Die verdrüjslihen Umftände, worin ih in Leipzig war“, bekannte er jpäter jelbft, „hatten mid gank wild gemadt, ih war fein Menih mehr.“ Im Sommer 1743 fehrte er auf den gemeffenen Befehl jeiner Angehörigen in die Heimat, nah Ansbad, zurüd, wo er ſich

Kobann Peter Uz. Zum hundertſten Todestage des Dichters. Bon Dr. Erih Pepet, Ansbach, Berlag von E. Brügel u. Sohn. 1896.

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natürlich noch weniger litterariſche Anregungen verſprechen durfte. Aber gerade dieſe ungeſtörte Abgeſchiedenheit verſchaffte ihm die Muße, auf Gleim's Anſporn hin die erſte Ausgabe ſeiner Gedichte ins Werk zu ſetzen. Nah ſtrenger Auswahl und ſteter Feile, wobei außer Gleim auch Ramler ſeinen formkundigen Beiſtand lieh, kamen 1749 anonym die „Lyriſchen Gedichte“ heraus. Die Kritik, in deren Chor Leſſings Stimme beſonders auffiel, ſpendete der leichten graziöſen Diktion faſt ungetheilten Beifall. Zu gleicher Zeit fand der Dichter in Ansbach eine leider noch lange Jahre unbeſoldete Stellung als „Juſtiz-Raths-Sekretarius“, die ihn dort nun fürs erſte feſſelte. Angenehmer war ſein längerer Zwiſchenaufenthalt in Römhild, einem anmuthigen thüringiſchen Städtchen, wo er einen amtlichen Auftrag zu erfüllen hatte. Innige Freundſchaft kettete ihn bier an den heiter ausgelaffenen Hofadvotaten Größner; zärtlide, leider unermwieberte Zuneigung zog ihn zu deffen Schweiter. Die Herzlihfeit und Wärme diefer Gefühle find jelbft unter der fonventionellen Dede der Anafreontif, unter der feine damaligen Gedichte noch feufzen, deutlich zu jpüren, wenn au von eigentliher Yeidenihaft nirgends die Rede jein kann. Vielmehr ift e8 ein Zeichen feines innerlich beitern, fröhliden Gemüthes, dafs ihn die unglüdliche Liebe in Römhild nicht zu verbittern vermochte. Mit einem gewiffen Behagen lebte er fih ſchließlich in feine bejcheidenen häuslichen Verhältnifje ein, aus denen er die übrigen bdreiunbvierzig Jahre jeines Lebens nicht mehr herausftommen ſollte. Er blieb AYunggefelle: auch eine zweite flüchtige Neigung für eine junge Nahbarin wurde nicht erwiebdert.

Glühende oder gar leichtfertige Liebesgedichte jhrieb er deshalb dod. Das Neid der Dichtung lag damals eben völlig außerhalb bes Lebens; wer dichten wollte, rüdte ſich zurecht, jhüttelte mit dem Aftenftaub aud den Biedermann aus den Kleidern und wandelte fih aus dem ehr- und fittfamen Staatsbürger zu einem möglichſt lodern Schelm. Schließt nie vom Liede auf die Sitten, mahnte Öleim, und der zierlihe Hagedorn ipottete in dem Gefühl überlegener Geiftesariftofratie, nur ber Pöbel, ber die Wolluft der edlen Seelen nicht fenne, ſei der Meinung, die Dichter feerten den Beer wirflid, von dem fie gerade ſängen. Selbft der junge Goethe zollte in feinem Leipziger Liederbuche diejer modiſchen Unwahrheit noch jeinen Tribut; erft im „Jahrmarktsfeft von Plundersweilern“ (1774) gab er ihr den Fußtritt:

„So macht man Schelm und Böfewicht, Und bat davon feine Ader nicht.”

Ganz ungeftraft aber konnte jhon Uz nicht mehr feine noch ver- häftnismäßig harmloſen Fotterverfe jhreiben. Bereits waren unfrer Titteratur in den ernften Schweizern Bußprediger und Zuchtmeifter erjtanden, deren

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heiliger Zorn wohl zu fürdten war. Alsbald begannen fie denn aud gegen Uzens „Lyriſche Gedichte“ eine förmliche Kriftlih-moraliihe Hetze, und der junge Wieland, der damals freilid noch nit Verfaſſer des „Agathon“ war, leiftete eifrigen Vorſpann. Der Angriff ſchlug völlig fehl; aber was die Großen nicht vermodten, gelang den Nadelflichen eines Kleinen: der elende Bieljhreiber Duſch aus Altona ſetzte e8 mit jeinen unaufhör- lien Anzapfungen und Verdächtigungen endlih durch, dajs Uz an fi jelbft irre wurde und viele als unmoraliſch verſchrieene Gedichte umjchrieb, wozu Freund Gleim’s zahme Kritit nicht wenig beitrug. Natürlih ging es dem Dichter bei diefer eigentlich unfreiwilligen Umarbeitung nicht befjer als jpäter etwa Bürger nah Schiller's graujamer Necenfion: die mißachtete Eigennatur rächte fih und verdarb anftatt des Theild das Ganze.

Mit der Zeit aber überhob den reifenden Dichter die freiwillige Wandlung feiner Produktion alfen moraliihen Nörgeleien von außen: in den fünfziger Jahren fam bei ihm die ernfte Odenpoefie auf, fpäter ſogar eine entſchieden veligiös geftimmte, bis die wachſende Laſt der Amtsgeichäfte die Dichtung ſchließlich ſo gut wie ganz erftidte: 1763 wurde Uz zum Affeffor, 1790 zum burggräfliden Direktor und Geheimrath ernannt, Titel, die er mit wundervoller Beſcheidenheit eher ertragen, als tragen lernte; die zwei Bände „Poetiiher Werke“, die 1768 in Leipzig berausfamen, bildeten den würbigen Abſchluſs feiner dichteriſchen Thätigkeit, wenn er aud die litterarifhen Erſcheinungen jegt erft recht mit lebhafter Theilnahme zu verfolgen anfing und nun erft jeine häuslichen und geſellſchaftlichen Ver— hältniſſe eine glüdlihe Behaglichkeit gewannen. Schon der bewegliche, welt— läufige Freiherr von Eronegt, der Verfaffer des vielgenannten Preisdpramas „Codrus“, hatte, von langen Reifen zurückgekehrt, um die Mitte der fünfziger Jahre einen friihen Zug in die fonft jo windſtille Ansbaher Atmofphäre gebradt; in den ſechziger Jahren vollends wurde der große Sänger der Freundſchaft, Horaz jelbft, der Schukpatron eines um Uz geſcharten litte— rariſch angeregten Kreifes, der fi in glühendem Wetteifer um eine lesbare Überfegung der horaziſchen Oden mühte. Dazu ſchmückten Mufit und Poefie unjerm Dichter ftändig den Herd, während er fih vom Hofe, wo es weder erquickliche Familienverhältniſſe noch litterariiche Syntereffen gab, weislih ferndielt. Erſt der Papft machte 1770 bei einer Audienz in Rom den Markgrafen Earl Alerander auf den „trefflihen Dichter“ aufmerkjam, der in Ansbach lebte. Einmal von jo gewihtiger Stimme empfohlen, wurde Uz nun wiederholt zu Scholarhatsdienften herbeigezogen und in den fiebziger Jahren mit der Herausgabe eines neuen Ansbadher Gefang- buches betraut, das nach langer mühevoller Arbeit 1781 erſcheinen konnte, Häufige Beſucher, darunter Knebel, Heinfe, Nicolai, Herder, Fritz von Stein,

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erfrifchten zulegt noch die Langeweile der Heinen Stadt und den müden Lebensabend des Greijes. An den Folgen eines Schlaganfall jtarb diefer am 12. Mai 1796. Am dichten Grün des Ansbacher Hofgartens erhebt fi nun feit 1825 für ihn ein Denkmal, das die Bürger feiner Vaterſtadt „dem Weijen, dem Dichter, dem Menſchenfreunde“ gejegt haben. „So wurde Uz“, ſchließt Peget den biographiſchen Theil feines Buches, „wirklich das Ehrenzeichen errichtet, das Herder als ihm gebührend bezeichnet hat: Eine Lyra mit dreifachem Kranze, der Dihtkunft, der Weisheit und des thätigen Verdienſtes, umwunden.“

Wer den Namen Uz nennt, denkt zunädft an den Anafreontifer. Und in der That gehört Uz dur den Antheil an der Anafreonüberjegung feines Studienfreundes Götz (1746) zu den Begrüntern der beutichen Anakreontik. Aud in feinen eigenen Dichtungen gejellte er fih offen zu diejer Schule, wenn er auch Gleim, dem Dichter der „Scherzhaften Lieder“ (1744-45), viel ferner fteht als dem ernfthafteren Hagedorn. Schon fein Verhalten zum Reime beweiſt Das. Aus einem flüchtigen Bertheidiger der Neimlofigfeit wurde er bald ein ebenfo eifriger Verfechter wie Benuker des finnerfreuenden Gleihflangs der Silben. Auh „war ihm der Ton des heiteren anafreontiihen Liedes angemeffen, weil er jelbft einen fröhlichen Sinn befaß, und er hatte fih in den Vorſtellungskreis Anafreon’s jo ganz eingelebt, dajs er für ihn nichts Nachgemachtes, fondern jein wirkliches Eigenthum war.“ Genießet die Liebe und den Wein, folange ihr könnt! Das ift der Grundton und der ftete Kehrreim aller diefer Lieder. An den galanten Bildchen aber, die unfer Dichter entwirft, fällt bei diefer Ein- tönigfeit doch die hübſche Anihaulichkeit auf, mit der er zu beobachten und darzuftellen weiß; auch der volle Odenihwung, zu dem fih manchmal die Mahnung zur Freude erhebt, zeugt von wahrhaft dichteriiher Kraft. Anafreon, Horaz und die Yyrifer der Franzoſen, vor allem der bewunderte La Fontaine, Marot, Chaulieu u. a., find hier die Vorbilder, In Sprade und Vers herricht Yeichtigkeit und Anmuth, und die epigrammatiihen Zu— thaten, die freilih meift nah Hagedorn’s Recepten ſchmecken, geben eine pifante Würze ab. Immer wieder wird die weije Lebensfreude gepriejen und empfohlen, die „Wolluft” in dem edleren Sinne von früher, der fi noch mehr zum @eiftigen als zum Sinnlihen hinüberneigte und den da» mals gerade die Anafreontifer jo eigenthümlich ausgebildet hatten. „Die Wolluft ift nicht eine einzelne Leidenſchaft, fondern fie befteht vielmehr in einer Vereinigung aller derjenigen Erregungen der Seele, weldhe das Glüd unferes Lebens ausmaden, wenn fie in den rechten Schranten gehalten werden“, jo entichuldigen die Poeſien Chaulieu’s und Ya Fares das jo häufig in ihnen wiederkehrende „volupt6“, und bei Gellert freuen ſich jogar

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die Seligen im Himmel „in beiliger Wolluft, wenn eine Seele noch mehr glei ihnen glüdlih geworden“. Den gefährliden Doppelfinn des Wortes, an deffen Bebeutungsentwidlung ſich wieder einmal der vielberufene peſſi— miſtiſche Zug unfrer Sprade beobadten läfft, fühlte ſchon der junge Goethe, wenn er in feiner Leipziger Studienzeit fang: Denn Wolluft fühlen alle Thiere, Der Menih allein verfeinert fie, und fpäter in den Berjen: Die Ehrfurcht wirft mid ibr zu Füßen, Die Wolluft mid an ihre Bruft für das mittlerweile immer anrüchiger gewordene Wort lieber das edlere „Sehnſucht“ einſetzte. Uz aber befang die Wolluft nod in unbeirrter Begeifterung als die Madt, die vereint Natur und Weisheit preifen, Der Weisheit Kind und Königin der Weifen.

Man fieht, wie hier jhon auf eine jpätere Stufe von Uzens Ent» widlung bingedeutet wird, wo die philofophiihe Lyrik das ſpielende Ge— tändel der Jugend und der ernitere Einflujs von Horaz aud die legten Nachklänge der Anakreontif überwinden. Als ein vieljeitiger, über Die Grenzen der Anakreontik jelbftändig hinausgreifender, formgewandter Dichter erſchien er auch in feiner erften Periode jhon dem jhärfiten Kritifer der damaligen Zeit. Die glüdlihe Verbindung des Zärtlihen mit dem Er- babenen war es hauptjählih, was Leſſing feinen Heinen Gedichten nach— rühmte und woraus er Uzens Beruf auch für die höhere Ode zu er- weiſen juchte.

Ernſt und Tiefe der Auffaffung zeichnen auch Uzens größere Dichtungen aus. Selbſt im fomijhen Epos, für das Pope den Ton angegeben hatte, war er der Erfte, der entihieden auf Ernft und würdigen Gehalt hinarbeitete. Sein Gediht „Der Sieg des Liebesgottes“ ift in der aus— geiprochenen Abſicht gejchrieben, „die Deutjchen wegen gewiſſer thörichter Sitten und wegen ihres verderbten Gejhmades zu verjpotten“. Auch unter dem gefräufelten Kleide der galanten Rokokoliebesgeſchichte und unter dem hergebrachten Götterapparat, mit dem das Gedicht arbeitet, tritt die deutſche Empfindungsweife noch ſchön und Fräftig hervor. Der Kernpunft des Ganzen ift die Polemif gegen die modiſche Nahäffung der Franzoſen, die jhon im 17. Yahrbundert einen Moſcheroſch, Yauremberg und Rachel unter die Waffen gerufen hatte. Seinen entarteten Zeitgenojjen hält Uz darin einmal ganz mit Klopftod übereinftimmend die Welt der alten Germanen als das goldene Zeitalter biederer Männlichkeit und treuer Tüchtigkeit vor. Damals waren die Deutihen nod rein und ungemiſcht; jest aber hat die Ausländeret fie und ihre Tugenden zerfrejien:

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Sie haben num gelernt, ibr Baterland verlernen,

Und mit dem ſtarren Bart auch die Natur entfernen,

Nun modelt Frankreich's Wit das weite deutſche Reich:

Es wird ein männlich Bolt den Sybariten gleich.

Durh Stuker führt es Krieg, durch Stutzer macht es Frieden, Stellt Stuter zum Altar fiatt bärtiger Druiden.

Tracht, Wi und Sprade bolt fib Deutihland aus Paris, Das Fremde für ihr Feld ſtets willig unterwies,

Während fih aber in gejellihaftlihen und fittlihen Dingen Uzens entrüfteter Zorn hauptjählich gegen Frankreich fehrt, ift es auf litterariſchem Gebiet vor allem die Anglomanie, die er befämpft. Als ihr eigentliher Vertreter in Deutſchland gilt ihm Bodmer, in deſſen Patriarhendihtung er all das Übertriebene des Stils und unnatürlich Überijpannte der Em: pfindung wiederfindet, das ihm bei den Engländern jo lächerlich erſcheint. Dem Deutihen das ift feine Überzeugung find die Ausjhweifungen der engliihen Dichtung nit angemeffen: nur durch Maß und innere Harmonie zwifhen Anhalt und Form wird das wahrhaft Schöne erreicht; wer aud jeden Müdenfuß ausmalen will, giebt den Anfprud, Künftler zu fein, auf. Dabei leiden die äfthetiichen Grundanſchauungen Uzens feines- wegs an zimperliher Engherzigfeit. Boileau's Grundjaß:

Dad Wahre nur gefällt; und, wollt ihr würdig dichten, So mufs die Dichtung nicht auch die Natur vernichten war aud der jeine, dem er jelbft in feiner Anafreontif, fo weit Das nad den Xorurtheilen der Zeit möglih war, die Treue gehalten hat. Was er 3. B. von dem religiöjen Gedicht fordert, Dem fönnen aud) wir heute noch gerne zuftimmen: hoch ſoll es, Hoch ohne Schmwulft, in edler Einfalt ſchön Und rührend fein und jedes Herz erhöhn.

Bei der Vermwerfung aller fremdartigen Nahahmung tritt wieder

ftarf das patriotifhe Element hervor:

Soll Deutihland euer Haupt mit Lorbeern dankbar frönen,

Su lehret euer Lied auch deutſch, nicht fremde tünen ruft er den Schweizern zu, die fih nad jeiner Meinung gar zu Hlavifch an die englifhe Poeſie angelehnt hatten.

Aber nit in der Anafreontit, aud nicht in der Satire ſuchte Uz feinen Hauptrubm, jondern in der Odenpoeſie. „Hoheit und Neuheit der Gedanten, Adel der Gefinnung, Reichthum und Kühnbeit der Bilder, Drang der Sprade, firömende Harmonie bat er in die deutſche Ode ge: bradt, und mit vollem Recht gebührt ihm daher die Benennung des deutſchen Horaz“, mit diefen gerehten Worten pries ihn ſchon ein zeitgenöffiicher Biograph. Horaz war ihm für feine Oden in der That das Lieblings: vorbild, wie denn deffen rhetoriich-pathetiiche Technik überhaupt das Mufter

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für die Odendichter jener Zeit abgab. Zu Horaz geſellte ſich für Uz außerdem noch Hagedorn, der den antiken Dichter der reſignierten Genüg— ſamkeit ja geradezu als Lebensvorbild aufgeſtellt hatte; von dieſem lernte er Beweglichkeit der Sprache und Leichtigkeit des Versbaues, wofür ihm ſein natürliches rhythmiſches Feingefühl wohl zu Statten kam. Als den einzigen Zeitgenoſſen, „der ſo viel Weisheit mit ſo viel Schwung ſagen könne“, rühmte ihm deſshalb Herder. Auch die von dem Ansbacher Dichter in ſeinen Oden behandelten Stoffe zeigen mit den horaziſchen die größte ühnlichkeit: überall ſieht die ſentimentale Sehnſucht eines überſättigten Zeitalters nach idylliſchem Frieden und kindlicher Anſpruchsloſigkeit hervor, die einfachen Freuden des Landlebens werden geprieſen und das „Beatus ille* findet ein fo lebhaftes Echo, wie man’s in den engen Mauern ber fränfiihen Kleinstadt kaum erwarten möchte. Hier, in den Oben batte num aber au Uzens Patriotismus zum erften Male Gelegenheit, fi völlig zu entfalten. In feinen Briefen war der zornige Unwille über die franzöfiihen Übergriffe forwie über das NKriegselend der deutichen Lande oft etwas philifterhaft zum Ausdrud gefommen, wenn er fi etwa über die unregelmäßigen Poſten oder über die dürftige Leipziger Meſſe beflagte und den Huſaren die leichtfinnigen Yiebeleien verdadte; in den Oden da— gegen brad nun an mehr als einer Stelle das wahre, tiefe Gefühl einer echten Vaterlandsliebe durd. „Wer nur einige Liebe zum VBaterlande hat, fann nit gleihgültig bleiben“, fchreibt er 1757 an Größner und noch in demfelben Jahre an Gleim: „Was für große Begebenheiten erleben wir nit! . . . Wenn die Lande Friedrich's feinen Birgil oder Horaz hervorbringen; jo ift e8 eine Schande für die Nation... . Verbehlen Sie mir nit, warn Sie etwas Neues, etwas Großes wiffen; und glauben Sie, dajs ih ein Deutſcher bin.“ Und feine Didtung ftrafte diejen ſtolzen Selbftruhm nicht Fügen. Ganz Deutihland, nicht bloß fein enger Heimats- jtaat ift für ihn wie für Klopftod das Baterland; für ganz Deutſchland fleht er um Wiederkehr der Freiheit, um Befreiung von den fremden Ein- dringlingen. Gegen den Verfall alter guter deutiher Sitte im Volfe, den er ſchon in feinem komiſchen Epos ſatiriſch behandelt hatte, erhebt er auch hier wieder die Stimme; aber auch an den Anmaßungen und Irrthümern der Fürften geht er nicht feige fhweigend vorüber. Wie dort mit Klopftod, jo berührt er fi hier mit Haller. Gegen Alles, was aud nur im ent» fernteften mit einem Groberungstriege Ähnlichkeit hatte, erfüllt ihm tiefer Abſcheu: der Fürft hat für das friedlihe Glück feines Volkes, niht für feinen eigenen ehrgeizigen Ruhm oder die Ausbreitung feiner Macht zu forgen. Pflege der Kunft, Wiffenihaft und Poefie fteht diefem echten Sohne des philoſophiſchen Jahrhunderts auch beim Fürſten am bödjten, und

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zürnend ftraft er die fümpfenden Herrſcher während des fiebenjährigen Krieges mit den Worten:

Der Bater feines Lands, und blieb er auch verborgen,

Iſt nicht geringer als der Held.

Die Sorgen um das Glüd der Welt

Sind wahre, löniglihe Sorgen.

Wir find heute wohl geneigt, ſolche Verachtung von Blut und Eijen weihlih zu ſchelten, müfjen uns aber gegenwärtig halten, dafs zu Uzens Tagen jelbft ein Ewald von Sleift, der doch auf dem Schlahtielde von Kunersporf jein Leben für das Vaterland ließ, troß feiner Verherrlihung der preußijchen Armee und feiner unbegrenzten Verehrung für Friedrich den kriegeriſchen Regenten zurief:

. . . berivandelt die Schwerter in Sicheln, Belobnt mit Ehren und Gunft die, deren nächtliche Lampe Den ganzen Erdkreis erleuchtet!

Ungeadtet diejer Friedensmeigungen find, wie gejagt, beider Herzen durchaus auf der Seite des fühnen Preußenkönigs. Nah der häſslichen Sitte feiner Tage hatte Uz jhon als Anfänger den jungen Monarchen in franzöfiihen Verſen bejungen; mit der Zeit erfüllte ihm Friedrich's große Perfönlikeit mit immer würdigeren Vorftellungen und Formen der Be— mwunderung, und als vollends Kleiſt's Tod der preußiihen Sade die heroiſch— poetifhe Weihe gab, da ſchuf er, ebenfo wohl zu Friedrich's wie zu des Gefallenen Preis, das jhöne Gediht „Auf den Tod des Majors von Kleiſt“:

Auf Friedrich ſehn die Helden Friedrich's nieder, Bewundernd, mit beſorgtem Blick,

Und flehn für ihn und ihre Brüder

Um Leben und um Glück

Und als fih 1760 Breußen’s Kriegsglüd zum Böfen wenden wollte,

da fprad er fi jelbjt und den Freunden zuverfihtlihen Troſt zu: Richt immer wird das Glück den Scharen Oſtreich's lachen: Bald, bald fiegt wieder Preußen's Held. Der große Friederich wird ſchrecklicher erwachen, Im waffenvollen Feld.

Doch nicht die vaterländiichen, fondern die „goldenen philoſophiſchen Oden“, wie Herder fih ausdrüdt, bilden den Höhepunkt von Uzens poetifhen Leiftungen. In ihnen herrſcht eine bis dahin umerhörte Inner— lichkeit des Gefühls und der Gedanken, wenn fie ſich auch meift nod von fremden Ideen, namentlih denen Shaftesbury’s, Haller's und Leibnizens nähren und feinen höheren Ehrgeiz haben, als den, Teleologie und Deter- minismus eflettiih mit der Theorie vom freien menjhlihen Willen zu verjöhnen. Der Menſch, lautet die Yehre diefer philoſophiſchen Poefie, joll

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die Herrſchaft über ſeine Affekte bewahren und ſich durch Tugendübung einer andern, höhern Daſeinsweiſe würdig machen, zu der er von Gott ja beftimmt iſt. Anklänge an Epikur, die ſchon bier hervortreten, kehren namentlich in der Lehrepiſtel „Verſuch über die Kunſt ſtets fröhlich zu ſeyn“ (1760) noch viel voller und zahlreicher wieder, wobei auch Pope, jo wenig Uz von deſſen Pantheismus wiffen wollte, deutlich feine philojo= phiſche Hilfe leiht. „Zwedmäßigfeit in allen Einrichtungen der Welt“ it au bier das Thema und, dafs e8 bei deffen Durhführung wieder nicht ohne mannigfahe nahe Berübrungen mit Haller, Brodes und andern moralpbilofophifhen Dichtern der Zeit abgeht, wird dem Dichter von Keinem, der nur einigermaßen die unumſchränkte Herrſchaft diefer dee um die Mitte des vorigen Jahrhunderts fennt, zum Vorwurf angerechnet werben.

Seit dem Jahre 1755 machte fi bei Uz eine entſchiedene Hin- neigung zur religiöjen Poefie bemerkbar. Im Gegenjat zu vielen andern Dichtern jeiner Zeit, die von der Theologie ihren Ausgang nahmen, ift ihm die Religion reine, wahre Herzensfahe: nur um den moraliſchen Ge- balt des Ehriftenthums ift es ihm zu thun; Dogmatijches liegt ihm völlig fern. Genügjamfeit des Yebens und Freude an der ſchönen Gottesnatur find jeine liebften Stoffe. Seine Betrahtungs- und Darftellungsweife verfährt durchaus jubjeftiv; die Palmen find fein koſtbarſtes Vorbild. Alles aber weiß er mit feiner mwohlthuenden, überzeugenden Wärme zu behandeln, nad jeiner eignen Vorſchrift:

Hier muſs Nichts kalt, Nichts niedrig, Nichts gemein, Muſs Alles groß und Gottes würdig fein.

Der Erfolg entiprah der Yeiftung: feine von Uzens verſchiedenen Dichtungen fordern jo begeifterte und ungetheilte Anertennung wie feine religiöfen. Die überihwänglichite bei &leim, der an Johannes von Müller ihrieb: „Im fechsten Buche werden Sie Gejänge finden, wie Chriftus jelber fie gejungen hätte feinem himmliſchen Bater, wenn er ein Deutſcher und Gleim's Freund zu Halle gewejen wäre.“ (I)

Es giebt umter den untergeordneten unjrer Dichter und Schriftjteller niht wenige, die die Armuth und raſche Vergänglichkeit ihrer eignen Schöpfungen wett madhen dur die enticheidenden, nahhaltigen Wirkungen, die fie auf die empfänglihen Gemüther größerer, aber ihnen wahlver- wandter Nachfolger ausüben. Herder, der Bahnbrecher und Lehrer des jungen Goethe, ift wohl das glänzendite Beiipiel diefer Pradfinder- und Anregergenies, wie überhaupt gerade die Periode des „Sturms und Drangs“ eine ganze Reihe jolher Brophetengeftalten gezeitigt hat. Uzens litterarifcher Einflujs ift befcheidener. Außer auf den älteren Wieland, der nad der

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Dinkehr zur finnlihen Richtung in feinen ſokratiſchen Weisheitslehren oft überrafhend mit ihm übereinftimmt, darf er fih eigentlih nur noch auf einen unjrer Dichter bemerfenswerther Nachwirkung rühmen. Aber diejer eine ift einer von den größten: Schiller. Dajs Uz ſchon zu Schiller's Lieblingsditern auf der Karlsichule gehörte, bezeugt Karoline von Wolzogen in ihrer liebevollen Biographie Ausdrüdlih Tobt dann aber jhon im Jahre 1782 Schiller’S eigener Mund in der Selbſtanzeige jeiner „Antho- logie” Uz als ein Mufter der alten bewährten Bejcheidenheit in poetiſchen Mitteln und Stoffen, und rühmend erwähnt er ihn aud ſpäter noch in feiner reifen Arbeit über naive und jentimentale Dihtung. Uziſche An- Hänge in den frühen Jugendgedichten Schillers wollen nicht viel jagen, da hier Form und Gedanfengehalt überhaupt noch unjelbjtändig find; aber aud das „Lied an die Freude“, das „Siegesfejt“, die „Braut von Meſſina“ mahnen wiederholt an Uz, für den es ja darafteriftiih war, wie er horaziſche Gedanten aus alltägliher Oberflächlichkeit in philoſophiſche Tiefe zu ehren wufste Und gerade für diejes Gebiet, die philoſophiſch ver: tiefte Betrahtung und Darftellung der Menjchheitsgeihichte, worin Schiller ja das eigenfte Feld jeiner dichterishen Begabung finden jollte, müffen wir Uz zweifellos als einen jeiner Borläufer und Bahndreder anerkennen. In Uzens Gediht „Die Dichtkunſt“ wird 3. B. die Poeſie ſchon als eine große etbiihe Macht aufgefafft, die in der Kulturentwidlung eine bedeutende Rolle gejpielt hat und noch weiter jpielen wird. Wer denkt dabei nicht an die leitenden Gedanfen in den „Sünftlern“, dem „Eleufiichen Feſt“, der „Macht des Geſanges“, mögen hier die Geftalten der einzelnen Gott- beiten auch unvergleihlih viel lebendiger und perjünlicher erfafjt fein als in den oft vagen Allegorien Uzens. Ja, Schiller hatte jogar die Abſicht, mit der Uziſchen „Theodicee” einen poetiihen Wettfampf zu wagen, was doch deutlich beweiſt, daſs er den fräntiihen Dichter als einen feines» wegs verädtlihen Vorgänger in der Gedanfenlyrif betrachtete. Aber Das war der junge Schiller der Militärafademie; der gereifte des Jahres 1796 begnügte ſich wohlweislid damit, in feinem erjten Mujenalmanadı, da nun einmal Goethe's Porträt nit zu erlangen war, dem eben ver- ftorbenen Greije mit dem Abdruck feines Bildniffes zu huldigen, und das eigentlich auh nur aus Rückſicht auf das „Anjehen von Billigfeit und Honetete, wie er an Goethe jchrieb, wenn wir Einem aus der alten Zeit dieſe Ehre erweijen“.

Das war pietätvoll und ehrlich zugleich, während der gezierten Über- beihheidenheit, mit der ſich Uzens Yandsmann Platen jpäter neben oder unter ihn ftellte, der jelbftbewujste Hochmuth unverkennbar durd die Fin— ger gudt. „Dort fiehft du das uziihe Denkmal,“ jchreibt er in der

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„Berhängnisvollen Gabel” von Ansbah und dann weiter in Bezug auf fi jelbft: In demielbigen Jahr, ald Uz mwegftarb, und zwar im erfreulichen Weinmond, Ward dort Überdies noch ein zweiter Poet böchft würdigen Eltern geboren; Doc löft er dem Uz das Schubband faum und war ein geringer Erfa bloß.

Wie Das eigentlid und wirflid gemeint ift, weiß Syeder, der nur einmal in Platen's Tagebuch geblidt hat! Aber jo viel ift ſchon richtig: ein gut Theil von Uzens Erblajs, jeinem würdigen Ernft, feinem rubigen Maß und feiner Reinheit der Form, ift auch auf Platen übergegangen, und da es durch defjen „Vermächtnis“ nad Geibels dankbarem Befenntnis unmittelbar der Münchner Schule zu gute gelommen ift, jo dürfen wir aud in unfrer heutigen Lyrik no, jofern fie nicht ganz dem modernen Natura- lismus verfallen ift, etwas von Uzens heilfamer Nachwirkung erfennen.

Größere Bedeutung, als bier hervorgehoben ift, will dem Dichter im Grunde auch jein neuejter Biograph nicht zufhanzen; ein Mindwig ist Beet nit. Das zulammenfafjende Urtheil, mit dem er Uz charakteriſiert, dürfen auch wir ums aneignen: „Er ift feine große Periönlichkeit, aber er ift geſchmackvoll und feinfühlig genug, mit Harem Blide das neu auf: tauchende Gute zu erfaffen und unbeirrt durh die Kämpfe um ihn ber es fortzubilden, unbefangen und fiher im Urtheil, mit Ernft auf die Reinigung, den Aufihmwung der Yitteratur bedacht, fein Nevolutionär, ohne Einjeitigkeit, bejonnen prüfend, das als recht Erkannte fefthaltend, und poetiſch begabt genug, auch auf den Bahnen, die Andere gebrochen, ſelbſtändig weiter zu ihreiten, ein bejheidner und doch verdienjtvoller Mitarbeiter Haller's, Hagedorn's, Leſſing's, ein Dichter, der, obwohl noch vielfah in konven— tionellen Anſchauungen befangen, doch jhon begann, jeine eigne Perjönlichkeit in jeinen Werfen zu enthitllen.“

Das ift Uzens Erjdeinung hiſtoriſch betradtet. Wer aber, den poetifhen Fragen der lebendigen Gegenwart zugefehrt, den ſorgen- oder boffnungsvollen Blid auch in die Zukunft richtet, Der möchte doh auch bier zu dem dankbaren Lob die gemeffene Verwahrung fügen und den be- fannten Sprud, den einſt Geibel den Manen des zweiten Ansbader Didterö widmete, mit berechtigter Anwendung auf ven erjten einmal jo jpreden:

Das wollen wir Uzen nicht vergejjen,

Daſs wir in feiner Schule geſeſſen;

Die firenge Pflicht, die römische Zucht,

Sie trug und allen gute Frucht.

Aber wir mühten dabei nicht bleiben, Das Dihten wieder deutich betreiben, Und gebn, wobin der Sprade Geift Mit abnungsvollem Laute weißt.

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Helmholtzens Vater.

Die Frankfurter Zeitung bringt in ihrem Abendblatt vom 29. Auguſt im Feuilleton einen Aufſatz: Helmholtz auf dem Gymnaſium, [Ein Erinnerungsblatt zum 31. Auguft 1896] von Dr. Elias Fink, Frankfurt.

Dieſem Auffag liegt die höchſt beachtenswerthe, den wiffenihaftliden Theil von dem Programm des Biltoria-Öymnafiums zu Potsdam (Dftern 1896) bildende Abhandlung: „E. ©. J. Jacobi und Helmholtz auf dem Gymnaſium“ (Beitrag zur Geſchichte des Viktoria-Gymnaſiums, von Ernſt Kuſch) zu Grunde, auf welde Abhandlung ih um ihres In— balts willen die Aufmerkjamkeit meiner Leſer, namentlih aus dem Lehrer— freije, zu lenfen wünſche.

Hier in meiner Zeitihrift aber theile ih deren Eigenart gemäß aus der Frankfurter Zeitung die folgenden, mir zu einigen fpradliden Bemerkungen Anlafs gebenden Sätze mit:

So gründlid vorbereitet, fonnte Helmholtz ſchon mit 17 Jahren, am 20. Auguft 1838, die Abiturientenprüfung beginnen, in der er fieben Aufgaben zu bewältigen hatte. . . Unter dieſen Arbeiten erregt der deutihe Aufſatz vor Allem unjer Intereſſe, einerjeits, weil er die lebhafte, wenn aud noch ungezügelte Phantafie des Abiturienten offenbart, andererfeits, weil feine Korrektur vom Vater Helmholg herrührt, der da— mal3 den deutſchen Unterriht in Prima ertheilte. Das Thema lautete: „Die dee und Kunft in Lefjing’s Nathan der Weiſe“.

Meiner Anfiht nah würde es ftrenger richtig heißen: „in Leifing’s Nathan dem Weiten“, j. meine Hauptihwier. ©. 46b/7a unter Appo- fition Nr. 7b.

Die Frankfurter Zeitung fährt fort:

Das Urtheil über den Aufjag mag wegen der ftrengen Unparteilichfeit des Vaters, die fih in ihm [vgl.: in diefem Urtheil, j. Hauptſchwier. ©. 139b/40a] ausſpricht, hier eine Stelle finden... .

Der Schluſs des Urtheils aber lautet:

„Die Arbeit legt wenigftens für den Sinn des Verfaſſers ein gutes Zeugnis ab und ſcheint in jo fern, jo wie in ſtiliſtiſcher Nüdjiht für ganz genügend zu erklären.“

Diefe Ausdrudsmeife von Helmbolgens Bater ift nicht ganz un— tadelhaft, j. in meinen Hauptihwier. ©. 246b ff. unter „ſcheinen“ Nr. 4, wo e8 heißt:

„Ein Infin. Präj. mit zu nah ſcheinen fann aber au zumeilen pajfiven Sinn haben, vgl.: Diefer Mann hat eine rothe Naſe; es fcheint, dajs er trinft oder: er ſcheint zu trinken [aktiv] und: Der Wein

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hat eine jhöne Blume; es ſcheint, daſs er trinfbar, oder: zu trinken ift, oder: er ſcheint trinkbar (zu fein), oder: zu trinten“, ſ. die dort an- geführten Beiipiele (von Schiller; 8. Hafe; Kompert; Wh. v. Humboldt) worauf es dann heißt: „Diele Ausdrucksweiſen find aber nur jelten und werben beffer gemieden, aud da, wo fie nicht geradezu zweideutig erjcheinen“, j. die Beijpiele dort und danach als etwaigen Änderungsvorfälag: „und es jcheint, daſs ſie . . . für ganz gemügend zu erklären ift“ oder: „fie ift, wie es fcheint, für ganz genügend zu erklären“, oder mit Rüchſicht darauf, daſs Jemand, der fein amtlihes Urtheil abzugeben hat, füglich nicht von einem bloßen Scheinen ſprechen jollte: „und nah meinem Urtheil kann fie in jo fern, jo wie im ftiliftifher Nüdfiht für ganz genügend erklärt werden”.

Einige Bemerkungen zu einer Kriminal-Novelle v. H. Rojen- thal:Bonin: Der große Fall des Aſſeſſors Mar Fredeborn. (Bom Fels zum Meer XV., Heft 19 und 20, ©. 247 fi.)

1. „In einigen Stunden werden auch die Photograpbien des Zimmers und des Fenſters, jo wie die nöthigen Meſſungen fertig jein und Ihnen zugehen.“ S. 247. In meinem Fremdwörterb. II ©. 256a heißt es: „Photographie: die Kunſt der Lichtbildnerei . . und: dadurch erzeugtes Bild (jeltner: Photogramm) ꝛc.“ In dem angeführten Satze ift nicht die Kunft, jondern das aufgenommene Bild gemeint, da es fidh um die Aufnahme der Ortlichkeit handelt, in welcher der Diebſtahl verübt worden iſt. Da man nun unter „Photographien des Zimmers“ aber auch und zwar gewöhnlich die in dem Zimmer befindlichen Licht— bilder verſteht, ſo erweckt der gewählte Ausdruck in dem Leſer oder Hörer zunächſt eine falſche Vorſtellung und es würde ſich dafür ein Ausdruck wie etwa „die Lichtaufnahmen“ (— die mit Hilfe des Lichts aufge— nommenen Abbildungen) wohl empfehlen.

2. Wenn Herr v. Madai einen Brivatdeteftiv zu Hilfe nahm... ., jo war der Fall ftodduntel und, wenn jener die Tüchtigfeit und den Scharffinn eines außerordentliben Entdeckungsmenſchen pries, jo hatte er auf den Erfolg jeiner eigenen Leute nur ein geringes Vertrauen.“ ©. 248a. Hier ift von den bervorgehobenen Wörtern das deutihe wohl der Abmwehjelung halber für das vorausgegangene (engliſche) Fremdwort gewählt worden, und diefer Verdeutſchungsvorſchlag wäre in meinem Berdeutihungswörterbuh S. 35 b vielleiht nadzutragen. Die für „Detective“ gebraudten Ausdrüde: „Mitglied der Geheimpolizet, Geheimpoliziſt“ können, wenn auch nicht als ganz deutſch, jo doch als

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eingedeuticht gelten, vgl. auch das in meinem Berdeutihungsmörterb. als „verächtlich“ angeführte „Spigel” (j. mein Ergänz.-Wörterb. ©. 494). In Oſterreich wird auch das freilich zu viel umfaſſende „Bertrauter“ gebraudt. Für „Brivatdeteftiv“ hätte der Schriftjteller vielleicht eine Bezeihnung wählen fünnen wie: „außeramtlihes Mitglied der Geheim— polizei”, „außeramtliher Geheimpolizift“, vgl. au: „außeramtlider Verbredens-Auf- (oder: Aus, Nach-)ſpürer“ ꝛc. Einzelne diejer Verdeutſchungsverſuche mögen im Einzelfalle Verwendung finden fönnen; aber ih babe das Vorftehende doch nur bergeiegt, um dadurch vielleicht zu befriedigendern weitern Vorjchlägen anzuregen.

3. „Sie hatte auf dem Screibtiih des Affeffors Zettelhen und Notizen gefunden, die in einer fonderbaren, ihr fremden Zappel- und Schnörkelſchrift, wie fie es nannte, geichrieben waren ... Sie beſchloſs, binter das Geheimnis diejer Krigelbuchftaben [der griebifhen] zu fommen.“ ©. 25la, woraus die hervorgehobenen Zufammenjegungen viel leiht als Beiipiele ähnlidher, ins Umendliche zu mehrender, in mein Ergänz.-Wörterb. hätten aufgenommen werden können.

4. „Werden Sie denn das Thier lange [in Pflege] behalten müſſen? Bielleiht drei Monate. Und ift dieſe Pflegihaft Ahnen nicht hinderlich?“ —, j. mein Wörterb. II ©. 537b; Ergänz.-Wörterb. ©. 385 c.

5. „Darauf haben die Herren [Unterfuhungsrihter] immerfort an dem Meinhard herumgemacht [= um von ihm Etwas zu erfahren, ein Geftändnis herauszubefommen :c.]; aber Das ift ja ein Unfinn; der Mann ift ja an der Sade jo unjhuldig wie ein neugeborenes Kind“ im Ton der Volksſprache, in welhem das Zeitwort madhen als Stell: vertreter faft aller Zeitwörter dienen kann, j. mein Wörterb. II ©. 18Ya und bejonders die dort amgezogene Stelle aus Körner’s Prakt. Schul: mann 4, 369.

6. „Na, na! die Frauen jind mandmal merkwürdig [vgl. wunder- bar, jonderbar, eigen, kurios zc.|. ‚Jh bin nie merfwürdig‘, warf Frau Knetſchke ein. ‚Das wiffen Sie.“ S. 254b, vgl. mein Wörterb. III ©. 16765; Ergänz.-Wörterb. S. 657 c.

7, „Umjpielt von goldenen Sonnenftrablen und umzwitſchert von unjhuldigem lieblichem Bogelgejang.“ (Heft 20 ©. 299a) j. mein Wörter- bud III ©. 181dc.

8. „Erft nad mehrmaligem Anläuten wurde ihr geöffnet“, j. Wörterb. II ©. 61h.

9. „Bei welcher Beihäftigung Beide ab und zu durd einen tät fhelnden Streih auf den Sad den zwiſchen ihnen ftrampelnden

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Affen zu beruhigen juchten“, ſ. die hervorgehobenen Zeitwörter in meinem Wörterbud ꝛc.

10. „Seit einer Woche ftridte fie wie rafend ... . Num erweckte fie das Offnen der Stubenthür aus ihrer Strickwuth“, hier angeführt als ein (feiner Erklärung bebürfendes) Beiſpiel der unerſchöpflichen Zufammen- fegungen von Wuth, ſ. Wörterb. III S. 1689a; Ergänz.-Wörterb. ©. 6628. Nebenbei bemerkt, würde ih hier die Stellung ohne Inverſion (Umftellung von Subjekt und Objekt) als die natürlihere und einfachere vorziehen: Nun erwedte das Offnen der Stubenthür fie :c.

Sächſiſcher Genitiv.

„Das mit dem ſächſiſchen Genitiv verbundene Hauptwort kann im Nominativ, Dativ und Accufativ ftehen, fteht gewöhnlih aber nit im Genitiv“, heißt es in meinen Hauptſchwierigkeiten ©. 239a—24la in Nr. 3, wo man aud) das weiter Folgende, wie au die zahlreihen Stellen in den Inhaltsverzeichniſſen der verjchiedene Jahrgänge diefer Zeitihrift zu Rathe ziehen möge. Nachſtehend füge ih dazu nod folgende Säße zur weitern Begründung der von mir aufgeftellten Regel:

1. Der franzöfiihe Akademiker und Schriftfteller Proſper Mérimée, ein intimer Freund der Grfaiferin Eugenie und deren [ridtig: ihrer] Mutter, jagt von der ſpaniſchen Mantille x. Bazar 32, 462b. So wie der Sat da ſteht, würde man jpradridtig das Wort Mutter nicht als Genitiv, jondern als Nominativ des Subjefts auffaffen, aljo nit als ob Merimee, von dem der Ausſpruch über die Mantille herrührt, ein Freund ſowohl von Eugenien wie von Eugenien's Mutter gewefen, jondern als ob ver Ausſpruch von Merimee und von Eugenien's Mutter herrühre, vgl. Nr. 9 (Sclufs).

2. In Folge deffen überlegener Körpergewandtheit. Boden— ſtedt Bleibtreu 50, richtig entweder: feiner überlegenen K. oder: von deſſen überlegener R.

3. Nah Herrn Goswin's legten Sohnes Tode. Vom Fels zum Meer (1885) ©. 222, rihtig: Nah dem Tode von Herrn G.'s letztem Sohne.

4. Dinge . . . die auf Treu und Glauben ihrer Lehrer und ihrer Lehrer Lehrer längft beantwortet find. Yeifing Ster. 9, ©. 96. (Eine Duplit I), richtig: auf Treu und Glauben ihrer Lehrer und der Lehrer diefer Lehrer.

5. Die Vergnügen Suhenden aller Herren Länder. Fanny Lewald (Roman-Bibliothek), richtig: aus aller Herren Ländern.

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6. Es zielen alle Begierden der Menſchen auf die... Volltommen- beit (Erhaltung und Berbefferung) ihres oder ihrer Nebenmenſchen innern oder äußern Zuftandes. Mofes Mendelsiohn 2, 52, richtig: auf die Vollkommenheit . .. des innern oder äußern Zuftandes ihrer eigenen Perſon oder [des] ihrer Nebenmenſchen.

7. Dort preifen fie des Em’gen Wohltfun | der Triften Israel's Befreiers. Mendelsfohn 6, 122, richtig: Das Wohlthun des Ewigen, des Befreierd von Israel's Triften.

3. Das Sammeln alter Kirchenlieder und deren [ridhtig: ihrer] Melodien. Mar Müller Eſſay's (deutihe Ausg.) 3, 251.

9. Zur Vertheidigung deſſen Bruders [rihtig: von dejjen Bruder). National:Ztg. 43, 590, Die Anfangsbuchftaben feines und des Mädchens Bornamen. 41, 449, rihtig: Die Anfangsbuchftaben von feinem und des Mädchens Vornamen. Donnerstag Vormittag unter: nahm er in Begleitung eines Kollegen und defjen Frau einen Aus- flug ꝛc. 49, 537, wo unklar ift, ob in der Verbindung: dejjen Frau das Hauptwort als Nominativ (des Subjefts) oder als Genitiv aufzufaffen jei, vgl. rihtig: in Begleitung (oder: begleitet) von einem Kollegen und deſſen Frau.

10. In ihrem Ton lag ihre ganze Verachtung Anna's plebejiſcher Anſchauungen. Moritz v. Reichenbach (= Valesca Gräfin v. Bethuſy— Huch in der Roman-Ztg. 24, 4, 15, richtig: ihre ganze Verachtung der plebejiſchen Anſchauungen Anna's, oder: ihre ganze Verachtung, [die fie) gegen Anna's plebejiſchen Anſchauungen hegte).

11. Sei Herr und Meiſter deiner Bruſt Gefühle L. Schefer Laienbrevier (1884) ©. 263, rihtig: der Gefühle deiner Bruft, vgl.: beherrſche und meiftere deiner Bruft Gefühle ꝛc.

12. In BVertheidigung des Haufes Wittelsbah und dejjen [richtig: feiner] Forderungen. Ziholfe, Bairiſche Geſchichte 4, 61.

In der zu Anfang diejes Auffages angeführten Stelle aus meinen Hauptſchwierigkeiten heißt es ©. 240a:

„Man beachte hier namentlich auch Präpofitionen (ſ. d. 3), die außer dem in der Schriftſprache vorherrſchenden Genitiv auch den Dativ regieren und bei vorangehendem ſächſiſchem Genitiv richtig dieſen letztern Kaſus erfordern.“ Zu den dort gegebenen Belegen füge ich hier noch die fol— genden zwei:

13. Mögt ihr auch wegen deines Schwiegervaters gelegentlichem Prahlen mit dem unglücklichen Ringe aus einander gekommen ſein. Fanny

Zeitſchrift f. deutſche Sprache. X. Jahrg. 23

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Lewald (Roman-Ztg. 15, 169b), vgl: wegen des gelegentlichen Prablens deines Schwiegervaters

14. Troß Lafjalle’s ehernem Lohngeſetze. Sybel Vorträge ©. 117, vgl.: Troß des ehernen Lohngeſetzes Laffalle's.

Stellung von Genitiv und Dativ,

Darum dürfen wir die Augen der Wahrheit nicht verfchließen. Nat.-Ztg. 49, 566, vgl. dazu das in meiner Schrift: „Sakbau und Wortfolge” auf S. 204 Auseinandergefegte.e Danach wäre die richtigere Stellung: „Darum dürfen wir der Wahrheit die Augen nit ver- ſchließen“, wodurch verhindert wird, daſs man in der Berbinbung: „die Augen der Wahrheit“ das legte Wort ftatt als den von „verſchließen“ abhängigen Dativ als Genitiv abhängig von dem Vorftehenden „die Augen“ auffaffe (vgl. mit Anwendung von Ber: hältniswörtern): Darum dürfen wir die Augen gegen die oder: vor der Wahrheit nit verichließen.

Einige weitere Beifpiele werden das Gefagte erläutern:

Seine Angft verrätd den wahren Bater der jharfblidenden Frau. Nat.:Ztg. 39, 599, beffer: der jharfblidenden Frau den wahren Bater.

Das junge Mädden .. . legt, wie fie als Kind gethan, den Kopf der Blinden in den Schoß. Nord und Süd 118, 7, beifer: der Blinden den Kopf.

Er [Rouffeau] verehrt das bourboniihe Königthum und zieht den aufgeklärten Dejpotismus der Parlamentswirtbidhaft vor. Deutihe Rundihau (86) II 347, befjer: und zieht der Parlaments— wirthſchaft den aufgeklärten Dejpotismus vor, und felbjt: Wilhelm . . . überreihte . . . das Empfehlungsihreiben der Gattin des Abwejenden. Goethe 16, 48, beffer: der Gattin des Abmwejenden das Empfeblungsihreiben x.

Zwei ſprachliche Bemerkungen zu einem Aufſatz von Eugen Babel: „Zu Schiff nad Italien“. (National-Zeitung 49, 560.)

1. Unvergejslih war der Eindrud der Riviera, die als leuchtender Streifen an ung vorüberzog und mit ihren hervorjpringenden Felſenufern, grünen Thälern, Gärten, Billen und Häufern bei dem Einen glüdlide

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Erinnerungen, bei dem Andern eine jhwer zu ftillende Sehnſucht hervor: rief. (Spalte 2.)

Hier, wo der Scriftfteller von dem Eindrud jpridt, den das wechjelnde Landihaftsbild der Riviera auf das Auge aller im Schiff daran Borüberfahrenden als von einem unvergeislihen und bleibenden hervor— zufen muſste, hat er durdgängig und ausnahmslos das Imperfektum angewandt. Da er jelbft aber einer dieſer Schiffsgenoffen war und von fih auch auf die andern fließen zu fönnen glaubt, jo wäre es meiner Anfiht nah doch wohl richtiger geweſen, wenn er für das erfte Zeitwort ftatt des Imperfekts, um die Unvergeislihkeit und Fortdauer des Eindruds zu bezeichnen, das Präfens gemählt hätte, etwa jo: Sicherlich [dauernd und] unvergejslih für alle Schiffsgenoffen ift der Eindrud der Riviera, die ꝛc. und aud weiterhin würde ich es für eine Verbeſſerung halten, wenn für die Einzahl: „bei dem Einen . . „, bei dem Andern“ die Mehr: zahl ftände: bei den Einen... ., bei den Andern.

2. [Wir] fteuerten unmittelbar auf Genua zu. Der Kapitän meldete uns, dajs wir wohl jhon um 6 Uhr Nadhmittags bier eintreffen werden, dais aber no immer eine weitere Stunde vergehen könnte, bis wir mit unjerm Dampfer feftliegen. (3. Spalte.)

Hier follte mit Rüdjiht auf das Imperfekt meldete in dem mit „das“ eingeleiteten abhängigen Sake ıc. es ftatt der durch Sperrdrud hervorgehobenen Formen richtig beißen: „daſs wir... . eintreffen wür— den... bis wir... feftlägen oder fejtliegen würden”, während die von dem Schriftfteller angewandten Zeitformen beredtigt wären, wenn in dem Hauptjag das jogenannte erzählende Präjens ftände: Wir fteuern . .. Der Kapitän meldet uns ıc.

G'wächte f.

Über das Unglüd von Zermatt... Ermwähnenswerth ift, dajs die gefürdtete „G'wächte“, dur deren Einſturz Dr. Günther und feine beiden Führer den Tod fanden, bei viel ungünftigeren Schneeverhältniffen von Dr. Frig Draih . . . ohne Unfall pajjiert wurde. Nat.»Ztg. 49, 556 (aus der Wiener N. Fr. Preffe).

Zu dem berporgehobenen Wort jehe man in meinem Wörterb. III ©. 1507b: „Schnee-Wedte f.; —n: ſ. Schild 21 und Schneewehe“ und ©. 1507b: „Wehe f.: . . . 3) ein vom Wind zufammengemwehter Haufe Schnee, Sand ꝛc. War ausgeglitten und in eine Schnee-W. ge funten. Auerbah Ed. 372; of. 175 ꝛc, jhmzr., in Zirol ud Schnee, wehete oder Schneewedte. Kohl Alp. 1, 54 (ij. Schild 21). Daſs

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der angewebte Schnee fih grade auf der Pafterzenfeite in jogen. Schnee- wechten (überhängender Schnee) anlegt, und dajs der Pfad hart am Nande diefer Wehten . ... aufiteigt. Petermann (64) 327b ff. Die Schnee und Eiswehten. 329a zc. von größern Schneemaffen, dagegen von Heinern: Wind-W. (j. Windmebe, vgl. Wend 4); an der zulekt angegebenen Stelle (S. 15570): 4 mumdartl.: Schneemwende: hober Streifen zufammengewehten Schnees. Schmeller 4, 105 (vgl. Schneewehe, zufammengezogen aus Wehende?); ferner III S. 925b unter Schild Nr. 21: (f. Sc) hängende Eis» und Schneemaffen: Der Berg hängt voll Eis- und Schneefhildern. Spindler Vogeld. 1, 218. Schneedäder .. ., „Föhnenſchilde“ oder „Schneewehten“. Kohl Alp 1, 254; 3, 10; Windſchilde“ (ſ. Windbrett). Tſchudi Thierl, 227; ferner in meinem Ergänz.-Wörterb. ©. 619a: Wehe f.: 3. auch: Den Schneehaufen ... . Sprang mitten in die W. hinein. Weftermann 258, 528b. Schneehügel und Weheten. Berlepſch 226. Die weit überhangenden Schneemweheten. 240. W—n oder Wähten. Bom Feld zum Meer 2, 592a. Schnee W—n oder Schneewächten 591b; 594b. In einer Schneewehe. Freytag Ahn. 5, 358 u. o. (vgl: In eins der Schneegewinde Novellenihaf 16, 152). Schnee und Sandwehen. Nord und Süd 31, 41 u. f. w. Zu den hier belegten Formen wäre nod das die Überſchrift diefer Nr. bildende weiblide Hauptwort: die G'wächte (= Gemwedte) zu fügen.

Bombenhaus.

Ich habe bier in der Zeitſchrift wiederholt von der verführeriihen Peichtigkeit geſprochen, mit welher wir im Deutichen loſe Zufammenjegungen bilden fünnen, deren Bedeutung außerhalb des Zufammenhanges Niemand anzugeben im Stande fein dürfte.

Ein Beiipiel folder, im Allgemeinen nit ins Wörterbuch gehörenden Wörter, bildet das in der Überſchrift ftehende, das id in einer Erzählung von Adolf Wilbrandt (Vater und Sohn, f. Gartenl. 43, ©. 502b) ge- funden habe und das ich hier den Yejern vorlegen möchte.

Da jagt eine aus Münden jtammende, fih in ihrer Sprade gehen laffende Schaufpielerin von ihrem Regiſſeur:

O du Lausbub! Wie gern hätte ih dem gejagt, was der Münchener Schuſterbub zu dem bellenden Köter jagte: „Du Melifizvieh, elendig's, miferabilig’s!*

Und dann heißt es weiter:

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Rudolf ftarrte fie faffungslos an. Ich verftehe nicht, ftammelte er, als er Worte fand. Ich date, im Theater trägt man fie auf Händen —, vergöttert Sie

Bergöttert mi! lachte fie auf. Na ja manchmal fhon, wenn ih ihnen ein Bombenhaus gemadt oder ein verlorenes quatihes Stüd gerettet habe dann bin ih die berrlihe Thea... Aber wer fann denn immer volle Häuſer maden, wenn ein Ejel von Direktor und ein Heuochs die blödfinnigften Schmarren geben ıc.

Hier wird freilich jeder Lejer jofort wiffen, dafs die Schaufpielerin aus Münden mit dem Bombenhaus ein volles Haus (im Theater) bat bezeichnen wollen. Uber ich bezweifle, dajs irgend ein Leſer auf die ihm ohne Weiteres vorgelegte Frage:

Was bedeutet ein „Bombenhaus“ ? die richtige Antwort gefunden haben würde (vgl. Zeitihr. ©. 137 Nr. 53; 191 Nr. 1).

Wenn nun aber ein Leſer weiter fragt, wie hier das Wort zu diejer Bedeutung gekommen jein mag, jo fann ih nur mit einer Bermuthung antworten.

In meinem Wörter. III S. 1433c babe ih unter voll in ber bejondern Bedeutung bejoffen, berauſcht viele Belege gegeben, auch für die verjtärfenden Zufammenjegungen, wie: blind», blind- und ftarz, blinde hagel-, himmelhagel-, ſternhagel-, ftern-voll u. a. m., vgl. Ergänz.- Wörterb. ©. 591c, wo ih aud aus dem Magdeburger Kommersbud angeführt habe:

Sauf did kartaunenvoll! und ähnlich Habe ich denn auch 3. B. im ftudentiichen Kreifen gehört: Er ift bombenvoll x.

Man wird wohl nit irre gehen, wenn man für viele diefer ver- ftärfenden Zufammenjegungen zur Erklärung Das zur Hilfe nimmt, was id in meinem Wörterb. 3. B. Bd. I ©. 168c unter I Blig Nr. 2c gejagt und bier folgen laſſe:

„Oft als ein Ausruf des Fluches, der Ver- oder Bewunderung, uriprünglih: Der Blik [das Wetter, der Hagel, das Donnerwetter] jchlage drein! Blig und Wetter in alle Schüöngeifterei hinein! Lenz 1, 157. Blitz! wie die wadern Dirnen ſchreiten! Goethe 11, 36. Blig aud! Hadländer Stillfr. 2, 232. Blau Blig! Gotthelf Uli 2, 367. Por Blig! 98; Tieck Accor. 1, 37. Gottes Blig! Scherr Graz. 1, 328. Blik Element! Schwab 2, 447. Blig, Hagel! Chamiſſo 3, 221. 6, 276. Blitz, Hagel, Wetter! Fall 157. Blig, Donner und Dagel, ſeid ftill! Schiller 113b. Was? Der Blig! | Das ift ja die Buftel! 32la ꝛc.

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So aub oft als Beftimmungswort in Zufammeniegungen: Wie krieg’ ih aber die Blikdinger [die verfluchten ꝛch wieder heraus? Lichtenberg 5, 256. Der Bligkerl. Zſchokke 1, 154 und bemwundernd 3. B.: Blit-Bube. Schiller 126b, -Mädchen, -Mädel. Aleris Hoi. 2, 2, 179; Leſſing 1, 416, Here Auerbach Dorfgeih. 4, 76. Sogleid) ſtern- und bligverliebt. Kintel Erz. 205. Blig-dumm, «wenig ꝛc.“

Und fo möchte ih denn annehmen, dafs aus ſtudentiſchen Ausdrüden, wie poß (f. d. in meinem Wörterb. II ©. 577c) Bomben und Gra- naten! 2c, bombenvoll, fib auch in der Sprade der Schauipieler Ausdrüde herausgebildet haben, wie: Ein bombenvolles Haus und danach auch: Ein Bombenhaus in dem oben angegebenen Sinne.

Gelentert. Novelette von Celefte v. Hippel.

Ich möchte die Leſer und namentlid die Leferinnen meiner Zeitichrift auf dieje in der Abtheilung der „rauen-Zeitung“ (in der Illuſtr. Ztg. Nr. 2734 und 2735) enthaltene vortreffliche kleine Erzählung ganz be- jonders aufmerffam mahen; und Das kann ich bier in meiner Zeitihrift ohne deren Eigenart außer Augen zu jegen, vielleiht dadurch thun, daſs ih aus der Schlufshälfte (S. 684a—685a) die nachfolgenden Stellen berjege mit kurzen Hinweiſen auf Spradliches:

1. Da fängt gegen Abend ein leihter Schnee an, die Luft zu ver- dunfeln. „Nah Geeitemünde hinab geht's nicht mehr, wir müjien um“ wird beſchloſſen. S. 684b.

Bol. mein Wörterb. II ©. 353c ff, wo es unter „müfjen“ II, 2c heißt: „Der Infinitiv bei müjfen bleibt zumeilen fort... ., nicht bloß, wo er aus dem Nebenftehenden zu ergänzen ift . .. ., jondern aud 3. B.: Sie haben Net. Sie müffen [jo handeln, wie Sie handeln). Daſs Sie fünnen, | was Sie zu müſſen eingefehn, | hat mid mit jhaudernder Bewunderung durhdrungen. Schiller 279a. „Vater! ſchieß zu! ih fürcht' mid nicht!“ Es muſs [fein oder geſchehen 537 b zc. und namentlich oft, wo eine Bewegung durch Präpofitionen oder Abverbien bezeichnet ift, im legtern Fall auch unehte Zufammenfegungen bildend (vgl. können Il 3a), und zumeilen übertragen: Jh muſs zu ihm oder bin, nad Haufe oder heim, zurüd. Der Brief mufs zur Poft. „Die Haube muſs in die Schachtel (oder hinein)“ Dann mufs erft der Dedel von der Schadtel (oder ab, herunter), und zahlreiche weitere Beiipiele und Belege, auf die bier hinzuweiſen genügen wird.

Daran jchließt fih das obige: „Wir müjfen um“, was aber wie ich nicht verbehlen will als nicht eben üblich, einigermaßen hart

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klingt ftatt des gemwöhnliden: wir müfjen umfehren oder zurüd (fahren, jegeln :c.], ſ. u. Nr. 4.

2. Da fährt ein heulender Stoß dur die Luft und wirbelt den immer dichter fallenden Schnee wie toll durd einander. Das war der Drud, jegt bricht's los. „Gnade ung Gott!” fo murmelt Einer von den Sieben und in den Andern ballt der Stoßfeufzer nad. Weitaus legt das Großjegel, die Schaluppe fliegt umd tanzt wie eine Nufsihale auf den Wogen, die der launenhafte, plöglih entfachte Sturmwind mit mächtigen Athen zufammenbläft, bergan, bergab. Das Bim-bam der Glodenboje tönt unbeimlih nad; das Topſegel wird gehiſſt, dann ſchnell, nur jchnelf vorwärts auf Land! ... Der Wind hat eine furdtbare Stärke erreicht; im Nu liegt das Fahrzeug rechtwinklig nah Yee. Die Welle am Bug überfluthet jhäumend den flahen Bord, der Schnee blendet die Augen; nicht „Bake“ (Seezeihen an Land), nicht „Feuer“ (Leuchtthurm) in Sidt. Seht warnt das Houh-Houh der Heulboje im Toben des Orkans, der Schnee und Segel vorwärts treibt in wüthender Raſerei. Geipannt juchen die Gefährten das Fahrwaſſer zu eripähen; nit Steuer, nit Segel ge: horchen; mit Menjchenarbeit ift bier Nichts mehr zu thun. Stille Stoß- gebete fteigen empor, nur ein Wunder vermag Rettung zu bringen. Bange Minuten dehnen fih zu Ewigkeiten. Da ein jharrender Laut! Hilf Gott, e8 ift die Sandbank. Schnell wie der Blik ein betäubender Stoß das Fahrzeug iſt gefentert, umgejhlagen im Tofen der Wellen, Mann- ſchaft und Fang unter fih begrabend. ©. 684b.

Ich habe diefe längere Stelle hauptjählih als Probe der jpannenden fih fahgemäß in Scifferausdrüden bewegenden Darftellungsweife der Verfafferin hergeſetzt. Über das Einzelne verweife ich zumeift auf mein Wörterbuh und dejfen Ergänzung; ſ. namentlid für die hier nicht befonders aufgeführten (im Obigen durch Sperrdrud hervorgehobenen Wörter) Boje (Wörterb. 1 ©. 186) zur Bezeihnung des richtigen Fahrwaſſers oder als Warnung vor Abweihung davon durch läutende Gloden oder durch beulende (bier durch die Schallnahahmung Houh-Houh bezeichnete) Tüne, vgl. mein Wörterb. I S. 795c: Hu!

3. Bis das Fahrzeug an der Südbuhne anlegt. Raſſelnd fällt der Anter und hakt ſich in die Spalten der Steinquadern. ©. 6846, ſ. Wörterb. 1 ©. 661a/b, übliher: ſich einhaken, ſich feft halfen.

4. Antje freifht laut auf: „Engel [weihliher Vorname), jag nicht, dafs er todt ift“. „Gelentert!* ringt es fih von Engel’ Lippen. „Und Seiner gerettet? Wie wollt Ihr's wiſſen?“ ſchreit Antje und padt das Mädchen mit eifernem Griff. „Alle unter bis auf Bolfo Sinmering, der hat's erzählt.“ ©. 684c untergegangen, untergefunfen (vgl. Nr. 2),

.: Ich war unter und friegte eine Planfe zu fafjen, an der hielt ih mid. ©. 685b,

5. Laut aufſchluchzend, birgt fie fih an feiner Bruft und Hammert fih an ibm und taftet thränenblind über feine hagern Wangen, feine ergrauten Haare. ©. 685a von Thränen geblendet, |. Wörterb. I S. 167a.

Schufter und Schneider. Erzählung von Jſolde Kurz. (Bom feld zum Meer XV ©. 102—115.) Einige iprahlihe Bemerkungen.

1. Er trug Das alles zwar ohne Antnüpfung und Zufammenbang, fondern funterbunt, wie es ihm gerade einfiel, aber mit jo viel Wärme und Überzeugung vor, daſs er die Hörer immer wieder mit fi rifs- S. 103b. Strenger richtig ftände hier nad dem vorhergehenden ohne ftatt des jondern ein aber (wo dann das weiter folgende aber durch doc erjeßt werden könnte), j. über das auf ohne folgende fondern „in einer gewijfen YFügung nah dem Sinn“ Hauptidwier. S. 256b Nr. 3 und bier in der Zeitihr. 3. B. ©. 36 Nr. 22.

2. Hätte er fie [die Geliebte] lieber gleih im erften Jugendleichtſinn heimgeführt, dann wäre wenigftens das eben nicht jo ungelebt verflofjen. S. 1065, ohne dafs es den Namen eines wirklihen (von Lebensgenuis erfüllten, wahrhaft genoffenen) Lebens verdient hätte, f. in meinem Wörter- buh II ©. 63c unter I leben Ih, vgl. ebd. ©. 67b unter II Leben 6a. Das verneinte Mittelwort ift aber weder in meinem Wörterb., nod in meinem Ergänz.-Wörterb. eigens erwähnt worden, weſshalb ih es bier nadgetragen.

3. Er wuſste ja, daſs fie [die Tafche] fein Loch hatte, wie follte denn das Geld hindurchgefallen jein? Aber bei jhärferem Hinjehen entdedte er eine blöde |[j. mein Wörterb. 1 S. 170c: I blöde Nr. 2] Stelle, die in der Diagonallinie durchgewetzt [f. ebd. III ©. 1593 a] war.

4. In dem großen Garten jenfeit3S der Hofmauer, von dem mar nur einige Baummwipfel jah, ſchlug jegt eine Nachtigall an und warf ein paar jhmetternde Rouladen in die laulihe Abendluft x. ©. Illa, vgl. Wörterb. III S. 938b, wo es unter jhlagen in Mr. 16 heißt: „vom Schlag (f. d. 6) der Singvögel (f. bellen, Anm.; anjhlagen 10) :c.“ und S. 939c unter anfhlagen, wo es in Nr. LOc (unter Hinweis auf ihlagen 16) Heißt: „von Xhieren: laut werden, namentlih von Hunden. Freiligratd Garden 41; Gukfow Mitter vom Geift 7, 271; Yaube Yagdbrevier 237; Schiller 66b ꝛc. Die Hunde ihlagen auf Einen an, Klinger 4, 129, fein Nahen merfend und verrathend ꝛc.; ferner: Die

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Hähne (Bettina 1, 243); Nahtigallen (Spee 267) ſchlagen an; Die Wadtel, die... ihren Silberſchlag jo hellgellend anſchlug. Ramler 25 ꝛc.“

Ich habe diefe Stellen aus meinem Wörterb. hier ausführlicher her- gelegt, mit Rüdfiht auf die im Allgemeinen ganz richtige Bemerkung, dafs anjhlagen alfgemein üblih jet nur in Bezug auf Hunde, nit auf Bögel, f. dagegen die Stellen oben und beadte den Unterſchied: Die Nachtigall ſchlägt, verjhieden: fie ſchlägt an fie beginnt zu fchlagen.

5. „Giebt es gar feine Ausnahmen?“ fragte Lydia jhüchtern. „Es giebt, aber mit diefen haben wir Nichts zu thun.“ ©. 112a, mit ums gewöhnlider Weglaffung ftatt: „es giebt welche oder ſolche oder deren“, j. Wörterb. I ©. 5496 Nr. 5 und Ergänz.-Wörterb. ©. 222b Nr. 5.

6. Für mich zerfällt die Menſchheit jeit lange in zwei Hauptgattungen: die Schufter und die Schneider... Ja, die breitipurigen, mweitherzigen, die derben, finnenfroben, die Temperamentsmenihen, die Schuſtermenſchen und bie feinfpurigen, jpigigen Schneider, die flugen, oft juperflugen, ipefulierenden, weit ausſpähenden, rechnenden, aber fich verrecdhnenden, aber noh öfter gewinnenden Schneider... Wir Alle haben feine Wahl, wir müſſen entweder Schuſter oder Schneider ſein . .. „&iebt es gar feine Ausnahmen?“ ... „Es giebt [j. Nr. 5], aber mit diejen haben wir Nichts zu thun; Das find die ganz flauen und unbedeutenden, die weder Fiſch noch Fleiſch find, oder aber die allergrößten und begabteften, die in fi den Schufter und den Schneider vereinigen, wie 3. B. Napoleon; aber, wie gejagt, dieje gehen uns Nichts an, es find Über- oder Untermenjhen. Der Normalmenſch homo sapiens gehört ſtets in die eine oder die andre Klaſſe . . . Ein glänzendes Beifpiel: Markus Antonius und Oktavianus ... Wer fann bier den Schufter und den Schneider verfennen? ... Es war ein Greignis von unergründlicher Zragit, als das Schuſterthum größten Stiles bei Aktium unterlag. Ich weiß nicht, wie Andere denken, ih für meinen Theil gäbe das ganze aus taujend Rappen zujammengenähte Weltreih des Schneiderfaijers Auguftus für die Liebe der jhönen Haypterin ... . Zwei andre große Berförperungen des Schufter- und Schneiderprincips ... Es giebt ganze Schufterjahrhunderte, in denen die Menichheit fih mit einem Mal verjüngt. So war die Renaiffance ein großer Triumph des Schuſter— thbums... und wurde von der Meformation recht jhneidermäßig abgelöſt . . . Das Schufternaturell .. . Eremplare der Schneider: jpecies... Es ift traurig . . .„, daſs in der Welt das Talent zu einem freien froden Schuſterthum ganz zu erlöfchen droht... . Keinen Griff ins Volle, kein ganzes Menſchenthum, feine Freude am ein, die jonft ihr Licht über weite Kulturftreden warf, überall Nebenzmwede, jociale

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Probleme, Erdenangft, der Krampf der Nadel, engfter Schneidergeift. Meine Freunde, treten wir zufammen, gründen wir einen freien, froben Schuſterbund . .. Nicht Stih für Stih mit der feinen ſpitzen Näh— nadel, mit der breiten Schufterable wollen wir unfer Leben zu— jammenidhuftern.“ ©. 112b-—113b.

Man würde offenbar der Berfafferin der Erzählung: „Schufter und Schneider“! Unrecht thun, wenn man aus dem gewählten Titel und der vorftehenden (möglichft verkürzten) Rede einer der Hauptfiguren ihrer Erzählung den Schluſs ziehen wollte, dajs fie damit ihre eignen Anſichten babe ausſprechen wollen; doch Das mag hier auf ji beruhen; der Grund, weishalb ih die verkürzte, aber do immer noch fehr umfangreige Stelle hier in meiner Zeitſchrift für deutihe Sprache mitgetheilt habe, ift der, daſs ih im der Mede des Spreders die Bezeihnungen Schneider und Schuſter für die beiden einander gegenübergeftellten Klaſſen der (um fie furz zu bezeichnen) leichtlebigen, frohfinnigen Genuſsmenſchen und der jhwer- lebigen, ernften, treuer Pflihterfüllung Huldigenden Menſchen nicht als in der allgemeinen deutſchen Auffaffung begründet anzuerkennen vermag.

Aus meinen früheften Kinderjahren ift mir „der luftige Schuſter“ als der Titel eines oft gegebenen (wenn ich nicht jehr irre, von Ehriftian Felix Weiße verfajsten) Singipiels im Gedächtnis geblieben; aber ich mwüjste mi nicht zu entjinnen, dajs fröhliche Lebensluſt, heitres Genießen des Augenblids, Unbelümmertheit um die Zukunft u. ſ. w., als kenn— zeichnende, haftende Eigenihaft aller Schufter in der Anſchauung des deutihen Volkes und bei deutſchen Scriftitellern je bejonders hervorgehoben wären, Man fehe 3. B. in der von Schmidt-Weißenfels herausgegebenen „Deutiden Handwerter» Bibliothef“ den Band mit dem Titel: „Zwölf Schuſter. Hiftorifhenovelliftiihe Bilder der bemerfenswertheften Zunftgenoffen“, unter denen in der Meihe der Aufgeführten fein Einziger ericheint, der als Ber: treter der in der Erzählung der Scriftftellerin den Schuftern eignenden Lebensauffaffung angejehen werden fünnte, vgl. auch Wander's Sprihmwörter- Terifon Bd. IV Sp. 398 ff, mo fih nichts irgend wie Hergehöriges findet ; doch will ih bier (in Hocddeuticher Form) die Nummern berjegen, in denen Schuſter und Schneider zufammengeftellt find; Nr. 26: Scäufter, Schneider, Leineweber, verlogene Leute; Nr. 36: Wann hat der Schuſter je ganze Stiefel und der Schneider ganze Hofen?; Nr. 49: Schufter und Schneider werden Dem wohl nit mehr viel anzupaffen haben, aber der

ı Yfolde Kurz, die 18583 geborene, in Florenz lebende Tochter des Schrift: fiellerd und Tübinger Bibliothefard Herm. Kurz (1813—1873), von der wir Gedichte (2. Aufl.), Slorentiner Novellen, Phantafien und Märchen befiten.

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Tiihler [nämlih den Sarg] und als einzige Nummer, worin Schufter und Schneider einander wirfli gegenüber gejtellt werden, Nr. 40: Wo- von der ſſtarke, fräftige] Schufter (nad andrer Pesart: Grobſchmied) lebt, davon mufs der ſſchwächliche, ſchmächtige Schneider fterben, vgl. wieneriſch (ij. unter Schneider Bd. IV ©. 298 ff): Was dem Schneider gut tbut, bringt den Schufter um, ſ. u.

In Bezug auf den „luftigen Schufter“ möchte ih aber auch ber BVollftändigleit halber das Folgende aus Büchmann's „Geflügelten Worten“ (16. Aufl. 1889) S. 83/4 nicht übergehen:

„Ein jorglos bei feinem Tagewerk Singender und überhaupt ein laut Bergnügter wird gern Johann, der muntere Seifenfieder, genannt nah der Anfangs- und [der] Schlufszeile des Friedrih v. Hage— dorn’shen (1708—54) Gedichtes ‚Johann der Seifenfieder‘ (‚VBerfuh in poetiſchen Fabeln und Erzählungen‘ 1. Bud Hamburg 1738). Auch ſpricht man furzweg von einem muntern Seifenjieder, wie denn ſchon Gleim (‚An die Freude‘, ſ. Voß Mujenalmanah für 1798 ©. 88) dichtet:

„Alle muntren Seifenfieder Sind verfhmunden aus der Welt! Hagedorn’8 und meine Lieber Singt fein Trinter und fein Held.“

Dazu beißt e8 dann noch in einer Anmerkung: „Hagedorn jhöpfte den Stoff aus Ya Fontaine's (Fables VIII 2) ‚le savetier et le financier‘, nur leitete er fühn genug savetier von savon her und machte aus dem Schuhflicker einen Seifenfieder.”

Ob man bei einem der franzöfiihen Sprade jo Kundigen, wie Hagedorn, wirklich ein jolhes Miſsverſtändnis annehmen darf oder ob nicht der Dichter abfihtlih den Schuhflider in einen Seifenfieder umge- wandelt, etwa aus Nüdfiht auf Versmaß und Reim und vielleiht aud) geitügt auf die zu feiner Zeit herrſchende Sitte, fi bei dem feuergefähr: lichen Seifenfieden dur Geſang fortwährend wach und munter zu erhalten, möge als bier zu fern liegend dahin gejtellt bleiben. Allerdings denken wir beute bei Seifenjieder zumeift an uns zeitlich näher liegende Stellen unfrer bedeutendften Dichter, zunächſt an die Stelle aus Wallenftein’S Lager Sc. 11: „Das denkt wie ein Seifenfieder“, wozu ih in meinem Wörter- buch II S. 1097a ertlärend hinzugefügt babe: „von banaufiiher Ge— finnung”, vgl. au in Goethes Egmont im Anfang des 2. Aufzuges, wo der zu den Bürgern von freiheitliher Gefinnung binzutretende „Seifen fieder“ feine Rede beginnt: „Garſtige Händel! Alle Händel! Es wird unruhig und gebt ſchief aus! ꝛc.“ und dafür von Soeſt verhöhnt wird: „Da kommen die fieben Weiſen aus Griechenland! ꝛc.“

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Ehe ih aber num auf die von Iſolde Kurz den Schuftern gegen- übergeftellten Schneider fomme, möchte ih noh die Warnung ausjpreden, fih nit durch eine einzelne Stelle oder ein jogenanntes geflügeltes Wort zu einer falihen PVerallgemeinerung verleiten zu laffen, und id erlaube mir, zu diefem Zwed auf mein Ergänz.»-Wörterb. ©. 220 binzumeifen, wo e8 in gedrängter Kürze heißt:

Betrübte Lohgärber [demem die Felle weggeſchwemmt find, nad einem Bilde von A. Schrödter, zur Verſpottung von Leſſing's, Trauerndem Königspaar“) |. Weftermann 288, 734a.

Wer fih durch das (bei Bühmann, in der 16. Aufl. noch fehlende) „geflügelte Wort“ von den „betrübten Lohgärbern“ [ohne weitern Zuſatz) verleiten ließe, alle Lohgärber als betrübte Perjonen aufzufafjen, würde gründlich fehl gehen.

Wenn ih nun nad dieſer Abjhweifung auf die von Iſolde Kurz den Schuftern gegenüber gejtellten Schneider übergehe, jo verweiſe ich zunächſt auf mein Wörterb. III S. 990a, wo es unter Schneider in Nr. 2 heißt: „Kleidermader .. ., oft gehöhnt als gliederfteife, feige Shwäd- linge, Fröftlinge, Diebe ꝛc.“ und das dort weiter Ungezogene und dann in Nr. 3 (mit Hinweis auf Nr. 2): „ſcherzhafte, verähtlihe Bezeihnung für Leute von jhimpflih ſchwacher Leiftung, 3. B. im Stat-, im Buff: jpiel :c,, ferner weidmänniih: ein Jäger, der Nichts geſchoſſen. Yaube Jagdbrevier 286, vgl. auch Schrader's Bilderſchmuck S. 453/4: „m manchen Spielen ſagt man von Dem, der nicht über die erſten Anfänge und Erfolge des Spieles hinausgekommen, alſo nicht mit Ehren unter» legen ift: Er iſt Schufter, Schneider oder: er ift nicht aus dem Säufter, Schneider... . Der Bergleihungspunft liegt in dem Spott und der Milsahtung, mit dem die Sprade bier jene Berufsarten be= handelt” —, wo aljo Schufter und Schneider einander glei, aber nit als Gegenjäge einander gegenübergeftellt werden.

Aus Wander's Spridwörter:Yerifon (worin man namentlihd IV ©. 302 Nr. 89 beachten wolle) wäre nur noch etwa die Gegenüberftellung in Nr. 45 zu erwähnen, die freilihd auch nit mit der von Iſolde Kurz übereinftimmt: Schneider ein Graf, Schufter ein Schaf.

7. „Sagte er [der Trunfene] jhon etwas zungenſchwer.“ ©.114a, eine in meinem Wörterb. II ©. 1047 nit aufgeführte Zufammenjegung ftatt des üblihen: mit ſchwerer Zunge, vgl. Tallend.

8. „In einem Mauerloh jaß ein einfiebleriiher Kiub und jein flagender Ruf, der die ganze Naht nicht verftummte, erfüllte den ein— jamen Mann mit einer jeltenen Wehmuth.“ ©. 115a, ob etwa = Uhu

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(ij. d. in meinem Wörterb. IT ©. 1410c/la) oder etwa eine andre Eulenart, wüfste ih nit mit Sicherheit zu jagen.

9. „Einem Menſchen, der ein theures Angehöriges“ ſſ. über dies Männlihes umd Weiblihes zufammenfaffende Neutrum unter diefem Zitelfopf in meinen Hauptihwier. ©. 214b ff. und das dort Angeführte, auch im laufenden Jahrg. der Zeitihr. S. 108 Nr. 1] und den über Naht ein Traum in den Beſitz jeines Glüds zurüdtäufgte [S. mein Wörterb. III ©. 1294c). ©. 1154.

Geilter und Menſchen.

Ein Roman in 3 Bänden von Adolf Wilbrandt. Nörblingen 1864. (Schluſs, ſ. S. 271—276.) Erſter Band.

39. ©. 124: Lucius wagte ihr Schweigen nicht zu unterbrechen, empfehlenswerther in der Stellung: %. wagte nit, ihr Schweigen zu unterbreden, vgl. Nr. 71, j. Hauptihmier. S. 215 unter „nicht“ 1.

40. ©. 131: „Was für Geheimniſſe?“ fragte der arme Yuftus, den die Neugier zu benagen [gewöhnlider: zu nagen, zu plagen, zu quälen, in dem die Neugier fi zu regen zc.] anfing.

41. ©. 137: Das überftrömende Herz des Alten, jo lange Jahre in unverbrühlihes Schweigen eingemauert [übliher: verſchloſſen :c.] und nun auf einmal entfeſſelt, hatte ihm Alles verratben.

42. ©. 142: „Erlauben Sie, dajs ih die Kerzen auslöjde; hier diefe Laterne ift Ticht genug für uns und verräth uns nicht ... Als die Kerzen todt [= ausgelöjht] waren, ſchwamm ein jeltfames Halbduntel im Zimmer umher“ herridte oder verbreitete ſich nur noch ein ſeltſames Halbdunkel im Zimmer].

43. ©. 148: Juſtus trat hinzu und, als ihm eilig berichtet ward, dais er zu fpufen anfange, zog er ein überlegenes, geheimnisvolles Lächeln auf, üblider: zog er lähelnd eine überlegene Miene auf, ſ. mein Wörterb. III ©. 1749a unter aufziehn 5, wo aus Benzel-Sternau fi der Beleg findet: „Die Schäfermiene wirkte nit, num wurde die troßige aufgezogen”, mit dem Hinweis auf auffteden 1a (ein anderes Geſicht, eine andere Miene aufſtecken, vgl. auffegen lc Wörterbuh III ©. 1084a).

44. ©. 150: Haft du vor den gräfliden Bomeranzen Süß- holz [j. Wörterb. 1 ©. 785a] rafpeln [ebb. II ©. 643b] müfjen? „Sräflide Pomeranzen“, eine nicht allgemein übliche Bezeihnung für hochadelige Damen, hat wahrſcheinlich der adelhafjende Yandbewohner ſich

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als Gegenwort zu Yandpomeranze gebildet, das in meinem Wörterb. II ©. 573a erllärt ift als „burihifofe Bezeihnung einer Schönen vom Lande mit mangelnder Weltbildung”, vgl. ebd. ©. 4Y1la/b unter Pad 2 und Zufammenjegungen: „Wenn jo Einer von Bürgerpad reden will, warum ſollten wir niht von Junker- und Adelpack reden dürfen?“ u. A. m.

45. ©. 155: Der... hat den gemealogiihen Hofkalender Seiner Majeftät des Satans im Kopf, wie Keiner! Du mufft nit glauben, dafs der Teufel meiter Nichts bat als eine alte Großmutter und einen Pumps ftafen. Hierzu führe ih aus dem holſteiniſchen Idiotikon von Joh. Friedr. Schulze (Hambdg. 1802) Ill 243 das Folgende an: „Bumpftod: Stod, der das Waſſer aufs und abzuziehen dient. Ob daber das (holit., bamb.) de Düvel un fin Bumpftod! rührt, welches allerlei Gefindel, Teufel und XTeufelsbaf, Anhang bedeutet? In Kolmar jagt man von allerlei lojem Bolt: Humpftod un BPumpftod. Aud: da bett de Dümel fin Humpſtock un PBumpftod berihidt: Menſchenmiſchmaſch.“ Bgl. in meinem Wörterb., wo dieſe niederdeutihe Anwendung unerwähnt ges blieben ift, III S. 1178a und 1222c Bumpen: Stange, -Stock.

46. S. 157/8: Da ift ihnen [den Adligen] der bürgerlihe &eld- jad [j. Wörterb. III S. 832a Nr. 2) recht, den fie jonft gern die Treppe Dinunterwürfen und mit Hunden hegten. Aber Das glänzt jo lange, bis es jih von Haus und Hof geglänzt hat. Adelftolz und Bürgergeld, wir wollen jehen, wer von beiden es am längiten aushält. Man beadte das unbezüglihe glänzen, das mit der Angabe der erfolgten Wirkung bier als rückbezügliches Zeitwort gebraucht ift: „Sih von Haus und Hof glänzen“ durch das übertriebene Glänzen es dahin bringen, dais man von Haus und Hof weg mufs, fih dadurch um Haus und Hof bringen.

47. ©. 160: Ich muſs an den drolligen Ausdrud denen, mit dem der Bauer am Rhein die hodhitehenden, überlangen Weizenähren nennt, die gewöhnlich leer find! „unter und Kavaliere“ nennt er fi. Das find dann, ins Menſchliche überjegt, die hohen Herren, die den Kopf über allem Volk tragen und vor ihrem Juden nicht einen Groſchen werth find —, |. in meinem Ergänz.-Wörterb. ©. 290a unter Junfer, wo es in Nr. 8 heißt: „Zu viele Junker unter dem Kom .. . Wir nennen bier auf dem Lande die langen Halme jo, die den Kopf hoch tragen und nicht beugen, weil Nichts drin ift. Novellenſchatz 6, 110; entiprehend: Das Korn (Vilmar 188), der Acker (Riehl Famil. 14) junfert, bringt taube Ähren.

