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Haupt: und Refidensitadt

Karlsrube.

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Daupt: und Refidenzitadt Starlsrubde.

Im Auftrag der Städtiichen Archiv-Kommiſſion bearbeitet

von R. G. Jecht, Profeſſor a. D.

(Mit Illuſtrationen und einem Situationsplan der Gegend.)

Rarlsruhe. Madlot’fhe Druderei.

1887, Neu herausgebracht

von dem Antiquariat der Braunschen Universitätsbuchhandlung Karlsruhe, Herrenstr. 25

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Karl-Gustav Fecht Historiker aus Liebhaberei

Vom „beinahe entmutigenden‘“ Ausmaß der Aufgabe, die ihn „mehr als einmal abschreckend vor Augen stand“ spricht Karl Gustav Fecht im Vorwort, als ihm, dem eben Einundsiebzigjährigen, im Winter 1884 seitens der Städti- schen Archivkommission der ehrenvolle Antrag gestellt wurde, eine Ge- schichte der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe zu schreiben. Gewiß ein ver- ständlicher Stoßseufzer, denn wohl stand ein umfangreiches Material zur Ver- fügung, doch war es kaum mehr als Gesammeltes aus 169 Jahren, das es zu sichten, zu ordnen und zu bearbeiten galt. Die erste Karlsruher Stadtgeschichte lag beinahe sieben Jahrzehnte zurück, Theodor Hartlebens ‚‚Statistisches Ge- mälde der Residenzstadt Carlsruhe‘‘, 1815 zur 100. Wiederkehr der Stadt- gründung erschienen. Seitdem war die Fürstengründung des Markgrafen zu ‚„‚dero Ruhe und Gemüthsergötzung“, dem Vorgedanken ihrer Namensge- bung eigentlich widersprechend, ins Großstädtische gewachsen.

Zudem war Karl Gustav Fecht, bis 1879 Professor für Französisch und Naturgeschichte am Durlacher Pädagogium, von Haus aus kein Historiker. Wohl aber zeichnete ihn professorale Gründlichkeit aus. Schon nach dreijähri- ger Arbeit konnte der Autor seine Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe der Öffentlichkeit übergeben. Sie erschien im Winter 1887 im Verlag der Macklot’schen Buchhandlung. Der stattliche Band von über 600 Seiten rei- chert die stadtgeschichtlichen Begebenheiten mit einer überwältigenden Fülle von Details an, die allein schon das immense Ausmaß an Archivstudien des Au- tors bewundern läßt. Das macht Fechts Stadtgeschichte zu einem Standard- werk, an dem niemand vorbei kann, dem es um Tatsachen in Karlsruhes Ver- gangenheit geht.

Geboren wurde Karl Gustav Fecht im badischen Kork bei Kehl am 25. Oktober 1813 als Sohn des evangelischen Pfarrers Eberhard Friedrich Fecht. Einer seiner Taufpaten war Johann Peter Hebel, mit der Familie seit seiner Vi- karzeit in Lörrach verbunden, am innigsten wie man weiß mit Gustave Fecht, der Tante Karl Gustavs. Von der Herkunft und dem geistlichen Klima des EI- ternhauses her schien ihm das Theologiestudium vorbestimmt. Karl Gustav absolvierte es nach dem Besuch des Karlsruher Lyceums an den Universitäten Tübingen, Heidelberg und Halle und bestand im Juni 1835 die theologische Prüfung. Hesselshurst, Wittenweier und sein Geburtsort Kork waren die er- sten Stationen des jungen Geistlichen.

Seine eigentliche Laufbahn indessen begann am Heidelberger Lyceum, wohin er als Lehramtspraktikant berufen wurde. 1838 folgte dann seine zweite Lehrstelle an der Bürgerschule in Schopfheim. Dort heıratete er. Auch seine Frau, Luise, kam aus einem Pfarrhaus. Sie war die Tochter des Pfarrers und

Dekans Karl Friedrich Fecht von Wittenweier. Die Namensgleichheit der Braut verrät keine direkte Verwandtschaft. Das badische Pfarrerbuch zählt die Fechts in Hülle und Fülle.

1843 kam Fecht an das Gymnasium in Lahr, 1852 als Vorsteher an das Pädagogium in Lörrach unter gleichzeitiger Beförderung zum ersten Diakon und Prorektor. Damit verbunden war die Ernennung zum Professor. Die Kar- riere des Neununddreißigjährigen schien gesichert und weiterhin geradlinig nach oben zu laufen. Da kam es zu einem amourösen Ortsskandal, der, an sich unbedeutend, dem Theologen und Beamten eben doch angekreider wurde. Ohnehin hatte Fecht, zu Eigenmächtigkeit neigend, nicht das beste Verhältnis zu seinen Kollegen. Jetzt wurde eine Affaire - mehr war es nicht - von der Mißgunst aufgebauscht. Sie führte 1857 zur Versetzung als zweiter Lehrer an das Pädagogium in Durlach. Damit freilich war der Vorfall aus den Personalak- ten nicht getilgt, denn als Fecht nach dem Tode Hermann Eisenlohrs, des Di- rektors der Durlacher Lehranstalt, 1861 erwarten durfte, dessen Nachfolge an- zutreten, wurde ihm sein jüngerer Kollege Franz Ludwig Wertach vorgezo- gen. Das Verhältnis der beiden Schulmänner zueinander blieb verständlicher- weise gespannt, so daß eine abermalige Versetzung Fechts nach Mannheim vorgesehen war.

Daß sie dann doch unterblieb, liegt wohl daran, daß sich Karl Gustav Fecht inzwischen literarisch einen Namen gemacht hatte. Begonnen hatte er mit Beiträgen für Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem auch beim Lah- rer „Hinkenden Boten“, dem damals in ganz Deutschland bekanntesten und beliebtesten Kalender. 1850 war von Fecht eine Abhandlung ‚‚Bilder aus der badischen Revolution‘ erschienen, bis 1861 veröffentlichte er eine dreiteilige Darstellung des südwestlichen Schwarzwalds und des angrenzenden Rheinge- biets, und schließlich kam von ihm im März 1869 seine ‚‚„Geschichte der Stadt Durlach“ heraus, die erste historische Würdigung der alten Markgrafenstadt überhaupt.

Von der Fachwelt gerühmt, trug diese Lokalgeschichte einiges dazu bei, daß Fecht im August 1872 die Direktorenstelle des Pädagogiums übertragen wurde. Er leitete die Lehranstalt bis zu seiner Zurruhesetzung 1879. Im glei- chen Jahr erschien von ihm eine Geschichte des Klosters Allerheiligen. Frei von der Bürde des Amtes wandte sich der Historiker aus Liebhaberei, den frei- lich eine fundierte Stofferarbeitung auszeichnet, der eigenen Familienge- schichte zu, ehe ihn das Angebot der Städtischen Archivkommission vor die größte Aufgabe stellte, die sein Lebenswerk krönen sollte.

Nur wenige Jahre blieben ihm noch. Karl Gustav Fecht starb am 9. De- zember 1891 im Alter von 78 Jahren.

Karlsruhe, im Mai 1976 Hubert Doerrschuck

Vorwort.

A. mir im Winter 1884—85 ſeitens der ſtädtiſchen Archiv- fommiffion der ehrenvolle Antrag geftellt wurde, eine Gejchichte von Karlsruhe zu fchreiben, verhehlte ich mir keinesweges die Bedenken und Schwierigkeiten, welche für mich, den mehr ala Stebenzigjährigen, in diefer, zubem auf wenige Jahre bemefjenen Aufgabe lagen. War es mir doch fofort Mar, daß die Gejchichte einer Heinern Provinzials jtadt und diejenige einer Haupt» und Refidenzftadt zwei jehr verjchie- dene Aufgaben waren, zumal einer Refidenzftadt, welche in dem Beit- raum von 150 Jahren aus einer Heinen Hüttenkolonie in baftigen Niejenichritten zu einer Hauptjtadt von über 60000 Einwohnern berangewachjen war. Es vereinigen ſich ja in einer folchen Haupt» ftadt eines verhältnismäßig Heinen Landes, insbejondere, wenn Männer von hohen, weitichauenden, durchgreifenden Regententugenden an der Spike des Staates ftehen, wie dies jeit langer Zeit in unjerm Baden der Fall ift, mehr oder weniger alle verjchiedenen Adern und Fäden de3 politischen, ftaatlichen, militärijchen, bürgerlichen, gemwerb- lichen, literarischen, wiffenjchaftlichen und künſtleriſchen Strebens und Lebens des ganzen Landes, es gehen ja von derjelben alle [eben- bringenden Pulfe aus, melde die Entwidlung und Geftaltung des ganzen Landes und Staates bedingen, jomwie auch durch den Rück— lauf diefes8 von dem Mittelpunkt ausgehenden, und neue Gejtal- tungselemente nach diefem zurüdführenden Lebensſtromes gerade der Hauptftadt ſtets neue Keime ihrer eigenen freudigen Entwidlung zugeführt werden. Die Aufgabe, allen diefen Beziehungen und Ver— bältnifjen gerecht zu werden, fie alle in jachverjtändiger, erjchöpfender

Weile zu löſen, überfteigt nahezu die Kraft des Einzelnen. Dies trat mir mehr als einmal während der Arbeit beinahe entmutigend und abjchredend vor Augen.

Wohl ftanden mir einzelne gründliche monographiiche Vor— arbeiten zu Gebot, die eigenartige Anlage der Stadt hatte bie Darftellung einer ganzen Reihe von Stadtplänen, aus alter und neuer Zeit hervorgerufen, das Generallandesarchiv enthielt in weit über 2000 Faszikeln, das ftädtiiche Archiv in feinen wohlgeordneten Aktenſchränken ein überaus reiches, aber leider noch wenig ausge— beutetes und verarbeitete? Material. Somit war ja der Stoff vor- handen, aber denjelben zu fammeln, zu fichten, zu ordnen, zu bear- beiten, erforderte mehr als eines Mannes Kraft, und daher war der Berfaffer vielfah darauf angemwiefen, im einzelnen Rat und Unterftügung ſachkundiger Männer zu Hilfe zu rufen, und dieje Hilfe ift ihm auch, insbejondere für technifche Darftellungen und für Die ohnedies ſchwierige Behandlung der neuern Seitverhältniffe jo bereit- willig und ausgiebig zuteil geworden, daß derjelbe fich gedrungen fühlt, allen diefen Männern und Stellen, deren Beihilfe er in An- ſpruch genommen, deren Namen er aber unmöglich hier alle aufführen fann, biemit feinen aufrichtigften und wärmften Dank auszujprechen.

Iſt es mir auch nicht gelungen, in allem allen Anjprüchen gerecht zu werben, habe ich auch dem einen zu viel, dem andern zu wenig geboten, mich bier vielleicht zu ſehr ins allgemeine, dort zu jehr ins einzelne verloren, jo habe ich doch das Bemwußtjein, für fünftige Bearbeiter ein verwendbares, zuverläffigeg Material, und da- mit eine grundlegende Arbeit für die Zukunft geliefert zu haben. VBolllommenes und in jeder einzelnen Angabe Irrtumloſes zu geben, ift auch für den beiten Willen und die gewiflenhaftefte menschliche Arbeitstreue eine Unmöglichkeit.

Ueber Einteilung und Behandlungsmeije des reichhaltigen Stoffes tonnten die Anfichten verjchieden fein, insbejondere wurde von mancher Seite einer Einteilung der Vorzug gegeben, welche die einzelnen Sachrubriken von Anfang bis zu Ende in fortlaufender, ungetrennter

Darftellung behandelt hätte, während die Darftellung in Perioden geeigneter fchien, jemweild ein Gefammtbild der Zeit in allen. Be- ziehungen und Richtungen zu geben. Zudem gewährt aber das ge- gebene Inhaltverzeichni3 jedem Leſer die Möglichkeit, die einzelnen jachlichen Abjchnitte in unumterbrochener Aufeinanderfolge zu durd- leſen.

Von den dem Werke beigegebenen Illuſtrationen iſt das ſtädtiſche Wappen nach einem Stadtſiegel aus dem Jahre 1751, das Bild de3 Gründerd der Stadt nach einem größern, ältern Delgemälde, die des alten Rathaufes und des ehemaligen Gaſthauſes zum Bären nach im Privatbefig befindlichen ältern Zeichnungen ausgeführt.

Der Situationsplan der Gegend zwiſchen Durlah, Karlsruhe und Mühlburg ift eine reduzirte, getreue Kopie aus einer großen Karte vor dem Jahre 1750, aljo aus einer Zeit, in welcher noch weder der gerade Landgrabenkanal, noch die Straße mit der Pappel⸗ allee vorhanden waren, und ich habe darin der Vergleichung wegen die Richtung der jegigen Straße einzeichnen laſſen.

Somit übergebe und unterwerfe ich meine Arbeit getroft dem Urteil des nachfichtigen und gerechten Leſers, und beruhige mich zum voraus mit dem vielbewährten Sprüchlein „habent sua fata libelli*.

Karlsruhe, im November 1887.

Per Berfalfer.

Inhalfs-Pergeidcnis.

tadt

. Die Gemeindeverwaltu ...6232 BO 4652 6. Einwohner, Handel und Wandel . . 2 2 2 2.2... 215 464 7. Geſundheits⸗ Kranlen- und Armenpflege, Rettungsanftalten 91 254 504 8. Die Kirhheee 88 267 529

9. Bildungsanftalten . TEE 10. Runft und Literatur, fremde Gäſt19828 308 580

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Vor der Gründung.

„ange Zeit, Jahrtauſende vor der Legung des erſten Karlsruher Grundfteines, dedte ein weiter See mit jpärlihem Abflug nach Norden hin unjer Rheinthal zwijchen Wasgenwald, Vogeſen und Hardtgebirge zur Linken, und Schwarzwald und Sraichgauhöhen zur Rechten. Allmälig, im Laufe von Jahrhunderten, erweiterte der nördliche Abflug diejes Sees zwilchen Taunus und Hundsrüden durch Abſpü— lung und Löjung (Erofion) der hemmenden Gefteine jein Bett, und der See wurde zum breiten Strome, der in dem frühern Seeboden jih jein Strombett grub, defjen diefjeitiges Ufer noch heute durch den 6—8 m hohen Rand des Hochrains bezeichnet ift, und an welchem die Dörfer Mörih, Darlanden, IKnielingen, Neureuth, Eggenjtein u: a. liegen.

Doch auch aus diejem breiten Bette zog fich der Strom, augen- jcheinlich infolge vermehrten Abflufjes nach dem Niederrhein, immer weiter zurüd, und führte im engen, aber vielgewundenen Laufe jeine Fluten dem Meere zu.

So bildete ſich das Tiefland zwiſchen dem Hochrain des alten Rheines und feinem neuen Laufe.

Das Hochgeftade des alten Rheins aber bildet nach Weiten zu die Grenze der Hardt, während der öftliche Rand der Hardt und des Hardtwaldes, an welchem die Dörfer Bulach, Beiertheim, Rint- beim, Hagsfeld, Blankenloch liegen, fich mit wenigen Unterbrechungen von Raftatt bis an die heſſiſche Grenze zieht. Zwiſchen Beiertheim und Rintheim fteht ebenfalld an dem füdöftlichen Rande der Hardt

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die Stadt Karlsruhe, jo daß die Linie von Rintheim zum Durlacher⸗ und Ettlingerthor und durch die Veiertheimer Allee die Grenze der Hardt bezeichnet.

In dem Raume zwifchen dieſem öftlichen Rande der Hardt und dem Gebirge befindet fich der fog. Bruch, eine etwa 3 m unter dem Niveau der Hardt gebettete Mulde, an deren Grenzen am Fuß ber Vorberge Ettlingen, Wolfartöweier, Grögingen, Durlach, Wein- garten, Grombach, Bruchjal liegen.

So zeigt ung die Geftaltung des Nheinthales vom heine bis an den Fuß des Gebirges drei wejentlich verjchiedene Vegetations— zonen.

Das Tiefland zwifchen Rhein und Hochgeftade, in welchem dieſſeits und jenſeits durch den oft wechjelnden Lauf des Stromes in geichichtlicher Zeit entftandene Dörfer teils zerftört, teils bald auf diefe, bald auf jene Seite des Fluſſes verfeßt wurden, zeigt uns einen anmutigen Wechjel von fruchtbaren Feldern und Wiefen, von Wald und Waſſer, von Obftbäumen und Gärten, doch find die in den Niederungen liegenden Dörfer, wie Neuburg, Hagenbach, Wörth auf dem jenfeitigen Ufer, und Neuburgmweier, Au auf unferer Seite au häufigen Ueberſchwemmungen ausgeſetzt.

Die Hardt, deren größte Fläche von dem Hardtwald bededt ift, zeigt einen andern Charakter. Nur an wenigen Stellen von Waflerläufen durchbrochen, wie durch die Murg bei Raftatt, die Alb bei Müblburg, die Pfinz bei Graben, und in jpäterer Zeit durch den finftlich angelegten Landgraben, erjcheint fie ald eine wenig frucht- bare, wellige Sandebene. Das die Hardt fpeifende Waſſer ift Hori- zontalwafjer, welches in dem Hardtwald bei Karlsruhe ſchon bei 3—4 m Tiefe zu Tage tritt, und nicht aus dem viel tiefer lie- genden Rhein, fondern aus dem durch Gebirgszuflüffe bemäfferten Bruchland kommend, eine unterirdijche Strömung nach der Niederung bildet, und aus welchem auch die Karlsruher Wafjerleitung ihren Bebarf bezieht. Deßhalb Liefern auch die Hausbrunnen, fofern nicht andere verunreinigende Zuflüffe ftattfinden, ein gejundes und gutes Trinkwaſſer. Rings um den Hardtwald liegen die meift fandigen, aber zu Getreide- und Kartoffelbau geeigneten Felder der angrenzenden Dörfer, die Obftbäume, eines humusreichen, feuchtern Bodens entbehrend, gedeihen nur fümmerlich, der Wald jelbft aber, früher meiftens aus Eichen beſtehend, ift jetzt vorzugsweiſe Föhrenwald, weil auch die noch vor-

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bandenen Eichenbeftände nach kaum 60— 80 Jahren abfterben und durch Föhrenpflanzungen erjeßt werden.

Das Bruchland, 1—2 km breit, zwiſchen Hardt und Ge- birge, ift dagegen bejto reicher bewäſſert. Die aus den Bergen fommenden Gemwäfler, durch den Harbtrüden geftaut, jammelten fich am Fuße des Gebirges, bildeten größere und Heinere Tümpel und Seen, verfiegten in dem fich bildenden Moorboden, oder floffen auch langjam thalabwärts längs des Gebirges, bis in fpäterer Beit für deren rajchern und direktern Abfluß in den Rhein gejorgt wurde. Das Bruchland hat, wo e3 die Trodenlegung des Geländes möglich ge- macht, guten Aderboden und fruchtbare Obftpflanzungen, wo nicht, gute Wiefen und je nach der Bodenbeichaffenheit Waldbeftände von Erlen, Eichen, Buchen und Eichen. Eine größere Waflerfläche des Bruchlandes bildete namentlich auch die Stelle, auf welcher jet der Bahnhof und der Bahnhofftadtteil ftehen, fowie die ganze Fläche zwiſchen Gottesaue und Beiertheim.

Einzelne höher und trodener liegende, natürliche oder Fünftliche Erhöhungen in diefem, fortwährenden Ueberſchwemmungen durch Ge- birgswaſſer ausgefegten Bruchland, bildeten die Punkte bei Gottsau, Killisfeld, Hagsfeld (Kirche), Rüppurr und vielleicht auch Scheibenhard.

Die erften, gefchichtlich ermeislichen Bewohner des Rheinthales waren jedenfall® bei dem damals noch unfteten Wanderleben der Völker jchon in früher Zeit gemijchten Stammes, und der körperliche Typus derjelben bietet weder für die ungemijchte germanijche, noch für die’ keltische Abftammung fichere Anhaltspunkte.

Die Namen der älteften Dörfer, welche, wie die Endungen auf beim, haufen, ingen auf germanifch-allemannifchen Urſprung hinweiſen, während andere Ortsnamen, wie Burthan (Beiertheim), Rinthan, Daslat, Spedaha, Stede, Malske auf andern Urſprung hindeuten, beweiſen uns, daß bie Gründer diejer Dörfer verjchiebenen Stammes waren. Daß zur Zeit vor und nach Chrifti Geburt ſchon germanijche Völker am Rhein wohnten, erfahren wir zur Genüge aus griechijchen und römifchen Schriftftellern, wie denn auch Eäfar 58 ‚vor Ehrifto diejelben als gefürchtete Feinde kennen lernte.

Nach der Verdrängung oder Unterwerfung der germanifchen Bewohner ließen fich die Römer ala Herrſcher und friedliche An- ſiedler im Lande nieder, jo daß ſchon 25 nach Chriſto unjere Gegend

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als ein Zeil des römischen Zehntlandes (agri decumates) zur römifchen Provinz; Germania superior gehörte.

Dafür zeugen, außer den Schriftftellern, in der Gegend nachge- wiejene vömijche Niederlafjungen und Funde in Ettlingen, Baden, Rüppurr, Muggenjturm, Pforzheim, Brögingen, Karlshauſen, Stett- feld, Ubjtadt, dafür fpricht die von Baden über Ettlingen und über das Gebirge nach Pforzheim führende Römerftraße und auch die in neuefter Zeit aufgefundene römiſche Militärverbindungsftraße von Ladenburg-Schweßingen über Graben und Mühlburg nad Raftatt und Baden.

Die allerdings vielfach bedrohte Herrichaft der Römer mwährte bis in den Anfang des dritten Jahrhunderts, um melche Zeit die eriten Einfälle der Allemannen begannen, und fi) von da an immer heftiger wiederholten, bi um 400 nach Ehrifto die letzten römischen Beſatzungen fich von den Ufern des Rheines zurüdzogen.

Noch zogen die wilden Horden der Hunnen, die verheerenden Fluten der Völkerwanderung über das Land, aber jchon 496 ſetzten fih, von Norden und Nordweiten kommend, die Franken, ein ger- maniſcher Volksſtamm, nach blutigem Ringen mit den Allemannen, den Herren des Rheinthales, bis an die Dos in den Befit- des Landes, und unjere Gegend bildete fortan, der Provinz Ahein- oder Deutjchfranten zugehörig, einen Beſtandteil des großen fräntifchen Reiches.

Mit den Franken kam aber auch das Chriftenthum an dem Oberrhein zur Herrſchaft. Durch ihre Könige wurden Bistümer in Straßburg, Speier, Mainz, Worms errichtet, unter ihnen klöſterliche Anftalten und Domftifte in Selz, Weißenburg, Lori, Hirſchau ge- gründet und mit Rechten und Gefällen ausgeftattet. Die Hardtge- gend gehörte zu dem geiftlichen Sprengel des Biſchofs von Speier, während fräntifche Gaugrafen in dem Dos-, Alb- und Pfinzgau das weltliche Regiment führten. Solche fränkische Gaugrafen in unjerm Rheingebiete, der damaligen Provinz Oftfranten, waren die Grafen von Calw. Dieje teilten fi mit der Zeit in mehrere Zweige, jo in die Grafen von Staufenberg, Eberftein, Borchheim und Hohen— burg. Durch Juta (Juditha), die Erbtochter des Grafen Adalbert, fiel, da Adalberts Sohn Bertold Mönch wurde, dad Calwiſche Erbe im Ufgau (Oosgau) 1110 an deren Gemahl, den Markgrafen Her- mann II. von Baden. Bertold wurde, wie bemerft, Möndy und

gründete 1094 das Kloſter Gottsau, welches 1103 eingeweiht wurde, und in welchem am 3. März 1110 der Gründer Bertold ftarb.

In dem 1110 erneuerten Stiftungabrief heißt es: Godes-Ave, in provincia, quae dieitur teutonica Francia, in episcopatu Spirensi, in pago Albegova, in comitatu Vorchheim, in silva, quae dieitur Lushard, juxta fluvium, qui dieitur Alba.

An der Stelle des Kloſters ftand vorher ein Hof des Grafen Bertold, des Gründers des Kloſters, deſſen Herrenſitz wahrjcheinlich die Burg auf dem Turmberg bei Durlach, die Hohenburg war. Der Hof lag zwifchen Buchen: und Eichenwald, auf einer Art Injel (Au, norddeutich Die), in dem noch ringsum befindlichen Gewäſſer (fluens lacuna).

Nach den jeweiligen päpftlichen Beftätigungsurtunden vom Jahr 1159—1181 über die durch den Grafen Bertold von Hohenbure jo nennt ihn die Urkunde dem Klofter zugemwendeten Bergabungen gehörten dazu:

„Der Platz, worauf das Klofter fteht, item das Dorf Edenftein mit der Kirche St. Biti und Modeſti dajelbft, ſammt Zubehörde, der Kirchenſatz und das Wörth, genannt Rinawe (ſpäter Inſel Rinomwe genannt), mit Waſſern, Fiſchweihern, Wiefen, Wäldern, Waiden u. |. w, dad Dorf Neureut, Novale (Neubruch), mit allen Zubehörden und dem Zehnten dajelbft, der Hof zu Altftatt (untergegangener Ort bei Elchesheim), die Höfe zu Knutelingen (Knielingen) jammt Zubehörde, die Höfe zu Forchheim jammt Zubehörde, der Hof zu Dagemarsdung (Darxland?), die Höfe in den Dörfern Riepur (Rüppurr), Wolmol- deswiler (Wolfartsweier), Schellbrunn, Sped, Hagsfeld, mit allen Zu- behörden, der Kirchenfa in der Sct. Martinskirche zu Barchufen, die Höfe und Weingärten in den Dörfern Grezingen, Barchujen, Sel- lingen, Wingarten und Brunbach (Grombach), Häufer, Felder, Reben und Gülten in dem Dorf (villa) Durlach, ein Hof an dem Drt jo Rüdesbach genannt wird, zwei Höfe in dem Bruch und zu Stafforth, ein Hof in dem Drt, welcher das innere Gottsau (Aue) genannt ift, ein Hof zu Roden, Felder und Huben zu Bujchlat (Baujchlott), das Dorf Rinthan mit allen Zubehörden, Feldern, Wieſen, Weingärten, Brücen, Wäldern, Waiden im Busch und in der Ebene, Waflern und Mühlen, Wegen, Pfaden und andern Freiheiten und Gerecht- jamen ꝛc.“

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Später, und zwar vor 1260 kommt dazu noch Burthan (Beiert- beim), und Durlach heißt nicht mehr villa, jondern civitas, Stadt.

Die meiften diefer Orte waren jog. Erpofituren des Klofters, d. h. fie erhielten ihre Seelforge durch Kloftergeiftliche, jo namentlich Eggenftein, Hagsfeld, Berghaufen, Wolfartsweier u. a.

Die zunächft umliegenden fieben Hardtgemeinden, Beiertheim mit Bulach, Rintheim, Hagsfeld, Blankenloch, Graben, Eggenftein und Neureut, bildeten unter ich eine Markgenofjenichaft, deren jede gewiſſe Genofjenichaftsrechte, wie Waiderecht, Beholzungsrecht u. dergl. an dem gemeinjamen Hardtwald befaf. Die Gottsauer Chronik jagt von diefer Genoſſenſchaft: fie mögen eine Kolonie geweſen fein, welche fich in diefen Strich des Hardtwaldes teilte, denn jede bejaß einen ver- bältnigmäßigen Anteil daran.

In Kriegd- und Friedengzeiten ftand ein Jeder für den Andern unter dem Schuß der heil. Jungfrau, melche zu Gottsau als mwun- derthätig verehrt wurde, und alljährlich um die Faftenzeit verſammelte fih das Volt der fieben Dörfer zu einem friedlichen Umzug bei dem Klofter. Nach Beendigung defjelben wurden die Leute mit Weir, Brot und Küchlein gefpeist, wohnten jodann einer Meſſe im Kloſter bei, empfingen den Segen und wanderten frohen Mutes wieder ihren Dörfern zu.

Diefe Verbindung von Gott3au mit feinen Dörfern, welche von bier aus ihre geiftliche Pflege erhielten, und dafür ihre Abgaben und Gefälle an das Klofter lieferten, machte jchon von Anfang an eine Anlage von Straßen und Straßendämmen durch das waſſerreiche, ſumpfige Gelände nötig, und ſolche wurden auch allenthalben durch das Gotteshaus, bezw. durch die dienftbaren Einwohner der Dörfer angelegt.

Ein, allerdings noch jehr unzuverläffiger Plan der Gegend aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, jedenfalls vor 1580, zeigt uns folgendes Bild.

Bon Durlach aus, das noch, wie Ettlingen, mit Wall und Graben umjchloffen ift, führte aus dem Pfinz- oder Ochjenthor eine Straße, zur Linten nach Aue, zur Rechten nach Rintheim abzmweigend, nördlich an Gottsau vorbei in den nahe bei Gottsau beginnenden Hardtwald. Die nach Rintheim abbiegende Straße aber, welche ſich um die nördliche Seite des Dorfes herumzog, war die Hauptverkehrsſtraße, zog ſich an der Höhe des Hochraines, Prorem, Prurain, Brurain (Bruchrain) genannt, eben-

er

falld in den Hardtwald und durch diejen in gerader Richtung nach Mühlburg, welches jchon damals ziemlich viel urbares Feld zwiſchen jih und dem Hardtwald hatte. Diefelbe vereinigte fi am Eingang de3 Waldes mit dem von Gottsau kommenden Sträßchen, etwa in der Nähe des fpätern Durlacherthored. Bon dem Landgraben, mwel- cher erft 1583 atıgelegt wurde, zeigt der Plan noch feine Andeutung.

Beier mit Verkehrsſtraßen verjehen ift Mübhlburg, denn von bier aus führt eine Straße auf dem rechten Ufer ber Alb nad Beiertheim, eine folche im ziemlich gerader Linie zwiſchen den fog. vier „Müblburger Seen“ hindurch nach Schredh, wo Rheinhafen und Zollhaus fich befanden, eine dritte meftlih von Mühlburg und dem dortigen Schloß und der Mühle über die in 3 Urme geteilte Alb, und von da öftlich nach den zwei Scheibenharder Seen, und eine vierte über Grünwinkel ala Hauptverkehrsftraße nach Raftatt.

Die Alb fließt von Ettlingen aus an zwei Seen bei Rüppurr, an dem dortigen Schaafhof, Dorf und Schloß, an Beiertheim und Bulah, Mühlburg und der Apamil (Appenmühle, Abtsmühle) und Knielingen vorbei in den Rhein.

Außer dem Hardtwald jelbft Liegen überall kleinere Waldftüde zwiſchen den Dünfern zerftreut.

Der Plan von 1694, welchen wir unferer Gefchichte beigeben, enthält jchon den 1583 durh Markgraf Ernſt Friedrich angelegten Landgraben.

Etwas fpätere Pläne, welche ſich wohlerhalten in unjerm Stadt- archiv befinden, zeigen uns das Bild der Gegend nach Gottdau und Durlach hin, mie ed unmittelbar vor und noch längere Zeit nad der Gründung ber Stadt beftand.

Der Zwed, das zwiſchen Durlach, Gottsau, Rüppurr und Beiert- beim liegende waſſerreiche Bruchland zu entwäflern und für land- wirtſchaftliche Kultur zugänglich zu machen, konnte nur durch die Anlage von Entwäflerungsgräben erreicht werben, welche dazu be- fimmt waren, das in dem Bruch angejammelte Waffer in einen Hauptlanal zu leiten, durch welchen bafjelbe nach dem Aheintiefland und dem Mhein felbft feinen Abfluß finden konnte.

Schon Gottsau hatte dazu den Anfang gemacht, und von da an mehrten und erweiterten fich diefe Entwäflerungsanlagen von Jahrhundert zu Jahrhundert, fo daß nach und nach ein ganzes Ne von Waffergräben und Kanälen, kreuz und quer durch Wieſen

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und urbar gemachtes Aderfeld, längs der Straßen und Wege das ganze Gelände überzog. Von Norden ber von dem Hochrain bei Rintheim und Hagsfeld, von dem längs des alten Weges am Hocrain fich bHinziehenden Schafgraben aus zogen jolche Kanäle und Gräben, wie u. U. die alte Bach zwiſchen Rintheim und dem Brüchlemald, vom jpätern Entenkoy ber nach den tiefern Stellen des Bruches, die aus dem Gebirge bei Durlach und Wolfartsweier fommenden Bergwaſſer verbreiteten fich in zahlreichen Rinnjalen über die ſumpfige Ebene, und insbejondere der von Wolfartäweier her- tommende Lißengraben, welcher feinen Lauf nach ber norböftlichen Ede des Gaiſenraines und von da weſtlich an diefem vorbei nach den Gott3auer Wiefen nahm, bildete die Hauptwaſſerader. An diefen Graben, als erweiterte Fortjegung defjelben, Inüpfte 1583 M. Ernſt Friedrich die Anlage feines Landgrabens. Derjelbe folgte längs dem Gaijenrain dem Laufe des alten Likengrabens, nahm dort einen bedeutenden Zufluß von Rüppurr her auf, wendete ſich nach der Südfeite von Gottsau hin, melches er durch Nebentanäle mit einem Waflergraben und See umgab, nahm von da aus feinen Lauf nach der Stelle, wo fpäter das NRüppurrerthor von Karlsruhe ftand, und von bier aus durch das jpätere Garten und Adergelände, die füdliche Grenze der urjprünglichen Stadtanlage bildend, in ziemlich gerader Linie nach Mübhlburg und der Alb.

Unter Karl Wilhelm erhielt der Landgraben durch die Rekti— filation der alten Bach, welche 1739 die neue Wafferleitung genannt wird, einen vermehrten Zufluß. So war der Zuftand und Lauf des Landgrabens vor und noch über 30 Jahre nach der Gründung von Karlsruhe und erft unter Karl Friedrichs Regierung wurde derjelbe ein anderer.

Die alte Land- und Hauptitraße, als Verkehrsſtraße zwijchen Durlach, Mühlburg und Raftatt, welche, als Zufuhrftraße der Weine aus der Aheinpfalz, von Durlach gegen Rintheim zu der Weinweg hieß, führte noch bis gegen 1770 an der Schleifmühle unterhalb Durlah „über das fteinerne Brüdlein, da der Leitgraben angeht“ und der Ziegelhütte jüdlih an dem Brüchle vorbei. Diefe Straße, welche noch als Feldweg vorhanden ift, mündete in das Rintheimer Sträßle bei der Brüde über die „alte Bach“, zog ich längs des Baches noch eine Strecke gegen Rintheim hin und von da an durch Rintheim in der Richtung der jegigen Rintheim⸗Karlsruher Straße, mit

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der in dem Gottöaderweg noch jeßt vorhandenen Abzweigung nad) Gottsau. Doch wnrde von dem fog. Rintheimer Sträßle, in der Nähe der Brüde über die alte Bach, ſchon frühe ein direkter Feldweg nad Gottsau an dem Gottsauer Jägerhaus vorbei angelegt, wie auch nach einem Plan von 1739 jchon eine Straße in mehreren Krüm- mungen von Durlach nach Gottsau und Karlsruhe führte. Die Haupt- ftraße führte indeffen über Rintheim, bis Karl Friedrich von 1767 an die gerade Straße längs des Landgrabens anlegen ließ.

Die Schichſale des Klofterd Gottsau, die Gründung defielben, die Mißwirtſchaft feiner Aebte, feine Vermwüftung im Bauerntriege, jeine Wiederherftellung 1553, feine Aufhebung 1556 fallen in eine weit hinter unjerer Gefchichte Tiegende Zeit, auch jeine Säfularijation zum berrichaftlichen Kammergut, defjen Gefälle an die herrjchaftliche Rentlammer fielen, feine vorübergehende Wiederherjtellung 1622 nach der Schlacht von Wimpfen, welche aber noch während des 3Qjährigen Krieges wieder ihr Ende erreichte, feine Verbrennung durch die Franzoſen 1689 gehören ebenjo der Vorgejchichte für uns an.

Karl Wilhelm baute es twieder auf und benußte e8 zu zeit- weiligem Landaufenthalt, 1735 brannte es teilweife wieder ab, wurde durch die vormundichaftliche Regierung wieder hergeftellt und von da an, bis zu jeiner 1818 erfolgten Bejtimmung zur Artillerie-Raferne, diente e3 als Kammergut dem Betrieb der Dekonomie, der Viehzucht, bejonder8 der Schafzucht, auch der Bierbrauerei.

Einem uns vorliegenden Plane des Klofters, nun Kammergutes Gottsau von dein Jahre 1741 entnehmen wir Folgendes:

Daſſelbe war ringsum von Wafjergräben umgeben, welche jich nad) Karlsruhe bin zu einem 5’, Morgen großen See, dem jetzigen Ererzierplag der Urtillerie, erweiterten. Die Straße nach Karlsruhe war nur durch den breiten Graben von dem Klofter getrennt. In das Innere führten über die Brüden des Waflergrabens zwei Thore, das eine an der Nord», dad andere an der Südſeite. Innerhalb des nördlichen Einganges lagen zur Rechten Wohngebäude für Fuhr— fnechte, Verwalter, Wagenmeijter, Schweinftälle, ein Taubenturm und zwei gewölbte Seller, jowie hinter den Gebäuden Gärten, zur Linken die Wohnungen der Seegräber, Melter, Schweinehirten, Zehntknechte, Rinderftälle für die Molkerei, Schweinjtälle, Geflügelhäujer. Inner halb des füdlichen Brüdenthores ftanden vecht3 die Wohnung des

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Hofmetzgers, die Hofmegig und die alte Roßmühle, links Wagen- ſchoppen, Bferde-, Ochſen- und Schafftälle und die herrichaftliche Scheune. In der Mitte jehen wir das ftattliche herrichaftliche Schloß mit zwei Brunnen in dem geräumigen Schloßhof und ausgedehnte Gärten hinter dem Schloffe.

Bor dem fühlichen Thore, jenjeits des Schloßgrabens, fteht die Wohnung bes Salpeterfiederd und zwei Salpeterhütten.

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Erſte Periode. 1715 —1738.

1. Regentenhans, Geſchichte, Militär.

Bei der durch die beiden Söhne Markgraf Chriſtophs 1527 erfolgten Teilung des Landes an die Bernhardiniſche und Erneſtiniſche Linie fielen an den Markgrafen Ernſt, außer den Oberländer Bezirken Röteln, Saufenberg, Badenweiler, Hachberg und Ujenberg, in der untern Landesgegend die Aemter Pforzheim, Stein, Durlach, Staf- fort, Graben und Mühlburg, und damit auch die Hardt von der Alb abwärt3 bis an die Grenze der Pfalz und des Bistums Speier. Die Alb follte die Grenze zwijchen den beiden Markgrafichaften, der untern Baden-Durlady und der obern Baden-Baden bilden. Won den jeither zu einer Markgenoſſenſchaft verbundenen Hardtdörfern fiel durch dieje Teilung Bulach eigentlich an Baden-Baden, Beiertheim an Baden-Durlach. Da aber Beiertheim pfarramtlich zu Bulach gehörte, jo fiel auch Berertheim an die obere Markgrafichaft, und jo fam es, daß die Gemarkung von Beiertheim-Bulach, deren Waidrecht jih in den Hardtwald hinein evjtredte, ſpäter in das Gebiet der neu angelegten Reſidenz Karlsruhe hineinragte, und dieje mit ihrer jüd- ihen Ausdehnung, dev Kriegsſtraße, dem Bahnbofitadtteil und allen jüdlih von der Stadt liegenden weitern Anfiedelungen auf Beiert- beimer Gemarkung zu liegen kam.

Markgraf Ernſt, welcher fich den Grundſätzen der Neformation zuneigte, ohne fie offen im jeinem Lande einzuführen, ſtarb 1553, nachdem er jchon 1533 jeine Nefidenz von dem Sulzburger Schlojie nach Pforzheim verlegt hatte.

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Ihm folgte ſein Sohn Karl I 1553—77, welcher 1565 die Refidenz von Pforzheim nach Durlach verlegte und dort 1567 ff. die Karlaburg erbaute. Derjelbe führte 1556 in jeinem Lande die Reformation öffentlich ein, während dieje nur vorübergehend unter Markgraf Bernhard II. und Philibert 1533—69 in der Markgraf: haft Baden-Baden eingeführt, und durch deſſen Nachfolger die katholiſche Religion wieder hergeftellt wurde. Der nächfte in Durlach wohnende Markgraf war Ernſt Friedrich 1577-1604, neben welchem aber fein Bruder Jakob 1577—90 die Hachbergischen Aemter, und Georg Friedrich von 1595 an die oberen Aemter Röteln und Badenweiler bejaßen.

1604 kam Georg Friedrich nach dem Tode jeiner beiden Brüder in den Beſitz der ganzen Markgrafichaft Baden-Durlach, ſchloß ſich 1618 an die Sache, der ev. Union an, verlor den 6. Mai 1622 die Schlacht bei Wimpfen und mußte infolge deffen jein Land verlaffen, nachdem er jchon im April vorher feinem Sohne die Re— gierung des Landes übergeben hatte. Während der Regierung diejes feines Sohnes Friedrich V. 1622—59 hatte das Land alle wech— jelnden Schidjale und Drangjale des 30jährigen Krieges zu erdulden und ging als eine verödete, vielfach menjchenleere Wüfte aus dem— jelben hervor.

Unter feinem Nachfolger Friedrich VI 1659—1677 waren faum die Wunden etwas geheilt, die der lange Krieg geichlagen, die Städte und Dörfer wieder notdürftig aufgebaut, die verjagten und verarmten Bewohner wieder in die Stätten früherer Wohnlichkeit zurückgekehrt, als jchon gegen das Ende der Regierung Friedrichs VI. und bejonders unter derjenigen des nächſten Markgrafen Friedrich Magnus die Kriege mit Frankreich neue Trübjal über das Land brachten. Es liegt außer dem Bereich unjerer Darftellung, den äußern Verlauf diefer von 1672 bis zum Frieden von Utrecht und Raftatt 1713 und 1714 mit kurzen Unterbrechungen dauernden Kriege aus— führlich zu behandeln. Zunächſt berührt uns bier nur das Jahr 1689, welches für unjere jpezielle Umgebung beſonders verhängnikvoll war und insbeſondere von hervorragender Bedeutung für die Grün- dung unferer Stadt wurde.

Der König von Frankreich, der Allerchriftlichite, Ludwig XIV. und jein Kriegsminifter Louvois hatten bekanntlich in dem jog.

Orleans'ſchen Kriege ihren Feldherrn den Befehl erteilt, die beiden Ufer des Rheines von Mainz aufwärts in eine Wüſte zu verwandeln und die Marſchälle waren mit wenigen ehrenvollen Ausnahmen grauſame Vollſtrecker dieſes Befehls. Schon Ende 1688 hatte Frie— drich Magnus ſeinen Hausſchatz, die Pretioſen, Münzen, Altertümer, Gemälde, Waffen, die Bibliothek und einen Teil des Archivs von Durlach nach Baſel in den ſog. Markgräfler Hof geflüchtet. *)

Im Spätſommer 1688, während die Armeen Oeſtreichs und des Deutſchen Reiches an der Donau gegen die Türken zu Felde lagen, und das Rheinland verhältnißmäßig wehrlos war, überfielen die Franzoſen ohne vorhergegangene Kriegserklärung mit 12 000 Mann die Iintsrheiniiche Pfalz, und der Dauphin begann den 6. Oftober diefjeit3 des Rheines die Belagerung von Philippsburg, welches am 30. Oktober in jeine Gewalt fam. Am 14. Oftober hatte die Mark— gräfliche Regierung die Fruchtvorräte in den Dörfern abholen laſſen, am 20. Oktober ftanden die Franzoſen unter Monclas bereitö in Pforzheim. Am 9. Dezember mußten von Stadt und Amt Mübhl- burg, Graben und Staffort 18000 fl. Geld, 3400 Zentner Heu, 1300 Zentner Stroh, 2325 Malter Haber und kurz darauf aber- mal3 40000 fl., 1000 Malter Korn, 1000 Malter Kernen und 2000 Bentner Haber geliefert werden.

Im Anfang des Frühjahrs 1689 flüchtete fi der Markgraf Friedrich Magnus nach Bajel. Zwar kamen allmälig deutſche Reichs— truppen von dem unter Markgraf Karl Guftav von Baden in der Gegend von Pforzheim ftehenden Heere heran, und 21 Kompagnien davon, bei denen übrigens, wie es heißt, faft ebenjöviel Weiber und Kinder als Männer waren, lagen im Pfinzthal. Bor ihnen zog fich am 22. und 23. Januar ein Teil der in Ettlingen, Durlach und Umgegend ftehenden Franzoſen bei Fortlowis über den Rhein zurüd, eine andere Abteilung aber wendete fich landabwärts nach dem Nedar, wo fie unter Führung und Anleitung des berüchtigten Melac am 18. Januar mit der Zerftörung von Heidelberg begannen, dann Rohrbach, Weinheim u. a. D., am 3. März Mannheim, im Mai Speier und Worms u. j. mw. zerftörten. Ueber dieje Verwüſtung von Heidelberg und Umgegend jagt Schlofjer „Weltgejchichte XV., 610“

) Schon 1540 hatte Markgraf Bernhard dort dieſen fog. „Hagenbacher Hof“ erfauft und das Basler Bürgerrecht erworben,

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„Stadt und Dörfer wurden dort niedergebrannt, über 700 Wohnungen vermwüftet, die’ Bewohner nicht nur am Netten und Löfchen verhindert, jondern auch erjchoffen und nadt der größten Kälte preisgegeben, jo daß die Straßen mit Leichnamen von erfrorenen Bürgern und Bauern bededt waren.“

Aber auch unferer Gegend war ein Gleiches vorbehalten. Schon im Februar und März 1689 verfuchten die Franzofen Kleinere Ueber- fälle über den Rhein, man jah von diejer Seite aus überall die Flammen breunender Ortjchaften in der Rheinpfalz, von PBhilipps- burg zog die franzöfiiche Beſatzung aus, um in rajchen UWeberfällen die Dörfer umher zu plüudern und niederzubrennen, während e3 bei den deutichen Truppen an Lebensmitteln für Menjchen und Tiere, jowie an der nötigen Ordnung und Leitung fehlte.

So ſchildert Markgraf Friedrich Magnus in einem Klage- und Bittjchreiben von Bajel aus an die in Regensburg verjammelten Reichsftände feinen und feines Landes „erbarmniswürdigen Notjtand“ und bittet um Abhilfe.

Alles umsonst. Am 20. Juli beriet ſich der Rat in Durlach über die Verproviantirung der Stadt, am 3. Auguft jchon jteht der Feind vor der Stadt, und kann, da die Neichätruppen fich überall zurüdgezogen hatten, fein Zerſtbrungswerk beginnen.

Am 6. Auguft wurde Durlach, nachdem die Bewohner die Stadt hatten verlaffen müfjen, bi3 auf 5 Häufer ein Raub der Flammen. (Bergl. echt, Gejchichte der Stadt Durlach 142 ff. und Badenia J., Heidelberg 1864, ©. 1 ff.) Den 11. wurde Bretten, den 12. Goch3- beim, den 15. Pforzheim und jo auch Mühlburg, Staffort, Graben, Berghaujen, Remchingen, Ettlingen, Raftatt, Stollhofen, Steinbach, Kuppenheim, Hachberg, Baden (24. Auguft) verbrannt.

Im Jahre 1690 wurde Graben nochmal3 angezündet und um Jakobi 1691 der Reft von Durlach und Pforzheim auf’3 Neue aus- geplündert. Auch in den folgenden Jahren bewegten fich Friegführende Heere, bald Freund bald Feind, aber alle eine ſchwere Laſt für das Land, in unjerer Gegend. Endlich wurde zu Ryswick 1697 Frieden geichloffen, und obwohl der Markgraf feinen Geheimhofrat Hch. Wilh. Maler dorthin gejendet hatte, um für den Wiedererja feines 9 Mil- (tionen betragenden Landesſchadens zu wirken, jo konnte diejer doch nicht3 erreichen.

Noch war der Markgraf in Bafel. Hier aber traf ihn und die Seinen ein neues Unglüd, denn als man dort im Begriffe war, 1698 das Friedensfeſt zu feiern, brach am Worabend der Feier in dem Markgräflichen Haufe Feuer aus, das jo raſch und reißend um fich griff, daß der Markgraf mit den Seinen faum der drohenden Lebensgefahr entging, und der größte Teil der Mobilien und Bor- räte, jowie ein Teil der Bibliothet in Flammen aufging. Sofort mußte er auch dieje Zufluchtsftätte verlaffen und, da alle feine Schlöffer im Lande zerftört und unbewohnbar waren, jo begab er fich nad Grözingen, wo jeine Gemahlin, die Markgräfin Maria Auguſta von Holftein, 1681 das fog. „hohe Haus“, die fpäter nach ihr genannte Auguftenburg,, zu ihrem Sommerfig erloren und umgebaut hatte. 1699 wurde der Umbau von ihr vollendet und auch nach des Mark» grafen Tode bis zu ihrem Ableben 1728 bewohnt.

Bon bier aus begab fich Friedrich Magnus nach Pforzheim und dann wieder nach Durlach, wo ein Heiner Teil der Karlaburg wieder hergejtellt war.

Aber noch ſollte der vielgeprüfte Mann keine Ruhe zur Heilung der vielen, jeinem Lande gejchlagenen Wunden finden.

Er hatte jchon 1694 an dem Wiederaufbau der Karlaburg be- gonnen, aber erjt nach dem Frieden 1697 konnte ernſtlich an das Werk gegangen werden, 1698 war etwa ein Viertel des Schlofjes bewohnbar und wurde von dem Markgrafen bezogen.

1699 nahm er viele aus Frankreich geflüchtete Hugenotten in Durlach, Pforzheim, Mühlburg, Graben, Staffort, Stein, Auerbach, Mutjchelbah auf und Ließ durch fie Welſchneureuth und Friedrichs— thal anlegen. Im demjelben Jahre juchte eine große Rheinüber— ſchwemmung die ARheinorte heim.

Da brach im Jahre 1701 abermals der Krieg mit dem böfen Nachbar aus und brachte neue Kriegsnot durch Freund und Feind in’3 Land.

1703 mußte Friedrich Magnus wieder in feinem unterdeſſen mwiederhergeftellten Schloffe in Bafel Zuflucht juchen und blieb dort, bis er 1705 in die Karlaburg zurüdtehren konnte. Auch 1707, als die Franzoſen nach dem Tode ihres Friegserfahrenen Gegners, des Markgrafen Louis von Baden-Baden, die Stollhofener Linie durch- brachen und das Land bejegten, begab fich der Markgraf nochmals

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nach Bajel. Sechs Wochen lang vom 14. Juli 1707 an, lagert das Heer des Marſchalls Villars zwijchen Durlah und Mühlburg, und ebenjolang jteht ihm bei Durlach das deutjche Heer gegenüber, 1708 liegen die Neichstruppen bei Mühlburg Hinter den Ettlinger Linien, welche jich von Darland am Rhein bis Spefjart in’3 Gebirg er- jtredten. 1709 jchidte der Markgraf feinen Hofrath und Geheim- jefretär Peter Erhard Bürklin zu den im Gertrupdenburg ange fangenen Friedensverhandlungen, von wo derſelbe aber, da die Ver— bandlungen fich zerjchlugen, ohne Ergebnis heimkehrte.

Der Markgraf follte den wirklichen Frieden nicht erleben, denn am 25. Juni 1709 jtarb er, in Gegenwart feines Hofpredigerz, Kirchenrat Weininger, fromm und ergeben, in jeinem 63. Lebens- jahre und wurde den 13. Julı in Pforzheim beigejeßt.

Ein Mann von ausgezeichneter äußerer Wohlgeftalt und Schön- beit, aufrichtiger Frömmigkeit, männlicher Kraft und Standhaftigfeit in den zahlreichen trüben Erfahrungen jeiner Regierungszeit, von treuer Liebe zu jeinem Land und Volk und patriotijch hingebender Geſinnung gegen das große deutjche Vaterland, beſaß Friedrih Magnus nicht nur die Liebe jeiner Unterthanen, jondern auch die Achtung jeines Reichsober— hauptes und jeiner Mitfürften im Reiche in hohem Grade. Er hatte von jeiner Gemahlin Maria Augufta von Holftein-Gottorp, gejt. 1728, deren Schweiter Hedwig Eleonore mit König Karl Guftav von Schweden vermählt war, elf Kinder, von denen ſechs in früher Ju— gend fünf aber ihm überlebten, nämlich:

1. Katharina, geb. 1677, } 1746, vermählt mit dem Grafen von Zeiningen-Dachäburg,

2. Karl Wilhelm, geb. 1679, fein Nachfolger,

3. Johanna Elisabeth, geb. 1680, get. 1757, vermählt mit

Herzog Eberhard Ludwig von Würtemberg,

4. Albertine Friederife, geb. 1682, get. 1755, vermählt mit Ehriftian Auguft, Administrator von Schleswig-Holftein, deren Sohn Molf Friedrih König von Schweden wurde, und deren Enkelin Katharina II. von Rußland war,

5. Chriſtoph, geb. 9. Oktober 1684 zu Durlach, geft. 1723, ver-

mählt mit Marie Chrijtine Felicitas von Leiningen-Heidesheim.

Diejer Letztere, Markgraf Chriſtoph, des nachherigen Mark— grafen Karl Wilhelm jüngerer Bruder, bejuchte 1696 mit feinem Hofmeifter von Löwenſtern, wie dies bei allen badijchen Prinzen

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damals üblich war, die höhere Schule in Laufanne, machte von hier aus in Begleitung feines NReifehofmeifter und feines Reifepredigers, des nachherigen Pfarrers 3. ©. Ziegler in Kandern, eine Reife durch die Schweiz, Frankreich und die Niederlande und kehrte 1702 nad) Durlach zurüd.

So lange da3 badijche Fürftenhaus noch katholiſch war, widmeten ſich in der Regel die nachgeborenen Prinzen teil dem geiftlichen Stande, in welchem fie nicht allein reichliche Verforgung fanden, fon- dern meiftens zu höheren kirchlichen Würden emporftiegen, teils aber wählten fie den kriegeriſchen Beruf. Daß fie auch darin Tüchtiges leifteten, haben ſie alle bewiefen. So trat auch unfer Markgraf Ehriftoph 1703 in holländische und 1705 in kaiferliche Dienfte in die Schule feines Wetters, des berühmten Kriegshelden Markgraf Louis von Baden-Baden. Raſch ftieg er bier die militärische Stufen- leiter empor, wurde ſchon 1708 als 24jähriger Mann Oberft der faiferlichen Grenadiere, 1712 Oberſt eines Kreisregiments und 1719 Generalwachtmeifter. Als folcher erkrankte er, kehrte in die Heimat zurüd, ſtarb 1723 den 2. Mai in Karlarube im Alter von 38 Jahren und wurde in Pforzheim in der Gruft beigejekt.

Er hinterließ 3 Söhne, Karl Auguft, Eugen und Chriſtoph den Jüngern, welche wir fpäter näher kennen lernen werden. Seine Wittwe vermählte fich im zweiter Ehe 1727 mit dem Herzog von Sadjen-Eijenach, überlebte auch diefen und ftarb 1734.

Wir kehren zu Chriſtophs älterm Bruder, dem Erbprinzen und nachherigen Markgrafen Karl Wilhelm, dem Gründer von Karlarube, zurüd.

Karl Wilhelm, als der Sohn de3 Markgrafen Friedrich Magnus und feiner Gemahlin Maria Augufta 1679 den 18. Januar zu Durlach geboren und den 30. getauft, war ein trefflich begabter, auch Eörperlich mohlgeratener Knabe. Schon in feinem 14. Jahre war er mehrerer Sprachen mächtig, und feine äußere Entwidelung wurde eine fo hervorragende, daß Schöpflin fpäter von ihm jagen fonnte, die Natur, nicht wiſſend, ob fie aus ihm einen Herkules, oder einen Amor machen jolle, babe ihn zu beiden gemadt. In den achtziger Jahren war Karl Lembke fein erfter Lehrer in Religion, Sprachen und Geſchichte. 1689 ſah er als Knabe die Verwüſtung jeines Landes, ging 1690 mit feinem Hofmeifter Joh. Bernh. von Gemmingen, welcher ala Obervogt in Lörrach ftarb, zum Studium

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nach Zaufanne und Genf und 1692 an die Univerfität Utrecht, wo er fich als lernbegieriger und begabter Schüler erwies und fleikig feine Gollegienbefte über Bolitit, Gejchichte und Jurisprudenz nadh- jchrieb. Won bier aus bejuchte er 1693 mit feinem Verwandten, Markgraf Ludwig von Baden, London, wo er mit diefem einer Be— ratung über den franzöfiichen Krieg anwohnte. 1694 im Januar machte er eine nochmalige Reife nach England, verließ im Sommer beffelben Jahres Utrecht und trat jofort in das Heer des Markgrafen Ludwig ein, in welchem auch feines Vaters Bruder Karl Guftav, ala Teldzeugmeifter ftand. In demjelben Jahre mohnte er jchon ala taiferlicher Oberft der Belagerung von Gafale in Italien bei und machte von da eine Meile nach Neapel. Auf der Rüdreife aus Italien nach Bajel zu feinem dorthin geflüchteten Water, entging er in Florenz glüdlich dem Tode, da der von ihm kaum verlafjene Palaft einftürzte. Wieder trat er 1695 in die Reichsarmee ein, machte aber 1696, be- gleitet von Wolfgang Kuno von Wallbrunn, jpäterem Übervogt in Pforzheim, eine Reife an die nordbeutichen Höfe und nad Schweden und bejuchte in Stodholm die Wittwe dee Königs Karl Guſtav, die Schmwefter feiner Mutter. Die damals geplante Heirat mit ber Tochter Karla XI., welche ihm die Anwartichaft auf den ſchwediſchen Thron verjchafft hätte, kam jedoch nicht zuftande, ein Plan, bei defien Verwirklichung höchft wahrfcheinlich nie ein Karla- rube entftanden wäre. Im Öftober 1696 kehrte er über Kopenhagen und Berlin nah Baſel zurüd, wo fein Water fich noch aufbielt. Dort feierte er den 8. Juli 1697 feine Vermählung mit Magdalena Wilhelmine, der Tochter des Herzogs Ludwig Wilhelm von Würtem- berg und ber Schwefter des regierenden Herzogs Eberhard Ludwig, welcher jelbft fich am gleichen Tage mit Karl Wilhelms Schweiter Johanna Elifabeth vermählte. Beide Ehen waren keine glüdlichen. Die Ehe Karl Wilhelms mit der würtembergijchen Prinzeifin wurde bald ſchon äußerlich durch die Kriegsereignifie getrennt, den badischen Erbprinzen rief feine Pflicht und jeine Neigung in das Feld, feine junge Gemahlin aber, nachdem fie 1701 ihren älteften Sohn Karl Magnus geboren, flüchtete vor der drohenden Kriegs- gefahr zu ihrem Bruder nach Stuttgart, mo fie 1703 den 7. Oftober ihren zweiten Sohn Friedrich, gebar. Karl Wilhelm, welcher 1701 Oberſt und Generalmwachtmeifter geworden war, nahm fortan jehr thätigen Anteil an dem jeit 1702 erklärten Kriege gegen Frankreich

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und zwar zunächſt au der durch Markgraf Ludwig geleiteten Be— lagerung von Landau, bei welcher er, einen feindlichen Ausfall ſiegreich zurüdjchlagend, am 14. Auguſt 1702 durch einen Schuk verwundet wurde, jo daß er nach Durlady gebracht werden mußte. Noc nicht völlig geheilt, eilte ev wieder ins Feld, nahm bervor- ragenden Anteil an der Schlacht bei Friedlingen, übernahm dort, au Stelle des vermundeten Grafen von Fürftenberg, mit dem Markgrafen Friedrich von Ansbach die Führung der Infanterie und trieb jeiner- jeitö den Feind zurüd. Much bier wurde er verwundet und auf Die Fürjprache des Markgrafen Ludwig, welcher Zeuge jeiner ausgezeich- neten Tapferkeit und Umficht gewejen war, zum Generalfeldmarfchall- (eutnant des ſchwäbiſchen SKreijes ernannt. 1703 kämpfte er an den Bühler und Stollbofener Linien und fommandirte 1704 am 13. Auguft in der biutigen Schlacht bei Höchftädt unter Prinz Eugen von Savoyen die Reiterei des rechten Flügels. Viermal ftürmte ex mit derjelben zum Angriff, beim vierten rettete ihn jein Reitknecht Aberle durch einen rechtzeitigen Schuß vor dem Säbelhieb eines franzöſiſchen Küraſſiers und eroberte zugleich eine franzöſiſche Fahne. Schon im September 1704 fteht er mieder vor Landau, wo er jeine erprobte Tapferkeit auf's neue bewährte, bis die Feſtung den 25. November fiel.

1705 wird er Generalzeugmeifter des ſchwäbiſchen Bundes und verteidigt die Lauterburger Linien gegen den Marjchall Villars, drängt diejen bis Hagenau zurüd und behält im Winter die Aufficht über die Stellungen des deutjchen Heeres am Rhein. Much im nächjten Jahre fteht er wieder als Stellvertreter des Höchſtkommandirenden v. Thüngen dieſſeits und jemfeits des Rheines dem Feinde gegenüber. Zum Unglüd für die deutjche Sache aber ftarb den 4. Januar 1707 in Raftatt der Huge und kriegskundige Führer des Heeres, Mark— graf Ludwig von Baden.

1707 muß fih Karl Wilhelm vor der überall vordringenden Webermacht des Feindes nach Pforzheim und Kannjtatt zurüdziehen und begibt fich mit 2 Regimentern Fußvolk und jechzig Reitern im Juni von da nach Ulm, wo er infolge eines durch einen Sturz vom Verde erlittenen Beinbruchs den Winter zubringt. Aber jchon das Frühjahr 1708 fieht ihm wieder an den Stollhofener Linien und bringt ihm am 12. Mai die Beitallung als kaiſerlicher Generalfeld- zeugmeiſter.

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Der am 25. Juni 1709 erfolgte Tod feines Vaters rief ihn von dem Felde Friegeriicher Ehren nach einem Felde Friedlicherer Arbeit. Er legte daher fein Kommando nieder und kehrte nad Dur- lach zurüd.

Noch aber war der ſpaniſche Succeffionäkrieg nicht zu Ende, wenn er auch infolge beiderjeitiger Erjchöpfung und veränderter politifcher Verhältnifje, welche ingbejondere durch den 1711 erfolgten Tod des Kaiſers Joſef I. von Deftreich veranlaßt wurden, mit weniger Nachdrud und Heftigkeit geführt wurde, jo daß unjer Marf- graf 1711 in Ungelegenheit feiner Blumenzucht eine Reife nad) Holland und im gleichen Jahre zur Begrüßung des neuen Kaiſers nah Innsbruck und von da nach Venedig unternehmen konnte. 1712 ftanden die Deftreicher im Lager bei Mühlburg unter dem Herzog Ludwig Eberhard von Würtemberg, 1713 ebenjo beutjche Truppen bei Durlach.

1713 Hatten England und Holland in Utrecht mit Frankreich Frieden geichloffen, 1713 auf 14 fanden in Raftatt zwifchen dem Prinzen Eugen und Marichall Villars Friedensverhandlungen ftatt, denen auch unfer Markgraf anmohnte, und 1714 am 7. Dftober wurde zu Baden im Aargau auch mit dem beutjchen Reiche der langerjehnte Frieden vereinbart, bei welchem Babden-Durlach ohne alle Entichädigung blieb, obwohl der markgräfliche Gejandte, Ge- heimrat Stadelmann, dort aufs Träftigfte die Forderungen feines Heren vertreten hatte.

1715 ftellte der Markgraf auf 10 Jahre ein Regiment von 2500 Mann in taiferlichen Dienft gegen die Türken, wmelches bei Beterwarbein und Belgrad unter Prinz Eugens Führung ſich durch Tapferkeit auszeichnete und 1725 ganz in kaiſerlichem Dienfte blieb. 1714 hatte Karl Wilhelm nach gejchloffenem Frieden die kaiferliche Belehnung erhalten und 1715 mwurde er zum Generalfeldmarjchall ernannt. In diefe Zeit fällt die Gründung feiner neuen Refidenz. Doc follte er auch gegen das Ende jeines Leben? noch einmal die Drangfale des Krieges über fich und fein Land ergehen laſſen. Es brach 1733 der polnische Erbfolge-Krieg aus, und obwohl unfer Markgraf Laiferlicher Feldmarſchall war, lehnte er doch, um fein Land zu fchonen, die Uebernahme des Heerbefehls ab.

1733 ftehen fich Deftreicher und Franzoſen bei Mühlburg gegenüber, und Biron mit 1500 Ruſſen in Größingen, aber bie

Uebermacht der Feinde zwingt die Deftreicher zurückzuweichen. Der Markgraf hatte fich im Oftober 1733 mit dem Reifemarfchall Schott von Schottenftein nach Bajel begeben, die Markgräfin aber blieb mit zwei Prinzen in Durlach, wohin der franzöfijche General, ſobald ihm bies befannt geworden, eine Wache als Schuß für diejelbe jchidte, wie denn die Markgräfin von allen Barteien mit Achtung behandelt wurde.

1734 den 5. Mai ftehen die Franzoſen unter Berwick wieder bei Mühlburg, am 7. Mai bei Graben, am 1. Mai bei Bruchlal, und Prinz Eugen bat in dem gleichen Monat in Karlsruhe fein Hauptquartier, während die Franzoſen auch von Süden ber die Ettlinger Linien angreifen.

1735 wurde, um die Franzoſen von weiterem Vordringen abzu- halten, die Alb von Ettlingen ber in die Pfinz geleitet, und zugleich die Pfinz geftaut, jo daß alles Land längs des Gebirges zwiſchen Ettlingen, Bruchjal und Bhilippsburg unter Wafler gejegt wurde. Im September 1736 kehrte der Markgraf von Bafel zurüd. Der Krieg war, die Kriegszahlungen abgerechnet, ohne erheblichen Schaden für das Land abgegangen.

Ein Beweis für diefen milden Kriegsverlauf ift auch, daß während deſſelben verjchiedene Bauarbeiten an dem Markgräflichen Schloffe, jowie an dem Badhaus in Langenſteinbach vorgenommen wurden.

Wir haben unfern Markgrafen bisher als einen tüchtigen, perjün- ih tapfern Kriegsmann kennen gelernt, die Bilder, die wir von ihm befigen, wovon wir eines in dem Rathaus zu Durlach, das andere in dem zu Karlsruhe bejonders vor Augen haben, zeigen ihn ung al3 einen großen, ftattlichen (in jpätern Jahren dick geworden), breit» jchufterigen Mann, mit vollen blühenden Angeficht, deſſen ganze äußere Erjcheinung den Eindrud männlicher Kraft und wohlthifender Milde und Freundlichkeit macht.

Er hatte, wie wir jchon oben bemerkt, eine jorgfältige Erziehung genofjen, und die vielfachen Mittel und Gelegenheiten zu vielfeitiger Ausbildung gewiſſenhaft und eifrig benutzt. Er war ein nach immer höherer Entwidelung ftrebender, forjchender, lebhafter, ſcharfblickender Geift, freundlich und wohlwollend, tapfer und heldenmütig im Kampfe, gewiffenhaft und arbeitiam in Gejchäften. Jedem Unterthanen willig Gehör jchentend, hatte er den Dienftag zu folchen für Jeden zugäng- lichen Audienzen beftimmt, und feine wohlthätige Hand brachte im Stillen manchem Notleidenden Troft und Hilfe. Die Regierungs-

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geichäfte gingen möglichft alle durch feine Hand, alle Vorträge und Vorlagen feiner Staatsbehörden wurden genau von ihm geprüft, und in der Megel fügte er denjelben, oft in lakoniſcher Kürze, nicht jelten in patriarchalifcher, derber Form, feinen Beſcheid bei. Als ſolche kurze Beicheide führen wir an: „fiat, placet, abzumeijen, laſſirt, bleibt dabei,“ auch derbe Bezeichnungen, wie: „tüchtiger Kerl, gräulicher Lump, verjoffener Lumpenhund, ift nichts nuß, verfteht nichts, bekommt keine Weinzulage, weil er zuviel jauft, was ich ihm an feinen drei Nafen anſehe“ u. a.

Ein alter, jonft treuer und brauchbarer Forftmann erhielt den Beicheid: ich fehe es ihm an der’roten Naſe an, daß er gern und guten Wein jauft, man gebe ihm erfter Klaſſe.

In zweifelhaften Fällen holte er die Gutachten ausmwärtiger Univerfitäten ein. Nicht felten bejuchte er ſelbſt die Gerichtshöfe, . oder vifitirte unerwartet feine Beamten im Land, von denen er ftreng gewifienhafte Pflichterfüllung forderte, kontrollirte auf’3 genauefte die Verwaltung der Finanzen und die Ausgaben feiner Rentkammer, fo daß er da8 bei feinem Regierungsantritt durch Kriegsnot berarmte und erfchöpfte Land allmälig wieder zu gedeihlichem Wohlftand empor brachte, die Kaſſen wieder füllte, und die Schulden bezahlte, welche 1724 1041647 fl. und nach feinem Tode nur noch 208000 fl. betrugen.

Der Reiſende von Pöllnig, ein feiner Beobachter, welcher vom 1. bis 15. Februar 1730 bier verweilte, jagt in feinen Memoiren : ber Markgraf fei did, arbeite mit feinen Räten, mache chemifche Verfuche und jei im Zeichnen nicht ungeübt, er gebe an beftimmten Tagen Uudienzen und fei für Jedermann zugänglich, gehe zumeilen auf die Jagd, fpeife wenig zu Abend, lege fich früh zu Bett und ftehe um 5 Uhr morgens auf, um in der Morgenkühle in feinen Gärten jpazieren zu gehen. Derjelbe habe Freude an Land» und Gartenbau, fei mäßig, vieljeitig gebildet, ein angenehmer Geſell— Ichafter, ſpreche geläufig mehrere Sprachen, habe gefällige und lie benswürdige Manieren, empfange gern Fremde und fei ein Freund des Adels, an Sonn- und Feſttagen jpeile er mit feinem Sohn, dem Erbprinzen und defien Gemahlin, wobei die Tafel von ſechszehn Ge— dbeden mehr fein als reich ſei. Er habe an jeinem Hofe noch drei Neffen, Söhne jeines Bruders Chriftoph, unter ihrem Hofmeifter, dem Baron von Gemmingen. Die Markgräfin wohne in Durlach und fomme nur an Feſttagen und bei fremden Bejuchen nach Karlsruhe.

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Dies Führt uns auf eine Schattenfeite in dem Leben unjeres Markgrafen, welche übrigens großenteil3 in den Hofjitten damaliger Zeit, in den jpeziellen Neigungen Karl Wilhelms für tbeatralische Auftübrungen und Gartenbau, in dem perjönlichen Verhältniſſe zwi— ichen dem Markgrafen, einem von Kraft und Gejundbeit ftrogenden, bildichönen Manne, und jeiner Gemahlin, einer, nach ihrem Bilde in dem Durlacher Rathausſale, äußerlich häßlichen, kränklich, und nicht? weniger als lebensluſtig ausjebenden Dame, ſowie auch aller- dings in den eigentümlichen leichtfertigen Sonderlingsliebhabereien des Markgrafen ihre Erklärung findet.

Schon ein älteres topograpbiiches Lexikon von Fritſch II. 92 jagt von dem frühern Hof in Durlach, an dieſem Orte ſei ein ichöner Xuftgarten, worin der Markgraf ein Bebältnis von etlich 100 des artigften Frauenzimmers unter jcharfer Aufficht im Tanzen, Singen und Nähen unterrichten laſſe.

Tie befannte Lotte Life, die Herzogin Charlotte Elijabeth von Orleans gibt zwar im ihren Briefen an die Raugräftn aus den Jahren 1719 und 20 in ihrer derben Ausdrucksweiſe eine jehr draftiiche Schilderung von dem markgräflichen Hofe in Karlsrube, weiß aber jchon von dem Jahre 1720 eine Beſſerung der Zuſtände und des Verhältniſſes beider Ehegatten zu rühmen, jo daß die Markgräfn, obwohl in Durlach wohnend, doch bei bejonderen Hof- teftlichkeiten mit ihrem Gemahl zujammen erjchien.

Der Markgraf hatte in jeinem Schlofje ein Ball- und Opern— haus erbaut, und da um jene Zeit in Deutichland meistens wandernde Schauipielertruppen, jtändige Sänger: und Tängergejellichaften aber, bejonders au fleinern Höfen, nicht vorhanden waren, jo mußten Fürſten, welche bejonderes Vergnügen an jolchen Aufführungen fanden, aus ihrer nähern Umgebung für die Heranbildung eines dazu dienlichen Berjonales jorgen.

Daher finden wir auch in den Akten eine ziemliche Anzahl von Hofjängerinnen angeführt, derer Namen beinahe alle einheimische, der nächiten Nähe angehörige find, deren Zabl aber in Uebereinſtimmung mit oben angeführter Nachricht der Herzogin von Orleans von 1720 jeit dem Jahre 1723 in auffälliger Weiſe abnimmt.

Der vorerwähnte Pöllnitz berichtet zwar von 1730, der Markgraf babe 60 Frauenzimmer in jeinem Dienfte, von denen aber nur acht täglich zur Dienftleiftung bei Hof, zum Serviven bei Tiſch befohlen

ſeien, andere acht mußten als Huſaren gekleidet, den Markgrafen auf ſeinen Ausritten begleiten. Die Meiſten dieſer Frauen verſtänden Muſik und Tanz, hätten bei den Opern, muſikaliſchen Aufführungen und Balletten im Schloß und in der Schloßfapelle mitzuwirken und wohnten im Schloffe.

Zu den Angaben von Pöllnik, welcher bei nur kürzerem Auf- enthalt die Verhältniffe wohl nicht fo genau kennen lernen Tonnte, haben wir übrigens zu bemerken, daß ſchon Lange vor feinem Beſuche in Karlsruhe ziemlich viele Hoflängerinnen in der Stabt wohnten, wo fie eigene Häufer bejaßen, die fie durch allmälige Abzüge von ihrem Gehalt bezahlten, und daß zu feinen 60 FFrauenzimmern wohl auch die Taglöhnerinnen aus Klein-Karlsruhe zu zählen find, welche verpflichtet waren, zu der Pflege der Schloßgärten und Schloßanlagen Frondienfte zu leiften und wohl auch von dem Hofe aus ihr Ejien erhielten. Während nämlich anfangs die Männer dazu verpflichtet waren, erhielten dieſe auf befondere Bitte von dem Markgrafen die Erlaubnis, zu dieſen leichten Gartenarbeiten ihre Töchter zu fchiden.

Bei all diefem fteht jedenfalls feit, daß dadurch den großen Regententugenden Karls kein Eintrag geſchah, daß dieje Verhältniſſe der Handhabung ftrengfter Gerechtigkeit feinen andern Unterthanen gegenüber durchaus feinen Abbruch thaten, daß er in allen Stüden ein felbftändiger und von Gunft und Haß unbeeinflußter Regent blieb. Vollkommen ift ja fein Sterblicher.

1724 reiste er nach Bifchweiler, dem Site des Pfalzgrafen von Birkenfeld, und von da mit dem Herzog von Würtemberg, feinem Schwager nad Straßburg, wo fie mit militärifchem Geleite unter Ranonendonner empfangen, in dem Birkenfelder Hofe, ihrem Abfteige- quartier, als Ehrenwache eine Kompagnie Grenadiere erhielten, hier- auf der Trauung des Königs Ludwigs XV. mit Maria Leszinska, der Tochter des Königs Stanislaus Leszinsky, im Dome beimohnten, das Baar bis Eljaßzabern begleiteten und ſodann über Straßburg und Kehl nah Karlsruhe zurüdkehrten. Ueberhaupt ftand er mit Stanislaus auf jo freundlichem Fuße, daß er demjelben u. a. in Kronweißenburg einen achttägigen Beſuch abftattete.

Schon 11 Jahre vor feinem Tode, im Jahre 1727 hatte Bau- meifter Hemberger nach des Markgrafen Willen ein Modell zu einem Grabmal entworfen, welcher Entwurf von ihm geprüft und durch eine eigenhändig beigejeßte Bemerkung gutgeheißen wurde. Das Dent-

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mal ſtellte auf mehrgliedrigem Sockel einen vierſeitigen Obelisk mit ſchlanker Spitze vor, an deren Ende eine Sternſonne angebracht war. Die von Karl Wilhelm ebenfalls gebilligte, wahrjcheinlich nach ſeiner Angabe verfaßte Injchrift, welche an einer Seite des Obelisfes jtehen jollte, lautete:

Primum Hie Requiem -- quaesivi In hoc tumulo illam invenire spero.. Nudus sine ornamentis mundanis hie requiesco in Domino ineffabili Vale eivitas Populusque et semper quietem in corde habe quam sperat Carolus.

Deutich: Zuerft juchte ich bier Ruhe, in diefem Grabhügel hoffe ich jte zu finden. Nadt, ohne weltlichen Schmud rube ich bier in dem unausjprechlichen Gott. Lebe wohl, du Stadt und Volk und habe immer den Frieden im Herzen, auf welchen Karl hofft!

Diejer Entwurf ift noch bei den Akten des Archives vorhanden. Wenn derjelbe auch nicht in Anwendung kam, jo beweist er una doch, dak bei dem Markgrafen eine ernjte Stimmung eingetreten war, und er an die Möglichkeit eines nicht allzu fernen Todes dachte.

Bei zunehmender Dide und Körperjchwäche wurde ihm das Atmen mehr und mehr beichwerlid. Den 6. Juni 1737, nad): mittagg 2 Ubr, traf ibn ein Schlaganfall, wovon er fich zwar wieder jomeit erholte, daß er jeinen Gejchäften jich widmen konnte, aber am 12. Mai 1738, morgens, wiederholte ſich der Anfall, er fieß ſich nach jeiner jonjtigen Gewohnheit ein Kapitel aus der Bibel vorlejen, wurde unmittelbar darauf von heftiger Atmungsnot befallen und bald nah 4 Uhr batte er in Gegenwart des Hofpredigerd Stein zu leben aufgebört. Er erreichte ein Alter von 59 Jahren. Seine Leiche wurde einbaljamirt, am 18. und 19. Mat im Schloſſe ausgeftellt und den 19. Mai nachts 12 Uhr, in aller Stille, mie er befoblen hatte, in einer Gruft unter dem Altar dev Stadtkirche beigejeßt, nachdent jeine Eingeweide mit dem Herzen nach Pforzheim gebracht worden waren. Der Beifegung in der Stadtkirche wohnten nur der Oberjtallmeifter von Schott und der Geheimhofrat Referendär Joh. Ernft Bürklin bei.

Den 6. Juli, von Abends 8 Uhr au, wurde die kirchliche Toten: feier, die Erxequien in der Karlsruher Stadtkirche abgehalten.

Bor dem Altar ftand das fog. castrum doloris, der Trauer: katafalt mit etlichen Tauſend Wachslichtern und Glaslampen beleuchtet.

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Der Trauerzug bewegte ſich vom Schloß aus durch die mit Fackeln und Pechpfannen erfeuchtete Allee von Pomeranzenbäumen durch den vordern Schloßgarten (Schloßplag) zur Kirche. Der leere fürſtliche Sarg, mit rotem Sammet, goldenen Borten und Franjen geſchmückt, nit 18 Handbaben ‚und auf acht vergoldeten Kugeln ftehend, wurde aus dem Schloß durch 16 adelige Vaſallen an den achtſpännigen Leichenwagen getragen und von 16 Mitgliedern des Stadtrates und der Bürgerjcehaft in denjelben bineingehoben, und in ähnlicher Weiſe wurde bei dem Herausnehmen des Sarges aus dem Wagen und der Anfſtellung defjelben auf dem Trauergerüfte in der Kirche verfahren. Der Leichenwagen jelbjt war durch den Magiftrat mit einer ſchwarzen Sammetderte mit weißem Kreuz und 32 Wappen des fürjtlichen Hauſes bededt worden. Die Feier in der Kirche dauerte von abends 8 Uhr bis morgens 4 Uhr. Die Leichenpredigt bielt der Kirchenrat, Dberbofprediger Franz Rudolf Krüger über Jerem. 5, 16, die Perjonalien verlas Hofprediger oh. Fr. Stein und die Abdankungsrede ſprach der Kircheurat und Superintendent Phil. Jak. Bürklin von Pforzheim. Su der 1697 gejchlojienen Ehe des Markgrafen mit Maria Magdalena von Würtemberg wurden drei Kinder geboren, nämlich: 1. Karl Magnus, geb. 21. Januar 1701, geit. 12. Ja— nuar 1712 in Lauſanne, two er mit feinem Bruder war (in Bajel in dem Münſterchor beerdigt).

2. Friedrich, geb. 7. Oktober 1703 in Stuttgart, wo ſeine Mutter auf der Flucht war.

3. Auguſte Magdalena, geb. 1706, geit. 1709 in Baſel.

Schon 1711, im Alter von acht Jahren, begab ſich der nad): malige Erbpring Friedrich mit jeinem zwei Jabre Altern Bruder Karl Magnus, im Begleitung des Barons Friedrich Emich von Uexküll, welcher jpäter eriter Meinifter, Geheimrat, Kirchenrats- und Ebe- gerichtspräfident wurde und 1768 84 Jahre alt jtarb, und des Grafen Friedrich von Leiningen, nad) Yaujanne. Hier jtarb 1712 der ältere Bruder Karl Magnus, und ſomit war dev zweite, Friedrich berufen, einjt des Vaters Nachfolger zu werden. 1714 verlieh der Prinz Lauſanne und Genf, reiste durch Südfrankreich nach Paris, wo er bei Hof empfangen wurde, febrte im Oftober nach Genf und Lauſaune zurück, we ev bejonders Matbematit jtndirte und machte 1708 mit den beiden Weijefavalieren von Wallbrumm und von Schi:

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ling, dem Informator Gebeimrat und Xebensprobjt Gellarius, ſowie dem Yeibarzt Dr. Sulzer, dem Kandidaten Zachmann, und als diejer in Baris ftarb, dem Phil. Jak. Bürklin als Reiſeprediger jeine zweite Reiſe nach Paris. 1720 reiste ev nach Holland, 1721 nach England, kam nach Bejuchen an den Höfen von Kafjel, Darnıftadt und Mannheim, den 1. September 1723 nach Karlarube zurüd und erbielt nun einen eigenen Hofſtaat. 1724 wird er Kreisoberit, verlobt ſich 1726, den 26. Juni, in Amsterdam mit Anna Charlotte Amalie, geb. den 13. Oftober 1710, der Tochter des Erbitattbalters von Friesland, Rob. Wilb. Friſo von Oranien, und feierte jeine Vermählung den 3. Juli 1727 in Leuwarden. Am 8. September erfolgt der feier: liche Einzug der Neuvermäblten in Karlsruhe, wobei ganz Karls: ruhe, auch alle Gänge und Gebüjche des vordern Schloßgartens befeuchtet waren, und die Feitlichkeiten mehrere Tage fortdanerten. Das junge Paar bewohnte von da am den an dem Schloßplag ge- fegenen öftlichen Teil der jug. Kanzlei, des jegigen Minifteriums des Innern, wo auch beide Söhne deijelben geboren wurden.

Als 1729 jein Vater Karl Wilhelm eine Reiſe nach Holland machte, fübrte er während dejjen Abweſenheit die Regierung. Es wurden ihm zwei Söhne geboren, Karl Friedrich den 22. No- vember 1728, und Milbelm Ludwig den 14. Jaunar 1732. Seine Gemablin wurde jedoch infolge der Niederkunft mit dem zweiten Knaben geiſteskrank, kam nach Durlach in die Karlaburg zur Pflege und Verwahrung und jtarb dafjelbit nach langjährigen Leiden 1777.