48. ©. 164: Dann fieht fie mih jo ihlummerjtill, jo klar, fo tonlos mit den dunklen Augen an was zu den Yujammenjegungen von ſtill (f. Wörterb. III ©. 1217 b/e; Ergänz-Wörterb. S. 525b) gefügt werden könnte, vgl, traumjtill ꝛc. ftill wie ein Schlummernder x.

3ll --

49. ©. 170: Wir müffen uns ein ander Mal darüber ausreden, (j. Wörterb. II ©. 688a Nr. 3a; Ergänz-Wörterb. ©. üblicher: ſich ausſprechen.

50. ©. 173: Wie ich dieſe ſchmutzigen Fäuſte haſſe, die ſich um ihre Geldſäcke klammern und ſie uns Adligen patzig ins Geſicht halten! ſ. in meinem Wörterb. 1 ©. 91a unter batzig 2, wo es heißt: in über- triebenem Selbftgefühl fi breitmachend, unvegfhämt-derb und grob, meift mit anlautendem p und die Belege dort.

51. ©. 175: So mit ein paar Strichen [des Malers] läſſt fi wohl die Täufhung hingaufeln [auf die Leinwand], als hab’ man ihr’s [der Natur] abgelaufht. Aber Das ift Dilettantengautelei. Wenn Farben und Formen daraus werden jollen adieu Natur! —, ſ. Wörterb. I ©. 547a.

52. ©. 181: Nur daſs Sie nit mit ihr [der Geiftererfcheinung] reden dürfen! mwarnte der Geifterfeher . ... Der förperlihe Klang der Menſchenſtimme feucht fie hinweg. In unferer groben Atmojphäre fönnen fie nur jo lange verweilen, als wir ſelber durh Andacht gleihjam entlörpert find, ſ. Wörterb. 1 ©. 999a, wo entförpern erklärt ift förperlos, frei vom Körper, unförperlih maden, mit zahlreichen Belegen.

53. ©. 183: Alles, warum [ftatt des ftrenger richtigen worum, j. Wörterb. 111 ©. 1412b; Hauptidwier. ©. 88a] id Sie zu bitten Habe, ift Ruhe, Schweigen und begierdelofes Empfangen.

54. ©. 184: Sein Haar begann ihm in die Höhe zu wadjen fübliher: fih zu fträuben zc., j. in meinem Wörterb. I ©. 647a unter II Haar lc und bei Wilbrandt ©. 186: „fein gefträubtes Haar“)

. Seine Bruft, die von dem jähen Athemholen ihn [vgl.: ihm] zu ſchmerzen begann, vgl.: Seine Schläfen jhmerzten ihn, feine Bruft war wie von Meffern zerichnitten. ©. 230. Dajs ihn die Schläfen und die Augen ſchmerzten (ſ. ſchmerzen in meinem Wörter. III ©. 976c Nr. 3; Hauptihwier. ©. 248 c).

55. ©. 192: Er verwünjdte feine Leidenihaft, feinen Ungeftüm, ſ. mein Wörterb. II S. 1254 0/5a; Ergänz.-Wörterdb. ©. 538, woraus ih bier (mit Fortlaffung faft aller Belegftellen und faft alles Mundartliden und Veralteten) nur Folgendes herjege: „Geſtüm a. (veralt., munbdartl.) janft, ſtill, ruhig . . . Gegenjag: ungeftüm: wild erregt in andringend heftiger Bewegung . . . Dazu: (b) fubftantiviih: ein Une geftüm m., [verfhieden, ſ. u. Nr. (f. a)] = ein Ungeftümer. Ferner [e—f] als Abftraftum: das Ungeftümsjein umd: etwas Ungeftümes, Sturm :ıc.; (ec) die Ungeftümbeit bei Xeijing, Knebel; (d) veraltet

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Ungeftüm(m)igfeit; (e veraltet) Ungeftüm(e) fem.; am bäufigften aber (f) Ungeftüm: (a) masc. verſchieden, ſ. o. Mr. b] 3. 8. bei Claudius; Goethe; Hamb. Theater (v. Schröder); Heinr. Heine; Klinger; Klopftod; TH. Kofegarten; Heinr. v. Nicolai; Fr. Rückert; Wil. und Friedr. (v.) Schlegel; Joh. Heinr. Voß; Wieland ıc.; (2) neutr. in Luther's Bibel Matt. 14, 24 (— Sturm); ferner bei Bürger; Goethe; H. Heine; Baul Heyie; Fr. Jacobs; Heinr. König; Alfr. Meißner; Olearius; Nüdert; Säiller; Spielhagen ꝛc. wonach Keller in feinem Antibarbarus (der Schwabe jagt: das Ungeftüm, der Hochdeutſche dagegen: der Ungeſtüm) zu beridtigen ift.

56. ©. 204: Ich gehe nicht von bier, eb ih (nicht) gethan babe, was ih dir fhuldig bin, mit überfhüffiger Verneinung (dem von mir eingeflammerten nicht) nah dem ehe, j. Hauptihmwier. ©. 227b/8a und vgl. bei Wilbrandt ©. 259 (ohne dies überfhüffige nicht): Sie gehen nicht von der Stelle, ehe Sie Sich erklärt haben :c., vgl. Zeitihr. S.191 Nr. 2.

57. ©. 207: Albredt ftand auf der Hausflur, ſ. über das Ge- ihleht und die Abwandlung von Flur und Zufammenjegungen Haupt- ſchwier. S. 152b und (mit vielen Belegen) Wörterb. I ©. 472c/3a.

58. ©. 208: Das wäre doch eine Würze in dieje matte, ſchale Grundfuppe, in der wir hinleben, vgl. über den hier von in abhängendem Accufativ meine Hauptihwier. ©. 230b—-232 a unter „Präpofitionen“ 2.d.

59. ©. 212/3: Wanda war an diefem unfroben (ſ. Wörterb. 1 ©. 501b, und zu Wilbrandt, |. u. Mr. 147) Tage nad) einer traurigen Naht durh jhwere Träume gewedt worden... Auf allen Saiten ver: ftimmt, ftand fie auf, j. mein Wörterb. III ©. 842b unter Saite fem., in Nr. la, woraus ih bier nur den Anfang berjege: „bildlich (G. . . . befaiten): Wehmuth reift durch die Saiten der Bruft. Goethe 1, 260. Die Liebe Tief mit ſchaudernder Hand taufendfältig über alle Saiten feiner Seele 16, 82 ꝛc.“; aber, während man jo in der gehobenen Sprade wohl von den Saiten der Seele, des Herzens, der Bruft, des Gefühls ıc. ſprechen kann, wo die Übertragung von einem tönenden Saiten- fpiel deutlich Hervortritt, jo finde ich es dod zu gewagt, wenn Wilbrandt bier ohne jede Andentung auf die Übertragung von einem Saitenfpiel gradezu von einer Perfon jagt, daſs fie nad) einer traurigen Nacht, durch ihwere Träume gewedt, „auf allen Saiten verftimmt*, aufgeitanden jei. Die Leſer mögen entjheiden, ob fie dem Spradgefühl des Schrift: jtellers oder dem meinigen hierin zuftimmen.

60. S. 218: Ich kenne mich ſelbſt nit mehr; ih nadtwandle bei Tage und im Traum. Ich muſs wohl trank jein. Für das durch Sperrdrud hervorgehobene Zeitwort in Bezug auf feine Trennbarkeit oder

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Untrennbarfeit ſ. mein Wörterb. III S. 14785; Ergänz.-Wörterb. ©. 606; Hauptihmwier. S. 349b Nr. 9 und Zeitfhr. V ©. 305 ff. Danach ift die von Wilbrandt gebraudte Form: „ih nahtmwandle* (im Hauptjag, ohne dafs ein Adverb., eine adverbiale Beitimmung oder ein abverbialer Sat vorangebt, wonach das Subjekt Hinter das Zeitwort tritt: nachtwandle ich) ſprachlich nicht anzufehten; aber in Fällen, wie der vorliegende, witrbe fih nad meinem Spradgefühl doch eine etwas andere Ausdrucksweiſe mehr eınpfehlen, 3. ®.: ih jhreite wie [f. u. ©. 314 Nr. 71) nahtwandelnd (oder: wie ein Nahtwandler) bei Tage und im Traum einher ıc., vgl. in meinem Wörterb. und deffen Ergänzung die finnverwandten Ausdrüde: Ichlaf-, traummwandeln und die Belege, 3. B. den aus Du Bois- Raymond: Wer gleihjam Ihlafwandelnd durd das Leben geht.

61. ©. 219: Deine birnlofe Schwärmerei mit diefem hergelaufenen Leinwandhelden, verähtliid Maler, ähnlich Pinſelheld [vgl. in meinem Wörterb. 1 ©. 735a: Held Nr. 3 und 5. B. Federheld, als verächtliche Bezeihnung eines Schriftjtellers, entiprehend ©. 928b: Farben: und Tintenkleckſer :c.].

62. ©. 237: Klirr! Iſſ. Wörterb. 1 ©. 940c] fiel der ſchwere Schlüffel auf den Boden hin... . Jetzt, Herr Baron, hab’ ich felber den Shlüffel aufgeholt [ebd. S. 779c Nr. 1] = vom Boden aufgeholt [in jo fern es fih um einen „ſchweren“ Schlüſſel handelt, fonft üblider: aufgehoben; j. ebd. ©. 716c f.].

63. ©. 238: „Haben Sie weiter Nichts geſehen?“ ... Nicht eine Spur . . aub nicht einen Sterbenston. Das eben nidt gewöhnliche Schlufswort, (das fih 3. B. auch noch in meinem Ergänz.- Wörterd. (S. 565c) unter den Zufammenfegungen von Ton nit bes fonders aufgeführt findet) bat fih der gefragte Diener im Augenblid gebildet nach der Ähnlichkeit mit dem alfgemein üblihen Sterbenswort (f. mein Wörterb. III ©. 1665, vgl. au ©. 1269c unter fterben 2d). Hier galt es eben nit die Schrift-, jondern die geſprochene Sprade, und Dem entipriht es aud), dafs die Antwort des Dieners fih nicht genau an die Frage fließt, vgl.: „Auch nit einen Sterbenston [Haben wir gehört]. Es liegt hier eine Art Zeugma vor, vgl. hierüber meine Hauptiäwier. ©. 244b/5a (unter Zufammenfafjung 2c und d): Eine Spur kann man mohl jehen, aber einen Sterbenston doch nur hören x.

64. ©. 246: Sie werben did no einmal ins Syenjeits hinüber— fhießen, f. mein Wörterb. III S. 922; bier tr. durd einer Schuſs [im Zweitampf] did ins Jenſeits hinüber befördern, dich tobt ſchießen.

Beitfchrift f. deutſche Sprache, X. Jahrg. 24

314

65. ©. 247: Ein Heiner Schredihuis kann uns dabei vielleiht von Nugen fein. Man jollte fih nit jo leiht einfädeln laffen, hier = ins Bodshorn (ſ. d.) jagen. Weitere Belege für diejen mir bisher nicht aufgeftoßenen Gebrauch wären erwünjdt.

66. ©. 254: Die zum Ausftehen einer von Albrecht verlornen Wette herüberfamen, ſ. ausftehen (Wörterb. 111 S. 11895 Nr. 3), eine Flaſche, ein Glas Wein ꝛc. Irintend, leeren, bier: die herüber- famen, um ſich beim Yeeren des von Albreht als Preis der verlorenen Wette zu jegenden (zu ponierenden) Ehampagners ꝛc. als Zecher zu betheiligen.

67. ©. 273: Indem er jener jchwerfien Aufgabe mit verzweifelter Inbrunſt, oft ermattend, nachrang [ringend nadftrebte], j. ähnliche Belege in meinem Wörterb. I S. 764a (vgl. in andern Bedeutungen Ergänz.- Wörterb. ©. 425b/e).

68. ©. 303: Lucius tröftete jie mit überfjhwänglihen Stammeleien [geftammelten Ergüffen] der Yeidenjbaft, vgl.: jtammeln (mit Neben- formen), Stammelei, Gejtammel zc. mein Wörterb. III ©. 1170b; Ergänz -Wörterb. S. 504a.

69. ©. 322: Da lag er in ihrem Weg, vor feiner eigenen Tochter zurüdgebebt, elend zuſammengeſunken und ihre Kniee umklammernd, vgl. Wörterb. I ©. 102a/b und Ergänz-Wörterb. ©. b3c/4a über die Zufammenjegungen von beben (theils mit fein, theils mit haben ab- gewandelt, jo namentlih auch die Belege für zurüdbeben), bier mit fein der vor feiner eigenen Tohter zurüdgebebt war [nidt: hatte], ſ. Zeitihr. 9, S. 129 Nr. 16.

70. ©. 324: Es joll feine Bitte über meine Yippe [mit zu er- gänzendem fommen, j. mein Wörterb. HI S. 1116c unter „jollen“ 2d].

71. ©. 327: Sie ſuchte ihn mit ihren Armen zu umſchlingen; aber er rijs fi los und wankte ftumm hinaus. Sie wollte ihm nad), ihre Glieder wurzelten fih an, ihre Sinne vergingen, j. Wörterb. III S. 1685a— ec: wurzeln und Zujammenjegungen, namentlid anwurzeln (b), woraus id bier die folgenden beiden Stellen von Schiller wiederhole: „Da bat mich's angewurzelt, daſs ih nicht fliehen fann (S. 132a). Ich fteh nit auf —, bier will ih ewig fnien, | auf diefem Pla will ih verzaubert liegen, } in diefer Stellung angemwurzelt (S. 250a); ferner (ſehr Häufig): wie angemwurzelt ftehen, liegen (bleiben), nit von dem Boden auf-, niht von der Stelle fünnen, wobei man das vorgejeßte „mie“ beachte. An diefes wie |f. o. S. 313 Nr. 60] nüpfe ich die folgende Bemerkung, über deren Berehtigung ich aber die Entiheidung dem Sprach— gefühl des geneigten Leſers anheimftellen möchte einem Gefühl nad kann man im eigentlihen Sinne von einer Pflanze jagen: jie wurzelt jid an,

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bat ſich angemwurzelt xc. fie fafft Wurzel, hat Wurzel gefafft, wächſt baftend feit, iſt haftend feſt gewachſen ꝛc, und im Vergleich aud von einer am Boden liegenden Perjon, die fih emporzubeben ftrebt, aber ſich nicht vom Boden losmahen (losreißen) kann: fie ift (mit ihren Gliedern am Boden) wie angewurzelt, aber nicht füglich, wie es bei Wilbrandt heißt, gradezu: Ihre Glieder wurzelten ſich an. Ich miederhole, dafs ich mit biefer Bemerkung durhaus Nichts entiheiden, jondern die Frage nur anregen will.

72. ©. 330: Der Alte wagte ihr nicht zu widerfpreden, wo— für es (f. o. Nr. 39) in unzweideutiger Stellung wohl befjer heißen mödte: er wagte nit, ihr zu widerſprechen.

73. Hier am Schlufs meiner Bemerkungen zum 1. Bande von Wilbrandt's Roman (j. S. 271— 276), in denen ich, der Eigenart meiner Beitfhrift gemäß, mein Augenmerk hauptiählih nur auf das Spradlice gerichtet, wie Das auch bei dem zweiten und dem dritten Bande der Fall fein wird (derem Beiprehung ih aus Nüdfiht auf den Raum den folgenden Heften vorbehalten mufs), will ih zunächſt daran erinnern, dafs ich, davon abweichend, in dem 6. Hefte (S. 201 —203) eine furze perjönliche „Vorbemerkung“ vorangeihikt habe, und will ferner über Ad. Wilbrandt als Schriftfteller und insbejondere über feinen von mir hauptfählih nur ın Bezug auf das Sprachliche beſprochnen Roman hier das Folgende hinzu- fügen, das ih einem längern Auffage aus dem zweiten Vierteljahr des Grenzboten, 1896 Nr. 14 und 16 entlehne. Dort heißt es (in Nr. 14 ©. 21 ff.):

„als Dichter trat Wilbrandt zuerft mit dem breibändigen Roman „Beifter und Menichen‘ hervor (1864), der es recht deutlih macht, in weldem Kampf der werdende Künftler fteht, der ſchon ein Stüd eigenes Peben in fih trägt, nach deffen Verkörperung verlangt und auf der anderen Seite fih doch bemufft bleibt, dafs die längft gewonnenen Formen der poetifchen Überlieferungen nichts Sleihgültiges, Zufälliges find, dafs fie mit der jeweiligen, fünftleriihen Aufgabe in einem unlösbaren Zujammen- bange stehen. Drängte es num den jungen Dichter, jeine Sporen an einem Bildungsroman zu verdienen, der die ganze Weltbreite überſchaute und alle die Zeit durchſchießenden Strahlen in einem Brennpunkte zu jammeln juchte, fo war es gewiffermaßen unvermeidlich, daſs er ins Fahrwaſſer des Wilhelm Meiſter verlief, jo riefengroß aud der Abftand zwifchen feiner Unreife und der Haren Meifterihaft Goethe's, zwiichen den hellen, heiteren Bildungsintereffen des ausklingenden achtzehnten Jahrhunderts und dem politijhen Drange des neunzehnten Jahrhunderts fein mujste. Das Be- wufitfein, daſs das geplante Weltbild einen groß angelegten, Haffiich

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objektivierten Roman fordere, und der Widerſpruch leidenſchaftlicher Em⸗ pfindungen und überreizter Reflexionen mit der gewählten überlieferten Form macht das Buch zu einer merkwürdig ungleichen Produktion, in der die Bedeutung des Einzelnen die Miſsverhältniſſe des Ganzen nicht zu beſeitigen, das Feuer des eigenen Erlebniſſes, wirklicher poetiſcher Anſchauung die ſpröden Maſſen der geiſtigen Vielſeitigkeit, der bloß geleſenen und erſonnenen Dinge nicht zu durchglühen und in Fluſs zu bringen vermochte.“

Einige kleine ſprachliche Ausſtellungen an den Reden zum Schluſs der Berliner Gewerbeausſtellung am 15. Oltober 1896 (f. Nat.-Ztg. 49, 606).

„Die Berliner Gemwerbeausftellung —, mit jo viel Muth, Thatkraft und Fleiß geihaffen; mit jo fühnen Erwartungen begrüßt, mit foldem Slanze durchgeführt ift berufen, ein Merkftein in der Geſchichte unferer Stadt zu fein. Die Scharen der Fremden, die aus allen Welttheilen ber: beigeftrömt waren, find zerftreut, um in der Heimat zu künden von dem gewaltigen Denkmal, das deutiher Fleiß einer Stadt zu errihten vermochte, ob neidlos bewundernd, ob prüfend und mufternd, was fie geihaut fie beugen fi vor ihm. Und fürmwahr, unfer Vaterland kann ſtolz darauf fein, wie des Reiches Hauptftadt Ehre eingelegt hat bei den Völkern ber Erde; wie diefe Austellung den Ruhm unferer Gewerbe in hellem Glanze gezeigt, ihnen neue Bahnen und Wege zu weiterem, fühnerem Flug ger ebnet bat.“

Diejen Worten aus der Anſprache, womit der Vorfigende des Arbeits« ausſchuſſes, Kommerzienrath Frig Kühmemann, die Meden eröffnete, wird man eben jo wie die folgenden Reden unbedingt und rüdhaltlos zuftimmen müffen, wobei man fih nod jagen wird, daſs der anerfennende und bewundernde große Kreis von Bejuhern der Ausftellung ſicher noch ein weit größerer gewejen fein würde, wenn das Unternehmen nicht gegen die Ungunft des Wetters in dem diesjährigen Sommer anzufämpfen ge habt hätte,

Nahdem ih dem Inhalt jämmtliher Reden diefe aufrihtige An- erfennung gezollt, wird man es mir, hoffe ih, nicht mijsdeuten und ver- übeln, dafs ih der Eigenart meiner Zeitichrift gemäß bier nit mit den ſprachlichen Ausftellungen zurüdhalte, die ich für diefe meine Zeit ihrift mir beim Leſen der Anſprachen angemerkt babe:

Der Herr Kommerzienrath Frig Kühnemann hat unmittelbar nad den oben angeführten Worten in jeiner Rede gejagt:

=. MI:

„Wenn fih wie e8 bei einem fo großen Werfe nur zu natürlid auh alle Hoffnungen nicht erfüllt haben, alle Wünſche Befriedigung nicht gefunden haben, jo können wir doch mit beredtigtem Stolz auf unjer Werk zurüdbliden.”

Hier wird es mir wohl geftattet fein, aus meinen Hauptſchwier. das unter dem Titelkopf: „Nicht 1* Gefagte zu wiederholen: „Ein nicht unmittelbar vor all, jeder, jegliher, jedweder, Jedermann, alles mal, jedes Mal oder immer, überall, durdaus, ganz und garıc, verneint die genannten Wörter; ganz verfchieden ift der Sinn, wenn ein diefe Wörter enthaltender Sag ganz verneint wird, vgl: Nicht alle diefe Diamanten find echt [fondern nur einzelne] und: Alle Diele Diamanten find nicht echt [find unecht] zc., vgl, Faſt ꝛc. Freilich kann, wern man eben alle durd die Betonung ganz beionders hervorhebt, auch der zweite Sat die Bedeutung des erjten annehmen; aber der Zweideutig« feit halber ift im Allgemeinen doch folhe Anwendung namentlih in der gewöhnlichen Proſa zu vermeiden ꝛc.“ Meiner Anfiht nad würde der Redner befjer gejagt haben: „Wenn ſich ... auch nicht alle Hoffnungen erfüllt, nit alle Wünſche Befriedigung gefunden haben, fo ꝛc.“

Der zweite Redner war der erjte Stellvertreter des Vorſitzenden, Baumeifter und Abgeordneter B. Feliſch. Ziemlih im Anfang feiner Mede leſen wir die Worte: „Berlin, unjere geliebte Heimatftadt, jah nicht nur einen reihen Zuflujs aus alfer Herren Länder ꝛc.“

Hier möchte ih daran erinnern, dajs ich glei im erften Hefte des erften Jahrgangs meiner Zeitihrift (S. 33—37) einen Aufjag veröffent: lite mit der Überſchrift: „Ein auch bei guten Schriftftellern nicht jelten vorfommender grober Fehler wider die Spradlehre”, dem ih das Motto aus Goethe vorgefeßt: „Der Irrthum wiederholt fih immerfort in der That; deſswegen mujs man das Wahre in Worten unermüdlic wieder: holen“. Es handelte fi hierbei um die von Herrn B. Feliſch gebrauchte Wendung: Aus aller Herren Yänder (ftatt: Ländern) u. ä. m, worauf id wiederholt in meiner Zeitihrift habe zurüdfommen müffen (f. die abecelih geordneten Inhaltsverzeichniſſe der verfchiedenen Jahrgänge).

Der nächft folgende Redner war der ftellvertretende Vorfigende, Geh. Kommerzienrath 8. M. Goldberger, und in deſſen Anſprache findet fi der Sat:

„Die Männer, die in freudiger Opferwilligfeit über ihre Bürger— pfliht hinaus die finanziellen Grundlagen diejes Wertes geichaffen, find fih bemufft, dafs fie für die Gejammtheit große Vortheile Haben erzielen helfen.” Hier fteht das Schlufswort des Sakes, das mit dem vor— angehenden haben das Perfekt bildet, ftatt des in der gewöhnlichen $yorm

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„geholfen“ Tautenden Particips (j. Hauptſchwier. S. 177a unter dem Titellopf „Hilfszeitwörter” 3). Da aber (f. ebd. ©. 268b ff. umter dem Titeltopf: „Stellung der Kopula“ Nr. 5) die „infinitivifh lautenden Participialformen“ niemals eine Kopula Hinter ſich dulden, fo ift das haben, mweldes ſonſt an dem Schlujs des abhängigen Sakes feine Stelle hätte finden müffen, dem von helfen abhängenden Infinitiv vorangeftellt, vgl. im unabhängigen oder Hauptiage: Sie haben für die Geſammtheit große Vortheile erzielen helfen. Die von Herrn Goldberger gebraudte Fügung kann und will ih durchaus nicht als ſprachlich unrichtig bezeichnen, aber ih wollte doch bei diefer Gelegenheit darauf aufmerkſam maden, dafs in dem abhängigen Satze es gefüger mit der eigentlichen Form des PBarticips gelautet haben würde: dafs fie geholfen haben für die Gefammtbeit große Vortbeile (zu) erzielen oder: daſs fie fir die Geſammtheit große Vortheile zu erzielen (mit)gebolfen haben oder beigetragen haben, bebilflih geweien find, vgl. namentlih in meiner Schrift: „Sakbau und Wortfolge in der deutihen Sprade“ (2. Aufl.) S. 126 —128 Nr. 14: „Helfen“.

Die nächſte Anſprache hielt der Handelsminifter Herr Brefeld, ber jeine Rede mit dem Satz eröffnete:

„Bevor die Ausftellung förmlich geichloffen wird, obliegt mir die angenehme Pflicht, den großen Leiftungen, mit welden die vaterländifche und insbejondere die Berliner Ynduftrie auf der Ausftellung in jo glän- zender Weiſe hervorgetreten ift, offen und rüdhaltlos die Anerkennung der königlichen Regierung auszuſprechen.“

Dem Inhalt wird man hier wie überhaupt dem ſämmtlicher Reden unbedingt zuſtimmen; aber man wird es mir, hoffe ich, nicht miſsdeuten und verargen, wenn ich auch hier in Bezug auf das Sprachliche aus meinen Hauptſchwier. S. 220a (unter dem Titelkopf: ob Nr. 2) das Folgende berjege:

„als betonte Vorſilbe in trennbar zuſammengeſetzten Zeitwörtern (.d. 1; 2; 7)3. 8. obliegen: Jemand liegt einem Wert ob und: Das Werk liegt ihm ob. Die z. B. in Oſterreich ıc. vorkommende Weife:

‚Er obliegt dem Werke; es obliegt ihm‘ ift, wie die Betonung zeigt, falſch, vgl. auch: Er bat [niht fo gut: ift) dem Werk obgelegen [nidht: oblegen.. Das Wert ſcheint ihm obzuliegen [niht: zu obliegen. Es berrfht, ſchwebt, waltet fein Zweifel ob, nidt: Es obherridt, ob— ihwebt, obwaltet fein Zweifel ꝛc. Keiner jiegte der Macht ob, wofür freilich Pyrfer tadelhaft ſchreibt: Keiner objiegte der Madt, vgl: Er hat obgeſiegt ꝛc.“

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In der Schlujsrede des Ehrenpräfidenten der Ausftellung, des Staats- minifters v. Berlepſch, endlich begegnen wir gleih im Anfang dem Sage:

„Am Schlujs der Ausftellung, in dem Augenblid, von dem an ges rechnet in wenigen Monaten vorausfihtlih all die Anlagen, die ihr dienten, verſchwunden jein werden, wirft ji wohl Jedem die Frage auf 2c.“

Als ih mit einem Bekannten über diefen Sag ſprach, meinte er zunädft, es liege offenbar nur ein Drudfehler vor, indem ftatt des Dativs: „Jedem“ der Nominativ: „Jeder“ zu jegen fein werde; als ih dann aber auf mein Wörterb. III S. 1572b hHinmwies, wo e8 unter aufwerfen in 2d heißt: „Etwas als vorhanden, als zu gelten berechtigt ꝛc aufjtellen“, mit Beifpielen und Belegen für Verbindungen wie: „eine Frage, Hypotheſe, ein Problem, einen Zweifel, ein Bedenken aufwerfen“ u. f. w. und am Schluſs: „auch (f. F Sid): „Bier wirft fih nun die Frage, das Be— denken zc. auf”, wozu in meinem Ergänz.-Wörterb. S. 630b der Beleg aus der Nat.-Ztg. 32, 420 gefügt ift: „Die Frage wirft fih auf, ob :c.“, da meinte er, danach verdiene die Frage dod eine nähere Erörterung und, als ih ihn, den ih als einen Gegner der „Akademie der deutichen Sprache“ fannte, auf die vortrefflihe vor mehr als 20 Jahren (am 26. März 1874) gehaltene Feitrede Emil Du Bois-Reymond’s: „Über eine Afademie der deutſchen Sprache“ aufmerkſam machte und daraus Stellen an- führte, wie: „Ich träume eine faiferlihe Akademie der deutichen Sprade... Les Allemands n’ont pas le mot propre. Wir find ſchon zufrieden, wenn der Ausdrud die Gedanken nur ungefähr dedt; und auf einen Heinen Denkfehler kommt e8 uns nit an. Mit feltenen Ausnahmen ſpricht jeder Deutide, wie ihm der Schnabel gewadjien ift. Nicht bloß jede Landſchaft befteht in Ausiprade, Wortbildung und Wortfügung auf ihren Eigenheiten, fondern jeder Einzelne hat dergleihen von Eltern, Pflegerinnen, Lehrern überfommen oder fih ſelbſt ausgedacht ꝛc.“, da gab er allerdings etwas fleinlaut -— zu, allerdings ſcheine doch auch diefe Frage eine erneute Er- mwägung und gründlide, alfjeitige Prüfung zu verdienen.

Eine jolde anzuregen war auch der einzige Zwed zu der Veröffent- lichung der vorftehenten „Heinen ſprachlichen Ausstellungen an den Reden zum Schlujs der Berliner Gewerbeausjtellung“.

BVereinzelte beim Lejen niedergejchriebene Bemerkungen.

1. Infinitive mit „zu gehäuft. „Es ſcheint fein Mittel zu geben, dieſe . . . Neigung, mit dem Alten aufzuräumen und überall Miethfafernen einzurichten, erfolgreich zu befämpfen.“ Grenzb. 53, 2, 283, vgl. hierzu meine Hauptſchwier.

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©. 3b ff. Nr. 3, woraus id nur den Anfang berjege: „Nicht gut hängt von einem Infinitiv mit zu ein zweiter Infinitiv mit zu ab 2c.“

2. Falſche Zujammenzicehung. „Die langathmige Rejolution, welche [Obj. im Accuf.] die Referenten v. Bollmar und Schönlant einbrachten und [welde, Subj. im Nom. vom Parteitag angenommen wurden 2c.“ Nat.-Ztg. 47, 593. Hier hätte das zweite von mir in Klammern binzugefügte welche füglih nit fehlen dürfen, weil es zwar im Wortlaut, aber nicht im Saßverhältnis mit dem erften übereinftimmt, j. Hauptidwier. S 344a Nr. 2a.

Anzeige der eingefandten Bücher. Beſprechung einzelner nach Belegenbeit, Zeit und Raum vorbehalten.)

Den Deutſchen Öfterreih’s! Hundert Gtudienblätter deutſcher Künftler. Auf Ber: anlafjung und unter Mitwirkung des Mündener „Hilfsausihufles für Cilli“ berausgegeben, unter der künftlerifhen Leitung von Franz von Defregger, zu Gunſten des deutſchen Stubentenbeimd und bes deutſchen Bereinshaufes in Eili. Mit Tert von Prof. Dr. Mar Haushofer und einer Einleitung von Heinr. Wafian, eleg. geb. Mt. 20 (fl. 12). J. F. Lehmann in Münden. (Der Reinerlös aus dem Berlauf wird den nationalen Schuß- anftalten in Eilli überwieien.)

Briefkaſten.

Herrn Rhifipp A. . . in Charlottenburg:

„Keine menſchlichen Laute waren es mehr, die fie dabei ausftießen, ihre Stim- men wären verzerrt, man fah nur noch das Weiße in ihren Augen, der Schaum ſtand ihnen vor dem Munde.“ So ftebt gedrudt in der National-dtg. Nr. 516 in einem Roman von Konrad Zelman (28. Fortſetzung).

Kann man, jo fragen Sie bei mir an, im Deutfchen wirflih von verzerrten Stimmen fpreden, wie von verzerrten Zügen, Mienen? Darauf fann ih nur mit einem enticiedenen „Nein“ antworten. Wahricheinlih Liegt ein Drudfehler vor; aber id bin außer Stande, ihn mit Sicherheit zu berichtigen. Es ift eine bloße unſichere Bermutbung, auf die Sie felbft mich durch Ihre Anfrage bingeleitet haben, werm ich frage: Sollte vielleiht ftatt Stimmen der Schriftfteller Mienen geichrieben haben, was bei undeutliher Schrift der Setzer ald „Stimmen“ gelefen?

Fräulein Eugenie B. in Rathenow: Die Beantwortung Ihrer Anfrage in Bezug auf den jächfifhen Genitiv finden Gie auf &. 296 diefes Heftes.

Alle für die Beitfhrift ſelbſt beſfimmten Bufendungen wolle man un- mittelbar an den Herausgeber nad Altfirelig in Mehlendurg, dagegen die für den Amfhlag oder als Beilagen Befiimmien Anzeigen an den Ber- leger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nähfte Heft müfen jedes Mal Bis fpätefiens zum 1. des Monats in den Händen des Serausgeders fein; auch bittet er, in Bezug auf den Amfang, die Haumverhältnife der Zeitfärist tm Auge ju haften.

Geifter und Menſchen.

Ein Roman in 3 Bänden von Adolf Wilbrandt. Nördlingen 1864. (f. S. 201 ff., 271 ff., 309 ff.)

Zweiter Band.

79.1. ©. 3: Wirf deine Narrheiten ins Teuer und lajs Alles einen finnlofen Traum gewejen jein, f. über den von laſſen abhängigen Accuſativ mit dem Infinitiv au von Zeitwörtern mit doppeltem Nominativ (des Subjekts und des Prädifats) Hauptihmwier. ©. 195b; Wörterb. II ©. 3le/2a Nr. 5 und das dort Angeführte, namentlih: Gott einen guten [niht: ein guter) Mann fein lajjen zc.

80. ©. 4: Endlich jah er fih auf dem von ſchwarzer Naht um- bängten Theil des Sees, fern von den Lichtern und der luftigen Muſik, fern unter dem wolfenbededten Himmel. Man vergleihe in meinem Wörterb. 1 ©. 690 b das uneht zufammengejeßte auf der Vorfilbe betonte

Beitwort umbängen I und das auf der zweiten Silbe betonte, echt zu—

fammengejeßte umbängen II, 3. B.: Dan hängt fi oder einem Andern (Dativ) ein Kleidungsftüd, einen Mantel um ꝛc. Man umbängt (ve) Etwas mit etwas Hangendem oder Hängendem, einem Tuch, Umbang ꝛc man umgiebt es damit. Gewöhnlicher würde es in dem Sage von Wilbrandt etwa heißen: auf dem von Schwarzer Naht umbüllten oder verhüllten (oder: im Schwarze Nacht [ein-|gehüllten) Theil des Sees.

81. ©. 5: Eine Stimme von orgelbaftem Ton, ſ. Neue Beiträge . zur deutihen Synonymit ©. 106 ff.

82. ©. 8/9: Da jah er... zablloje graue Geftalten, jede mit einem Knäuel in der Hand, das fie vergeblih abzumwideln ſuchten ... Nun nahm ihn der Tod am Arm umd zeigte ihm feine eigene Geftalt; die jaß einiam am Wand und fnäuelte im Schweiß ihres Angejichtes, ein unfäglih bejammernswürdiger Anblid! = (ſ. o.): fie ſuchte das Knäuel abzumideln.

ı Da die Beiprehung des erften Bandes mit Nr. 73 ſchließt, fo hätte bie Zählung mit Nr. 74 (ftatt 79) beginnen follen; aber das Berieben babe ich (als fachlich bebeutungslos) Tieber ftehen laſſen wollen, um nicht alle folgenden Nrn. ändern zu müſſen.

Zeitſchrift f. deutiche Sprache, X. Jahrg. 25

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83. ©. 12: Eine Frau in guten Jahren [= in noch rüftigem Alter ꝛc.) und von dem munterften Ausjehen zc, vgl. übliher im Super: lativ: in den bejten Jahren, j. Wörter. I ©. 119c; 832.

84. ©. 19: (Voltsiprade, beionders in Ofterreih: Kramerin [Befigerin eines Kramladens).) Es liegt freilich viel Zeugs [f. Zeitihr. 10 ©. 54 Nr. 4 und das dort Angezogene] auf 'm ſſ. Wörterbud I ©. 55ec] Boden, alte Bücher... Sclafhauben [= Schlafmützen] und zerbrohene Ynftrumenter [ft. Inſtrumente] ſ. Fremdwörterbuch I S. 546b.

85. ©. 22: Ich will did an jene Zeiten nicht erinnern, wo du zu meinen Füßen [vgl.: mir zu Füßen, |. Hauptihwier. ©. 91a Nr. 5] lagft und mir die beiligften Gelübde der Treue, die Stimme des Gewiffens vom Bufen wegihmeidelteft [= wo du durd dein Schmeicheln es dahin brachteſt, dafs ich die in meinem Buſen feſt und unverbrühlid ruhenden beiligiten Gelübde der Treue und die Stimme des Gewiffens vergaß und aufgab zc.] und jeder deiner Schwüre von Ewigfeit log. Die Verbindung: „von Etwas lügen“ ift ungewöhnlich, zu erklären etwa: wo jeder deiner Schwüre lügenhaft von Ewigkeit (oder ewiger Dauer) deiner Liebe ſprach ıc.

86. ©. 29: in öfterreihifher Voltsiprahe: Das war ein Mufit- macher [= Muſiker] —, jefies! [= Jeſus! als Ausruf der Be- oder Verwunderung] was hat der fingen und muficieren können . . . Ich muis 'was an mir haben, dafs die traurigen Leut' immer zu mir fommen. Sie laden aud nicht am gernften [j. Hauptſchwier. ©. 167 a zc.] vgl.: Sie laden aud nit eben (oder grade) gern; Sie gehören aud nidt zu den gern Lachenden.

87. ©. 36: Der Spötter ſchlug den [Accuf.) jungen Mentor auf die Schulter; 260 ꝛc., vgl.: Das Mädchen ſchlug ihren nediihen Tugend⸗ wädter auf die Hand. ©. 138/9. Indem fie ihn auf die Schulter klopfte. ©. 156. Sie wird mid ein wenig auf die Hände klopfen. ©. 242; dagegen ©. 49: Wie oft es ihm [Dat.] in den Naden ſchlage [= nach— träglih das Gefühl fih rege] ſ. Wörterb. III S. 937c/8a Nr. 8; 11 ©. 375b, dafs er in die weite Welt bineinmödte zc.

88. ©. 39: Er war im Begriff, ſich darein [in feine alten Ge— Lüfte) zu verfinnen, ſ. Wörterb. III S. 1106a; I ©. 352c.

89. ©. 42: Ich lad’ dazu, wenn man bei uns die Ketzer in bie Höll' hinein betet, = wenn man bei uns betet, um die Keger in bie Hölle hinein zu bringen.

90. ©. 45/6: Er [der Wieſenfleck) gehört doh von Gott und Nehtswegen ſſ. Hauptihwier. ©. 16Ya] mein [j. ebd. ©. 164a] . Sie wollen ihn nimmer [mundartlih nidt], vgl. ©. 47: „Es ſcheint

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ein balbnärriiher Menih zu fein.“ Vielleicht ift er's ganz, antwortete Johann; vom Seminar fchreiben fies, er hab’ feinen richtigen Kopf nimmer; ©. 59: Auch die Naht geh’ er nimmer fort; ©. 141: Ein Mufitant ſoll er fein... aber er muficiert halt nimmer; ©. 144: Wir fommen nimmer nah Scharflingen, fagte fie, wenn Sie mit der Schifferin fo zärtlih thun, dafs fie nicht rudern kann; ©. 145: Ich fomm nimmer beim zu meiner Kuh; ©. 155: Ich jeh ihn nimmer [nie mehr, nie wieder ac.].

91. ©. 55: „Haft du Nichts vom Better Nazi gehört?"... Nein, war die Antwort, wie käme der Nazi daher? mundartlih ftatt her oder hierher x.

92. ©. 57: Wiſſt ihr, dafs fie mir neidig find? vgl. ©. 62: Der jei neidifch geworden [auf ihn :c.], j. Wörterb. II ©. 4228.

93. ©. 59: Er bleib heroben bis zur Winterszeit, vgl. ©. 65: Man mußs es bekannt maden, dafs er heroben ift und feine Sinne nit hat zc, mundartlid hier oben, ſ. Ergänz.-Wörterb. ©. 375a.

94. ©. 77: Wie forglos er über die Nöthen [j. Wörterb. II S. 4478, bei. Nr. 17] und Plagen der menfhlihen Gejellihaft hinweg— geſehen.

95. ©. 80: Sie ſahen ſich ſeltener und ſchienen einander [als Genitiv, gewöhnlider und beffer: Einer des Andern] wenig zu be dürfen, ſ. Hauptſchwier. ©. 123b.

96. ©. 82: Dies beruhigte den ſchlafmüden Burſchen, im Sinne von müde und fhläfrig, ſ. Wörterb. II ©. 338a, vgl. dagegen Zu— fammenjegungen wie lebensmüde bes Lebens müde (— überdrüffig) zc., j. ebd.

97. ©. 92: Roderich, der... noh etwas Bachus im Kopfe hatte (ſ. Fremdwörterb. 1 ©. 123), hier einen Heinen Weinrauſch (burſchikos).

y8. ©. 92: Dafs er es mit abgefeimten Burſchen und gefährlichen Landdurdftreihern zu thun habe, vgl. Wörterb. III ©. 1237c ge- fährlihen Bagabunden.

99. ©. 94: Den Hinterwänden einiger baradenhaften Nahbar- bäufer, ſ. Wörterb. I ©. 83a und über die Endfilbe haft Neue Beitr. zur deutihen Synon. ©. 106 ff.

100. ©. 95: Er... verjpann fih [= ſpann fih .... ein] in wahrhaft ferfermäßige [dem Kerker, Gefängnis angemeffene, entſprechende), nebelgraue [= bdüftere ꝛc. ſ. Wörterb. I S. 620b] Gedanten.

101. ©. 98: Weil Ihr ſchon lange nit mehr in den richtigen Strümpfen feid, weil Ihr Euch langweilt :c., vgl. Wörterb. III ©. 1247a: nit recht auf dem Strumpf fein.

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102. ©. 99: Jetzt jollte uns .. . jede PViertelftunde, die wir in der Freiheit vergähnt [vor Langweile gähnend verbradt, ſ. Wörterb. I ©. 530a] haben, beneidenswerth jein,; aber es ift niht jo. Wir ver- Iottern [f. Wörterb. II ©. 172c wir bringen fie lotternd, in un- thätigem, unfruhtbarem Müßiggang bin ꝛc] unjer Leben, Beſter. Wir find überflüffig. Wir haben feine Beihäftigung. Wir fuhen uns feine.

103. ©. 102: % lebe; ih babe meinen Frühtrunk [vgl. Früh— ftüd, f. Wörterb. Il ©. 1396b und ©. 1250a] wieder ausgebroden, vgl. S. 101: Man hat mic joeben mit Eichelkaffee vergiftet oder mit einem Getränk, das noch jhlimmer betitelt zu werden verdient und ©. 102: das braune Mordwafjer.

104. ©. 106/7: Ajfociation! [f. mein Fremdwörterb. 1 ©. 103b und Verdeutihungswörterd. ©. 16a] Das ift mein Wort, zwar ein ſchlechtes, wälſches, zungenbrechendes Wort ſſchwer auszufpredhendes] ; aber laſſen wir es bis auf Weiteres gelten. Wollt Ihr ein freier Mann fein, Lucius, fo verlauft die Freiheit, die Ihr bisher dafür [gemauer: Das, was Ihr bisher für Freiheit) gehalten habt, für drei Silber- linge und affociiert Euch. Laſſt es Euch einmal gefallen, Einer von Vielen zu fein. Opfert die große Freiheit, nad Eurer Yaune zu leben! Die Idee lebt in den Menſchen; ſchließt Euh an die Menihen an und fteht in Reih und Glied für Eure VBegeijterung ein. Wenn Ihr ein Herz für das Vaterland habt, wenn die Ideen unferer Zukunft, Einheit und Freiheit der deutihen Völter Euh warm machen, fo zieht die Hand aus der Taſche und fafft mit an. Aſſociiert Euch, es giebt für unſer Geſchlecht feine andere Nettung. Wir hatten Alles verlernt, wir Deutſchen ſſ. Zeitſchr. II ©. 145—151 und f. „wir“ in den Inhaltsverzeichniſſen der folgenden Yahrgänge), nur nit, Jeder für fih allein zu fein und, weil wir Das [ftrenger rihtig: jo für ſich allein; dem Verfaffer bat wohl vor- geihwebt: Das Deutjdel, waren, darım fonnte man uns Alle wie eine Herde beherricen ꝛc.

Ich babe dieje Stelle (zu der freilid auch noch das darauf Folgende hätte hinzugefügt werden fünnen) jo ausführlih bergefeßt, um daraus die Lejer, wenigftens an dieſem Beijpiele, die Gejinnung des Berfaffers er- tennen zu laffen.

105. ©. 108: Einftweilen verdaue ih noch an Eurer Predigt, j. Wörterb. 1 ©. 269a/b. Das von „verbauen“ abhängende „an“ ift etwa zu erflären: Einftweilen kaue ih nod an Eurer Predigt, um fie zu verbauen.

106. ©. 111: Die Unreifen, die noh mit PBapageienlippen nachſprechen. Da die Papageien und die Vögel überhaupt niht Lippen [j. d. in meinem Wörterb. II ©. 145a], fondern ftatt deren einen Schnabel

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ff. d. Wörterb. IIT ©. 982b] Haben, jo tft die Ausdrudsweiie ſprachlich nicht untadelhaft, vgl. als Verbeſſerungsvorſchlag: nah Papageienart oder papageienmäßig, papageienhaft.

107. ©. 113: Nehmen Sie, lefen Sie! Wir fünnten eigentlih auch Du zu einander fagen; mit dem Sie und Ihr haben wir's lange genug getrieben. Und das Unglüd, der Kerfer machen Dutzbrüder, |. duzen Wörterb. 1 ©. 338a, auch über die Ausſprache (mit gedehntem oder geihärftem u) und demgemäße Schreibung

108. ©. 114: Nun follte er fi von einem unverfhämten alten Burſchen jhueh)riegeln laffen, beffer obne das von mir eingeflammerte h in ſchu(h)riegeln, das wahriheinlih zu dem althochd, scur(a)gan, ftoßen gehört, f. mein Wörterb. III ©. 1024a, Anm. zu ſchüren.

109. ©. 115: Wiffen Sie nit, daſs in diefem Haufe alle Briefe durh meine Hand gehn, dafs Sie mit Ihrem Helfershelfer Nichts zu bereden, Nichts zu paſchern haben? vgl. über pafchen in ber Be- deutung von ſchmuggeln mein Wörterb. II ©. 503b x. mit dem Haupt- wort: Paſcher m (= Schmuggler), wovon das hier gebraudte paſchern eine weitere Fortbildung ift.

110. ©. 122: Lucius ftand in Yammergefühlen da, vgl. mein Wörterb. I S. 509c, beffer wohl in der Einzahl: im Gefühl des Jammers, vgl.: von Jammer erfüllt ꝛc.

111. ©. 123: [Da] fand er auf feinem Nachttiſch einen Brief vom Onkel Michel, auf den er jhon lange gehofft und gewartet hatte, mo der Leſer ſchwanken kann, ob es der Onkel oder der Brief ſei, auf den er gehofft hatte, vgl. ©. 135: Bei diefem Namen bejann er fih erjt, dafs diefe Röfi die Tochter der Kramerin fein müſſe, die er befuchen ſolle War e8 die Kramerin oder deren Tochter, die er zu bejuchen hatte? vgl. in der Zeitihr. unter „Relativ zc.“ und als unzweideutig: Da fand er... vom Onkel Michel einen Brief, auf den ꝛc. Daſs diefe Röſi der Kramerin Tochter fein müffe, die ıc.

112. ©. 124: Er denke nicht mehr daran, fi mit Arbeit zu plagen; als alter Spielonfel wolle er leben und fterben, als Beiſpiel der Iofen nad den Bedürfniffen des Augenblids gebildeten Zufammenjegungen DOnfel, der nit mehr die Aufgabe habe zu arbeiten, jondern nur, mit den lindern zu jpielen.

113. ©. 127: Un diefem Ort hatte er feine Ruhe mehr, das um: thätige VBerfhlürfen der Zeit war ihm verhafft geworden, vgl. Wörterb. III S. 166b die Zeit in genießender Ruhe verbringen, ähn- lid dem Zecher, der das ihm behagende Labſal in Heinen langiamen Zügen in fih ſchlürft, um es gründlichſt auszufoften und zu genießen.

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114. ©. 129: Nun... fiel ihm jene fterbefüdhtige Naht ein, vgl. Wörterb. III S. 1266a—1269b und Ergänz.-Wörterb. ©. 542c bis 544 a, wo Belege für die zufammengefaisten Zujanmenfegungen von :Sudt, -ſüchtig ꝛc. gegeben find (als Beijpiel für unerihöpflide ähn- liche). Hier bei Wilbrandt hat das hervorgehobene Eigenſchaftswort die Bedeutung: von der Sterbefuht oder der Sehnſucht, dem fehnenden Berlangen zu fterben, nah dem Tode erfüllt, vgl. im Ergänz.-Wörterb. Sterbjudt (in andrer Bedeutung): eine Sucht oder Epidemie, woran die Leute maffenhaft fterben, aber dem Eigenihaftswort bei Wilbrandt entiprehend: Ahasver ift Nero gegenübergeftellt wie die Todes ſucht dem Lebensdrange. Unſere Zeit, Neue Folge 13, 2, 658 ꝛc.

115. ©. 131: Ich bin nun eben in der Yaune mid auszufhwagen, vgl. Wörterb. II S. 1040 (Nr. 2): fih (mit Einem) über Etwas aus- ſchwatzen. Wieland ꝛc. ſich vertraulid ausipreden.

116. ©. 134: Als fie am Ufer auf der ftaubigen Straße hinſchritten und durd den fühlenden Waſſerwind, der janft heraufzog, ſich die heißen Stirnen eririihen liefen, vgl. Ergänz.-Wörterd. ©. 6380: Wafjer- winde [feuchte]. Wilbrandt M. Amor 186 ꝛc.

117. ©. 135: Das jhalthafte Yädeln, von dem dieſe Rubmrede begleitet war, nad dem Ergänz-Wörterb. ©. 4110 1. Lobrede und 2. Nuhmredigfeit, welche beiden Bedeutungen hier bei Wilbrandt in einander überjpielen, vgl. (in der zweiten Bedeutung): Dem gegenüber ericheint ihr Selbfttroft als eitles Nuhmgerede. Freies Deutihes Hoch— ftift. Neue Folge X ©. 32.

118. ©. 140: Der Kahn ſchoſs unter Röſi's männliden Ruder— ihlägen raſch über die Fläche hin, j. Wörterb. II ©. 2364 Nr. 3b, wo männlich erklärt ift durch „Lräftig, feft ac.“, vgl. unter den Belegen dort, 3. B.: Weiblich geftaltet, bin id [die Hoffnung] männlih fühn. Goethe 10, 248 x.

119. ©. 142: Der Wirth bat noch ein Wirthshaus in der Stadt, da unten am See, und fommt nur untertags einmal herauf, um nad): zuſchauen ꝛc. während (oder im Yaufe des) Tages, ſ. Wörterb. LII ©. 1277 Nr. le.

120. ©. 142: Die Röſi ift in Kaijersbad das A und das O, wie der Herr Pfarrer jagt: Kellnerin, Hausfrau, Viehmagd, Stiefelpuger, Köhin, Schifferin und Bademeifter gelten’s, Das ift ein vornehmes Leben, jo viel ſchöne Plag' in einer Perjon? —, vgl. ©. 146: Gelten’s, es ift betrübt, wenn man feinen Willen nit haben kann; ©. 154: Gelten’s, im Kaiferbad iſt's doch ſchöner; 159; 161 ıc; ſ. dazu mein Wörterb. 1 ©. 575c, wo es heißt:

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„UI Gelt, interj.: die Sicherheit der Überzeugung in Bezug auf Das, was man fagt, namentlich auch die fihre Erwartung, dajs der Andere zuftimmen werde (au ironiſch), bezeihnend Was gilt die Wette? Nicht wahr? ıc., 3. B. Mepbiftopheles (vor fih): &.! dafs ih did fange! Goethe 11, 145. G.! ih weiß? 9, 10. „G. Das ift garftig, Karl?" 18. ©., Vogel, Das habt Yhr freilich vergefien. Schiller 131a; 18la u. o.

Anm. Bon gelten, vgl. engl. yield, ſchwzr. gellen, Einem zuftimmen Giebft du's zu? Mundartlib auch nad der Anrede mit Yhr, Sie zc.: Geltet? Gelten Sie? GStalder 1, 415; Schmeller 2, 44; Wein- hold 20b x. Gället, ihr Herren, ih habe Net. Gotthelf Schuld. 57; 217* xc. —, vgl. Ergänz.:Wörterb. S. 227a: „Ill Gelt interj. = nidt wahr? x, auch: Gelte? Wefterm. 279, 284a ıc.; (Mundarten 7, 274; im Bogtlande: gelle he?); gäll? Noman-Ztg. 16, 3, 280; [Auf mielin Göllen red’ ih Das Murner. Narr.-Beihw. 26, 57 :c, ſ. Stalver 1, 440, vgl. tirol.: gailing. Nat.-Ztg. 33, 317.*

121. ©. 143: Ich bab’ die gejunden Glieder, Kräfte für Zwei und, wenn’s gar arg wird mit der Plag’ und Arbeit, fluh ih mich einmal aus; hernach ſingt ſich's jhon wieder. Sid ausfluden, d. h. fih feines ganzen Vorraths an Flüchen entladen; Alles, was man von Flüchen auf dem Herzen hat, davon abwälzen, jo dajs es ſich davon er- leihtert und ganz frei fühlt. Über die unperfönlihen rüdbezüglichen Beitwörter wie: „es ſingt ji 2c.“, vgl. Hauptihwier. ©. 142a Nr. 8 und ©. 236b Nr. 3, woraus ih folgende Sätze entlehne: Wie hübſch fpielt jih’sS den Vater [ogl.: wie hübſch ift es den Vater zu fpielen). Shiller: Wie rollte es ji leiht in dem Wagen dur die Campagna! wie ritt es ſich leiht in den Gärten. Herm. Grimm zc., mo das „es“ etwas Unbefanntes, nur aus der Wirkung Erfennbares bezeichnet; jo 3: B. auch: Es jap fih gut und futterte ih lieblich an diejem angenehmen Orte. Heinr. Seidel (Daheim 33, 42a). Es geht ſich heute jhön. U. Zrinius (Illuſtr. Ztg. 2733 ©. 616e).

122. ©. 162: Das Mädchen late, drebte fih um und fang ſich wieder hinaus begab fi fingend Hinaus, (verjhieden tr.: Einem Etwas aus der Seele fingen. Nr. 124) :c., vgl.: Sie werden fih auf der Eiſenbahn aus dem Gebirg hinausgeflüchtet haben. ©. 127 u. f. w., vgl. Nr. 124.

123. ©. 169: Da babe man an Nichts feine Freud’ mehr mit voltsthümliher doppelter Verneinung, j. Zeitihr. S. 2356 Nr. 23 ıc.

124. ©. 173: Er hörte jhon von Weitem Röſi's hellen Geſang; es war ihm, als wolle fie ihm alle die verftändigen Entihlüffe aus der Seele fingen; durd ihr Singen daraus vertreiben (ihn davon ab— bringen), vgl. anders refl.: fi) herausſingen und Ähnliches mehr.

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125. S. 174: Bei ſo ehren würdigen Haaren, ſtatt des ge— wöhnlichen ehr würdig, ſ. Wörterb. III ©. 1676a, vgl. gleihfalls ſelten: ehrfurchtswürdig ebd.

126. S. 178: Die Bademeiſterin vom Kaiſersbad thut ſich ſo leicht nicht erkälten, in der Volksſprache fie erkältet ſich jo leicht nicht, ſ. Wörterb. III ©. 1317a Nr. 3a und b, worauf id mit Rückſicht auf den Raum bier nur verweifen fann.

127. ©. 180: Daſs fie... . ihre Ferienzeit im Gebirg verwandert, verfungen und vertändelt habe, mit Wandern, Singen und Tändeln verbradt.

128. ©. 182: Sie ift ein Yunge ... „, ein übermüthiger, Tuftiger, entweibter unge, vgl.: Entweiben ... . 2. (vgl. entmannen) der Weibheit, der Weiblichfeit berauben (ſ. entweiblihen), Wörterb. IIIS. 1523c; Ergänz.-Wörterb. ©. 620b.

129. ©. 183: Jh wünſche ... auf meine Weife, Menſch mit Menih in einem namenlojen Berhältnis mit Euh zu leben, vgl. Hauptihwier. ©. 53b ff. unter dem Titelfopf: Artifelloje Hauptwörter, woraus id hier Folgendes aushebe: „Auch jonft bleibt zumeilen die Flexions⸗ endung bei ſchwachformigen Subftantiven im Sing. fort, welde der Hörer fonft eber für einen Plural halten würde, ſ. Appofition 7b und 11; Accufativ und Nominativ 4; Bär; Herr; Herz 1; Herzog; Knabe; Menih 2 ıc. und 3. B: Die Grenze zwiſchen Affe und Menih [Sing zwiſchen den Affen und den Menſchen, vgl.:

zwifhen Affen und Menſchen, Plur.) .. . Der Vermittler zwijchen Menſch (j. d.) und Gottheit. G. Ebers, Ag. Königstohter 1, 76. Nur zwifhen Menſch und Menih (f. 3)... . mufs unſer Urtheil no

wanten... . Zwiſchen Thier und? Menſch. Forſter, Kl. Schr. 1, 361“, vgl.: in den Hauptichwier. auh ©. 208h/9a, Wörterb. II ©. 290a/b.

130. ©. 186: Er bevatert uns, er führt die Kaffe ꝛc, ſ. mein Wörterb. III ©. 1418a; Ergänz.-Wörterb. ©. 587a xc.

131. ©. 191: Heut’ ift er gar närrifh und ich hab's ihm gefagt, dafs er’s ift; aber die Narren joll Einer geiheit reden, ſ. mein Wörterb. II ©. 686c „reden“ Nr. 7 „mit Angabe des Erfolgs“.

132. ©. 195: Der Deutihe fei lange genug ftill und ſtumm ge- weien, Wortverbindung durh Stabreim, |. meine Silbenmeffung x. ©. 67a 3. 52 x.

133. ©. 199: Das [Rehnungsbuh] fönnteft du mir in Ordnung halten, wenn dich doch nun einmal der Pflihtteufel reitet, ſ. die un— erihöpflihen Zufammenfegungen von „Teufel“ Wörterb. III ©. 1299 b ff.; Ergänz.-Wörterb. ©. 554c, wo 3. B. Pflihtteufel Hinzugefügt werden

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fönnte, vgl.: wenn du doch einmal bejeffen Bift, deine Pflicht im voliften Maße zu thun; dir in der Pflichterfüllung nicht genug thun kannt :c.

134. ©. 202: Einem noch fnabenhaften Jüngling, dem die eine der Schönen, ein wahsbleihes Geſicht mit verführeriihen Augen, die Wangen ftreihelte und ihre Hand an feine Lippen hielt, vgl. mein Wörterb. III S. 1091b, wo es unter „I Geſicht“ 2d heißt: Bezeihnung einer Berjon (nad ihrem Gefiht), wofür ih bier nur einen Beleg von den vielen ausheben will: Im ganzen Dorf ift fein Geficht | der flinfen Hanne gleich. Troß diejes und andrer Belege jcheint mir der Sat von Wilbrandt nicht ganz tadellos, und id würde dafür etwa vorziehen: „dem die eine der Schönen mit wahsbleihem Gefiht und verführerifhen Augen u. |. w.“ Meinem Spradgefühl widerftrebt es zu jagen, dafs ein Geſicht Jemanden die Wangen ftreihelt und ihre [des Gefihtes) Hand an jeine Lippen hält.

135. ©. 210: Ob ſonſt nod Etwas auf der Erde und im Menſchen vorgeht, Das rührte fie niht an, gewöhnlih: Das rührte fie nit (ohne „an“), vgl. mein Wörterb. II ©. 813b, wo unter anrühren la dies als felten, ftatt des bloßen Grundworts bezeichnet ift, doch mit dem Belege aus Schillers Tell: „Ihn rührte unfre Noth nidt an“ u. j. unten Nr. 163.

136. ©. 216: [So] jagte Mar mit feinem altweifen Lächeln, vgl. in meinem Wörterb. [I ©. 945a altflug: älter als den Yahren nah zu erwarten; 1. zuweilen in lobendem Sinne, mit Belegen aus Hagedorn; Wieland; Goethe; Voß; 2. gewöhnlih mit dem Nebenfinn des Unnatürliden und deſshalb Unreifen, namentlih des Unpaffenden und darum tadelhaften Ernftes, mit vielen Belegen, ftatt deren ich hier aus Wilbrandt's Buch die folgenden herſetze: Der altkluge Jüngling ftand [iegt] wie ein Kind mit kindlichem Ausdrud da. ©. 218. Der Bruder hab’ ihn ſchon gejholten, dajs er jo altflug fei. ©. 219. Altmweife fehlt noch in meinem Ergänz.-Wörterb., wo aber auf ein Beiſpiel (im lobenden Sinn) aus Hotho's Borftudien S. 91 hingewieſen ift: „Traulich vereinte Kreife. Großväter im frohen Getümmel einer reihen Familie, alter$- weife und altersmild, Söhne und Töchter ꝛc.“, ſ. auch in meinem Wörterb.: altflüglih und ältlichtlug (Leifing) und zu altflug die Fortbildung: Altklugheit (namentlih in dem tadelnden Sinne).

137. ©. 238: Bei jedem Lied nah einem gewiffen Abſchnurren von Tönen zu ſuchen, das man nachher auf jedem Leierkaften nachſchnurren fann, wo die zweite Zufammenfegung von ſchnurren nod in meinem Ergänz.-Wörterb. hätte nachgetragen werden können, in der allerdings jelbft- verftändlihen Bedeutung: ichnurrend wiederholen :c.

138. ©. 247: Ihn über den Haufen zu ſchießen oder mid von

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ihm niederpaffen zu laſſen, niederſchießen [mit dem einen Schuſs nachahmenden Tone „paff“, ſ. in meinem Wörterb. III ©. 1373c Nr.1d, Wörterb. II ©. 492c). Das Zeitwort fehlt noh in meinem Ergänz.- Wörterbuch.

139. ©. 254: Er müſst' mich für einen feigen Burſchen halten, wenn ich jegt hinter mich treten wollt‘, zurüdtreten (f. d.), hinter meinen bisherigen Standpunft.

140. ©. 261: Die politiſchen Freunde, die Freunde der Germania als ftillen Konventikel zu verfammeln, als männlihes Hauptwort, wohl nad dem Franzöſiſchen, ftatt (wie gewöhnlih nah dem Yateinifchen) als ſächliches, ſ. z. B. mein Fremdwörterb. 1 S. 700b.

141. ©. 262: Fing er an, auf den Saiten zu klimpern und ver- träumte fich bei diefen Klängen in alte Zeiten, als rüdbezügliches Zeit- wort (jo nod in meinem Ergänz.-Wörterb. nicht belegt) = träumend oder träumeriſch fih in Etwas verjenfen ꝛc.

142. ©. 266: Die Thür jhlug wieder zu, f. in meinem Wörter: buh 111 ©. 945b Nr. lc als intr. (mit jein): fih in jhlagender Bes wegung ſchließen (vgl. zuflappen, zufpringen) zc, vgl. 2a: tr. ihlagend zumachen oder ſchließen: die Thür ꝛc. zuſchlagen.

143. ©. 276: Während er über die Taubenmweisheit lädelte, üblider: Taubeneinfalt, j. Wörterb, I S.406b, vgl. Matth. 11, 16.

144. ©. 278: Ein kräftiger Fluh der VBerwunderung zerquetidte zwiihen feiner Bade und der Alten Yippe, wo das bervorgehobene, gewöhnlih nur tranfitive Zeitwort (ſ. Wörterb. II S. 623b) intranfitiv (oder medial) gebraudt ift, im Sinne des Palfivs: der Fluch wurde zerquetſcht, vgl. mein Wörterb. III S. 1214c, wo es unter II ftiden

beißt: „tr. dämpfend (j. d.) tödten ... und intr. (jein) = pajfiv: ge- ftidt fterben, vergehen zc., häufiger Zufammenjegungen: Er-: a) intr. 3. B. Jemand erftidt an einem Tropfen Milh .. .„ im Rauſch ꝛc. . . . Ein

Wort, Auf, Schrei ꝛc. erftidt (in der Keble, Bruft xc.) ... b) tr., jaktitiv zua.. . Sehr oft, eigentlih und übertragen: ... Der Raud, Qualın ꝛc., die Angft ac. erftidt mich . .. Worte, Seufzer, Thränen ꝛc. . . . erftiden mich ꝛc.“ jo (j. in Wilbr.): Der Fluch erftidte intr. [vgl.: erftarb, wurde erftidt, unterdrüdt ꝛc. .

145. ©. 279: Er betrachtete fie, wie man ſich in eine alte Leiden— ihaft zurüdjinnt ꝛc., ſ. Wörterb. III ©. 11068, „an Vergangenes dentend“ ꝛc. finnend ſich in die Vergangenheit zurüdverjegen ıc.

146. ©. 282: Ich träumte (im Schlaf) davon, dajs id fie bejuchte, 10 das von mir eingeflammerte „im Schlaf” füglih hätte wegbleiben fönnen, da man bei träumen, wenn nit ein Zujag daneben fteht, wie:

331

wadend; im Wachen :c. in der Megel nur an Vorkommmniſſe, Erſchei⸗ nungen, Borftellungen im Schlaf denkt.

147. ©. 291: Wo fie mit einander „Muſenbrod“ genafht. Es follte richtig heißen: Musbrot, vgl. in meinem Wörterb. I ©. 74b: Bämme, mit der Erklärung: „geihmierte Brotſchnitte“ und dazu als Beiipiele: „Butter, Schmalz, Mus, SirupsB." Bei Mujenbrot wird der Hörer oder Leſer zunähft in dem Beltimmungswort einen Zu— jammenhang niht mit Mus, fondern mit Muje vermuthen. [Der Laute verihiebung gemäß die Schreibweife Brot mit auslautendem t richtiger als das niederdeutihe und engliide d, bread.]

148. ©. 302: Roderich hörte tieffinnig und unfroh zu, f. über das hervorgehobene Eigenihaftswort mein Wörterb. I ©. 501 und zu den Belegitellen von Goethe und Yeifing und denen von Wilbrandt (j. o. Nr. 58), 3. B. auch noch: Troß ihrer unfroben Gedanken. Vom Fels zum Meer XII ©. 164b u. a. m.

149. ©. 322: Es gebe nur ehrbare Mädchen, meinte er, und luftige liegen, f. mein Wörterb. I ©. 46le Nr. 1.

150. ©. 332: Aber Ignaz erraffte ji, ftürmte über die Schwelle ıc. rüdbezüglid ftatt des üblichen: raffte (vgl. rappelte) fih auf. Syn meinem Wörter. II ©. 632c habe ih erraffen nur als zielendes Zeitwort aufgeführt.

151. S. 370: Lucius dachte nicht weiter; ihm war wie dem Nebel— wanderer, vor dem fih auf einmal der unermeislihe Abgrund öffnet, ſ. in meinem Wörterb. III S. 1479b und Ergänz.-Wörterb. ©. 606 c Wandie)rer mit Zujammenjegungen, nad deren Beijpiel fih in uner- ihöpfliher Fülle ähnliche bilden laffen, namentlid dem Bedürfnis des Augenblids entiprehend, in der geiprocdenen Rede. In der erzählenden Darftellung können jolde Augenblidsihöpfungen vollkommen beredtigt und auch wirkſam jein, wo der Schriftfteller feine Perſonen ſprechen läfft; aber, wo er im eignen Namen jpricht, wäre meiner Anfiht nad eine jorgfältigere, gemwähltere Ausdrudsweile mehr an der Stelle, und jo würde ih 3. B. den vorliegenden Sat lieber etwa jo ausdrüden: Ihm war zu Muthe wie einem im Nebel Dahinwandernden, vor dem xc,

152. ©. 373: Sie hatte fi bei diefen fiebernden Worten ganz an jeinen Bujen hingedrängt, in gehobener Sprade mit einer Begriffs- vertaufjhung (nit die Worte fieberten, jondern der Spredende), vgl. im Zon der gewöhnlichen (nicht gehobenen Rede): bei diefen im Fieber ge— jprodenen Worten, vgl. in meinem Wörterb. 1 ©. 442a: fieberhaft, fieberiſch, fiebern.

153. ©. 380: Johann .. . ſah mit den Ylanımenaugen vor fid

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Hin und ſchien feiner That zufrieden, in gewöhnlicher Rede (ftatt des Genitivs): mit feiner That, ſſ. mein Wörterb. I ©.498a zufrieden 2a—d. Die aufgezählten Fügungen grenzen nahe an einander, doch ift abhängiges mit das Gewöhnlichſte. In dem vorliegenden Sak von Wilbrandt ift der Sinn: Johann ſchien dur die That, wodurd er fi gerächt, befriedigt und zugleih: er empfand feine Neue darüber]. Unmittelbar darauf heißt es weiter: Der erfhütterte Yucius ftand eine Weile ohne Worte da; das Entiegliche diefer Rache überſchauerte ihn [f. mein Wörterb. III ©. 899a]; fein Gefühl fträubte fih empor, f. ebd. 1233a, aud mit Hinzugefügtem dagegen, damwider, ebd.

153a. ©. 403: Dem Horder ftieg das Haar, er wagte nit zu athmen; der ungeheuerlichfte Gedanke klopfte an feine Stirn, vgl. Wörterb. III ©. 1199a unter fteigen 2a, woraus ih bier entlehne: Einem fteigt das Haar (f. d. Ic, 3. B. Langbein 1, 3; Schiller 730a), gewöhnlid: zu Berge (Mufäus PVoltsmärden 4, 94) und Wörterb. 1 ©._647 a unter Haar le (f. o.): Das Haar ridtet jih Einem empor, fteht, gebt, fteigt zu Berge, bolzgerade auf; grauft, frauft fih ꝛc, vor Angit, Schreden. Etwas treibt Einem die Haare zu Berge, macht die Haare (fi) ſträuben ꝛc. und Wörterb. III ©. 12330/4a unter fträuben die Belege für das tran- fitive und das refl ſträuben (in Bez. aufs Haar), vgl. Zeitihr.S.311 Nr. 54.

Stein.

„Dennoch hat feine diefer Gewalten fein männliches Gefühl, daſs das Leben werth fei gelebt zu werden, je zu erihüttern, fondern im Gegen: theil nur zu fteigern vermocht.“ Grenzboten LV, 2, 135.

Zu diefem Satze ſehe man, was ih in meinen Hauptſchwier. unter dem Titeltopf: „Zufammenfaffung“ in Nr. 2g auf ©. 345b/6a gejagt und wovon id bier wenigitens den Anfang berfegen möchte Da heißt es:

„Auf verneinte Säge ift nah adverjativen (f. d.) Konjunftionen wie aber (f. d. 1), dem aufhebenden jondern (f. d. 3) der bejahende Gegen- fat zu ergänzen, nicht bloß 3. B.: Mein Bruder hat es nicht geieben, aber oder fondern ih [sc. habe e8 gejehen] zc., jondern auch allerdings mit einer befjer zu vermeidenen Härte : Man darf daher feine pragmatifhe Entwidlung .. . fuchen, fondern [sc. muſs) ſich be- gnügen 2c. Goethe 32, 53. Hier wäre fügliher das von uns binzugefügte mujs nit fortgeblieben. Val. auh: Die Engländer, denen der Farben: finn jo kümmerlich ſadde etwa: gewährt oder zu Theil geworden, ja faft ganz] verfagt ift. Heine 3, 191 ꝛc. Noch tadelbafter ift ſonſt eine Auslaffung, wonah man aus einem Worte feinen Gegenjag ergänzen foll, vgl. Wenig 4, 5; Zweideutigfeit 2n und 3. B.: „Ich wünide

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nit, dafs du fie Syemandem anders mittheilft als dem Kriminalrath Hitzig und [sc. ih wünſche,] dajs du auch bitteft, fie NMiemandem mitzutheilen. Heine 19, 245 (in einem flüchtigen Briefe).“

Das dort weiter Folgende ſetze ih mit Rüdfiht auf den Raum bier nit ber; ſchon das Gefagte genügt wohl, um den Berbefferungs- porihlag für den an die Spike geitellten Sat zu begründen:

„. . » je zu erjhüttern, fondern [jede hat] im Gegentheil ſes oder diejes Gefühl] nur zu fteigern vermodht.“

©. den unmittelbar folgenden Aufjag.

Schule und Politik,

Eine Abiturientenentloffjungsreve. Bon Dtto Kämmel in Leipzig.

Aus diefer in den Grenzboten LV, 2, 49 ff. veröffentlichten Rede hebe ih bier zwei Stellen aus, die zu Bemerkungen über VBerneinungswörter (nit, fein ꝛc.) Anlajs geben.

1. Soll nun etwa der Lehrer ſich feine Überzeugung über inner: politiihe Fragen bilden dürfen? Gewiſs darf er Das heut zu Tage nicht nur, fondern er joll es aud ꝛc. (©. 51.)

Das hervorgehobene Das als Objekt von „darf“ erjeßt hier den im vorangegangenen Fragejag ftehenden Ynfinitiv Dürfen nebjt Zubehör; gehört nun aber zu diefer Zubehör in dem vorangegangenen Sa die vor dem Objekt (Überzeugung) ftehende Verneinung (feine) oder gehört fie niht mit dazu? Bol. in meinen Hauptihwier. ©. 216b unter dem Zitellopf: „nicht“ Nr. 6, wo es heißt: „Nicht im Fragefägen (im Gegen- fa zu etwa) hebt hervor, daſs der Fragende eine bejahende Antwort erwartet (jo aud: Niht wahr? oder bloß: Nicht?), ähnlih in Ausruf- jägen ꝛc.“ Ähnlich auch bei fein (j. a. a. O, ©. 191la). Der Redner bat bei feinem ein Berneinungsmwort enthaltenden Frageſatz die ers wartete bejahende Antwort im Sinne gehabt, und in diefem Sinne joll natürlih aud in der Antwort, die er auf feine Frage ſich ſelbſt giebt, bei dem Das nicht etwa ergänzt werden: „eine Überzeugung” fondern grade im Gegentheil: „eine Überzeugung“. Hier ift aljo die Fügung nah dem Sinn (j. in meinen Haupticdwierigfeiten ©. 156 b—160a) zweideutig, und richtiger hätte ftatt des zweideutigen Erſatzwortes Das der Redner im Antwortfage mit Wiederholung der im Frageſatze gebrauchten Wendung etwa jegen müſſen:

Gewiſs darf er heut zu Tage auch über Fragen der innern Staats» angelegenheiten fi nicht nur „eine“ Überzeugung bilden, fondern er ſoll es auch ꝛc. Bgl. aud dem bier unmittelbar vorhergehenden Aufſatz.

334

2. In derjelden Rede lejen wir auf ©. 53:

„Und Das alles follte, recht angewendet, ohne Einflufs fein? Das jollte den heranwachſenden Jüngling nicht einigermaßen jhügen vor blinder Schwärmerei und boftrinärem Eigenfinn, Das follte niht in ihm das Verftändnis für feine Zeit und die Fähigkeit, ihre Aufgabe zu löjen, er- mweden? Das follte ihn nicht zum feiten Patrioten machen helfen, der die alte Erbſünde unjers Volkes, das Erbftüd einer verworrenen und Heinen Vergangenheit, die uns no heute lähmende politiihe und kirchliche Partei: fucht, überwindet um des Vaterlands willen? Wer Das nit glaubt, Der glaubt an die höchſte und ſchönſte Aufgabe unjrer Schulen nicht.“

Nah dem in Nr. 1 auseinander Gejegten kann ih mid bier kurz faffen ; es genügt wohl, zu fagen, der Redner hätte ftatt der vorangeichidten Frageſätze, in denen er durch eingejhobene Verneinungswörter die fichere Überzeugung ausipridt, daſs die Hörer beftimmt die Frage bejahen werden, beftimmte Ausjagejäge anwenden follen, wonah dann der antmwortende Schluſsſatz in der von dem Redner gewählten Form ganz in der Ordnung und ohne jede Zweideutigfeit gewejen jein würde, aljo etwa:

Das alles wird und mujs von großem (oder: nicht ohne) Einflujs fein, wird und muſs den heranwachſenden Jüngling mindeftens einiger: maßen jhügen ꝛc. . . . Wer Das nit glaubt, Der glaubt an die höchſte und fhönfte Aufgabe unſrer Schulen nidt.

Komparativ von „leid“. Konjunktiv des Imperfelts von „ſterben“.

Sn der hübſchen Erzählung: „Ein Prachtjunge“ von B. Willibald (luft. Zeitung Nr. 2764) heißt es ©. 773c: „Thut es dir denn nicht jehr leid, das Hündchen wegzugeben?” ... Es thäte mir noch viel leider, wenn du fterbeft; wofür es der heutigen Schriftſprache gemäß richtiger heißen würde: Es thäte mir no viel mehr leid, wenn du ftürbeft, vgl.: „Bon Wörtern, die eigentlih keine Eigenihaftswörter find, jondern nur einigermaßen abdjektivifhe Natur angenommen haben, fo dafs fie als Attribut nicht gemöhnlih find, ift auch die Steigerung nit gewöhnlich (obgleid vereinzelt vorfommend): ..... Das thut mir mehr leid als id jagen kann. (Minder gut: Nichts that ihm leider. Heine 7, 48 ıc., |. mein Wörterb.) Hauptihwier. S. 206b Nr. 1g und eben da ©. 193a unter „Konjunktiv, Imperfekti 1 f*: Dem a des Indikativs entſpricht als Umlaut ä; daneben und ftatt desjelben findet fih aud (entiprechend dem im Particip theilweife auch im Indikativ Imperfekti bervortretenden

3355

Vokal) ö und ü, 3. B.: zu bes, empfahl, ftabl—: ber, empföhle; ftöhle; zu: begann; gewann; rann: fann; fpann; ſchwamm; galt; ſchalt; barjt (oder borft)—: begünne; gewönnezac.; ferner zu: ftarb; verdarb; warb; warf; barg; ward (oder wurde); half —: ftürbeac. würfe; bürge; würde; bülfe, wo die Formen mit ä (dem Laut nad zulammenfalfend mit dem e des Präſens) minder gewöhnlich find, während umgefehrt die mit ü veraltet oder veraltend find im Konjunktiv zu: band, fand, ftand, ſchwand, wand; drang, gelang, (mijslang), klang, rang, jang, fhwang, jprang, zwang; ſank, tranf, ftant, f. mein Wörterb. unter den betreffenden Wörtern (auch dingen, ſchinden zc. jet meift jhon im Indikativ Imperfekti Shwahformig) und Orthographie 26- Über das auch heute noch neben dem überwiegenden ftürbe namentlid noch bei Schiller und Wieland vorlommende ftärbe f. mein Wörterb. 111 ©. 1209 c/10c.

Zu einigen Süßen von Georg Hartwig. (Nat.:Ztg. 46, 677.)

1, „Unfer Juwel! Ih fieh mal Einer an!“ ftatt jeh, vgl. meine Hauptihmwier. S. 25la unter jehen Nr. 4, wonach regelreht im Imperativ von jehen die zweite Perfon der Einzahl: ſieh! die dritte: jehe! zu lauten hat, obgleih tadelhaft vereinzelt beide Formen grade umgekehrt verwendet werben (ſ. au die Inhaltsverzeichniſſe zu den verjchiedenen Sjahrgängen der Zeitſchrift).

2. „Am nächſten Nachmittag, als der Bräutigam mit den Eltern im Salon plaudernd bei einander ſaß.“ Richtig follte es am Schluſs beißen: „zufammen jaß“ oder fonft: „als der Bräutigam und bie Eltern ... . bei einander ſaßen.“

Zu einigen Zeilen Leſſing's.

Ich habe ein paar Handihriften von ihnen überlaufen, in welden ich verjchiedene befjere Yesarten angetroffen, als in den gedrudten Aus— gaben jämmtlih zu finden. Ich denfe, dafs hier gerade der redte Winkel ift, in welden ih jo Etwas auf Nothfall des Gebrauds hin- werfen oder in Entjtehbung alles Gebrauhs wegwerfen fann.

Leffing in den „zerftreuten Anmerkungen über das Epigramm ꝛc.“

und zwar in dem 4. Abfchnitt mit der Überjchrift Priapeia.

Schwerlich giebt es bei Leſſing viele jo furze Stellen, die zu Be- merfungen, wie fie der Eigenart meiner Zeitfhrift gemäß find, jo vielen Anlaſs böten, wie die obige.

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1. Dafs Leſſing in den beiden Fällen, wo er bier von dem bezüg- lien Fürwort Gebrauch macht, Formen von welder, nicht von der verwendet, würde ich nicht erwähnen, wenn nicht nah Wuftmann’s (jpäterer) Belämpfung des bezüglihen Fürworts welcher das Beiſpiel Leifing’s an» geführt zu werden verdiente. Es wird nad meiner Überzeugung nur wenig unbefangene Leſer geben, welde die Änderung: „Handſchriften ... . in denen 2c.”; „Der rechte Winkel, in den zc.“, als eine nothwendige oder auch nur wünſchenswerthe Verbefferung anerkennen werden.

2. überlaufen, ſ. mein Wörterb. II ©. 52b, wo es in II unter Nr. 1d heißt: „Etwas (mit den Augen) überlaufen: es raſch überbliden, raſch betrachten, eigentlich und übertragen“, mit Belegen und dem Hinweis auf übergeben II, 8. Bgl. etwa aud: Ich habe ein paar Handiriften von ihnen |den Priapeia oder: davon, j. Hauptiäwier. S. 140a unter „Er“ 2] flüchtig durchgeſehen, einer flühtigen Durchſicht unter- worfen x.

3. In welden ih ... . beffere Yesarten angetroffen, vgl.: Aller: band Spraddummpeiten von Dr. Guſtav Wuftmann S. 166, wo es auf S. 166 heißt:

„In poetiih oder rednerifh gehobner Sprade ftört es nicht, wenn das Hilfszeitwort zuweilen unterdrüdt wird, in ſchlichter Proja, wie fie die wiffenfhaftliche Darftellung und im Allgemeinen doch aud die Erzählung, die hiftorifche fowohl, wie der Roman und die Novelle erfordert, iſt es geradezu unerträglid. Wer Das beftreitet, Der hat eben fein Sprad: gefühl. Wer fih einmal die Mühe nimmt, bei einem Schriftiteller ... . nur ein paar Drudieiten lang auf dieſe vermeintlihe Schönheit zu achten, Der wird bald täufchend [?!] den Eindruck haben, als befände er fih in einem Thiergarten, wo lauter unglüdjelige Beftien mit abgehadten Schwän— zen ] ihres Verluſtes fih ſchämend [!] ſcheu um ihm berumliefen.“

Dana bätte aljo „in der wiſſenſchaftlichen Darftellung“ Leſſing das „habe“ hinter „angetroffen“ nicht weglaffen dürfen. Dem gegenüber verweiſe ih auf mein „Deutſches Stil-Mufterbuh“ ©. 64, wo es in Bezug auf den Sak von Yejjing: „Ob man ihn (habe) tadeln oder loben wollen“ heißt:

Über die Stellung und die Fortlaffung des bier eingellammerten Hilfszeitwortes „habe“ Kann ih auf mein Wörterb. der Hauptihwier ©. 170 und 269 und bejonders auf meine Schrift „Sagbau und Wort: folge“ ©. 101 ff. und 110 ff. hinweijen: „Dieje für die Kürze vor— theildafte, bei guten Schriftjtellern jih findende und mit bejonderer Vorliebe von Leifing angewandte Weglafjung des „haben“ in abhängigen Sägen bei den zufammengejegten Formen der Hilfszeitwörter aud da,

BET

wo das Particip derjelben in der dem Infinitiv gleihlautenden Form ſteht (wollen gewollt) ift dod im allgemeinen Gebrauh noch nicht jo durdgedrungen, dafs nicht mandes Ohr daran einen Anftoß nehmen jollte. Der Einzelne wird fih zu entiheiden haben, ob er hierin lieber dem noch vorherrſchenden Gebrauche folgen oder durch jein Beijpiel mit zur Be- jeitigung oder doch Beihränfung des aud in diefem Fall immerhin jhleppenden ‚haben‘ beitragen wolle zc.“, ſ. aud in den abecelich geordneten Inhaltsverzeichniſſen der verſchiedenen Jahrgänge der Zeitihr. unter „haben“.

4. In den gebrudten Ausgaben ſämmtlich, wofür es aud hätte heißen können: in (den) ſämmtlichen gedrudten Ausgaben, mit dem eingellammerten Wort oder ohne diejes.

5. Der rechte Winfel, d. i. bier fo viel wie: der richtige, geeignete, paffende 2c.; jonft aber flieht der rehte Winkel auch im Gegenjag zum fhiefen (j. mein Wörterb. Il ©. 672c Nr. 2) und, um jeden Gedanken an dieje Bedeutung fern zu halten, hätte Leſſing vielleiht der Ausdruds- weife: „der richtige (oder der geeiguetfte, paſſendſte) Winkel“ oder: „der rechte Platz“ zc. den Vorzug geben können oder jollen; aber, da ein wirflihes Mifsverftändnis nit zu befürdten ift, jo ift hier auch gegen „recht“ im Grunde Nichts einzuwenden.

6. Auf Nothfall ftatt des gewöhnlichen, allgemein üblihen: im Nothfall (f. mein Wörter. 1 S. 399a; Ergänz.-Wörterb. ©. 186c) oder: für den N. Ich habe die an beiden Orten nit erwähnten Prä- pofitionen hier als erwähnenswerth nachgetragen und will hinzufügen, dafs nad meinem Spradgefühl in der heutigen Sprade, wie bei für, aud bei auf mohl richtiger der beftimmte Artifel vor dem Hauptwort ftände: „auf den Fall des Gebrauchs“.

7. hinwerfen, wegwerfen, f. mein Wörter. III ©. 1573c, wo der Sat auch als Beleg aufgeführt ift. Hier möchte ih noch bejonders auf den Unterfchied der Vorfilben bin und weg aufmerkſam maden: Etwas hinwerfen, zur Zeit, an irgend einen Platz, Ort, um es viel leiht im eintretenden Fall des Gebrauchs von dort wieder aufzunehmen, es wegwerfen, als etwas Unbrauhbares, das man ein= für allemal los jein will,

8. In Entftehung alles Gebrauds, j. mein Wörterb. III ©. 1195b, wo dieje Stelle aufgeführt ift, mit der in Klammern beigefügten Erklärung in Ermanglung, vgl. dort, unmittelbar vorbergehend: „Entjtehenden [midrigen] Falls oder: im Entftehungsfall. Goethe 35, 107“, melde Stelle aus dem 21. Auftritt des 4. Aufzuges des von Goethe für Die Bühne bearbeiteten Götz von Berlichingen ꝛc. ih hier vollftändiger herſetzen

Beitfchrift f. deutiche Epradie. X. Jahrg. 26

Bi

will: „Und doch haben wir gemeffenen Befehl [gemefjene Order), Euch in Güte zu bedeuten [in der Güte zu überreden] oder im Entftehungs- falf Euh in den Thurm [Thurn] zu werfen.” ! Im Vorbergehenden habe ih im Wörterb. unter „entſtehen“ 2 gejagt: „bejonders obgleich heute wegen Mifsdeutung (f. d.) gemieden : Einem entiteht Etwas (oder Yemand), mangelt ihm, läfft ihn im Stich.“ Auf die zahlreichen Belege für diefe Bedeutung aus guten und im Allgemeinen muftergültigen Schrift: ftellern (f. auch Ergänz»Wörterb. 514b) fann ih mit Nüdjiht auf den Raum bier nur binweilen, aber ausdrüdlich wiederholen möchte ich die Mahnung, in der heutigen Schriftſprache diefen Gebrauch überall zu vermeiden, wo er zu Mijsdeutungen Anlajs geben fann.

Der gehörnte Siegiried. Bon Friedrich Hebbel.⸗

Einzelne Bemerkungen in Bezug auf Spradlices und Versbau.

1. ©. 7: (Hagen:) „Dass den Kapları der Satan jelber hole; | von dem er ſchwatzt!“ Umſchreibung für den Imperativ: der Satan hole oder hole der Satan den Kaplan, von dem er (diejer) ſchwatzt ıc., zu erklären: [ih wollte zc.], dafs der Satan den Kapları holte :c.

2. ©. 7: (Hagen:) „Sein Feſt [= die Feier von Chriſti Geburt] verdarb ung eine Bärenhatz“ bradte es dahin (war die Urſache), dajs wir um eine Bärenhag kamen, weil wir an diejem Feſttage feinen Bären begen (oder jagen) durften, ſ. namentlich aud über die ftarfe und die ſchwache Abwandlung des Zeitworts verderben mein Wörterb. I ©. 234a/b; Ergänz.-Wörterb. ©. 142b.

3. ©. 8: (Gumther:) „Erzähl uns 'was. Der Tag | wird jonft zu lang. Du weißt fo Danderlei | von ftarten Reden“ [j. mein Wörterb. II ©. 682b/c] „und von ftolzen Frauen”. (Hagen:) „Nur von Yebend'- gen, wenn es bir beliebt, | dajs man ſich fagen darf: ‚Die frieg’ ih nod, den vor mein Schwert und die in meinen Arm.‘“ In ber ihlidhten, gewöhnlichen Rede hieße es bier ftatt „Lebendigen“ wohl

ı Das in edigen Klammern Beigefügte find die Pesarten des urjprünglicen Stüds,

2 ©. „Meyer'3 Vollsbücher“ Nr. 1012— 1014: Hebbel „Die Nibelungen.“ 222 S., 30 Pi. Die Nibelungen. Ein Trauerſpiel in drei Abtheilungen von Friedrich Hebbel. Erfte Abtbeilung: Der gehörnte Siegfried. Boripiel in einem Alt (S. 5—28). Zweite Abtbeilung: Siegfrid’s Tod. Ein Traueripiel in 5 Alten (S. 29—112). Dritte Abtheilung: Kriemhilds Rache. Ein Trauerfpiel in 5 Alten (S. 113—222). Boran geht eine kurze Einleitung (S. 3—4) Hebbel’8 Leben und Were.

339

„Lebenden“, ſ. in meinem Wörterb. II ©. 64a unter dem Zeitwort: leben in Nr. 10: „im Partic., nicht bloß, wie das Zeitwort überhaupt, 3. B.: Lebende Weſen. Der Lebende bat Recht. Schiller... Seine Schöne fteht jo lebend [lebhaft, als ob fie lebte] vor ihm da, | wie er fie heut’ im Betftuhl nieen jah. Wieland ... Sich lebender Weiſe langjam ertödten. Herder... ., wofür aud lebendig ftehen fünnte, dagegen ge- möhnlih nur lebend, wo es mit adverbialen Beftimmungen nicht eigent- lich Eigenihaftswort ift (j. d—g): Ein noch bier lebender Zeuge. Die dort wild lebenden Thiere. Ein glüdlich lebendes Ehepaar. Die nur für ihre Kinder lebende Mutter. Die von Aas lebenden Geier ꝛc. (veraltet freilich auch: Ein noch in Ravenna lebendiger Poet. Garzoni . . .), vgl. mein Wörterb. II ©. 69a und bier bei Hebbel in der durch leiſe Ab- weihungen fih von dem Gebrauch der gewöhnlichen ſchlichten Rede ab» bebenden Dichterſprache (ſ, auh Nr. 4): „von Lebenden“ von jegt noch Lebenden, im Gegenjag von bereits Berftorbenen von Perſonen, die nod am Leben find.“ Das unmittelbar vor „krieg'“ ſſ. über das in

der Boltsiprade fo allgemein übliche Zeitwort kriegen, das aber aud in der Schriftiprahe an feinem Platz ift, namentlih wo es fih um ein derbes Anfafjen, Baden handelt, mein Wörterb. 1 ©. 1032] ftehende die ift die Mehrzahl, fich beziehend auf die „lebendigen“ (noch lebenden) „Reden und Frauen”; aus diefer Mehrzahl aber geht der Sprecdende dann im die Einzahl über: Den [= den einzelnen ftarfen Meden, von dem bu grade erzählft] betomm’ ich noch vor mein Schwert als mir gegemüberftehenden Kämpfer und die [= die ftolze rau, von der du erzählftl, als mein Lieb in meinen Arm, vol. 4.

4. ©. 8: GVolker:) „Ich will dir von Lebendigen [f. Nr. 3] er- zählen | und der Gedanfe foll dir do vergehn. | Ich fenn’ den Recken f. Nr. 3), den du nimmer forderft, | und aud das Weib, um das bu nimmer wirbft.” (Hagen:) „Wie? aud das Weib? den Meden lafj’ ih gelten, | doch aud das Weib? Du meint“ [unter dem Neden] „ven Shälangentödter, | den Balmungihwinger, den gehörnten Sieg— fried, | der, als er einmal Schweiß vergoffen hatte, durchs Bad ſich dedte vor dem zweiten Mal. | Allein das Weib?“ (Volter:) „Ich fag’ dir Nihts von ihr! Du könnteft ausziehn, um fie heimzuführen | und kämſt gewiſs niht mit der Braut nah Haus. | Der Schlangen- tödter jelbft wird fich befinnen, | ob er als Freier bei Brunhilden Flopft*, [dihteriih ftatt der in der jchlichten Rede gewöhnlihen Zufammenfegung anflopft, ſ. mein Wörterb. 1 ©. 94lc und 942a unter Elopfen 1b und anflopfen 1a, ähnlich, wie in Nr. 8 ziehen für das gewöhnlichere ausziehen] u. ä& m. (Hagen:) „Nun, was Herr Siegfried wagt, Das

26*

=. HD.

mag’ ih aud. | Nur gegen ihm erheb’ ich nicht die Klinge. | Das wär’ ja auch, wie gegen Erz und Stein, | Glaubt’S oder zweifelt, wie es euch ge fältt, | ih hätt’ mich nicht in Schlangenblut gebadet. | Darf denn nod fechten, wer nicht fallen kann?“ (Gijelber, zu Bolter:) „Schon hört’ id taufend Zungen von ihm plappern, | dod, wie die Vögel durch einander zwitſchern, | es gab fein Lied. Sprid du einmal von ihm!” (Guntber:) „Bom Weibe erf. Was ift Das für ein Weib?“

Ich brauche fiherlih nit darauf bejonders aufmerkffam zu machen, mit welder Kunſt der Dichter es verftanden bat, dur die Reden ber verichiedenen Perfonen in dem Boripiel (bier in der erften und gleich darauf in der zweiten Scene), den Knoten ſchürzend, die Zufhauer auf die Vorgänge der beiden nachfolgenden ZTraueripiele gehörig vorzubereiten, ihren Antheil an dem Schidjal der Hanptperfonen anzuregen, fleigernd zu jpannen und rege zu erhalten u. ſ. w. ebenfalls kann ih es an biejer Andeutung genügen laffen, da nah der Eigenart meiner Zeitihrift meine Bemerkungen bauptjählih nur auf das Spradlide gerichtet fein folfen. Über die dur Sperrdrud hier bervorgehobenen Wörter ſ. bier Nr. 5 und mein Wörter. und Ergänz-Wörterb. und zu Balmung (Siegfried’ 3 Schwert, in der deutihen Heldenſage, vgl. ©. 23 [f. u. Nr. 19] und ©. 34: „der Nede mit der Balmungflinge“) mein Fremd— wörterb.; zu dem auch in dem Titel bes Vorjpiels vorfommenden Beimort Siegfried’ in meinem Wörterb. I S. 793 c den Vers aus dem Nibelungen» lied (in Simrock's Überjegung): Da er im Blut ſich badete, ward hörnern feine Haut. Über Schweiß, (das für Blut no weidmänniſch all- gemein üblich ift) j. in meinem Wörterb. III ©. 1044b, woraus id bier mit Übergehung älterer Stellen (in Schaidenreißer’s Odyſſea) nur anführe: Mit Dradenihweiß wird Berg und Wald fi färben, | die Ebnen färben fih mit Näuberblut. Goethe 6, 210 [die romantiſche Poefie]; Göding 3, 14.

Über Weib f. meine Hauptſchwier. unter dem Titelkopf: „Fügung nah dem Sinn“ Nr. Irr, wo e8 beißt: „Ein Weib, das xc.; es ꝛc.; häufiger: die 2c.; fie 2c, (ſ. auch bei Weibchen, Weiblein) ımd in VBermifhung beider Fügungen: Ein altes Weib, das ihr Holz; von Zäunen ftoppelt. Goethe 14, 23 ꝛc.“ ſ. oben: Das Weib, um das ſächlich du nimmer wirbt... „Allein das Weib?" Ich jag’ dir Nichts von ihr [weiblihes Fürm.], | du fönnteft ausziehn, um fie [weibl.) heim- zuführen zc., ſ. bier die folgende Nr. (5). Zu Gijelder's Worten möchte ch erflärend Hinzufügen: Das, was Gifelher (König Gunther's Bruder) von taufend durcheinander plapperndern, nit zu einander ftimmenden Zungen gehört, war nur ein wirres Durdeinander von Tönen, wie das

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dar einander zwitjhernder [j. mein Wörterb. III S. 1815b/e und bier unter Nr. 24] Vögel kein Harmonifches oder in ſich übereinſtimmendes, zu dem Gefühl fprehendes Lied |[j. d. in meinem Wörter. III ©.132b)] ergiebt.

5. ©. 9: GVolker:) „Dort wuchs ein Fürftenfind | von wunder: barer Schönheit auf, jo einzig, | als hätte die Natur von Anbeginn | haus: bälteriih auf fie geipart und jeder | den hödften Weiz des Weibes vorenthalten, | um ihr den vollen Zauber zu verleihn“. Fürſten— find ift, wie das Grundwort „Kind“, ſprachlich ſächlichen Geſchlechts, aber (j. unter ‚„Fügung nah dem Sinn“ in meinen Hanptihwier. ©. 157 b Nr. 1, vgl. die voraufgehende Nr. 4) dem natürlichen Geihleht nad von Knaben männlid, von Mädchen mweiblid. Es beißt a. a. D.: „Das Kind... er ıc. Goethe 17, 274; 255; 256 ꝛc. . . . auch: Nun war ein wild, wüſt Kind unter ihnen. Der hatte gejagt. Heine 5, 62 (aus Luther); dagegen: In der Seele eines guten Kindes von 20 Jahren, die ıc. Goethe 32, 40; 13, 303; 304; 16, 126 (wechſelnd es und fie; eben fo 315) u. o.; fo bier: ein Fürſtenkind mit darauf folgenden weiblihen Fürmwörtern (fie, ihr, jeder [im Dativ]), vgl. Zeitihr S. 276 Nr. 34. Über jparen mit auf im Accuj., |. mein Wörter: bug 111 ©. 1127c/8a und vgl. im Ton der gewöhnliden (nit dichteri— ſchen) Nede: als hätte die Natur Alles haushälteriih für fie aufgejpart.

6. ©. 10: (Gunther:) „Ich glaub’ es jelbft! Doch jprid, was rührt ibn her?“ (Hagen:) „Ich weiß nit, was ihn reizt! Er fommt wohl nit, | um fih vor dir zu büden.“ Die Neben der beiden Berjonen beftehen, jo weit fie angeführt find, bis auf das Schluſs— wort aus lauter einfilbigen Wörtern. Einige Spradlehrer haben die Hegel oder vielmehr die Behauptung aufgeftellt, man müffe eine längere ununterbrodene Reihe von lauter einfilbigen Wörtern, als der Wohlbewegung und der Abwechslung des Silbenfalls ermangelnd, vermeiten. In diefer Allgemeinheit ift die fogenannte Megel jedenfalls nicht richtig, wofür ih hier in aller Kürze nur das Folgende bemerfen wil. Man denfe 3. B. an die Wellenbewegung des Wafjers, die jo glücklich in Goethe's Ballade: Der Fiſcher, durh die Versbewegung ins Ohr fallt in Zeilen wie:

Und wie er figt und wie er lauft, Theilt fih die Fluth empor

Halb zog fie ibn, halb fant er bin Und ward nit mebr gefehn xc.

Auch in Hebbel’s Nibelungen finden fih, wie im Dbigen, nicht jelten längere Reihen von einfilbigen Wörtern, vgl. 3. B. gleih auf ©. 11:

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(Buntder:) Hier fämpft man nidt um Das, was man ſchon hat! (Siegfried:) Um Das denn, was dram fehlt! Ich Hab’ ein Reid, So groß wie being; und wenn du mich befiegft, So bift du Herr darin. Was willft du mehr? Du greiffi nod nit zu deinem Schwert?, in welden Verſen nur drei zweifilbige Wörter zwiſchen 42 einfilbigen fich finden; (S. 12 Siegfried); Du nennft ihn nit und greifft aud nit zur Wehr? welder Vers aus lauter einfilbigen Wörtern befteht, wie auf der folgenden Seite in den folgenden Worten Siegfried's: Dort liegt ein Felfenblod, Der ganz fo fhwer für mid ift, wie für dich, der zweite, vgl. S. 14: (UÜte:) Und wie Das fhmerzt, Das magit du jehn an mir; vgl. ©. 15: (Ute:) Nun dies Mal freut’s mid, dbajs dir bloß der Zorn | die Wangen färbt, mit einem einzigen zweifilbigen Wort zwiſchen lauter einfildigen und ©. 16: (Kriembild:) Er wirbt wohl nit, jobraud’ ich's nicht zu thun. (Ute, lachend:) Ei, fo weit fpring’ ih nod, fo alt ih bin; ©. 22: (Siegfried:) Drum gieb jie auf und dent niht mehr an fie!; ©. 23: (Hagen:) Du warft ſchon dort? (Siegfried:) Ich war's! Doch warb id nicht, | au jahih nur; S©.27: (Volker:) So ftehftdu ab. (Gernot:) Das rath’ ih aud. (Hagen:) Ei nun! und ©. 27 den Schlujsvers des Borjpiels: Und kneif did in den Arm und fteh dir bei. Dieje Beiipiele mögen hier genügen, ſ. aud bier in der Zeitfchrift ©. 222 den Schlufsvers von Strophe 30 und ©. 224 von Strophe 80. 7. ©. 13: (Siegfried:) „Und wenn du fürdteft, dajs dein gutes Schwert | an meiner harten Haut zeripringen könnte, | fo biete ich's dir anders fo biete id dir den Wettftreit in einer andern Weije]: komm herab!” zc., vgl. in meinem Wörterb. 1 ©. 129b unter „bieten“ Nr. 4 (Schluſs). Nebenbei bemerkt, habe ich durd die fett gebrudten Bud- ftaben, in den unmittelbar auf einander folgenden Worten: „biete ich's“, auf Das binweifen wollen, was ih im 4. Jahrgang der Zeitihr. S. 230 bis 236 über den fogenannten „Hiatus in VBerjen“! gejagt habe. Hätte Hebbel den Hiatus vermeiden wollen, jo hätte er füglih ſetzen können: „So biete dir ich's anders“, doch ſ. z. B. auh ©. 16: „Ha, der Stein wird fliegen, | al3 würde er zum Vogel“; ©. 25: (Siegfried:) „Den Zauber, der im Blut des Draden ftedte, | jo lange es noch raudte; ©. 27: (Sunther:) „Wenn man das fremde Ufer niht durh Schwimmen |

ı Anfragen, die mir häufig über den „Hiatus in Berfen“ zugehen, laſſen mid ſchließen, daſs die Hinweifung auf den Auffaß, der für eine Wiederholung zu umfang- reih ift, manchen Leſer willlommen fein werde,

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erreihen kann“ und ebd.: (Siegfried:) „Nimm es jo und ſchlage ein“; S. 34: (Frigga:) Mir iſt's fogar, als hätt? ich ihm gefehn, | wie er dich rüttelte und mid bedrobte . . . | D Hätte ih dem Priefter nicht gehorcht“ zc. An diejen Stellen lafje ih es bier genügen, indem ih wie gejagt auf den Aufjag im 4. Yahrgang der Zeitſchr. vermeife.

8. ©. 13/4: (Siegfried, zu Danfwart:) „Und was Eud betrifft, niht wahr? —, ih fniff Eud in den dritten Arm, | es that nicht weh, ih weiß, Ihr Habt ihn nicht!” (zu Allen:) „Als ich hier einritt, padte mid ein Grauen, wie ich's noch nit empfand, jo lang’ ich lebe. | Mid fröftelte, al3 würd's auf einmal Winter, | und meine Mutter fam mir in den Sinn, | die nie zu weinen pflegte, wenn ich 309, | und diesmal weinte, als ob alles Waffer | der Welt den Weg durch ihre Augen nahm.“ Mit den Worten, die Siegfried an Hagen’s Bruder Danktınar richtet, nimmt er den Vorwurf der Feigheit, den er dieſem gemacht, zurüd, ſ. ©. 13 (oben): „Nun hab’ ih doch die Antwort für den Spötter, | der jeine Feigheit Hinter Hohn verftedt.*“ Die eigenthümlihe Wendung, wonach der einer Berfon gemachte Vorwurf als ein Kneifen in den „dritten Arm“ bezeichnet wird, der bei diefer Perjon nit vorhanden ift und ihr alfo nicht weh thun fann, ift nicht nur in meinem Wörterb., jondern auch in deffen Ergänzung unerwähnt geblieben, wejshalb ih fie hier eigens nachgetragen. „Die nie zu jweinen pflegte, wenn ih 309" (dichteriſch ftatt auszog), zum Kampf, vgl. in Nr. 4 klopfen ftatt des gemöhnlicheren antlopfen u. & m. Zu ber dur Fettdruck des anlautenden w ber- vorgehobenen „Allitteration“ in weinte, Maffer, Welt, Weg vgl. auf der- jelben Seite: Dajs Liebe kurze Yuft | und Janges Leid zu bringen pflegt und in ber Zeitihr. ©. 179 ff. den Aufſatz von Dr. Ebrard: „Zur Allitteration bei Goethe“. Über den Indikativ nahm ftatt des Konjunktivs nähme in dem mit als ob eingeleiteten Sake j. meine Hauptſchwier. ©. 34b (Nr. 2a).

9. ©. 15: (Kriemhild:) „Ei, ih wollte eben | im Hofe nad den jungen Bären jhau’n | die fo poffierlih dur einander fugeln“ jid fugeln (f. Wörterb. I ©. 1045).

10. ©. 17: (Ute:) „Um einen Schub [als Längenmaß] | dies Kind

zu überwerfen“, ſ. Wörterb. Ill ©. 1574: II übermwerfen [mit dem Hochton auf der dritten Silbe, als untrennbares Zeitwort| Einen im Werfen übertreffen, überwinden.

11. ©. 17: (Rriembild:) „Der Bär fogar ift überraſcht, er bat | ſich's nit erwartet [j. Wörterb. III S. 1489a unter erwarten in 2d: Sich [Dat] Etwas erwarten, mit zahlreihen Belegen] und wird

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plöglih Flint“, hier wohl er madt ſich flink auf die Beine, ſpringt erihredt auf ꝛc.

12. ©. 18: (Ute:) „Dem ſchwärt's im Herzen, | jo fröhlid er auch thut,“ vgl Wörterb. III S. 1036c, wo für die aus der eigentlichen Bedeutung eitern ⁊c. als übertragen bervorgegangene ein Beleg aus Namler angeführt ift: „No ſchwäret jein frantes Herz“ es fühlt ihmerzendes Weh (mie förperlih ein von angefammeltem Eiter erfülltes Glied).

13. ©. 21: (Siegfried:) „Und, als fie, ihre goldnen Locken fhüttelnd, | die wie ein Vorhang ihr die Augen dedten, | mih unter euch erblidte, fuhr fie rajher | zurüd wie id, als fi im Meich der Zwerge | die Erde, die mein Fuß betrat, auf einmal | zu einem Angefiht zujammenzog, | das mir die Zähne zeigte.” In diefen Worten finden fi je zwei als und zwei wie, Das durch Sperrbrud hervorgehobene wie entipridt dem vorangegangenen Komparativ rafcher (j. barüber Hauptſchwier. ©. 306 b/7a Nr. 5a), mo nah dem empfehlenswerthen Gebraude der heutigen Schrift- ſprache beſſer und unzweideutiger als ſtände; aber freilih, da nur durch ein einziges Wort (ich) getrennt darauf ein zeitlihes als folgt, jo wäre dadurd ein amdrer Übelftand hervorgegangen, der aber dadurch zu befeitigen war, dafs für dies zeitlihe als (j. d. in den Hauptſchwier. ©. 340b) da eingetreten wäre, aljo: „fuhr fie raſcher zurüd als id, da ꝛc.“ Bol. bei Hebbel ©. 27: „Und ſchneller wie ein Licht erlifcht der See”, wofür e8 (nad der empfehlenswerthen Unterjheidung von wie und als in der heutigen Schriftiprade) beffer heißen würde: „ichneller als ein Licht“, wie 3. B. auch Hebbel ©. 24 fhreibt: „Ein... Wurm, | der... eher|... dem zack'gen Rücken einer Hügeltette | als init: wie] einem Thiere gleicht, das Ddem hat.“

14. ©. 22: (Siegfried:) „Sie ftreitet um ihr Magdthum, | als wär’ ihr Leben felbft daran geknüpft“, ſ. mein Wörterb. II ©. 202c und unter den Belegen dort namentlih auch aus Simrod’s Überjegung der Nibelungen: „Der die dem Magdthum abgewann“, vgl. aud Ergänz.⸗ Wörterb. ©. 347a.

15. ©. 22: (Siegfried:)

„Und wie der Bli, der keine Augen hat, Oder der Ser, der keinen Schrei vernimmt 2c.”

Über den trochäiſchen Anfang des zweiten Verſes Hier vgl. meinen Abriſs der Verstunft S. 122b 8 185 3. 32—68.

16. ©. 23: (Siegfrieb:) „Jh merk’ es wohl, ih mujs den Kudud machen, | eh’ ihr mir tranen könnt“ ih muſs was id, um ben Borwurf der Ruhmredigkeit zu entgehen, gern vermiede von mir felbit

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zu meinem eignen Ruhme jprehen, vgl. mein Wörterb. | ©. 1043, wo der Kuckuck u. A. als häufiges „Bild des ſich felbft rühmenden Egoismus“ bezeichnet ift.

17. ©. 23/4: (Siegfried:) „Als ich erſchien, verlangten fie mit wilden Ungeftüm, | dafs ih den Scha als Fremder theilen jollte| ... Als ih fertig war, fand jeder fidh | verkürzt und tobte; und ich mwarf die Hälften | auf ihr Begehren wieder durd einander | und theilte aber: mals." Ich habe dieje Stelle hier namentlih angeführt, um dabei auf folgende Stelle meines Wörterbudes (1 ©. 661b) unter halb Nr. 4 binzuweijen: „oft nur im Gegenſatz des Ganzen, ohne dafs auf das genaue Berhältnis zu diefen von 1 zu 2 geachtet wird, wonach alfo halb bald einen größern, bald einen geringern Theil bezeichnet, bald etwas dem Ganzen faft Gleiches, bald etwas weſentlich davon Entferntes und Verjchiedenes ; ferner etwas zwilchen zwei Dingen wenn aud nicht genau in ber Mitte Liegendes ꝛc., vgl.: Die größere (Heinere) Hälfte ꝛc.“ Ich habe die Gelegenheit benußt, auf diefe Stelle hier hinzuweifen, weil häufig an mich ergebende Anfragen mir beweiſen, daſs die Streitenden den Unter: ſchied zwiſchen dem ftreng mathematiihen und dem allgemeinen Sprad- gebrauch nicht genügend beachten.

18. ©. 24: (Siegfried:) „Eh ich's dachte, hatten alle beide, | wie Ever, welche blind auf3 Eifen laufen [vgl. mein Wörterb. II ©. 48c: Das milde Schwein läuft auf das vorgehaltene Fangeijen] | ji jelbft geipießt, obgleih ich liegen blieb | und ihrer ſchonte; und jo ward id Herr | des ganzen Hortes“, ſ. mein Wörterb. ©. 794b, woraus ich Folgendes herſetze: „Hort m... . in gehobner Rede: 1. Schatz, eigent- lid und übertragen, .. .. Simrod Nibel. 90; 1056 ff ꝛc. So aud: Nibelungen-Hort. Herwegh :c. . . .*, f. auch Nr. 20.

19. ©. 24/5: (Siegfried:) „Dann bieb id mich durd feinen [des Draden] Rieſenleib, durd all das Fleiſch und die gewalt’'gen Knoden, | wie dur ein feljigtes [j. mein Wörterb. 1 ©. 431a] Gebirg allmählich |

bis an die Höhle durch“ —, ſ. mein Wörterb. I ©. 705a: I duͤrch⸗ bauen 2, namentlich 2c.

20. ©. 25: (Gunther:) „So haft du dir an einem einz’gen Tage | den Balmung [j. o. Nr. 4) umd den Hort [f. Nr. 18], die Nebel- fappe |= „Hehle-, Tarn-Kappe”. Wörterb. 1 S. 867b] | und deine Haut von Horn |. o. Nr. 4] ertämpft” [j. Wörterb. 1 ©. 861b).

21. ©. 26: (Siegfried:) „Die VBögeliprade. Als ein Tropfe ſalterthümlich ftatt des heute in der gewöhnlichen Rede üblihen Tropfen, j. mein Wörterb. UI ©. 1386c] | des Zauberblutes [des zauberhaften,

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einen Zauber in fi ſchließenden Dradenblutes| mir auf die Lippen ſprang, verftand ich gleih das Zwitſcherneſſ. o. Nr. 4 am Schluſs: das wirre Durdeinander von Tönen] über mir.“ 22. ©. 27: (Siegfried:) „Dod in der Nebelfappe kehr' ich wieder

und kneif dich in den Arm und fteh dir bei.“ Über den aus lauter ° einfildigen Wörtern beftehenden Schlufsvers des Vorfpiels f. o. Nr. 6 und über die beiden Fügungen: „ih kneife dich (oder dir) in den Arm“ ſ. Hauptſchwier. S. 91b unter „Dativobjelt N. 5*.

Die Entwidlung des Ausſtellungsweſens von %. Reuleaur, (f. Nat.-Ztg. 49, 510 fi.).

Aus diefem jo ungemein zeitgemäßen Auffage des ausgezeichneten Verfaſſers babe ih mir die nachfolgenden Stellen mit Bezug auf mandes, namentlib noch in mein Ergänzungswörterbuh Ginzutragendes ꝛc. ange— zeichnet, dem ich aud bier ein Plägchen einräumen zu dürfen glaube.

1. Prinz Albert. Die Yeiftungen jeiner deutſchen Yandsleute regten ihn lebhaft an und, in der Hoffnung, feinem neuen Vaterlande [England], das in der Maſchinentechnik der Welt auf unbeftrittener oberjter [ogl.: unbeftritten auf der oberften] Stufe ftand, neue Anerkennungen zu= zuführen, fajste er den großen Gedanken, den Begriff der Yandesauss ftellung auf den der allgemeinen, der Weltausftellung zu erweitern.

2. Erwähnen möchte ih, daſs damals [1851] ein bei uns zwar ihon ſehr angejehner, der Welt aber weniger befannter Stahlſchmied aus Weftfalen (Krupp war jein Name) in das Selbftgefühl der englijchen Induſtrie ganz unerwartet eine breite Breſche ſchlug. Das erfte Stahl- haus [vgl. in meinem Wörterb. 1 ©. 709e Haus 7 (kaufmännifh) und dazu ©. 710c: Gejhäftshaus und dazu unerſchöpflich viele Zufammen- jegungen wie bier „Stahlhaus“] England’s hatte von dem damals nur im Kleinen, für Werkzeuge angewandten Gufsftahl einen Block ausgeftelit, der ganze 5 Centner wog und auf dem in großen Buchſtaben eingeichlagen ftand: Monster-Bloc. Krupp, der die Kunft große Gufsftahlftüde ber- zuftelfen erfunden hatte und ganz in der Stille ausübte, hatte das Stüd vor der Eröffnung mit fchnellem Blid bemerkt und fchleunigft daheim einen Blof von hundert Gentnern Gewicht beftellt. Der fam an und auf ihm [= darauf] ftand in ungewöhnlid Kleiner Schrift: Little Bloc. Diejer Gigantenſcherz [riefige Scherz] jhlug dur wie ein Blik. Die über- legenheit des Krupp’ihen Werkes war dargelegt und bat fi jpäter nur immer glänzender ermiejen; fie ift ihm trotz aller Anftrengungen der Mit- bewerber bis heute bewahrt geblieben.

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3. Der Weltausſtellungsgedanke hatte verfangen [vgl.: hatte gefangen, j. Wörterb. I S. 409 a: fangen lc und verfangen 3 ebd. hatte Wurzel gefafft, j. Wörterb. I ©. 4164 unter faifen 12]. Über 6 Millionen Beſucher hatten den Kryftallpalaft durchſchwärmt [= in Schärmen, ſchwarmweiſe durchzogen].

4. Die unerwartete Nahflutd von Anmeldungen madte alle Voraus: berechnungen des Raumbedarfs zu Schanden und nöthigte zur Herftellung von Hilisbauten außerhalb des Palaſtes. An diefen angliedern [f. Ergänz.- Wörter. ©. 231a] ließen fie fih nicht mehr; man trennte fie deishalb völlig ab in Stil wie Geräumigfeit und erfand das neue Wort für die neue Form. Diefe ift feitdem Regel geworden; Majdinen- annere, Holzwirtbihaftsannere, Weinannere, Gartenbauannere u. |. w. (ſ. Fremdwörterb. I ©. 62b) umlagen von da ab das Haupt» gebäude auf großen und Heinen Ausftellungen.

5. Aber Frau Architektura [die lateinifhe Form für die perſoni— ficierte Baufunft] laffe fih nicht gewinnen in Haft und Jaſt, f. über dieje jtehende Reimverbindung meinen „Abrifs der Verskunſt“ $ 122.

6. Die Mafhinen, die Vor- und Zubereiter ber eigentlichen Gebrauchsgegenftände.

7. Der alle Unternehmungen Europa’s durhfahrende Krad [j. Er- gänz.-Wörterb, ©. 318c], der auf die fieberhafte Überfteigerung aller Induſtriepapiere plöglih folgte.

8. Auf unjerer königlihen Münze fieht man denn aub im Wäge- faal [Saal, in welhem die Münzen in Bezug auf ihr richtiges Gewicht durch Wägen geprüft werden] reihenmweis die Seißiſchen Wagen ihre flap- pernde, flimpernde XThätigfeit ausüben, j. über die Verbindung durch Anfangsallitteration ꝛc. meinen „Abrijs der Verskunſt“ 8 109.

9. Trotz dem raſchen Gedränge der Stilarten, das die wedjel- fühtige Mode jpäter verlangt hat, die Mode, die von der Sucht zu wechſeln (abzuwechſeln) erfüllt ift, j. Wörterb. III S. 1267 ff. über Zus fammenjegungen von Sudt, jüdhtig.

10, Aber nit in der antiquariihen Nahahmung, nit in der Aus— grabung des Werner Dieterlein, nit in dem Rüdjprud um drei Jahrhunderte, fondern in der Weiterbildung und dem Anſchluſs an die Forderungen unierer Tage wird der Erfolg zu finden fein. Sollte bier nicht das hervorgehobene Wort auf einem Drudfehler (ftatt Rück— ſchritt) berufen? (etwa: Rückſprung gewaltiger Rüdjhritt ꝛc.)

11. Seine Hefner's] neueften Forſchungen haben aber auch ergeben, daſs die Edeljhmiederei, die man wohl mit Recht die Mutter ber Kleinkünfte nennt, nit allein in Werner Jamnitzer ihren überhaupt

größten Meifter beieffen, jondern dafs felbft der dreißigjährige Krieg nicht vermodt bat, diefe echte [rihtig: echt) deutihe Kunft zu vernichten ac., vgl. Hauptihwier. S. 23b Nr. 4. Wahrſcheinlich ift bier die Form des Beiworts (Adjeftivs) ftatt der des Umftandswortes (Adverbs) auf Rechnung einer ungenügenden Drudberihtigung zu fegen.

12. In Nr. 512 finden fih Zufammenfegungen, in denen das Wort Ausftellung theils als Beitimmungswort vortommt, 3. B. (vgl. die Überjhrift): Ausftellungs-Wefen, Kunſt ıc., theils als Grundwort 3. B.: Die Landes: Provinzial» und Fadausftellungen Die Fifhereiausftellung .... Die ®artenbausftellung . . . Die über- jeeifhen Weltausftellungen zc., woran fi viele ähnliche anreihen Laffen, j. als namentlich bejonders zu erwähnen: 1836 auf der jogenannten Eolindery-Ausftellung, mit der Fußanmerkung: „Colonial and Indian wurde jo zufammengezogen.“

13. Hölzerne Sitze . . . Auf diefe wurden .. . von ben Dienern feine Spreiten [auszufpreitende Deden) und Kiffen gelegt :c.

14. Die Läden und Innen (Wirthſchaften) als Mehrzahl von dem englifhen inn (engl. inus).

15. Die Anfhriften an verihiedenen Häufern, ftatt des ge- wöhnlihen Inſchriften (entipredend dem Zeitwort anjhreiben, die an die Wände gejhriebenen Wörter :c.).

16. Die riefige Maſchinenhalle, die alles für denielben Zweck Da- gewejene Hinter fih ließ, jodann höchſt gelegene [offenbar Drudfehler ft. gelungene] Berfuche, den Eifenbau in Verbindung mit Majolit der hohen Bautunft an Kuppeldäbern und Wänden dienftbar zu machen.

17. Am ſtärkſten überraiht waren vielleiht wir Deutſche, j. über die Frage, ob es richtiger beißen müffe: wir Deutſchen, Zeitihr. II S. 94 ff; ©. 145—151 und die Inhaltsverzeichniſſe der folgenden Yahrgänge.

18. Als habe der alte Semper dort gewirkt oder fein Geift, der in einem feiner erften Heinen Werte in jeiner bildneriihen Sprade den Er d— aufwurf, den Unterbau, das Haus und das Dad als die „vier Elemente” der Baufunft hingeftellt.

19. Für die mit der tonlofen VBorfilde durch echt (oder untrennbar) zufammengejegten Zeitwörter dürfte als ein beachtensmwerthes Beifpiel das Folgende dienen:

Am andern Ende ſchloſs die Yagıme ab mit dem fogenannten Columbia brunnen, der ein Schiff im reichften Figurenſchmuck darftellte, von Genien gerudert, von Gruppen, die aus dem Waffer aufftiegen mit Seeroffen und Delphinen gleihjam begrüßt, Alles von lebendigem Waffer durchſprudelt,

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durdiprigt, durchrauſcht, Abends in verſchwenderiſcher Farbigkeit eleltriſch durchleuchtet und durchglüht.

20. Ein Sohn der geſchäftswüthigen . . . ſcheinbar Alles nur materiell auffafjenden Stadt Chicago die fo zu jagen von einer Manie (oder Sudt, Wuth) Geſchäfte zu machen beherrſcht ift.

Zu dem in der National-Ztg. 49, 190 enthaltenen Bericht Über die 63. Situng des deutſchen Reichätages (18. März 1396).

Der Eigenart meiner Zeitihrift gemäß beſchränke ih mid in ben nadfolgenden Bemerkungen ausſchließlich auf Sprachliches:

1. Die bisherige Verzögerung der Ausjührung der Ab: jihten diefer Dentihrift ift Schuld an dem jegigen Zuſammen— treffen der Auffriihung der Panzer: und der Ergänzung der Kreuzerflotte.

Die Nüdfiht auf die gebotene Kürze derartiger Berichte erklärt und entihuldigt (oder rechtfertigt vielleicht jogar) die hier durch den Drud bervorgehobene Häufung von einander abhängender Genitive (j. Haupt: ihmwier. ©. 2 Nr. 1). Wo jolde Rüdfiht nit obwaltet, würde wohl eine Darftellung wie etwa die folgende den Vorzug verdienen: Daſs die Ausführung der in dieſer Denkſchrift dargelegten Abſichten fi bisher ver- zögert hat, ift Schuld daran, daſs die Auffriihung der Panzer: und die Ergänzung der Kreuzerflotte jegt zufammentreffen.

2. Das, was im fremden Idiom Ehauvinismus, Yingonis: mus genannt wird, Das find fremde Pflanzen, die auf guter deutjcher Erde nit anwachſen und nicht gedeihen können, (Staatsjefretär Freiherr von Marſchall), hier ausgehoben als ein Beleg für die volle Berehtigung von Fremdwörtern zur Bezeihnung von Etwas, das nad) der Überzeugung des Sprecdhenden uns Deutichen durchaus fremd ift und nad feinem Wunſche ihnen ewig fremd bleiben möge (vgl. meine Spradbriefe ©. 192b ıc).

Nur nebenbei ſei erwähnt, dajs der Staatsjefretär vermuthlid Singoismus (ohne das dazwiſchen geihobene n) geiprohen haben wird, ſ. Muret's Encyklopädiſches englifch-deutihes Wörterb. I S. 1193b und Webfter S. 800c: Yingo [aufgefommen im türk.ruff. Krieg 18577/8 nad einem Liede) und Jingoism zur Bezeihnung friegsluftiger Tories und ihres ZTreibens, vgl. au: das Jingothum. Nat.-Ztg. 47, 627; 646; 657 u. o.

Der unmittelbar folgende Saß. lautet: Wir wollen und müffen unjere legitimen überjeeijchen Intereſſen jhügen nah Maßgabe des Völter-

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rechts und des Vertragsrehts, friedlich durch die moraliihe Wirkung unjerer Flagge, wenn es aber hart auf hart fommt, wenn ung Unbili und Gewalt entgegentreten, dann aud auf andere Weije; und dann muſs das deutſche Schwert auch zu Waffer ein fharfes fein.

Zu dem bier bervorgehobenen hart auf hart wäre zu vergleichen aus meinem Wörterb. | ©. 696c das unter hart 5c Angeführte, das ih bier wiederholen will: Es will einen ſolchen Menſchen haben, der hart gegen hart jei, daſs er fih Nichts abihreden noch übertäuben, und feinen Undant noch Bosheit der Welt überwinden laffe. Luther 5. 3558, vgl. Hei. 3, 8 ff.

Ich darf wohl auch die hier angezogene Bibelftelle vollftändig hinzufügen:

Das ganze Haus Israel bat harte Stirnen und verftodte Herzen. Aber doch babe ih dein Angefiht hart gemacht gegen ihr Angefiht und deine Stirn gegen ihre Stirn. Ya, ich habe deine Stirn fo hart als einen Demant, der härter ift als eim Fels, gemacht. Darum fürdte did nit, entiege dich auch nicht vor ihnen, daſs fie jo ein ungehorjames Haus find zc.

3. Es hat jüngft ein Abgeordneter ... . den Gedanken ausgedrüdt, je mehr Schiffe wir braudten, um fo weniger ftaatsmännifhes Geſchick bewiejen wird. Die verunglüdte Sakfügung fällt bier natürlich nicht dem Staatsjefretär, jondern dem abgehegten Berichterftatter zur Yaft. Bei mehr Muße würde au diefer wohl am Schluſs etwa gefchrieben haben:

.., um jo weniger ftaatsmännifches Geſchick werde bewiejen; oder iſt „wird“ ein Drudfehler ftatt „wir“?

4. Ich bin aber feft überzeugt, daſs es nicht no einmal 48 Jahre brauden wird, wo fein Parlament der Welt mehr nöthig haben wird, fi mit diefen Fragen zu beihäftigen wird, (Bebel) ftatt etwa: daſs ehe nod ein mal 48 Jahre vergehen, fein Parlament ... mehr nöthig haben wird zc. oder: dafs es nicht noch einmal 48 Jahre brauchen wird bis zu dem Zeitpunkt, wo zc. oder in ähnlicher Weile,

5. Auch haben unfere Kreuzer innerhalb der legten 10 Jahre jehr weientlih an ihrer Gefehtseigenihaft und Verwendbarkeit eingebüßt, (Staatsjefretär Hollmann), wohl rihtiger: Gefehtsgeeignetheit.

6. Aus dieſen Gründen länger zu warten würde für Deutidhland nit nur gefährlih, fondern unverantwortlih jein, (v. Bennigien), falſche Stellung, vgl. rihtig 3. B.: Aus diefen Gründen würde längeres Warten ꝛc. oder: Aus diefen Gründen würde es für Deutichland nicht nur gefährlid, jondern unverantwortlid fein, länger zu warten.

7. Ich fann dem Herrn Bebel als fonderbaren [lies: jonder- barem] Schwärmer nit darin folgen, dajs nah Menſchenalter, oder

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auch etwas mehr wir uns mit derartigen Fragen gar nicht mehr zu be— ihäftigen haben werden, (v. Bennigjen.)

8. Wir müfsten ohne eine ftarfe Flotte jedenfalls einen ganz be— deutenden Theil des Yandheeres lediglich für den Schutz der Küfte abgeben müffen. (v. Bennigjen), wo der Berichterftatter das legte Wort ſich Hätte erjparen fönnen oder vielmehr follen.

9. Wenm wir da, wie es nicht zu bezweifeln, eine Flotte gebrauden bei den unruhigen und wechjelnden Berhältniffen über dem ‘Meere, bei den verſchiedenen Konftellationen der großen europäiſchen Mächte zu einander, dann werden wir uns die Flotte fchaffen und bewahren, die dazu erforder- Ih ift innerhalb der Grenzen der Leiftungsfähigfeit unferer Finanzen, (v. Bennigjen), wo für das hervorgehobene Wort (im Sinne von „be dürfen, nöthig haben“, nidt „anwenden“) nah der heutigen Unter: ſcheidung das bloße brauchen (ohne die Borfilde ge) den Vorzug verdienen würde, j. mein Wörterb. I ©. 199a.

Schuſter, Scuiterei.

Die jhmeihleriihe Unterwürfigfeit, die fogenannte „Schuſterei“ fommt in den Yintenofficierforps ja au vor, aber der kameradſchaftliche Geift brandmarkt hier den „Schufter” viel zu nachdrücklich und unmittelbar, als daſs man ein Gegenmittel wie den Zweifampf für umentbehrlih an— jehen dürfte. Grenzboten 55, 2, ©. 226.

Diefem Sa, der eigentlih feine Stelle auf ©. 305 Nr. 6 hätte finden jollen, aber dort überjehen worden ift, räume ih bier wenigſtens nachträglich ein Plätzchen ein.

Einzelne Bemerkungen zu einer Erzählung in der „Illuſtr. Zeitung” Nr. 2763 ©. 729 ff.

1. Sie hat den Titel: Der NRegenpfeifer. Eine Geſchichte aus den Bolster Bergen von Ludwig Salomon. In meinem Wörterb. II S. 527b habe ih unter dem Worte: Pfeifer in Nr. 3 aufgeführt: „Bezeihnung von Thieren, namentlih nah ihrer Stimme” und darunter inc, in Zufammenjegungen, von Vögeln, namentlih Regen— Pf. Charadrius, kiebigartige Vögel, deren Pfeifen Regen fündet, mit mehreren jhwantenden Arten ꝛc.“ An einen jolden Bogel wird aud der Leſer bei dem von dem Schriftiteller gewählten Titel wohl zunächſt denen; aber es ift dabei auf eine Heine Überraihung des Leſers abgeſehen, ähnlich

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wie 3. B. Berthold Auerbad einer Meinen Erzählung die Überfehrift gegeben: „Benjamin und Joſeph“, wobei die Lejer zunädit an bibliſche Per— onen denken werden, während es fih um Perjonen aus der neuern Ge— fhichte handelt, nämlih um Benjamin Franklin und Kaiſer Joſephll. von Ofterreih. Vgl. mein Ergänz.-Wörterb. ©. 384a, wo ih aus der Bartenlaube 26, 366a den Sak angeführt habe: „Sie nannten mid den Regenpfeifer, weil ih im unfreundlicften Wetter bei jeder Arbeit pfiff“, und ähnlich handelt es fih in Ludwig Salomon’s Geſchichte aus den Volster Bergen um jemand, der bei andauernder großer Dürre einem um Regen flehenden Wallfahrtszuge zur Kapelle der heiligen Anna als Pfeifer, d. b. feine Flöte blajend, voranzog, vgl. ©. 74la: „Man werde ihn fünftig zu jeder Megenproceifion nehmen, diefen ausgezeichneten Regen— pfeifer.

Sm dem Vorwort zu meinem Wörterbude und wiederholt bier in der Zeitihrift habe ih darauf hingewiejen (vgl. mein „Programm eines neuen Wörterbudes"), wie eine menigftens annähernd erihöpfende Überſicht des deutihen Sprachſchatzes in einem Wörterbud nur möglid fei, wenn man ſich für die nad Ähnlichkeit ins Unendlihe zu mehrenden Zufammenjegungen auf einige als Beiſpiele beſchränkt.

Als eine Erläuterung dazu wolle der geneigte Leſer aud das Vor— ſtehende anſehen.

2. „Das Brautpaar ... . Eigentlich hätte man ſie ſchön und ihn ftolz nennen müffen.... Doch auch er war ein ftattlider Mann, nur etwas bager und ohne die Friſche der Jugend ꝛc.“ S. 739b/c. Hier ift das dur Fettdruck bervorgehobene auch ftreng genommen nit ganz rihtig; denn nah dem Wortlaut wäre auch die Braut „ein ftattlicher Dann“ geweien; richtig hätte es etwa heißen müffen: doch auch er hatte ein jtattlihes Ausfehen (oder: jah ftattlih aus) ꝛc.

3. „Darum will ih Euch auch lieber die Gejhichte von der jegigen Gaötana erzählen als die von der ‚vor dreißig Jahren erzählen, fie ift auch amüfierliher.“ ©. 740a. In meinem Fremdwörterb. I ©. 53b habe ih in der Bedeutung des Schlujswortes nur amüjant aufgeführt, mit der Erklärung: ergöglid, furzweilig, beluftigend; amüfierlich wäre aljo nachzutragen.

4. „Bon allen Seiten ſchoſſen die Blige durh die ſchwarzgrauen Wolfen und wiederholt frahte und fnatterte es, daſs die Hirchenfenfter flirrten.“ ©. 740c, vgl. Zeitihr. X ©. 179 den Aufſatz: „Zur Allitte- ration bei Goethe“ von Dr. Ebrard, au zu der Afjonanz, (furz darauf): Ein allgemeines Tuſcheln und Munkeln entjtand, ſ. aud meinen Ab- rijs der Verskunſt (2. Aufl) 8 96.

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5. „Die Gaetana geleitete matürlid Antonio.“ ©. 740ec, |. Hauptſchwier. ©. 352b. Wer war hier die geleitende und wer die ge- leitete Perſon? dur die Inverſion (Boranftellung des Objekts) muſs der Leſer zunächſt denken, dais die Gaetana die Geleitende, Antonio der Geleitete jet, vgl. unzweideutig: Die Gaetana wurde natürlih von Antonio geleitet; der ©. gab natürlich U. das Geleit; Gaetana's Geleitung (Führung, Unterftügung) übernahm natürlih U. zc., vgl. Zeitihr. S. 117 Nr. 20.

6. „Ein armer Schuftergeielle . . „, der fih zum vornehmen Herrn beraufipielen mödte.“ ©. 740«/la, vgl. Ergänz.-Wörterb. ©. 492 c/3a über: ſich auf: (oder aus», heraus-, hinaus=) ſpielen als (mit Accuf. oder Nomin.) oder: auf, zu Etwas, und mein Wörterb. deutſcher Synonymen (2. Aufl.) S. 673 über als und zu.

Bereinzelte beim Lejen niedergejchriebene Bemerkungen.

1. Wie (alö). „Dajs Alles jhlimmer wurde, wie [jtatt des empfehlenswertheren als nad) dem Komparativ] e3 je zuvor im Lande geweſen.“ Gartenl, 42, 527a.

2. Als. „Es fommt ihnen nicht auf Ermittlung der Wahrheit an, als auf Überredung.” Gegenw. 46, 197b ftatt: nicht fowohl... als (oder mie), vgl. ud: minder... als x.

3. Stellung.

„Wenn er, zumal in den ünglingsjahren, mit allen Fibern feiner Seele nah wiffenihaftlihem und litterarifhem Ruhm verlangte, trat, je älter wurde er [L.: er wurde, wohl nur ein Verfehen des Seßers], das Streben nah Vollendung als das Stärfere dem Wunſch nad litterarijcher Anerkennung entgegen.“ Gegenw. 46, 198b.

4. Heranweidwerken.

„Dein Yagdfieber kann ji jeder Jäger vorftellen, ih glaube faum, dajs es größer war, als ih an meinen erften Hirſch heranweidwerkte.“ Illuſtr. tg. 2674, ©. 344a als ih weidwerfend (dem Weidwerf nachgehend) mih an ihm heranmachte, heranſchlich, heranbirſchte, f. mein Wörterb. III S. 1583b; Ergänz.-Wörterb. ©. 631b.

5. Sid auftrogen; Nädtling. „Er troßte fih dagegen auf, ein Schwädling zu jein, aud nur für eine Stunde Zeit.“ Herm. Heiberg. (Nat.-Ztg. 48, 26) rüdbezügliches Zeitſchrift f, deutihe Sprache, X. Jahrg. 27

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Zeitwort, im Sinne von: Er bäumte fih troßig dagegen auf, vgl. mein Wörterb. III S. 1391 b; Ergänz.-Wörterb. ©. 580b.

„Einzelne Nähtlinge, Zruntenbolde und Tagediebe bodten, gleich ihm, auf den Bänken.“ ebd. im Sinne von: ſich nächtlich umhbertreibende Perjonen, jelten, vgl. mein Wörterb. II ©. 375a, wo Nädtling nur als naturgeſchichtliche Bezeihnung für eine Gattung von Fledermäuſen aufgeführt ift.

6. Reihenfolge.

„Nah einem von Fräulein Poppe meiſterhaft geiprodhenen, von 4. v. Strang verfajsten Prologe ꝛc.“ Nat.:Ztg. 48, 36. Die natürliche Reihenfolge wäre doch wohl die umgefehrte: Nach einem von U. v. Strang verfafsten, von Fräulein Poppe meifterhaft geſprochenen Prologe ...

7. Zurückſchrecken.

„Aus begreifliher Furcht vor ernften Konflikten mag Herr Perier wohl aud vor einem Minifterium Walded-Rouffeau zurüdgeihredt haben.” Nat.-Ztg9.48, 38 ftatt des ſprachrichtigern und empfehlenswerthern zurüdgeihroden fein, ſ. Zeitihr. IX ©. 129 Nr. 16.

8. Als.

„Als Berufsjurift übt die Abichaffung der Tortur und der refor: matorifhe Geift des Monarchen einen mächtigen Reiz auf den Dichter ıc.“ Gurt v. Zelau in der Sonntags-Beilage zur National: Ztg. Nr. 3 (1895), wonah „die Zortur und der reformatorifhe Geift ꝛc.“ als Berufsjurift ericheint, vgl. in ſprachrichtiger Fügung: „Auf den Dichter als Berufs» juriften übt die Abihaffung ꝛc.“

9, Kautſchuk m., n.

„Bringen die Eingeborenen den werthvollen Kautſchuk an die Küſte . .. Das bier angebotene Kautſchuk.“ Nat.-Ztg. 48, 44 (Sonn: tags-Beilage Nr. 3), j. mein Fremdwörterb. I ©. 642a, wo Kautſchuk als m. und n. verzeichnet ift. Auffällig ift bier nur das raſche Auf: einanderfolgen der beiden Geſchlechter.

10. Unterkunft.

„Den Bau der Hütten... Das Material, aus dem die Heinen primitiven Unterfünfte errichtet find.“ Nat.-Ztg. 48, 44 (Sonntags- Beilage Nr. 3).

In meinem Wörterb. 1 ©. 1053 b hatte ih nur erft „die Unter- funft” in dem Sinne von „das Unterfommen“ verzeichnet, mit zahl— reihen Belegen in ber Einzahl. In dem Ergänz.eWörterb. ©. 325b hatte ih aus der National«-Ztg. Belege in dem Sinne von: der Ort ber

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Unterkunft (mit Mehrzahl, wie bei Wohnung, Wohnort ıc.) gefügt, woran fi das bier gegebene Beifpiel anſchließt. Ob es fi in biejer Anwendung einbürgern wird, muſs die Zukunft lehren.

11. Mit.

„Bald nah ein Uhr ſetzte fi der furze Eifenbahnzug in Bewegung mit feinen buntgejhedten Inſaſſen, Indiern und Ehinefen, Kreolen aller Schattierungen, Franzofen, Engländer und wir vier Deutichen.“ Nat. tg. 48, 44 (Sonntags-Beilage Nr. 3), wofür es am Schlufs ſprachrichtig in dem von dem Verhältniswort mit abhängenden Dativ heißen miüjste: „mit feinen buntgejhedten Inſaſſen . .. (mit) Engländern und uns vier Deutſchen.“

12, Sein. „Die techniſche Hochſchule hat heute bereits jeine Kaiferfeier . . . veranftaltet.“ Nat.-Ztg. 48, 60, ftatt ihre, j. Hauptihwier. ©. 251b ff.

13. Stellung von „genug“.

„Die Beförderung nah Hamburg wird, falls die Betheiligung eine genug große fein wird, durch Grtrazüge auf verſchiedenen Routen ge- ſchehen.“ Nat.-Ztg. 48, 64 (Anfhlag am ſchwarzen Brett der Berliner Univerfität) ftatt: falls die Betheiligung groß genug (oder: eine genügend [Hinreihend zc.] große) fein wird, ſ. Hauptſchwier. S. 164b/5a.

14, Stellung von „auch“.

„Erft nad jeinem [des Königs] Tod ift Schlüter nah Petersburg übergefiedelt, wo auch er furz nachher, 1714, verjtarb.“ Nat.-Ztg. 48, 64 (Brof. Dr. Hans Müller). Das hervorgehobene auch ift hier nit richtig, da der König nit (wie Schlüter) in Petersburg geftorben. Es wäre einfach zu ftreihen oder wenigſtens als bloßes Bindewort der Fortführung hinter das dann tonlos zu jprechende er zu feßen.

15. Wie, als.

An der Nat.» Ztg. 48, 67 finden fih in einem Aufjage unterm Strih von P. P. auf einer Spalte folgende Säße: „Wie befannt, ift es ein Grundzug des franzöfiihen Charakters, Nichts befonders ernft zu nehmen, über Alles mit geiftreihem, liebenswürdigem Scherz hinwegzu— gleiten und, eine weitere Eigenthümlichkeit, Nichts zu lieben wie die Ihöne Form, namentlih im mündlichen Bortrage .... Er [der Conferencier] giebt Nichts als Thatjahen und läfft niemals jein Publikum einen Ein- blid thun in die Arbeit des wiſſenſchaftlichen Forſchers.“ Diefe Säte,

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in denen auf das Nichts vollfommen richtig das erfte Mal wie, das zweite Mal als folgt, find wohl geeignet, die ftrenge Durdführung der Negel zu empfehlen, die ih unter dem ZTitelfopf: „Vergleihendes als und wie“ in meinen Hauptihwier. in Nr.5 (S. 306h—308a) ausgeiproden babe, ohne zu verichweigen, daje fih auch bei guten Schriftſtellern aber durdaus nit nachahmungswerth noh immer Ausnahmen finden, die nur zu leicht zu Miisdeutungen Anlajs geben können, (ſ. die obigen Säße). Der Regel und dem heute auch bereits weit überwiegenden Sprahgebraud gemäß bezeichnet wie, daſs das Verglihene ähnlich ift, auf gleiher Stufe fteht ꝛc, als dagegen die Verfchiedenheit, das Andersjein beim Vergleichen, wovon das eine eine höhere Stufe gegen das andre einnimmt. „Wie entipridt aljo dem Pofitiv, als dem Komparativ und ähnlichen Verhält— niffen, ſo ſteht es nah anders, ein anderer :c, nah Vereinigungen und fragenden Fürwörtern mit ausgedrüdtem oder zu ergänzendem anderszc. im Sinne von außer zc.,“ vgl. für die oben angeführten Säge: „Nichts fo ſehr zu lieben wie die jhöne Form, er giebt Nichts außer nichts Anderes, Nichts weiter als oder: nur, bloß) Thatjachen.“

16. Weh (als Beiwort); Wildwuchs; Wirrhaar.

In meinem Wörterb. III &.1576a/b habe ih das attributive weh als Eigenihaftswort in der allgemeinen Schriftiprade als jelten bezeichnet, aber doch eine größere Anzahl von Belegen dafür aufgeführt, zu denen ih in meinem Ergänz.-Wörterb. ©. 618c noch einige gefügt. Ich ſchließe daran die folgende Verbindung aus der Sonntagsbeilage Nr. 5 zur Nat.-dtg. Jahrg. 48: „Die ganze Vergangenbeit diefer griechiſchen Pflanzitadt mit ihren wehen und wonnigen Schidjalen.“ Im Vorübergehen zeichne ich noch aus demſelben Auffage die folgenden Stellen an: „Als Kinderftube für den jugendlihen Wildwudhs der Familie.” „Das jhwarze Wirr- haar auf Stirn und Naden fallend” —, vgl.: Wildhaar, Zeitichrift ©. 252 Nr. 42 x.

17. Bezüglihe Fürwörter, Stellung.

„So Mander fennt nit einmal den Namen Apulejus, der" muſs der Leſer nicht annehmen, es Handle ji bei dem hervorgehobenen bezüglihen Fürwort um das unmittelbar davor ftehende Apulejus?; aber wie enttäufcht fieht er fi, wenn er weiter lieft „der von dem Schmelz der Berje Hamerling’3 und dem Yiebreiz der dazu von Thumann ges f&haffenen Bilder innigft ergriffen und gefeffelt wird." (K. Böthke.) Nat.- Btg. 48, 129. Der Bf. hätte vielmehr jegen jollen: So Mander, der . » gefeffelt wird, kennt nicht einmal den Namen Apulejus.

357 Anzeige der eingeſandten Bücher.

(Beiprehung einzelner nach Gelegenheit, Zelt und Raum vorbehalten.)

Bericht über die Ergebnifie der Reichs-Poſt- und Telegrapbenvermwaltung während der Etats-Jahre 1891—95. Groß 4%. 102 ©. Berlin 1896. Gedruckt in der Reihädruderei.

Derihte des Freien deutiben Hocftiftes zu Franffurt am Main. Jahrgang 1896. Het 34. VII S. und S. 207— 344. Frankfurt a M. Drud von Gebrüder Knauer.

James Boielle, B. A. (Univ. Gall.): Quand j'étais petit, par Lucien Biart. Adapted for use in schools with notes and vocabulary 182 &. Cam- bridge at the University Press 1896.

3. Erdad. Deutſche Sprachlehre. Ein Lern und Übungsbuh für höhere Pebran- ftalten, wie auch für Präparandenanftalten, Mittel: und Fortbildungsfchulen und zum Selbftunterriht. Vierte, gänzlich umgearbeitete Auflage. Düffel- dorf, Drud und Berlag von 2. Schwann, 1896. VI und 144 ©.

Zulius Erfer, Oberlandesgerichtsratb in Marienmwerder. Die Sprache des neuen bürger- lihen Geſetzbuchs. 30 S. Berlag des allgemeinen deutfhen Spracdvereing, 1896.

Karl Hempel. Kurzſchriftliche Blätter, 1890 Nr. 9. Jahrg. IX. Charlottenburg, Berlinerftr. 75 I, (monatlich erfcheinend' Jabrespr. 1 M. 50 Pi.

Dr. Johann Willibald Nagl, Privatbocent für deutfhe Sprace in Wien. Deutſche Mundarten. Zeitſchrift für Bearbeitung des mundartlihen Materials, Bd. I, Heft 1. 82 5. Wien, 1886. K. und K. Hofbuchdruderei und Ber: lagsbandlung Karl Fromme. Ericeint in zwanglofen Heſten von 5—-6 Bogen, von denen 4 einen Band bilden.

Prof. Dr. Karl Stejskaf, k. f. Bezirfäfhulinipeltor. Vorſchläge zur Ergänzung und Berbefferung der amtlich feftgeftellten Negeln für die deutfche Nechtichreibung. Ale Manuitript gedruckt. XX und 76 S. Wien, 1896. Manz'ſche k. u. k. Hof:, Berlagd: und Univerfitäts: Buchhandlung (Julius Klinthardt u. Komp.) I. Koblmarlt 20.

Rudolf Alrih, Präfelt an ver f. 1. Tberefianiihen Atademie: Die neue Schrift. 1. Thl. Phono-Stenograpbie. Dritte, verbejjerte Auflage. Mit 4 Tafeln, Pr. 30 Kr. Wien 1896. VIL;2, Breitegafje 21.

Berdeutfhungswörterbüder des allgem. deutſchen Sprachvereing, VII: Die Schule. Verdeutſchung der hauptſächlichſten entbebrliben Fremdwörter der Schulfprache, bearbeitet von Dr. Karl Scheffler. 68 S. Berlin. PBerlag des allgem. deutfchen. Spracdwereind (Jähns und Ernſt) 1896.

(Einige zu fpüt eingegangene im nächſten Heft.)

Brieffaften.

Herrn Rechtsanwalt Wh. B . . . im Berlin. „Bor dem Berliner Gewerbe: gericht find 141 Ausjtändige von 6 Firmen beflagt worden, weil fie ohne Kündigung die Arbeit niedergelegt.“ Sie fragen, ob in diefem Gabe in der 1. Beilage der Nat.: tg. Nr. 634 das bervorgebobene Wort nicht in verklagt umgeändert werben müſſe.

IH antworte: Nach dem beutigen allgemeinen Sprachgebrauch allerdings, ſehen Sie gefl. mein Wörterb. I ©. 9156, wo es umter „bellagen“ 2 tr. heit: „veraltet: eine Klage über Jemand erheben, jet gewöhnlich verklagen“ mit Belegen aus Fiſchart,

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Logau, Luther, Opitz, Stumpf. Dann heißt es dort weiter: „Üblih nur noch in dem ſubſtantiviſchen Particip: Der Beklagte ꝛc.“, vgl. Sie damit mein Ergänz.-Wörterb. S. 304b, wo weitere Belege für den ältern Gebrauch angegeben find, mit der Hin— zufügung:

„und noch: Bellagt und geftändig des Kirchenraubes. Nat.-dtg. 19, 42. Mein Bater war beflagt, nicht überwieſen. Schlegel, Shalefp. 7, 251.”

Aber, wie gefagt, Das widerftreitet dem beutigen allgemeinen Gebrauch, wonach bellagen als finnvenwandt mit „bejammern, beweinen, bedauern“ gebraucht wird, was zu nabe liegenden Mifsverftändnifen in derartigen Sätzen führt.

Herm Alfred Bauer in Paris. Befte Grüße und Dant für die Einfendung, die ich gelegentlih verwenden werde, Nächftens mehr!

Herm Dr. Bobert Berlin, Dberlebrer in Langenberg Rheinland). Ich er: wiedere Ihre Grüße und Wünſche berzlih und ſpreche Ihnen gleichzeitig meinen Dant dafür aus, dais Sie mich auf ein Verſehen des Setzers aufmerffam machen, das bei ber Drudberichtigung fteben geblieben ift und das ich für die Leſer bier num nachträglich berichtigen will. In Heft 6 ift der Anfang des vierten Abiates fo gebrudt: „Wie der Skhifferjüngling, der von fehroffer Felienzinne aus die Fee fiebt, die ihm zum fühen Spiel der Minne winkt x.” Es bätte aber gebrudt ſiehen follen: „Wie der Sciffer- jüngling, der die Fee fieht, die von fchroffer Felfenzinne aus ihm zum füßen Spiel der Minne winkt x.“

Herrn DttoR. Born in Toledo (Obio): Die gewünfchte deutſche Überfegung des engliſchen Satzes: What fools these mortals be! wäre etwa: Was doch bieife) Menſchen (oder: die Sterbliden) für Thoren (oder: für tbörichte Geſchöpfe) find! oder 3. B.: Wie thöricht Doch die Menfchen find!

Fräulein Selenev, PD... in Münden: Ihren Wunſch in Betreff des Romans von Neinh. Ortmann boffe ich in eimem der näcften Hefte erfüllen zu können.

Herrn Dr. Friedr. Düfel in Berlin: Herzlichſten Dank für die von fo herz— lihen Worten begleitete Zufendung Ihrer vortreffliben Inaugural-Diſſertation: Der dramatiihe Monolog in der Poetit des 17. und 18. Jahrhunderts und in den Dramen Leffing’s. Vielleicht geftatten Sie mir, Einiges daraus den Leſern meiner Zeitichr. mit» zutbeilen, die ich an meiner freude über Ihre Arbeit Theil nehmen Taffen möchte Darf ich gelegentlib, wenn Sie es entbebren können und Zeit haben, dem zweiten Eremplar entgegenieben ?

Herrn Mid. Gr. . . in Altbrandenburg In der Nationalsdtg. 49 ©. 305 ſteht auf der erften Spalte gedrudt:

„Das Hauptziel jeder brittifchen Wegierung in Südafrila ift, unjere Stellung als vorberrihender Staat (paramont state) zu erhalten. Es macht Nichts aus, ob wir und Suzerän oder Parampnt nennen ꝛc.“ Sie haben Ihrem Gegner gegenüber volllommen Net, dafs in dem berporgehobenen Worte (fei es mit Tateinifchen ober deutfchen Buchftaben gedrudt) binter dem o ein u hätte hinzugefügt werden müſſen.

Herrn Jakob Heydgen in Magdeburg: Meine kurze zuftimmende brieflihe Ants wort werden Sie erhalten haben. Ich boffe bald Weiteres von Ahnen zu bören.

Herın Chriſtoph 8. . . in Hannover:

Sie mahen darauf aufmerffam, dafs in dem eriten Auflage in Nr. 332 ber Nat.-Ztg. folgende Formen der Mehrzahl von Anwalt und Zufammenfegungen binter einander vorkommen:

„Zur Bermeidung ber übermäßigen Anfammlung von Rechtsanwalten in den großen Städten“ „Ob und wie viel Anwälte” „Wo man noh Anwälte

BB

braudt.* „Ernennung der Rechtsanwälte“ und Sie fordern mid auf, bier in der Zeitihrift aus einander zu fehen, welche Form die richtige fei. Ich kann Sie aber nur auf mein Wörterb. III S. 1468 verweilen, woraus ih bier kurz zus fammengefafft das Folgende berfege:

Anwalt... = Sachwalt, Sahmalter..., oft, namentlich bei nicht juriftiichen Scriftfiellern unrihtig mit d ald Auslaut ... .„; in Mehrzahl mit und ohne Umlaut, 3. B.: a) in der Einzabl: Anmwald, mit Belegen aus Chamifjo, Freiligrath. Bon dieiem Anwalde. Leifing; Anwald und: Obne Anwald's Hilfe. Schiller, Maria Stuart (in der einbändigen Ausgabe geändert in „Anwalt's“); Schlegel's Shatefp.; Thim- mel...—

Mebrzahl, 3. B.: b) Anwalte, bei Wil. Alerid; Börne; Enſe; Varnh. v. Enie; Ser. Bottbeli; Schlegel’8 Shateip.; Joh. Heinr. Boß. c) Anwalde bei Klopflod; Muſäus; Tieck. d) Anwälte bei Dropfen; Gutzlow; Herder; Heine; Scherr; Wie- land. e) Anwãlde. Peſtalozzi; Scalsfielv.

Die unter e gegebenen den vorangegangenen entiprechenden Belege für Zufammen- fegungen kann ich bier füglich übergehen.

Herrn F. W. Käding in Berlin (Krausnidftr. 1): Berbindlichften Dant für die weitere Mittheilung über den erfreulfichen Yortgang ded werthvollen Werted über die mübevollen Unterfuchungen zur Fefttellung der Häufigkeit dbeutfher Wörter, Silben und Lauter, das ih den Lejern meiner Zeitfchrift, fo weit fie an dieſer Unterfuhung Antheil nehmen, dringend empfeblen möchte,

Herın Rud. Klahre in Berlin: Den einen Ihrer beiden Aufſätze werde ih im einem der nächſten Hefte zum Abdruck bringen. Beften Dank und freundlihe Grüße.

Fräulein Efife v. N. in Düſſeldorf: Sie baben volllommen Recht. Wenn in dem Auffage des Herrn Dr. Homann: „Himmelderfheinungen im November“ (in ber zweiten Beilage zu Nr. 634 der National-Ztg.) fih der Sab findet:

„Der Himmel ift während des Übergangs zum Winter meift bevedt Wegen mwecfelt mit Schnee und Schnee mit Regen. Solch trübes Wetter bat auch auf das Gemüth des Menichen Einfluf® wer dazu veranlafft if, Der kann wohl melande- lifh werden,“ fo bat offenbar der Drucdiehlerteufel bier fein Spiel gehabt. Es follte natürlih „vers anlagt” heißen.

Herrn Studiofus Ehriftian ® . . im Leipzig: Ihr Gegner bat volllommen Recht: das „als daſs“ nah dem voraufgegangnen „genug“ in dem Gabe von Reind. Ortmann ift nit ganz fprachrichtig. Der von Ihnen mitgetheilte Sa fo weit er in Betracht kommt lautet: „Ihr Geift war nicht mehr beweglih genug, als dafs fie über den feltiamen Wideripruh hätte nachdenken follen.“ Hier wäre ent- weder dad als zu ftreichen oder fonft hätte e8 im Vorgehenden etwa beißen müſſen: „Ihr Geift war zu wenig beweglid, als dafs ꝛc.“ Wusführlicheres finden Sie in meinen Hauptſchwier. unter dem Titellopf: „Vergleichendes als ꝛc.“ 5m ©. 311b ff.

Fräulein Wilhelmine $ . . . in Angermünde: Sie ſchreiben:

In dem Anfang einer fpannenden Novelle: „Der Afrikaner“ (von Hans v. Spiel- berg) in der Nomanbibliothet XXIV ©. 1022a findet fih der Sa: „Es quoll heiß, mitleid8voll und vergebensbereit im ibr empor.“ Iſt das hervorgehobene Wort fprahli zu rechtfertigen? Ich antworte: Der Lefer errätb wohl aus der Zuſammen— ftellung mit „mitleivsvoll“, was der Schriftjteller gemeint haben möge; aber da man bei „vergebens“ (f.mein Wörterb. I ©, 552c) zunädft an das Umftandswort in der Bedeutung: erfolge, frucht-, nutz-los (vgl. umfonft) denkt, jo ift die Zufammenfhiebung

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ſprachlich nicht zu billigen; der Schriftfteller hätte mwenigftend, um nidt miisverftanden zu werden, ſetzen müſſen: vergebungs: (oder: zum Vergeben) bereit, wenn er nicht überhaupt eine andere Wendung bätte wäblen wollen oder können.

Den Brüdern Indwig und Wil. R .. . in Hamburg: Fb theile durchaus die Anficht, die Karl Frenzel in dem Feuilleton der Nat.-Ztg. in Wr. 345 in Bezug anf die von Ahnen an mic gerichtete Anfrage ausgefprohen bat. Ich will daraus, nicht bloß für Sie, wenigſtens das Folgende herſetzen:

„Wenn es nach feinen des Publitums) Wünſchen ginge, müfsten die Zeitungen die Lebensläufe aller berühmten Periönlichleiten immer bereit halten, um fie in dem geeigneten Augenblid [nah dem Borangegangenen im kürzefter Frift nad den Hin— icheiden de& berporragenden Mannes] veröjientliben zu lönnen. Das Einfeitige, Flüchtige, Ungenügende und Schicke einer ſolchen eiligen Berichterftattung, der jede genauere Be- obachtung, jede Verdichtung des Materials auf Das Wejentliche fehlt, wird nicht beachtet, es genügt, dafs die Feier einen Zag lang über den „berühmten“ Dann, je nad der Tonart ihrer Zeitung, mitzureden im Stande find,“

Herm Dr. Serm. Schrader in Berlin: Ihren vortrefflihen, jo höchſt arıregenden Aufia werde ich im nächſten Hefte zum Abdrude bringen, des Danfes meiner Leſer im Boraus gewiſs. Herzlihften Dant und den Wunih alles Suten. Mir gebt es augenblicklich leidlich.

Herrn Prof. Dr. Sriedr. Amlauft in Wien: Meine brieilihe Antwort wird Ahnen zugegangen jein und fie wird, hoffe ih, die Streitenden in Nord und Süd, da diefe mich einmal als Schiedsrichter angerufen haben, zufrieden ſtellen. Ich würde bier in der Zeitfchrift gerne ausführlicher auf die Frage eingeben; aber ob ich dazu werde tommen tönnen, fiebt dabin.

Herrn Dr. 3. in Berlin: Jh ftimme den meiften Ihrer Bemerkungen zu dem in mehreren Stellen von Ihnen getadelten Aufſatze zu; aber ich babe abfihtlih Nichts in dem Auflage geändert, weil aud Das, was Sie mit Net ald „von dem rein fchrift- deutſchen Webrauch abweichend“ rügen, Licht auf den Sprachgebraud der Gegend wirft, über welche der Bf. in feinem Auffat handelt. Ich bitte Sie, den Antbeil, den Sie der Zeitſchrift widmen, ihr auch fernerbin zu bewahren.

Allen Denen, die zu meinem 77. Geburtttage mich durch Aufınerffamteiten erfreut baben, fage ih da ber der großen Anzahl mir die Einzelbeantwortung zur Unmög— lichleit wird hierdurch meinen verbindlichfien Dant mit denn Wunſche: Alles Gute!

. Altfirelig in Mellenburg, 13. Nov. 1896. Daniel Sander.

Alte für die Beitfhrift ſelbſt befimmten Bufendungen wolle man un- mittelbar an den Herausgeber nad Altfirelit in Mehlendurg, dagegen die für den Umfhlag oder als Brilagen beſtimmten Anzeigen au den Ber- feger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nächſte Heft müſſen jedes Mal Bis fpäteftens zum 1. des . Monats in den Händen des Herausgebers fein; aud bittet er, in Bezug auf den Amfang, die Aaumverhälluiſſe der Zeitfhrift im Ange zu Ballen.

Wie geht’3? Bon Dr. Herman Schrader.

Die Naturforfhung ſchließt uns in unſern Tagen jo mande ver: borgene Gebiete auf und öffnet uns mit bewaffneten Augen einen Einblid in das Heinfte eben der Natur, wo man früher Nichts ſah, Nichts ahnte. Gelbft im Waffertropfen, im franfen Blut, in leidenden Yungen regt fi Keimen, Entwideln, Leben. Ähnlich maht es heut zu Tage die Sprad- forihung in ihrem Gebiete. Geiftige Schäße, welche der Menihengeift in die Sprache niedergelegt bat, welche aber unerkannt und unbeadhtet geblieben waren, hebt die Forſchung aus ihrer VBerborgenheit hervor und zeigt uns, dafs auch da Leben, will jagen Gedanfentiefe und Weisheit herriht. ya, die Sprade ift ein Baum voll jhönfter Früchte; wo man aud an ihm ihüttelt, fallen Einem fjolde in den Schoß. Wieviel berrlihe Früchte haben ein Sanders, ein Grimm, Hildebrand, Heyne, Lexer, Weigand, Wiülder, Kluge, und wie die Meifter der Forſchung alle heißen, uns ſchon gegeben, wenn fie Stamm, Afte und Zweige des Fruchtbaums fehüttelten ! Heut wollen wir nur ein Meines Zweiglein fhütteln, in der Hoffnung, dajs aud hier eine Frucht für uns abfalle.

Es ift eine höchſt auffallende Eriheinung, daſs die verſchiedenen Völker, wenn die Menſchen beim Begegnen und Begrüßen fih nah dem Befinden erkundigen, fih ganz verjhiedener Wendungen oder Redensarten bedienen. Dieſe Thatſache ift ja in gebildeten Kreiſen allgemein bekannt; aber es bleibt doch in der Megel völlig unbeadhtet, dafs Das fo zu fagen nicht von jelbft oder aus reinem Zufall jo gelommen ift, jondern dais ein tiefer harafteriftiiher Sinn in diefer Erjheinung liegt. Nehmen wir daber die hervorragendften Kulturvölfer zur Mufterung vor.

Zuerſt die Franzoſen. Wenn ein Franzoſe Jemanden nah feinem Befinden fragt, jo thut er’S gewöhnlih mit den Worten: Comment vous portez-vous? Wie tragt ihr euh? Da haben wir den Franzosen, wie er leibt und lebt. Wie er fi trägt, in der Kleidung, ob jie von modernem Stoffe, von modiſcher Farbe, nah dem neueften Schnitt fei; in der Haltung, wie der Kopf, Schultern, Arme gehalten werden, ob der Gang fein, anmutig, würdevoll jei: Das alles ift dem Franzoſen fo fehr die Hauptſache, daſs er dies rein Außerlide auh auf das innerliche Befinden des Leibes und der Seele überträgt; auch jeine Gejundheit muſs

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nach der neueſten Mode gekleidet ſein und mit feinem Anſtand einhergehen; auch ſeine Seele mit ihren Empfindungen muſs allen Regeln der guten, feinen Sitte entſprechen: dann befindet er ſich wohl, trägt er ſich gut, il se porte bien. Wolfen maßloſer Selbſtberäucherung ſteigen in feinem Gehirn auf, fowohl wenn es den Ruhm, die Ehre, die Würde feiner belle France gilt, als wenn feine eigene unwiderſtehliche, liebenswürdige Per- jönlichkeit in Frage fommt.

Sodann der Engländer, fowohl in Britannien als in Amerika. „Wie anders wirft dies Zeihen auf mid ein!“ How do you do? fragt der Engländer. Was thut ihr thun? An Einem Thun iſt's ibm noch nicht genug; die Hälfte des Sages wird mit Thun ausgefüllt. Aber man glaube nur nicht, dafs er zu grübeltiefen Studien über klaſſiſche Wiffen- haften die Tage und Nächte verwendet, wie Fauſt vom Monde jagt: den ih fo mande Mitternaht an meinem Pult herangewacht. Nein, der Durchſchnitts-Engländer hat ſehr reale, handgreifliche Ziele für fein Thun. Zeit ift Geld, time is money, ift fein Leibſpruch, fein Grundjag, feine Febensregel. Und wenn der Kaiſer Titus fagte diem perdidi, jobald er an einem Tage nichts Gutes hatte thun können, jo hält der richtige Eng: lihman den Tag für verloren, wo er fein Geld verdient bat. So im Allgemeinen der Einzelne, jo im Großen und Ganzen das Boll. Wie oft hat England Völker auf einander gehegt oder ruhig lächelnd zugejehen, wie fie fi zerfleiihten; wenn es aber faum mehr als platoniſch am Kampfe Theil genommen oder beim Friedenſchließen vermittelt hatte, dann hat es fi den Yöwenantheil der Beute jchlau zuzueignen gewuſſt. Darum jagt Adolf Menzel: Das Herz des officiellen England befteht aus Eijen und Kohlen, und jein Gewifjen aus Baumwolle. Sein Chriſtenthum und feine Humanität regulieren fih nad dem Kourszettel der Börſe, und Nichts ift dort maßgebend als der brutaljte Egoismus und Eigennutz John Bulls. Solch engliihes Thun ift freilich etwas ganz Anderes, als was wir Deutſchen Arbeit und treue Pflihterfüllung nennen und hochhalten. Aber allerdings, mit ihrem Leibſpruch haben fie viel Geld herausgeihlagen. Das ift die Schattenjeite ihres Thuns. Wir wollen aber deſſen Yichtjeite nicht verfennen. Die Schäße, welde fie erwerben, dienen ihnen nicht etwa vor— zugsweife zu üppigem Wohlleben, ſondern fie wenden diejelben gern, jelbit fühn großartigen Unternehmungen zu, freilich zumeift ſolchen, welde dem realen, nicht dem idealen Leben zu Gute fommen. Für riejenbafte Eijen- bahnbauten, für Maihinen aller Art, zur Ausbeutung neuer Erfindungen geben und wagen fie oft ungeheure Summen, zumal die in Amerika Engliſch— redenden. In diefem Stüd könnte der vorſichtige, ja zaghafte Deutſche viel von ihnen lernen.

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Zum Dritten der Italiäner. Er erkundigt fih mit den Worten Come sta? Wie ſteht's? nad dem Befinden. Hat er doch Zeit und gönnt fih die Zeit, zu ftehen; er mag nit von Geihäft zu Geihäft, von Arbeit zu Arbeit eilen. Drum bat er ja aud das ſchöne Wort vom füßen Nichts- tbun, das dolce far niente erfunden; er fennt und liebt zu Zeiten das paradore Wort: Müßiggang ift die angenehmfte Beihäftigung. Es ift fhon ein Stüdlein von dem Orientalen in ihm, welder, wenn er taufend Morgen Landes befigt, aber fhon von dem Ertrage von fünfhundert Morgen bebaglid leben kann, nicht begreifen mag, warum er nod mit der Bearbeitung des Übrigen fih abmühen joll. Der Jtaliäner fteht gern bei dem Manne, der zur Guitarre flagende und traurige, heitere und nedifche Lieder fingt; er fteht unverdroffen bei Dem, der blühende Märchen erzählt. Bei den öffentlichen, kirchlichen Schaugeprängen, bei den vorbei» wallenden Proceffionen, bei den öffentlihen Aufzügen aller Art giebt’s immer fo viel Unterhaltendes zu ſehen, dajs es fi verlohnt, jtehen zu bleiben und zuzuſchauen. All joldes geihäftlojes, unterhaltendes, behag—⸗ liches, gemüthliches Stehen hat in der Begrüßungsform come sta feine Spiegelung gefunden. Im Süden, zumal in Neapel, hätte fi dieſes „Wie ſteht's?“ nah der Volksgewohnheit wohl gar noch in ein „Wie liegt's?“ fteigern können.

Wie fo ganz anders der Römer, der Vorgänger des Italiäners auf dieſem Haifiihen Boden. Nicht der üppige, ſchwelgeriſche, verderbte Römer der Kaijerzeit, fondern der alte, harte, unbeugiame Republikaner. Er ftellt gern die Frage quid agis? oder nod mehr jeinem eigent- lihen Wejen entipredend quid agitur? d. h. etwa: Was wird gethan, was getrieben, was verhandelt, was gejhieht, was giebt's? Wollen wir dies römische Volt nah feinem inneren Wejen fennen lernen, jo brauden mir nur auf feine alten Sagen zu jehen, in welchen es ji jelbft charak— terifiert. Eine Priefterin briht ihr Gelübde und wird die Mutter von Kindern. Dieje werden aber nicht in einer Familie nah der Sittlicfeit erzogen, fondern auf unnatürlihe Weife ausgefegt und von einer Wölfin ernährt. Sie erlangen endlih ein Stüd Yand, auf welchem fie ihre Stadt bauen. Romulus weihte diejelbe mit einem Brudermorde ein und bevölferte fie dur) zufammengelaufenes Gefindel. Der Staat wird aber niht dur Ehen fonjolidiert, fondern dur den Naub fremder Weiber. Dem römijhen Volke eriheint ſomit ein Brudermörder würdig als Staatengründer und es fühlte fih durd einen jolden nicht erniedrigt. So erklärt fih ihre unerfättlihe Eroberungsſucht bis zur Unterwerfung des ganzen Erdfretjes. Und als Nichts mehr zu erobern war und aus den unermejslihen Neid: thümern der große Sittenverfall erwuchs, fam über die Römer eine wahre

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Wuth nah Scheuflicteiten ; die innere Leere brachte den Selbftmord förmlich in Mode; und wie in einem faulenden Kadaver Alles in Atome zerfällt, ſo löste ſich im römiſchen Leben allmählich Alles in atomiſtiſche Theile auf und ein Modergeruch verbreitet ſich am Schluſs der alten Geſchichte. Der römiſche Staat hat, ſo zu ſagen, niemals eine nach Idealen ſtrebende Jugend gehabt. Er tritt immer mit dem Ernſt, der Gravität und der Härte des ſtrengen Geſchäftsmannes auf. Auf praktiſche Zwecke, Nützliches, Proſalſches, Zweckmäßiges geht die trockene, proſaiſche Ernſthaftigkeit des Römers. Der Staat iſt Alles, der Einzelne ein zu verbrauchendes Mittel und hat keinen weiteren Werth, als daſs er dem Staate diene. Darum ſtürzte ſich der römiſche Ritter Markus Curtius um des Staatswohls willen freiwillig in den Abgrund. Mucius Scävola verbrennt feine Hand in glühenden Kohlen und ſcherzt dabei, während der griechiſche Kriegsgott Ares nad) einer Verwundung ſchreit wie zehntaufend Ochſen. In vollitem Gegenſatz zu den ſchönen olympijhen Spielen, wo die edelſten Jünglinge wetteiferten, haben die Römer ihre Gladiatoren, das nihtsnugigite Geſindel, das jemals die Erde trug; und je mehr Blutbad in diefen Kämpfen, deſto mehr Befriedigung. Der Einzelne wird vom Schidjal erbarmungslos niedergemäbt und dient höchſtens dazu die Yaufgräben zu füllen, über welde der römiſche Weltgeift hinſchreitet. In diefer Darftellung finden wir den Grund, warum der Römer zur Begrüßung die Frage thut: quid agis? quid agitur? Das will fagen: Wie greift du handelnd ein in die Aufgaben und Geihide des Staates? Was treibt man da, was geſchieht? In dieſe allgemeine politiihe Frage wird die Frage nad dem perjön« lihen Befinden mit inbegriffen, die fih der Einzelne nad Belieben ber» auslejen mag.