Doch auch des Erbprinzen, ihres Gatten, Gejundheit war eine ſchwache. Im Frühjahr 1732 erkrankte er an einem Bruſtleiden, welches einen jo raſchen Verlauf nahm, daß er demſelben in Stutt— zart jehon nach wenigen Wochen, den 26. März erlag. Er hatte nur ein Alter von 28 Jahren, 5 Monaten, 18 Tagen erreicht und wurde in Pforzheim beigejeßt. Die für alle Kirchen des Landes auf den 4. Mat angeordnete Leichenpredigt behandelte den von ihm jelbjt gewählten Text Philemon 1, 2, 3.

Der jo früh VBerjtorbene wird als ein Mann unter Mittelgröfe, mebr jchmächtigen Körperbaues geichildert. Er war ein alljeitig ge: bildeter, veich begabter junger Fürſt, wicht jo lebhaft und vajch wie jein Vater, janften, woblwollenden Charakters, angenebm und böflich in jenem äußern Auftreten.

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So hatte nun Markgraf Karl Wilhelm auch feinen zweiten Sohn verloren, und jo jchwer wurde ihm der Verluft, daß er bis zu feinem Tode das Trauergewand beibehielt. Aber er hatte nun auch die Drdnung der Nachfolge zu regeln.

So beitimmte er denn, daß nach feinem Tode während der Minderjährigkeit feines Enkels Karl Friedrich eine Regentichaft eingejeßt werden ſollte, bejtehend aus feiner Gemahlin Maria Mag- dalena und dem Markgrafen Karl Auguft, feines Bruders Chriftoph älteftem Sohne, welchen das Geheimratscollegium als Negentichaftsrat beigegeben wurde.

Außerdem follte nach dem Teftament einer der Geheimräte Erzieher des Prinzen jein, „jo daß man denjelben in allen anftändigen Wiſſenſchaften informiren und von den Angelegenheiten des Haufes und von dem Zuftand der Land und Leute forgfältig unterrichten, und auf ſolche Weile nah und nach in den Gejchäften einleiten ſolle.“

Die Markgräfin Maria Magdalena, welche ſchon bei der Ueber— ſiedlung des Markgrafen Karl Wilhelm in die neue Reſidenz in der alten geblieben war, ſetzte auch die Erziehung der beiden Knaben, ihrer Enkel, hier fort, lebte als Wohlthäterin der Armen, ſchmückte Altäre und Kanzeln im Lande mit ihren Gaben und gründete Stif— tungen für unbemittelte Studirende. Aber ſchon den 30. Oltober 1742 ſtarb ſie in Durlach, von allen, die ſie kannten, auf's Tiefſte betrauert. In aller Stille wurde ihre ſterbliche Hülle, wie ſie verordnet hatte, nach Pforzheim in die Gruft verbracht.

An ihre Stelle trat 1743 laut Teſtamentsbeſtimmung der jüngere Bruderſohn Karl Wilhelms, Prinz Karl Wilhelm Eugen, der aber bald wieder in den Krieg zog, und die alleinige Regentſchaft dem Markgrafen Karl Auguſt überließ, welcher, in dem Schloſſe zu Karlsruhe wohnend, die Regierung bis zur Volljährigkeit Karl Friedrichs in dem Sinn und Geiſt ſeines Oheims, des verſtorbenen Markgrafen fortführte.

Es ſei uns hier geſtattet, einen kurzen Ueberblick über das Leben des mehrgenannten Markgrafen Karl Auguſt und ſeiner beiden Brü— der zu geben, obwohl dieſelben mit ihrer größern Lebenszeit der Regierungszeit Karl Friedrichs angehören.

1. Markgraf Karl Auguſt Reinhold, Chriſtophs des Aeltern erſtgeborener Sohn, geb. 1712 am 14. November in Durlach, und

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da ſein Vater, Karl Wilhelms Bruder ſchon 1723 geſtorben war, mit ſeinen beiden jüngern Brüdern Eugen und Chriſtoph an dem Hof ihres Oheims, des Markgrafen, erzogen, ging zuerſt 1727 mit ſeinen zwei Brüdern nach Lauſanne und auf Reiſen, 1732 wurde Karl Auguſt Kreisoberſt, 1735 Generalwachtmeiſter unter Prinz Eugen, wurde 1738 nach ſeines Oheims Tod Landesadminiſtrator und nahm in dem Lande die Huldigung für den minderjährigen Karl Friedrich vor. In dem öſtreichiſchen Erbfolgekrieg blieb er mit ſeinem Land neutral, wurde 1742 kaiſerlicher Generalwachtmeiſter, 1743 Generalfeldmarſchallleutnant, und legte den 22. November 1746 die Regentſchaft in Karl Friedrichs Hände nieder, nachdem er ſie in ſparſamer und wohlgeordneter Weiſe geführt hatte. 1753 wurde er Reichsgeneralfeldzeugmeiſter, zog in dem 7jährigen Kriege 1757, 58 und 59 mit der Reichdarmee gegen Preußen, wurde 1760 Gene- ralfeldmarschall und zog fich in diefem Jahr nach Durlach zurüd, wo er zuerjt in dem ſog. Schlößchen und jeit 1764 in dem jeßigen Amtshaus wohnte, 1786 den 31. Mai ftarb und in der dortigen Stadtkirche begraben wurde.

1884 bei Erneuerung der Kirche wurde er nebft feinem 1789 verstorbenen Bruder Ehriftoph neu eingejargt, und ihm an dem Chor- eingange eine Gedenktafel errichtet.

2. Sein nächfter Bruder, Karl Wilhelm Eugen, geb. 13. No- vember 1713, tritt ebenjo wie jein älterer Bruder, in den Kriegsdienft, und zwar in dem Taiferlichen Regiment Altbaden. ©. oben ©. 20.

1742 tritt er im fardinischen Dienjt und wirbt für den König von Sardinien in Baden ein Regiment, das er ala Oberft in Ober- italien gegen die Spanier führte. 1743 wird er an der Stelle der verftorbenen Markgräfin Mitglied der Regentichaft in Karlsruhe, kehrt aber jchon im Januar 1744 in bie fardinifche Armee zurüd, wo er 1749 zum Generalleutnant, 1771 zum General der Infanterie vor- trüdte. Weil er in Deftreich katholiſch geworden, lebte er zulegt in Baden-Baden und ftarb dajelbft 1788.

3. Auch der Jüngſte der drei Brüder, Markgraf Chriftoph der Jüngere, geb. den 5. Juni 1717 in Durlach, wurde ein tüchtiger Kriegsmann. Schon mit 17 Jahren Hauptmann in öftreichichen Dienften, kämpfte er in Italien, am Rhein, im Türkenkrieg, in dem Öftreichifchen Erbfolgetrieg, in dem 7jähr. Krieg allenthalben mit großer Tapferkeit und ftieg bis zur Würde eines kaiſerlichen General-

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feldmarſchalls empor. Eine wiederholt aufgebrochene Fußwunde zwang ihn ſchon 1761 zur Rückkehr in die Heimat, wo er mit Ausnahme einer Reife nach Steiermart 1770 zu jeinem Regiment, in feinem Haufe, jest Waldhornftraße Nr. 3, bis zu jeinem den 18. Dezember 1789 erfolgten Tode wohnte. Er wurde in der Stadtfirche zu Dur- (ach) neben jeinem Bruder Karl Auguſt beigeſetzt.

Nah dem Tode jeiner erften Gemahlin, einem Fräulein von Uertüll, vermählte er fich den 28. September 1779 in morganatifcher Ehe mit der Wittwe des Borzellanmalers Hblliſcher, Maria Katharina geb. Fuchs von Durlach.

Das Militär. Ein jo Kleines und politisch unſelbſtändiges Land, wie es unſer Baden-Durlach war, konnte bei der damaligen Verfaſſung des deutjchen Neiches Feine militärische Bedeutung haben, und in diefem Ländchen waren ja auch vorzugsweiſe die Drangjale der franzöfiichen Kriege jchwer empfunden worden, jo daß e3 auch aus diefem Grunde gezwungen war, die Ausgaben für das ohnehin nuglofe Militär auf das Notwendigfte zu bejchränten.

Die großen Mächte in Europa, Frankreich, England, Deftreich und Preußen, führten die großen Kriege, fie hatten nach und nach ftehende Heere eingeführt, und die Heinen Reichsfürſten und Reichsſtände jtellten zur Reichsarmee oft läflig und mangelhaft genug ihre Kreis- fontingente. Daher beichränfte fich der Militärdienft in Friedenszeiten auf die Dienftleiftung als fürftliche Leibwache oder auch auf die polizeiliche Verwendung ala Sicherheitsmannfchaft im Lande. So war es auch in unjerm Baben.

Nach der, im Verhältnis zur Größe feines Landes gewaltigen Truppenaufftellung, welche Georg Friedrich anfangs des 3Ojährigen Kriegs bewerkjtelligt hatte, und nach den traurigen Leiten dieſes Krieges, in welchem vielfach die nationalen Heere zu heimatlojen Söldner- und Landölnechticharen geworden waren, mußte die Errich- tung von Truppen in den Heinen deutichen Staaten wieder von neuen begonnen werden. Zwar beitand in Deutichland die alte Kreisver— fafjung noch zu Recht, und jchon im Jahre 1650 mußte Baden wieder ein Regiment zum jchwäbiichen Kreiſe ftellen, während das wehrhafte Bolt in Maſſe als jogenannter Landesausfhuß militäriſch geordnet war, aber eigentliche Haustruppen, zum perjönlichen Dienfte des Fürften bejtimmt, mußten allenthalben neu errichtet werben, waren wohl aud)

vielfach eine neue Einrichtung, welche an die Stelle der frühern per— jönlichen Lehensfolge getreten war.

Als 1648 Friedrih V. in jein Land zurüdtehrte, errichtete er ala Leibgarde eine Kompagnie zu Fuß und eine zu Pferd mit je einem Kapitän an der Spike. 1654 nahm derjelbe Markgraf durch Hauptmann Bachmann eine Mufterung der Landwehr, des jogen. Landesausjchuffes, vor, mobei ſich aber herausftellte, daß wenige hundert Mann mit Waffen verjehen waren. Früher, zur Zeit Georg Friedrichs, hatte jeder Landesteil, Unterbaden, Oberbaden, Hachberg und Nöteln, ein Regiment Fußvolk von 3000 Mann und zwei Fähn— fein Reiter zu 300 Mann zu ftellen. Bon diejen alten Regimentern jnchte Friedrich VI. 1659 wenigſtens einige Kompagnien wieder ber- zuftellen, und in diefem Jahr ftanden wirklich zwei Regimenter, auch Landfahnen genannt, zur Mufterung unter einem Oberſtleutnant vor dem Markgrafen. Dieſer Oberjtleutnant, der zugleih Kommandant der markgräflichen Leibgarde, alſo die höchſte Militärperfon im Heere war, hatte an Bejoldung 250 fl. Geld, 16 Malter Roggen, 30 Malter Dinkel, 70 Malter Haber, 3 Fuder Wein, 5 Wagen Heu, 3 Wagen Dehmd, 500 Bund Stroh, 16 Klafter Holz, 4 Schweine und freien Tiſch bei Hof für fich und jeine zwei Die- ner. In dem Jahre 1663 ftellten Baden-Baden und Baden-Durladı für den Türkenkrieg gemeinſam 100 Mann Infanterie und 50 Mann Kavallerie zur Reichsarmee. Die jogen. Kriegserpedition, das damalige Kriegsminifterium bejtand aus dem Kommandanten, 1670 Sam. von Laroche, 1671 Oberſtleutnant Helmar Dietrich von Theophil, einem Geheimrat und einigen Kriegsfetretären. 1680 hatten die Kreisregimenter noch nicht durchgängig Musketen mit Bayonetten, jo daß eine Kompagnie aus 86 Pilenieren und 46 Musketieren beftand. Eine bejondere Abteilung hatte Handgranaten zum Werfen, woher jpäter der Namen Granatiere, Grenadiere, kam.

Bor 1701 ftellte Baden-Durlah 53 Mann zu Fuß und 20 zu Rob als Kreistontingent, und jeit 1701 beim Ausbruch des Krieges mit Frankreich 106 Mann zu Fuß und 4O zu Pferd. In demjelben Jahre aber errichtete Fyriedrih Magnus mit zwangsweiſer Aushebung vermittelft einer Art Konjkription 2 Batarllons zu Fuß, zu 430 Mann, und 2 Kompagnien Dragoner zu 115 Mann, welche nach dem Frieden 1715 auf die Hälfte reduzirt wurden. Um aber die nötigen Offiziere im Dienjt zu erhalten, und nicht alle Soldaten, von denen die Mehrzahl

verheiratet waren, brotlos werden zu laffen, wurde ein Teil der über das reduzirte Kontingent vorhandenen Truppen ala Haustruppen auf- genommen, auch Kapitulationen mit andern Staaten gejchloffen, wie denn auch unjer Markgraf dem Kaifer ein Regiment, 2500 Mann, überließ. Die vorerwähnten Haustruppen, welche Karl Wilhelm aus der überzähligen Mannjchaft des Kreisfontingentes bildete, beftanden aus einer Leibfompagnie und einer Abteilung Dragoner, während zwei Kompagnien und eine andere Abteilung Dragoner zum Kreis- dienft bejtimmt blieben.

Für die Abteilung Dragoner, welche als Leibwache diente, wurde zuerft ein Häuschen hinter dem Schloffe verwendet, und 1722 für das fürftliche Kontingent zu Fuß und zu Pferd eine Kaſerne bei dem Marftall gebaut, zu welcher Röteln 2500 fl. und Hachberg 1500 ff. bezahlten.

1722 beitand jo das badische Militär aus 186 Mann Kreistruppen, und 72 Mann Infanterie mit 40 Mann Dragoner als Haustruppen und Schloßmwache. Die 1722 ff. erbaute Kajerne genügte jchon 1738 nicht mehr. Der Vorjchlag, ein Haus zu kaufen, wurde nicht genehm gefunden, und ein neues für jämmtliche Mannjchaft, welche aus zwei Kompagnien beftand, zu bauen, follte 3000 fl. foften, was ebenfalls bedenklich erjchien, jo daß der Bau unterblieb.

Nah 1730 beftand ein badifches Kreisinfanterieregiment aus einer Kompagnie Grenadieren und zehn Kompagnien Filfilieren, ein Kavallerieregiment aus ſechs Kompagnien. Diefe Truppen, welche nicht in einer gemeinjchaftlichen Garnifon, fondern in den betreffenden Aus- hebungsbezirten fich befanden, wurden alle zwei Monate einmal in dem Hauptort ihres Bezirkes kompagnienweiſe geübt, eine Uebung in Bataillonen und Regimentern fand nie ftatt. Dieje Einrichtung erflärt zur Genüge den fehr zweifelhaften Ruf der Neichgarmee und die Aeußerung, welche noch im Jahre 1793 der badijche Oberft Sand- berg that, ala er das Kommando eines jolchen Regimentes übernahm, e3 fehle zur vollfommenen Karrifatur nichts, ala noch einige Dußend Hanswurſte und Kaminfeger.

Einzelne Städte und ganze Stände waren militärdienftfrei.

Bon militärischen Spitalanftalten finden wir in diefer Periode nur 1722 eine Art militärifchen Krantenhaufes bei dem damaligen Mühlburgerthor, über deſſen Gejchichte aber bei der ftädtijchen Kran— tenpflege Näheres berichtet werden joll.

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Die ftändig in Karlsruhe ftehenden Soldaten waren, wie oben bemerkt, größtenteil3 verheiratet, und diefe verheirateten wohnten mit ihren Familien in dem „Baradendörfle" Klein-Karlarube, und als 1723, troß des Berbotes, außer an den beftimmten „Lestagen“ Holz aus dem Walde zu holen, die Klein-Karlsruher und die Soldaten- finder das Holzholen ftark trieben, wurde ihnen durch Verabreichung von Brennholz einigermaßen geholfen.

Die eingerufenen Kreistruppen wurden bei den Bürgern ein- quartiert, und der Quartiergeber erhielt dafür den ſogen. Schlafkreuzer. Diejer Schlaffreuzer wurde durch die Landeskoſtenkaſſe, jpäter durch die Kriegskaſſe bezahlt und beftand noch 1795. Als fpäter Kafernen gebaut waren, wurde derfelbe dennoch, aber in die Militärkaffe bezahlt und zur Unterhaltung des Haufes, für Holz und Koft u. ſ. m. ver- wendet. Es wurde jogar verlangt, daß die Bürger für Befreiung von Einquartierung den Schlafkreuzer bezahlen follten. Der Ein- quartierte, welcher nachts nicht rechtzeitig in fein Duartier kam, wurde beftraft, der Namen eines Dejerteurs durch den Scharfrichter am Galgen angejchlagen.

2. Boffiellen, Staatshehörden, Adel.

Die Hofämter und die Hofdienerfchaft waren für jene Zeit und Berbältnifje ziemlich zahlreich, obwohl eine Nachricht von 1715 von einer Verminderung der Dienerfchaft in Durlach, wenigſtens der dort zurüdgebliebenen, ſpricht An Apanagen bezogen die Markgräfin 5000 fl., die Wittwe des Markgrafen Friedrich Magnus 12525 fl., die Wittme des Markgrafen Karl Guftav, eines Bruders des Markgrafen Friedrich Maygmıs 876 fl., die Prinzeifin Katharina Barbara, eine Schwefter des letzten Markgrafen 2100 fl., Markgraf Chriſtoph der Weltere 700 fl., für Reifen des Erbprinzen wurden 1719 ausgegeben 49892 fl., die Herzogin von Würtemberg erhielt als Reſt ihres Hei- ratsgeldes 2880 fl., die fürftliche Hofhaltung veransgabte 48 476 fi., und noch weitere 1716 fl. für Burgunder, Oliven, Mandeln u. j. w.

Bon Hofämtern und Hofdienern erwähnen wir bier, teilweije

mit Angabe ihres Gehaltes folgende: 8

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Pagen, Leibpage, Hofjunker je 179 fl., Kammerdiener, Hey- ducken, Kammerlakayen, Lakayen, Kapellmeiſter, Garderobekammer⸗ diener, Tanzmeiſter je 154 fl., Hofmeiſter der Markgräfin 907 fl. 40 kr., Kammerfräulein, Kammermagd Oberhofmarjchall, Hof- marjchall, Oberftallmeifter, Unterftallmeifter, Satteltnecht, Reitichmied, Leibkutjcher, Kutſcher Oberjägermeifter 755 fl., Nägermeifter Jagdjunker 189 fl., Oberjäger 313 fl., erfter Faſanenmeiſter 406 fl., zweiter 202 fl., Büchjenjpanner Schatullenverwalter 257 fl., der Hausmarfchall 1588 fl., Oberjchent 612 fl., Hofapotheter 263 fl., Kontrolleur, Küchenjchreiber, Mundkoch, Gefindstoh PBagenhof- meifter 128 fl., Hofteller, Konfectier, Schloßküfer, Mundichent Hofgärtner 211 fl., Gärtner, Silberdiener, Hoffurier, Fechtmeifter u. U.

Sämmtliche Hofdiener und Hofangeftellte ftanden unter dem Hofmarjchallamt.

Die oberjten Staatstollegien waren der Geheimrat, der Hof- rat und die Rentlammer, jedoch jo, daß einzelne Mitglieder des Geheimrates Präfidenten der andern Kollegien waren.

Der Geheimrat, unfer jetziges Staatöminifterium, in welchem der Markgraf gewöhnlich ſelbſt den Vorfig führte, beftand 1728 aus folgenden Perſonen: Friedrich Emich von Uexküll, geftorben 1768, Präfident des Hofrat, Wilh. Fr. von Schilling, Hofmarſchall und Amtmann in Karlsruhe, Heinrich Wilhelm Maler, 80 Jahre alt, jeit 50 Jahren im Dienft, Konrad Stadelmann*, 3. Wild. zur Soden, zugleich Präfident des Kirchenrats und Dbervogt in Pforz- beim, Joh. Ernſt Bürklin, Geheimreferendär und Generaljetretär des Markgrafen, 3. Adam Schmauß und ala Sekretär 3. I. Bader.

Der Hofrat, welcher auch das Hofgericht bildete, und welchem Kirche, Ehegericht, Schule und Lehenhof unterftanden, war 1722 aus folgenden Mitgliedern zujammengejegt:

von Uexküll, PBräfident, Hofrat von Günzer, zugleich Obervogt bier, Hofrat von Glaubik, Hofrat Gräter, Hofrat Schlotterbed, Hof- rat I. Burkaͤrd Boch, Hofrat J. Hch. Wielandt, Stadtamtmann, 1728 neben Uexküll und Glaubitz, 3. von Belfe, Reinhard von

*) Der Geheimrat Stadelmann, ein um Fürft und Land mohlverbienter Mann, welcher die Interefjen des Landes unter verjhiedenen Berhältnifien, ins- bejondere auch der Reichspoſt gegenüber jehr entichieden vertrat, allerdings auch ein entjchiedener Gegner ber Öffentlichen Duldung des katholiſchen Gottesdienftes, ftarb 1744.

Gemmingen, J. Eberhard von Reiſchach, Ph. Chriſtoph Leutrum von Ertingen, Georg von Pelke, Dietrich Hermann Adrian von Swan— ftätt, I. Anton Eccard, Gg. Fr. Thill, Geheimerpeditor des Erb- prinzen, Joh. Adam Schaub, Fiskalatsrechner, Chriftoph Ph. Roland Reined und die Erpeditoren Gg. Ad. Seubert und Joh. El. Walter.

In dem dem Hofratsfollegium unterjtehenden, beziehungsweiſe eine Abteilung dejjelben bildenden Kirchenrat ſaßen 1725, außer dem weltlichen Hofrat Gräter und dem Geheimrat zur Gloden ala Präſi— dent, die geiftlichen Mitglieder I. I. Eijenlohr, Stadtpfarrer und Superintendent in Durlah, Franz Rudolf Krüger, Oberhofprediger und Superintendent in Karlsruhe, J. Iaphet Körner, Hofprediger und Stadtpfarrer hier, Ph. Jak. Bürklin, Rektor des Gymnaſiums und Profeſſor der Theologie an dem Gymnafium. Erpeditor war Kühnlin und nach von der Glodens Tod Langmwerth von Simmern 1737 Direktor.

Dem Hofratsfollegium unterftellt war demnach das ganze Gebiet, welches jeßt dem Minifterium des Innern, dem Juftizminiftertum und dem Kultusminifterium angehört.

Die Rentkammer, das heutige Finanzminifterium, hatte zunächjt unter fich das Bauamt, die Rechnungsfammer und die Land- jchreiberei. In derjelben figen 1717 Leutrum von Ertingen ald Kammer: direftor mit den Näten Meerwein, Bertih, Desbordes, Goll und Willius, 1719 als Kammerdirektor oder Kammermeifter der Burg- graf E. 2. Müller, 1728 derjelbe mit den Räten 3. Ad. Schaub, J. Nik. Conradi, Ph. Jak. Dages, I. Andre. Dötjchmann und ala Beiräte der Hoföfonomieverwalter 3. Fr. Göß, der Operateur Jar. Gebhard, der fürftl. Privatvermögensverwalter I. Dan. Rupp, der Landjchreiber (Generalſtaatskaſſier) I. Fr. Sicherer, nebjt den Sefre- tären von Schüß und Schäf.

In dem Bauamt, einem damals wichtigen Kollegium, ſaßen 1716 als Direktor von Löwenkron und nach ihm von Grünthal, 1717 die Räte und Baumeister Müller und Freyfinger, der Ingenieur und Kreistruppenleutnant 3. Fr. von Bapendorf, der Stadtamtmann von Günzer, 3. Balth. Hengel und Benedikt Burtjcher, 1718 von Schüß, Herzog, Schenk und die obengenannten Kammerräte Meer- wein, Bertich, Desbordes. 1719 war Hofrat Dreyipring Baudirektor

und Dertel Baufchreiber. 8*

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Die Landjchreiberei, in dem Scloßzirkel zwiſchen Nitter- und Herrenftraße, war die Landeshauptlaffe und wurde nach einem jpätern Erlaß des Markgrafen wöchentlich durch den Kammerpräſi— denten Tontrollirt. Die verjchiedenen Landeskaſſen lieferten, jomweit die eingegangenen Gelder nicht zu Lofalbedürfnifien verwendet wurden, z. B. für die Bejoldungen, Straßen, Bauten und dergleichen, ihre Ein- nahmen an die Landeshauptlafje, die Landichreiberei ab, und da dieje zugleich Hoffafje war, jo hatte fie eine doppelte Verrechnung zu führen, eine Rechnung über die allgemeinen Landeseinnahmen und Ausgaben, und eine bejondere über die aus Negalien, Hofdomänen und dergl. fließenden und wieder für den Hof verwendeten Gelder. Da aber eine feitgeftellte jog. Eivillifte für den Markgrafen und eine Apanagenordnung für Angehörige des Hauſes noch nicht bejtand, jo waren die Bezugsquellen und die Höhen der Wusgabegelder für den Hof durchaus noch nicht geregelt, jo dab deßhalb jowohl Markgraf Karl, ala Karl Friedrich in allen ihren Ausgaben fich meiftenteils in gewifjenhafter Sparjamfeit nach den vorhandenen Mitteln richteten.

Landſchreiber war 1716 Chr. Boch, 1728 J. Fr. Sicherer, 1736 Erhard, Forjtverwalter 1724 BZangmeifter, Fronſchreiber Lich» tenberger.

Auch das Münzweſen gehörte unter die Rentlammer. Direktor war von Schott, und al3 Räte erjcheinen Ehrenberg und Eroll, 3. 3. Ludwig ala Sekretär. Bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts war Pforzheim ala Refidenz auch Baden-Durlach'ſche Münzftätte. 1572 wurde durch die ſchwäbiſchen Kreisftände beftimmt, daß beide badifche Markgrafichaften gemeinfam münzen follten. Karl II. hatte in feiner neuen Reſidenz Durlach nach 1565 eine Münze errichtet und fich mit Baden-Baden vereinbart, daß das Miüngrecht zwiſchen beiden Staaten von 6 zu 6 Jahren wechſeln follte, doch blieb Durlach, dem die erſten jechs Jahre zugefallen waren, vorerft längere Zeit im Beſitz. Während des 30jähr. Krieges prägte Baden-Durlach bald für fich, bald mit Würtemberg, und auch nach demjelben brachten längere Verhandlungen mit Baden-Baden, in welchen u. U. auch vorgefchlagen worden war, mit dem Regentenwechſel auch den Wechjel des Münz- rechtes eintreten zu laffen, feine Verftändigung. Jede Markgrafichaft münzte für fih. Erſt nach der MWiederherftellung der 1689 zer- ftörten Durlacher Münze überließ 1732 Markgraf Ludwig Georg von Baden-Baden auf ſechs Jahre das gemeinjchaftliche Münzrecht

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an Baden-Durlach, und demgemäk wurde von da an und zwar über die jechd Vertragsjahre hinaus, in Durlach, wo Daniel Beterfohn Münzwardein, und 3. I. Meier Münzmeifter waren, für beide Martgrafichaften geprägt.

Die geiftlihe Berwaltung, welche die damals noch großen- teild in Naturalien bejtehenden Bejoldungen zu liefern hatte, blieb anfangs noch längere Zeit in Durlach, das ja auch die dazu erfor» derlichen Keller und Speicherräume bejaß, und die dort noch woh— nenden geiftlichen Verwalter waren 1711 —17 Friedrih Bürklin, 1717 3. Ph. Dieb, 1725 Drollinger, 1731 Bödh, 1731 M. Oln—⸗ haufen, 1733 Steinheil, 1735 Belling, 1738 3. Nil. Spedt. Von 1735 an wohnte ein bejonderer geiftlicher Verwalter hier, mährend die Naturalbejoldungen immer noch von Durlach her bezogen wurden.

Ein eigenes Dberamt, und zwar anfangs nur für die Stadt, wurde gleich in den erften Jahren Bier errichtet. Die Landorte blieben vor der Hand bei den Aemtern Durlach, Staffort, Graben und Müblburg.

Erſter Oberamtmann war bier 1715 3. von Günzer, welcher ipäter, al3 die Aemter Mühlburg, Graben und Staffort mit Karls- rube vereinigt wurden, den Titel Obervogt erhielt. Zugleich wurde ihm als zweiter Beamter der jpätere Hof- und Regierungsrat J. Hch. Wielandt, welcher 1727 Hofrat und Oberamtmann wurde, und der Aſſeſſor Th. Volz ala AUmtsjchreiber für die vereinigten Aemter beigegeben. Der Letztere war dazu auch Stadtichreiber in Karlsruhe.

Als Günzer Obervogt von Emmendingen wurde, folgte ihm 1717 3. Franz Bed von und zu Wilmendingen, dann 1724 der Freiherr Friedrih Wilh. von Schilling, jpäter Hofmarjchall. Diejer heiratete 1723 die Tochter der vermwittweten Luiſe von Wangen, einer geborenen von Mafjenbach und wurde dadurd; Grundherr von Hohen- wettersbach.

Ueber die Beſoldungsverhältniſſe fügen wir hier noch Einiges an: Es hatte ein Geheimrat 945 —1600 fl., Geheimratsſekretär 309 fl., Geheimregiſtrator 212 fl., Geheimkanzliſt 177 fl., einige derſelben nur die Hälfte, der Kanzleijunge 51 fl., der Hofratspräſident 1231 fl., ein adeliger Hofrat bis 841 fl., ein bürgerlicher 570 fl., der Hofrats- jetretär 301 fl., Hof- und Lehngerichtsadvotat 107 fl., Hofratäre- giftrator 245 fl., Hofratstanzlift 152 fl., der Rentlammerpräfident 1600 fl. und 100 fl. Hauszins, Kammerprofurator 570 fl., Kammer-

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rat 440 fl., Kammerjefretär 286 fl., Kammertgiftrator 245 fl., Kammer» fanzlift 152 fl., Kammerprotofollift 183 fl. 30 kr., Rechnungsrat 310 fl., Rechnungsfammerregiftrator 245 fl., Rechnungsratsadjuntt 199 fl., Kanzleidiener 83 fl., Renovator 172 fl., der Refident in Wetzlar 50 fl., der Reichstagsgefandte 300 fl. und 150 fl. für feinen Sekretär, der Refident in Wien 150 fl., Bauvermwalter 136 fl., Wert- meifter 100 fl., Baujud Joſef 120 fl., Bau- und-Gartenfnechte 62 fl.

Die Staatzeinnahme bildete ſich aus folgenden Boften:

1. Schagung, direkte Steuer aus Vermögen und Liegenjchaften, 2. Bfundzoll, Kaufaccife von Liegenschaften und Waren, 3. Land- zoll, Ein- und Durchgangszölle, jelbft von Amt zu Amt, 4. Um- geld, Berbrauchfteuer, Acciſe für Biltualien, Wein zc., 5. Maf- freuzer von ausgeichentten Weinen in Wirtshäufern, 6. Juden- Ihußgeld, 7. Salz und Eifenregal, 8. Tabathandel, 9. Poſt.

Die Schagung betrug 2 fl. vom Hundert, der Pfundzoll je 1 Fr. vom Gulden von Käufer und Verkäufer, das Umgeld von der Ohm Rhein- und Nedarwein 20 kr., von fremden Landwein, wie von Weingarten, Grombach, Ettlingen und fchlechten Nedarmweinen, 30 kr., von badifchem Landwein 8 kr., das Judenfchußgeld in Durlach und Pforzheim 40 fl., in den Dörfern 25 fl., in Karlsruhe 4 fi. jährlich.

Die Gejammtftaatseinnahme der Landichreiberei war 1719: 405 606 fl., die Ausgabe 399 965 fl., wobei wohl zu beachten ift, baß, wie oben gejagt, ein großer Teil der Landeskoſten ſchon vorher in den einzelnen Aemtern verausgabt war, und zudem ein großer Teil der Dienergehalte in Naturalbezügen beftand.

Schon damals gab es unter den Staatsangeftellten eine Rang- ordnung, und zwar zählten zur erjten Rangklaſſe die Geheimräte, Hofmarjchälle, Land» und Obervögte, Prinzenhofmeifter, Stallmeifter, Kammerjunker u. A., meift Adelige, zur zmeiten Kirchenräte, Geheim— jefretäre, Superintendenten, Leib- und Hofärzte, Phyſici, Amt- männer, Sekretäre u. A., zur dritten Nechnungsräte, Burgvögte, Einnehmer, Keller, Regiftratoren, Verwalter u. U.

3. Sıhlof und Umgebung.

Die Gründe, melde unfern Markgrafen zu dem Bau feiner neuen Refidenz beftimmten, waren nach den Angaben und Anfichten gleichzeitiger und ſpäterer Schriftfteller jo zahlreih, daß diefer Ent- ſchluß fich leicht erklären und wohl auch rechtfertigen läßt. Obgleich man immerhin zugeben mag, daß die natürliche Lage Durlach am Fuße des Gebirges, deſſen Vorhügel die Möglichkeit boten, zahlreiche Billen und ftattliche Herrenhäufer bis zu den mweitausfchauenden Höhen hinaufzubauen, eine zur Anlage einer mäßig großen Stadt ſehr ge- eignete fein mochte, jo war doch die Beichaffenheit des Bodens nach Norden, Nordweiten und Weiten einer größern Ausdehnung der Stadt nad) diefen Seiten bin durchaus nicht günftig, fo daß eine Erweiterung in dem Umfange, welchen heute unjer Karlsruhe ange- nommen bat, für Durlach nicht möglich geweſen, und es aller Wahrfcheinlichkeit nach doch nur eine Reſidenz geringerer Größe ge- blieben wäre.

Ob der Markgraf jchon als Erbprinz, mie berichtet wird, auf einer Reife nach Ulm dem dortigen badijchen Kreisabgeordneten gegen- über fich über feine Abficht und feinen Plan, eine fächerförmige neue Stadt zu bauen, geäußert bat, erjcheint mindeftens zweifelhaft.

Solche Luftichlöffer außerhalb der fürftlichen Refidenzen zu bauen, und dabei vielfach der Ebene den Vorzug zu geben, mar ohnebies eine Geichmads- und Mobdefache der Regenten feiner Zeit geworden. So war um 1650 Berjailles, 1696 Charlottenburg, 1697 Raftatt angelegt worden, 1706 wurde Schweßingen neu hergeftellt, 1725 die Favorite gebaut, ja 1704 hatte jelbjt Karla Schwager, der Herzog Eberhard Ludwig von Würtemberg, durch den Bau eines Jagd» ichloffes den Grund zur fpätern zmeiten Refidenz Ludwigsburg gelegt, und jo entftanden nach und nach Monrepos, Monbijou, Sanssouci, Solitude und a., und daher nannte auch der Markgraf 1715 jeine neu erbaute Schloßanlage „unjer neu angelegtes Favoritegebäude“, welcher Namen allerdings nicht der bleibende werden jollte.

As Karl 1709 zur Regierung gelangte, fand er das 1689 zerftörte Durlacher Refidenzichlok Karlsburg noch unvollendet.

Sein Vater Friedrich Magnus hatte ſchon 1694 mit dem Wiederaufbau deſſelben den Anfang gemacht, aber erſt nach dem Ryswicker Frieden 1697 konnte wieder daran gedacht werden, den Bau ernſtlich fortzuſetzen, was um ſo notwendiger erſchien, als dem nach Baſel geflüchteten Markgrafen 1698 anläßlich der Friedensfeier ſein dortiges Haus, der ſog. Hagenbacher Hof, abgebrannt, und er dadurch genötigt worden war, feine letzte Zufluchtſtätte in dem noch allein ihm übrig gebliebenen Schlofje Auguftenburg bei Grötzingen zu fuchen.

Der Bauplan des in Durlach mieder herzuftellenden Schloſſes, von den Italienern Roſſi und Mazza entworfen, war bis zum Aus- bruch des ſpaniſchen Erbfolgefrieges etwa zu einem Dritteil berge- ftelt, mußte in Folge des Krieges vorerft unvollendet bleiben, und ala vor dem Ende des Krieges der Markgraf Friedrich Magnus 1709 ftarb, konnte auch fein Nachfolger den Bau nicht weiter führen. Nah dem 1714 erfolgten Friedensſchluß war das Land verarmt, die Staatskaſſe leer, Durlach jelbft tief heruntergefommen. Der Plan zu dem neuen Schloffe war ohnedies jo großartig angelegt, daß zu einem Weiterbau in gleichem Stil die Mittel nicht reichten, und ein Bau in bejcheidenern Maßen zu dem jchon Vorhandenen nicht ge- paßt hätte.

Nector Malich jagt in feinem Buche Origines etc. in Bezug auf den Bau: Illud, nämlich einen großen Bau, vetabat respectus civium, quibus dinturnitate belli parcendum erat, impar sub- structio foedebat operis instituti splendorem.

Auch ſcheint der Markgraf Karl Wilhelm jchon als Erbprinz die Anficht feines Vaters nicht geteilt und eine andere Anlage vor- gezogen zu haben.

Dazu kamen aber noch weitere Gründe.

Schon die Vorgänger Karl Wilhelms hatten zur Entjumpfung der Umgebung von Durlach Kanäle und Wbzugsgräben nach ver- ſchiedenen Richtungen gezogen, auch Friedrich Magnus hatte dort Abzugsfanäle gebaut, den Stadtgraben trodener gelegt, das Schloß höher gebaut, aber dennoch dedten immer noch ftehende Wafferlachen und ungejunde Frühlings: und Herbitnebel das Gelände gegen Nor- den, Weſten und Süden hin.

Weitere Veranlafjung zu dem Unterlafen des Baues boten ihm allem Unjcheine nach die Durlacher jelbit.

1707 hatte Friedrich Magnus zur Abwendung des Krieges von der untern Landesgegend dem Lande 50000 fl. vorgeſchoſſen. Als Karl Wilhelm 1715 daran 3680 fl. von Durlah ala Abjchlags- zahlung forderte, will die Stadt nur 2000 fl. bezahlen.

1711 den 2. Januar erläßt Karl Wilhelm folgendes Reſeript an die Herren BVicepräfident von Gemmingen, Geh. Hofrat Maler, Hofrat Weimar, Baurat Lefebre:

„Wir laffen euch Hiermit in Gnaden unverhalten, was maßen wir entjchloffen, zu Erweiterung unjerer fürftlichen Refidenzftadt Dur- lad nocd eine Vorjtadt anlegen zu laſſen, auch zur defto mehrer Be— förderung des Bauweßens denen ausländijchen, jo fich etwa mit Erbauung neuer Häufer einzulafjen gedenken, bejondere Freiheiten und Begnadigungen zu ertheilen.“

„Wenn wir nun allvorderift ein ohnmaßgebendes Project, wie joldhes einzurichten jeyn möchte, zu haben verlangen, al& iſt Unfer gnädigiter Befehl hiermit an Euch hauptlich, daß Ihr Euch fürter- jamjt einer gewiſſen Zeit und Orts vergleichen, jodann eine ausführ- liche Deliberation mit einander befigen, die von Unſers nun in Gott ruhenden Herrn Vaters Gnaden verjchiedentlich ausgegebenen Privi- legia zu Handen nehmen, was zu dießem Unferm Vorhaben dienlich jeyn möchte, ertrahiren, folches mit Euren neuen Vorſchlägen ver- mehren, über Euer ohnmaßgebliches Gutachten ein project abfafjen, und Uns zur Revision auch Formirung Unferer endlichen Resolution gehorſamſt einliefern follet, ze.

Carolsburg, 12. Januar 1711. Carl M. v. Baden“.

Auf diefen Erlaß ftellt unter dem 9. März der Rat zu Dur- (ach die Anfrage, ob man nicht von den in der Ochjenvorftadt Neu- bauenden modellmäßige Häufer fordern jollte; 1712 weigern fich die Durlacher, zu den Arbeiten am Rhein fich beiziehen zu laſſen, den 14. Juni 1712 erfolgt ein Erlaß, wonach die Stadt Durlach mit den Amtäfleden Türme, Thore und Gefängniffe zu repariren habe, aber unter dem 4. Juli erklärt die Stadt, nur das Bienleinsthor übernehmen zu wollen und beruft fich auf ihre Lagerbücher von 1567 und 1568. Im Auguſt 1712 follen 1400 Zentner Heu an das taiſerliche Kriegstommiffariat geliefert werden, und zwar zu 30 fr. der Zentner. Die Stadt ift mit dem Preiſe nicht zufrieden. Im September gibt die Stadt zwar zu, daß fie nach oben angeführten

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Lagerbüchern von 1567 und 68 Mauern, Türme, Thore, Zwingel und Gräben zu unterhalten habe, es jei aber ein neueres vor= handen, wonach Blumen: und Bafelthor von der Megierung zu bauen ſeien. Ebenſo weigert fi) die Stadt, den Brunnen beim fürftlichen Jägerhaus zu bauen.

1712 im Dezember Hagen die Durlacher über die 6 fl. Wadht- geld, die jeder Bürger zu zahlen habe, obwohl er ſelbſt viel Wachen thun müfle, ſowie über die Einquartierung der fürftlichen Garde bei den Bürgern.

Der Markgraf ſetzt das Wachtgeld von 6 fl. auf 4 fl. herab, und will die Stadtkelter zur Kaſerne berrichten laffen, wenn die Stadt zu den Baufoften beitrage und Fronden dazu leiſte. Die Stadt fordert Bedenkzeit, aber die Bürger wollen nichts beitragen, und wenn fie auch das Geld dazu geben könnten, müßten fie nachher für die Kaferne viel Brennholz und Lichter liefern, was fie auch nicht wollten. Uebrigens ſei allerdings die Ouartierlaft, beſonders wegen der vielen Weiber und Kinder für die Bürger allzufchwer, und fie bofften demnach, der Markgraf werde in anderer Weiſe Abhilfe ſchaffen. Daraufhin bejchließt der Rat, fich den Bau der Kaferne unter folchen Umftänden zu „depreciren“.

1713 muß auf befondern Befehl der Regierung das Bienleins- thor gebaut werden.

Als im Jahre 1714 die Stadt 600 fl. Frondgeld jährlich zahlen follte, weigert fie fich defien, weil nur 143 fronbare Bürger, und 80 Befreite da jeien.

Die Stadt will auch von den herrichaftlichen Häufern Bet (Stadt- fteuer) erheben, ebenjo bejchwert fie fich, daß ihre Stadtknechte, Schützen und Hirten nicht von der herrfchaftlichen Schagung befreit jeien, und in demſelben Jahre verlangt fie, das Marktitandgeld für fich allein zu beziehen. Früher habe die Stadt Zoll, Weg- und Standgeld am Thor eingezogen und davon die Hälfte gehabt, jet habe die Herr: ichaft den Zoll, und die Stadt nur das Standgeld für fich.

1715 verwahrt fi) die Stadt dagegen, daß fo viele Heine Häuschen in der Ochjenvorftadt für arme Anfiedler gebaut würden, und verlangt wiederholt, daß man dort den Bau modellmäßiger Häujer vorſchreibe u. ſ. m.

Die Abficht des Markgrafen, in Durlach zu bleiben, jcheint aus den oben angeführten Verhandlungen mit einiger Wahrjcheinlichkeit

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bervorzugehen, aber die ziemlich begründete Befürchtung der Dur- flacher, daß fie durch die Vergrößerungspläne de3 Markgrafen viel von ihrem Grund und Boden an ihn würden abgeben müſſen, ſowie die Aussicht, durch den Zuzug privilegirter, und mit ihnen gleichbe- rechtigter Neubürger in ihren bergebrachten bürgerlichen Rechten und Nutzungen beeinträchtigt zu werden, und ihre dadurch hervorgerufene Widerjeglichkeit gegen manche Maßregel des Markgrafen mochten diefen doch nach und nach zu der Ueberzeugung gebracht haben, daß fein eigenes, ftramm joldatifches und offen auftretendes Weſen fich auf die Dauer mit dem damaligen Durlacher Bürgertum nicht werde vertragen können.

Wir wiſſen des Weitern, daß unjer Markgraf ein großer Freund de3 Gartenbaues und der Blumenzucht war. 1711 war er deßhalb in Holland, namentlih in Harlem, dem Hauptorte holländifcher Zulpenzucht, gemwejen und hatte die dortigen großartigen Anlagen gejehen. Zugleich war er aber auch ein eifriger Liebhaber von Jagd und Wild. Wo jollte er nun, da ihm die Mittel fehlten, fein halb- fertiges Schloß in Durlach auszubauen, die nötigen Gelder finden, um zu jolchen Anlagen das koſtbare Garten- und Adergelände ber Durlacher Bürger zu kaufen, ja wo konnte er dort auch nur ben Pla finden, um feine weitläufigen Blumen- und Thiergärten beim Schloſſe ſelbſt anzulegen ?

Selbft die Herbeifchaffung von Arbeitern zur Herftellung und Pflege diejer Anlagen würde ihm in dem feit 1567 nicht mehr leib- eigenen, und zum Zeil frondfreien Durlach unendlich jchwieriger geworden fein, als in feiner neuen Anlage im Hardtwalde. Hier fand er auf herrfchaftlichem Grund und Boden, den er nicht erft zu erfaufen nötig hatte, Raum und Gelegenheit zur Genüge, feine Lieb- habereien zu befriedigen, hier konnte er durch die einem Teil der neuen Anſiedler auferlegten Bedingungen und Verpflichtungen fich eine ausreichende Anzahl thätiger Hände für feine Arbeiten jchaffen.

Wie weit feine jonjtige LTiebhaberei für den Umgang mit. dem ſchönen Gejchlechte dabei mit in Rechnung kam und ihn veranlaßte, eine einjamere, nicht mitten im der Refidenz gelegene Stätte zum Wohnſitz zu wählen, können wir hier nicht näher unterjuchen. Jeden— fall3 war da3 Verhältnis zu feiner Gemahlin ſchon damals ein getrübtes, da fich diefelbe nicht entjchließen konnte, ihm nach der neuen Nefidenz zu folgen, fondern in Durlach in der Karlsburg blieb.

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Ueber die befannte Sage von dem Verirren im Walde und dem Traum unter einer alten Eiche, ſowie bon der Begegnung mit dem Köhler haben ältere Nachrichten Nichts. Der Namen Karlsruhe hat der Fantaſie jpäterer Dichter und Schriftfteller, wie Mar Sachs, Ed. Brauer, 2. Dill und Dr. Seupel Anlaß gegeben, die Sache in Dichtung und Roman zu behandeln.

Die Annahme der Verirrung eines gewohnten Jägers im Walde, angejichts des naheliegenden Durlacher Turmbergs, und wenige hun- dert Schritte von der vielbefahrenen Durlah-Mühlburger großen Land» und Poſtſtraße hat übrigens an und für fich jo viel Unwahr— jcheinliches, daß diefelbe wohl nie ala etwas Anderes, al3 wie ein Santafiegebilde betrachtet werden konnte. Wenn, was ja behauptet wird, der Markgraf anfangs nur die Abficht gehabt hat, ich ein Luſtſchloß ald Sommeraufenthalt, ein neues, geſunderes, mwohlfeileres, und doc würdiges Schloß hier zu bauen, fo wurde doch jehr bald aus und mit dem Reſidenzſchloß eine Reſidenzſtadt, denn jchon drei Monate nach der Grunpfteinlegung des Schloffes erfolgte der Aufruf zur Niederlafjung bei demjelben, und die Verkündigung bejonderer Bergünftigungen für die neuen Anfiedler, und ebenjo vajch folgte auch, da Bauholz im Ueberfluß vorhanden war, der Bau der neuen Stadt.

Der Hardtwald, früher Lußhardt genannt, in welchem Karlsruhe erbaut wurde, war übrigens, wie die daran liegenden Dörfer zeigen, zu Karla des Großen Zeit, um 800, teilweiſe jchon gelichtet.

Karlsruhe jelbft Liegt auf dem füdlichen Hardtrüden, 391 Fuß oder 117,30 m über dem Meer, 30 Fuß oder 9 m über dem Rhein, zwilchen 49°, O0‘, 21" und 49°, 0‘, 52“ nördlicher Breite und 25°, 3°, 6" und 26°, 4, 50" öftlicher Länge.

Den Plan zum Schloß und zur Stadt hatte der Markgraf, unter Beirat des italienischen Baumeister Bagnetti aus Lugano, des Baumeifters Retty, welcher drei Pläne zum Schloß einjchidte, und des Ingenieurs Friedrich von Bagendorf jelbjt entworfen, denn der Markgraf ſelbſt war, wie Malich jagt, des Kriegs- und bürgerlichen Baumelens ſehr kundig.

Die Ausführung des Schloßbaues wurde dem vorgenannten Batzendorf, dem Baudirektor Schwarz aus Hamburg, dem Bau—

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meiſter J. Balth. Hengel und dem Maurermeiſter Hemberger von Durlach übertragen.

Nachdem Sofort ſchon am 28. Januar 1715 mit ber Aus— ftodung des Waldes innerhalb eines durch einen Pfahlhag umſchloſ⸗ jenen Kreijes begonnen worden war, wurde das Centrum dieſes Kreijes ala die Stelle des zu erbauenden Schloßturmes bejtimmt. Diejer Turm follte der Mittelpunkt eines größern Kreiſes werden, von welchem aus wie Radien zweiunddreißig Alleen nach allen Rich- tungen ausgehen würden. Dreiundzwanzig diejer Alleen jollten den Wald nah Norden, Often und Welten durchjchneiden und großenteils nach den außerhalb defjelben Tiegenden Orten ausmünden, die neun übrigen dagegen, jüdlich von dem vor dem Turme zu erbauenden Schloffe, in Form von Fächerftrahlen den Grundplan für die Straßen- anlage der neuen Stadt bilden, und zwar jo, daß die mittlere der von dem Schloß ausgehenden Straßen die Richtung von Norden nach Süden, dagegen die diejelbe Ereuzende lange Straße, damals noch Mühlburger Landitraße genannt, diejenige von Dften nach Weſten erhalten follte.

Ungefäumt wurde nun von dem Entwurf des Planes zur YAus- führung gefchritten.. Am 17. Juni 1715 legte der Markgraf in Gegenwart jeines verjammelten Hofes unter Pauken⸗, Hörner- und Trompetenichall eigenhändig den- Örundftein zu dem achtedigen Turme. In den Grundftein wurde gelegt: das auf eine filberne Platte geftochene Bildniß des Gründers mit bezeichnender Imjchrift, eine Flaſche Oberländer Wein und einige goldene und jilberne Medaillen und Münzen mit des Markgrafen Bildnis. Beigelegt wurde folgendes, von Prorektor Maljch verfahtes Gedicht (Heraftichon) :

Qui lapis a Carolo nunc ponitur, evax

Intret ut effossam postea primus humum, Sustineatque simul sublatam in sidera turrim, Duret io, et seras vincet Olympiadas!

Quoque magis duret, tanto magis ille vigescat, Atque magis spatio crescat ab ipse suo!

Deutih: Möge diefer Stein, welcher jegt von Karl gelegt wird, um in die aufgegrabene Erde verjenkt zu werden, und zugleich den zu den Geftimen aufgebauten Turm zu tragen, fortbejtehen und Jahrhunderte überdauern, und je länger er dauert, defto mehr möge er auch erjtarfen und fich ausbreiten!

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Unter den bei der Grundfteinlegung Anweſenden werben genannt: von Stetten, von Menzingen, von Kagened, von Gayling, von Sturm, von Bed, von Bödlin, von Scharten, von Müllenheim, von Röder, von Reichau, von Gemmingen, von Halwyl, von Gagern, von Edels— beim, Pfau von Rüppurr, von Wöllwartb.

Anläplich diejer Feier ftiftete der Markgraf den 17. Juni den Hausorden der Treue, „um durch deffen Verleihung jeine adeligen Diener zu fernerer Treue aufzumuntern und Auswärtige, deren wahrhafte Zuneigung vor feine Perſon und das fürftliche Haus der Markgraf geprüft und in der That wahrgenommen hatte, mit gebührendem Dank zu beehren.“

Bedingung der Aufnahme war der Adel bis zum vierten Grad rückwärts, der erſte Ordensritter Markgraf Ehriftoph, der erfte Dr- densfanzler Geheimrat und Hofmarfchall Leopold? Melchior von Rottberg, geft. 1736. Nach ihm murde Markgraf Karl Auguft Kanzler. Erfter Secretär des Ordens war Geheimrat zur Gloden, und noch mit ihm verjah dieje Stelle, ſowie die des Schagmeifterd der Geh. Referendär Joh. Ernſt Bürklin, als erfter Garberobier des Ordens fungirte der fürftliche Kammerdiener und Regimentsfeldicherer Israel Gebhard. Die erften Ordensritter waren: Oberftleutnant von Drais, Oberftallmeifter von Löwenkranz, Geheimrat Landvogt von Günzer, Präfident von Uexküll, Graf von Leiningen-Wefterburg, Oberſchenk von red, Hauptmann von Berlichingen, Stättmeijter von Wormjer, Geheimrat Zandvogt von Leutrum, Obervogt von Bafold, Baron von Grünthal, Baron von Griesheim, Vicepräfident von Glaubitz, Geheimratspräfident von Schüg, Geheimrat von Wall- brunn, Hofrat von Biegefar, General von Schott, Baron von Bern- haufen, Baron von St. Andre, General von Barthold, General von Schilling, Graf von Lisle, Graf Friedrih Magnus von Leiningen- Hartenburg, Oberſt von Neuhof, Oberhofmarjchall von Schilling, Baron von Bizthum, Graf von Pappenheim, Graf Ludwig von Zeiningen-Hartenburg, Reiſemarſchall von Schott, Jägermeifter von Schilling, Geheimrat zur Gloden.

An den Bau des 140 Fuß hohen Turmes jchloß ſich, durch drei übereinander befindliche Gallerien damit verbunden, der Schloß- bau felbft an; zu deffen Koften 1716 auch Hachberg 3000 fl., Ba- denmweiler 750 fl., die Stadt Lahr 150 Dulaten, die Lahrer Fleden Altenheim, Dinglingen, Hugsweier und Mietersheim 400 fl. bei-

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trugen. Das halbmondförmig gebaute, aus Holz dreiftödig aufge- führte Schloß enthielt zu ebener Erde in dem Mittelbau Speije- zimmer, Audienzjaal, Garderobezimmer, Wohnzimmer des Mark: grafen, Bibliothek, die gewölbte Hoftapelle mit dem freisrunden Muſikſaal. In der Kapelle wurde 1717 von dem Maler Giorgio an der Dede die h. Taufe, die Himmelfahrt und das Abendmahl für 150 fl. in Fresko dargeftellt, und in dem gleichen Jahr bauen Zim— mermann Langenbach von Lahr und Arnold die Emporen und die Eichenholzftühle der Kapelle. In dem Iinten öftlichen Flügel war das Theater (Opera) und das Ballhaus, in dem rechten ein großer Speijefaal und mehrere Heinere Säle, die obern Stockwerke enthielten Bohn- und Schlafräume. Wo die beiden Flügel mit dem Mittelbau zujammenftießen, ragten zwei achtedige Türmchen mit einem Kreuz über dem Dach des Schlofjes empor. Der weftliche Flügel war wie der öftlidhe 315 Fuß lang, in diefem das Ballhaus 155 Fuß und das Theater 160 Fuß.

1718—23 wurden weftlich die Hofküche, der Kavalierbau, die Konfeltlammer, die Hauslämmerei, die Orangeriehäufer, öftlich Hof- apotheke, Marftall, Reithaus und Feuerhaus gebaut.

1718 mußten für fremde Gäfte im Schloß noch Betten aus der Karlsburg in Durlach geholt werben.

1719 aftordirte der Baujud Joſef mit Zimmermann Göß wegen des 225 Fuß langen und 50 Fuß tiefen Marftalld zum Breife von 1300 fli, 5 Ohm Wein und 5 Malter Roggen, wozu das Amt Durlah 700 Steinfuhren frondweife zu leiften hatte. Die Maurer- arbeit im Boden koſtete 30 Kreuzer, über dem Boden 29 Kreuzer der Schub. Als Modell diente der Marftall in Durlach. Die Maurer waren Stade und Widmann, die Steinhauer Röſch und Stadler. Hinter den beiden Drangeriegebäuden, wo jet der botaniſche Garten, lag der fürftliche Holz- und Bauhof. In dem runden Saal bes Mittelbaues befanden fih an den Wänden 15 große Spiegel, an welchen Wappen, Fürftenhut und Ordensſtern angebracht waren und welche 1739 durch den Glasſchneider und Spiegelmacher Sped in Rüppurr zum Teil reparirt wurden.

Der Markgraf jelbft z0g erft im Jahre 1718 in feine neue Refidenz. Schon bald nach dem Beginn des Baues wurde ihm Har, daß e3 bei dem einſamen Schloßbau nicht bleiben könne und er ſprach fih dahin aus, „er gebente, um die Annehmlichkeit der Situation

ZB:

durch die Zeutjeligkeit zu vermehren, verjchiedene nutz⸗ und ebrbare Gewerbe, Manufacturen und Handtierungen allda einzuführen.“

In diefem Sinne ſpricht fich auch die Injchrift aus, welche 1728 zu beiden Seiten des Schloßportal3 auf von Löwen gehaltenen Schil- den angebracht wurde. Diejelbe lautete auf der einen Seite des Ein- ganges:

„Sylva domicilium ferarum fuit anno MDCCXV. Cosmo- polita pro requie invenienda stationem meam hic elegi, ut mundo fastidiisgue abstraherer. O vanitas, nullam inveni. Ubi homo, ibi mundus. Contra meam voluntatem mundus affluxit, civitatemque erexit. Vide, viator, homo proponit, Deus disponit. Non voluntas, sed gratia ter Optimi re- quiem animi dat, quam sperat Carolus Ao MDCCXXVII“ Andererfeits ftand in deuticher Sprache:

„Anno 1715 war ich ein Wald, der wilden Thiere Aufenthalt. Ein Liebhaber der Ruhe wollte hier in der Stille die Zeit vertreiben, in Betrachtung der Kreatur die Eitelkeit verachtend, den Schöpfer recht verehren. Allein das Volt kam auch herbei, baute was du bier fiehft. Alſo keine Ruhe, fo lange die Sonne glänzet, als in Gott allein zu finden, welche du, wenn du nur willft, mitten in der Stadt genießen fannft. Anno 1728.“

Den 15. Februar 1730 fchreibt Pöllnig von Karlsruhe aus, das Schloß, aus Holz gebaut, habe Mittelbau und Flügel, nebft dem Bleiturm, die Zirkelhäufer ſeien dreiftödig (joll wohl beißen zweiftödig mit brittem Halbjtod), das Schloß jei nicht groß genug, um den Erbprinzen aufzunehmen, daher diejer im Zirkel logire.

Als derjelbe Pöllnig fich über die Einfachheit des nicht einmal aus Badfteinen gebauten Schlofjeg wunderte, will er von dem Marf- grafen folgende Antwort erhalten haben:

„Sch habe mir nur einen Heinen Aufenthalt hier erbauen, und das Werk in allen Stüden alfo einrichten wollen, daß ich meinen Un- terthanen nicht läftig fallen durfte. Ueberdies habe ich auch, was ich bauen ließ, gleich genießen wollen. Hätte ih das Wert von Bad- fteinen aufbauen lafjen, würde e8 mich weit mehr geloftet haben, und hätte ich dieſe Gebäude, ohne eine außerordentliche Schatzung auf meine Unterthanen zu legen, micht zuftande bringen können; es wäre auch jonft viel Zeit darauf gegangen, und hätte ich vielleicht nicht einmal das Vergnügen gehabt, meine Arbeit in volllommenem Stande

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zu jehen. Hierbei habe ich auch noch im Ueberlegung gezogen, daß meine Lande jedesmal ein rechter Schauplaß des Krieges geweſen, ich aber nicht im Stande bin, eine Feſtung hier anzulegen, oder auch nur den Ort mit einer Mauer zu umgeben. Wie wäre e3 aljo wohl vernünftig gemwejen, vieles Geld auf einen Drt zu ver- wenden, welchen ich gar leicht ebenjo wieder könnte abbrennen jehen, wie ich e3 leider an meinem Schloß zu Durlach und an meinen andern Landhäujern habe wahrnehmen müfjen, welche die Franzojen in Aſche gelegt haben. Vielmehr, da ich nicht der reichjte Herr bin, babe ich nicht blos ein Haus nach meinen Umftänden gebaut, jondern will auch lieber, daß man von mir jagen folle, ich wohnte übel und hätte dabei feine Schulden, als daß man fagte, ich hätte ein koſtbares Schloß, wäre aber Vieles ſchuldig.“

Die Liebhaberei für Blumenzucht und dem entiprechende Gärten aber war nicht mur eine bei den deutjchen Höfen überhaupt vielverbreitete und durch franzöfischen Geſchmack beftimmte, jondern jcheint eine vom Vater auf den Sohn übergegangene Erbichaft der badischen Mark— grafen gewejen zu fein. Schon vor 200 Jahren, um 1530 batte Markgraf Ernft jeine Biergärten bei feinem Schloß in Sulzburg, ebenjo legte Markgraf Karl bei der Verlegung feiner Rejidenz nad) Durlach um 1560—67, den dortigen Schloßgarten an, bei welchem fich jene alte Ejche befand, die 19° im Umfang und 140° Höhe maß, und an welcher jchon damald eine Inſchrift lautete: „Mein dritt Iahr- hundert fieht mich grün, Stets jah ich Baden wieder blühn“.

1559 hatte Konrad Geßner eine Pflanze, welche Tullband (Turban), Tulpe genannt wurde, aus Kleinafien gebracht, und von da an war diejelbe bejonder3 in Holland gepflegt und vervielfältigt worden. Es wurde damit ein wahres Schwindelgejchäft betrieben, jeltene Spielarten mit 1000 —2000 fl. bezahlt, und manche Liebhaber dadurch zu Grunde gerichtet.

Die folgenden Markgrafen, Exrnft Friedrich und Georg Friedrich vermehrten und verjchönerten ihre Durlacher Blumenzucht. Der be- rühmte Basler Botaniker Kajpar Bauhin widmete daher 1613 feine Ausgabe de3 Tabernaemontanus, eines ältern Pflanzenforjchers, der Gemahlin Georg Friedrich, Juliane Urfula, mit den Worten: „Dieweil mir wohl bewußt ift, daß Ihr Gemahl zu botanischen und Zuftgärten eine fondere Luft und Buneigung tragen, wie denn beyde Gärten zu Durlach und Sulzburg das genugjam erweijen“ ꝛc.

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Auch der Sohn des Vorgenannten, Hieronymus Bauhin, widmete 1664 die zweite Ausgabe des Buches dem Markgrafen Friedrich VI. mit folgenden Worten: „Ich babe die jchönen und köftlichen Quft- gärten, welche zu Durlach in Em. Hochfürftlichen Durchlaucht Refidenz find, mit höchſter Verwunderung gejehen und daraus jchließen können, dab E. H. D. nicht eine geringe Luft zu allerhand einheimijchen und fremden Gewächſen tragen und bierinnen, gleich) wie in übrigen Hochfürftlichen Tugenden, derofelben großmüthigſten Boreltern in nichts nachlaſſen“ ꝛc.

Friedrich Magnus, obwohl in ſchwerer Kriegsnot, vergaß den⸗ noch ſeine Gärten nicht, bezog u. A. auch 1705 Gewächſe aus Straß- burg und nahm 1712 jechs Knaben aus dem Rötelnſchen ala Bög- finge in feine Gärten auf.

Karl Wilhelm war jomit jchon vor feiner Erhebung auf den Thron in die Blumenkultur eingeweiht, und hatte in Durlach feine Drangerie und feinen botanischen Garten.

1711 machte er jeine Reife nach Holland, wo die jeltenern Tulpenforten immer noch mit 100 150 Thalern bezahlt wurden. 1712 ließ er einen Katalog feiner Tulpen druden, 1723 und 1729 begab er fich wiederholt nach Harlem in Holland, brachte feine Tage von früh morgens an in den dortigen Gärten zu und ließ fich da- jelbft ein bejcheidenes Haus erfaufen.

In feiner neuen Refidenz fand er Raum und Bedingungen zur Befriedigung jeiner Neigung zur Blumenzucht in reichem Maße. Der Platz vor dem Schloß follte, mit Ausnahme des unmittelbar vor dem Schlofje befindlichen Schloßhofes, diefem Zwecke dienen.

Zur Linken und Rechten, bier vor den Marftällen bis zu dem Beginn der Waldhornftraße, dort vor den Drangeriegebäuden bis zur Waldftraße, ftanden je zwei Reihen DOrangenbäume, der ganze übrige Raum, der heutige Schloßplaß, bildete, vings von einem PBalli- fadenhag mit Thoren umfchloffen, die Gartenanlage.

Den Mittelpunkt derjelben, wo jetzt das Karl-Friedrichadentmal fteht, nahm ein Balfin mit Springbrunnen ein, und von diejem aus zogen fich in rechtwinfeliger Sreuzung breite mit Drangenbäumen ein- gefaßte Gartenwege nah Schloß und Bärengaffe, ſowie nach der Marftallfeite und den Drangerien hin. Das ganze Mittelfeld, den heute zur Teppichgärtnerei angelegten mittlern Schloßplatz, nahm, in vier große Duadrate eingeteilt, der im franzöfiichem Gartenftil in

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fünftlichen Figuren und arabesfenartiger Zeichnung angelegte Blumen- garten ein, und auf beiden Seiten defjelben, den heute mit jehattigen Baumpflanzungen, nebſt dazwischen liegenden Gebüſchen und Grasplägen, bejeßten Teilen des Raumes, waren jog. vertiefte Gärten mit Glas- häuſern, Drangerien, Iuftigen Vogelhäufern mit zahmen, im freien umberfliegenden und niftenden Kanarienvögeln, mit Ententeichen und Behältnifjen für fonftiges Getier. Auch das Birkelquadrat, zwiſchen Kronen- und Abdlerftraße, beftand aus einer Orangerie mit Häujern für Gartenbedienftete nach dem Schloßplaße zu, und war nach den übrigen Seiten des Quadrates bin von Gewächshäufern eingejchloffen.

Die Einfaffungen der verjchiedenen Gartenabteilungen bildeten fünftlich zugejchnittene Buchs- und Tarusheden, dazwiſchen ftanden zahlreiche fragenhafte Gößenbilder und mythologiſche Figuren, ſog. Bagoden. Springende Wafjer belebten allenthalben die lebendige, blühende Tier- und Pflanzenwelt, taufende von Drangenbäumen ſpen⸗ deten im Frühling ihre würzigen Blütendüfte und boten im Sommer und Herbjt ihre goldenen Früchte.

An Blumenarten zählen die von Zeit zu Zeit, jo 1720, 1733, erichienenen Kataloge 800 Arten Hyacinthen, 600 Nelten, 500 Ane⸗ monen, 400 Ranunkeln, 100 Narzifien, 500 Brimeln, Kaifer- fronen, Iris, Krofus, 36 Arten Wloe, 24 Feigenbäume und mehrere taufend Arten Tulpen. Won diefen Lebtern ließ Karl Wilhelm gegen 6000 Spielarten nach der Natur malen, was insbejondere durch die Frau des Nechnungsrates Mebger, den Hofmaler Biegler, den Blumenmaler Simjon aus Qudwigsburg und durch den Sohn des Hofgärtners Sievert geſchah. Dieje folorirten Tulpen befinden fih noch in 16 Foliobänden in der Hofbibliothef.

Der Markgraf bezog jeine Blumen meiſt aus Holland, 1725 für 400 fl. Drangenbäume aus Bajel, andere Pflanzen aus dem füblichen Frankreich, 3. B. Montpellier, und 1731 ſchickte er, in Be— gleitung des durch den Herzog Friedrich Auguſt von Sachſen ent- jendeten Profeſſors Hebenftreit, jeinen Hofgärtner Thran, einen ge— borenen Dänen, nach Afrika, namentlich nach Rapland, woher derjelbe 1732 jeltene Exemplare von Tieren, Pflanzen und Bflanzenjamen u. a. den Kampferbaum und mehrere Balmenforten zurüd brachte.

Die Anlage der Blumen- und Biergärten, in welchen ber Mart- graf oft jelbft unerkannt feine Lieblinge pflegte, geichah durch ven Garteningenieur Sievert und ben vorgenannten Thran.

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Obwohl, oder vielleicht gerade weil der Hofgarten zuweilen Blumen und Zierpflanzen zu beſtimmten Preiſen abgab, war den Bedienſteten, beſonders ihren Frauen, die Blumenzucht zum Verkauf ſtrenge unterſagt.

Auch unter der Vormundſchaftsregierung des Markgrafen Karl Auguſt 1738—46 wurde der Blumenflor unterhalten und vermehrt.

Hinter dem Schloſſe und dem Schlokturm war ein anderer freisförmiger Raum ausgebaut, in deſſen Mitte fich vier Spring- brunnen und im deijen Umkreis vierundzwanzig jog. Käfighäuschen als Bruthütten für zablreihe Sing: und Waffervögel befanden. Hinter jedem diejer Häuschen war ein umbegter Raum mit einem Heinen Baifın und Springbrunnen, und als Fortſetzung diejer Häuschen zog fich hinter den beiden Schloßflügeln, mit diejen parallel, bis zur Hofapothefe und Hofküche, eine zuſammenhängende Reihe ähnlicher, offenbar gleichen Zweden dienender Häuschen hin. Zur Rechten von diefem Kreis, d. h. gegen Weiten, lief eine gerade breite Allee nad) dem Part, in welchem auf zwei freien Plätzen Baſſins mit ‚Spring- brunnen angelegt waren. Von bier aus war der Zugang nach dem Kreis der Käfighäuschen offen, mwehbalb auch auf dem 1739 von Thran entworfenen Plan verjchiedenes Wild, insbejondere Hirjche, Damhirſche und Rehe zahlreich in diefem Kreis jich berumtummeln. 1724 wurde Dammwild in den Park des Hardtwaldes gejett, und die Nachbarn, Pfalz und Speier, deren Grenze übrigens von Stutenfee bi8 Graben durch Ballifaden abgeiperrt war, um Schonung des Wildes gebeten, was auch zugejagt wurde.

Der wejtlih in den Park führenden Allee gerade gegenüber zeigt uns der vorerwähnte Blan eine jolche, nach Oſten zum Fajanen- garten führende, mit ganz gleichen Anlagen wie jene. Ein Faſanen— haus hatte ſchon Markgraf Friedrich Magnus nördlich von dem Ochſenthor in Durlach, jowie auch den Entenfang bei Rintheim.

1715 wurde in Karlsruhe der neue Faſanengarten nebit Wild- ententeich und Feldhühnerhaus angelegt, nachdem 1711 der Haupt- mann von Wottberg den Faſanengarten des Prinzen von Holjtein bejichtigt, und bei diejem Anlaß u. A. berichtet hatte, der Prinz babe feinen Bauern befohlen, ihren Katzen die Obren abzujchneiden , weil ſolche Katzen nicht mehr ins Feld gingen.

1717 bittet der Markgraf jeinen Schwager von Würtemberg, dem Pfarrer von Grünwettersbach, eines damals noch würtembergi-

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ſchen Dorfes, welcher die kleine Jagd dort hatte, zu befehlen, einige Jahre die Faſanenhennen zu ſchonen, und bald mehrten ſich die In« jaffen des Fafanengartens jo jehr, daß jchon Malfch berichtet, man fönne fie nicht nur in den Gehegen herdenweiſe ſehen, jondern fie hätten fich bereit3 auch in dem Walde jelbft zahlreich vermehrt.

Auch ein Kaninchenberg und -Haus wurde 1731 im Schloßgarten angelegt, und 1737 wurde in dem binterjten Teile des Gartens ein Jagdzeughaus, die jpätere Hofjchreinerei, erbaut.

Der Hardtwald jelbft war ringsum als großer Wildpark um- zäunt worden, jchon 1716 wurde verboten, denſelben mit Schaf- berden zu befahren, dagegen jofort nach Ausftodung der Alleen den angrenzenden Gemeinden befohlen, dieje ala Verkehrswege nach der neuen Stadt zu benußen.

Dieje durch den Hardtwald gehauenen Alleen, deren Holz nicht jelten wegen Mangel an Verwendung in den Boden gegraben wurde, er- hielten ihre Namen nach einzelnen, dem Markgrafen durch Verdienſt oder Gunft naheftehenden Männern. So hieß die jegige Akademieſtraße General von Roth Allee, die Stefanienſtraße von Grünthal- Allee, und jo fort von St. Andre, von Berlichingen (jet Bismardftraße), von Menzingen, von Wormjer, von Bernshaufen, von Wöllwarth, von Schilling, von Glaubitz, von Vaſold, von Drais (Lintenheimer Allee), von Schott, von Zeiningen-Wefterburg, von Uexküll, von Gred, von Wallbrunn, von Dungern, von Schüg, von Leutrum, von Baden- Liel, von Griesheim, von Ziegefar (Schulftraße).

Doch wurden dieje Benennungen der Waldalleen niemals volt3- tümlich, mwechjelten zumeilen und find bald wieder verjchwunden, mie die3 auch bei den Straßennamen der Stadt der Fall war.

4. Die Stadt.

Nach dem durch den Markgrafen entworfenen Plan, jollten ſich die neun Fächerſtraßen von dem vor dem Schloß angelegten Schloßgarten aus nur bis an die Mühlburger Landftraße, die heutige Kaiſerſtraße, erſtrecken. Zunächſt am Schloßplaß follte ein Kreisbogen zwei- bis dreiftöciger, unten mit Arkaden verjehener jogen. Zirkelhäuſer von

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ber Walbhorn- bis zur Waldftraße erftehen, welche Häuferreihe großen- teils für be ftliche Gebäude und Wohnungen des Adels beftimmt war, umd diefem Schloßzirkel jollte ein zweiter, parallellaufen- der, den zweiten Kreis bilden. Diejer zweite Zirkel konnte aber nur eine Reihe Häufer erhalten, weil vorerft jämmtliche Häufer des Schloßzirkel3 mit ihren Gärten und Hintergebäuden die ganze nörd- liche Seite des innern Zirkela einnahmen, weßhalb er im Vollsmund der blinde Zirkel hieß.

&o war der erfte Stadtplan auf neun Radialftraßen mit drei Querſtraßen (zwei Zirkel und lange Straße) berechnet, d. h. im Ganzen auf 12 Straßen,

Daß übrigens vor der Gründung der Stadt die nächfte Um- gegend nicht jo ganz öde und urmwaldartig war, erfehen wir, abge jehen von der durch Gottsau und die umliegenden alten Ortſchaften angelegten Kultur, auch daraus, daß ſchon 1712, aljo 3 Jahre vor der Gründung, ein Wirtshaus zum Waldhorn, „das goldene Wald- börnle“ erwähnt wird. Daffelbe, nahe an der langen Strafe in der ſpätern Waldhornftraße, hinter dem jebigen Gafthaufe zum Ritter gelegen, war anfangs eine Schente für Fuhrleute und Waldarbeiter, wurde aber, als 1717 Waldhornwirt Sembach von dem Marl: grafen ein daranftoßendes einftödiges Edhäuschen bei dem Thor für 400 fl. erlauft Batte, jo vergrößert, daß anfangs die Lateinifche Schule darin gehalten wurde, und der Gemeinderat feine Sigungen dajelbft hielt. Doch war das eigentliche Gafthaus nicht in dem Ed- haus, denn 1725 verlaufte Sembachs Wittwe dafjelbe, melches zmi- ſchen Sembachs Edhaus und dem herrichaftlichen Bauholzplatz lag, an Joh. Mich. Ritter aus Berna bei Dresden.

Einen meitern Beweis für das Daſein jchon vorhandener An- fiedlungen im Walde finden wir in einem andern. Altenftüd vom 19. April 1715, aljo wieder vor der Gründung. In dieſem leſen wir, daß ein zugewanderter Mebger, Namens Ehriftian Zu— läger*), welcher mit Erlaubnis des Markgrafen ein Häuschen in den Hardtwald gebaut hatte, durch den Ingenieur Batzendorf ange- wiefen wurde, das Häuschen abzureißen, weil hieher der fürftliche Marftall kommen follte. Er bittet daher den Markgrafen um Zu- weiſung eines andern Platzes näher bei Durlach, an der Straße und

) Diefer Zuläger fommt 1725 als Karpfenmwirt vor.

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an der Ede des Tiergartens, fowie um die Erlaubnis, Wein und Bier zu fchenten und warme und kalte Speifen zu verabreichen, wie zwei andere Wirte im Harbtwald, Joh. Valentin Altmüller von Mühlburg, und einer von Frankenthal ſchon vorher, aljo ebenfalls vor der Gründung der Stadt, thaten. Ebenjo war ſchon 1715 ein Bierwirt von Neureut bier angefiebelt.

Daraus entnehmen wir, daß Häufer oder doch Häuschen vor 1715 in dem Hardtwald vorhanden waren, und dak vor dem Juni 1715, mit Erlaubnis des Markgrafen, Mebger und Wirte fich dort angefiebelt hatten, wohl teilweife angezogen durch die im Januar angefangene Ausftodung und die dabei bejchäftigten zahlreichen Ar- beiter. Weiter wiſſen wir, daß der fürftliche Tiergarten in diefem öftlichen Teil des Hardtwaldes jchon vorhanden war, und daß an dem Wege von Gottsau nah Rintheim das herrichaftliche Jäger⸗ haus ftand.

Nachdem der Stadtplan feitgeftellt, und die Straßenfluchten ab- geftedt waren, erhielten dieje ihre Namen. Won der langen Straße jagt Malſch 1728: „eam vocamus ex natura vicum longum, vulgus Mühlburgensem, quod inde recta Mühlburgum conten- ditur*, deutich: „Dieje nennen wir naturgemäß „lange Straße”, das Volt aber noch „Mühlburger Straße“, weil fie gerade nah Mühl- burg führt“. Auch via principalis, Haupttraße, wird fie genannt.

Die Ausdehnung und Abgrenzung der Stadt wurde durch die Parkmauer, durch PBallifadenzäune und durch vier Thore beftimmt. Das Durlacher Thor kam anfangs nahe an die Waldhornftraße, das Rüppurrer ziemlich an jeinen jpätern Platz, das Mühlburger nahe an die Ausmündung der Waldftraße in die lange Straße, das Linten- heimer außen an die Kreuzung des innern Birkel und der Walb- ftraße. Da dieſe Thore aber vorerft alle nur einen Abſchluß mit Palliſaden und hölzernen Pforten oder Schlagbäumen bildeten, neben denen hölzerne Thorwarthäuschen ftanden, jo konnten fie, wie wir jpäter jehen werden, ohne bejondere Schwierigkeiten nach Bedürfnis weiter hinaus verlegt werden.

Daß übrigens neben diefen Hauptthoren noch Heinere Ausgänge und Pförtchen in der Pallifadenumzäunung nach den außerhalb lie- genden Feldern und Gärten, und aus diejen nach dem Walde vor- handen waren, ift jelbjtverftändlich, jo wie auch von Anfang an ein Ausgang aus dem hintern Schloßgarten nach dem Hardtwald führte,

Sofort erließ der Markgraf im In- und Auslande feine Ein- ladung an Solche, welche Luft haben mochten, feine neue Stadt zu bevölfern.

Bei den mangelhaften Verkehrsmitteln damaliger Zeit, ſowie bei der geringen Anzahl publiziftiicher Organe zur Bekanntmachung jolcher Angelegenheiten, ift es ſehr begreiflich, daß der Zulauf neuer An- fiedler in den erften Jahren fein bedeutender war. Doch wurde zu— nächſt im Schloßzirkel fleißig gebaut.

Die Vorſchrift für den Bau der Häufer war, daß im Schloß- zirlel mindeſtens zweiftödig, in den übrigen Straßen einftödig mit Manfardenitof und Alles von Holz gebaut werden jollte. Nur öffent- fihe Diener, und ausnahmsweiſe auch Andere durften von Stein bauen. Alle erhielten den Plab und das Bauholz frei, die Steine gegen mäßigen Brecher- und Fuhrlohn aus den Durlacher und Grötzinger Steinbrüchen.

In dem Fahr 1715 bauen die Zimmerleute Langenbach und Arnold unter den erften Häujern der Stadt ſolche in der Kronen- fteaße, die zahlreichen Arbeiter bei dem Schloßbau und andern Arbeiten, Hofdiener und Soldaten fingen an, da3 ihnen zugewiefene Terrain bei dem Rüppurrerthor mit einftödigen Barafen, dem Anfang von Klein⸗Karlsruhe, zu überbauen und die Bewohner diejes Stadtteils mehrten fich bald jo ſehr, daß derſelbe fich in kurzer Zeit bis nad) dem Durlacherthor hin erftredte und eine eigene Gemeinde für fich bildete.

Dem 19. Juli 1717 erfolgte ein Erlaß de3 Markgrafen des Inhaltes :

„Ahn ſambtliche Dikafterien in Durlach. Weilen ich mich rejol- virth habe, künftiges Jahr, jo Gott will, gegen den Monat Mat 1718 die Cantley, welche allbereit3 zu bauen ahngefangen habe, und umb diefelbige Zeith ganz fertig ſeyn wirth, herauf zu ziehen, aljo hat fih ein Jeder mit behörigen Lojamenther, welche zu billigem preis zu haben jeyn werden, zu verjehen, ift diejes alſo zu publiciren, auf daß ein Feder fich darnach zu richten wirth wiſſen.

D., den 19. Juli 1717.

Karl, M. v. Baden.“

Somit erfolgte 1718 die Verlegung der Staatäftellen hierher.

Privathäufer wurden auf dem Freitagsmarkt von BZimmerleuten und Bieglern fertig zum Aufichlagen verkauft.

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In den Straßen ſah e3 freilich noch längere Zeit ſehr übel aus. Diejelben waren ſämmtlich noch ohne Pflafter, außer vielleicht einem ſeht mangelhaften, ſchmalen gepflafterten Fußſteig längs der Häuſer, nachts ohne alle Beleuchtung, jo daß der Wanderer mit eigener La— terne bei Nacht feinen ſchmutzigen oder tiefjandigen Weg juchen mußte, und ala im Jahr 1718 geklagt wurde, daß die Straße beim Linten- heimerthor wegen Baumftumpen und Moraft kaum fahrbar jet, erflärten die Hardtbewohner, welche diefelbe zu befahren hatten, fie wollten fie ausftoden und mit Faſchinen befegen, mas aber der Gemeinderat von Karlsruhe nicht zugab, weil die Hardtleute, um hierher zu fommen, über Müblburg zu fahren und dort den Landzoll zu bezahlen hätten. Ebenfalls im Jahre 1718 im Dezember verordnet der Markgraf, da von den durch das Nüppurrer- und Müblburgerthor über den Land» graben führenden Wegen nach Rüppurr, Beiertheim und Bulach, der erfte nur ein Verbindungsweg nach und von den genannten Orten und Ettlingen, der andere nur als Viehtriebweg für Beiertheim und Bulach erlaubt jei, jo jolle an den betreffenden Thorbrüden eine Tafel angeichlagen, und diefe Wege allen Landfuhren und Zoll- pflichtigen, welche über Mühlburg zu fahren hätten, bei 10 Reichs— thaler Strafe verboten werden.

Und troßdem begeiftert fich bei der im Jahr 1717 abgehaltenen Reformationzjubelfeier ein derzeitiger Dichter zu folgendem Jubel⸗ gejang :

Hier war vor wenig Jahren

Ein unbequemer Wald,

Mit didem Holz bejeßet,

Wo fich der rauhe Schwarm

Des frechen Wilds ergütet.