Ein völlig entgegengejeßtes Bild bieten die alten Griechen dar mit ihrer Frage: Pos echeis? (Ts Exeıs;) d. h. wörtlid: Wie haft Du? Der Sinn diejer Frage wird erft Har durch die Antwort: Kalos echo (xalds Exo) d. h. ih habe jhön. In dem griechiſchen Volfe tritt ung eine Bildung, ein Geiftesleben entgegen, das einzig in feiner Art und uns erreicht dafteht. Dies herrliche Volk verband mit dem geſundeſten Realismus die wunderbare Gabe, Alles in der Welt zu durchgeiftigen und mit dem Haude der Schönheit zu verflären. Der Grieche hört das Niejeln des Bades, und das verwandelt fih ihm in die Najaden; er hört das geheimnise volle Rauſchen des Waldes als Muſik, und das wird ihm zum Pan mit der Pansflöte. Das unbeftiimmte Naturleben wandelt fih ihm in lebendige Perjonen um. Das Weſen des griehifchen Yebens wie auch der griediichen Frömmigkeit befteht in Heiterkeit umd Unjhuld; und der griechiſche Geiſt hat über die Menjhengemüther eine wahrhaft magiſche Kraft, weil er der

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Geift der Humanität und Urbanität, der Grazie und der Schönheit in herrlicher Harmonie ift. Der griehijche Kultus offenbart fih in fröhliden Aufzügen und fröhlihen Gafımahlen. Die feftliben Spiele hatten eine religiöje Bedeutung, weishald man die Jahre nah ihnen zählte. Pier fam es darauf an, Kraft und Schönheit in leiblichen Leiftungen und in geiftigen Produkten zu zeigen. Die griehiihe Schönheit umfafft aud das fittliche Gebiet, jo daſs Gut und Schön in einen Begriff zujammenfließen; und ein Kaloskagathos (zalög xaya#os) ift ein Ehrenmann, glüdlih, fittlid gut, beilbringend, rechtlich, fräftig, rüftig. Aus der Anmut, der Har- monie und der Schönheit diejes geſammten griehiihen Wejens iſt aud die Begrüßungsformel und die Beantwortung derfelben hervorgegangen: Wie haft du? Ich babe jhön. Das griehifhe Wejen fpiegelt ſich in diejer furzen Formel ab.

Schließlich kommen wir zu uns felbft, zu dem deutſchen Volke. Die allgemeinfte und beliebtefte Erfundigungsfrage nad dem Befinden lautet: Wie geht's? Das ift außerordentlih harakteriftiih für uns Deutiche. Die Luft am Gehen und Wandern fteft nun einmal von Alters her uns im Blute. Schon Tacitus (Germ. 14) berichtet hiervon einen Zug, wenn er jagt: Wenn das deutſche Volk in langem müßigem Frieden tbatenlos dahinlebt, jo ziehen gar viele edle Yünglinge über die Grenzen zu jenen BVölferihaften, die gerade im Kriege begriffen find; denn dem Germanen ift bei einem rubigen Leben nidt wohl. Einen weiteren Beweis giebt die große Völfermwanderung, welche vorzugsweile von germaniſchen Völker— ihaften ausgeführt wurde. Und als erft die neue Welt entdeckt worden war, da waren und find es bis auf den heutigen Tag wiederum die Ger— manen, welde am häufigiten und am geſchickteſten Niederlaffungen und Kolonien gründen, jo dajs jegt wohl faum ein Fleckchen Erde ift, wo nicht Deutihe zu finden find. So hat denn Arndt ganz Net, wenn er dem deutihen Bolfe mehr als jedem andern die Weltläuferei (wie er jo treffend jagt) zuſchreibt. Der Deutjche wähft auch ſehr leiht auf fremdem Boden an. Nur in Deutſchland giebt es reijende Handwerlsburſchen, nur in Deutihland die herrlichen Fußreifen wandernder Studenten und Schüler. Was uns nun bier die Sitte von der deutſchen Wanderluft jagt, das beftätigt die deutihe Sprade in darakteriftiicher Weife. Wir lieben nämlich das Wort gehen jo fehr und gebrauchen es jo häufig und in folden wunder: lihen Wendungen, dajs es faft in vollendeten Unfinn übergeht. Zuerſt die natürliche, eigentlihe Bedeutung. Menſchen und Thiere gehen. Der Fleißige geht an die Arbeit, der Yandımann geht auf das Feld. Das Kind gebt in die Schule. Dem Gegner gebt man auf den Leib, dem Betrunfenen geht man aus dem Wege. Sodann gehen bei uns Deutſchen aud Dinge,

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welde feine Füße haben, bei welchen aber doch eine dem menſchlichen Gehen ähnliche Bewegung wahrgenommen werden kann. Der Wagen gebt, bie Maſchine geht, die Uhr geht, das Schiff geht in die See und geht vor Anker. Der Teig geht, wenn er fih ausdehnt. In eine Flaſche gebt ein halbes Liter. Spradlih hat das Heine Mädchen ganz Recht, jo wunderlid es fih aud anhört, wenn es zu feiner Mutter auf dem Kirchplatz jagt: Wenn die Leute alle in die Kirche gehen, fo gehen fie ja nit alle in die Kirche (hinein). Bedenklicher wird die Sache jhon, wenn man ſprach: Der Feldmarſchall Graf Moltke geht mit dem Jahrhundert; wie die Jahreszahl fortfchreitet, jo fehreitet fein Lebensalter fort. Der Weg gebt über den Berg; genau genommen, wird der Weg gegangen. Eine Brüde geht von einem Ufer zum andern. Der Mann geht müßig, ift ein Müßiggänger, aud wenn er feinen Schritt thut, jondern auf dem Sopha liegt. Der Sohn geht dem Vater an die Bruft; feine Größe dehnt fih aus, wächſt bis dahin, die Wirthſchaft geht Hinter jih oder den Krebsgang. Die Ge— ihichte gebt ihm an den Kragen, an den Hals, an das Leben. Es geht gegen Abend; die Zeit ift das Fortſchreitende. Die Preife gehen in die Höhe, der Rod geht bis auf die Knie, in beiden Fällen wird eine Be- wegung, nad oben oder nad) unten, angenommen. In ähnlicher Übertragung fagt man: Das geht ins Aſchgraue, in die Brüche, in die Puppen, (die Schulden) in die Taufend; das geht über die Bäume, über die Hutſchnur, über den Bejenftiel, ift zu arg, man denkt an ein wachſendes Überragen. Endlid gebrauden wir das Wort gehen auch von Gegenftänden, bei welchen jede Bewegung ausgeſchloſſen ift. Der Deutihe redet aber fo gern in Bildern und Gleihniffen, daſs er fogar den unbeweglihjten Dingen eine jeldftwillige Bewegung zufchreibt. Die Mauer geht um die Stadt. Manche enter gehen auf die Straße, andere gehen auf den Hof, andere in den Garten. Der Lauf unjerer Gedanken geht ſchnell (wie Herder jagt. Hier muſs fogar der Yauf gehen). Der Nod, die Stiefel gehen noch ein Jahr (ehe fie verworfen werden müffen). Die auf der Jagd erlegten Hajen und Nebhühner gehen nah der Küche. Eine Narbe geht ihm über das ganze Geſicht. Mein Garten geht bis an den Fluſs, der Kreis Halberftadt geht bis an den Harz, das Net des Kaijers geht bis an die Alpen. Eine Thür geht aus dem Wohnzimmer in das Schlafzimmer (die Thür ift gar nicht gemeint, fondern etwa die Offnung, welche fie macht, genau genommen der Weg, den fie eröffnet, und noch genauer der Menſch, welcher durch diefe Offnung geht). Ein Fenſter, ein Loch geht dur die Wand (eigentlich nur die Hand, die man durchſteckt, oder der Blid oder der Gedante). Herrendienft geht vor Gottesdienft, Gewalt geht vor Nedt. Zehn Pfennig gehen auf einen Groſchen, jechzehn Meken auf einen Scheffel. Beethoven's

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Eroica geht aus Es-dur. Diefe Münze gebt bier zu Lande nit. Das Wort mensa geht nad der erjten Dellination. Ein Vermögen geht (bei Erbihaft) in gleihe Theile. Mepbiftopheles berichtet dem Fauſt über Gretchen: Wenn ih ein Böglein wär, jo geht ihr Gejang Tage lang, halbe Nähte lang. Es ift doch überaus drollig, dafs der Deutiche jeldft vom Stehen und jogar vom Liegen ein Gehen ausfagen kann. So fann ein Fußleidender ſprachlich ganz richtig, wenn auch etwas wunderlich ſich ausdrüden: Mit dem Gehen fteht es noch ihleht, das Stehen geht aber ſchon beffer, das Liegen geht aber immer noch am beiten.

Wir könnten die Beifpiele folh wunderlihen Gebrauches des Wortes geben ohne Mühe noch zahlreih vermehren. Will man fi diefer Wunder: lichkeit recht bewufft werden, fo überjege man ſolche Wendungen einmal wortgetreu etwa ins Yateinifhe: 3. B. interfecti lepores eunt in culinam; fenestr& eunt in hortum. Selbſt eine Überfegung ins Franzöfiihe bringt oft Unfinn zu Tage, wie denn einmal 1870 ein Herr bei Paris einen Franzoſen um Feuer für feine ausgegangene Eigarre bat mit den Worten: ma cigarre est sortie (meine Cigarre ift abgereift), Das Gehen liegt dem Deutſchen einmal fo im Blute und ift ihm jo zur andern Natur geworden, daſs er nicht bloß ſich bewegenden, fondern jelbft ftarr feftliegenden Dingen ein Geben zuſchreibt und von hier aus dasjelbe auch auf geiftige, unfinnlihe Gegenftände überträgt. Es ift hiermit ja jelbftredend nicht gejagt, dafs das Gehen die einzige unterfcheidende Eigenthümlichfeit des Deutihen jet; aber dieje ragt doch in auffallender Weije neben anderen hervor. Darum bat der Deutihe das Gehen zu feinem Begrüßungsworte verwandt. Wenn der Menih noch jein Liebftes thun, noch gehen und wandern fann, jo fteht es noch nicht ſchlimm mit ihm. Yın legten Ende ift unjfer Begrüßungswort wieder ein Beweis von der hochpoetiſchen Ver— anlagung unjeres Volfes, weldes auch in der gewöhnlihen Sprade des täglihen Lebens lebloſe Dinge zu beleben und zu perjonificieren verjteht. Das ſei den Deutihen zur Ehre gefagt!

Schauen wir noch einen Augenblid zurück auf das Geſagte. Es mwäre höchſt unverftändig, wenn Jemand meinen oder jagen wollte, was wir bier entwidelt haben, ſei zufälliger Natur und nicht oder faum von Bedeutung. Wer fo denken wollte, hat feine Ahnung vom Werden und Werth der Sprade. Die Sprade ift das höchſte und größte Erzeugnis des menſchlichen Geiſtes. An jeder Sprade hat das Bolf, das fie ſpricht, in feinen Millionen Sliedern Yahrhunderte, ja Jahrtauſende lang gearbeitet; und was fih da aus den Gedanken und Findungen der beiten Denker, dem Weſen des Volkes gemäß, niedergefhlagen hat, Das iſt das gemeinjame Gut Aller geworden, nicht aus langer und mühjamer Überlegung, fondern

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aus unmittelbarem Drange des Geiſtes und des Bedürfniſſes, in ahnungs— voller Sicherheit und mit wunderbarer Folgerichtigkeit, der Eiche gleich, welche aus Kern und Keim naturgemäß zu dem mächtigen, herrlichen Baum ſich entwickelt. Solches an einem kleinen, feinen Stücklein verſchiedener Sprachen zu zeigen, war unſere Aufgabe; und unſer Ergebnis wird darum auch nicht etwa dadurch geſtört, daſs es neben den genannten auch noch andere Begrüßungsworte giebt, wie wir ja im Deutſchen auch fragen können: Wie ſteht's? (nach italiſcher Weiſe) oder Was machſt Du? (nach engliſcher und römiſcher Art); wir haben eben das eigenthümlich Cheralteriſtiſche und Wefentlihe hervorgehoben, in weldhem das Werden und Schaffen und Weſen des Volksgeiſtes fih offenbart.

Geiſter und Menſchen.

Ein Roman in 3 Bänden von Adolf Wilbrandt. Nördlingen 1864. (j. S. 321—332.)

Dritter Band.

154. ©. 1: Noderih, der Sohn Ajtulap’s, würde fagen: wir find aus dem großen Gehirn der Erde (das die Gedanken erzeugt) in das kleine Gehirn (daS die Bewegungen leitet) übergefiedelt: d. h. aus Deutihland nach Yondon —, aus dem Yand der Theorie in die Hauptfiadt der Praxis, ein Sak, der vielleiht als Beijpiel der übertragenen Anwendung des Wortes Gehirn in mein Wörterb. (1 ©. 7650 ff.) oder dod in mein Ergänz.-Wörterb. (S. 272c) hätte aufgenommen werden können.

155. ©. 3: Wer gelafjen duldet, wer nit verwildern [hier in wilden Zorn, in Selbjtrade heiihende Wuth ꝛc. gerathen] fann, Den zertreten die irdiihen Mächte, vgl. verwilden und verwildern in meinem Wörterb. III ©. 1604b/v und Ergänz-Wörterb. ©. 637a.

156. ©. 4: Laſs uns aufwadhjen in Grimm und Zorn und aus unjern Herzen eijerne Hammer jhmieden, damit Die uns fürdten lernen, die uns heute verachten, j. über die Mehrzahl von Hammer ohne oder mit Umlaut (Hämmer) Wörterb. 1 ©. 677bje.

157. ©. 8: Dajs fie ſich an einen Unwürdigen verloren hatte, Das ift es, was fie fich jelber nie verzeihen wird, vgl. Wörterb. II ©. 139b, woraus ich folgende Säße hier anführen möchte: Ich fürchte, mih an fie [die Menjhen] und fie an mich zu verlieren. Gugt. Dais er ſich völlig an fie verliert, daſs er, anftatt fie zu beherrſchen, vielmehr in maßlofer Willfür beherrfht wird von ihr. Rob. Prutz. Sein Herz oder ſich an Jemand verlieren ac.

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158. ©. 11: Den alten guten Sophahoder, aud 3.8. bei Gutzk. (Ergänz.:Wörterb. ©. 273c), vgl. auh Wörterb. I ©. 77Le.

159. ©. 22: Das Mädchen ſchüttelte den Kopf und wollte hinaus, in der Thür famen ihr Frau Cleonore und ihre Mutter entgegen. „Ihre Mutter“, Das ſoll hier die Mutter des Mädchens fein; aber der Lejer oder Hörer könnte vielleiht auch an Frau Eleonorens Mutter denten, in weldem Falle freilih die Wendung „deren Mutter” jede Beziehung auf „des Mädchens Mutter“ ausjhließen würde Ich würde in dem vorliegenden Falle die jede etwaige Miſsdeutung ausijchließende Um— ftellung vorziehen: „Sn der Thür kam ihr ihre Mutter, die Kramerin, und Frau Eleonore entgegen“, vgl.: Frau Eleonore und ihre eigene Mutter zc., ſ. auch Hauptſchwier. ©. 71b unter dem Titeltopf: „Befig- anzeigende Fürwörter“ Nr. 8.

160. ©. 24: Ihres zukünftigen Schwiegerfohns Buienfamerad, mo das von mir im Wörterb. und deffen Ergänzung nit aufgeführte Schluſswort fih aus dem finnverwandten Bujenfreund ohne Weiteres erklärt.

161. ©. 24: Du thuft mehr als deines Amtes ift, du junger Vorwitz, als Bezeihnung eines Vorwigigen, j. Wörterbud III ©. 1644 a Nr. 3.

162. ©. 26: Bift nun aud einer von den vornehmen Herren worden [ftatt: geworden, j. Hauptihiwier. ©. 335b und Wörterb. III ©. 1569a/b], fein wie ein Prinz, ein verwunſchener, [j. ebd. ©. 1674b/e], gelt ſſ. ebd. I ©. 575«, vgl. Zeitihr. S. 326/7 Nr. 120], der aus ber faliden Haut in die rechte geihlupft iſt ſſ. Wörterb. III ©. 9864, jänmtlid der Sprederin gemäß im Xone der Volksſprache.

163. ©. 33: Von der warmen Luft umſchmeichelt, von alten Er- innerungen angerührt, mufste Lucius an jenen Abend denten, an dem er mit feiner freundlichen Gefährtin über den Mondſee fuhr und ihr Herz an dem jeinen geklopft hatte. Hier müjste meiner Anſicht nad) ftatt des Imperfekts fuhr das Plusquamperfett ftehen: gefahren war in Übereinftimmung mit dem durch „und“ angefmüpften geklopft hatte, da Beides, die Fahrt auf dem See und das Klopfen ihres Herzens an dent jeinen, gleichzeitig war, Beides einer ganz vergangnen Zeit ange: hörend. Gewöhnlich heit es nicht, daſs Jemand von alten Erinnerungen angerührt jei, jondern, dafs fie ihn berühren oder, wenn es fih um ergreifende Erinnerungen handelt: gerührt, dod f. Zeitihr. S. 329 Nr. 135, wo eine Ähnlihe Anwendung von anrühren (ftatt rühren) erwähnt ift mit dem Hinweis auf eine Stelle aus Schiller's Tell: Ihn rührte unfre Noth nicht an.

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164. ©. 34: Als zwei berzbrave Leute... . jo eigentöpfig und Ihmollend aus einander gingen [übliher: eigenfinnig, doch f. Belege zu eigen:, ftarrföpfig zc. in meinem Wörterb. I S. 993c] Dais nun gemieden und gejhieden fein follte. ebd, Neimverbindung in der Proſa.

165. ©. 35: Ich gab feinem Herzen die Sporen, als es faul war und nit von der Stelle wollte, ſ. zahlreihe Beiſpiele für den bild- lihen Gebrauh von Sporen in meinem Wörterb. III ©. 1145c Nr. 1b; Ergänz.-Wörterb. ©. 495 4.

166. ©. 36: Ein fhwerblütiger Burſche, ſ. in meinem Wörter. 1 S. 179b Campe's Bemerkungen über die hauptfählih von Kant vorgejhlagenen Zujammenjegungen von blütig: warme, ſchwer—, kalt-, beifer: ſchleim: (auch: lau), leicht=b., in Bezug auf die foge: nannten Temperamente.

167. ©. 39: Kuſsliche Lippen, aud: küſslich. Wörterb. I ©. 1064 b.

168. ©. 40: Iſt ihm vom vielen Studieren das Haar ausgegangen oder [jind] die rumden Baden hohl geworden? ſwo das von mir hinzu- gefügte jind genauer ftimmt als die aus dem Vorbergehenden zu ergänzende Einzahl „it“. Wo fit die Fremdheit? [bier das gegen das früher Belannte und Bertraute fremdartig Erſcheinende ꝛch, |. mein Wörterb. I ©. 4Ylec.

169. ©. 58: Eine wilde Gedantenjagd riis ihn bin und ber, eine noh in meinem Wörterb. und defjen Ergänz. (wie jo weit ic jehe in allen vorangegangenen deutihen Wörterbüchern) nicht bejonders aufgeführte Zufammenjegung von Jagd, eben jo wie das ähnliche Ges dankenflucht (vgl. in meinem Wörterb. 1 ©. 827a, die unerjhöpfliche Fülle der nah Ähnlichkeit zu bildenden Zufammenfegungen von Jagd). Gedankenjagd könnte unter Umftänden z. B. eine Jagd bezeichnen, Die nit in der Wirklichkeit ftattfindet, vor fich gebt, ſondern nur in Gedanken, nur gedadht wird; aber in dem vorliegenden Sage (und ähnlich bei Ge— dankenflucht) bildet die Zufammenjegung einen Gegenjag zum Gedanken— gang (j. d.), bei weldem die Gedanken Ideen) ruhig in wohlgeorbnetem Zufammenbang auf einander folgen und aus einander hervorgehen, fih aus einander entwidelnd, jih am einander reihend und jchließend u. ſ. w., vgl. Ge— danfenreihe und jhärfer das in einander Geſchloſſene hervorhebend Gedankenkette, 3.8. Wilbrandt 3, 132 ꝛc., während bei der Gedanken— Jagd (oder Flucht) die Gedanken ohne innere Ruhe und Stetigfeit fi, wie 3. ®. in den wilden und irren Träumen eines Fieberkranken, in wilder Flucht und Haft durch einander jagen und wirbeln zc., vol. ud um

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hier noch einige andere Zujammenjegungen mit „Gedanken-“ als Be- ftimmungswort zu erwähnen 3. ®.: Gedantenflug (bei Schiller ©. 73b :c.) in Bezug auf die Schnelligfeit des Gedanfens, Gedanken— ſchwung in Bezug auf die Erhabenheit der fi auf-, empor- oder in die Höhe ſchwingenden Gedanken u. a. m. Es ſchien mir nicht unangemeffen, bier bei einer ungejuht fih darbietenden Gelegenheit wieder einmal auf die Nothwendigfeit einer von den meiften deutihen Wörterbuhfchreibern faum beadteten und jedenfalls nit in vollem Umfang gewürdigten Scei- dung binzumeifen zwiſchen Zufammenfegungen, die einen wirklichen Theil des deutihen Sprabihages bilden, und andern, die ins Unendliche nad Ähnlichkeit vermehrt, aber nie erihöpft werden können. |

170. ©. 62: Da hab’ ih an Allem verzweifelt und, da auch der Tod nicht fommen wollte und meine franfen, fterbefüdhtigen [— das Sterben fuchenden, ſehnſüchtig danach verlangenden zc.] Sinne mich getäuſcht batten, blieb mir feine Wahl ꝛtc., vgl. unter den unerſchöpflichen Zuſammen— fegungen von -Sudt, »fühtig zc. in meinem Wörterb. Ill ©. 1267a ff. bis 1264b und weiter bejonders Ergänz.-Wörterb. S. 542c—544a, 3.9. bei Heine: Martyrſucht [Sudt, Sehnjudt, nah einem Martyrium] und (entiprehend das Eigenihaftswort martyriüdhtig) bei demjelben auch: todesjühtig. Dagegen verjcieden davon bei Abr. a St. Clara (vom einer ganzen Mafjen den Tod bringenden Epidemie [Seude]): die Sterb- ſucht. Derartige Beiipiele (j. Nr. 169) rechtfertigen nicht nur die von mir in meinen Wörterbüchern getroffene Anordnungsmweije, jondern zeigen, meiner Überzeugung nad, ihre unbedingte Nothwendigfeit, wenn man nad einer wenigitens annähernden inneren VBollftändigkeit des Wortſchatzes im deutihen Wörterbud ftrebt.

171. ©. 65: Vornehmes Nihtsthun, Das war der Yebensiprud, für den ich erzogen war und den ich im meines Gatten Haus erfüllen follte. Ich zweifle, dafs ein gebildeter, feine Mutteriprahe vollfommen beherrſchender Deutiher, auf die zyrage eines Franzoſen: „Qu’est-ce que c'est que Lebensſpruch?“ ohne Weiteres die gewünſchte Auskunft zu geben im Stande fein würde, während er fie aus dem Zufammenhange mit Leichtigkeit entnehmen würde (vgl. mein „Programm eines neuen Wörter: buches der deutihen Sprade“ ©. 58b ff.).

Meiner Anfiht nah hätte Wilbrandt als Schriftjteller, der feine Ausdrüde jorgfältiger als in der mündliden Unterhaltung zu wählen bat, befjer etwa gejegt: „So lautete [nah des Schidjals Ausſpruch] die Pebensaufgabe, für die ac”, wo das in edige Klammern Gejet;te aud wegbleiben könnte.

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172. ©. 68: Sie jaß wieder aufgeridtet da, mit gefüllten Augen, mofür es üblider und verftändlider etwa hätte beißen ſollen: mit thränengefüllten oder: mit thränenvollen, mit thränenden Augen oder: die Augen voller Thränen ꝛc.

173. ©. 77: Endlih flüfterte fie ihm zu, fi zu erheben, wo, ftatt des von zuflüftern abhängenden Infinitivs mit zu, üblicher ſtände: dajs er ji erheben jolle oder: er jolle fi erheben, vgl. (j. Wörter- buch III ©. 837b Nr. le): Sie jagte ihm, dafs zc., nidt: Sie fagte ihm, fi zu erheben u. A. m.

174. ©. 80: Bon dem einfaden, berzliden Gefang [angezogen trat Yucius näher, wo das von mir in Klammern binzugefügte an nicht hätte fehlen follen.

175. ©. 82: Dafs, wenn wir einen Andern zu beffern fuchen, wir jeloft veredeln, als jeltnes ziellojes Zeitwort (intr.) ftatt des rüd- bezügliden (refl.): wir uns jelbjt veredeln, ſ. Wörterd, 1 ©. 341b; Ergänz.-Wörterb. ©. 171a/b, vgl. als Paſſiv des zielenden Zeitworts 3. B. bei Wilbr. 3, 98: Das Metall [j. d. in meinem Wörterb. IL ©. 302a, Nr. 2, übertragen] ſchien wirklid veredelt zu fein, und als Zeitwort der Wecjelbeziehung (reciprotes): Wir veredeln uns gegen ſeitig. Wilbr. 3, 151.

176. ©. 88: So wie es bei uns auf dem Yande fo viele feinfühlende Eſſer giebt, die fih am liebften in der Speifefammer zum Frühſtück jegen, fo wird mir immer im Seller am trinfbafteften und zehnmal wohler als da oben im gerühmten „himmliſchen Yidht“. Es wird mir trink: haft zu Deuthe] = ih komme in die zum Trinken geeignetfte (am meiften von Trinkluft erfüllte) Stimmung ꝛc., nadhzutragen zu dem im Ergänz.- Wörterb. ©. 578a unter „trinkbar“ Gejagten.

177. ©. 90: Es jhauerte ihm, diejen Gedanken auszudenten, j. hierzu mein Wörterb. III S. 898c; ©. 896c; Ergänz.-Wörterb. ©. 443a/b Nr. 4 und furz zufammengefafjt in meinen Hauptſchwier. ©. 169b unter „grauen“.

178, ©. 94: Sie lernte [j. über den abhängigen Infinitiv ohne (oder mit) zu die Juhaltsverzeihniffe der Zeitihrift!].. ., im Trotz einen Genujs finden und mit der ſcheinbaren Sicherheit einer Nahtwandlerin zwiſchen Tugend und Berirrung auf der haarjdharfen Grenze gehn, wo fie dann nur eine gewifjenloje Stimme anzurufen braudt und fie fallen mit offenen Augen bin, vgl. über die jogenannte Anakoluthie in der Anknüpfung mit „und“ Hauptihwier. ©. 35b—40a. Ohne Ausweihung aus der grammatiihen Sapfügung hätte Wilbrandt- am Schluſs jegen fünnen: „damit fie mit offenen Augen binfallen“, vgl. auch 3. B.:

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Grenze. .., auf der fie beim Anruf durch eine gewiffenlofe Stimme mit offnen Augen binfallen.

179. ©. 102: Er erfuhr nun, dafs der gute Alte vollends verfallen jet, dafs es jchnell mit ihm hinunter gehe, übertragen, vgl: bergab, zu Ende ꝛc.

180. ©. 109: So benüßen wir die ſchöne Zeit, ... uns und bie Andern auf die Luft umd Fähigkeit, fib zu genoffenihaften, auf die innere Bereitihaft anzufehen. Dem Verſuch Wilbrandt’s, das Fremdwort afjoctieren (j. 0.©. 324 Nr.104 und 3.8. Wilbr. 3 ©. 151 ıc.) durd) das berpvorgehobene, nicht jehr gefüge Wort zu verdeutfhen, habe ich bier eine Stelle eingeräumt, um im Kreiſe der Yejer zu Vorjchlägen anzuregen, die auf alfigemeine Verbreitung vielleicht größere Berechtigung haben (vgl. auch mein Berdeutihungswörterbud S. 16a, in mweldem die vorgeichlagenen deutſchen Wörter vielleicht nur für einzelne beftimmte Fälle braudbar find).

181. ©. 110: Wenn ih noch nicht mit der Gegenwart fertig werden fann, wie fann id unter euch „Jukunftsmenſchen“ gehören? Was für ein närriiches, neblige8 Wort das ift! Lucius late und umarmte ihn und fagte: Mein guter Junge! für dich ift beffer als für uns gejorgt: du wirft unjer Zufunftsmufiter, wie du ja immer gewollt haft! “Dies ihöne Wort fann wieder zu Ehren fommen.

Diefe Stelle (f. „Zulunftsmenfhen“ 3. 3. auch Wilbr. 3, 151 :c.) habe ih nur angeführt, um auf das in meinem Wörterb. noch fehlende und erft im Ergänzungswörterb. ©. 362 namentlihd mit Hinweis auf Bühmann’s Geflügelte Worte furz erwähnte Wort „Zufunfts- muſikant“ und deffen Fortbildungen für die Bedeutungen in der heutigen Sprade aufmertiam zu maden.

182. ©. 114: Es liegt no wie ein Bann auf mir und ich wäre niht eher ruhig, eh’ ih ihm nicht von mir genommen wüſste, vgl, auf der vorhergehenden Seite (113): Es ſchien mir unmöglid, irgend einem Menfhen mit einem Wort zu verrathen, was ich wollte, ehe ih nit Gewiſsheit oder Zuverfiht hätte, vgl. über das überſchüſſige nicht in dem mit ehe eingeleiteten Nebenfag meine Hauptihwier. S. 227b/8a Nr. 4b umd hier in der Zeitihr. ©. 191 Nr. 2: 312 Nr. 56 u. Ö, ſ. die Inhaltsverzeichniſſe der verſchiedenen Yahrgänge.

183. ©. 118: Er ſetzte ſich neben Walter auf die Laubenbank, vor der fie ſtanden Bank in der Yaube, vgl. ähnliche Beifpiele der Bujammenjegungen von Bank in meinem Wörterb. ©. 786 ff.

184. ©. 125: Was ift alſo geſchehn? unterbrah fie Yucius in zitternder Ungeduld. Da „Lucius“ hier das Subjelt, „ſie“ das Objekt fein foll, jo hätte wenigftens ohne Inverſion gejegt werden jollen: unterbrad

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Lucius fie ꝛc, ſ. Hauptihwier. ©. 352b Nr. 2b oder etwa: fiel Lucius ihr in zitternder Ungeduld in die Rede :c. |

185. ©. 148: Er verfann fih unmwilltürlih in feierliche Gedanten [f. mein Wörterb. III ©. 1106a; verfinnen refl.: 1 ſich finnend vertiefen, verjenten, mit Belegen]... Wanda! murmelte er auf einmal, aus dem tiefen Berjinnen aufgeihredt, vgl. Ergänz.-Wörterb, ©. 483c: Fuhr aus tiefer Berjonnenheit auf. Paul Heyie ꝛc.

186. ©. 166: Ich blieb Hier, ih ftritt mich feft, ſ. mein Wörter- buch 111 ©. 1239b die Beiipiele unter „ftreiten 3b, refl, mit Angabe der Wirkung“. Der Sinn ift bier: Das Ergebnis meines Streitens (Disputierens) mit Emilie war, dajs ih nit los fommen fonnte, wie aus den nachfolgenden Worten erhellt: „und, als ich endlih fand, dafs es die höchſte Zeit jei, mich davon zu maden, ftand ich bei dem Gedanten ftill, dajs do ein ganzes Leben dazu möthig ift, ſich über diefe Dinge auszuipreben ꝛc.“

187. ©. 185: Niemand ſieht mich; fei unbeforgt, dafs ich deinem guten Huf nit zu mahe trete! —, f. in meinen Hauptihwier. ©. 228a, wo unter dem Ziteltopf: „Pleonasmus“ in 4c der Anfang lautet: „Auch wenn von Wörtern, die einen verneinten Sinn in fih ſchließen, ein Satz (mit dajs oder verkürzt im Infinitiv mit zu) abhängt, jo fteht in dem abhängigen Sag oft (doch ſ. d.) eine pleonaftiihe Verneinung, |. Brandftäter Gallicismen 238 ff." Aus dem abecelid geordneten Verzeichnis bergehöriger Wörter führe id mit Rüdjiht auf den Raum nur AN: „. . . Bejorgen, in Bejorgnis fein, dajs (nit) 2c.“, woran fi die obige Stelle von Wilbrandt jchließt, in der es dem heute herrſchenden Spradgebraud gemäß unzweideutig und beſſer ohne die überſchüſſige Ver— neinung heißen würde: Sei unbejorgt, dafs ich deinem guten Huf zu nahe trete! —, vgl. (im unabhängigen Sage): Sei unbejorgt! id werde deinem guten Auf nicht zu nahe treten zc.

188. ©. 195: Der Graf... . jhlägt den [vgl.: dem) Wider— jpenftigen ins Geſicht, vgl. Zeitihr. ©. 135 Nr. 44; 272 Nr. 6; 322 Nr. 87 u. ſ. Hauptſchwier. ©. 91.

189. ©. 225: Er glaubte, auf der Inſel ihre Geftalt zu jeben.... Die Inſel wuhs heran :c, in dem Maße, wie die Schiffenden ihr näherten, fie famen der Inſel immer näher; j. Zeitihr. Vlil ©. 349 in der Beiprebung einer Novelle von Ad. Wilbrandt, worin es beißt: „Die kleinen jpigiebeligen Häufer von Warnemünde, die bis ans Meer neben ihm [dem Breitling]) hergeben, wuchſen heran“, mit ber beigefügten Erklärung: die aus der Entfernung gefeben, Hein erſcheinenden Häufer, erichienen bei der Annäherung auf dem Schiffe größer, vgl.

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er. aus Chamiſſo's „Salas y Gomez“ (2. Schiefertafel, 11. Terzine): Es wuchs das bergetragne Schiff, zugleich Die Angft in meinem Buien namenlos ıc. und in Wilbrandt’S Novelle: „Die Verſchollnen“ die Stelle: Wenn dann zwiichen den abendlichen zerflatternden Wolfen die erften Sterne erſchienen, wenn ihr matter Silderglanz mir entgegenwuchs [in größerem, hellerem Glanz erftrahlte, wenn ihr matter Silberglanz fih in funtelnden Gold» glanz verwandelte] ꝛc.

190. ©. 230: Lafft uns auf diefen Anfang ein jhönes Fort und Fort ohne Ende bauen! —, ſ. über das zeitlihe Umftandswort fort und fort mein Wörter. I ©. 452a unter Fort 2b. Nadzutragen aber bleibt (umd zwar nicht bloß in meinem Wörterbuch) die bier zum - Hauptwort erhobene umftandswörtlihe Verbindung.

191. ©. 231: An die nun nadjfolgende Stelle gedente ich nicht ipradlihe Bemerkungen zu knüpfen, jondern fege fie nur um ihres In— haltes willen ber:

„Dean bob die Gläfer, man ftieß auf unverbrüdlihe, duldfame Freundſchaft an. Lucius fühlte fih aus feinem dumpfen Sinnen in die Höhe gerifjen, alle alten Gelübde ftanden vor feiner Seele. Die Freund- ſchaft und das Vaterland! ſetzte er, mit Walter anflingend, hinzu. Was macht uns duldfamer, als uns dem Vaterland in gemeinfamer Liebe hin: gegeben zu wiſſen? Wir jagen uns ja dod Alfe in der jtillen Seele, dajs wir ohne dieſe Mutter mit aller Liebe und aller Freundichaft verwaift und armjelig find! Ich wenigftens, ih will nit ohne Deutihland jelig werden, weder bier nod dort! Was für ein undriftliher Gedante! rief Elelia lähelnd aus. -—- Nennen Sie es, wie Sie wollen! jagte Yucius; aber wir find lange genug unfelig gewejen -- und, wollen wir unſre Mutter wieder ehrlih mahen, fo muſs das ganze Yeben daran gejegt fein! Sch wiederhole Nichts als ein altes Gelöbnis. Und laſſt es uns unter diejem fröhlihen Himmel jagen, dajs es uns beftimmt ift, ernjte Zeiten zu jehen! dajs wir als Freunde bereit find, für das Vaterland Alles zu opfern, was wir unſer nennen, und dajs, wenn wir jemals zaudern könnten, die Stimme unſerer liebenswiürdigen Freundinnen ſich nicht verfteden, fondern uns jagen wird: wollt ihr Männer fein, jo thut, wozu euch Gott die Arme und den Athem gegeben!“

Eine Stelle wie die vorjtebende wird vielleiht manden Leſer anregen, den 32 Jahr alten Roman zur Hand oder wieder zur Hand zu nehmen und er wird es nicht bereuen, wenn er jhließlihb aud gegen das Ganze als vollendetes Kunſtwerk mande nit leicht wiegende Bedenken zu erheben haben wird.

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Ich laffe zum Schlufs nur noch wenige ſprachliche Bemerkungen folgen.

192. ©. 245: Der Uferſchilf bog fih und knirſchte —, ſ. mein Wörterb. III ©. 925c, wo für Schilf Belege für das fählihe und für das männliche Geſchlecht gegeben find (ein einzelner auch für das weibliche bei Luther).

193. ©. 266: Sie ſetzte fi ihm troftlos gegenüber. Ihre Augen waren ausgemeint, fie hatte fein Berlangen, feine Hoffnung mehr zc. Zumeift bezeichnet der Ausdrud: feine (oder gewöhnlicher: fih die) Augen ausmweinen (f. d. in meinem Wörterb. III ©. 1537b, Nr. la) fo viel wie: fi blind weinen, die Sehfraft der Augen durch Weinen erihöpfen ; in der Stelle von Wilbrandt bezeichnet aber: „Ihre Augen waren aus» geweint“ jo viel wie: fie konnte nit mehr weinen, ihre Thränen waren (= ihr Thränenquell war) erfhöpft, wie es denn auf ber folgenden Seite beißt: „Ihre erihöpften Thränen fingen von Neuem zu fließen an“, vgl. die in meinem Wörterb. 1b aus Ehamiffo angeführte Stelle: „Y hatte ihm [meinem Elend] meine Thränen ausgeweint, es fonnte fein Geſchrei mehr aus meiner Bruft berauspreffen;” aber, wenn mein Spradgefühl mich nicht ſehr täuscht, ift die Ausdrudsweife in diefer Anwendung nicht ganz zu billigen.

194. ©. 273: Willy ſetzte ſich . . auf eine der Gartenbänke ... bin, ihre Kniee riefen nah Ruhe, wo es für mein Gefühl etwas Störendes hat, wenn die Kniee als „rufende“ bezeichnet werden, val. einfaher und beffer: fie verlangten dringend nah Ruhe zc. oder: fie fonnten nicht weiter ıc.

195. ©. 280: Es fam auf einmal die Stunde, wo ih es mit Händen und Augen fah, dafs er dich von ganzer Seele liebte, ftatt: mo ih e8 mit Händen greifen konnte und mit Augen ſah, f. meine Hauptihmwier. ©. 345, wo es unter „Zufammenfaffung“ in 2d beißt: „Die Augen des Herrn ſehn auf die Gerechten und feine Ohren auf ihr Schreien. Pſalm 34, 16, ein mehr Ieritograpbiihes als grammatijches Zeugma, indem bier das Verbum des erjten Satzes nicht zu dem Subjekt des zweiten paſſt, vgl. ftatt jebhen bei Mendelsiohn merken, bei M. Sachs find gerichtet ꝛc.“ —, vgl. auch: wo ih es bandgreiflih ſah = fo nabe, dafs ih es mit Händen greifen fonnte.

196. ©. 292: Dajs mit feiner Abentenerluft auch der natürliche Welttrieb und der Yugendmuth wieder erwahen wird, im Gegenjaß zu dem Trieb, fih von der Welt zurüdzuzieben.

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Einige Bemerkungen zum 9. Jahrg. der Zeitichrift.

Bon Dr. 9. Landau (in Wien).

Zu ©. 168: Dafs der Gebrauch von je mit dem Komparativ ftatt möglihft mit dem Poſitiv ein Magyarismus ift, hat Schudardt in der Zeitihr. für öfterr. Gyınnafien 1886, ©. 348 unwiderleglih nachgewieſen. Bgl. auch diefe Zeitidhr. 6, 479. Dagegen fpridt au nicht der angeführte Sak von Hädel: „Den Gejegen der Vererbung zufolge muſs die... Schwäche bei jeder nahfolgenden Generation nit nur in je größerem Kreife weiter verbreitet werden . . .“ Hier bezieht fih das je auf das vorhergehende jeder und bedeutet: „Die Schwähe muſs in jeder nad: folgenden Generation in einem größeren Kreife verbreitet werden, als in der vorhergehenden“, aber nicht: „in einem möglichft weiten Kreiſe“.

Zu ©. 169: Das „merkwürdige“ mulatsäg ift durdaus nit auf einen Heinen Kreis beſchränkt, jondern unter öfterreihiidhen Offizieren gäng und gäbe zur Bezeihnung eines Feſtmahls, wofür bei den deutſchen Diffizieren das Wort „Liebesmahl“ gebräuhlih if. Den Herrn aus Linz, der ©. 273 das öfterreihifhe Deutſch ſo eifrig gegen den Vorwurf in Schuß nimmt, dajs es allzuleicht Fremdes aufnehme, erlaube ih mir auf dag leider zu wenig befannte geijtvolle und lehrreihe Wert Shuhardts „Slamo:deutihes und Stawo:italiänifhes“, Graz 1884 zu verweilen, das für die Kenntnis der fremden Beftandtheile im öfterreihiihen Deutſch geradezu unentbehrlich ift.

Nudelfauber ©. 256 ift wenn fein Drudfehler das uns richtig gehörte oder wiedergegebene bairiihde mudelfauber (Schmeller, Wörterb. 1, 1572) von Mudel, Katze, aljo etwa: jo rein, glattgeftrichen, wie eine Katze.

©. 239: Das bairiihde Sparte, Fach, Wbtheilung, Hält aud K. Th. Heigel in feinem Aufjage „Italianismen in der Mündener Mund- art“ (Hiftorifche Vorträge und Studien. 3. Folge. Münden 1887. ©. 271) für das italiänifhe Sparta von sparto, getheilt. Dieſe Ableitung jcheint mir, wenn fie auch von Schmeller in jeinem Wörterb. 2, 685, mit einem ragezeihen angeführt wird, weit anjpredender als die von dem zwar gteihklingenden, aber dem Sinn nah zu unjerem Worte in gar feine Be- ziehung zu bringenden oraprn, Seil, (bei Schmeller, ebenda) oder gar von dem in diejer Zeitihrift S. 359 angezogenen Spridwort Iraprar Elayss raUrap xO00ueı.

Dr. A. Landau.

Beitfchrift f. deutſche Sprache. X. Jahrg. 29

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Bon der modernen Lyrif,

Vor längerer Zeit find in verfchiedenen Blättern mit verdienter Schärfe die jugend-grünen Anfänge der „Neuen litterariihen Blätter“ be- jproden worden. Damals befleigigte ſich die genannte Zeitihrift einer gequälten Modernität, die die innere Hohlheit und Ode ihrer dilettantischen Beiträge verdeden follte.e Später bat fie eine Wandlung durdgemadt, die nachgerade für Alles, was fih von den Schöpfungen der neuen Schule in die Zutunft binüberretten wird, typiih zu werden anfängt. An die Stelle einer unklaren, bombaftiihen Rhetorik, die ihre Geſchütze meift mit Munition aus Martmilian Harden’s Arjenalen Iud, war die geflärte, ruhige Sprade einer ſachlichen, hiſtoriſch-wiſſenſchaftlich gefeftigten Kritik getreten, die ihre Schulung im Wejentlihen dem tüchtigen, wenn aud etwas fchnei- digen Berliner Seminare für neuere Yitteraturgefhichte verdanfte, und wo jonft ein wilder Tummelplatz für poetifhe Ungezähmtheit und unpoetifche Zahmheit war, da wartete nun eine glüdlihe Hand den mohlgepflegten Garten einer echten, auch im alten Sinne jhönen Poefie.

Ein deutliches Zeugnis diefer erfreuliden Wandlung des jungen Or- ganes ift die kürzlich erſchienene Gedihtjammlung jeines vorigen Heraus: gebers Paul Bornftein!, die wir hier furz beipreden wollen. „Ich bin eine Art nachgeborner Romantiker“ ſagte der Dichter einmal jelbft, und er bat Recht damit, wenn wir auch hinzufügen müffen, was er jelbft vielleiht nit weiß oder wenigftens ungern wahr haben möchte, daſs nämlih daneben zugleih ein gutes Stüd Klopſtock in ihm wieder lebendig geworden tft. Alle Vorzüge wie Schwächen feiner Poefie liegen in diejen Vergleichungspunkten. Romantiſch find die oft überkünftlichen Neimipielereien, mit denen der Verfaſſer fih plagt, die häufig feine eignen Gedanken irreführen oder gar erftiden, wie gleih in dem erften Gedichte „Schatten“, und doch nie recht die fröhliche, finnlihe Kraft entbinden, die dem echten, von innen kommenden Reime eigen iſt; romantiſch die phan- taftiihen Gaufeleien mit allen möglihen und unmögliden Farben und Tönen, die doch jelten nur eine volle Melodie oder ein geichlojfenes Bild ihaffen; romantiſch die mufifaliih aufgelöste, zerfließende Stimmung ın manden Gedichten, die allem Runden und Plaftiihen jo feind ift; romantiid die märdenhaften oder gar magiihen Naturſchilderungen; romantiſch bie träumeriſch-müde, hier und da ſogar etwas angewelkte Sinnlichkeit „viel müde Sehnjuht, weihe Schwüle weißer Glieder" ; romantiſch endlich

Aus Dämmerung und Naht. Gedichte und Projadichtungen von Paul Born: fein. Berlag von ©. A. Schwetichle und Sohn. Braunihweig 1896.

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ſelbſt die findlih fromme Einfalt, die einzelnen Stüden jo wohl anfteht („Weihnaht“ u. a.). Aber Das alles ift eigentlih nicht das entſcheidende Merkmal diefer Gedihtiammlung. Als das Hervorftehende und Charaf- teriftiihe an ihr erkennen wir vielmehr die Schwermuth und das Pathos, die an Klopftod erinnern. Denn die Überſchrift der Gedichte ift diesmal fein BVeriertitel: aus Dämmerung und Naht ftammen fie wirflih. „Ich bin immer einer von den Friedloſen geweſen“, ſchrieb der junge Dichter jelbft an den Berfaffer diejer Zeilen, „und darum habe ich mir den Frieden wenigftens geträumt vom Xeben aufs äußerfte gerüttelt, habe ih es als Poet immer geflohen; es reizt mich nicht. Ich lebe in eigner Welt, in einer Welt, wo es ftill und ſchön ift —, es muſs auch jolde Käuze geben *

Friſche, lachende Morgenftimmung weiß der Dichter nicht zu treffen, aber Herbit und Winter, vor Allem die wachſenden Schatten des Abends verfteht er wunderbar zu malen:

Nun fchreitet der ftille Abend ringsber über Flur und Feld

Und leis im Traum entichlummert um ihn die liebe Welt. Heitre Freude und naive Sinnlichfeit find dem Dichter fremde Welten: der Frühling bringt ihm eher Schmerz als Wonne; im „Sonnenlied“, worin das freundlihe Tagesgeſtirn befungen wird, preift er weniger Helle und Klarheit als die „jabbathftillen Schauer der Erleuhtung“, auch im Tage ahnt er ſchon die „Dämmerfrobe Stille” voraus und jelbft im feligften Liebesraufh befennt er noch: „Schmerz ift des Menihen Leben; im Traum nur küſſt uns das Glüd”.

Ein jonft jehr anmuthiges Gediht ift für dieſes unnalive wehmüthige, rein dem ätheriih Geiftigen zugefehrte Yiebesempfinden be— fonders bezeichnend. Reizend wird geihildert, wie fich einft die Liebfte -— nein ja nicht! die „Beliebte zur Stunde des hohen Mittags am Ende eines dunklen Gartenganges finden läfft, „da wo es ſchattig ift, wo durch des Weines rothes Yaub die Sonne flimmert*, wie fie ein lieblihes Bild die ſchlanke Geftalt an den Baum gelehnt, träumerifh lächelnd hinausſchaut in die blaue ‚Ferne und wie der Geliebte jih ihr leije naht, ihr die Hand vor die Augen legt und jhelmiih fragt: „Wer bin ich?“ aber da löft fein warmer Lippenkuſs das holde Tändelräthiel, nein, aber „die Seelen füjsten fih und zogen hinaus weit, weit!” Ein andermal erſcheint dem Dichter die Geliebte wie eine jchuldlöjende Priefterin, die ihm ihre beiden lieben Hände jegnend aufs Haupt legt und Frieden jpendet. Wohl ift fie ſchön, aber ſchön wie das heilige Schweigen, jhön wie der Abend, wie des Yebens letter ftiller Traum. Immer iſt es die Seele, von der erſt das höchſte Glück, die Ichönfte Freude kommt. Anbetend fniet er vor der Geliebten, auch als fie fih ihm ergeben; „denn in ihm war Gebet

29*

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und Stille des Sommers“ und „wie Aftorde jubelnd zufammen fangen ihre Seelen“. Dennod weiß diefer Dichter die wirbelnde, herz- und bruft- zeriprengende Fülle auch des irdiihen Glüdes wohl zu ſchildern, und daſs das Pathos nidt fein Herr, lehrt die rührend ſchlichte Frage, in die ein fonft etwas lärmendes Liebesgediht ausklingt: „Bin ih dein Glück?“ Nur Schade, dafs fi dieje frohe Frage der Gegenwart bald wieder in Nefignation der elegiihen Vergangenheit verwandelt: „Fahr wohl! Du warft das Glüd, du warft die Freude“. Wie von der Vergangenheit, fo fingt Bornftein gleih dem Meſſiasdichter auch gerne von der Zukunft, vom Jenſeits, wo ewiger Friede ift, von der Unfterblichleit und vom Wieder» ſehen Hinter den Wolfen. Die Schönheit ift ihm außerweltlich, mie ſie's Scillern war und Kant. Er bat Nichts, er ſucht Alles. Er verftummt für die Wirklichkeit der Gegenwart und vertröftet auf die Welt der Ideale. Er ift wie Schiller jentimental, nit naiv. Nur im Herzen, nur in der Seele wohnt das Schöne, der Friede, das wahre Glüd. Überall hört man beraus: „Zwifchen Sinnenglüd und Seelenfrieden bleibt dem Menſchen nur die bange Wahl.“

Auh die „Gedichte in Profa“ beihäftigen fich meift mit überirdiſchen Stoffen, am tiefften und finnigften das legte „Der Garten des Todes“, wo der Dichter die begrabenen Hoffnungen feiner Jugend auferftehen fieht und im Fluge weniger Minuten alles Glüd und alles Web langer Jahre no einmal durdlebt. In welcher Sphäre jih dieje Phantafie am liebiten bewegt, zeigen Zitel wie die folgenden: Verklungen. Borbei. Allein. Jenſeits. Naht. Klänge des Traums. Abend. Einjamteit. Golgatha. Nirmana. Ausklang. Am höchſten fteht Bornftein’s poetiſche Kunft in den bibliihen Stoffen. Wenn aud in feinen „Adam“ unmittelbar Manches von den geläufigen Promethidengedanten gefloffen ift, jo verdient diefes Gediht doch grade deishalb Bewunderung, weil es ſich trogdem neben dem Goethiſchen in jelbjtändigem Werthe zu behaupten vermag. Die Vifion „Ehriftus am Morgen“, die, wie das bekannte franzöfiiche Gemälde von Beraud, die Geftalt des mit Wundmalen bededten Heilandes plöglich in dem tollen Reigen eines wüften Feſtes ericheinen läfft, würde erihüttern- ber wirfen, wenn die Überfülle an glühenden Farben und ſchrillen Tönen nit wäre, die nur allzu leicht den doch nothwendigen Kontraft zerftört. Geibel ift bei der Behandlung eines ganz ähnlichen Stoffes („Fragment“ Geſ. W. II, 82) in das entgegengejegte Extrem verfallen; aber bier jeben wir nun: was er durch Zahmheit verfehlte, das fann man auch durch Wildheit verderben.

Der jhlihte Ton des einfahen Piedes ift unjerm Dichter leider jo gut wie ganz verjagt. Auch feinen Balladen fehlt es an der nöthigen

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Strafffeit und männliden Bündigfeit: nur zu leicht gerathen fie ins Mufitaliich-Lyrifhe oder umjchreiben breit und platt alte Vorbilder („Ab⸗ ſchied“). Am übelften aber fteht diefem durch und durch ernjten Dichter der leichte Tändelton einer modernen Salonpoefie, wie er ihn in dem letzten Gedichtcyklus „Grete“ theilmeife verfuht hat. Won Hohem und Großen, Ernftem und Heiligem zu fingen, das alles von den „Modernen“ fo lange vernachläſſigt, verihmäht oder gar verhöhnt worden iſt, erſcheint als dieſes Dichters eigentliher Beruf. Denn auch eine reine, keuſche Seele enthüllt fih Hier und, was unter dem jungen Poetengeſchlechte von heute faft zur Schande geworden ift, Das befennt diefer getroft von ſich felbft, ein Dulder jei er, der rein im tiefften Herzensgrund. Bon ber eitlen Kofetterie, die fih oft rein äußerlid mit anempfundenen Gedanken aufpugt, jpürt man bier jo gut wie gar Nichts: Alles fommt von innen, felbit in den Sonetten ift nichts Gemachtes, auch hier ift alles Impuls, Inſpiration, Efftafe. Die Form leidet darunter wohl dann und wann: etwas Diffolutes jhafft Miſs⸗ behagen und Unraft, und bejonders in einigen Projadidhtungen ruft die halbſchürige Sprache verlangend nah Vers und Heim. Erft in Rhythmus gefleidet würden dieſe „Gedichte“ zu rechtem Leben auferftehen, wie bie verwunjchene Brinzejfin im Märchen, der man ihr königlich Gewand wieder: giebt. Sonft aber muſs man in Bornftein’s Sammlung grade der fünft- leriijhen Behandlung der Sprade, dem vornehmen, edlen Ausdrud, der Poefie doch immer erjt wahrhaft poetiih macht, volle Anerkennung jpenden, zumal wenn man weiß, wie wenig fih unjre Modernen für gewöhnlich um folde „Nebenſächlichkeiten“ jcheeren.

Alles in Allem ift Bornſtein's Gedihtiammlung eine jehr erfreuliche Erjheinung, die vor Allem dejshalb jo willlommen fein mufs, weil fie in der Hoffnung beftärkt, daſs aud die moderne Lyrik noch nit ganz den Zufammenhang mit den Idealen unjrer Klajjifer verloren bat und dajs e8 einjt wieder Ruhm und Ehre heißen wird, vom Wahren, Schönen, Guten, Hohen und Heiligen zu fingen, wie es hier geſchieht. Nur Eines, was man fonft den jungen Lyrikern der Modernen nicht zu jagen braudt, ift man verjucht diefem für jein weiteres poetifhes Schaffen zuzurufen: mehr Menih wäre mehr Künftler. F. D.

Frug oder fragte?

Ein verwunderlicher jcharfer, faft erbitterter Streit ift in unjern Tagen über die Richtigkeit dieſer Formen entbrannt. Sehen wir zuerft einmal ab von dem geihichtlihen Recht oder Unrecht derjelben und legen nur den Maßſtab der Schönheit, id möchte jagen: der Mufit an. Mannid-

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faltigfeit und ſchöner Wechſel des langes fteht doch ſicherlich höher als platte Eintönigfeit. Iſt wohl Jemand, der es ſchön fände, wenn wir von zerbreden die Formen bildeten: e8 (das Holz) zerbredt, es zerbrechte, zer- brechtes Holz ıc.? Welde Mufil, wenn wir bilden: es zerbricht, zerbrad, zer- bräche, zerbrodhen, zerbrih! Drum meine ih: wo wir irgend noch ſolche joge= nannte unregelmäßige Umbildung (Konjugation) haben, halten wir fie doch feft mit allen Klammern und Schrauben! Werfen wir unjern Reichthum nit in das gemeine verichlingende Armenhaus!

Nun jagen die Gegner, das Wort fei eine Neubildung und deishalb zu verwerfen. Wirflid? Ein Paar Beifpiele! Die Wörter Thatſache, Reinheit, Körperihaft, Frübftüd find jämmtlid Neubildungen, vor etwa hundert Jahren jo unbelannt oder ungewöhnlich, dajs Adelung und Campe fie verwerfen oder doch ſehr beanftanden, zum Theil gar für unſchicklich erklären. Heut laden wir über folde zopfige Behauptung. Wenn alfo frug eine Neubildung wäre, jo wäre es um bejswillen wahrlih nicht zu verwerfen.

Nun meinen wir aber, daſs es gar keine Neubildung iſt, und daſs man mit Unrecht ſagt, Bürger habe in der Lenore bei den Worten:

Sie frug den Zug wohl auf und ab,

und frug nach allen Namen nur aus Noth „frug“ geſagt, weil das zweiſilbige fragte nicht in den Vers paſſe. Auch Goethe, Schiller, Wieland, Herder und Andere gebrauchen (neben fragte) häufig die Form frug. Möchte wohl wiſſen, wie es auf— genommen wäre, wenn dieſe Männer eine völlig neue Form hätten bilden und einführen wollen. Das wäre ſo, als wenn es heut Einem einfallen ſollte, das Wort zagen zu konjugieren: er zägt, er zug. Nun, nur in Süd— deutſchland iſt die Form frug abhanden gekommen, in Niederdeutſchland bat fie jederzeit ihr Recht behauptet und iſt dann allmählich nah Mittel: und Süddeutſchland vorgedrungen, wo fie jegt neben der ſchwachen Bildung befteht. Seien wir dankbar, dajs die Norddeutihen uns dieje Form be- wabrt haben.

Daſs die ftarte Form eine alte, echt deutjche ift, wird mir zur zweifellojen Gewiſsheit dadurd, daſs beifpielsweife in braunſchweigiſchen und naheliegenden Gebieten im VBollsmunde nur die Formen: „Hei frögt (fröchte), fraug, frögte” gehört werden. Das Bolt hat von Alters ber diefe Formen vorgefunden und fie getreu beibehalten. Machen wir es ihm nad und laffen wir uns dieſe fhönen mufitalifhen reihen Formen nicht

rauben! Ein warmer Freund der Zeitſchrift.

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Ich möchte an das BVorftehende das Folgende aus dem Juli-Heft des vierten Jahrgangs diefer Zeitihrift anſchließen, wo ih in dem Brief: faften an rau Dr. % .. . in Danzig geihrieben:

Auf Ihre Anfrage finden Sie die Antwort bereit? in aller Kürze in meinen Hauptihwier ©. 155a, wo e8 unter fragen in Ar. 1 heißt: „ſchwachformig, doch auch oft (mie jeltener jagen) frug, früge; frägft, frägt“. Wenn Ihnen das Impf. frug ald ein „gewaltiger Sprachfehler“ aufgemutt worden ift, fo können Sie Sich leicht be— rubigen, da feldft Jalob Grimm im deutfchen Wörterbuh nur fagt: „Obne Zweifel find fragen, fragte; jagen, jagte und im Präiens fragft, fragt, jagft, jagt ſprach— richtiger,“ worauf er dann freilich fortfährt: „Hier folgen Belegftellen für beide Fehler“ und darunter, wie ich ausdrüdlich bemerkte, Stellen aus Bürger, Goethe, Herder, Ewald v. Kleiſt, Schiller —, wozu z. B. noch Stellen aus Auerbach, Chamiſſo, Freytag, Geibel, Anaft. Grün, Rückert und vielen Andern zu fügen wären, ja Jalob Grimm felbft bat die von ihm als Fehler gerügte Form gebraucht; wenigſtens heißt es in einem Brief, ven er am 10. Juni 1823 an Lachmann gefchrieben:

„Einen [lie$: Einem] zweiten Schulgenossen, der Barbier geworden ist, gab ich mich zum rasieren hin, der mich also stärker ins gesicht faszte und doch nicht erkannte, bis ich ihm bezahlt hatte und hernach selbst frug,“ i. Brief: wechſel des Freih. v. Meuiebah mit Jalob und Wilbelm Grimm. Herausgegeben von Dr. Cam. Wendeler. Heilbronn, 1880, S. 361, f. aud in der Zeitſchr. IV ©. 227 die entichiedene Zurückweiſung des Angriffd auf die ftarfen Formen: frug zc. von Dr. F. Latendorf, der ſchreibt: „Ih halte vielmehr den Angriff des Grenzboten geradezu für eine Donquigoterie oder für das Treiben eines Knaben, der mit fchillernden Kugeln aus Seifenihaum eine Mauer umftürzen möchte: eine deutlich erlennbar geſchicht— lihe Entwidlung drängt zu der Form frug Hin“, vgl. auch Zeitſcht. V S. 39 Nr. 20 und beionderd S. 196 den Heinen Aufſatz: „Jagen umd fragen“, den ich der Hauptfadhe nad bier wiederhole:

Dem heutigen allgemeinen Gebraud in der Schriftfpradde gemäß muſs die Form frug neben fragte ald eine dur den Gebrauch unferer beften und muftergültigften Scriftfteller geſchützte und vollberechtigte anerfannt werden, während jug von jagen im Allgemeinen nur als mundartli gelten dürfte, vgl... . befonder8 mein Wörterbud, woraus ih aus der Anm. zu jagen (I, 828b) bier die Auferung Mendelsjohn’s (Gel. Schr. 5, 284) in einem Briefe an Abbt berießen möchte: „Sie tadeln jug S. 90 und ©. 92 ſetzen Sie felbft frug“.

Hieran ſchließe ih aus der in dieſem Jahr (1896) erfhienenen Schrift: „Aus 53 Dienftjahren. Erinnerungen von Dr. G. Th. Stichling, weimarifhem Staatsminifter“ eine Mittbeilung, wonach Bismarck's Vater für das Wort jagen zwei Imperfelte ge babt; wenn er auf der Jagd geweſen fei, habe er gefagt: ich jagte; nad einem icharfen Nitt aber babe er geiagt: ich jug.

Friedrich Lit. (k 30. November 1846.) Sein Stil. Bon Rudolf Solinger.

„Die Behandlung der geiftigen Produktion eines Volfes außer ihrem Zufammenhang mit dem Staat ift eben jo leblos und unverſtändlich, als

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die Anfiht vom Staat außer feinem Zufammenhang mit dem innerlich ihaffenten und wirkenden VBollsgeift.

Was die Yitteratur anbetrifft, jo hat die erjtere Behandlung fie am meiften dazu geführt, als eine bloß ſchöngeiſtige oder auch gelehrte Dach— jtuben-Angelegenheit zu ericheinen, die mit Dem, was die Völker im Großen und Ganzen treiben, wofür fie gelitten und geblutet, und weſshalb fie ihre Staatsformen verändert, ihre Fürften angenommen oder abgejegt haben, nit in der geringiten Verbindung zu ftehen ſcheint. Man fieht in der Mehrzahl unjerer Yitteraturgefhichten eine Menge fi raſtlos abarbeitender, heifglühender Köpfe, die den in der Regel nicht beneidenswerthen Namen der Schriftjteller führen und auf die Koften ihres Lebens, ihrer Gejundheit und oft aud ihres Magens, der dabei nit immer feine Rechnung ges funden bat, jih damit abgeben, Bücher zu ſchreiben, die bald diejen, bald jenen Werth haben fünnen, von denen man aber doch, wenn man fie einzeln betradtet, nicht die Nothwendigkeit einfieht, warum fie ein ganzes Menſchen— leben haben ausfüllen oder auch zerrütten können.“ Dieje Sätze ftehen in einem Buche Theodor Mundt’s, das er „Die Staatsberebjamteit der neueren Völker“ betitelt hat. Mundt, uriprünglic ein hegelingifcher Brivat- docent der Berliner Univerfität und als gewandter Faiſeur im Nabel- und Barnhagen’shen Kreiie heimiſch, hatte, nahdem die jungdeutiche Litteratur ein wenig an ihm abgefärbt, der Mode gehorhend, nicht dem eigenen Triebe, in feiner „Madonna“ (1835) in halben Worten zur „Emancipation des Fleiſches“ gepredigt. Mit gegangen, mit gehangen! Als Privatdocent mit wirkliden Zuhörern war er der fgl. preußiihen Regierung ohnehin ver- dähtig, und wie, wenn er als Philojoph, Schematifer von Berufs wegen ſich's einfallen ließ, den „moraliihen Sanstulottismus* in ein Syftem zu bringen? Wie mufste er die Jugend vergiften! Kurzum, aus dem leijen Männlein mit den langen Seidenloden hatte man im Handumdrehen einen „Jakobiner“ gemacht und ihn ins Martyrium binausgeftoßen, das jeinem Horizont erjt die Spannweite bis ins Politiihe gab. Jene Sätze aus der „Staatsberedtfamteit”, in der fi die erften Keime der ZTaine’schen Lehre vom Milieu eingepuppt finden, find im Jahre 1843 geſchrieben, aber fie fönnten von geftern ftammen und auf die rein philologiſche Yitteratur- geihihte unjerer Tage gemünzt fein. Wie heftig hat das „junge Deutjd: land“ jogar Gervinus’ Yitteraturgeihichte befehdet, und wie würde es ben unpolitiiden Sinn unjerer Litterarbijtorifer geißeln, der von Epoden- geihichte ganz zu ſchweigen jo jelten vom Grenzrain zwiſchen Yitteratur und Geſchichte pflüdt; der fi faft nie mit einem großen Staatsmann oder Agitator zur Würdigung jeiner fchriftftellerifhen Perſönlichkeit befaſſt. ‘a wohl, wir wiffen, daſs Moltte ein klaſſiſcher Stilift gewefen, und daſs

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Bismard in feinen Reden „den bildlihen Ausdruck“ gebraudt; aber Das ift aud Alles, und wir haben es nicht von der Zunft!

Friedrich Lift war ein großer Agitator. Den größten neben Lajalle und Blum nennt ihm Heinrih von Treitſchke, Treitſchke, der von feiner Geihichtsauffaffung das Meifte, wo nicht Alles, von Lift gelernt und ihm dann in feiner „deutſchen Geſchichte“ jo ſchlecht gedankt hat. Gewijs war Lift ein Agitator! Er war es, wenn man einen Weder des Bolls, einen Erzieher der Nation darunter verftehen will, wie die Pro- pbeten des alten Bundes. Er war ein Agitator und ein Prophet wie Heinrih von Treitſchke felber; nur ein befferer: denn aus der Kraft feines Geiftes gebar er erjt alle ernfthaften Ziele unjeres nationalpolitifchen Strebens, und jeine unabläffige Arbeit jhuf den Kämpfern den tret- baren Boden unter den Füßen, während jener nur mitfoht und nad dem Siege die poetiſche Geſchichte diejes Kampfes ſchrieb. ES verband fi in Lift, um jein Ziel zu erreihen, ein Ungeftüm und eine Heftigfeit des Streben mit einer Geduld des Ausharrens, wie fich jelten zwei jolde Gegenjäge in einer Natur zujammen finden. Unermüdlich hämmerte er auf denjelben Ambojs los, faiste denjelben Gedanken an hundert verjchie- denen PBuntten auf und bejaß in einer zerfahrenen und zeriplitterten Zeit die ungemein jeltene Eigenjhaft, die ganze Kraft feines Geiftes auf ein Ziel zu jammeln, und der einen Grundidee, die ihn erfüllte, die ganze ZThätigfeit feines Yebens zu widmen. Es war ein Dann, jagt Schmoller, der alle Tage fein Zintenfajs leer ſchrieb. Er wurde nicht müde, bei jeder Gelegenheit zu jagen und zu zeigen, dajs alle philofophiihe und litterarijche Kultur zur nationalen Macht und Unabhängigkeit nicht ausreihe; dajs fie nur Verderben ei, wern nicht die Tüchtigkeit im Yeben, die Kenntnis der eigenen Intereſſen, die raftlofe Sorge dafür und die Eiferfuht auf die eigene Sache dazu fomme So ſchroff, jo beredt, jo eindringlich, wie Lift, hatte Das nod Niemand gejagt. Zudem jagte er es in einem Augenblicke, wo Noth die Deutiden zugängliher machte, als ſeit langer Zeit; und er that es mit der amerikanisch unermüdlichen Gelenkigkeit, die allein in der Heimat der theoretiihen Spekulation den Gedanken einer nationalen Okonomie „zum Gemeingut aller Gebildeten“ machen konnte. Die AU- gemeine Zeitung und nachher das Zollvereinsblatt wurden die Mittel zum Ziele jeiner ſchriftſtelleriſchen Thätigkeit und, wer jegt ihre Spalten durch— lief und den Inhalt mit dem früherer Zeitungen verglid, mufste über den großen Umſchwung, der hier eingetreten war, erftaunen. Früher hatten die wirthſchaftlichen Angelegenheiten der Nation allenthalben nur eine ipärlihe oder flüchtige Beiprehung gefunden, jegt wurden dieje Angelegen- heiten mit aller Yebhaftigfeit politiiher Meinungen und Parteien erörtert

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und fanden die ausgebreitete Theilnahme, die man bisher auf Koſten aller praktiſchen Bedürfniſſe faſt ausſchließlich nur äſthetiſchen und ſpekulativen Dingen zugewendet hatte. Yift war, was Gentz, wäre er weniger Sybarit geweſen, hätte werden fünnen: der erfte ſtaatsmänniſch-ſchöpferiſche Sournalift, den Deutihland bejaß.

Bon Anfang an hatte Liſt eine biegjame Feder, und die Gedanken floffen wie DI daraus. Seinem beweglichen Geifte hatte die wiürtem- bergiihe Schreibftube, ftatt zu ſchaden, nur genügt. Allerdings blieb ihm von daher bis in die erften Zwanziger Jahre eine gewiffe Weitſchweifigkeit der Rede, die ihre Stoffe unbeirrt bis auf den Boden ausihöpft. Aber, jo weit er fie ſpäter nit ablegte, gab fie jeinen Schriften eine Durch— dachtheit und Deutlichkeit, die der heimiſchen Stammesart nicht fremd und dem bedäctig lejenden feinen Dann jo lieb war. Zudem entipraden feine Perioden allen Anforderungen, welde die Kunft der Zeit zu ftellen wuſste und welde fi in Theodor Mundt's hoch gejhägter und überſchätzter Schrift „Über die Kunſt der deutihen Proſa“ (1837) niedergelegt finden. In dem Abjchnitte über „Periodengliederung“ heißt es dort ©. 103:

„Die zweite Grundbedingung neben dem eigenthümlichen Organismus der Sprade ift die Einheit der intellektuellen Anihauung in der Berioden- bildung. Man könnte fie aud die Einheitlihteit der Scene im Saße nennen, mit welchem Namen jie bejonders engliſche Rhetoriker, namentlich Home und Hugo Blair, zu einem Haupterfordernis ihrer Theorie gemacht haben. Es darf inmitten eines und desjelben Satzes feine zu verjchieden- artige Scene vorgeben, jondern es muſs fi vielmehr auch im feiten Geſchiebe der Perioden Scene aus Scene entwideln und vor die Anſchauung des Leſers bintreten.

. .. Mit jeder Periode beginnt ein neuer Athem auch für den Ge danken, und langathmige Perioden werden nur dann Schönheit und Be- rehtigung für fih haben, wenn fie von der Einheit des Gedankens, der fie grade umjpannt, feft zujammengehalten find.“

Ein Anderes, was Liſt aus der Amtsſtube mitbradte, war die epigrammatiich geipigte abjtrafte Phraje Napoleonijher Erfindung (3. B. Ganz Frankreich weint mit Euh!); doch gab er die als ehrliher Wirt: lihfeitsmann bald gänzlich auf. Übrigens machte er ernfte ſtiliſtiſche Studien und Moeſer und Montesquieu, denen er auch ſonſt Manches dankte, erfor er fih zum Lehrer dabei. Von diefen lernte er die Kunſt der Hauptjäße, der kurzen Abjäge und die zufammenfafjende Erklärung in einem Schlag- licht werfenden Schlufsbild. Bon Montesquieu’s jpradliden Kunftftüden bielt er fih aber fern. Denn er fühlte wie Mundt: „Auf der andern Seite aber darf die freie Schreibart nah dem Gedanken nit aller

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organiihen Sakbildung fi enthoben meinen und an das Extrem eines geiftreihen Sanskulottenftils ſich hingeben.“ Früher hatte man bei feinen Abhandlungen nod das Paragraphengerippe bier und dort durchgefühlt; in Montesquien’s Schule aber verſchwand diejer Mangel, und das lieblichſte Gewand der Sprade legte fih um feine Programmatik, wie um unſicht⸗ bares, ſchmiegſames Fiſchbein.

„Der wahre Gegenſtand des Dramas,“ ſagt Macaulay, „iſt die Darftellung des menſchlichen Charakters ... . Situationen, welche den Charakter am deutlichſten enthüllen, bilden ben beften Plan, und die natür- Iihe Sprade der Leidenſchaft ift der befte Stil.“ Nun, Lift jchreibt diejen bejten, diefen dramatiſchen, diejen Charakter-Stil. In der Ruhe iſt jede Zeile wie ein Abguſs jeines Gefihts; wenn er wärmer wird, jehe id die Röthe feiner Wangen und die eindringlihe Neigung des Kopfes; und, geräth er ins ‚Feuer, dann bligen jeine Augen und die gedrungenen Hände ballen fi) nervig zufammen. Man hört ihn fhreiben, man fieht ihn ſprechen; jo mimiſch find diefe Säge. Es wird Alles Debatte, Alles Kampfgeipräd. Mit ungezählten Fragen drängt er feinen Gegner in die Ede, nod ein rafcher Fechterappell: „Wie? Wie? Ich frage wie?“ eine fnappe Baufe und über den unglüdliden Befiegten geht der Strom der neuen, beſſeren Ideen undämm— bar hinweg. Als junger Koncipift hatte Lift fih mit feinem Freunde Sclayer in unaufhörliden Disputationen herumgeftritten. Seitdem war die dialektiſche Sprehmweife immer mächtiger in ihm geworden, jo dajs er jhlieglih in jeiner Abhandlung „zur deutihen Eifenbahnfrage“ (18344) gerade- wegs zum Dialoge griff, um aus den ernfteften und trodenften Angelegenheiten eine jhalkhafte Humoreste herauszumweben, in der die Allwifjenheit der Bureaufratie von ein paar rheiniihen Charakterföpfen aufs Iuftigfte ver- fpottet wurde. Aufs Iuftigfte, aber auch mit der gutmüthigften Medlichkeit. Denn Lift fam es immer nur auf die fachliche Aufklärung, niemals bloß auf taftifhe Zerjprengung der Gegner an, anders als dem großen Dialel- tifer Xejfing, mit dem er in der griedijchen Leichtigkeit feiner Bewegungen jo Vieles gemein hat.

Gerade dieje männliche, ſchlichte Wahrhaftigkeit madte ihn zu einem Meifter deutiher Proja und zu einem Mufter, weil er in einer Zeit jhrieb, wo die gefünftelte Geiftreihigteit des Jean: Paulinismus das junge Deutſch— land von Börne bis zu Gugfow ergriff, und ein Ritter von Fang feine rabelaifiihen Späße trieb.

Eine jüngfte, tiefere Richtung der philologiihen Litteraturgeſchichte nennt fi die äſtho⸗pſychologiſche. Indem fie fih des Buffon’ihen Satzes „Le style c’est Phomme“ erinnert, ergründet fie aus den äfthetifchen Niederichlägen die pſychologiſchen Quellen. Nirgends, als bei dieſem

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Manne, deſſen Schrifteu die Melodie feines Lebens unverfäliht widerhalfen, wird fie untrügligere Schlüffe machen. Wir Deutſchen find an politifchen Säriftftelleen zu arm, als dajs wir Lift nit an einen der erften Pläße ſtellen jollten. Es ift an der Zeit, daſs ſich auch die Litterarbiftoriter jeines gebrochenen Herzens erinnern und ihm ein Denkmal fegen, wie ſich's gebührt. Denn von ihm gilt es: „Einem einzelnen Gutes zu thun vermag jeder Menſch, aber zum Glüd eines ganzen Volkes beitragen Das heißt den Göttern gleichen“.

Einzelne Heine Bemerkungen.

a. Großmuth m.

Über Muth m. und deffen wirkliche oder ſcheinbare Zufammen- jegungen f. mein Wörterb. 11 ©. 357 ff. und Hauptihmwier. ©. 211b/2a und namentlih in Bezug auf das bier die Überſchrift bildende Wort den Hinweis auf Leſſing's Bemerkung zu dem bei Yogau fi findenden Gebrauch des männlihen (ftatt des allgemein üblichen) Geſchlechts. Dazu füge ich aus einem Roman von Reinhold Ortmann (Nat.:Ztg. 49, 612) den fol- genden Sag: „Es wird nit leiht jein, ihn zu einer Handlung des Großmuths ſtatt: der Großmuth] zu bewegen.“

Weitere Belege aus der heutigen Schriftipradhe würden willfommen jein.

b. Wollen

„mit pajfivem Anfinitiv ftatt ſollen ꝛc. wobei dem Sinn die entſprechende aktive Fügung vorſchwebt zc.“, ſ. mein Ergänz.-Wörterb. ©. 652b unter Nr. 10), vgl. 10f. Zu den zahlreichen dort gegebenen Belegen (vgl. Zeitſchr. ©. 234 Nr. 9) füge ih bier nod aus dem kürzlih erſchienenen erften Bande des Wertes: „Heinr. von Treitſchke's Lehr: und Wanderjahre 1834 bis 1866“ den folgenden Sa aus einem Briefe Bismard’s an Treitichte vom 15. December 1865:

„Sehr wahr ift Ihre Andeutung. daſs erſt der genaue Einblid in die Gejhäfte das Maß der Friktion erfennen läfft, welches bei uns über- wunden werden will [= muis, f. a. a. O. in Nr. 10f den Sa aus Luther 6, 1656], bevor ein Überihujs der Kraft frei wird und zu praftiiher Verwerthung gelangt“, vgl. aud: „weldyes bei ung zu über- mwinden iſt“ = mweldes verlangt oder erfordert, daſs es überwunden werde.

c. Zum Dativ in der bair. Mundart. Die Frau Karlin hat jhon als jung's Madl zu diejelbigen gehört, die's Leben ein biſſ'l ernfter faſſen. Gartenl. 44, ©. 410a. (Ganghofer.)

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Droben im Seekar liegt er |der Hirih] in die Latſchen drin. ©. 412.8.

Eh die Löcher wieder ausgefüllt find mit fefte Steiner. ©. 413b.

Wohin denn mit die armen Wuzerin [feine Wefen zc., ſ. Schmeller Bair. Wörterb. 4, ©. 208] ©. 414a.

Wenn du fo deine Spafjetteln [Späße] mit die Dienftbrten treibft. ©. 455b. u. ſ. w.

d. Schuftern. (Ein Nachtrag zum Nactrage, ſ. S. 351.)

In der erften Beilage zu Nr. 275 der Meflb.-Strelig’ihen Yandes- zeitung von Sonntag den 22. Nov. 1896 findet fih in einer fleinen Er— zählung: Der kluge General und der pfiffige Yeutnant die folgende Stelle:

„Der Herr Oberftleutnant, der fi bei dem Herrn Oberft mächtig ‚Ihufterte‘, meinte, er wäre derjelben Anfiht wie der Herr Oberft, und der Herr nidte jeinem Etatmäßigen zu, als wollte er jagen: ‚Wir Beide haben Redt‘”.

. Dufte.

In dem 7. Jahrgange meiner Zeitihr. find (S. 171—181) mande Stellen aus dem zum großen Theil in Verbrecherkreiſen fih bewegenden „höchſt ipannenden und auch in Bezug auf das Spradlide jehr empfehlens— werthen“ Roman: Spigen von Paul Lindau beiproden, und da heißt es denn auf ©. 178/9:

„Die Sade ſei ihm zu dufte (verfänglih) meint er. Und wenn ih die Sore (das geftohlene Gut) heut Naht nicht abholte, fo ꝛc.“

In Bezug auf diefe Stelle theilt mir num Herr A. Plate in Berlin in einem jehr verbindlihen Schreiben, für das ıh ihm bier meinen beiten Dank ausiprede, das Folgende mit, das ich meinen Leſern nicht vorenthalten zu dürfen glaube:

„In dem Spradgebraub von Berlin, wo id ‚dufte bisher allein gehört babe, verfteht man darunter: ‚ſchön, angenehm, fein‘. ‚Kann ich auch rechts herum nad dem Potsdamer Thor fahren?‘ frage ih 3. 8. einen Knaben von meinem Zweirad herab, und die Antwort lautet: ‚Jawoll, fahren Se man durd die Stülerftraße, da is et dufte‘. Aud die Nedensart: ‚ne dufte Nummer‘, will jagen: ‚ausgezeichnete Waare, feine Marke, prima Qualität‘, ift unter jungen Kaufleuten im Schwange, häufig allerdings ironisch gebraucht.”

Da ih aus Herrn Blate's Schreiben erjehe, dajs ihm mein Wörter: buch und mein Ergänzungs-Wörterbuh nicht zu Gebote ftehen, jo erlaube

a.

ih mir, aus dem letztern hier Folgendes herzufegen, das wohl auch manden Leſern nicht unwillkommen fein wird,

Auf ©. 167 heißt e8 unter: Duft in Mr. IV:

„aldj. und adv.) vgl. deftig.“ und unter diefem Worte auf ©. 139b:

„Deftig a (niederd.) tüchtig ꝛc. Brem. Wörterb. 1, 189; Schütze Holft. Idiot. 1, 215; M. Kramer 1, 64a :c, 3. B. Kinkel Erz. 131; D—e Buben. Mar Müller Effays 2, 196. Ein d—es Fälshen. Nat. tg. 33, 1612c. „Däftige Hausfrauen“ Allgem. Litt. Correip. 3, 66b.:c.; vgl. (rothwälih): Ein dufter Kunde. Sonnt.-Beil. d. Korreipondenz v. u. f. Deutihland (81) Nr. 19 ⁊c. u. j. Degen 7, wo es auf ©. 139c heißt:

ſ. Anm. zu ahd. degan, gr. rexror (j.2; 5; 6 umd gedeihen Anm.) auch das aus agj. thegen, then bervorgegangne Than (j. d. II); ferner tüdhtig, gehörig zc., niederd. degen, deger, aud: (Reuter 8, 130; 9, 52; 166 u. o.) degt Schüße Holft. Idiot. 1, 20 ff.; 215; 227 ff. und viel» leiht (j. Grat, Anm. mit Wechſel von gt oder cht und ft) duft, deftig.“

Radfahren, Radfahrer, Radfahrt, Radreiter, Neitrad.!

Dieſe Wörter find jegt gäng und gäbe für Velociped und die entiprechenden Ableitungen. Es liegt nicht in meiner Abfiht, zu unterfucen, warum der Deutihe fi jheuen joll, ein Fremdwort zu gebrauden, wenn der Franzoſe und der Engländer und auch andere Yandeskinder fih durch— aus nicht jhämen, bier, wie in fo vielen andern Fällen, ein foldes zu gebrauchen. Ich möchte vielmehr auf die unglüdlihe Wahl der drei erjten Berdeutihungen hinmweijen.

! Bu dem vorftehenden Aufſatz meines geebrten Herrn Mitarbeiterd erlaube ich mir, auf mein 1884 erichienenes Berdeutfhungsmwörterbud ©. 247ajb hinzu- weifen, aus dem ich bier das Nacfolgende ausbebe:

„Belociped n. (m.).. . Reitrad für Belocipede ift eine hübſche Schöpfung unfered Spracgeifts. Stephan (Deutſche Berkehrs-gtg. 1867) S. 66b... Stabl- roſs. Nat.:Ztg, 37, 475; au: Tretwagen x. Dazu: B—ieren (in)tr.: herum radeln. Salon 4, 127... Den B—iften, den Bichcle- und Trichcle-Reitern . . . Die kühnen Zwei- und Drei-Radler. (Wiener) Fremdenblatt 1884 Nr. 188. Die Öfterreihiihen Nadmänner. Linzer Tages-Poſt (1884) Nr. 161. Das Reitrad fommt zu Ehren... . Den Bicycliiten oder Radreitern, ebd.; auch: Tretwägler.“

Hinzufügen möchte ich auch im Deutſchen fich leicht ergebende Fortbildungen, wie: die Nadlerei; das Napdlertbum; die Nadlerfhaft x. und BZufammenfegungen, wie: der Nadler- Bund; das Radler-Koſtüm oder: die Radler-Tracht; die Nadler-Mode; die Radler-Manie oder - Sucht, «Wutb; die Radler-Zeitung x.

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Radfahren kann fih jchlieglih auf jeden beliebigen Wagen oder Karren beziehen, da ein Wagen ohne Räder überhaupt nicht denkbar ift; jedes Fahren in einem Wagen kann aljo eine Radfahrt genannt werden.

Ferner find jene drei Wörter im Widerfpruh mit Reitrad; dies drüdt richtig und deutlid aus, daſs auf einem Made geritten wird, es ift alfo feine Verwechslung möglih mit einem Wagen oder Karren.

Dem Übelftande wäre leiht jo abzuhelfen: man jage entſprechend Neitrad auch Nadreiten, Radritt, Hadreiter. Für das Rad— fahren ift neuerdings eine glüdlihe Neubildung aufgefommen, nämlid: das Radeln, radeln. Dieſe Form bietet beionders den Vortheil, daſs fie niht nur wie radfahren im ſubſtantiviſchen Infinitiv umd in den mit dem Infinitiv gebildeten Formen des Zeitwortes gebraudht werden, jondern ganz durhfonjugiert werden kann.! Aus ihr laffen fih auch die nicht zu beanftandenden Hauptwörter: der Radler, die Nadlerin bilden.

Paris. Alfred Bauer.

Berfahren (n. und pl.).

In meinen Hauptihwier. habe ih unter dem Titeltopf: Numerus (7 f) gejagt:

„Ohne Mehrzahl find die jubftantivierten ſächlichen Infinitive, welde abjtraft das dur das Verbum näher beftimmte Thun bezeichnen, während diejelben vder ähnliche Wörter in konkreter Bedeutung eine Mehrzahl zu— laffen, vgl.: das Andenken, Gedenken ohne Mehrzahl und: die Andenten von etwas zum Andenken, zur Erinnerung Dienendem, nament- ih von folhen Gaben c. Das Bedenten (abftraft): die Handlung des Bedenkens und (konkret) mit Mehrzahl: das Ergebnis desjelben, .d. h. ſowohl Gutadten, (mwohlüberlegtes) Privaturtheil (Rechtliche Bedenken einholen zc.), wie auch Zweifel, Anftand, Bedenklichkeit (Deine alten unberehtigten Bedenken). Das Eſſen, nit das Zrinfen | bradt’ uns ums Paradies ꝛc. und: Warum jind die diplomatiihen Eſſen Mahl— zeiten] jo wirfiam? warum die Zwedeijen fo einig? Die verichiedenen Beiejjen [Rompotts] ꝛc. Die Heinen Leiden ꝛc. Die Nennen, Wett- rennen zc.; ſeltner: Durd eines jener oben erwähnten ftillen Yädeln. Hadländer Zickzack 4, 44 :c, ij. auh Bewuſſtſein, Entzüden x.“

In dem darauf folgenden Abſchnitt (7 g) habe ih dann beijpiels- weiſe ein abecelih geordnetes Verzeihnis von einzelnen Hauptwörtern

t Hierzu vgl. man meine Hauptfehwier. S. 349b unter dem Titelkopf: Zus fammengelegte Zeitwörter Nr, 6.

FR.

aufgeführt, von denen im Allgemeinen die Mehrzahl wenig üblih oder auch (mit Unreht) von einzelnen Spradlehrern und Wörterbuchſchreibern als fehlend verzeichnet ift. Darunter hätte ich denn auch das Hauptwort Verfahren aufführen können, über das ein Yejer eine Anfrage an mich gerichtet hat. Aus den vorjtehenden und den nachfolgenden Belegen möge er die gewünſchte Antwort entnehmen. In der Illuſtr. Ztg. Nr. 2584 ©. 2a findet fih: „Die photometrifhen Verfahren“, und ferner in der National-Ztg. 3. B.: „Zur Fernleitung der Kraft befigen wir bereits eine Reihe von Berfohren“ (G. van Muyden) 46, 95. „Die von ihnen gemadten Anzucdhtverfahren.“ 47, 419. „Von den preußijchen Yand- geritten wurden im Jahre 1894 in Strafiaden 390462 Vorverfahren beendet... . Endlich beendete 64990 Straffammerbeihlüffe, eingeleitete Borverfahren auf andere Art. Für die im Jahre 1894 im GStraf- proceis beendeten Verfahren ꝛxc. . . Wiederaufnahmeverfahren befanden fih unter den 1894 beendeten Straflahen 38... 17 Wieder: aufnahmeverfahren“ ebd. 48, 433.

Soviel mag für heute genügen. Ich behalte mir vor, vielleicht jpäter no eine Ergänzung des in den Hauptjhwierigkeiten a. a. O. in Nr. 7 g aufgeftellten Verzeichniffes von Hauptwörtern mit feltner oder von Wörterbuchſchreibern geleugneter Mehrzahl zu geben, wozu ih aber ſchon bier bemerken will, daſs aud das ergänzte Verzeichnis nur eben Beijpiele bringen, aber durchaus nicht irgendwie auf Bollftändigfeit Anſpruch maden will.

Bereinzelte beim Lejen niedergejchriebene Bemerkungen.

1. Publikum (Mehrzahl).

Sn meinem Wörterb. II ©. 598a (vgl. mein Fremdwörterb. II ©. 373a) habe ih in Bezug auf die Abwandlung des Fremdworts die lateinijhe (des Publici, dem Publico) als veraltend bezeichnet und als Beifpiele der Mehrzahl angeführt: „So viel verichiedene Publicums.“ Kohl Petersb. 1, 67. „Die Bublitums find fih zu allen Zeiten gleid.“ Niemer Goethe 563 und mehrere Stellen aus Schüße Hamb. Theat. Dazu füge ih nun aus der Nat.-3tg. 48, 78 (vom 3. Febr. d. %.) das Folgende:

„Das Publitum doch bier ift eine Erklärung nothwendig Man fann nicht von einem Publitum ſprechen. Es waren budftäblich ge ſprochen —, drei Bublitums, ein etwas jeltfamer Plural, aber die Sache verhielt ſich doch nun einmal jo.“

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Vielleicht hätte in dieſem Falle der „ſeltſame Plural“ (ſtatt deſſen der Witz auch zuweilen die Scherzbildung: die Publikümmer ſich erlaubt) vermieden werden können durch Anwendung einer Verdeutſchung (vgl. mein Verdeutſchungswörterbuch ©. 175a), z. B.:

Der Hörerfreis.... Es waren... . drei Hörerkreiſe.

2. Sogenannte perjönlihe Fürwörter der 3. Perfon.

In der von Prof. Dr. Hans Pruß in der Königsberger Univerfität am 27. San. gehaltenen höchſt beachtungs- und beberzigungswerthen Feſt⸗ rede: „Die Legende in der preußiichen Geſchichte“ (j. Nat.-Ztg. 48, 78 ff.) findet ſich folgende Stelle:

„Welch gefährliher Widerſpruch beſtand zu Beginn des 18. Yahr- hunderts zwifhen Preußen's innerem Berfall und dem blendenden Glanze der neuen Königstrone! In Friedrich Wilhelm I. erwuchs ihm der eiferne Zuchtmeiſter, der es auf den jhmalen und fteilen Pfad der Pflicht zurüd- führte und ihn mit Einfegung der legten Kraft aufwärts klimmen lehrte.“

Die dur Sperrdruck bervorgehobenen Fürwörter ihm (Dativ) und es (Accuſativ) beziehen fih auf das vorangegangene jählihe Hauptwort Preußen. Das wird Jedem fofort völlig Har fein; aber minder vielleicht, worauf der weiterhin folgende Accufativ ihm zu beziehen fei. “Der be: dächtige Leſer, der dem nicht fofort verftandenen Sag vor Augen hat, wird fi freilih jagen, dafs der Accufativ ein örtlider ift, abhängig von dem aufwärts in der Verbindung aufwärts Flimmen und auf das männ- lihe Hauptwort: „den . . . Pfad“ bezogen werden foll; aber dem Hörer iſt es faum zu verargen, wenn er im erften Augenblid den Accujativ als Objekt, abhängig von dem zielenden Zeitwort lehren aufzufaffen geneigt war. Verbefferungsvorihlag für den Schluſs: „der e8 auf den ihmalen und fteilen Pfad der Pflicht zurüdführte und der es lehrte, mit Einfegung der legten Kraft dieſen mühjeligen Pfad aufwärts zu klimmen“.

3. Sondern.

„Ich ſchweige von den Thaten feiner erften Kindheit, die in ben Augen jeiner Eltern mit einer Fülle von geheimnisvollen Geniebligen durch— woben war, jondern fange dort an, wo meine eigne Kenntnis beginnt.“

So heißt es ziemlih im Anfang von Heinr. Seidel’8 Burleste: „Der Nachbar der Sterne“, vgl. meine Hauptihwier. ©. 256b, wo unter dem Titellopf fondern es in Nr. 3 als eine nicht nahahmungswerthe Fügung nad dem Sinn bezeichnet ift, das Bindewort nit nur auf die dort aufgezäblten Verneinungen, jondern auch auf verneinte Begriffe folgen zu laſſen, wie bier, vgl. ftreng rihtig —: „Ich ſpreche nit von den Thaten feiner erften Kindheit ..., fondern zc.“ oder jonft: „Ich ſchweige

geitſchrift f. deutſche Sprade, X. Jahrg. 830

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von ꝛc. ... und fange erft dort an, wo ıc.“, |. Zeitihr. ©. 36 Nr. 23; 304 Nr. 1. 4. Schätzungen abihägen?

„Die Schäkung der Einnahmen und Ausgaben der Eijenbahnen müſſe in den legten Etatsjabren mit großer Borfiht abgejhägt werden.” Nat.-Ztg. 48, 88 ftatt: Die Shägung... müffe... vorgenommen werden oder: Die Einnahmen und Ausgaben... müſsten ... abgejhägt werden.

5. Draufgängerthum ıc.

„Ernte Betradter, denen joviales Draufgängerthum und ſchmun— zelnde Sicherheit beim parlamentarijhen Firlefanz nit genügt.“ Mari- milian Harden’s Zukunft 3, 160, eine nod in mein Ergänz.-Wörterb. nit aufgenommene Wortbildung, vgl.: Koftgängerthum, Daheim 28, 719e u. ä. m.

6. Zweideutigkeit.

„Weil man die Mofel nicht Fanalifiert, macht man ung neben Spanien auh Schweden tributär." Nat.Ztg. 48, 95. Da an ben Formen uns und Schweden nicht zu erkennen ift, weldhes von beiden Wörtern im Dat, weldes im Accujativ ſteht, jo läfft dem Wortlaut nad der Sinn des Sates eine doppelte Deutung zu, vgl. ungzweideutig: „jo madht man uns neben dem fpanifchen aud dem ſchwediſchen Staate tributär (oder zollpflichtig)“.

7. Wohlig.

Sm Bezug auf Das, was ih in der Zeitihr. (Jahrg. VI ©. 59 ff; VI ©. 60 Nr. 5 :ıc.) über die Fügung: „mir iſt“ und: „id bin wohlig“ angeführt habe, füge ich hier no den folgenden Sa von Dr. Fr. Ranzow: „Er ftredt fi wohlig aus“. Bom Fels zum Meer 14, ©. 197b.

8. Lohn.

„Lieben, niht um Goldeslohne

Hör’ ih auf, dir trem zur fein,” Bom Feld zum Meer 14, S. 99b (Dr. Fr. Ranzomw), ungewöhnlid fei e8 num, daſs bier das dem einfildigen Lohn angehängte e nur zur Ausfüllung des Silbenmaßes als Lüdenbüßer dienen foll, oder als Zeichen des nad früherem Gebrauch von um abhängenden Dativs (f. Haupt: ſchwier. ©. 300, unter „Um“, namentlih 1c) oder zur Bildung der, Mehrzahl (mit Wegfall des Umlauts): die Lohne ftatt: die Löhne.

9. Blänfern,

„Seine Phantafie zaubert ihm [dem jungen Arzte] auf jeden ber zwölf Stühle, deren Mahagony noch jungfräulid rein blänfert, einen hochintereſſanten‘ Fall.“ Vom Fels zum Meer 14, ©. 100b (Dr. Fr.

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Ranzow) felten und mundartlich ftatt blinte(r)n, ſ. einen andern Beleg dafür Ergänz.-Wörterb. S. 78c. 10, Zurüdpflegen. „Mit unermüdeter Sorgfalt pflegt er das Rind zum Leben zurüd.“ Bom Fels zum Meer. 14 ©. 101a (Dr. Fr. Ranzow) ftatt des üblichern: Mit unermüdeter Sorgfalt das Kind pflegend, bringt er es zum Leben zurüd (oder etwa: entringt er e$ dem Tode :c.).

11. Zur Abwandlung der Eigenihaftswörter.

„Die Stadt der Mediceer, des Dante und jo vieler andrer großen Meifter.“ Vom Fels zum Meer 14 ©. 102a, folgerihtiger und beffer: jo vieler andren großen Meifter, j. Hauptihwier. ©. 98b; 323a/b.

12. Oboer.

„Der Fehler, den der Oboer in feinem erften Solo im Trauer: marſch beging.“ Nat.-Ztg. 48, 114 (8. B. L. Bellermann).

Das hervorgebobene Wort fehlt jo weit ich jehe in dieſer Form jowohl in allen Fremdwörterbüchern, wie in den deutſchen, ſ. unter Hautbois, Hoboe, Oboe nebſt den ‚Fortbildungen und au in meinem Berdeutfhungswörterbuh S. 62b, wo ih Hoboe als eingedeutiht (ohne Verdeutihungsveriuh) aufgeführt habe und im Anſchluſs daran:

„Hoboift m.: 1. Hoboebläfer. 2. Feldbläſer, Spielmann.*

Um die Verwehslung des Hoboebläfers (als Bläfers eines beftimmten Tonwerkzeuges) mit dem umfaffendern Ausdrud für die den Truppen auf ihrem Marie voranziehenden und auffpielenden Spielleute zu verhüten, bat der ton- und ſprachkundige Vf. in feinem Beriht das Wort Oboer angewandt, vielleiht auch erft gebildet, das ich für äbnlihe Fälle zum allgemeinen Gebrauch angelegentlih empfehlen möchte (vgl. Bildungen wie Geiger, Trommler :c.).

13. Biertitarf.

„Ein Mann, der in der Kammer über die viertjtarfe Partei gebietet." Nat.»Ztg. 48, 120. Nah der Sprahähnlichkeit mit Bildungen wie: der zweitältefte, drittjüngfte, viertlegte 2c, müfste es min- deftens doch wohl heißen: „die viertjtärkfte”; ob aber auch in diefer Form das Wort allgemeine Aufnahme finden wird, fteht dahin; minder furz, aber übliher wäre etwa die Faſſung „Ein Dann, welder in ber Kammer über eine Partei gebietet, die ihrer Stärke nad die vierte ift ꝛc.“

14, Sein.

„Wer Das will, muſs beiden Theilen fein Recht geben.“ Nat.-Ztg. 48, 128, vgl. Hauptihwier. ©. 251b/2a. Nah heutigem Gebrauch mufs 30*

35%

es richtig heißen entweder: [Der] muſs beiden Theilen ihr Recht geben oder jonft: Der] muſs jedem Theil [Einzapl] fein Recht geben.

15. Weihraud.

Sn der National-Ztg. 48, 132 (Sonntagsbeilage) finden fih in einem Auffag von Dr. Müller, die Worte: „das Bedellium, das Weihrauch“. Hat man hier zwei Drudfehler anzunehmen ftatt: „das Boellium, der Weihrauch“? Das jählihe Geihleht für Weihraud ift mir, fo weit ih mid entjinne bier zum erjten Mal aufgeftoßen.

16. Ausweihung aus der Sakfügung.

„Ihre [der Regierung] Mehrheit ... war... größer, als fie je feit ihrem Beſtehen eine gehabt und höchſt wahrjdeinlih nit fo bald wieder erhalten wird." Nat.-Ztg. 48, 132. Bier paffen die beiden von dem als abhängigen und durh das und zujammengelnüpften Sapbälften niht zufammen. In richtiger Sakfügung bätte ftatt des von als ab» hängigen Nebenjages der Schlufs etwa in einem durh und anzufnüpfenden Hauptfag lauten fünnen oder follen: und höchſt wahrſcheinlich wird fie eine fo große nicht jo bald wieder erhalten, vgl.: ... und fo groß, wie fie höchſt wahrſcheinlich jo bald nicht wieder eine erhalten wird. Vgl. Haupt- ihwier. S. 38b ff. unter Anafolutbie,

17. Auszutretend.

„Mit der Breifevertheilung am Jahresſchluſs, auf welde die Er- nennung [der Kadetten] zu Junkern folgt für die Auszutretenden.“ Gegenwart 46, ©. 3öla, wofür es ftatt des legten Wortes ſprachrichtig heißen müjste: „für die Austretenden“ (ohne das „zu“), vgl. richtig z. B.: die auszutretenden Schuhe sc. und von einem zielenden Zeitwort: „für die zu Entlaffenden“, ſ. Hauptſchwier. S. 144 (unter erſcheinen), ©. 167 (unter gejcheben) ıc.

18. Als ob; ſchulterſchwach.

„Welde Heine Quote von Steuerpflihtigen bleibt dann noch übrig? Ich habe den Eindrud, als ob alle Welt ſchulterſchwach ift [ftatt ſei oder wäre, ſ. Hauptihwier. ©. 34b fl; ih habe ſchon Klagen von ſchulterſchwachen Millionären gehört ꝛc.“ Nat.»Ztg. 48, 134; Zeitſchr. ©. 343 Nr. 8. Im Vorübergehen mag bier auh auf das nod in meinem Ergänz.Wörterb. unerwähnt gebliebene, freilich jelbftverftändliche und feiner Erklärung bebürftige Eigenihaftswort ſchulterſchwach hin- gewiejen werden (vgl. entiprehend ſchwachſchulter ig), bier übertragen in der Anwendung auf Steuerpflichtige, welde die ihnen auf die Schultern gelegte Steuerlaft zu tragen zu ſchwach find,

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19. Welche; gereizt über.

„Er könnte feine Ungeredtigfeit ertragen und er meinte, oft welder zu begegnen.“ Grenzboten 53, 3, 511, wohl rihtiger: jolder oder: einer folden. So wurde fie über Ludolf's Fragen faft immer gereizt, ebd., vgl. fprahübliher: durch die Fragen gereizt oder: über die ragen ärgerlid.

20, Berreijen.

„Am Sonnabend verreisten [ft.: reisten] von hier die Herrn Ruchonnet und Dumour, der Direktinonspräfident und der Oberingenieur der Yura-Simplonbahn nah Mailand, um an der heute dafelbft beginnenden techniſchen Konferenz betreffend den Simplon Durhftih theilzunehmen.“ Nat-Ztg. 48, 141.

21. Denn; ſächſiſcher Genitiv.

„Den Einwirkungen Derer . . welche ben Fürften in Petersburg als Nebenbuhler für gefährliher halten denn Herrn v. Staal troß dejjen weftlih klingenden Namens.” Nat.-Zt3. 48, 145.

Über das hervorgehobene denn nad; dem höheren Steigerungsgrade ftatt des übliheren als mit Rüdfiht auf ein vorangegangenes gleidhjegendes als ſ. Hauptihwier. ©. 308b—309b (Nr. 5f und g) und die ver- ſchiedenen Jahrgänge der Zeitſchr.

Über den ſächſ. Genitiv deſſen, der hier von einem ſelbſt im Genitiv ſtehenden Hauptwort abhängt, ſ. Hauptſchwier. ©. 239/40 Nr. 3 und mehrfah hier in der Zeitihr. Wichtiger ftände hier ftatt des von dem Berhältniswort trotz abhängigen Genitivs der Dativ: troß deſſen wejtlih Elingendem Namen.

22, Steigerung. „Dies war um fo unkluger, als ꝛc.“ Nat.-Ztg. 48, 147, f. über die Steigerungsform ohne Umlaut Hauptihwier. ©. 228b Nr. 7ec.

23. Yuhrmanndrufe.

„An Zurufen [für Pferde] verfügt der norddeutihe Fuhrmann außer den allbefannten und hott über van di, tau di oder tudi und nahsk. Abſeits von diejen fteht das vielgebraudte Kemm!'* (%. Gillhof, Sonntags-Beilage zur Nat.-Ztg., 1895 Nr. 9).

In dem left genannten Wort ſteckt wohl das engliihe come! Bgl. für die an Zugthiere gerichteten Zurufe (rechts, links!) mein Wörterb, Bd. III ©. 1055b, das unter ſchwude Verzeichnete; für zurüd unter I Huf und zopp!

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24. Infinitiv mit „zu. „Daſs die... . Verhältnifje. . . jeden... Bühnenkünftler anreizen, ‚auf eignen Füßen ftehen [zu] wollen‘, d. h. Direktor eines eigenen Theaters zu werden ꝛc.“ Gegenwart 46, 343a. Hier durfte das von mir in [ |] hinzugefügte zu nicht fehlen, das, ih weiß nit, ob durd die Schuld des Shreibers oder des Setzers weggeblieben ift.

25. Zufammenpaflend,

„Daſs er auf des Grafen Bemerkungen night ganz zufammen- pajjende Antworten gab.“ Gregor Samarow. (Roman-Bibliothek 23, Sp. 685.) Hier war entweder das auf durh mit oder zu oder fonit das zufammmenpajjende dur das einfahe paſſende zu eriegen.

Anzeige der eingeſandten Bücher.

Beſprechung einzelner nach Gelegenheit, Zeit und Raum vorbehalten.)

Berichte des Freien deutihen Hocftiftes zu Frankfurt am Main. Neue Folge. 13. Bd. Jahrgang 1897. Heit 1.

Iofeph Börfh. Das Kreuz am Wege. Traueripiel in 5 Aufzligen. Bonn, P. Han: ftein’8 Berlag. 1896. 100 S. Pr. ı Mt.

Prof. Dr. Johannes Ehlers. Homer’s Odyſſee überſetzt. 213 &. Hannover, Berlag von Karl Meyer (Guſtav Prior) 1897. Pr. geheftet Mt. 1,25.

Sreytag's Schulausgaben und Hilfsbücher für den beutichen Unterricht: Goethe, Kleinere Schriften für Kunft und Litteratur. Yür den Schulgebraud; heraus: gegeben von G. Bötticher. 128 S. Pr. geb. 80 Pi. Leipzig, G. Freytag, 1896.

Germania, a monthly review devoted to the study of the german language and literature, Arnold Werner-Spanhoofd, Editor Published by the Ger- mania Publishing Co. Boston Mass. Sept. 1896. Per year 4 1.00. Per eopy.10. Vol, VII Nr. 5 p. 65--80.

Basil L. Gildersleeve, Prof. of Greek in the Johns Hopkins University: ... Leipsie F, A, Brockhaus Vol. XVII 2. Whole Nr. 66. p. 185— 266,

Paul Sagen und Thomas Fenfhan, Auswahl aus mittelhochdeutſchen Lyrilern. (Freytag's Schulausgaben ꝛc.) 96 ©. geb. 60 Pi. Leipzig 1897.

Alfred Henneguin, Ph. D. Editor: L'etudiant a monthly review devoted to the study of the french Language and Literature. Published by the Ger- mania Publishing Co. Boston Mass. 5e livraison. Per year $ 1.00; per copy 10.

Audwig Iacodowsfy. Aus Tag und Traum. 184 ©, Berlin, S. Calvary. 1896.

Friedrih Kauffmann. Deutihe Metrit nah ihrer geſchichtl. Entwidlung Neue Bearbeitung ber aus dem Nachlaſs Dr. U. %. C. Bilmard von Dr. C. W. Grein herausgegebenen „Deutidhe[n] Verskunſt“. Marburg, N. G. Elwert'ſche Berlagsbuhhandlung 1897. VII und 236 &. 3 Mt. 60 Pi.

399

Prof. Dr. Karl Kehrbach. Das gefammte Erziehungs- und Unterrichtämweien in den Ländern deutfcher Zunge. Bibliograpbifched Berzeihnid und Inhaltsangabe der Bücher, Aufiäge und behördlichen Berorbnungen zur deutfchen Erziehungs— und Unterrichtö-Wifjenfhaft nebft Mitteilungen über Lehrmittel. Jahrgang 1 Heft 1. Berlin (SW. Lindenfir. 43), 1896. Gefellihaft für deutfhe Er: ziehungs- und Schulgeſchichte. Preis viertelj. (3 Heite) 5 ME.

2. Auno. Thomas Münzer. Ein Drama aus dem Bauernkriege. Bonn, P. Hans fiein’8 Berlag. 1896. 1286 1 Mt.

26. A. Say, Seminarlebrer in Karlörube. Führer durh den Hechtichreibunterricht, gegründet auf pfychologiihe Verſuche ꝛc. VI und 202 S. Karlörube, Vers lag von Otto Nemnid. 1897.

Dr. 3%. Matthias. Kleiner Wegweiler dur die Schwankungen und Schwierigleiten des deutihen Sprachgebraucs. Leipzig, Verlag von Richard Richter. 144 ©. geb. 1 Mt. 25 Bi.

Fr. Pfaff, Alemannia, Zeitſchr. . .. begründet von + Anton Birlinger. 24. Jahrg. 2. Heft (ausg. am 5./10. 1896). Bonn, 1896. (3 Hefte bilden einen Band Jahrgang)). Pr. 6 Mt. P. Hanftein’3 Berlag.

Franz Allfperger. Schiller's Wallenftein. Für den Schulgebraub herausgegeben. Freytag's Schulausgaben. Leipzig 1896. 336 ©. Mit einem Kärtchen. Pr. gebunden 1 M. 25 Pi.

A. Wolfromm, Revue de l’Enseignement des Langues vivantes, 13e. Annee Dec. 1896. Paris, A. Laisney, 6 rue de la Sorbonne. Prix de l’Abonnement Etranger 15 Francs par an,

Brieffajten.

Herrn Eruſt Sorn in Hamburg: Sie fenden mir freundlichſt einen Ausfchnitt aus den „Hamburger Nachrichten“ vom 21./11. 96, worin Lehr: und Lern-Mittel einander gegenübergeftellt werden und woraus ich bier den folgenden Sat herſetze:

„Während der Schulatlas in manden Schulen als Lehrmittel behandelt wurde und deſshalb den Kindern von der 2. und 3. Klaſſe nur leihweife überlafien und bei Umſchulungen von ihnen zurüdgelafien wurde, betrachteten andere Schulen ihn als Pern- mittel, d. 5. als Eigenthum der Kinder, das ihnen wie die andern Schulbücher zus fommt.“ u. f. w.

In meinem BWörterb. II S. 316b ff. habe ich die beiden hier einander gegenüber- geftellten Zufammenfeßungen von Mittel nicht befonders aufgeführt; aber es heißt dort:

„Bufammenfeßungen unerfhöpflih . . . nach dem verfchiedenen Zweck, Teicht zu verfiehen und zu vermehren nach den folgenden“ zc.

Jedenfalls find die beiden Zufammenjegungen durchaus ſprachrichtig und all- gemein verftändlich gebildet. Wenn Sie am Schluf3 Ihrer Zufchrift an mich die Frage rihten: „Was balten Sie von diefem Lernmittel?" —, fo kann ih nur erwiedern, dafs ich meinestheild die Entfheidung Ihrer Schulbehörde ganz begründet finde; eine ein= gehende Beantwortung liegt außerhalb des Rahmens meiner Zeitichrift.

Herrn KarR. . . in Zürich: Mit Vergnügen antworte ih auf Ihre Anfrage, daſs The Eductational Times and Journal of College of Preceptors vom 1. Nov. 1896 (Vol. XLIX. New Series Nr. 27) auf &. 4023—407b einen ſehr Iefens: und beachtenswerthen Aufſatz: In Memory of Pestalozzi bringt.

400

Herrn 4. Ott in Wien: Ich babe Ihnen die ganze Zeit ber immer ausführlich fhreiben wollen, aber ich bin beim beften Willen nicht dazu gelommen und, ba ich vielleicht auch im der nächften Zeit nicht dazu werde lommen können, jo will ih Ihnen mwenigftend auf biefem Wege ein Lebenszeihen von mir geben und mit herzlichſtem Dant Ihnen die Bitte ausiprechen, die freundſchaftliche wohlwollende Gefinnung, die Sie dem Ihnen perfönlid Unbelannten jo vielfach bewieſen haben, ihm auch fernerbin zu erhalten. Alles Gute!

Herm Chriſtoph Pr. . . . in Berlin: Gie haben ganz Necht, es ald einen Berftoß gegen den allgemeinen Sprachgebrauch zu bezeichnen, wenn es in der Nat.»Btg. 49, 679 beißt: Ein® [fatt: einer) diefer Traktate führte den geſchmackvollen Titel ꝛc.“ Das fühlihe Geflecht, das Ihr Gegner vertheibigt, wäre berechtigt, wenn e8 bieße: Eins diefer Traltätchen lſächliches Berkleinerungswort].

Henn Friedr. A. ... in Mirow:

„Er [der Kaifer) hoffe und erwarte, daſs das Dfficierlorps, fo weit es an ihm (dem Offtciertorps) läge, ſtets beftrebt fein merde, in einem guten Berbältnid mit der Bürgerfchaft zu bleiben.“

Sie wünfhen, dafs ih Ihnen fage, ob diefer Sab, wie er fi in der Mellb.⸗ Strel. Landeszeitung vom 6. Dec. 1896 (11. Jahrg. Nr. 286) findet, qut gebaut fei und wie er, wenn Dies wie Sie glauben nicht der Fall fei, zu verbefiern fein dürfte.

Sie haben volllommen Net, dafs, wenn das eingelfammerte „dem Officier— korps“ weggelafien würde, man das vorangehende „an ihm“ deuten fünnte = an dem Raifer und Sie haben nicht minder Hecht, wenn Sie fagen, daſs die Wieder: holung des fo kurz vorbergegangenen „Officierlorps“ etwas Unbeholſenes und Steifes babe. Sie ſehen alio, daſs ich Ihnen in dem Tadel des Satzbaues durchaus zuftimme, Nun zu der Frage, wie dem Übelftand etwa abzuhelfen fein würde. Ich antworte: 3. ®. dur Bermeidung der abbängigen (fogenannten indirekten) Rebe und deren Erſatz durch die unabhängige (grade oder direkte) Rede, alfo:

Der Kaiſer ſoll fih etwa fo audgeiproden baben: „Ich hoffe und erwarte, daſs das Dificierforps, fo weit es an ibm liegt, ſiets befitrebt fein wird ꝛc.“ —, f. in meinen Hauptihwier. unter dem Zitellopf „Jndirelte Rede“ x. Nr. 5 ©. 181a.

Aber aub, wenn man die abhängige Rede beibehält, fo Lönnte der Mifsftand durd veränderte Wortftellung befeitigt werden, 3. ®. io:

„Er hoffe, dafs fo weit es an dem Officierkorps läge dieſes ſtets befirebt fein werde x,“

Alle für die Beitfhrift feld beſtimmten Zuſendungen wolle man un- mittelbar an den Herausgeber nad Altfirelig in Mehlendurg, dagegen die für den Amfhlag oder als Beilagen beſtimmten Anzeigen au den Ber- feger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nähfte Heft müfen jedes Mal Bis fpäteftens zum 1. des Monats in deu Händen des Herausgebers fein; aud Bittel er, in Zezug auf den Amfang, die Haumverhäftnife der Zeitfhrist im Auge zu halten.

Kleinere Schriften Goethe’3 zur Kunſt und Litteratur,

Die von G. Böttiher (in Freytag's Schulausgaben für den Schul- gebraud) herausgegebenen „SKleineren Schriften Goethes zur Kunft und Fitteratur” (ſ. Zeitihr. S. 398) find gut ausgewählt. Sie bieten ſechs Auffäge: I. Von deutiher Baukunſt; II. Windelmann; III. Über Laokoon; IV. Abendmahl von Leonhard da Vinci zu Mailand; V. Bericht über die erſte Aufführung der „Piccolomini“ in Weimar am 30. Syanuar 1799; VI. Shafejpeare und fein Ende,

Die „Einleitungen“ bieten in kurzer, fnapper Faſſung ſachlich ziem- ih alles zum Berftändnis Nötbige; die eigentlihen „Anmerkungen“ aber find, meiner Anfiht nad, namentlich in Bezug auf das Spradlihe etwas gar zu fnapp und färglich ausgefallen. Ich beihränte mid mit Rück— fiht auf den zugemefjenen Raum abfihtlih auf den 5. Aufiag, der in den gewöhnlichen &oethe-Ausgaben fehlt und auch bier nur verkürzt mit: getheilt ift.

Bon Fremdwörtern find bier nur (j. ©. 125) die folgenden erklärt: Horojtop; Aſpekten; Negotiationen; Ujurpationen; Kon: ftellation; Konjunktion (Verbindung); projtribiert; Sopbiftereien. Der Bericht, der wie aus einem Briefe Schiller's an Körner vom 8. Mai 1799 erhellt von Goethe und Schiller gemeinihaftlid, „ob: gleich etwas eilfertig“ aufgefeßt worden, wimmelt aber von großentheils entbehrlihen Fremdwörtern. Ich würde es für eine jehr empfehlenswerthe Aufgabe halten, wenn die Schüler ein abecelih geordnetes Verzeichnis ſämmtlicher bier vorfommenden Fremdwörter zu entwerfen hätten mit Angabe der Stellen, wo fie vorfommen, und wie fie an jeder Stelle ent: weder durch rein deutſche Ausdrüde und Wendungen hätten erjeßt werden fünnen oder in welden Fällen die Fremdwörter als eingebürgert und an ihrer Stelle als vollberehtigt anzuerkennen find, weil wenigitens zur Zeit fein vollkommen dedender, allgemein anerkannter rein deutſcher Ausdrud vorhanden ift. Ich beihränte mich hier auf einige Beifpiele. Das Fremdwort Bankett fieht S. 89 2%; 90 2°; 921%, aber ©. 91% beißt es: „Er entdedt fih ihm unmittelbar nah dem Gaſtmahl“. Der bervorgehobene deutihe Ausdrud hätte füglih auch an den andern Stellen

Beitichrift f. deutſche Sprache, X. Jahrg. 31

=

gejegt werden können, aber daneben auch zur etwaigen Abwehslung die deutihen Wörter Gaft-Gebot, «Gelage; Feit-Schmaus, Gelage, Mahl.

©. 90? heißt es: Buttler, der Chef eines Dragonerregiments, dagegen ©. 97 ?: Gegen Buttler, den Anführer der Dragoner. Anführer (oder Führer) hätte bier füglid auch an der erſten Stelle gebraudt werden können, während die z. B. von Gerhard v. Amyntor vorgefchlagenen Berdeutihungen: leihte Reiterei (für Dragoner), Schar (für Negiment) eben nur Vorſchläge find, aber zur Zeit noch feine amtlihe Anerkennung gefunden haben.

Über das Wort Charakter in feinen verſchiedenen Bedeutungen, die fih natürlich nit durh eim einziges deutſches Wort erjegen laſſen, vermeije ich auf mein Wörtert. 1 S. 252c/3a; Fremdwörterb. 1S.14Y8 a/bff.; Berdeutihungsmwörterb. S. 26 b (vgl. in den Verbdeutihungsbühern des allgemeinen deutihen Spradvefeins Vll: Die Schule von Dr. Karl Scheffler ©. 8 und 18). In dem Goethe-Schiller'ſchen Aufjag findet fi das Fremdwort 3. B. ©. 90 *t: „Aber fon jetzt zeigt die Leidenſchaft der beiden jungen Berionen |Mar und ZThella] einen zu jelbftändigen heroiſchen [vgl. heidenhaften, heldenmüthigen, beldiihen und beionders: hochherzigen, j. Verdeutſchungswörterb. ©. 61h) und reinen Charakter, als dafs fie den Abfichten der Gräfin entipreden könnte” und ©. 97 32: „Seine [Mar Piccolomini’s| Gemüthsart fennen wir jo genau, der Charakter jeiner Yiebe und jeiner Geliebten ift jo gezeichnet, dajs über den Entihlufs, den er faffen wird, fein Zweifel ftattfinden kann.“ Hier könnten meiner Anfiht nah für das Fremdwort ohne Schädigung des Sinnes deutihe Ausdrüde eintreten, wie Wejen oder Eigenart.

Anders verhält es fih an der Stelle ©. 8738 ff.:

„Neben diejem zweideutigen Charakter [Dftavio Piccolomini] ſteht die reine, edle Natur jeines Sohnes Mar Piccolomint.”

Hier möchte ih gegen den Gebrauch des Wortes Charakter einen mie mir jheint begründeten Einwand erheben.

Freilich Habe ich jelbit in meinem Wörterb. zur Erklärung des Wortes Charakter in Nr. 2 gejagt:

„Das Kennzeihen, Merkmal, das Unterfheidende und Auszeichnende eines Wejens, das es in feiner Eigenheit und Eigenthümlichkeit Kenn- zeichnende; feine Wejenheit, Eigenthümlichkeit; ferner auch: eine Perfon von bejtimmt hervortretender, jharf ausgeprägter Eigenthümlichkeit“, |. dort weiter die Belege. Danah würde ih natürlih auch ganz damit einver: ftanden fein, daſs man ſowohl jagen fann: Oktavio Piccolomini hat einen zweideutigen Charakter (vgl.: fein Charakter ift zweideutig), wie aud:

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Oktavio Piccolomini ift ein zweideutiger Charakter. Woran ih aber An— ſtoß nehme, iſt die Verbindung des Wortes Charakter in dem Sinne von: „eine Perſon, ein Mann von Charakter” mit dem Worte Sohn x, Ich bezweifle, dafs man ohne Anftoß jagen kann: „Der reine, edle Mar Piccolomini (oder: die reine, edle Natur des Mar Piccolomini) ift der Sohn des zweideutigen Charakters Ditavio Piccolomini* und ent- Iprehend: „Der zweideutige Charakter Oktavio Piccolomini ift der Bater des reinen, edlen Dar oder: der reinen, edeln Natur des Mar Piccolomini.“

So viel von den Fremdwörtern; mun nod einige andere ſprachliche Bemerkungen, die meines Erachtens der Herausgeber füglih noch hätte hin- zufügen können oder jollen.

a) Wir legen dem Bublico den Lejern] zuerft den Plan des Stüds vor, um fünftighin, wenn das Ganze vollendet fein wird, auf die ver- jchiedenen Theile desjelben zurüdzufehren und die Abfihten des Ver— fafjfers bei der Organifation Gliederung, der gegliederten Geftaltung, dem gegliederten Aufbau 2c.] desjelben zu entwideln. S. 83 3—12. ber das breitijpurige der ſelbe als Erjag des fogenannten perjönliden Fürworts der dritten Perſon (befonders in Fällen, wo es fid nit um eine Perjon, fondern um etwas Sadhlihes handelt) ſ. hier in der Zeitihr. I ©. 44 bis 47; ©. 82—84 Nr. 6; ©. 162 - 1701; ©. 260/1 8 62 u. f. m,

ı Ach möchte bier hervorbeben, daſs der leider zu früh verfiorbene Mitarbeiter an meiner Zeitichr., der treffliche würtembergiiche Pfarrer G. Hauff, der auf S. 163 von fi felbit fagt: „Jh kann... das umſtändliche und ſchwerfällige derſelbe nicht recht leiden“, doch auf ber vorangegangenen Seite fchreibt: „Weil dadurch der Umfang des Buches gar zu fehr angefhwollen und der Preis des ſelben vertheuert worden wäre”, mo er doch das hervorgebobene, ibm verbajdte Wort im Genitiv einfach hätte weglafien oder durch das befitanzeigende Fürwort erießen können: „fein Preis“. (Späterer Zujaß.) In der angeführten Stelle aus dem 1. Jahrgang meiner Zeitichr. ©. 82 fi. babe ih u. N. mitgetbeilt:

„Du Boid:-Reymond madht mich aufmerfiam, daſs in den zwei Bänden jeiner „Reden“ fi der Ausoprud derfelbe ausnahmslos nur in dem Ginne des lateinifchen idem (der nämliche) finde, nicht ein einzige® Mal dagegen ald Erfat des Fürworts er u. ſ. mw.“

Daran muiste ih, als ih meinen in die Druderei zu ſchickenden Aufſatz noch einmal durchlas, lebhaft denken, aber zugleich mit tiefer Trauer und in innigfter Weh— mutb, war mir doh am Tage zuvor die Nachricht von dem Dabinfcheiden Du Bois- Reymond's zugegangen, mit dem ich feit jener Zeit fortwährend in Verbindung geftanden babe und der mir Zuftimmung und Beifall wiederholt zu erfennen gab, mich mit dem Hochgefühl des Jaudari a viro lJaudato erfüllend ; denn Du Bois-Reymond war nicht nur ein babnbrechender anerlannter Meifter auf dem Gebiete der NRaturforihung, fondern auch ein anerkannter Meifter der. Rede und einer der feinfinnigften Kenner und Förderer unferer Mutterſprache.

31*

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die abecelich geordneten Inhaltsverzeichniſſe vom erften bis zum zehnten Jahrgang. In dem Goethe’ihen Aufiag hätte von den beiden durch Sperrdrud bervorgehobenen derjelben das erfte füglih ganz wegbleiben und das zweite durd den Genitiv eines Hauptwortes (des Stücks oder beffer des Ganzen) erjegt werden können. Ich jchließe hier noch folgende Stellen aus Goethe's „Bericht“ an, im denen die Formen von derjelbe durh das in edigen Klammern Pinzugefügte hätte füglih erjegt werden können.

„Wir ſtellen daher gegenwärtig den Helden des Trauerſpiels unſern Lefern vor, indem wir ihnen überlaffen, denſelben [ihn] mit dem Helden der Geihichte zu vergleihen.“ ©. 84° 8,

„Er... attahiert fih die Armee [feffelt fie an ſich durd alle Mittel und vericafft ſich leidenihaftlihe Anhänger bei derjelben“ [bei ihr oder darin leidenfchaftlihe Anhänger]. S. 86 15/18.

„Um an der Armee eine Stütze gegen den Hof zu haben, wenn er derjelben [einer jolden] bedürfen jollte.“ S. 86 2/1,

„Gewohnheit hat den Herzog [Wallenftein) an ifn |= Oftavio Piccolomini] gefeffelt, aftrologifhe jauf Sterndeutung beruhente] Gründe haben ihm ein blindes Vertrauen zu demielben [fünnte einfach weg- bleiben oder nahdrüdlib dur die vorangegangenen Bezeihnungen: „zu dem alten Waffenbruder und Yugendfreund“] eingeflößt, jo dais er ihm jeine geheimften Anschläge mittheilt.“ S. 8715-21,

„Seine [Oftavio Piccolomint's! lare Weltmoral [vgl.: jeine, des Weltlings, lodere (oder ſchlaffe) fittlide Anihauung| erlaubt ihm, das Vertrauen feines Freundes zum Verderben desjelben [zu deffen Verderben] zu milsbrauden und auf den Untergang desjelben [auf defjen Untergang] feine eigene Größe zu bauen.” S. 8725-28 ⁊c.

Außer den Formen von „derfelbe“ habe ih in dem oben zuerit angeführten Sake auch noch das Zeitwort zurüdfehren durch Sperrdrud hervorgehoben, um die Bemerkung anzufnüpfen, dajs in dem hier vor: liegenden Sinne ftatt zurüdtehbren zurüdfommen das üblichere Wort ift, vgl. dies in meinem Wörterb. 1 ©. 979b, wo es in Nr. 1b heißt: Auf Etwas zurüdfommen, in der Rede, es wieder aufs nehmen. ch fomme auf diejen Punkt jpäter zurüd. Nun, um auf be jagtes Damals nob einmal | zurüdzutommen. Goethe 6, 366, während ich allerdings im Wörterb. 1 ©. 8859 aus Goethe 27, 231 auch den Beleg angeführt habe, den ich hier etwas vollftändiger wiederhole: „Um mid aber von allen diejen Bedrängniffen loszureißen und meine Geifter ins Freie zu wenden, fehrte ih an die [gemöhnlih: zu der] Betrachtung organtiher Naturen zurüd“.

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b) Nur auf folde Weije wollte er wieder an diefe Stelle treten und der Kaijer, der ihm nicht entbehren fan, muſs drein willigen, ©. 85 1,2 darein, vgl.: „Unterjheide darin in mit Dativ, darein = in mit Accuſ.“ ꝛc. Hauptſchwier. S. 87b umd Wörterb. III S. 1608c: Darein (minder forreft: darin H. Smidt Meeresjt. 139) willigen :c.

c) Bon Natur gewaltthätig, unbiegiam und ftolz, ift ihm Abhängigfeit unerträglid. S. 83 33/4 in freierer Fügung, j. meine Hauptſchwier. ©. 11h ff. unter „Accujativ, abjoluter” zc., j. im ftrengerer Fügung: Ihm, dem von Natur Gewalttbätigen, Unbiegfamen und Stolzen, ift Abbängigfeit uner- träglich oder auch: Wie er von Natur gemaltthätig, unbiegjam und jtolz ift, so ift ihm auch Abhängigkeit unerträglid, wobei man das zwijchen die beiden ſonſt zuſammenſtoßenden ift als „Buffer“ geſchobne jo beadte.

d) „Dan hält es aljo für nothwendig, ihn [Wallenftein] von der Armee zu trennen, ehe er feinen Anihlag mit ihr ausführen fann; aber Das ift feine jo leihte Sade, da der Soldat ihm äußerft ergeben ift.“ S. 87 17% dgl. Hauptihwier. S. 131b/2a, wo e8 unter Nr. 3 heißt: Der Singular fteht oft kollektiv . .. und dazu aus Schiller (Ausg. in 1 ®. ©. 92Y9a/b 30jähriger Krieg) die Stellen angeführt find: „Durch das Stillſchweigen feines Generals [Tilly] zum Herrn über das Yeben aller Bürger gemadt, ftürzte der Soldat [sg.] in das Innere der Häuſer, um ungebunden alle Begierden einer viehiihen Seele [vgl.: viehiſcher Seelen] zu fühlen... ‚Der Soldat mujs für feine Gefahr und Arbeit Etwas haben‘“.

e) „Aber Oktavio PBiccolomini hat eine zu pflihtmäßige und geordnete Denfungsart, um in jolhe Blane mit einzugehen.“ ©. 87913 j.: „Plan m. Plural Plane und beionders in der Bedeutung von Anſchlag, Entwurf, Projekt :c. faft überwiegend -— Pläne“, vgl. das Nähere in meinem Wörterb. II S. 555c Nr. 2a und Ergänz.-Wörterb. S. 3880; ferner ſ. Wörterb. I ©. 5bla, wo es unter eingehen beißt: „Li: Auf Etwas eingehen (j. k) fih darauf einlaffen, ſich daran betheiligen: Auf diefe Bedingungen, Vorſchläge kann ich nicht eingehen. Er ging auf den Scherz ein ꝛc.“ und unmittelbar darauf: k .. . In das Weient- lihe einer Sache eingehen (vgl. i), fih unterſuchend, prüfend darauf ein- laffen. Eingehende Gegenſatz: oberflählihe) Beiprehung. In Jemandes Geiſt eingehen, jo dajs man im jeinem Geifte wirkt. In den Scherz ein- geben, jo dajs man demjelben gemäß wirft. Endlich da ih in Alles ein: ging [mid feinem Sinn gemäß zeigte] Goethe 19, 137 :c., 1. auch i, vgl. Ergänz.-Wörterb. ©. 224b in Ik: N [ftatt auf] einen Vorſchlag ein- gehen. Metternih Enſ. 117.

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f) „Er Oktavio Piccolomini] fteht in geheimen VBerftändnifien mit dem Hof, während daſs fih Wallenftein ihm argwohnlos hingiebt,“ S. 87?° 80, vgl. mein Wörterb. III S. 1177b, wo es unter Ber- jftändnis in Nr. 2 heißt: „die Beziehungen, wonach Perionen fih im Geheimen mit einander verfiehen, und die Verabredungen darüber, unge: mein oft, in Einzahl und Mehrzahl". Bon den dafür dort angegebenen Beleaftellen jege ih bier aus Schiller (Ausg. in 1 Bd.) die folgenden (für die Mehrzahl) dem Wortlaut nah her: „Wenn zwiihen | dem Prinzen und der Königin geheime | VBerftändniije geweien find.“ ©. 288b, (Don Carlos IV 12). „Erfährt | die Königin, dafs zwiſchen mir und ber Maria |. Berftändniffe geweien find.“ ©. 432b, |Mar. Stuart IV, 4]. „Die Statthalterin . . . wuſste die Mitter ... . ſo geſchickt zu bejchäftigen, daſs fie zu fernern Berftändnijien feine Zeit finden konnten.“ S. 804 a [Abfall der Niederl. 2. Bud, 1562]. „Dem Herzoge v. Parma, der in Antwerpen... geheime Berftändnifje unterhielt.” ©. 870 [ebd., Be- lagerung von Antwerpen, Tritt noch binzu, daſs ftatt des einfahen während als Bindewort Goethe nur nod jelten, Schiller dagegen jehr häufig und mit Vorliebe die Verbindung während dajs gebraudt, jo bat die Vermuthung Etwas für fih, daſs der vorliegende Sa und das Ganze, wozu er gehört, in dem von Goethe und Schiller in Gemeinſchaft aufgejegten Bericht dem Yebtern angehört; doch gebe ih Das natürlich für Nichts mehr als eine bloße Vermuthung.

g) „Graf Terzky, Wallenftein’s Schwager, bat alle in Piljen ans weiende[n] Befehlshaber zu einem Bankett eingeladen,“ S. 89 24—26. Über das von mir in Klammern hinzugefügte n vergleihe man in meinen Hauptidwier. ©. 30 a/b die Anmerkung und ebd. S. 95b zu dem Sag: „Der Krieger, der Held, der Befehlshaber find feine dramatiiheln] Per- jonen.“ S. 93 U— is.

h) „Nur Max Piccolomini bittet um Aufſchub, nicht aus Argwohn des Betruges, nur aus angewohnter Gewiſſenhaftigkeit, kein Geſchäft von Belang in der Zerſtreuung abzuthun.“ ©. 91 1—14, vgl. zu dem durch Sperrdrud berporgehobenen Worte mein Wörterb. III ©. 1651a (gewohnen Nr. 4) und c (gewöhnen 4h). Heute zumeift bloß: „aus gewohnter Gewiſſenhaftigkeit“ (ohne die VBorfilbe an). Nebenbei möchte ih darauf hinweisen, dafs es in Grimm’s Wörterb. I Sp. 353 unter angemwöhnen auffällig heißt:

„Meiftens fügen Neuere den Dativ der Perſon hinzu, der bei ab- gewöhnen richtig, bei angewöhnen eigentlich“ [was heißt Das?] „falſch ift: gewöhne did Das an, gewöhne dir Das ab; denn urſprünglich

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war e8: an did, ab dir,“ eine Behauptung, die ſchwerlich zu be= gründen fein wird.

i) „Ein Gemüth .. . das... über dem Bergangnen, dem Gegenwärtigen und dem Zufünftigen immer brütet.* ©. 934/941, vgl. brüten über mit Dativ oder Accuf., j. mein Wörterb. 1 ©. 232b/c und Hauptihmier. S. 296b Nr. 3.

k) „Indem fie... . durh ihre Beredtſamkeit alle Scheingründe gelten madt.“ ©. 95 '', wozu Böttiher (S. 125) die Anmerkung fügt: „die urjprünglide Verbindung, heute Part. geltend". Die bei Goethe öfter vorfommende Verbindung (3. B.: Alle Menihen, wie fie zur Freiheit gelangen, machen ihre Fehler gelten. 3, ©. 197: [Er hatte] fein übriges Vermögen auf alle möglihe Weiſe gelten gemadt. 16, 41 [Meifter’s Yehrj. I Kap. 11]. Natur | madt allzu dringend ihre Fordrung gelten. 35, 273 Tankred. 2. Aufz., 3. Auftr.] zc.) ift aud heute noch nicht ver- altet, obgleih die Fügungen: Etwas geltend maden, es zur Geltung bringen üblider find.

l) „Seine gerade Weiſe und tie natürliche WBeredtiamfeit jeines Herzens würden] es ohne Zweifel über die Sophiltereien der Gräfin Terzky davongetragen haben.“ ©. 95 2?” 35, vgl. mein Wörterb. III ©. 1348a, wo es unter „Davontragen” heißt: „.... Etwas als Einem zu Theil Werdendes davontragen . . . Den Siegd... auch (ſ. Es 8, vgl. frz. lVemporter): Die Dominifaner haben's davongetragen |gefiegt] über die Auguftiner. Alerıs Hoſen ꝛc. 2, 1, 160 und weitere Belege.

m) „Um ihn ſchnell andres Sinnes zu mahen.“ S. 974, ſ. Hauptihwier. S. 46 b Nr. 3, wo e8 heißt: „Der männl. und ſächl. Genitiv ohne Artifel (j. Deklin. der Eigenihaftsw. 2b) lautet heute allgemein ander(en, 3. B.: Andern Sinns werden... Nur nod zuweilen [be jonders| bei Didtern in der ſtarken Form: Andres Ehbunds Tüftern. Platen 2, 244," wozu id die obige Stelle hätte hinzufügen können, wie das von mir in Klammern binzugefügte „beionders“.

n) In Bezug auf das ©. 93% erwähnte „Selbſtgeſpräch“ Wallen- jtein’S (das in der jpätern Eintheilung den 4. Auftritt des 1. Aufzuges von „Wallenftein’s Tod“ bildet) darf ih wohl auf die fpradlichen An- merfungen dazu in den 3 erjten Heften des 3. Jahrgangs meiner Zeitſchr für deutſche Sprade hinweifen; ganz bejonders aber möchte ich bei diejer Gelegenheit die geneigten Lejer auf die vortrefflihe Inaugural-Diſſertation von meinem Mitarbeiter Herrn Dr. Friedr. Düfel (S. 358) empfehlend auf: mertjam machen, ganz bejonders auf die Stellen, wo er von den „intimen Monologen der Selbitenthüllung“, den „Offenbarungs- und Selbſtcharak⸗ terifierungsmonologen“ ꝛc. bei Yeifing ꝛc. jprict, |. S. 45 ff.

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0) Zum Schluſs möchte ih noch rügend bemerken, daſs. während „Freytag's Schulausgaben“ ſich im Allgemeinen durch ſorgfältigſte Drud- berichtigung auszeichnen, ſich in dem hier beſprochenen Bändchen einige wenn auch nicht grade ſinnſtörende Druckfehler finden, z. B. auf ©. 93 ſteht 3. 9 (ftatt beurteilen) „berteilen“ u. 3 17 fehlt dem Wort „Umgebung“ der Anfangsbuchftabe, j. auch S. 126 3.6 v. u. fehlen in „Übungs-Gefellfbaft“ die beiden Strichelchen über dem erften Buchſtaben.

Stiejätig. Bon Dr. Herman Schrader. (Mit einer Schluisbemertung ded Herausgebers.)

In der Wochenſchrift „Der deutihe Michel“ (Mr. 46 vom 15. Nor vember 1896) las ih unlängft den Sak: den Soldaten ihmedt die jonft gut zubereitete Speiſe nicht recht, weil fie kühfätig find. So hübſch geihrieben der Aufſatz auch iſt, dem diejer Sag entnommen tft, jo drängt fih dDod die Frage auf: was mag fih der Verfaffer bei dem Worte küh— jätig denten und welde Etymologie mag ihm vorſchweben? Seine Schreib- weije läfft vermutben, dafs er an Kühe und an fatt, fättigen gedadht haben mag, und daſs er fih die Sade etwa jo zuredtlegt: gejättigte Kühe mäfeln an dem vorgelegten Futter und juchen fih nur die beften lederen Biffen aus. Eben jo ſcheint man ſich die Frage auch früher ſchon be- antwortet zu haben; denn es findet fih die Schreibweiſe: Fiejettig und fiejättig, an jatt umd fättigen erinnernd.

Wie urtheilen num wir über das Wort? Zuerſt die Bemerkung: Wenn das deutihe Volt ein Wort hört, das einen fremden, undeutihen Klang hat, jo wandelt es dies gern jo weit um, daſs es deutſch Klingt. So ward das mittellateiniihe arcubalista (etwa Bogenjchleuder, Schieß— bogen) in Armbruft umgewandelt. Daſs das Wort jhlehterdings finnlos ift, kümmert das Volk nicht; das Wort bat doch nun wenigftens einen echten deutihen Klang. Das Wort Felleiſen (der Handwerksburſchen) bat eine weite Reiſe gemadt, bis es ein deutiches Kleid befommen hat. Paulus ſchreibt an Timotheus (2. 4, 13), er folle ihm den Mantel oder Mantelſack oder Neifetaihe mitbringen (felonees, peAoıns). Das griehiiche Wort fam mit den griediihen Kolonien nah Gallien und wandelte ſich um in Valise. Deutihe Obren hörten die deutichen Yaute Fell und Eiſen oder Iſen heraus, und jo nahm man’s in dieſem faljchen deutihen Ge— wande auf. Umgekehrt ift es dem alten echt deutſchen Worte fiejen (prüfend wählen) ergangen. Es ſcheint uns jet faſt gänzlid abbanden

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gefommen zu fein. In dem Liede Paul Flemming’s (7 1640) „Sm allen meinen Thaten“ beißt es: Ich nehm’ es, wie er’s (Gott) giebet, was ihm von mir beliebet, das hab ih willig auch erkieft. Später ſcheint das Wort mehr und mehr aus der Volksipradhe zu jhwinden. Bor etwa hundert Jahren finden wir es wohl nur bei Dichtern und überhaupt in gehobener Sprade. Bei Klopitod: Sie kieſet, wonach fie lüſtet. Bei Wieland (Ob. 3): Prinz, ſprach der Paladin: was braucht's hier erft zu fiefen? Die einfahe Form ſchwindet allmählich; es halten ſich aber zu— ſammengeſetzte Formen, wie erfiefen, auserlieſen. Die Formen erforen, auserforen werden jet von den beiten Lexikographen dem Worte küren zugeiellt.

Was ift nun nah Dem allen unjre Meinung? Wir tbheilen das Wort jo ab: Fies-ätig. Denn in dem ätig ftedt das plattdeutihe Wort äten, d. b. ejfen. Wenn ein unge bei Tiſch zu dem leeren Braten kaum einen Bilfen Gemüje oder Brot effen mag, jo jagt wohl die Mutter: je nit jo fiefätig, nicht jo lederhaft ausmwählend beim Eſſen. Das Wort mag in Süddeutihland und überhaupt, wo man kein Plattdeutſch verfteht, unbekannt oder unverjtanden fein; im Braunſchweigiſchen aber und in den Harzgegenden, fann man es im jedem Dorfe hören (aud in Berlin).

Man jollte das Wort beim Spreden eigentlih jo nah feinem Urjprung theilen: fies-ätig. Allein, jei es, dajs die Etymologie dem Volke nicht bemwufft ift oder nicht beachtet wird: man hört immer fie-jätig ſprechen, ganz ähnlih wie die Worte „um und um” häufig umun-dum geiproden werden. Es mag nicht immer leicht jein, in zufammengejegten Haupt— wörtern ſogleich die einzelnen Theile zu erfennen, wie ih denn lejen gehört habe: Ein Dftelsbier klagte, daſs . . . Gemeint war ein Dann im Often der Elbe, ein Oſt-el-bi⸗er.

Ich befand mich, als ih mein Wörterbuch jchried, in vollftändiger Übereinftimmung mit Dem, was der hochgeehrte und gelehrte Mitarbeiter an meiner Zeitichrift, der Verfaffer der beiden Meifterwerfe: „Der Bilder: ihmud der deutihen Sprache“ und: „Aus dem Wundergartcn der deutſchen Sprade“, im Borftehenden dargelegt hat. Ich darf mir wohl erlauben, aus meinem Wörterb. bier das Folgende anzuführen. Br. I ©. 52h heißt es dort:

Abig a (keit f.): 1. eſsbar, ihmadhaft, zum Eſſen dienend; Ajig; Gotthelf &. 8; 352 ıc.; Schuld. 1 xc.; 2. vieleffend, Appetit habend. H. Sads 1, 87e.

Anm. Meift mundartl. veraltet. Schief. zu 1. Aßes (bei Adelung ebſes) Brot, Fleiſch sc. und übertr. = ſchön: Äßes Gefict.

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Zufammenfegungen theils aktiv [2]: Ein ä—er, doc fein heufhreden- ä— er, jondern bonigfräßiger. Fiſchart. Sarg. 225 —, theils pajjiv: wurm⸗ä. von Würmern zernagt ꝛc.; ferner 3. B.: Ans: lüftern, begierig (angeätt, getödert). Ge: gefräßig: Die &.—keit. Nüdert Mal. 2, 162. Rur:: im Eſſen kürend, wähleriih. Une: [1] unihmadhaft, [2] appetitlos, fur-ä. Urs: vom Vieh, überjatt, im Futter herumwühlend, vgl. Schütze Holft. 3, 180. Eben jo: Uräglig) und als Zeitw.: Uräßen, urägen.

Weiter heißt es Br. 1 S. Wdc ff.:

II Kieſen, tr.: prüfend wählen: Dajs es mir zum Kieſen und zum Karten | an Zeit und an Geduld gebriht . .. Da braudjt du nicht viel, wie du fagft, zu farten und zu füren [j. d.) Baggeien 5, 35 :c.

Weiter folgen Belege, die ih mit Nüdjiht auf den Raum bier weg: laffe. Es genügt wohl, wenn ih mit Übergehung der Belege aus ältern Schriften nur die Namen der neueren Schriftiteller herſetze: Herder; Klopftod; Kojegarten; Pfeffel; Platen und nur aus dem in abece- liher Reihe zulegt genannten Wieland den Beleg anführe: „So habt ihr freie Wahl* ... Was braudt’S bier erjt zu kieſen?“ 20, 59.

Dagegen jege ih die Anm. ausführliher her. Sie lautet:

Goth. kiusan, abd. chiosan, mbd. kiusen, kiesen Helen; aber auch im der mweitern Bedeutung: ich ſchaue mit prüfendem Auge; finde, dafs es fo und fo ift, und alsdann von jeder finnliben Wahrnehmung; fo noch. Abra, geb, es iſt vonnötben, dais man beimlich ſich erfeft [fi umfieht|, ob die königliche Wade vor der Thür vor: banden ift. Opig, ſ. Schmeller und vgl. türen I, mit Übergang des „f" im „r“ im Impf. und Part. Präf., ſ. Graff 4, 507 und Benede 1, 825; Friſch 1, 169 fi.; Schmeller 2, 387; Biem. Wörterb. 2, 856 und vgl. wefen, Impf. „war“ ftatt des munbartl., veralt.: „ih was”; „Froſt“ neben „irieren“, ahd. vriosan; „Verluſt“ neben „verlieren“, abd. varliosan, vgl: Wer die Welt erlieiet, | dafs er Bott verliefer. Zint- gräf 1, 154 ff, f. Kur, küren und 3. B.: „Ehurfürften haben... Semalt, einen römischen Kaifer zu erlieſen und um folcher Erforung willen werden fie zugenennt Chur: fürften, als in deren Willkur ftebet, ein Kaifer zu ernamfen.“ Stumpf 312 a. Die Formen: „ich tor, babe geloren“ werben beute zu dem jett ſelten ſchwachformigen „türen“ gezogen. Selten und alterthüml.: Er bat fi die goldene Krom’, | id ven Blumentranz mir erlofen. Ubland 262 umd (Öfterreih.): Ich hab mir dieſe Seel für eine Feftung erlieſen. Abr. a St. Klara, Etwas für Alle 2, 686. Der vom Himmel abſonderlich erkiejene Kaiſer Rudolf. Derf. Wackernagel 3, 1, 906 3. 12). Zum Banner: träger ift der Thurm erfiefen. An. Grün Schutt 41. Kiefen, wie Zuſammenſ. gilt heute namentlich in der gehobenen Rede, zumal der Dichterfpradhe, daber fomiih, nament: lih in Berbindung mit dem Schwanten in der Form: Daid ih Sie zu meiner Haus» frau erloren, will fagen ertieft. Jul. Roderich Benedir 10, 49; doch gewöhnlich: (Schiff) einen Hafen kiefen = einlaufen ; die Räumte (f. d.) k. = in See ftehen. Zum jelben Stamm gebört loften, abd. chostön, mihd. kosten, unterfuchen, prüfend ichmeden, vgl. munbdartl., veraltet: Die Kiefer, Bier, Branntwein-, Weinliefer ıc., der ver: pflichtete Unterfucher des Getränk. Schmeller, f. gotb. kustus Prüfung, ahd. chust,

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mbd. kust, Prüfung, Befund und vgl. ald urverwandt gr. yevouaı, lat. gusto (ic ichmede, kofle). S. auch frz. choisir (wählen) Diez 594.

Bon den nun folgenden Zufammeni. (u. j. die von füren und wählen) übergehe ich hier aus-k. (noch bei Klopftod) und das veraltete ver-f. (— auf Etwas nicht achten, es aufgeben, j. Benede Mhd. Wörterb. und nod bei Scottel in einem Spridwort) und führe, in Bezug auf die Belege für ertiejen, mit Weglafjung der ältern, nur die Namen neuerer Schrift: jteller an, bei denen fih das Zeitw. findet: Bürger; Gotter; Haller; Leſſing; Lichtwer; Matthiffon: Mendelsſohn; Mujäus; Rückert; Stolberg; Tied; Voß; Wieland; einzig aus Goethe's „Hoczeitslied“ die befannte Stelle berjegend: Alles... kürt fih im Saale jein Plägchen,.... erkiejet ſich Jeder jein Schätzchen.

Erſt in meinem Ergänz.-Wörterb. (1885) habe id eine andere Er— klärung des Wortes kiesätig als die, wie von Schrader und mir, auch von vielen Andern angenommene, erwähnen zu müſſen geglaubt, aber dieſe Erklärung rührt auch von keinem Geringeren her als von unſerm General⸗Poſtmeiſter Dr. Heinrich Stephan, „dem thatkräftigen Förderer ber Reinheit unſerer Mutterſprache“, wie ich ihn in der Widmung meines „Verdeutſchungswörterbuches“ (1884) genannt habe.

Ich laſſe das in meinem Ergänz.-Wörterb. ©. 21a unter „äßig“ Geſagte hier folgen:

uͤßig a: 1. vgl. auch: Gäns und Enten und andere „eſſige“ Spielis. Plater 16 ꝛc.

Anm.: z. B. auch: Brot, das ehs und niedlich iſt. Matheſius Sar. XIV (f. Friſch 1, 233), vgl. niederd, namentlich in der Gegend von Ratzeburg (auch in hoch— deutſcher Redej: Das Futter, Die Wieſe iſt „eht“ zum Kuhfutter geeignet, frei von Duwod (f. d.), der höchſtens von Pferden gegefien wird, Gegenjag: med, unett Heu. Schüte Holit. Jo. 1, 304 x. Mein Fleiſch ift gar unäß („unäß“), | e8 ift fein Bauer fo grob, der's fräß. Waldis Eiop 3, 12°. Uneſſe Schwarzbrot und verborrete Fladen. Weber Anna 404 :c., auch übertragen häſslich, unfein zc.: Ich machte es ja zu grob und umeffe „vneſſe“]) wider die armen, elenden Jüden, daſs ich fo ſpöttiſch und höhniſch mit ihnen handele. Putber 8, 122.

Ziign. 3. B.: Ein Stuhl ift wurm:ä.[-ftihig). Keifersberg Narr. 184 a. Von dem löcherten, wurm-ä—en Holz Di. Schiff 18a ꝛc.; ferner: Kur— vgl. niederd.: Kiesätig effen Mar Jähns Noff. 1. 37 x. und: Das Wort heißt, in feine Beitandtheile zerlegt, fiesetig umd Kies [vgl. Kufe ı] heißt holländiih: der Badzahn, wie eten: ejjen. Die Hohlkauer oder ihlehten Effer nennen die Holländer Kiesfaaumwer, gleih wie ihr Beit- wort: fiesfaaumwen langjam kauen bedeutet. Stephan, Fremdwörter 68 b und National-Ztg. 30, 101, mo derjelbe gegen die Herleitung: im Ejjen fiefend, furend, wähleriih :c. geltend madt, dajs das Wort etkiefig heißen

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müjste, (doch vgl. 3. B. die Zſſtzg. fürbaumen ꝛc.); ſ. auch niederd. krü— datſch (Schütze Holjt. 2, 358), krüd'ſch, (in Meklbg.), eig.: nur „Krüde* . Kraut Anm., vgl. Friſch 1, 545c] effend, vgl. in der niederd. Über: fegung von Agricola’s Sprihw. 147: Me darf einem Hungerigen de Spije nicht vel früden, wo es im Hodd. wurgen (würzen) heißt und 226: Krüdefop Wurgfauf, Würzfauf]; 248: Krüde |Wurge, Würze] ſ. Yatendorf Agri- cola 38 x.

Hier möchte ih noh aus dem Werke:

Das Königlihe Nieder- Hoch: Teutih, und Hod- Nieder: Teutib Dietionarium, ober beider Haupt: und Grund: Spraden Wörterbud ꝛc. . .. Von Matthia Kramer ꝛc. Nürnberg [1719] noch folgende Stellen berjegen:

(1 ©. 145c) Kies, Baden-zahn. v. achter-tand: holle Kiezen hebben, hole Badenzähne haben.

Kieskaauwen, fleinmängeln, i. e. nicht ber&haft efjen, mweilen einem die Speije nicht mäulet, nicht niedlich zugerichtet zc.

(I! ©. 23c) Baden-zähne, Mal-zäbne, Bad, of Maal-tanden, Kiezen, Hoek-tanden, Achter-tanden.

Bielleiht fühlen ſich Yeier dieſer Zeitichrift, namentlih in Holland, angeregt, über das fraglihe fiesetig oder fiejetig (denn die Silben» theilung ift im Vorſtehenden nod nicht erledigt) weiteren Aufſchluſs zu geben.

" Bis in die Puppen.

In meinem Wörterb. II S. 605 b ff. babe ih unter „Puppe“ in Nr. 1 aufgeführt:

a) Spielwert für Kinder, Dode . . . fJ etwas fehr Yiebes, ein Gegenftand befonderer Vorliebe und leidenihaftliber Neigung (vgl. Steden- pferd 2)... g) wohl zu f (und a) gehört die Wendung: Etwas über die über alle Puppen lieben, loben über Alles, über alle Begriffe, ungemein zc. und dann verallgemeinert: Freiſinnige und bis über alle Puppen liberale Schriftftüde. Volls-Zta. 9, 260 ꝛc., ähnlih: Das geht bis in die Puppen, ſehr hoch hinauf, bat feine Grenzen. Ober jollte etwa (ſ. «) an die Figuren des Kartenjpiels zu denten fein?

In Bezug auf das weiter Folgende will ih gleih hinzufügen, daſs ih in Nr. 2 gejagt habe:

übertragen auf Puppen-Ähnlihes: ... . c) im Felde aufgerichtete Garben, ſ. Dode 2a und Mandel 2a und Anm. [gedeutet als ſüddeutſche

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Berkleinerung von Mann, mit dem Hinweis darauf, dajs man z. B. von ſich aufrecht binftellenden Hafen zc. jagt, dajs fie ein Männden, Männlein, mundartlid Mandel maden].

In meinem Ergänz.-Wörterb. S. 397 b habe id nit unter Buppelg unerwähnt laffen zu dürfen geglaubt, daſs Bühmann in feinen Geflügelten Worten eine andere Deutung gegeben hat, die ich aber durd ein beige- jeßtes (?) als mir jehr unmwahrjcheinlich bezeichnet habe, wie ih ja auch das in meinem Wörterbuch (1g) Gejagte ja nur als Deutungsverjude, nit als fihere Deutungen den Nachſchlagenden dargeboten habe.

Nun aber bringt die Boffiihe Zeitung vom 16. Nov. 1896 das Folgende, das ich meinen Leſern nicht vorenthalten zu dürfen glaube:

Für den befannten Ausdruck „Bis in die Buppen* geben Bühmann’s „Beflügelte Worte“ folgende Erklärung: „Der Arditelt Frhr. von Knobels— dorf umgab den Großen Stern, einen Pla im Berliner Thiergarten, in den erjten Negierungsjahren Friedrich's des Großen mit franzöfiihen Hecken und ftellte neben den einmündenden Allen mythologiſche Statuen auf. Der Pla befam im Munde des Volkes deswegen den Namen „Die Puppen”, älteren Berlinern nod heute (Zeit der 1. Auflage, 1864) wohl: befannt. Da er nad damaligen Begriffen einer der entlegenjten Spazier: gänge war, jo gewann der Ausdrud „Bis in die Puppen“ dadurd bie Bedeutung für „Zu weit!“ In Übereinftimmung hiermit beißt es in der Sammlung „Der richtige Berliner in Wörtern und Medensarten“ unter „Puppe“: „Am großen Stern im XThiergarten ftanden früher mythologiſche Statuen. Daher die Nedensart (aus der Zeit, als zwijchen Berlin umd Charlottenburg noch Sandweg war): (Der ift durch) bis an de Buppen“, d. i. er hat die größere Hälfte des Weges zurücgelegt. Das jegt oft gehörte „bis in de Puppen“ (d. i. jehr weit) hat feine Begründung.“ Eine ähnliche Erklärung der Medensart „Das geht bis im die Puppen“ giebt Trachſel's „Sloffarium der Berliner Wörter“. Augenjceinlih haben beiden legtgenannten Werfen Büchmann's „Geflügelte Worte“ als Quelle gedient.

So wenig nun der Ausdruck „bis in die Puppen“ als Berliner Nedensart in Anſpruch genommen werden kann, jo unzutreffend ift die bier gegebene Erklärung feiner Herkunft. Zuvörderſt ift feftzuftellen, daſs die uralte und allbefannte Nedensart in ihrer urjprüngliden Faſſung nit lautet: „Er (oder das) geht bis in die Puppen“, jondern: „Es regnet bis in die Buppen“.

[Hier wären nun freilich ältere Belege für die „uralte“ Redensart jehr erwünſcht oder vielleiht nothwendig gemwejen, und der Bf. des Auf: ſatzes dürfte, falls er ſolche Belege nachträglich noch hinzufügen könnte, feinen

2 ME

„Erllärungsverfuh“ als wirklihe begründete „Erklärung“ bezeichnen. Er fährt aber ohne Weiteres fort:)

„Wie zablreihe Medensarten und Bilder unferer Sprade aus den älteften Gewerben umd Betrieben menihliher Thätigfeit, aus der Jagd, der Landwirthidhaft, dem Bergbau u. j. w. zu erklären find, jo entftammt auch unjer Ausdruck dem alten Boden der Landwirthſchaft, gemauer des Getreidebaues. In vielen Gegenden, namentlih folgen, die zur Erntezeit erfahrungsmäßig unter der Ungunft der Witterung ftark zu leiden haben jo in Thüringen, Oberjahjen und der Yaufif, aber auch in faft ganz Schlefien und einem großen Theile Pojen’s und Weſtpreußen's wird das gemähte und in Garben gebundene Wintergetreide (bauptiähli der Weizen, der jehr leicht auswächſt) zum Schuß gegen Regen und Sturm, und um ihm die nöthige Nachreife zu fichern, in „Puppen“ gejegt. Der durchaus. zutreffende Name erklärt fih aus der Form derartiger Getreide- haufen ohne Weiteres. Wer fi über diejes „Puppen des Getreides“ näher unterrichten will, findet Ausführliches darüber in bekannten landmwirtbidaft- lihen Lehrbüchern (Schlipf, v. Roſenberg-Lipinsky u. a.); bier fei zum Berftändnis nur kurz Folgendes bemerkt. Eine regelreht gebaute Puppe befteht aus zehn Garben. Zunähft wird eine etwas größere Garbe ſenk— recht feſt hingeftellt und an dieje ringsum weitere acht Garben angelehnt, jo dafs fih eine Garbenpyramide bildet, in der jämmtliche AÄhren oben zufammenliegen. Zum Schuge der Ähren wird dann die zehnte Garbe ungefebrt mit ausgebreitetem Stroh trichterförmig auf die Spike der Byramide feft aufgeftülpt, fo dafs die Ähren dieſer „Dedgarbe“ ringsum zur Erde hängen. Die Dedgarbe muß bejonders did fein und wird vor dem Aufftülpen an ihrem unteren (Schnitt-) Ende mit einem fräftigen Strohſeil jo feſt umſchlungen (gefmebelt), dajs man aud nidt einen Finger mehr unter das Seil zu zwängen vermag. Dann ift das Schnitt-Ende der Garbe, nunmehr die „Haube“ der Pyramide, völlig waſſerdicht: die Puppe ift gegen gemöhnlihe Negenfälle aufs befte geihügt, da das Waffer oben nicht eindringen fann und ringsum an Stroh und ühren der Ded- garbe unjhädlih abläuft. Nur wenn „der Regen jeglihen Tag regnet“, wird das Stroh der Haube mit der Zeit morſch, und fie bleibt ſchließlich niht mehr waſſerdicht: „ES regnet bıs in die Buppen“, jo heißt der Schredensruf des Yandmanns, der jeine Ernte gefährdet, wenn nicht gar vernichtet ſieht. Denn wenn der Megen die bis dahin geihüßten Ähren im Innern der Puppe erreicht, jo beginnen die Körner alsbald zu feimen; „es ift zum Auswachſen“ in des Wortes eigentlichfter, wie übertragener Bedeutung (au dieje Nedensart hat, beiläufig bemerft, ihren Urſprung in den bier in Rede ftehenden landwirtbicaftlihen Vorgängen). Und nur

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baldigfter Witterungswechſel, Wind und Sonnenſchein, verbunden mit den angeftrengteften Maßregeln zum Wuslüften und Trodnen des Getreides, vermag die Ernte vielleiht noh zu retten. Dies die natürlihe und ge ichichtlihe Herleitung unferer Redensart. Dajs die Eingangs beiprodene Erklärung und Ableitung von den Thiergarten-Buppen für den Ausdrud „bis in die Puppen“ unzulänglid ift, hat übrigens „der richtige Berliner“ fhon deutlih empfunden. „Bis an die Puppen“ foll es deishalb nad ihm beißen; „bis in die Buppen“ hat feine Begründung. Thatjählich heißt es aber überall und bat von jeher nur gebeißen „bis in die Puppen“. „Bis an die Buppen“ jagt aud heute noch fein Menſch; das iſt die will: fürliche Änderung eines althergebrachten Austruds, erdadt, um einer künſt⸗ Iihen Erklärung zu ihrem Recht zu verhelfen. Und althergebracht ift der Ausdrud, weit, weit älter als Snobelsdorf und feine Thiergarten- Puppen. Denn das Puppen des Getreides betreibt der Landwirth ſeit unvordenklicher Zeit, und jo lange er Puppen jegt, jo lange hat es auch ab und zu ge regnet „bis in die Puppen“.

Die bier gegebene Erklärung ift ſehr wahrſcheinlich, und der Bf. fonnte wie gejagt durd Beifügung älterer Belege für die Redens— art: „es regnet bis in die Puppen“ fie auch als eine fiher begründete bezeichnen.

Bielleiht darf ih zum Schluſs bei diefer Gelegenheit auh auf Das hinweiſen, was ih in meinem Ergänz.-Wörterb. S. 180 b nad brieflider Mittheilung des Herrn L. Mad in Bremen zur Erklärung der platt: deutihen Redensart: „Da bett de Uhl ſäten“ aus der Wegnahme der &arben (Puppen) durd den Zehnter angeführt habe.

Die Halligen.

Am Schlujs eines ſehr ſchmeichelhaften Briefes ſchreibt mir Prof. Franz Reuleaur:

„Nun erlaube ih mir noch eine wichtige Frage umd Bitte Es handelt fih um die richtige Beugung der ‚Halligen‘. Cine folde Inſel muſs nämlih nicht eine Hallig (iprih Halli), fondern ein Halling beißen. Das würde dann ftimmen zu der wichtigen Anzahl von braven deutihen Seemannswörtern, wie Beeting, Saling, Reeling, Pütting, Zurring mit der entiprehenden Mehrzahl: Beetigen, Saligen, Neeligen, Buttigen, Zurrigen, nicht, wie die falihe Vermuthung der engliihen Herkunft e8 fogar in amtlichen Schriften will: Beetings, Salings, Reelings, PBüttings, Zurrings. Ich berufe mid auf Pfennig Pfennige, auf mhd. cuning kunige, Könige, aber auch

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und num komme ich wieder zu Ihnen an den Strand auf Helling ſchräger Bogen, auf den man ein Schiff aufbaut, und Mehrzahl Helgen oder Hellgen. Das „ig“ (= id) am Schluſs von Hallig ift jo unnorddeutih wie Etwas; Halling aber ganz natürlid für die Strand- zunge. Wenn ih Recht habe, bitte, ftellen Sie doch die richtige Hyorm ber, was um jo wichtiger ift, als die Deutihen jih täglih mehr mit den Halligen beihäftigen, fie aber auch in der (feltenen) Einzahl ſprechen ſollten.“

In meinem Wörterb., in welchem ih überall auf den durch feine Beſtimmung vorgejhriebenen Umfang möglichſt Rüdjiht zu nehmen ge- zwungen war, batte ih (Bd. I ©. 665b) in möglihft furzer Faſſung geiegt:

„Dalligle) f., —en: Heine Inſel an der Nordfeefüfte, worüber das Meer bei jeder Fluth hinweggeht, weishalb die Häufer auf Werften (j. d.) oder Erderhöhungen ſtehen.“ Mügge Vogt v. Silt 1, 52 ff.

Anm. So aub Haligland oder Helgoland, vgl. Halte und Halm 2 und „Zhals hellig“, geneigt. Herr’ Senela, f. Leſſing 11, 624, wozu ic hier, aus der Anm. zu Halde nur das Folgende aushebe:

abd. halda, mhd. halde, zur Bezeichnung des Gemeigten, vgl. im übertr, Sinn vom felben Stamm hold geneigt; ferner: Um die Beiperzeit, da fih die Sonne fait haldet. Etterlin (ſ. Stalder) und dazu als Faltitiv: bälden (plattd. hellen), aufbälden, ſchief fielen, 3. ®. ein Faſs ... Ferner: Der Boden bebt ib... baldig. Fall merayer Or. 2, 8...; fo: Abbälpig, abihülfig Hebel 2, 275; aufbäldig fteil x.

Und in Bezug auf die „jeltene Einzahl“ von „Halligen” füge ih no einige Belege von Biernagky Hinzu:

„Im Gegenjag der größeren, durch Deihe und Dämme gefiherten Inſeln werden die Heineren Eilande Halligen genannt. Eine jolde Hallig ift ein flaches Grasfeld, das faum 2-3 Fuß höher liegt als der Stand der gewöhnlichen Fluth des Meeres ꝛc“ und weiterhin:

„Mand ein fremdes, aus feiner Bahn verjchlagenes Schiff jegelte

ihon in ſolchen Zeiten über eine Hallig hinweg ꝛc.“, Stellen, auf welche ih auch den vortrefflihen Prof. Franz Reuleaux in meiner Antıvort hinmwies, in der ih ihm auch ausſprach, dafs mir jeine Annahme, das Wort babe urjprüngli im Nominativ der Einzabl Halling gelautet, ſehr wahrſcheinlich fei, dafs mir aber fein Beleg für dieſe Form be— kannt jei, die feiner Vermuthung eine fihere Stüße gewähren würde. Bei diefem Anlajs habe ih aud auf einen ergöglihen Mifsgriff in Campe’s (von Berndt ausgearbeiteten) deutſchem Wörterb. hingewieſen als Beijpiel dafür, wie „Buchmenſchen“ zumeilen Wörter entjtellen.

Dort heißt es nämlih im 4. Theil S. 187b unter Schlinge:

„3. Im Schiffbaue find die Schlingen vier ins Kreuz befeftigte Hölzer an jedem Mafte, auf melden der Maſtkorb fteht.“

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Der Ausarbeiter hat auf den zufammengetragenen Zetteln das (wahr: ſcheinlich undeutlih geihriebene) Sahlingen als „Schlingen“ gelejen, indem er den zweiten Buchftaben a für ein c anſah Darauf antwortete er mir: „Die Geihihte von Campe's drolliger ‚Schlinge‘ fannte ih ſchon.“ Hauptjählih aber ihrieb er mir:

„Was ih bitten möchte, ift, fich feetüchtige Männer heranzubitten und von ihnen zu hören, zu erhorchen, wie es heißt und richtig ift; denn fie wiffen es zwar nicht, aber fie jprechen es richtig.“

Darauf möchte ih hier dem verehrten Prof. Franz Reuleaux freund: lichft erwiedern, daſs in jedem Betraht er, der Nüftige, um 10 Jahr Jüngere, in voller Mannestraft und Wirktiamfeit Stebende, der bei Weiten Berufenere und Befähiatere ift als ih in meinem hoben Greifenalter und bei meiner höchſt ſchwankenden Gejundheit. Und ich werde mid jehr freuen, wenn es ihm gelingt, jeine wie gejagt mir ſehr wahrideinlih bes dünfende Vermuthung als eine feit und ſicher begründete nachzuweiſen. Aber jelbft in dieſem Falle könnte ich es nicht unbedingt empfehlen, die alte Form Halling in unfre heutige Sprade für Hallig zurüdzuführen, wie ih bin überzeugt auch Prof. Neuleaur es nicht billigen würde, wenn man die (von ihm jelbjt angeführten) in der heutigen Sprade durd- gedrungenen Formen: Pfennig, König dur die ältern Formen Pfen— ning, Köning erjegen wollte.

Alles Gute zum neuen Yahre!

gu meinem Ergänzungswärterbud). A.

Sn der jehr empfehlenswerthen „Bedihtjammlung aus ben legten 150 Jahren deutjher Dihtung“ von Dr. Alfred Puls 1895 !, die in der abecelihen Reihenfolge nah den Namen der Dichter geordnet ift, Habe ih nachdem ih das Ganze im Allgemeinen durch— geſehen zunächſt die erften 55 Seiten umfafjend die Dichter von A—D, von Aleris Aar bis Annette v. Drofte-Hülshoff au genau im Einzelnen prüfend durchgenommen, um zugleih die daraus für mein Ergänzungs:Wörterbuh zu jhöpfende Bereiherung (ſei es an beachtens— werthen BBelegitellen, jei es an nadzutragenden Wörtern, freilih zumeift an Zufammenfegungen, die nah Ähnlichkeit fih in Menge bilden laſſen und feiner Erklärung bedürfen) zu gewinnen. Die jo eingeheimste Ernte biete ih nun im ‘Folgenden meinen Leſern dar, wobei ich natürlich die in

S. Zeitſchr. IX ©. 356. Beitfchrift j. deutſche Sprade. X. Jahrg. 32

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meinem Wörterbub und deffen Ergänzung bewährte Ancrdnung der Zu: fammenjegungen unter dem betreffenden Grundworte beibehalten habe.

Fortiegungen gedenke ich vielleicht gelegentlih folgen zu laffen, je nahdem ih dazu die Muße und bier in der Zeitichrift den nöthigen Raum finde. Und nun ohne Weiteres zu meinen Aufzeichnungen:

Adlern tr.: Den filbergeadlerten Helm. ©. 46 b. Dahn,

Bar a.: Zufammenfegung.: Spielend, jo forgenbar [iorg(en)los), wie junge Geier im Nefte. S. 54a. Annette v. Drofte.

Blinzen intr.: Zujammenjegung: Des Weihen... ., der... | blinzt in die PBinien nieder. ©. 54a. Di.

Ge⸗-blitze n.: Wie eleftriijh euer vankt | von Aug’ zu Aug’ ein Geblitze. ©. 54b. Di.

Blond a.: Die feuerblonden Yoden. ©. 45a.

Braut f.: Als erobert die Ehrenbraut [die Stadt Paris von Blüder). ©. 18. Auguft Bercht.

Erde f.: Wir folgen unfrer Adler Flug | und unfer ift die Erden. ©. 44a. Dahn.

Toren tr.: Zufammenjegung: Umsfloren... An feinen prächt'gen ungen | dent er voll Weh mit nadtumflortem Sinn. ©. 5. Herm. Allmers.

Fluthen intr.: Zufammenfegung: Umfluthen tr.: Die Stute... . . Ihneeihimmernd [j. u.), zum Grunde gebeugt | den mähnum- flutheten Naden. ©. 53a. Annette v. Drofte.

Furde f.: Zufammenjegung: Bon Sturmesfurden ift die See gefräujelt. ©. 50b. Dingeljtebt.

Gran a.: Zufammenjegung: Dem Yüngling ſchien zu nebelgrau das ſchlechte Land der Sachſen. ©. 45b. Dahn.

Häkeln intr. 2c.: mit (oder: wie mit) Kleinen Haken fethalten: Die Nanfe hätelt am Straude. ©. 5la. Annette v. Drofte.

Hand f.: Zufammenfegung: Aber ihr Darbenden, Elaget noch länger | falt war die Spendehand. ©. 47b. Dahn.

Hart a.: Zujammenjegung: Es das deutihe Volk) ſchwört bei dem theuern Blute, | mit dem ihr uns den Sieg erwarbt, | dajs es mit feljen- hartem Muthe | einfteht, wofür ! ihr fümpfend ftarbt. ©. 43b. Ernft Eurtius.

Heiß a.: Zujammenfegung: In vollem Drange | der Piebe für das Baterland | feid ihr mit jugendheißer Wange | gefallen auf dem rechten Stand. ©. 43a. Ernſt Curtius.

' Bgl. in der ungebundenen Rede gewöhnlich: für Das, wofür.

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Hülle f.: Zufammenfegung: Indeſs der Geift auf lichtem Flügel durh alle Nebelhüllen drang. ©. 43 b. Ernft Eurtius,

Hut m: Zufammenfegung: Den Wanderhut ſchwenk' id, nad Sceidender Art. ! ©. 15b. Ludw. Bauer.

Kappe f.: Zuſammenſetzung: Nun bis zur Satteltappe im Sprung den Kopf er biegt. ©. 47. Dahn.

Kitt ın.: Zufammenfegung: Ihr Heilig Opfer flamm’ uns ins Ge- dädtnis, | wenn wir des neuen Reiches Tempel bauen. | Zum Tempel: fitt empfahn wir ihr Vermädtnis: | der Freiheit Geift und brüderlid Bertraun. S. 13. Ludw. Auerbach. In der ungebundnen Rede, jcheint mir, würde für den Bau eines Tempels mehr die Bezeihnung Mörtel als Kitt pafjen, was freilih hier nit in das Versmaß pafft.]

„Keliffen. —s; -8, —e (engl) = Klippe (f. d. u. Fremdwörter: buch ꝛc.)“ [Ergänz.-Wörterb., mit Belegen], dazu:

Plöglih zudt, es flattert der Weib | und klatſcht in taumelnden Ningen | überm Kliffe jein wilder Schrei. ©. 54a. Annette v. Drofte.

Flirten intr. ꝛc. Zujammenjegung: Den Helm geſchloſſen, blanf das Schwert, den Schild umflirrt von Pfeilen ꝛc. ©. 46 b. Dahn.

König m.: Zujammenjegung: Nicht umfonft gab ih dem größten Waffentönig [Egel] dieſen Leib. ©. 45a. Dahn.

Ent:lang: nod ein Beleg für die Fügung mit nachfolgendem Accui. Sie jhlendern entlang das Gefteine S. 54a. Annette v. Drofte.