Beränderte Geftalt !

Jetzt machet unſers Fürften Fleiß

Und ſein erlauchter Witz

Die Wildenei zum frohen Luſtgefilde,

Zum ſchönſten Paradies, zum ſüßen Himmelsbilde, Zur angenehmſten Stadt, ſogar zum Fürſtenſitz.

Vor 1719 ſtanden in der langen Straße erſt wenige Häuſer, die Radialſtraßen waren zum Teil, der Schloßzirkel größtenteils mit Häuſern beſetzt. Die Häuſerquadrate hatten noch viele Lücken, die nicht überbauten Stellen nach der Straße zu waren mit einfachen

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Blantenwänden abgeſchloffen. Die Wald- und Waldhornſtraße zeigen nur erſt eine Häuferreihe, und nach der Waldfeite hin einen Ballifaden- zaun, durch welchen einzelne Pförtchen in den Wald führten. Nur an den Enden diejer beiden Straßen ftand auf der Waldſeite in der einen das fürftliche fyeuerhaus, in der andern ein Pavillon, Sommer- ſaal genannt, ſpäter Geſchirrhaus, wo jet etwa das Hofzahlamt und der Eingang in den botanischen Garten fich befindet.

Die Mühlburger Landftraße (lange Strafe) war noch auf beiden Seiten von Thor zu Thor mit einer Reihe von Bäumen bejegt, und an und über dem Landgraben lagen Gärten und Aeder, durch welche verjchiedene Gartenwege zum Teil ebenfalls zwiſchen Baumalleen führten. Die Nahahmung franzöfiichen Wejens hatte überhaupt die Benennung „Allee“ für ſolche Wald-, Garten- und Feldwege fo all- gemein gemacht, daß ſogar die Radialſtraßen der Stadt, jo lange fie noch die Namen von Perſonen trugen, Alleen hießen.

Neu eintretende Einwohner wurden Bürger oder Schußbefohlene. Wer Bürger werden mollte, mußte modellmäßig bauen. Zuweilen aber beeilten fie fich nicht zu bauen, daher mußte 3. B. 1720 im Januar der Oberamtmann von Günzer Einzelnen bei Berluft des Bauplatzes und 150 fl. Strafe befehlen, e3 bis nächften Mai zu tun.

Nach der Verlegung der fürftlichen Canzleien hierher 1718 zeigt jich indefjen eine rajchere Vermehrung der Häufer und der Bürger, alle Straßen des Grundplanes zeigen fich bis Ende des Jahres 1720 ztemlich mit Häufern bejeßt, und die Zahl der Einwohner ftieg jchon 1719 auf 1994.

1720 ftanden in der Waldhornftraße 17, Kronenftraße 11, Adler⸗ ftraße 14, Kreuzftraße 10, Bärenftraße 6, Lammſtraße 5, Ritter ftraße 10, Herrenftraße 10, Waldftraße 4, lange Straße 32, dem innern Zirkel 11, dem äußern Zirkel (Schloßplag) 5 Privathäufer, im Ganzen 135.

Un dem Schloßplag befanden ſich, wie jchon gejagt, herrichaft- liche Gebäude, Dienfthäufer für die höhern Beamten und zum Teil auch des anſäſſigen Adels. Zu den berrichaftlichen Gebäuden gehörten die auf Koften der einzelnen Landesteile gebauten jogen. Landichafts- häuſer am Schloßplatz, u. a. auch das Hachberg-Rötel’iche Land⸗ ſchaftshaus, zu defien Erbauung, welche 10836 fl. gefoftet hatte, die Herrichaft Hachberg */,, Saufenberg-Röteln ?/, bezahlt hatten. Diejes

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Haus war dreiftödig, von Holz, hatte Pferdeſtälle, Waſchküche, Hühner- ftall, Brunnen und 2 Hausgärten, und außerhalb der Stadt zwei Gärten am Landgraben.

Seit dem Jahre 1718 ftand am Schloßplak und der Ede ber Waldhornftraße, die jehr bald nachher ſchon reparaturbedürftige alte Kanzlei, an dieje anftoßend das dem Geheimrat zur Gloden ge jchentte, aljo ebenfalls berrichaftliche Haus, und neben diefem, die Ede der Kronenftraße bildend, dasjenige des Geheimrats von Schüb, 1736 war diefe alte Kanzlei verlaffen, und die neue ftand ebenfalls am Schloßplag, in dem Quadrat der Lamm und NRitterftraße, die Ede der Ritterftraße einnehmend, während die Ede der Lammſtraße das Haus des Erbprinzen war, in welchem 1728 Karl Friedrich zur Welt kam.

An dem Schloßplatze beſaß auch der Baron von Mottberg zu Bamlach ein Haus, das 1720 von demjelben an den Markgrafen verfauft wurde, und zwar für 50 Malter Haber, 2000 Gentner Heu, 500 Bund Stroh und 50 Klafter Brennholz, welche vier Jahre lang 1720—23 frondweile nad) Bamlach zu Tiefern waren. Auch ein Herr von Nidda verkaufte 1721 ein Haus am Schloßplatz an den Markgrafen. 1736 jchentte dagegen der Markgraf dem jungen Karl Auguft von Schilling, dem Sohne ſeines Oberhofmarjchalls Friedrich Wilh. von Schilling, ein Haus am Schloßplag neben der Witte des genannten Oberhofmarjchalld und dem Krämer Scotto.

Ueber den Bau von Kirchen und Schulhäufern werben wir andern Ortes berichten, die bürgerliche Gemeinde bedurfte aber auch eines Rathauſes.

So lange noch kein ſolches vorhanden war, wurden die Sitzungen des Gemeinderates, ſowie die lateiniſche Schule in dem Gaſthaus zum Waldhorn gehalten, welches dem erſten Bürgermeiſter Joh. Sem- bach gehörte.

1720 wird daher unter den ſtädtiſchen Ausgaben ein Schul- und Rathauszins aufgeführt.

Im Jahre 1722 mar auf der Stelle, wo jegt die Pyramide fteht, die evangeliiche Stadtkirche gebaut worden. Es wurde daher von 1724 an der Bau eines ftädtiichen Rathaufes wiederholt durch die Regierung angeregt, und es handelte fich nun vorerft um die Wahl des Platzes.

Schon unter der damals noch wenig zahlreichen Bürgerſchaft hatten jich darüber zwei Parteien gebildet. Die Einen wollten das Rathaus mit den Metzgerbänken zuerjt neben der Kirche, und zwar auf der öftlichen Seite derjelben haben. Dagegen nun verwahrt fih 13. März 1725 der Klirchenrat und Stadtpfarrer Krüger, weil der Pla zum Pfarrhaus bejtimmt jei, und jomit mußte der Plan aufgegeben wer— den. Dagegen wurde nun von dieſer Partei der Edplag an dem Marft und der langen Straße, jebt Kaiſerſtraße 141 in Ausficht genommen, während die andere Partei den Bau eines Haujes am Schloßplatz zwiſchen Lamm- und Ritterftraße wünſchte. Für dieje beiderjeitigen Pläne wurden Anerbietungen an Geld und Arbeit ge- macht. Die Einen boten 189 fl., die Andern 233 fl., und Einer derjelben, der Kaufmann Fein, welcher ein Haus im Zirkel bejaß, 100 fl. bar und 500 fl. umverzinslichen Vorſchuß in Waren an, Handwerker wollten Thürbejchläge, Oefen, Glockenſeile ze. unentgeltlich liefern. Nachdem man fich in Gründen und Gegengründen aller Art gegenjeitig bekämpft hatte, wurde 1726 den 26. Juli auf Anordnung der Regierung durch den Beamten eine namentliche Abjtimmung der Bürgerjchaft und der Schußjuden vorgenommen.

Für den Plan an dem Marftplaß fielen 135, für den am Schloßplatz 55 Stimmen. Unter den Abjtimmenden waren 24 Iſrae— (iten. ntjcheidend war für die Mehrheit die Müdjicht darauf, daß das Rathaus an den Marktplat geböre, und daß für die dazu ge= hörigen Brot: und Fleiichbänte, ſowie für die Mebig, das Korn- und Kaufbaus und die Mehlwage, der Plab in der Mitte der Stadt und am Landgraben der geeignetere jet.

So wurde denn 1728 auf den jegigen Plätzen Nr. 141 und 143 der langen Straße mit dem Bau des Rathauſes begonnen. Wejtlich davon, durch ein Gäfchen getrennt, lag das Haus des Geheimhof- rats Wielandt. Das Rathaus wurde 1729 vollendet und war von Holz zweiſtöckig gebaut.

An der Ede dem Marktplatze zu ſteht eine jteinerne Bank, da— neben der Lajterftein oder Pranger, und über demjelben das Halseiſen, mit welchen die an den Pranger Geftellten angejchloffen wurden.

Ebenfalls vor dem Haufe nach dem Marktplatz zu waren Brot: bänte und in deren Näbe ein Ziebbrunnen.

Von der hintern Seite des Rathauſes zog ich die Hofraite bis an den Yandgraben, in der jegigen Hebelſtraße. Zunäcjt hinter dem

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erbaut 1728,

Rathaus zu Rarlsruhe

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Rathaus befand ſich, mit einem Thor nach dem Marktplage bin, der Hof mit den Fleiſchbänken, welcher übrigens bald zu einem recht widerlichen und übelriechenden Lokal wurde, denn im Jahre 1739 Hagten die Metzger: „Alle Priveter (Aborte) gehen dort hinaus, und an Wochenmärkten und andern Tagen nehmen Bauern und Buben dorthin in dem Hof ihren U...... daß man vor Geftant nicht darin bleiben kann, und das Fleisch ohne Luft in einer Nacht darin grün und ftintend wird.“

Weiter ftand im Hof das ftädtifche Feuerhaus, auf dieſes folgten zwei Gärtchen, fodann ein Holzpla, hierauf das Gärtchen des Stabdt- dienerd und endlich am LZandgraben das Schlachthaus mit der Woh- nung des Stadtdieners.

Den untern Stod des Rathaujes nahmen die Mehlwage, das Korn und Kaufhaus ein. In dem Hof fehen wir noch hodauf- ragende Bäume, die Ueberbleibjel des Waldes. Neben dem Hof des Rathauſes führte der Weg in den Friedhof.

Wir geben nach einer Driginaljlizze das Bild dieſes erften Karlsruher Rathaufes, ſowie dasjenige des ebenjo Tarakteriftiichen Gafthaufes zum Bären, des jebigen englifchen Hofes.

1722 hatte der Markgraf mit dem Oberamtmann die Karlsruher Gemarkung umritten und beftimmt, daß das Gelände zwiſchen Gottsau und der Schießhütte zur Karlsruher, nicht zur Gottdauer Gemarkung gehöre. 1729 wurde der Vorjchlag gemacht, die hölzernen Brücken bei dem Durlacher-, Mübhlburger- und Rüppurrerthor von Stein zu bauen, meil aber die Koften 68 fl. 52 fr., und bei der fchrägftehen- den Mübhlburger ſogar 118 fl. betragen hätten, mußte der Bau unterbleiben. Doch wurde 1734 die hölzerne Brücke bei dem Mühl⸗ burgerthor, über welche die Beiertheimer Herden zur Weide in den Hardtwald gingen, reparirt. In demjelben Jahre wurden Palliſaden um die Stadt von Thor zu Thor gefegt, und obwohl die Rentlammer auch die Mithilfe der Stadt dazu wünſchte, doch von der Regierung allein die Laſt übernommen.

1737 fteht jchon das Brunnenhaus in der verlängerten Lamm- ftraße. Bei dem Tode des Markgrafen finden wir außer den Schloß- gärten von herrichaftlichen Gärten bei der Stadt auch jchon den Erb- prinzengarten, füdlich von dem NRathaushof jenſeits des Landgrabens.

5. Gemeindeverwalkung.

Das Wappen der Stadtgemeinde Karlsruhe bildet eine Krone, und unter derjelben der badijche Schild mit dem goldenen Duerbalten, welcher die Juſchrift „Fidelitas“ trägt.

Um jeine neue Stadt zu bevölfern, ließ Markgraf Karl den 24. September 1715 in jeinem Lande und den Nachbarländern einen Freiheitsbrief befannt machen, in welchem er den neuen Anfiedlern gewiſſe Vorteile und Berechtigungen in Ausficht ftellte, an welche er zugleich gewiſſe Bedingungen und Anforderungen knüpfte. Siebe Beilage I.

In den erjten Jahren jcheint die Leitung der neuen Anfiedlung einfach durch Regierungsbeamte gejcheben zu jein. Nachdem die Zahl der Bürger einigermaßen herangewachien war, wurde die Beitellung einer Gemeindebehörde nötig. Dieje bejtand nach dem Vorbild an- derer Städte, bejonders des nahen Durlach, aus einem Bürgermeifter, welcher in Karlsruhe noch zugleich Stadtrechner war, und ſechs Rats» herrn, des Rats und Gerichts genannt.

Dieje Behörde wurde im Frühling 1718 erſtmals von 55 Bür- gern gewählt, von der Regierung bejtätigt und den 19. März in ihr Amt eingeführt.

Erjter Karlsruher Bürgermeifter war Johannes Sembad aus Straßburg, vorher Hinterfaß in Durlach, 1715 Mebger und Wald- hornwirt bier, 1716 Kaufmann in der Kronengaffe. Diejer Sembad) ſcheint überhaupt ein angejehener Mann gewejen zu fein, denn am 3. Januar 1718 ftehen bei der Taufe eines Töchterchens defjelben in der Schloßfapelle, als Paten eingetragen: der Markgraf mit Ge- mablin, der Obervogt von Günger mit Frau, Fräulein von Löwen— franz, des Oberjtallmeifterd Tochter, ein Hauptmann van Nidda mit Frau, von Größingen und Geheimjetretär I. E. Bürkfin.

Mit Sembach wurden als Stadträte gewählt: Nik. Zeug, Joh. Ludwig, Joh. Mich. Keller, Nik. Arnold, Matth. Hans Deeg, 3. Gr. Trautmann, wovon drei nicht annahmen, jo daß an ihre Stelle Chirurg Gottfr. Kurz, Mich. Schöndorf und Hans Mid. Mebger gewählt wurden. Stadtjchreiber war der Oberamtsattuar Lichten- berger.

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Die meiften der Gewählten haben Durlacher Namen. Die Dring- lichkeit der Gejchäfte jcheint indeſſen nicht jehr groß geweſen zu fein, da erft den 24. November deſſelben Jahres die erfte Situng abge- balten und in derjelben die Wahl der fog. ftäbtiichen Polizeiämter, als Brotwäger, Fleiſchſchätzer, Eicher, Weinfticher, Weinfiegler aus der Zahl der Ratsglieder, ſowie der niedern Stadtdiener, Nacdhtwäch- ter, Stadtknechte, Bettelvögte u. a. vorgenommen wurde.

Die Wahl zu den Gemeindeämtern hatte aber, weil Einzelne fh gegen die Annahme fträubten, jo viel Mühe geloftet, daß der Rat den Markgrafen erjuchte, die Wahl jelbft vorzunehmen, oder doch zu beftimmen, welche Rechte dem Rate dabei zuftänden, und ob es damit wie in Durlach gehalten werden follte.

Sembach blieb nur vier Jahre Bürgermeifter, denn 1722 folgte ihm der Bäder Johann Ludwig, ein Durlacher, im Amt, diejem ſchon 1724 Gg. Mb. Ditmann bis 1733 und von da an bis nad Markgraf Karla Tode Joh. E. Kaufmann. In dem Rat ſaßen in diefer Beit I. D. Nothardt, Mich. Deeg, Gg. Rupp, Hch. Ga. Fiſcher, Chr. Pfrang, 3. &. Wenzel, I. M. Neder, auch die frühern Bürgermeifter Ottmann und Qudwig, diefer 1732 ala Stadtbaumeifter. Nach Lichtenberger wurde Patſcholdt, und nach diejem 1728 Theodor Bolz Stadt- und Amtzjchreiber.

Die Rechte, Freiheiten und Vergünftigungen, welche die neuen Karlsruher durch den Gnadenbrief 1715 erhielten, waren: 1. Religions- freiheit, 2. ein eigenes ſtädtiſches Gericht für ihre ftädtifchen Streitig- feiten mit Rekurs an das Oberamt, damals noch in Durlach, 3. Bau- pläge, Holz und Sand zum Bauen unentgeltlich, die Steine gegen mäßigen Brecherlohn, jedoch mit Beifuhr auf eigene Koften, und freie Wahl der Bauhandwerker, 4. Freiheit von Einquartierung, Kollekten, auch allen andern ordentlichen und außerordentlichen, jachlichen und ‚perfönlichen Laften und Steuern für ſich und ihre Erben auf 20 Jahre, 5. Freiheit von Abgaben für ihre mitgebrachten Meobilien, Kaufmanns» und fonftige Waren, 6. Freiheit von Pfundzoll in Handel und Wandel für Waren und Verbrauchsartifel, 7. Handels- freiheit im Lande für ihre Waren, jo daß fie nicht mehr als andere Unterthanen dafür zu zahlen hatten, 8. der Vorzug bei Käufen und Arbeiten für den Hof, 9. für ſich und ihre Nachlommen für ewige Beiten Freiheit von der Leibeigenichaft, und allen daran haftenden Raften, wie Fronden, Hagen und Jagen u. dergl. Bieht Einer

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vor 20 Jahren weg, jo darf er nach Abzug des ihm gegebenen Platzes, Holzes und Sandes Haus und Pla verkaufen, auch über die 20 Jahre hinaus follen fie nicht mit übermäßigen Auflagen und Dienften bejchwert werden, und der Markgraf verfpricht, auch für künftig eher eine Mehrung als Minderung diefer Vergünftigungen eintreten zu laflen, und darauf bezügliche Vorſchläge anzuhören.

Dagegen fordert er von den Anfiedlern die Mittel zum Bauen und den Bau modellmäßiger Häufer.

Der Freiheitsbrief enthielt indeffen manche Beftimmung, melche einer genauen Auslegung bedurfte, und manche Beftimmung nicht, welche für den Beſtand der jungen Gemeinde nötig mar.

Daher richtete ſchon 1718 der Rat eine Eingabe an den Marf- grafen, worin er folgende Bitten vortrug: 1. Um einen ordentlichen Freiheitäbrief, wie derjenige von Mühlburg war, 2. um ein ordent- liches Gerichtd- und Ratzkollegium, welches gewählt nnd amtlich be- ftätigt würde, 3. um die Unterftellung der baushäblichen und ge- werbtreibenden fürftlichen Diener unter die amtliche Gerichtsbarkeit, nicht wie bisher unter das Hofmarjchallamt, und um Beizug derjelben zu den Bürgerlaften, 4—7. um Zumeifung eines Drittel3 des Ohm— geldes, um Einräumung von Feldern und Edericht für den Schweine- trieb, fowie um Anteil an den Strafgeldern, 8. um den Bau eines Blockhauſes (Gefängnis), 9. um Einführung des Durlacher Eichmaßes, 10. um Berpflichtung ber gemwerbtreibenden, eigentumslofen Hinter- jagen von Klein⸗Karlsruhe zur Zahlung eines Hinterfaßengeldes behufs Anihaffung von Feuerjprigen und $Feuereimern, 11. um die Ber. pflichtung jedes neu eintretenden Bürgers zur Angabe feines Namens und Herlommens, 12. um Beizug der Juden zu den Stadtfoften.

Auch diefe Forderungen gründeten fi meift auf Durlacher Berhältniffe und dort beftehende Zuſtände.

Der Beicheid darauf war für Punkt 1, 2,4, 5, 6, 7, 9, 11 und 12 zufjagend, 3. blieb vorerft ohne Antwort, bei 8. heißt es, fie follen jelbft bauen, bei 10. die Klein⸗-Karlsruher jeien nach Gottsau frondpflichtig.

Der erfte Freiheitsbrief von 1715 fand feine nähern Beftim- mungen und Regelungen in demjenigen vom 12. Februar 1722 und vom 15. Auguft 1724. ©. Beil. I. u. II.

Die Gemarkung der jungen Stadt war eine bejchräntte, gegen Süden und Dften grenzte hart an bie Stadt die Beiertheimer und

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Gottsauer, gegen Weſten die Müblburger Gemarkung, gegen Norden der Hardtwald, und doch herrſchte in derjelben neben dem Hand- wert und dem Hofhalt noch ziemlich viel bäuerliches Wejen und Anfehen. 1719 hatten die Karlsruher noch eine bedeutende Schweine- berde und 200 Stüd Ziegen, welche am Landgraben mweideten, ob- wohl 1717 ‚eine Verordnung erjchienen war, welche nur den Heb- ammen und breithaften Perſonen das fernere Halten von Biegen geftattete. Eigentliche Bauern aber finden wir 1720 nur zwei auf- geführt.

Der Karlsruher Weidgang lag zwiſchen der Grabener und Blankenlocher Allee. 1720 baten die Stadtbehörden um Befreiung von dem Dehmen- oder Ederichtögeld, welches für ein altes Schwein 9 kr., für ein junges 4", kr. betrug und an die Herrichaft als Waldeigentümer zu bezahlen war.

Der den Karlsruhern angemiejene, auch von Beiertheim befahrene Weideplaß ſei etwa zwei Jagen (Jagdbezirke) groß, mit vielen Eichen bewachjen, man könne wohl 160 Schweine bineintreiben, 55 von den Dienern, 68 von den Bürgern, 37 von Klein-Karlsruhe, der Karls— uber Handel fei von geringer Bedeutung, daher Feldbau und Vieh— zucht hier nötig. Früher jeien fie vom Dehmengeld frei geweſen :c. Das Gejuch wurde zwar abgejchlagen, aber noch 1748 finden wir eine Herde von 258 Schweinen bier.

Die Heine Gemarkung in der Nähe der Stadt war zu Gärten, Aeckern und Wiejen ausgeteilt, daher bat die Stadt 1719 um Bu- weifung von Wedern über dem Landgraben im Sommerftrih, und 1721 um weitere drei Morgen zur Haltung des Rindfafels und Ebers und erhielt leßtere frei von Zehnten und Bodenzins auf un- bejtimmte Zeit angemiejen.

Die Einnahmen der jungen Stadt waren im Verhältnis zu ihren Ausgaben kaum genügend. Da mußten die ftädtijchen Diener und Angeftellten bezahlt, neue Bauten, wie Rathaus, Gefängnis, Brot» und Mepelbänte, Markt- und Kornhäuschen, Frucht: und Mehlwage, Wachlokale, Brücken bergeftellt, für Geräte aller Art, insbejondere Feuerlöſchgeräte gejorgt, die ftädtiiche Polizei» und Wachmannjchaft u. a. m. unterhalten werden, dagegen floffen anfangs die Einnahmen mehr als jpärlich, und nur nach und nach gelang es den fort- geiegten Bemühungen und Bitten des Rates, diejelben zu mehren.

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So erhielt die Stadt 1715 ein Drittel des Ohmgeldes, welches von der Ohm Wein 30 kr., Bier 15 fr. ausmachte, ſowie einen An- teil an den amtlichen Strafgeldern unter 10 fl. und das Schußgeld der Juden und Hinterjaßen.

1719 wurde zu Gunften der Stadtfafe, wie in Mühlburg, von den nicht bürgerlich und nicht haushäblich hier Wohnenden, namentlich den Handwerkägehilfen, ein Schußgeld erhoben.

Der Salzhandel war Regal, aber dennoch durften die Karla- ruber, auch die Kaufleute, ihr Salz kaufen, wo fie wollten. Nun fauften aber auch die andern Unterthanen der Markgrafſchaft mit Umgebung der herrichaftlichen Salzjtadel ihr Salz, und zwar fchledh- tere3, daher auch wohlfeileres bei den Karlsruher Kaufleuten, um— gingen jo, weil der Karlsruher Handel pfundzollfrei war, zum Nachteil des Staates diefe Abgabe und entzugen der Herrichaft zu— gleich den Nuten des Verkaufes. Deßhalb wurde ihnen 1717 be= fohlen, ihren Bedarf nur bei der Herrichaft zu erfaufen. 1720 Tegte die Herrichaft bier ein eigenes Salzmagazin an, aus welchem das Salz zu 2, ftatt 3 kr. abgegeben wurde, und e3 wurde den Karls— ruher Kaufleuten aller Salzverlauf bei 10 Reichsthl. Strafe unter- jagt. 1721 im April wurde ihnen der Verkauf zwar wieder ge- ftattet, aber bei 50 Neichsthl. Strafe nur an Karlsruher Einwohner und gegen Abgabe von 5 fr. vom Zentner an die Stadtkaſſe. Dies Salzgeld bildete fortan auch einen Teil der Stadteinnahme.

1722 wurde in Antwort auf Nr. 3 der oben angeführten Ein- gabe des Rates vom Jahre 1718 bejtimmt, daß berrichaftliche und Hofdiener, welche ein Gewerbe betrieben, in polizeilicher Hinficht unter dem Oberamt, nicht mehr unter dem Hofmarjchallamt ftünden, und ala 1724 die Stadt fich beflagte, daß die Perjonalfreiheit der übrigen öffentlichen Diener der Stadt große Laften aufbürde, weil ein Viertel jämmtlicher Häujer in dem Beſitz folcher Befreiten jei, wurde 1727 verordnet, daß diejelben fofern fie Gewerbe trieben, alle bürgerlichen Berfonallaften, namentlich auch die Wachen, Patrouillen u. a. mit zu tragen hätten.

Die den neuen Karlsruher Einwohnern zugeftandenen Freiheiten und Berechtigungen wurden aber auch vielfach mißbräuchlich ausge: beutet.

Sp erhielten die Bauenden ihr Holz durch Anweiſung ganzer Bäume mit Inbegriff des Gipfels, trieben aber damit ſolchen Mip-

brauch, daß Einzelne viele Klafter Brennholz für ſich erübrigten, und das Forſtamt 1717 die Weiſung erhielt, denſelben das erforderliche Brennholz als Gabholz beſonders anzuweiſen.

1718 mußte beſtimmt werden, daß durch den Verkauf neugebauter Häuſer der Verkäufer ſeines Privilegiums verluſtig werde, weil das- ſelbe kein Perſonal-⸗, ſondern ein Realrecht ſei, und ebenſo daß bie Pfundzollfreiheit ſich nur auf Viktualien und Mobilien des - neuen Anſiedlers, nicht aber auf deſſen ſchon beſeſſene, außerhalb befindliche Liegenſchaften beziehe.

Als der Verkauf ſchlechten ausländiſchen Eiſens, ſtatt des inlän- diſchen verboten wurde, und die hieſigen Eiſenhändler J. Sembach, J. Ludwig, Vinzenz Melazzo, Dominiko Maſſimo und Pietro Scotto „wehmütigſt“ dagegen remonſtrirten, indem ſie ſich auf ihre Privilegien beriefen, gab ihnen der Markgraf zur Antwort, er habe feine Privi- legien nicht für einzelne Wucherer, Krämer und Juden gegeben, jon- dern für das Gemeinmwohl. .

Zu einer weitern Berichtigung gab auch der Umftand Anlaß, daß der alte Gröginger Jude Falk Faber in Durlach wohnte, und doch als ein in Karlsruhe, wo er ein Haus befaß, Befreiter mit feinen Söhnen im Lande umber freien Handel trieb, daß ſodann ein gewifjer Baruch Faber's Karlsruher Haus kaufte, um daraufhin eben- falls Freihandel zu treiben, daß der Jude Seligmann von Ettlingen, ebenfalls hiefiger Hausbefiger und Privilegirter, fowie mehrere andere Eitlinger Juden unter gleichen Verhältniffen als abgabefrei im Lande herum Handel trieben. Diejer offenbare Mißbrauch hatte die Ber- ordnung vom 15. Auguft 1724 zur Folge, nach welcher Diejenigen, welche hier Häufer befaßen und ihre Privilegien auswärts ausnußten, angehalten wurden, innerhalb ſechs Monaten ihre Häufer zu beziehen, oder zu verlaufen, widrigenfall3 fie deren gerichtlichen Verkauf zu gewärtigen hätten.

Ebenjo mußte der Markgraf beftimmen, daß die Karlsruher für nicht in Karlsruhe fabrizirte Waren, welche fie außerhalb Landes tauften und bier in Karlsruhe wieder verkauften oder verbrauchten, den Pfundzoll zu bezahlen hätten, obwohl Gericht und Rat, auf $. 5 des Gnadenbriefes von 1715 fich berufend, ſich auf's lebhafteſte da- gegen ausſprachen.

Der Gnadenbrief vom 12. Januar 1722, beziehungsweife die

darin niebdergelegten nähern Beftimmungen und Erweiterungen des 5*

BE ——

Markgrafen fegten nun u. A. auch noch feft, daß hier bürgerlich aufzunehmende Ehriften ein Vermögen von 200 fl., Juden von 500 fl. befigen, ein Zeugniß über ehrliche Geburt und Herkunft, ſowie darüber vorzulegen hätten, daß fie leibfrei geboren, oder mit Willen ihrer Obrigkeit leibfrei geworden jeien.

Den Aufgenommenen wurde in diefem Erlafje zum Bau ein Haus- plag von 40° Fuß Länge, der Stadt ein Weidgangsrecht für Rinder und Schweine, und nad) Verhältnis der Häufer eine jährliche Gab- bolzlieferung zugefagt.

Die Wirte durften ihren Wein ohne alle Beichwerung kaufen wo fie wollten und bezahlten vom Wein 40, vom Bier 20 Er. Ohmgeld, wovon die Stadt ein Viertel erhalten jollte.

Die Reformirten dürfen eine Kirche zum öffentlichen Gottesdienft und eine Schule bauen, den Katholifen ift, wie bisher, die ftille Uebung ihres Gottesdienftes geftattet.

Die Gemeinde hat die freie Wahl ihrer Aemter und Bedienſteten, die des Bürgermeiſters mit Vorbehalt berrichaftlicher Genehmigung, der Gemeinderat ift befugt, unter amtlicher Oberaufficht Kauf- und Taufchverträge abzujchließen, Teſtamente zu verfaffen, Erbteilungen, Waijenverforgungen u. dergl. vorzunehmen, bürgerliche Streitfragen in erfter Inftanz abzuurteilen und polizeiliche Strafen zu erfennen.

Die Stadt erhält den vierten Teil aller Amtöftrafen unter 10 fl. Es jollen Wochenmärkte angeordnet werden, und das Standgeld davon der Stadt zufallen.

Diefe Freiheiten werden der Stadt für 30 Jahre de dato, aljo bis 1752 erteilt, aber auch darüber hinaus ſollen die Bürger, Gewerbtreibende ausgenommen, nicht mehr ala 30 fr. vom 100 ihres Vermögens, keinenfalls über 5 fl. zu entrichten haben, jonjt aber Nichts, namentlich keine Zehnten. Sie follen in Zukunft keinem Nachfolger des Markgrafen huldigen, er babe ihnen denn zuvor ihre Privilegien zugefichert. Endlich joll Karlsruhe niemals verjegt, noch von der Marfgrafichaft Baden, Pforzheimer Teild getrennt werden. Troß diejes umfaſſenden Freiheitsbriefes waren aber immer noch nicht alle Verhältniffe gehörig geregelt, jo dak der Markgraf ſich genötigt jah, den 15. Auguſt 1724 einen Anhang zu dem vor zwei Fahren ausgegebenen Briefe zu verfündigen, in welchem u. A. be: ftimmt war, daß alle auf Manufakturen, nicht die auf Häufer und Liegenschaften verwendeten Kapitalien, von jeder Auflage befreit fein

u

jollten, daß alle bier anfäffigen Rentner nicht nur für ihre Gelder und Fahrniffe frei von aller Befteuerung feien, jondern daß fie auch bier den andern Orts innegehabten Rang behalten follten, ferner, dab, außer den Hof, Kirchen und Schulgebäuden und Liegenjchaften, ſowie den Häufern Solcher, welche der Stadt bejondern Nutzen brachten, in Zukunft feine Häufer mehr von ftädtiichen Steuern und Laſten befreit werden follten, jedoch jo, daß die Betroffenen ftatt perjönlicher Dienftleiftung fich mit Geld davon loskaufen könnten.

1725 mwünfcht die Stadt, weil fie die Heinen Ausbeſſerungen der Brüden zu bejorgen hatte, für fich die Einführung eines Brüden- geldes, wie in Durlach, oder die völlige Uebernahme der Brüden durch die Regierung. Bis zum Jahr 1730 hatte die Stadt ein jähr- liches Ohmgeld von etwa 2—300 fl., ihren Anteil an den Straf: geldern, da3 halbe Konjensgeld vom Berkauf fremder Weine in’ ben Wirtichaften, das Marktftandgeld u. dergl. bezogen, und doch war feit Jahren durch den verrechnenden Bürgermeifter feine Rechnung vor- und abgelegt worden, jo dab nicht einmal der Nat, viel weniger die Bürger Kenntnis davon hatten. Deßhalb verordnete 1730 der Marl- graf, daß jährlich die Rechnung geftellt, in Gegenwart eine? Hof» kammer- oder Rechnungsrates und de3 Beamten abgehört und dann dem Markgrafen jelbjt vorgelegt würde.

Die Wachen hatte feit April 1725 auf Anordnung des Mark— grafen die Stadt zu bejorgen, und erhielt hiefür, ſowie für Gefängnis und Schulhaus 1732 40 Klafter Holz auf dem Stamm von ber Herrichaft angewieſen, jedoch in entfernten Waldungen. Dagegen machte nun der Stadtrat geltend, es jei dies ein Heiner Gewinn für die Stadt, weil fie für Hauen und Fuhrlohn z. B. von Langenftein- bach ber über 1 fl. 20 kr. bezahlen müſſe, wofür man das Holz auf dem Markt kaufen könne.

1736 erhielt die Stadt aur noch 30 Klafter, jedoch ohne Kon— ſequenz für die Zukunft, 1776 wurden es nur noch 26, und ſogar noch 1822 kommen dieſelben, aber ſtets nur als „gratialiter“ ge- geben, vor. Auch das Gabholz wurde 1738 in entfernten Waldungen angewiejen. Bis 1734 hatte die geiftliche Verwaltung an dem Gehalt der vier ſtädtiſchen Nachtwächter 24 fl. bezahlt, von da an hörte diejer Beitrag auf.

1737 waren alle Holzteile an Thoren und Wachhäufern nebſt den Schlagbäumen verfault. Die Stadt, welche zu deren Her—

Er

ftellung die Hälfte der Koften übernehmen joll, weigert ſich defjen mit dem Beifügen, Mühlburg ſei auch eine Stadt und habe feine Thore, mithin brauche Karlsruhe auch keine.

In einer andern Eingabe des Stadtrates von 1738 leſen wir: e3 feien hier 218 angefefjene Bürger, 102 Söhne, die gehuldigt, 50 Hinterfaßen und 86 Yudenhaushaltungen mit ftarken Familien. Zep- tere trieben ein der Bürgerjchaft jchädliches Gewerbe, könnten viel- fach nicht einmal das Bürger- und Schußgeld bezahlen, und Wenige hätten das geſetzliche Vermögen von 500 fl., deßhalb ſolle man künftig deren Aufnahme erjchweren u. |. w.

Unterdefjen war zwar ein Teil des ftäbtifchen Weidganges zum Tiergarten gezogen worden, aber der Krieg, welcher die Stadt mit Einquartierungen heimzuſuchen drohte, Tegte den Vätern der Stadt eine dringendere Sorge and Herz. Sie baten um freiheit von Ein- quartierung für die Stadt, und erhielten den Beſcheid, Karlsruhe ſolle wie Mühlburg dqmit verjchont bleiben.

Daß die Karlöruber von Anfang an jehr ängftliche Sorge um die ungejchmälerte Erhaltung ihrer Privilegien begten, aber darin zuweilen wohl auch zu weit gingen, beweiſen uns u. a. zwei Bor- fommniffe. Als es ſich gleich im Anfang um Anjchaffung der für die Stadt nötigen Gerätjchaften, mie Feuerſpritze und Feuereimer, ſowie überhaupt um Beiträge zu Gemeindelaften, die jogen. onera communitatis handelte, und man vorerft nur 3 fl. jährlich zu diefen Zwecken von den Bürgern forderte, weigerten fich diejelben mit Berufung auf ihre Dürftigkeit, aber auch auf ihre Privilegien, ſolche Zahlung zu leiften, und deßhalb mußte der Markgraf 1718 eine Verordnung erlaflen, worin „glimpflich oder ftreng“ dieſe Zah— fung zu Gemeindelaften befohlen und zugleich angeordnet wurde, feinen mehr als Bürger aufzunehmen, der fich nicht vorher ver- pflichte, zwei fFeuereimer anzuschaffen und im übrigen die Gemeinde: leiftungen zu „präftiren“.

Ebenfo beriefen fich noch an dem Ende der Regierung des Markgra— fen, als e3 fich um Zahlungen von Kriegskoſten handelte, die Karlsruher Bürger auf ihre Privilegien, erhielten aber den Beſcheid, wenn andere befreite Berfonen damit verjchont worden jeien, jo werde man es bei diejen nachholen, oder man werde die Bürger aus der Kriegskaſſe entichädigen, hätten aber andere befreite Städte bezahlt, jo müßten eben die Karlsruher auch bezahlen.

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Klein-Karlsruhe. Wie ſchon in dem Vorhergehenden bemerkt, entſtand Klein-Karlsruhe aus der Anſiedlung der Arbeiter, welche bei der erſten Gründung von Schloß und Stadt, bei der Ausſtockung des Waldes, ſowie bei den erſten Gartenanlagen des Markgrafen verwendet wurden. Da dies durchſchnittlich mittelloſe Leute waren, denen ſich nach und nach auch die Aermern aus dem niedern Hof— dienft, ſowie verheiratete Soldaten und viele arme Juden zugejellten, fo waren fie nicht vollberechtigte Karlsruher Bürger, fondern nur jogenannte Hinterfaßen. Es murde ihnen deßhalb auch geftattet, ftatt der vorgejchriebenen modellmäßigen Häufer einfache, einftödige Baraden zu bauen, oft nur niedrige Erd- und Holzhütten, gegen welche jogar die jegigen Häufer in dieſem Stadtviertel ala befjere Wohnungen gelten können. Ebenjo wurde ihnen binfichtlich der Anlage ihrer Straßen feine ftrenge Vorjchrift gemacht, was die jeßige Unregel- mäßigfeit derjelben hinlänglich darthut.

Sie waren auch binfichtlich der bürgerlichen Verhältniſſe, ob— wohl zu der Stadt gehörig, von Anfang an nicht vollftändig ber Gemeinde Karlsruhe zugeteilt, jondern bildeten eine Art Gemeinde- genoffenichaft für fich, hatten ihre eigene Gemeindebehörde und Ber- waltung, und einen Anwalt al3 bürgerlichen Vorſteher.

Wie jonft die Hinterfaßen, gleich den Juden, in andern Orten ihr Schußgeld an die Herfchaft zu zahlen hatten, jo hatte hier ein Jeder ftatt deifen für den genoffenen Schuß wöchentlich einen Tag Frond⸗ arbeit für die Herrſchaft zu leiſten, welche Fronden der Markgraf aber bald auf 25 jährlich beichräntte. Dafür, jagt Obervogt Günzer 1718, hätten fie auch noch den Weidgang, Beholzung und große Gartenſtücke gratis, und als fie noch Befreiung von dem Botengehen verlangten, welches ebenjalls zu ihren Obliegenheiten gehörte, berichtet derfelbe Obervogt, dies fei in aller Welt Unterthanenpflicht, dazu jeien nur etwa wöchentlich zweimal herrjchaftliche Briefe bis zum nächften Ort zu tragen, von wo fie dann weiter von Ort zu Drt durch die Ortseinwohner befördert würden. Das Paketweſen werde jest anders bejorgt.

Als fie beanfpruchten, daß auch die Stadt-Karlsruher Hinter- jaßen, welche kein Hinterfaßengeld bezahlten, zum Botengehen beige- zogen würden, wurde ihnen erwidert, dieje feien meift Handwerker, und das Hinterfaßengeld fei ihnen auf das Gewerbe angejeßt. Auch ihr Anerbieten, ftatt der perfönlichen Fronden ein jährliches Averſum

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von 5 fl. für den Mann zu zahlen, wie es in Durlach war, wurde nicht angenommen.

In den Gärten des Markgrafen hatten fie vorzugsmeile ihre regelmäßigen Frondarbeiten zu verrichten, und bier wurde ihnen, wie oben erwähnt, auf ihren Wunſch von dem Markgrafen geitattet, da die Gartenarbeiten leichter Art waren, ftatt der Männer Weiber und Töchter zu jchiden.

Dies Verhältnis der Dörfler blieb auch nach dem Tode des Markgrafen das gleiche. Der Unterjchied der Häufer, und der per- fönlichen, gewerblichen und ökonomiſchen Befähigung trennte fie von der Stadtgemeinde.

6. Einivohner, Bandel und Wandel.

Die 1715—20 aufgenommenen Bürger und Einwohner famen aus verjchiedener Herren Ländern, aus Preußen, Polen, Sachſen, Holjtein, Deftreich, Baiern, Italien, der Schweiz, aus frankreich, vom Nieder- und Oberrhein, aus Eljaß und Pfalz, Würtemberg, Franken, Thüringen u. a. D. Es befanden fich darunter 24 Würtemberger, 12 Durlacher, 10 Sadjen, 8 Straßburger, worunter der erjte Bürgermeiſter Sem- bach, 8 Pfälzer, ebenjoviele Dberländer, der Religion nach Lu— theraner, Reformirte, Katholiten und Juden. Es läßt ſich den- fen, welche babyloniiche Sprach- und Dialektmiſchung im Anfang bier berrjchte, und wie es nötig wurde, diefe Lunte Maſſe, welche zum Teil aus ſehr fraglichen, den minder bemittelten Ständen ange- hörigen Elementen beftand, durch die Bande bürgerlicher Ordnung zulammenzubalten. Nach dem erjten Anjtrömen der Ankömmlinge von nah und fern mehrte fich aber der Zugang aus dem Lande jelbit, und der nächjten, bejonders der ſchwäbiſchen Nachbarſchaft. So wurde, da auch das halbſchwäbiſche Pforzheimer und Durlacher Gebiet vielen Zuwachs lieferte, der Charakter der neuen Stadtbevölferung ein über- wiegend jchwäbijcher, mit welchem die andern Elemente ſich vermijch- ten. Der Charakter des beweglichern, Tebhaftern pfälziſch-rheiniſchen Volkes, vielleicht noch ein Weberbleibjel der alten keltiſch-römiſchen Anfiedler, der bier gleichfam in der Luft lag, und der bei unjern

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nächſten Nachbarn, den linksrheiniſchen Pfälzern jo entſchieden aus- geſprochen iſt, vermengte ſich mit dem ſchwäbiſchen, und ſo hat man nicht mit Unrecht den Karlsruher Dialect den rheinſchwäbiſchen und die Karlsruher Rheinſchwaben genannt.

1720, alſo nach fünf Jahren, zählte die Stadt ſchon gegen 2000 Einwohner, etwa 130 Bürger und Anſäſſige, wovon 99 Lutheraner, 7 Reformirte, 8 Katholiken, 9 Juden waren. Das erſte Kind wurde bier den 7. Dezember 1715 geboren, die Zahl der Geburten ftieg, von 15 im Jahre 1716 fchon im Jahre 1719 auf 138. Der ältefte eingewanderte Einwohner, der Jude Faber, war 64 Yahre alt, ein Beweis, daß beinahe ausjchließlich Leute von jüngerm, rüftigerem Alter zumanderten, Staat3-, Hof und Kirchendiener natürlich ausgenommen.

Daß übrigens der an den Hof gebundene Teil der Bevölkerung einen nicht unbeträchtlichen Prozentſatz der Einmwohnerjchaft bildete, und daß neben diefen auch die übrigen Einwohner ein recht bunt- farbiges Bild gewährten, jehen wir aus dem Bericht eines Reifenden vom Jahre 1717, welcher jagt, man jehe bier Nichts, als rote Lakayen, gelbe Dragoner und Bürger in hellgrünen, hellbraunen und hochroten Röcken.

Wir geben hier nach dem Manuſtript eines glaubwürdigen Zeugen, des Rates Oehlenheinz, welcher ſchriftliche Aufzeichnungen ſeines Vaters benutzte, eine Ueberſicht der bis 1720 hier Eingewan— derten und ihrer Herkunft, mit dem Jahre ihres Eintritts als Bür— ger, oder doch ihrer Niederlaſſung hier, nebſt der Straße, in welcher ſie wohnten.

1. Innerer Zirkel. 1717: J. J. Fiſcher von Gächingen, Würt.; Neffzer von Sulzburg; Joh. Jakob, der Baujud; 1718: Eichenroth von Stuttgart, Arzt (Eichrodt); Baumann von Obermeilen am Züricher See, kath.; David Reutlinger von Durlach, ifrael. Krämer; 1719: Joh. Chr. Lichtenberger von Durlach, Stadt: jchreiber ; Joſef Bätzler von Deuß, iſr. Krämer.

2. Waldhornftraße. 1716: Roh. Sembach; 1717: Gambs von Straßburg; Dorſch Wittwe von Rußheim; Nekkar von Grözingen, Oberamt Nürtingen, vorher in Durlach, Küfer; Gottfr. Rupp von Stuttgart, Barbier; Newert, Hoffurier von Offenbach, Trompeter; Götz von Größingen, Zimmermann; Gottfr. Kurk von Unterfteinbacdh im Hobenlobifchen, Chirurg; Hch. Wolfg. Schufter von Größingen, Zimmermann; 1718: Menton von Ottenberg, Rheinpf., Mebger

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und Wildmannwirt, ref.; Qugenbiel von Heilbronn; Braunwarth von Großſachſen, Metzger; Cordie ebenfall3 von Dttenberg, Bäder, ref.

3. Kronenftraße. 1715: Nik. Arnold von Seidendorf, Zins mermann; Terrel von’ Pforzheim, Barbier; Wolf von Zettwig im Boigtland; 1719: Helferih von Sulzbah, Grafſch. Eifenburg in Ungarn, Rotgerber; Müller von Tiefenthal, Schmied; Ziervogel von Hilfen in Hannover; Altmüller von Wajungen in Meiningen, Wirt, vorher in Mühlburg ; Kahn, Fir.

4. Adlerſtraße. 1717: Spielbrent von Rentenhaufen in Brandenburg; Melius von Schmalkalden, Handelsmann; Deeg von Oberndorf, Würt., Seifenfieder, vorher in Durlach; Dav. Sußmann von Wallhaufen im Dalbergiichen, Iſr.; Vinzenz Melazzo von Tra- mez bei Mailand, Krämer, kath.; Schmid von Dresden, Mufiker; Geifendörfer von Freudenbach im Ansbachiſchen, Bäder; Salm von Wimpfen, Rechnungsrat; Weyländer von Lahr; Leonhard von Schmie- den, Würt.; 1718: Weibel von Gottjtadt bei Kolmar, kath. ; Geigenvogel von Straßburg, Reitknecht ; Heim von Rintheim, Bauer; Stahl von Heilbronn, Apotheker.

5. Kreuzftraße. 1717: Schöndorf von Demersweiler in Lothringen, Wirt, kath.; Keller von Ohnſind bei Königsberg in Franken; NRüder von Weimar; Gebhard, Dperateur; Knoll aus Hannover, Koh; Kuh von Straßburg, Goldarbeiter; Licht von Kronmeißenburg, Elſaß, Strumpfitrider; 1718: Kunzmann von Straßburg ; Käppner, Hofteller von Durlach ; Joſef, Mundkoch von Durlach.

6. Karl-Friedrich-Straße (Bärengaffe). 1717: Brenne— mann von Dinglingen; Keller von Biberach bei Ulm, Glaſer; Jeßlin von Dinglingen; Schmelzer und Martin von Tübingen; Wölfling, Hofrat.

7. Lammſtraße. 1717: Schlindwein von Mühlburg; Nik. Leutz von Durlach, Mebger; 1718: Nothart von Leifelheim, Schloſſer; 1719: Lauer von Rietjchheim bei Mainz; Teutjchmann von Leipzig, Barbier.

8. Ritterftraße. 1717: Greidler von Wettersbah; 1718: Grödenberger von Pfeddelbach im Hohenloh’jchen; Stiefvater von Lahr, Schreiner; Stein von Schönau bei Heidelberg; Pfrang von Gernsbach; Wagner von Eßlingen, Leibichneider; 1719: Jacquin von St. Stephan (St. Etienne); Rafiaud von Weil im Moos,

Schieferdecher; Zwickel von Unterbeit; Cellarius von Ulm, Kürjchner; Pfänder von Pforzheim, Büchſenmacher.

9. Herrenftraße. 1718: Marx, David, von Wallhauſen, Händler, Fir; Löm Menzer von Rothan in Pofen, Händler, Fir.; Balth. Hengel von Dedenpfronn, Würtemberg, Zimmermann; Job. Fr. Grether von Schwäbiih-Hall, Schuhmacher ; Ottmann von Dur- lach, Safer; Schillheimer von Lenheim in Deftreich, Bader, kath. ; 1719: Heßler von Lahr, Hauptmann; Freitag von Bradenheim, Wächter; Faber von Selliprunn bei Wien, Händler, Iir.; Schwarz von Liegnitz, Goldarbeiter.

10. Waldftraße. 1717: Isig Benjamin von Kremſier in Deftreih, Yir.; 1718: Diefenbacher von Liebenzell; Trautmann von Schrieshbeim; 1719: Gonjett von Sarnen, Kanton Bern, Schuhmacher, jet Konzett.

11. Lange Straße 1717: Lenz von Sul; am Nedar, Muſikus; Seidle von Bargen im Odenwald; 1718: Ludwig von Durlach, Bäder; 1719: Fr. Gſchwind von Pfeddelbach, Küfer; Orth von Tübingen, Mufitus; Betzel von Stettwig im Voigtland, Wenzel von Adelsheim, Mebger; Pfeifer von Durlach; Braun von Heubach, Würt., Schmied ; Grichbaum von Speier, Schreiner, Tath. ; Herrmann von Eplingen ; Eberhard von Breitenbah im Schwarze burgifhen, Mufitus; Joh. Wolfg. Dill von Ansbah, Mufikus ; Heppendigel von Neutfchau im Voigtland; Fellner von Durlach, Weißgerber ; Langhagen von Gotha, Barbier; Delenheinz von Nür- tingen, Würt., Nechnungsrat ; Eberjold von Durlach, Rechnungsrat ; Langenbach von Lahr, Zimmermann; Schäufele von Liedolsheim; Haujer von Weikenburg, Weißgerber ; Grundmann von Niederlindach im Kanton Bern; 1720: Geiger von Erlenbah, Hofwagner ; Greidmann von Heidelsheim, Bäder; Sutter von Wolfenmweiler, Schloſſer; Millot von Emmendingen, Mefferichmied ; Clemens Prinz von Semmenheim, Fürſtentum Dettingen, Bäder; Georgy von Dur- (ah, Rechnungsrat; Dominit Maſſimo von Como, Krämer, Yath., vorher Bürger in Durlach; Mebger von Straßburg, Knopfmacher ; Holg von Flensburg in Holftein, Schreiner.

12. Zirkelhäuſer am Schloßplatz. 1717: Peter Scotto von Meronito am Comerjee, Kaufmann, fath.; Model, Kaufmann, Fr., 1718: Emanuel Reutlinger von Worms; 1719: Schel- fing von Waiblingen, Würt., Apotheker.

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Bon 1720 26 gingen wieder folgende Einwohner zu: Noe, Rapp, Ned, Kaspar, Mittel, Weylöhner, Stüber, Kefiel, Ungerer, Steinhard, Schmidbaier, Bader, Claudi, Brinfhard, Kaufmann, Biegler, Grummel, Seith, Krauß, Hager, Leyrer, Wöhrle, Wader- haus, Kuen, Jants, Jung, Straub, Rachael, Klinger, Bleibaum, Start, Wöhrmann, Rippele, Zachmann, Meerwein, Gaftel, Bär, Bürkin, Troft, Bob, Breßlau, Feig, Schatz, Fort, Kühn, Winter, Schalt, Nagel, Leyerle, Büchele, Bühler, Eichele, Hartmann, Füßlin, Schober, Lamprecht, Richter, Singeifen, Trabier, Stober, Schilling, Greber, Gautler, Gerhard, Lenzinger, Omenjetter, Baul, Scheidler, Dengler, Spöd, Neff, Heb, Gröting, Kornelius, Rohmann, Hart- nagel, Ermel, Klette, Wittmann, Korn, Dolt, Brenz, Fein, Majchen- bauer, Knooß, Roth, Naft, Bauli, Bokris, Conradi, Benzinger, Lichtenberger (Rentlammerregiftrator), 1728 Joh. Georg Arleth von Baihingen.

1738 bei dem Tode des Gründers, zählte die Stadt jchon etwa 320 Bollbürger und erwachiene Söhne, 50 Hinterjaßen und 86 Ju- denhaushaltungen. ©. ©. 70.

Nachdem Markgraf Karl durch wiederholte Erlafje und Urkunden die Bedingungen zu gebeihlicher Eriftenz, zu freier bürgerlicher und gewerblicher Thätigkeit, zu freudigem Wachstum der jungen Gemeinde gegeben, galt es nun aber auch, die Gejellichaft vor den Mißbräuchen und Wusfchreitungen der alſo Begünftigten zu jchügen, unter der bunten Maffe der neuen Ankömmlinge Gejeß und Ordnung zu hand— haben und für öffentliche Sicherheit von Perſonen und Eigentum zu forgen. Der Produzent und Gemerbtreibende war begünftigt und geichügt, auch der Konfument bedurfte des Schuges, denn bald er- hoben ſich allenthalben Klagen und Bejchwerden über die jchlechte Beichaffenheit der notwendigften Lebensbedürfniſſe. Die Wirte ver- zapften fchlechten, jauern, gefälichten Wein, die Metzger lieferten zähes, übelriechendes, halbjaules, bei Nacht eingejchmuggeltes Fleiſch, die Bäder zu Heines und jchwarzes Brot, die Nahrungsmitel waren überall beſſer und wohlfeiler, die Wrbeitslöhne billiger, als bier. Schmußige, unredliche Gewinnjucht machte fich allenthalben auf Koften der Verbraucher geltend, und nicht felten nahm fogar der hohe Nat Partei für jchlechte Handwerts- und Gewerbsleute. Das Murren des gekränkten Eigennußes, beleidigende Aeußerungen über die wohl- gemeinteften Verordnungen verbitterten dem Markgrafen die Freude

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an feiner neuen Schöpfung. Die Gefahr allgemeiner Unzufriedenheit, die Klagen der Hofbedienten und des verzehrenden Volkes, fogar die Furcht vor möglichen Krankheiten infolge der fchlechten Nahrungs- mittel nötigten den Markgrafen zu ernften Maßregeln, aber die jtrengjten Verbote wirkten wenig. Die BVifitationen waren vielfach ohne Erfolg, jo daß der Markgraf bis an das Ende feines Lebens vielfach nur den Undank derer erntete, an deren Wohl er ohne Unterlaß gearbeitet hatte.

Die allgemeine öffentliche Sicherheitspolizei, nad) dem Mus fter der Durlacher eingerichtet, war Gegenftand feiner unausgejeb- ten Aufmerkjamkeit. 1719 wurde verordnet, daß alle Nachtichwär- mer tot oder lebendig einzuliefern, und die Hausbeſitzer ermächtigt jeien, auf die Fliehenden Feuer zu geben. Die Stadt, heikt es 1724 in einem Erlaß, habe die Pflicht, fich jelbjt zu bewachen, und nicht, wie bisher, durch die Landmiliz bewachen zu lafjen, was den Staat jährlich 600 fl. gekoftet habe. Deßhalb weil der Markgraf bisher nur zur Erleichterung des Bauweſens die Wacht an den vier Thoren unterhalten habe, und weil die meiften Baupläße nun überbaut feien, babe vom 23. April 1725 an die Stadt die Thorwachen jelbjt zu übernehmen.

Gegen den übermäßigen Bettel hatte man die Bettelvögte, welche zugleich Nachtwächter waren. So war Michael Endlich neben feinem von Anfang an beforgten Nachtwächterdienft auch der erfte Bettelvogt der Stadt. Er erhielt von Hof jährlich 4 fl., von der Stadt wöchent⸗ ih 30 kr. mußte fich aber die Montur felbft anjchaffen. 1725 wurde unter Trommeljchlag verkündet, daß kein fremder Bettler, noch weniger ein Jude ohne Geleitäbrief, durch die Thore eingelafjen wer— den follte. 1737 wird über zahlreiche Diebftähle und Einbrüche geklagt und wiederholt geftattet, auf jolches Gejindel, wenn e3 fliehe, zu ſchießen. Im dem nämlichen Jahre erging eine fürftliche Ver— ordnung, wonach fein Wirt im Winter über 9 Uhr, im Sommer über 10 Uhr einheimische Gäfte bewirten durfte, bei 5 Reichsthl. Strafe. Die Ueberjiger wurden von den Batrouillen, und zwar Hof» und Kanzleibedienftete auf die Schloßmwache, die andern auf die Stadtwache geführt, wo fie um den Nachtgulden, oder auch höher beftraft wurden. Nach der FFeierabendzeit hat der Stadtwachtmeister mit 2 Mann zu patrouilliren, die Wirtshäuſer zu durchjuchen und im Notfall die militärische Thorwache um Hilfe anzugehen. Bürgerliche Streif-

wachen melden ſich bei den Thorwachen, und umgekehrt militäriſche bei der Stadtwache. Am Thor ift jeder einfommende Fremde nach feinem Namen zu fragen, wenn es aber ein Mann von „Diftinktion“ ift, jo hat dies erft auf der Hauptwache zu geicheben.

Hieraus erjehen wir auch, daß ſeit 1734 die Thorwachen und Scloßwachen wieder von Militär, die Rathauswache von Bürgern bejegt war.

Daß jchon 1720 die Gewerbe hier zur Genüge vertreten waren, zeigt uns ein Verzeichnis derjelben aus jener Zeit. In demjelben finden ſich: 1 Arzt, 7 Schuhmacher, 1 Trompeter, 6 Zimmer: leute, 4 Gaftwirte, 1 Seifenfieder, 1 Weber, 1 Strumpftrider, 1 Gürtler, 1 Büchjenmacher, 1 Nageljchmied, 2 Goldichmiede, 3 Küfer, 8 Schreiner, 1 Rotbgerber, 2 Glafer, 1 Maurer, 2 Schloffer, 1 Wagner, 2 Weißgerber, 1 Schieferdeder, 9 Metzger, 10 Bäder, 2 Bierbrauer, 8 Schneider, 1 Knopfmacher, 2 Schmiede, 1 Mefler- jchmied, 3 Köche, 1 Scherenichleifer (Klaude Willet), 4 Barbiere, 1 Operateur, 2 Apotheter, 1 Reitknecht, 1 Zanzmeifter, 7 Mufiter, 2 Kaufleute (Reutlinger und Scotto), 9 Krämer, 4 Händler, 2 Bauern.

Die Bäder und Mepger hatten fämmtlih an der Markt- jtätte ihre gepachteten Verkaufsbänke.

1722 zählen wir bier 12, und 1723 ſchon 18 Mebgermeifter, darunter auch einige Juden. Das jchlechte Fleiſch, welches fie oft verkauften, jogar der zumeilen vorfommende gänzliche Mangel an Fleiſch, veranlaßten die Oberbeamten zu verjchiedenen Borjchlägen und Verjuchen zur Abhilfe, bald durch Geldftrafen bis zu 20 Reichsthl., bald durch die Anordnung, daß die Mebger, wie in Durlach, einzeln, oder partienweife in beftimmter Reihenfolge wöchentlich, oder auch nach Fleijchjorten, unter einander abwechjeln mußten (Ummeßgen). Ebenjo fuchte man dadurch zu helfen, daß die Judenmeßger, deren Konkurrenz unjern Meiftern längſt jehr läftig war, nur Kühe und junge Rinder unter 2 Jahren jchlachten durften. Das Verbot, welches für die Juden beftand, Fleisch auf das Land zu verkaufen, wurde ichon 1722 auf den Wunfch der Mebger jelbit aufgehoben.

Die Mebgerbänte befanden ſich anfangs auf dem freien Platz an dem nördlichen Teil des jegigen Marktplages, an die lange Straße grenzend, und nad) dem 1728 begonnenen, 1729 vollendeten Bau des Rathauſes in dem Hof defjelben. Die Pläge wurden alljährlich ver-

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loost und koſteten 1 Reichsthaler Jahreszins. Auf dieſen Bänken verkauften die einen Metzger nach beſtimmter Reihenfolge Ochſenfleiſch, die andern Schmalfleifch und Stiere unter 400 Pfund. Der Verkauf von Bratfleiich, im Gegenſatz zu Siedfleifch jo genannt, war frei- gegeben.

Im Jahre 1732 hatten die Mebger immer noch zu Hagen und wünjchen folgende Beitimmungen: 1. Die Zahl der zünftigen Mebger jolle jeweils feftgefegt werden, 2. Yandesfremde, welche ſich hier ala Meister niederlaffen wollen, jollen wenigftens 4 Jahre bei einem biefigen Meifter gedient haben, und ftatt der bisherigen 15 fl., 60 fl. Meiftergeld, und für jedes fehlende Wanderjahr 40 fl., Nicht-Karls- ruber Landeskinder aber, ftatt wie bisher 5 fl., 15 fl. Meiftergeld, und für jedes fehlende Wanderjahr 15 fl., ein Meifterfohn oder wer eine Mebgerswittiwe von hier heiratete, aber nur 7 fl. 30 fr. Meijter- geld bezahlen, 3. das Ochſenmetzgen foll wöchentlich ummechjeln, und 4. die Stüdzahl des Viehes, das den Juden zu fchlachten erlaubt wäre, genau beſtimmt werden.

Der Krieg hatte 1733 ff. die Mebgerordnung geftört, die Mebger verfauften nicht mehr auf den öffentlichen Bänken am Rathaus, jon- dern zu Haufe und fügten fich erft nach einer Strafe von 10 Reichsthl. für jeden wieder der Ordnung.

Eine für das Öffentliche .Leben nicht minderwichtige Körper: ichaft bildeten die Wirte.

Die erſten Wirtjchaften waren anläßlich des Baues des Schloſſes und der Stadt entitandene Baradenjchenten, deren Betrieb entweder nur zu diefer Beſtimmung, ad hoc, gejtattet war und nach der erjten Gründung wieder aufhörte, oder jpäter ala konzeſſionirte Schild- oder Straußmwirtjchaft in der Stadt fortbeitanden. Die erften Wirtſchaften, welche wir in den Akten gefunden haben, find 1716 das Waldhörnle, an der Waldhorn-Straße, von J. Sembach, welcher e8 an oh. Lorenz Schidert verkaufte, DBürgermeifter wurde und ſchon 1716 ala Krämer ein Haus im der Kronenftraße beſaß. 1719 erjcheint der wilde Mann von Menton in der Kronenſtraße, Mich. Schön- dorf zum weißen Kreuz in der langen Straße, jetzt Stadt Pforz- heim, Fr. Kurk zum Ochſen im der langen Straße, 1724 2. Chr. Heylmann zum goldnen Lamm, nordweftliche Ede der Lamm— und langen Straße, 1725 Lamprecht zum Einhorn, Schmidt zum Hirſch, die drei Könige in der langen Straße, der Adler, nordöſtliche

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Ecke der langen und Adlerſtraße, Chriſt. Zuläger zum Karpfen, 1726 Braunwarth zum Ritter in der Ritterſtraße, 1727 zur Fortuna in der Waldſtraße, Wenzel zum Engel, 1729 zum roten Dchjen, lange Straße rechte Seite, Ede der Kronenftraße, durch die Wittwe des Juden Baruch an die Yudenjchaft verkauft und zur Synagoge um- gebaut, 1731 Boftwirt Berner, lange Straße linte Seite, zum Bod, Kronenjtraße, 3. Sebald Kreglinger zum König David, fpäter zum Erbprinzen, 1732 zum Bären in der Bärengaffe, durch Brennemann für 1000 fl. und 6 Dufaten an Schneider Gg. Hoffmann verkauft, zum Kopf an der Linfenheimerftraße, 1736 zur Sirene in der Nähe des Markiplages, jpäter Anker.

Schon 1711 bejtand in Durlach die Ordnung, daß die Wirte Sremdenbücher führen und über diefe dem Fürſten Rapport erftatten mußten. Eine Beftimmung vom 14. Februar 1715, aljo noch für Durlach, ſetzte feit, dab die Wirte von im Lande gekauften Wein das Piundzollzeichen, von fremdem das Landzollzeichen an die Um— gelder abliefern mußten, ehe der Wein eingelegt wurde. Kat der Wirt kein Pfundzollzeichen über den Landwein, jo wird dieſer ala fremder angejehen, d. h. er muß nicht nur den Landzoll und das auf dem Berkauf fremden Weines ruhende Konjensgeld, jondern auch 3 fl. Strafe für die Ohm bezahlen. Als Ausichanfzoll bezahlt der Wirt für den Landwein 1 fr., für den fremden 2 von der Ma, den jog. Maßkreuzer. So war die Ordnung in Durlach und im Lande überhaupt. Nachdem aber im September 1715 der Freiheits— brief für Karlsruhe erjchienen war, hatten die Karlsruher Wirte fiir ihre im Lande gekauften Weine und Biere, welche fie hier verbrauchten, weder Land» noch Pfundzoll zu entrichten, dagegen das übliche Ohmgeld (Umgeld) mit 30 und 15 kr. (ſpäter 40 und 20), was fie aber an jochen Getränfen nach auswärts verkauften, davon waren fie zoll- pflichtig, wie jeder andere Unterthan.

1717 wird verordnet, dab alle Diejenigen, welche modellmäßige Häufer bauen, wirten dürfen, wenn fie Umgeld zahlen. Der Wald- hornwirt Sembach hatte diefe Verordnung dadurch herbeigeführt, daß er im einer Bittjchrift darum einfam, weil zwar der Markgraf den Baufnechten, welche keine Häyjer hätten, das Wirten unterjagt habe, defjenungeachtet aber einzelne Einwohner Koftgänger hätten, ohne die Wirtstaze zu bezahlen.

1719 wird geklagt, die Schild- und Gafjenwirte verkauften

fremde Weine, welche jo verfäljcht feien, daß man ein Faß ausjchütten mußte, welches wie „Quder“ gerochen habe. Darum wurde denn auch feftgefeßt, daß fremde, melde Wein hieher zum Verkauf brachten, 1 fl. 20 fr. Konſensgeld zu zahlen hätten, wovon die Stadt 1727 die Hälfte erhielt.

Nah den Privilegien war zwar den Wirten geftattet, ihre Weine und Biere in- und außerhalb des Landes pfundzollfrei zu faufen, doch wurde ihnen bald die freie Einfuhr fremder Weine ver- boten, und 1722 nur geftattet, folche in der pfälzischen Gemeinde Weingarten zu kaufen, und dafür das Konſensgeld zu zahlen.

Auch das leidige Borgen ging damals ſchon im Schwang, denn 1723 wurde den Wirten bei 10 Neichsthl. Strafe verboten, den Soldaten und fürftlichen Dienern zu borgen.

1728 wird über die wucherijchen Wirtshauspreije geflagt, einzelne Wirte ließen fich von Reijenden und Privaten ftatt 4—6 fr., 20, 24 und 30 kr. für die Maß bezahlen, und nahmen fo mehr als doppelten Nutzen, und darauf bin erfchien eine Verordnung, daß die Wirte die Ankaufspreiſe den Umgeldern und Weinftichern anzugeben, und dieje den Wein zu ſchätzen und die Verkaufspreije zu beſtimmen hätten. &3 wurde damals in Durlach für das Fuder alten Weines 3 fl., für neuen 2 fl. bezahlt.

Bon größern induftriellen Unternehmungen finden fih in dem alten Karlsruhe jehr wenig Spuren, was ſich wohl dar- aus erklärt, daß feine großen Kapitaliften, fjondern in der übermwie- genden Mehrzahl wenig bemittelte Anfiedler fich hier anbauten, daß der Hof ſehr einfach lebte, und der Luxus deßhalb von oben und in- folge deſſen auch in den dem Hofe naheftehenden Kreifen wenig Auf munterung fand. Große Handelshäufer entftanden daher bier nicht, was erſt bis gegen 1790 der Fall war, und fo kam es, weil bier ſelbſt wenig im Großen produzirt wurde, daß man in Karlsruhe alle Artikel der Großinduſtrie von auswärts beziehen und deßhalb teurer bezahlen mußte, ald auswärts. Das Wenige, was wir über ſolche etwas größere Gewerbe in den Alten finden, ift, daß 1725 bier eine Krahnen-Mahlmühle mit Handbetrieb gebaut und betrieben wurde, daß 1730 ein Joſef Mode und Francesca Widoni, feine Frau, eine Biegelei vor dem Rüppurrerthor beſaßen, daß 1730 in Klein-Karls- ruhe eine Delfchläge und 1734 durch Kammerrat Schneider und Stümpfler eine Tabakfabrit hier mit dem alleinigen Recht des An-

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faufs inländischen Tabakes errichtet wurde, wobei den Unternehmern aber auferlegt war, für den Tabak den Preis fremder Käufer zu bezahlen.

Der Platz für den Wochenmarkt wechſelte anfangs mehrfach. Buerft war er auf dem jegigen nördlichen Ende des Marktplages an der langen Straße, während dem Bau der Stadtkirche nacheinander unter den Arkaden, in der Bärengafje, damals Karljtraße genannt, in der Nähe der Sirene, und nach dem Bau der Kirche wieder vor diefer an der langen Straße.

1724 verlangte Geheimrat Stadelmann, daß die Stadt ein be» auemes Rathaus baue, unter welchem bei ſtürmiſchem Wetter an Wochen- und Jahrmärkten Menjchen und Waren Schuß finden könn- ten, alſo jchon damals erſchien eine Art Markthalle ala Bedürfnis.

Seit 1732 wurden zwei Wochen märkte, nämlich am Montag und Donnerstag abgehalten, aber es war immer noch jchwierig, die— jelben mit den nötigen Verkäufern zu bejeßen, weil einerjeit3 die Hardtorte gegen den Rhein hin, welche mehr Pferdezucht trieben, wenig Marktwaren lieferten, andrerfeit3 aber auch die Durlacher. noch immer ftörrifch waren und wenig bradhten, jo daß Hühner, Eier, Obſt, Gemüſe und Kleinvieh oft ſchwer zu finden und dann nur teuer zu kaufen waren. Der Abhaltung von Jahrmärkten wurden an- fangs von dem bifchöflichen Bruchſal mancherlei Hinderniffe bereitet, 1717 am 2. November jedoch konnte jchon der erjte Karlsruher Jahrmarkt abgehalten werden, ja ala 1718 auf unerklärte Weije ſich das Gerücht verbreitete, e8 jolle am 24. Februar hier ein Jahr— markt ftattfinden, kamen von dem gerade zu Ende gehenden Mann- beimer Markt jo viele Kaufleute hieher, daß wirklich an diefem Tage ein gleichfam improvifirter Jahrmarkt hier abgehalten wurde. Obwohl aber auch in den nächiten Jahren darin noch feine regelmäßige Ord— nung eintrat, jo wurde doch ſchon 1719 der Stadt das Standgeld zugefichert, da3 freilich in dem nächſten Jahren noch nichts eintrug. 1721 wurde beftimmt, daß der eine Jahrmarkt, auch als Pferdemarkt, am 18. Juni, dem Tage des Ordensfeſtes, ftattfinden ſollte. E3 wurde zwar befoblen, alle Wallachen des Amtes auf den Pferdemarkt zu bringen, aber es konnte diefer Pferdemarkt trog höherem Befehle nicht auflommen.

1719 wurde verordnet, daß nach und nach eine Mehlniederlage bier errichtet werden follte, was aber wegen Mangel an Platz eben- fall3 vorerft unterbleiben mußte, und erft 1753 wieder zur Sprache fam.

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Die Preiſe der gewöhnlichen Lebensbebürfniffe ftanden, wie fich von jelbft verfteht, damals in dem Verhältnis zu dem höhern Geld- wert, jehr niedrig. Die Kapitalzinjen betrugen 10—12 Prozent und erft unter Karl Friedrich konnten fie auf 6—8 Prozent herabgejeßt werden. Für ein Klafter Buchenholz wurden 1709 im Walde drei Batzen, und die Holzbefoldungen mit 1 fl. 30 fr. vom Klafter in Geld bezahlt.

Die Schützen. Die bei der damals noch beftehenden allge meinen Wehrpflicht notwendige Uebung in den Waffen, und insbe jondere in den Schießwaffen, jowie die Notwendigkeit für die Städte, fih und ihre Bürger ſelbſt zu ſchützen, hatten fchon in früher Zeit zur Gründung von Schügengejellichaften und zur SHeritellung von Schießſtätten Anlaß gegeben.

Durlach, die Mutterftadt von Karlsruhe, und fo manche andere Stadt, aus welcher Einwanderer nach Karlsruhe famen, hatten längſt ihre Schüßengilden, und jo mußte eine folche, ſobald irgendwie ge- nügend zahlreiche Teilnehmer daran vorhanden waren, auch bier fich bilden. So finden wir denn jchon 1721 zwei herrichaftliche Schieß- hütten auf dem Gott3auer Feld vor dem NRüppurrerthor, bei welchen Büchjenmacher Lichtenfels von Durlach das Wirtichaftsrecht hatte. Im Juni 1721 wurden an den Zimmermann Widler für eine Scheibe, zwei Gewehr- und zwei Marketenderhütten, ſowie die nötigen Schieß- wände und Schiekftände 10 fl. 30 fr. bezahlt, und in demjelben Jahre bittet die Stadt, in welcher ſich inzwischen eine Schütze nko m— pagnie gebildet hatte, um Weberlaffung der einen Schießftätte zu Sciekübungen, ja es wurde jogar in dem gleichen Jahre bier ein Freiſchießen abgehalten, an welchem 288 Schuß zu 1 fl., 58 Dublir- ſchuß zu 30 kr., 27 Triplirſchuß zu 20 kr., 17 Freifchuß für die Vor— gejegten abgegeben wurden. Die Einnahme betrug im Ganzen 337 fl. 15 kr., die Ausgabe 318 fl. 12 kr., der Ueberſchuß von 9 fl. flo in die Kirchenbaufaffe. Die einzelnen Ausgabepoften beftanden in 47 Speciesthalern & 4 fl. 10 kr. für Gaben, zu dem Nitter 9 Dulaten, zu der Sau 2 Dufaten, 4 filberne Löffel, Zinngeſchirr ze. Die Ge- jellichaft beftand aber, wie es jcheint, damals noch zum größten Teil aus ftaat3bürgerlichen Einwohnern, wenigſtens waren Obervogt v. Günzer und Oberamtmann Wielandt Schüßenmeifter. 1731 baut Waldhornmwirt Nichter an Stelle des unbrauchbar gewordenen jeit- berigen Schießhaufes eine 30 —40 Fuß tiefe und 60 Fuß lange

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Wohnung für fi, in deren untern Räumen fich bie Schiehftände befanden, und wozu bie Herrichaft ihm das Holz lieferte. Seit 1728 ſchon hatte die Schützenkompagnie 15 fl. oder 10 Reichsthaler durch die Regierung aus den geiftlichen Verwaltungen Durlach und Pforz- beim erhalten, doch ftet3 nur gutthatsweife ohne Verbindlichkeit, fo daß von 1734 an die Auszahlung auf Schwierigkeiten ftieß, ober ganz unterblieb, bis 1740 Karl Auguſt den Beitrag wieder be- willigte.

Die Juden: 1675 zahlte in Durlach ein männlicher Jude monatlich 30 tr. Schußgeld und fonnte, was übrigens bis in unfer Jahrhundert herein fortbeftand, ohne herrichaftlichen Geleitsbrief keine Geſchäfte im Lande treiben, ja fich nicht einmal länger darin aufhalten.

1713 zählte Durlach über 100 Juden, und es erhellt aus einem Erlaß des Markgrafen, dag Emanuel Reutlinger von Pforzheim nach dem Durlacher Brand der erfte dort wieder aufgenommene Jude war, daß in dem Haufe des Juden Lämmlin eine Zeitlang eine Judenfchule gehalten, dann aber verboten worden war, wogegen dies dem Reut⸗ linger geftattet wurde. Anläßlich eines Streites zwijchen gedachten Reutlinger und dem Juden Joſef Jakob wurde aller Streit zwiſchen Juden in Durlach bei 100 Reichsthl. Strafe, oder Aufhebung des Schutzes verboten. In dem vorliegenden Falle mußte Jeder der beiden Beteiligten 300 fl. Strafe bezahlen.

Bei der Gründung von Karlsruhe war der mehrgenannte Reut- finger, mit welchem der Markgraf ohne Zweifel in Gejchäftsverbindung ftand, 1717 einer der erften ifraelitifchen Einwohner, auch Model und Kahn (Eaan) wurden 1717 aufgenommen, ebenjo 1719 Möbhler und Mas.

Auch fie follten, um der Privilegien teilhaftig zu werden, mobell- mäßige, wenigftens 40° lange Häufer bauen, und mußten nach der Beftimmung des Freiheitäbriefes von 1722 500 fl. Vermögen befigen, um bier aufgenommen zu werden, während die Ehriften nur 200 nötig hatten. Vor der Aufnahme mußte die Meinung des Oberamtes eingeholt werben.

Receptionstare als Einwohner zahlten Ehriften und Juden 4 fl. und dieſe noch 9 fl. Kanzleitaxe. Schon 1715 aber wird geflagt, dab der Markgraf ſelbſt manche Ausnahme von den Aufnahmsbe⸗ ftimmungen mache, jo daß es jchmer jei, diefelben ftrenge einzuhalten.

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Obiger Reutlinger wurde 1719 zum Rüger aller ftrafbaren Händel unter jeinen Glaubensgenofjen mit ’/, Anteil an ben Straf. geldern, alfo zum erften Judenſchultheißen ernannt, was er vorher in Durlach ſchon geweſen war.

1722 kommen als neue Unfiedler Yaber, Markus (Marx), Hom- burger, Abraham, Bühler, und von da an nimmt der Zugang von Iſraeliten merklich zu.

Als 1724 der Hofjude Salomon Meyer durch den Markgrafen zum Schultheiß ernannt wurde, widerſetzte fich Reutlinger als feit- beriger Schultheiß diefer Ernennung und prügelte vor der Synagoge mit feinen Söhnen den Baujuden Joſef, einen Anhänger des neuen Schultheißen, mußte fich aber dem Befehl des Markgrafen, bei 20 Reichsthl. Strafe, doch unterwerfen. 1725 gründeten die Yfraeliten eine Kaffe zur Befoldung des Rabbiners. 1726 waren bier folgende Schugjuden: Salomon Meyer, Löw Wormjer, Sußmann David, Bär Mas, Löw Bühler, Lazarıs Riedesheimer, Marz Schweizer, Iſal Benjamin, Abraham Worms, Emanuel, David, Gerfon und Moſes Reutlinger, Yalob, der Kantor, Vorſänger, Abraham Ett- finger, Löw Willftätter, Moſes Abraham, Hayum Faber, Herle Iſaak, Simon Markus, Meyer Wallhaufen, Möhler, Benjamin Löw, If. Levi, Low Homburger.

1727 erfcheint eine Inftruftion für den Judenſchultheiß und den Rabbiner, wegen deren Uebergriffen in die oberamtliche Gerichtsbarkeit notwendig, und in dieſem Jahr erläßt deßhalb der Markgraf eine Judenordnung, worin ihnen u. U. die Wahl ihrer Synagogen- und Schuldiener überlaffen wurde. 1730 wurde bejtimmt, daß um Auf- nahme in das Schupverhältnis eintommende Juden mindeitend 800 fl. Bermögen nachweilen, und 1733, daß fein Iſraelite ohne richtige Zahlung des Schußgeldes aufgenommen werde, und wer dafjelbe nicht bezahle, die Stadt verlaffen ſollte. Ein Jude ohne eigenes Haus jollte 40 fl., eine Wittwe 20 fl. Schußgeld bezahlen.

In dem gleichen Jahre 1733 wurde erftmals ein Storus, Zehn⸗ gebotjchreiber, und zwar Elias Heilbronner angeftellt.

1736 wurden Abraham Ettlinger, Löw Lorch und Löw Will- ftätter, welche die meiften Stimmen bei der Wahl erhalten hatten, duch den Markgrafen ala Mitvorfteher und Stellvertreter des Schult- beißen ernannt, und in diefem Jahre Hagen die Yudenvorfteher, daß fremde Juden hierher kämen und ſchutzfähig würden, ohne 800 fl.

zu befigen. Es feien jchon 54 jüdijche Haushaltungen bier, und dieſe würden durch ſolche Zuzügler jehr beinträchtigt, jo daß am Ende lauter Betteljuden hier wären. Hierauf berichtet da3 Amt, es feien allerdings ſchon über 54 jüdifche Haushaltungen hier, auch da⸗ von die meiften unbemittelt, dieje wollten aber nicht arbeiten, ſondern nur Wucher treiben, e3 ſei deßhalb Leicht zu ermeflen, was folche „Blutegel“, wenn fie noch vermehrt würden, der Gemeinde jchaden würden, und daher müſſe man darauf bedacht fein, den meitern Zu- wachs zu hemmen.

1737 führten die Juden, mit Uebereinftimmung des Oberamtes, eine Kleiderordnung ein, veranlaßt durch den großen Luxus der Jüdinnen, welche die Ehriftinnen darin noch zu überbieten fuchten. Darin wurde denjelben u. A. verboten, mit Neifröden und mit Krägen, die mit Gold und Silber bejegt waren, in der Synagoge zu erjcheinen, und 1739 wurden Jüdinnen geftraft, die Eine, weil fie einen jchwarzen Sammetfragen mit filbernen Spiglein, die Andere, weil fie einen meiten Rod trug, und zwar um 2 und 3 fl., be- fonder8 des Vorſtehers Salomon Meyer’3 Frau aber fer in Allem neumodiſch. Von den durch die Obereinnehmerei eingezogenen Strafen erhielt der Staat und die Judengemeinde je die Hälfte.

In jener Beit bei den Jüdinnen übliche Vornamen waren: Bögele, Chajele, Nendel, Esderle, Freinle, Rechle, Meyle, Heffele, Gütel, Herzel, Täubche, Merle, Frumez, Mintele, Michele, Menele, Bolle, Sprinz, Knentle, Jüdche, Golde, Senftel, Muntele, Riffte, Frommel, Schönle, Kata, Kaile, Elkele, doch auch jchon Ella, Amalia, Antoinette, Friederika, Hannah u. a.