In meinem Wörterb. (II ©. 375 4) habe ih bei nächthich unter den Zufammenfegungen auch allnähtlid mit der Erklärung: „jede Nacht (ftatthabend, Naht für Naht, nachtnächtlich)“ angeführt umd belegt. Ich füge dazu von eben daher: „Nachtnächtlich adv.: allnächtlich“, mit Belegen, woraus id bier nur die folgenden zwei berjege: „Zagtäglih und nachtnächtlich“. Kofegarten Rhapſ. 2, 153... „Nachtnächtlich giebt Natur die frifhen Träume, tagtäglih neuen Sinn.“ Leop. Schefer, Laien: brev. 305.

Niht erwähnt ift bei mir (und fo meit ih ſehe in allen bisherigen deutſchen Wörterbüchern —) die Form allnädtig, die nament- lid in der Zufammenftellung mit alltäglich (vgl. jevoh alltägig in meinem Wörterb. III S. 1281 b und Ergänz.-Wörterb. ©. 549 a) auf: fallend flingt und mehr durd den Neim als dur den Spradgebraud in

ı In ungebundner Rede würde man den jächfiihen Genitiv bier wohl vermeiden, weil der Hörer die Form Scheidender ftatt als fähfifchen Genitiv des baupt- wörtliben Mittelmortö in der Mehrzahl auch als weibliches Beiwort zu dem meib- fihen Hauptwort Art ziehen könnte, vgl. (ohne den Zwang ded Neims) 3. B.: wie Scheidende thun x.

32*

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folgendem Bersgebinde von Dahn herbeigeführt jheint (f. Puls a. a. O, ©. 45a): „Sieben Jahre mädtig. mächtig | hab’ ich diefen Tag erfehnt ſchon alltäglich und allnädhtig | hat mein Harren fi gedehnt.“

Pforte f. Zufammenjegung: Braufe in Wonne fort, | heilige Yandes- pfort’ [Roblen). ©. 12a. E. M. Arndt.

Negen n. Zujammenjegung: Sie ftürmten vorwärts trog Öranaten- regen. ©. 12b. Ludw. Auerbad, vgl. Rugelregen.

Keinen tr. (dihteriihd reinigen), 3. B. aud: Vom Blute zu reinen die Wangen. ©. 18a. Auguſt Berdt.

Säbeln tr., 3. ®. aud: Franzofen zu jäbeln, Das däucht ihnen gut. ©. da. M. Arndt.

Gefait m. —(e)8; —e: die Gejammtheit der Saiten eines Ton— werkzeugs: Die du mufsteft zu rühren lieblich, wie feine, der Harfe Gejait. ©. 47b. Dahn.

Schimmern intr., tr.: [hneefhimmernd, ſ. o.: umfluthen.

Schleier im. Zujammenjegung: Ihren Schattenjhleier jenkte die Naht. S. 50 b. Ernft Dohm.

Schleudern tr. xc.: Zufammenjegung: Umjdleudern (u .) tr. 3: B. aub: Bon des Königs umihleudertem Haupte raſch er ben Helm, den gefährdenden, raubte. ©. 47a. Dahn.

Schnitt m.: Zufammenjegung, 3. B. auch: Wie flogen da die Hiebe nicht, wie ftürzten die Kohorten, | gleih ühren unterm Sichelſchnitt, gejenften und verdorrten. ©. 49. Dingelftedt.

Schroten tr. Zufammenjegung: zerihroten, 3. B. aud: Drei Männer ritten durchs Heidegefild, | den Helm zerihroten, zerhadt den Schild. ©. 44a. Dahn.

Speeren tr. Zufammenjegung: Turdhjpeeren (= mit Speeren durhbohren 2c.): Da ftürzt mit durchſpeeretem Noffe Theobald unter dem Sturm der Geſchoſſe. ©. 47 b. Dahn.

Gerjtein n., auch dreifilbig mit hinzugefügtem e am Sclufs, j. o.: entlang.

Stumm a. Zujammenjegung: Und alles Wehellagen und Röcheln ringsherum | wird bei den Orgeltönen allmählih grabesftumm. ©. 16. Otto Beneke, vgl. grabftumm. Ergänz.-Wörterb.

Sünden intr. ftatt des üblieren fündigen, z. B. aud: Aber Urban bat, der Bapft, es verkündet: | Völliger Ablafs, wie viel er ge fündet | ihm, der den König der Ketzer erjhlägt. ©. 47a. Dahn.

Toſen intr. Zufammenfegung: Ertojen; altertbümelnd: Hört ihr die Hörner des Feindes erdojen? ©. 46 b. Dahn.

41

Wal f. (ſ. Wahl, Anım.), alterthümlid Walh)lftatt ꝛc.: Die Hunnen jauchzen auf blutiger Wal. ©. 44a. Dahn.

Weih m. :c. (Raubvogel), wechſelnd im ſprachlichen Geſchlecht und in der Abwandlung, 3. B. aud: Der Sonnenpfeil | prallt an des Weiben Gefieder... . Es flattert der Weih ꝛc. ©. 54a. Annette v. Drofte.

Weiten tr. ꝛc.: Web euch, ihr goldenen, ftaufiihen Loden! | weh, du gedanfengeweitete Stim! ©. 47b. Dahn.

Werden intr.: Ein Fremdling warft du Chamiſſo) unjerm deutſchen Norden, | in Sitt’ und Eprade andrer Stämme Eohn; | und wer ift beimifher als du ihm worden [ftatt: geworden]. ©. 50b. franz Dingeljtedt, vgl. weiterhin bier ©. 430.

Zehen intr. Zufammenfegung: Vergehen: Das ift der geipenftige Gräberfneht, | der dem Meifter die beften Torfe verzedt. ©. 51h. Annette v. Drofte vgl. nebenbei bemerkt: Torf-Gräber und Meiſter und (ſ. Wörterb.) über die Mehrzahl von Torf mit und ohne Umlaut|.

Zeichner m., 3. B. auch: Wie lohnteft du den Zeichnern Diele Narben? ©. 77b Gaudy. den Feinden, deren Schwerter dich mit diejen Narben gezeichnet (dich verwundend).

B. Einiges andere noch in meinem Grgänz.:Wörterb. Nadzutragende.

Hier glaube ih füglich noch das Nachftehende anreihen zu dürfen, das mir zur Zeit grade zur Hand liegt:

„Buntes Allerlei.‘

a. Buren.

In meinem Fremdwörterbuh (1871) 1 ©. 158 b ff. habe ih auf: geführt:

Boer: 1. (doll. bur) m., —s, —en; —s, —en: „Bauer“, befonders in ber Kapfolonie die Grundbefiger holländifcher Herkunft (mit Belegen). In der neuern Zeit findet man dafür häufig die der deutihen Ausſprache fih anjhließende Schreibweife Bur (vgl. Streik ꝛc, früher in ber ur: fprüngliden engliihen Schreibweiſe Strife ıc.), wofür id zugleih für damit zufammenhängende Wörter einen Beleg aus der Nat.-Ztg. 46, 409 berjege: „Ob im deutihen Schußgebiet in Sübdoftafrifa holländische Buren in großer Anzahl zuzulaffen find... Boerneinwanderung

. . [E$] beläuft fih der ganze Treſchk (Zug) auf 400 Familien . Der Treſckt befteht meift aus fogenannten Bywoners (feinen Weide- pädtern) ꝛc.“

42

Daran jchließt fih denn aud das zielloje Zeitwort: buren (mit „haben“) als (oder wie) holländifhe Buren leben und wirtbichaften, wofür ih aus der Morgen-Ausgabe der Nat:Ztg. vom 16. Nov. 1895 (Nr. 652) die folgende Stelle herſetze:

Bor Allem müffen Sie bedenken, dafs Sie hier nicht Aderwirthidaft, jondern lediglich Viehzucht betreiben fünnen; deishalb ift eine Farm von 10000 Morgen eigentlih etwas zu Fein für einen Europäer, der, wenn er vorwärts fommen will, mit circa 100 Zuchtkühen und circa 200 Stüd Kleinvieh zu buren beginnen mujs. Cine ganz ähnlihe Stelle findet fih nod im weitern Verlauf des Auffages.

b. Dampfklar.

Für die Abreife Kiamil Paſcha's ftanden feit Donnerstag, dem 7.d. M., zwei Kriegsschiffe, und zwar der Raddampfaviſo „Talia“ und das Trans: portſchiff „Jsmir“ dampfllar. Nat.Ztg. 48, 651.

Das Schlufswort wäre nod in meinem Ergänz.:Wörterb. S. 305 c unter klar 6a nadzutragen, entipredend den dort gegebenen Belegen für far als Seemansausdrud nebft den Zufammenjegungen wie, „gefechts-, jee=, jegel-Har ꝛc.“ fertig und bereit zum Abdampfen.

c. öden.

Dies Zeitwort ıft freilih in meinem Wörterb. (II ©. 463, vgl. Ergänz.-Wörterb. S. 376 a) als ziellofes und als zielendes Zeitw. auf: geführt, als letzteres mit der Erklärung: „öde machen“, doch mit dem Zufag: hochdeutſch, gewöhnlich nur in Zufammenfegungen; aber nachzu— tragen wäre dazu aus dem „Deutichen Reichsblatt“ 15, 370 a der folgende Satz: „Ich babe Sie oft, fo fagte er [der Landrath Freiherr v. Nict- bofen in Sauer] mit Schreibereien mehr öden [quälen, langweilen] müffen, als mir lieb war.” Diefe Bedeutung des zielenten Zeitworts öden wäre noch in meinem Ergänz.-Wörterb. nadhzutragen gemwejen.

d. Tragſam a.

In meinem Wörterb. III ©. 1351 c habe ih dies Eigenſchaftswort freilich aufgeführt, aber doch nur mit Rüdfiht auf die Zufammenfegungen. Für das Grundwort jelbft trage ih nun aus einem Aufſatze von Ed. v. Hartmann in Zolling’8 Gegenwart (48, 149 b) den folgenden. Sat nad). „Der Geift war zuerft zum tragfamen Kamele geworden, indem er fich dem ‚du follft‘ geduldig beugte“, bereitwillig, mit Ergebenheit die zu tragende Laft oder Bürde auf fih nehmend, tragend, fih aufbürden lafjend :c.

BE

e. Als, für.

In meinem Wörterb. 1 ©. 669b/c heißt e8 unter halten in Nr. 7:

„Ich halte ihn für närriſch, für einen Narren, nad) meiner Auffaffung ifter es... Das für bleibt aber zuweilen fort, namentlich vor einem Eigenihaftswort, wenn diefem ein Komplement oder überhaupt irgend ein Zufak vorangeht oder wenn es durd ein jubftantiviiches Ver— bältnis umſchrieben ift . . . [mit Belegen]; aud zuweilen, um das nahe Zufammentreffen zweier für zu vermeiden“ ꝛc., vgl. auch mein Wörterb. deuticher Synonymen (2. Aufl.) ©. 673 Nr. 3; Hauptihwier. ©. 12b/3a Nr. 2b x.

In der Parlaments:Ausgabe der Nat.-Ztg. vom 11. Dec. 1896 heißt e8 auf der 3. Spalte der 2. Seite:

„Er hält die Benugung des Ausgleihsfonds Für Etatsdeficits als ſehr gefährlich“, während es ſprachüblich nur heißt:

„Er hält die Benugung für nicht: als] gefährlich.“

Daſs bier an die Stelle des für das im Allgemeinen nit jprad- üblihe als gejegt ift, erklärt fih dadurd, dafs der Schreibende in einem ganz richtigen Sprahgefühl „das nahe Zufammentreffen zweier für hat vermeiden“ wollen; aber feinere Ohren werden durd die getroffene Aus- kunft nicht ganz befriedigt fein. Vielleicht würden fie ſchon weniger Anftoß nehmen, wenn es mit veränderter Stellung etwa hieße:

„Die Benugung des Ausgleihsfonds für Etatsdeficits Hält er für jehr gefährlich“, wobei die beiden für nicht durd ein einziges Wort, fondern durch drei Wörter getrennt find. Eine durdgreifendere Verbeſſerung böte der Erjak des Beitworts halten durd eins, das ſprachüblich nit mit für, fondern mit als verbunden wird, 3. B.: „Er betradtet (oder: ihm ericheint) die Benutzung des Ausgleihfonds für Etatsüberfhreitungen als jehr ge fährlih“ u. #. m.

f. Weniger, mehr.

In der Sonntags:Beilage Nr. 50 zur National-Ztg. vom 13. Dec. 1896 heißt es in einem Auffage von Emil Roland:

„Vor diejen hohen Wänden, an denen nur umbriihe Maler . . vertreten jind, empfindet man weniger Bewunderung eines einzelnen Bildes als mehr eine tiefe Achtung vor dem großen Zug in den Seelen diefer Menſchen ꝛc.“

4244

Hier ift das „mehr“ hinter „als“ zu ftreihen oder vielleicht durch „vielmehr“ zu erfegen.

C. Zufammenziehung.

L. Blellermann] ſchreibt in der Nat.-Ztg. 49, 733:

„Und Das fonnte und ift in diefer Aufführung geihehen.“

Das ift eine nit ganz korrekte Zujammenziehung (vgl. Hauptihwier. ©. 345 Nr. 2e). Das durch Sperrdrud hervorgebobene geſchehen ift, in jo fern e8 mit dem „fonnte“ verbunden werden foll, der Infinitiv, in jo fern es aber zu dem „ijt“ gehören joll, das Particip. Vollſtändig würde der Sa lauten müffen: „Das fonnte in diefer Aufführung ges ihehen Infin.) und ift dort auch geſchehen [Barticip]*. Um fi den bier durd das Gleichlauten des Infinitivs und des Particips einiger- maßen verbedten Fehler deutlih zum Bewuſſtſein zu bringen, verjude man die Zufammenziehung 3. B. bei dem Sage:

„Das konnte diefe Aufführung bewirfen Infin.] und bat es auch bewirkt |Particip].“

h. Geichehen, der Fall fein.

„Der Fall, der Ahnen zur Beurtheilung vorliegt, ift jo Mar, wie Das wohl felten zu geſchehen pflegt.” Georg Freiherr v. Ompteda (Roman-Bibliothet, 1897 ©. 32 a).

Hier müjste es am Schlujs richtiger wohl heißen: „wie es wohl jelten der Fall zu fein pflegt“ oder: „wie (es) wohl felten einer (ift)“, vgl. mein Wörterb. III S. 900 b, wo als Bedeutung von geihehen an- gegeben ift: „fi ereignen, zutragen, begeben; paifieren ꝛc, dem Paſſiv von thun entiprehend, doch ohne hKervortretenden Bezug auf ein thundes Subjekt“ —, während es eben da (1 ©. 397b) unter Fall Nr. 3 beißt: „etwas Borfallendes, fi Ereignendes, wirklich oder möglicherweiſe Ein- tretendes (vgl. Eventualität): Das ift der Fall [verhält fih fo], ift nicht der Fall ꝛc.“

i. Stellung.

„Als die Kleine zu ſchreien begann, nahm ſie die Mutter auf die Kniee, wickelte ſie dicht in die Flanelldecke aus dem Bettchen und ſummte ihr ein Lied.“ Freiherr v. Ompteda (Roman-Bibl. 1897, S. 364). Hier ſoll das vorangeftellte „ſie“ das Objekt im Accuſativ fein und das nachfolgende „die Mutter” das Subjekt im Nominativ; und jeder ver- ftändige Leſer wird fi jagen, daſs nicht umgekehrt was ja nad der graden Wortftellung das Nächftliegende wäre „ſie“ als Subjelt, „Die Mutter” als Objekt aufzufaffen jei (ſ. Hauptihwier. ©. 352 b):; aber, da aud zu der Umſtellung (Inverſion) nicht etwa der &rund vorliegt,

425

das tonlofe jie beionders hervorzuheben, jo hätte der Schriftiteller doch wohl beffer und richtiger niht von der graden Wortftellung abweichen jolfen, aljo: „Als die Kleine zu jchreien begann, nahm die Mutter fie auf die Kniee“ zc., vgl. ebenfalls tadelhaft (S. 37 b):

„Eine milde freundlihe Hand; eine Dame, die ihren Neihthum ver- wendet, die Armuth ihrer Nebeumenihen zu lindern, die beleidigte fie und wies ihr die Thür von Armenunterftügung hat fie Nichts wiſſen wollen“ :c., beffer, jeder Miſsdeutung entrüdt, etwa dur die Umwandlung ins Paſſiv: „. +. (die) ward von ihr beleidigt, fie wies ihr die Thür ꝛc.“

In den Hauptihwier. S. 353 heißt es weiter:

„Auch aus der Verwechslung andrer Kaſus können zumeilen Zwei: deutigfeiten entftehen,“ wovon auch bier noch ein Beiſpiel gegeben werden mag.

Sn der Meflb.-Strel. Landesztg. Jahrg. 11 Nr. 283 findet ſich der Sak:

„Erft jet wurde dieſe Hexerei der Polizei befannt, die der Staats- anwaltſchaft hiervon Anzeige machte.“ Der Form nad kann „der Polizei“ Genitiv oder Dativ jein und es ift aljo nicht unzweideutig flar, ob es fi bier um eine Hererei der Polizei handelt oder ob gemeint ift, daſs es die Polizei war, der erft jegt die Dererei befannt wurde. Verbeſſerungs⸗ vorſchlag:

„Erſt jetzt wurde der Polizei dieſe Hexerei bekannt, von der ſie nun der Staatsanwaltſchaft Anzeige machte“ —, vgl. z. B. auch bei Goethe im Anfang des 13. Kapitels von Wilhelm Meiſter's Lehrjahren (Bd. XV ©. 48):

„Wilhelm... überreichte, da er jeinen Handelsfreund nicht zu Haufe fand, das Empfehlungsichreiben der Gattin des Abweſenden“ ftatt unzweideutig: „der Gattin des Abmwejenden das Empfehlungsidhreiben“ u. A. m.

k. Willfahren. „Dem Wunſch, den das Motto ausipridt: Nehmt nicht den Zollftod gleich zur Hand Und fpreht von größer oder Meiner. fei um fo lieber willfahren, als Alle mindeftens die Anerkennung ihres Strebens verdienen.“ Noman:Ztg. 33, 4, Sp. 789 (v. Leixner), vgl. meine Hauptihwier. S. 338a, woraus id) Folgendes bier aushebe: „Willfahren: mit der Nebenform: willfahrten, ſchwachformig und untrennbar: ... Berfeft: (ich) habe gewillfabrt(et), ſeltner willfabrt,“

= a

j. Ausführlicheres nebft Belegen in meinem Wörterb. I S. 391 a, woraus ih bier aus Voſſens Odyſſee 1, B. 61 den Beleg beriege:

Hat nicht Odyſſeus Dir bei der Danaer Schiffen mit beiligen Gaben gewillfabrt?

1. Drudfehler, Sapjehler.

Die Behauptung, das Wort Drudfehler fei falid, weil ja der Fehler nicht von dem Druder, fondern von dem Seter gemacht worden und dann von dem Drudberihtiger überjehen worden und jomit un— berichtigt geblieben fei, dieie Behauptung ift ıumbegründet, weil das Be— ftimmungswort in der Zufammenfegung ja niht Druder, jondern Drud beißt und ein Drudfehler ganz richtig einen Fehler in dem Drud (d. 6. bier: in dem Gedruckten) bezeichnet.

Wenn Auguft Engelien in der vierten, verbefferten Auflage jeiner „Grammatik der neubohdeutihen Sprade” (1892) auf ©. 567 in dem „Sad: und Wortregifter" 3. 4 druden läſſt:

„Ein paar nahträglid bemerkte Satzfehler find hier berichtigt“, fo tft diefe (von mir durch Sperrdrud berporgehobene) vermeinte Ver— befferung in der That eine Verballbornung, in jo fern das dur den allgemeinen Gebrauch geihüßte, wie gelagt, ganz richtig gebildete, unzwei— deutige Wort durch ein ungebräuchliches, mehrdeutiges erjegt worden ift; ein Sapiehler fünnte z. B. eber einen Fehler gegen den Sakbau be- zeihnen als einen Seterfehler, der vor dem Drud nicht beridtigt worden ift.

m. Stellung.

„Der Balaft, eines der merkwürdigſten Bauwerke, die wohl in ganz Europa eriftieren ꝛc“ G. Karpeles in der Nat.-Ztg. 49, Sonntags-Beil. Nr. 51, ftatt: Der Palaft, wohl eines der merfwürdigften Bauwerke, die in ganz Europa eriftieren.

n. Zu der in der Zeitihrift „Bom Fels zum Meer‘ 15. Jahrgang, 26. Deft, S. 570 ff. gedrudten Rovelle „Hüte did, ſchön's Blümelein‘ von Frieda Freiin v. Bülow,

a. Zweideutigfeit.

„. . . Die Tagesblätter beiprehen meine Feſte und meine Toiletten, aljo Alles, was man verlangen fann.“ ©. 571a.

Diefer Sak der vortrefflihen Schriftftellerin ift jeinem Wortlaut nad nicht ganz unzweideutig, in jo fern das von mir duch Sperrdrud bervorgehobene Alles, wie das vorangehende „meine Feſte und meine Toiletten” als Objekt des zielenden Zeitworts „beſprechen“ aufgefafit

}, ,

werden kann; nach der Abfiht der Schriftftellerin aber joll es der Nominativ fein in einem unvollftändigen Satze, worin der Träger des Satzes, das Zeitwort, beliebter Kürze halber fehlt. Die Zweideutigfeit wäre befeitigt, wenn es am Schluſs etwa hieße: aljo Alles fift] jo, wie man es nur ver- langen kann. b. Bon.

Auf derjelden Seite heißt es in der nächſten Spalte:

„Ich hab mir von ihm erzählen laffen,” wiederum nicht ganz unzweideutig, f. in meinen Hauptichwier. ©. 324 b/5a unter dem Titelkopf von Nr. 4. Der Sa ſoll bedeuten: „Ich babe mir von Andern (aus Dem, was fie erzählten) über ihm berichten laffen, mir mein Urtbeil über ihn gebildet 2c.”; aber dem Wortlaut nad könnte der Sag auch fo aufgefafft werden, als ob er der Erzähler gewejen jei, dem die Schreibende zugehört habe.

c. Rribbel-Rrabbel n.

„Die Kinder find nieblih und gut erzogen und das Kribbel— Krabbel und helle Rachen wirkt belebend ꝛc.“ S. 572h, vgl. männlid: der Kribbelfrabbel in meinem Wörterb. 1 ©. 1005 a; Ergänz. Wörterd. S. 318c und in beiden Büdern: das Gekribbel (und) Gekrabbel.

d. Überan(ge)ftrengt (Particip) „Erihöpft und überanftrengt ift er.“ ©. 574a, richtiger: über:

angeftrengt, j. Hauptihwier. S. 299a und meine Schrift: „Sakbau“ ©. 21 und 33.

e. Erfreutheit f.

„Er begrüßte mich, wie immer, viel zu unbefangen, mit einem Schim- mer der Erfreutheit, dem die einfache Höflichkeit fordert, aber ohne alles Empreijement.“ ©. 575b.

Das Hauptwort Erfreutheit, als Fortbildung des mittelmört- lihen Eigenſchaftswortes (adjektiviihen Particips) erfreut, ſ. darliber mein Borwort zu dem deutjch-engliihen „Encyklopädiſchen Wörterbuh” von Muret: Sanders (S. Illb/IV a) fehlt nod in meinem Ergänz.-Wörterb. und ih habe daher diefen Beleg bier mittheilen wollen, ohne freilih das nad Sprahähnlichteit gebildete Wort empfehlen zu wollen, für das meines Eradtens: „Schimmer des Erfreutjeins“ volltommen ausgereiht hätte. Das franzöfiihde Emprejfement fteht bier durdaus an feiner Stelle als Ausdruf der fogenannten „Geſellſchaft“; das deutſche „eifrige Be- fliffenheit“ wäre hier wohl zu bedeutfam und zu ſchwerwiegend.

428 -

f. Aufſtrupfen.

„Er hatte den Rock ausgezogen und die Ärmel des Hemdes auf— geftrupft.* ©. 5756, wo das mundertlide aufftrupfen (vgl. platt: deutſch up-ströpen) für den gewöhnliden Ausdrud der Sähriftiprade aufibürzen vielleiht no in meinem Grgänz.-Wörterb. nachgetragen werden fönnte.

g. Was.

„Er... tönne fih überhaupt fein anderes Daſein vorftellen als Das, was er führe.“ ©. 75 b.

Was (j. d. in meinen Hauptiäwier. S. 327a/b Nr. 2.) ift nad dem heutigen Schriftgebraud durdaus an jeiner Stelle in Bezug auf das jubftantivifh (oder hauptiählih) gebraudte Das; bier aber ift das nicht bauptwörtlih gebraudt, jondern als Beiwort (attributives Eigenſchafts— wort) zu dem aus dem Vorhergehenden zu ergänzenden Hauptwort „Da= jein“, vgl.: „als das (oder dasjenige) Dajein, weldes (oder das) er führe“ und fo würde nah meinem Dafürbalten dem Gebraub der heutigen Schriftiprade gemäß die Schriftftellerin am Schluſs befjer gelegt haben: „als dasjenige, welches (oder das) er führe“, oder auch: „als das, weldes er führe” aber in dieſem letztern Falle füglih nicht: „als das, das er führe“, (wegen des harten Zujammenjtoßes der beiden une mittelbar auf einanderftoßenden das).

0. Damit ift teils Adverb (oder Umftandsmwort), theils Konjunktion (oder Bindewort), f. darüber mein Wörterb. II S. 3l4c/5a und Hauptidwier. ©. 88a. Wenn es z. DB. in der Nat.-Ztg. 49, 644 heißt:

„Die Pfeifhen, welche jih hören ließen, feien alle in der Fabrik Neffeguier an die Arbeiter vertheilt worden, damit fie damit die Führer der Socialiften auspfeifen jollten,*“ jo ift das erjte damit das einen Abfihtsiag anfnüpfende Bindewort, das zweite aber ein Umjtandswort, in der Bedeutung: „mit diefen Pfeifen“.

Vom Standpunkt der Spradlehre aus ift aljo gegen die beiden nur dur das einfilbige „fie” getrennten „damit“ Nichts einzuwenden; wohl aber liegt für ein feineres und empfindlicheres Ohr etwas Störendes in der raihen Aufeinanderfolge desjelben Wortes, ohne dajs ein bejondrer Nahdruf im der Wiederholung liegt, j. was ih unter dem Xiteltopf „Wiederholung“ in Nr. ı auf ©. 336b/7 aus einander gelegt. Bon dieſem Gefihtspunfte aus wäre der Schluſs des Sakes aus der Nat.-Ztg- nit tadellos, vgl. als Verbefferungsvorihlag etwa:

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„Zu dem Zmede (oder auch: in der Abfiht), dajs fie damit die Führer der Socialiften auspfeifen jollten.“

p. Stellung der Relativjähe (ſ. ©. 111 ff, wo auf andere Stellen hingewieſen tft).

Ein warnendes Beifpiel möchte ich noch Hinzufügen aus der Nat.= tg. 48, 587, wo auf der 1. Spalte der 3. Seite zu lejen iſt:

„Diefem Toaſt folgte ein Trinkſpruch des Dr. Krauſe auf den Großherzog von Baden, der”

Wer den Sat bis hierher gelefen oder gehört hat, muſs glauben, dafs dies hier am Schlufs ftehende bezüglice Fürwort „der“ fih auf das zulegt ftehende männlide Hauptwort: „Öroßherzog v. Baden“ beziehen ſoll, aber es heißt nun weiter:

„in Erinnerung an deſſen [?] joeben begangenen 7Often Geburtstag an die Gefühle appellierte, die für den hochberehrten Fürften bei jedem guten Deutihen lebendig find.“

Nun jagt fih freilid der Yejer oder Hörer, dajs unmöglid der Großherzog von Baden gemeint jein kann, als der, welder in Erinnerung an Jemandes [man weiß nicht weſſen?] Geburtstag appellierte ꝛc. und entdedt wohl aud, daſs nah der Abfiht des Schreibenden der Trink: jprud gemeint tft, der u. j. w. Uber darf Jemand, der für die Offentlichkeit ſchreibt, der Mitarbeiter einer angejehenen Zeitung, fi der- artige Nadläffigkeiten erlauben, die bei jedem denfenden Yejer Lachen oder Unwillen erregen müſſen? Es hätte etwa heißen müffen:

„Es folgte ein von Dr. Krauje auf den Großherzog von Baden ausgebradter Trinkſpruch, der ꝛc.“

Nahihrift: „Auch meit hinauf weilen die niedrigen Ufer des weit ſchiffbaren Aufidji gleih günftige Bedingungen auf, die heute nur ihre Kraft in großartige Üppigfeit an ausgedehnte Zucker- und Maispflanzungen verſchwenden.“ Nat.gtg. 49, 621 (aus einer Rede des Gouverneurs von Oſtafrika), ftatt etwa: Auch gleihgünftige Bedingungen weijen weit hinauf die niedrigen Ufer des weit jhiffbaren Rufidji auf, die zc.

g. Zweideutigleit; wenig; einig.

Nah gebührender Würdigung Schubert's, Spohr’s, Hummel’s, Mendelsjohn’S und einiger weniger bedeutfamer Muſiker. Nat.-Ztg. 49, 572 (2. Bfellermann)). Nah dem in meinen Hauptihwier. ©. 125b unter „einig” Nr. 3 und ©. 333 Nr. 2c unter „wenig“ 2c Aus— einandergejegten würde 2.8. beffer (und unzweideutig!) geſchrieben haben: einiger weniger [oder minder] bedeutjamen Mufiter.

A

r. Zweidentigfeit.

„Die Unterdrüdung jener Anſprache im amtlihen Berichte erklärt jih für jeden Unbefangenen am natürlichſten wohl daraus, dais fie [das kann fih ſprachlich doch nur auf das Subjekt: die Unterdrüdung beziehen, nicht aber auf das davon im Genitiv abhängende: die Aniprade, wie es der Leſer auffaffen fol] eben eine Ymprovifation Baudin's war, wie der Beſuch bei den Präfidenten der beiden Kammern eine ſolche des Zaren.“ Nat.-Ztg. 49, 599, vgl. als Berbefferungsvorihlag: „Dass jene Anſprache im amtlihen Bericht unterdrüdt [oder vielmehr: nicht erwähnt] wurde, erflärt fih ... .. daraus, dajs fie u. f. w.

s. Wollen.

„Er follte ſogar Raffaella Damtani zur Herzogin haben maden wollen.“ Nat.-Ztg. 49, 592 (Telmann), wo für die drei legten Wörter rihtig, wenn auch ungefüge, hätte gejegt werden müffen: machen gewollt [Particip, nit Infinitiv) haben, vgl. beffer mit anderer Wendung: Es hieß fogar, dajs er Naffaella Damiani zur Herzogin babe machen wollen [Particip in einer dem Infinitiv gleichlautenden Form!)l, ſ. meine Schrift Satzbau und Wortfolge S. 143—145.

t. Geworden und worden ſ. hierüber in meinem Wörter. IIL S. 1569a und b und danah Haupt: ſchwier. S. 335b Nr. 3a und b und das dort Angeführte, wie aud die abecelih geordneten Anhaltsverzeihniffe meiner Zeitihrift und in dieſem Hefte S. 421. Dazu füge id noch aus dem 2. Beiblatt der Nat. Ztg. 49 Nr. 626 den folgenden Say des Synodalen Baumann:

„Die armenifhen Berfolgungen würden nit jo ausgedehnt ge- worden fein, wenn fie nicht einen politiihen Hintergrund hätten,“

Hier ift das hervorgehobene ausgedehnt nicht einfahes Particip oder Mittelmort des zielenden Zeitwortes ausdehnen, jondern adjektiviſches (eigenihaftswörtlihes) Mittelwort, das hier aud, entiprehend dem Subjelt, in der Mehrzahl jtehen könnte: „Die... . VBerfolgungen würden nicht ‚jo ausgedehnte geworden jein,“ wo das geworden nicht ohne feine erſte Silbe hätte ftehen dürfen, vgl. dagegen umgelehrt 3. B.: Das macedonijdhe Königreih ift durch Wlerander den Großen zum Weltreih ausgedehnt worden (pajfiv, entiprehend dem aktiviſchen Satze: Alerander der Große bat das macedoniſche Königreich zum Weltreidy ausgedehnt) und wo als reines Particip des Hilfszeitwortes werden nah dem heutigen Spradgebraud niht geworden ftehen dürfte,

41

u. Zur Appofition.

a. Dem Beifpiele des Königreihs Belgien, einem Neuling, zu folgen. Gegenw. 49, 37a (Jul. Lubszynski). Richtig müjste es beißen: eines Neulingfe)3 :c., da die Appofition nicht zu dem vorangegangenen Dativ: „dem Beiſpiele“, jondern zu dem Genitiv: „des Königreihs“ gehört, f. Hauptihmwier. S. 47 b/8a unter Appofition Nr. 8.

b. Intereſſant ift es, daſs ein adliger Dfficier, der General v. Cour— biöre, diefen Gedanfen bei dem König angeregt hatte, ein Ge— danke [rihtiger: einen Gedanken], der des fpäteren „Königs von Graudenz“ würdig ift. Nat.-Ztg. 49, 280.

c. Weiblihfeit würde aljo der Inbegriff der Eigenart jein, welde dies Gejhlehtswejen von dem andern unterſcheidet, eine [richtiger: einer] Eigenart, die nicht zufällig oder nebenjählih . . . ift. ebd. Nr. 289 (Elifabetd Gnauck-Kühne). Sollte hier vielleiht nur ein Drudfehler vor: liegen, wie in der weiter folgenden Stelle: Diejer |l. dieſen] Vollgenuſs der eigenen Perjönlichfeit im Aufgeben der eigenen Perjünlichfeit, dieſes Glück im Schmerz, diefe Bereiherung und Entfaltung des eigenen Ichs dur Abgeben eines Theils desjelden nennen wir Mütterlichkeit, den [nicht „der“] Urgrund der Mutterliebe?

Alterthümliche und mundartlihe Ausdrüde.

Der Jahrgang 1894 der Gartenlaube wird mit einem Roman aus dem 12. Yahrhundert („Die Deartinsflaufe von Ludwig Ganghofer“) er: öffnet. Es kann nit auffallen, dajs der Verfaffer, um feiner Erzählung die eigenartige und zeitliche Färbung zu geben, vielfah ſich alterthümlicher und mundartlider Ausdrüde bedient. Sache eines fein abmwägenden Ge— ihmades ift es freilih dabei, namentlih auh mit Rückſicht auf die All gemeinverjtändlichkeit, das richtige Maß einzuhalten, wie e8 3. B. Schiller als leuchtendes Mufter in jeinem Wilhelm Zell gethan hat.

Ich habe fir meine Zeitihrift aus dem erften Hefte die nachfolgenden Sätze ausgehoben, die ich bier meinen Xefern mittheile, mich dabei auf wenige Bemerkungen zu den hervorgehobenen Wörtern beihränfend und im Allgemeinen die Hinmweije auf mein Wörterb. und mein Ergänz.-Wörterb. als überflüſſig unterdrüdend:

1. „Kohlmann! [Köhler] ‚Herr‘? fragte der Alte, ohne fih um- zuwenden. Wie lange dauert der Wald noh? Nimmer [nit mehr] lang. Dann kommen die Alben‘ [mit der Fußanmerkung: Almen)” ꝛc. ©. 1b.

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2. „Es ift der Untersberg, auf dem wir ftehen. Und Das weik doc ein jedes Kind im Gadem, dajs innen drin [gehäuft ftatt: innen oder drin, vgl.: im Innern) der ganze Berg ein einziges Gehöhl ift, eine Kemenat’ an der andern, die eine goldig [golden] und die andere jilbrig ſſilbern) Und da drinnen hauft mit jeinen taufend Helden der König Wute |vgl. Wodan]. Der hat nur ein einzig Aug’ und fit an einem fteinernen Tiſch und fann nicht aufftehen; denn fein langer Bart ift zweimal um den Tiſch gewadien x... .. Es ift doch Wahrheit, was ih red’. Ich hab's von meinem Ihnl“ [mit der Fußanmerkung: Ahne). ©. 2a.

3. „Das brennende Gefiht umfilzt von einer Wirrnis blonder Loden, mit kurzem Meſſer an einer Zirbenmwurzel fhnigend.“ S. 3a.

4. „Sell [= bdajelbft, wofür au das einfahe da genügen würde] bin ih daheim.” ©. 3a.

5. „Daſs ih den Näbiger werfen und das große Nek ziehen fan.“ ©. 3b, [mit der Fußanmerkung: Fiſchſpeer mit Widerhafen, deſſen Schaft zugleih zum WVorwärtstreiben des Floſſes diente].

6. „Herr, Herr! wenn id bleib’, wer foll denn morgen meine Geißen betreuen? [f. Zeitihr. IV ©. 138/9] . . . ‚Sei ohne Sorgen! vor Tag ſchick' ich einen Hüter hinauf . .. Aber gelt, Herr! müfft ihm einreden [zureden, einfhärfen], dajs er nicht unmüthig thut mit ihnen [fie unwirſch, mit Strenge behandle]. Ich hab nie hüten mögen mit Steden und Geißel, fie hören all’ auf gut Wort.“ ©. 3.

7. „Mich ſehnt [ih jehne mid) nah Kampf und Schaffen.” ©. 6a.

8. „Schau, dort, wo aus dem Schönfe der ends mächtige Berg auffteigt, der größt' von allen, der mit dem weißen Schneefittel König Eismann beißen ihn die Yeut' oder Wazemann’s Bannberg —, da ſchiebt fi) aus dem Buchwald eine Nas heraus, die heißt der Falkenſtein, da haut ein fpigiges Dad und ein Mauerthurm über die Bucdengirbel. Das ift Wazemann’s Haus“ —, vgl.:

„Sehr üblih ift die Kompofition von Subjtantiven, Adjektiven und jelbft Aoverbien mit End, wo dann diejes den Begriff des Entidiedenen, Auffallenden, Ungeheuern andeutet. Ein Endkerl oder Endskerl, au Entochs, an Ent-Trumm, an Entberg :xc.; entgros (2 =), entschön, entgern x. Nach einer jonderbaren Bildung jagt man ftatt ent aud entzio. (vv ..) an Entzio. Mensch :ıc. und entzionijd wird neben en ziſch, enzeriſch, enteriſch jogar als jelbftändiges Adjektiv gebraudt.“ Schmeller’s Bair. Wörterb. 1 ©. 77 und ferner: Der Girbel: Gipfel, Giebel, ebd. II ©. 65.

- 4335

9. „Der hinter Se. Die Achen, die aus ihm herausläuft, das ift ein böjes Waſſer. Wenn Wetter losbrechen und viel Regen fallt [ohne Umlaut, ftatt: fällt], treibt der Ba allen Rams [mit der Fuß— anmerfung: „Schutt“) mit ber, der von den Bergen berunterbröjelt. Davon heißt das Thal aud die Ramsau.“ ©. 7a,

10. „Für die ift fein Wald zu ſchiech und fein Berg zu hoch, überall fommt fie hin, als hätt’ fie Flügel am Leib, wie eine Walmaid. Eber- wein jchüttelt jeufzend den Kopf. ‚Wute und Walmaid und Alfin faft hab’ ih noch fein ander Wort von dir gehört Eigel, Eigel! mit deinem Chriſtenthum iſt es ſchlecht beftellt.‘" ©. 7b.

1l. „So ein Blid über die Achſel, der hat ſchon diemal redt ſchieche Saden angerichtet.” S. 7b, vgl. mein Ergänz.-Wörterb. ©. 147a:

„Diem adv.: (bair.) = mandmal. Gartenl. 19, 279b —, vgl. über die Entftehung aus et-je- (oder sie) mal. Schmeller’s bair. Wörterb. 1, 7; 2, 562.”

12. „Sein Weib, die heroben gejennet hat.“ ©. 7b.

13. „Jede Mutter, die ein Dirndl hat, das ſich jauber anjhaut [= das fauber anzufhauen ift, das fauber ausſchaut oder ausfieht] mufs zittern vor jeder Stund’.“ ©. Tb.

14. „Ein Gefihtl hat fie gehabt, jo warm und lihtiheinig wie Röthelftein, wenn die Sonn’ drauf liegt.“ ©. Tb.

15. „So gut ift das Dirndl gewejen, jo brav und gradſchlächtig. Und ihre Lieb zu mir ift all ihr Um und Auf geweſen. Auf Sonn- wend, da hab’ ih ihr zum Herdverjpruh den beinernen Armreif an- gelegt, den meine Mutter getragen hat, und die ander’ Woch' darauf hätten wir heuern jollen.” ©. 7b.

16. „Da zudt ein Lacher über fein Geſicht.“ ©. 8a.

17, „In einem Saujer bin ih durch den Wald aus und hinauf über den Falkenſteiner Weg das Brüdl war aufgezogen und das Thor verfperrt —, aber wie ein Zed hab’ ih mid angehängt an die Mauer und bin hinaufgefommen.* ©. 8a.

18. „Da hat mich einer von Waze’s Knechten mit dem Speerholz vor die Bruft geftoßen, dajs ih getaumelt hab’ [vgl. bin, ſ. mein Ergänz.-Wörterb. ©. 553, vgl. ftraudeln, ftolpern xc.) und rüdlings binuntergefallen bin über die Mauer.“

Zeitſchrift |. deutſche Sprade, X. Jahrg. 33

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Spradlice Bemerkungen zum 22, Hefte des 8. Jahrgangs der Illuſtr. Familien⸗Ztg. „Zur guten Stunde“ v. Rich. Bong.

1. Eva lag mit halbwachen Augen, in das bräunlide Dämmer bineinträumend. ©. 675b. (Alerander Baron v. Roberts), j. mein Wörter: bub I ©. 261b, wo es in der Arm. beißt: „Die Beiipiele zeigen, dafs dae Wort nicht jo jelten ift, wie Grimm behauptet (2, 710), der nur das masc. aufführt*. An die dort angegebenen Belege für das ſächliche Geihleht aus Freytag und Tief jchließt fih der obige an, f. die Be: merfung von Dr. A. Bertin bier in der Zeitihr. ©. 266 Nr. 2 und 3.

2. Wenn Mamachen das Betthen um ihr Körperden zuſammen— fufhelte: „Schön Babachen maden!“ ©. 6784 (Dſ.), ſ. über das Kinderwort Baba (= Bett, Wiege), das bei Grimm in diejer Bedeutung fehlt, mein Wörterb. I ©. 63c und Ergänz.-Wörterb. ©. 27 b, wo aud auf das gleihbedeutende engl. bye-bye (mit einem Beleg) bingemiejen ift, j. jegt auch Muret's Encyklop. engl.-deutfhes und deutſch-engl. Wörterb. I ©. 352c. Das Zeitwort fujheln fehlt bei mir; außer an das franz. couche (= Bett, Yager ꝛc.) dürfte vielleiht au an das in meinem Ergänz.-Wörterb. S. 282 a erwähnte mundartlihe (zuſa mmen-)huſcheln erinnert werden.

3. Einem der lautlos auf dem Perjer einherhufhenden Bedienten. ebd. (Dſ.) perfiiher Teppid.

4. Mit ihrer jeltjam Heinen patjhelihen Hand. ©. 678b (Dſ.) zum Patſcheln (ſ. d. Wörterb. II ©. 508b, Ergänz -Wörterb. ©. 381 a) geeignet zc.

5. „Donnerkiel nochmal!“ ftieß ein bärtiger Yandwehrmann grin- jend aus, jeine Art Bewunderung auszudrüden. ©. 679a (Di.) mund: artid Donnerfeil! (f. d.), wie Donnerwetter! (f. d.) als Fluch und dann als Ausruf der Bewunderung :c., |. Wörterb. und Ergänz.- Wörterb.

6. Daſs man Ihnen die Bauerei [das von Ihnen ausgeführte Bauwerk] Hier in der Klamm abnimmt. S. 686c (Baul Ostar Höder). j. Wörterb. I S. 97b und Ergänz.-Wörterd. ©. 58 c.

7. Und Sie derjtiden |= erftiden] mit an der Yug Yüge] ebd. (Di.), vgl.: Ein Künftler in der Yug, in der Berftellung! ©. 687b, mundartlih ohne Umlaut, vgl.: Du laſſt mich allein? ©. 687 a (=läfft) Er ſchlagt mid todt. (= jhlägt). ©. 686 b zc.

8. Das ertappte Pärden .... lachte mit den Freunden, die fie nedten und verjpotteten, wenn gleih Heckendorf's Lachen etwas gezwungen klang und es wie eine Wolte auf feiner Stirne lagerte. ©. 691b (Rud. Elcho)

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wo das es fi nit etwa auf das vorhergehende jählihe Hauptwort das Lachen bezieht, jondern vielmehr (j. Hauptſchwier. S. 127) „etwas Un- befanntes, nur aus der Wirkung zu Erfennendes“ bezeihnet. Hier ijt das fogenannte unperjönlide Zeitwort nit ganz tadellos, weil der Yejer ge: neigt fein könnte, das es auf das Rachen zu beziehen, val. beffer 3. B.: Wenn gleih H.'s Laden etwas gezwungen Hang und ji eine Wolfe auf feiner Stirne lagerte. .

9. Das eleftriihe Licht bei der Fontäne verlöſchte. S. 692 (Dſ.) nicht unüblich, aber bejjer in ftarfer Form: verlojd.

10. Alles Andere iſt Mumpig. ©. 694 a (Di.), berliniſch Lüge, Schwindel. Ergänz.-Wörterb. S. 361.

11. Bon der Baltendede hing ein Lichter weibchen nieder. ©. 694b Hängelampe in der Geſtalt einer Lichter tragenden weiblichen Figur.

12. „Haft du viel verloren?“ fragte Kasbel. „Fünf Mille in Bläulingen und 40 Mille auf Ehrenwort*. ©. 695a (Dſ.) in einer nob in meinem Ergänz.:Wörterb. ©. 81h nachzutragenden Anwendung zur Bezeihnung der blaufarbigen Tauſendmarkſcheine.

13. Er jprang, den Säbel rajfelnd Hinter ſich herſchleifend, zur Thür hinaus. ©. 695 b, (Dj.), wo die beiden einander nicht neben- geordneten Barticipien der Gegenwart nidt ohne einen Heinen ſprachlichen Anftoß ftehen, vgl.: den raſſelnden Säbel hinter ſich herſchleifend.

Bereinzelte beim Leſen niedergeichriebene Bemerkungen.

1. Griterer, derjelbe,

„In einem mir vorliegenden Briefe eines Soldaten an feine Eltern ihreibt erjterer, dajs er ſich über ſeinen Feldwebel beſchwert habe, der- jelbe aud beftraft worden fei ꝛc.“ NationalZtg. 48, 155, ftatt: In einem mir vorliegenden Briefe jchreibt ein Soldat an jeine Eltern, ſſ. Hauptihwier. S. 113a/b Nr. 2d], dafs er fih über feinen Feldwebel beihwert habe, dieſer aud beftraft worden ſei ac.

2. Anzahl.

„Schon diejenige Anzahl von Mifsftänden, die in die Offent- lichkeit gelangen, fordern gebieteriih eine Neform." Nat.-Ztg. 48, 155. Bon den beiden unmittelbar auf einander folgenden Mehrheitsformen der Zeitwörter (gelangen, fordern) ift die erfte fireng richtig, als ſich auf die Mehrzahl: Mifsftände, die ıc. beziehend; dagegen jollte e8 genauer in der Einzahl „fordert“ heißen, als fih nidt auf die Miisftände,

33*

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ſondern auf ihre Anzahl beziehend, doch vgl. Hauptſchwier. ©. 242b/3 unter dem ZTitelfopf: Sammelnamen.

3. Borliebe.

„Richt Vorliebe gegen die Franzoſen noch Abneigung gegen die Preußen lag der Widerjeglichfeit zu Grunde” Nat.-tg. 48, 156, ftatt: Borliebe für, j. mein Wörterb. II S. 129b und Ergänz.-Wörterb. ©. 343 b. |

4. Schreden ı.

„Eine reizvolle, höchſt graziöfe mufifaliihe Arbeit, deren Bühnen: wirfung jo gut wie ſicher ift, wern man vor der prächtigen Austattung, die Tſchaikowsky verlangt, niht zurüdihredt.” Eug. Zabel. Nat. Ztg. 48, 162, ftatt des ftrenger richtigen: zurüdihridt, vgl. auch 3. 8. Grenzb. 53, 3 ©. 610, wo ©. Wuftmann in feinen neuen Spraddumm- beiten ſchreibt: „In der That ihredt [jt. Shridt] man aud davor ſchon nicht mehr zurück,“ |. die Inhaltsverzeichniſſe der Zeitihr. unter ſchrecken.

5. Bon,

„Dieſe Geſchichte iſt mir genau jo ſchon vor mehr als 50 Jahren von einem berühmten Profeffor der Mineralogie in Berlin erzählt worden.“ Nat.-Ztg. 48, 166. Das foll bier nit etwa bedeuten: „Der Profeſſor bat fie mir erzählt“, jondern: „man bat fie mir von ihm (oder über ihn) erzählt“ und zur Vermeidung der Zmweideutigfeit beim Paſſiv zielender Beitwörter, welche die Präpofition von regieren, hätte denn auch die aktive Wen- dung gewählt werden jollen, ſ. Hauptiäwier. S. 324b unter Bon Nr. 4.

6. Spieler.

„Rubinftein ift fein Yebenlang der hinreißende Virtuoſe geblieben ; ihm gelang es bis zulegt alle Welt dur feinen Reichthum als Spieler zu bezaubern, binzureigen, zu entzüden.“ Heinr. Nöder (Gegenw. 46, 358) ſ. mein Wörterb. III S. 1140c, wo das einfahe Spieler für Einen, der ein Tonwerkzeug jpielt, mit zwei Stellen aus €. F. 4. Hoffmann und Johanna Kinkel belegt ift. Auch in der vorliegenden Stelle ift das Wort in diefer Bedeutung Far; aber doch möchte ich die Frage anregen, ob bei der VBieldeutigfeit des Wortes Spieler nicht eine Zus jammenfegung den Vorzug verdienen würde: „als Klavierſpieler“ (vgl.: „als Meifter des Klavierſpiels“, nicht leicht: „des Spiels").

7. Berbeflerter Sat. „IH ftaunte über das Hinwegjegen von Dingen, die ih als fundamentale betrachtete, weil ih von der Erziehung der Menſchheit

——

eine neue Zeit erhoffte und die Pädagogik als die Fackelträgerin der Ver— menſchlichung glaubte.“ Nat.-Ztg. 48, 180, vgl. beſſer (zugleich mit Vermeidung entbehrliher Fremdwörter): Ich ftaunte, wie man ſich über Dinge binwegjegte, die ih als grundlegende betrachtete, weil id von der Erziehung der Menichheit eine neue Zeit erhoffte und die Erziehungstunft al? die Fadelträgerin der Vermenjhlibung anſah (oder: fie für die Fackel— trägerin ... . bielt). 8. Vorher.

„Außer zahlreihen andern VBorfihtsmaßregeln, die getroffen find, fährt dem Zuge der Königin ftetS eine Pilotmafhine vorher.“ Nat.-Ztg. 48, 184 ftatt voran oder vorauf, oder: .... fährt vor dem Zuge... jtets eine Pilotmafhine her, vgl. mein Wörterb. [ ©. 744 b.

9. Bellagen.

„Einmal beklagte Bernhardi zu ihm, dafs fein Plan vorliege ıc.“ Nat.-Ztg. 48, 192, ftatt: er beklagte (fi) gegen ihn ac. oder: ihm gegenüber.

10. Borziehen.

„Er ziehe vor in Frankreich zu bleiben als Gegenſtand diplomatiſcher Diskuffion zu fein und jeine Freilaſſung lediglih einer Auswechſelung gegen den Kapitän Romani zu verdanken.“ Nat.-Zta. 48, 199, ftatt: Er wolle lieber in Frankreich bleiben als ꝛc. oder: Er ziehe vor, in Frankreich zu bleiben, ftatt :c., ſ. Zeitihr. III S. 181 ff. ꝛc.

11. Sein (befiganzeigendes Fürwort).

„Unfere neulihe Mittheilung [fem.] über das Verhältnis des Kapell- meifters Weingartner zum Berliner Opernhaufe erfährt feine [ftatt: ihre] Beitätigung durch folgendes... . Privattelegramm.“ Nat.-Ztg. 48, 202, ſ. Hauptihwier. ©. 251b ff. und Zeitihr. ©. 34 Nr. 12.

12, Erreichen refl.

„Hier ergiebt fih uns der Begriff der Entwidlung, die fih von der bloßen Veränderung dadurch untericheidet, dajs fie als Ausgangspunkt und Quell eine Keim- und Triebfraft bat, die fi entfaltet, und ein Ziel in jih trägt, das fie durch ihren Bildungsproceis, durch ihre Lebensthätigkeit erreicht, in dem ſich aljo der Zweck ihrer Lebensthätigfeit erreicht.” Mor. Earriere (in der Wochenſchrift „Aula“ 1, Sp. 4) mit dem in den Wörterbüchern fehlenden rüdbezügligen Zeitwort: ſich erreiden, in der Bedeutung des Paſſivs, j. Hauptigwier. ©. 236 b Nr. 3,

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13. Wachen über mit dem Dativ oder dem Accuſativ, ſ. meine Hauptſchwier. S. 297 a. Ein auffälliges Beiipiel des Schwankens zwiſchen den beiden Biegungs- fällen bietet die Roman-Bibliothek 23, Spalte 355, wo Gregor Samarow furz hinter einander jchreibt: „Willft du mir veripreden, über ihr zu waden?.... Iſt es meine Aufgabe, zu wadhen über ein Weib, das ꝛc.?“

14. Bergleichendes und identificierendes (gleichjekendes) „als“ (j. Hauptſchwier. S. 34 und 30b ff.).

In dem im der vorhergehenden Nr. angeführten Roman jchreibt Gr. Samarom Sp. 860:

„Es wäre ſchwer zu entidheiden, meine Luitgarde, ob du ſchöner und reizender bift als meine fleine Hausfrau oder als die Königin der Salons,“ vgl. beffer, etwa: in welder Eigenjhaft du jhöner und reizender bijt, ob als meine Heine Hausfrau oder als die Königin der Salons.

15. Juperfekt ftatt Präſens.

n- .. Wurden drei Einbrecher erwiſcht. Der eine von ihnen hieß [ftatt: heißt] Janaſch, der zweite Dettweiler und der dritte, der Schloffer Hermann Hoffmann, ift [präs.| in der Verbrederwelt unter dem Namen „Revolver:Hermann“ bekannt.“ Nat.-Ztg. 48, 206, (f. Nr. 19).

16. Bernehmlaffung. „Das Verfahren ... . ift zweifellos gedacht als ein Rechtsgang ohne Vernehmlaſſung des Angeklagten.“ Dr. Karl Binding in Yeipzig (in der Nat.-Ztg. 48, Nr. 212) ftatt Vernehmung.

17. überſchüſſige Verneinung.

„Leugnen kann die Regierung nicht, dafs die Noth nicht aroß it; fie ift wirflih groß.” v. Kröder (NMat.-Ztg. 46, 214), mit überſchüſſigem nit (ſ. Hauptſchwier. S. 223 a), das füglich zu ſtreichen ift, vgl.: „Daſs die Noth (wirklich) groß ift, kann die Megierung nicht leugnen” und: „Die Regierung kann nidt behaupten, dafs die Noth nicht groß iſt“ ꝛc.

18. Genitiv.

„Das Einſchliefen oder Einkriechen des Tedel ſſtatt Tedels] in natürlihe oder künftlide Erbbaue.“ Nat.-Ztg. 48, 218, ſ. Hauptſchwier. ©. 104.

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19. Imperfekt ftatt Bräjens.

In der Nr. I feines Auffages: „Fünf Tage auf Korfita“ (Nat. Ztg. 48 Nr. 221) jhreibt Baul Nerrlid:

„Unjer Schiff hielt mitten in einer gewaltigen, rings von hohen Granit: und Porpbyrbergen umſchloſſenen Bucht; fie war jo groß, daſs fie eine ganze Flotte hätte aufnehmen fünnen“ —, wo ftatt des Imperfekts war richtiger das Präjens zu feßen geweien wäre, da der Umfang der Bucht noch unverändert in der Gegenwart fortbefteht, (f. Mr. 15).

20. Infinitiv mit „zu; Dativ ftatt Accuſativ.

„Verzeihen Sie, dajs ih mir erlaube, Sie zu bitten, die Güte haben zu wollen, mir wiſſen zu lajjen, wie Sie Sid die beiden Monate in Hinfiht Ihres Aufenthalts eingetheilt haben“, aus einem von Karl Theodor Gäderk in der National-Ztg. 48, 221 mitgetheilten Briefe von Barthold Georg Niebuhr an Goethe aus dem Jahre 1816.

Diefen Sa des ausgezeichneten Schriftftellers babe ich hier mit- getheilt als ein nit nahahmungswerthes Beiipiel der von einander ab» hängenden Infinitive mit „zu“ (j. Hauptiäwier. ©. 3b Nr. 3). Gefüger würde der Sak etwa lauten (wobei ih zugleih (vgl. a. a. D. ©. 195b Nr. 4) den dur Fettdruck hervorgehobenen Dativ in den unferm heutigen Spradgebraud gemäßen Accufativ umjege):

Berzeihen Sie die Kühnheit einer Bitte. Wollten Sie nicht die Güte haben, mi wifjen zu laffen, wie :c.

21. Borhoffen.

„Der Waffenftillftand, den Japan mit China eben vereinbarte, der als Vorläufer eines nahen FFriedensihluffes angejehen wird, erregte im hoben Grade die Phantafie der jpekulativen Elemente, die jhon faft ein Jahr lang vorahnend und vorhoffend mit dem Ende des oftafiatifchen Krieges gerechnet ꝛc.“ Nat =Ztg. 48, 233,

Bgl. mein Wörterb. | ©. 182/b, wo es heißt: „Die Ahnung geht oft dem Geſchehenden voraus (j. vorahnen), kann aber aud nadfolgen: Als ih das jhmwarze Siegel des Briefes jah, ahnte ich gleih den Tod meines Vaters“ —, ſ. die Belege unter vor: und vorausahnen; das gegen bezieht jih das Hoffen immer nur auf etwas Zukünftiges und die Zujammenjegung vorhoffen, die, wie in meinem Wörterb., auch in deffen Ergänzung feine Aufnahme gefunden, hat feine Berechtigung, in den all» gemeinen deutihen Sprahihag aufgenommen zu werden. Der Schlujs

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hätte füglich lauten können oder vielmehr ſollen: „die ſchon faſt ein Jahr lang vorahnend und hoffend mit dem Ende des oſtaſiatiſchen Krieges gerechnet.“

Nachtrag zu dem Aufſatz: „Die Halligen“. ©. 415—417.

In einem fpätern Briefe (nahdem der Aufſatz bereits gedrudt war) fhrieb mir Prof. Reuleaur:

„Haben Sie die Seebären befragt oder vielmehr ausgehorht? was am beiten bei einem Glaſe falten Frühpunſches wie beißt das Zeug gleih? geichehen könnte, wenn nicht durch Site jelbft, jo durch einen Syüngeren ?“

Ich würde mid jehr freuen, wenn ein Jüngerer diejes „Aushorchen“ unternehmen und das Ergebnis geeigneten Ortes mittheilen wollte.

Anzeige der eingefandten Bücher.

(Befprechung einzelner mach Gelegenheit, Zeit und Raum vorbehalten.) E. 6. W. Braunholtz, M. A., Ph. D., University Lecture in French, L'’Avare par J. B. P. Meliöre, edited with introduction and notes. Pitt Press Series. Cambridge: at tbe University Press. 1897. “Preis-geb. 2 sh. 6.d. Dr. Rudolf SAleinpauf. Das Fremdwort im Deutichen. Leipzig 1896. 176 ©. in eleg. Leinwandband 80 Pf., (Sammlung Göſchen Nr. 56). Arthur R. Ropes, M. A., Late Fellow of King's College, Cambridge: Le Roi des Montagnes par Edmond About, edited with introduction and notes Pitt Press Series. Cambridge: at the University Press. 1897. Preis geb. 2 sh. Fris Walter. Plattdeutfhe Sprichwörter und ſprichwörtliche Redensart aus der Stadt Nedlingbauien. 36 S. Recklinghauſen, Buchhandlung von F. Alby.

Alfe für die Beitfhrift ſelbſt beſtimmten Zufendungen wolle man un- mittelbar au den Seransgeber nah Altfirefig in Meklendurg, dagegen die für den Amfdilag oder als Beilagen beſfimmten Anzeigen au den Ber- feger in Paderborn fenden.

Beiträge fürs nächſte Heft müffen jedes Mal Bis fpäteftens zum 1. des Monats in den Händen des Serausgeders fein; auch bittet er, in Bezug auf den Amfang, die Haumpverhäftnife der Zeitfhrist im Ange zu haften.

Mittheilung.

Ich habe bei dem Ericheinen der Schlujslieferung von dem zehnten Sahrgang meiner Zeitjchrift für deutihe Sprade Mittheilung von einem Eutſchluſſe zu machen, zu dem ich zögernd und widerftrebend, „der Noth gehorchend, nit dem eignen Triebe“, durch die Umftände mich gedrängt ſehe:

Ich werde mit dem Schlufsheft diejes zehnten Jahrgangs die Leitung dieſes Unternehmens, das mir von vorn herein eine Herzensangelegenheit war und mit den Jahren mir immer mehr ans Herz gewachſen ift, nieder- legen müfjen.

Die Gründe, die mid dazu zwingen, find dieſelben, die ih in der ziemlih gleichzeitig mit diefem Hefte zur Ausgabe gelangenden erften Lieferung des von mir ausgearbeiteten zweiten (deutſch-engliſchen) Theils von dem im Berlage von Brofeffor Langenſcheidt in Berlin erfcheinenden fogenannten Muret⸗Sanders („encyklopäd. Wörterb. der englifhen und deutſchen Sprache, Seitenftüd zu Sadhs-Billatte“) in dem erſten Abfag unter der überſchrift: „Perſönliche Vorbemerkung des Berfaffers“ dargelegt habe.

Es ſcheint mir das Einfahfte, aus dem dort Ausgeiprocdenen das Nahfolgende hier zu wiederholen:

Ich Habe dort ausführliher das Nöthige mitgetbeilt, „um die ge: neigten Leſer ertennen zu laffen, wie fi zwiſchen Heren Prof. Langenſcheidt und mir aus unſerer urjprüngliden Gejhäftsverbindung ein wirkliches Freundſchaftsverhältnis heransgebildet, und“ jo heißt es im Anſchluſs daran weiterhin „fie begreifen e8 nun wohl, dajs Herr Prof. Langen: ſcheidt an mich die Aufforderung gerichtet, ih möchte von dem Werfe, das auf dem Umſchlage jedes Heftes als ‚Seitenftüd zu Sads-Billatte‘ be- zeichnet ift und zu dem ich wie oben mitgetheilt bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten mein Scherflein beigefteuert, die Ausarbeitung des durch eine Reihe von Jahren jorgjamft vorbereiteten deutſch-engliſchen Theiles übernehmen; aber fie begreifen nicht minder, daſs ih im Hin- blik auf mein vorgefhrittenes Alter dieje für mid jo ehrenvolle Auf: forderung nit annehmen zu können erklärte und ihm rieth, fih an eine jüngere, rüftigere Kraft zu wenden. Darauf entgegnete er mir, er wife feine befjere Kraft als eben mic, der ih ohne jede Unterbrehung mein großes Wörterbuch der deutihen Sprache beendet, one das wie Prof.

Rettfchrift f. deutiche Sprache, X. Jahrg. 34

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Villatte ihm und mir wiederholt verfiert hatte der beutich-franzöfiiche Theil des encyHlopädiihen Wörterbudes der franzöfifhen und deutſchen Sprade nie, jo wie es daftehe und allgemein anerkannt werde, hätte her- geitellt werden können und, als ih ihm ins Wort fiel mit dem horaziſchen Verſe: Non sum qualis eram, betbheuerte er mir aufs entſchiedenſte, er werde es als einen wahren Freundſchaftsdienſt anfehen, wenn ich ‚troß alles dem und alledem‘ die Ausarbeitung übernähme, denn er Terme zur Zeit Niemand von jo erprobter und bewährter peinliher Sorgfalt bis ins Einzelnfte, von folder unermüdlichen Arbeits-Kraft, -Luft und Ausdauer, wie ih fie befige, Niemand, der ihm größere oder nur eben jo große Bürgihaft böte, dajs er die Ausarbeitung eben jo gut oder gar noch beffer gleihmäßig zu Ende führen würde. Diefem Anruf an unjere Freundſchaft fonnte ih jchließlih nicht miderftehen und ich darf mwahrheitsgemäß ver- jihern, dafs ih, fo weit eben meine Kräfte reihen, e8 an mir nicht babe fehlen laffen und weiterhin nicht werde fehlen lafjen.“

Was nun a. a. DO. weiter folgt, bezieht fih im Bejondern auf den jogenannten „Muret-Sanders* und gehört aljo nicht hierher, wobei ich mir jedoch nit verjagen kann und will, die Leſer auf ein nur zwölf Seiten ftartes, aber mit drei Bildniffen geſchmücktes Hefthen zu verweifen, das, in Berlin 1895 in der Langenſcheidt'ſchen Verlagsbuhhandlung erſchienen, ein Lebensbild meines am 21. Oktober 1832 zu Berlin geborenen und dort am 11. Nov. 1895 verftorbenen jüngern Freundes Prof. ©. Langen: ſcheidt bietet und zugleih auch dem hohen, weit und breit anerkannten Verdienfte meines ältern Freundes Dr. Céſaire Villatte (geb. den 17. as nuar 1816, geftorben den 12. Juni 1895) gerecht wird.

Ihr ruht num beide vor mir im Grabe und, indem id Euer mit Wehmuth und Trauer gedente, fühle ich zugleich, der ih in mein achtund— fiebzigftes Yebensjahr getreten, dafs ich nit länger der wiederholten erniten und dringenden Mahnung meines Arztes widerftreben dürfe, meine nicht bloß durch das Alter gejhmwächte, jondern auch durch Überarbeit geſchädigte Gefundheit durch Ausruhen und Schonung möglihft zu ftärfen und mid, jo wie e8 die Natur fordert, von der Überbürdung zu entlaften und mid durch jüngere, ungebrochene rüjtigere Kräfte erjegen zu laſſen.

In Bezug auf die von mir begründete und durd ein Jahrzehnt fortgeführte „Zeitfchrift für deutſche Sprache“ habe id dem bisherigen Leſerkreiſe mit verbindlichftem Danke für die dem Unternehmen bisher ge- zollte Theilnahme noch folgende weitere Mitteilung zu maden.

Ich babe mid an einen jüngern, rüftigen und thatkräftigen Mann gewandt, der au ſchon bisher Beiträge für die Zeitſchrift geliefert hat, und ihn aufgefordert, weiterhin die Leitung zu übernehmen.

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Auf diefe meine Aufforderung bat er fih dazu bereit erflärt und auch in diefem Sinne ſchon einleitende Schritte gethan. Feind jeder Über: ftürzung babe ih ihm dann den ſofort von ihm angenommenen Vorſchlag gemadt, eine Baufe von etwa drei Monaten eintreten zu laffen und in diefer Zwiſchenzeit alles Nöthige in der geeignetften Weife in die Wege zu leiten. Vieles ift denn auch ſchon vorbereitet und jo darf ih denn hoffen, dafs die Zeitihrift zum 1. Juli d. J. friſch und freudig weiter erſcheinen werde unter der Mitwirkung der bisherigen und unter dem Hinzutritt weiterer, von dem meuen Leiter binzugewonnener Mitarbeiter, worunter ih —, der ih e8 als meine Haupt-Rebensaufgabe angefehen habe, nad) Maßgabe meiner Kräfte für dem richtigen, guten und reinen Gebraud unferer Mutterijprade zu wirken und dem fjomit die Zeitſchrift ganz be- ſonders am Herzen liegt, nicht fehlen werde, jo weit es meine Kräfte und mein Gejundheitszuftand irgend geftatten.

Weitere Mittheilungen werden, jobald es irgend möglich, erfolgen und jo ſcheide ich denn einftweilen von meinen bisherigen Leſern mit dem Wunſche: ihnen, dem VBaterlande und dem gejammten deutſchen Volke

alles Gute!

Altftrelig (Mekldg.), den 24. Yan. 1897, am Geburtstage meines jeligen Baters (geb. 24. an. 1770, geft. 1. Mai 1846).

Ältere Mittheilungen aus meinem Schreibpult.

Die bier folgenden Mittheilungen haben Jahre lang in meiner Mappe gerubt und ich würde fie auch noch weiter dort haben ruhen laffen, wenn ih mich nicht gezwungen fähe, die Leitung der zehm Jahre hindurch von mir herausgegebenen „Zeitihrift für deutihe Sprache“ niederzulegen (ſ. die vorftehende „Mittheilung“ auf ©. 441) und wenn ich nicht bei dieſem Scheiden aus meiner bisherigen Stellung eine längere Zurüdhaltung als Unrecht gegen mid ſelbſt anſehen müſste.

Ein mit mir in demſelben Städtchen geborener ſehr begabter und ernſt ſtrebender jugendlicher Verehrer, der jetzige Dr. Friedrich Düſel, hat zu meinem ſiebzigſten Geburtstag ein Heft erſcheinen laſſen unter dem Titel.

Daniel Sanders. Sein Leben und feine Werfe. Nebft Feſtgrüßen

zu feinem 70. Geburtstage (12. November 1889), wovon dann auch im folgenden Jahre eine zweite Auflage erichien.

Aus den „Feſtgrüßen“ führe ich bier den auf ©. 29 enthaltenen an;

„Seit meinen Studentenjahren fteht der ‚Heine Sanders: auf meinem Schreibtiſch, der ‚große‘ in meiner Handbbibliothef und ih wüſste in allen

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den Jahren faum eine Wode, wo ich nicht ein oder mehrere Male nah diefen Büchern gegriffen, und faum einmal, wo id nicht das Gefuchte gefunden. Ich freue mid, den Dank für all das Empfangene einmal auch öffentlih jo aufridtig ausſprechen zu können, wie id ihn empfinde.

Berlin. Karl Emil Franzos.“

Auch ih hatte Herrn Karl Emil Franzos fowohl als hervorragenden Schriftfteller wie als gewandtem Leiter der von ihm herausgegebenen Zeit- ihrift: „Deutſche Dichtung“ eine lebhafte wohlwollende Theilnahme zuge- wendet und auch in meiner „Zeitihrift für deutſche Sprache“ verfchiedentlich bethätigt. Es fonnte mid daher nicht überrafhen, als mir im December 1889 von Herrn Franzos die Aufforderung zuging, ihm für feine „Deutiche Dichtung“ einen Auffag Über mid und meine Thätigkeit zu liefern.

Ich theile nun im Folgenden den ihm damals auf feine Aufforderung eingefandten Auffag, wie er jieben Syahre lang in meinem Pulte gerubt hat, unverändert mit, unter Hinzufügung des fih daran knüpfenden Brief: wechjels zwijhen Herren Franzos und mir.

1. Der für die von Karl Emil Franzos herausgegebene „Deutihe Dichtung“ von mir berfafäte Aufſatz.

Plaudereien ans der Werkitatt eines Wörterbuchſchreibers. IV.

„Macht doch in der Negel überhaupt nicht der Menſch die Berhält- niffe, fondern die Verhältniſſe maden ihn.“

Diejer Spruh auf S. 20 meiner jüngft ald Buch erfdienenen „Blaudereien aus der Werkitatt eines Wörterbuchfchreibers“ bewährt ſich einmal wieder im Kleinen bei mir.

In dem Vorwort zu der genannten Schrift habe id berichtet, durch welche Zwiichenfälle davon bisher nur die zwei erften Plaudereien und auch dieje jpäter, als es urfprünglich beabfihtigt war, erihienen find, zuerft in Paul Lindau's Zeitihrift: „Nord und Sid“ und dann auf den Wunſch meines Berlegers zur Zeit meines fiebzigften Geburtstages als eigenes Büchlein, nur um die erwähnte Vorrede vermehrt, an deren Schlujs id den Wunſch und die Hoffnung ausiprad, an den abgeriffenen Faden an— knüpfend, fpäter einmal ihn vielleicht fortipinnen und zu Ende führen zu fünnen. Nun aber erhielt ih vor Kurzem von dem geehrten Herausgeber diefer Zeitihrift die ſchmeichelhafte Aufforderung, ihm für fein Blatt einen Beitrag von mir zufommen zu laffen, welder vielleiht einen von mir noch nicht gejchilderten Abſchnitt meines Lebens oder irgend eine Seite meiner Thätigfeit vorführe.e Da mufste ich denn der Wahrheit gemäß darauf

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antworten, daj8 ich grade am Tage vorher einen Aufjak, wie er fih auch wohl für die „Deutſche Dichtung“ geeignet haben würde, an Paul Lindau für feine Zeitſchrift: „Nord und Sid” eingefandt hatte, eine Fortjegung der Plaudereien aus meiner Werkftatt, hauptjächlih ſchildernd, ein wie verändertes Treiben in meinen fonft jo ftillen und ruhigen Arbeitsräumen zur Zeit meines fiebzigften Geburtstags geherriht. Auf diefe natürlich beim Beginn nit geplant gewejene, jondern nur jegt mit Rüdfiht auf die Berbältniffe zwiſchengeſchobene dritte Plauderei aber fofort eine den eigent- lihen Faden weiter fpinnende Fortjegung folgen zu laffen, ſchrieb ich weiter fällt mir zumal in der gewünſchten Frift wenn nicht unmöglid, doch ſchwer und jo jehe ih mich zu meinem lebhafteften Be— dauern und mit dem herzlichſten und verbindlicften Dank für Ihre jo wohlwollende Abſicht, genöthigt, Yhr gütiges Anerbieten abzulehnen. Darauf erhielt ih nun umgehend die folgende Antwort: „. . . Sehr leid thäte es mir, auf einen Aufjag von Ihnen, der den populärjten Theil Ihrer Thätigfeit behandelt, verzichten zu müfjen; denn, obwohl id aus den mir dargelegten Gründen recht wohl begreife, dafs Ihnen die Arbeit zunächſt nit recht bequem ift, fo wäre es mir doch im Intereſſe der Zeitjchrift, wie der rechten Wirkung des Heftes, welhe ich Ihnen in treuer Verehrung von Herzen wünſche, ungemein lieb, wenn Sie troß alledem und alle— dem mir eine weitere Fortjegung Ihrer Plaudereien für das Heft meiner Zeitſchrift einjenden könnten und wollten“ u. j. w.

Ich habe mun das alte Blatt hervorgeholt, auf welhem ih vor Jahren in fürzefter Andeutung mir die Hauptpunkte aufgezeichnet, die ich in den „Plaudereien“ zur Sprade bringen wollte. Syedem Andern würden dieje abgeriffenen Stihwörter, wenn nit ganz ftumm, doch wenigiagend und kaum verftändlih fein; aber für mid genügen fie vollftändig, die alten Gedankenreihen wieder lebendig hervortreten zu laffen und in der richtigen Plauderftimmung bin ih durch den für Lindau’s „Nord und Süd“ nieder- geihriebenen Aufſatz auch, jo will ih denn der freumdlihen Einladung des Herausgebers ohne Weiteres folgen und, an den abgebrodenen Faden anfnüpfend, mein Garn weiter fortipinnen und mich fo wieder einmal von den Verhältniſſen führen lafjen.

Eins der abgeriffenen Stihwörter auf dem alten Blatte Tautet: „Unterfchied zwiihen meinem und dem Grimm'ſchen Wörterbuh“, für weldes legtere ich in genauerer und beftimmterer Bezeihnung bier zu ſetzen hätte: das von den Brüdern Jakob und Wilhelm Grimm begonnene und von verjhiedenen Männern fortgejegte, aber no immer 52 Jahre, nach— dem der Plan dazu gefafft worden, und 36 Jahre nah dem Erſcheinen

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des erften Bandes nicht zu Ende geführte und auch in abjehbarer Zeit nit zu Ende zu führende Wörterbud.

Ich fürdte nicht, einem wirklich begründeten oder auch nur mit einem Schein des Rechtes zu begründenden Widerſpruch zu begegnen, wenn ich hier offen ausiprehe: Der Hauptunterjchied zwijchen meinem und dem (wie ich es der Kürze halber au im Folgenden weiter nennen werde) Grimm’ichen Wörterbuch befteht darin, dafs das meinige, hauptſächlich der heutigen Sprade gewidmete einen zwar möglichſt umfafjenden, aber doch immerhin mäßigen, mwohnliden und überfihtlihen einheitlihen Bau darftellt, nad einem Plane, der nit nur von vorn herein nad jorgfältigfter, eingehendfter und alffeitiger Prüfung der zur Erwägung fommenden Punkte entworfen und feftgeftellt, jondern dann auch (mas eine Hauptfade bildet) aufs ſtrengſte feftgehalten und von A bis 3 durchgeführt worden ift; das Grimm’iche MWörterbud dagegen, ganz bejonders auch der Vergangenheit zugewandt, ift nit bloß jegt nod) ein unvollendeter Bau und wird es aud, im günftigen Falle, noch für eine lange Zukunft hinaus bleiben und, wenn er wirklich je in fpätern Zeiten zu Ende geführt werden follte, jo wird er immer ein für die gewöhnliche Benugung nicht brauchbarer, übergemwaltiger und unüberfihtliher Bau fein, entjtellt dur zahlreihe unförmliche Auswüchle, des Ebenmaßes und des VBerhältniffes der einzelnen Theile zu einander und der Einheitlichleit ermangelnd; weil eben jeder der jpäteren Baumeifter ſich nit an den von dem erften allerdings nicht mit vollftändiger Er- wägung und Berehnung der jpätern Theile und des Ganzen entworfenen Plan gehalten, fondern ich will nit jagen: nad feiner Yaune, vielmehr nad feiner beften Überzeugung und nad feiner Eigenart, unbefümmert um jeine Bor:, Mit- und Nebenarbeiter und gar um feine Nachfolger, den Bau weiter geführt hat. Ich möchte hierfür an die befannten Berfe Platen’s in einem Sinngedichte erinnern:

„Mäßige Tempel darum, nicht riefige bauten die Griechen, Wo Jahrhunderte dran ftüdeln, wie lann es gebeihn ?”

Damit man aber nicht wähne, daſs ich bier in Bezug auf die man— gelnde Einheitlihkeit irgend wie übertreibe, laffe ih zunächſt einen durch— aus vollglaubwürdigen Zeugen, den Beginner des Wörterbudes, Jakob Grimm ſelbſt ſprechen.

Auf den erſten Spalten zu der Vorrede des erſten Bandes (vom 2. März 1854) ſagt er:

„Seine“ d. i. des auszuarbeitenden Wörterbuches] „ungeheure Wucht ſollte nun auf vier Schultern fallen. Das ſchien ſie zwar zu erleichtern und zu vertheilen, indem ihm aber auch zwei Häupter erwuchſen, die noth— wendige Einheit, wo nicht des Entwurfs, doch der Ausführung zu gefährden.

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Dies Bedenken dennoch hielt keinen Stich gegen die ſtete Gemeinſchaft, in der wir von Kindesbeinen an gelebt hatten, die, wie bisher, auch für die Zukunft unſere Geſchicke zu beſtimmen und zu ſichern befugt war. Ein— gedent des uralten Spruchs, daſs ein Bruder dem andern wie die Hand der Hand helfe, übernahmen wir williges und beherztes Entſchluſſes, ohne langes Fadeln das dargereihte Geſchäft, zu deffen Gunſten auch alle übrigen Gründe den Ausihlag gegeben hatten.“

Jakob Grimm hatte die Ausarbeitung der drei Buchſtaben U, B, C übernommen, feinem Bruder Wilhelm war der den größten Theil des zweiten (mit „Biermörder“ beginnenden) Bandes zugefallen; das vom 6. Februar 1860 ausgeftellte Vorwort aber fonnte der am 16. Dec. 1859 verftorbene nicht mehr ſchreiben und Jakob muſste hier wieder an jeine Stelle treten. Während diefer aber jehs Jahre vorher in dem Vorwort zum erften Bande (f. o.) von der Gefährdung der nothwendigen Einheit doch nur als einer möglichen geſprochen, die am wenigften bei zwei von Kindesbeinen an fo eng verbundenen Brüdern zu befürdten fein würde, jo jchilt und tadelt er, trog der Trauer um den frifhen Verluſt des jo eng verbundenen Bruders, diefen, weil er in manden von Jakob als dem Beginner des Werkes getroffenen Einrihtungen abgewichen und feine eigenen Wege gewandelt.

Ich hatte in meiner Beurtheilung der erften von Jakob ausgearbeiteten Lieferungen des Grimm'ſchen Wörterbuches gerügt, dafs die Worterklärungen fo ungleigmäßig gegeben jeien, für viele Bedeutungen gar nit und ba, wo fie fi finden, in verjhiedenen Spraden, zumeift lateinifh, wodurch zahlreiche Gebildete obgleich nit Gelehrte —, welde diefer Sprade nicht fundig find, und namentlih aud der bei Weitem größte Theil der Frauenwelt von dem Verftändnis ausgejhloffen jeien. Die Berechtigung diejes Tadels war, wenn auch von Vielen nit ausdrüdlid, doch jedenfalls ſtillſchweigend von der weit überwiegenden Mehrzahl im deutihen Volke anerfannt worden und auh Wilhelm Grimm modte und konnte ſich ihr nicht ganz verjchließen; wenigftens hat er in dem von ihm ausgearbeiteten Theile des Wörterbuhes nicht ganz die deutihen Worterflärungen ver: ſchmäht. Das war Jakob nun nit recht, obgleih er in der VBorrede zum erften Bande Sp. XXXIX, wenn aud widerwillig und nothgedrungen, das Bugeftändnis gemacht hatte: „schwerer wird es fein, die Beifügung latei- nijher, den Wortbegriff erflärender Ausdrüde zu rechtfertigen“.

„Ich ſehe nicht ein“ ſchreibt er dagegen in der Borrede zum zweiten Bande „und habe mich darüber jhon ausgeiproden, warum in einem deutſchen Wörterbuhe eins der leichteften und natürlichiten Mittel des BVerftändnifjes von der Hand gewiejen werden jolle, nämlich

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die Anwendung des Lateins oder überhaupt einer fremden andern Sprache.“

In den Behauptungen, die er dann weiter auf etwa anderthalb Spalten für die lateiniſchen und gegen die deutſchen Worterklärungen auf- ftellt, werden fiherlid die Wenigften wirklich ftihhaltige Gründe anerkennen; fie mitzutheilen und zu widerlegen, gebricht es mir bier an Raum; aber darauf fommt es mir bier auch nit an. Ich ſetze alfo nur den Schlujs dieſer Auseinanderſetzung ber:

„Aus allen dieſen Gründen“ [? Behauptungen] „war es mir nicht recht, das lateinishe Wort bei meinem Bruder oft zu vermifjen,“ woraus erhellt, daj8 jhon in den von den beiden Brüdern ausgearbeiteten Theilen feine volle Einheitlichkeit herrſcht.

Jakob hat noch mande andere Punkte angeführt, in denen fein Bruder von ihm abgewiden, die ih aber als von geringerer Bedeutung mit Nüd- fiht auf den Raum bier übergebe.

Dagegen mujs ih die Frage von der Behandlung der Zufanumen- jeßungen im Wörterbuch etwas eingehender beſprechen und erörtern, weil fih darin niht nur ein tief greifender Unterſchied zwiſchen den beiden Brüdern zeigt, jondern aud damit eine auf die Eigenart unferer Dutter- ſprache begründete, ſehr weſentliche, höchſt wichtige und folgenreihe Ein- rihtung meines Wörterbudes zufammenhängt, wodurch allein es mir möglih geworden ift, auf einem verhältnismäßig geringen Umfange und demgemäß auch in verhältnismäßig kurzer Zeit das innerlih volljtändigfte aller bisherigen deutfhen Wörterbücher fertig zu fchaffen, und zwar in der überfihtlihften Anordnung für Jeden, der fi nur die leichte Mühe nimmt, fih vor der Benutzung des Buches mit der (nur eine Seite füllenden) „Anleitung zum Gebrauch“ vertraut zu maden.

„Wichtiger jein mag eine andre Losſagung von der im Wörterbud fonft beadhteten Negel in Bezug auf die fih an das Verbum beftenden Partiteln* zc., beginnt Syalob in der Vorrede zum zweiten Bande den Tadel jeines jüngft dahingefhiedenen Bruders, der fi in dem angebeuteten Puntte eine tiefgreifende Abweihung von dem Verfahren erlaubt Hatte, welches Jakob in dem von ihm ausgearbeiteten Theile als Richtſchnur bin- geftellt und fo meit es ihm möglih war auch durdgeführt hatte. Jakob wollte nämlich jedes in der deutſchen Sprade vorkommende Wort, gleichviel, ob es ein einfaches oder ein zufammengefeßtes jei, unter einem eigenen, ihm nad der abecelihen Neihenfolge zulommenden Titeltopf be— handelt wiffen. Ich hatte in meiner Beurtheilung feiner Arbeit diefe An- ordnung getabelt, als eine bei der Lnerihöpflichkeit der Zufammenjegungen in unjerer Sprade überhaupt nicht durhführbare, ferner als eine rein

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äußerliche, das als jelbftverftändlih Überflüffige und nur den Überblid Dindernde dem Wichtigen, Wejentlihen und Unentbehrlihen gleichjegenve, bei welcher nicht nur der Nachſchlagende, fondern der Wörterbuchſchreiber jelöft Gefahr Taufe, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu fehen. Ich batte Dies u. A. damit begründet, daſs Jakob Grimm in dem erften Bande den größten Theil der Spalten von S. 220— 229 mit Super- lativen gefüllt oder verſchwendet hat, denen als Beftimmungswort aller- vorgefeßt ift, beginnend mit allerandädtigft, alleranftändigft x. und fließend mit allerzierlichft, ftatt einfach zu jagen, dafs ein foldhes verftärfendes aller- eben vor jeden Superlativ gefeßt werden kann. Es braudt wohl faum binzugefügt zu werden, daſs die Zahl der bier nad reinjter Willfür aufgeführten Zufammenjegungen mit Leichtigkeit nicht bloß auf das Doppelte, jondern auf das Zehnfadhe hätte vermehrt werden fünnen, von den fehlenden alleradeligft, allerähnlichſt, allerälteft, aller angemeſſenſt, allerangenehmft, alleranmuthigſt zc, allerauf- fallendft, allerauffälligft, alleraufrihtigft c., allerausdauerndft, allerausdrüdlidft ꝛc, alleraußerordentlidhft zc. ab bis zu aller- zweifelbaftft ꝛc. her hervorheben möchte ich, daſs der wie geiagt den Wald vor lauter Bäumen nit jehende Wörterbuhfchreiber unter allerliebft eine durhaus nothwendige Bemerkung vermiffen läfft, wie ich fie hier in der furzen Faffung meines Handwörterbudes unter All Ic berjegen will (vgl. ausführliger unter lieb Nr. 11 in meinem großen Wörterbud):

„Aller (Genit. Mehrz.) zur Verſtärkung von Superlativen: Der allergrößte. Am allergrößten. Nicht vergleihend, fondern abjolut, ge: wöhnlih nur in Allerliebft, das deshalb auch wie ein Pofitiv als Adverb ohne am, als Eigenfhaftswort mit unbeftimmten Artikel, ferner mit nähern Beitimmungsmwörtern, wie ganz, recht, gar, zu ꝛc. und mit DVergleihen, ja ſcherzhaft jelbft wieder gefteigert vorlommt: Es wäre allerliebft, doc nein, es wäre noch allerliebfter, wennzc. Ruge.“

Wie derartige Erwägungen mid zu der zufammenfaffenden, über: fihtlihen und dabei eine wirklihe innere Vollſtändigkeit ermöglichenden Behandlung der Zujammenfegungen in meinem Wörterbud geführt haben, bleibt einer fpätern Plauderei vorbehalten, man vergleiche einftiweilen das in dem gedrudten Büchlein ©. 43 ff. Gefagte.