Boft und Berlehrsmwejen. Den wichtigſten Schritt zur Beflerung des Poſtweſens that Kaiſer Marimilian I. 1493-—1519, welcher neben der Einführung des allgemeinen Landfriedens, auch in das Poſtweſen befjere Ordnung brachte. Es hatte nämlich ſchon 1460 ein Herr von Thurn und Taris, einem aus Dberitalien ftammenden Geſchlechte angehörig, die erfte regelmäßige Poftverbindung in Tirol gegründet, 1516 richtet Franz von Thurn und Taxis, F 1518, mit Beihilfe und unter dem Schuße des Kaijerd eine folche von Wien nach Brüfjel, der Hauptftadt der öftreichifchen Niederlande, ein. 1543 gründete deſſen Sohn Leonhard eine reitende Poſt aus den Nieder- landen durch Lüttich, Trier, Speier, bier über den Rhein, durch Aheinhaufen, Bruchſal nach Würtemberg (Kannftatt), Augsburg,

Tirol und Italien. Durch Karl V. wurde dem Fürften von Thurn und Taris die Errichtung diejer Poſt ala einer Reichspoſt in allen Reichsländern geftattet, 1595 murde durch Rudoph II. Thurn und Taris zum Generaloberpoftmeifter des deutfchen Reichs ernannt, 1615 die Reichspoft von Rheinhaufen nach Frankfurt über Heidelberg, und jo nach und nach beinahe über ganz Deutjchland eingerichtet. 1615, ala dieſes Neichageneralpoftamt der Familie der Thurn und Taxis erblich verliehen worden war, erfolgte ein Kaijerlicher Erlaß an alle deutichen Reichsländer, worin alles Boftreiten und Brieffammeln (Briefpoften), außer dem Thurn und Taxis'ſchen verboten murbe. Baden, als damals zu Mein, auch in feinem oberländer Gebiete gar nicht, in dem untern nur wenig von der Tarisichen Poſt berührt, ift darin nicht genannt. Früher jchon erhob, fich in Deutjchland entichiedener Wideripruch gegen dieje Vergewaltigung der Einzelftaaten durch das Reich. Die Behauptung, daß das Poſtrecht ein Faiferliches Regal, ein Nefervatrecht des Kaiſers jei, fand vielfachen Widerſpruch, und be- rühmte Rechts- und Stantsrechtsgelehrte erflärten, die Errichtung von Poſten in den einzelnen Ländern, jog. Landpoften, ſei ebenfo ein Regal der Landesfürften, wie die allgemeine Reichspoſt dem Kaijer- lichen Rejervatrecht zujtehe. Als vollends im Laufe des dreikigjähri- gen Krieges der jchroffe Gegenſatz zwiſchen dem ftreng katholiſchen Deftreich in Verbindung mit dem ebenjo ftrenggläubigen Haufe Thurn und Taxis und den proteftantijchen Ländern und Fürftenhäufern Deutjchlands ſich mehr und mehr geltend machte, errichteten zuerft Brandenburg, dann Kurjachien, Braunjchweig, Helfen, Würtemberg eigene Zandespoften. Auch Baden hatte feine eigenen reitenden und fahrenden Boten und Boftanftalten und kam mit diefen bald in viel- fachen Konflitt mit der Reichspoſt, befonders als diefe den Landpoften das Fahren am gleichen Tage, ſowie bei Nacht verbieten wollte.

1700 war in Durlach noch feine Neichspoft und die Durlacher Baffagiere und Boftftüde mußten, um auf die Reichspoft zu kommen, nach den Reichspoſtſtationen Schrödh, Lintenheim und Pforzheim ge- bracht und dort abgeholt werden.

Neben diefer Reichspoft aber hatte ſich, wie gejagt, ſchon jeit längerer Zeit eine Landpoft gebildet. Landbriefe wurden durch bejon- dere Boten befördert. So ging oder ritt vielmehr 1704 jeden Don- nerstag ein Briefbote von Durlach nah Lahr, traf dort mit dem Dberländer Boten zujammen, mit welchem er jeine Poſtſtücke aug-

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tauchte, und ebenjo ging wöchentlich ein Poſtbote nach Pforzheim. Für die von den Hauptitraßen abjeit3 gelegenen Orte beftand feine regelmäßige Verbindung, Negierungsbriefe aber mußten von der Sta- tion aus von Ort zu Ort durch Ortseinwohner bis zu ihrem Biele gefördert werben, wie dies 1718 fchon zu den Obliegenbeiten von Klein⸗Karlsruhe gehörte.

Die Botenkurje, welche von Durlach aus gingen, zeugen dafür, daß jchon damals in Durlach eine Iandesherrliche Poſt war, während bie Reichspoſt mit ihren Kurjen von Speier über ARheinhaufen nach Bruchſal, Pforzheim und Kannftatt, ſowie von Frankfurt, Heidelberg, Speier, Rheinhauſen, Linkenheim, Schrödh, Grünwinkel, Raftatt nach Kehl und Straßburg die damalige Refidenz Durlach nicht berührten.

Deßhalb Hatte bald nach 1700 der Blumenwirt Herzog in Dur- lach mit Genehmigung des Markgrafen, fogenannte Landkutſchenkurſe von Durlach nach Pforzheim, Stuttgart, Kehl, Straßburg, Heidel- berg und Mannheim eingerichtet, welche Landkutichen zugleich als landesherrliche Fahrpoſten ericheinen.

1708 aber wurde nach Uebereinkunft mit Thurn und Taxis eine Reichöpoftftelle in Durlach errichtet, wodurch num der Frankfurter Reichspoſtwagen von Heidelberg über Bruchjal, Durlach nad Eit- fingen u. ſ. w. bis Kehl und Straßburg ging.

Doch gab dies Verhältnis des badifchen Pofthalters zur Reichs- poft bald Anlaß zu Irrungen, denn als 1712 Herzog von dem Markgrafen ;die Berechtigung erlangte, Kuriere nach Pforzheim zu entjenden, verbot Taris dem Reichspofthalter in Pforzheim bei 100 fi. Strafe, Kuriere ins Oberland nach Durlach, anftatt über das Ge— birge nach Ettlingen abzufertigen, weil der Ettlinger Reichspofthalter ſich darüber bejchwert hatte, daß die badijchen Voftillone die Kurierpoften und Reifenden von Pforzheim dem Blumenmwirt Herzog in Durlach zuführten, welcher fie dann nah Mühlburg und Grünwinkel beför- derte und ihm, dem Ettlinger jo ein Zeil feiner Einnahme entzogen würde. Hingegen wurde nun dem dadurch in böfe Klemme gebrachten Pforzheimer PVofthalter bei 200 fl. Strafe befohlen, feine Poftab- fertigungen nur über Durlach nach Ettlingen gehen zu Taffen.

Auch der Umftand, dab der Markgraf feinem Bofthalter Herzog die Beförderung von Briefen und Paketen durch die Landkutichen geftattete, die Reichspoſt aber dies Recht für fich allein in Anſpruch nahm, gab zu fortwährenden Reibungen Anlaß. Außerdem follten

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auch die noch immer gehenden Landboten keine Privatbriefe mit ſich nehmen, weil die Reichspoſt dieſen Boten nur die Beförderung von Regierungsbriefen und Paketen geftatten wollte, womit auch Herzog in feinem eigenen Intereffe einverftanden war. 1717 bemilligte nun Karl Wilhelm dem Pofthalter Herzog in Durlach die Signatur als Zandpofthalter und zur Belegung der reitenden Kurierpoften zwei Monturen, nebſt 160 fl. Gehalt. In dem Jahre 1718 wurde nach längern Berhandlungen, bei welchen der markgräfliche Geheimrat Stadelmann in jehr thatkräftiger Weife die Mechte feines Herrn ver- trat, zwiſchen diefem und dem Reichspoſthalter Dolle von Rhein- haufen ein Vertrag abgejchloffen. In demfelben übernahm Thurn und Taxis auf feine Koften die Bofthalterei zu Durlach, wodurch Durlach nun definitiv Reichspoftamt und Herzog auch Reichspofthalter wurde. Thurn und Tazis verpflichtet fich, zu ſolchen Stellen vorzug3- weile Landestinder und „mohlanftändige”, der Landesherrichaft ge- nehme Männer zu ernennen. Die Boft nach Rheinhaufen über Bruchjal und nach Kehl über Durlach ſoll wöchentlich zweimal jpedirt werben, die Aemter Stein und Langenfteinbach können ihre Poſten in Wilfer- dingen abgeben und in Empfang nehmen. Die Korreipondenz der berrichaftlichen Stellen und Beamten, ſowie des fürftlichen Hauſes ift frei gegen Zahlung von jährlich” 100 Reichsth. an das Poſtamt Rheinhaufen, das übrige Porto wird nach einem beftimmten Tarifjage berechnet. Die Reichapoftbeamten genießen vollkommene Berjonalfreiheit. Dem Landkutjchenführer in Durlach ift die Annahme und Ausgabe von Briefen, ſowie die Beförderung von Boftreifenden und Kurier poften verboten, doch darf er Pakete und Frachten nebſt zugehörigen Avis und Frachtbriefen jpediren. Die Bofthalter von Pforzheim und Linkenheim, welche bisher jährlich 20 freie berittene Ejtafetten, oder das Nittgeld dafür an Baden zu liefern hatten, find von nun an davon befreit. Die Briefe von Rheinhauſen nach Durlach werden dahin durch die Reichapoft von Aheinhaufen, die aus dem Oberland fommenden durch die Durlacher Reichspoft nach Linkenheim und Pforz« beim, die in das Oberland beftimmten ebenſo nach Ettlingen be- fördert.

Da nun Herzog zugleich markgräflicher und Neichapofthalter ge- worden war, und neben dem Reichspoſtdienſte auch den Landkutichen- betrieb in feiner Hand hatte, nahm er eine bedeutende Stellung in dem Poftdienfte ein. 1731 hatte er bier in Karlsruhe auch ſchon

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ein eigenes Poſthaus und einen Poſtkommis, den Mundkoch Berner. Als 1732 der Vater Herzog geſtorben war, trat ſein Sohn Georg Adam an deſſen Stelle und wurde badiſcher Hofpoſtmeiſter.

Das Verhältnis zwiſchen der Reichspoſt und Baden war aber immer noch in mancher Beziehung nicht feſtgeregelt, abgeſehen davon, daß der Vertrag von 1708 nur für eine beſtimmte Anzahl von Jahren abgeſchloſſen war, und der 1738 durch den Tod Karl Wilhelms ein— getretene Regierungswechſel auch eine neue Regelung nötig machte. Insbeſondere gehörte aber das ganze Oberland bis Baſel noch 1740 nicht in das Gebiet der Reichspoſt, und die Fahrt der badiſchen Land- futjchen erjtredte fich nicht über Kehl und Straßburg hinauf, von wo aus die eigentliche Poſtverkehrsſtraße noch jenjeit3 des Rheines lag.

Ueber die Beſchaffenheit folcher Fahrt in einem Poftwagen, von welchem die Franzoſen jagten: il fait quatorze lieues en quinze jours, jagt der gegenwärtige Oberpoftmeifter des deutjchen Reiches Geheimrat Stephan in dem hiſtoriſchen Taſchenbuch von‘ Raumer 1869 ©. 367: „Außer dem Innern des Wagens war auch das Obere und Untere, das Vordere und Hintere mit Reifenden bejeßt. Von Paketen, Fäſſern und Ballen umgeben, unter dem Drud verjchtedener Atmojphären, jo dak man feine Subftanz in einen verdichteten Zu- ftand übergeben fühlte, jobald man das Jnterieur des Wagens mit Hilfe einer Leiter oder eines ſonſtigen gymnaſtiſchen Gerätes glücklich erklommen hatte, reiste man, oder vielmehr, man wurde gereist, jo lange man mußte, oder richtiger, jo lange der Wagen und die Pferde es wollten. Noch milderte keine Feder die Stöße, befänftigte feine glatte Kunſtſtraße das Wogen des Fuhrwerkes und fein Gerafjel auf dem Straßenpflafter der Städte, wo es fich der Reputation wegen zu einem trügerifchen Trabe, Sonntags und zum Jahrmarkt auch) wohl zu einer Art ſymboliſchem Galopp aufzuregen pflegte, vermijchte fich mit dem Blafen des Kutjchers, denn dieje nicht jelten an Im— moralität grenzende Art fih zu äußern, ward den Landkutjchern und Mebgerpoften erſt jpäter auf Antrieb des Haujes Taris unterjagt. Die Reife der Frauen hielt man im allgemeinen nicht für recht pafiend, „weillen ſolches Begeben unter fremde Leute wider die weib- fiche Zucht und Schambaftigkeit lauffet, zumahlen dergleichen Reifen öfter8 Gelegenheit, dawider zu handeln, zu geben pflegen“.

Die Annehmlichkeit jolcher Reifen wurde auch noch dadurch er- höbt, daß der Neifende, nachdem er die lange „Geſchwindkutſchenfahrt“

glüdlich überftanden hatte, an den Thoren oft noch halbe und ganze Stunden warten mußte, bis die Zoll- und andere Formalitäten er- füllt waren, ehe er in den Hafen erjehnter Erlöfung einlaufen konnte. Ueber Wagengerafjel und Pflafterjtöße hatte fich derjelbe in unferer neuen Refidenz zwar nicht zu beflagen, defto mehr aber der Dur- lacher Pofthalter und die Pferde deſſelben, melche eine jolche mit Gepäck und Frachtgut bi8 zu 36 Zentnern außer ihrer eigenen Schwere und den lebendigen Injaßen beladene Landkutſche durch den fußtiefen Sand der Straße von Durlach nach Grünmintel zu fchleppen batten, jo daß vier bis ſechs Pferde die gewöhnliche Beipannung bildeten.

7. Gefundheifte-, Rranken- und Brmenpflege, Reffungsanfalten.

Beicheiden und Hein find auch in diefer Beziehung die Anfänge unjerer Refidenz, in welch großartiger Weiſe fie ich entwickelt haben, wird die Gejchichte der ſpätern Zeit uns zeigen.

In der erften Zeit nach der Heritellung des Mühlburgerthores ftanden einzelne Häufer nahe außerhalb defjelben, und es wird jchon 1722 ein ftädtijches Armenhaus vor dem Thore erwähnt, das zu 200 fl. angejchlagen, aber bald nachher abgebrochen wurde.

1724 war in Batavia ein gewiffer Joſt aus Durlach, Hofmeister bei einer holländiichen Familie, geftorben und hatte der Stadt Karla» ruhe 100 Reichsthl. zur Erbauung eines Krankenhauſes vermacht.

Im März 1726 war ein DBetteljude bei einem am Sonntag während der Frühpredigt in dem Haufe des Buchdruckers Mafchen- bauer verübten Diebftahl ermwifcht und dafür beftraft worden, und bei der Unterfuchung ergab fih, daß derjelbe mehrere Tage und Nächte vorher in dem vor dem Mübhlburgerthor gelegenen Häuschen des Judenſchulmeiſters und Vorfängerd Jakob fich aufgehalten habe. Ein folcher Aufenthalt fahrenden Gefindels, jagt ein amtlicher Bericht, fei aber den Landes- und Kreisverordnungen zumider, „weil in jolchen Betteljubenhäufern das liederliche und nirgends unterzukommenwiſſende Zudengefindel bequemen Unterjchleich zu Ausübung allerhand gefähr- licher Anfchläge und Freveltaten finde“,

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Deßhalb wurde von dem Hofratscollegium vorgeſchlagen, das Haus des Judenſchulmeiſters nach unparteiiſcher Abſchätzung zu kaufen und zu einem rechten Krankenhaus für hieſige Arme einzurichten. Im April 1726 wurde nun durch den Geheimrat im Namen des Mark— grafen das Oberamt beauftragt, darüber zu berichten, mit dem Bei- fügen, es halte fich faft täglich allerhand Liederliches Qumpen- und Betteljudengefindel, das fich öfters Tediglich durch NRauben und Steh- (en erhalte, in jenem Haufe auf. Daraufhin meldete im Juli 1726 das Oberamt (Wilhelm Br. von Schilling und Hofrat Wielandt) dem Markgrafen, e8 habe durch Bürgermeifter Ottmann, Baumeifter Ar- nold und Ehriftoph Keſſel das Haus abſchätzen laſſen, und diejelben ‚hätten es zu 124 fl. 40 fr. angefchlagen. Es eigne fih auch am beften zu einem Krankenhaus, weil es außerhalb der Stadt Liege. Zudem könne man mit dem Joſt'ſchen Legat von 100 NReichsthl. dafjelbe kaufen und ausbauen, ohnedies jei e3, weil der Jude es nicht habe ausbauen können, jchon wiederholt weggeiprochen worden. ‚Unter dem 8. Mai 1727 befiehlt num der Markgraf, das Haus zu kaufen und zu bauen, und mas e3 über 100 Reichsthaler koſte, aus dem Hofalmofen zulegen zu laſſen. Da aber der Jude 200 fl. forderte, fam dieſer Kauf nicht zuftande.

Dagegen hatte der Totengräber, ein Schneider, dem Judenhaus gegenüber ebenfalls ein Haus, das er 1733 an Joh. Adam Went verkaufte. Won diefem kaufte e3 in dem gleichen Jahr die Stadt, baute e3 zu einem Krankenhaus um und verwendete dazu die Joſt'ſche Stiftung mit 380 fl., 300 fl., welche man für die Salzburger Emi- granten gejammelt hatte, 158 fl. Kirchenkollektengelder und 84 fl., welche der Markgraf felbft dazu beifteuerte, im Ganzen 922 fl.

Dafjelbe enthielt unten die Wohnung des Wärterd, aus Stube, Kammer und Küche beftehend, und einen daranftoßenden leeren Raum, im obern Stod vier Stuben für Kranke. Die Verwaltung wurde der Stadt übergeben, und dieſe fegte den Wärter ein. Weil das Haus aber wenig von der Stadt benugt wurde, und fein Militär- lazaret vorhanden war, jo wurde es auch für Soldaten benugt, und es blieb immerhin zweifelhaft, ob dafjelbe herrſchaftlich oder ſtädtiſch war.

Die Regierung entfchied 1738 nad) des Markgrafen Tod zu eigenen Gunften. Der ſtädtiſche Verwalter wurde ausgewiejen, ein Militär an feine Stelle gefeßt, und das Haus ala Soldatenlazaret benugt. Die Stadt erhob Einfprache dagegen und forderte das Haus

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zurüd, oder wenigftend Nüdgabe des aus ftädtifchen Mitteln zur Her- ftellung verwendeten Geldes.

Bor dem Mühlburgerthor war aber unterbeffen neben dem alten Judenhaus das Wirtshaus zum weißen Hirſch entftanden. 1739 bot nun ber Wirt Ermel der Herrichaft fein, dem bisherigen alten La- zaret gegenüberliegendes Wirtshaus zum Zweck eines Militärlazarets für 8000 fl. an, und das Oberamt machte auch demgemäß ben Bor- jchlag, dieſes Haus, ſammt dem daneben ftehenden Haus des Juden- kantors anzulaufen, und daraus eine Kaſerne und ein Militärlazaret berzuftellen, damit der Stadt das ihr zugehörige, bis dahin ala Militärlazaret verwendete Armenhaus wieder eingeräumt werden fönnte.

Allein der Adminiftrator Karl Auguft ging aus Sparjamteits- gründen darauf nicht ein, und es blieb bei dem jeitherigen Stande, bis im Jahr 1753 Karl Friedrich genehmigte, daß der oben erwähnte leere Raum neben der Küche auf herrjchaftliche Koften zu einer Stube für ſtädtiſche Kranke hergerichtet wurde.

Bon 1742 an wurde an den monatlichen Buß- und Bettagen in Stadt und Amt eine Kollette für das Lazaret erhoben, und m demjelben Jahre diente dafjelbe auch als Dragonerkajerne.

1719 hatte Apotheker Schelling aus Hohenneuffen in Wür- temberg ein Privilegium für die erfte hiefige Stadtapothele erworben, aber die Sache zerichlug fich, und in demjelben Jahre wurde bdiejelbe durch einen Gernsbacher gegründet. Diefe Stabtapothele wurde 1726 durch Joh. Ernft Kaufmann, welcher bis dahin bei Apotheler Zinter- nagel in Durlach in Dienft geftanden, an der Stelle der jet noch beftehenden Sachs’jchen Upothele übernommen. Sie war damals ein- ftödig, einerjeit3 neben Schuhmacher Joh. Jak. Kiefer, andererfeits neben oh. Wiedmann, des Erbpringen Leibjchneider, der Hof ſtieß auf Martin Benzinger8 Garten. 1739 erwarb Kaufmann ein Stüd von Benzingerd Garten und wurde dadurch Anftößer an Kammerdiener Teichmann, an den Kapuziner-Garten und an Kammerdiener Schmel- zer. Später kaufte derjelbe auch Schuhmacher Kiefer’3 Häuschen und baute fein Haus nebft diefem zmeiftödig.

Im Jahr 1719 wurde dem Hofapotheler Greber von Durlach die Hofapothele hier übertragen und ein Laboratorium hinter der- jelben errichtet.

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Von Aerzten wohnten damals hier: 1720 der Landphyſikus Zachmann, Hofrat und Leibarzt Dr. Kloſe, Dr. Fr. And. Eichrodt, 1738 47 Stadt- und Landphyſikus für Karlsruhe und Durlach, Dr. Zertor*), 1728 Leibarzt, Dr. Sulzer 1728 Leibarzt.

Zur Waſſerverſorgung feiner Gärten, Baffins und Spring- brunnen hatte der Markgraf eine Hofwafjerleitung angelegt. Das in einem etwa 3 Meter weiten Schacht gejammelte Horizontalmafjer wurde vermitteljt eines Pferdegöpelwerkes und durch Handpumpen in höher gelegene Baſſins emporgehoben und durch hölzerne Röhren weiter geleitet, wobei die Frondienſte der Klein-Karlsruher und der Landorte jehr zuftatten kamen.

Die Stadt jelbjt hatte an einzelnen Punkten, wie vor dem Rat- haus und an einigen wenigen Stellen und Eden der langen Straße öffentliche, in den Höfen aber Zieh- oder Schöpfbrunnen, bis 1775 bei der Stadtfirche der erjte Bumpbrunnen angelegt wurde. Cine Kanalijation fam erjt mit der Anlage des Straßenpflafters in der langen Straße zuftande.

Verſchiedene Vorjchläge zu einer Trinkwaſſerzuleitung von außen, jo 1729 von dem Werrenhäuschen zwiſchen Durlach und Wein- garten, von dem Horbenloch zwijchen Durlach und Ettlingen und von Ettlingen jelbft hatten vorerft feinen Erfolg.

Die Feuerwehr Die Schugmaßregeln gegen Feuersgefahr bildeten jchon lange vor dem Entftehen der Stadt Karlsruhe einen Gegenftand forgfältiger Aufmerkſamkeit der Markgrafen und der Be- börde. Schon im Anfang des 17. Jahrh. finden wir dahin gerichtete Verordnungen in größern und Heinern Städten beider Martgraf- Ichaften.

1685, vier Jahre vor dem großen Brande in Durlach, erjchien bei Martin Müller in Durlach die erfte gedrudte Feuerordnung, worin die Anſchaffung von Feuerjprigen befohlen, eine regelmäßige, im Frühjahr und Herbſt abzuhaltende Feuerſchau, eine weniger feuer- gefährliche Bauart, die Herftellung von Wafjervorräten in jog. Brand- weihern, und zwar bei Strafandrohung angeordnet wurden, und in der

*) 1724 wurde dad Wafler der Quelle in Langenfteinbach auf Anregung des Landphyſikus Zachmann durch Kloſe, Eichrodt, Sulzer und Tertor unter: fucht, und in dem nämlichen Jahr das dortige Bad eröffnet. Much ließ 1727 Dr. Tertor bei Majchenbauer hier eine Schrift darüber druden.

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That bejak 1686 die Stadt Durlach zwei große Feuerſpritzen und die Herrichaft ebenjoviele. Signale waren Schießen, Glodengeläute, Horn und Auf, rote Fahnen bei Tage, Bechfadeln auf den Höhen und Türmen bei Naht. Die Sprigen der erjten Zeit waren wahr- jcheinlich nur Hand und Tragfprigen, Feuerreiter waren die Mebger, welche in jener Zeit auch den Boftreiterdienft zu bejorgen hatten.

As 1689, nach der Zerftörung der Städte und Schlöfler der Markgrafihaft, die Regierung einjtweilen nach dem verhältnismäßig weniger gründlich verwüſteten Pforzheim zurüdverlegt, und die eben- falls verbrannte Auguſtenburg bei Grögingen, vorher das hohe Haus genannt, notdürftig wieder wohnlich gemacht worden war, erichien eine neue Revifton der Feuerordnung, worin u. U. auch das bei Alt und Jung mehr und mehr überhandnehmende Tabakrauchen an feuer- gefährlichen Orten bei 3 fl. Strafe verboten, die Herftellung feuer- jicherer Wohn- und Detonomiegebäude gefordert, und gegen das durch den Krieg im Land zerftreute Gefindel, welches bei Feuersbrünſten öfter al3 fogen. „Feuerräuber” mit der Abficht des Stehlens fich einftellte, jehr ftrenge Mafregeln angeordnet wurden. Die Feuerfprigen waren wohl größtenteil® ebenfall3 mit zu Grunde gegangen, und ihre Wie- deranfchaffung ging bei der ohnedies verarmten und auf die Bei— Ichaffung dringender Bedürfniffe angewieſenen Bevölkerung in Stadt und Land nur jehr langjam und allmälig vonjtatten.

1701 wurde eine verbefjerte Durlacher Feuerordnung, ſowie eine jolche für hohe und niedere Hofbedienjtete veröffentlicht.

Ebenſo brachte ein Erlaß des Markgrafen Karl vom 24. DOfto- ber 1715, von Durlach datirt, eine 50 Paragraphen umfafjende Feuerordnung für das ganze Land, und im nmämlichen Jahr eine ſolche für Durlach und die Hofdiener. Wörtliche Abdrücke diejer und vorhergegangener markgräflicher Feuerordnungen finden ſich in der ausführlichen und gründlichen Darftellung des Herrn Dr. Cathiau „Die freiwillige Feuerwehr der NRefidenzftadt Karlsruhe“, Karlsruhe 1876, auf welche wir unfere Leſer verweilen müſſen.

Aus der genannten Schrift entnehmen wir al3 beſonders be- merfenswert, daß im Jahr 1717 der badiiche Kammerprofurator von Richtenfel3 in Durlach dem Markgrafen einen nach der Ham— burger Feuerordnung bearbeiteten Entwurf vorlegte, in welchem u. a. ſchon eine Feuerfaffe, eine Brandverficherungsfaffe, ſowie eine jolche für beim Brand Verunglüdte zu deren augenblidlicher oder lebens«

länglicher Unterſtützung, auch nötigenfalls für ehrliches Begräbnis und Wittwengeld jo dringend empfohlen waren, daß es in dem Ent- wurf heißt: „Widerfacher des Geſetzes, Werkzeuge des Teufels, welcher ein Feind und Läfterer aller guten Ordnung ift, jollen unnachfichtlich zum abjcheulichen Exempel an Leib und Seele geftraft werben.“

Dabei bemerken wir übrigens, daß eine eigentliche Brandver- fiherung in Baden-Durlach erft 1758, in Baden-Baden 1766 ein- geführt wurde.

In einer 1727 ausgegebenen, fpeziell für Karlsruhe beftimmten Feuerordnung, j. Generallandesarchiv, Karlsruhe Stadt, Convol 253, ftehen folgende Beſtimmungen:

Jeder Bürger muß dieſe Verordnung in Handen haben und zwei Feuereimer, den einen für fich, den andern für die Stadt an- ſchaffen, auf jedem Speicher joll, die Froftzeit ausgenommen, ein Buber mit Waffer ftehen, bei 1 Reichsth. Strafe. Bei einem Brande jollen in den Bechpfannen die Pechkränze angezündet, und vor jedes Haus eine Laterne gehängt werden. In jeder der 9 Straßen wird ein Gaſſenmeiſter aufgeftellt, welcher, halbjährlich von Haus zu Haus abmwechjelnd, der Anführer der Straßenbewohner ift und was etwa verordnet wird, von Haus zu Haus zu verfündigen hat. Die neun Gaffenviertel find: 1) Die Vorftadt von dem Durlacher Thor an bis zur Günzer-, damals? auch Sembachſchen oder Waldhornftraße, nebft den Birkelhäufern und der Mühlburger- oder langen Straße vom weißen Rößlein an bis zur Kronen- oder Löwenkranzſtraße, 2) die Kronenftraße nebft Zirkel und Mühlburgerſtraße bis zur Ad- ler⸗ oder Rottbergitraße, 3) die Molerftraße bis zur Erbprinzen- oder Kreuzftraße, 4) die Erbprinzen- oder Kreuzſtraße, 5) die Karl⸗ ftraße oder Bärengaffe, 6) die Markgraf Chriftoph3- oder Lammitraße, 7) die Ritter- oder Leiningenftraße, 8) die Herren- oder Draisftraße, 9) die Wald- oder Verküllftraße, jeweild mit den zugehörigen Teilen de3 Zirkels und der langen Straße. Bei einem ausbrechenden Brande ift Jedem, der denfelben bemerkt, bei Strafe geboten, „Feuer“ zu rufen. Alle Bürger und Hausgenofjen haben bei ausbrechendem Brande, mit einem Eimer verjehen, fich auf dem Brandplatz bei ihrem Gafjen- meifter zu melden, die Handwerksleute, die nicht bejondere Verwen⸗ dung haben, und Andere jollen Wafjer reichen. Die Aufficht über das Ganze führt der Stadtadjutant und der Stadtwachtmeifter. Jener macht dem Dberamtmann Meldung. Bei einem Stabtbrand wird mit

allen Glocken, bei einem ſolchen auf dem Lande nur mit der kleinſten geläutet.

Alle Korporäle der Bürgerſchaft begeben ſich mit einer mit Ober⸗ und Untergewehr bewaffneten Mannſchaft auf die Feuerſtätte, zwei derſelben bleiben hier mit doppelter Schildwache, fünf andere mit je vier Mann beſetzen die Thore, wo ſie niemand auslaſſen, ohne ihn zu durchſuchen, andere halten Wache bei der Fahrnis, wieder andere ſtellen ſich an die Straßenzugänge und laſſen keinen Unbefugten zum Brandplatze, ſperren Widerſetzliche und Verdächtige ſogleich in den Turm und überwachen überhaupt durch Patrouillen die Straßen. Es werden Reihen gebildet, gefüllte Züber vor die Nachbarhäuſer gebracht‘, und in dieſen Häuſern die Handſpritzen be- reit gehalten. Für die Zufuhr von Sprigen, Feuerwagen und großen Bütten follen die Fuhrleute nach der Zeit ihrer Ankunft beim Brande 1 fl., 45 k., 30 fr. und 20 fr. Trintgeld erhalten. Wer zu jpät erjcheint, oder vor fürmlicher Entlafjung die Brandftätte verläßt, wird mit 1—5 fl. Strafe belegt.

Die Thore an dem Quftgarten vor dem Schloß, wo die großen Baſſins find, werden geöffnet und von Gartenknechten gehütet. Die Kiüfer kommen zu den Bütten, Zimmerleute, Steinhauer, Maurer ftellen fich in Abteilungen recht? und Iints vom feuer auf, um zu löfchen und einzureißen, die Schlofjer regieren die Sprigen, bie Hin- terjaßen arbeiten an den Pumpen, Leitern und Feuerhaklen. Der Poſthalter ſchickt die Hälfte feiner Poftillone zu Pferd zu dem Ober- vogt, die andern zu dem Oberamtsverweſer (zweiten Amtmann), ebenfo haben die Metzger ihre Knechte zum fyeuerreiterdienft, und Ochſenhäule zum deden und dämpfen des Feuers in Bereitſchaft zu halten.

Die Ratsherrn befehligen die herbeigefommenen Mannfchaften der Nachbargemeinden, nebſt denjenigen von Klein⸗Karlsruhe, welche legteren ebenfalls ihre Gafjenmeifter haben.

Profoſen und Stadtknechte bleiben bei den Gefängniffen.

Bei auswärtigen Feuersbrünſten geht nicht über die Hälfte ber biefigen Mannfehaft hinaus, und zwar abwechſelnd die weftlich und öftlih von der Bärengaſſe wohnende. In dieſem Falle Tautet der Heuerruf: „Landfeuer”, und der PVofthalter fchidt dem Oberbeamten jofort ein gejatteltes Pferd. Die Ordnungsftrafen von 1—5 fl. fallen

in die Stabtlaffe. 7

Die Stadt ſoll haben eine große Feuerſpritze, 12 Handſpritzen, 4 große und 4 kleine Feuerleitern, 4 große und 6 Heine Feuerhaken, 8 Gabeln zum Aufrichten der Leitern und Fenerhaten, 9 eichene Bütten mit eifernen Reifen auf Schleifen, Ketten, Seile, 6 Pech— pfannen, Pechkränze, Feuerwägen u. j. w. Die Schlüffel zu dem Feuerhaus in dem Stadthof, wo die Geräthe find, bat der Ober- beamte, der Bürgermeifter und Baumeifter in Verwahrung. Bon den 12 Handjprigen haben Bürgermeister, Baumeifter und die Nats- herrn je eine in ihren Häuſern umd jolche in gehürigem Stand zu halten.

Für herrjchaftliche und Kanzleibeamte bejtand, wie jehon bemerkt, eine bejondere Feuerordnung.

8. Die Rirche.

Der erjte und zweite Freibeitsbrief von 1715 und 1722 hatte für alle im deutjchen Reich geduldeten Befenntniffe, Duldung und Sewifjensfreiheit, ſowie die ungejtörte Uebung des Gottesdienjtes zu— gefichert.

Die beinahe ausschließlich evangelijche Bevölterung der Mark— grafihaft Baden-Durlach, jowie die Neligionsverhältniffe der an— grenzenden Länder Würtemberg, Schweiz und Rheinpfalz brachten es mit fih, daß der unbedingt überwiegende Teil der erjten Eimvohner von Karlsruhe dem evangelischen Betenntnis angehörte, und wir be- ginnen deßhalb mit diejem.

Die Evangelijhen oder Lutheraner. Das marl- gräflihe Schloß, deſſen Grundjtein im dem Fundament des Schloß— turms am 17. Juni 1715 gelegt worden war, und welches im Laufe von zwei Jahren joweit vollendet wurde, dab der Markgraf dafjelbe beziehen konnte, enthielt in dem Meittelbau die Kapelle. Dieje wurde nun den 31. Oktober 1717 anläßlich der 200jährigen Jubelfeier der Neformation feierlich eingeweiht. Dieje Doppelfeier wurde Ver— anlafjung zu großartigen Feitlichkeiten, und erfolgte genau nad) der durch einen Erlaß des Markgrafen fejtgejeßten Ordnung.

Den 30. Oftober wurde als Vorfeier mit allen Glocken geläutet, und nach einer Vorbereitungspredigt über Hebr. 13, 7 in Karlsruhe

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und Durlach Beichte geſeſſen. Den 31. morgens Verſammlung der Karlsruher Geiſtlichkeit nebſt den von auswärts berufenen Geiſtlichen in dem ſeither als Kirche benutzten Hauſe, dem Magazin. Dort ver— liest der Stadtdiakonus M. Joh. Dietrich Bohm Neh. Kapitel 8 und ein im Jahr 1630 bei der damaligen Feier der Augsburgiichen Kon— fejiton im Lande abgefahtes und verlejenes Gebet. Won hier aus begeben fich die verſammelten Geijtlichen mit der Schuljugend und den Präzeptoren unter Abfingung des „geiftreichen“ Liedes „Nun freut euch, liebe Chriftengmein“ durch die Gallerie an dem fürft- lichen Audienzjaal in die neue Schloßfapelle und ſtellen bier die Kir- chengefäße in folgender Ordnung auf den Altar:

1. Ein Taufbeden der Hofvitar Ph. Jak. Boch, 2. eine Altar: kanne der Vikar Mahler von Niefern, 3. eine andere der Pfarrer J. Froch. Kaufmann von Rußheim, 4. einen Kelch der Karlsruher Stadtdrafonus Joh. Dietrich Bohm, 5. eine Kapjel mit Hoftien der Hofdiafonus M. 3. Japhet Körner, 6. die Kirchenagende der ältejte Pfarrer der Diöcefe, Schü von Eggenjtein, 7. die Formula Con- cordiae der ältejte Pfarrer der Pforzheimer Diöcefe, Jak. Petri von Nöttingen, 8. die heil. Bibel Kirchenrat und Hofprediger 3. Lorenz Hölzlin.

Hierauf verfügt ſich der Markgraf mit Gefolge, Adel und Miniſterium in die neue Kapelle, bei deren Eintritt nach Abjingung des Liedes: „Komm, heiliger Geift, Herr Gott“ ꝛc. „eine jchöne, harmonische Vokal- und Injtrumentalmufit gehört wird“. Nun predigt Hofprediger Hölzlin über den ihm vorgejchriebenen Tert Apocal. 4, 10, mit Bezug auf Jubelfeft und Weihe.

Nach der Predigt wird vorgenommen eine Ordination an dem Kandidaten Ph. Fat. Boch, welcher zugleich als Hofvilar präjentirt wird, jodanı eine Präjentation des Stadtdiafonus M. 3. Dietrich Bohm als Pfarrer von Hagsfeld, hierauf nach Abfingen des Liedes „Erhalt uns, Gott, bei Deinem Wort” und kurzer Nede Hölzlins, das Glaubensbekenntnis eines evangelijch gewordenen katholiſchen Prieſters, nach dieſem Abjingung des Liedes: „Wie ſchön leuchtet der Morgen— ſtern“ und Klopulation der beiden Jubelpaare, Zimmermann Paul Kreyſel und Anna Marie Arnold, des Zimmermanns Tochter von bier, und Eſaias Zachmann und Ana Maria Imber von Wilfer- dingen, hierauf eine Taufe und zuleßt das Abendmahl, wobei der Markgraf der Erjte in der Reihe der Kommunikanten it. An diejes

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reiht fih ein Te Deum laudamus in Begleitung von Pauken und Trompeten, und den Schluß bildet der Segen durch den Hofprediger.

Den ganzen Tag wird die Andacht durch Gottesdienft und Predigt fortgejegt, und abends der Schloßturm mit 80 finnbildlichen Transparentbildern geſchmückt, welche die auffteigende, wachjende, jtreitende und jubilirende evangelische Kirche, die „Attribute“ des göttlichen Wortes, und die Glückwünſche der Unterthanen darftellten, an der Haube de3 Turmes endlich find auf acht jchwebenden Schei- ben die Gaben des bl. Geiftes verfinnbildlicht.

Für den folgenden Tag, den 1. November, ift der gejammte Adel zum Gottesdienjt und zur Hoftafel befohlen, nach welcher zwei Studiojen des Gymnaſiums zu Durlach, Ehriftoph Ph. Sauer und oh. Hch. Hemberger, deutiche Gedichte vortrugen, umd auch den 2. November noch hielt Stadtdiatonus Bohm eine Feitpredigt.

Eine ähnliche Feier wurde für Durlach angeordnet. Doc war dort die Feier nur YJubiläumsfeier der Reformation, welche in der Hoffapelle der Karlöburg, in der Stadtkirche und in dem Gymnaſium begangen wurde.

In dem Gymnaſium zu Durlach dauerte die Feier mit Vor— trägen, Thefenjtellung und Difputationen big zum 5. November, an welchem Tage noch drei Schüler der Anftalt, Karl Friedrich Waag, Daniel Hoyer und Joh Friedrich Schüg, lateinifche Reden bielten.

Im Verlauf diefer Gymnafiumsfeier famen den 31. Oktober und 1. November auch muſikaliſch-kirchliche Darftellungen zur Aufführung, geleitet von dem fürftlichen Hoffapellmeifter 3. Ph. Käfer, in welchen in einer langen Reihe aufeinanderfolgender Chöre, Arien, Reeitative der heilige Geift, die Kirche und der Jünger Johannes als vedende und fingende Perſonen auftraten.

Die genaue markgräfliche Verordnung zur Feier wurde gedrudt 1717 in Durlach bei Th. Hecht, fürftlichem Hofbuchdruder.

Der Gottesdienft für die erften Karlsruher wurde in der erjten Zeit in einem, nicht weit von dem Schlofje entfernten Raum, Ma- gazin genannt, abgehalten, und zwar von auswärtigen Geiftlichen, namentlich von Durlach, Hagsfeld und Mühlburg. Kirchliche Hand- lungen, wie Taufen und Trauungen wurden anfangs in auswärti— gen Kirchen, dann in dem Magazin, jeit 1717 aud in der Schloß: fapelle, und ſeit 1722 auch in der men erbauten Stadtfirche vorge: nommen, auch Haustaufen find nicht jelten.

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Die erften zwei Kinder, welche hier geboren, aber noch in Hags— feld getauft wurden, waren Barbara Dorothea Bader, eines Tag- (öhners Tochter, geboren den 26., getauft den 27. Dezember 1715, und Joh. Hch. Gg. Ibach, der Sohn eines Gartenknechtes, geboren den 31. Dezember 1715, getauft den 2. Januar 1716. Beide Mütter waren katholiſch.

Die Zahl der Taufpaten war, wenigftens für die höhern Stände, eine noch ganz unbejchränfte, und e3 waren darunter zumeilen auch der Markgraf und ein Teil der fürftlichen Familie vertreten. So hatte 3. B. 1724 ein Herr von Schertel zur Taufe feines Töchterchens 5 fürftliche, 19 adeliche und 1 bürgerlichen Taufpaten.

Die Trauungen wurden anfangs ohne jede Proffamation voll- zogen, 1719 wurde dreimalige Proflamation vorgejchrieben, mobei die Scheine von dem Stadtjchreiber ausgejtellt und gegen eine Gebühr von 10 und 12 kr. durch Amt und Spezialat unterjchrieben wur— den. Auswärts Getraute mußten aber bier die Stolgebühren zahlen, und jo murden fie nach und nach genötigt, fich auch bier in dem Magazin trauen zu lafien. Die erften, durch den Hofdiafonus Bohm in dem Magazin vollzogenen Trauungen waren die des Vincenz Melazzo mit Marie Magd. Duadrian, eines katholifchen Paares, ſo— dann am 13. November 1717 die des Leonhard Sandt mit Marie Magd. Meyer und des Chirurgen Aug. Joh. Adam Röckle von Meühlburg, mit Marie Diekmann, eine? Hauptmanns Tochter von da.

Zum Bau einer evangelifchen Stadtkirche wurden fchon 1717 vorbereitende Schritte gethan, doch erjt, als 1718 der Marfgräfliche Hof mit den Difafterien hieher übergefiedelt war, begann ein geord- nete3 Firchliches Gemeindeleben. Den 28. Juni 1719 gab der Mark: graf die Erlaubnis zum Bau einer Stadtkirche auf dem Marktplatz, wo jetzt die Pyramide jteht.

Schon anfangs des gleichen Jahres hatte Hofrat Dreyfpring einen Baumeifter mit Fertigung eines Planes beauftragt. Diejer aber follte, von Quadern und Haufteinen, mit Bildhauerei und Bieraten in korinthiſchem Stil, mit einem Schieferdach bergeftellt, 40 000 fl. toften, was zu teuer erjchien. Deßhalb entwarf derjelbe Baumeifter einen andern Plan in doriſchem Stil, wonah Hauptbau, Gewölbe und Turm von Holz gebaut, das Gewölbe mit Teichter Stuffatur verblendet, Emporen eingebaut, das Dach aus jchwarz gebrannten

ET.

Biegeln *) bejtehen, und Alles von inländischen Meiftern ausgeführt werden follte. Diefer Bau war ohne Holz und Beifuhren auf 9000 fi. berechnet und wurde durch den Markgrafen genehmigt.

Sofort wurde jchon am 17. Juli mit Sebaftian Hemberger von Durlach der Bauvertrag abgejchloffen, und hierauf der Bau be- gonnen. Doch ging derjelbe nicht jchnell von ftatten. Es wurden in Karlsruhe, Durlach und andern Landesgegenden Kolletten dafür ange- ordnet, das Almojen trug 1721 400 fl., der Hof 1722 2400 fl. bei.

1720 hatte der Markgraf ein jchönes, blaues Kanzel- und Altar- tuch mit in Gold und Silber eingejtidtem fürftlichen Wappen ge- ftiftet **) und 1722 war der Bau vollendet. Derjelbe hatte die Grundform eines vierblätterigen Kleeblattes mit vier halbrunden Abfiden und war von Holz. Maljch nennt denjelben einen „templum oppidanum illustre, tum ob firmitatem, tum ob speciem,“ eine an FFeitigkeit und Schönheit ausgezeichnete Stadtkirche.

1732 wurden die lirchenftühle vergeben. Da gab es nichtbezahlte, freie Stühle für adelige Frauenzimmer, für Geheimrats-, Hofrats-, Kirchenrats- und Pfarrweiber, für Kammerjetretärd- und Nechnungs- ratöweiber, Stühle für Oberamt und Pfarrer, für Navaliere, Geheim— räte, Hofräte, Hofjefretäre, Kammerräte, Kanzleibedienftete, für Ge— richts- und Watöherren, für Markgraf Chriſtophs Frauenzimmer, für den fürftlihen Hof und die fürftlichen Kinder.

Nicht Freie Stühle Ffofteten für Frauen 1—2 fl., für Männer 2 fl. bis 3 fl. 30 fr., doch gab es noch 1749 nicht verkaufte, ſowie auch nicht bezahlte Stühle. 1730 wurde mit dem Bau des Piarr- hauſes und des Schulhaufes öftlih und weſtlich von der Kirche begonnen, obwohl dieje Pläße dazu längjt bejtimmt waren, denn als 1725 der Stadtrat auf dem, zum Pfarrhaus beftimmten Plag Rat— haus und Mebig errichten wollte, verwahrte ſich der Stadtpfarrer Krüger dagegen, „der Bla fei zu klein, zu nahe an der Kirche, die Boucherie (Megig) möchte den, zur Kirche Gehenden, jonderlich gravidis einige Inkommodität verurjachen.“ Zugleich bat Krüger, da er aus feiner Notwohnung zur Kirche die ganze Stadt durchlaufen müffe, um baldigen Bau des Pfarrhauſes. Als nun 1731 Pfarr:

*) 1737 wurde ber Turm und das Dach mit Schiefer gebedt. **) 1772 im Februar wurden dieje Tücher geitoblen und dann durch neue erjegt.

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und Schulhaus bemohnbar, auch der, Hinter der Kirche bis an ben Landgraben Tiegende Gottesader hergeftellt war, ftellten fich Die Geſammtkoſten für die Häufer auf 1586 fl. 38'/, fr., wovon 900 fi. auf Landeskoſten, der Reſt auf die geiftliche Verwaltung übernommen wurde, welche Lebtere auch die Unterhaltung zu tragen hatte.

Bor dem Bau diejes Stadtpfarrhaufes befand fich aber ſchon vor 1720 ein jolches für Hofprediger und Hofdiafonus in einem berrjchaftlichen Gebäude in der Herrenftraße, linke Seite, in der Nähe des ſpätern Gafthaujes zum Waldhorn, und bier wohnten von An— fang bis 1751 die Hofprediger, bis Hofprediger Stein dafjelbe ala baufällig verließ und in das dem Kaufmann Maſſimo abgefaufte Haus in der langen Straße, jetzt Nr. 129, zog. Doch blieb das Haus in der Herrenftraße noch lange Zeit Diakonatshaus.

1715 war ob. Lorenz Hölzlin von Baireuth ala Hofdiakon nach Durlach und 1717 als Hofprediger bieher berufen worden. Nach defien Tode 1722 wurde Franz Rudolph Krüger aus Halle ala Stadtpfarrer hieher berufen, dann Hofprediger, Oberhofprediger, Kir— chenrat und für den alternden Eifenlohr in Durlach Superintendent für Karlsruhe, Mühlburg, Graben und Staffort, nach deffen Tode er 1736 auch noch die Superintendentur Durlach und Langenfteinbach erhielt. Auch der Markgräfliche Flecken Rhodt und Rippurg, jenfeits des Rheines, war ihm unterjtellt.

Ein Teil der Bejoldung Eijenlohrs wurde hieher gezogen, und Krüger, welcher auch die Aufficht über die Schulen zu führen hatte, bielt jährlich zweimal Schulprüfungen und in Durlach wöchentlich einmal Amtsfigungen, eine Art Gemeinderatsfigung unter Teilnahme mweltlicher Gemeindeglieder ab. Er jtarb 1741.

1718 wird J. Japhet Körner, Hofdiaten, dann Stadtpfarrer und Hofprediger, 1723 Kirchenrat und 1732 wegen jchlimmen Ge— rüchten, welche über den unverheirateten Kirchenrat umgingen, ſowie wegen Mifhelligkeiten mit dem Oberhofprediger Krüger nach Auggen als Pfarrer verjekt.

1731—35 iſt Markus Friedrich Schmidt, Hofprediger, 1735 wird Ernft Bhilipp Wolfgang Franz von Nöttingen Hofdiafonus, dann Hofprediger und 1738 Pfarrer in Thiengen. Dr. Joſ. Friedrich Stein, 1730 Hausfehrer in Mühlburg und Stadtvifar hier, wurde 1731 Hof- und Stadtdiakon, kam 1734 als Pfarrer nach Eichitett und 1738 wieder hierher als Kirchenrat und Hofprediger, 1751

Oberhofprediger und ſtarb den 22. September 1770. 1751 wurde Comerell Hofprediger. 1717 wird Pfarrer J. Dietrich Bohm von Hagsfeld Stadtdiakonus bier, 1724 Pfarrer Phil. Jak. Bürk— lin von Binzen, Stadtpfarrer, Rektor und Profeſſor am Gymnaſium, und 1734 Superintendent in Pforzheim.

1733 iſt Kandidat Wilh. Chrift. Deimling von Köndringen bier Stadtvikar und wird 1735 Brinzeninformator, 1736 Pfarrer Andre. Weber von Graben Hof- und Stadtdialonus, 1737 Zang- meifter fein Nachfolger. 1737 gibt Stadtvifar Joh. Friedrih Ma— ler, zugleich Hofmeifter der fürftlichen Edelknaben, täglich eine Stunde Mathematik an dem Gymnaſium. Für den Hofdienft hat er Koft und Logis, Holz, Licht und Wache bei Hof, für den mathematischen Un— terricht 50 fl. 1738 wird er Profeſſor mit 105 fl. Geld, 6 Klafter Holz, und erhält ftatt der bisherigen Hofkoſt eine Entſchädigung in Geld, 1750 wird er an Wasmuths Stelle Proreltor des Gymna— fiums mit Wohnung in demjelben, 1756 Rektor und Kirchenrat und ftarb 31. Mai 1764.

1733 entjtand bier eine Art Predigerfeminar, in der Art, daß junge Kandidaten als Hof- oder Stadtvifare hieher zu ihrer bejon- dern Ausbildung im Predigtamt berufen wurden, weßhalb dieje Bilare hier Jahr um Jahr wechſelten. Daß übrigens die geiftlichen Herren damals nicht gerade wenig zu thun hatten, erhellt daraus, daß 3. B. jchon 1715 am Sonntag vor- und nachmittags Predigt, Kinderlehre und Betjtunde, Montag, Mittwoch und Donnerftag Bet- ftunde, Samftag Veſper mit Leſen und Erklären eines Kapitels aus der Bibel, Freitag Predigt und an jedem erften Freitag, fpäter Donnerftag des Monats Buß» und Bettag, in der Charwoche jeden Tag Predigt zu halten war.

Nach einer Verordnung von 1732 jollte jede Predigt nicht über eine Stunde, der ganze Gottesdienft nicht über °/, Stunden in An- ipruch nehmen.

Die oberfte Kirchenbehörde, der Kirchenrat, bildete noch eine Abteilung des Hofratsfollegiums, welche außer dem weltlichen Präſi— denten aus einigen Hofräten und geiftlichen Räten zuſammengeſetzt war. Geiftliche Mitglieder waren gewöhnlich die Hofprediger und Stabtpfarrer, die Rektoren, oft auch Profefjoren de3 Gymnaſiums und einige auswärtige Superintendenten, wie Eifenlohr von Durlach, Bergmann und‘ Bürklin von Pforzheim u. A.

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Karl Wilhelm's Leichenpredigt hielt der vorgenannte Kirchenrat Bürklin von Pforzheim. Dieſe, ſowie alle bei dieſem Anlaß im Lande gehaltenen Leichenpredigten mußten an den Kirchenrat einge— ſandt werden. In der Lörracher Diöceſe hatte Spezialſuperintendent Hölzlin eine ſolche von achtundvierzig Quartſeiten gehalten.

1719 hatte Karl Wilhelm eine Pfarrwittwenlaſſe gegründet, aus welcher die Wittwe 15—24 fl. erhielt, durch Verbefjerung der Anftalt ftieg aber bis 1770 der Gehalt einer Wittwe auf 50 fl.

Der Beerdigungsplag der Karlsruher lag für Lutheraner und Katholiken hinter der Stadtkirche bi3 zum Landgraben, für die Re— formirten Hinter ihrer Kirche und für die Iſraeliten in der Nähe des Rüppurrerthors an der Badiſchen Landesgrenze.

Die Reformirten. Die in der Nähe, in Mühlburg, Neu- reut u. a. D. mwohnenden Reformirten lieferten ebenfalls ihren Anteil an der erjten Bevölkerung von Karlsruhe, und wenn auch ihre An- zahl gering war, jo bewirkte doch das in der reformirten Kirche weit mehr al3 in der Iutherischen lebendige und folidarifche Gemeindeleben, daß dieſelbe verhältnismäßig raſch zu einem eigentlichen Firchlichen Beitand gelangte. Die Reformirten, unter der pfarramtlichen Seel- jorge des pfälziichen veformirten Pfarrers Wernigk von Weingarten ftehend, hielten ihre Gottesdienfte anfangs wie die Lutheraner in dem berrfchaftlichen Magazin, aber jchon 1718 konnten fie in Ver— bindung mit ihren Müblburger Glaubensgenofjen an den Bau eines eigenen Gotteshaufes, zuerft in Mühlburg, und ala der Markgraf ihnen einen Bauplatz ſchenkte, in Karlsruhe denken. Eifrige Förderer der Sache waren in Mühlburg Abraham Guillot und Fr. Franske.

Sofort wurde der Karlsruher Kirchenbau beichloffen, und dadurch auch die Gründung einer eigenen kirchlichen Gemeinde ermöglicht, was um jo notwendiger erjchien, weil fie auch für die durch den eigenen Geiftlichen bejorgten kirchlichen Werrichtungen die Stolgebühren an die betreffenden Iutherifchen Geistlichen zu zahlen hatten. Die Mühl- burger Reformirten behielten fich allerdings dabei ihre Bfarrgemeinde- rechte vor, wollten alle 14 Tage bis 3 Wochen dort eine Predigt ge- halten, und alle Kafualien dort verjehen haben. Doch jcheint Letzteres nicht geſchehen zu fein, denn noch längere Zeit wurden Mühlburger Taufen in Karlsruhe gehalten.

In den Jahren 1718 19 fanden Sammlungen zum Kirchen- bau in den reformirten Kantonen der Schweiz, in England, Holland,

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Helfen und Preußen ftatt, den 28. Juli 1719 wurde ihnen durch den Markgrafen das Necht freier Neligionsübung, ſowie die freie Pfarrwahl mit landesherrlicher Betätigung zugeftanden, und der 1719 begonnene Kirchenbau auf dem Plage der jegigen Heinen Kirche wurde unter der Leitung des Baudirektors von Wölling jo raſch gefördert, daß die Kirche jchon am 5. September 1722 eingeweiht, und der erſte Gottesdienft den 21. Dezember abgehalten werden konnte.

Die ganz von Holz erbaute Kirche trug in der Mitte des Lang— hauſes ein jog. Neitertürmchen und an der Hinterfeite defelben war ein Anbau für die Sakriſtei.

Erfter Geiftlicher war ſeit 1722 Samuel Grynäus von Bafel. Seine Bejoldung bezog er, wie der von Neureut und FFriedrichsthal, aus der geiftlichen Verwaltung, da fie aber nur 97 fl. 30 Er. betrug, leifteten jchon bei dem zweiten Geiftlichen, Lukas Giekendörfer, 1723 die Schweizer 100 fl. Beitrag dazu.

Im September 1722 wurde der Kirchenvorftand gewählt; Lehrer und Vorfänger in einer Perſon angeftellt, die Furpfälzische Liturgie eingeführt, und die Mühlburger hierher eingepfarrt, wobei das bis dahin dem Pfarrer von Weingarten Bezahlte der hiefigen Pfarrei zugewendet wurde.

Noch 1727 aber bezog der Iuth. Pfarrer von Mühlburg die Stolgebühren feiner Neformirten, verlangte bei gemischten Paaren das Recht der Trauung, fowie das Recht, Kinder folder Ehen zu taufen, was aber 1734 nur auf den Bezug der Stolgebühren be» ſchränkt und 1752 ganz aufgehoben wurde.

Nach dem Tode des Erbprinzen Friedrich 1732 zog feine Wittwe Anna Charlotte Amalie, eine der reformirten Kirche angehörige naſſauiſche Prinzeifin, in die Karlaburg nach Durlach, und jo blieb auch dort der reform. Pfarrer von Karlsruhe ihr Seeljorger mit dem Titel Hofprediger und wurde jeweild im Wagen dorthin abgeholt. Doc) wird neben Gießendörfer auch Bernhard Eyben aus Bremen als Helfer und Privatjeeljorger der Fürftin genannt.

Einen Platz für das Pfarrhaus hatte ihnen der Markgraf 1725 neben der Kirche, jowie das Bauholz dazu angewiejen und ihnen auferlegt, ihn zu überbauen. Wuch dafür wurde in der Schweiz ges ſammelt, und 1726 ftand das neue hölzerne Pfarrhaus neben der Kirche, jegt 133 der Kaiferftraße fertig da. Im dem untern Stod

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war die Schule, in dem obern wohnte der Geiftliche. Hinter der Kirche lag bis zur jeßigen Zähringerftraße der Meine Gottesader, von welchem eine Reihe von Gruften, in der Kreuzftraße längs dem Weißbrod'ſchen Haufe, noch in unjern Tagen aufgededt wurden.

Der nächfte Geiftliche wurde 1728 Hieronymus Burkard, wie feine Vorgänger und jein Nachfolger von Baſel.

Die Intoleranz der Prediger beider evangelischen Konfejfionen jpielte in jener Zeit keine löbliche Rolle. Einerſeits nötigte man reformirte Männer, welche Iutherische Frauen ehelichten, fich in der Stadtlirche trauen zu laffen, ja der Stadtpfarrer Krüger erflärte jogar jolchen Paaren, er werde fie durch den Stadtfnecht in den Turm werfen laffen, wenn fie ſich durch den veformirten Geiftlichen trauen ließen, und andererfeit3 wies der reformirte Pfarrer Burfard eine Frau vom Abendmahl zurüd, weil fie einen Teil ihrer Kinder lutheriſch erziehen ließ, obwohl Karl Wilhelm durch einen Erlaß beftimmt hatte, daß bei Trauung, Taufe und Erziehung die Religion des Mannes maßgebend jei. Daß dabei übrigens auch die Rüdficht auf jeine refor- mirte Schwiegertochter mit beftimmend jein mochte, iſt wohl anzu— nehmen, obwohl wir den Markgrafen wiederholt als einen Fürften kennen lernen, welcher toleranter war, als manche feiner weltlichen und geiftlichen Räte.

Die Katholiken. In Durlach war keine katholiſche Ge— meinde. Im Jahre 1710 erhielt der dortige Regierungspräfident von Bed aus Freiburg, ein Katholik, von dem Markgrafen die Erlaubnis, in jeinem Hauje durch einen Ettlinger Kapuziner Mefje leſen zu laffen. Als nachher der Priefter Natalis Bettinardo aus Venedig, wegen der bei Hof üblichen Mufifaufführungen, nach Durlach berufen worden war, wurde ihm ein Gleiches geftattet, und zwar wurde ihm und einigen andern Katholiten eine herrichaftliche Scheuer zur Abhaltung ihrer Gottesdienfte angewieſen.

Jeweils kamen auf Oftern Ettlinger Kapuziner, um die üjter- lichen Feſte zu bejorgen, und al3 die Ettlinger fich nicht mehr für ficher hielten, traten Bruchjaler für fie ein.

Nach der Gründung von Karlsruhe wurde, wie wir wiffen, auch den Katholiten Glaubens- und Gewiſſensfreiheit und religiöje Duldung zugefichert, und ihnen ſchon im Jahr 1715 ein großer Platz für Kirche, Friedhof, Pfarr- und Schulhaus beftimmt.

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Diejer Platz lag da, wo jegt die Häufer 143 und 145 der Kai- jerftraße jtehen, und wo fpäter in der Lammftraße das Brunnenhaus erbaut wurde. Dahinter follte der Friedhof zu liegen kommen. Da aber, weil die wenigen, meiftens armen Katholiken dazu die Mittel nicht bejaßen, der Pla von ihnen vorerjt nicht überbaut wurde, bfieb er leer ftehen und wurde als herrenlos betrachtet.

Es bedurfte des feften Willens des freidentenden Fürſten, um allen Einwürfen und Bedenken zu begegnen, welche die Gewährung ungeftörter Religionsübung der Katholiten zu verhindern fuchten, obwohl es denn doch kaum verftändlich erfcheint, wenn gejchichtstundige Katholiken fich darüber entrüftet zeigen, und in der That beinahe zu viel verlangen, wenn fie von Brotejtanten befondere Toleranz bean- ipruchen, in deren Erinnerung die blutigen Verfolgungen der Pro- teftanten in Frankreich, in Salzburg, in der nahen Pfalz noch Tebten, unter deren Augen gleichſam die graufame Unterdrüdung derjelben in Ungarn, in Defterreich, in Polen ftattfand, in einer Zeit, in welcher die raftloje Thätigkeit der Jeſuiten in allen Schichten der Bevölkerung, vorzüglich auch an den Fürftenhöfen fich fühlbar machte, und an gar manchen derjelben nicht ohne Erfolg.

Und dennoch Tieß fich der badijche Markgraf, in deſſen nächiter Nähe, in Baden, Ettlingen und Bruchjal jene erbitterten und unver- jöhnlichen Feinde der evangelifchen Kirche, die Jefuiten, ihre Thätig- feit entfalteten, in feinen bei der Gründung der Stadt ausgefprochenen Grundfägen religiöfer Duldung gegen alle chriftlichen Konfeffionen nicht irre machen.

Sand er doch an feinem eigenen Hofe, unter den geiftlichen und weltlichen Dienern feiner Regierung, nicht nur bei den ftreng ortbo- doren Kirchenmännern, einem Hölzlin, Eifenlohr u. A., jondern auch bei den in böchften weltlichen Würden ftehenden Regierungsbeamten wie dem Kirchenratsdireftor von der Gloden, dem Geheimrat Stadel- mann, dem Hofrat Dreyipring, dem Hofrat Hch. Wilh. Maler, ent- Ichiedene Gegner feiner Anfichten.

1718 hatte der Markgraf den Katholiten, an deren Spike die beiden von Durlach mit berübergefommenen Italiener Natalis Betti- nardo und Philipp Scandalibene jtanden, ein Bethaus an der Ede des Zirkels und der Lammftraße, jebt 23 des Zirkels, angewiejen. Die beiden Vorgenannten reichten aber 1719 eine Bittjchrift ein, worin fie um eine nach ihrem Plan gebaute Kirche mit einem ge-

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weihten Friedhof baten, ferner um das Recht, darin regelmäßigen öffentlichen Gottesdienft mit Glodengeläute halten, Beerdigungen und Taufen vornehmen, die Sterbjaframente öffentlich zu Kranken tragen, Prozeſſionen mit Kreuz und Fahnen, Glodenläuten und Gejang ab- halten, und ein Heine Kapuzinerklöfterlein hier gründen zu dürfen. Auch baten fie um Fruchtbeſoldung, Holz und Tiſchwein für ihre künftigen Geiftlichen.

Daß diefe Forderungen bei ihren Widerjachern böjes Blut machten, läßt fich denken. So ſprach ich 1719 Geheimrat Stadel- mann gegen jede freie Neligionsübung der Katholiken u. A. aus dem Grunde aus, weil dann der Fürſt für feine katholiſchen Unterthanen und deren Klerifei, die ja einen andern Herrn hätten, nicht mehr der Herr in feinem eigenen Zande fein würde, und ebenjo erflärte die lutheriſche Kirchenbehörde, fie hoffe, der Markgraf werde die dadurch drohende Gefahr abwenden. Dabei wiefen fie auf die Gefchichte Deutfchlands und Badens bin, es ſeien auch ohnedies die meiften leeren Plätze in der Stadt fchon vergeben, und überhaupt fei ja nur ihre, die lutheriſche Kirche die alleinjeligmachende !

Die Katholiten erlangten nun zwar nicht, was fie verlangten, aber fie bielten in dem ihnen von dem Markgrafen angemwiefenen Haufe, in welchen auch der 1721 zum Priefter geweihte Bettinardo wohnte, ihren Gottesdienft und durften darin Taufen vornehmen, jedoch vorbehaltlich des jus stolae, des Gebührenrechtes für die evangelijchen Geiftlichen.

Den fonntäglichen Gottesdienft beforgten zwei Bruchjaler Kapu⸗ ziner, welche zu Fuß hierher wanderten und bei den Glaubensange- börigen umaßen. Daher wurde jchon jehr bald der Vorfchlag ge- macht, einen ftändig bier wohnenden Kapuzinerpater von Baden vder einen Sefuiten aus der Nähe, aus Bulach oder Darland kommen zu laſſen.

Ueber die damaligen Tirchlichen Verhältniſſe der Katholiken, fo- wie über ihre Beziehungen zum Hofe, gibt uns ein, im Original vorhandener, Brief des Kapuzinerbruders Apollonius in Karlsruhe an den Kapuzinerpräjes in Bruchſal eingehenden Aufichluß. Der- jelbe jchreibt:

1. Haben die Katholischen eine Kirche zu Karlsruhe, mitten in der Stadt, in welcher alle Sonn- und Feiertage heil. Mefje geleien, und alle 14 Tage mit großem Zulauf des Volkes Meß, Predigt

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und Nachmittag die chriftlich Lehr jambt dem Gebet contra pestem gehalten wird. In der Kirch ift ein Altar mit 6 Kerzen und zwei Wandleuchtern mit weißen Kerzen, eine Kanzel, Beichtftuhl und Kommunikantenbant, fieben verjchloffene Stühle ꝛc. Oben auf der Kirch ift eine Wohnung von 6 Zimmern und einer Küche und Speicher, dabei Hof und Garten. Diejes Haus haben Ihro Hochfürftliche Durchlaucht der Herr Markgraf bauen laßen vor die Katholifen, um ihr Religiousegercitium darin halten zu können, welches Haus aber dennoch ihm proprie gehört.“

„Bißher haben wir in völliger Ruhe unfern Gottesdienst jeber- zeit verrichtet. Zu diefem Ziel und Endt hat der Herr Markgraf ein Plafat an unjere Kirchenthür anfchlagen Taken, des inhalts, daß, wofern einiger, jowohl bei Tag als bei Nacht einen Tumult oder Injolenz in diefer Gegend follte anheben, die Nachtwarte verpflichtet jeien, einen ſolchen Tumultuanten todt oder Tebendig nach, Hof zu liefern.“

„Wir haben auch die Erlaubniß, in Karlsruhe, Durlach, Mühl- burg und Krankenhaus (Gutleuthaus) zwischen Durlach und Größingen allen katholischen Kranken ihre Beichte abzuhören, das viaticum und extremam Unctionem (Abendmahl und legte Delung) zu geben, ohne Verhinderung, jowohl der weltlichen, auch ihrer geiftlichen Obrig- keit. Es bat jich die Zahl der Kommunikanten pro Paschale (Oſtern) auf 500 erftredt.“ -

„2. Wie aber künftighin, wenn R. D. Natalis Bettinardo follte abmarjchiren, ergehen wird, ob nemlich die Katholijchen in ihrem Religionserercitio darnach frei und ruhig verbleiben werden, hierauf kann ich feine andere Relation thun, al3 ex scriptis desuper datis a Consilio intimo (aus den Berichten de3 Geheimrats), in welchen bie jämmtlichen Geheimräthe ihre Refolution gegeben, daß Ihro Durchlaucht, der Markgraf obligirt jeye, den Katholischen ihr Re— ligiongerercitium zu geftatten. Nebſt defjen hat er, als das Haus- bauen zu Karlsruhe angefangen, hin und wieder jchreiben lafjen, daß diejenige, welche diefe bauen würden, follten 20 Jahre Freiheit und ihr Neligionserercitium haben. Stantibus hisce, gleich wie denn die Katholischen de facto ihren Gottesdienst ohngehindert verrichten, und bishero ruhig verrichtet haben, alſo kann man ihnen auch nach Ubreife de3 Herrn Natal folches nicht verfagen, welches auch vor ohngefähr 6 Wochen obgemelter Herr Natal dem Erbprinzen de—

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monftrirt, daß nemlich die Zulaffung des Gottesdienftes nunmehro nit mehr ein gratia jondern Obligation ſeye ex parte Serenissimi.“

„3 Iſt uns ein Plaß afjigniret neben der lutheriſchen vor eine katholische Kirch und Kirchhof, auf welchem Plak zwar von Seiten der Katholischen noch nit angefangen worden zu bauen, beynebens ift doch verbotten, von feinem Andern ein Haus auf diejen Platz zu jeßen.“

„4 Was anbelangt den durchl. Prinzen Chriſtoph, fo weiß ich nichts anderft, ala daß er jeine Gemahlin nit bey fich zu Karls» rube babe, jondern dieje mit ihren drey ex legitimo thoro gezeug- ten Prinzen fich zu Durlach in dem Schloß aufhalte.“

„Unterdeffen geht er wenig im die lutherijche Kirch, es jeye denn, daß er es thun müße, ex respectu aliorum (aus NRüdficht auf Andere). Ich Hab die Zeit her bei gewiſſen glaubwürdigen Per— jonen vernommen, daß obgedachter Prinz intentionirt jeye, unjere Religion anzunehmen, wie er ſich dann auch dem Herrn Natali deflariret. Dies beftätigen auch viele andere, fich zutragende Umb- ftände, er hat eine Perſon mit Namen Charlotte bei ſich, mit ihrer Mutter und Schmwefter, beynebens hört man doch nichts fonften Aergerlichs von ihm, als wie gemeldet, daß er dieſe Berjon in feinem Logement habe. Ob er aber dieje Perſon werde verlafjen und feine Gemahlin wiederum annehmen, wann er die katholiſche Religion an- nimbt, zweifle ich nicht daran.“

„d. Bon dem regierenden Heren Markgrafen muß ich dieſes rühmen, daß er jederzeit fich affectionirt gegen die Katholijche, ja affectionirter ala gegen die Lutheraner gezeigt habe, bejonders aber beweifet er dem katholiſchen Priefter großen Reſpekt, er ſeye auch wer er wolle, welches ich al3 ein armer, unwürdiger Kapuziner mir in der That widerfahren zu fein atteftiren kann.“

„6. Es hat fich zugetragen ohnlängft vor dem Herbſt, daß die Prädilanten von Durlach fich zu Ihro fürftl. Durchlaucht auf Karla- ruhe begaben, und umb ein Geldfteuer vor den Kirchenturm allda größer zu machen, angehalten, welche Bitt er aber ihnen gäntzlich abgeichlagen, und nicht das Geringfte dazu gegeben, als aber Herr D. Natali, jobald Ihro Durchlaucht von Bafel wiederum zu Carol3- ruh angelangt, auch vorgeftellt, daß e3 vonndthen wäre, unfere Kirche, wie auch das Haus zu repariren, aljogleih wurde dem Baumeifter anbefohlen, jolche Reparation vor fich zu nehmen, welche dann vor

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4 Wochen geendigt und Alles wiederum zum guten Stand gebracht worden, welches aber bey 100 Reichsthl. dem Herrn Markgrafen loſtet.“ ꝛc.

Nicht minder belehrend für die Verhältniſſe, ſowie auch darüber, daß die weltlichen und geiſtlichen Räte des Markgrafen nicht ſo ganz im Unrecht waren, wenn ſie ihn vor den Bekehrungsverſuchen der römiſchen Prieſter warnten, iſt das weitere, ebenfalls in dem Landes⸗ archiv vorhandene Driginalaktenſtüch, welches ein in Bruchſal am 10. Dezember 1721 vorgekommenes Geſpräch zwiſchen Bettinardo und dem Kapuzinerpräſes wiedergibt, und zwar in dem, von dem Präſes ſofort nachher niedergeſchriebenen Bericht.

Der Präſes ſtellt Fragen, der Prieſter beantwortet ſie. Wir geben aus den gegebenen Antworten und Aufſchlüſſen hier das Wejent- lichfte wieder.

Das Bethaus der Katholiken fer denjelben und zwar aus Rüde. fiht auf ihn, Bettinardo und auf Scandalibene zur Benutzung, jedoch nicht zu eigen, überlafjen.

Auf die Frage, ob der Erbprinz den Katholischen gewogen jei, antwortete Bettinardo, dies fei durchaus nicht der Fall, weilen ihm das Iutherifche Gift durch zween Erzlutheraner gar zu viel ſei ein- gegoßen worden, fo daß ein Befleres, oder nur Gleiches in puncto religionis nicht zu hoffen fei.

Der Markgraf habe nur einen Bruder, den Prinzen Chriftoffel ( 1723), und dieſer fcheine ganz auf katholischer Seite zu ftehen, er ſei verheirathet mit einer Prinzeffin von Leiningen, die aber von ihm getrennt lebe. Auf die Frage, warum gerade fo viele proteftan- tiſche Fürften in folchen Verhältniſſen Iebten, berichtet Bettinardo, der Markgraf Chriftoph habe ihm im Vertrauen mitgeteilt, daß er nur geheiratet auf Drängen feiner Mutter, damit, wenn der Marl- graf Karl Wilhelm ohne Erben ftürbe, die Markgrafichaft nicht in Yatholifche Hände (Baden-Baden) käme.

So habe er Kinder befommen, weil aber feine Umftände, als die eine nachgeborenen Prinzen der Art feien, daß er kaum injtande jei, characterem principis an ſich und fo zahlreicher Nachkommen⸗ ichaft zu ſouteniren, jo babe er fich von jeiner Gemahlin getrennt. Etwaige illegitime Kinder ließen fich an einer Fahne und dergleichen Militärchargen genügen, brauchten auch keine Länder zu ihrem Unter- halt, jondern nur 5—6 Fuß Erbenraum zu ihrem Grabe. Wenn er,

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meinte Prinz Chriftoph, katholiſch wäre, würde er vielleicht auf ſolche Gedanken und Lebensart nie verfallen fein, wohl wifjend, daß Ta- tholifche junge Prinzen mit geiftlichen Pfründen und Würden leicht verjehen würden, und demnach in der Lage blieben, fich in fürftlichem Stand zu erhalten.

Derjelbe, fährt Bettinardo fort, habe fich aber fchon vor dem Tode Markgraf Friedrichs, feines Vaters, merklich gebefjert, und ſei dort ſchon entjchloffen geweſen, fich zur katholischen Religion zu be- kennen, und daß dies nicht unter dem Prinzen Eugen von Savoyen, unter welchem Chriſtoph diente, geſchah, daran ſei Chriſtophs Bru- der, der Markgraf, ſchuld.“

Ob dieſes Bekehrungswerk gelungen wäre, wenn Markgraf Chriftoph nicht 1723, aljo 2 Jahre nach diejer Unterredung, das Beitliche gejegnet hätte, können wir nicht enticheiden, aus Allem aber, was wir bisher gejehen, geht hervor, daß dieſer Bettinardo ein ge- wandter, Huger Mann war, der fich auch bei Hof beliebt zu machen wußte, aller Wahrjcheinlichkeit nach, einer jener geheimen Sendlinge des Jeſuitenordens, deſſen Thätigkeit damals vielfach auf die Belkeh— rung der Fürften gerichtet war.

So duldſam und wohlwollend aber unjer Markgraf auch gegen Andersgläubige war, für folche Verjuchungen war er nicht zugänglich. 1721 erjchien ſogar eine Verordnung von ihm, welche den Katholiten alles Umberlaufen in den Straßen und allen Wirtshausbejuch während des lutherischen Frühgottesdienftes verbot, und ihnen befahl, ihren Gottesdienſt zu gleicher Zeit mit den Lutheranern zu halten, auch ftrenge Rechnung über ihre Almoſen abzulegen.

Obwohl die Markgräfin Sibylle Auguſte von Baden, die Witte des berühmten Neichafeldheren Ludwig von Baden, für den Bau einer katholiſchen Kirche auf dem ihnen zuerft angewieſenen Platz 1000 fl., der Kurfürjt von der Pfalz und Kardinal Rohan jeder 5000 Fl. in Ausficht geftellt hatten, kam jener Bau nicht zuſtande. Der Gottesdienft wurde auch ferner in dem untern Raume des Ed- hauſes der Lammftraße abgehalten, und zwar durch von auswärts, von Bruchjal ber kommende Kapuziner. 1729 kamen nun die Katho- liten, Scandalibene an ihrer Spige, um die Erlaubnis ein, zwei Kapuzinerpatres und einen Bruder ftändig bier behalten, und denjelben den zweiten Stod des Gotteshaufes als Wohnung zumeifen zu dürfen. Der Markgraf gab dazu jeine Einwilligung, ließ die Kirche vrdent-

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(ich herſtellen, räumte den beiden Kapuzinern eine große Stube mit Kammer zur Wohnung ein und gab ihnen Matrazen, Deden und Brennholz. Im September 1730 zogen fie ein. In den übrigen Näumen diejes früher von Bettinardo und Scandalibene bewohnten Stockwerkes gab der Markgraf einer katholiichen Familie Wohnung, von welcher die Kapuziner verköftigt wurden.

Doh ohne Wahrung jeiner landesherrlichen Rechte gab der Markgraf diefe VBergünftigungen nicht. Die Kapuziner mußten viel- mehr jeweils bei Funktionen außerhalb der Kirche, namentlich Kranten- bejuchen, folgenden Never! vor dem betreffenden evangelijchen Geift- lichen unterzeichnen :

„Sch befenne hiermit, demnach ih von N. N. erbeten worden, daß ich jeinen zu N. N. liegenden Kranken mit geiſtlichem Zuſpruch und denen beil. Sakramenten, römiſch-katholiſchen Glaubens nach ver- jehen möge, dab ich die von des Herrn Markgrafen zu Baden-Dur- (ah, Hochfürſtl. Durchlaucht, als des Landes Obrigkeit zu jolcher VBerrichtung gnädigſt gegebene Erlaubnis mit unterthänigem Dant erfenne und preije, jolche auch im feinen Mißbrauch zu zieben, noch weiter al3 obverineldt, auszudenten, viel weniger vor mich oder meine Glaubensgenofjen einig Hecht zu machen gedenfe, jondern mich, daß mir jolches aus freier und ungebundener Willkür und zu allen Zeiten widerruflicher landesfürjtlicher Gnade erlaubet worden, allezeit wohl erinnern werde, immaßen ich jolches hiermit wohlbedacht und verbindlich zujage und verjpreche, darüber auch diejen Revers, eigen- bändig unterjchrieben, von mir gejtellet babe.

L. S. N. N.“

Sie durften anfangs auf der Hardt terminiren, d. h. Almoſen ſammeln, was ihnen aber 1739 unterjagt wurde.

Die Kirchenvorfteber waren 1730 Pietro Scotto, Vincenz Mes lazzo, Franz Maſſimo und J. David Herrgans.

1736 kommt das biefige Kapuzinerhoſpiz von der rheiniſchen zur vorderöftreichijchen Ordensprovinz.

Schon 1737 fingen die Kapuziner an, die Austellung des oben mitgeteilten Reverſes zu umgeben, die lutheriſchen Geiftlichen beffagten ſich darüber, und es erfolgte eine weitere Beſtimmung, wonach fie ohne amtliche Erlaubnis nicht auswärts das Abendmahl jpenden jollten. 1738 bielt Pater Adrian auf die Bitte der Katholiken, um den Gehalt für einen Lehrer zu eriparen, den Schulunterricht, 1739

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erhielt die Kirche durch einen Gönner ein Stüd vom Kreuz Chriſti als Reliquie, welches zur Verehrung für die Gemeinde ausgeftellt wurde, 1740 wurde dem Pater Kapuziner durch das Oberamt ein Gebet auf den Tod des Katjers zum Verleſen zugeftellt, er weist es aber zurüd mit der Erklärung, er nehme von einer andern Religion fein Gebet an und könne eim jolches jelbjt aufjeßen.

Schließlich haben wir noch auf den, urjprünglich zum Kirchen— bau angemwiejenen Platz in der Lammſtraße und langen Straße zu: rückzukommen.

Bis 1729 hatten ihn die beiden Italiener, venetianiſche Geiſtliche werden ſie genannt, als Feld benutzt, als aber in dieſem Jahr die Kapuziner kamen, welche nach ihrer Ordensregel von Almoſen leben ſollten, blieb er unbenutzt

1734, während der Abweſenheit des Markgrafen in Baſel, er— baute Baumeiſter Arnold, wie er es ſchon früher zum Teil eigen— mächtig gethan hatte, noch ein Haus auf einen Teil des Platzes.

Der Markgraf, als er zurückkam, erklärte zwar das Haus für gejtoblen und befahl, e3 zuzumanern, aber Arnold fand doch wieder Gnade umd erhielt für jein Hans ein anderes in der Waldſtraße, während der Markgraf das Arnold'ſche an jich zug und einer Hof- jängerin zum Geſchenk machte. Dieje bewohnte es mit dem Hoffavalier Langwertd von Simmern, mußte aber mit diejem 1748 die Stadt verlaffen. Hierauf kaufte es der Hojoperateur Lift, und 1753 von diejem für 2800 fl. der Sohn des Geheimrates Wielandt, welcher ſchon das anſtoßende Haus bejaß.

Auf den Teil des Platzes, welcher die Breite der Lammſtraße zwijchen dem jpätern Mallebrein’jchen und Haber’ichen Hauje ein- nahm, kam etwa 1739 das Brunnenhaus zu jtehen.

9. Bildungsanflalten.

Die Volksſchule. In der Mitte des 16. Jahrhunderts be— gegnen uns die erſten deutjchen Voltsichulen im heutigen Sinne. In unjerm Baden, wie anderwärts, winde die Schule eine Hilfsanftalt der Kirche und daber auch volljtändig der Kirche untergeordnet.

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Der Geiftliche unterrichtete in dem Katechismus, der Grundlage und dem Mittelpunkt des gefammten Unterrichts, zumeilen mußte auch der Meßner helfend eintreten, Konnte aber oft das zu Lernende den Schülern nur vorjprechen, weil weder er noch jene leſen konnten. *) Weil aber die Meßnerpfründe vorher ein fejtes, wenn auch geringes Einkommen hatte, jo wurde mit der Zeit der Schullehrer, wo ein jolher vorhanden war, zugleich Meßner. Wo auf dem Lande die Einwohnerzahl zu Hein war, gab es überhaupt feine Lehrer, und Pfarrer und Meßner hatten, jo gut es eben ging, den Unterricht zu erteilen. Der Gehalt des Lehrers war ein geringer, bejtand, außer dem Schulgeld, in zugeteilten Grundjtüden, Almendgenuß, Natural- bejoldung, Zehnten und andern Heinen Nußungen, er war wacht- und frondfrei, wie die Kirchendiener, doch auch diejes nur im Winter, weil er nur in diefem, vom 1. November bis 23. April Schule zu halten hatte.

1556 erhielten die Bürgerjöhne in Durlach außer der Religion auch ſchon Unterweifung im Leſen und Schreiben, wie dies auch in der Pfalz und in Würtemberg der Fall war, die Mädchen waren meift ganz ohne Unterricht.

Die Lehrer mußten aus Mangel an Inländern nicht jelten weit ber geholt werden.

Allem Anschein nach ging aber gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Unterricht der Volksſchulen wieder zurüd, nur die befjern Schüler fonnten nach einer Nachricht von 1615 jchreiben, in manchen Ge— meinden verjtanden nur der Meßner und wenige Bürger das Lejen und Schreiben, der Schulmeifter mußte, weil feine Schulhäujer da waren, in der eigenen Wohnftube unterrichten, wie befanntlich der berühmte Kepler in der Stube de3 Schulmeifters in Elmendingen 1580 jeinen erften Unterricht genoß.

Der dreißigjährige Krieg zeritörte das Wenige, was noch von der Schule da war. In der Diöcefe Durlach waren 1639 nur noch zwei Pfarrer, die Schulen waren allenthalben eingegangen, die Be— joldungen ausgeblieben, Entvölferung, Armut, Verwilderung berrjchte im Lande. 1658 konnte fein Bürger in Rüppurr und Berghaufen (efen und jchreiben, und deßhalb mußte der Schagungseinnehmer Schule halten. Die nachfolgenden Kriege mit Frankreich legten die Schul«

*) Beitfchrift zur Geichichte des Oberrhein 2, 129 ff.

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bäufer, wo jolche waren, in Aſche, der noch freigegebene Schulbejuch war jpärlich.

Zwar erjchten 1682 eine Verordnung, welche wieder Schul- vifitationen befahl, und dabei dem Lehrer eine Diät von 20 fr. auswarf, aber das Schulgeld, welches in einzelnen Orten wöchentlich 6 fr. betrug, war in den FFilialorten nebft dem Wandertifch oft die einzige Bejoldung des armen Schulmeiſters. Daher war das Schul- halten, auch in größern Orten, oft nur ein Nebengejchäft des Lehrers, welcher, um leben zu können, irgend eine andere Hantirung babei trieb. So z0g der Schulmeifter von Größingen, das die befte Schul« ftelle im Unterland war, Namens Nikolaus Sachs, auf den Jahr- märften umber, um jeine Sädferwaren zu verkaufen, verjoff Alles und verjäumte die Schule, der von Berghaufen mar ein Buchbinder, aber ein jchlechter, und dazu ein Trinter, in Hagsfeld bielt ein Bauer in feinem Haus Schule, in Rüppurr und Wolfartömweier, wo die Herrfchaft nur 2 Malter Korn und die Gemeinde wenig Weiteres gab, Konnte man nur einen Ortsangehörigen zum Schulhalten be- fommen, in Müblburg, 1699 noch Filial von Knielingen, war der Zoller Schullehrer, ging aber mit den Fuhrleuten in's Wirtshaus, ftatt Schule zu halten, ebenjo war auch in Staffort der pfälzifche Boller Schulmeifter. An andern Orten waren fie Schneider, Schub- macher, Tuchjcheerer, Hofenftrider, Strumpfitrider, Schreiner, Säger, Dreher, Kürjchner, Bäder, Forftnechte, Chirurgen.

Wo keine regelmäßige, zum Teil vom Staat gegebene Bejoldung vorhanden war, juchte der Pfarrer taugliche Subjekte aus und ftellte fie dann, nach Zuftimmung der Gemeinde und eingeholter Genehmigung des Spezial und Oberamtmanns, der Gemeinde vor, wo aber eine jolche Bejoldung war, erfolgte ſchon vor 1700 die Anftellung durch die Kirchenbehörde. Die Viſitation geſchah anläßlich der Kirchen» vifitation, was noch zu unſerer Zeit der Fall war.

Seit dem Beginn de3 18. Jahrhunderts wurden nad) und nad), wo nicht Bürger mit eigenem Haufe Lehrer waren, Schulhäufer ge- baut, die Schulen vermehrt, die Lehrer mit ftändigen Dotationen aus Staatö-, Gemeinde- und Kirchenmitteln bejoldet, das Schulgeld auf dem Lande auf 10—20 fr. vierteljährlich feſtgeſezt. Doch murde um 1700 auch in dem jegigen Amt Karlsruhe noch meiftens nur im Winter unterrichtet, da im Sommer nur wenige Schüler die Schule bejuchten, weil immer noch fein Schulzwang beitand.

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Da für die Vorbildung der Lehrer noch feine Seminarien vor: handen waren, jo traten die Schulfandidaten meiſtens bei ältern Lehrern als Präparanden ein, wo fie Unterricht in den damals nötigen Kenntniffen erhielten, und insbejondere auch im Choraljingen geübt wurden, weil erjt im Anfang des 18. Jahrhunderts Orgeln auffamen, und daher der Lehrer den Vorſängerdienſt in der Kirche zu bejorgen hatte.

Immer war aber auch jeßt der Unterricht ein jehr notdürftiger, Leſen, Schreiben, Katechismus, Choralfingen, und jeit 1700 auch Rechnen waren die einzigen Lehrgegenftände, und es ift zweifelhaft, ob man in der Schule damals jchon Gefchriebenes leſen konnte. Auf dem Lande blieb auch jet noch, außer dem Geistlichen, der Lehrer der Einzige, welcher des Schreibens hinreichend kundig war, jo daß er in der Gemeinde Alles zu jchreiben befam und im der Negel auch Gemeindejchreiber, Ratſchreiber war.

Sehr bejcheiden war noch immer ihre Bejoldung. So hatte der Lehrer in Knielingen 1705 11 fl. Geld, 8 Malter Korn, 10 ft. Meßnergehalt, Allmendgenuß, Holz und Schulgeld, der in Rüppurr 5 Malter Korn, eine Allmendwieje für die Mehnerei, Holz und Schulgeld. Dagegen fehlte es ihnen keineswegs an Arbeit, denn der Wochendienit des Lehrers von Graben weist folgende Arbeiten auf: Sonntag vormittags zweimal läuten, tm der Kirche fingen, nachmit- tag3 in der Kinderlehre die Kleinen Kinder in die Sakriſtei nehmen, und fie ein Hauptſtück des Katechismus berjagen laſſen, Montag vor- mittags in die Betſtunde länten und darin fingen, nach dem Gottes— dienft den Katechismus abbören, nachmittags jchreiben und lejen laſſen, Dienftag vormittags und nachmittags Schule, Mittwoch in die Betjtunde läuten, darin fingen und dann Schule halten, Donnerjtag wie Mon— tag, Freitag dreimal in die Betjtunde läuten u. j. w. wie Montag, Samftag vormittags Schule, nachmittags dreimal läuten und fingen.

Nur die fürjtlihe Nefidenz Durlach, zugleich jeit über 100 Jahren der Sit einer blühenden Gelebrtenjchule, hatte feit mehr als 150 Jahren ein für die Zeit ziemlich wohlgeordnetes Volksſchulweſen, obwohl die ftädtiiche Schulordnung von 1536 noch jebr ſchwache Anforderungen an den Schulmeifter ftellt. Doch jtand dort jeit 1666 ein zwedmäßig eingerichtetes Gebäude für die Volksſchule, Knaben und Mädchen erhielten getrennt Unterricht, und es waren jogar

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Mädchenlehrerinnen angejtellt. Aber der große Brand von 1689 änderte auch hier wieder Vieles zum Schlimmen.

1693 wurde ein Wachtmeifter al3 Lehrer für Knaben und Mädchen angenommen, und der Befund der 1694 abgehaltenen Prüfung lautete: „den Katechismus können 3 Knaben und? 5 Mädchen, die drei Hauptjtüde 3 Mädchen, die übrigen Knaben und Mädchen haben den Heinen Katechismus ziemlich im Gedächtnis, die fieben Buß— pſalmen jind gelernt, die biblischen Sprüche bis Art. 15 gut, die Handichriften find gut. Die Kleinen haben auch unterjchiedliche Heine Gebete gelernt.“

1702 wurde ein nened Schulhaus auf der Brandſtätte des alten erbaut, aber das Schulwejen wollte und konnte dennoch nicht recht wieder aufblühen. Wegen Holzmangel mußte öfter die Schule ge— jchloffen werden.

1706 wurde wieder Knaben und Mädchenichule getrennt. So war der Zuſtand der Volksſchule in Durlach, und auf jolcher Grund: (age wurde vorerit in Karlsruhe fortgebaut, doch entfaltet fich hier jeit 1717 ein regeres Leben auch in der Schule.

Allerdings mußte die Schule anfangs, wie die Kirche, in ge- mietetem Lofale fich begnügen, bis fie ein neues Schulhaus neben der Kirche erhielt, und es erjcheint daher in den erjten Stadtrech- nungen ein Schulhauszins, bis 1731 das nene Schulhaus fertig gejtellt war.

1717 war 3%. Mich. Simon als erjter Lehrer mit dem Schul- geld als Gehalt bier angejtellt, und als derjelbe den Markgrafen um ein Logis und das Heine Koftgeld bat, wurde ihm die Schufjtelle mit 20 fl. Geld, 3 Malter Roggen und 5 Malter Dinkel übertragen. Nachdem derjelbe 1718 nach Tegernau verjeßt worden war, erhielt 3. Sg. Wunderlich, gewejener Hautboift bei dem Durlacher Kreisregiment, für furze Zeit jeine Stelle. Auf diejen folgte ſchon 1719 der Schul- meister von Niederotterbach im Sponheimischen, Joh. Georg Glud als Karlsruher Schulmeifter, und als Gluck 1721 Mädchenlehrer in Durlach geworden, wurde der Schulmeifter von Springen, ob. Eyermann, jein Nachfolger. Nach defjen Verjegung nach Mealter- dingen verjah der Meßner Sendt jeinen Dienft, bis 1722 Joh. Ruff von Weingarten die Stelle übernahm. Aber auch diejer fam 1725 fort nach Theningen, auf ihn folgte 1725 Job. Wilh. Fiedler von Bothnang im Würtembergijchen, und deſſen Nachfolger wurde 1727

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oh. Martin Glaſer von Grötzingen mit einer von Grögingen mit gebrachten Zulage. Die damalige Bejoldung des Lehrers betrug 20 fl. Geld, 3 Malter Roggen, 5 Malter Dinkel, 5 Ohm Wein zu 3 fl., der Meßner bezog 20 fl. Geld, 1 Malter 1 Simri Roggen, 1 Malter 2 Simri 2 Viertel Dinkel, 3 Ohm 5 ®. 1 Maß Wein.

Beim Todesfalle bes Lehrers erhielten die Hinterbliebenen bereits das Wittwenquartal, wonach alfo die ökonomiſchen Verhältniffe der Lehrer einigermaßen geregelt waren, und im Jahr 1725 wird rühmend erwähnt, daß ſchon 5 neue Pfarr: und Schulhäufer bier feien, jo daß auch der Schullehrer feine Dienftwohnung hatte.

In Klein-Karlarube bildete fich bald nach der Gründung eine eigene Schule. Die Errichtung diefer Schule war auch dekhalb geftattet worden, weil die Kinder von Klein-Karlsruhe wegen ihrer fchlechten Kleidung fich jchämten, die Stadtichule zu bejuchen. Um diefe Stelle meldete ſich 1724 ein Bewerber, deſſen Bittjchrift mir bier wörtlich folgen laſſen:

„Durchlaichifter Marggraff, Gnädigfter Fürft undt Herr.

Euer Hochfürſtliche Durchl. Wollen mir die hohe Gnadte thun undt Erlauben daß ich in Heinem Karlsruh dörffte Schull Maifter fein, zu Mablen da albereit3 auf Viehlfäldiges undt in Ständiges Begehren Biehler Elltern Ihre Kinder der Geſtaldten fleikig in Buch- ftabihren, leßen, fchreiben, Rechnen undt chriftlich informire, daß Sie damit Weit mehr vergnügt jeyn, alß wann fies ander Orth lange hätten in die Schull geben laßen, auch Bekandt, dak die teijche Schull mit Buben undt Maidlin ſehr angehaufft ift undt Ich alßo dadurch faft keinen Intrag thue Verhoffe es werdten Euer Hoch— fürftliche Durchlaucht defto mehr mein Unterthänigftes geſuch gnädigſt accordiren, Weillen ich nicht gedenthe Eine Bejolgung zu fordern. Soll ich aber die hohe Gnadt erhalten, daß ich frohnfrey Wehre, Köndte Sodann in informiren defto ungehindert ab Wartten. Gnädigjter Erhörr mich getröftend bin mit aller Unterthänigjter

Euer Hochfürſtl. Durchl. Unterthänigſter Getreyſter Knecht Joh. Davidt Staiger.

Auf die Eingabe lautet des Markgrafen Antwort: „wird abge— wieſen, weil er nicht recht leſen, den Katechismus nicht einmal herbeten kann und ein Lump iſt.“

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1728 iſt Chriſt. Elwert Schulmeifter in Klein-Karlsruhe, hat feine Befoldung, ala das Schulgeld ohne Schulzwang und unterrichtet in eigener Wohnung. Der vorhergehende Schulmeifter war geftorben, und Elwert, welcher auf eigene Gefahr hin, proprio ausu gefommen war, war von dem Oberamt hier belafjen worden. Ihm folgte Bh. Lorenz Kaft, welcher in gemietetem Hauje unterrichtete.

Die Reformirten hatten 1722 einen Lehrer Namens Joh. Grüneijen für ihre Kinder angenommen, nachdem aber der Baudiref- tor von Wölling denjelben nicht mehr unterftügte, Hagte Grüneijen, er müſſe erfrieren und verhungern, und bat um Unterftügung des Markgrafen.

1726 war 9. Dav. Nenaud reformirter Lehrer bier, und nad ihm Gaufret, welchem 6 Klafter Holz von dem Markgrafen ange- wiejen wurden.

Die Katholiten hatten von Anfang an feinen eigenen Lehrer- Die Kinder befuchten daher 20 Jahre lang die evangeliiche Schule.

Erſt 1736 kam, durch die Bemühung des Pater3 Evariftus ver- anlakt, ein junger Mensch hierher, welcher im Lejen, Schreiben und Rechnen unterrichtete, bei den Katholischen Gemeindegliedern das Um— eſſen hatte, und für melchen jährlich kollektirt wurde.

Das Gymnaſium. Das 1586 durch Markgraf Ernſt er- öffnete Gymnaſium in Durlach war durch die Markgrafen Ernſt esriedrich und Georg Friedrich bis zum Anfang des dreikigjährigen Krieges unter dem Namen Ernestinum eine vielbejuchte, blühende Anftalt geworden. An derjelben Tehrten im fünf Klaffen ein Rektor und fünf Lehrer. Die Oberaufficht von Seiten des Staat? und der Kirche führte der Ephorus, gewöhnlich ein höherer Klirchenbeamter. Mit dem Gymnaſium verbunden war ein Konvilt von anfangs 12, dann 1614 jogar 40, vorzugsweije Theologie ftudirenden Stipendiaten. In dem gleichen Jahre erhielt die Anftalt eine jechste Klaſſe. Die Zöglinge derjelben wurden zum Bejuch der Hochſchule vorbereitet, die Theologen zuweilen fogar unmittelbar für ihren Beruf. |

Aber jchon die erjten Jahre des Krieges nötigten, nach der 1622 verlorenen Schlacht bei Wimpfen, Lehrer und Einwohner zur Flucht vor den in's Land gerüdten Deftreichern, Spaniern und Baiern, und obwohl nach dem fiegreichen Vordringen der Schweden die Ge— flüchteten zurücdtehrten, und die Schule wieder ihre gewohnte Thätig-

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feit entfalten fonnte, brachte doch die 1634 verlorene Nördlinger Schlacht neues und größeres Unheil. Einwohner, Lehrer und Schüler juchten abermals in der Flucht ihre Rettung. Vergl. Fecht, Gefchichte von Durlach 311.

Nah dem weftphälischen Frieden kehrten beſſere Tage wieder, die jchönften und ruhmvollften, aber auch die legten glüdlichen des Durlader Gymnafiums. Die Markgrafen Friedrich V. und VI. und Friedrich Magnus fürderten auf jede Weife deſſen Gedeihen. Die Zahl der Lehrer ftieg auf 12, die der Schüler, unter denen ſich viele Fremde aus Würtemberg, Franken, den Hanfeftädten, und felbft aus Frankreich viele Söhne de3 proteftantischen Adels befanden, in den untern und mittlern Klaſſen auf 20—30, in der oberiten, der Klaſſe der Studiojen oder Eremten, bis über 60. Tüchtige Lehrer zogen zahl- reiche Zöglinge herbei, jo daß, nachdem 1681 Straßburg an Frank— reich, und deſſen Univerfität, bisher vorzugsmweife von evangelifchen Badnern bejucht, in die Hände der Jeſuiten gekommen war, Friedrich Magnus jogar mit dem Plane umging, die Durlacher Schule in eine Univerfität umzumandeln. Aber wie ein Blig aus beiterem Himmel jchlug das Jahr 1689 zerftörend in alle dieje blühende und hoffnungsreiche Thätigfeit.

Das jchöne Gymnaſium wurde am 6. Auguſt in einen Trümmter- haufen verwandelt, die ganze Stadt bis auf 5 Häufer niedergebrannt, obdachlos retteten die Einwohner, die öffentlichen Diener, die Lehrer des Gymnaſiums größtenteils nicht einmal ihre geringe Habe aus den Flammen ihrer Wohnftätten.

MWiederholte Einfälle und Plünderungen der Franzoſen in den Jahren 1691, 1693 und 1694 trieben die faum Zurüdgefehrten zu abermaliger Flucht. Exit nach dem Ryswicker Frieden 1697 konnte der ebenfalls von der Flucht wiedergefehrte Markgraf Friedrich VII Magnus in einem der fünf ftehengeliebenen Durlacher Häuschen eine unterjte Klaſſe errichten.

1699 wurde ein Hans gekauft, und in demjelben Jahre Bulyowsky als Prorektor an die neue Anftalt berufen. Trotz des nun aus— gebrochenen jpanischen Erbfolgekrieges wurde die Anſtalt nach und nach wieder auf fünf Klaſſen gebracht, 1707 eine ſechste angefügt, und wieder ein Gymnasium publicum als oberfte, mifjenjchaftliche Abteilung damit verbunden.

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1706 erſchien ſeit 15 Jahren erftmals wieder ein gedrucktes Pro- gramm, nach welchem an dem publicum Broreftor Bulyowsky, Kirchen- rat Eifenlohr, Hofprediger Rabus und Profeſſor Malſch, an den fünf Klaſſen Joh. Mich. Stecherwaldt von Wertheim, Joh. Peter Lang, Sg. Sigmund Geißler, Wolfg. Friedrich Steinlein. unterrichteten. 1707 wurden für einige Wochen die Lehrer zur Flucht genötigt, 1709 ftarb Friedrich Magnus, 1711 auch Rektor Bulyowsky. Yhın folgte Profeſſor Malſch, der durch den Markgrafen freigegebene. Sohn eines leibeigenen Bauern von Staffort, jedoch nur proviſoriſch, weil er, ob— wohl ein tüchtiger Kenner der alten Sprachen und ein gewandter lateinischer Dichter, jowie ein Manı von heiterer Gemütsart, für einen Anhänger und Freund der damals verpüönten pietiftifchen Richtung und ihrer Vertreter U. H. Franke, Freilinghanſen u. A. galt. Malſch blieb Proreftor bis am 30. Dftober 1714, worauf der erjt 29 Jahre alte Brivatdozent der Philofophie in Jena, Mr. Joh. Ludwig Boye aus Königsberg, das Rektorat erhielt und im Januar 1715 antrat.

Boye war aber ein mit den Geſetzen und Verordnungen des Landes unbelannter, unpraftiicher Schulmann ohne Erfahrung, welcher die Schüler wie vornehme Männer behandelte und in jeinem Unter- richt nach Art der Univerfität nur Hefte diktirte. Meben der Ber- nachläſſigung der Disciplin ließ er ſich aber dennoch zuweilen zu Ueberjchreitungen hinreißen, jo daß er 1720 nicht nur den Studiofus Rabus mit Mauffchellen trgetirte und ihm den Kopf auf den Tijch jtieß, jondern auch dem Studiojus Beyer, dem Sohn des Spezials Beyer, jagte, jein (Beyers) Vater habe nichts gethan, als gefrefjen und gejoffen und dies den Sohn gelehrt. Zugleich entipann fich zwijchen dem durch jeine Zurücdjegung gefränktten Malſch und Boye ein heftiger unerquicklicher Streit, aus welchem Lebterer jedoch äußer- (ich als Sieger hervorging.

Die noch wenig geordneten, jehr ökonomiſchen Verhält- niſſe der Durlacher Anſtalt, an welcher der Unterricht teils in be- ſchränktem Schulhauje, teil® in den Privatwobnungen der Lehrer erteilt werden mußte, und die aus Sparjamfeitsgründen zu Gunften de3 neuen Prorektors Boye erfolgte Aufbebung der ſechsten Klaffe, trugen zur Abnahme der Anftalt nach und nach immer mehr bei, und jo war die Verlegung des Gymnaſiums nach Karlsruhe durch innere und äußere Verhältnifie jchon jo vorbereitet, daß fie nur noch eine Frage der Zeit war, abgejehen von dem befaunten Worte: schola

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sequitur aulam, und davon, daß die Nefidenz auch die Errichtung einer höhern Schule unabweisbar bedingte.

Die 1718 bewerkitelligte Verlegung der Staatöbehörden nad Karlsruhe forderte auch einen entiprechenden Unterricht für die Söhne der dahin verpflanzten Familien. Daher befahl am 1. März 1719 Karl Wilhelm den am 5. Mai vollzogenen Umzug des Präceptors Steinlein nach der Reſidenz. 1720 verzögerten die Bedenken des Ephorus der Durlacher Schule, des Hofpredigers Hölzlin, die beab- fichtigte gänzliche Verlegung der Anftalt, wobei Hölzlin immerhin zugab, daß eine Teilung derjelben zwiſchen beiden Städten ange mefjen wäre.

In einem nochmal® von ihm geforderten Bericht gibt derſelbe unterm 23. April 1720 den durch Boye und feine, des Ephorus ver- nachläffigte Aufficht mitverfchuldeten, verwahrlosten Zuftand des Dur- lacher Gymnaſiums zu, und berichtet weiter, bei der teilweisen Ver— legung nach Karlarube könne man entweder eines der dort neuerbauten landftändischen Häufer im Zirkel mieten, oder bei der Stadtkirche neu bauen, und dazu den Erlös des Durlacher Hausplages, zurüdbehaltene Stipendiengelder, zugejagte, perjönliche Beiträge und allgemeine Samm- lungen verwenden. Bei dem immer mehr drohenden Verluft ihrer An- ftalt machten Gericht und Nat von Durlach am 14. Juni 1720 eine in beweglichen Worten abgefahte Eingabe an den Markgrafen, in welcher fie den dadurch herbeigeführten Ruin ihrer Stadt betonten. Auch Malich, obwohl nicht mehr Prorektor, fuchte das Durlach bedrohende Unheil abzuwenden. Die Antwort des Markgrafen vom 1. Juli verfprach nähere Prüfung der Sache. Die Folge war eine Unter: juchung der Akten, aus melcher hervorging, daß die Schule nicht notwendig an Durlach gebunden jei. Eine genaue, wenig befriedigende Bifitation des Gymnaſiums durch den Kirchenratsdireftor zur Gloden, den Hofrat Erdmann von Glaubig und den Ephorus Hölzlin ver- anlaßte auch die 1721 erfolgte Berufung des Profefjors Malſch nad) Karlsruhe zur Erweiterung des dafigen Unterrichtes. Den 16. Juni 1721 verfündigte Hölzlin, welchem als Ephorus nun auch die Karls— uber Anftalt unterftellt war, in einem gedrudten Programm, das neueröffnete Athenaeum, jo nannte man e3, werde den 20. Juni mit zwei Lehrern, dem Profeſſor Malſch als Proreftor oder Moderator Athenaei, und dem Präceptor Steinlein, eröffnet werden.

Anläplich diefes Eröffnungsprogramms erflärte der Markgraf

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duch den Mund Hölzlins, daß er die Zahl der Lehrer nad) und nach vermehren, die Studirenden durch Stipendien unterftüßen, fie vor Allen zu öffentlichen Aemtern verwenden, und ein ganz neues Gebäude für die Anftalt aufführen werde.

Die untere der beiden hierher verlegten Klaſſen wurde fofort von 45 Schülern befucht, ein Lokal aber fehlte noch. Der Unterricht wurde daher in dem gemieteten Lokal des Bürgermeiſters Sembach, dem Gafthaus zum Waldhorn, erteilt, und noch in einem lateinischen Programm von 1723 lud Maljch zu einem in den „aedibus Wald- horn“ abzuhaltenden Nedealt ein. In Durlach blieben vorerjt vier Lehrer, der Rektor Boye, Profefjor Wasmuth und zwei Präceptoren.

Malſch und Steinlein hatten 1721, außer ihrem Gehalt, noch jeder 6 Klafter Holz erhalten, womit fie auch die Schulbeizung zu bejorgen hatten.

Am 21. Juni 1721, dem Tage nach der Eröffnung, forderte der Markgraf von dem Oberbaudirektor von Wölling und dem Ephorus Plan und Ueberjchlag für einen Neubau. Er jelbft bezeichnete am Rande jeines Schreibens die Stelle zwijchen den im Bau begriffenen [utherifchen und reformirten Kirchen als Pla für dad Gymnafium.

Ohne Verzug wurde der Bau begonnen und in wenigen Jahren vollendet, jo daß der 1724 aus Holland zurückgekehrte Markgraf denjelben num endgiltig der neuen Anſtalt zumeijen konnte.

Der ganz von Holz errichtete Bau hatte eine Länge von 180’, in dem Erdgeſchoß mit niedrigem Sodel vier Schulzimmer, die Aula, die Bibliothef und die Dienerwohnung, in dem zweiten Stod im weitlichen Flügel die Rektoratsmohnung mit 6 Zimmern und Küche, in dem öftlichen drei Lehrerwohnungen.

Unten waren 19 Fenjter und zwei große niedere Thore, oben 23 Fenſter. Das Haus nahm den Flächenraum der jeßigen Häufer Nr. 135—139 der Kaiferftraße ein, und hinter demjelben, bis in die jeßige Bähringerftraße, lagen Hof und Gärten der Lehrer. Die Koften dafür trugen die geiftlichen Verwaltungen Karlsruhe-Durlach, Hachberg und Röteln.

Damit war auch die Verlegung der Anſtalt hierher entſchieden, Boye und Wasmuth wurden 1824 ebenfalls hierher berufen, wo aber Rektor Boye ſchon den 16. September in ſeiner neuen Wohnung ſtarb.

Nach Boye's Tode wurde Malſch wieder proviſoriſch mit dem Rektorat betraut, und unter ihm wurde das ſchon von Boye geplante

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Inſtitut, der Eremten nad dem Mufter der frühern Durlacher Au— ftalt hier eingeführt. Schon im Oktober 1724 erhielt der, wie es fcheint, immer noch mißliebige Maljch einen Nachfolger in dem 32 Jahre alten Pfarrer Ph. Jak. Bürklin, welcher 1719 21 Reifeprediger des Erbprinzen gewejen war. Diejer fromme und gelehrte Mann, welcher nur auf Zufpruch feines frühern Lehrers Malſch die Stelle annahm, trat in dem Januar 1725 in fein Amt ein.

Er fand bei jeinem Amtsantritt eine Schülerzahl von 48 Klafjen- jchülern und 8 Exemten vor, 1728 kam eine dritte, 1732 eine vierte Schülerklaſſe Hinzu.

1725, nad) Wasmuths Tode, kam Lehrer Däffner aus Pforz- beim an deſſen Stelle, und als derjelbe für feinen Umzug hierher im Ganzen 16 fl. verrechnete, wurde durch die allezeit ſparſame Rent— fammer unterjucht, ob er jo viel Möbel habe, daß er dafür 12 fl. Fuhrlohn nötig gebabt hätte, ob er für feine Perſon nicht zu Fuß hätte hierher kommen fünnen, anjtatt für fich und feine Frau eine Kutjche mit zwei Pferden zu benugen. Deßhalb wurden ihm 4 fl. gejtrichen, weil er hätte zu Fuß gehen, und jeine rau auf dem Möbelwagen hierher hätte fahren können.

Der polnische Succeffionskrieg 1733—35, in welchem die Fran— zojen wieder in's Land kamen, 1734 auch das deutjche Hauptquar- tier nach Karlsruhe in das Erbprinzenpalais, das jpätere Minifterium des Innern, gelegt, und 1735 das ganze Land von Ettlingen big Bruchjal und Philippsburg unter Wafjer geſetzt wurde, hielt viele auswärtige Schüler von dem Beſuch der Schule ab, und jelbjt der Markgraf hatte fich nach Baſel geflüchtet. Malſch erhielt daher im November 1734 von Bafel aus den Befehl, den Unterricht nad) Durlach zu verlegen, doch konnte derjelbe nach dem Frieden 1736 wieder in Karlsruhe fortgejeßt werden.

Die Bejoldung der Lehrer war ſehr bejcheiden, jo daß dieſelben jich genötigt jahen, Penſionäre zu fich zu nehmen, welche wöchentlich für Wohnung, Koft, Holz, Wäſche, Licht und Unterricht 1 fl. bis 1 fl. 15 fr. bezahlten. Als 1732 Malſch wegen Beſchränkung feiner Wohnung jeine Penſionäre nicht mehr behalten ſollte und Konnte, berichtete er, der Markgraf möchte ihn doch in Zukunft im feiner Perjon nicht allzujehr graviren. Wenn das Penſionärhalten den Lehrern unmöglich gemacht werde, jo würden wenig auswärtige Schüler das Gymnafium mehr bejuchen, denn welcher ehrlihe Mann

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werde jeinen Sohn zur Zucht, zum Waſchen, Kämmen, Busen, zum Ohrfeigen- und Prügelgeben einem Bürger anvertrauen ?

Rektor Bürklin hatte auf feine Bitte 1735 die Stabdtpfarrei Pforzheim erhalten, jo daß endlich der um die Anſtalt wohlverdiente, jegt 61 Jahre alte Malſch Gnade fand und das Rektorat endgiltig erhielt. Seine, auch von Geheimrat Stadelmann dringend unterftüßten, Vorſchläge um ökonomiſche Beſſerſtellung der Lehrer, welche gewöhnlich lieber eine nur halbwegs einträgliche Landpfarrei zu erhalten fuchten,*) als daß fie mit Kärglicher Bejoldung hier blieben, jowie um Ver— bejjerung des Gymnaſiums jelbft, hatten zwar zur Folge, ' daß der Markgraf im April 1737 1318 fl. zu dieſem Zweck verwilligte, aber es ftanden dennoch auch nach diefer Aufbefjerung die Bejoldungen noch jehr niedrig.

Der Rektor Malich hatte 441 fl., Profeſſor Wasmuth und Profefjor Daur 194 fl., Präceptor Bed 190 fl. 30 kr., Sachs **) 149 fl., jeder Nebenlehrer 50 fl. in Geld und Naturalien. Daneben hatten jie jedoch freie Wohnung und das Schulgeld. Diejes betrug für die unterften Klaffen vierteljährlih nur 15 kr., für die obern 30 fr. und für die Eremten nichts.

Auch der Gymnafiumsdiener, Calefactor genannt, Eberh. Er- bardt, welcher in Durlach feit 1700 den Dienft verjehen hatte, wan- derte 1725 nach Karlsruhe und lebte bis 1737. Ihm folgte 1737 Sebaftian Lindemann bis 1768 und auf diefen Jak. Ramiperger, welcher 1814 ftarb.

Der erite Kalefaktor Erhardt war zugleich Orgeltreter, Calcant, und bezog als Gymnafiumsdiener 10 fl., 2 Malter Roggen und 2 Ohm Wein. Das Orgeltreten trug ihm Nichts ein.

Das Amt eined Ephorus, welches jeit Hölzlins Tod unbeſetzt geblieben, wurde 1727 dem Dr. Joh. Andre. Eichrodt übertragen.

Malſch aber, welchem der Markgraf nach langem Harren 1735 das Rektorat übertragen hatte, überlebte diefen nur um vier Jahre,

*) So bittet der, aus dem Hobenlobifchen ftammende, 1732 ala Präceptor bier angeftellte Job. Ebrift. Daur, welcher 1734 Brofeffor geworben war, 1743 um eine Pfarrei, weil er zu arm fei, um Schulbücher anzuſchaffen, und 1744 fam er nach Tegernau.

**) Der fpätere Rektor und Kirchenrat, auch Berfafler der badijchen Ge— Ihichte in 5 Bänden. Er war als 17jähriger Studiofus ſchon Lehrer am Gym— nafium geworden,

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denn am 12. September 1742 ging auch er zur ewigen Ruhe ein. Seine für uns wichtigfte Schrift ift diejenige, welche unter dem Titel Origines novae sedis Marchionum Bado-Durlacensium, 1728, erichien. Sein Lebenslauf ift ein jo mwechjelvoller, daß er wohl einer bejondern Bearbeitung wert erjcheint.

10. Runfl und Tiferafur, fremde Gäſte.

Das Theater Bor dem Ausbruch des 3Ojährigen Krieges waren durch den Einfluß des Nürnberger Blumenordens, auch Ge— jellfchaft der Hirten an der Pegnitz genannt, die ſüßlich erotiſchen Schäferlomödien in Deutjchland aufgelommen, daneben wurden italie- niſche Singjpiele eifrig gepflegt, und der Hanswurft, ala unvermeid- licher Begleiter des ſehr trivial gehaltenen Luftjpieles, ergößte das Tachluftige, noch wenig verwöhnte Publikum.

Selbft Gerftliche und Lehrer lieferten vorzugsweiſe folche Stüde, und dab es an ſolchen Erzeugnifien feinen Mangel hatte, zeigt uns ein 1618 erjchienenes Opus theatricum von dem Nürnberger Ayrer, welches 30 „ausbündig jchöne Komödien und Tragddien, jambt an- bangenden 36 jchönen, luſtigen und kurzweiligen Faſtnachts⸗ und Poſſenſpielen“ antündigte. Demfelben Ayrer wird übrigens auch die Einführung des Melodrams, der Verbindung des Singjpieles mit der dramatischen Aufführung zugefchrieben.

Obwohl England in feinem Shatespeare ein Mufter dramatijcher Poeſie für ganz Europa aufftellte, und einzelne deutſche Schriftfteller wie Gryphius, 1616—1664, auf ſolche nahahmungswerte, fremde Mufter hinwiejen, obwohl Frankreich feit dem Anfang des 17. Jahr- bundert3 feine Corneille, Molidre, Racine hatte, und in beiden Län- dern fich die dramatiiche Kunft an folchen Vorbildern erhob und ausbildete, blieb Deutjchland, welches allerdings feinen 3Ojährigen Krieg zu beftehen hatte, hinter diefen Ländern weit zurüd. Zwar reiten bald nach 1600 englische Komödianten in Deutichland umber, jpielten in größern Städten und Refidenzen, wenn auch in jprachlich unvollfommener Form, doch mit großem Beifall, jedoch ohne nach— baltigen Einfluß. Die deutſche Poeſie blieb noch lange einerjeits

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dem füßlichen Wortgeflingel verliebter Tändelei des Schäferjpieles, andererjeit3 der bis zum Widerwärtigen übertriebenen Darftellung des Gräßlichen, Blutig-Schauerlichen, in der Form hohler, ſchwülſtiger Dellamation zugemwendet, und wern auch einzelne, geiftig höher ftehende Männer dagegen anzulämpfen juchten, jo war e8 doch erſt Leſſing und feiner Zeit vorbehalten, das deutſche Drama in beſſere und richtigere Bahnen zu Ienten.

Die Zeit des Markgrafen Friedrich Magnus und feines Sohnes Karl Wilhelm fällt noch in die damals in Deutjchland herrichende Periode des ſüßlich fpielenden Schäferdramas, und auch ihr Hof konnte fich dieſem Zeitgeſchmack nicht entziehen. Der Hof des Marl- grafen Friedrich Magnus in Durlach war ein glänzender. Er war ein Freund von Kunft und Wiffenichaft, hatte in feiner Karlaburg ein Heines Hoftheater, auch ein folches in feinem Schloßgarten, defjen Podium noch jegt dort zu erkennen ift, und eine Hoflapelle, welche gewöhnlich in Verbindung mit der Muſik der Stadt und des Gym- nafiums ihre Aufführungen gab. Die auf dem Theater, vor dem Hof und befonders eingeladenen Gäſten, teil zur Uebung der fürft- lishen Perſonen, teil zur Beluftigung des Hofes aufgeführten Stüde, wurden mit einem Tanz eröffnet, worauf das idyllische Schäferfpiel mit erotiichem Wechjelgefang in Ehören, Arien und Rezitativen folgte. Die Rollen wurden meiften® von Prinzen, Prinzeffinnen und Per- jonen des Hofftaates gegeben, auch der Hansmwurft und der Hofnarr waren dabei vielfach in Thätigkeit.

Die Zahl der Auftretenden war aber bald eine größere und bie- jelben bedurften, beſonders ſeitdem das Ballet einen Teil der Auf- führungen bildete, einer bejondern Schulung. S. oben Seite 23.

Bahlreihe Mädchen wurden zu Hofdienften, Schaufpielerinnen, Sängerinnen und Tänzerinnen ausgebildet, und noch 1750 finden wir an dem Stuttgarter Hof eine derartige Anftalt.

Dabei wurden aber auch geübte Mufifer von auswärts beige zogen und bei der Hoflapelle angeftellt, jo 1698 an der Durlacher Kapelle als Hoboiften Kaſpar Weib aus Reutlingen, Gg. Konrad Ort, Ieremiad Schmelzer, Joh. Mart. Denzinger aus Tübingen, oh. Rehfuß aus Böblingen, Joh. Pet. Mühle aus Vaihingen a. b. Enz. Sie hatten 100 fl. Gehalt, ein halbpfündig Hoflaiblein täglich und Lalaienuniform. 1716 zogen dieſelben meiftenteil3 mit nach Karlsruhe, hatten übrigens auch noch in der Durlacher Hoflapelle

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zu mufiziren. Die Hauptinftrumente waren Oboe, Flöten und Violen.

Damit war jonach jchon der Anfang zu einer ftändigen Theater- truppe gemacht.

Als Karl Wilhelm fein neues Schloß baute, forgte er auch für Theater und Ballet, indem er eine Opera und ein Ballhaus ein- richtete. Doch war er anfangs nicht ganz entichieden, ob die Opera in dem Mittelbau, oder dem öftlichen Flügel angebracht werden jollte. Letzteres geichab, 1719 wurde diejelbe fertig, und in demjelben Jahre murde als erjtes Stück auf dem neuen Theater die Schäfer- operette Celindo, oder hochgepriejene Schäfertreue, gegeben, und eine Zofalpofje in Karlsruher Dialekt damit verbunden. Bei dem bunten Miſchmaſch der erften Bevölkerung können wir uns übri- gens feinen rechten Begriff von dem damaligen Karlsruher Dialekt machen.

Wir haben oben bei der Schilderung der katholiſchen Kirchen- zuftände gehört, daß Markgraf Karl den italienijchen Priefter Natalis Bettinardo aus Italien herbei holte, welcher 1718 das -Fatholifche BPriefterhaus bezog und den Gottesdienft verfah. Derjelbe hatte auch) die Funktion des Baßſängers bei muſikaliſchen Aufführungen, während der andere Italiener Ph. Scandalibene Theaterdireftor, und Bonivantı Mufikdireltor war.

Wenn auch bei einzelnen Anläſſen fremde Schaufpieler hier auf- traten, jo hatte doch der Markgraf, teil durch die Ausbildung von einheimijchen Mädchen zu Sängerinnen und Tänzerinnen, teil durch die Berufung fremder Kräfte für die Kapelle nach und nad ein ftändiges Theaterperjonal herangebildet. Daneben wirkten aber immer noch bei den Aufführungen Herren und Damen de3 Hofes mit, wie denn 1720 in der Oper „Der in die Göttin Venus unglüdlich ver- liebte Adonis“ neben der Hofjängerin Anna Barbara Schweizelberger und dem Hofballetmeifter Mifolly, die Herren von Baudiz, von Stern- berg, von Schell, von Münfterberg, von Grandvillar, von Moiſel, von Gemmingen, von Schertel, Furien und Träume darftellend, mittanzten. Ebenſo wurden in dem Ballet „Die afiatiiche Banife, oder da3 blutige und mutige Pegu“, in welchem Prieſter, Jäger, Gärtner und Gärtnerinnen tanzend auftraten, von den Hoffavalieren Tänze aufgeführt, wobei auch der Hanswurſt nicht fehlte, und über- haupt verfiel die Oper allmälig in das fragenhafte, zotig Burleske.

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Das Auditorium war jedoch jehr gewählt, und e3 erhielten, außer dem Hofverjonal, nur etwa noch) Beamte und angejehene Bürger dazu Einladungen.

Die Dekorationen und Garderoben waren fehr einfach, klaſſiſche und orientalische Helden erjchienen in Staatsperüden und der Tracht ihrer Zeit, je nach dem Stande, dem fie angehörten, in der Poſſe in Masten und Halbmasten. Die Singftimmen der Oper waren meift für Diskant und Alt, jelten für Tenor gejeßt, daher gaben in der Dper vielfach Mädchen die Männerrollen.

Bon Karlsruher, zum Teil noch Durlacher Muſikern aus ber Beit von 1720—30 erwähnen wir hier, außer den oben Genannten, noch Heinrich Chriſt. Beifing, Violinift in Durlach, 1739 Hoflapellmeifter in Hildburghaufen, componirte 3. ©. Seebachs Lieder an Zion, oh. Ph. Käfer von Römhildt, 1716 Kapellmeifter in Durlach, dann in Karlsruhe, Kaſimir Schweizelberger, marfgräflicher Hof- mufifus und Birtuos, Joh. Baptift Troft, marfgräflicher Hofmuſikus, Joh. Wolfg. Döl von Ansbah, Joh. Gg. Eberhard von Breftenbach im Schwarzburgifchen, Lenz von Sulz am Nedar, Martin Obrift von Tübingen, oh. Chrift. Schmidt von Dresden, Hoffurier Nemerth von Offenbach. Auch Rektor Bulyowsky von Durlach war tüchtiger Muſiker.

Daß ſich hier auch noch Hofmuſici in Durlach erwähnt finden, rührt daher, daß bis 1726 theatraliſche Aufführungen bei Hof auch in Durlach ſtattfanden, von da an aber nur in längern Bmijchen- räumen von Monaten an bejondern Hoffeften.

In Karlsruhe erlitt übrigens von 1733—36 das Theater durch Karl’3 Entfernung nach Baſel eine längere Unterbrechung.

Urlaubsreifen zu Gaftrollen an fremden Bühnen und in fremden Städten, gab es auch damals fchon, denn 1731 gab Titus Maas mit andern badijchen „Hofkomödianten“ in Berlin ein großes eng- liches Marionettenjpiel nach folgender Ankündigung: „Mit königlicher allergnädigfter Erlaubnis werden die anmejenden Bad. durlachiichen Hoflomddianten auf einem ganz neuen Theater bei angenehmer In— ftrumentalmufif vorftellen eine jehensmwerte, ganz neu elaborirte Haupt- aktion, genannt die remarquable Glücks- und Unglüdsprobe des Alerander Danielowig, Fürſten von Menzikoff, eines großen favo- rirten Kabinetsminifterd und Generalen Petri I. Ezaren in Moskau, glormwürdigiten Andenkens, nunmehro aber von den höchiten Stufen

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feiner erlangten Hoheit bis in den Abgrund des Unglüds geftürzt, veritabeln Belifaren, mit Hanswurſt, einem Iuftigen Paftetenjungen, auch Schnirfar und kurzweiligem Wildſchützen in Sibirien u. |. mw.“

Ob diefer Maas übrigens ein wirklicher marfgräflicher Hof- fomödiant war, oder ob er fich diefen Titel nur anmaßte, ift nicht von Belang, auf jeden fall aber liefert es uns ben Beweis, daß die Karlsruher oder Durlacher Hofbühne damals eines jo guten Rufes ſich erfreute, daß der Titel „markgräflich badijcher Hoftomödiant” jelbjt in Berlin eine Empfehlung war.

Die Großh. Hofbibliothet befist eine Sammlung Dramata durlacensia, eine größere Anzahl meiftenteil3 aus dem Franzöfiichen nah Guinault, Boursault, Breton, La Tuillerie, Corneille, Cröbillon u. A., jowie aus dem Italienischen überfegter Dramen, Mufildramen in Librettoform , welche ung einen Begriff von dem damaligen Theater und dem Gejchmad des Publikums geben.

Solche Kibrettofomponiften und Dichter waren Breßand (von Durlach), von König, Hunold, Poſtel und beſonders Keiſer, welcher 120 Opern komponirte, darunter den Adonis, Janeus, Defiderius, Drphens, Kröfus, Trajanus, Ulyſſes, die Pomona, Diana, Tompris, Eirce, Fredegunde u. U.

Die Zahl der Hofjängerinnen betrug 1717—23 zehn. Einzelne berjelben, welche zu den Begabtern, oder auch von Glüd und Hof- gunft Bevorzugten gehörten, erwarben eigene Häuſer in ber Stadt und verheirateten ihre Töchter an angejehene Männer.

So verkaufte Karl Wilhelm 1718 an bie Hoflängerinnen Sufanne Deeg, Kath. Schwörer und Eliſabeth Wiedmann ein von ihm neu erbautes Haus in der Draisgaffe (Herrenftraße) neben den Sängerinnen Löw, Hegel und Reiß mit Privilegien darauf für 600 fl. Die Zahlung dafür geichah durch Abzüge an ihrem Gehalt ala Mit- gliedern der Hofmuſik. 1724 kaufte die Sängerin Elifabeth Dachtler von dem Markgrafen den Nidda'ſchen Garten für 500 fl., dieſelbe, welche fpäter ihre Tochter an einen Pfarrer verheiratete. 1729 ver- fauften die obengenannten drei Sängerinnen ihr für 600 fl. gefauftes Haus in der Draisgaffe für 790 fl. an den Rechnungsrat Sache. 1737 erhielt die Sängerin Marie Juliane Eleonore Döttinger (©. ©. 115) von dem Markgrafen ala Gejchent das 1734 von Arnold eigenmächtig erbaute Edhaus auf dem urjprünglich kath. Kirchenpla an der langen Straße, einerjeit3 an dasjenige des Hofrats und Ober-

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amtmannd Wielandt, jebt 143 der Kaijerftraße, andrerſeits an die Verlängerung der Chriſtophsgaſſe (Lammftraße) ftoßend. Die andere Ede der Lammftraße, jegt 147 der Kaiferftraße, gehörte dem Hofrat Tertor. Das ber Sängerin gejchentte Haus hatte nach der Lamm- ftraße zu einen freien Pla, der aber nicht überbaut werden durfte. Bald nachher wurde zum Teil auf demfelben das Brunnenhaus gebaut.

Eine andere Sängerin, Namens Schaber, erhielt ebenfalls einen Pfarrer, eine dritte, Namens Schadt, einen Apotheker zum Tochtermann.

Buhdrud und Buhhandel hatten bejonders feit der Re— formation einen rafchen Aufichwung und regeres Leben gewonnen. 1529 wurde in Durlach bei Valentin Kobian die Iuth. Bibel gedrudt, 1621 bei Joh. Senft das badijche Landrecht und die Landesordnung, ſowie kleinere Gelegenheitsjchriften. 1643 bejak Hans Brecht, 1666 Henning Müller, 1677 Martin Müller, 1701 Theodor Hecht dort eine Druderei. Bei Lebterem, der den Titel Hofbuchdruder führte, wurde 1701—1710 gedrudt das WB. E.-Büchlein lat. und deutjch, Biblifhe Sprüche mit Gebeten und Bußpfalmen, der Kleine luth. Katechismus, ein Vocabularium communissimarum rerum, eine kurze Anweiſung zum rechten Verſtand des kleinen Katechismus Lutheri, Rudimenta Gramm. latinse, vulgo Donat, Theophili Golii grammatica latina minor, Libellus precium publicarum Gymnasii Durl., ein Speculum historicum und Speculum politicae Lipsianae von Mid). Bulgowsly. S. Fecht, Durlach 563 fi.

Als 1719 der Hof- und Kanzleibuchdruder Hecht in Durlach geftorben war, wurde Johann Andreas Erdmann Mafchenbauer von Augsburg fein Nachfolger und z0g von Durlach hierher in bie Waldhornftraße, jet 21 und 23. Auch er wurde markgräflicher Hof- und Kanzleibuchdruder und erhielt da3 Privilegium des Drudes aller Schulbücher, der deutichen und franzöfiichen Kalender und aller im Lande vortommenden Drudjachen. Niemand durfte einen Kalender faufen, der nicht vorher Majchenbauer’3 Kalender gekauft hatte, bei 10 Reichsthaler Strafe, wovon , dem Fiskus, '/, dem Waifen- haus in Pforzheim und , dem Druder Mafchenbauer zufiel. Die bei ihm gedrudten Gejangbücher jollen, ftatt der bis da gebrauchten, im Lande eingeführt werden, wenn die Geiftlichkeit damit einver- ftanden if. Er darf auch einen Buchhandel führen, aber bei 50 Reichsthaler Strafe Feine gebundenen Bücher verkaufen, weil der Hofbuchbinder Singeifen dadurch benachtheiligt würde. Man rechnete

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damals auf den Abjak von 12760 Kalendern im Lande, das Stüd zu 3 ft.

1739 wurden Majchenbauer’3 Privilegien durch die vormund- ichaftliche Regierung beftätigt. Später kam diefe Majchenbauer’jche Druderei an Held und nach ihm an den Faktor Wilhelm Friedrich Lotter.

Die ſchriftſtelleriſche Thätigkeit im Lande war noch eine ſehr beſchränkte, der Markt bei einem Volke, dem in der großen Mehrzahl das Lejen nicht jehr geläufig und das Lejebedürfnis ein jehr jchwaches war, ein wenig ausgiebiger. Eigentliche Zeitungen gab es im Lande noch feine, mwenigftens ift uns nichts derart in unjerer erjten Periode befannt.

Literarische Produkte des Auslandes, wo auch jchon Zeitungen gedruckt wurden, wie in Zürich 1730 „Die Donjtags Nachrichten“ und in Hamburg 1740 die „Staate- und Gelehrten-Zeitung des Hamburger unparteiifchen Korrefpondenten“, fanden nur in den höchften Kreifen Aufnahme, die Leichenpredigten bei einzelnen fürftlichen Todes- fällen, die Geburts und Hochzeitägedichte bei freudigen Familien— ereigniffen des marfgräflichen Haufe, waren das Einzige der Art, was etwa in’3 gemeine Volt Fam. Die gelehrte Literatur, bejonders auf dem, über die Maßen fruchtbaren Feld theologifcher Streit- fchriften, oder auch aus dem Gebiete ftaats- und rechtswiſſenſchaft— licher Unterfuchungen und Verhandlungen gelangte nicht in die Kreije des niedern Volkes.

Bolkzkalender finden wir aus unferer Periode noch feine vor, und erft aus unferer zweiten Periode nach dem Jahre 1750 find uns folche hinterlaſſen.

Was der gemeine Mann zu lejen befam, waren etwa gejeßliche und polizeiliche Verordnungen, feine kirchlichen Erbauungs- und Ge— jangbücher und fein Katechisinus, jelten auch ſchon die ganze Bibel.

Ein regeres literarifches Leben bringt uns erſt unjere folgende

Periode.

Bweite Beriode. 1738—1803.

a

1. Regentenhaus, Gedichte, Militär.

Wenn wir die erfte Periode, die Regierungszeit Karl Wilhelm's, die Zeit der Gründung nennen können, jo verdient die zweite die Bezeichnung als Periode der innern Entwidlung, der jtaatlichen, ftädtifchen und bürgerlichen Entfaltung und Befeſtigung. Alle Ver- bältniffe des ftädtiichen und bürgerlichen Lebens waren noch in ihren eriten Anfängen, Geje und Ordnung mußten fejtgejtellt, Gewerbe und Induſtrie gejchaffen und geregelt, das öffentliche Leben geweckt und verjchönert werden, und dies Alles war die Aufgabe und das Wert Karl Friedrichs.

Als 1732 der Erbprinz Friedrich, erft acht und zwanzig Jahre alt, gejtorben, waren feine beiden Söhne Karl Friedrich, geb. 1728, und Wilhelm Ludwig, geb. 1732, noch minderjährig und da die Mutter derjelben geiftestranf wurde (F 1777), übernahm die in Durlach wohnende Großmutter die erjte Erziehung der beiden Knaben.

Bis zur Volljährigkeit des Erjtgeborenen führten, nach Bejtim- mung des 1736 von Karl Wilhelm in Bajel gemachten Teftamentes, Markgraf Karl August, jowie die Großmutter in Verbindung mit einem Regentſchaftsrat die vormundjchaftliche Regierung. Der Regent- ichaftsrat beftand aus dem Geheimrat von Hahn, Geheimratspräfi- denten Fr. Emich von Uexküll, Geheimrat und Oberhofmarſchall Wilh. Fr. von Schilling, Geheimrat Dietrich Stadelmann, Geheimrat zur Gloden, Kammermeifter Reinhard von Gemmingen, Geheimbofrat und Lehensprobft 3. Chr. Cellarius und Geheimhofrat und Ober:

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amtmann zu Karlsruhe, Durlach, Mühlburg, Staffort und Graben 3. Hch. Wielandt. Nach Stadelmann’3 Tod trat der Geheimbofrat und Lehensprobjt I. Burkhard Boch, und nach diefem Fr. Theob. Sahler ein.

Als 1742 die alte Markgräfin in Durlach ftarb, wurde Mark- graf Eugen Mitadminiftrator, trat aber ſchon 1744 wieder in ſardiniſche Dienfte.

Während ihres Wufenthaltes in Durlach erhielten die beiden Prinzen ihren erften Unterricht durch den Hofdiakonus Samuel Brodhag in Durlach und den Kandidaten Förderer, die weitere Ausbildung durch den Hofrat Lüdelen, welchem Karl Friedrich ftet3 ein danfbares Andenken bewahrt hat, und durch den Profeſſor, jpätern Rektor Dealer, welcher von Karlsruhe nach Durlach zu fahren und den mathema- tischen Unterricht zu erteilen hatte.

Im Jahre 1743 begaben fich die beiden Brüder in Begleitung des Hofmeifterd von Lindenan, der Kammerjunter von Uexküll und von Gersdorf, des Freiheren von Rottberg, ſowie des vorgenannten Hofrates von Lüdelen, des Leibarztes Cloſe und des Neifepredigers Förderer nach Laufanne zum Bejuche der dortigen Univerfität, wo Großvater, Vater und Oheim ftudirt hatten. Sprachen und Gefchichte waren ihr Hauptſtudium.

Bon hier aus machten fie 1745 auf 1746 ihre Rückreiſe durch Frankreich, wo fie bei Hofe gute Aufnahme fanden, und Holland, wo Rottberg durch einen Sturz des Wagen! umkam. Dort fanden fie ihre Großmutter mütterlicher Seite, jowie ihrer Mutter Bruder, den Statthalter Wilhelm Karl Frijo.

Der jüngere Bruder Ludwig Wilhelm trat in holländische Dienfte ein, erhielt. von dem Statthalter ein Regiment, machte 1748 einen Feldzug mit, wurde 1753 Gouverneur von Arnheim, 1754 Generalmajor, 1766 Generalleutnant. Er Iebte nachher meift in Karlsruhe und baute fich ein Landhaus in Mühlburg, wo er fich mit Landwirtbichaft, Gartenbau, vorzugsweije mit dem Bau von Krapp beichäftigte und. eine Brauerei errichtete. Er ftarb den 17. Dezbr. 1788. Morganatiich vermählt war er jeit 1766 mit Wild. Ehriftine Scharfmann, deren Kinder anfangs den Namen Wilhelmfon führten, aber 1777 durch den nachmaligen Kaifer Joſef II. fammt der Mutter geadelt wurden, und den Namen eines feit 1583 aus— geftorbenen Adelsgejchlechtes v. Seldened erhielten.

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Während fein Bruder in Holland blieb, ſetzte Karl Friedrich, welcher am 13. Oft. 1746 volljährig erflärt worden war, feine Reife in die Heimat fort.

Sein Empfang war ein fehr feierlicher. Um 5. Novbr. ritten ihm jämmtliche Poſtmeiſter und Pojtillone des Unterlandes (22 Ber- fonen) bis Waghäufel an die Pfälzer Grenze, ebenfo der Adminiftrator Karl Auguft, die höchſten Staatsbehörden, verjchiedene Kavaliere und die Angeftellten des Oberamtes bis Graben entgegen. Sobald man ihn von ferne erblidte, erfolgten 18 Stückſchüſſe, und beim Abfteigen vor dem Wirthshaus in Graben eine neue Salve aus den Stüden, und von dem aufgeftellten Bataillon Landmiliz. Nach eingenommenem Nachteffen ging e3 abends 9 Uhr von Graben ab nad Karlsruhe. Den 6. November hatte die öffentliche Feier des Negierungsantritts ftatt. Karl Auguft, die Minifter, Kavaliere, Offiziere und Räte be- grüßten ihn im Schloß, die „jauber montirte” bewehrte Bürgerjchaft von Karlarube, Durlach, Pforzheim, Mühlburg, beftehend aus einer Kompagnie Hufaren, zwei Kompagnien Reitern, einer Kompagnie Grenadieren von 10—12jährigen Knaben, einem Bataillon Bürger und drei Bataillonen Landmiliz, machten auf dem Schloßplaß ihre Ererzirübungen. Als Karl Friedrich an ihnen worbeifchritt, ertönten 12 Schüffe von der Stadt aus, und eine Generalſalve der paradirenden Mannichaft, und diefe Salven wurden bis gegen Abend fortgejeßt. Hierauf folgte die Hoftafel mit Mufit und Ball, Beleuchtung von Stadt und Schloßgarten, und allenthalben in der Stadt fröhliches Schmaufen und Zehen. Am 7. November begab fich der junge Markgraf erftmals in den Staatsrat. Der am 22. November, feinem Geburtstag, ftattfindende wirkliche Regierungsantritt wurde ebenjo fejtlich wie der Tag feiner Ankunft, begangen. Bon den an diefem Abend zahlreich errichteten Transparenten erwähnen wir nur einige Inschriften.

Eine derjelben lautet:

Der redlich deutjchen Fürften fchönfter Töchter Herzen Erwarten Deine Wahl in reinfter Liebe Schmerzen. Eine andere: Es lebe Karl Friederich Und die mit ihm vermählet fich ! Der Raum zum Wappen ftehet offen, Herr, jegne Alles, was wir hoffen.

= BR:

Ein anderes Bild zeigte einen Maler mit der Brille auf der Naſe und einem Binjel in der Hand, feine Frau mit dem Maler- gerät daneben, und eine Uhr mit Gewichten und einem Zeiger, um melche 13 Kinder abgebildet waren, wovon einige an den Gewichten ziehen, andere den Zeiger vorwärts treiben wollen, mit der In— ſchrift:

Der Mahler und ſein Weib ſamt 13 von den ſeinen Verlangen nach der Stund und treiben an der Uhr,

Damit der leere Platz bald könnt' gemahlt erſcheinen, Doch bleibt es heimgeſtellt Karl Friederichs Willkuhr.

Am Rathaus waren neun Transparente, u. a. eins mit der

Inſchrift: Laß Dir, Höchſter, unſer Lallen, Vor (für) des Fürſten Wohl gefallen. und ein Schuhmacher ſang: Hier ſitz ich und mach Stiefel und Schuh, Der große Karl Friedrich bringt Kunden dazu!

1750 erhielt Karl Friedrich am 14. Auguſt, freilich gegen hohe Taxen und unter läſtigen Ceremonien, die kaiſerliche Belehnung.

Obwohl aber Karl Friedrich die Regierung angetreten hatte, jo glaubte er doch zur Erweiterung feiner Welt- und Menſchenkennt⸗ nis, ſowie feiner perjönlichen Ausbildung in verjchiedenen Zweigen menjchlihen Willens, noch weitere Reifen unternehmen zu müſſen. Deßhalb ließ er die Regentjchaft in den bis da jo bewährten Händen Karl Auguft3 und feiner Räte, machte 1747 eine Reife nach Eng- land zur Erweiterung feiner Kenntniffe in der Landwirtichaft, und wurde bier bei diefem Anlaß in die „königliche Gejellfchaft der Wiſſen— ſchaften“ aufgenommen. Bon England kehrte er durch Holland zurüd und verhandelte dort wegen Stellung eines Regiments in holländischen Dienft. 1748 unternimmt er eine Reife nach Italien, ftattet dem Papft Beneditt XIV. in Rom feinen Bejuh ab und kehrt in dem» jelben Jahre zur endgiltigen Uebernahme der Regierung nach Karls— ruhe zurüd. Zwar ſchwankte er anfangs, ob er feine Reſidenz in dem alten, ihm Lieb gewordenen Durlach aufichlagen follte, bejonders da er den Neubau feines Karlsruher Schloffes al3 notwendig erkannte, aber die Rückſicht auf das durch einen folchen Entichluß unwieder— bringlich zu Grunde gerichtete Karlsruhe, bejtimmte ihn, Ddiejes zu wählen.

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Den 28. Januar 1751 vermählte er fich in Darmftadt mit der den 11. Juli 1723 geborenen Tochter des Landgrafen Qudwig VII. von Hefjen-Darmftadt, Karoline Luiſe.

Die Heirat war eine jog. Konvenienzheirat, die Prinzeſſin, fünf Fahre älter ala er, und zudem erfüllte noch eine aufrichtige Jugend— liebe zu einer jchönen Markgräflerin das Herz des jungen Mark— grafen. Die Markgräfin Karoline Luife war aber eine hochgebildete und reichbegabte Dame, und nach furzer Zeit trat an die Stelle der anfänglichen Kälte eine jo warme und innige gegenfeitige Anhänglich- keit und Xiebe, dab die Ehe ein wahres Mufterbild auf mwechjelfeitige Treue und Achtung und gemeinfames Streben für das Wohl de3 Landes gegründeten ehelichen Glüdes wurde.

Die Markgräfin liebte und übte die Künfte der Malerei und Mufit, war eine verftändnisvolle Freundin der Naturgejchichte, be— jonder3 der Botanik und Mineralogie, fie verjtand neue und alte Sprachen, las lateinijche und griechifche Klaſſiker, legte ein Naturalien- und Kunftlabinet, ſowie eine eigene Bücherſammlung an, und zeigte ein reges Interefje für Imduftrie und Landbau. Die Krappmühle in Größingen wurde durch fie angelegt, und ein Gut bei Killisfeld von ihr bewirtjchaftet, in welchem fie ein großes Gehege von Kaninchen unterhielt. (Kaninchen heißen auch Kielhaſen, daher der Name Killisfeld.)

Daß ihre künſtleriſchen Beſtrebungen auch im Ausland Aner- kennung fanden, erhellt daraus, das die italienische Academia degli Arti und die däniſche Bildhauer- und Bauafademie 1763 fie zu ihrem Mitglied ernannten. Ste bejaß aber auch eine warme Liebe zur deutich-vaterländifchen Literatur und war dabei ſchlicht und einfach in ihrem Wejen, geordnet und häuslich in dem Kreiſe ihres Hauſes und ihrer Familie und eine Wohlthäterin der Armen. Groß war daher auch der Genuß und Nuben, den ihr eine in Gemeinschaft mit ihrem Gemahl nach England und fpäter nach Holland unternommene Reife bot, weil fie dadurch reiche Gelegenheit fand, fich in Sammlungen und Gallerien nach Herzenslujt umzuſehen. Desgleichen brachte ihr auch eine mit ihm nach Dresden und Meißen ausgeführte Reife eben- joviel Vergnügen als Gewinn. 1765 führte fie eine gemeinjchaftliche Reife abermals nach Amfterdam, wo fie namentlich Studien in der Blumenzucht machte, und 1767 nach Norddeutichland. 1770 begrüßte der Markgraf ſammt feiner Gemahlin in Emmendingen die nad)

Frankreich reiſende Braut Ludwig XVI., Marie Antoinette, und be— wirtete fie mit einem Frühſtück, und das Jahr darauf reiste ber Markgraf als Graf von Eberftein mit feiner Gemahlin, feinem Bru- der Wilhelm Qudwig und jeinen drei Söhnen nach Frankreich, wo fie bei Hof die beſte Aufnahme fanden.

Im Frühjahr 1783 reiste die Markgräfin mit ihrem Sohne Friedrich nach Paris, teils, um ihre wankende Gefundheit durch eine Zuftveränderung zu ftärken, teil von ihrer Liebe zu Kunft und Wiffenichaft geleitet. Hier wurde fie nach einem Theaterbeſuch vom Schlag gerührt und ftarb am 8. April 1783 in den Armen ihres Sohnes.

Auf die Nachricht von ihrer Erkrankung reiste Karl Friedrich fogleih ab, aber jchon in Nancy erreichte ihn die Nachricht von ihrem Tode. Er kehrte zurüd, Staatsminifter von Edelsheim holte den Leichnam in Paris ab und brachte ihn hieher, von wo er am 18. April 1783 in die Gruft nach Pforzheim verbracht wurde.

Anläßlich dieſes Leichentransportes verzichtete der König von Frankreich auf das jog. droit d’aubaine, nach welchem dem Landes- herrn die geſammte Hinterlafjenjchaft eines im Lande geftorbenen fremden, oder doch eine bedeutende Abgabe davon zufiel.

Tief betrübt über diefen Verluft zog ſich Karl Friedrich nach der Einjamkeit feiner Meierei Stutenjee zurüd, wo Geheimrat Schloßer von Emmendingen längere Beit bei ihm zubrachte, dann nach Langen- fteinbach, wo Lavater ihn aufjuchte.

Vier Jahre lang mwährte feine tiefe Trauer um die Verftorbene.

Im Jahr 1787, den 24. November vermählte er fich mit einer frühern Hofdame feiner Gemahlin, Luiſe Karoline Geyer von Geyers— berg, geb. am 26. Mai 1768, welche einer jchon länger in mark- gräffichen Dienften ftehenden Familie angehörte. + 23. IoL 181

1772 ftarb nemlich in jeinem Haufe in der Waldgaffe der Dberftleutnant und Kammerjunker Freiherr Ludwig Geyer von Gey— eräberg, der Sohn des Oberjägermeifterd von Geyer. Der verftorbene Dberftleutnant hinterließ eine Wittwe Marimiliane Chriftiane, und eine Tochter Quije Karoline, deren VBormund, da fie in Dur- lach wohnten, der dortige Stadtpfarrer Gerwig war.

Die ökonomischen Verhältniffe der Familie waren keine glänzenden Doh erhielt Luiſe Karoline aus dem Nachlaß ihrer Großmutter mütterlicher Seits, einer Gräfin von Sponed eine goldene Denkmünze,

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fünf Dufaten ſchwer, ſechs filberne Leuchter, eine filberne Zuckerbüchſe, fünf Kaffeelöffel & 1 fl. 6 kr., einen Theefeiher, ein Petſchaft, ein Paar goldene Bracelets, ein Etui, eine Nadelbüchje von Bernftein, ein Diamantkreuz mit Brillanten, einen goldenen Ring mit einem Rubin und zwei Diamanten, einen Vorleglöffel, ein filbernes Salz- büchächen, vier alte Löffel & 1 fl. 4 kr., brei Gabeln & 1 fl., drei Mefler & 1 fl. 4 kr., ein Baar falſche NRofetten, ein filberbeichlagenes Bopftüchlein, zwei Ellen filberweiße Band, filberne Bädlein, eine Budertlamme.

Als Hofdame in Karlsruhe hatte fie den Hofjägermeifter von Geufau zum Pfleger.

1796 im Mai wurde fie als Gemahlin ded Markgrafen zur Neichagräfin von Hochberg erhoben.

Un ihr hatte Karl Friedrich eine treffliche Gattin, eine ver« ftändnisvolle Helferin feiner menjchenfreundlichen Wirkſamkeit, eine treue Mutter feiner Kinder, und bei wachjender Laft der Jahre eine gewifjenhafte Pflegerin feines Alter? gefunden. Wegen ihres allzeit heitern Sinne nannte fie Karl Friedrich ſelbſt Madame de Sanssouci.

Die Kinder Karl Friedrichs waren:

A. - erfter Ehe:

1. Karl Ludwig, Erbprinz, geb. 14. Februar 1755, vermählt den 15. Juli 1774 mit der am 30. Juni 1754 geborenen Amalie Friederile von Heflen-Darmftadt. Er ftarb 1801 den 16. Dezember, fie den 21. Juli 1832,

2. Friedrich, geb. den 29. Auguft 1756, geſt. den 28. Mai 1817, vermählt den 10. Dezember 1791 mit Ehriftine Luife von Nafjau-Ufingen, geb. den 16. Auguft 1776, geit. den 19. Februar 1829,

3. Ludwig Wilhelm Auguft, Großherzog, geb. den 9. fer bruar 1763, geft. den 30. März 1830,

4. Zuije Karoline, geb. den 8. Januar 1767, geft. den 11. Januar 1767.

B. Aus zweiter Ehe:

1. Karl Leopold Friedrich, Großherzog, geb. den 29. Auguft 1790, geft. den 24. April 1852, vermählt den 25. Juli 1819 mit Sophie Wilhelmine Brinzeifin von Schweden, geb. den 21. Mai 1801, geft. den 6. Juli 1865.

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2. Wilhelm Ludwig Yuguft, Großherzoglicher Prinz und Markgraf, geb. den 8. April 1792, geft. den 11. Of tober 1859, vermählt den 16. Oftober 1830 mit Elifabeth von Würtemberg, geb. den 27. Februar 1802, geit. den 5. Dezember 1864, i

3. Amalie Ehriftine Karoline, geb. den 26. Januar 1795, vermählt den 19. April 1818 mit Karl Egon Fürft von Fürftenberg, gejt. den 22. Dftober 1854,

4. Marimilian Friedrich Exrnft, Großberzogl. Prinz und Markgraf, General der Kavallerie, geb. den 8. De zember 1796 in Falkenhaus, geft. in Karlsruhe den 6. März 1882, in der Stadtkirche beigejeßt den 13. März.

Wir haben uns hier zuerft mit dem zweiten Sohne Karl Frie— drich®, dem Markgraf Friedrich, zu beichäftigen, weil berjelbe finderlos blieb, und jo von keinem Einfluß auf die weitere Entwidlung de3 markgräflichen Hauſes war. Er mar, obwohl zart gebaut, doch gejund und Tebhaften Geiftes. Er hing mit zärtlicher Liebe an feiner Mutter, trug diejelbe einſt bei einem blinden Feuerlärm durch das Gedränge aus dem Theater, fo dak Karl Friedrich von ihm fagte: Fritz hat feine Mutter gerettet. Daß fie 1783 in Paris in jeinen Armen ftarb, haben wir oben bereit3 berichtet. Schon mit 10 Jahren wurde er Kreisoberſt und niederländijcher Oberft, natürlich) nur dem Namen nah. 1785 auf einer Dienftreije nach Holland erkrankt und durch den ihm nachgejendeten Geheimrat Schridel geheilt, kehrte er nad Karlsruhe zurück, bejuchte 1786 und 87 das Bad Teinach, und vermählte ſich 1791 mit Ehriftine Luiſe von Naffau = Ufingen. Auch 1793 im Mai begab er fi, nunmehr bolländiicher General- major, mit dem Rittmeifter Medikus und dem Bereiter Hierthes nach Holland, wo der badische Oberſt von Geuſau ein Regiment komman— dirte, und fehrte im September 1793 wieder in die Heimat zurüd.

Markgraf Friedrich war, wie wir gejehen, die wenigfte Zeit in Holland bei feiner Truppe. Er hatte in der Heimat ein Arbeitsfeld, das jeinem ganzen Wejen befjer zujagte, als der Kriegsdienſt. Sein Geld war das der Menjchenfreundlichkeit, der Sorge für Arme und Notleidende. Selbjt einfach, zurüdgezogen lebend und ein Feind von allem Luxus, war er freigebig, wo e3 galt, Andern zu helfen, jo daß er in dem Notjahr 1816—17 nahezu 36000 fl. an Korn und Kar-

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toffeln für die Dörfer der Hardt verwendete. Doch gab er ftet3 mit weilem Vorbedacht und jorgfältiger Prüfung der Verhältniffe. Er that wohl im Stillen, wollte nicht den Dank der Unterjtüßten, noch den Ruhm öffentlicher Zobpreifungen ernten, und er, jomwie feine Ge- mahlin waren im perjönlichen Umgang mit Andern jo freundlich und liebenswürdig, daß fein Biograph Gehres in jeiner Kleinen Chronik von Durlad II. ©. 222 jagt: „Nicht der Fürſt grüßte, fragte, ſprach, jondern der Menſch.“ Kurz vor feinem Tode jprach er zu jeiner Gemahlin: „Du fiebft, was ich zu thun wünsche, Tann ich's nicht vollbringen, jo vollende Du e3.“

Bon dem Februar 1793 an bewohnte er die Karlaburg in Durlach, jeit 1798 auch zu Zeiten das von Karl Friedrich ihm geichentte Schloß Neueberftein im Murgthal, bis die Karlaburg in Durlach 1809 zum Sit des Kreisdireftoriums bejtimmt wurde. Von da an wohnte er in Karlsruhe in feinem aus drei Käufern bejtehenden Palais an der Karl-Friedrichitraße und dem Rondell, jet Landes— gewerbehalle, Schuler und Kölle. Gr ftarb hier, noch auf jeinem Zotenbette von Großherzog Karl teilnehmend bejucht, den 28. Mai 1817, ohne Kinder zu binterlafjen. Sein ziemlich bedeutendes Landgut in Karlsruhe, in der Nähe des Karlsthors, wurde zum Zeil jchon durch ihn, bejonders aber durch feine Wittwe zu ſchönen Gartenan- lagen mit einem Gartenhaus umgebaut, an defjen Bortal die Injchrift ftand: „Der Erinnerung heilig! MDCCCXVI.“

Wir kehren nun zu den andern Mitgliedern der fürjtlichen Familie zurüd.

Die Wirkſamkeit des dritten Sohnes Karl Friedrich's, des jpätern Großherzog Ludwig, fällt in die dritte Periode unjerer Geſchichte.

Der älteſte dagegen, der Erbprinz Karl Ludwig, geb. 14. Februar 1755, gehört unferer gegenwärtigen Schilderung an. Derjelbe wurde 1766 mit feinem jüngern Bruder Friedrich "zum Oberſt des ſchwäbiſchen Kreijes ernannt. Nach der Vollendung feines 18. Jahres, im Jahre 1773, wurde er am 21. Dftober durch feinen Bater erftmals in das Geheimratzkollegium eingeführt, an deſſen Beratungen er von da an regelmäßig Anteil nahm.

Aus feiner glüdlichen Ehe mit Prinzeſſin Amalie Friederike von Heflen wurden geboren:

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1. Katharine Amalie Ehriftine Luiſe, geb. 13. Juli 1776. Da deren Vermählung mit dem Erzherzog Jofef von Defter- reich beabfichtigt war, aber nicht zuftande kam, wurde fie Katharinenordensdame in Quedlinburg und ftarb den 26. Oktober 1823.

2. Sriederie Karoline Wilhelmine, Zwillingsſchweſter der Vorigen, vermäblt den 9. März 1797 mit Marimilian Jo— jef von Pfalz-Zweibrüden, 1799 Königin von Baiern, ftarb den 13. November 1841;

3. Luiſe Maria Augufta, geb. 24. Ianuar 1779, geft. 16. Mai 1826, vermählt den 20. Mai 1794 ala Eliſabeth Alexiewna mit dem Großfürften, nachmaligen Kaifer Aleran- der I. von Rußland, geb. 23. März 1777, geft. 1. Dezem- ber 1825;

4. Friederike Dorothea Wilhelmine, geb. 12. März 1781, geit. 25. Dezember 1826, vermählt 5. Dftober 1796 mit Guſtav IV. König von Schweden, welcher 1809 vertrieben, 1812 von jeiner Gemahlin gerichtlich gejchieden, 1837 im St. Gallen ftarb;

5. Marie Eliſabeth Wilhelmine, geb. 7. September 1782, geft. 21. April 1808 im Bruchjal, vermählt den 1. Novem- ber 1802 mit Herzog Friedrich Wilhelm von Braunjchweig, welcher durch Napoleon fein Herzogtum verlor, und den 16. Juni 1815 bei Quatrebras fiel; |

6. Karl Friedrich, geb. 13. September 1784, geft. 1. März ‘1785;

7. Karl Ludwig Friedrih, Großherzog, geb. 8. Juni 1786, geft. 8. Dezember 1818, vermählt 7. April 1806 mit Ste- phanie Luife Adrienne Beauharnais, geb. 28. Aug. 1789, geft. 29. Januar 1860 in Nizza;

8. Wilhelmine Luife, geb. 10. September 1788, gejt. 27. Januar 1836, vermählt 19. Juni 1804 mit Erbprinz, jpäter Großherzog Ludwig II. von Hefjen-Darmftadt, geb. 26. De- zember 1777, geit. 16. Juni 1848.

Aber mitten aus dem Kreife diefer aufblühenden Familie, aus dem Kreife zum großen Teil glücklich verheirateter Kinder, von der Seite eines heranwachjenden Sohnes? und eines alternden Baters, riß der Tod den Erbprinzen Karl Ludwig, mwelder am 16. De-

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zember 1801 infolge eines Sturzes feines Wagens zu Wrboga in Schweden, auf einer Reife, welche er zum Beſuch feiner beiden Töchter, der Kaiferin von Rußland und der Königin von Schweden, unter- nommen hatte. Schwer traf diejer Schlag den alten Bater, der feine fchönften Hoffnungen auf die Zukunft im der Perſon des ihm an Geift und Charakter fo ähnlichen, veichbegabten Sohnes und künftigen Nachfolgers gebaut hatte.

Acht Wochen nach dem Todestage, am 15. Februar 1802, kam die Kapſel mit dem Herzen des Verftorbenen, von dem jchwedijchen Oberſt Borgenftierna geleitet, bier an und wurde in Pforzheim den Ueberreften jeiner Vorfahren beigefellt, jowie der anfangs in Stod- holm beigefette Leichnam den 2. Juni ebenfalls nach Pforzheim ver- bracht wurde.

Es würde zu mweit führen und die Grenzen einer Gefchichte der Refidenz überfchreiten, wenn wir alles das aufzählen wollten, was Karl Friedrih in dem Zeitraum feiner fünfundfechzigjährigen, ſegens⸗ reichen Regierung für Volt und Land gethan hat.

Sein Leben und Wirken ift von ältern und neuern Schriftftellern, wie Drais, Schödhlin, von Weech, Kleinſchmidt u. A. eingehend dar- geftellt worden, und feine Wirkſamkeit im Einzelnen wird in den jpeziellen Abſchnitten unferer Darftellung ohnedies ihre Behandlung finden, wir befchränten uns daher hier nur auf Weniges.

Seine jeden Mittwoch von 8 bis 10 Uhr erteilten, jedermann zugänglichen, bejonder3 auch von Landleuten benußten Audienzen, feine regelmäßig am Montag und Donnerftag ftattfindende Teilnahme an den Beratungen feines Geheimrates, ſowie öfter8 auch an denen der Rentlammer, fein frommer Hirchlicher Sinn, welcher fich durch regelmäßige Teilnahme an Gottesdienft und Abendmahl äußerte, feine wiſſenſchaftliche Bildung, welche ihn befähigte, Tateinifche, griechiiche, franzöſiſche, englische und italienijche Schriftfteller zu Iefen, fein Auf- treten als ftaat3wirtjchaftlicher Schriftfteller, fein lebhaftes Intereffe für alle wiſſenſchaftlichen, gewerblichen und politiichen Beſtrebungen feiner Zeit, haben ihm mit vollem Recht von dem nicht gerade zur Schmeichelei angelegten Klopftod den Beinamen des „Weilen unter den Fürſten“ eingetragen, und, ungeachtet der Kleinheit feines Landes und feiner Macht, ftand er doch bei allen Mächtigen feiner Beit in hoher Achtung und großem Anſehen. Ein Zeugnis feiner richtigen An- Ihauung der Dinge gibt eine Aeußerung über fich felbit und ben

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Herzog Karl von Würtemberg: „Diefer thue alles, um fein Land zu Grunde zu richten, er felbjt alles, um e3 empor zu bringen, und feiner von Beiden erreiche feinen Zweck.“

Am 28. Januar 1765 wurde nach längern Verhandlungen der Erbvertrag mit Baden-Baden abgeichlofien.

Bon jeiten Baden» Durlach3 wurde derjelbe unterzeichnet von Karl Friedrich, feinem Bruder Wilhelm Ludwig, feinen Großoheimen Karl Auguft, Eugen und Chriftoph, den Geheimräten und Räten Fr. Emich von Uexküll, Reinh. von Gemmigen, 3. 3. Reinhard, Aug. Joh. von Hahn, Günther Albert Renz, Gg. Ernſt Ludwig Preuſchen, von jeiten Baden -Badens durch Auguft Georg, Mart- graf zu Baden, Eliſabeth, Markgräfin zu Baden, die Tante des Markgrafen, Ludwig von Gellahan und Alerius Baron von Baloreille, Beiftänden der Prinzeifin, Loth. Freiherr von Geismar, Frobenius von Dürrheimb, Paul Urter, Geheimrat, und Franz Joſef Weißkirch, Geheimrat und Hofrat.

Den 21. Oktober 1771 ſtarb Markgraf Auguft Georg von Baden in Raftatt, und am nämlichen Tage erließ der nunmehrige Erbe Karl Friedrich fein allgemeines Antrittspatent und fpezielle Belanntmachungen an einzelne Bezirke und Orte.

Wenige Tage vor dem vorausgejehenen Tode des Markgrafen Auguft Georg war, mit Einwilligung der Baden-Badiichen Regierung, etwas Militär in Baden-Badiſche Drte, jo 120 Mann in bas Mablberg’iche, 60 nach Eberftein, 26 nach dem Staufenberg’jchen und 26 nach Kehl eingerüdt, um Unordnungen zu verhüten, da eine namhafte Partei, insbejondere die Markgräfin Maria Viktoria und bie Geiftlichleit, welche dort in Händen der Jeſuiten war, jowie der Bilchof von Bruchlal, den Anfall an Baden-Durladh nur ungern jaben, und der Großoheim Karl Friedrichs, Markgraf Eugen, welcher katholisch geworben war, fich bemühte, durch eine beabfichtigte Ver— mäblung mit der 46 Jahre alten Prinzeſſin Elifabeth den Anfall an das evangeliche Baden-Durlach zu hintertreiben.

An dem Todestage jelbit ging Karl Friedrich mit feinem Bruder Wilhelm Ludwig nach Raftatt, um Beileidsbeſuche zu machen und die dortigen höhern Beamten in Pflicht zu nehmen, wobei bei feinem Weggang aus Raſtatt aus dem Biarijtenklofter geſchoſſen wurde. Grund und Urheber des Schufjes wurden nicht ermittelt. Won den Raftatter Räten waren Arter und Gulat von Wellenburg Gegner

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des Erbanfall® an Karl Friedrich, Dürheimb aber dafür. Friedrich der Große begünftigte unfern Markgrafen in feinem Rechte. Nach einigen Bedenken, ob nicht der Regierungsfig nach Raftatt zu ver- legen ſei, wurde Hof und Regierung daſelbſt aufgehoben, viele Beamten blieben in ihren Stellen, andere wurden nad Karlsruhe verfegt. Ein langmwieriger Prozeß mit der alten Markgräfin und dem Bilchof, bejonder8 auch mit der aufgehegten Gemeinde Baden, um Aufftellung bejonderer Auffichtsbehörden zur Wahrung der Rechte der Katholiken, zog ſich bis in die 80er Jahre und endete zu Gunften Karl Friedrichs.