Hier wende ih mid nun zurüd zu der von Jakob Grimm ge- tabelten Abweihung feines Bruders Wilhelm in der Anordnung der mit trennbaren Borfilben oder Umftandswörtern loſe zufammengejeßten Zeit- wörter.

Wie es jcheint, ift es Wilhelm allmählih zum Bewufftjein gelommen,

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daſs eine auch nur einigermaßen erſchöpfende Behandlung derartiger Zeit⸗ wörter nicht möglich jei, wenn man fie, jedes einzeln nad jeiner Stelle im Abece, unter einem eigenen Titellopf aufführen wollte, jondern daſs bier dem Wejen der Sade nah eine zujammenfaflende Behandlung ein- treten müſſe. Er hätte nur nicht bei diefem erften Schritte ftehen bleiben und hätte fi für die Behandlung der Zufammenjegungen nit bloß auf die zujammengejegten Zeitwörter oder vielmehr auf einzelne Klaffen ber loje oder uneht zuſammengeſetzten Zeitwörter beſchränken jollen. Wäre er auf dem Wege, worauf er eben nur den allererfien Schritt gethan, fortgeihritten, jo wäre er folgeredht zu der von mir mit wohlerwogener Berüdjihtigung der Eigenart unjerer Sprache gewählten und durchgeführten Anordnungsweife gelangt.

Dajs jolhe Erwägungen nit vor dem Beginn des Wörterbuches oder um bei einem früher gewählten Bilde zu bleiben bes aufzu- führenden Baues jorgfältig angeftellt und bei dem Entwurf des Bau-Riffes und Planes als eine für die Ausführung unverbrühlih bindende und zu befolgende Rihtihnur feftgeftellt und feftgehalten worden find, darin erblide ih einen der Hauptfehler des Grimm'ſchen Wörterbudes, das auch der nachſichtigſte Beurtheiler und Derjenige, der für alles Gute darin das offenfte Auge und die willigfte Anerkennung bat, nicht als einen nach einem einheitlihen Gedanken ausgeführten Bau, als ein in feinen Theilen gleich- mäßiges und mit einander übereinftimmendes Werk aus einem Guſſe wird bezeichnen können.

Wilhelm Grimm hatte einen durchaus richtigen Blid, wenn er in der von feinem Bruder getroffenen Anlage in Bezug wenigftens einer An— zahl zufammengejegter Zeitwörter einen tiefgreifenden Mangel entdedte; er hätte Das nur früher, vor Feſtſtellung des Bauplanes thun jollen und müffen; Jakob Grimm andrerjeits hat darin Recht, dajs —, nachdem ein- mal ein gut Stüd des Baues nad einem mangel- und fehlerhaften Plane ausgeführt worden war, der den Bau zunächſt Fortführende nicht wills fürlih nah einem andern Plane verfahren durfte.

„sh kann es,“ jagt Jakob von dem Verfahren feines Bruders Wilhelm in der Vorrede zum zweiten Bande, „ih kann es nicht folgerichtig finden, daſs alle mit durch gebundenen Verba, neben jorgfältiger Unter- ſcheidung ihrer Trennbarleit und Untrennbarkeit, einzeln und alphabetiid eingetragen, die an den Bartifeln dannen, dahin, daher, danieder, daran, darein baftenden aber unter diejen Partikeln verzeichnet und ab— gehandelt worden. Das heißt: grammatijch verfahren, nicht lexikaliſch; im Yeriton will man alphabetiih aufihlagen und zur Stelle finden, wad man juht, gerade wie abgehen, annehmen, aufnehmen, eingeben,

=;

eindringen als jelbftändige Wortbildungen, nicht unter gehen, nehmen, noch weniger unter an, auf, ein gefuht werden. Bei daher Sp. 679 bis 684 find ſogar mehrere Klaſſen abgeiondert, nad denen ſich das Wörter: buch gar nit richten kann, oder alle unter ab, an, auf, aus eingeftellten Berba müfsten fih aud aus ihrer Reihe reißen und unter den betreffenden Partikeln aufführen laſſen.“

Hier hat aljo nit etwa ein Gegner des Grimm'ſchen Wörter- budes, jondern Jakob Grimm ſelbſt die LUingleihmäßigfeit in den von ihm und von jeinem Bruder ausgearbeiteten Theilen des Wörterbuches anerkannt und ausgejproden. Aber Jakob Grimm jelbft hat nicht einmal einen von vornberein in allen Punkten feft beftimmten und unmwandelbar feft zu baltenden Plan gehabt; wenigftens jchreibt er auf Sp. XLVI der Bor: rede des erften Bandes:

„Beim Beginn des Werks ſchien noch fteif und Raumverjhwendung, die Verjchiedenheit der Bedeutungen in beigefügten Zahlen hervorzuheben, wodurh aud hin und wieder die Fugen des Zuſammenhangs verftedt werden könnten. Bald aber ftellte ſich heraus, daſs fein größerer. Artikel folder Zahlen entbehren durfte und dajs auch die Hleineren mehr dabei gewönnen als verlören. Es ift daher im diefer Hinfiht mehr Gleid- förmigfeit eingetreten, die man nur in den erften Yieferungen zuweilen vermifjen wird,“

Doch Das betrifft im Bergleih zu dem von Wilhelm Grimm aus- gearbeiteten Theile nur mehr eine Außerlichteit und Kleinigkeit. Vergleicht man nun aber mit den Arbeiten der beiden Brüder die von den ver- ſchiedenen Fortſetzern herrührenden, die, wenn fie in dem bisher inne— gehaltenen Zeitmaße fortgeführt werden, nod manches Jahrzehnt in Anſpruch nehmen werden, jo muſs man jagen, dais bier von einer Einheitlichfeit in dem Plan und in der Ausführung kaum nod die Rede jein kann.

Bon den beiden Brüdern rühren drei Bände des Wörterbudes ber; von den beiden erften ift ſchon die Rede geweſen; den dritten (von E bis Forſche reihend), der 1862 erjchien, hat Jakob Grimm noch allein aus» gearbeitet. Sehzehn Sabre jpäter (1878) war von dem vierten Bande die erfte Hälfte der erjten Abtheilung fertig, von Forſche bis Gefolgs- mann reichend, größtentheil® von Rudolf Hildebrand ausgearbeitet denn die Beiträge von SYatob Grimm und dem inzwiſchen auch ſchon verftorbenen Weigand find geringfügig. Seitdem find nun etwa wieder ein Dußend Jahre ins Land gegangen und von der zweiten Hälfte der erjten Ab- theilung des vierten Bandes find inzwiſchen fieben Lieferungen erſchienen, von Gefoppe bis genug (1886). Wann nah diefem Maßftabe der Buchſtabe & jemals zu Ende fommen wird, Das mögen die Götter wifjen.

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Daſs aber au abgejehen von der Unerjhwinglichkeit des Preijes für die meiften Privatperfonen ein joldes Werk, worin die Auskunft über die einzelnen Wörter zu umfangreichen, weitihweifigen und unüberſicht⸗ lihen ganzen Abhandlungen anjchwellen, niemals, wenn es auch wirklich nad Jahrzehnten vollftändig fertig werden ſollte, als bequemes Nachſchlage⸗ buch wird dienen können, darüber braucht man fein Wort zu verlieren.

Dem gegenüber darf ic, gehoben durch die mir bei Gelegenheit meines fiebzigften Geburtstages in jo reihem Maße zu Theil gewordenen Anerkennungen, mit freudiger Genugtduung und mit innigem Danf gegen Gott auf die erfte Zeile meines am 3. Juli 1865 geſchriebenen Vorwortes zu meinem Wörterbude bliden, welche lautet:

„Das deutfhe Wörterbud, dejjen erfte Lieferung 1859

erſchien, ift jegt, im fiebenten Jahre beendet“ und ich darf Hinzufügen, daſs es trog mander Mängel, die einem ſolchen Werke unvermeidlih anhaften werden, das einzige umfaffende und innerlich vollftändige Wörterbuch der heutigen hochdeutſchen Sprade ift.

Das ſpreche ich ohne jede Selbftüberhebung mit demüthigem Dank gegen Gott aus, der mir dazu die Kraft verliehen.

Weitere Plaudereien bleiben für jpäter vorbehalten.

Altftrelig (Meklbg.), 23. Dec. 1889. Daniel Sanders.

Erd. 31. 12. 89, Medaltion der „Deutihen Dichtung“. Heraus- geber: Karl Emil Franzos Berlin. Verlag: %. Ehlermann Dresden: N.

Berlin W. 10, Kaiferin Auguftaftraße 71., den 27. Dez. 1889.

Hochverehrter Herr!

Ihre freundlihe Sendung hat mid mit jehr widerjprehenden Em- pfindungen erfüllt. Daſs Sie mit jo liebenswirdiger Bereitwilligfeit den: noch zur Feder gegriffen, war mir eine herzliche ‘Freude, aber den Aufſatz kann ich leider nicht druden, und Ihnen denfelben zurüdienden zu müffen, fällt mir andrerjeits wahrlih nicht leiht. Wenn ih mi nun gleihwohl dazu entihließen muſs, jo bin ich verpflichtet, Ahnen die Gründe dafür anzugeben.

Es wird Ihnen, der Sie meine Zeitihrift freundlih verfolgen, nicht entgangen fein, dajs dieſelbe ſich bemüht, Kräfte der verichiedenften Rich— tungen, fofern fie nur ernft und tüchtig wirfen, in gleicher Weiſe zu berüd- fitigen. Im kritifchen Theil ſorgſam darüber wachend, dafs das Verdienft zur Geltung komme, gleichviel in welchem Lager e8 erworben wurde, habe ich Realiften und Idealiſten und au im litterar-biftorifchen Theil Männer der verjchiedenften Richtungen herangezogen. Und jo ftand denn auch auf meiner Mitarbeiterlifte friedlih Ihr Name neben dem Ihrer litterariichen

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Gegner. Daſs es unter dieſen Umſtänden nicht leicht ſein würde, den Frieden innerhalb der Zeitſchrift zu bewahren, habe ich mir von vornherein gejagt, aber es ift mit Takt, Gerechtigkeitsgefühl und einigem Briefſchreiben dennod gegangen. Geftatten Sie mir zwei Beiipiele hervorzuheben, wo es mit ſchwerer Mühe, aber dennoh glüdte. Als Sie die Güte hatten, mir für Heft 1 des I. Bandes die intereffante Anregung: „Über eine Akademie der deutihen Sprache“ zu jchreiben, regnete es aus afademijchen Kreifen Zuſchriften an mich, welche neben der ſachlichen aud eine perjün- lie Gegnerſchaft verriethen und insbefondere auf die Art Bezug nahmen, wie Sie in Ihrem Aufſatz Jakob Grimm’s gedachten. Ich habe feine einzige derjelben publiziert, jondern nur zwei Briefe von Prof. Baul in Freiburg und Brof. Bechſtein in Roſtock gebracht, welche eine der Ihrigen entgegengejegte Anihauung in durhaus jahliher und unpolemifcher Weije zum Ausdruck braten. Ähnlih hielt ih es, als das Schriften von Auguft Mühlhauſen, „Geſchichte des Grimm'ſchen Wörterbuchs“ erſchien, und mir einer meiner werthvollſten Mitarbeiter aus germaniſtiſchen Kreiſen eine Beſprechung desſelben einſchickte, welche dabei an Ihrem Wörterbuch energiſche Kritik übte. Ich erwiederte ihm, daſs beide Bücher verſchiedene Zwecke und verſchiedene Verdienſte hätten, und daſs es meines Erachtens ſehr wohl angehe, das eine zu rühmen, ohne das andere anzugreifen. Er erwiderte mir darauf, ein Gleiches geſchehe auch von Ihren publiziftiichen Freunden, ja von Ihnen ſelbſt. Meine Antwort war, in meiner Zeitſchrift jei Dies nie gejchehen und werde Dies nie geſchehen. Der von mir jehr geihägte Dann ift daraufhin aus dem Mitarbeiterfreis meiner Zeitihrift geihieden, was mir aufrichtig leid that, was ich jedod nach meiner Über- zeugung nit ändern fonnte. Daraufhin habe ich felbft im 5. Heft des V. Bandes, ©. 127—128 jenes Schriftchen beiproden, durchaus objektiv und unter jharfer Betonung, wie überflüjfig mir die Polemik gegen Sie und Andere erſcheint. Ihr Aufjag, verehrter Herr, ift eine Polemik gegen das Grimm'ſche Wörterbuh und ih kann jie eben jo wenig druden, als die Polemik gegen Sie. Es wäre ein Brud mit den Traditionen der Zeitſchrift.

Ich bin überzeugt, daſs Sie dieſe Motivierung in derſelben Ge— ſinnung aufnehmen werden, in welcher ſie gegeben iſt. Herzlichſt ſoll es mich freuen, wenn Sie mir Dies dadurch beweiſen, daſs Sie mir recht bald einen andern Aufſatz zur Verfügung ſtellen. Zweierlei jedoch möchte ich dabei von Ihnen erbitten. Einmal einen ſelbſtändigen Titel, da ja die drei erſten Nummern der Plauderei nicht in der „Deutſchen Dichtung“ erſchienen ſind, zweitens jedoch Weglaſſung des perſönlichen Moments der Abfaſſung, ſoweit es nicht unbedingt nothwendig iſt. Insbeſondere möchte

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ih bitten, von der Wiedergabe unferer privaten Korrejpondenz in ber Einleitung abjehen zu wollen. Je weniger der Leſer hinter die rebaftio- nelfen Kouliffen fieht, um fo beſſer ift es. Greifen Sie, hochverehrter Herr, irgend welche Bunfte heraus, die fi dazu eignen, um in einer rein ſachlichen Darftellung dem Publitum zu zeigen, wie ein Wörterbud gemacht wird. Kann ih auf den Auffag mit Sicherheit bis 10. Januar rechnen, jo bitte ih um freundliche umgebende Mittbeilung darüber und richte dann die Sade jo ein, dajs noch das Februarheft ein Sanders-Heft ift, ift jedod dies nit möglich, jo würde ih dann einen Monat jpäter damit fommen. In ausgezeichneter Hochachtung Ihr aufrichtig ergebener Franzos.

Meine Antwort.

Auf den mir am 31. Dec. 1889 zugegangenen Brief des Herrn K. E. Franzos antwortete ich ſofort:

Hochgeehrter Herr!

Indem ich Ihrem Wunſche gemäß Ihnen ſofort antworte, bitte ich freundlichſt, wie ich es von vorn herein gethan, für das Heft über mich von einem Aufſatze aus meiner Feder über meine Thätigkeit als Wörterbud- ſchreiber abjehen zu wollen.

Ich habe nicht aus eigenem Antrieb, fondern nur auf Ihren wieder- bolten Wunſch den Ihnen eingefandten Aufſatz geichrieben und ih kann obne Überwindung darauf verzichten, ihn augenblicklich veröffentliht zu ſehen; aber ich fann, wenn ich einmal über meine Arbeit am Wörterbud ipreden joll, aus rein jahlihen Gründen e8 nicht vermeiden, offen und rüdhaltlos auszujpreden, in welhen Stüden ih und warum ich aus wohl überlegten und dur den Erfolg geredtfertigten Gründen meine eignen Wege gewandelt bin. Ich weiß ſehr wohl, daſs ich damit bei Denen, von welchen ich abgewichen bin umd deren Wege ich meiner innerften Überzeugung gemäß als Irrwege bezeichnen muſs, Anftoß errege; aber Das liegt einmal in der Sade und nit im Perſönlichen, eben jo wie ich bei meiner beurtbeilenden Beleuchtung der erften Lieferungen des Grimm'ſchen Wörterbuches nicht von perjönlihen Beweggründen, jondern rein von jad- lihen geleitet worden bin.

Ahnen verdente ich es nicht, wenn Sie in Ihrer Zeitihrift nicht wollen, was bei manden Leſern ſei es mit Recht oder mit Unrecht Anftoß erregen könnte oder würde; aber auch mir werden Sie es nit verbenfen, dafs ih was ih ja ohnehin von vorn herein wollte lieber

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zur Zeit jehweige, als dajs ih meine ehrliche, ſachlich begründete Über zeugung von Dem, worüber ih zu jprechen habe, zurüdhalte oder aud nur vertuſche.

Vielleicht kann ich Ihnen ſpäter einmal bei Gelegenheit einen Beitrag für Ihre Zeitſchrift liefern, in welchem ih nit zurüdzubalten und doc nicht zu befürdten brauche, dafs ich bei manchen Ihrer Leſer Anſtoß errege.

Das Vorftehende habe ih trog meines Mangels an Muße Ihnen ſofort in Eile jhreiben wollen, weil id nit einen Aufihub in dem Eriheinen des mir von Ihnen gütigft zugedachten Heftes verſchulden wollte.

Ohne Groll wegen der Niht-Aufnahme meines Auffages, mit freund: lihem Dank für das verheißene Heft, mit beften Grüßen und Wünſchen zum neuen Jahr

Ihr hochachtungsvoll ergebener Daniel Sanders. Altſtrelitz (Meklbg.), 31./12. 89.

Zum Abſchluſs.

Zum Abſchluſs des Vorſtehenden habe ich hinzuzufügen, daſs Karl Emil Franzos in dem am 1. März 1890 zur Ausgabe gelangten 11. Heft des 7. Bandes der „Deutſchen Dichtung” das von ihm gewünjdte „Sanders- Heft“ hat erſcheinen laſſen. Das Heft enthält auf ©. 269 ff. einen Auf- jag mit der Überſchrift: „Daniel Sanders“. Der mir befreundete Berfaffer, ein jüngerer Yandsmann von mir, der Oberlehrer Dr. Friedrich Latendorf, bat in der Zeit feiner Wirkſamkeit als Lehrer an dem Gymnafium Garolinum in Neuftrelig mehrfach in meinem Haufe verfehrt und aljo mich genauer fennen zu lernen Gelegenheit gehabt und, da er, der namentlich um die Kumde des deutihen Sprichworts ſich jchriftftelleriich jehr verdient ge— madt hat!, jih auch meiner jhriftftelleriihen Thätigfeit von ihren erften Anfängen ab mit warmberziger Anerkennung und liebevoller Theilnahme zugewendet hat, jo konnte Karl Emil Franzos fih für den von ihm ge- wünschten Auffag über mid jchwerlid eine geeignetere Perſönlichkeit wählen als eben Friedrich Latendorf. Ich kann und will hier nicht die Gelegenheit unbenußt laffen, beiden Herren für die mir erwiejene Aufmerkſamkeit meinen

ı Ach nenne bier namentlich: „Agricola’8 Sprichwörter, ihr hochdeutſcher Urfprung und ihr Einfluſs auf die deutfhen und niederländiihen Sammler, nebft fritifher Be— merkung über die Sprihwörter und Sprihmwörterfammlungen der Gegenwart von Friedrich Latendorf. Schwerin 1862“ und „Sebastian Frank’s erste namenlose Sprichwörter- sammlung vom Jahre 1532 in getreuem Abdruck mit Erläuterungen und kultur-

und literar-geschichtlichen Beilagen, herausgegeben von Friedrich Latendorf. Pöseneck 1876“.

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aufrichtigen, lebhaften Dank auszuſprechen. Bemerken will ih noch, daſs Dr. Latendorf von Neuftrelig ans Gymnaſium nah Schwerin (in Meklen⸗ burg) berufen wurde, wo er lange Jahre gewirkt hat (auch den Aufiag über mid bat er dort gefhrieben), und dafs er jet, nachdem er feinen Abſchied genommen, in Schönberg im mellendurg-ftreligiihen Fürftenthum Ratzeburg nah Kräften weiter wirkſam iſt.

Dem Aufſatze von Latendorf geht in dem Hefte der „Deutſchen Dichtung“ (unter dem Titel: „Wort- und Sprachreichthum“) ein von mir verfafster Aufjag voran, dur deſſen Einjendung ih Herrn Karl Emil Franzos wohl den beften Beweis gegeben babe, dafs ih ihm durchaus nit grolfe, weil er meine auf feine Aufforderung gejchriebene Arbeit, die ih feit faft 7 Jahren in meinem Pulte zurüdbehalten habe und erft jekt in dem Schlujsheft meiner Zeitihrift zur Veröffentlihung bringe, als feiner Anfiht nah nit in feine „Deutihe Dichtung“ paffend, zurüd- gewiejen hat.

Mein Auffag: „Wort: und Spradreihthum” hat nun freilich weder bei Karl Emil Franzos noch bei feinen Leſern Anftoß erregt; aber er bat doch auch nit den von mir freilid mehr gewünſchten als gehofften Erfolg gehabt, daſs die darin behandelte Frage mir nit von Zeit zu Zeit immer wieder von verjchiedenen Seiten zur Beantwortung eingefandt worden wäre. Darum babe ih mich entihloffen, ihn bier in dem Schluſsheft meiner Zeitichrift zum ermeueten Abdrud zu bringen (f. die folgende Nr. in dieſem Hefte). Bielleiht hat mein. Aufjag an diejer Stelle nad- baltigere Wirkung.

Innerhalb meines vorerwähnten Aufjages findet jid um Nichts von den mir im dem jogenannten „Sanders:Heft“ von Herrn Karl Emil Franzos erwiejenen Aufmerkjamkeiten unerwähnt zu lafjen in meiner forgfältig nadgebildeten Handigrift ein aus 9 Hexametern beftehender Sprud von mir und an der Spike des Heftes mein Bildnis „nad einer Photographie von H. Krull in Neuftrelig“.

Wort: und Spradreihthum.

Seit einer Reihe von Yahren ift mir immer wieder aus den ver- ihiedenften Gegenden unjeres, wie es ſcheint, überall durftigen und trinf- fuftigen Vaterlandes die Frage vorgelegt worden, ob man richtiger fage: ein Faß anftehen oder anfteden, fo dafs ih mich ſchon einmar bewogen gefühlt, darauf eine öffentliche Antwort (in der National» Zeitung)

a

zu geben. Das bat denn au, zumal da diefe Antwort aud in andere Blätter übergegangen, eine Zeit lang gefruchtet und vorgehalten, in welder ih mich ſchon freute, die, wie eine beharrlih immer wiederkehrende läftige und beichwerliche Fliege mich verfolgende Frage glüdlich verſcheucht zu haben, aber die Freude währte nit allzulange. Nah einiger Zeit fam die alte Frage wieder und dann beharrlih immer wieder und wieder.”

So habe ih auf Seite 40 des zweiten Jahrgangs meiner „Zeit: ihrift für deutihe Sprache“ berichtet.

Ähnlich wird feit Sahrzehnten von Zeit zu Zeit mir wieder umd immer wieder eine andere Frage namentlih von Deutſchen in England oder in Nordamerika vorgelegt, nämlih die Frage, wie groß denn eigentlih die Zahl der Wörter in unſerer deutſchen Sprade jei und in- fonderheit, welde von beiden Sprachen die deutjche oder die englifhe die andere an Zahl der Wörter übertreffe. Zulegt ging mir die Anfrage von dem Yeiter einer in Deutihland in engliiher Sprade hauptſächlich für Engländer und Nordamerifaner erfcheinenden Zeitung zu, und kaum hatte ih darauf wieder einmal ih weiß jelbft nicht, zum wievielften Mal meine Antwort ertheilt: da fand ich zufällig auf der Schlufsjeite des am 15. November 1889 veröffentlichten Heftes der in Mandefter (in New:Hampfhire) eriheinenden Zeitihrift: Germania. A Fortnightly Journal for the Study of the German Language and Literature unter den „Yitterariihen Nachrichten“ einen Aufſatz, aus dem ih hier das Folgende aushebe:

„DEUTSCH JST TRUMPT. Unter diefem Titel lefen wir in dem St. Youis- Tageblatt einen interejfanten Artikel über den Sprad: reihthum der deutihen Sprade. Der Berfafjer fagt darin: ... Unter Heranziehung des Webfter'ihen Wörterbuches nebft Supplement und Ogilvies Imperial Dietionary, legte Auflage 1882—83, fand er [der Verfafjer des Auffages im St. Youis- Tageblatt] dann, dafs fih der Wortihat der eng— liihen Sprade heute auf etwa 130000 Wörter ftellt. Nun zur deutſchen Sprade! Adelung bringt in der zweiten Ausgabe feines großen Wörter: buches der hochdeutſchen Mundart [1796 —1802, 4 Bände] 55811 Num- mern. Aber ihon 1807 1811 erihien Campe's Wörterbuch) der deutichen Sprade in 5 Bänden mit 141277 Wort-Artiteln. Über die Wortihag- Ziffern der neueren Wörterbücher von Heinfius, Heyie, Hoffmann, Sanders, Grimm, alfo über den ganzen Zuwachs des legten Jahrhunderts vermag der Verfaſſer noch nichts Beftimmtes anzugeben, es möchte fih aber die Zahl der Wörter auf mindeftens 200 000 erhöht haben.

Wir erinnern uns, daſs vor nicht langer Zeit eine ähnlihe Anfrage bei dem berühmten Profefjor Kirhhof gemaht wurde. Des Wortlauts

HZeitſchrift f. deutſche Eprade. X. Jahrg. 35

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ſeiner Antwort entſinnen wir uns im Augenblick nicht; doch glaubt er, nicht zu irren, wenn er den Wortſchatz der deutſchen Sprache um . höher ſchätzt, als den der engliſchen Sprache.

Es freut uns, das St. Louis-Tageblatt auf einen ſo bedeutenden Gewährsmann aufmerkſam machen zu fünnen.“

An das Vorftehende hätte ih nun gern eine Anführung aus einem Auffage (irre ich nicht, von Bacmeifter) in der Beilage zur [Augsburger] „Allgemeinen Zeitung“ 1866, Nr. 104, gereiht. Aber leider ift mir dieſe Nummer nit zur Hand, doch fann ih das Wejentlihe des bier Anzu— führenden einem Auffage entlehnen, welchen der verftorbene Oberlehrer Dr. Friedrich Sachſe in Berlin über mid in der Nr. 1492 der [eipziger] Illuſtrierten Zeitung vom 3. Februar 1872 veröffentliht hat. Hier führt er nämlich aus der genannten Nummer der „Allgemeinen Zeitung“ das Urtheil, weldes dort Bacmeifter, wie ih glaube, oder wie Sadie ihn (ohne ihn zu nennen) bezeihnet „ein Kritifer, der feiner frühern Ab- neigung gegen Sanders fein Hehl hat“, über mein Wörterbuch gefällt Hat, wörtlih an. Es lautet:

„Das Wörterbud der deutihen Sprache ift das tüdhtige, ehrenwertbe Werk eines bewunderungswürdigen Geiftes. Seine Hauptvorzüge find folgende: Erſtens ift es fertig von A bis 3 eine jeltene Qugend. Zweitens giebt es eine ſehr vollftändige Aufzählung des neuhoch— deutijhen Wörtervorraths mit verftändiger Ausſchließung der unbedeutenden, bloß mechaniſchen Wortbildungen. Drittens ift die innere Anordnung und logiſche Entwidelung der Wortbedeutungen jcharf und verftändig. Viertens find die Belegfiellen reihlih und treffend.“

Zu der Stelle aber, worin Bacmeifter von der „jehr vollftändigen Aufzählung des neuhochdeutſchen Wörtervorraths* jpridt, jagt Dr. Sachſe in einer Fußanmerkung:

„In einer vorangehenden Stelle veranihlagt er die Zahl der von Sanders aufgeführten Wörter auf 3—400000, während das Grimm'ſche Wörterbud, wenn es einmal vollendet jein wird, nad einer ziemlich zu— verläjfigen Rechnung 229 760 zählen würde.“

Ich will durchaus nit verhehlen, daſs dies einem urſprünglich ab— geneigten und widerwilligen Beurtbeiler dur‘ meine Yeiftung abgerungene günftige Urtheil über mein Wörterbuch mid immer und jo aud) bier bei der Wiederholung mit Freude und innerer Öenugthuung erfüllt hat; aber doch nit deſshalb Habe ih es hier angeführt, jondern hauptſächlich, weil in den von mir durch Sperrdrud hervorgehobenen Worten wenigjtens jhon im Keime auf das Irrige in der Frage bingewiejen ift, dejjen Berichtigung für mid der hauptſächliche Zweck des vorliegenden Aufſatzes ift.

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Die ganze Stellung der Frage nämlih, „welhe Sprade Trumpf jei”, abhängig gemacht von der größern ober der geringern Zahl der Wörter in der einen oder der andern, ift eine durchaus faljche, und darım fann darauf aud feine wirklich befriedigende Antwort gegeben werden. Goethe hat einmal in einem ähnlichen Falle, als die Petersburger Akademie auf eine von ihr geftellte Preisfrage feine Antwort erhalten, ausgejprocen, die Afademie jollte den Preis verdoppeln und ihn Demjenigen verſprechen, der jehr klar und bdeutlih vor Augen legte: warum feine Antwort einge gangen ift und warum fie nit erfolgen konnte. Wer Dies vermöchte, hätte jenen Preis wohl verdient. (Ausg. in 40 Bon, II. ©. 28%: Sprüde in Profa, über Naturwiffenihaft, 2. Abth.)

Für die vorliegende Frage, wonah der Reichthum verjchiedener Spraden nah der Menge der einzelnen darin vorhandenen Wörter be- meifen werden joll, läſſt jih mit leihter Mühe überzeugend nachweiſen, dafs hier um einen Ausdrud aus der Größenlehre zu verwenden infommenjurable (maßfremde) Größen d. h. joldhe, welche fein gemeinjames Maß haben, gegen einander gemefjen und verglichen werden. Weich ift eine Sprade, wenn ihr für alles darin Auszudrüdende eine für alle die ver- ſchiedenen Abſchattungen und Abftufungen ausreihende Anzahl von beftimmt bezeichnenden Ausdrüden (Wörtern) zu Gebote fteht; fehlt e8 ihr aber da— gegen an bejtimmten Bezeihnungen für das darin zu Bezeichnende, jeien Dies nun Begriffe oder Empfindungen, Gefühle u. j. w., jo zeigt ſich hierin eine gewiffe Armuth, eine Lücke, ein Mangel, die fie durch neue aus dem vorhandenen Wortihag zu bildende oder zu jchaffende Wörter oder durch Entlednung und Aneignung aus fremden Spraden auszufüllen und zu erjegen bejtrebt jein wird und mus. Aber die Armuth einer Sprade kann andrerjeit8 auch grade durch eine Überfülfe von Wörtern verurſacht werden, wenn dieje nämlich unterjchiedlos Ein: und Dasielbe (einen und denjelben Begriff, eine und diefelbe Empfindung u. ſ. w.) bezeichnen, nicht aber beftimmt und jcharf ausgeprägte Abjchattungen, Abftufungen und Ber: chiedenheiten eines gemeinjamen Begriffs u. ſ. w. Mit einer ſolchen Über: fülfe völlig gleihbedeutender Wörter, die einander nur hindernd im Wege jtehen fünnen, wäre eine Sprade allerdings wortreider, aber nicht aus: drucks reicher, jondern nur verworrener, dunkler und unklarer, alio in der That ärmer, als eine Sprade mit weniger, aber genau, ſcharf und bejtimmt unterſchiedenen Wörtern. Ein Bild wird das Genannte vielleicht am beten veranihaulihen und Mar machen. Nah dem ganzen Bau des menſchlichen Körpers find für den Menſchen zwei Arme das geeignete und pafjende, rihtige umd regelrehte Maß. Gegen den zweiarmigen Menſchen aber erſcheint nicht bloß der einarmige im Rückſtande und umbeholfen, jondern

35*

= Mr

auch eine dreiarmige Mijsgeburt, welche der überihüjfige und an ungehöriger und ungeeigneter Stelle fih findende dritte Arm nicht beholfener, fondern unbeholfener macht.“ ebenfalls genügt wohl das Vorftehende zu zeigen, dafs MWortreihtfum und Sprach reichthum einander nicht gegenjeitig be- dingen. Man vergleihe 3. B. auch noch die Bezeihnung aller Zahlen mit Ziffern nad der Anordnung für eine beftimmte Grundzahl. Dieſe Grund— zahl ift bei uns befanntlih die Zehn und fo bebürfen wir zur Darftellung offer Zahlen der zehn Ziffern von O bis 9. Man könnte aber auch eine größere oder eine Hleinere Zahl als Grundzahl wählen, z. B. die Zwölf oder die Zwei. Im erftern Falle würde man nod zwei Ziffern der ein- fachen Zahlzeihen mehr haben müffen, nämlih für die Zehn und die Elf; im andern Falle reihte man mit dem beiden Ziffern für die Null und die Eins aus; aber e8 wäre durchaus verkehrt und falih, wollte man im Ver— gleih zu der Darftellung nah der Grundzahl Zehn die nah der Grund: zahl Zwölf als eine reichere, die nah der Grundzahl Zwei ala eine ärmere bezeichnen, da alle drei Anordnungen zur Bezeihnung aller Zahlen in ihrer unendlichen Fülle geeignet und pafjend find, mögen fie auch aus anderen Sefihtspunften betrachtet und gegen einander abgemeffen und abgemogen ihre verſchiedenen Vorzüge und Nachtheile haben. Etwas Ähnliches, aber natürlih durchaus nit Dasjelbe gilt au für die Bezeichnung und Darftellung unjerer Gedanfen durd die veridiedenen Spradhen mit den diefen eigenthümlichen Wörtern.

Nun aber fomme id auf die Frage nad der Zahl der in der deutjchen Sprade vorhandenen Wörter zurüd. Wie gejagt, ift in dem Aufjage der Augsburger Allgemeinen Zeitung die Zahl der in meinem Wörterbud der deutſchen Sprade aufgeführten Wörter auf 3—400 000 veranidlagt. Durch welde Berehnung Bacmeifter, wenn diejer, wie ih glaube, der Verfaſſer ift auf diefe Zahl gefommen, weiß ich nicht, und ih habe auch nie die Nichtigkeit der Angabe zu prüfen verſucht, da ich (wie man wohl gejehen) auf die Zahl der Wörter fein befonderes Gewicht lege. Yeden- falls handelt es fih um einen bloß ungefähren Überfchlag, ganz obenhin, in Baufh und Bogen, wobei e8 auf einmalhunderttaufend Wörter mehr oder minder nit ankommt. Und hätte Bacmeifter noch die ſpäter in meinem Ergänzungs: Wörterbuh binzugelommenen Wörter binzurechnen können, jo hätte er die Zahl wohl noh um einmalhunderttaujend höher greifen fönnen; aber man überjebe nicht, wel ein großer Unterjchied iſt zwijchen der Zahl der in dem möglichſt vollftändigen Wörterbuch auf- geführten Wörter und der Zahl der in der Sprade vorhandenen Wörter,

Bgl. Zeitſchr. ©. 343 Nr. 8.

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zumal bei einer durd die faft unbeihräntte Leichtigkeit der Fortbildungen und Zufammenfegungen unerihöpflih reihen Sprade wie die deutſche. Für dieſe ift jede noch fo hoch gegriffene beftimmte Zahl ihrer Wörter zu gering, men kann fie getroft niht bloß um jo und fo viele hunderttaufend vermehren, jondern gradezu verdoppeln, verdreifadhen u. j. w.: die richtige Zahl ift eben, um die Bezeihnung aus der Größenlehre zu entlehnen, !/,, d. h. unendlih groß. Die Nichtigkeit diejer Behauptung, die vielleicht Manchem auf den erjten Blick ſtark übertrieben jcheinen dürfte, läfft ſich leicht vollftändig erweijen.

Das erfte Zahlwort, weldes nah der Meibenfolge im Abece der Wörterbuchſchreiber aufzuführen hat, ift acht. Daran fließen ſich als Ableitungen z. B.: der adte, ein ahtel (als Eigenfhaftswort), ein Achtel (als Hauptwort), ahteln, ahtens, ein Achter, Adtering, Achtling u. j. w. ferner Zufammenjegungen, zunächſt Zahlwörter, 5. ®.: ahtzehn (mir Ableitungen wie: der ahtzehnte, ein ahtzehntel, acht— zehntes :c.), ahtundzwanzig, ahtunddreißig u. |. w. (mit den zugehörigen Ableitungen), ahtzig, achtundachtzig (dazu z. B. aud: ein Achtziger, Ahtundahtziger), achthundert, ahtzehnhundert, adt- tausend, ahtzehntaujend, adtundzwanzigtauiend, acht mal— hbunderttaujend, ahtmillion u. ſ. w. u. j. w. mit den zugehörigen Ableitungen; ferner auch Zujammenjegungen der Zahlwörter mit andern Wörtern, wie z. B.: Achtbätzner, Achtbatzenſtück, Ahtgroidenftüd; Acht-, achtzehn x. «Ed, »edig, Seit, :»jeitig, Flach, flächig, Flächner 2; fach, »fältig, :mal, :malig, -ellig, Pfündig, Bfünder :c, :jtündig, »tägig, wöchig, :monatig, »jährig ꝛc.; ferner 3. B.: adterlei, achtzehnerlei u. ij. w., aud: ein Acht-Ender, Hirih mit ahtendigem Geweih ꝛc. und aht(e)halb (d. i.: fieben ganz und das achte halb) mit der Fortbildung: Adht(e)halber für eine veraltete Münze (j. Wdelung).

Wer dieje und die nad Ähnlichkeit zu bildenden Ableitungen und Zujammenjegungen des Zahlwortes acht, die doc, jedenfalls mit unter die Zahl der deutihen Wörter gehören, in den rein nad) dem Abece geordneten deutihen Wörterbüdern nachſchlagen will, wird dort nur fehr wenige, vereinzelte und aufs Gerathewohl herausgegriffene aufgenonmen finden umd, wenn er nun erwägt, daſs, was hier von dem Zahlwort acht geſagt ift, auch mit einigen Abänderungen für alle die unzähligen Zahlwörter von eıns ab niht nur bis zu Million, Billion, Trillion, Qua: drillion u. j. w. ins Unendliche fort gilt, jo wird er zugeben, daſs ſchon bloß für dieje eine Klaffe von Wörtern feine noch fo große beftinmte Zahl ausreicht, jondern nur, wie gejagt, die Bezeihnung '/,. Hierbei

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möchte ih im Vorübergeben, im Nüdblid auf Vorangegangenes bemerken, dafs wir die franzöfiihe Sprade nit ärmer als die deutſche nennen dürfen, weil ihr 3. B. für unſer achtjährig ein eignes Eigenſchaftswort jehlt und fie 3. B. „ein ahtjährigs Kind“ durh un enfant de huit ans (ein Kind von 8 Jahren) ausdrüdt. Wir können freilich auch noch „ein ahtehalbjähriges Kind“ jagen für un enfant de scept ans et demi (ein Kind von fieben und einem halben Jahr); aber auch wir werden gemöhnlih nur übereinftimmend mit den Franzoſen z. B. fagen: „Ein Kind von acht Jahren und fieben Wochen“. Linjere Sprade bietet freilih die Möglichkeit, dafür zu jegen: „Ein ahtundfünfzweiund: funfzigfteljäbriges Kind“ oder, wie man bie Jahre (mit Einichluis von zwei Scalttagen) und die Wochen in Tage umrechnen will: „Ein zweitaujendneunhundertundeinundfiebzigtägiges Kind“; aber ge- wiſs fein Deutiher wird in biejen den Wortſchatz an Zahl vermehrenden unüberfihtlihen Ausdrudsweiien eine Bereiherung der Sprade erbliden.

Doch wenden wir uns nad dieſer, wie gejagt, nur im Worüber: gehen gemadten Bemerkung nun von den mit Zahlen zujammengeießten deutihen Wörtern zu andern! Bartholomäus Ringmwald jchreibt in feiner „Lautern Wahrheit” S. 329: „Wenn man ein Adlersfeder zu andern Federn legen tbut, jo frifjt fie der ein ganzen Hauf“ und Jean Paul in feiner „Vorſchule der Wfthetit” 1, 136: „Wie Adlerfedern andere Federn im ihrer Nähe zerftören“. Die Zujammenjegung Adlers- oder Adlerfeder gehört unftreitig und unzweifelbaft dem deutihen Wortſchatz an; aber der Wörterbuchſchreiber, der in feinem rein abecelih geordneten Werke ihr eine oder vielmehr eine doppelte Stelle einräumen will, muſs folgereht auch ſämmtlichen Zujammenjegungen von Feder mit dem Namen aller Bögel Aufnahme in jein Wert gewähren. Wie viel Raum dafür aufzinvenden oder (nach meiner Auffaffung) zu verichwenden wäre, entnehme man aus umfaſſenden naturgeihictlihen Werfen. Ich fonnte in meinem Wörterbud, in welchem ich die Zujammenjegungen durch— gängig jedesmal Hinter ihrem Grundwort in einem eignen Abjchnitt be: handelt habe, in dem zu Feder gehörigen in den beiden eriten Zeilen die im Vorhergehenden angedeuteten unzähligen Zuſammenſetzungen erſchöpfen:

„Zuſammenſetzungen unerihöpflid nah den verjdiedenen Bügeln, 3. B.: Adler, Gänſe-, Hühner:, Pfauen-, Strauß-Federn ꝛc.“ (vgl. aud in der Anmerkung zu Adler das bier über die Doppelform Adler, Adlers- als Beitimmungswort in Zufammenjegungen Gejagte) und es wird fich fiber niemand über Unvollftändigfeit beklagen dürfen, wenn er bier nicht die nah Ähnlichkeit ins Unendlihe zu mehrenden Zujammen- jegungen jämmtlid einzeln aufgeführt findet, alfo 3. B. nit: Ammer-,

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Amſel-, Auerbabn:, Birkhuhn- Drofiel:, Enten: Eulen: Feder u. j. w. Man denfe nun an die ähnlihen Zufammenjegungen mit Grundwörtern wie: Flügel, Fittich, Schwinge, Flug, Schwung, Schnabel x. aud: Kopf, Auge, Bruft, Fuß u. ſ. w. und überblide, wenn auch nur ganz oberflählih und flüchtig, eine Anzahl der jedesmal dem Grundwort nahfolgenden Zufammenjegungen in meinem Wörterbuch, und man wird nicht länger bezweifeln, dajs die Zahl der in der beutfchen Sprade vorhandenen Wörter durd feine noch jo große beftimmte Zahl anzugeben, jondern nur als unendlih (wie !/,) zu bezeichnen ift.

Auf die eigenartige Behandlung der fei es mit jelbftändigen Wörtern, jei es mit bloßen Vorſilben zufammengejegten Wörter unter dem jedesmaligen Grundwort gründet fi der eine von dem Beurtbeiler in der „Allgemeinen Zeitung“ meinem Wörterbuh nachgerühmte und oben von mir durch Sperrdrud bervorgehobene „Hauptvorzug*, dafs „es eine fehr vollftändige Aufzählung des neuhochdeutſchen Wörtervorraths mit ver- ftändiger Ausjhließung der unbedeutenden, bloß mechaniſchen Wortbildungen gebe.“ Im VBisherigen habe ih einige Beijpiele für Zufammenjegungen von Haupt: und von Eigenihaftswörtern gegeben; ich will nod einige für Zuſammenſetzungen von Zeitwörtern hinzufügen. Be— kanntlich unterjcheidet man hier jogenannte trennbare oder unehte Zuſammen— jegungen mit hochtoniger Vorfilbe und untrennbare oder echte mit tonlofer Vorfilbe, 3. B. von ändern trennbar abändern, umändern (ih ändere etwas ab, ih ändere es um), dagegen untrennbar verändern (id ver- ändere es). Bei der erjten Klaſſe ergiebt es fih als namentlih auch für den Ausländer ſehr nahe liegend und faft felbftverftändlih, dajs der Nahfchlagende fie unter dem Grundwort (ändern) in der die Zus fammenjegungen enthaltenden Abtheilung und zwar dort nad ihrer Heihenfolge im Abece zu ſuchen babe; aber eben da wird er dann aud, jobald er fih nur mit den wenigen Zeilen in der Anleitung zum Gebraud vertraut gemacht hat, jofort die untrennbaren Zujammenjegungen wie verändern ſuchen und es jehr begreiflih und im der Ordnung finden, dafs er auch einige Wörter, die ohne die tonloje Vorfilbe nit oder doch nur ſehr jelten vorfommen, in ihrer Reihe nad dem Abece zu juchen bat, wenn er die Vorfilbe davon wegdenft, aljo 3. B.: gebären, Geburt, gebürtig, bezüglih unter bären, Burt, bürtig; Gebirg, gebirgig unter Birg, birgig; Beginn, beginnen unter Ginn, ginnen u.j w. Ich ihließe diejen Aufjag mit folgenden Worten aus dem kurzen Vorwort zu meinem Ergänzungswörterbud: „Sch babe bier in Betreff der Zuſammen— fegungen die aus dem Weſen unjerer Sprade ſelbſt geſchöpfte und dur den Erfolg meines großen Wörterbuhs bewährte Anordnungsweiſe feft

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haltend, von vorn herein auf eine rein äußerlide und dabei doch nie ganz zu erreihende Vollſtändigkeit verzichten fünnen, mid auf eine forgfältige Auswahl wirklih bezeihnender und maß- gebender Zuiammenjegungen beſchränkend, nah deren Ähnlichkeit man jedesmal leiht unzählige andere wird bilden und verftehen fünnen. In einer die Örundmwörter und die Zujammenfegungen durch einander wirrenden und jo, als wären fie gleihberedhtigt, nad ihrer Reihenfolge im Abece hinter einander aufführenden Anordnung hätte die innere Boll: ftändigfeit in den Zuſammenſetzungen ſelbſt nit auf dem Drei: und Bierfahen des Umfanges erreicht werden können.“

Das Alter.

Dem alten Meifter zum Gruß von dem alten Freunde. Bon Dr. Herman Shrader.!

Welches Yebensalter ift das befte? Kindheit, Jugend, DMannesalter, Greijenalter? Wir geben ohne alles Bedenken die Antwort: jedes! Das will jagen: jedes Yebensalter hat jeine ihm vorzugsweiſe angehörenden Freuden und Aufgaben.

ı Dielen Auffag, auf den ih von meinem bochverebrten lieben alten Freunde trotz feines rüftigen friſchen Greiſenalters kaum noch rechnen zu dürfen wagte, erbielt ich (nachdem ich mehr als hinreihenden Stoff für dieſe Lieferung, mit der ich die von mir zehn Jahre hindurch herausgegebene „Zeitſchrift für deutfhe Sprache“ ſchließe, in die Druckerei geſandt) mit folgenden Begleitzeilen:

„Berlin, 31. Jannar 1897. Hochverehrter Herr Proſeſſor!

Bei allen meinen Ihnen bisher zugeſchickten Aufſätzen ftellte ih die Eutſcheidung über die Aufnahme ganz Ihrem Ermeflen anbeim. Diesmal möchte ich aber ausdrüdlich bitten, daſs Sie dem Ihnen jet überrandten Aufſatze über das Alter doch ja eine Stelle in der letzten von Ihnen redigieıten Nummer gönnen. Er ift ja ausdrüdlich für dieſes Heft gearbeitet; und in jeder guten Beile babe ich beim Schreiben an Sie gedacht.

Für einige Stellen ift mir eine Borlefung Erdmann's, die ih vor 60 Jahren in Halle hörte (über Anthropologie), förderlich geweſen.

Herzlihften Dank für Ihre herzlichen Worte auf S. 409 der Zeitfchrift.

In alter Berehrung und Yiebe Schrader.“

Ich habe keinen Augenblid gezögert, die mich rührende, ehrende und bocyerfreuende Bitte meined tbeuren, lieben, obgleih niemal® von mir mit Augen gefebenen Freundes zu erfüllen und ich habe einige für dieſes Schlufsheft beftimmte Auffäke zurüdgezogen, nit bloß von mir, fondern auch von Mitarbeitern, feft überzeugt, dais, fo wie ich, auch fie, deren Beiträge boffentlih, wenn auch nach einer kurzen Unterbrechung.

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Zuerft die Kindheit. Wie es ftaumenswerth ift, was ein Kinder— magen alles aufnehmen, verarbeiten und vertragen fann, jo ift es fchier unglaublid, was ein Kindergehirn alles verarbeiten mujs. Wie ein Kind zu einem Miejen emporwadhjen würde, wenn es in dem gleihen Maße weiter wiüchje, wie in den erjten fünf oder ſechs Lebensjahren, jo würde es zu einem zehnfachen Salomo an Weisheit werden, wenn es zwanzig Jahre jo viel zulernen würde, wie in den erjten Syahren. Daneben it e8 von einer bier ganz matürlihen maßlojen Selbftjuht. Alles, deffen es ſich bemädhtigen kann, ift jein eigen, und in jeiner jouveränen Herrihaft macht es jedes Ding zu jeinem Werkzeug und Sklaven. Der Stod wird ihm zum Reitpferd, ‘eine Papiertüte zur Krone: Das find die Freuden der Kindheit. Und ihre Aufgaben? Sie faffen fih in dem einen Worte zujammen: Gehorſame Zucht mujs das Kind lernen. Widerftrebt es da, jo ift Zühtigung das Recht und die Pfliht der Eltern. Denn ein un: gehorſames Kind ift ein Gräuel.

Die Jugend, die adolescentia und juventus, Yernen und arbeiten ift ihre große Aufgabe. Müßiggang und Faulenzerei ift ihr größtes Lafter. Die Menſchheit, der Staat, die Wiffenihaft, die Kunft wollen erkannt und verftanden jein. Und es foftet mühevolle Arbeit, Das alles zu erfaffen. Aber jedes Fortſchreiten in der Ertenntnis iſt zugleih ein Genujs und ein Gefühl der vermehrten immer wachſenden Kraft.

Das Mannesalter ift die Zeit der Arbeit. Die bloße Theorie genügt nicht mehr, fie will zur Praris werden. Nicht mit Unrecht hat man die Jugend mit dem janguiniihen, das Mannesalter mit dem cholerijchen Temperament vergliden. Der Daun will wirken, will berrichen in feinem Gebiet, will das geiftig Errungene in das Yeben und in die Welt einführen. Daher jein Fleiß, feine Stetigfeit, jeine Inverdrofjenheit. Man kann Das alles in dem ſchönen Worte Treue zujammenfaffen. Treue ift die Aufgabe des Mannes, das Bewuſſtſein und die Anerkennung jeiner Treue ift jein Yohn und feine Freude.

Endlib das Gretienalter. Wie viel Böjes wird dem Alter nad: gejagt!

in dem erſten Heite des von einer jüngern und rüftigern Kraft als der mieinigen geleiteten eliten Bandes der „Beitichrift für deutſche Sprache“ zur Beröffentlihung gelangen werben, neidlos und freudig, verebrend und bemundernd dem jugendfriichen Neftor den verdienten Borrang einräumen.

Bon ihn aber ſcheide ich unter innigſiem Dank für die mir gewährte Freundſchaft mit meinem turz gefafsten, aber treu gemeinten und viel im fich fchließenden Wunice: Alles Gute ihm und den Seinigen!

Daniel Sandere.

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Alt umd grau will hier auf Erden Niemand fein, Doch Jeder werben. Das Alter ift ein böflih Mann,

einmal übers andre Mopit es an,

aber nun fagt Niemand: berein!

Und vor der Thür will e8 nicht fein.

Da Minkt es auf, tritt ein fo ſchnell,

und nun heißt's, es fei ein grober Geſell!

Wie hoch urtheilt, dem gegenüber, der alte Grieche und Römer über das Alter! Die höchſten Ehrenftellen und Machtgebiete gehören dem Greiie. Die Gerufia oder Bovin yeporror, der Rath der Alten, war in Grieden- land, zumal in Sparta, der Name der höchſten Staatsgewalt. Die Ge— ronten mujsten das jechzigfte Yebensjahr überichritten haben, fie bildeten die einflujsreichfte Staatsbehörde und beſchränkten die Macht der Könige wie die der Efflefia. Die Yebenslänglickeit ihres Amtes und ihre Unver- antwortlikeit erhöhten ihre Macht, ja fie konnten fogar die Könige über gewiffe Vergehungen und Berbreden vor ihr Gericht ziehen.

Der römiihe Senator hat zwar jeinen Namen von senex, Greis, allein es jcheint zu diefer Würde ein bei Weitem nicht jo hohes Alter (in ipäteren Zeiten der Mepublif und des Kaiſerreichs) erforderlih gemweien zu jein; urfprünglih aber müffen die Senatoren dem Greijenalter um ihres Namens willen angehört haben. Der Senat hatte die Auffiht über das ganze Meligionswejen, über die gefammten Finanzen, über Leitung der Provinzialverhältniffe, die Auffiht über alle Magiftrate, die Leitung über auswärtige Verbältniffe, auch (bis zur Zeit der Gracchen) friminalreht- lihe Befugniffe. Cicero bat zwiichen feinem 60. und 70. Lebensjahre eine Heine Schrift an Attitus über das Greijenalter geichrieben, wie er jelbft mittbeilt: ad senem senex de senectute scripsi.

Auch der Deutihe hält das Alter boh in Ehren. Das jagt uns ihon der Volksmund, wenn er jpridt: Der Alten Rath, der Jungen That macht Krummes grat. Die Alten ſoll man zuerft fragen. Man mag den Alten wohl vor- laufen, aber nit vorrathen. Das Alter foll man ehren, der Jugend joll man wehren.

Wenn ih nun einige charafterijtiihe Züge des Alters hervorhebe, jo möchte ich es zuerſt das Alter menjhliher Weisheit, oder, wenn das zu ftolz Hingt, das Alter reicher Yebenserfahrung mitfammt ihrer Erkenntnis nennen. Cicero in jeiner Schrift über das Alter, die er, jelbjt ein Greis, dem greifen Attifus widmete, giebt auf die Behauptung, daſs das Alter

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von der Thätigkeit abhalte, die Antwort: „Bon welher? Doch wohl nur von der, welde durch Jugend und Körperfraft ausgeführt wird? Giebt es denn gar feine Beihäftigungen für Greiſe, welche dennoh bei ſchwachem Körper mit dem Geifte betrieben werden fönnen? Nichts aljo that Quintus Marimus? Nichts Lucius Baultus? Die übrigen Greife, die Fabier, Eurii, Eoruncanii, als fie den Staat durch ihre Einfiht und ihr Anſehn beſchützten, thaten fie Nichts?" Und jpäter (Kap. 10): Sehet ihr nicht, wie bei Homer Neftor ſehr oft von jeinen Tugenden rühmend ſpricht? Lebte er doch jhon das dritte Menjchenalter; und es war für ihn zu fürchten, er mödte, Wahres von fih rühmend, entweder anmaßend oder geihwätig eriheinen. Denn wie Homer jagt „von feiner Zunge flojs ſüßer demn Honig die Nede*.

Als Sopholles von jeinem eignen Sohne vor Geriht angeklagt wurde auf Geiſtesſchwäche und Unfähigfeit zu eigner Verwaltung des Haus: wejens, las er nit fern von feinem zweiundneunzigften Lebensjahre jein Drama Didipus von Kolonos den Richtern vor, und erlangte dadurd niht nur jeine vollftändige Freiſprechung, jondern obendrein nod eine hohe Ehrenbezeigung von Seiten der Richter.

Es iſt höchſt bedeutungsvoll, daſs geiftig hervorragende Männer ihre tiefften Werte erft im Greijenalter verfafit haben. Plato (zum Theil auch Kant) ſchrieb jeine vorzüglidften Schäge als Greis; Humboldt feinen Kos- mos nah dem adtzigften Yebensjahre. Goethe war den Siebzigen nahe, al3 er den im jugendlider Friſche prangenden Divan ſchrieb, und er hatte gar das achtzigſte Jahr überjhritten, als er fein tiefftes, die ganze geiftige Welt weisheitspoll umfaffendes Werk, den zweiten Fauſt vollendete. Und Haydn fomponierte als Greis jeine Yahreszeiten, dies Werf, das in wunder- lieblichen Tönen jugendlihe Friſche athmet, fo dajs hier in Klängen erfüllt it, was der Heiland von den Seinen fordert: Kinder zu werden. Wie it jie do jo ſchön, dieje heitere Freude am Yeben, diefe lebendige Theil— nahme an Allem, was gejchieht, dies ftarke Verlangen, jein Wifjen immer noch zu mehren, die findlihe Theilnahme an Allem, mas Neues und Schünes geihaffen wird.

Hiemit hängt zujammen der rege Sinn des Greifes für Freundidaft. Von den vielen Freunden früherer Jahre jind nur wenige, vielleiht nur einer, noch am Leben. Es giebt (außer der Yiebe) wohl faum ein berr- licheres und herzligeres Bündnis als dieje Freundſchaft. Keiner hat vor dem Andern ein Geheimnis, Jeder erräth jhon von fern die Sorgen des Andern, Keiner trägt jeine Yaften allein. Sie mögen Beide ihre Eigen: heiten, Wunderlichfeiten, Charakterſchwächen haben, aber Das jtürt die Freundihaft nit, im Gegentheil: man möchte die charakteriſtiſchen

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Wunderlichteiten des Andern gar nicht miffen, denn fie gehören zu ſeinem Weſen. Hat es doch Greife gegeben, die fih einander nicht überleben wollten. Bei diejen trifft das alte Sprichwort zu: Traue einem, du habeft denn einen Sceffel Salz mit ihm gegefjen.

Mit dem Gefagten fteht es durchaus nit, oder doch nur ſcheinbar, in Widerjprud, wenn wir jagen: Das Alter ift wir wollen nicht jagen: miſstrauiſch, aber vorfihtig und bedädhtig in der Wahl und Beurtheilung jeiner Freunde. Die Jugend wirft fih unbefangen und jorglos Jedem in den Arm, der ihr zuſagt. Der Greis ift dur viele Kämpfe und Leiden hindurchgegangen, hat jo viel Trübjal erduldet, jo viel Täufhungen erfahren, iſt von vermeintlihen Freunden bintergangen: was Wunder, wenn er da das Vertrauen zu der Menjchheit verliert, wenn er vorfichtiger, wähleriſcher, behutjamer, ja jelbft ein wenig hartherzig und iharf wird. Friedrich der Große hörte in jeinem Alter einft einen Vortrag eines Profeſſors (Solger?), welcher den edlen, hodhherzigen Sinn der Menſchen pries. Der König legte ihm die Hand auf die Schulter und jagte: Mein lieber Profeffor, Er kennt die infame Raffe noh nicht! Wenn wir in unjerm Urtheil auch nicht jo weit gehen wollen, wie der König, jo werden doch die reife, melde durch bittre Lebenserfahrungen haben hindurdgehen müffen, ihm in einer Art Menjhenverahtung zuftimmen. Dan braudt nicht, wie vielleiht der König, hundert böfe Erfahrungen gemacht zu haben, nein, eine einzige reicht vollfommen aus, um zur Verachtung der Menſchen zu fommen. !

Nur kurz wollen wir nod einige Züge des Alters zufügen. Der Sreis hat ein jehr lebhaftes Gefühl für Ehre. Junge Yeute führen die Ehre oft im Munde und braujen auf, wenn fie diefelbe verlegt glauben. Der Alte redet weniger von ihr, aber er berechnet und regelt nad ihr alle feine Schritte. Die Menſchen find in jeinen Augen helljehende und ftrenge Nichter, die man ungeftraft nicht reizen und nicht beleidigen darf. Darum wacht der Greis jorgfältig über fih, dais er weder in Wort nod in Werf fih eine Blöße giebt. Der Spanier Gracian (F 1658) jagt): die Ehre ift der Thron der Treue Drum weiß der Greis auch anvertraute Geheimniſſe treu zu bewahren; denn mie derjelde Spanier jagt: Ein Herz

ı Der Grieche hat einen Hegameter, der hieher pafit, den ich aber nicht überjeken will: Zpya viuv, Bovial de ulowv, nopdal dE zepoıra» (flatt d ulowr auch wohl d’avdpör). Ich möchte den Bers fo erllären: Die Jugend fchlägt gern mit der Fanft drein, wenn fie ihren Willen durcfegen will; der Mann prüft erft Weg und Wetter, bevor er fih aufmacht; der Greis aber ſchaut lächelnd zu im Gefühl der all- gemeinen Wurftigleit und denkt: quält Euch nur, Ihr müſſt es am Ende doch geben laſſen, wie ed Gott gefällt.

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ohne Verſchwiegenheit ift wie ein offner Brief, und die Zunge gleicht einem wilden Thiere, welches, wenn es fi einmal losgeriffen hat, nicht leicht wieder an die Kette zu bringen ift.

Ein jhöner Zug der Alten ift die Fürforge für ihre Familie. Es ift dem Greiſe freudige Aufgabe, Die, welche feinem Herzen die nächften find, nad) Kräften glüdlih zu maden: ja, er part und legt fih Entbehrungen auf, um bie Seinen nod nad dem Tode durch möglichft reiche Hinterlaſſenſchaft zu erfreuen. Es ift wahrhaft rührend, wie der Greis als Großvater fi verhält. Er, der jelbft ein ftrenger Bater war, nimmt feine Entel gegen den eignen Sohn in Schuß; hat er doch an fih und Andern vielfältig erfahren, daſs unartige Kinder oft die beften, pflichttreuften Männer wer: den. Wir wollen es ihm nicht böfe anrechnen, dafs er feine Familien— jorge auch auf fih jelbit ausdehnt. Es mag wohl wenige Greiſe geben, die nit prüfen und wählen, welche Speijen und Getränke ihnen am beften befommen, und wohl jelten fehlt in ihrem Zimmer ein Barometer und Thermometer, legterer wo möglich im dreifaher Zahl: einer draußen vor dem Fenſter, einer am Schreibtifch, einer am Sofa.

Gern fügen wir hinzu, dais der Greis eine Vorliebe für die Wahrheit hat. Es giebt adtzigjährige Männer, die fih rühmen können, niemals im eben eine Yüge gejagt zu haben. Are Zahl mag aber gering fein.

Ich darf nicht ſchließen, ohne zuvor mit einigen Worten der Selbft- beherrihung rühmend gedacht zu haben. Dieje Kunſt und Kraft ift vielleicht die höchſte Zierde der erworbenen Yebensweisheit. In jeinen Lehrjahren von Yugend an ift er taufendmal gejtoßen und gezerrt, auch gefallen und wieder aufgeftanden; feine Wanderjahre find feine Erzieher geworden; er erkennt jet, dajs der größte Theil feines Unglüds darin lag, daſs er fi nicht beberrihen konnte. Sekt hat er es gelernt und empfindet das Glüd diefer mwohlthuenden Ruhe.

Aus diefer Urfahe ift das Alter in der Megel jehr milde in feinem Urtheil. So feit auch der Greis fih jeine Grundjäge gebildet hat, fo bereit ift er auch, Andern das gleihe Recht zuzuerfennen. Kaifer Karl V. fam zu ſpät zu diefer Erfenntnis: Als er in feinen legten Lebensjahren im ſpaniſchen Kloſter San Juſte fih gern mit Uhrmacherei beſchäftigte und trotz aller Mühe nicht zwei Uhren völlig gleichlaufend zu machen ver— mochte, erkannte und bekannte er ſeine Thorheit, daſs er viele Millionen Menſchen zu ein und demſelben Glauben habe zwingen wollen.

Es kommt vor, daſs ein Quartaner wüthend über die Sklaverei ſchimpft, die er von der Tyrannei des Lehrers zu dulden habe. Aber, wenn er Mann geworden iſt, beſucht er denſelben Lehrer und ſpricht warme

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Worte der Dankbarkeit. Ja, die Phantafie verihönt die Erinnerung an früher erfahrene Unbill. Es ift ähnlih, wie wenn ein Wanderer in dunkler Naht bei Sturm und Gemitterregen auf jhlammweihen Boden mühjam feinen Weg vollendet bat, jobald er aber trodne Kleider angezogen und eine Taſſe Thee getrunfen bat, jo lat er wohl der Mühſal und preift fie als eine vollbradte Heldenthat. So verwandeln ſich ſelbſt Feine Be- gebenheiten und muthmwillige Abenteuer der Jugend zu blühenten Erinne- rungen. Ariftoteles hat Net, wenn er (in feiner Rhetorik) jagt: „Alte Leute leben und weben mehr in den Borftellungen der Vergangenheit als in der Hoffnung. Der ihmen noch übrige Raum des Yebens ift Hein, der vergangene groß”. Die Phantafie wandelt die Erlebniffe der Vergangenbeit in ladhende Bilder um.

Als ih vor etlihen Tyahren einen Bortrag hörte, in welchem mit ftarfen Worten gefordert ward, der Menſch müſſe einjeitig ſein in der Religion und Politik, widerſprach id; und als Einundadhtzigjähriger wieder: hole ih im vollfter Überzeugung: Die Welt und die Menſchen gleichen einem Würfel, Ein Würfel hat nun jehs Seiten, zwei rechts und links, zwei vorn und hinten, zwei oben und unten; und id perſönlich nehme noch gar eine fiebente Seite an: die inwendige. Dieſe Anihauung bat mich gelehrt, mit Befonnenheit und Milde das Weſen der Menſchen zu erforfhen und al’ ihr Thum zu beurtheilen. Irgend ein Plätzchen ift wohl in jeder Menſchenſeele, wo Liebe und Wahrheit wohnt und wo für diefe Töne ein Ede erklingt.

Und jo laffen Sie es Sid denn gefallen, mein hochverehrter Herr Profefjor und mein herzlich geliebter Freund, daſs ich diefe Zeilen an Sie richte, jeßt wo Sie den tapfern Kommandoftab dieſer Zeitſchrift nieder- legen. Wir haben uns niemals perjönlih geiehen und doch haben wir einen Bund der Liebe geſchloſſen. Mir it die Liebe zur Spradwifjenihaft wohl angeboren. Denn ic erinnere mid noch der hoben Freude, melde mir als Primaner die Wahrnehmung machte, dajs dies und jour ein und dasjelbe Wort feien. Als num vor mehr als dreigig Jahren Ahr großes Wörterbuh erihien, da hatte ich gefunden, was id entbehrt und gejucht hatte. Und wie jehr haben Ihre anderen Werke mich erfreut und gefördert. Daraus mögen Sie ermejfen, wie e8 mic beglüdte, wenn meine jprad- lien Arbeiten Ihre Billigung, ja jogar Ihren Beifall fanden. Wie mir, mag es ähnlid wohl vielen, vielen ftrebjamen Gelehrten gehen, ſo daſs Sie mit gerehtem Stolz das Horaziihe exegi munumentum aere perennius ſprechen fünnen. yet aber, wo Sie die Yeitung Ihrer Zeit- ihrift einer tiüchtigen würdigen Hand übergeben und mit berechtigter

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Hoffnung amvertrauen, jetzt Das ift der Wunſch und die Hoffnung Unzähliger mögen Sie in jugendliher Greiſenkraft noch viele Jahre weiter fchaffen, zum eignen perjönlihen Genufs, zur Freude Unzähliger und zur Ehre der deutſchen Sprachwiſſenſchaft!!

Schwager Poitillon.

In den verjchiedenen Beiträgen zur Geſchichte der deutihen Studenten- ſprache, die uns grade die letzten Jahre beihert Haben, ift einhellig die Anfiht ausgeiproden, daſs die Bezeihnung des Poftillons als „Schwager“ dem burſchikoſen Gebrauche des Wortes aus dem Anfang des 18. Jahr— hunderts jeinen Urjprung verdante. Schon unjere großen deutihen Wörter: bücher führten diefen Nahmeis dur die Belege der hiſtoriſchen Bedeutungs- entwidlung, derzufolge fih von der traulihen Anrede „Bruder“ die des jernerftehenden „Schwager“ aus dem begreiflihen Standesbewuſstſein des Studenten abzweigte, der jih für das Trinten der „Bruderſchaft“ mit einem Bauer oder jpecieller mit einem Halloren denn doch zu gut dünkte, weishalb er es bei der „Schwägerſchaft“ bewenden ließ. Fr. Kluge in der „Deutihen Studenteniprade“ ©. 14 ff., 73, 124 und auch ſchon in jeinem dem gleihen Stoffe gewidmeten Aufjage der „Mündener Allgemeinen Zeitung“ (Beilage Nr. 297 vom Jahre 1892) nimmt auf die bezüglichen Litteraturnachweiſe guten Bedaht und ergänzt fie durch neu aufgefundene. Alle jene Stellen, im Einzelnen betrachtet, maden es begreiflih, dajs die Bedeutung des Wortes „Schwager“ im Munde zechender oder auf Liebes: abenteuer ausgehender Studenten im Sinne von „Nihtlommilitone und dennoh Gutfreund“, aus mehr als einem Grunde vielleiht bejonders wegen des darin liegenden Doppelfinnes zufolge ihrer Beziehung auf außerftudentiihe Kreife raſch in das Volk drang und fih jchließlih in einer ganz jpeciellen Nedensart feſtſetzte. Dafür, dajs fie dem Poſtillon gerade anhaftete, giebt es auch verichiedene Erklärungsgründe, die ih nicht wiederholen mag, weil fie aus der zuftändigen Yitteratur hinreichend be- fannt find. In Goethe's „Schwager Kronos“ ift der charakteriſtiſche Zug des Boftillons als eines zechgenöſſiſchen Reiſebegleiters zum höchſten poetiichen Ausdrude gebracht. Alle Eitate aber, die Kluge a. a. D. und jeine Vor— gänger mit Fleiß zufammengetragen haben, bringen doch nur, jo weit jie vor dem Sabre 1776 liegen, die allgemeine Bedeutung des Wortes „Schwager“ ohne eine direkte Beziehung auf den Poſtknecht. Aud die von Erid Schmidt in jeiner äußerft ertragreihen Beiprehung und Nachleſe zu Kluge's Bud (Zeitihr. d. Vereins f. Volksk, 5. Band) vermerften Belege fördern unjern bejondern Zwed nicht. So blieb es denn dabei,

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dafs der ältefte Gebrauch des Wortes „Schwager“ im Sinne von Boftillon fih in &. A. Bürger's Gediht „Der Raubgraf“ findet. Diejes Gedicht ift, wie feftfteht (vgl. A. Sauer's Ausgabe in Kürſchner's Deutiher National- literatur, 78. Band, S. 179 Anm.), am 22. April 1773 vom Didter „friſch aus der Werfftatt“ an Boie gefendet, aber erft 1776 im Voſſiſchen Mufenalmanah abgedrudt worden.

Diejer Belegftelle vermag ih das Recht, als älteſte zu gelten, durch zwei andere Hinweiſe ftreitig zu maden. Schon im Jahre 1768 erſchien die erfte deutihe Überfegung des aus dem gleihen Jahre ftammenden Romans von %. Sterne „Yorik’s Sentimental Journey“, durh J. J. Chrph. Bode, den befannten Überieger, beiorgt. Bode überträgt die Worte de8 Originals: „Then, prithee, get on geet on, my good lad, said J.“ auf ©. 110 des 1. Bandes folgendermaßen: „DO, fahr zu, ich bitte, guter Schwager, fahr zu, jagt’ ih”. Und wenige Zeilen weiter beißt e8: „The postillion pointed to the bill I then tried to return back to the story of the poor German and his ass but I had broke the clew and could no more get into it again, than the postillion could into a trot.* Bei Bode: „.. . ih hatte den Faden zerriffen Und konnte eben jo wenig wieder hinein fommen, als der Schwager in den Trab.“

Die engliihe Vorlage bot, wie man fieht, feine Veranlaffung zu der eigentbümlihen Wendung, vielmehr drängte fih die gäng und gäbe Aus— drucksweiſe dem Überjeger auf, offenbar aus der Situation heraus geboren. Bode hatte feine Umiverfität beſucht, allerdings aber in Helmftädt mit Studenten in Verkehr geitanden. So jdeint er aljo bier geihrieben zu haben, wie er in der entipredhenden Situation geſprochen hätte, volksthüm— lich und allgemein verftändlid.

Ein Yahr fpäter, 1769, fam „Sophiens Neife von Diemel nad Sachſen“ von %. Th. Hermes heraus. Gleih auf S. 5 des erjten Bandes gebraudt die Meifende die Wendung „Schwager“ für „Poftillon“, aller- dings noch mit einem erflärenden Zujag, damit gewiffermaßen andeutend, es jet etwas Meues, in ihrem Heimatsort Unbekanntes, worauf fie ftieß und was fie zu vermerken für werth befand. Die Stelle lautet: „Hier in Prökolz, einem Städten bei Memel, woher der zweite Brief Sophiens an die „Wittwe E.“ datiert tft, alſo noch in unmittelbarfter Nähe von der Heimat] habe ich wieder eine große Pauſe maden müffen, aus Urſachen, die ih Ahnen von der nächſten Station ſchreiben werde. Auch hat der Schwager (denken Sie! jo nennt man den Poftillon) feinen Achtehalber richtig verzehrt, folglich muſs ih fort“.

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Bei Hermes alſo, der als Student der Theologie in Königsberg ſicherlich akademiſchen Verkehr pflegte, durften wir auf burſchikoſe Herkunft des Ausdruckes ſchließen, da er es noch nöthig findet, ſeine Leſer über die Eigenthümlichkeit der Bezeichnung aufzuklären. Er ſetzt alſo noch nicht Allgemeinverſtändlichkeit voraus. Friſchbier hat, wie ich nachträglich ſehe, die Stelle in ſeinem „Oſtpreußiſchen Wörterbuch“ vermerkt, aber keine weitere hinzugefügt, auch nicht aus ſpäterer Zeit, und hat keinerlei Be— merkung daran geknüpft. Sie blieb aber bisher von den Forſchern über die deutſche Studentenſprache und von unſeren Lexikographen unbeachtet.

Immerhin bleibt es alſo des Hinweiſes werth, daſs an zwei weit auseinanderliegenden Orten Deutſchland's faſt gleichzeitig und ſicherlich ganz unabhängig von einander der Ausdruck „Schwager“ für „Poſtillon“ auf— taucht und zwar in den akademiſchen Kreiſen entrückten, ganz auf die breite Schicht des Volkes berechneten Schriftwerken.

Berlin, im Januar 1897. Dr. Richard Roſenbaum.

Zwiſchen.

As ih in dem erſten Aufſatze der National-gtg. XLIX Nr. 579 den Satz las: „Zu unterſcheiden ift zwiſchen denjenigen Kronrechten, zu deren Ausübung es der Mitwirkung der Volksvertretung bedarf, wie bei der Geſetzgebung und der Geldverwendung, und den anderen, bei deren Ausübung die Krone an parlamentariihe Beihlüffe nit gebunden ift“, bin ich lebhaft daran erinnert worden, dajs ih, angeregt durch einen Brief des Herren Nehtsanwalts Dr. Sello in Berlin, der Frage näher getreten bin, ob das Berhältniswort zwiſchen nad gutem deutihem Spradgebraud da, wo dadurd die Segenüberftellung von Perjonen oder Dingen, die von einander unterjchieden werden jollen, nur einmal im Anfange zu jegen jet, oder auch wiederholt gejegt werden könne und in weldem alle die aller- dings meift überflürfige und entbehrliche Wiederholung doch nicht unbedingt zu tadeln ſei (j. Zeitihr. 1 S. 275—280), Dann mwurde die einmal angeregte Frage noch mehrfah in der Zeitichr. wieder aufgenommen und ih jege für diejenigen Leſer, melde die zerjireuten Bemerkungen nachſchlagen wollen, die Ungabe der betreffenden Stellen aus der Zeitihrift hierher; außer der bereit3 erwähnten aljo: I, ©. 417 Nr. 4; II, ©. 134/5; III, ©. 212; ©. 300 Nr. 33; ©. 417; IV ©. 11 Nr. 9; ©. 333/4 Nr. 49 und ©. 441. Das weſentliche Ergebnis aus allen diejen Stellen faſſe ic bier kurz, wie folgt, zujammen: „Die im Yateinijhen und im Hebräiſchen gewöhnliche Wiederholung des Verhältniswortes für zwiſchen findet fi wenigftens, jo weit man nad Pittres Wörterbuch ſchließen darf im

Heitfchrlit f. deutſche Sprade, X. Jahrg. 36

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Franzöſiſchen niht und Dem entipredend unterbleibt fie im Allgemeinen füglih auch im Deutihen,; doch findet fi neben der bei Weitem über- wiegenden Zahl von Beiipielen, in denen das zwiſchen nur einmal geſetzt ift, doch auch die Wiederholung bei vielen unjerer bejten und mujtergültigen Shriftfteller zu bäufig, als dajs man jie ohne Weiteres als ganz unftatt- daft und dem Geifte unierer Sprade wideripredend bezeichnen dürfte. Namentlih babe ih gleih in meinen erften Bemerkungen zu dem Briefe des Herrn Dr. Sello Fälle angeführt, in welden ohne die Wiederholung des zwiſchen, mie ih dort wörtlih gejagt eine Zweideutigkeit entjtehen würde, die jih freilid aub und zwar meiner Anſicht nad beſſer auf andere Weije würde bejeitigen lajjen“!u.j.w. (Beitihr. V ©. 396 398), vgl. ſchließlich auch noch VII ©. 325 ff, wo gejagt ift, „daſs die Wiederholung des zwiſchen fi, außer in Zeitichriften, aud 3. B. bei Schriftftellern wie Ferd. Delbrüd, J. J. Engel, Guft. Freytag, Goethe, Herm. Hettner, Wild. Humboldt, Yuther (in der Bibel), Mommien, Mörike, Schiller und Joh. Heinr. Voß findet“ und wo id zu dem folgenden Sa aus einer Erzählung von Fanny Yewald:

„Aber zwiſchen dem Gefallen, welches eine rau der jogenannten großen Welt, wie die Baronin, an der Gejellihaft eines Mannes findet, und zwiſchen ihrer Abficht, feine Gejellihaft durch die Ehe zu einer dauernden zu maden, liegt ein weiter Abftand; und dieſen hat Herbert nit genug berechnet“ die Bemerkung gemacht: Vergleiht man diefen Sat etwa mit dem fürzern: „Aber zwiihen dem bloßen Gefallen, das eine Frau an einem Marne findet, und [ | der Abficht, ihm zu heirathen, liegt ein weiter Abſtand“, fo würde man, falls ih nicht ſehr irre, es ftörend empfinden, wenn bier an der durch die edige Klammer bezeichneten Stelle ein zweites zwiſchen eingejchaltet würde, während in der Faſſung der Schriftjtellerin das Störende mehr verihwindet und jedenfalls einigermaßen gerechtfertigt erſcheint durch die längere Zwiſchenſchiebung, die bier das erjte zwifhen von dem zweiten trennt.

Am Schlujs des kurzen Aufjages fteht dann noch ein Sak aus ber Nat.» Ztg.: „Freilich zwischen dem Grundſatze des Römers: fiat justitia, pereat mundus und zwiſchen den Forderungen der modernen Staats:

ı Bol. z. B. in Nr. 586 der Nat.-Btg. (Sonntage-Beilage Nr. 40) den fol- genden Sat von Mar Horwig: Es [Chicago] bildet, an der Südküſte ded Michigan: feed gelegen, der feinerjeit8 mit den andern großen norbifhen Seen in Verbindung ftebt, das natürliche Bindeglied zwifchen den weiten Prairien des Weſtens, ben fruchtbaren Staaten an der Hüfte des ftillen Oceans, den weiten Ebenen des Südens einerfeits und Kanada, wie den öſtlichen Staaten und dem atlantiihen Ocean andererfeit®.

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fünftler wird ja wohl eine Mitte gefunden werden müſſen“ —, wo das zweite zwiſchen als entbehrlich jedenfalls wohl beffer hätte wegbleiben fönnen.

Wende ih mich aber mun jchließlich zu dem an die Spike des vor- liegenden Auffages geftellten Sake aus der Nat.Ztg., jo hätte bier ein wiederholtes zwiſchen den Unterfchied zwiſchen den einander als Gegen— jäge gegenübergeftellten und von einander zu fcheidenden Arten von Kron— rechten wohl füglih ſchärfer und deutlicher hervorheben können, etwa fo:

„Zu unterſcheiden ift einerjeits zwijhen den Kronrechten, zu deren Ausübung es der Mitwirkung der Volfsvertretung bedarf, wie 3.8. bei der Geſetzgebung und der Geldverwendung, und andererfeit3 zwiſchen denen, bei deren Ausübung die Krone an parlamentariihe Beſchlüſſe nicht gebunden tft.“

Empfehlenswerther wäre freilid meiner Anfiht nah eine andere Wendung des Ganzen, etwa wie die folgende:

„Unter den Kronrechten find zweierlei Arten zu unterſcheiden, je nahdem es zu deren Ausübung der Mitwirkung der Bolfsvertretung bedarf oder nit. Zu der erjten Urt gehören 3. B. Angelegenheiten der Geſetz— gebung und der Geldverwendung; bei der Ausübung anderer ift die Krone an parlamentariihe Beichlüffe nicht gebunden.“

Schatten der Bergangenpheit. Roman von Reinhold Ortmann. Deutiche Berlagd:Anftalt. Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien. 1896. 344 ©. '

Beim Lejen des in der Überjhrift genannten jpannenden Romans babe ih mir zunächſt die Stellen arngezeichnet, an die ih ſprachliche Be— merfungen anfnüpfen wollte. - Es find ihrer wenige, da Ortmann zu den jorgfältigen Scriftftelleen gehört, die ſich möglichſter Sprachrichtigkeit bes fleißen und zu einem wirklichen Tadel faum Anlafs bieten.

Bleichzeitig aber habe ih mein Augenmerk auf jolde zuſam men— geſetzten Wörter gerichtet, die in unferer jo bildjamen deutihen Sprade nah dem Bedarf des Augenblides fih bilden laffen und aus dem Zu— jammenhange auf das Berftändnis des Hörers oder Yejers rechnen können, ohne dafs fie Doch zu dem feften Beftande des deutihen Wortihages ge— zählt werden können. Die geneigten Lejer wiffen zur Genüge, dafs und

? Fräulein Helene v. D... in Münden: Es freut mich, dafs ich Ihre auf S. 358 ſich ftüßende ungebuldige Mahnung eben noch, wenn auch mit fnapper Notb, babe erfüllen können (ſehen Sie gefl. S. 480). Freundlichſten Gruß! 36*

Ha

warum id in meinem breibändigen Wörterbuh der deutihen Sprade (1860) und dem dazu gehörigen Ergänzungs-Wörterbud (1885) plangemäß mid auf den feften Beftand des deutihen Wortihates jo weit er meiner Kenntnis fih nicht entzogen beſchränkt, von jenen lojen Zufammen- jeßungen aber, die, als aus dem Zuſammenhang verftändfih, feiner Er- Härung bedürfen und nad deren Ähnlichkeit ſich andere in unerſchöpflicher Zahl bilden laffen, eben nur einige als Beijpiele aufgenommen babe.

Aus Ortmann’s Roman aber habe id mir von folden loſern Zu— jammenjegungen außer den in meinen Wörterbüchern beifpielsweije auf: geführten noch mande angemerft, namentlih im Hinblid auf den deutid- engliihen Theil des von der Langenſcheidt'ſchen Verlagsbuhhandlung in Berlin herausgegebenen „encyklopädiſchen Wörterbuches der engliſchen und deutihen Sprade”. Für diefen deutſch-engliſchen Theil, deffen Ausarbeitung ih (jo weit meine Kräfte reihen werden) übernommen babe, erideint es au bei diefen lofern Zufammenjegungen (mit Rückſicht auf die Überfegung ins Engliſche) wünfhenswerth, eine größere Anzahl der etwa aufzunehmenden zur Auswahl zur Hand zu haben als die der in meine deutſchen Wörter- bücher aufgenommenen.

Spradlide Bemerkungen.

1. ©. 30: „Site hatte jenen mattfarbigen Teint von der durchſichtigen Weiße des Elfenbeins, die fi doc jehr weientlih von franthafter Bläſſe unterjeidet”, val. ©. 74: „Noch bevor fie ihm antworten fonnte, jah Elfriede Bera’s elfenbeinbleihes Antlig dicht vor dem ihrigen“, |. in meinem Wörterb. unter den Titeltöpfen II Blaſs (beionders auch Anm.), II Bläjje; Weiß und Weiße.

2. ©. 57: „Kann ich eine fo brutale Rüdjichtslofigkeit anders denn als tödtlihe Beleidigung empfinden?” —, ſ. Hauptſchwier. S. 308b/9a Nr. 5f und g. Nicht bloß, um den Zufammenftoß zweier als zu ver- meiden, gebraudt Ortmann das denn ftatt als nad) dem höhern Steigerungs- grade und ähnlihen Begriffen, j. ©. 62: „Die in ihrem buftigen leide heute bezaubender ausfahb denn je“, wofür es allerdings in der nicht gehobenen Rede gewöhnlicher hieße: „als je“, ſ. ähnliche Beiſpiele des denn a. a. O. ©. 3085 bei Bürger, Chamifjo, Fichte, Goethe, Gutzkow, Hölderlin, Voß; und ih möchte die Gelegenheit benugen, zu bäufigerem Gebrauch diejes denn in der edlern Sprade zu mahnen, um es vor Ber- altung zu bewahren.

3. ©. 65: „Hübſches Mädel, die Heine Edartftein!“ plauderte der Börfianer in ahmungslofem Behagen weiter. „Und ein Goldfiſch allerhand Achtung!“ ꝛc. abfichtlihe Verdrehung ftatt: alle Adtung

pe

[Das verdient alle U, ift aller A. (— aller Ehren :c.) werth] als ver- meinter Wig der Börfianer (Männer von der Börfe ꝛc.).

4. ©. 68: „Was jagen Sie da? Gersdorf ſchreibt Kritifen für die Morgenzeitung?” Aber natürlih! j. über dies dem franzöfiihen mais nadhgebildete (im Deutſchen überflüffige) aber Zeitihr. 2. ©. 209/10 u. ö.

5. ©. 69: „Noch nie hatte der finnbethörende Zauber ihrer jugend» warmen gejhmeidigen Geftalt ihn fo feurig beraufht als in diefen glüd- jeligen, weltvergeijenen Minuten“, j. in meinem Wörterb. I ©. 580a/b unter vergejien 12; 12d; aud Ergänz.-Wörterb. ©. 227b (Nr. 12d).

6. S. 100: „Wenn deine Nelly ein Seraph wäre und bis über beide Ohren ın Gold ftäfe ıc.”, ftatt des wenigſtens in Norddeutihland gewöhnlicheren ſchwachformigen ftedte, aber eigentlih ſprachrichtiger, |. Wörterb. III ©. 1191a, Anım.; Hauptichwier. S. 260 b.

7. ©. 105: „Ihre braunen Augen flogen mit eigenthümlih ernft- haften und verträumtem Ausdrud weit über das aufgeichlagene Noten- beft hinweg,” j. Wörterb. III ©. 1359c Nr. 5.