Als diefe obere Markgrafichaft Baden an Baden - Durlach fiel, hatte dieſes letztere 29'/, Geviertmeilen mit 98414 Einwohnern. Durch den Erbanfall erhielt es das Dberamt Raftatt, die Aemter Baden, Ettlingen, Steinbach, Bühl, Stollhofen, Kehl, die Grafichaft Eberjtein mit Frauenalb, die Herrichaften Staufenberg und Mahlberg, die jenſeitsrheiniſche Grafſchaft Sponheim und, unter Luxemburgiſcher Oberhoheit, die Herrichaften Rodemachern und Hespringen, zuſammen 51", QDuadratmeilen mit 196760 Einwohnern. Die baden=badifche Landvogtei Ortenau, wohin fich Geheimrat Arter begeben hatte, fiel an Deftreich, die großen böhmischen Befigungen, welche der vorletzte badiſche Markgraf durch jeine Heirat mit einer Prinzeffin von Schwarzenberg erworben hatte, an das leßtere Haus zurüd. Aus Anlaß diefes Länderzumachjes chrieb Karl Friedrich in einem Briefe:

„Es wolle nur die göttliche Gnade mir die nötige Stärke und Klugheit geben, um meine alten und neuen Unterthanen jo glücdlich zu machen, als ich es wünſchte, und fo würde ich es auch fein; vornehmlich aber, daß ich unter den verjchiedenen Religionen den Geift der Eintracht und brüderlichen Verträglichkeit möge herrichen jehen. Ich werbe nichts verfäumen, um ihnen denjelben einzuflößen und ihnen mit meinen Beifpiel vorzugehen, und ich fchmeichle mir, daß ichon wirklich die Katholiken ebenfoviel Zutrauen in mich jegen, als die Proteftanten. Gewiß ift es wenigſtens, daß ich fie als meine geliebten Kinder betrachte und nichts jo jehr verlange, ala Beweiſe davon zu geben.“

1777 den 9. April befuchte der nachmalige Kaiſer Joſeph II. unfere Stadt und den Markgrafen, und ftieg bei diefem Anlaß auf den Bleiturm bes Schlofies.

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Den 23. Juli 1783 erjchien die fürftliche Erklärung, in welcher er die Leibeigenſchaft in feinem Lande aufhob, und welche zwar unfere Stadt, wo diejelbe von Anfang an nicht beftanden hatte, nicht unmittelbar berührte, abet doch, nachdem 1752 die Brivilegienzeit aufgehört hatte, auch der Refidenz und ihren Einwohnern in mancher Beziehung zu gut kam. Wir können e3 uns übrigens nicht verfagen, bier den Schluß feiner Antwort auf die Dankadreſſe des Volkes wörtlich wiederzugeben ; derjelbe lautet: „Seid fleißig, feid tapfer, liebet euer Vaterland, jeid fparfam ohne Geiz, gibt euch Gott Reich- tum, fo verjchwendet ihn nicht in Ueppigkeit, Lafjet den ſchon einge- jchlichenen Luxus nicht weiter einreißen; er jchadet euch mehr dadurch, daß er die Sitten verderbt, als dadurch, daß er der Habe wehe thut. Seid Tieber tugendhaft und arm, als lafterhaft und reich. Erziehet eure Kinder zur Tugend, lafjet fie wahrhaft fein und Lügen haſſen, gehet ihnen mit gutem Beifpiel voran, es ift hohe Pflicht, Gott fordert es von euch. Ihr jeid es euren Kindern, euch jelbft, eurem Baterland ſchuldig; fie find der Segen eures Haufes, die Stüßen eures Alters, die Stärke des Staates, wenn fie die Tugend, Religion und Ehre fennen.“

1783 hatte Minifter von Edelaheim den Plan zu einem Fürften- bund gegen die drohenden Mebergriffe Deftreichd in Hinficht auf Baiern und Würtemberg entworfen, und als ein folcher zuftande kam, trat ihm Karl Friedrich 1786 bei.

Der Frieden von Lineville im Jahr 1801 nahm ihm zwar feine Befigungen auf dem Iinfen Rheinufer, aber durch den Reichs— deputationshauptichluß vom 25. Februar 1803 erhielt er, nebſt dem Kurfürftentitel, das Bistum Konftanz, diefjeitige Teile der Bistümer Bafel, Speier und Straßburg, die pfälzifchen Aemter Ladenburg, Bretten und Heidelberg mit den Städten Heidelberg und Mannheim, die Herrfchaften Lahr und Hanau-Lichtenberg, die Abteien Schwarzach, Frauenalb, Allerheiligen, Lichtenthal, Gengenbach, Ettenheimmünfter, Petershauſen, Reichenau, Deningen, Salem, die Probftei Odenheim, die Reichsſtädte Weberlingen, Pfullendorf, Offenburg, Gengenbach, Bell am Harmersbach und das zugehörige Thal, jo daß fein Land jet 122 Quadratmeilen mit 434000 Einwohnern, nemlich 51 /, Katholiten, 37%, Lutheraner, 9%, Reformirte und 1°, Juden umfaßte.

Den 8. Mai 1803 fand hier die feierliche Verkündigung ber

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Kurwürde ftatt. Die Tagesfeier wurde mit 100 Kanonenſchüſſen eröffnet, Choräle ertönten von den Türmen und Muſik zog durch die Straßen. Um 8 Uhr zogen die Truppen zur Wachparade und Huldigung auf, es erfolgten zahlreiche Ordengernennungen, insbeſondere auch von Rit- tern des Fidelitasordens. In der Schloßkirche hielt Hofprediger Walz die Feftpredigt, im Schloffe war Gallatafel, und abends prangte Karlsruhe in fetlicher Beleuchtung. Aehnliche Feierlichkeiten fanden im ganzen Lande ftatt.

Im September 1802 waren Truppen nah Mannheim, Hei- delberg, Schweßingen, Eppingen, Bretten, Weinheim, Bruchjal und in den Seekreis gegangen, um die angefallenen Provinzen zu be- jeßen, und den 2. Juni 1803 begab fich der Markgraf ſelbſt nach Mannheim, wo am 7. Juni die Huldigung ftattfand. 1803 den 22. März hatte er mit dem Bifchof Wilderich von Bruchjal einen Bertrag abgejchloffen, nad) welchem diefer 44 000 fl. Jahresgehalt, das Schloß Waghäufel, mebit einer Wohnung in dem Bruchſaler Schloß auf Lebenszeit erhielt, der Domſchatz, die Pretiofen und Archive aber an Baden übergingen. Daß bei den Konferenzverhand- (ungen, welche 1801 in Paris auch als Worberatung zu den Baden betreffenden Beftimmungen vor ſich gingen, auch das liebe Geld ein mitwirfender Faktor war, beweist der Umftand, daß die badifchen Minifter von Edelsheim und von Neizenftein, welche an den Kon» ferenzen teilnahmen, 6000 Louisdor ala Geſchenk an den franzöfifchen Minifter und 4000 Louisdor für eine Dofe an den ruffischen Staatsrat Bühler in Rechnung zu bringen hatten.

1803 im Oftober hatte der Markgraf Gäfte und beichloß, für diefelben ein Ländliches Feſt zu veranftalten.

Am 6. Oktober um 11 Uhr fuhren in fürftlichen Wägen von Karlaruhe nach Durlach Guſtav Adolf IV., König von Schweden, und jeine Gemahlin Friederife von Baden, Karl Friedrich und die Kurfürftin Karoline von Pfalz-Baiern, der Kurprinz Karl von Baden, die Markgräfin, Wittwe des Erbprinzen Karl Ludwig von Baben, Herzog Wilhelm von Braunfchweig mit Gemahlin, Markgraf Friedrich von Baden mit Gemahlin, Brinzeffin Wilhelmine von Baden, Prinz Ehriftian von Heflen-Darmftadt, nebft dem Hofjtaat. Durch Durlach ging die Fahrt nach der Auguftenburg bei Grögingen. Der Marl- graf wollte feinen Gäften, melche eigentlich alle zu feiner Familie gehörten, ein Tändliches Herbitfeft bereiten. Es ging in die nahen

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Weinberge. Zwölf Durlacher und Gröginger Mädchen in verichiedenen Landestrachten bejorgen die Weinlefe, Buttenträger jchaffen die Trauben zur Kelter, wo von dem fofort gepreßten Süßen Guftav Adolf das erfte Glas verkoftet. Nach gethaner Arbeit lagern fich die Winzerinnen zum ländlichen Herbitmahl auf dem Raſen, Käje, Brot und Wein laben die Arbeiter und Arbeiterinnen, und nach genommener Mahlzeit drehen fich die Pärchen auf dem Raſen in luftigen Reigen. Als es Abend geworden, kehrten die fürftlichen Gäfte vergnügt in die Re- ſidenz zurüd.

Bon Kriegsereignijjen aus diefer Zeit haben wir Fol- gende3 zu berichten:

In dem öftreichiichen Erbfolgefrieg, jowie in dem erſten jchlefiichen Krieg war Baden unter der Regentichaft neutral geblieben, obwohl 1744 im Sommer Deftreicher und Franzoſen durch das Land zogen, und vom Auguft bi3 Mitte September franzöfiiche Weiter, bier in Karlsruhe im Quartier lagen. Doch wurde das Land nicht gerade als FFeindesland behandelt.

In dem jährigen Krieg aber ftellte als reichötreuer Fürft Karl Friedrich für Deftreich jein Kontingent zur Reichsarmee, 1757 marjchirte das Regiment Baden-Durlah unter Karl Auguft gegen Preußen, da aber diejer Krieg mehr und mehr als ein die Broteftanten bedrobender Religionskrieg angejehen wurde, jo brach unterwegs Derjertion und Meuterei aus, und nur die beiden Grenadierfompagnien hielten treu zur Fahne. Daß übrigens das Reichsheer in diejem Kriege keine Rorbeeren erntete, ift bekannt. Karl Friedrich, obwohl auf der Seite Deſtreichs, war dennoch gegen die Ausführung jtrenger Reichsmandate, namentlich gegen die Achtserflärung des Königs von Preußen, und ala 1763 der Krieg zu Ende ging, war jein Land von demjelben äußerlich unberührt geblieben. Schlimmer erging es demjelben in dem 1792 ausgebrochenen franzöfiichen Revolutionskriege.

Am Juli 1792 hatte ſich Edelsheim, der badiſche Staatsminifter, in Mainz mit dem Kaifer und dem König von Preußen wegen Maß— regeln zur Verteidigung des Rheines beiprochen.

Karl Friedrih mußte 6000 Mann zum Reichsheere Stellen.

Den 16. Mai, auf die Nachricht von einem Angriff der Fran— zojen bei Fortlouis, eilte der 74jährige Markgraf mit 1000 Mann dorthin, kehrte aber bald zurüd. Im demjelben Monat zogen 700 Deftreicher unter Hobenlohe-Bartenftein, den 20. General Wurmſer hier

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durch, den 17., 18., 23. Juni abermals öftreichiiche Truppen, den 8. Juli Kroaten, welch letztere außerhalb der Stadt vorüberzogen.

Im Auguft zogen 600 Mann Emigranten unter Condé durch Karlsruhe, und obgleich diejer mit Zuftimmung des üftreichiichen Generals Eſterhazy Geſchütze von Baden forderte, entiprad Karl Friedrich diefem Verlangen nicht.

Den 28. Auguft fam der König von Preußen, Friedrich Wil- beim II., den 11.—12. September defien Söhne Friedrih Wilhelm und Ludwig bier durch, um fich zum Heere zu begeben. Am Abend des 11. wurde im Theater zu Ehren derjelben ein großer Masken— ball abgehalten.

Im Oktober 1792 folgte ein Franzoſenlärm auf den andern, die Karlsruher flüchteten vielfah, während in andern Landesteilen Gerüchte von einer Revolution in Karlsruhe jelbft umberliefen, auch im Anfang des Jahres 1793 ging das Gerede umher, es habe fich in Durlach ein Revolutionskfub mit ſchon 5000 Anhängern gebildet.

Den 22. April 1793 reiste der damalige franzöfifche Botſchafter in Wien, General Bernadotte, hier durch.

Im Juli 1793 Tagerte die öftreichiiche Armee in unjerer Nähe, da3 Hauptquartier derjelben unter Erzherzog Karl lag in Rüppurr. Viele Verwundete und Genejende der Armee Wurmfer’3, welcher im untern Eljaß ftand, wurden in Öffentlichen und Privathäuſern unter- gebracht, jo daß man allgemein die Verbreitung von Krankheiten be- fürchtete.

Als die Lauterburger Linien am 14. Oktober 1793 erftürmt worden waren, wurde diejer Sieg des deutjchen Heeres in Karlarube mit Glodengeläute und Kirchgang gefeiert, und in demjelben Monate erichien bier ein englijcher Kommiſſär wegen der Ueberlaffung eines badischen Bataillong mit Artillerie in englischen Dienft, welches Ba- taillon auch am 29. Ditober, 754 Mann ftark, abmarſchirte. Im demjelben ftanden Dberft von Freyſtedt, Major von Ed, Haupt- mann von Göler, von Stetten und von Biedenfeld, Oberleutnant Götz, von Eyb, von Münchingen, von Künsberg, von Bothmer, Leutnant von Gültlingen, von Stodhorn, Graf von Sponed, von Neubronn, von Epdorf, von Beuft und 1794 Leutnant von Reifchach und von Brandt. Die Artillerie mit zwei Gejchügen führte Ober- leutnant Müller.

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Bon dem daraus bezogenen engliichen Gelb behielt aber Karl Friedrich nichts für fich, fondern verwendete alles zum Beften des Landes.

1794 hatten die Franzoſen noch feinen definitiven Webergang über den Rhein bewerkftelligt, es war ein Reichsbefehl ergangen, alle Kreistontingente vollzählig zu machen, die Reichstruppen um 4000 Mann zu vermehren, die Landmiliz des ſchwäbiſchen Kreiſes auf 40000 Mann zu bringen, alle waffenfähige Manuſchaft von 18 bis 50 Fahren zu bewaffnen und mit Pulver, Blei und Brot für einige Tage zu verjehen. In Folge defjen ftellte das Aufgebot des badischen Unterlandes 9000 Mann, des Dberlandes 6000 Mann, der Städte 1700 Mann unter die Waffen, und Deftreicher und Reichstruppen bejegten den Rhein von Mannheim bis Bafel.

1795, den 4. Juni, kam das in englifchem Sold geftandene badijche Grenadierbataillon mit den zwei Gejchügen wieder bier an, nachdem von feinen Offizieren der Kommandant von FFreiftedt vorher frank hierher zurüdgelommen, von Beuft in Gefangenfchaft geraten, von Göler im Lazaret geftorben war, und das Bataillon 149 Mann teild im Feld und Lazaret, teil durch Dejertion verloren hatte.

Nachdem Preußen, die Unmöglichkeit eines erfolgreichen, einheit- lichen Kampfes im Verein mit Deftreich erfennend, den 5. April 1795 in Baſel Frieden gejchloffen, wurde der Krieg 1796 durch Deftreich, Rußland und England gegen Frankreich fortgejegt.

Schon den 22. September 1795 hatte Karl Friedrich die wich— tigften Teile des Archivs nach Ulm geflüchtet; er felbft und feine Hamilie famen bald von Pforzheim, wohin fie fich begeben, wieder bierher zurüd. In diefem Jahre wurde in Karlsruhe die drüdende Duartierlaft dadurch etwas gemildert, daß auch die 188 bis dahin quartierfreien öffentlichen Diener dazu beigezogen wurden.

In dem Jahre 1796 begann der Krieg zugleich in Italien unter Bonaparte und am Unterrhein und Oberrhein unter Jourdan und Moreau. Für unfere Gegend kommt das Heer des letztern in Be— trat. Den 5. Juni war Erzherzog Karl zur vorläufigen Rekognos— zirung der Lage in der Gegend. Die längs des Rheine, in lang- gezogener Linie aufgejtellten 30—40 000 Mann Kreistruppen waren unfäbig, einem konzentrirten Angriff Widerjtand zu leiften.

Den 6. Juni begab fich daher Karl Friedrich von Stutenfee aus, wo er jich einige Wochen aufgehalten hatte, abermals mit feiner

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Familie hinweg, die Staatslaffenverwaltung (Landichreiberei) kam, nebft dem noch in Ulm befindlichen Archiv, nach dem neutralen preußijchen Ansbach, der Markgraf jelbft bezug mit feiner Familie das Schloß Faltenhaus bei Triesbach, in der Nähe von Ansbach. Kammerpräfident von Gayling führte, als fein Stellvertreter im Land, die laufenden Regierungsgejchäfte fort.

Bor jeiner Abreife hatte der Markgraf das Militär verabjchiedet, außer einem Kapitän, 2 Leutnanten, 14 Unteroffizieren, 4 Spiel leuten und 140 Mann vom Leibregiment, fowie einigen Gardiften und Hufaren, welche zur Bewachung des Schlofjes und der Staat3gebäude in Karlsruhe blieben. Den 3. Juli kam Erzherzog Karl hier durch nah Raftatt. Sein Hauptquartier nahm er in Mühlburg, Moreau hatte den 23. bis 24. Juni feinen Uebergang bei Kehl bewerkftelligt, ohne auf bejondern Widerftand zu ftoßen. Um 4. Juli ftehen die Franzoſen ſchon an der Murg, fiegen am 5. Juli bei Raftatt und am 6. Juli abends bejeßen fie diefe Stadt. Den 6. und 7. Juli rüden verfchiedene Abteilungen ſächſiſcher Truppen bier ein, welche vor- ber die Hardtdörfer bejeßt hatten, und der Zweck ihres Einrüdens, Karlsruhe vor der Plünderung durch die abziehenden Deftreicher zu jchügen, wurde immerhin annähernd erreicht. Das Hauptquartier der Deftreicher ftand immer noch in Rüppurr, und ihre Truppen bielten noch die Linie von Ettlingen über Durlach nach Bruchſal bejekt, nachdem fie am 9. Juli bei Maljch geichlagen worden waren. Den 11, Juli trieben die vordringenden Franzoſen unter Delmas die öftreichijche Nachhut aus Karlsruhe und Durlach, indem eine Kolonne derjelben durch das Ettlingerthor einrüdte und noch einige Schüfle mit den abziehenden Deftreichern wechſelte. Den 12. Juli blieb eine franzöfiiche Beſatzung unter General Frimont in der Stadt, wäh- rend die übrigen in das Pfinzthal meiterzogen, um die feit dem 11. Juli abziehenden Deftreicher zu verfolgen. Moreau felbft hatte in Baden fein Hauptquartier.

In Karlöruhe nahmen die Franzofen aus dem Jagdzeughaus und aus der fürftlichen Gewehrlammer Wägen und Gewehre mit.

In unjerm Karlsruhe lag nun das Hauptquartier diefes Teils der feindlichen Armee, die Generalität auf Stadtloften in dem rechten Flügel des Schloffes. Während die Umgegend viel Not durch fran- zöfiiche Blünderer zu Teiden hatte, wußte der zurüdgebliebene Minifter von Edelaheim, in defjen Haufe der Stadtlommmandant Quartier hatte,

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eine möglichfte Schonung der Stadt zu erwirken. Die Soldaten famen in Mafjenquartiere, u. a. in die Orangeriegebäude, aber durch die ftarke Einquartierung wurden die Lebensmittel jo teuer, daß man fie wohlfeiler aus dem Elſaß beziehen konnte.

Den 20. Juli erſchien der franzöfiiche Repräfentant Hausmann bier, gab aber den ihm aufwartenden Geheimräten wenig Troft. Vom 15. Juli an reisten Geheimrat Maler und der fpätere Obervogt von Lörrach, von Reizenftein, wiederholt von hier nach Baden, wo fie mit Moreau verhandelten. Den 20. Juli wurde dort mit Negnier, dem Generalftabschef des Obergenerals, ein vorläufiger Waffenftillftand vereinbart. Unterdeſſen war Moreau mit feiner Armee bi3 Stuttgart vorgedrungen, und auch dorthin folgte ihm von Weizenftein, welchem e3 gelang, den 25. Juli einen emdgiltigen Waffenftillftand abzujchließen, allerdings unter folgenden harten Bedingungen: 1. die badifchen Truppen ziehen fich von dem Heere der Verbündeten zurüd und fämpfen unter feiner Bedingung mehr gegen Frankreich; 2. die Fran- zojen erhalten in Baden freien Durchzug und Verpflegung ; 3. Baden zahlt zwei Millionen Franken Kriegskoften, und liefert 1000 Pferde, 500 Ochſen, 2500 Zentner Getreide, 12000 Säde Haber, 50 000 Bentner Heu und 25000 Baar Schuhe. Dagegen verpflichtet fi) Moreau, Durchzüge und Einquartierungen in Karlsruhe nach Möglichkeit zu verhüten. Den 22. Auguft wurde in Paris dieſer Waffenftillftand ala endgiltiger Friedensſchluß unterzeichnet, welchem gewiſſe Geheim- artifel angehängt waren, die ſich auf Badens künftige Stellung zum deutſchen Reiche, ſowie auf in Ausſicht geſtellte Vorteile und Ent⸗ ſchädigungen für die Markgrafſchaft bezogen.

Dieſer Krieg von 1796 hatte die Staatskaſſe an Kontributionen 916666 fl., an Naturallieferungen 685962 fl., die Gemeinden 360 321 fl. gefoftet.

Daß dabei auch alle linksrheiniſch-badiſchen Befigungen, wie Rodemachern, Heripringen, Sponheim, Grävenftein, Beinheim, Rhod, Kugenhaufen, die Aheininjeln und NRheinzölle an Frankreich abgetreten wurden, war bei der Lage der Verhältnifje unvermeidlich, trug aber jpäter dem Markgrafen anderweite Entjchädigungen ein.

Bon da an hatte Karlsruhe eine franzöfiiche Beſatzung, jo daß am 13. Auguft ein Karlsruher jchrieb: „In der Kettenallee (Schloß- plaß) ei e8 öde und einfam, wo jonjt Iuftige Mädchen, ſäßen jegt

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Franzoſen und reinigten fich von Ungeziefer. Es jeien wenige Offiziere bier, aber auch von diefen bielten die Schönen fich fern, und die wenigen Franzoſenfreunde jeien von den Badenern verachtet.“

Im September 1796 rüdten die Deftreicher, nachdem Moreau zum Rüdzug aus dem Innern Deutjchlands genötigt worden war, wieder gegen Karlsruhe und das Rheinthal vor, und Mittwoch, den 14. morgens, fand, von Durlach und von Mühlburg ber, ein Angriff derjelben auf das von den Franzoſen beſetzte Karlarube ftatt. Ein Karlsruher jchreibt darüber am 15. September einem Freund aus— wärts: „Obgleich ich wegen der jeit 24 Stunden geänderten Umftände nicht weiß, ob gegemmärtiger Brief geradezu mit der Poft abgehen könne, jo geb’ ich ihn doch auf Gerathewohl auf, um Ihnen und allen unfern Lieben zu jagen‘, daß wir Alle, Gottlob, gejund und wohl find, daß wir jeit gejtern Mittag keine franzöfiiche Beſatzung, aber auch feine Kaiferliche mehr haben, daß aber die Delogirung der Franzoſen uns ziemlich Schaden gemacht habe, da unjere Stadt mit Canonen, Haubigen und Kartätichen bejchoffen wurde, und das Plän— feln an dem Thor unferer Gegend, ſowie das Hin- und Hertreiben der beiden Bartheien, das wir Alles aus den Fenſtern mit anjehen fonnten, jehr groß war. Doc ift Alles ohne große Beichädigung der Häujer abgeloffen. Eine Hafnersfrau, die zum Fenſter hinaus- ihaute, wurde von einer Kugel getroffen und ftarb auf der Stelle, Advokat DiN befam eine Kugel in den Fuß, den er wohl verlieren wird. Mir flog, da ich in Spitalangelegenheiten über die lange Straße gehen mußte, eine Canonenkugel über den Kopf, doch die Vorjehung ihüßte mich. Die Kaiferlichen find heute Nacht jchon wieder weiter hinauf aufgebrochen, und heute marjchirt ein ſtarkes Korps über Ettlingen u. |. w.“ Dorthin nach Raftatt, Ettlingen und Grün wetteröbach zu hatten fich nemlich die Franzoſen zurüdgezogen. 4—5 andere Perſonen waren bier verwundet, tote und verwundete Soldaten beider Gegner lagen in den Straßen, auch wurden manche verftedte Franzoſen gefangen. Diefe nennt ein anderer Berichterftatter „Heine, ſchwarze Kerls, Grundeln.“

Aus der Zeit vom 6. Juli bis 14. September 1796 beſitzen wir noch ein von dem fürſtlichen Läufer Lanzer geführtes Tagebuch, aus welchem wir einige Einzelheiten mitteilen. Er beobachtete vielfach von der Höhe des Schloßturms aus, was um ihn her vorging. Er berichtet:

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„Den 10. Juli 8 Uhr Rüdzug der öftreichiichen Artillerie durch Karlsruhe mit 27 Canonen, 6 Haubigen, 24 Munitiond- und 40 Bagagewagen, ſowie der Kaiferdragoner, der Pfälzer- und Kinsky⸗ Infanterie, der Seller Hufaren und Kaifer Franz - Küraffiere nach Pforzheim.

Um 9 Uhr Hufarenpatrouille von bier gegen Mühlburg, Grün- wintel und Beiertheim. Oberftleutnant Daniel von den Szekler Hufaren rät dem Stadtrat, Speife und Trank für die Franzoſen vor das Thor zu jchaffen, und zieht dann mit feiner Truppe zum Thor hinaus.

Schon um halb fieben Uhr abends kommt ein franzöfiicher Hufar vor das Mühlburger Thor, und fprengt, betrunten, al3 wolle er vom Pferd fallen, durch das Thor herein und in der Stadt herum.

Sodann erjcheint, ebenfall3 betrunten, der General am Thor und fordert ein anderes Pferd. Edelaheim ließ mehrere herbeiführen, und ala ihm feines derjelben gefiel, rief er: faites avancer les troupes, begnügte fich aber nachher doch mit einem ihm vorgeführten Pferde. Die Truppen fchildert Lanzer als barfuß, in Kitteln, ohne Säbel, oft ohne Gewehr, mit Prügeln, in Summa 119 Mann. Bei Mühl: burg ftanden 900 Grenadiere und 400 Musketiere auch ohne Säbel, mit blutigen Prügeln, ohne Schuhe, grüne Hufaren mit gelben Auf- Ichlägen und Roßſchweifkasketen (180 Mann), reitende Artillerie mit vier Canonen und 1 Haubite (60 Mann), im Ganzen 2000 Mann, eine wahre Räuberbande, gegenüber 15000 Kaiferlichen. Die Galle lief mir über, jagt er, als ich dieſe „Lotterbuben“ ſah.

Manche Karlsruher, fährt er fort, begrüßten die Franzoſen mit Freuden, einer überreichte ihnen jogar einen Schinfen mit einem Lor- beerfranz.

Ein Chafjeuroberft Namen? Strampfen, der auch am Thor erichien, war der Sohn des Hofjattlerd von Raſtatt. Als das Ge- findel genug „gejoffen“, ging e8 zum Zeil nach Durlach, die Hufaren kampirten vor dem Mühlburger Thor, andere gingen nach Mühlburg zurüd, General Delmas aber nahm im hieſigen Schloffe rechts vom Portal, die Adjutanten im zweiten Stod Quartier. Abends war Tafel von 20 Perſonen im Schloß.

Am 12. Juli beim Frühftüd des Generald mit 10 Perſonen, wurden Chokolade, Kaffee, Thee, geröftetes Milchbrot, Butterbrot,

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Schinken, Kirjchen, Erdbeeren, Johannisbeeren, Burgunder und Klingel- berger aufgetragen.

Die Franzofen zahlten mit Affignaten, jo General Eulemeier bei Levi blaue® Tuch, drei Stüde Stoff zu Damenkleidern und neun Tajchentücher.“

Am 20. Juli kommt Repräjentant Hausmann bieher, logirt im Schloß und empfängt den Minifter Edelsheim, nebjt einer Bürger- deputation, wegen vorläufigen Unterhandlungen über einen Waffen- ſtillſtand.

Den 23. rückt General Delmas nach Pforzheim, die badiſchen Truppen trennen fich von den Meichatruppen und kehren mit Waffen in das Land zurüd.

Ueber den am 25. abgejchlofjenen Waffenftillftand ift fchon oben berichtet worben.

„Am 3. Auguft, fährt Lanzer fort, wurden an allen Thoren Pfoften errichtet mit der Infchrift: Territoire de Bade, pays neutre, und e3 gingen zahlreiche Durchzüge von Geihüg, Munition und Lebensmitteln durch Stadt und Land. Bis zum 13. Auguft war täglich Marjchalldtafel gehalten worden, das Ochjenfleifch von 5 und 6 Kreuzern auf 16 geftiegen. Bon da an hört dieſe franzöfijche Marichallstafel hier auf.“

Am 15. Auguft lagen 459 Verwundete in Durlach, und es ging das Gerücht von einer angeblich „Ichredlichen Niederlage der Franzoſen.“

Den 9. September hört Lanzer vom Scloßturm aus eine heftige Kanonade bei Karladorf. Nachmittags gegen 3 Uhr kommen zwei franzöfiiche Dragoner durch das Linkenheimer Thor. In Bruchjal war ein Aufftand gegen die Franzoſen ausgebrochen, wurde durch den General Scherb, welcher in Karlsruhe ftand, unterdrüdt, und am 11. September zogen die als Geifeln mitgenommenen Bruchſaler, mit 400 Mann Eskorte und einem Kommiffär, langjam bier ein, jo daß Lanzer jagt: „von hinten jah es aus, als würde ein Jude begraben.“

Während deſſen aber ftanden die Deftreicher jchon in Mühlburg, und e3 erfolgte num am 14. September der Angriff derfelben, auf die Stadt. Darüber berichtet Lanzer: „Morgens am 14. war Alles ruhig, und der Wochenmarkt wurde, wie gewöhnlich, abgehalten. Ein Viertel vor fieben Uhr wurden aber alle Thore gefperrt, es ließ fich vom Mühlburger Thor her Schießen vernehmen, die allarmirten Branzojen laufen wie rajend umher, der Kommandant jprengt im

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Galopp durch die Straßen. 20 Bagagewägen fahren aus dem Marftall zum Durlacher Thor hinaus. Um 8 Uhr kommt der franzöfiiche Kommandant von Durlach mit einem Offizier und 26 Dragonern bier an, und dieje jagen gegen das Mühlburger Thor hin, eine ſechs— pfünder Kugel fliegt herein von Mübhlburg her. Schon flüchten einzelne Franzoſen durch das Heine Thor (Prinzenthor) hinaus, ein franzöfticher Offizier wird von den eingedrungenen Blanfenftein- bufaren gefangen. Starkes Gemwehrfeuer in der langen Strafe macht jedes Verlaſſen der Wohnung lebensgefährlich.

Bürger und Lohnkutſcher Frohmüller, auch die Frau des Hafners Geijendörfer, zwiſchen Ritter- und Lammſtraße, werden erjchoffen, Advokat Dil erhält in der Bärengaſſe einen Schuß durch das Schienbein.

Um Viertel vor neun jagt ein Offizier mit vier Blantenftein- huſaren von der Stadtkirche her auf die lange Straße und menden fih mit blantem Säbel in der Hand dem Durlacher Thor zu.,

Ein franzöfiicher Grenadier rettet fich vor ihnen in das Thor de3 Gymnaſiums. Während deſſen rüden etwa 100 Mann Franzoſen mit dem Ruf „Avance“ gegen die Hufaren, welche fich gegen fie umgewendet hatten, der geflüchtete Grenadier jchießt aus dem Thor de3 Gymnaſiums einen derjelben nieder. Ein am Wirtshaus zum Bären jtehender franzöfischer Dragoner fieht ihn fallen und eilt herbei, ihn zu plündern. Aber auch der Grenadier fommt in gleicher Abficht herbei. Da kommt eine öftreichiiche Kanonenkugel, tötet den Grenadier und des Dragoners Pferd, jo daß diefer mit Manteljad und Piftolen entflieht.

Diefelbe Kugel jchlug aufipringend durch das Erkerdach des teformirten Pfarrhaufes, durch das vorftehende Schaufenfter des Kauf- mann Weißinger und fliegt weiter bis in die Kronenjtraße. Eine andere Kugel ſchlug in der Adlerſtraße in das Haus, jetzt Nr. 13. Um balb 11 Uhr weichen die Franzojen, um halb 12 Uhr fpringt noch der legte Schuß, eine Haubiggranate, in der Bärengaffe, jedoch ohne Schaden zu bringen.

Dreiviertel 12 Uhr reitet eine Patronille Blankenftein-Hufaren in die Stadt, und die Franzoſen ziehen fich über Gottesau und aus dem füdlichen Stabtthor nach Grünwettersbach und Ettlingen zurüd. Das Pikletthor, jpäteres Ettlingerthor, war wie eine Scheibe von Kugeln durchbohrt.“ So weit unjer Gewährsmann Lanzer.

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Vorerſt war nun Stadt und Land von dem Feinde befreit, doch wird in jener Zeit vielfach geflagt, die freunde, die Deftreicher, hätten weit mehr geftohlen, al3 die Franzoſen, obgleich dieſe es am PBlündern allenthalben nicht fehlen ließen.

Den 3. Dftober rüdte der Vortrab der Deftreicher unter dem Brinzen von Dranien bier ein, den 4. bi3 10. Oktober liegt Erz- berzog Karl mit feinem Stab hier und hat fein Hauptquartier im Schloſſe. Er betrachtete Baden als Feindesland, nahm den Beſuch de3 Rentlammerpräfidenten nicht an, und befahl, troß aller Gegenvor- ftellungen des Geheimratstollegiums, die allgemeine Bewaffnung Ba- dena, welche aber bei dem mechjelnden Kriegsglüd nicht zur Ausfüh- rung gelangte.

1796 am 22. bis 23. Oktober rüdten die Veftreicher unter Starray von Mannheim bier durch nach Raſtatt und Kehl. Zu gleicher Zeit kamen zahlreiche Transporte von verwundeten Kaijer- lichen und gefangenen Franzoſen bier durch, jo am 22. Dftober 1000 Franzoſen, und auch im Anfang November ſah Karlsruhe bei- nahe täglich öſtreichiſche Durchzüge.

Den 12. November 1796 nach 1 Uhr nachmittags kehrte Karl Friedrich mit dem Erbprinzen hierher zurüd, wurde mit Jubel em— pfangen und feierte am 22. November, jede öffentliche Feier ablehnend, in aller Stille mit einem Kirchgang jein 5Ojähriges Regierungs- jubiläum, mußte aber nach wenigen Tagen, ſchon am 29. November, in fein Exil bei Ansbach zurüdtehren, nachdem er den 23. November dem Erzherzog Karl in Offenburg einen Beſuch abgeftattet hatte.

Den. 16. Februar 1797 kehrte endlich Karl Friedrich, unter dem Jubel der Bevölkerung, in fein Land und feine Nefidenz zurüd, aber jchon war-er am 22, April 1797 nahe daran, abermals fich außer Lands zu begeben, als ein durch Karlsruhe eilender franzöfı- ſcher Kurier den am 18. April abgeichlofjenen Präliminarfrieden von Leoben meldete. Den 26. Oktober brachte eine Wiener Stafette auch die Nachricht von dem am 17. Dftober endgiltig abgejchlofjenen Frie⸗ den von Campo Formio.

Doch von kurzer Dauer war die Zeit diejes Friedens. Ein in Raftatt zu verfammelnder Kongreß follte über weitere Bejtimmungen für die künftige Geftaltung der betreffenden Länder und Verhältniſſe verhandeln.

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Den 25. November 1797 kam Bonaparte nach Raftatt. Schon am 18. November hatte er feinen Adjutanten, den General Marmont, nah Karlsruhe geichidt, um dem Markgrafen feine Ankunft anzu- zeigen.*)

Der Kongreß wurde am 6. Dezember in Raftatt eröffnet. Das anweſende Gejandtichafsperjonal betrug allein jchon 631 Perſonen. Karl Friedrich übertrug die dortige Polizei dem Karlsruher Bolizei- direftor von Drais und legte ein weitere Regiment dahin.

Den 17. November waren für Baden der Staat3minifter ©. 2. von Edelsheim, der Geheimrat Emanuel Meier und der Hofrat Poffelt dort eingetroffen. Den 1. Dezember war Bonaparte wieder abgereist. Die Verhandlungen führten, obwohl den ganzen Winter fortgejeßt, zu feinem Ergebnis, und dem Schluß derjelben folgte jogar am 28. April 1798 der mörbderifche Meberfall der abreijenden franzöſiſchen Gejandten, nahe vor den Thoren der Stadt.

Die Folge war für Baden ein Koftenaufwand von 103 326 fl., und ein neuer Krieg.

1799 im Sommer war die Stadt Karlarube zwei Tage von Franzoſen bejegt, wobei die Aemter Karlsruhe, Durlach, Pforzheim mit Einguartierungen, Lieferungen und Fronden ſchwer heimgejucht wurden. Die Kriegskoften betrugen für das Land 1799 bis 1800 1 622.000 fi.

1800 den 3. Auguft fommt der franzöfiiche Gejchäftsträger für den jchwäbifchen Kreis, Artilferieleutnant von Maſſias, hierher zu wohnen und erwirbt fich die allgemeine Zufriedenheit durch fein wohl— wollendes Auftreten, den 17. Auguft ftattete Moreau dem Erbprinzen einen Beſuch hier ab, welcher von diefem erwidert wird. Moreau wird von Karl Friedrich auf der Favorite bei Kuppenheim bewirtet und bat mit dem Markgrafen wiederholte Zufammentünfte, am 26. Auguft in Raftatt, am 15. Oktober in Durlach, am 21. November bei Moreau's Durchreife nach Baiern in Pforzheim, bei welchen Karl Friedrich tet? um möglichite Schonung feines Landes bat und dem- entiprechende Verſicherungen des franzöfiichen Generals erhielt.

1801 wurde der Frieden von Lüneville gefchloffen, durch welchen Baben feine erften Entjchädigungen für die jenfeits des Rheines ver- lorenen Gebiete erhielt.

) Vergl. Bad. Militäralmanach. 1860. 187.

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1801 den 3. März erſchien Moreau abermals, und zwar mit jeiner Gattin hier, wohnte in der Poft zum Erbprinzen und wurde mit jeiner rau abends zur fürftlichen Tafel geladen.

Wie übrigens auch franzöſiſche Heerführer über unjern Mark— grafen urteilten, beweist folgende Stelle aus den Memoiren des Marſchalls Marmont I. 311:

Le gensral Bonaparte m’envoya & Carlsruhe pour com- plimenter le Margrave qui me regut avec égard et bienveil- lance. Ce respectueux vieillard, äg6 alors de soixante quinze ans, montait & cheval tous les jours; sa famille était belle et nombreuse, plusieurs de ses petites filles, remarquables par leurs agr&ments et leur bonne Education, occupaient des trönes. L’une avait &pouss le grand duc Alexandre, depuis empereur de Russie, une avait &pous& le roi de Suede, la troisi&me l’electeur, devenu roi de Baviöre. Je dinai avec le Margrave. On me questionna beaucoup sur notre guerre d'Italie, et le soir je revins & Rastatt fort satisfait de l’accueil dont j’avais et& l'objet.

Das Militär. Der Stand der Truppen war unter den damaligen Berhältniffen ein mwechjelnder, je nad) Umftänden und Be— darf. So hatte Baden-Durlah 1746 nur eine Leiblompagnie und zwei Kompagnien Kreistruppen zu 50 Mann, daraus wurde 1752 mit Beifügung einer mweitern Kompagnie ein Bataillon von 4 Kom- pagnien mit einem Beftand von 314 Mann gebildet. Davon waren zwei Kompagnien Grenadiere. Die drei erjten Kompagnien lagen unter dem Hauptmann von Stetten in Karlöruhe, die vierte unter Knobelsdorf in Durlach. Die Landdragoner, eine Heine Kompagnie, lagen teil3 in Karlsruhe, teils zu Polizeidienft verwendet im Land zerftreut.

Eine gleiche Organifation traf auch der Markgraf Auguft Georg von Baden-Baden, außer daß er noch eine Schwadron Hufaren von 40—50 Mann errichtete. Die Hälfte der Truppen wurde im 7jähr. Krieg als Neichätruppe verwendet, jo daß Baden-Durlach 1756 242 Mann in das dritte Kreisinfanterieregiment und 44 Mann in das Kreisdragonerregiment ftellte, wobei diejer Krieg aber Baben doch 3—400 000 Reichsthl. koſtete.

Daß aber die Soldaten damala im Dienfte alt wurden, beweist 11

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der Abſchied de3 Soldaten Math. Meyer im Jahre 1751 nad) dreißigjähriger Dienftzeit.

Nach einer Militärlifte von 1760 war das Baden-Durlachiiche Militär damals folgendermaßen zujammengefeßt:

Die Keibgrenadiergarde hatte im Stab den Oberjtleutnant und Kommandant von Wiejel, den Premierleutnant und Negiments- quartiermeifter Hurter, Premierleutnant und Adjutant Stolzenhauer, Auditor Grundler, und Feldſcherer W. Schridel.

Die erste und zweite Kompagnie ftanden unter Hauptmann von Stetten nnd v. Geyersberg, Premierleutnant Graf v. Zeiningen- Wejterburg, Selondeleutnant von Gemmingen und Chrijtoph Leopold Friedrich von Adelsheim.

Als Kreiskontingent ftellte Baden-Durlad) eine Kompagnie Dragoner unter Hauptmann von Weiß, und die dritte und vierte Kompagnie der Leibgrenadiergarde unter Hauptmann von Sandberg und von Stetten, Premierleutnant von Buſek und Karl Auguft von Adelsheim, Sekondeleutnant von Sandberg und von Balm und Mus- fetier- Hauptmann Schmauß.

Nah dem Anfall von Baden-Baden wurden die Grenadierba- taillone der beiden’ Länder zu einem Leibregiment von acht Kom— pagnien, 4 Grenadier- und 4 Musfetierfompagnien, vereinigt, zwei neue Füſilierbataillone, Durlach und Raftatt errichtet, und 1786 erjt- mals ein Artilleriekorps aufgejtellt. Letzteres aus einer Kompagnie mit zwei Offizieren, zwei Unteroffizieren und 20 Kanonieren mit vier Dreipfündergeichügen beftehend, 1792 um zwei Sechapfünder und zwei Haubigen vermehrt, ftand unter dem Oberjten von Freyſtedt und dem Hauptmann Lur. Die Infanteriefompagnie der Füſiliere zählte 4 Dffiziere, 9 bis 10 Unteroffiziere, 3 Spielleute und 8SO—90 Mann Soldaten.

Das erjte Bataillon des neugebildeten Leibregiments von 412 Mann, ftand 1773 unter dem Oberft und Kommandant von Wiejel, Oberftleutnant von Stetten, Oberftwachtmeifter Sandberg, Adjutant Stolzenhauer, vier Hauptleuten, drei Oberleutnanten, ſechs Unterleut- nanten, mit dem Kirchenrat Walz als Regimentsprediger, dem Kreis— fommifjär Adam, dem Auditor Hennig und dem tFeldicherer Schridel, und lag in Karlsruhe. Das zweite Bataillon, 309 Mann, unter Oberftleutnant von Harrant, Adjutant 8. Brückner, fünf Haupt- leuten, drei Ober- und drei Unterleutnanten, mit dem Auditor Barth

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ftand in Raftatt. Das eine Füfilterbataillon, unter Hauptmann Jak. dr. Schmauß, lag in Durlach, das andere in Raftatt. Beide waren vorzugsmeije zum Kreisdienſt beftimmt. Nach 1787 wurde das Dur- lacher Bataillon Erbprinz genannt.

Die 50 Mann Hujaren von Baden-Baden wurden beibehalten, und die Baden Durlacher Landdragoner, welche bisher zum Teil im Lande zerjtreut als Hatjchiere verwendet worden, als jog. Garde du Korps in zwei Kompagnien, Dragoner und Küraffiere vereinigt, welche aber in Friedenszeiten meistens nicht beritten waren.

Offiziere dieſer Kavallerie waren 1773 Oberftwachtmeifter von Weib, Rittmeijter von Beuft, Leutnant von Graben und von Trau— tenberg.

Bon 1780 an finden regelmäßige Aushebungen ftatt, doch werden aud Freiwillige und Geworbene eingejtellt. Der Adel, die Staats- dDienerjöhne, die Bürgerföhne der größern Städte, Studenten, Künftler und manche Gewerbe waren milizfrei, und es wurde nur die durchaus entbehrliche Mannjchaft ausgehoben. Die bisherige Dienftzeit erftredte jih vom 17. bis zum 40., 1780 bis zum 30., 1790 bis zum 25. Lebensjahre.

Nekrutirungsbezixt für das Durlacher Füfilterbataillon war Baden-Durlach, für das Najtatter Baden-Baden, für das Leibregi- ment, die Kavallerie und Artillerie das ganze Land.

Jeweils im Spätjahr wurde die Mufterung und Mefjung aller 17—21jährigen durch ein Militärfommando in Gegenwart des Bes zirtsbeamten, Geiftlichen, Bezirksarztes und Ortövorjtandes vor— genommen, wobei 5’ 5" als geringjtes Milttärmaß galt. Die Tabelle der Aufgenommenen ging an den Geheimrat, von diefem an den Militärinipektor, welcher die Zeit der Loſung und Einberufung be= jtimmte. Der Transport der Einberufenen geſchah durch die Hatſchiere.

Die Einſtellung von Stellvertretern, wofür ſelten über 200 fl. bezahlt wurde, war gejtattet, aber nur bis 1803, wo die vollſtändig durchgeführte Konfeription eintrat. Später änderte fich auch diejes wieder bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht.

Bon diefen Truppen waren übrigens in gewöhnlichen Zeiten viele beurlaubt, oder nur zeitweije einberufen, jo daß z. B. 1787 der Karlsruher Stadtlommandant, als es fich um Vermehrung mili- täriicher Wachen handelte, erklärte, es jeien außer der Ererzierzeit

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=. 408

nur 280 Mann Soldaten bier, und da diefe drei wachfreie Tage haben follten, jo könnten feine weitern Wachen an die Stadtthore abgegeben werben.

1792 zählten die Garde du Korpsdragoner 38 Mann, die Küraffiere 44, die Hufaren 33, das Leibregiment 844, das Füfilier- bataillon Erbprinz 480, das Fülilierbataillon Raftatt 480 (beide Kreistruppen), die Garnifonstompagnie 112, die Artillerie unter Zur 4 Dreipfünder, 2 Sechapfünder und 2 Haubigen.

Nach der Erhebung Badens zum Kurfürftentum 1803 blieben die Hufaren und die Garde du Korps mit je 50 Mann beftehen, aber e3 entjtand im Mat das neue Grenadierbataillon von Stetten, das Rinieninfanterieregiment Kurprinz in Mannheim, und eine Schwadron Chevauxlegers aus pfälzischer Mannjchaft, in demjelben Jahr im Auguft das Jägerbataillon von Belle aus Bruchjal-Speierer Mann- ichaft, und das Garnifonsregiment von Lindheim, betehend aus dem Neft der Bruchjaler Mannfchaften, ſowie aus den Garnifonstompagnien von Schwegingen, Dilsberg, und der Mannjchaft der angefallenen feinen Reichsſtädte. Der Regimentzftab diejes Negiment3 lag mit einer Kompagnie in Schweßingen und je eine in Dilsberg, in Pforz- heim, Meersburg, Naftatt, Emmendingen und Lörrad).

Die Uniform war bei Grenadieren und Musfetieren ein dunkelblauer, fradähnlicher langer Rod mit rotem Kragen und ſolchen Aufichlägen, eingefaßt mit weißen Ligen, ausgejchnittenen Rod- Happen (Renvers), mit ſechs, weißen wollenen Bandligen über der Bruft und zwei folchen auf den Hüftpatten und auf dem untern Rüden, rotgefütterten zurüdgejchlagenen Rodjchößen, eine weißmwollene Weite, kurze weißwollene Hofen, bei den Grenadieren weißleinene, bei den Musfetieren jchwarzleinene, gewichste Gamajchen mit gelben Knöpfen, und Schuhe. Die Unteroffiziere hatten ihre Ligen in Silber, die Offiziere mit filbergeftidten Schleifen und filbernen Achjelbändern.

Als Kopfbedeckung haben die Grenadiere eine fpigige, gelbe Blechhaube, die Musketiere dreiedige, ſchwarze Hüte mit Ligen und Saum von weißer Wolle, bei Unteroffizieren und Dffizieren von Silber. An Sonn und Feiertagen tragen Ulle eine rote Halsbinde, im Dienfte Manjchetten.

1793 erhielten die Offiziere hohe Stiefel.

Die Füſiliere hatten blaue Röde ohne Renvers, gelb aus— geichlagen, Kragen, Achſelklappen und Aufichläge gelb, weiße Weite,

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ſchwarze, hohe Gamafchen, eine etwas Kleinere Blechhaube, als die Grenadiere, die Baden-Durlacher gelbe, die Raftatter weiße Knöpfe. 1793 befamen alle erftmal® Mäntel, und zwar bellgraue.

Das Gewehr mit langem Bayonett war 10 Pfund 9 Loth ſchwer, die Riemen weiß. Grenadiere und Musketiere trugen ziemlich gerade Säbel an weißer Leibgurte, die Füſiliere befamen erft 1793 Säbel. Die fchwarze PBatrontafche hing an weißem Riemen auf dem Rüden, das Tornifter wie jebt, die Feldflajche an einem Riemen an der Seite.

Die Dffiziere trugen Degen und bis 1793 auch den Sponton, eine hellebardenartige Halbpide.

Die Garde du Korps-Dragoner hatten blauen Rod mit ſchwarzem Kragen, weiße Weite, Lederbeinkleider, hohe Stiefel, drei- edige Hüte mit weißem Buſch und geraden Pallaſch, die Garde du Korps - Küraffiere weißen Rod mit Rot, gelbes Beinkleid, hobe Steifjtiefel, ſchwarzen Küraß, den Dragonerhut, einen Pallaſch in ſchwarzer Lederjcheide mit Meffingbeichläg, einen Karabiner und zwei Piſtolen.

Jene gehörten zu dem ſchwäbiſchen Kreisdragonerregiment, dieſe zu dem Hohenzollern-Kreisküraſſierregiment.

Ein anderer Teil der Garde du Korps, in badiſcher Hausfarbe, hatte gelbe Röde mit jcharlachroten Krägen, ſolchem Rod- futter und jolcher Wefte, weiß und rote Bandligen vorn am Rod- jaum, weiße Aufichläge und Epauletten, rote Schärpe um die Hüfte, mweißlederne Hojen, weiße Stulphandichube, dreiedigen Hut mit Sil- berborten und weißem Busch, Pallaſch mit dem badischen Wappen, Karabiner, zwei Piftolen und blauen Mantel.

Die Hufaren trugen grünen Dollman, Kragen und Aufichläge rot, Pelzmantel mit gelber Verjchnürung, grüne Säbeltajche, gelb- federne Hofen, Halbitiefel mit gelber Einfaffung und Quafte, ſchwarzen Huſarenhut mit gelben Fangjchnüren und weißem Federbuſch, grünen Mantel, krumme Säbel, Karabiner und zwei Biftolen.

As Vorſchule für das DOffiziersforps und zur Aufwartung bei Hof beftand feit 1763 das Inftitut der Edelknaben, melde zu 6—7 unter ihrem Hofmeister, dem Hauptmann 3. 3. Zur, ftanden, Sie wohnten Anfangs im Schloffe, dann 1774 in dem fübdlichen Flügel des Linkenheimerthors. Auch die bei Hof augejtellten Erer-

=.

ziermeifter, Tanzmeifter, Fechtmeiſter, Ballmeifter wurden ala In« fteuftoren bei den Knaben verwendet.

Im zweiten Stod des Linkenheimerthores, mit drei Zimmern und drei Kammern, war die Wohnung des Pagenhofmeifters, Haupt- mann Zur, in den dritten (Manſarden) der aber feine über 10° breite und über hohe Stube, und keinen Plab für einen gemeinjchaftlichen Tiſch enthielt, famen die Pagen (Edeltnaben). 1775 bittet Zur um ein Zimmer zum Ererzier- und Speifefaal. Da nun auch der Mar- morirfaal in dem obern Stod, der Zeichenfaal des Hofmalers Melling fich in dem untern Stod befanden, jo bittet Zur um den Marmorir- faal, mit dem Beifügen, man könnte dadurch die Excurſionen der Iodern Edelknaben aus dem angeblichen Zeichenunterricht, wobei fie aber jede Nacht zu den Fenſtern binausftiegen, vermeiden. Diefe Bitte wurde Lug gewährt.

1780 exerzirten diefe Militärzöglinge in dem fog. Hirfchgarten (Bar) und der Markgraf wohnte wöchentlich zweimal diefen Uebungen bei. Vielleicht mochte er bei folchen Anläffen auch in feiner noch jeßt ftehenden Eremitage bei der Hofichreinerei einfehren, wo er ſich an Hobel- und Drehbank von den Sorgen und Arbeiten feiner Regie- rungsgefchäfte zu erholen pflegte.

Während der Kriegszeiten Tieß der Markgraf die Anftalt ein- gehen, 1803 wurde fie wieder ala Bildungsanftalt für 5, 1811 für 12 Bagen eingerichtet. Der Eintritt fand mit 12, der Austritt mit 15 Jahren in den Hofdienft, in die Militärafademie oder auch zur diplomatischen Karriere ftatt.

Den Unterricht erhielten die Knaben teil3 im Lyceum, teils in der Anftalt ſelbſt. Gelehrt wurde Deutſch, Lateinifch, Griechisch, Franzöſiſch, Geichichte, Geographie, Mathematit, Technologie und militärische, künftlerifche und gymnaſtiſche Uebungen vorgenommen. Bei etwaigem Abgang zur Hochichule für die diplomatiiche Karriere mußte eine bejondere Prüfung abgelegt werden.

Die Anftalt ftand unter der Oberaufficht des Hofmarſchalls und der Hofölonomieverwaltung, wurde von dem PBagenhofmeifter geleitet, und jämmtliche Koften vom Hof beftritten. Mit der Gründung des Kadettenhaufes hörte diejelbe auf.

Kafernen und Militärfpital. Bei dem geringen Beſtand der badijchen Truppen war eine Kaferne zunächft kein jehr dringendes

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Bedürfnis, wenigftens für die Infanterie, welche zum Teil ala Kon- tingentätruppe gewöhnlich nur für kurze Zeit eingerufen war. Die Soldaten, von welchen viele verheiratet waren, kamen zu den Bür- gern in’3 Quartier, hatten bier bis 1767, wie jeder Bürger, ihren wöchentlichen Lesholztag und erhielten von da an jährlich zwei Wagen Lesholz vor das Haus geliefert. Der Quartierträger erhielt für den Mann einen Schlaffreuzer, welcher, auf das Land umgelegt, jährlich 30000 fl. ausmachte. Wer kein Quartier gab, zahlte monatlich für den ledigen Mann 40 fr., für den verheirateten 45 Er.

Schon 1738 hatte Karlsruhe fich bejchwert, daß es troß feiner Privilegien Einquartierung zu tragen babe, und 1739 wurde zugefagt, daß dies nur in Notfällen gejchehen jolle, 1768 verordnete Karl Friedrich, daß die fürftlichen Diener von den bürgerlichen Laften, wie Ein- quartierung, Thor= und Hauptwachen befreit fein follten. Die fpätern Kriege hoben aber auch dieje freiheit auf.

Für die Reiterei war der Pferde wegen eine Kafernirung nötiger. 1739 hatten die Dragoner der Leibwache eine Feine Kaferne bei dem Feuerhaus und dem Marftall, während der Wachpoften der- jelben von Anfang an in einem der Heinen Häuschen hinter dem Schloſſe fich befand. Die Kreisdragoner wurden jeweils in dem alten Lazaret vor dem Mübhlburgerthor untergebradht. Doc waren dies nur ungenügende Räume, und 1740 mußte eine weiter binzuge- tommene Kompaguie Dragoner in Privathäufer, wie das des Meb- ger3 Sembach, gelegt werden.

1778 diente das fürftliche Fouragemagazin*) und die Remifen bei dem Marftall zum Teil ala Kaferne für die Garde du Korps, 1799 das Jagdzeughaus bei dem Durlacherthor, und erjt 1803 murde durch Arnold die jebige Dragonerfajerne für die badische Kavallerie erbaut.

Noch 1791 erjchien der Bau einer Infanteriefajerne nicht aus- führbar, und die Bürger behielten ihre Quartierlaft. Als jedoch 1803 Baden Kurfürftentum, und das Militär bedeutender an Zahl wurde, hielt man die Kaſernirung defjelben für unabweislich. Das damalige Militärlazaret, Ede der Kreuz und Spitaljtraße, jet ſtädtiſche Töchterjchule, wurde 1806 zur Artillerielajerne genommen und blieb

*) Früher als Kirche benutzt.

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ed, bis 1818 Gottesau zur Wrtilleriefaferne beftimmt wurde. Für die Infanterie fehlte es noch an einer folchen, und wir werben biejelbe erſt in der nächjten Periode entftehen ſehen.

Für die Unterkunft kranker Soldaten genügten anfangs jehr bejcheidene Räume. Wir haben in unferer erften Periode Seite 93 gejehen, daß wenige Stuben in dem ftäbtifchen Krankenhaus vor dem Müblburgerthor dazu Hinreichten.

Hier blieb das Militärlagaret, bis 1776 das alte Gebäude morſch und baufällig ward, und die kranken Soldaten 1788 in dem Scul- haus von Klein⸗Karlsruhe unterfamen. 1790 wurde an ber Ede ber Spital» und Kreuzftraße, jett ftädtifche Töchterſchule, der Grunbftein zu einem neuen Militärjpital gelegt, und der Bau 1791 bezogen. Doch follte auch diefer Beſitz für die Militärkranten nicht lange währen, denn fchon 1806 mußte diefer Neubau der Artillerie als Kaferne eingeräumt werden, und das Militärlazaret wurde in einen Zeil des an dem Spitalplat gelegenen ftädtifchen, aber großenteils aus Staatsmitteln erbauten Spital3 verlegt, und bier blieb es bis 1844,

Bon 1751 an hieß der jeßige vordere Schloßplatz Paradeplatz, und es wurde geflagt, bderjelbe jet wegen den vielen uhren und. Reitern ein Moraft, man follte ihn, jowie etwa ein Stüd Platz vor dem Stadelmann’jschen Haufe, jegt Schloßplag 22, jo weit mit alten Paliſſaden einfaffen, ala zur Uebung für zwei Kompagnien nötig fei. Doch wurde zu diefem Zweck 175060 der große Ererzierplaß angelegt.

Us es in Durlah an Raum zum Trodnen der Jagdtücher fehlte, wurde durch Karl Wilhelm 1737 am nördlichen Ende des Schloßparkes ein ſolches Jagdzeughaus, die nachherige Hofichreinerei, gebaut. Etwa um 1750 errichtete Karl Friedrich, nach einem Umbau de3 Haufes, hier eine Bildungsanftalt für künftige Soldaten, befon- ders für die Militärmufit. Soldatenkinder, welche muſilaliſche Anlagen zeigten, wurden darin auf Koften des Markgrafen aufgenommen und hatten bis zur Zahl von 20—25 freie Wohnung und Koft darin.

Als 1786 bier eine Wohnung und Werkftätte für den Stein- jchleifer Meyer und den Kabinetichreiner Gräßle erbaut, und für die Soldatenkinder eine Schule in der Stadt errichtet worden war, hörte diefe Militärjchule in der Hofjchreinerei auf. Es kam gegen Anfang

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des Jahrhunderts eine Abteilung Invaliden in das Haus, welche die Thorwache dafelbft beforgten, und mit ihnen wohnten einzelne Hof- diener darin. Später wurde es Kaſerne der Pioniere mit Wohnung für Dffiziere und Unteroffiziere, und ift feit etwa 1860 ganz von Hof- und andern niedern Dienern bewohnt.

2. Bofſtellen, Staatshbehörden.

Der Hof- und Staatskalender von 1762 gibt folgende Zufam- ftellung der obern und mittlern Staatsämter:

1. Das Geheimratstollegium, jebt auch ſchon Mini- fterium genannt, zählte vier ftändig hier wohnende Mitglieder und drei auswärtige, nämlich die Obervögte von Pforzheim und Lörrach und den Gejandten beim Reichdtage. Der Markgraf führte den Vorfig. Bon dem Geheimrat getrennt war das Geheime Kabinet, aud Geheime Kanzlei genannt, mit einigen Mitgliedern der höchften Kol- legien, einem Geheimſekretär und Geheimregiftrator, welche beide den Hofratstitel führten. Dieſes Geheime Kabinet wurde aber 1790 wieder mit dem Geheimrat verjchmolzen.

2. Das Hofratsfollegium, auch Negierungstollegium ge- nannt, mit einem Präfidenten, einem Wicepräfidenten und adeliger und bürgerlicher oder gelehrter Mitgliederbant, zu welchem jeit 1772 auch katholiſche Räte kamen, umfaßte noch immer das gefammte Ge— biet des heutigen Minifteriums des Innern und des Juſtizminiſteriums, jo daß demjelben das Hofgericht mit feinen Räten und 17 Advokaten, die Pflegſchafts- und Zunftdeputation, die Deputation für Gemeinde- ſachen, das Kirchenrats- und Ehegerichtskollegium mit der Schul- deputation unterftellt waren.

3. Die Rentlammer, unfer Finanzmintfterium, aus einem Präfidenten, auch Kammermeifter genannt, einem Kammerprofurator und Kammerräten zufammengejeßt, hatte unter fich die Rechnungs- fammer mit 12 Rechnungsräten, die Landjchreiberei, die Generalein- nehmerei, das Bauamt, Münzweſen, das Forft-, Domänen-, Steuer- und Gefällweien. Sie hielt vier Sigungen wöchentlich.

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Wir haben in unferer erften Periode die verfchiedenen Quellen angedeutet, aus denen die Staatzeinnahmen flofien. Die Berjchieden- heit diejer Quellen bedingte bald die Bildung der oben angeführten Unterabteilungen der Rentlammer.

Die Pfund» und Landzollerheber, ſowie die Einnehmer waren die vollziehenden Organe des Steuer, Domänen-, Forſt- und Gefäll- wejens im Lande.

Eine Rechnung der Hofkaſſe aus den 70er Jahren zeigt uns folgende Einnahmen: Aus der Kaminfegerei, von der Feitung Lands- eron bei Bajel, von Frondgeldern, aus den Goldwäjchereien, Verkauf von Silber und Jumelen, aus Eiſen- und Salzregal, heimgefallenen Lehen, der Münze, den Silber- und Bleigruben in Sulzburg und Badenweiler, den Strafgeldern, dem Profit an Geldjorten, Kanzlei- und Stempeltaren, der Hofapotheke, der Bauverwaltung, den Gärtnereien in Karlsruhe, Durlach, Auguftenburg und Bafel, den Hoflellereien, dem Marftall, der Möbelverwaltung, Schreibmaterialienverwaltung, aus der ſchwäbiſchen Kreisfafje für die Dragoner, für Regimentsun- foftengelder, für Montur und Sagen der Hoboijten, von verkauften Pferden, von dem aus Landeskoſten bezahlten Soldatentreuzer, dem Bermögen der Dejerteure, den Geldern für das in holländiichen Dien- jten ftehende badische Infanterieregiment, aus Verpflegung franzöfifcher Truppen, BZinshäujern, Kapitalien u. a.

Die Ausgaben der Hoffaffe waren ſolche für Hofbibliothek, Garderobe, Schreibmaterialien, Naturalienfabinet, Kinderjtube, für die Frau Markgräfin Wittwe, das Deputatsgeld (Apanage) für die vier Prinzen, für Ehefteuer-, VBermählungs-, Heimführungs-, Trauer: und Leichenkoften, Bejoldungen der Hofdiener, des Hofpredigers, der Leibärzte, für die Hoffapelle, für Faſanen, Jägerei, Küche, Keller, Pagenſtube, jonftige Bejoldungen, Gejandtichaften, Orden, Reifen, Beitungen, die Pfarrwittwenkaffe, Induftrie, Penſionen, Stipen- dien, Wiſſenſchaft, wie Schöpflin Historia zahringo - badensis, welche 11000 fl. koſtete, u. a.

Wir jehen bieraus, daß eine genaue Scheidung zwiſchen Hof- und Staatskaſſe damals noch nicht ftattfand, und daß ein großer Teil der jegigen Staat3einnahmen in die einzelnen Bezirkskaſſen und in die allgemeine Landeskoſtenkaſſe floh, und daraus die Ausgaben befiritten wurden.

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Die Landfchreiberei war um 1773 noch für 265 fl. im Schloß- zirfel in der Miete, 1784 kaufte die Regierung für diejelbe das Haus des Oberften von Freyſtedt und richtete es zur Kanzlei ein.

1790 wurden Hofgericht, Kirchenrat und Ehegericht von dem Hofratsfollegium ausgejchieden, doch waren noch immer Hofratsmit- glieder Räte in beiden Kollegien. 1794 erjchien eine Hofratsinftruftion.

Das Hofmarjchallamt bejaß eine eigene dienftpolizeiliche und richterliche Befugnis über alle geiftliche und weltliche Hofdiener, doch jaßen ſeit 1802 je zwei Mitglieder des Hofrates und der Rentlammer mit Stimmrecht in dem Hofmarfchallamt.

1780 wurde für Hof- und SKanzleibeamte die Uniform ein» geführt.

Die Gejammteinnahme des Landes betrug von 1789 bis 98 durchichnittlich 1637 600 fl., die Ausgabe 1337926 fl., die Aus- gabe für den Hof 378150 fl., für das Militär 157817 fl., für die Eivilverwaltung 801 958 fl. Die jeit 1796 fich fteigernden Kriegs⸗ und Militärkoften brachten das Militärbudget bald auf 762730 fl.

Wir haben oben ©. 36 auch das Münzweſen beſprochen, und gejehen, daß 1732 Baden-Durlach von Baden-Baden auf 6 Jahre das Münzrecht für beide Länder erhalten hatte So blieb es bis zum Regierungsantritt Karl Friedrichs. Erneuerte und längere Ver— bandlungen führten endlich 1760 dahin, daß die Durlacher Münz- beamten, von beiden Markgrafen in Pflicht genommen, für beide Länder münzten.

Daher wurde 1761 bei dem in Augsburg abgehaltenen Münz- probationstage des ſchwäbiſchen und fränkischen Kreifes der Pforz- heimer Hofgoldarbeiter Ernft Ph. Steinhäufer nach beftandener Prüfung als Münzwardein in Durlach angeftellt.

Die Polizei war bis nach 1750 teils durch die Stadt, teils durch das Oberamt verwaltet worden, 1786 wurde eine eigene ftaat- liche Polizeibehörde für die Stadt, die Polizeideputation errichtet. Mitglieder derjelben waren der Amtsvorſtand, der Oberſt von Freyſtedt für dag Militär, Hofrat von Drais für den Hofrat, Kammerrat Herzog für die Rentlammer, Hofprediger Walz als firchliches Mitglied und Faſanenmeiſter Holz als Polizeirat. Die Deputation ftand unmittelbar unter dem Fürften, und erftattete ihm

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jeden Sonntag früh ihren Bericht. Doc entjtanden bald Neibungen zwijchen dem Militär und dem Oberbeamten wegen des Vorſitzes und der Direktion, jo daß 1793 der vorgenannte von Drais durch den Markgrafen zum vorfigenden Direktor ernannt wurde. Diefer verwaltete das Amt in jehr erfolgreicher Thätigkeit bis 1803.

In der erften Periode ftanden die Aemter Karlsruhe Land, Durlah, Mühlburg, Staffort und Graben unter dem Durlacher DObervogt. Die Stadt Karlsruhe bildete ein Amt für fih. Später wurde die Durlacher Obervogtei aufgehoben, und ein Oberamt Karls— ruhe errichtet, zu welchem bis 1802 noch das Amt Durlach, fowie die ehemaligen Aemter Mühlburg mit acht, Graben mit drei und Staffort mit drei Orten gehörten. Dafjelbe war meiftens mit einem adeligen Obervogt und einem oder zwei bürgerlichen Beamten, Amt- mann und Aileffor bejekt.

Im Jahr 1792 war die Bejegung der höchſten Kollegien fol- gende:

In dem Geheimrat, jet Staatsminifterium genannt, ſaßen W. v. Edelsheim, Geheimrat und Staatsminifter, geſt. 1793, Miniſterpräſident, Geheimrat Eb. von Palm, geſt. 1796, von Gay— ling, Kammerpräſident, geſt. 1812, Regierungspräſident von Wöll- warth, geft. 1820, und die Geheimräte Seubert, Gerftlacher, Krieg, Eman. Meier, Schloßer und Brauer.

Die Regierung, jebt ftatt des frühern Hofrates, mit Wöll- warth als Präfident und Brunner als Direktor, bejtand aus den drei Kollegien des Hofrates mit ©. K. J. von Neizenftein, Herzog, von Holzing, Eichrodt, Baumgärtner, Fiſcher, des Hofgerichtes mit den Mitgliedern (Hofrichter erledigt) Schloßer, von Bibra, von Imhof, Fein, Stößer, Scherer, Wohnlich, und endlich des Kirchen- rates mit Hugo, Präfident, den geiftlichen Mitgliedern Walz, San- der, Mauritii, Tittel, Böckmann, Bougine, den weltlichen von Reizen- jtein, von Bibra, Fein, Stößer, Scherer, und für die Katholiken Pfarrer Rudolf.

In der Renttammer endlih war Präfident der obenge- nannte Gaylıng, Mitglieder die Kammerräte mit Hofratsrang En- derlin, Junker, Reinhard, Kloſe, Lembke.

Zandjchreiber war W. L. Füßlin.

Der Anfall von Baden brachte in allen Kollegien naturgemäß eine Vermehrung der katholifchen Räte, der vermehrte diplomatiſche

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Verkehr der durch den Verfall des deutſchen Neiches jelbitändiger gewordenen Einzelftaaten erforderte die Schaffung eines eigenen Rej- jort3 für auswärtige Angelegenheiten, jo daß 1803 2. v. Edelsheim Minifter des großh. Haufe und der auswärtigen Angelegenheiten wurde, und die Vergrößerung de3 Landes mit der damit Hand in Hand gehenden Mehrung des Militärs, ſowie die zahlreichen Kriege machten bald auch die Errichtung einer bejondern Kriegskommiſſion, eines jpätern Kriegsminifteriums nötig.

Eine Wittwenkaffe für die Zivildiener gründete Karl Friedrich 1758 und verwilligte dazu anfangs auf 10 Jahre jährlich 7000 fi. Zuſchuß. 1772 war das Vermögen der Anftalt ſchon auf 64 985 fl. gejtiegen, jo daß die Wittwe nahezu ein Achtel von der Beſoldung ihres Mannes als Wittwengehalt beziehen konnte.

1797 wurde Hauptmann Eberhard von Stetten dem nachmali- gen Großherzog Karl ala Hofmeifter beigegeben und erhielt bei Hof Wohnung, Tafel und Bedienung, nebft 800 fl. bar.

1800 wird W. von Edelaheim bad. Jagd» und Kammerjunfer, geht im Dftober als Kammerherr in preußiiche Dienjte, kehrt aber ſchon 1801 von da zurüd und wird Hofmarjchall, während der Hof- marjchall Montpernig Oberhofmarſchall wurde. Der Gehalt des Hofmarjchalle Montpernis hatte 600 fl. Geld, 10 Malter Roggen, 30 Malter Dinkel, 4 Malter Gerjte, 30 Ohm Wein erfter Klaſſe und zwei Pferdfouragen betragen, Edelsheim erhielt 650 fl., 10 Malter Roggen, 20 Malter Dinkel, 10 Ohm Wein erfter, 10 Ohm dritter Klaſſe und vier Pferdefouragen, und 1803 nad Montpernis’ Tode erhielt er ala Oberhofmarjchall 3800 fl., 40 Malter Roggen, 80 Malter Dinkel, 6 Malter Gerjte, 70 Ohm Wein erfter und 10 Ohm dritter Klaſſe, ſechs Pferdefouragen und 2000 fl. Tafelgelder. 1816 wurde er penfionirt.

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3. Schloß und Umgebung.

Nachdem Karl Friedrich fich entichieden hatte, die Fünftige Re- fidenz nicht nach Durlach zu verlegen, fondern in Karlsruhe zu be- laffen, mußte er darauf bedacht jein, dem alten Holz- und Fachbau feines Schlofjes eine andere Geftalt und Einrichtung zu geben. Die Baulichkeiten und Räume defjelben waren ohnehin in der kurzen Zeit von 30 bi3 35 Jahren fo jchadhaft und baubedürftig geworden, daß die Ausbefferungen von Jahr zu Jahr mehr Koften erforderten. 1747 mußte das Ballhaus reparirt werden, in dem Schloß hatten die Kamine fich gefenkt und Niffe bekommen, die Offiziere in der Wach— ftube baten um neue Tifche, weil die alten morjch waren und ſammt der Stube voll Wanzen ftedten, das Brunnenhaus hinter dem Labora— torium der Apotheke war im Zerfall, die alten baufälligen Gebäude hinter dem Schloß follten notwendig abgebrochen werden. Daher war ein Neubau unabmweislich.

Ein Ingenieur-Feldmeſſer, Wilh. Dan. Schäffer von Fipringen, wurde beauftragt, den Plan des alten Schlofjes aufzunehmen, und einen neuen zu entwerfen, der indeflen Karl Friedrichs Beifall nicht fand. Unterdefjen war Baudireftor Leopold von Retty aus Ansbach, der Erbauer de3 Stuttgarter Schloſſes, ftarb 1752 welchen der Markgraf in Stuttgart kennen gelernt, hierher eingeladen wor— den, um Pläne für den neuen Schloßbau zu entwerfen, und diejer jagte den 27. Juni 1749 zu, fandte auch ſofort fieben Pläne und Riſſe ein, melche eine dreijährige Bauzeit mit einem jährlichen Auf: wand von 45000 fl. erforderten.

Bu derjelben Zeit wendete ſich Karl Friedrih an den fürftlich Eichjtädtiichen Baudireftor Mauritio Pedetti, einen Verwandten Netty’s, jowie an die biſchöflich Straßburgifchen Architekten Oberſt Balth. Neumann und Mafol.

Den 25. Juli traten die Hofräte Wielandt, Lüdeke und Sahler zu einer Beratung mit Retty zujammen, im Oftober legte diejer drei neue Pläne vor, von welchen einer angenommen wurde.

Unterdeffen hatte auch Ingenieur» Hauptmann Bonif. Chrift. Hädher von Bruchjal fich erboten, einen Plan für 200000 fl. aus- zuführen, der aber abgelehnt wurde.

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1750 wurde nun bejchloffen, mit Zugrundlegung von Retty's Plane, und nach weitern Abänderungen defjelben durch den Hofjunfer und Ingenieurleutnant von Keßlau, unter defjen Leitung den Bau, jedoch nur nach und nach auf dem Grundriß des alten Schloffes, in Stein und Badftein umzubauen.

Die Baukommiſſion bildeten Geheimrat Wielandt, Hofrat Rein- hard, der vorgenannte Keßlau, Kammerrat Belling, Baumeister Arnold und 1763 nach jeinem Abgang Müller. Der Plan der Kommilfion bejtand darin, den Bau bis zum Jahr 1761 Stüd für Stüd fertig zu ftellen, an den rechten Flügel, welcher 30° kürzer war als der linte, dieje 30° Fuß anzubauen, und in dem linken ein neue3 Opern- haus und eine Kapelle einzurichten. Der Markgraf aber wollte aus Sparjamkeit jeden Flügel um 100° verkürzen, fo daß der ganze Bau nur auf 130 000 fl. tommen ſollte. Auf diejer Grundlage wurde unter Keßlau als Baudireftor begonnen, aber bald zeigte e3 fich, daß es dabei nicht bleiben konnte. Schon 1751 war das Corps de Logis, der Mittelbau zum Teil in Angriff genommen, und die alte Schloß- fapelle dajelbjt zu einem Saale eingerichtet worden. In demjelben Jahr bezog man von Waflelone im Eljaß 1000 eichene Dielen, welche durch die Aheinpfalz zollfrei eingehen durften, 1753 Schiefer für die Zürme und Schloßkirche von Caub am Rhein. 1754 bis 58 murde auf dem Tinten Flügel die Schloßkirche mit vorjtehendem Pavillon gebaut und mit zehn eichenen Säulen *) im Innern verjehen, ſowie überhaupt der linke Flügel zuerft aufgebaut wurde.

Nach und nach wurde der Marmorjaal mit inländischen Marmor, der Spiegeljaal, der Thronjaal, eine Reihe Converſations-, Speife- und Spielzimmer, die Silberfammer u. U. hergeftellt. Hofmaler Melling, welcher zugleich Zeichenlehrer des Gymnafiums war, wurde ala Plafondmaler verwendet. Der Bau, in einfachem, altfranzöfiichem Stil gehalten, war bis 1771, aljo nach 20 Jahren, äußerlich vollen- det, weil Karl Friedrich jährlich nur eine bejchränfte Summe darauf verwenden wollte.

So mwurden verbaut 1750 12000 fl., 1751 39589 fi., 1752 39 750 fl., 1753 42636 fl., 1754 74174 fl. und fo fort, in der Beit des 7jährigen Krieges nur 10 bis 17000 fl. und im Teßten

*) 1801 wurden dieſe Säufen, weil verfault, bei dem Friedensfeſte gejtügt und dann burch fteinerne erjegt.

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Baujahr 1771 noch 4047 fl., im Ganzen etwa 600000 fl., wozu noch die zahlreichen Frondfuhren kamen, welche aus weiter Umgegend, aus den Memtern Karlsruhe, Durlah, Stein und Pforzheim bis von Dietlingen, Langenalb, Eifingen, Eutingen, Brößingen, Liedols- beim ber geleiftet werden mußten.

Die Steine kamen aus den Steinbrücden von Wolfartsweier, Durlach (Eifenhafen) und von der Gröginger Steige bei Auguften- burg, und wurden großenteil3 auf dem Steinjchifffanal (Qandgraben), welcher beim Rüppurrerthor feine Auslände hatte, hierher geſchafft. Die Steinhauer Martin Zöller, Hans Gg. Mößner, Gg. Jak. Friedrich, Ehrift. Karcher, I. Gg. Jung und Sam. Rüben von Durlach lieferten diefelben. Tannen wurden in großer Anzahl aus dem Herrenalber Klofterwald bezogen, wozu Würtemberg al3 dortiger Landesherr die Erlaubnis gegeben hatte.

Der Inbau war indeffen 1771 noch nicht beendigt, denn 1772 war der obere Stod de3 rechten Flügels, und 1774 der linke noch nicht fertig. Der leßtere war jedoch in diefem Jahr zum Teil ſchon von Hofdamen, Pagen und Hofoffizianten bewohnt. Möbel beftellte man zum Teil aus Paris. Endlich 1782 iſt das Schloß völlig her- geftellt, und der Markgraf befahl daher, auf Georgi dieſes Jahres die Schlußrechnung zu ftellen.

Als Mittel zu dem Bau hatte Karl Friedrich unter dem 7. No— vember 1750 bejtimmt, 300000 fl., welche im Jahr 1740 ala Dar- leben an Kurpfalz gegeben, nun heimbezahlt wurden, und den Erlös aus Gütern, welche, in Folge der Zerftörung des Friedlinger Schlofjes bei Bajel durch die Franzoſen, frei geworden und verkauft worden waren. Es wurde daraus eine eigene Schloßbaufaffe gebildet, und die Gelder in der Silberlammer in einer Kifte aufbewahrt, zu welcher der Rentlammerrat Belling und der Bauverwalter Dachtler jeder einen bejondern Schlüffel hatten.

1749 Tag hinter der Hoffüche vecht3 vom Schloſſe ein herr— ichaftlicher DBierkeller mit einer Eisgrube, welche aber bei höherm Wafferftand unter Wafjer fam. In dem alten QTürniggebäude, dem Bleiturm, wohnte in einer großen Hinterftube der Kaminfeger. 1755 bis 58 wurden das Neit- und Feuerhaus, die Pferdejtälle, Wagens, Kutſchen⸗ und Schlittenremifen links vom Schloſſe, namentlich vier Pavillons Hinter den Stälfen neugebaut, 1762 links die Hofapothefe

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und das Laboratorium, recht? das neue Wafchhaus, das Küchen- und Marjchallamtsgebäude, ſpäter der Kavalierbau genannt.

Der Landfchreiber Obermülfer, deſſen Dienftwohnung in dem Zirkel des Schloßplaßes zwijchen Herren und NRitterjtraße Tag, hatte jeine Kaffe in einem Gewölbe des neuen Schlofjes neben der Silber- fammer, in dem jog. Heinen Burgunderkeller unter dem Schloßportal. 1781 aber klagte derjelbe, da3 Gewölbe ſei dunkel, ohne Luft, voll von Ratten und Mäujen, e3 berrjche darin ein wahrer Totengeruch, jo daß die Geldfäde mit dem Kupfergeld, aus dem Gewölbe geholt, noch drei Tage nachher im Zimmer gerochen, und ber das Geld zäh- lende Diener davon Juden und Abhäutung auf der Bruft befommen babe. Man möge doch ein pafjendes Gewölbe unter der Kanzlei im Zirkel fuchen.

1782 wurde der achtedige, urjprünglich von Stein gebaute, und deßhalb ftehengebliebene Bleiturm, welcher etwa 60 m hoch war, um 18 m niedriger gemacht, und, ftatt des jchlanfen Türmchens, mit dem jet noch darauf befindlichen, mit Fenftern ringsum verjehenen Pavillon gededt.

1802 wurde der offene Gang zwiſchen Schloß und Hofapothefe ebenfall3 mit einem Dach verjehen.

Der nach Karl Wilhelms Gejchntad angelegte vordere und hintere Schloßplag und Schloßgarten erfuhr bald nach deſſen Tode wejentliche Veränderungen, und jchon unter der vormundichaftlichen Regierung zeigte fich eine mehr dem Nützlichen und Einträglichen zugewendete Richtung, denn 1739 wurden die Tiere der Menagerie und der Vogelhäuschen, weil zu teuer zu unterhalten, außer einigen Dutzenden Kanarienvögel, verfauft. Mit Karl Friedrichs Regierung begann eine durchgreifende Umgeftaltung jämmtlicher Anlagen. Karl Friedrich, welcher in England die englijchen Gartenanlagen kennen ge lernt hatte, Tieß ſofort auch in Karlsruhe nach und nad dem ent- Iprechende Veränderungen treffen.

Die vor dem Schloß und dem Schloßhof befindlichen Garten- anlagen gingen 1753 ein, auf dem mittlern Teile des Schloßplages, welcher von nun an als Parade- und Feſtplatz dienen jollte, blieb in defien Mitte ein großes Baſſin mit drei jpringenden Wafjerftrahlen, auf die rechte und Linke Seite des Platzes wurden ringsum mehrere Reihen Bäume gejegt, in den Mittelfeldern derjelben Baſſins ange

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legt, und der um diejelben fich ausbreitende grüne Raſen mit Buſch— werk verjchiedener Art bepflanzt. Bis 1794 finden wir noch Wildenten in diejen beiden Baſſins.

Zwiſchen die beiderjeitigen Baumalleen wurden in der mildern Jahreszeit hunderte von Citronen- und Drangenbäumen eingeftellt, und bei einem Bejuche de3 Großfürjten Alerander von Rußland beide Seiten de3 mittlern Schloßplages mit zwei Reihen Pagoden auf hoben Fußgeftellen geſchmückt, welcher Schmud aber mit Recht bald wieder im Schatten der Verborgenheit verjchwand, und wovon nur noch einige Eremplare jich in dem Garten der Vereinsklinik befinden.

Hinter dem Schloffe wurden 1760 die vierundzmanzig im Halb- freis den Schloßturm umgebenden Tierhäuschen abgebrochen, von welchen einige 1743 dem fürftlichen Büchjenjpanner, ſowie dem MWacht- meifter und Furier der Neiterei, als Wohnung, eines 1748 auch als Goldwäſcherhäuschen gedient hatten.

Der hintere Schloßgarten, welcher bisher als Wildpark dem Publikum verjchlofjen gewejen war, wurde in einen englijchen Luſt— garten umgerwandelt und dem Volk zugänglich gemacht, der Wildpark und Faſanengarten weiter zurüd verlegt. Karl Friedrich, das Nütz— fiche mit dem Angenehmen verbindend, Ließ jchon 1750 die Küchen- gärten bei dem Durlacherthor verbefjern und veredeln, legte 1752 Spargel» und Artifchofenbeete, 1779 eine Ananaspflanzung, 1782 Treibhäufer für Trauben an. Er ließ in dem öjtlichen Teile des Schloßgartens eine Pflanzung edler Objtbäume anlegen, die Trüffel- jägerei aber, für welche man bisher bejondere Hoftrüffeljäger gehabt hatte, wurde von 1762 an in Aftord vergeben. 1763 wurde das, 1754 in dem weftlichen Teile de3 Schloßgartens gebaute chinefiiche Häus— chen durch Sturm zerftört, aber 1783 durch Hofgärtner Männing und Müller die uns ältern Karlsruhern noch wohlbefannte chine= fiiche Partie mit der Feljenvertiefung, Schüfjel oder Pfanne genannt, dem Waflerfall, der Grotte, dem Kugelhopf und dem chinefiichen Häuschen neu hergeftellt. Bei der Umgejtaltung des Gartens war jeit 1787 auch bejonders der Hofgärtner 3. M. Schweykert thätig, welcher auch den Erbprinzengarten, den des Prinzen Ludwig vor dem Mühlburgertbor und den Hochberg’jchen Garten anlegte. Das Karls— ruher Publikum fand übrigens an den neuen englijchen Anlagen an— fangs feinen großen Geichmad.

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Die früher vor dem Ochjenthor in Durlach nach) Weingarten zu gelegene Faſanerie hatte Karl Wilhelm in feinen neuen Schloßpark verlegt. Die Zucht war übrigens eine ziemlich umftändliche und kojtipielige, denn 1758 finden ſich verrechnet für junge Faſanen 3 Malter Waizen und 1 Ohm Wein zum Einmeichen deffelben, für die 4 big 500 Stüd alte Faſanen und 12 bis 15 Pfauen 58 Malter 4 Simri Waizen, 3 Malter Dintel, 95 Malter 4 Simri Gerfte, 8 Malter Hirje und 1 Ohm Wein.

1763 mußte Karl Friedrich wegen Unglück in jeiner Faſanerie Faſanen von dem Fürſten von Hechingen beziehen, aber 1795 konnte er dem König von Preußen 58 Faſanen, welche ein Jägerburſche be— gleitete, zum Gejchent machen.

Die Aufficht über die Faſanerie führte ein Faſanenmeiſter (1784 Holg), welcher dort auch Wohnung hatte.

Wildenten bielt der Markgraf nicht nur bis 1794 in dem Baſſin de3 vordern Schloßplages, jondern auch in dem Schloßmweiher der Karlsburg in Durlach und in dem Entenkoy bei Rintheim. Diejelben verzehrten 1758 10 Malter Waizen, 126 Malter Gerfte, 3 Sejter Magjamen, 2 Malter 2 Sefter Hanfjamen und 4 Seſter Rollhaber. Faſanerie und Entenzucht wurde indefjen ſeit 1784 auf Karl Frie drichs Befehl bedeutend eingejchränft.

In dieſem Jahre legt Karl Friedrich einen Hirſchpark an, in welchen auch Biber eingejegt wurden, und zwiſchen diejem und dem Faſanengarten, auf der jog. Bockblöße, unterhielt er eine Anlage aus— ländischer Holzarten, bejonders von Nadelhölzern, welche zur Unter- haltung der Schloßgartenanlagen diente.

Die große Jagdliebhaberei jeines Vorgängers teilte Karl Frie- drich nicht, doch gehörte die Jagd jo jehr zu den fürjtlichen Lieb— habereien damaliger Zeit, dab der jugendliche Fürft fich davon nicht losſagen konnte. 1758 finden wir daher bei dem fürftlichen Hofjagd- wejen 72 Hunde, und zwar 6 Rüden, 12 Leithunde, 10 Schweißhunde, 2 Saubeller, 10 Hühnerhunde, 5 ordinäre Windhunde, 12 englijche Windhunde, 1 Heinen engliichen Windhund, 2 Apportirhunde, 1 Dachshund, 5 Trüffelhunde, 2 Hunde zum Entenfang im Koy. Dieje brauchten jährlich 73 Malter Roggen zu Brot für 20 derjelben, und 641 Pfund Brot wöchentlich für die 52 andern.

1772 wurde aus dem Zeughaus in Raftatt Jagdzeug bieher gebracht, 1797 thun die Frettchen, eine Wiejelart, an Haſen umd

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Kaninchen im Faſanengarten großen Schaden. Während der Kriege wurde teils durch die mangelnde Hut, teils durch den größern Ver— brauch des fremden Kriegsvolkes, beſonders der Offiziere, der Wildſtand im Park jo jehr verringert, daß Karl Friedrich 1802 genötigt war, von auswärts, namentlich von Dehringen und 1811 von Defjau Wild zur Ergänzung des Schadens anzufchaffen. In den legten Jahren feines Lebens machte zunehmende Altersſchwäche ihm den Genuß des Sagdvergnügens unmöglich.

Einen höchſt wichtigen Teil der Anlagen um das Schloß bildeten, wie wir in dem erften Abjchnitte gejehen haben, die Blumen- und Baumanlagen. Während aber diefe Anlagen im Anfange mehr der Liebhaberei, dem Vergnügen des Fürften dienten, erhielten fie jchon gegen Ende der Regierung Karl Wilhelms nach und nach auch einen wifjenfchaftlich - botanijchen Zweck. Dieje Anlagen befanden fich teils auf dem vordern Schloßplag in Beeten und Gewächshäufern, teils in den drei Drangerien an der Weſtſeite des Schloßplaßes, teils in dem zwiſchen Adler und Kronenſtraße noch bis in den Anfang unjeres Jahrhunderts bejtehenden Orangeriegebäude des Schloßzirkels.

1733 hatte der um den botantjchen Garten jehr verdiente Hof- medikus I. Andr. Eichrodt mit dem Hofgärtner Thran ein Pflan- zenverzeichniß de3 Gartens, Catalogus Horti herausgegeben und der berühmte Botaniker Linnd, welcher eine in Brafilien entdedte Pflanze zu Ehren der Marfgräfin Carolines princeps nannte, jagt in der Vorrede zu jeinem Hortus Cliffortiaenus 1737: Proin et princeps Baden-Durlacensis Illustrissimus Carolus, quan- tum ex ipsis plantis oblectamentum ceperit, quanti botanicem fecerit, delebitur nunguam etc. deutſch: „Deßhalb wird es ftet3 unvergehlich bleiben, welchen Genuß dem Markgrafen jeine Pflanzen bereiteten und wie hoch er die Pflanzenkunde ſchätzte.“ 1744—45 war unter der Vormundichaft ein neues Gewächshaus von 143’ Länge in der Vertiefung des vordern Schloßplages erbaut worden, der 1747 von Thran herausgegebene Pflanzenfatalog zählte daher über 2000 verjchiedene exotiſche Pflanzen und Bäume, wie Adansonia boabob, Laurus Camphora Rampferbaum u. a., 1748 kam bier zum erften- mal in Europa die Aloe, Agave americana, und 1774 ber erfte Zulpenbaum, Liriodendrum tulipiferum, zur Blüte.

1750 zeigte die Birkelorangerie an ber Adler- und Kronenftraße nach dem Schloßplaße zu eine den übrigen Zirkelhäuſern entiprechende

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Hausfront. Die untern zwei Stodwerle des Haufes bildeten ein großes Pflanzenhaus, mit hohen Glasfenftern nach den Seiten und dem Hofe zu, und ebenjo ftanden quer durch die Mitte des Hofes zwei niedere Pflanzenhäufer, während der freie Hofraum mit Drangen- und Citronenbäumen bejegt war. Nach den Seitenftraßen und dem innern Birfel war die ganze Anlage von einer Mauer umgeben.

Die an der weſtlichen Seite des Schloßplaßes, füdlich von der Hofküche gelegenen drei Drangerien hatten, mit Ausnahme der erften, hinter welcher das Waſchhaus ftand, unmittelbar Hinter ſich dazu gehörige Gärten, deren hinterfte Grenze etiwa eine von der jegigen Stefantenftraße nach dem Schloß gezogene Linie bildete, der weftlich nad dem alten Linkenheimerthor zu liegende Teil, auf welchem jebt das Alademiegebäude und ein Teil des botanijchen Gartens ftehen, war ber fürftliche Holzhof, an dem nördlichen Ende des Holzbofes, etwa dem jeßigen Gafthaus zum Mohren gegenüber, ftand das alte Komddienhaus, ein langes, niedrige Holzgebäude, und hinter diefem das chinefiiche Häuschen und die Feljenvertiefung.

An der Spige der Gartenverwaltung ftanden jog. Garteninfpel- toren, Zitularinjpeftoren nennt fie ein Schriftfteller, und unter. ihnen die Hofgärtner. Diefe waren mit den Inſpektoren öfters verjchiebener Anficht, ala 1760 der tüchtige Botaniker Dr. Joſ. Köllreuter die Aufficht über die Gärten erhalten hatte, konnte auch er gegen die Infpektoren und die diefen allein gehorchenden Gärtner nicht? aus- richten, und die Gärten kamen immer mehr in Verfall, jo daß gegen Ende der achtziger Jahre nur noch etwa 12—1300 Pflanzen vor» handen waren. |

1784 war Dr. 8. Chr. Gmelin, erft 22 Jahre alt, an Köll- reuter3 Stelle getreten. Diefer unterjuchte jofort Gärten und Gebäude, fand in den Pflanzenhäufern und Gärten jelbft die gewöhnlichſten Pflanzen wie Geranien, Aloe, Cactus vernachläffigt und verwildert, einen großen Teil des Gartens von dem Inſpektor als Gemüsgarten benußt, und für keinen neuen Nachwuchs geforgt. Durch den Minifter von Edelsheim und Karl Friedrich ſelbſt Tebhaft unterftügt, Tonnte nun Gmelin befiernd und fürdernd eingreifen. 1787 bewirkte er die Berufung des I. M. Schweykert aus Pforzheim zum Hofgärtner, welcher in Paris und London geweſen und hier in dem Dienft eines reichen Lords geftanden war, und welchem jogleich die Bejorgung

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ber botanischen Gärten und Gewächshäuſer des Schloßgartens, des Erbpringengartens u. a. übertragen mwurde.

1789 reiste Gmelin nach Südfrankreich und Spanien und brachte von da über 300 neue Pflanzen und 15—1600 Samengattungen mit, jo daß 1790 ſchon wieder eine reiche Flora von etwa 4000 Arten vorhanden war, wie dies der 1791 von Gmelin herausgegebene „Catalogus plantarum horti Carlsruhani* zeigt, und fich die bisherigen Gebäude als unzureichend erwieſen. Trotz aller Bitten und Klagen Gmelins, auch über die Baufälligfeit der alten Orangerie in der Adlerftraße, und obwohl der Markgraf fich durch Augenjchein von der Begründung der Klage und der Notwendigkeit der Abhilfe überzeugt hatte, erlaubten doch Zeiten und Verhältniſſe erſt in der nächften Periode, an Verbefferung zu denken und zu arbeiten.

4. Pie Stadt.

Als 1738 Karl Wilhelm ftarb, war die Stadt nach jeinem Plane, wenn auch im Innern noch nicht überall ausgebaut, doch der Anlage nach fertig.

Sie bejtand aus neun, von dem Schloß als Mittelpunkt aus— laufenden Straßen, den Häufern des ſog. äußern Zirkel am Schlof- plag, dem innern Zirkel, defjen dem Schloffe zu liegende Seite aber größtenteild durch Hintergebäude und Garten- oder Hofumzäunungen der Schloßzirkelhäufer eingenommen war, der langen Straße, damals noch Mühlburger Landſtraße genannt, welche den füdlichen Abſchluß der Stadt bildete, und dem zwijchen Rüppurver- und Durlacherthor liegenden Dörfle, auch Baradendorf genannt, Klein-Karlsruhe.

- Barallel mit der langen Straße, von dem Kirchhof der Refor- mirten binter ihrer Kirche, bis gegen die fpäter verlängerte Wald- bornftraße, zog ſich in gerader Linie zwiſchen Gärten und Feldern die Querallee, jpäter Zähringerſtraße. Die Straßen hatten ihre Namen nach einzelnen Mitgliedern des Regentenhauſes und andern hervorragenden Männern erhalten, jo hieß die jpätere Waldhornitraße Günzerftraße, die Kronenftraße Löwenkranzſtraße, die Adlerſtraße

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Rottbergſtraße, die Kreuzſtraße Erbpring Friedrichitraße, die Bären- ſtraße Markgraf Karlsſtraße, die Lammſtraße Markgraf Chriftophs- ftraße, die Ritterftraße Graf Leiningen-, die Herrenftraße Drais- und die Waldftraße Blantaftraße.

Doc finden wir jchon 1724 die Straßen im Vollamund nach den großenteil3 an den Eden der langen Straße und der betreffenden Fächer⸗ ftraßen gelegenen Wirtöhäufern benannt, und diefe Benennungen wur⸗ den und blieben mit der Zeit die üblichen und find es noch.

Bon diefen Straßen führten über die lange Straße hinaus Ver- bindungsmwege nach außen, Feld- und Fußwege, jo aus der Wald- bornjtraße nach Klein-Karlsruhe, aus der Kronenftraße nach dem Rüppurrerthor, aus der Adlerftaße durch Querallee und Gärten an den Landgraben.

Die Kreuzitraße war durch die reformirte Kirche abgejchloffen, die Bärenftraße durch Stadtkirche, Pfarr- und Schulhaus, die Lamm- ftraße durch den katholiſchen Kirchenbauplag, wo fpäter das Brunnen- haus ftand.

Aus der Ritter» und Herrenftraße führte ein Piletthor ins Freie, und von der Waldftraße jenjeit3 der langen Straße, etwas rechts ab- biegend, ging ein Weg nach dem Felde, und ein zweiter al3 Beiert- heimer Viehtriebweg gerade nach Beiertheim.

In dem Raum zwiſchen Stadt und Landgraben, über welchen anfangs nur hölzerne Brüden und Stege führten, ſowie jenjeit3 des— jelben lagen Gärten und Weder, und der zu Beiertheim gehörige Wald und Waidegrund. Die Häuferreihen zeigen noch vielfache Lüden, Waldhorn- und Waldftraße nur eine Reihe von Häufern, während die äußere Seite durch eine Paliffadenzaun gegen den Wald abgejchlofjen ift.

Pflafter ift noch keines vorhanden, notdürftig gepflafterte Geh- wege laufen an den Häufern bin, für Beleuchtung feines Weges durch die unebenen, mit tiefem Sand bededten Straßen muß der nächtliche Wanderer mit eigener Laterne forgen. Alle Häufer, außer den zwei⸗ ftödigen Zirkelhäufern mit Manfardenftok, find einftödig mit vor- ipringendem Dach und darauffigenden Manjarden, alles rot ange- ftrichen, weßhalb Reiſende unjer Karlsruhe die rote Stadt nannten. Die Waflerfteine und die Dachrinnen, wo ſolche vorhanden, gießen ihr Wafler auf Straße und Gehwege.

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Klein⸗Karlsruhe mit feinen einftödigen Baraden und winkeligen Gaſſen bildet eine eigene, fronddienftpflichtige Gemeinde.

Bor dem Platz, wo die Bärengafje nach der langen Straße ein- mündet, da wo jet die Pyramide fteht, erhebt ſich die Stadtkirche mit Pfarr» und Schulhaus zu beiden Seiten, an ber weftlichen Ede des Platzes, jegt 141 der Kaiſerſtraße, fteht das ftädtifche Rathaus, an der dftlichen Ede das Gymnaſium, an diefes anftoßend das refor- mirte Pfarr» und Schulhaus, und dabei die reformirte Kirche.

Unter dem Rathaus befinden fich unterixdifche, hölzerne Gefäng- niszellen, welche jeit 1753 von dem Staate mitunterhalten wurden, weil diejer auch feine Verbrecher darin unterbrachte, in dem Hofe ftand das Feuerhaus, zu defjen Neubau der Staat 1752 das halbe Holz unentgeltlich, da8 übrige um die etwas erhöhte Forfttare Lieferte.

Schon die vormundichaftliche Regierung erließ mehrfache Ver: ordnungen zur Verbefferung der ftabtbaulichen Zuftände. 1741 wurden die Einwohner der langen Straße verpflichtet, jo weit ihr Haus "reichte, die Straße zu unterhalten, da fie aber, auf ihre Privilegien fich be rufend, fich dagegen fträubten, wurde die Straße mittlerweilen immer unfabhrbarer. Deßhalb nahm auf Befehl Karl Augufts 1741 der Schultheiß 2. Frommel von Söllingen einen Wugenjchein bier vor, findet aber die lange Straße von fo ungleicher Tiefe und Höhe, daß bei etwaiger Auffüllung das Straßenprofil bis an die Fenſter reichen müßte. Den Vorſchlag, die Straße auszuheben und mit Kalkftein zu überjchottern, verwirft Karl Auguft als zu teuer und zur Schonung ber Unterthanen, dagegen wurde angeordnet, man jolle nicht, wie bis— ber, Unrat, Holz und Steine auf die Straße werfen, und die Anftöher follten, wie dies bereit3 in andern Straßen gejchehen, auch in der langen die Straße jelbft nach und nach augebnen.

1742 wurde am Ende der Ritterftraße an der nordweſtlichen Ede des Erbprinzengartens, ftatt des hölzernen Steges, eine fteinerne Brüde über den Landgraben und eine Fahrſtraße angelegt, und innerhalb der Brüde, an Stelle des bisherigen einflügeligen Pfört- chens ein zweiflügeliges Piletthor, auch Prinzenthor genannt, erbaut, welches Biletthor aber 1783 durch das hieher verbrachte alte Dur- lacherthor erjegt wurde. Bor dem Thor, neben der Brüde, war eine Pferdeſchwemme. In der Nähe des Mühlburgerthores, auf dem jegigen Ludwigsplatz, ging jchon 1742 eine fteinerne Brücke über den Zandgraben,

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1749 hat die Waldgafje bereit? zwei Häuferreihen, die Wald- bornftraße noch nicht. Die Gärten der Waldjeite in der Waldſtraße waren nach dem Walde zu mit ſechs Fuß hohen Planken eingefriedigt, wozu bie Herrichaft das Holz lieferte. Es feien num, heißt e3 in den Alten, dort Leute, welche die Planken losmachten, nacht? Holz, Obſt, Gemüſe, Weljchlorn u. a. ftahlen und Gefindel hereinließen. Die beſſetn Einwohner baten daher um eine 10° hohe Eichenholzwand mit fteinernem Sodel und Ziegeldach.

Die engen Grenzen der erften Stadtanlage konnten aber bei dem durch die Annehmlichkeit des gaftfreien, markgräflichen Hofes, ſowie durch den Auf der Tugenden des Markgrafen und feiner Gemahlin zunehmenden Beſuch fremder Gäfte, bei der durch die Vergrößerung des Landes feit 1772 wachjenden Vermehrung der Einwohner und dem ftet3 zunehmenden Buzug neuer Anfiebler auf die Dauer nicht mehr genügen.

Dies erfannte Karl Friedrich wohl und nahm daher ben Plan einer Vergrößerung der Stadtanlage ernftlih in Angriff. Die natur- gemäße Ausdehnung der Stadt konnte, bei der nicht unbedeutenden Längenausdehnung von Weften nach Dften, und bei der nördlichen Begrenzung der Stadt durch das Schloß, nur nach Süden erfolgen.

Die Radialftraßen mußten demgemäß über die lange Straße und den LZandgraben hinaus verlängert, und bie dazwiſchen Tiegenden Gartenwege und Allen zu Straßen angelegt werben.

Schon 1752 wurde verordnet, daß die alten Häufer bei ihrer Ausbefferung nur mit fteinerner Front aufgebaut werden follten, und zwar nach dem Modell der neuen Häufer in ber Waldhornftraße, wobei jogar die Farbe des dortigen Urnold’schen Haufes ala Mufter empfohlen wurde. Der Markgraf vermwilligte eine Baugnade von 3 fl. für den Fuß Front, und ftellte 1765 den in der verlängerten Kronen⸗ ftraße Bauenden das umentgeltliche Bürgerrecht in Ausficht. 1777 geftattete er dem Baumeifter Berfmüller zum Zwecke des Neubaues eine Lotterie, und gründete jchon vorher eine Baukaſſe, aus melcher Neubauende Darlehen bis zu 500 fl. gegen geringe oder gar feine Berzinjung erhalten konnten.

So kaufte auch 1783 die Regierung den zwilchen Kreuz, Spital, Adler- und Zähringerftraße gelegenen Garten des Prinzen Eugen für 6000 fl. und verkaufte die Plätze an Bauluftige, welche bis 5 fl. Baugnade erhielten, wie dies auch in der Schloßftraße der Fall war.

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Die Waldhornftraße, ohnedies wegen der vielen Schloßbaufuhren die befahrenfte, war denn auch 1758 mit ihren Gehwegen und einem Zeil des Pflaſters fertig, ehe die andern Straßen joweit waren.

In diefen ging es langjamer, denn 1759 berichtet der Ge- meinderat, die lange Straße jei eigentlich eine Landftraße und follte daher von dem Land unterhalten werden, wenn aber dies nicht aner- fannt werden mollte, jo möge jeder Hauseigentümer ſoweit ind die Straße hineinpflaftern und das Pflafter unterhalten, ala dies in der Waldhornftraße gejchehen jei, und dazu jollten auch die Mitbewoh— ner beitragen. Zu der notwendigen Herjtellung einer Dohle in der langen Straße und, joweit nötig, in den Nebenſtraßen, jolle man eine allgemeine Umlage auf die Einwohner legen, da die ſchwachen Stadteinnahmen dazu nicht ausreichten. Dieſer Bericht gründete fich auf die Mitteilung der ſechs Gaſſenmeiſter, welche auf Begehren des Bürgermeifterd die Bürger viertelweiſe zufammengerufen und darüber mit ihnen beraten hatten.

Zudem hatte die Stadt damals noch dreizehn, allerdings meift hölzerne Brücken über den Landgraben zu unterhalten.

1765—67 wurde al3 erfte regelrechte Verlängerung einer Radialftraße über die lange Straße hinaus die, von dem Wirt3- haus zum Rappen an der langen Straße und Kronenftraße, durch Klein⸗Karlsruhe ziehende „Neue Rüppurrer Straße” angelegt, batte aber, wo fie durch Klein-Karlsruhe ging, meiftens einftödige Häufer.

Ber einer 1765 vorgenommenen Zählung fanden ſich an nicht berrichaftlichen Häufern bier in der langen Straße 131 Haupt» umd 178 Nebengebäude, Waldjtr. 35 Haupt- und 31 Nebengebäude, Her: renſtr. 18 Haupt- und 20 Nebengebäude, Nitterftr. 16 Haupt und 14 Nebengebäude, Lammftr. 5 Haupt- und 7 Nebengebäude, Bären- gaffe 4 Haupt» und 4 Nebengebäude, Kreuzftr. 6 Haupt: und 10 Nebengebäude, Adlerftr. 12 Haupt» und 14 Nebengebäude, Kronenftr. 20 Haupt und 27 Nebengebäude, Waldhornftr. 22 Haupt» und 38 Nebengebäude, Schlohzirkel 16 Haupt: und 30 Nebengebäude, dem inmern Zirkel 4 Haupt und 5 Nebengebäude, Pfannenftiel, d. b. von der Waldhornftr. bis zum Diurlachertbor 37 Haupt und 20 Nebengebäude.

Summa 328 Haupt: und 398 Nebengebäude.

1768 wurde der Plan einer namhaften Erweiterung der Stadt wieder lebhaft angeregt. Es herriche, berichtet der Stadtrat, hier

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Wohnungsnot, Stadtkirche, Schulhaus und Spital feien zu Hein, eine baufällige Hütte werde mit 2—3000 fl. bezahlt, ein Hausplaß für ein mittelgroßes Haus koſte bis zu 2500 fl. Es wurde daher eine Kommiffion, aus dem Baudirektor von Keßlau, dem Geheimrat Rein- hard, den Baumeiftern Arnold und Müller und dem NRechnungsrat Weyhing bejtebend, beauftragt, mit dem mürtemb. Baudireftor La Öuepierre zu beraten. Dieje Kommiſſion berichtet nun, man ſolle über den Marktplag hinaus eine 50—60° breite Straße über den Landgraben bis an die Allee hinter dem Erbprinzengarten, jegt Erb» prinzenftraße, führen, und dort ein Hauptthor hinstellen. Von da aus möge man in gerader Linie die Straße nach Ettlingen anlegen, welche bis da durch das Rüppurrerthor ging. So befomme man Pla für Kirche, Gymnaſium, Rathaus u. a. An dem neuen Markt jolle man nur dreiftöcige Häufer zulaffen. Das Prinzenthor beim Erbprinzengarten müſſe über den Landgraben hinaus, ebenfall® bis an die Allee, jebt Erbprinzenftraße, hinter dem Erbprinzengarten verlegt, und jo auch die Ritterftraße jelbft weiter gebaut werden.

Vorerſt kamen diefe Vorjchläge nicht zur Ausführung, wir werden jte aber nach 1780 wiederkehren jehen.

Nach dem Erbanfall 1772 erjcheint eine immer regere Bau— thätigkeit. Der Pla an dem Linfenheimerthor wird gepflaftert, woran die Anftößer, Kammerherr von Schilling, Freiherr von Palm, Weber Schelmann, Geh. Hofrat Volz, Durlacherhofiwirt Greiner, Aſſeſſor Preufchen, Lakai Faber und Hofiporer Brenner mit zu bezablen haben, und in demjelben Jahr beginnt auch die Pflafterung bei dem Rüppurrertbor in Klein-Karlsruhe. Immer noch war aber in der langen Straße fein Straßenpflafter vorhanden, und nur teilmeije in den andern Straßen.

1772 machte num der Stadtrat einen Weberjchlag über die Pflafterung der ganzen Stadt.

Vorerſt jollte man von dem Durlachertbor bis an die Wald- bornftraße, zum Ritter und der Sonne Pflafter und Kanal führen, und zwar jo, daß an den Häufern gepflafterte Gehwege, und nur in der Mitte der Straße eine gepflafterte Fahrbahn berzuftellen wären.

Der Anjichlag dafür war 4383 fl.

Die Querftraßen und die weitere Herjtellung der langen Straße vom Ritter an jollten nach und nad) in Arbeit fommen. 1773 wird ein neuer Plan zur Planirung der ganzen Stadt mit einem Vor—

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anjchlag von 32112 fl. für Pflafter und Dohlen vorgelegt, und 1774 wurde die Stadt zur Zahlung des ganzen Aufwandes in fünf Jahresfriſten verpflichtet, wofür das Weggeld erhöht, und die Haus- befiger zu Beiträgen angehalten werden jollten.

Diefer Plan fam endlich, wenigſtens teilweije, zur Ausführung, denn bis 1776 waren die nad) dem Schloß führenden Straßen ge— pflaftert, und in derjelben Zeit wurde der Kanal und das Pflafter in der langen Straße hergeftellt, obwohl auch jetzt noch die Gehwege nur aus Pflafterjteinen beftanden, auch noch keine richtige allgemeine Straßenbeleuchtung da war.

Erſt 1780 finden wir in Karlsruhe 384, in Klein-Karlsruhe 51 Laternen, welche von November bis April brannten und 4534 fl. für Brennöl kofteten.

Das Laternengeld wurde nach der Häuferftener umgelegt.

1773—77 wurden einzelne Häuſer in der Erbprinzenftraße gebaut, aber erſt mit dem Beginn der achtziger Jahre fängt wieder eine [ebhaftere und nachhaltige Bewegung in Bauen an. Wir haben oben gejeben, daß eine Baukommiſſion den Plan empfohlen hatte, die Verlängerung der alten Bärengaffe, welche damals noch meift niedrige Modellhäufer enthielt, jenſeits des Marktes und Friedhofes zu be= werkjtelligen. Diefem Plan ftanden allerdings nicht geringe Schwierig- keiten im Wege. In der Mitte des Plabes, in gerader Richtung vor der Bärengaffe, lag die Stadtkirche mit Pfarrhaus und Schulhaus und Hinter dieſen in der ganzen Breite des Platzes, einerjeit3 die Dienftgärten der Geiftlichen und Lehrer, zum größten Teil aber der Friedhof bis an den Landgraben, wo jetzt das Griesbach'ſche Haus und die in neueſter Zeit verkaufte markgräfliche Kanzlei ftehen.

Die weſtliche Seite des Friedhofes heit zwar damals jchon der alte Gottesader, weil die öftliche Seite des Geländes ſchon vorzugs- weile als jolcher diente, aber Gräber und Grabfteine waren auch auf dem alten noch vorhanden. Ueber den Landgraben führte ein hölzerner Steg mit einem Gartenpförtchen, das Hafentbörchen, in's Freie, d. h. zwijchen und in berrjchaftliche und Privatgärten und Weder, und hinter diefen in Beiertbeimer Feld und Wald. Zur Rechten, am Anfang der projektirten Schloßftraße, lag der Garten des Hofrates Wielandt, welchen er für 600 fl. am die Herrichaft verkaufte, zur Linken, mehr jüdlich, beſaß Hofrat Dr. Kaufmann von Durlach einen jochen, für welchen er, obwohl derjelbe nur 1’; Morgen groß war,

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6000 Fl. forderte, aber er begnügte fich auch mit 1200 fl., ala man ihm mit dem Verluſt jeiner Zulage drohte.

1783 wurde nun die Vermeſſung diefer neuen Straße ange- ordnet, aber vorerft nur bis zu dem Punkte, wo das jegige Rondell beginnt. Die Häujer follten von Stein und dreiftödig werden, die Straße 60° breit. Hinter dem Friedhof joll eine Notbrüde über den Landgraben gelegt, der Zandgrabenbudel zum Zeil abgetragen, von dem Marktplag aus ein Durchgang durch Schulmeifter Fiſcher's Haus gebrochen werden, weil der zwijchen Rathaus und Schulhaus binführende Weg zum Friedhof zu jchmal war.

Die Gräber und Grabfteine des alten Friedhofes jollen aus— geebnet und entfernt, und jo ein Weg nach den neuen Baupläßen hergeftellt werden.

1784 fauft der Marmorier Schwindt den erjten Baupla rechts an der Ede (markgräfliche Kanzlei), der Glashändler Anton Schmidt von Lenzkirch den zweiten (Mödler), Hofrat Schridel den dritten (KRnittel), u. j. w. und gegenüber, etwa in der Mitte der Straße, erwirbt Leibmedikus Hofrat Maler gleichfalls einen jolchen. 1785 wurde mit dem Bauen der Anfang gemacht, der Kirchhof ausgeebnet, die Grabjteine weggenommen. Dagegen konnten Fuhrwerke nur durch den Stadthof, durch eine Mauerlüde am Schlachthaus und über die Holzbrüde die Baupläge erreichen. 1786 iſt daher davon die Rede, da3 Pfarrhaus auf der andern Seite der Kirche abzubrechen, um die Straße dort vorüberführen zu können. E3 wird auch darüber geklagt, daß das Schlachthaus der Chriften und Juden an dem Landgraben, zur Rechten der eröffneten Straße, einen häßlichen Anblid gewähre und üblen Geruch verbreite. 1787 waren Maler’s und Schridel’3 Häufer ſchon bezogen, obgleich fie fich darüber beflagten, daß bei nacht3 gejchloffenem und unbewachten Gottesaderthor ihr Eigentum vor Dieben nicht ficher jet, auch vertrage es fich nicht mit ihrer ärztlichen Praxis, wenn fie bei Nacht gerufen würden, daß das Thor geichloffen fei, und außerdem möge doch wenigjtens für ein überfiestes Fußpfädchen durch den Moraft und tiefen Sand des Kirchhofs gejorgt werden.

In demjelben Jahre 1787 bittet Hofmeßger Reuter, welcher jchon ein Haus in der alten Bärengafje bejaß, um Bewilligung einer Schildgerechtigkeit auf feinen in der neuen Schloßjtraße erworbenen Platz, jebt Gafthaus zum weißen Bären und Rentner Vierordt's

=: Io

Haus. Inzwiſchen war das Gottesaderihor an das jübliche Ende der bisher neu angelegten Schloßftraße zwiichen Ar. 21 und 22 der jegigen Karl-Friedrichitraße verlegt worden, was, da einzelne Stadt- tbore noch von Holz waren, leicht geicheben konnte.

1790 erwirbt Griesbach außerhalb des alten Hafenthörchens einen großen Bauplag zur Errichtung einer Tabaffabrit, und der Landgraben wurde hier übermwölbt.

Die durch die gleichzeitige Eröffnung der Schlof-, Erbprinzen- und Spitalftraße entitandene Straßenkreuzung erwedte 1792 die Idee der Anlage des Rondells, obwohl noch 1796 mehrere Plätze, wie derjenige der jeßigen Gewerbehalle, der Edplag Nr. 1 der Erbprin- zenftraße, jet Velten, derjenige des markgräflichen Palais nicht über- baut waren.

Der Plan, den bisher aus dem Nüppurrerthor und durch die jegige Rüppurrerſtraße gehenden Weg nach Ettlingen durch die neue Schloßftraße, und in gerader Linie durch die Beiertheimer Nadht- waide, an der Biegelhütte und der alten Richtftätte vorbei zu leiten, wurde 1796 wenigſtens in jeinen Anfängen in Arbeit genommen. Bor dem noch weiter hinaus zu verlegenden Thore joll ein freier, freisrunder Pla angelegt, die Straße davor recht? und links mit Platanen bejegt, weiter hinaus durch die Beiertheimer Waide der Straßendamm mit Schutt aufgefüllt und jenjeit3 der Waide bei den neuen Gärten ebenfalls mit Alleebäumen bepflanzt werden. In demjelben Jahre wurde nun auf Betreiben des vorgenannten Reuter beichloffen, das Thor, mit dazugehöriger Bretterwand, außerhalb Reuters Haus, d. h. dahin zu ftellen, wohin fpäter das Ettlingerthor zu ftehen kam, das Wachthaus aber erſt im nächften Jahre dorthin zu verlegen.

Die Bähringerftraße, die Querallee, war 1780 bis’an den reformirten Kirchhof eröffnet worden, wobei den Hausbeſitzern der langen Straße, deren Gärten an die Duerallee ftießen, zur Auf- lage gemacht wurde, wenigſtens 10° von ihren Gärten an die auf der Nordfeite der Zähringerftraße Neubauenden käuflich abzutreten.

1782 wurde in der verlängerten Adlerſtraße zu bauen angefangen, die Durchführung der Durlacherthorftraße bis zur Adler- ftraße beichloflen, und 1790 erbaute Maurer Kolb in der verlängerten Adlerſtraße den König von Preußen und zwei weitere Häufer.

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Schon 1787, mit der Eröffnung der Schloßjtraße, waren ver— ſchiedene Pläne für die Herftellung des Marktplages auch von aus- wärtigen Bauverftändigen eingefordert und eingeliefert worden, jo von dem fürftlich Eichjtädtifchen Baumeifter Mori Pedetti, dem Franzoſen de la Hogue, dem in badischen Dienjten ftehenden englischen Ingenieur: major Burdett, dem Berner Baumeifter Antoine, dem Straßburger Salın, dem Herrn von Erdmannsdorf aus Defjau. Für folche Pläne erhielt la Hogue 1000 Franken, Antoine eine Tabatsdoje von 30 big 36 Louisdor an Wert, Salin 2036 Franken. Vorerſt kam feiner zur Ausführung.

Sobald aber die Abficht ausgeſprochen war, den Pla mit Häufern zu umgeben, liefen zahlreiche Gejuche und Angebote für Bau- pläße ein, und die weitere Fortſetzung der Zähringerjtraße von der Kreuzitraße nach dem Marktplatz wurde zur Notwendigfeit.

In der nach dem Rondell fich binziehenden Spitalftraße hatte Kammerrat Klofe ein Haus, jetzt 52 der Spitalftraße erbaut. Bei der Anlage und dem Weiterbau diejer Straße bejtimmte Karl Friedrich, daß der Dreijpig vor dem neuen Spital nie überbaut werden dürfe, und bewirkte dadurch die Anlage des jegigen Spitalplates.

Als 1790 die Form und Begrenzung des Marktplages im All: gemeinen fejtgeftellt war, fand durch da3 Bauamt eine Verjammlung der Bauliebhaber ftatt, wober der Bau von dreiftödigen, 42° langen Häujern zur Bedingung gemacht wurde. Obwohl aber Bauluftige genug vorhanden waren, verfloffen mehr ala zehn Jahre, bis endlich 1797 Weinbrenner einen Plan für den Marktplag vorlegte, welcher im Wejentlichen die jetzige Anlage defjelben darftellte.

Links jollte die neue Stadtkirche mit dem Gymnaſium auf beiden Seiten, gegenüber das Nathaus, mit einem Brunnen davor, und weiter gegen die lange Straße bin, wo jett die Pyramide fteht, ein Dentmal des Gründers der Stadt ihren Pla finden. Der Plan de3 vorgenannten Pedetti hatte für den Platz hohe Arkaden mit Ver- faufsbuden zu ebener Erde und großartige Bauten für Kirche, Rat- haus und Verkaufshallen in italienischem Stil projektirt. Weinbrenner jeste in feinem Plan die Verkaufsbuden um das geplante Denkmal Karl Wilhelms. Obwohl aber jchon manche der Baupläße verfauft und überbaut waren, obwohl namens der Bauzunft Berkmüller, Künzle, Rau, Errleben, Schmidt, Neff, Brühlmann, Weilbier, Weinbrenner, Wagner, Kolb u. A. 1797 um Förderung der Bauten baten, jo

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war e3 doch erft 1803, nachdem der Friedhof an eine ganz andere Stelle verlegt worden war, möglich, einen endgiltigen Plan für den Plag aufzuftellen, und dennoch blieb die alte Kirche noch mehrere, das Rathaus jogar noch beinahe 20 Jahre an feinem alten Platze.

Nur die beiden am Landgraben ftehenden Schlachthäufer, an dem Ende des Stadthofes, mußten verlegt werden, und famen an den jpätern Ludwigsplatz, doch erjchien fchon 1794 auch das bier neu erbaute Schladhthaus zu Mein und niedrig und ohne gehörigen Luftzug.

An der weſtlichen Seite des Marktplatzes hatte David Kuſel neben dem ſtädtiſchen Feuerhaus von der Stadt einen Teil ihres Rathaushofes erworben und überbaut, jetzt Nr. 8 der Karl-Friedrich— jtraße.

Zwiſchen diefem und dem jebigen Rathaus wurde 1802 die Hortjeßung der Zähringerftraße begonnen, während Kreuzmwirt Fiſcher in dem öftlichen Teil der Straße einen Teil des Pfarrgartens der Reformirten und de3 Gymnafiumsgartens bis an die Ede des jegigen Zähringer Hofes, Hotel Große, erfauft hatte.

In demjelben Jahre 1802 wird die Zähringerftraße durch Er- weiterung des jog. Hedengäßchens bis zur Waldhornftraße verlängert und zum Teil gepflaftert.

1801 baut Weinbrenner zur Rechten des nachmaligen Ett- Iingerthores ein Haus für ſich, darf dafjelbe aber nur einftödig auf- führen, um, mie e3 beißt, dem erbprinzlichen und Hochberg'ſchen Garten die Ausficht nicht zu verbauen. Die ältern Karlsruher haben an der Stelle des Hotel Germania dieſes Haus noch gejehen.

Zum Ausbau der jchon über die Erbprinzenftraße hinaus ver- längerten Herrenftraße war es nötig, nicht nur verjchiedene hier liegende PBrivatgärten, jondern auch den 6 Morgen großen Kreglinger- ichen Garten zu erwerben, welcher mit feiner einen Seite an den jegigen katholichen Kirchenplag grengte, mit der andern längs der zu verlängernden Herrenftraße lag. Diefe Erwerbung war für die Regie- rung ſchwer, weil Poſthalter Kreglinger 24000 fl. forderte, doch kam 1803 die Sache dadurch zuftande, daß 25 Grundbefiger, darunter auch der Poſthalter, ihre gerichtlich abgeſchätzten Plätze an die Herrichaft verkauften, welche diejelben aladann wieder zu Baupläßen vermwertete.

1800 ftehen in der langen Straße noch einzelne Schöpfbrunnen, jo an ber gebrochenen, jüddftlichen Ede der Waldſtraße und an ber

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gleichen der Nitterftraße bei dem Gafthaus zu den drei Königen, dem jeßigen Mujeum.

Die Beleuchtung war 1791 noch immer in alter Weife mangel- haft, doch wurden 1795 100 neue Laternen angejchafft.

Da e3 der Stadt an Raum zu Gärten und Aeckern fehlte, juchte Karl Friedrich diefen Mängeln dadurch abzubelfen, daß er an der Stelle des Waldes, welche jetzt die Alademie- und Gtefanienftraße einnimmt, 20 Morgen ausgeftodtes Land zur Anlegung von 80 Gärten anwies. Solche Gartenftüde koſteten 95 fl., in zwei Terminen zahlbar, waren frei von Kaufaccife und Zehnten, und wurden 1793 unter den Käufern verlost. Die Einzäunung nach dem Walde zu bejorgte die Herrſchaft. Eim weiterer Plan der Stadt, den Hahnen⸗ hof zwiſchen Spöd und Graben mit 20 Morgen zugehörigen Waldes zu kaufen, und alsdann gegen weitere Gartenland vor dem’ Linken⸗ heimerthor an die Herrichaft abzutreten, kam nicht zuftande, dagegen wurden 1795 von dem Gottsauer Kammergut und dem Hardwinkel 54 Morgen zu Gärten ausgeftodt, und davon 20 Morgen an minder bemittelte Bürger und Diener, 34 an beliebige Einwohner überlafjen. Dieje Gärten hießen noch zu unjerer Zeit die „neuen Gärten“ und wurden fpäter mit dem Bahnbofftadtteil überbaut.

Damit die Munitionstransporte außerhalb der Stadt und weit von dem Schloffe jtattfinden Könnten, auch durchziehende Truppen das Innere der Stadt nicht zu berühren hätten, wurde 1799 die er- mweiterte Anlage der Kriegäftraße beſchloſſen. Diejelbe jollte einerjeits weitlich von dem Ettlingerthor zwiſchen den Gärten und der Beiert- heimer Waide (Schießwieje), andrerjeits durch den noch nicht benußten Teil des Judenfriedhofes, jodann durch das Gott3auer Kammerfeld bi8 an die Durlacher Landitraße fortgeführt werben.

Dies veranlaßte num längere Verhandlungen mit Beiertheim wegen Abtretung des jog. Beiertheimer Wäldchend. Der Abtretungs- vertrag wurde den 20. Mai 1800 unter folgenden Bedingungen ab- geſchloſſen: die Gemeinde Beiertheim tritt ab ihr ganzes, längs der Stadt Karlsruhe und deren Gärten und Feldern hinziehendes Wäldchen, mit Inbegriff des darin liegenden Waldaders, zufammen 74 Morgen 1 Viertel 22 Nuten, ferner ein Stüd ihrer Waide für die nen gebayte Straße nach Ettlingen, 1 Morgen, 2 Viertel 30 Ruten, ferner da3 von der Beiertheimer Waide zum Judenkirchhof genommene Stüd, nebſt dem vom Kirchhof längs der Rüppurrerſtraße bis an

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die neuangelegten Karlsruher Gärten binziehenden ſchmalen Strich Waide, 1 Morgen 3 Viertel 5 Nuten, ferner verzichtet die Ge- meinde auf das Waiderecht zwijchen dem Ettlinger Weg und der Rüppurrerftraße, wo ſchon Gärten waren, meiter erlaubt fie, daß von der Rüppurrerſtraße ein zwei Nuten breiter Weg über die Beiertheimer Wiejen gegen das Dammerjtöcdle angelegt werde. Sie behält zu ihrem VBiehtrieb in dem Hardtwald einen zwei Ruten breiten Weg durch das Beiertheimer Wäldchen und erhält den herr— ihaftlichen Hardtwintel, 25 Morgen 3 Viertel 4"), Ruten, ferner den recht? von der Ettlingerftraße liegenden Teil de3 Auaders, ober- und unterhalb der Richtftätte, 73 Morgen 1 PBiertel 23 Ruten, ferner das zwiſchen Hardtwinkel, Uuader und der neuen Ettlinger- ftraße liegende Stüd Feld vom Gott3auer Kammergut, 5 Morgen 1 Biertel 5 Ruten, und endlich die zwiſchen der Alb, der Rüp— purrerjtraße und dem Dammerſtockwald Liegende Hühnerwieſe, 12 Mor⸗ gen 1 Viertel 20 Ruten.

Das Jahr 1802 meldet uns von nicht ausgeführten Projekten den Bau einer Kirche und Schule für Klein-Karlsruhe, die Ver— wandlung der Tatholischen Kirche im Zirkel in ein Invalidenhaus, den Bau einer Garnifonzkirche auf dem Platz, auf welchem jegt die Berjorgungsanftalt ſteht.

Bor 1738 bewohnte Markgraf Karl Auguft mit feinem Bruder, Prinz Eugen, joweit diefem jein Kriegsleben den Aufenthalt bier geftattete, die jogenannte alte Kanzlei, das letzte Zirkelhaus nach der Waldhornſtraße zu. Seine Pferde und Maultiere ftanden gegenüber in dem jog. langen Stall oder alten Marftall, welcher jpäter Hufaren- ftal war. Während der Mdminiftration bewohnte Karl Auguft das Schloß und z0g jpäter nach Durlach. An die alte Kanzlei am Schloß- plaß jtieß das Haus des Geheimrates zur Gloden und an diejes das de3 Geheimrates von Schüg. 1752 wurde in der Waldhornftraße das Haus für die geijtliche Verwaltung und das für die Stallmeifterei, jest Hofbauamt, erbaut. Neben dieſer Stallmeifterei ftand ein von dem Kammerdiener Unger erbautes Haus, jegt Nr. 8 welches der jüngfte Bruder Karl Augufts, Markgraf Chriſtoph jun. von Unger erfaufte, und worin er 1789 ſtarb. Dieſes Haus kaufte 1791 von den Erben de3 Markgrafen der Obervogt von Schwarzenau, von diefem 1794 die Wittwe des Präfidenten von Hahn, und nad) ihr fam es 1807 in den Befitz des Hofuhrenmachers Wöggel, jett von Hofdienern bewohnt.

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1758 war das alte Stodhaus bei dem berrichaftlichen Feuerhaus baufällig geworden, weßhalb die jchweren Verbrecher in das Stadt- gefängnis unter dem Rathaus, die leichtern zu dem Profoſen kamen, welcher provijorisch in dem Marftall Wohnung befam. Das Stodhaus jelbjt aber fam in das Linkenheimerthor.

1760 wurde vor dem MRüppurrerthor ein Pulverhaus erbaut, in welchem die Kaufleute Fo. Mallebrein, Dominiko Longo, 3. Math. Mez, Kornelius Roman und Lukas Melazzo ihre Bulvervorräte lagerten.

1761 kommt an jedes der vier Thore eine Laterne auf einem eichenen Pfahl in der Nähe der Schilöwache, die Britjchen in dem Wachthaus am Mühlburger- und Durlachertbor waren aber verfault, und das „Ungeziefer in der Stube unausſtehlich.“ Es wurde num, nach wiederholt vorgelegten Plänen, 1772 durch Baudireftor Müller das Durlacherthor in jehr gefälligem jonifchem Stil, jo wie das dortige Wacht: und Zollhaus aus Stein erbaut, deſſen Ent- fernung im unſere nächte Periode fällt. Um 1750 wurde das hölzerne Linkenheimerthor von feiner erften Stelle an der Waldſtraße nach der Wlademieftraße Hin verjeßt und ala Steinbau mit zwei Slügelhäufern aufgeführt, deren eines von da an ala Stodhaus diente.

1787 ftand auh an dem Prinzenthor eine Wade. Die Bewohner der neuen Schloßjtraße wünjchten nun, daß dieje Wache nacht3 eingezogen, und das Thor geichlofien werde, damit man eine Wache an das Gott3aderthor jtellen könne. Dagegen aber ver- wahrt ſich der Poſthalter Kreglinger als Beſitzer des Gartens zwiichen Stirjchallee und Herrenftraße. Das Erbprinzenthor, jagt er, jei von jeher eine Paſſage für Perſonen von Stande gewejen, und mittags und abends vor und nach den Stanzleiftunden werde die Gegend zu Spaziergängen benugt. Er habe abends Gäfte in jeinem Garten „mit Pavillon” und dieſe müßten freie Paſſage haben, zudem trodne dort im Sommer der Landgraben aus, jo daß man ungehindert in die Stadt gehen könne, und dephalb jei hier eine Wache nötig. Dadurch wären aber zwei Poſten nötig geworden, wogegen Oberft von Freyſtedt fich verwahrt, weßhalb Kreglinger ab- gewiejen, und der Poſten am Prinzenthor eingezogen wurde.

Das Mühlburgerthor, 1783—84 bis zu Nr. 136 der langen Straße zurücverjegt, jtand dem Wachstum der Stadt nach jener Seite im Wege, weßhalb 1802 vorgeichlagen wurde, dafjelbe

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noch weiter hinauszurüden, und recht3 davon bis zur Mühlburger Waldallee drei neue Bauguartiere zu eröffnen, wobei Weinbrenner zugleich die Anlage eines Kanals von Karlsruhe an den Rhein in der Richtung der genannten Waldallee, und die Errichtung eines Ha- fenbaffina mit Lagerhäufern in Vorjchlag brachte, und einen Plan dazu entwarf. Die Verſetzung des Thores erfolgte aber erjt im Anfang der nächften Periode.

Das Ettlingerthor wurde 1803 durch Weinbrenner zur Erinnerung des Anfalld der Pfalz an Baden in römijchem Stil gebaut. Auf beiden Seiten de3 Thores ftanden zwijchen acht bie Eden bildenden, flachen dorischen Säulen das Wacht- und Bollhaus. Das Thor jelbft, größtenteil3 von Holz konftruirt und mit Verputz überzogen, beftand aus vier glatten Säulen mit Bilajtern ohne Fuß und dorifirenden Kapitälen, und darüber einem Giebelbau mit dori- chem Triglyphengeſims, deſſen Metopenfelder mit antiten Helmen und Schilden, die Giebelfelder aber mit Figurengruppen in Relief geichmüdt waren. Das Giebelfeld der Stadtjeite zeigte in Relief den Genius der Zeit, auf einer Halbkugel ſchwebend, welcher eine die Pfalz darftellende weibliche Figur mit dem Pfälzer Lowen dem ba- diichen Greif zuführt. Daneben liegen die Flußgötter des Rheines und des Nedard. An dem äußern Giebel erbliden wir die Stadt Karlsruhe ala Cybele mit einer Mauerkrone auf dem Haupt, in deren Schoos Kunft und Wiſſenſchaft in Miniaturfiguren ruben. Handel und Aderbau in jugendlichen Geftalten ſchmiegen ſich an die Seiten der Göttin an, und Merkur und Geres bringen ihre Gaben dar. Auf dem Architrav der Stabtjeite ſtand:

Exstruebatur A. D. MDCCCIII., auf der Yußenjeite: Reg- nante Carolo Friderico M. B. S. R. J. P.E*)

Einfache, ſchmiedeiſerne Gitterthore, etiva bis zur halben Höhe der Säulen reichend, bildeten die Abjchlüffe der Durchgänge für Fuhrwerke und Fußgänger.

Das Rüppurrertbor, ein Holzthor mit Seitenpförtchen aus Brettern, ftand bis in unjere Zeit hart an dem innern Ufer des Zandgrabens, vor dem jetigen israelitiſchen Krankenhaus.

Wir geben nun im Einzelnen eine kurze Ueberſicht über die Ge- bäude in den verſchiedenen Straßen bis zum Schluß unjerer Periode.

*) Marchione Bad., sancti imperii romani palatinensi electore.

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In der Waldjtraße vor der Ede, auf welcher ſpäter, 1772 der Durlacherhof, das jegige rote Haus ftand, fehen wir bis 1750 das Wachthaus des alten, erjten Linfenheimerthores, und von da nad) der ſpätern Mlademieftraße bin den Geufau’schen Garten. In der Waldſtraße jelbjt von der Ede an finden wir recht? die Häujer der Wittwe des Hofgärtnerd Schwerin j., Nr. 4, des Geheimrats Rein- bard, des Konditord Embde, des Leutnant? Schard, des Wolfwirtes Stüber, des Schloffer3 Cafpar, des Hafners Brechtel, des Juden Herz, de3 Juden Hayum, des Gaftwirtes Weber, des Kochs Mehl, und an der Ede der langen Straße das Kreuzbauer’jche Haus, wo ſpäter der römische Kaiſer ftand.

In der Herrenftraße, linke Seite, war das Haus des Ge- heimrates von Hahn, 1788 dem Geheimrat von Edelsheim überlaffen, ipäter vorübergehend bis 1880 Handelsminifterium, jegt Juftizmint- jtertum. Ebenſo fteht in der Herrenftraße das Forſthaus, welches 1782 dem Oberſten von Freyſtedt gejchenkt, von diefem aber an den Gürtler Wermuth verkauft wurde.

An dem Schloßplatz, da wo jet die Hoflaffe, ftanden vorher zwei niedere herrſch. Gebäude, Pavillons, namentlich das zu dem dahinterliegenden Hofholz- und Zimmerplag gehörige Geichirrhaus. 1785 wurde dort das Gebäude der jegigen Hofkaſſenverwaltung erbaut. Diejem gegenüber liegt das von Palm’sche Palais, fpäter Prinz Ludwigs und jegt Prinz Wilhelms Palais. Ebenfall® an dem Schloß» platz finden ſich Ede der Herrenftraße das Stadelmann'ſche Haus, 1744 Geheimratsfanzlei, 1760 von Geheimrat von Gemmingen be- wohnt, dann badisches Kriegsminifterium, jet Intendantur, Ede der Ritterftraße das Model’iche Haus, zwijchen Ritter- und Lammſtraße die Kanzlei, zwiſchen Lamm- und Bärengafje das Haus des Herrn von Uexküll, an der öftlichen Ede der Bärengaffe am Schloßplab das Haus de3 Prinzen Eugen, jet kath. Oberftiftungsrat, zwijchen Kreuz. und Adlerftraße ein 1761 gebautes Haus des Leibmedikus Eichrodt, welches 1768 an den Delonomierat Eppelin zu Gottsau, und den Sekretär Lemble, 1799 an den Geheimjekretär Vierordt verkauft wurde. Neben diejem lag das Haus des Hofbuchdruder® Macklot. Zwiſchen Adler- und Kronenjtraße ftand noch bis 1808 die alte Drangerie, auch botanijcher Garten genannt, zwijchen Kronen- und Waldhornftraße das herrichaftliche Haus der alten Kanzlei, in welchem das Hofoberforjtamt jeinen Sig hatte.

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Bon Bewohnern der Waldhornjtraße führen wir an: den Metger Gg. Friedrich Trohmann, welcher 1750 um eine Schild» gerechtigkeit an der Ede der langen Straße, dem Waldhorn gegenüber, nachjuchte, wobei er geltend machte, jein Vater habe jchon vor 24 Sahren da3 Wirtshaus zum grünen Baum bei Gottsau betrieben, welches aber in Sriegszeiten jolchen Schaden gelitten, daß der Mark— graf es kaufte und abreißen ließ. Die Bitte wurde ihm gewährt, jo daß er Schon 1751 den Schild zur „goldenen Sonne“ führt. Auf derjelben Straßenjeite finden wir 1756 neben der Sonne Baumeifter Arnold, Hofmufitus Reuſch, Oberjchent von Gemmingen, Kammer: junter von Münzesheim, Kammerjunfer von Knieſtedt, neben diejem einen leeren Plab, jodann die geiftliche Verwaltung, die Stallmeifters- wohnung, die Wohnung der Kammerdiener und das alte Stodhaus.

Auf der andern Seite auf dem Edplat an der langen Straße, auf welchem das alte Eckhaus des Metzgers Sembach gejtanden, baut Hch. Jung ein neues Haus und erhält darauf die Schildgerechtigkeit zum Ritter. Neben daran ftand noch 1788 das alte Gafthaus zum Waldhorn, als Eigenthum des Ehriftof Richter. Auf derjelben Seite der Waldhornftraße jtand das berrichaftliche Bau- und Salz» magazin mit der Bauverwaltung, jebt Nr. 18 und 20, und das Gasthaus zum roten Löwen, jetzt Nr. 3 des Zirkels.

In der neuen Kreuzſtraße baut 1790 Leibehirurg Vierordt ein Haus neben dem reformirten Schulhaus, verkaufte es aber bald nachher an den Spediteur Meerwein. 1790 baut Hofjattler Reiß das Haus Ede der Adler- und Zähringerjtraße, jegt Nr. 55 der Bähringerftraße.

In der Erbprinzenftraße, linke Seite, von dem Rondell aus, jtanden neben dem noch leeren Edplat (Velten), die Häujer des Kammerrates Reinhard, jegt Pfarrhaus, des Kammerdieners Kaijer, des Maurers Kolb, des Dr. Flachsland, auf der rechten Seite, an Hofrat Wohnlichs leeren Hausplag ſich anjchliekend, das des Hofrates Bierordt, de3 Bürgers Dengler, des Sefretärs Poſſelt und des Haupt- manns von Stodhorn.

In der alten Bärengafje wohnten 1782 Hofmeßger Reuter, Stadtmeßner Freudenreich, Bärenwirt Lorenz Reuter, 1791 Sebald Reuter, Hofjattler Reit und Bäder Schmidt.

Hausbefiter der Schloßftraße waren 1790 der Marmorier Schwindt, von welchen diejes Haus 1799 an den Bierbrauer und

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Gaſtwirt zum Lamm, Gfell, und 1804 an die Markgrafen Friedrich und Ludwig überging. Neben diejem folgen der Reihe nach Glas- händler Anton Schmidt (Adler), Hofrat Schridel, Nr. 14, Bauplatz der Wittwe Mallebrein, an Grafen von Wartensleben verkauft, Nr. 16, Sefretär Kaufmann, Nr. 18, Kaufmann Lauer Nr. 20. Die Häufer Nr. 24, 26 und 28 gehörten dem Hofmeßger Reuter, die jegige Ein- tracht dem Kammerherrn von Schilling, und das äußerfte Haus war das Weinbrenner’jche. 1800 waren die Plätze von dem Haufe des Rent» fammerrat3 Kloje in der Spitalftraße an bis zu dem des Hofrates Maler, jetzt Nr. 15, aljo jetzt Kölle, Schuler und Gemwerbehalle noch nicht überbaut, weil fie zu einem Bauplaß für Gymnafium und Volks— ichule in Ausficht genommen waren. Als diefer Plan nicht zuftande fam, kaufte Elkan Reutlinger den Edpla und verkaufte ihn 1804 an Baumeifter Fiſcher, welcher das jegige Haus darauf baute, den nächften Platz erfaufte Dr. Jöslin von Offenburg, den dritten Oberft von Bed und den vierten neben Maler Zimmermann Weinbrenner. Es waren aber 1800 jämmtliche vier Seiten des Rondells noch nicht überbaut, da der Kölle'ſche Plaß, ſowie der des jegigen Deffart’jchen Haufes, auf welchem bald nachher Hofrat Wohnlich baute, noch leer ftanden, an der Stelle des jegigen Palais noch Garten, und Vel— tens Hausplatz ebenfalld noch nicht überbaut war. Nur das jebige Haus des Rentners Vierordt hatte Reuter vor 1800 jchon erbaut. In der langen Straße batte 1787 der Judenſchultheiß Hayum Levi das Haus des Geheimrates Wieland, neben dem Rat— haus, jetzt Nr. 143, gekauft, und dadurch auch das zugehörige Garten- gelände bis an den Landgraben bei dem Erbprinzengarten erworben, welches er jpäter bei der Verlängerung der Zähringerſtraße gut verwertete. Außerhalb de3 Mühlburgerthores, nahe an den Planten, jtand das Gafthaus zum Hirſch, und weiter hinaus noch der Garten des Markgrafen Ludwig Wilhelm Auguft. Diejen Garten ließ der Markgraf 1800 durch den Garteninjpeftor Müller anlegen, und 1804 durch den Schwetzinger Gartendireftor Zeyher umändern, wobei fich der praktiſch verftändige Sinn des Beſitzers bejonder8 auch dadurch zeigte, daß er durch Anpflanzung von edlem Obſt aller Art, von herrlichen Trauben- geländen und dergleichen auch das Nutzbringende jolcher Anlagen nicht außer Acht ließ. Diejer Garten erftredte ſich damals zwiſchen der Mühlburger Straße und der Allee, der jpätern Stefanienjtraße, bis gegen das nachmalige Mühlburgerthor, jpäter wurde der wejtliche Teil

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zwifchen der jetzigen Hirſchſtraße und der ſpätern Leopoldsftraße zu Bauplätzen abgegeben, und in der an die Hirſchſtraße angrenzenden Partie des Gartens ein kleines Wildgehege unterhalten, weßhalb der Garten auch Hirfchgarten hieß, und die neue Straße den Namen Hirichftraße erhielt. Nach Ludwigs Tode fiel der Garten an defien Erben, den Grafen von Langenftein, und wurde durch deflen Erben ebenfall3 zu Bauplägen teil3 jelbjt verwendet (Douglaspalais), teils veräußert, und von der rheinischen Baugejellichaft zu folchen erworben.

Eine andere herrjchaftliche Bauanlage in der langen Straße finden wir in dem Balais der Markgräfin Wittwe Amalie, welches, vorher Eigentum des Herrn von Freyſtedt, durch Karl Friedrich und feine Gemahlin erworben und 1801 der, durch ben Tod ihres Gemahls, des Erbprinzen, zur Wittwe gewordenen Marf- gräfin gejchenkt wurde. Dies führt uns auch in eine andere Befigung derjelben Markgräfin, in den Erbprinzen- oder Prinzengarten. Diejer nahm urjprünglich nur den Raum des jebigen Friedrichsplatzes ein und grenzte nördlich an den Landgraben, jüdlich an die Allee, die fpätere Erbprinzenftraße. Derjelbe gehörte ſchon dem 1732 verjtorbenen Erb- prinzen Friedrich.

1788 baute fich hier deſſen Sohn, der Erbprinz Karl Ludwig, ein bejcheidene® Gartenhaus an dem Landgraben, das mir ältere Karlsruher etwa da, wo jebt die Häufer Nr. 2—7 des FFriedrichs- platzes ftehen, al3 einen Auſbewahrungsraum für verjchiedene Stein- altertümer gejehen haben. 1800 kaufte der Erbprinz jenjeit3 der Erbprinzenftraße die Gärten der Wittwe Mallebrein und der Wittwe des Maurer Kolb, und 1801 noch etliche Stüde Land an der Dftfeite gegen das Ettlingerthor Hinzu, ließ zur Verbindung des alten und neuen Gartens unter der Erbprinzenftraße hindurch einen gemwölbten Gang führen, und den ganzen Garten durch Baumeifter Wein- brenner und Gartendirektor Schweyfert in engliichem Stil anlegen. Des Erbprinzen Tod im Dezember 1801 unterbrach die Arbeit. Als aber Karl Friedrich der Wittwe den Garten überlaffen hatte, ſetzte fie in rührender Pietät für den Verftorbenen deffen Wert fort. 1802 ließ fie ald Maujoleum für denjelben an der Kriegsftraße den jog. gothiſchen Turm durch Weinbrenner bauen. Diefer Bau enthielt in den untern Räumen ein Badlabinet und ein Zimmer mit Zeich— nungen und Supferftichen, welche auf Leben und Sterben des Ber- ftorbenen Bezug hatten, und von bier aus führten 125 Stufen auf

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die Plattform des Turmes. Als Flügelbau daran lehnte ſich eine Kapelle, welche das eigentliche Grabdenkmal, ein Cinerarium, einen Aſchenſarg in antikem Stil enthielt, vor dem fich eine weibliche Figur in Trauer niederbeugte. An dem Aichenjarg befand fich das Me- daillonbild des Toten, von den Symbolen des Todes und Schlafes und zwei trauernden Genien umgeben, und an dem Sarg die Injchrift: „Karl Ludwig, Erbprinz von Baden, geb. 14. Juni 1755, geft. 15. Dezember 1801, dem vielgeltebten, jchmerzvollen, unvergänglichen Andenken und der füßeften aller Hoffnungen, der des Wiederjehens.“ Das Ganze war von Scheffauer modellirt. Später ließ fich die Markgräfin ebenfalld von Weinbrenner einen Gartenpavillon mit Dienerwohnungen und einigen Volieren mit Front nach der jog. Kirichallee bauen, worin fie meistens den Sommer zubrachte. Seltener wohnte fie in ihrem Palais in der Stadt, in welchem unter Andern 1806 Napoleon, und jpäter auch Kaijer Alerander wohnte. Gegen das Ende ihres Lebens aber fiedelte fie in das Schloß nach Bruchſal über, wo fie 1832 78 Jahre alt ftarb. Der gothiiche Turm fiel in unjern Tagen der Verlängerung der Lammftraße zum Opfer, das Grabdentmal befindet fich unferes Willens gegenwärtig in der Fa— janerie, und der Pavillon in der verlängerten Ritterftraße diente ala Sternwarte, der untere Teil als Malerſchule und jet ala Volksküche. In demjelben ftarb am 22. Januar 1858 der Erbgroßherzog Ludwig nach langem Leiden.

Ein wichtiger Bau, welcher aber erft in der nächiten Periode ganz vollendet wurde, war der Kanzlei- und Arhivbau zwi- ichen der Lamm- und Ritterftraße und den beiden Birkeln.

Schon 1736 war die alte 1717 —18 erbaute Kanzlei in dem legten Schloßplakquadrat an der Waldhornitraße verlaffen, und bis 1739 eine neue neben dem an der wejtlichen Ede der Lammſtraße und des Schloßplaßes jtehenden Geburtshaufe Karl Friedrichs, wo damals der Erbprinz wohnte, aber auch diefe wieder von Holz auf- geführt worden. Der Raum hinter diefer Häuferreihe bis an den Stadtzirkel war mit Ausnahme weniger Heiner Hintergebäude noch nicht überbaut. 1768 wurde dieje neue Kanzlei am Schloßplag aus Stein gebaut. Der Bau derjelben hängt mit dem des Archivs zuſammen. Schon 1765 hatte der Markgraf bejchloffen, ein gegen Feuersgefahr gejichertes Archiv in den Hof der Kanzlei nach dem Stadtzirkel hin zu erbauen.

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Bon 1766 an jollte an dem Archivbau jedes Jahr ein Stüd weiter erbaut werden, jo daß er in fünf Jahren fertig geworden wäre, aber der Schloßbau, der Steinfanal, die neue Straße nad) Durlach Eofteten zu viel Geld, jo daß der Archivbau unterblieb. So fan es, daß Karl Friedrich erjt 1787 bejtimmte, daß die Kanzlei nad) der Nitter- und Lammftraße zu weiter, und daran anftoßend in dem innern Zirkel das Archiv gebaut werden follten. Diejes follte durch alle drei Stodwerke gemwölbt, und die Façade derjenigen der Kanzlei entjprechend werden. 1789 wurde der Bau beider Gebäude begonnen und die folgenden Jahre joweit fortgeführt, als es die Kriegszeiten erlaubten. 1800 fonnten zwar die Sanzleigebäude von den fürft- lichen Kollegien bezogen, und die Hofbuchdruderei darin eingerichtet werden, der vollitändige Ausbau erfolgte aber erſt nach 1802, jo daß die an verjchiedenen Orten befindlichen, zum Zeil auch geflüchteten Urhivalien 1803 in den Neubau gebracht werden konnten.

Daß an dem Schluß unferer Periode noch gar Vieles und Koft- jpieliges zu bauen war, ergibt fich aus einem bauamtlichen Bericht, welcher fordert: für die Kanzler noch 90000 fl., für das Palais der Erbprinzefjin 50 000 fl., für das der Frau Reichsgräfin Hochberg 50000 fl., für die neue Orangerie ebenjoviel, für die Verjegung der Bauverwaltung 15000 fl., für den Ueberbau der Ede zwijchen der neuen Landjchreiberet (Hofkaſſe) und der Malerafademie 15000 fl., da3 neue Komödienhaus ebenjoviel, für Infanterie- und Kavallerie fajerne 50000 fl., für das neue Ettlingerthor 10000 fl., für Gym- nafium, Schulhäufer und Stadtkirche 100000 fl., für das Rathaus 40 000 fl., für ein Siechenhaus 3000 fl.

Die Ausführung diefer Bauten fällt in unſern nächiten Ab— jchnitt. Ueber das Ettlingertbor haben wir ſchon oben berichtet.

Der im Jahr 1750 von Karl Friedrich beftimmte Bau fteinerner Häufer in der Stadt, jowie der von ihm bejchlofiene Neubau des Schloffes machte eine bedeutende Zufuhr von Baufteinen notwendig. Die jest jüdlich von Rintheim über die alte Bach, von da durch das Wiefengelände an dem Jägerhaus vorüber nach Gottsau und von bier aus durch den herrichaftlichen Küchengarten an das Durlacherthor in Karlsruhe führende Straße war aber für die Zufuhr jchwerer Stein— laſten kaum geeignet. Daher beichloß Karl Friedrich die Heritellung eines dazu beftimmten Steinjchifftanals. Der bisher nördlih am Saume des Gaijenrains und jüdlich hinter Gottsau hinziehende Lihen«

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graben war dazu nicht genügend und nicht pafjend. Die neue Kanal- anlage, an der jog. Hohenbrüde vor Durlach beginnend, follte, in gerader Richtung gegen Karlsruhe geführt, an dem Rüppurrerthor eine Ausladeftelle erhalten, und von da, wie der ältere Kanal, durch die Karlsruher Gärten in ebenfall3 ziemlich gerader Richtung nach Mühlburg gehen und dort in die Alb einmünden. BZuleitungen er» hielt diejer neue Kanal, deifen Bau 1750 begonnen wurde, von Norden her durch den aus der Pfinz bei der Schleifmühle ausgehen- den Leitgraben, durch die vom Ententoy ber in gerader Nichtung das Rintheimer Sträßchen jchief durchichneidende „alte Bach“ und durch den am Durlacherthor durch den Küchengarten ziehenden und beim Rüppurrerthor einmündenden Schafgraben. Bon Süden her wurde der Kanal gejpeist bei Gottsau an dem Brüdlein der Straße nad Wol- fartsweier durch den alten Lißengraben und den von Rüppurr ber fommenden Waflerlauf, vor dem Rüppurrerthor jelbft durch den aus der Alb bei Rüppurr abgeleiteten, in neuefter Zeit zugeworfenen Floß— fanal und vor der Adlerſtraße durch den aus den Beiertheimer Wiejen lommenden Froſchgraben. (Vergl. den beigegebenen Plan).

Der auf dieſe Weije in wenigen Jahren hergeftellte Kanal hieß bi3 zum NRüppurrerthor Steinjchiffltanal und von da bis Mühlburg Landgraben.

Wohl führte längs Ddiejes Kanales ein auch für Pferde gang— barer Leinpfad, aber die Straße jelbjt ging, wie oben bemerkt, von der Schleifmühle durch jumpfiges Gelände an die alte Bach bei Rintheim und von hier, wo die drei Schlagbäume ftanden, anftatt der früher durch Rintheim jelbjt und an dem Brurain Hin nach Karls- ruhe führenden Hochitraße, ebenfalls durch die Niederung nördlich an Gott3au vorbei an das Karlsruher Thor. Die Straßen der Nie- derung waren über das Gelände emporragende, beiderjeit3 durch Gräben eingefaßte, und aus dem Aushub derjelben gebildete Dämme, wie dies noch jeßt das Nintheimer Sträßchen und der von Dur— (ah ber in daffelbe einmündende „Weinweg“ zeigen.

1760 erwähnen die Alten erjtmals des Planes, eine gerade Straße längs des Steinkanals zu bauen, der Bau jelbjt aber konnte erjt nach 1766 begonnen werden, und wurde nur allmälig vollendet. Noch kurz vor 1767 war bei der untern Mühle von Durlach, auf der „alten Landſtraße“, die Brüde über den Leitgraben gebaut worden, und die dabei ausgehobene Erde jollte zur Herjtellung der neuen

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Straße von den Leimengruben bei Durlach, bei welchen früher das berrichaftliche Hundehäuschen ftand, bis zum Leitgraben verwendet werden. Hier war jchon an der neuen Straße im Spätjahr 1767 auch die Steinbrüde über den Leitgraben, das ſog. „Auemer Brückle“, erbaut worden. Gegen die Laft, diefen Teil der neuen Straße zu bauen, machten Durlach Stadt und Amt fruchtlofe Vorftellungen.

In demjelben Jahre 1767 befahl Karl Friedrih, auch den Zeil der neuen Straße von den drei Schlagbäumen, d. h. von der Einmündung des Rintheimer Sträßchens an, über einen Teil der Gottsauer Wiejen längs des Kanals bis an die alte Gottsau-Karls— ruher Landſtraße in gerader Linie herzuftellen.

1768 iſt die alte Straße von den drei Schlagbäumen nach der untern Mühle bei Durlach noch in Gebrauch, da die neue noch nicht fahrbar war, und erft 1770 iſt diefe vollftändig überkiest und dem Gebrauch eröffnet. Zugleich mit der Anlage der Straße ging auf des Markgrafen Befehl auch die Anpflanzung der Pappelallee zwiſchen der Fahritraße und dem Gehwege Hand in Hand. Diefe Bappeln wurden 1839 neu= und umgepflanzt, wobei die bis dahin außerhalb liegenden Gehwege innerhalb der Allee angelegt wurden. Die Ge— jammtlänge der neuen Straße betrug 868 Auten, wovon 412 auf Durlacher, 456 auf Gott3auer Gemarkung bis zur Brüde im Küchen- garten lagen.

Der alte Weg von Durlach bis zu den drei Schlagbäumen hatte eine Länge von 436, der neue von 408 Ruten. Die Fronden zum Bau leifteten die Aemter Durlach und Karlsruhe.

Die Straße hieß bis in den Anfang unferes a nie noch) Karl⸗Friedrichsſtraße.

5. Gemeindeverwallkung.

An der Spitze der Gemeindeverwaltung ſtand wie von Anfang an der Bürgermeiſter mit ſechs Räten.

Wir haben 1733 den Bürgermeiſter Joh. Ernſt Kaufmann erwähnt, 1744 ſteht derſelbe noch im Amt, aber 1746 erſcheint als ſolcher Joh. Chriſtien Maſchenbauer, wahrſcheinlich der Sohn

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des von Durlach hierhergezogenen Buchdruckers Andr. Jak. Majchen- bauer aus Augsburg, und Singeifen als Stadtbaumeifter. Um dieje Zeit, ca. 1750, wurde die Zahl der Stadträte auf zwölf vermehrt. Bürgermeifter war bis 1753 Job. Kornelius Romann, in dem nämlichen Jahre folgte ihm Joh. Sebald Kreglinger, gejt. 1764, unter welchem die frühern Bürgermeifter Kaufmann und Romann wieder im Stadtrat figen. 1760 erjcheint eine neue Kommuneordnung. Die Räte erjcheinen unter dem Namen Senatoren.

Die Amtsbefugnis des Stadtrat? umfaßte, wie bisher, die Ab- urteilung geringer bürgerlicher Streitjachen, Frevel und Mutwillens- vergehen in erſter Inftanz, er hat unter Aufficht des Oberamtes Verträge aller Urt, Kauf-, Verkauf-, Taufchverträge von Liegenschaften, Eheverträge, Teftamente zu machen, Vaterſchaftsklagen, Erbichafts- ftreitigteiten abzuhandeln. Dies geſchah, wie aus den ſtädtiſchen Kontraktbüchern erfichtlich, oft unter Beihilfe eines Notarius caesa- reus publicus juratus, eine3 faijerlichen Notars.

1761 ift Georg Jak. Fink Stadtbaumeifter, und 1763 war der frühere Bürgermeiſter Romann wieder als jolcher gewählt, im Jahre 1769 aber wurde der Stadtbaumeifter Fink Bürgermeifter und Ehrift. Hennig Baumeifter.

Die ftädtiichen Aemter waren unter Gericht und Rat verteilt, jo war Chriſtoph Hennig Stadtbaumeifter, Waifenrichter, Brotwäger und Feuerbeſchauer, Nik. Rheinwald Billetichreiber, Steinjeger und Weinfiegler, Mart. Wermann Weinfiegler, I. Gg. Caſtel Stadt- bauptmann, Waifenrichter und Steinjeger, Gabriel Bauer Gemwicht- eicher und. Steinjeger, Chriſt. Ludwig Schulz Fleifchichäger und Brotwäger (1772 Stadthauptmann und 1777 Stadtbaumeijter), Job. Trißler Fleiſchſchätzer, Feuerbeſchauer und Kaufhausinfpektor, Chri⸗ ſtoph Huffeld Almoſenpfleger und Marktmeiſter, Ph. Keller Almojen- pfleger, Hofwagner Chriſtian Kölle Marktmeiſter, Sebaſtian Steinmetz Gewichts⸗ und Maßeicher.

1771 wird Joh. Chriſtian Schul z Bürgermeiſter, 1774 wurde es der frühere Stadtbaumeiſter Hennig und Schulz Stadtbaumeiſter. Im Jahre 1786 wird Joh. Chr. Schulz zum zweitenmal Bürger⸗ meifter, im Juli 1799 lejen wir von der Wahl des Stadtbaumeifters Trohmann zum Bürgermeifter. Derjelbe jei alt und des Schrei- bens nicht mehr jehr mächtig, aber weil er ein Ratsmitglied war, gewählt worden. Das Stadtamt trug zwar auf Bejtätigung der

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Wahl an, der Geheimrat aber beanftandete diefelbe, insbejondere weil die Kriegszeiten einen rüftigen Mann an der Stelle erforderten. Man möge lieber den alten Trohmann zum Oberbürgermeijter ernennen, und einen Jüngern zum VBürgermeifter wählen. Als aber bei einer zweiten Wahl am 6. September Trohmann dennoch wieder gewählt wurde, erhielt er die amtliche Beftätigung, jedoch nur auf Probe für ein Fahr. Zugleich wurde beigefügt, wenn künftig wieder mit jolchen Rüdfichten auf Ratsmitglieder verfahren werden wollte, jo würde man die ganze Bürgerjchaft zur Wahl berufen, damit auch ein Nichtrat3mitglied gewählt werden könnte. Trohmann blieb in- deilen nicht lange im Amt, denn 1800 wurde wieder ein Ratsherr, Gabriel Bauer, als Bürgermeifter gewählt und den 19. November bejtätigt.

1802 bis 1803 jaßen im Stadtrat nebjt dem Bürgermeifter Bauer, Fellmeth, Reiß, Braun, Groß, Wagner, Wermann, Bayer, Keller u. U.

Die durch die Stadträte bejorgten ſtädtiſchen Aemter waren auf bejtimmte Taxen und Gebühren und auf Tagsgelder angewiejen, mit Ausnahme der Almojenpfleger, welche einen beftimmten Gehalt be- zogen.

Andere niedere ftädtische Bedienſtete, welche der Stadtrat er- nannte und aus der Stadtkaſſe bezahlte, waren der Stadtmeßner, die Stadtknechte, Nachtwächter, Bettelvögte u. U. 1751 mußte wegen ichlechter Verwaltung der Polizei die Zahl der Bettelvögte von zwei auf drei erhöht werden; 1766 wurden neue Klagen über zunehmen- den Bettel und Nachläjfigkeit der Bettelvögte laut, und dieje wurden daher, wie in Durlach, unter die Aufficht der ftädtiichen Viertelsmeiſter geftellt. 1776 find vier Bettelvögte da, wovon ein jeder zu jeinem Gehalte an barem Geld einen Wagen Holz und 1784 wegen der großen Kälte noch einen Zuſchuß an Holz erhielt, und in dem gleichen Jahre wurde Bettelvogt Feigler mit 50 fl. penfionirt.

Nachtwächter hatte die Stadt 1784 vier Mann, von denen jeder 40 big 44 fl. nebjt Holz bezog, und nicht jelten waren die Stadt- diener, wie 1797 Stadtdiener Schäfer, zugleich Nachtwächter.

Wir geben bier aus dem Jahr 1802 eine teilweile Ueberficht der ftädtiichen Einnahmen und Ausgaben.

Die Einnahmen bejtanden u. U. aus dem Ohmgeld, dem Salz- profitanteil, Standgeld, Konzeſſionsgeld, Bürger und Hinterlaffen-

geld, dem Mekognitionsgeld, Schubgeld von Schugbürgern, den Strafgeldern, den Binjen von Gütern und Gebäuden, aus Einnah- men der Mehlwage, der Leichenkaffe, dem Faſelgeld, Eckerichtsgeld und Feldhutgeld, im Ganzen 20212 fl.

Die Ausgaben waren für Bejoldungen 1417 fl. 42 kr., Bau- foften 108 fl., für gekauftes Salz 5022 fl., für das Salzregal 337 fl., Salzmefjerlohn 303 fl., Stadtbeleuchtung 58 fl., Diäten und Almo- jenbeifteuer 841 fl., Straßenjäuberung 50 fl., Stadtwacht 22 fl., Seldhüterlohn 15 fl., Beitrag zur Zeichenjchule 15 fl. u. A., im Ganzen 26 260 fi.

Zur nähern Erläuterung der auf das Salz bezüglichen Poften ift e8 nötig, hier etwas Genaueres beizufügen. Schon vor 20 Jahren hatten, wie wir oben Seite 66 gezeigt, wegen des Salzhandels Unter- bandlungen mit der Negierung ftattgefunden, 1742 waren nun die Karlsruher Kaufleute der Anficht, dab die Privilegien der Stadt über zollfreien Handel auch auf den Salz: und Eijenhandel An- wendung finden müßten, und fie baten daher, fie für alles auch von ausmwärt3 eingeführte Salz und Eijen von dem davon geforderten Boll, wie bisher, frei zu lafen.

Darauf erfolgte 1743 eine Verordnung der Adminiftration, da der Salzverfauf Negal jei, jo dürfe nur bei den berrichaftlichen Salz- admodiatoren bezw. deren Bächtern nnd Verkäufern, Salz zu 4 kr. das Mäßle gekauft werden. Der Verkauf alles fremden Salzes wurde bei Strafe von 1 fl. für den Anzeiger und 2 fl. an den Staat für das Mäßle verboten, und doch konnte das Salz in den umliegenden Grenzorten, Knaudenheim (Philippsburg), Dettenheim, Neudorf, Grünmwintel, Grünmettersbach, Palmbach, Wöffingen, Königs- bach, Wöſchbach, Jöhlingen, Grombach, Weingarten, Unterniebelsbach (Frauenalbifch), Herrenalb u. U. wohlfeiler gefauft werden, weil dort der Salzhandel von allen Auflagen befreit war.