8. ©. 110: „Sie war freilich oft lange regungslos in ihrer fnieenden Stellung auf dem Fußboden verharrt“, vgl. in meinem Wörterb. I S. 695 unter den Zufammenjegungen von harren, namentlih: „be: barren: 1 intr. (haben und ſein)“ mit Belegen für beide Hilfszeit- wörter (j. Hauptſchwier. ©. 66b) und: „verharren, intr. (haben, jeltner fein)“, mit einem Beleg für das jeltnere Hilfszeitwort jein (wie bier bei Ortmann) bei Heinr. König, vgl. im Ergänz.-Wörterb. ©. 258b eins aus dem Simpliciſſimus und. ſ. in meinen Hauptihwier. unter dem Titel- fopf: Intranſitiva S. 183b—187 namentlih Nr. 4.

9. ©. 154: „Während der legten 28 Stunden batte fie die Augen nicht mehr zum Schlummer geihlofien und auf die furchtbare Erregung folgte nun die unvermeidlihe Reaktion.” Ich fann in Bezug auf das bervorgehobene Fremdwort am Schluſſe auf den im 9. und 10. meiner „Deutihen Sprachbriefe“ enthaltenen umfangreihen Auffag: „Die Fremd— wörter in der deutihen Sprade und ihre Verdeutſchung“ [269a] und [1276 a] bier freilih nur hinweiſen; aber einige Stellen daraus möchte ich um der Sade willen bier doch ausführliher mittheilen:

Auf S. 192 habe ich gejagt: „In dem angegebenen Umfange werden meines Eradtens bedädtige, von engherziger und dumpfgeiftiger Beichränft- heit jih frei erhaltende Freunde der Spracdreinheit fremdher ſtammende und fremde Wörter als berehtigt in der deutihen Sprade anerfennen ; aber auch außerhalb diejer Begrenzung wird man noch gar mandes, von einem feineren Ohr als ftörende und fremdartige Entftellung der reinen Sprade empfundene Fremdwort einftweilen dulden müſſen, und an ber

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gehörigen Stelle mit dem vollen Bewuſſtſein, warum man es thut, es ſelbſt verwenden. Es iſt aber nicht möglich, das ſeit Jahrhunderten auf dem Felde der deutſchen Sprache wuchernde, theilweiſe ſogar gehegte und gepflegte Unkraut mit einem Mal auszujäten und die dadurch entſtandenen Lücken ſofort mit guten heimiſchen Anpflanzungen genügend und vollſtändig auszufüllen 2c.,“ und der Schluſs des ganzen Aufſatzes lautet: „Wir verlangen um es am Schlujs zu wiederholen durdaus nicht die Ausmerzung alles Fremden, nur eine Beihränfung in jo weit, dajs man Fremdwörter nicht aus läffiger Bequemlichkeitsliebe überflüffig und unnöthig verwende, fondern nur mit bewufster Abficht, in der Überzeugung, dafs fie wenigftens zur Zeit noch unentbehrlih find, weil es für den dadurch bezeichneten Begriff in unſerm bisherigen Wortihag an einem allgemein anerkannten vollgültigen Erſatz fehlt. Möge Jeder, der dieſer Anficht zuſtimmt, ſie ohne Überſtürzung, mit Bedacht und Stetigkeit bethätigen!“

Als bedächtiger Freund deutſcher Sprachreinheit nach Maßgabe des Vorſtehenden hat ſich auch Ortmann in ſeinem Roman bewährt und ich kann in dem oben mitgetheilten Satze das Fremdwort Reaktion nicht tadeln, zumal ich zugeſtehen muſs, daſs von den in meinem Verdeutſchungs— wörterbuch (1884) ©. 180 a angegebnen Erſatzwörtern keins iſt, das als vollgültiger Eriag für das Fremdwort hätte gejegt werden fünnen. Um jo lieber benuge ich die Gelegenheit zur Ausfüllung einer Lücke in meinem Berdeutihungswörterbub, indem ich nadtrage, dajs für Reaktion im beftimmten Gegenjag zu Erregung (wie hier in dem Safe von Ort- mann) oder dem finnverwandtn Anjipannung fih als deutſcher Erſatz das Wort Abfpannung darbietet, vgl. au ferner als Gegenjäge: An— ftraffung, Erſchlaffung ıc.

10. ©. 164: „War fie doch faum mehr im Stande, fih zu be: herrſchen, und fühlte fie fih doch faum noch ftart genug, die Laſt dieſer ungeheuren Berantwortung zu tragen, die fie aus liebevoller Rückſicht auf feinen Zuftand durch ihr Schweigen auf fih genommen hatte und die jie Angeſichts diejer legten Entdefung vollends zu erdrüden drohte.“

In meinen Hauptihwier. babe ih unter dem Titeltopf: „Zweideu— tigkeit“ in Nr. 2b auf ©. 352b gejagt: „Subjekt und Objekt find bei männlihen Hauptwörtern in der Einzahl, wenn fie den Artifel oder ähn- lihe Beftimmungswörter vor fih haben, aud formell beftimmt gejchieden ; nicht aber ift Dies der Fall ohne den Artikel und bei weiblichen und ſäch— lihen Hauptwörtern, ferner bei den Pluralen, vgl. (eindeutig und beftimmt): Da, wo der Rhein den Nedar aufnimmt und grammatiih unklar: Da, wo die Elbe die Havel aufnimmt, deutliher: wo die Havel im die Elbe fließt, mündet, fi ergießt zc.; eindeutig: Wie der Vater den Sohn

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(das Kind) liebt, vgl.: Wie den Vater das Kind liebt zc.; dagegen zwei— deutig: Wie die Mutter die Tochter (das Kind) liebt. Wie die Eltern die Kinder lieben ꝛc, deutlih durch paifive Wendung: Wie das Kind von der Mutter oder: die Mutter von dem Finde geliebt wird ꝛc.“

Wo durh den Zuſammenhang oder die befannten Verhältniſſe die (grammatiſch allerdings möglihe) Mijsdeutung ausgeſchloſſen ift, braucht man fie nicht eben allzupeinlih zu vermeiden. Wenden wir uns nun aber zu dem obigen Sage Ortmann’s. In diefem finden fih am Schluffe zwei durch das gleihjegende und verbundene Relativſätze, beide gleihmäßig mit den Worten: „die ſie“ beginnend; doch ift in dem erjten das bezüg— lie Fürwort: „die“ Objekt, dagegen „ſie“ Subjekt, in dem zweiten da- gegen ift umgefehrt „die“ Subjekt, „ſie“ Objekt, während der Hörer oder Leſer durh die Gleihmäßigfeit gradezu verleitet wird, wenigjtens im erjten Augenblid für die beiden Fürwörter dasjelbe Verhältnis voraus: zujegen. Diejes Mijsverftändnis hätte durch eine veränderte Stellung (Unterlaffung der Jnverfion) in dem zweiten Nelativjage vermieden werden fönnen oder vielmehr jollen, vgl. etwa: die Yaft .. ., die fie aus liebe: voller Rüdfiht auf feinen Zuftand durch ihr Schweigen auf fi genommen hatte und die Angeſichts diefer legten Entdeckung fie vollends zu erdrüden drohte.

11. ©. 220: „Ein großer Theil der zahlreichen, aus aller Herren Länder bunt zufammengemwürfelten ZTifhgeiellihaft hatte den Speijejaal bereits verlaſſen.“

Dies ift in Ortmann’s Roman der einzige Sak, gegen den ih als einen entſchiedenen Verſtoß wider die Regeln der Spradlehre enthaltend, Verwahrung einlegen mujs, wie ich es gleich beim Beginn meiner Zeitichrift für deutſche Sprade (im 1. Heft des 1. Jahrgangs ©. 33— 37) gethan babe in dem Aufiage: „Ein auch bei guten Scrifttellern nicht jelten vor: fommentder grober Fehler wider die Spradlehre“, j. aud in den jpätern SJahrgängen die „abecelih geordneten Inhaltsverzeichniſſe“ unter „Land“ und im laufenden Yahrg. ©. 296 Nr. 5 und ©. 317.

12. ©. 215: „In ftatuenhafter Unbeweglichkeit jaß fie an feiner Seite,” vgl. meine „Neuen Beiträge zur deutihen Synonymit* ©. 106 ff.

13. ©. 233/4: „Da richtete fie zum erjten Male wieder ihre Augen voll auf fein Gefiht und jagt im ſchwerer Betonung ꝛc,“ einer der feltnen Drudfehler in Ortmann’s Roman ftatt jagte.

14. ©. 251: „Auf dem Tiihe inmitten des Zimmers lag ein Brief. Man muiste ihn dahin gelegt haben, während er ſchlief, und er befand fih darum vielleiht ſchon feit vielen Stunden an jenem Plage”, richtiger

480

wohl: und jo mochte der Brief vielleiht ſchon jeit vielen Stunden an jenem Platze ji befunden (oder: dort gelegen) haben x.

15. ©. 311: „Aber es [das Zufammentreffen) hat did darum nicht weniger erfreut, wie ich denke.” Diejen Sa habe ih bier bejonders angeführt, weil er mir bejonders geeignet jcheint, wie wünſchenswerth oder jelbft nothwendig es ift, die Unterjheidung des von einem voraufgehenden Steigerungsgrad ꝛc. abhängenden als und eines ohne Abhängigfeitsver- hältnis nur darauf folgenden wie folgereht überall durchzuführen, (I. Hauptſchwier. S. 306b ff. unter dem Titeltopf: „Vergleihendes als und wie” Nr. 51). Der Sinn des Satzes wäre ein wejentlih anderer, wenn es hieße: „Aber es hat di darum nicht weniger erfreut als ich vente“, vgl. (mit Boranftellung des Zwiſchenſatzes): „Aber es hat did, wie id denke Jaud: dent’ ich], nicht weniger erfreut“.

16. Schließlich möhte ih nur noch hervorheben, dajs Ortmann in Bezug auf die jtarfformige Abwandlung mehrerer neben einander jtehenden Beiwörter an der Hegel fefthält, die ih in meinen Hauptſchwier. ©. 98 ff. als die meiner Anfiht richtige bezeichnet und wie ih glaube ge- nügend begründet babe.

Die zweite Hälfte diejes Aufſatzes: Abecelich geordnete lojere Zufammenjekungen aus Ortmann’s Roman,

nad denen ſich ähnliche (feiner bejondern Erklärung bedürfende) bilden laſſen, babe ih, mit Rüdfiht auf den Raum, hier zurüdlegen müſſen.

Bereinzelte beim Lejen niedergejchriebene Bemerkungen.

1. Appofition.

„Der König . . . beauftragte feinen Flügeladjutanten Oberſt Frei: berr v. Walter, Militärbevollmädtigter [itatt: Militärbevoll- mädtigten] bei der württembergiihen Gejandtihaft in Berlin, das Schreiben in Friedrichsruh zu überreichen.“ Nat.Ztg. 48, 222.

2, Stellung. „Das akuftiihe Geheimnis des Gemwandhausjaales, deſſen Yöjung die Demolierung des Gebäudes erft offenbarte.“ Nat.-Ytg. 48, 242, in rihtigerer Stellung, defjen Yöjung erſt die Demolierung ꝛc.

Mit dem vorliegenden Hefte Hört die „„Beitfhrift für deutfhe Sprade‘‘

in meinem Berlage zu erfheinen auf. Ferdinand 5chöniugh, Paderborn.

Abecelich geordnetes Inhaltsverzeichnis.

a m ftarfformiger Zeitwörter (vgl.

275 Nr. 37.

Abendflaiche 92 Ar. 11.

Abenteu(r)erin 275 Nr. 37.

aber 164 Nr. 78; 173 Nr.3; 194/5 Nr. 9; 233 Nr. 8.

abgewöhnen 416/7.

abhängige Rede 112 Wr. 2;

abfnöpfen 239 Nr. 40,

abplatten 168 Nr. 111.

Abicheu f. 33 Nr. 11.

abſchnuren 329 Nr. 37.

+ abfolutement 271 Wr. 7.

abfolutes Particip 31 Nr. 6; 195 Nr. 10; 275 Nr. 33.

abftrafte Hauptmwörter Nr. 10 Str. 60.

Abwechſelung 124 Nr. 13.

Acenfativ: und Nominativ (f. Zwei— beutigfeit) 21 Nr. 1; 35 Nr. 182; 424i; (plattb. und fhmgr.) Mr. 149; und Dativ 394 Nr. 6 und 439 Nr. 20.

Achen 433 Nr. 9.

Adelspad 310 Nr. 44.

adieu partie oder patrie 144 ff.

Adjektiv ſ. Eigenſchaftswort.

adlern 418

Ahnenverluſt 280.

ahnungslos mit Genitiv 30 Mr. 1.

ai! 246 Wr. 18.

Alben 431 Nr. 1.

Alfın 4383 Nr. 10.

all (vgl. nicht) 78, und jede 104 Nr. 2; 124 Wr. 16.

Alldentih— land zc. 101, —thum.

alldort 165 Nr 90.

alle 406g.

Allitteration (ſ. Stabreim, Ebrard) 179.

allnächtig 419, f. nachtnächtlich.

Alltag 186 Nr. 51, 244 Nr. 5.

alltägig, alltäglich 419,

allmo 216 Nr. 40.

alpenhbaft 272 Nr. 9.

Beitichrift f. deutſche Sprade. X. Jahrg.

155 Nr. 15.

im Plural 228

alpihwer 176 Nr. 22.

al8 (vgl. wie) 118 Nr. 5; 214 Nr. 28; 236 Nr. 20; 242 Mr. 8; 343 Nr. 8; 344 Nr. 18; 350 Nr. 7; 368 Nr. 1 u. 2; 354 Nr. 8; 355 Nr. 15; (für)

423e; (vergleihendes und ibentift« cierended) 438 Nr. 14; f. auch vor- ziehen,

‚al ob 348 Mr. 8.

alt⸗klug, »weife 329.

Altenmännerbäder 137 Nr. 59.

Ältere Mittheilungen aus meinem Schreib: pulte 443 fi. (ij. Franzos).

alteröweife 329 Nr. 136.

am ſ. an.

an (vgl. bei) 69; 170 (vgl. in).

Analolutblie) 17 Nr. 2; 198 Nr. 2; 1967 Nr. 18; 220; 372 Nr. 178.

anbaumeln 175 Nr. 14.

anbeißen 175/6 Nr. 18.

ander 128 Nr. 9; 253 Nr. 52; 407n. anders wie (ald) 242 Nr, 3. angewöhnen, angemwohnt 406 h. Anglicismus 170 Nr. 122,

angliedern 347 Nr, 4

anlauten 295 Nr. 8,

Anner 847 Nr. 4,

Anrevefürwörter 254 Nr. 57. anrühren 329 Nr. 185; 369 Nr. 168. anſchauen (fi) 483 Nr. 13. anſchlagen 304/5 I. 4, f. ſchlagen. Anichrift 348 Nr.

anfegen 211 Nr. F

antrinlen 205 Nr. 8.

anwachſen 134 Nr. 39.

Anwalt 160.

Anwurf 34 Nr. 17; 211 Mr. 39.

anwurzeln 314 Wr. 71.

Anzahl 115 Nr. 15; 435 Mr. 2.

anzieben 372 Nr. 174.

Appofition 33 Nr. 15; 35 Nr. 19; * Nr. 16; 195 Nr. 11; 285 Mr. 263 Nr. 49; 298; 431 "Mr. n., 0; * Nr. 1; 480 Rr. 1.

37

arbeitöhart 247 Nr. 21.

F Arditelturla) 347 Mr. 5.

Arın (dritter) 348 ®,

Armbruft 408,

Arm⸗Leut⸗Geruch 135 Nr. 46.

Art: 'ne baben 107 Nr. 4

Artikel

—Iofe Hauptwörter 328 Nr. 129.

r assietto au beurre 75.

+ Affociation 324 Nr. 104.

+ afjociieren 373 Nr. 180,

T Aſſonanz 219 II.

attributiv: „ed Eigenſchaftswort (— Bei: wort), Stellung 134 Nr. 42; 229; freierer Gebrauch 250 Nr. 34.

aud (Stellung) 355 Nr. 14.

auf: ibn (vgl. darauf) 712 Mr. 4; —, in (f. Landftraße) 91 Nr. 7; (mit Dat, oder Accuf.) 214 Nr. 21; und zu 5; Un: (j, d.) und Auf 483 Nr. 16.

auflechzen 164 Nr. 82.

Ach aufräufeln 107 Nr. 1.

auffeßen 309 Nr. 43.

auffteden 309 Nr. 43.

aufftören 117 Nr. 90.

auffträuben 129 Nr. 20.

aufftrupfen 428 Rr. f,

aufwaſchen 97 Nr. 2.

Aufwurf 72 Nr. 7.

aufziehen (ein Lächeln) 809 Nr. 43.

augenverblendet 261 Nr. 40,

auäbeuteln 5.

Ausdauer 195 Nr. 12.

ausfallen 144.

ausflucen, fih 327 Nr. 21.

ausfreuen, fi 265 Wr. 54.

auslommen, Ausltommen 231 Nr. 31.

. Auslangen 108 Nr. 8; 231 |

rt. 31.

ausmachen 35 Wr. 18.

audfchmerzen, fih 265 Nr, 54.

ausſchwatzen, fih 326 Nr. 15.

ausſtechen 314 Nr. 66,

austräumen 176 Nr. 19,

Ausweihung aus der Sakfügung, ſ. Anas folutb.

ausmeinen 376 Nr. 193.

auszablen, fih 109 Nr. 10.

ausziehen 140.

audzutretend 396 Nr. 17.

außer 81-87.

außeramtlih 295 Rr. 2.

Baba, —chen 484 Nr. 2.

7 Bachus 323 Nr. 97.

bairiſche Mundart (f. Dativ) 3889. Bale 303.

bald (= frühe) 72 Nr. 5.

beforgen . .

482

ballielig 175 Nr. 16.

Balmung 389 Nr. 4.

7 Bantett 401.

:bar 418 (iorgenbar). baradenbaft 323 Nr. 99.

- Bartels, Av. Komiſches Epos 65 fi.;

93

Bau 273 Nr. 16. Bauerei 434 Nr. 6. baumeln 175 Rr. 14, Baulthzen, j. Hund.

‘f. anbaumeln).

Baher, Rob. v., i. Byr.

' Bedenbrot x. 151.

Beringungsfäße 76. beflügelt 275 Nr. 86.

begebrlih 130 Nr. 25. begeifteir;n, begeiftigen 259.

begießen 168 Nr. 110. Begine 5. beginnen mit uf. 79.

' begreifen 64 Wr. 51.

bebaupten 438 Nr. 17, vgl. leugnen.

Behelf 236 Nr. 20.

bebindernd 237 Nr. 25.

bei (ausgelafien) 239 Nr. 37; (zufammen) 385 Nr. 2.

bei:an 69.

Beichte: die abhören 130 Nr. 26.

Beicht: Mutter, smütterlid 274 Nr. 25.

beid x. 138 Nr. 68.

Bein 128 Nr. 12,

beißen, ſ. Zähne.

Beiwort, f. attrib. a x,

bejaben, verneinen 20/1.

beflagen 437 Nr. 9.

Belgien, die deutfhe Sprade in 1. Biſchoff 267 fi.

einander

benagen 309 Nr. 40.

Benauigfeit 5. Bereih m., n. 126. bereitö (fchweiz.) 98/9.

Berge-Gut, : Leute, :Mann(ichaft) 18,9.

Berger 19*,

—— Mih., Voſſens Homerüber⸗ ſetzung

‚wert N R., Spradlich auffällige Stellen

Fürwörter (f. fein, 76/7; 112,

ihr)

dafs (nicht) 874 Nr. 187, vgl. unbeforgt und Pleonasmus.

beſtehen auf 253 Nr. 50

betreuen 432 Nr. 6.

bevatern 328 Nr. 129.

bevor 191 Nr. 2.

bewegen: regen (f. d.) und 169 Wr. 17.

bewebren 250 NR. 31. ' beziebungslofes Particip f. abfolut.

Beziebungsfäte (f. Relativ u. Anatolutb), bezüglihe Yürwörter 17 Nr. 32; 65 ff.;

79; 102/8; 115 Wr. 17; 156 Wr. 18; 238 Nr. 32; 356 Nr. 17; 467. Biegungsfälle 155/6 Nr. 16 Unſicherheit im Gebrauch). Bilderwechſel 35 Nr. 21. bis (präp.) 77; daſs 133 Nr. 35. Prof. 9. Bifchoff in Mongen (Belgien). Die deutfhe Sprache in Belgien 267. Bismarck ald Nedner (f. Dütel). blane bonnet 75. bläntern 394 Nr. 9. blaſsſchnäblig 136 Nr. 50. Bläuling 435 Nr. 12. Bleimantel 247 Nr. 31. blinzen 221 Str. 4; 418. Blödheit 208 Ver. 24. Blüber(in) 232 Nr. 4. Blumenzimmer (weidm.) 142. Blut n. 242 Nr. 4. Boer :c., f. Bur xc. böbmifch 273 Nr. 18. Bombenzerfolg 137 Nr. 53; bonnet blane 75. Paul Bornftein 378 (ji. Düfel). Botenbrot xc. 151. brauden 278 Nr. 1; 351 Nr. 9. Braut, Bräutigam 38; 74; 418. brennen nad 166 Nr. 94. Bretterfpaß 192 Nr. 5. brodeln f. brummeln. Brüd(e)l 433 Nr. 17. brummeln und brodeln 166 Nr. 94. brüten über 217 Nr. 2; 417i. Brüterin 234 Nr. 13. Buchs 5.

:baus 30011.

483

daraus (= woraus) 244 Nr. 7.

darein 104 Nr. 2; 322 Nr. 38; 405 Nr. b. darüber 175 Nr. 15.

Das 128; 322 Nr. 104; 428g.

dafig 13 Nr. 3.

”- des Imperativs) 338

** air Nr. 48 (f. Dellin. der Eigen- ſchaftsw.); 261 Nr. 33 2c.; und Accuf. 439 Nr. 20; und Genit. (Stellung) 298; —objelt 212 Nr. 2; 219 Nr. 3

davon 166 Nr. 93; tragen 4071.

davor 204 Nr. 7.

dazubin 239 Nr. 36.

Deklination (beionderd von Eigenſchafts— mwörtern) 127 Nr. 9; 131 Nr. 29; 217 Nr. 48; 252 Nr. 44; 261 Nr. 93 x. (f. auch all; kein).

denn (ftatt ald) nah Kompar. 397 Nr. 21; 476 Wr. 2.

der (Deflin.) 236 Nr. 22,

derichlagen 109 Nr. 14.

derſelbe 264,5 Nr. 53; 4083 ff.; 435 Nr. 1.

derftiden 434 Nr. 7.

deflem 214 Nr. 20.

dejien (ſ. fächfifher Genit.) 193 Wr. 1; 237 Nr. 28 (i. fein); vgl.: weſſen 238 Nr. 34; 249 Nr. 24.

deutſche und franzöfiihe Sprache 87—90,

Bülan, Friedrich, Geheime Geſchichten 17 fi

Bummelurlaub 167 Nr. 9. Bur, buren 421. VBürgerpad 310 Nr. 44.

a Rob., Sternfhnuppen 203; 205/6 | x. 9

Bymwoner 421.

Garmen, ij. Syiva. Gentner 79.

+ Charalter 402.

T Chef 402.

Cohn, Auguft 202. Colindery 348 Nr. 12.

d (im Superlativ ausgelafjen x.) 208. da... an 215 Nr. 86.

Dahs[bund] 261 Nr. 34.

dafür 204,

daber 323 Nr. 91.

damit 428 Nr. n., h.

Dämmer m., n. 266 Nr. 2; 484 NRı. Dampfllar 422.

darauf 72 Nr. 4 (f. auf ihm).

f. Jeanneret. Deutfcheinbeitäftaat, =Ier, «ib 101.

' Dicterfpradhe 227/8.

didnäfig 107 Nr. 3.

die 338,9 Nr. 3

dieben 108 Nr. 4.

diem(al) (bair.) mandhmal 433 Nr. 11.

dienen 147 Nr. 8.

dienlih 72 Nr. 6.

Dilettant x. 131,2; Nr. 51.

diftributiver Singular 133 Nr. 33.

doh 51 Nr. 5.

+ Domine 5.

Donnerkeil x. 434 Nr. 5.

Doppelfteigerung 117 Nr. 19.

Dragoner 408.

drängen 123 Nr. 6.

en⸗Gaulelei 311

Draufgängerthum 394 Nr. 5

Dreckmichel 5.

drein ſ. darein.

Drides 5,

drin 432 Nr. 2 (f. innen). dringen 123 Nr. 6.

dritte Perion (f. d.) 118 Nr. 24.

dritter Arm 343 Nr. 8, Drobfalte 251 Nr. 38. Dromedar m., n. 221 Nr. 15.

1. Drudfebler 4261.

du 254 Nr. 57. das Duell Kobe-Schrader 190.

37*

44

dufte (rotbwälih, berliniich) 389/90, Dühr, Aug., Jlias niederd. Überfegung 48 ff. Du Bois⸗Reymond 403*.

Dülmen (Ortöname, vgl. Schilda) 6.

bunleln 246 Nr. 19.

durd= .„. . 266 Nr. 44; 248 Nr. 19.

durchaus (f. nicht) 78,

durchbeizen 262 Rr. 44.

durchdringen 262 Mr. 44.

durchgeiſte(r)n 2c. 260.

durchglühen 348/9 Nr. 19.

durchhauen —, fib 345 Nr. 19.

durchlaugen 262 Ar. 44.

durdleuchten 348/9 Nr. 19.

durchtauſchen 3489 Nr. 19.

durdringen 265 Nr. 55.

durdfieben 173 Nr. 2.

durcforgen 248 Nr. 28.

durchfpeeren 420.

durhiprigen 348/9 Nr. 19,

durchfprudeln 348/9 Nr. 19.

durchwachen 248 Nr. 23.

durchwetzen 304 Nr. 3.

Dr. Friedr. Düfel: Gismarck ala Redner 12; Johann r U 280-292; Bon der modernen Lyril 378 ff. 381; Doktor: difjertation: Der dramaturgiſche Monolog in ber Poetik des 17. und 18. Jahre. und in den Dramen Leffing’s 358; 407n.

bult)zen 325 Nr. 107.

Dr. Ebrard in Nürnberg, Zur Allitte ration bei Goethe 179— 188.

Edelſchmiederei 347 Nr. 11.

ebeir\nicht) 191; 321 Nr. 56; 873 Nr. 182.

Ehrenbraut 418.

ehrien)-, ehrfurchtwürdig 328 Nr. 125.

Eigenknecht 79/80.

eigentöpfig 370 Nr. 164.

Eigenfhaftswörter = Adjettiv (f. d.): ſ.

ination ; abfolute (f. d.).

einandfer) 109 Nr. 14; (Benit.) 328 Nr. 94; (vgl. zulammen) 385 Nr. 2,

einbliden 137 Nr. 78,

einfädeln 314 Nr. 65,

Einfall 168 Nr. 114.

Einfluf nehmen 117/8 Nr. 20.

eingehen (auf, in) 406 6.

eingrapfen 165 Nr. 87,

Einhenlel 142.

einige ꝛc. 429g.

einlebren, einlernen 108 Nr. 5.

einmauern 309 Nr. 41,

Emddbauer ꝛc. 108 Nr. 1.

einreden 432 Nr. 6.

Einihlag 274 Nr. 29.

einfhludten 24 Nr. 6.

einfilbige Wörter 222 (7. Strophe) 341. fi.

Einzahl (Singular) und Mebrzahl (Pluml), f. Numerus 113 Wr. 8; 132/83 Nr. 33;

164 Nr. 79; 171 Rr. 24; 174 Wr. 9; 211 Nr. 48; 339 Nr. 3; 405d. einzeln, einzig 134 Nr. 38, Eifenbahn 123 Nr. 7; eiienbabnverlafien

148.

Eisihild, Eiswechte 299/300.

+7 @lan m., n. 195 Wr. 11.

Elfenbein 248 Nr. 5.

empfaben 220 Wr. 3.

Empfangsjubel 106.

empor-rüden jib 252 Nr. 46; »wölben, swolfen 213 Nr. 18.

+ Emprefjement 427n., 6.

Ende: .. . 482 Nr. 8.

Engelien, ſ. Drud-, Satfebler 426 1.

7 Enjambement 219 Fußanm.; 220,

Entdecungsmenſch 294 Nr. 2.

entebren, Entebrung 154/56 Nr. 18.

entflutben 213 Nr. 19.

entlörpern 311 Nr. 52.

entlang 193 Nr. 3; 419.

Entrüdtbeit 134 Nr. 41.

entfchulden, Entfhuldung 114 Rr. 12.

Entftebung(&tall) 337/8 Nr. 8.

entweiben 328 Nr. 128.

entwohnen, entwöhnen 205 Nr. 9.

entzio ıc. 432 Nr. 8.

entzwei 60.

er (Fürwort und Kaſus 2c.) 31 Nr. 7; 90 Nr. 2 (f. perfönl. Fürwörter); 2983.

er= (als Borfilbe) 109 ff.

erblafien 110 Nr. 2.

erbleichen 109.

erbreitern 237 Nr. 27.

erbringen 113 Nr. 5.

Erdäpfel 5.

Erden) 418,

Erd(en)leib 223 Nr. 11.

erdenmweit 261 Wr. 41.

erbofen f. ertoſen.

ereignen ꝛc. 234 Mr. 10.

erfordern 122 Wr. 1.

Erfreutbeit 427 Nr. n., e.

erhalten (Anglicismus) 177 Nr. 128; in erböhtler)em Grabe 117 Nr. 19,

erlämpfen 345 Nr. 20.

erraffen fi 331 Nr. 50. (fi) erreihen 437 Nr. 12. erröthen 109/10.

erfheinen 235 Nr. 14. Erideinung 278 Nr. 4.

erſchiehen: zum E. 277 Nr. 8. erihöpfen 31/2 Nr. 3.

erſchrecken (Konjugation) 171 Rr. 27; 274 Nr. 28

erfpaziergängern 34 Nr. 16. eripielen 208 Nr. 23.

' erft adv. (Stellung) 475 Wr. 3.

erfte Perion (i. d.) 118 Nr. 24. erfterer 485 Wr. 1,

erftiden tr., intr. 434,

erftmald 232 Nr. 1.

ertofen 420.

erwarten 348 Nr. 11.

erweltfabren 34 Nr. 16.

es (abhängig v. Präpof.) 195/6 Nr. 14; 438 Nr. 8; 434/5 Nr. 8; ſ. unperfön- liche Beitwörter,

Eſſerei 164 Nr. 77.

Fall Hammerftein 2. der Fall jein 424h; fallen 433 Nr. 9.

Fallhütchen 6.

Federheld 313 Nr. 61.

federn 166 Nr. 92,

fegen 214.

feblen: es fehlt nicht viel 210 Nr. 38. |

Felleiſen 408.

Feld, Felfentanzel 23 Nr. 2.

felfenbart 418.

feftigen 250 Nr. 38.

Fetihammel 137 Nr. 56. |

Fettſchwanz 137 Nr. 56.

feuchten 211 Wr. 4.

feuchtlalt 247 Nr. 21.

Feuer (Leuchtthurm) 303 Nr. 2. |

feuerblond 418.

feuerfeft 2c. 210 Nr. 34. |

ehe 251 Nr. 38; ⸗ſchütteln 24 |

—— Nr. 152. Ylamingo 274 Nr. 28. Flaſchenhals 273 Nr. 14. | flattern 138. Nr. 64. Flidichuflerei 206 Nr. 11. Fliege 331 Nr. 149. flint 344 Nr. 11. flittern 168 Nr. 118. fligen 138 Nr, 2. floren 418. Flur m., f. 312 Nr. 57. flutben 418. Föhnenſchild 300. fordern 122 Nr. 1. Forderung (mit „auf“ oder Genit.) 196 Nr. 17, fort: —, futih 166 Nr. 97. Fortbildungen in unerihöpflidher Zahl nach Ähnlichkeit 34 Nr. 16. fragte, frug 381. Ar ua Allerlei Geifter . 91;

"au

framgbhiee und deutihe Sprache 87—90, (f. Seanneret).

freiere Fügung 406 c.

fremd: fein F—e8 108 Wr. 1.

Fremdheit 370 Nr. 168.

Fremdländer 165 Nr. 89.

Fremdwörter 349 Nr. 2; 401—3; (f. die in dem Berzeihnid mit F bezeichneten).

485

gebobene Rede (i. d.) 137 Nr. 54; Nr. 2.

frieren 213 Nr. 3. Froftfhütteln 24 Nr. 11. f. fragte.

Früh = morgen - ai :trunt 290 Nr. 11. Frühlingsfeid 271 Sr. 4 4. Fügung nah dem Sinn 33 Nr. 14; 36 Nr. 23; 164 Nr. 79; 174 Nr. 7; 276 Nr. 34; 340 Nr. 4: 841 Nr. 5b x.

(j. aud fondern).

21; ⸗ſchoppen,

' Fubrmannsruf 897 Nr. 28.

T fundamental 436/7 Wr. 7. für 166 Nr. 95; 423e (f. als). Furde 418.

Furcht 98 Mr. 3. Fürwort f. Pronomen.

Fuß: Jemandem zu Füßen oder zu Jemands Füßen lie gen 8322 Wr. 81. futih 138 Nr. 61; 166 Wr. 97.

&adem 432 Nr. 2.

Gähnabend 208 Nr. 23. gäng und gäbe 7; 8.

' Gänger 223 Nr. 8 Str. 38. ' ganz (vgl. recht) 162 Nr. 72.

Ganzdeutſchland 101.

' @ärber 108 (f. Lederer).

gebären 217 Wr. 58. geben: es giebt (deren, foldye, welche) 303 Nr. 5 und 6.

Gebirgs⸗Sohn, »Strom 152 Nr. 2,

Geblite 418.

gebrauchen 351 Nr. 9. gebrehen 214 Nr. 21 (Partic.) Gedächtnis 124 Nr. 15. gedantenblöde 243 Nr, 5.

Gedanten- Flucht, «Jagd 370 Nr. 169. gedanlengeweckt 421.

gedient 174 Nr. 8.

Geduld (Ausdauer) 195 Nr. 12.

Gefeht 92 Nr. 16; —s-Eigenſchaft 350 Nr. 5.

' Geflader 218 Nr. 23.

gefolgt 24 Nr. 7.

gefreut (adj.) 108 Wr. 1.

Sefühlsjpielerei 175 Nr. 12.

gefüllte Augen 372 Nr. 172.

gegenftandlos 218 Nr. 14.

geheimnisihwer 243 Nr. 6.

&ebeimpoliz-ei, =ift 294 Nr. 2.

geben: Wie geht's? (ſ. Schrader) 361 ff.; mit einem Mädchen 253 Nr. 53; es gebt fi jhön 24 Nr. 10. Gehirn 368 Nr. 154,

152

Geböhln. 432 Nr. es gehört mein (mir) 320 Nr. 90. gehörnt 339 Nr. 15.

geifte(r)n 259 ff.

Geifterftunde 33 Nr. 18.

Gekrabbel 427 e.

Gekribbel 167 Nr. 2; 427e.

Geldſack 310 Nr. 46.

Geldzeihen 196 Nr. 16.

Gelöbnis 124 Nr. 13.

gelt, gelten’8 326,7 Nr. 120; 369 Nr. 162; 432 Nr. 6.

gelten: —, —d maden 407 k.

gemein 99; 100.

gemüthlich 237 Nr. 26.

Genitiv: und Dativ (f. d.); Stellung

486

298; ſächſiſchet 296; 397 Nr. 21; |

433 Nr. 29; 475 Nr. 2; von einander abhängige —e 349 Nr. 1. ohne endung 234 Nr. 12; Nr. 18.

genug (Stellung) 355 Nr. 13.

gereizt liber 397 Nr. 19.

Gerichtsſprache 171 Nr. 124.

gern (Superl.) 382 Nr. 86.

Gerührtbeit 161 Nr. 68.

Gejait 420.

Gelammtdeutfhland 101.

geihäftswütbig 348 Nr. 20.

geſchehen 424 h.

Geſchehnis 170 Nr. 120.

gefheit: Jemand reden 328 Wr. 131.

Gefhichten 171 Nr. 127.

geiegnete Mablzeit 162 Nr. 18.

Geſicht 329 Nr. 134; zu ftehen 206 Nr. 12.

Beipenfter-Nebel 97 Nr. 1; ftunde 33 Nr. 13 (f. Geifterftunde).

Geſtammel 314 Nr. 68.

Gejtein(e) 420.

Gefundung 254 Nr. 61.

Getreide-Hode, «Mandel 116 Nr. 18 (vgl. Puppe).

getreppt 249 Nr. 26.

Gewechte 299/300.

gewohnen, gewöhnen 205 Nr. 9; 220 Nr. 3 Str. 15; 249 Nr. 28; 406/7. Nr. h.

gewöhnliche Rede (f. d.) 137 Nr. 54; 159 Nr. 2; 227 fi.

(ge)worben, j. werden 421; 430n. bafel 218 Nr. 2,

gierig 130 Nr. 25.

@igerl 163 Nr. 75.

Girbel m. 432 Nr. 8.

Giſcht f. 235 Nr. 15.

glänzen 310 Nr. 46.

Glasauge 247 Nr. 21.

Glaſsbrenuer (Adolf und Adele) 201.

glauben 437 Nr. 7.

gläubigerifh 153 Nr. 6.

gleichſetzendes als (j. d.).

glimmerig 107 Nr. 6.

glittern 168 Nr. 113.

Blodenboje 308,

438 |

gluden, gludfen 23 Nr. 2.

glutbzittemd 253 Nr. 49; 255 Nr. 99.

Gnade 90 Wr. 1.

goldig 432 Nr. 2.

Gold⸗Fiſch, «Schmetterling 206 Nr. 13.

Goethe, GEbtz v. Berlichingen, ſ. Allittes ration 179; und Gtraßburg 230; Kleinere Schriften zur Kunft umd Litte ratur 401 fi.

Gott: von Nr. 90.

gottbefhaulih 273 Nr. 19.

Gotteszorn 251 Nr. 80.

gottvergefien, gottverlaflen 148 ff.

Gotti 100.

ern 420. racht 5; 90.

gradſchlächtig.

Granatenregen 420.

grandig 208 Nr. 27.

Grauen n. 98 Wr. 1.

Green (in Luremburg) 254 Nr. 56.

Gebrüder Grimm, Haus: und Kinder- märden 256 fi.

grinien 165 Nr. 85 (i. lächeln).

und Rechtswegen 322

Großdeutſchland, Großdeutſchthum 101.

Großmuth m. 388.

grummen 5.

Grund: im -e 106.

Em. Grünbling, ein Brief 190. guten Tag (au) 215 Nr. 28. G'wächt 299/300.

Haben (als Hilfezeitw. ausgelaſſen) 179 Nr. 31; 336 Nr. 8; (f. Zweideutigfeit); —d 36 Nr. 22.

Hain und Nebenformen 140.

bäfeln 418. baten, fih 303 Nr. 3. halb (f. zweitel) 150.

Halbblut n., m. 242 Nr. 2.

Hallig 415 ff.; 440.

Halluten 5.

Hammel und Buiammenfeßungen Nr. 56.

Hammer pl. 368 Nr. 156.

2 Zufammenjegung. 418. angen, hängen 244 Nr. 6; bängenben Hauptes 165 Nr. 90.

bart 95 Nr. 4; Zufammenf. 418; auf 350 Nr. 2,

Gg. Hartwig, Frau Hilde 78 ff.; 260 ff.;

Derf. 336.

baichen 250 Nr. 37.

Haft und Jaſt 347 Wr. 5.

6. Hauff, Derjelbe 403 Fußanm. baufen 153 Nr. 4,

137

ı Häuferhöblen 247 Nr. 21.

Hausflur (ſ. Flur) 312 Nr. 57,

Hebbel. Der Siegfried 338 fi. beia! 247 Nr. 20. beimelig 97 Nr. 1.

Heinr. feiten heiß 418.

belfen 274 Nr. 27.

Helmbolg (fein Vater) 293.

berabgrüßen 220 Nr. y: Str. 4.

beranwadjen 349 Nr. 5; 374 Nr. 18,

heraus fommen 169 he 115, legen fih 273 Nr. 18, fingen 327 Nr. 124.

berbftftill 243 Nr. 5.

Herdverſpruch 433 Nr. 15.

berinnen 109 Nr. 13.

bermaden 156 Nr. 17.

. Karpeles.

487

eine, Rheinische Eigenthümlich⸗

Hülle, Zufammenf. 419.

Humpflod 310 Nr. 45.

| Dana nah Bauft)zen tragen 25. urdel m. 302.

huſcheln 214 Nr. 6; 434 Mr. 2. huſchlig 185 Nr. 49.

Hut 419.

:ian 4.

Idee 168 Nr. 114.

ibr (f. fein, Zweideutigleit) 369 Nr. 159. Ihr 254 Nr. 57.

immer (vgl. nit) 7

Imperativ (Umfhrebung) 388 Nr. 1.

beroben 108 Nr. 1; 323 Nr. 93; 483 | Nr. 12.

+ beroifh 402.

berum: drehen 243 Nr. 5; maden 295 Nr. 1.

berunter= x. 129 Nr. 19.

hervorhauchen 246 Nr. 13,

beuern 433 Nr. 15.

Heulboje 303.

der Heurige 254 Nr. 156.

Paul Hefe 105/6. iatus 342 Nr. 7.

Pimmeiderrgort! 137 Nr. 55.

hinaus fingen, fih 327 Nr. 122.

binden: Jemandem den Schlaf 117 Nr. 19.

binein: beten Jemand in die Hölle 322 Nr.89 ; feinen Ehrgeiz feen (= Daran) 104 Rr. 3.

bingaufeln tr. 311 Nr. 51,

hinhauchen 245/6 Nr. 18.

binknieen (fih) 104 Nr. 4.

binlegen 167 Nr. 105.

hinter: fich treten 330 Nr. 39. H— Beine, »beinig 107 Nr. 4; Wald 91 Nr. 12; «Wäldler 173 Nr. 1

binüberfchießen 318 Nr. 64. binunter 373 Nr. 179. binmwegleben 165 Nr. 88. —* =) Hinwegſetzen über ꝛc. 4867 887 Nr. 7. Gelefte v. Hippel, Gelentert 302 ff. Hoboebläfer, Hoboift 395 Nr. 12. ans 9 ann, Der arme Kreb& 107. ohenloch, Hobenlohe 140. bolländifhe Wörter bei Heine 5. böliih 249 Nr. 29, bolztroden 255 Nr. 69. omerüberjeßungen 48 fi.

otte 252 Nr. 43. oub:houb n. 303, u 803.

Herm. Huffer (f. Heine) 5

Imperfelt: und Präſens 203 Nr. 1; 293/9 Nr. 1; 438 Nr. 15; 439 Nr. 19; ftatt Plusapf. 115 Pr. 141; 369 Nr. 163,

in (präp.) 91 Nr. 7 (f. auf; Landftraße); 170 Nr. 121 (vgl. an, Schaufpielhaus) 278 Nr. 2 (— —); 312 Nr. 38 (I. Würze).

indirelte —e Rebe: ſ. abhängige.

Infinitiv: (mit „zu”) 104 Nr. 5. (f. lernen); 439 Nr. 20; dem gleichlautende Par: ticipien (f. d.) 31; TubRlantivifche (Mebrzabl) 113 Nr. 8 (f. Berfahren).

innen (drin) 432 Nr. 2.

Innen pl. v. inn (engl.) 348 Nr. 14.

das Innere 245 Nr. 12.

+ Jaſtꝛument (pl.) 322 Nr. 34.

T Jutétieur 245 Nr. 12,

Inverſion 135 Nr. 43 (f. Bweideutigteit); 296 Nr. 10; 363 Nr. 5; 424 i.

Jahr: in guten, Nr. 83. Jahrhundert 62.

in den beften —en 322

Sammergefühl 325 Nr. 110.

jauchzen 23 Nr. 3.

k (ftatt möglichſt) 377. ?. Jeanneret, Hauptverfchiedenheiten der frangdi. und der deuten Sprade 87 bis 90.

jeder 78 (vgl. nicht); 333 (vgl. kein).

Jemand 128 Nr. 11; (f. wer 108 Nr. 6).

Jeſſes 322 Nr. 86 Jeſus vgl. Krrt).

y Jingo, —(n)ismus, —thum 349 Nr. 2

juchzen 23 Nr. 3.

jugenbbeiß 418.

jung (überihüffig) 239 Nr. 39.

Jung, Jüngelbad 138 Nr. 59.

Junler (v. Getreidehalmen), junfern 310 Nr. 47.

AYunterpad 310 Wr. 44,

Jupp 5.

Kalender 62.

lalt: —e Schulter (ij. d.) 154 Nr. 1.

109 Nr. 11; -Schoſs 108

r. 2,

Dtto Kämmel, Schule und Politik 333/4.

Kapital(Fügung nad dem Sinn) 83 Nr. 14.

Kappe 419.

G. Karpeles, Rheiniſche Eigentbümlich- leiten bei Seine 1 ff.

fatbolifche Lieder (Hbythmus) 6

Kattun n. 250 Nr. 32.

Rab: für die 98 Nr. 8.

Kautichuf m., n. 354 Nr. 9.

Kavalier (f. Junker) 310 Nr. 47.

T Kavallade 271 Rr. 1.

tedäugig 251.

fein (vgl. nicht 2c.) 93 Nr. 18; 138 Nr. 66; 152 Wr. 3; 196 Wr. 13; 205 Nr. 9; 209 Nr. 30; 332/38; 333; 350 Nr. 4.

Kemenat 432 Nr. 2.

tertermäßig 323 Nr. 100.

Kerl (von einem Mädchen) 253 Nr. 52.

fiefätig 408.

fiefen 4089.

Kind (Sägung nad dem Sinn) 276 Nr. 34; 341 Nr. 5.

209 Nr. 28; ⸗Mär⸗ chen 256; -Voll 106 Nr. 8.

Kirchhof 58.

Kirmes 5.

Kitt 419,

Klammer 211 Nr. 24.

Hammeınd 172 Wr. 128.

Happern 138 Nr. 63.

leiden 114 Wr. 11; 152 Wr. 2.

Kleinkinderbewahranftalt 209 Wr. 29.

Kiiff 419.

Mir! 318 Nr. 62.

Hirren 250 Nr. 39; 419.

Mitten 249/50 Nr. 30.

Hopfen: Einem (oder Einen) auf die Schulter ꝛc. 135 Nr. 43; 272 Nr. 6; 322 Nr. 87; 374 Nr. 88; (vgl. fchlagen); (= anllopfen) 339 Nr. 4.

Klopfiof 281.

Klüngel 5.

fmallen tr. 175 Nr. 1.

fnäueln 321 Nr. 82

fmeifen: Einem (oder Einen) in den Arm 342 Nr. 22,

Inien (fih) 104 Pr. 4.

Knopf 204 Nr. 7.

Mnorrig 175 Nr. 14.

Knute 5.

Kofferhen, Köfferhen 98 Nr. 5.

Koblmann 431 Wr. 1.

Köllle)n, köllſch 5.

Kommentel (?) 141.

Komparateion, =iv, f. Steigerung, Pofitiv, 1.

vgl. auch Berneinung 245 Nr. 1

488

König 419; :in 272 Rr. 8.

Konjunktiv 37; 112 Nr. 2; 237/8 Nr. 29; 343 Nr. 8; ſ. auch abbäng. Rebe; als ob xc.

Konjunktiv des Imperf. (f. d. und fterben) 334,5

| tönnen 31 Rr. 5; 113 Rr. 9

7 Konventitel m., n. 330 8* 140.

Kortmännlein 206 Nr. 17.

Koftgänger und Fortbildungen sei f., iſch a., mn intr., :ichaft f., tum n, 34 Nr. 16.

Krabbel f. Kribbel. Krach 847 Nr. 7.

Krad 5.

Kragen pl. 127 Nr. 7. trakelig 129 Nr. 18. Kramerin 322 Nr. 84. frampfen 221 Wr. 4 St. 19. T frebitorifch 153 Nr. 6. treifchen 4.

Kribbel-Krabbel m., n. 427 Nr. n., c. fricit) 249 Mr. 26.

triegen 338 Nr. 8.

friefhen 4.

Krigelbuhftabe 295 Nr. 2. Krrt Jes! 255 Nr. 68.

Krümen 5. Kuddelmuddel 135 Nr. 44

Kudud 344 Nr. 16. Kugel 60; -Negen 42d. fugeln 343 Nr. 9.

Kur-⸗, Kür- (?) für 92 Nr, 18.

kuräßig, furen, türen 410.

tu: an der Zeit fein 206 Wr. 16.

Iſolde Kurz, Schuſter und Schneider 304 ff.

tuicheln 434 Nr. 2.

Aufstih, küſslich 370 Nr. 167.

Lächeln 165 Nr. 85 (f. grinfen).

Lacher m. das Faden 433 Wr. 16.

Lachnote 251 Nr. 38.

Lami 77.

Sand: ———— 323 Nr. 98. —pomeranze 309/10 Nr. 44;

und Landesgefihter 92 Rt. 9;

Straße (f. auf) 91 Nr. 7. rn Dr. 4., Einige Bemerkungen 377

gandespforte 420.

lang 23 Nr. 2.

Laps 167 Nr. 104.

lafien 176 Nr. 24; 210 Nr. 36; 321 Nr. 79 (du Tafit R. tafi 433 Nr. 7.)

laften 220 Nr. 2, Str. 7

Laubenbanf 373 Nr.

Lauberhütte 4.

laufſen (aufs Eiſen) 348 Nr. 18.

lauter 166 Nr, 94

Prof. Lazarus, Botenbrot xc. 151. lebend, lebendig 338 Nr. 8. Lebenä(eriweder 261 Nr. 38. lebensmüde 323 Nr. 96. Lebensiprub 371 Nr. 171.

Leder: Jemandem and gehen 107 Rr. 4. Lederer (f. &ärber) 103.

Leibe: zur geben 5.

leid (Komparativ) 334 Wr. 1. Leinwandheld 312 Nr. 61.

lenfen 220 Nr. 1, Nr. 4, Lerchenjubel 251 Nr. 38.

489

Mein (f. Mahn) 141.

Menih 328 Nr. 29. Menicbentbum 134 Nr. 49.

' Mertmünze 251 Nr. 38,

Mertö m., n. 33 Nr. 12. mertwürdig 295 Wr. 6. Minder f. 213 Nr. 15. Minifter 59.

' Mifslaut 152 Nr. 1.

mit 234 Nr. 11; 355 Wr. 11.

' Monatönamen 61.

lernen mit Infin. (mit oter ohne „zu“) |

104 Wr. 5; 372 Nr. 178. Leifing: Einige Zeilen von 335 338. lett 220 Nr. 3, (f. Orbnungszabl). der Letzte 216 Nr. 39. leugnen 438 Wr. 17.

Lichtaufnahme 294 Nr. 1. Lichterweibhen 435 Nr. 10. lihtiheinig 433 Nr. 14.

Liebe pl. 174 Wr. 9.

Lied 340/1 Nr. 4.

liegen 207 Nr. 21.

Friedrich Lift (i. Solinger) 383 fi. Löchlein, Loch ꝛc. 140,

Lohn 394 Nr. 8.

Dr. Georg Löſche, Matheſius 138 ff. Iucanifieren 190.

Lüde 239 Nr. 31.

Luder 98.

Lug f. 434 Nr. 7.

lügen von Etwas 322 Nr. 85. Lumpacivagabunderei 126 Nr. 4.

in (im Reime auf n) 268/4 Wr. 48.

machen 167 Nr. 102; 295 Nr. 5.

mädtig 278 Nr. 3.

Magdtbum 344 Nr. 14.

Magifter 59.

Magyarismus 377.

Mabizeit (ſ. gefegnete) 162 Nr. 73.

Mahn, Main (f. Meineid) 141.

mäbnenumflutbet 418.

man 115 Wr. 13; 254 Nr. 56; 273 Nr. 21.

Mandel Getreidehode 116 Nr. 118.

männlich 326 Nr. 118.

mär 102.

Märchen 256.

Marizzebill 5.

Maft m, (pl.) 275 Wr. 81.

Job. Matheſius 138 fi.

Medeafalte 208 Wr. 28.

Mond 61; blinlend 207 Nr. 53. Monolog 407 n.

Mörtel (j. Kitt) 419.

mupdelfauber 377,

Muhme 100 (vgl. Nichte).

Müller, Karl in Roſtock 203. Mumpig 435 Nr. 10. muſchlig 185 Nr. 49. Mufitmadher 322 Nr. 86.

müffen 302.

Muttererde 163 Nr. 74.

| Muttergotted = Lämpdhen, Münze 251 Nr. 38.

n (ald Reim auf m) 263/4 Nr. 48. Näbiger 432 Nr. 5. nachbeißen 175/6 Nr. 18.

nachbenutzen 263 Nr. 47.

Nahbildungen nahahmen (?) 194 Nr. 8,

nachdenkliche Prife (i. attribut. Eigenſchafts⸗ wort) 250 Nr. 34.

nachgrübeln 275 Nr. 31.

nachtlappende Sattheile 134 Nr. 37. Nachſatz (f. fo; Pufier) 405 c. nachſchicken 276 Nr. 35. nachſchnurren 329 Nr. 137. nachſinnen 275 Nr. 31. nachtnächt⸗ig, -lich 419/20. nachtwandeln 312/3 Wr. 60.

Nafe 432 Nr. 8.

| Nafenloh 128 Nr. 15, f. Nüfter.

nebelgrau 323 Nr. 100; 418.

Nebeihülle 419. ' Mebeltappe 345 Nr. 20.

mebdiales Particip 36 Nr. 22; 171 Nr.25; |

172 Nr. 28.

mebr 23 Nr. 4; 423, (überjhüffig); 102 (fiebenbürgifch).

Mehrzahl ſ. Einzahl, auh: von Ab» ſtralten 223 Nr. 9, Str. 55; 391/2.

Nedfreund 106 Nr. 3.

Neffe 99.

nehmen: Einflufs (f. d.) 117/8 Nr. 22; zwei Stufen auf einmal 124 Nr. 14.

Neivhbammel 137 Nr. 56.

neid:ig, =ifh 322 Nr. 92.

Neftvogel 373 Nr. 20.

neubungernd 220 Nr. 2, Str. 7.

Neutrum 108 Nr. 1; 125 Nr. 1; 309 Nr. 9.

nicht (vgl. Berneinung; kein; Pleonasmus; Stellung; ſowohl, vielmehr) 30 Nr. 3; 78; 93H Nr. 18; 122 Nr.4; 180 Nr. 28;

152 Nr. 3; 194 Nr. 6; 309 Nr. 39; |

315 Nr. 72. Nichte 100 (vgl. Mubme). Nichtigkeiten 243 Nr. 18. Nicht als (oder wie) 242 Nr. 3. niebderblingen 418. niedermallen tr. 175 Nr. 11. niederpafien 329/30 Nr. 138. niederträhtig 99; 100. niemand (Anderer, Niemand anders) 127/8

Nr. 11; 207 Nr. 19. nimmer 322/3 Wr. 90; 484. mis (bei Heine) 4. Nominativ (f. Accujativ). Nonnenfürzchen 6. Noth pl. 322 Nr. 9. nu 165 Nr. 91. nüchtern) 249 Nr. 37. Nüde 5. T Nugget 77. Numerus 113 Nr. 8. Nüftern (f. Naſenlöcher) 118 Nr. 15.

0 de Noel 150; 189.

oberfeeiih 107 Nr. 5.

DOberungar[: Wein) 261 Nr. 36

Objekt (Stellung) 135 Wr. 48; 424i.

oblıegen 30 Nr. 4; 265 Wr. 1.

Oboer 395 Nr. 12.

Öden tr. 422.

Odyſſeus 258; see ſ. Echaidenreifjer 50 ff.

Oheim, Obm if. Neffe, Ontel) 99; 273 Nr. 17.

obne 194 Nr. 6; 235 Nr. 17.

olivenblais 249 Nr. 23; 251 Wr. 38.

Freiberr v. Omptedn 424.

Ontel f. Obeim.

Ordnungszablen 221 Nr 183.

orgelbaft 321 Nr. 80.

Ortmann, Schatten der Vergangenheit 475 ff.

Oftern 24 Nr. 9.

Dtter m., f.; :in 234 Nr. 13.

paff 254 Nr. 59,

T Paino 246 Nr. 16.

7 Ban: 101 (ij. Alldeutihland :c.)

Papageienlippen 324 Wr. 106.

papierfteif 250 Nr. 88. |

Parentbefe 235 Nr. 16.

Particip, f. abfolutes ; mediales; dem Ju= | finittv (f. d.) gleichlautendes xc.; mebrere —ia der Gegenwart neben einander 122 Nr. 3; 177 Nr. 20; 435 Nr. 18,

pafchelr)n, Paſcher 325 Nr. 109.

pafjen 207 Nr. 21.

Paifiv 117 Nr, 20.

Pathe, Pathin 9g.

BPatricier 92 Nr. 10.

patfchelig 434 Nr. 4. |

490

patzig 311 Nr. 50.

Perſer (Teppich) 434 Nr. 3.

Perſon: Vermiſchung der erflen und der dritten 118 Wr. 24.

perfönlihe Fürwörter der fogenannten 3. Perſon; abbängig v. Präpof. 90 Nr. 2, f. er zc.; falfh gebrauchte 232 Nr. 2; irreleitende 893 Nr. 2.

Pfanne 98 Nr. 7.

Pflegihaft 295 Nr. 4.

Pflihtteufel 328/9 Nr. 133.

Piorte 420.

+ Phlogiſton m, n. 154 Nr. 9.

, 7 Pbotogreamm, :apbie c. 294 Wr. 1.

7 Piftol n., =e f. 123 Nr. 11.

Bitter (Peter) 5. ' Plan 215 Nr. 36; (plur.) 406e. plang! 255 Wr. 67.

Blaten (Auguft v.) 291/2.

Pleonasmus (f. fein, nicht, beforgt, uns beforgt, warnen xc.).

plünftig, Plunzen 1401.

Plusquamperfett ſ. Imperfekt.

Pomeranze 309/10 Nr. 44.

Portrait x. 2.

Poftillon j. Schwager.

\ Pott 5. ' Präpofitionen, ſ.

die einzelnen und: Zufammenftoß; mit Genit. und Dativ 297/8 Nr. 13/4; f. aub Würze 312 Nr. 58.

Präiens f. Imperfelt.

prejien 221 Nr. 4, Wr. 18.

Preuß x. 252 Nr. 46.

T Privatdeteltiv 294 Nr. 2.

Proceſs Hammerftein 190.

Pronomen (Fürmwort, ſ. perfünliche, beſitz— anzeigende, bezügliche ac.

| Proia: j. gewöhnliche Rede.

Prutz, Hans, Feitrede 21 fi.; 393.

Publitum (pl.) 392/38.

Buffer, 405 i. „ſo“, Nachſatz, Zufammenftoß.

PBumps»Staten, »Stange, :Stod 310 Nr. 44.

Buppen: bis in die Puppen 412 ff.

Purzel 129 Nr. 21.

puſten 129 Wr. 16.

Quiden 5.

MR 127 Nr. 5.

radeln, Had:reiten, Reiter, Ritt 391. Rams, Ramsau 433 Nr. 9. rafcheftend 210 Nr. 33.

raipeln (Süßholz) 309 Nr. 44.

rauchumwallt 255 Nr. 69. | recht (vgl. ganz) 162 Nr. 72; —er Winkel

337 Nr. 6. Nede 338 Nr. 3; 339 Nr. 4.

Nede, ſ. abhängige (indirekte), gehobene, gewöhnliche.

reden: Jemand geſcheit 323 Nr. 131.

Nefleriva 123 Nr. 8 (f. Dativ; fi).

regen und bewegen (fi) 126 Nr. 3; 169 Nr. 17.

Regenpieiter 351/2.

F Regiment 402.

Reichweite 255 Wr. 69.

Meime 3*; 104 Nr. 2; 126 Nr. 3; 129

491

Nr. 17; 218 Nr. I; 220 Nr. 2; 370 | ' Schlagen, ſ. amichlagen; Hopien; umlaut=

Nr. 164. Relativ ꝛc., 5. Beziehungsfäte; bezüglich; Stellung; und 64; 111; 194 Wr. 7;

274 Nr. 30; 325 Nr. 1; 429 Ne. n.,i. | ſchleifen 272 Nr. 10.

F. Reuleaux, Entwidlung des Ausftels lungsmeiens 346 ; Die Halligen 415 ; 440.

Ninne: auf des Teufels wohnen 146 bis 148.

A. Baron von Roberts, Novellen 241 ff.

Romangebiet 247 Nr. 21.

Dr. Rofenbaum, Rich, zwei Briefe 144 ff.; Schwager Poftillon 471.

Rod 271 Nr. 5.

roth werden (f. erröthen) 109/10.

rotbbeboft 255 Nr. 69.

rüdbezüglid refleriv, ſ. fid.

Rüdwärtseiferfuht 242 Nr. 3.

ruddeln 5.

rufen nad ıc. 376 Nr. 194.

Aubm(ge)rede, Huhmredigteit 326 Nr. 117.

fäbeln 420.

ſächliches Geſchlecht, ſ. Neutrum.

ſächſiſcher Genitiv (f. d.).

Sabling 416.

Saite 312 Nr. 59.

+ Salve 151.

Sammelnamen 435/6 Nr. 2.

Sammlerei 155 Wr. 3.

jämmtlid 196 Wr. 16; 337 Wr. 4.

Sanders, Alerander, Ida, Sopbie 201.

Sandwehe 300.

fargen 239 Nr. 38.

Sattellappe 419.

Sapjiebler 406 f.

Sapfügung, vgl. Anatolnth.

Sapzeihnung 235 Nr. 16.

fauer (macht luftig) 7.

Saufer 433 Nr. 17.

Scepter m., n. 4.

Schaidenreiffer, i. Odvijee 50 ff.

ihämig 132 Nr. 32.

Schattenſchleier 420.

Schätungen, abihäten 394 Nr. 4.

ihaudern 112 Nr. 3.

ihauern 372 Nr. 177.

idaumgebaden 168 Wr. 108.

Schauſpielhaus 170 Nr. 121 ftatt im).

(am —,

m

Sceffelfalzverwandtichaft 173. fcheinen 293/4.

ſchiech 433 Nr. 10.

ſchief 137 Nr. 52. Schild 299.

Schilf m., n. 378 Nr. 192. ſchlabbrig 5.

Schlacht 92 Nr. 16. Schlafhaube 322 Nr. 84. ſchlaſmüde 313 Nr. 60. ſchlafwandeln 313 Wr. 60,

loſe Formen. Schlangensblut, stödter 339/40 Nr. 4. Schleier und Zufammenf. 420.

Paul Schlenther, Theater und Reichs: bauptftadt 191 ff.

ihleudern 420.

Shlummerftil 310 Nr. 48.

ſchlupfen, ſchlüpfen 369 Nr. 162.

ihmarogen 271 Nr. 2.

ihineiheln 211 Nr. 45; 251 Nr. 41.

fhmerzen 311 Nr. 54.

ſchmuckeln 5.

Schnee-gewind, ⸗ſchild, =mwebete 300.

Schnelle, Samuel 202.

Schneider (vgl. Schuiter) x. 305 Nr. 6.

Schnörtelihrift 295 Nr. 8.

Schnürleib (Geflecht) 4.

Dr. Herman Schrader, Sauer macht luftig 7; gäng und gebe 8; unausrott- bare Unrictigleiten der Sprade 58 ff.; Antwort auf einen Brief von Dr. 9. Wagquer 179; Aus dem Wundergarten der beutfhen Sprache 224; Wie gebt’s ? 361 ff.; kieſätig 408 fi.;: Das Nlter 464 ff.

Schrägitahl 251 Nr. 38.

Schraubenzieber 1.

ihreden und Bulammenf. Abwandlung) 436 Nr. 4.

fhredig 109 Nr. 10.

⸗wächt, ⸗webe,

ſchroten 420. ſchrubben 5. ſchrumpfen 207 Nr. 20.

Schulter: die lalte zeigen 154 Nr. 1.

ſchulterſchwach 396 Nr. 18.

ihummerig 97 Nr. 1; 107 Nr.

Ihucb)riegeln 325 Nr. 8.

Schuſter, =tbum ıc. 305 Nr. 6; 851; 389; l. Schneider.

Schüttelfroft 24 Nr. 11.

ſchütteln 205 Nr. 9. ' fhütten (intr.) 254 Nr. 58. ' Schwager (Boftillon) 471, f. Roſenbaum.

fhwären 344 Nr. 12. ſchwärmen, Schwärmerl(ei) 20. ein Schweinerne® 108 Nr. 2.

Schweiß 339 Nr. 4.

ſchweningern 175 Rr. 16.

fhwerblütbig 370 Nr. 165.

ſechs, ſechzehn ac. 217.

Seelenvertäufer 255 Nr. 69.

Seemannswörter 415.

Seien, (Joſephe ac.) 5.

feben, ſ. fiebit du.

jehnen 432 Nr. 7.

ſehr 249 Nr. 29.

ſei es. . ſei es ... x. 76

fein (beſitzanzeigendes Fürwort), vgl. deſſen; ihr; Zweideutiglkeit 767;3 112 Nr. 4; 167 Nr. 100; 355 Nr. 12; 395/6 Nr. 14; 437 Nr. 11.

fein (Zeitw.), ſ. Gegenfak werben 272 Nr. 13.

Selt, Seltierergeift 168 Nr. 110. Selbft:Auigabe 22 Nr. 2; ⸗-Freude 265 Nr. 56; »Zurüdiegung 175 Nr. 17. felig 245 Nr. 9. |

fell (dafelbft) 432 Nr. 4.

jempern und Fortbildung 126 Nr. 2.

fennen 433 Nr. 12,

AL rüdbezüglih) 117 Nr. 21; 128 r. 8

Sichelſchnitt 420. |

fie (Zuſammenſtoß zweier —) 162 Nr. 72.

fiebenbürgiiched Deutſch 102. |

fieden 130 Nr. 24. |

fiebft du? 169 Nr. 14.

filbergeadlert 418.

filbrig 432.

Simcher (?) 144. |

fingen (unperfönlih) 104 Nr. 7; (unpers ſönlich rüdbezüglib) 327 Nr. 121; (zie— lendes Zeitw., mit Angabe der Wirkung) 327 Nr. 124; fih beraus fingen 827 Nr. 121.

finngemäße Fügung (f. d.)

Sittah (indiſch) 261 Nr, 35.

figen 207 Nr. 21; im ©. 273 Nr. 16; es ſitzt fih qut 827 Nr. 12.

fo 164/5 Wr. 84; 196/7; 406.

folh 115 Nr. 13; 249 Nr. 21.

Soldat 405. d.

Rudolf Solinger, Friedr. Lift 383.

follen 314 Nr. 70.

fondern (Bindem.) 36 Nr. 23; 304 Nr. 1; 893 Nr. 8.

+ Sonntagsparadeur 207 Nr. 18.

Sophaboder 369 Nr. 158.

forgenbar 418 (j. »bar).

fowohl 30 Nr. 3.

fparen auf... 341 Wr. 5.

Sparte 377.

Spedler (?) 144.

fpeeren 420.

Speifeln)tarte 77.

Spendehand 418.

492

Spieler 486 Nr. 6. Spieljubel 251 Nr. 38, Spielontel 325. 112. Spitel 295.

fplittern 251 Nr. 39. Sporn 370 Nr. 165. Spreite 348 Nr. 13. Stachel 275 Nr. 32. ftalig 5.

Stammelei 314 Nr. 68. Stammelgebet 247 Rt. 21.

ſtark, fid maden 61. Starrblid 247.

ftieden 251 Wr. 39.

Stehaufinänndhen 255 Nr. 69.

fteblen 35 Nr. 20.

Steifleinentbun 193/4 Nr. 4.

fteigern 23/4 (j. mehr); gefteigert(er) wer: den 119 Wr. 17.

Steigerung (Komparation) 397 Nr. 22, f. unliug.

Stellung (if. Accufativ, Dativ, Genitiv,

Nominativ; Hilfdzeitwörter; Inverſion; auch; genug; Relativſatz; Wortſtellung 23 Nr. 3; 36 Nr. 25; 111; 112 Nr. 4; 138 Nr. 65; 1745 Mr. 10; 2078 Nr. 22 u. 26; 210 Nr.35; 211 Nr. 47; 214 Nr. 26; 232 Nr. 2; 253 Wr. 54: 278 Nr. 3; 355 Wr. 13 u. 14; 373 Nr. 184; 424/5i; 426m; 475 Nr. 3 (I. eıft); 480 Nr. 2

| Staatsielr. Dr. Heint. v. Stephan, Eine

Rede 10—12; deisgleihen 41 fi; (408 ff. f. tiefätig).

fterben (Konj. Impf) 334/6.

Sterbe:juht, flüchtig 326 Nr. 114.

Sterbenston 313 Nr. 63.

Steuerfhraubenzieber 167 Wr. 103.

Dr. 5. Stidelberger, „Segenfinn” 98 bis 100; Ein Brief 149/150; Berich— tigung 231.

Stiefmütter (im deutihen Märden) 258.

fill und ftumm 328 Wr. 132.

' ftören (im Schlaf) 117 Nr. 19, vgl. den

Schlaf hindern.

! ftoven 5.

firaffen 221 Nr. 3, Str. 16. ftrahlen tr. 213 Wr. 11. ftrampeln 295 Nr. 9. Strandwald 251 Nr. 38.

' Straßburg: Woetbe (ſ. d.) 230/1. Straße 91 Nr. 7 (f. auf).

fträuben 311 Nr. 54.

' Strebung 211 Nr. 42.

Stredfuf, A., Aus dunkler Zeit 121 —125. ftreiten: fi fett 374 Nr. 186. Stridwuth 296 Nr. 10.

Strobmian 4.

Strumpf 323 Nr, 101.

' Student 252 Nr. 47.

Sturmesfurde 418.

fubftantiviihe Infinitive in der Mehrzahl 113 Nr. 8.

iummen: und furren 164 Nr. 33.

fündigen 420.

Superlatio: Nr. 3; 210 Nr. 36.

ſurr! 138 Nr. 80; —en: f. fummen.

Süßbolz rafpeln 309 Nr. 44.

Sylvn, Carmen, Peleihmärden 104 ff.

tagtäglich (f. nachtnächtlich) 419/20

Talent 79/80.

tapfen, tappen 249/50 Nr. 80.

täticheln 295 Nr. 91.

Zauben-Einfalt, »MWeisheit 330 Nr. 140. Taugenichtsläceln 255 Nr. 69.

taumeln 433 Nr. 18.

Zemme, Ein Erbprinz; 90-93. Tempeltitt 419.

Teufel: auf deg —s Rinne wohnen 146 ff;

148; —8eBeug 244 Nr. 3 tbauen tr. 223 Nr. 13. Thor n. 58. Thränen-Nefervoir, Behälter,

⸗Urne 161 Nr. 68; thum: 328 Nr. 126. tief: —glüdlih 213 Nr. 10. Tiſch⸗llopfen, »rüden 274 Nr. 27. tobt 309 Nr. 42. toll 126 Nr. 3; 254 Nr. 65. Torf-@räber, «Meifter 421.

Trab 223 Nr. 9, Str. 38, Zragband 255 Wr. 69. Trage 252 Nr. 48.

Träger 220 Nr. 3.

Traghotte 252 Nr. 48. 422 d.

Traumnatur 247 Nr. 21. traummandeln 313 Nr. 60. Treck 421.

gg hinter fib 330 Nr. 88.

K. Trinius, Auf der Landſtraße 23 ff. trinthaft 372 Nr. 176.

Anfang jambiſcher Verſe 344

—8 Trojan, Zum Winter 1870 227,8. tropfen) 345 Nr. 21. tropfen 213 Nr. 13.

Duelle, :blind 304 Nr. 5.

493

' über (Präpof. mit Dat. oder Accuſ.) ſ.

brüten; Wache balten; wachen; walten ⁊c. Überanftrengen 154 Nr. 10; 427 Nr. n., d.

Überbrängen 174 Nr. 10.

f. Steigerung, auch d. 203

Überflüffiged 232 Nr. 5. übergeben 239 Nr. 36.

' überlorrigieren 217 Nr. 51.

| überwerfen 214 Nr.

überlaufen 336 Nr. 2.

überfhauern 332 Nr. 152. überfchlagen (fib) 241. Überfteigerung 347 Nr. 7.

überweben 223 Nr. 12 Str. 69. 24; 217 Nr. 46; 348 Nr. 16.

| überziehen 141.

und 409; Um und Auf 433 Nr. 16.

umdämmern 248 Nr. 5.

umdrechſeln 248 Nr. 5.

' umfalten- 217 Nr. 44.

umfilgen 432 Nr. 3. umflimmern 247 Nr. 21. umfloren 418.

umfluthen 418. umfluttern 5.

umgeben 160 Nr. 70.

' umglänzen 247 Nr. 21. ' umbängen 321 Nr. 80.

umberflattern 138 Nr. 64. umberihwimmen 309 Nr. 43. umfllirren 419.

umflnattern 253 Rr. 51.

umkneten 243.

Formen 869 Nr. 162; 434 Mr.

302.

umſchleudern 420.

umſchranken 213 Nr. 12; 216 Wr. 87. Umftellung f. Inverfion.

ummärmen 168 Nr. 109.

ummöllen 252 Nr. 42.

umzieren 21 Wr. 45..

umzwitſchern 295 Nr. 7.

unbeadtet 71 Nr. 1.

unbegofien 168 Rr. 110,

troß (Präpoi. mit Genit. oder Dativ) 298 |

Nr. 14. Trotzfalte 251 Nr. 88. trumm! 254 Nr. 59. Prof. Fürd in Roftod 202. tugendbernäntelt 209 Nr. 28.

u (ftatt a) im Impf. ftarfformiger Zeit- wörter bei Heine 4.

: umnbeiorgt, dafd (nicht) 374 Nr. 186; f. beforgen u. Pleonasmus.

unbeftritten 346 Nr. 1.

und 173 Nr. 1, (f. zufammengezogene Sätze, vgl. auch Nelativfäke).

unerledigt 272 Nr. 12.

unerfchaflen 4.

Unerfhöpflichkeit der Zufammenfegungen u. im Deutſchen 34 Nr. 16

Unferigteit 273 Nr. 15.

unfrob 312 Nr. 59; 331 Nr. 148. Ungar[wein] 261 Mr. 36. ungefreut 108 Nr. 7.

ungelebt 304 Nr. 2.

Ungerübrtbeit 161 Nr. 68.

ungeicliffen 272 Nr. 10.

ungeftün a., Ungeftlüm m. ıc. 311 Nr. 56. unbeimlih 97 Ar. 1.

+ Uniform 271 Pr. 4.

unflug (Steigerung) 397 Nr. 22.

unfund (al$ Beiwort) 153 Mr. 5. unmüthig 432 Nr. 6,

unperfönlihe Zeitwörter, vgl. es.

Unrebt 92 Nr. 18 (f. fein).

unfelig 1489.

unſer (pron. poss. 283 Wr. 6.

unter (abv.) = untergelunten 303/4 Nr. 4. | unterfriegen 130 Nr. 21. | Unterkunft (pl.) 354/56 Wr. 10. unterliegen 251 Nr. 39. e | unterofficierlih 92 Nr. 14. | untericheiden fib von... vor 701. untertagd 326 Nr. 119.

untertreten 204 Nr. 6. Unmwegiamteit 254 Nr. 62. | Urfaat 193 Nr. 6.

Uz, Joh. Peter 281; 292, f. Düſel.

T Bagabundenthbum x. 271 Nr. 2. verbreben 128 Nr. 13,

verbreiten 221 Nr. 4. Str. 16. verbauen 324 Nr. 106.

verderben 3383 Wr. 2.

ſich verbeutichen 279 Nr. 5. veredeln 174 Nr. 6; 372 Nr. 156. vereifern (ihwäb.) 109 Wr. 9. vereifen intr, (fein) 171 Nr. 126. Berfahren pl. 118 Nr. 8.

verfetten 175 Nr. 13.

verfliegen 138 Nr. 14.

verfüttern 238 Nr. 383.

vergäbnen 324 Nr. 102. vergleihendes „als“ (f. d.) 438 Nr. 14. | Bergnügtbeit 170 Nr. 123.

vergrößern: vergrößert(er) werben 117 | Nr. 19. verballen: und verfallen 161 Wr. 71.

verhängnistief 255 Nr. 69. verbarfchen v./n,. u. v./a,. 264 Nr. 49, erhoffen 439 Nr. 22. verfleinftädteln 264 Nr. 52. Verlörperlihung 167 Nr. 106. verkürzt: nicht ganz richtig —er Sab 324 Nr. 104. Berlegenbeitäthier 127 Nr. 10. verlieren fih an 368 Nr. 157. Berlöbnis 121 Nr. 13 (Verlobung). verlöicen intr, 435 Nr. 9. verlottern 324 Nr. 104. vermebren, vermebrtier) werben 113 Nr. 9. | vernarben intr. u. tr, 264 Wr. 4a. Vernebmlaffung 438 Nr, 16. Berneinung (doppelte, überſchüſſige, f. nicht) | 236 Nr. 22; 327 Nr. 128; 438 Nr. 17; |

494

eines vermindernden, eines fteigernden Komparativs 245 Wr. 11. verreilen 397 Nr. 20, Berrüdtbeit 134 Wr. 41. verfallen ſ. verhallen. verfchärfen, veribärftier) werden 117 Nr. 19. verichlürfen 325 Nr. 113. fih verſchwimmen 194 Nr. 5. verfingen 328 Nr. 27. verfinnen fib in 874 Nr. 185. Rerionnenbeit 374 Nr. 185.

verſihen 169 Nr. 118.

Berionnenbeit f. verfinnen.

verforgen 17 Pr. 1. ' veripinnen fih 323 Nr. 100.

veriprecben (Komparat.) 217 Nr. 49. in verftärft(er)em Grabe 117 Nr. 19. verfteben 264 Nr. öl.

Berftrid n. 223 Nr. 11 Str. 65. vertändeln 328 Wr.

verträumen fib 330 Nr. 141. Bertrauter 295 Wr. 2.

| verumedeln 174 Nr. 6.

verwandern 328 Nr. 127.

| verwildeir)n 368 Nr. 155.

verwirrt 91 Wr. 5. verwunichen 369 Nr. 162. verzagen intr, (haben, jein) 261 Nr. 37.

verzechen 421.

verzweifeln intr. (haben, fein) 261 Wr. 33. Vetter 273 Nr. 17.

vielmehr 30 Nr. 8.

Biertelvetter 173 Nr. 5.

viertſtark 395 Nr. 13.

Villingen, Hermine, Eine Gemitternacht 108 fi.

Vollblut x. 242 Rr. 2.

Volldeutſchland 101.

vollends 9218.

| Bollglutb 255 Nr. 69.

völlig 92/8.

Bolltriumpb 244 Nr. 5.

von 35 NT.20; 154 Nr. 2; 427 Rr.n.,b; 436 Nr. 5.

' Borgang 170 Nr. 120.

vorbabend 36 Wer. 22.

vorher 437 Nr. 8. im PVorbinein 266 Wr. 1.

vorboffen 438 Nr. 22. vorhuſchen 21 Nr. 6. Borleiung 59.

' Borliebe gegen (ftatt für) 436 Nr. 3. vormachen 130 Wr. 23.

vorneigen 223/4 Wr. 14. vorſchrifts mäßig, -widrig 196 Nr. 15. Vorwit 369 Nr. 161.

' Bormwurf 345 Nr. 17 (i. Anwurf), —Sftoff

161 Nr. 69. vorziehen als (ſ. d.) 437 Nr. 10. Bohr, Job. Heinr., Homerüberfegung 51 fi.

A. W., Pfarrer 17— 19,

Wache halten, wachen über (f. d.) 130 Nr. 27; 488 Nr. 18.

wachfen, f. fi fträuben 311 Nr. 54.

Wächt ıc. 300.

mwafjenftar! 23 Nr. 3; Waffentönig 419; Baffnung 23 Nr. 3.

Oberlebrer Dr. Wagner in Kolmar, Ein Brief 150,1.

X gedanle 247 Nr. 21.

während (präp. mit Dativ) 5; Nr, 8.

Baiientnabe 134 Nr. 36.

Wal f. 421; Walmaid 433 Nr. 10.

Walm 912 Nr. 8.

malten über (f. d.) 245 Nr. 1.

wälzen intr. 254 Nr. 60.

Wanderbut 418,

Warnemünde, Erinnerungen 201 ff.

warum (vgl. worum) 311 Nr. 58.

was 113 Nr. 7; 195 Wr. 12; 428g.

Wafjerwind 326 Nr. 116.

Wechte f. 300.

Wedelzimmer 142.

Wegegrund 255 Nr. 69.

wegen (präp.) 104; 209 Wr. 32; Nr. 13.

wegſchmeicheln 322 Nr. 85.

* werfen 337 Nr. 1.

Eigenſchaftsw. 356 Nr. 16.

Wehete f . 300,

Weib 339/ 40 Nr. 4.

Weib 421.

Weihrauh 396 Nr. 15.

weiten 421.

welch ıc. 79; 115/6 Nr. 17; 273 Nr. 22; 379 Nr. 19; 428g.

Welle, —nlos 271 Nr. 3.

Welt 106 Nr. 4.

wenig 153 Nr. 8; 196/7 Nr. 18; 423 f.; 4294.

mer (f. 108 Wr. 6; Nr. 12; (f. weis, weilen) 5 Nr. 34; 249 Nr. 24.

werden [vgl. (geworden, fein, er: 109/10 Nr. 1); 212 Nr. 4; 272 Nr. 131; 369 Nr. 162; 421; 430 Nr. n., n.

werfen über eli., fieben x. 143.

Werlel 204 Nr. 2.

weiß, mwejlen 238 Wr. 34; 249 Nr. 24.

wider (vgl. wieder).

MWiderborftigteit 211.

wie (vgl. als) 24 Nr, 12; 91 Wr. 4; 195 Nr. 12; 213 Nr. 16; 242 Nr. 3; 318 Nr. 60; 858 Ar. 1 u. 2.

wiederblinten 212 Nr. 1.

—— (zu vermeidende) 114 Nr. 10;

244

Wiggers, Prof. Aulius, u, Rechtsanwalt Moritz 202.

495

Moritz Wilbrandt, Prof. in Roftod 202.

Wilbrandt, Adolf, Beifter und Menſchen 201 ff; 271 ff; 309 ff; 321 ff.: 368 Fi.

N Schweſterſeele 125 fi.; 161 ff.

Wildbaar 252 Nr. 42; 255 Nr. 69.

Wildwuchs 356 Nr. 16.

williahrſt)en 223 Nr. 14 Str. 77; 425 6k.

®immerlaut 255 Wr. 69.

Wimperbang 223.

MWind:webe, ⸗wehe ıc. 300. Winkel: rechter 337 Rr. 5. Wintertrollen 142,8.

' wippen 166 Nr. 92. ' wir 115 Wr. 18; 115 Rr.16; 244 Nr. 6.

Möcnerinnenunterftütungsverein ꝛc. 209 Nr. 29

' Wodan f. Wute, wohlgedient 171 Nr. 8.

wölben: —d 171 Pr.

mwölben ıc. molfenmweit 261 Nr. 41. wollen 234 Nr. 9; 888b; 430 Nr. n., m. Wolm (j. Walm) 91/2 Nr. 8.

125, vgl. empor:

woraus (f. daraus) 244 Nr. 7.

297 |

Rortftellung ıf. Stellung) 195 Nr. 12 x.

' worum f. warım 311 Nr. 53.

'

Wupp 238 Rr. 31.

Würze ın (mit Accuſ. Nr. 58.

Wurzelmann 129 Nr. 21.

oder Dativ) 312

Wute 432 Nr. 2; 433 Wr. 10.

bi 115 Nr. 15. ähn: Die auf einander beißen 167 Nr. 106. Zämer ($emer, Ziemer, Zimmer) 142. Bappeliriit 295 Nr. 3. Zauberblut 346 Nr. 21.

| zechen 421. Zeck 438 Nr. 17. (f. waß) 195 |

Beh m. 4.

Beichengeld 196 Nr. 16. Zeichner 421.

Zemer f. Zämer.

zerquetfchen intr. 330 Nr. 144. zerreinen 420.

zerfchlittern 254 Nr. 64. zerichroten 420,

ı Zeug (chweiz.) 98.

zeugenfhaftlih 118 Nr. 28. Zeugma 252 Nr. 41; 253 Wr. 49. Zeugs 168 Nr. 112. ziehen 339 Nr, 4; 343 Mr. (f. anziehen). Biemer m., n. 142 (i. Zämer). Biffer 115 Nr. 15. Zillgenz (j. Heine) 1 Bippel (Berionennamen) 5. Zirbenwurzel 482 Wr. 3.

8; 372 Wr. 74

4%

zu a. dem Infinitiv,

füftern).

Zuder:Bäderei 243 Wr. Nr. 66.

zuflüftern mit Infin. und „zu“ 872 Nr. 173.

zufrieden 331 Nr. 153; 3—beit (pl.) 228 Nr. 10.

Züg f. Zeu

Nr. 181.

5; Hut 255

lenſch, Muſiklant, zungenbrechend 324 Nr. 104. zurüd: -beben 314 Nr. 69; Nr. 10; -fchreden 354 Nr. 7 ; 436 Nr. 4; :finnen (fi) 330 Nr. 45. zufammen (bei [f. d.] einander) 335 Nr. 2. Bufammenfaffung (ſ. Zeugma, Zufammen- ziebung, fein, und) 212 Nr. 5; 216 Nr. 40; 332/83; 376 Nr. 195. aufammengezogene Säße 173 Nr. 1, f. und. zufammen=bufceln, -kuſcheln 434 Nr. 2. zufammen=fhreden 246 Nr. 17.

:er) 373

Bufammenfegungen: unerſchöpflich, für den |

Augenblidsbedarf gebildet, icherzbaft ꝛc., . 8. 161 Nr. 69; 178 Nr. 5.

Zufammenfioß von Präpofitionen (vgl. Buffer x.) 38 Nr. 14: 128 Nr. 12;

ſ. d., vgl. zu⸗

pflegen 395

250 Nr. 36; 252 Nr, 47; 260 Nr. 32; 264 Nr. 50. zufammenmulften 251 Wr. 40. Zufammenziebung (vgl. zufammengezogene Süße, rer Beugma): faliche 36 Nr. 24; 424 N zufchlagen 330 Nr. 142. Zuſtrich 154 Rr 11. zwei 174 Nr. 8; 242/3 Nr. 4. Zweideutigkeit 21 Nr. 1; 117 Nr. 20 (f. Paſſiv); 134 Nr. 88 (f einzeln, eins); 135 Nr. 48 (f. Inverſion); 153 Rr. u. 429 Nr. n., k. (f. wenig); 178 Nr. 81 (Weglaffung des Hilfözeitworts „baben“, ſ. d.); 262 Nr. 42 (Relativ: ja; Subj. u. Obj.); 853 Nr. 5 (In⸗ verfion); 394 Nr. 6 (Accuf. u. Dativ); 426/7n.. a., b. (Obj. u. Subj.); 427 Nr. n., u. 486 Wr. 5 (Bon); Ba ' Ne. n,l. Zweitel ogi. halb, dauun) 150. zweitoberft 192 Nr. 4. | zwiicen 473. Zwiſchenſchiebung 238 Nr. 30. zwitihern 340/1 Nr. 4; 346 Nr. 21. Zwitter und Nebenformen 159/60.

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