1756 wird nun Karlsruhe geftattet, ein eigenes Salzmagazin anzulegen, gegen Zahlung von 450 fl. Regalgeld an den Admodiator, Generalpächter Burkhard. Doc waren die herrjchaftlichen Diener und Soldaten, für welche die Herrichaft bis 1787 ihren eigenen Salzverfäufer hatte, nicht gezwungen, ihr Salz bei der Stadt zu kaufen.

Bon 1787 an hatte die Stadt ftatt 450 nur noch 337 fl. 30 Er. Regalgeld zu bezahlen, und von da an kauften bei ihr auch die

herrſchaftlichen Diener ihr Salz für 48 kr. das Simri, 1789 für 56 kr., jo daß die Kaufleute 5 Fr. Profit am Simri hatten.

Schon vor 1752 aber hatte die Stadt ein Viertel von dem bier eingehenden herrichaftlichen Salzprofit erhalten.

Das im Land verbrauchte Salz war, da noch fein badijches Salz gefunden worden, meiſtens Nauheimer oder lothringiſches Salz.

Auf die Bitte der Gemeinde wurden die von Karl Wilhelm gegebenen Privilegien durch die Vormundjchaftsregierung unter dem 21. Juli 1738 einfach beftätigt, und während der Dauer der Adminiftration wurde auch nichts von Belang daran geändert. Durch den Umftand, dab oft mehrere familien in einem Haufe wohnten, und daß gegen die urjprüngliche Abſicht des Gründers, welcher die Privilegien an den Beſitz eines Haufes gebunden hatte, diefe Haus- bewohner jämmtlich auf den Genuß derjelben Anſpruch machten, ohne dazu berechtigt zu jein, war die Anzahl der Privilegirten in unge- bübrlicher Weife vermehrt worden, und daher wurde 1746 bejtimmt, daß diefe Berechtigung zwei Bewohnern eines Haufes nur dann zu gut kommen jollte, wenn zwei Söhne in dem Hauje des verjtorbenen Vaters wohnten, und auch nur jo lange, bis der Eine ein anderes eigenes Haus hätte.

Lebhafter wurden die Verhandlungen in diejem Betreff, ala Karl Friedrich die Regierung angetreten hatte.

Mit dem 12. Februar 1752 war die auf 30 Jahre feitgejeßte Dauer der Privilegien abgelaufen. Nach dem bisher giltigen Freiheits— brief hatten die Karlsruher bejeffen: Schatungsfreiheit von allem Bermögen, Zehnt- und Bollfreiheit, Freiheit von Bet- und Güterzing, von den Abgaben für das Salzregal, Tabakregal und Eijenregal, von dem üblichen Ohmgeld, dem Wirthſchaftskonzeſſionsgeld, von Abzugsgeld und Abzugszoll, von der Leibeigenichaft, von Fronden, Hagen u. dergl. Dagegen hatte die Stadt bezogen das Hinterfaßengeld, das Bürger- annahmsgeld, ein Viertel des Ohmgeldes, ein Viertel der Strafgelder unter 10 fl., die Hälfte des ſog. Konjensgeldes von Waren, welche Fremde hereinbrachten, ein Viertel vom Salzprofit, und das Juden- ſchutzgeld.

Im Dezember 1751 richtete nun die Gemeinde nachſtehende Ein— gabe an den Markgrafen: „Zwar möchte es ſcheinen, daß diejenigen, welche zu haufen fich angelegen fein laſſen, binnen denen Freijahren hinlängliche Mittel vor fich hätten bringen fünnen, die Uebrigen aber

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auch bei Verlängerung der Privilegien nichts erwerben würden, mithin eine weitere gnädigſte Nachſicht nur gemißbraucht würde. Allein gleichwie wir verſichert ſind, daß Ew. Hochfürſtl. Durchlaucht die ruhmsvolle Gewohnheit haben, von Niemand ohne hinlängliche Ueber- zeugung das Schlimmfte zu vermuthen, jondern vielmehr die gnädigjte Gefinnung zuvor begen, jo jchmeichlen wir uns, daß Höchjterlaucht diejelben nicht in Ungnade bemerken werden, wenn wir fürzlich beweijen, daß, jo wenig die Bürgerjchaft an thätlichen Proben ihrer unter- thänigften Devotion bisher das Geringjte erwinden (fehlen) laſſen, jo wenig die bisherigen Umftände e3 zugelafjen haben, daß diejelben ihr Vermögen jonderlich vermehren können, und folglich der nachjuchenden Gnade nicht unmürdig fein. Erfteres iſt "aus den Privilegien Har. Nach denjelben jollten die Bürger von allen Einquartierungen, Kollekten, auch all’ andern ordinären und ertraordinären Real- und Berfonal- bejchwerden befreit jein. Gleichwohl aber haben diejelben bisher aus Unterthänigfeit den Soldaten Quartier gegeben, oder fich mit denjelben durch Geld abgefunden, wogegen der von gnädigfter Herrichaft bezahlte Sclaffreuzer nicht den Bürgern zu gut gelommen, jondern zu öffent» lichen Polizeiausgaben angewendet worden. Auch find von dem gemeiner Stadt einmal angerwiejenen Waidgang ex post wiederum 12 Morgen, und zwar vom beiten Waldftrich zum fürftlichen Fa— janengarten gezogen worden, welches ſich die Bürger, obne einen andern Platz zu juchen, devotejt gefallen laſſen.

Und obwohl in dem Privilegio die Hoflieferung uns verfprochen worden, jo ift doch diejelbe ehedeſſen durch andere Leute meiftens bejorgt worden. Nichts deſto weniger waren wir bisher mit Allem unterthänigft zufrieden, und begnügten una in möglichſten Devotions— bezengungen gegen unjern gnädigjten Fürſten einander beeifern zu fönnen. Obnerachtet auch das nach Proportion der Häufer in privi- legio auch beftändig verjprochene Gabholz jeit vielen Jahren uns nicht mehr gegeben worden, jo juchen wir dennoch nicht den Rückſtand und erkennen e3 mit unterthänigftem Dank, warn Ew. Hochfürſtl. Durch- laucht nach dem privilegio jolches in Zukunft alljährlich gnädigſt uns anzumeijen geruhen.

Wohingegen das andere, nemlich der Vermögenszuſtand der Bür— gerichaft Em. Hochfürftl. Durchlaucht vorhin bewußt ift, daß Die biefigen Bürger weder von einer Viehzucht, noch von dem kleinen Güterbau leben können, und daß diejenigen Bürger, deren Eltern

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eigene Häufer gehabt haben, oder wirklich befigen, und auf welche die von Juden und Schugbürgern nichts befolgende privilegia ſich beziehen, nicht viel über die Hälfte der Einwohnerjchaft ausmachen. Dieje haben, wie vorberührt, von Lieferung nach Hof fich feinen jonder- lichen Nuten verjchaffen können, mithin nur ihre Nahrung in der Stadt juchen müſſen. Die Handwerker aber find alle überjeßt, und ift den wirklichen Bürgern durch die privilegienfähigen Schußbürger, welche alle von Profeffionen leben, großer Abbruch an der Nahrung geichehen.

Sodann ift notorisch, daß der größte Teil der Bürgerjchaft aus Wirten, Mebgern und Krämern beftehbt. Dermalen find 57 Wirthe dahier, gewiß eine große Auzahl für dieje nicht allzuzahlreiche Stadt. E3 wird wohl Niemand glauben, daß das in den Privilegien auf ewig feftgejeßte Umgeld der Herrichaft und Stadt weniger ertragen dürfte, wann die Straußmwirthichaften in Zukunft eingejtellt würden. Dann dieferhalb würde weniger Wein getrunken werden ; hingegen mußte bei vielen Wirthichaften viel Abgang und Hausbrauch paſſirt werden, daß aljo der Ertrag des Umgeldes geringer geworden. Faſt gleiche Hinderniffe in der Nahrung hatten bisher die Mebger, jedoch nicht durch fich jelbjt, jondern durch die Juden. Dieje hatten früher nur die bintern Viertel zu verkaufen, jeßt aber jchlachten fie wöchent— lich einen Ochſen und vier Stück Kühe, und jo viele Kälber als fie wollen. Sie geben e3 zwar einen halben Kreuzer wohlfeiler, jchlachten aber jehr jchlechtes Vieh. Die Krämer haben bisher noch wenig Glück gemacht, ihre Anzahl ift groß, und außer ihnen find auch noch Zudenfamilien, welche ebenfalls vom Handel leben. Bitten wir aljo Em. Hochfürjtl. Gnaden, daß wir durch eine andere Polizei etwas zu erwerben, und in unjern Hütten vor dem Einfall ſicher wohnen zu können, in den Stand gejegt würden. Denn anfänglich bei Er- bauung der Stadt mußten die Häufer in größter Gejchwindigfeit nach dem vorgeichriebenen Modell erbaut werden. Und gleich wie es ſchwer ift, ohne ein Kapital in Händen zu haben, etwas zu erwerben, jo haben die Eigenthümer ſolcher Häuſer nunmehr die weitern Koſten, daß fie ihre, ohne hinlängliches Fundament auf dem Sand figende und bei der befondern Struktur der Dächer vom Wetter jehr bejchä- digte Häufer repariren laffen, auch wenn fie jelbige zu bequemen Wohnungen einrichten wollen, den obern Stock anders bauen müfjen, welches ihnen aber bei ihrer Armuth jauer fällt, nicht zu gedenken,

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daß viele noch Schulden auf ihren Häuſern haben. Die gemeine Stadt ſelbſt hat ſehr wenig Einkünfte, und doch viele Koſten mit Erbauung und Erhaltung öffentlicher Gebäude und dergleichen. Wir wiſſen daher dieſelben nicht zu beſtreiten, nachdem die Stadt das Salz— konſensgeld nunmehr verliert, wenn nicht Ew. Hochfürftl. Durchlaucht ihr den Theil des Salzregals, wie jolches Pforzheim geniekt, gnädigſt verleiht u. j. mw.“

Den Schluß diefer Eingabe des Stadtrat3 bildet die Bitte, die der Bürgerjchaft bis 12. Februar 1752 verliehenen Freiheiten auf weitere fünfzehn Jahre ausdehnen, und ihr das Brennholz, wie den Hardtdörfern, auf immer anmeijen zu lafjen, auch ihnen den vierten Teil des Konſensgeldes zu belafjen, und für ihre überjegten Gewerbe eine paſſende Polizei» oder Zunftordnung feitießen zu wollen.

In Folge diefer Bitte der Gemeinde wurde nun das Dberamt beauftragt, einen Entwurf des Freiheitäbriefes auszuarbeiten, welcher jodann von den Wegierungsfollegien durchberaten, und unter dem 12. Juni 1752 von Karl Friedrich ausgegeben wurde. Derſelbe enthielt im mejentlichen folgende Bejtimmungen (vergl. Beilage V.):

Die Neubauten der Häujer und Nebengebäude ſollen bis unter Dad von Stein aufgeführt werden, es wird den Einwohnern Re— ligionsfreiheit unter dem Vorbehalt der fürftlichen Gerechtiame ge- währt ,,*) der Aufzunehmende muß von ehrlichem Herkommen und feibfrei fein, und der einzelne Mann 500 fl., das Ehepaar 750 fl. freies Vermögen nachweijen ; die bisherige Land- und Bfundzollfrei- heit wird außer für Waren, die zum Hausgebrauch dienten, ſowie auch die Abzugsfreiheit aufgehoben, von dem jog. Hausmeßelgeld find die Einwohner befreit, ebenjo zahlen die Verkäufer von Gemüſe, Milch, Butter, Eiern, Hühnern feinen Pfundzoll, aber von anderem Geflügel, Schmalz u. dal.

Die bisherige Umgeldfreiheit ift aufgehoben, doc erhält die Stadt ein Viertel davon, ebenjo von den GStrafgeldern bei Amt unter 10 fl., ferner von dem der Regierung aus dem Salzregal erwachjenden Nußen ein Viertel, den Watdgang und 3 Morgen Faſelacker, wie bisher dag Markt: und Standgeld von Wochen: und

*) In diefem Punkt war der Markgraf duldjamer als feine Beamten, denn der Borichlag des Oberamtes wollte andere als Qutheraner nur mit bejonderm fürftlichem Difpens aufgenommen willen.

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Jahrmärkten, fie hat die freie Wahl ihrer Gemeindebeamten unter obrigfeitlicher Beftätigung. Dem Stadtrat fteht in geringern bürger- lichen Streitigteiten das Recht erjter Inftanz zu.

Die Einwohner der Stadt find frei von Leibeigenfchaft, Zehnten, Fronden, Jagen u. ſ. w. Sie haben ſonſt alle Zaften, wie andere Unterthanen, namentlich auch Einquartierung zu tragen, zahlen Kopf- geld, Schatung von Häufern, Gärten und Fahrnis, aber nicht über 30 kr. von 100 fl., auch Landes» und Kriegskoſten nach dem Schatzungsfuß, find dagegen frei von Gewerbeichagung und andern berrichaftlichen Umlagen. Die Hinterſaſſen zahlen jährlich 2 fl., die Schußgbürger (Juden) dagegen haben neben der Kopfjteuer und Ge— werbeihagung noh 2—4 fl. Schußgeld zu bezahlen. Die Wirt: ichaften ſollen reduzirt, die Straußmwirtichaften aufgehoben, die jorg- fältig unterfuchten und ausgewählten Gaftwirtjchaften auf 18 bis 20 beichränft, und jeweils zur Zahlung von Konzeſſionstaxen angehalten werden. In den Nebengafien und in dem innern Zirkel joll nur je eine Wirtjchaft geduldet werden. Die Handwerker jollen Zünfte bilden.

Klein-Karlarube Noch bis gegen den Schluß unjeres Jahrhunderts blieb Klein-Karlsruhe eine von der Stadt getrennte Gemeinde mit eigener Verrechnung und Gemeindeverfafjung, ohne allen Anteil an den Rechten und Freiheiten der Stadtbewohner mit Ausnahme der Freiheit von Pfund» und Landzoll, und doch ohne eigentliches Gemeinderecht.

Sie waren feine Bürger, jondern alle nur Hinterſaſſen, zahlten ala ſolche 2 fl. bezw. 1 fl. jährlich und waren frond- und wach— pflichtig, jofern fte nicht privilegirte fürftliche Diener waren.

1749 beffagte jich ihr Anwalt Wagner, die Klein-Karlsruher ſeien mit Fronden überlaftet, müßten Wache thun, Brennholz zur fürftlichen Landſchreiberei und den Kanzleidienern das Holz bi vor die Defen tragen, in den berrichaftlichen Gärten arbeiten, auf Jagden Treiberdienfte thun, Hunde führen, Wildpret tragen, die Mufikin- ftrumente berbeijchaffen, Briefe tragen u. dgl. m. Zudem wohnten meift berrichaftliche Diener da, welche von allen jolchen Laſten frei jeien. Die auf jolche Beſchwerden erfolgte Erleichterung war aber eine geringe. Die Frondienjte im Schloßgarten, welche einen großen Teil des Jahres nur im Ausjäten des Graſes beftanden, durften fie zwar durch Kinder von 10 bis 12 Jahren verrichten lafjen, aber im

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Uebrigen blieb es ziemlich beim Alten. 1754 vernehmen wir daher neue Klagen. Die Klein-Karlsruher Einwohner ſeien herrichaftliche Diener, Bau- und artenknechte, Soldaten und Taglöhner. Davon hätten nur die leßtgenannten die Laften zu tragen, zu fronen, täglich zwei Aufwärter zum Oberamt und von Früh: bis Spätjahr 12 Fröner in die herrjehaftlichen Gärten zu ftellen, zahllofe Forft- und Bauamtsfronden zu leiften. Dieſe Fronden ferien urſprünglich Erſatz für das Hinterjaffengeld gewejen, aber jeit 1752 mußte der Mann 2 fl., die Wittwe 1 fl. Hinterjafiengeld erlegen u. |. wm. Die Er- mäßigung von 2 auf 1 fl. 28 fr. für den Mann und der Nachlaf des Hinterjaffengeldes für die Wittwe war vorerft die einzige Folge diefer Klagen.

In den achtziger Jahren war Dörrwächter ihr Anwalt. 1787 bittet derjelbe um Erhöhung feiner 35 fl. betragenden Beſoldung und erhält einftweilen auf zwei Jahre eine Zulage von 2 fl. 45 fr. aus dem Stadtalmojen. 1788 wurde Gſell Anwalt und 1794 Dörr- wächter zum zweitenmal. Neben dem Anwalt oder Schultheiß er- icheint um dieje Zeit auch ein Bürgermeiſter.

Es konnte wohl nach einer Verordnung von 1790 jeder Klein- Karlsruher in der Stadt Bürger werden, wenn er nicht Taglöhner oder Dienftbote war, jobald die gejeglichen Erforderniffe bei ihm vorhanden waren; da aber dies bei jehr wenigen der Fall war, fo blieben beinahe alle Hinterjaffen. In Klein-Karlsruhe Aufgenommene zahlten, wenn fte Inländer waren, 45 fr., wenn Fremde 1 fl. 30 Er. und, wie gejagt, jeit 1754 jährlich 1 fl. Hinterjaffengeld in die Ober- einnehmerei und 28 fr. in die Gemeindefaffe, hatten fie fein eigen Haus, jo zahlten fie die Hälfte jährlich. Die Söhne mußten fich jeweil3 wieder bejonders als Hinterjajjen einkaufen.

Die Stellung zum allgemeinen Aufgebot, eine Folge der fran- zöſiſchen Revolution, brachte auch für unjere Klein-Karlsruher eine Beflerung, denn als im Jahr 1795 der die allgemeine Bewaffnung und Fahnenübergabe leitende Major die Klein-Karlsruher mit „Bür— ger“ anſprach, hielten fie an diefem Worte feſt und forderten nun auch die Sache, nicht nur den Namen. Dieſes Berlangen fand Er— füllung, Klein-Karlsruhe wurde eine jelbjtftändige Gemeinde, aber eine Dorfgemeinde, und Kiefer ihr erſter Bürgermeiſter. Noch in demjelben Jahre wurden folgende Klein-Karlsruher aus Hinterjafjen Bürger: Dörrwächter, Braun, Ohmmeiler, Weniger, Kiefer (Bürger:

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meifter), Schwarz, Schellhorn, Schehr, Schenk, Armbrufter, Klein, Jäsle, Kufterer, Grasmann, Gfell, Nejtel, Hattig, Jack, Löw, Schmidmann, Hofſäß, Mauch, Feger, Haas, Schmidt, Knecht, Sie- bert, Schüß, Füger, Rebele, Räuber, Dlinger, Pfau, Sutter, Nenner, Ernſt, Bleffing, Reichert, Kern, Hummel, ung, Jauch, Meffer, Grell, Deder, Maijenhälter, Kamlivi, Fauth, Kamerer, Schafhäufer.

Zugleich wurde aber auch das Einfaufsgeld in die Gemeindekaſſe von Fremden, ob Mann oder Weib, auf 6 fl., von Inländern auf 4 fl., von Stadt: oder Amtsangehörigen auf 2 fl. erhöht. Nad) Klein-Karlsruhe ziehende Städter behielten ihr ſtädtiſches Bürger— recht bei, da aber die Klein-Karlsruher, obwohl Bürger geworden, doch ihre Frondleiftungen im Schloßgarten beibehalten hatten, jo ver: langten fie num auch von den zugezogenen Karlsruhern gleiche Leiſtung, was jelbtverftändlich dieje verweigerten. Das ganze Verhältnis blieb überhaupt, jo lange Klein-Karlsruhe zwar eine Gemeinde, aber doch nur eine Dorfgemeinde war, welche z. B. nur 200 fl. Vermögen zur Aufnahme forderte, ein unklares, und brachte fortwährende Kon- flitte, jo daß Einer, weil die Aufnahmsbedingungen nicht gleich waren, in Klein-Karlsruhe Bürger werden konnte, ohne es auch in der Stadt zu werden, bis zunächſt 1809 eine fejtere Negelung der gegenjeitigen Beziehungen ftattfand, welche die erwähnten Mifverhältniffe aber doc) nicht ganz bejeitigte.

Die Klein-Karlsruber waren daher ihrer Selbjtändigfeit bald überdrüffig und baten 1809 ſelbſt um vollftändige Vereinigung mit der Stadtgemeinde.

Diefe Vereinigung trat im Jahr 1812 ein, der Schultheiß oder Anwalt wurde Mitglied de3 Stadtrates, der Bürgermeifter des jtädti- schen Ausichuffes, Gericht und Rat, welche fie al3 Gemeinde eben- falls beſaßen, wurden aufgehoben, eine von einem Stadtgeiftlichen ver— ſehene Pfarrgemeinde aber bildete Klein-Karlsruhe noch längere Zeit nachher.

Wie übel die Gemeinde beftellt gewejen war, beweist uns eine Klage von dem Jahre 1802 über allzuftarte Bevölkerung des Dürfles, e3 feien 17 Familien ohne Obdach, und diefe Uebervölferungsnot rühre namentlich von den verheirateten Soldaten her, welche ſieben und mehr Kinder hätten u. ſ. w.

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6. Einivohnen, Bandel und Wanpel.

Die Zahl der Einwohner, welche 1719 1994 betrug, war von da an jehr langſam gewachjen, jo daß fte bis gegen 1770 noch nicht über 3000 gejtiegen war und dla zwijchen 1800 und 1810 auf etwas über 7000 kam.

Bei der Aufnahme neuer —* und Privilegirten war anfangs kein weiteres Vermögen gefordert worden, als das zum Bau eines modellmäßigen Hauſes erforderliche. (S. S. 63.) Seit 1722 wurde der Nachweis von 200 fl. bei Chriſten, und von 500 fl., ſpäter 800 fl. bei Juden gefordert, und durch das Patent Karl Friedrichs von 1752 wurden noch andere perjönliche Erfordernifje ala Aufnahmsbedingungen fejtgeftellt. Einen eigentlichen Unterjchied zwifchen Bürgern, Schuß- bürgern und Hinterfaßen begründete von Anfang an nur der Beſitz eines Haujes und eines jelbjtändigen Gewerbes, jo daß jchon von der Zeit der Gründung an auch Jsraeliten nicht nur als Privilegirte, jondern ausnahmsweiſe auch als ftimmberechtigte Bürger erjcheinen. Nach und nach mehrte fich die Zahl der Hinterjaßen aus der Zahl der häuferlojen Taglöhner und Gewerbägehilfen, ſowie diejenige der Schugbürger durch den Zuzug mittellofer Juden. Ein Bericht des Dberamtes von 1749 jagt, es habe von Anfang an zwiſchen Brivi- legirten und Schugbürgern und Hinterfaßen der Unterjchied bejtanden, daß jene durch den Beſitz eines Haufes an allen Privilegien und Freiheiten Teil gehabt, die beiden Tegtern aber verpflichtet geweſen jeien, ein monatliches Schußgeld nach Verhältnis ihres Gewerbes, den allgemeinen Land- und Pfundzoll, Abzugsgeld und Abzugspfund- zoll und außerdem noch 2 fl. für die Auffündigung des Schußes zu bezahlen. Außer diejen Taxen bezahlten die Juden noch da3 allge- meine Judenſchutzgeld. Die Taren bei bürgerlichen Annahmen, das Bürgereinfaufsgeld betrugen zuerjt 4 fl. für den Mann, 2 fl. für eine jelbjtändige Frau, welche von auswärts hieher z0g und Haus- befigerin wurde, für die fremde, welche einen Bürger heiratete, nichts. Dieje Taren fielen anfangs in die berrichaftliche Kaffe. 1745 wird auf den Wunjch de3 Stadtrates wegen übermäßigem Zufluß wenig bemittelter und Konkurrenz bringender Einwanderer das Bürgereinfaufs-

geld auf 20 fl. für den Mann und 10 fl. für die Frau erhöht, wozu noch 1 fl. für den Rathausbau und 1 fl. 30 kr. für Dielen und Feuereimer bezahlt werden mußten.

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1752 betrug das jährliche Hinterfaßen- und Schußgeld für Chri- ften und Juden 6 und 9 fl., das Kopfgeld im Jahr 221), Kr.

Am Schluß unferer Periode, 1802 mußte der Mann bei der Aufnahme 500, die Frau 300 fl. Vermögen nachweijen, und wie vor 50 Jahren 20 und 10 fl. Aufnahmageld, ſowie 1 fl. für den Rat— bausbau und 1 fl. 30 kr. für Feuereimer bezahlen, und zwar Bürger und Hinterſaßen ohne Unterjchied.

Seit dem Ablauf der Zeit der Privilegien, von 1752 an, be= zog nicht mehr die herrichaftliche geiftliche Verwaltung, jondern die Stadtlaffe dieſe Aufnahms- und Schußgelder, außer daß davon für einen männlichen Hinterjaßen 2 fl., für einen weiblichen 1 fl. an die Staatslaffe abgegeben wurden.

Bon Bürgeraufnahmen und nen eintretenden Einwohnern aus der zweiten Hälfte unjerer Periode find zu bemerken 1765 Sommer: ſchu, Knopfmacher von Altjtettin, von Reiſchach aus Markgröningen, Würt., J. Mart. Krämer, Schuhmacher aus Farnsburg, Schweiz, eines dortigen Metzgers Sohn, 1769 wird Matthias Lendorf Pro- fantor und heiratet die Jakobine Effren, Tochter des Biürgermeijters von Reutlingen, 1775 3. David Reinhold, Uhrenmacher aus Reichen- bad; im PBoigtlande, wird Bürger und heiratet die Tochter des Uhrenmachers Nitsky, 1777 Hafner von Herrenalb, Funk von Gun- zenhaufen, Reinhard aus Tübingen, 1781 Wolf aus Speier, Hanjult aus Waltersdorf im Darmftädtiichen, 1782 Nägele, Sohn des Bären- wirt? von Graben, 1784 Bachmeyer, Sohn, deſſen Water ſchon das Waldhorn bejeffen hatte, wird Bürger, Dollmätih, Sohn, defjen Vater Rappenwirt gemwejen, tritt fein Bürgerrecht und die Wirtjchaft zum römischen Kaijer an, Kufterer aus Schönberg im Würtembergifchen wird Bürger, 1791 Meerwein, Lehrers Sohn von Broggingen, Neubürger, 1795 Tulla, Neubürger wird Darmftädterhofwirt, 1796 Döring von Sulz am Nedar, J. Hch. Maiſch von Gärtringen in Würtemberg werden Bürger, 1801 Chemiker Salzer von Weinsberg fommt bieber.

In dem gewerbliden Leben der Stadt kehrt die alte Konkurrenz zwiſchen Juden und Chriftenmeßgern immer wieder. Die Juden verjprachen 100 fl. an die Nentlammer zu zahlen, wenn ihnen geftattet würde, unbejchräntt Ochjen und Rinder zu jchladhten, und obwohl fie 1'/, fr. wohlfeiler ala die Ehriften verkauften, wurden fie abjchläglich bejchieden, ja es wurde 1745 den zehn Biefigen Juden—

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meßgern jogar befohlen, um 19, fr. wohlfeiler zu verkaufen, weil fie daneben andere Handelsgejchäfte trieben.

1752 waren bier fünfzehn zünftige chriftliche Mebger, nemlich die beiden Zunftmeifter Fein und Hummel, und die Meifter Lamprecht, Knoll, Cloß, Braunwarth, Müller, Zwidel, Schumann, Kärcher, Weißer, Fiſcher, Hoffmann, Vögelin, Arleth, und obwohl e3 von diejen hieß, fie ſeien ſämmtlich reiche Leute geworden, verlangten fie doch, wiewohl vergeblich, daß den Juden aller Fleiſchhandel verboten würde.

1742 wurde verlangt, daß die Mebger gar nichts mehr zu Haufe, jondern nur an der ftädtiichen Fleiſchbank verkaufen jollten, wogegen dieje es durchjeßten, daß fie nır Samftags Alles auf der Fleiſchbank verfaufen mußten. Auch das Ummetzgen wurde 1743 durch einen Beſchluß der Zunft wieder eingeführt.

Die 1748 und 1760 eingeführten neuem Zunftordnungen jcheinen hierin etwas Ruhe gebracht zu haben, 1761 erichien aber eine Ver— ordnung, welche bejtimmte, daß zur Kontrolle gegen Unterjchleif der Ehriften- und Judenmetzger auch die letztern ihr Kleinvieh in dem ſtädtiſchen Schlachthaus metzgen follten, ferner, daß alles Vieh durch das Linkenheimer- und Rüppurrerthor eingeführt und durch die Thor- wache verzeichnet werden müſſe. In Folge der Kriegszeiten waren 1795 die Fleiſchpreiſe jo geftiegen, daß für nicht zünftige Metzger, welche wohlfeiler verkauften, bejondere Fleiſchbänke bei dem Spinnhaus errichtet, aber 1798 wieder entfernt wurden.

Als um dieje Zeit fich die Metzger gegen die, wie jeit längerer Beit, nach den Durlacher Preiſen geregelten Fleiſchtaxen jträubten, verfündigte die Bolizeideputation, e3 würden auswärtige und nicht zünftige Meifter, welche bereit jeien, das Maftochjenfleiich für 15 kr. hierher zu liefern, eingeladen, und ihnen geftattet werden, ohne weitere Abgabe bier zu verkaufen, und diefe Drohung that ihre Wirkung.

Die Fleiſchpreiſe waren 1757 für das Pfund Ochſenfleiſch 4',—5 kr., Schmalfleiih 4 kr., Kalbfleiih 3',,—4 kr., Schweine: fleiſch 5 fr., Hammelfleiich 5-—5'/, fr. 1790—99 aber ftieg Rind— fleisch auf 12—15 kr., Kalbfleiih 8—10 kr., Schweinefleiich und Dammelfleiih auf 8—12 kr., Reiplinsfleiich auf 6—7 kr.

Für die Bäder wurde 1770 eine jährliche Badprobe ange- ordnet, welche aber von 1795 bis 1811 nicht mehr vorgenommen wurde.

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Jeder Bäder hatte ein Zeichen auf feinem Brote, welches Zeichen auch auf der Tafel vor feinem Laden erfichtlich war, und jährlich fanden polizeiliche Vifitationen über Gewicht und Beichaffenheit des Brotes bei ihnen Statt.

Die Preife des Brotes waren 1756 für drei Pfund Schwarz: brot 5 fr., Weißbrot 6 fr. Das Simri Welfchtorn koſtete 20—21 kr., Erbjen 48 fr., Weißmehl das Malter 6 fl. 2 kr., Brotmehl 5—4 fl. 48 fr., ein Paar Kreuzerwed wog 22 Loth, Butter kojtete das Pfund 12 kr., 6 Eier 4 fr., das Mäß Holz 4 fl. 24 ii. Doc brachten die Kriegsjahre nicht nur für die Bäder, jondern auch im Allgemeinen eine nambafte Steigerung, jo daß 4—5 Eier 4 fr., das Malter Roggen 8—15 fl., Butter 40 fr. bis 1 fl. 36 fr., Rindfleiſch ftatt 16 fr. ° 36 fr. bis 1 fl. 24 kr., Schweinefleiich 32—48 kr., Kernen 10—23 fl., Weizen 10—22 fl., Gerfte 8—13 fl., Welſchkorn 8—12 fl., Haber 5-10 fl., Hartbolz 9 fl. 30 kr., Weichholz 7 fl. 30 kr., Erbjen und Linſen das Simri 1 fl. 12 fr., Bohnen 1 fl. 20 kr., 1 Pfund 19 Loth Schwarzbrot 19 Fr. Fojteten. Nach der bejtehenden Zunft: ordnung konnte ein Handwerker erit mit 25 Jahren Meifter werden. Der Schufter wurde Meifter nach fünfjähriger Wanderung, wobei er in Straßburg, Wien, Mannheim, Kafjel, Erfurt, Dresden oder Leipzig gearbeitet haben mußte, der Schneider hatte ſechs Wanderjahre, doc) wurde ihm ein Jahr für zwei gerechnet, wenn er in Baris, Lyon, Mes, Straßburg, Mannheim, Dresden, Leipzig oder Regensburg in Arbeit geftanden, auch den Bädern und Metzgern, mit drei Wander: jahren, wird die Arbeitszeit in Straßburg, Mannheim, Hanau oder Frankfurt doppelt gerechnet, wie den Küfern an ihren drei Wander: jahren der Aufenthalt in Eplingen, Straßburg, Baſel, Schaffbaufen, Worms, Mainz und Trarbach. Zu den Schattenjeiten der Zunftord— nungen gehörte, daß 3. B. nur Schreiner leimen, nur Sädler lederne Reithoſen verfertigen, nur Schlofjer feilen durften, jo dak u. A. 1754 die Durlacher Handwerker verlangen konnten, daß auf dem Lande nur Wagner, Schmiede, Schufter und Schneider, und auch dieje letztern nur in Flickwerk ihr Handwerk treiben dürften, und daß dort gar keine Bäder und Metzger geduldet würden, weil die jtädtiichen Hand— werfer ihre Waren binaustragen wollten.

1751 wurden die Meijterjchaftsinahlzeiten abgeſchafft, und an deren Stelle hatte der junge Meifter, welcher unter 50 fl. Vermögen hatte, Nichts, bei 50—100 fl. einen Gulden, bei 100—150 fl. zwei

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Gulden, bis 200 fl. drei Gulden, und für je 50 fl. Vermögen mehr einen Gulden zu zahlen, jedoch nicht über 10 fl.

Nach der Zunfterdnung von 1760 gilt als unehrlich, wer ein Aas berührte, mit dem Schinder trank, denmijelben Weib oder Kind zu Grabe trug, einem Selbjtmörder half, gefallenes Vieh ohne Not jelbjt aus dem Stall entfernte, wer jeine wegen Verbrechens bejtrafte Ehefrau wieder zu fich nahm, und die Kinder von Verbrechern.

Die jtädtiiche Taxordnung von 1752 ſetzte die Taglöhne aljo feft: der Handlanger hat im Sommer 18, im Winter 15'/, fr., der Taglöhner 18—15, die Frau 10—12, mit Koft aber nur 8, bezw. 5 fr. Holz zu jägen und zu jpalten koſtete das Klafter 18—22 kr., der Botenlohn hin und her für eine Meile 15 kr., der Morgen Ader zu pflügen und zu eggen 1 fl., Getreide zu jchneiden und zu binden 1 fl., der Morgen Wieje zu mäben und zu beuen 40 kr., zu mähen allein 20 Er., einen Wagen Dung mit Doppelleitern und 8 Pferden bis zur Gemarfungsgrenze zu führen 15 fr., näher 12—10 fr., drei Pferde bis an die Grenze als Vorſpann je 12—8 fr. Ein Knecht hatte 1783 20-30 fl. Lohn und ein Kleid, jollte aber das Friſiren von Männern verjtehen. Der Zinsfuß, welcher bisher 6—8 Prozent betrug, wurde 1758 auf 5 Prozent herabgejett, und der Wucher mit Strafe bedroht.

Das Wild und Geflügel, welches jchon jeßt auf befondern Wild: bretbänfen verkauft wurde, war ebenfall3 wohlfeiler als in unfern Tagen, denn e3 koſtete 1748 ein Haje 24 fr., ein Faſan 1 fl. 30 kr. bis 2 fl., ein Dugend Wildenten 3 fl. 12 kr., Kirſchenwaſſer wurde der Krug mit 1 fl. 4 fr. bezahlt, und eine Wohnung von 8 Zim— mern an dem Markplag koſtete 1789 200 fl. Das Salz von Nauheim wurde 1757 in Karlsruhe und Mühlburg zu 4 kr., in Durlad zu 3 kr., in Pforzheim zu 4", kr., das Hallische in Durlach zu 2", Er. verkauft, die Kartenftempeltare für Tarokkarten betrug 12 kr., für andere 6 fr., ein Dutzend Pücklinge koftete 9 kr., eine eslajche Tirolerwein 24 Er., die Ohm Wein 1753 9—10 fl., 1754 7 fl., 1756 der neue 4 fl. 40 fr. bis 5 fl.

Die Zahl der Wirtjchaften war in dem kaum erjtandenen Karlsruhe feine geringe, ſchon die erjten Jahre nach der Gründung zeigen uns ein Gajthaus zum Waldhorn, zum wilden Mann, Kreuz, Ochjen, Einhorn, Hirih, Bären, Lamm, Sirene, und al3 deren

Eigentümer Sembach, Menton, Schöndorf, Kurz, Lamprecht, Schmidt, Hofmann, Schippel, Leonhard u. U.

Manche Wirte trieben indeffen nebenher andere Gejchäfte und waren Mebger, Bäder, Schneider, Küfer, Branntweinbrenner, ri jeure, Gürtler u. A.

Neben den ordentlichen, fchildführenden Gafthäufern und Fremden— bherbergen entftanden jo, teil3 durch jolche Gewerbsleute, teild auch durch Hofdiener und alte Soldaten, Straußwirtichaften, Wintelfneipen und heimliche Schänkwirtjchaften, welche der Polizei nicht wenig zu ſchaffen machten.

Nach einem Verzeichnis von 1752 waren damals bier folgende Wirtichaften mit Gaftbetten in den nachbenannten Straßen:

Waldhornftraße zum goldenen Löwen von Ziervogel mit 5 Gaftbetten, jet Zirkel 3, und zum Schwarzen Ochien von Leon- hard, Kronenftraße Schufter zur Krone, 8 Betten, Neder zum Goldenen Faß, 4 Betten, Launer zu den drei Schweizern, 2 Betten, Schippel zu den drei Königen, 4 Betten, Adlerjtraße Neinwaldt zum Pflug, 4 Gaftbetten, Rödel, dann Braunwarth, Ede des Zirkels zum Roten Hirſch, 6 Gajtbetten, Zwidel zum Einhorn 4 Gaftbetten, Kreuzftraße, Klein zum Darmjtädter Hof, 12 Gaftbetten, Billard und Kaffee, Neder zum goldenen Adler, 9 Gaftbetten, Billard, Bä- rengaſſe, Straubach zum Anker, 5 Gajtbetten, Lammſtraße Lamprecht zum goldenen Lamm, 6 Gaftbetten, jegt Nr. 8, Ritter- ftraße, Braunwarth zum Ritter, Schmelzer zum Rebſtock, 4 Gajt- betten, Herrenjtraße fein Gaſthaus, Waldftraße, Ede der Lintenheimerjtraße, Spaß, dann Keller zum Bogeljtrauß, 1763 an Hofrat Preufchen verkauft, 1765—68 durch diefen zum Durlacher Hof umgebaut, jetzt Rotes Haus, Fellmeth zur Blume, 8 Gajtbetten, Stüber zum Wolf, Langeftraße, I. Bet. Kager zum weißen Hirich, vor dem Mühlburgerthor, Ad. Gantner zu den drei Kronen, 2 Gaſt- und 3 Soldatenbetten, Steiner zum Schwan, 2 Gaftbetten, Ohl zum weißen Lamm, 4 Gaftbetten, Löw zum ſchwarzen Lamm, 4 Gajtbetten, Kloß zum Laub, 2 Gaftbetten, Rummel zur Roſe, 8 Gaſtbetten, Straub zur Kanne, 8 Gaſtbetten, Kreglinger, Hofmetzger und Bürgermeifter, zum König David, vorher zur Harfe Davids, jegt zum Erbprinzen, 12 Gaftbetten, Longo zu den drei Mohren, jpäter zum Karpfen, Gerhard zum Schlüffel, 8 Gaftbetten, Lorenz

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Reuter*) zum Bären, jest Englischer Hof, 8 Gaftbetten, Schöndorf, dann Fiſcher, Nägeles Tochtermann zum goldenen Kreuz, jetzt Stadt Pforzheim, 8 Gaftbetten, Billard, N. zur Arche Noah, 5 Gaftbetten, Vofthalter Berner zur Poſt, 12 Gaftbetten, Kachel zum grünen Baum, 15 Gaftbetten, Kurz zum Apfel, 7 Gajtbetten, Klette zum Rappen, 10 Gajtbetten, Müller zum goldenen Ochjen, 5 Gajtbetten, Nippele zum Hecht, 4 Gaftbetten, Sämann zum weißen Rößle, 4 Gaſtbetten, Richter zum Waldhorn, mo die meiften Zünfte waren, Trohmann zur Sonne, Löffler zum weißen Ochjen, 5 Gaftbetten, Steinle zum Engel, 1 Gaftbett, Kraut zum wilden Mann, 5 Gaft- betten, Kröner zum fröhlichen Mann, 5 Gaftbetten, Dollmätjch **) zum weißen Löwen, 5 Gaftbetten, Offenhäujer zur blauen Ente, 3 Gaftbetten, Wöhrle zum Drachen, 3 Gaftbetten, Judenwirtshaus, jegt Naffauer Hof Nr. 95. Im Zirkel, in der Nähe des Marft- plages, Naft zur Sirene. Außerdem waren noch 11 Straußwirt— ichaften bier, wie zum Bedenjtall, zur Gerechtigkeit, zum goldenen Becher u. U. Die von Fremden bejuchteten Gajthäujer waren um 1750 fi. der König David, die Sirene, die Poft und der Darm- ftädter Hof, diefer auch von der befjern Gejellichaft als Kaffeehaus und wegen des Billard gerne bejucht.

Bon einzelnen Nachrichten und polizeilihen Beſtim— mungen über das Wirtſchaftsweſen jener Zeit führen wir an:

1746 wird die Feierabendſtunde auf 10 Uhr im Sommer und 9 Uhr im Winter beftimmt, kein Hofbedienter ſoll nach dem Zapfen— jtreih mehr in die Stadt gehen und durch die Hauptwache am Schloß daran verhindert werden. Die in Privatquartieren liegenden Soldaten jollen ebenfalls jtreng beauffichtigt und die Wirtshäufer abends duch Mililärpatrouillen vifitirt werden.

Für den Zanzzettel, den der Wirt zu löſen hatte, hat er eine Abgabe an das Waijenhaus in Pforzheim zu entrichten.

1752 wird über die große Anzahl hiefiger Wirte (über 70 Schild- und Straußwirte), bei etwa 2800 Einwohnern, geflagt, die

*) 1791 erbielt Reuter die ewige Wirtfchaftögerechtigkeit zum Bären unter der Bedingung, dreiftödig und von Stein zu bauen, was aber erft 1815 geichab.

**) 1781 befam 2. 2. Dollmätich die Konzeflion zum römijchen Kaifer, nachdem er das Haus des Herrn von Freyſtedt in der Waldftraße gekauft, und den daranftoßenden Edplag in der fangen und Waldftraße überbaut hatte.

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Gäfte feien aber troßdem nirgends fchlechter bewirtet ala gerade hier, weil die große Konkurrenz die Wirte ruinire. Zugleich wird auch angeführt, e8 habe feiner der Straußwirte je eine Konzeſſion gekauft, jondern fie hingen uach Belieben Strauß oder Schild ang Haus. Daher erfolgt 1752, 7. Auguft ein Rejeript an die Rentkammer, welches ausfpricht, e3 fei nötig, die Straußmirtichaften aufzuheben, die andern Wirtichaften auf 24 zu bejchränten, und als dagegen leb- haft Beichwerde erhoben wurde, beftimmte der Markgraf, daß die Aufhebung der Wirtichaften erjt bei dem Tode des Beſitzers gejchehen jolle, bi3 fie auf 24 heruntergebracht wären. Als Beltänder einer Wirtſchaft ſolle künftig nur ein hiefiger Bürger zugelaffen, und gegen umfittliches und Tüderliches Weſen, auch Ueberfigen, aufs ftrengjte, d. h. mit jofortigem Schluß der Wirtichaft, vorgegangen werben. Bon den fünf Judenmwirten jollen nur zwei, Gerjon Reutlinger und David Markus, weiter wirten, dürfen aber bei Strafe ihren Wein nicht an Chriften verlaufen. Die Preiſe follen nicht höher als in Durlach fein.

Den 27. November 1752 erſchien eine Verordnung, wonach jchäd- liche Stoffe anmwendende Weinverfälicher gehängt, ſolche aber, melche unjchädliche Beimifchungen, wie Zuder, Rofinen, Haufenblaje brauchten, oder die Weine mijchten, mit drei Jahren Zuchthaus bejtraft werden jollten. 1763, 66, 81 wurde den Wirten bei Strafe verboten, über 1 fl. oder über drei Bechen hinaus zu borgen, auch irgend Hajard- jpiele in ihrer Wirtſchaft zu dulden.

Neben der ohnehin zu großen Zahl der Wirtichaften hatten, wie gejagt, jchon längere Zeit Soldaten und Bediente das Wirten angefangen, und obwohl ihnen dies 1753 bei Strafe der Bejchlag- nahme ihres Getränfes, bei Dienftentlafjung und Geldjtrafen verboten wurde, wird doch 1783 wieder gemeldet, in den zahlreichen Winfel- wirtichaften ſchenkten die Livreebedienten ihren Bejoldungswein maß- und ſchoppenweiſe accisfrei aus, gäben aber auch andere, gekaufte Weine für Bejoldungswein aus und defraudirten jo die Accife.

1787 wurde die Feierabendſtunde zuerft auf 10 dann auf 11 Uhr feitgejegt, aber diefe Verordnung jo ftrenge gehandhabt, daß in Bweifelsfällen ſogar polizeiliche Hausfuchungen vorgenommen wurden, um fich zu überzeugen, daß der Gaft wirklich zu Haufe jei.

Die Weine, die ausgejchenkt wurden, waren zumeift aus der nächjten Umgegend. Branntwein auszuſchenken war den Küfern, je

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doch nur für jelbftgemachten Hefenbranntwein geftattet, die Bäder, welche die gleiche Erlaubnis hatten, durften nicht weniger als eine Maß, Kaufleute und Zuderbäder nur Liköre verkaufen.

Schon 1719 war durch eine Verordnung die allmälige Errich- tung einer Sruchtniederlage bier angeregt, aber wegen Mangel an Raum umnterblieben, wogegen in dem Nathaus zu ebener Erde eine öffentliche Mehlwage aufgeftellt wurde. 1753 kam nun der Stadtrat um Abhaltung eines Fruchtmarktes an dem Donnerjtags- wochenmarkt ein, was die Regierung jedoch, vielleicht mit Rückſicht auf den Durlacher Fruchtmarkt, verweigerte.

Daß auch die Viehzucht in Karlsruhe immer noch eine ge wifje Rolle jpielte, beweist die ftet3 wiederholte Berufung des Rates auf das 1722 und 1738 der Stadt verwilligte Waiderecht, ſowie, als Karl Friedrich 1767 das Austreiben der Karlsruher Schwein- herde abjtellen wollte, die dagegen eingegebene Bittichrift des Ge- meinderates, welche unter Berufung auf das gleiche Recht der Beiert- beimer erklärte, daß dadurch Karlarube genötigt würde, feine Schweine- zucht aufzugeben.

Der Karlsruher Handel jener Zeit war nicht von Bedeutung, biefige Krämer zogen auf auswärtige Märkte, wie Mühlburg, Graben, Friedrichäthal und fühlten fich beiſpielsweiſe 1777 bejonder3 auch dadurch beeinträchtigt, daß ſie beim Eintritt in ein anderes Amt, was damal3 Mühlburg und Graben waren, den Landzoll zu bezahlen hatten, von welchem fie auch 1788 befreit wurden.

Indefjen hatte doch die Stadt um das Jahr 1750 ſchon nicht unbedeutende Spezerei- und Materialmarenhandlungen, wie denn in dem Wochenblatt von 1757 die Kaufleute Arnold und Mallebrein Turbot, Rochen, Schollen, Seezungen, friſche Schellfiiche, Kabliau, Hummern und Sprotten zum Berkauf anzeigen.

Eine Nachricht von 1789 jagt dagegen, große Materialhand- lungen jeien nicht bier, der Manufakturwarenhandel jei in den Händen der Juden, viele Luruswaren würden von auswärts, namentlich von Straßburg, jelbjt durch den Hof bezogen.

1773 wurde der Wunſch nach einem dritten Jahrmarkt laut, 1774 der Verſuch eines folchen am 15. Februar gemacht, aber nad erftmaligem Miplingen auch wieder aufgegeben. Dagegen murden von 1794 an drei Wochenmärkte am Montag, Mittwoch und Freitag abgehalten.

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Obwohl unfer Karlsruhe keine zu größern induftriellen Unter: nehmungen einladende Waflerkraft beſaß, aud die Dampfkraft erft jeit etwa 1770 ihre praktische Verwendung fand, mehrten jich doch, vielfach durch den Markgrafen ſelbſt angeregt und aufgemuntert, auch größere gewerblihe Gründungen umd Unternehmungen in rajcher und erfreulicher Aufeinanderfolge.

1743, noch unter der WVormundichaftsregierung, kaufte ob. Heinrich Stupanus von Baſel in der Waldftraße eine jchon bejtehende, durch den Tod des Beſitzers Schneider feil gewordene Rauch- und Schnupftabatfabrit und erhielt das Recht der alleinigen Yabrifation in den Wemtern Karlsruhe und Durlach. Als nun Stupanus erfuhr, daß in einzelnen Hardtgemeinden, namentlich in Friedrichsthal, das den meiften Tabak baute, Tabak geiponnen wurde, bejchwerte er jich darüber, wurde aber abgemwiejen, weil die Friedrichsthaler (Hu- genotten) bei ihrer Niederlafiung das PBrivilegium erhalten hätten, zu arbeiten, zu fabriziren und zu hantiren, was fie wollten.

Seit feinem Regierungsantritt juchte Karl Friedrich die inländijche Induftrie zu fördern, und durch feine Regierung jelbjt das Beiſpiel dazu zu geben. Deßhalb ließ er 1758 die ftillftehende, herrichaftliche Brauerei in Gottsau wieder in Betrieb jegen, und dieje, unter der Defonomieverwaltung Gottsau jtehend, braute ein weißes und ein braunes Bier zu 3 fl. 30 kr. und 4 fl. die Ohm, das aber die Wettbewerbung de3 Mannheimer und Würtembergiichen Bieres ſchwer empfinden mußte.

Ein anderer Induftriezweig wurde durch den Schloßbau nad) 1750 in’3 Leben gerufen. Da nämlich Karl Friedrich zur Aus» ihmüdung jeines Schloffes die Anjchaffung teuern ausländiichen Marmors zu vermeiden wünjchte, jeßte er 1752 Prämien bis zu 100 Reichöthalern für die Entdefung von Marmorbrücden im Lande aus, und e3 fand fich bei diefen Nachforjchungen nicht nur bei Idar und Oberftein im Sponheimjchen jchöner Bandjajpis und Uchat, Gyps, Dder, Tripel, jondern auch in dem badijchen Oberland, wie bei Welmlingen und Blanfingen brauchbare Marmorarten, Dendriten- marmor u. a. und 1755 und 56 erhielten Ziegler Fieg von Durlach und Vogt Dietheller von Blanfingen je 150 fl. für polirten Kalkſtein. Zur Ausftattung feines Marmorjaales im Schloß berief nun der Markgraf den Steinfünftler Vaſalli aus Rom, und unter deſſen Lei— tung wurde in der Hofichreinerei, welche als ſolche nebenbei fortbejtand,

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eine Steinjchleiferei errichtet, welche bald für ihre Waren bis nach Frankreich, Holland und England Abjag fand. Nachher jtand die AUnftalt unter dem Hoffteinjchleifer Maier, ging aber nebjt der Hof- ichreinerei in Folge der franzöſiſchen Revolutionzkriege ein. Uebrigens hatte Schon 1769 Marmorier Weber ein ähnliches Geichäft in Karls— ruhe und Gaggenau gegründet, welches bejonders Tijchplatten, Kamine u. dergl. aus Marmor lieferte.

Wir führen nun der Reihe nach verjchiedene industrielle Geſchäfte an, welche fich bejonders von der zweiten Hälfte des Jahrhunderts an bier bildeten.

1754 Votajchjiederei von Melazzo am Schafgraben, 1761 Woll- ftrumpffabrit von 3. Flott 1763 aufgegeben, weil feine Wollipinner zu haben waren, und die Juden im Lande mit Strümpfen haufirten, 1766 herrjchaftliche Lichter- und Seifenfabrit in Durlach, 1780 hieher verlegt und verpachtet, 1767 privilegirte Blonden- und Spitzen⸗ fabrit von PB. Bouhon, 1772 Hand», jeit 1794 Dampfgriesmühle in Klein-Karlsruhe, 1777 Fabrit von Seidenftrümpfen von Eyring und Reuter, und Anleitung zur Seidenzucht von Eyring, Beförderung der Seidenzucht durch Karl Friedrich und Gemahlin, Pflanzung von Maufbeerbäumen, Errichtung einer Fılanda im Schloß, dann in Fils (isfeld, 1781 Wagenfabrit von Hofjattler Reif, weil er nach der Bunftordnung ala Sattler feine Schmied- und Wagnergejellen halten durfte, 1783 Türkiichrotgarnfärberei von Roman mit 400 fl. Staats- zuſchuß, 1786 in Gant, 1786 Rauch und Schnupftabaffabrit von Hofiporer Anton Brenner, 1787 Verlegung der Tabakfabrit von Reuther und Griesbach hieher, 1788 Puder- und Stärkefabrik von K. Fr. Williard in der verlängerten Adlerſtraße, 1791 eingegangen. 1787 YFabrifation von Blasinftrumenten von Martin Mepler aus London, Seidenftrumpffabrit von Schreiber aus Rhodt, 1789 Hof- jchreinerei für Möbelfabrifation, mit 16—24 Arbeitern in dem Schloßgarten errichtet, mit Möbelmagazin und Abſatz nach Baden, Würtemberg und Schweiz, 1790 Weinefjigfabrit von Straußmirt Lang, Siegelladfabrit von Hofbarbier I. Hch. Wenzler, nachher durch PVerüdenmacher Baul Gebrüder und nach diejen durch Bierwirt Ehrler und Hoffattor Vogel betrieben, 1791 Fabrik mathem.-phufi= laliſcher Inftrumente von Hehler, nach Heßlers Entweichung 1801 von Abreſch fortgeführt, 1792 Geſchirr- und Schmelztiegelfabrif von Geheimhofrat Leibmeditus Fr. Andr. Schridel, Eſſigſiederei von

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Straußwirt und Küfer Eipper in Klein-Karlsruhe, 1793 herrichaft- liches Glasmagazin in dem Afademiegebäude, Verlauf durch Hofvergolder Schaafs Witte im Schloßzirkel, 1794 Ziegelhütte von Lindner und Bapf ım Hardtwintel, 1798 zu Gärten verfauft, 1799 BBijouterie- fabrif von Delenheinz, 1801 Maroquinfabrit von Buchbinder Vorholz und Auerbacher, Mufitalienverlag mit Notenftecherei von Kupferftecher Aigler.

Eine große Hemmung des öffentlichen Verkehrs und Geſchäfts— lebens bildeten die verjchiedenen Zölle, Weg- Brüden- und Bflaftergelder. Frei von diefen Abgaben für die Straße von Durlach bieher waren nur alle hoben und niedern Diener, alle Srondfuhren und alle Fuhrwerke aus den Aemtern Karlsruhe, Durlach, Pforzbeim und Stein, welche Aemter zur Herftellung diejer Straße beigeholfen hatten, jofern fte nicht um Lohn, oder in Handelsgeſchäften fuhren. Sogar Fußgänger, wenn fie irgend welche Waren außer Biltualien für die Märkte brachten, hatten dafür "/, Kreuzer Weggeld zu entrichten.

Eine eigene Gepflogenheit, und zwar, wie es 1762 jchon heißt, „von alters her in allen Garnijonen“, beitand darin, daß die Mi- litärthorwache an dem Durlacher- und Rüppurrerthor von jedem einfahrenden Wagen Privatholz ein Scheit für Heizung de3 Wach— lokals zurüd behielt. Erſt ala dad Ergebnis diejer Thorfteuer, welche übrigend durchaus nicht von der Zahlung des Thor-, Weg-, und Pflaſtergeldes befreite, im Jahr 1776 auf 75 Klafter bevechnet wurde, wurde die Sache abgeftellt. Zu diefer Steuer trug indeffen das Herrſchaftsholz nichts bei, da dajjelbe ohnehin meijtens als Floßholz aus dem Murgthal duch Murg und Rhein nach Darland und durch das Mühlburger- und Lintenheimerthor bereintam.

Außer der Thorwache war an jedem Thor ein Thorwart, welcher 3. B. 1774 30 fl. bar, 20 fl. als Hauszins, 4 fl. für Licht, 34 fl. als Einzugsgebühr, 10 fl. für den Thorjchreibersdienft und 4 Wagen Lesholz bezog. Derjelbe war Thorjchreiber und Weggelderheber und wurde durch Amt und Obereinnehmerei angenommen und verpflichtet, war aljo kein ftädtiicher Diener, wie denn auch jeine Einnahmen an die herrſchaftliche Obereinnehmerei abgeliefert wurden.

1778 wollte man das Weggeld an dem Durlacherthor für 150 fi. jährlich verpachten, dies kam aber nicht zuftande, und es wurde wieder

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ein alter Korporal als Thorwart bejtellt, der aber nur 103 fl. 28 kr. einnahm, wenigſtens ablieferte.

Die Stadtthore und deren Bewachung hatten übrigens damals eine ganz andere Bedeutung, als wir fie uns unter unſern gegen- wärtigen Zuſtänden vorjtellen.

Die Art der Kriegführung mit geworbenen und nach den Kriegen wieder entlaſſenen Leuten, vermehrte die Zahl arbeitlos und brotlos umherziehenden, der Arbeit entwöhnten Geſindels, Unſicherheit der Perſon und des Eigentums war in ſolchen Zeiten an der Tagesord- nung, Diebe und Räuber und gefährliche Bettler in Dörfern, Städten und auf Zandftraßen vielverbreitet.

Eine Bettelordnung von 1751 führt als Solche, auf welche zu fahnden ift, auf: Jauner, Zigeuner, Vaganten, Landftreicher, Dejer- teurs, Leyrer, Hadbrettler, Sadpfeifer und dergleichen Spielleute, fahrende Schüler, nicht privilegirte Haufirer, Scheuerfrämer, Sänger, Glückshafen- und NRaritätenträger, Scholderer, d. h. jolche, welche Glücksſpieltiſche mit Würfeln aufjtellten, Taſchenſpieler, Gaukler Quachſalber, Betteljuden, Brand- und andere Kollekteure, Riemen⸗ ſtecher, fremde Bürſtenbinder, Keſſel-, Pfannen- und Zeinenflicker, (BZeinen Geflecht, Korb).

1766 erſcheint wieder eine ſtrenge Bettelordnung, welche u. A. auch beſtimmt, daß Handwerksburſchen aus der Zunftlade oder dem Stadtalmoſen zu unterſtützen, bettelnde zu arretiren ſeien.

1774 veranlaßte abermals der Zuzug zahlreichen Geſindels eine landesherrliche Verordnung, daß niemand ohne Legitimation oder ohne Bürgſchaft als Mieter hier angenommen werden dürfe, und ebenſo feine Soldaten oder Livreebedienten bei 10 Reichsthl. "Strafe.

Die Aufficht über diefe Ankömmlinge führt der Zollinſpektor und erhält wie jeder andere Anzeiger ein Viertel der Strafe. 1777 bei wiederholten Klagen über Zunahme der Diebjtähle und Einbrüche wird bejtimmt, daß in der Beit von Mitte November bis Mitte Februar in dunkeln Nächten zwei bewaffnete Männer durch die Straßen patrouilliven und, nebit der Fanggebühr, 35 fl. ex fructi- bus jurisdietionis, d. h. von den Gerichtätrafgeldern erhalten jollten. Namentlicd; war bei der Armut der Klein-Karlsruher und den vielen Schleicheingängen in die Stadt auch die geiftliche Verwaltung in der Waldhornitraße bedroht.

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In der Stadt ſelbſt hatte die Polizei nicht weniger zu ſchaffen. So erſcheint 1754 eine Polizei-Verordnung, die Reinlichkeit der Straßen betreffend, 1) daß kein Unrat zum Fenſter hinausgeworfen werden dürfe, 2) daß die Haufen Schutt, Dung und Koth vor den Häuſern zu entfernen, und die Gaffen zweimal wöchentlich durch die Ei- gentümer zu kehren feien. Auch die Querallee, in welcher Unrat aller Urt und krepirtes Vieh umberlag, follte davon gereinigt werden. 1768 fahren wöchentlich zwei zmweiräderige Karren, Dredwagen, durch die Straßen, um den Unrat wegzuführen, und an den 40 fl. betragenden Koften zahlten die Hausbefiger je nach der Größe der Häufer jähr- ih 10, 8 und 6 fr. Die Fuhrleute waren von NRüppurr.

Bon 1779 an hatten aber die Haugeigentümer wieder jelbft den Koth und Schutt vor ihren Häufern entfernen, auch die Straßen im Sommer begießen zu laſſen.

1781 wurde alles Schießen, Betteln und das Singen nicht be= rechtigter und vermummter Perjonen in der Stadt während der Weih- nachts⸗, Neujahrd- und Dreikönigstage verboten, 1787 befohlen, die Dunggruben nur nacht3 und morgens früh zu entleeren, und die auf die Straßen auslaufenden Waflerfteine der Küchen wegzuſchaffen. Das raſch aufgelommene Tabafrauchen war jchon vor 1798 auf den Promenaden des vordern und hintern Schloßgartend und unter den Urladen verboten worden, und ebenjo das freie Uniherlaufen von Schweinen und Gänfen auf öffentlichen Spaziergängen und im den fürftlichen Gärten.

Eine Verordnung von 1800 richtet fich gegen den Mutwillen ber Karlsruher Jugend, gegen das Stein- und Holzwerfen in den Straßen und auf die Dächer, das Fenſtereinwerfen, das ſog. „Knöpfeln“, d. 5. das Werfen von Sand, Erbſen u. deräl. an die Fenſter, gegen den im Schloßgarten getriebenen Unfug, jorwie gegen unartige Wider- ipenftigfeit gegen die Polizei jelbit.*)

Das Zechen und Zehren bei möglichft vielen Anläſſen war, wie e3 jcheint, auch eine ſchwache Seite des alten Karlsruhers, wie

) Daß ſchon früher die Kinderzucht ein Gegenftand ber Sorge ber Re— gierung war, bemeist ein Fall aus dem Jahre 1772, in welchem Jahre bie Kindsmdrderin Katharine Wirbs aus Klein-Karlsruhe entbauptet, und beren Mutter auf dem Lafterftein am Rathaus mit einer Infchrift auf der Bruft aus» geftellt wurbe, welche lautete: „Wegen jchlechter Kinberzucht.“ Der Schandkarren für gefallene Mäbchen war bis 1761 noch in Uebung.

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denn auch ſchon 1750 der blaue Montag fich eingeniftet hatte, daher wurden 1757 die üblichen Behrungen bei Ganten, d. 5. Verfteigerungen, abgeftellt, und namentlich auch durch Verordnungen von 1754, 55, 73, 80 und 83 der Luxus und alles unnütze Gepränge bei Taufen, Hochzeiten und Todesfällen bejchräntt.

Bei Taufen wurden nur vier Gevattern geftattet, bei 2 Reichs— thaler Strafe an das Waijenhaus, es durfte Einer nicht mehr als einmal de3 Jahres, Dienftboten niemal® Patenſtelle vertreten, Die Baten fjollen nach der Taufe nicht in das Wirtshaus, ſondern fofort in das Taufhaus gehen, und fich dort mit Kuchen und Landwein genügen lafjen. Nur für von auswärts herfommende Verwandte dürfen warnte Speijen aufgetragen werden, und zwar höchſtens vier Schüffeln, auch durften, außer den Paten, nur vier folcher auswärtigen Gäfte geladen werden. Paten, Weihnacht- und Neujahrsgeſchenke follen in das Waijenhaus geftiftet werden, weil die Paten im Lauf des Jahres hinreichende Gelegenheit hätten, ihrem Patenkinde Gutes zu erweiſen.

Jeder Hochzeiter mußte vor der Trauung 3 Eichen pflanzen. (1754.)

Bei den Hochzeiten find nur 24 Gäfte erlaubt, und bis zu 30 nur gegen 1 fl. Diſpens von jedem an die Gymnaſiumskaſſe. Für jede überzählige Perſon ohne Diſpens müfjen 2 fl. Strafe erlegt werden. Die Hochzeitfeier ift auf einen Tag zu beichränfen, mit einer oder zwei Mahlzeiten, je nach der Tageszeit der Trauung. Nur auswärtigen Gäften darf an dem Tage vor und mach der Hochzeit ein Voreffen und ein Frühftüd gereicht werden. Das Hochzeitmahl jelbft darf nicht aus mehr, als acht warmen Speijen und aus Land— wein beftehen, bei 3 Reichsthl. Buße an das Gymnaſium. Hoch— zeitgejchente find verboten und fallen, wenn gegeben, hälftig bem Waiſenhaus, hälftig dem Anzeiger zu.

Alle Leichenichmäufe und Gejchenfe von Flören u. dergl. für die Teilnehmer find verboten, Kränze wenigftens nicht gerne geſehen, Trauerzeichen an Häufern, in Zimmern, an Kirchenftühlen, Wägen und Pferden bei 15 fl. Strafe unterfagt.

Der Sarg durfte nur 2 fl. 24 kr., der Leichenwagen 1 fl., das Grab 1 fl., die vier Träger 1 fl., der Geiftliche 1 fl. 30 kr., der Leichenwagen-Fubhrlohn 20 fr. koſten.

Die Zeit der Trauer überhaupt beträgt für die allernächften Verwandten des Verjtorbenen 6 Monate, für Kinder unter 14 Jahren 3 Monate längftens, die engere, tiefe Trauer nur 6 und 3 Wochen.

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1748 wurde allg Würfel-, Karten- und Kegeljpiel für jedermann, mit Ausnahme der fürftlichen Diener und der vor- nehmften (?) ſtädtiſchen Profeffioniften und Einwohner bei Turm- und Gelditrafe von 1 fl. 30 kr. verpönt, nur erlaubt an halben Feiertagen, bei Hochzeiten, dem erjten Ausgang einer Wöchnerin, zur Zeit des Aderlafjes und für Kranke, jedoch nur als Zeitvertreib, mit nicht mehr ala 4 fl. Einſatz und Verluſt.

Eine andere Verordnung bedroht die Hofdienerſchaft wegen „toher Sitten“ mit hoher Strafe, und eine ſolche von 1760 zeigt, daß auch bei dem Karlsruher Völklein der Aberglauben immer noch feine ganz untergeordnete Rolle jpielte (vergl. S. 219), wenn deſſen abergläubifche Scheu, tote Tiere eigenhändig aus dem Stalle zu ent- fernen, mit dem Abdecker oder Scharfrichter in irgend eine Berührung zu kommen, oder Selbjtmördern, wenn noch möglich, Hilfe zu leijten, zum Gegenftand einer Rüge und befonderer Belehrung in einem Po— lizeierlaß gemacht werden mußte.

Auch das wohl niemals ausfterbende Element der Wirtshaus: politifer und vorlauten, kritiſchen Weltverbefferer war hier zu Haufe, wie folgende Verordnung in dem Karlsruher Wochenblatt Nr. 24 vom Jahre 1757 beweist:

„‚edermänniglich jolle fich eines Urteil3 über die Handlungen hoher Fürften, ebenjo wie alles obnzeitigen Räſonnirens und Ge— Ichwäßes von Kriegs- und NReligionsjachen, ſowohl in Wirtshäufern, ala jonften in öffentlichen Gejellichaften, wie auch de3 Herumtragens derer mehrften Theil3 auf Ungrund beruhenden Zeitungen (Nachrich- ten) ohnfehlbar enthalten, und fich, wie ohnedem einem Chriften ge— ziemt, mit denen Benachbarten friedfertig betragen, weil e3 jchädliche BVerbitterung bringe und ein Beweis pöbelhaften Betragens ſei.“

Diefe Verordnung bezieht ſich auf die auch konfeſſionelle Auf: regung, welche der fiebenjährige Krieg nicht nur in dem übrigen Deutichland , jondern insbejondere auch zwiſchen den evangelischen Unterthanen der Markgrafichaft Baden-Durlah im Oberlande und den Katholiken in den vorderöftreichiichen Landen Ortenau und Breis— gau hervorgerufen hatte.

Die Karlsruher Gejelliges Leben. Karlsruhe war ſowohl als neue, eigentümlich angelegte Stadt, als auch in Folge des freundlichen Entgegentommens, welches Fremde, bejonders auch in der literarijchen Welt jener Zeit hervorragende Männer an dem Hofe

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Karl Friedrichs fanden, eine gern und vielbejuchte Stätte, und wir finden daher in Briefen und NReifeberichten, fowie in geographiich- ftatiftiichen Werken über Karlsruhe und jeine Bewohner Nachrichten und Urteile, welche wir bier anzuführen nicht unterlaffen können.

Der ſchon im unferer erften Periode erwähnte Pöllnig, welcher die Stadt und die Einwohner nach 1730 kennen lernte, nennt die Karlsruher herzlich, gefellig, heiter, gefällig, ehrlich im Gejchäftsleben, und rühmt ihre Vorliebe für einfaches deutſches Weſen, findet aber doch die Zahl von etwa 60 Wirtshäufern etwas groß.

Aus den Siebenziger Jahren wird an ihnen die treue Verehrung ihres Fürſten, herzliches und gefälliges Benehmen gegen Fremde, beiteres gejellichaftliches Leben, große Wohltätigkeit, Kirchlicher Sinn und einfaches deutjches Weſen hervorgehoben. Franzöſiſch höre man wenig jprechen, und zehn Jahre jpäter, 1780, jagt ein anderer Be- richtgeber, man böre bier nie Mamfel für Jungfer, rede von feinem Buben ftatt Sohn, es berriche da ein zwangloſes gejelliges Leben, doch kämen auch Kartenjpiele vor, jeboch nicht um hohe Gewinne, jondern nur zur Unterhaltung, und an Spielen wie „Blinde Kuh“ beteiligten fich auch Männer aus höhern Ständen. Im Winter würden jelten über zwei Bälle, oft nur einer oder gar Feiner abgehalten, dagegen bilde der Schlittichuhlauf auf der Schießmwieje eine Haupt- beluftigung, und jeien da auch Buden für Speis und Trank am Ufer und auf dem Eije aufgeichlagen, das mittelmäßig große Theater jet gewöhnlich nur halb voll, die Sitten der Einwohner folid und unverdorben.

Ebenjo jchreibt der Reiſende Niesbed 1784 über Karlsruhe: „Karlsruhe iſt eim artiges, nach jehr eigenfinnigem Plan erbautes Städtchen, mitten im Walde, wo einft Auerochjen und Elentiere gehaust. Der Abſtich eines jo verfeinerten Yürftenfiges von der themaligen Wildniß macht mir ein ganz befonderes Vergnügen. Die wenigen Tage, die ich bier verlebt, rechne ich zu den vergnügteften meines Lebens.” Der Hof fei hier die befte Gejellichaft, die Beamten- kreife gebildet, der Umgang gemüthlich und das ſchwäbiſche Naturell unverfennbar.

Brunn im jeinen Neijebriefen nennt die Stadt einen Tiebens= würdigen Ort mit braven Einwohnern, und das Lerifon von Schwaben 1790 und 91 fchildert Karlsruhe als eine der allergebildetften und artigften Städte in Deutjchland. Dafjelbe Lexikon erwähnt auch die

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Einfachheit des Hofes, welcher ſparſam jei, um für das Beſte des Landes im Stillen wirken zu können. Auffällig war auch die Stille der Stadt, in welcher man, wie in einem Landftädtchen, wenig Equi— pagen und Bebdiente und fein Straßengewühl jehe, wie in andern Nefidenzen, außer von Juden und Soldaten, welche leßtern, etwa 500 an der Zahl, bei den Bürgern einquartiert jeien.

Der Schloßplag ſei der Abendtummelplag der Karlsruher, be- ſonders wenn der Bapfenftreich mit türkischer Muſik durch den Zirkel ziehe, wobei auch die Damen in Mantel und Kaputze oft noch jpät umberwandelten.

Eine andere Nachricht von 1789 jagt, es herriche unter Hand- werfern und Geſellen ein luftiges Leben, und fie gingen jonntäglich mit ihren Weibern und Kindern zu Mufil, Tanz und Gejang.

Daß aber dennoch ſchon frühe der Luxus in höhern Ständen beimifch geworden mar, jehen wir aus einer Anzeige des Juden Maier Jakob in dem Karlsruher Wochenblatt von 1758, nach welcher bei ihm Weften mit Goldgrund nach der neueften Mode zu 40 und 80 Reichsthalern zu haben jeien. Zu dem allgemeinen Lobe, welches wir bisher über Karlsruhe vernommen haben, ftimmt auch das des Prinzenerziehers Geheimhofrat Ring, welcher die Karlsruher ein gemüthliches Völkchen nennt, das gerne lebe und leben lafje, obwohl wir fpäter auch ein jchärferes Urteil von demjelben kennen lernen werden. Spaziergänge in den Schloßgartenanlagen, jowie außerhalb der Stadt hatte Karlsruhe im Ueberfluß, doch wurden diejelben nach einer Nachricht von 1791 wenig benußt, weil die Staatsdiener feine Zeit dazu hätten, auch die Kaffeehäufer ſeien wenig bejucht, weil die Leute anderes zu thun hätten. Damals gab e3 eben noch nicht jo viele ganze und halbe Penfionäre wie heute.

1785 von dem 11. Januar an bis zum Ende des Karnevals wurden erſtmals wöchentliche Bälle in dem Theaterfaal abgehalten, und zwar von 7 bis 1 Uhr nachts. E3 durfte niemand ohne Maste den Tanzjaal, wohl aber den Speijejaal betreten, geiftliche und mili- täriſche Masten, Hafardipiele waren, wie überhaupt, jo auch bier ftenge verboten. Waffen durfte niemand tragen, außer dem wachhaben- den Offizier und feiner Mannjchaft. Ringsum, außerhalb des Tanz- plages, waren Bänke angebracht, auf welchen ein Platz für Nichtmastirte 12 kr. koſtete. Das Eintrittögeld betrug 36 kr., 1796 aber 48 fr.

Doch auch das gefellige Leben im engern Sinn und gejchlofje-

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nen Kreifen fand bald eine bleibende Stätte hier. Wohl mochten ſchon von Anfang an Einzelne, durch perjönliche oder jachliche Be— ziehungen einander näher ftehend, fi da und dort, von Beit zu Zeit zufammengefunden haben, aber erft das Jahr 1757, in welchem das erſte gedrudte, regelmäßig ericheinende Organ öffentlicher Mit- teilungen, das Karlsruher Wochenblatt, bei M. Madlot erjchien, brachte folgendes Injerat: „Zu einer hier in Karlsruhe aufgerichteten Gefellichaft, welche Abende 8—10 Uhr zujammentommen will, und womit bereit3 durch etliche Glieder der Anfang gemacht worden ift, juchet man, um folche zahlreicher zu machen, noch mehrere derjelben. Regeln derjelben find noch nicht beftimmt. In der Gejellichaft Liejet man Zeitungen, raucht Tabak und trinkt Mannheimer Bier, ohne alles Spielen. Mehrere und ausführlichere Nachrichten gibt das Intelligenz Comptoir.“

Bon 1780 an fammelte fich dieſe Gefellichaft als eigentliche Lejegejellichaft, als literariſch gefelliger Klub, in dem zweiten Stod des Gafthaufes zum Löwen, bei dem Gaftwirt Nägele, dem Bruder de3 Ochjenwirt3 und Bierbrauers Nägele. Der Lömwenmwirt war ein jovialer, jehr beliebter Gaftwirt, und die Gejelljchaft blieb gerne bei ihm. 1784 Iejen wir, daß ihr Lokal von morgens 10 bis abends 10 für Beitungslejer und Gejellichaft geöffnet und Stadtvikar Rink ihr Sekretär war.

Seit 1795 erjcheint die Benennung Mujeum. Als Nägele etwa 1790 das Drechslerſche Kaffeehaus, das jpätere Reinhardiche im Zirkel am Schloßplatz, jegt Nr. 5 übernahm, folgte ihm die Gejellichaft auch dorthin, hatte in dem Manjardenftod des Haufes ihre Bibliothek und ihr Gejellichaftslofal, und hier war es, wo Hebel mit feinen Freunden jene befannten, muntern Gejellichaftsabende zubrachte. Nach- dem der Plan für die Anlage des neuen Marktplages feitgeftellt worden, überbaute Zimmermann Weinbrenner, der Bruder des Bau- direktors, den Eckplatz, jeßt Nr. 139 der Kaiſerſtraße. Nach defien Tode kam da3 Hans an den Tochtermann defjelben, den Bürgermeifter Herzer, und in diefem Haufe, in dem untern Stock, mietete 1808 das Muſeum ſich ein und blieb dafelbft, bis es nach 5 Jahren fein eigenes Haus, das jetzige Mufeum, beziehen konnte.

Die Schützengeſellſchaft. 1752 den 20. Juli erteilte Karl Friedrich der Schüßengejellichaft die Erlaubnis, ihre Schieß- übungen wie bisher fortzujegen und beftätigte ihre Statuten, was

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der Markgraf 1773 auf Bitte der Gejellichaft wiederholt that. Die alte von Karl Wilhelm gebaute und geſchenkte Schiekhütte war aber ihon 1759 jchadhaft geworden, und der Markgraf gab 7 Eichſtämme zu deren Wiederherjtellung, 1782 aber mußte fie ganz abgebrochen werden. Daher wurde vorerft im Freien gejchoffen, wobei ſich Ober- jägermeifter von Geuſau bejchwerte, daß die Schüßen, meift Jäger und Büchjenmacher, welche ihre Gewehre einjchofien, und welche an der Rüppurrerftraße, auf den Gottesauer Lettenwiejen bei der Ziegel- hütte, ihren Stand hatten, die alten Eichen in dem Harbtwintel zerichoffen und beim Herausbohren der Kugeln die Stämme verdarben. Daher wurde 1791 eine Bretterhütte und eine Schießmauer dort errichtet. Die beftehende Schügengejellichaft beftand aber noch immer mehr aus nichtbürgerlichen Elementen höherer Stände, und dieſe übten fih mehr zu ihrem Vergnügen, und ala Liebhaber des Scheiben- ſchießens.

Daher traten im März 1794 Buchhändler Schmieder, die Kaufleute Mallebrein und Lauer, Architekt Berkmüller, Kaffeewirt Drechsler, Flaſchner Baier, Kammerdiener, Leibchirurg Vierordt und Sekretär Vierordt zuſammen, erklärten, unter 10 Bürgern könne nicht einer mit dem Gewehr umgeben, und konſtituirten ſich als bürgerliche Scharfichügengejellichaft mit dem Kreuzwirt Filcher ald Hauptmann. Diefelbe zählte anfangs 40—50 Mann. Sie legten ihr Schüßen- reglement der Regierung vor, und wurden unter dem 21. Mat 1795 betätigt. Auch wurde 1794—95 da3 neue Schüßenhaus auf der Stelle des alten gebaut. Die Waffe war die Kugelbüchje, nicht über 16 Pfund jchwer, die Kugeln nicht über 16 auf das Pfund. Es wurde aufgelegt, auf Feld- und Stechicheiben, und zwar wöchentlich außer dem Sonntag, einmal gejchoffen. Jeder Schüge mußte 2—-8 Schuß thun und für jeden 10 fr. zahlen. Die Stechieheibe hatte 2 Fuß Durchmefjer, das Schwarze 6 Zoll, der jog. Schnapper 21 Boll mit 4 Zoll Schwarz. Bei gewöhnlichem Schießen gehörte der erſte Stehihuß dem Oberamt. Wer nicht erjchien, wurde um 12 fr. geftraft.

Wer mit geipanntem Hahn oder auf die Pfanne gelegtem Pulver umberging, zablte 1 fl., wer fluchte, räjonnirte, Tabak rauchte oder Fener jchlug, 24 kr., wer Streit anfing, 5 fl. Strafe. Es durfte in der Woche nicht vor 3 Uhr, Sonntags nicht vor 4 Uhr gejchoffen werden, was auch für das Militär galt.

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Als Uniform diente ein grauer rad mit grünem Kragen, goldenen Dragons, gelben, einreihigen Knöpfen, Heinen Knöpfen auf dem Aermel, ein Hut mit goldener Schleife, ſchwarzer Kokarde und grünem Federbuſch, Hirfchfänger mit ſchwarzem Griff, meißer Garnitur und ſchwarzer Lederkoppel, vieredigem, verfilbertem Schloß und vergoldetem CF., Stiefel mit braunem Umſchlage. Neben diejer bürgerlichen Scharfichügentompagnie beftand aber die der Liebhaber des Scheibenjchiekens fort, und 1795 wurden beide von der Regierung beftätigt. Doch wurden diejelben bald in eine Gejellichaft verſchmolzen, und bildeten von da an die erfte Kompagnie des bewaffneten Bürger: forps.

1795 den 24. Juni erhielt die Gejellichaft von dem Markgrafen al3 bejonderes Zeichen feines Wohlwollens eine jog. Kranzſcheibe, auf der einen Seite mit einem halb auffliegenden Adler, auf der andern mit einem Eichenlaubkranze und der Infchrift: „Denkmal von Karl Friedrichs väterlicher Zuneigung.“ Dieſe Scheibe wird ala teures Andenken noch jet aufbewahrt.

1799 wurde derjelben der berrjchaftliche Wiejenplag, auf welchem Schießhaus und Schiefmauer ftanden, ohne den Platz des Schieß— hauſes zwei Morgen, ein Viertel, 30 Ruten groß, gegen jährlich 4 fl. Relognition überlaffen, unter der Bedingung, die Schiegmauer, welche nicht zuſammenhing, al3 ununterbrochene Mauer berzuftellen, jowie dieſe 1804 auch erhöht werden mußte.

Stadtmilitär. Wir haben gejehen, daß jchon in den früheſten Beiten der Stadt die Thorwachen je nach Umftänden bald von Militär, bald von Bürgern verjehen wurden.

1763 wurde die bisher von Bürgern verjehene Wache am Lin— fenheimer- und Rüppurrerthor durch das Militär übernommen, tie dies jchon vorher an den beiden andern Thoren gejchehen war. 1773 bat wieder die Stadt, während einer von Naſſau gewünfchten Verlegung de3 hiefigen Militärs nah Lahr, 17 Tage lang die Thorwache zu verjeben, auch erjchien in dieſem Jahre ein Reglement für das Bürgermilitär.

Die Stadtwahe am Rathaus mar bis 1781 ſechszig Jahre lang von Bürgern ſelbſt, oder deren’ bezahlten Stellvertretern ver- jehen worden, und jo fam es, daß meistens alte, abgelebte Männer, ohne irgend übereinftimmende, anftändige Kleidung diejen Dienft verjahen. Die, aus 321 Mann bejtebende, dienftbare Mannjchaft

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ftand unter einem Stadthauptmann und einem Stadtwachtmeifter, welcher zugleich erjter Gerichtödiener war, und einem Stadtlorporal. Der Hauptmann jchrieb für 20 fr. wöchentlich die Wachbillete, der Wachtmeifter für ebenjoviel fommandirte die Bürger zur Wache.

In dem Jahr 1781 fuchten nun „einige unruhige Köpfe”, mit dem Schuhmacher Kreuzbauer als Anführer, eine Wenderung diejer Einrichtung in dem Sinne herbeizuführen, daß in Zukunft das Mi— litär die ſämmtlichen Wachdienfte übernehmen, und der Bürger jährlich 1 fl. ala Ablöjung dafür zahlen folltee Da, mie es jcheint, auch der fommandirende General von Freyftedt damit einverftanden war, jo murde den 19. November 1781 eine Bürgerverfammlung abge- halten, um darüber zu entjcheiden. Won 247 Bürgern waren 243 erichienen, und von diefen ftimmten 29 dafür, daß man 12 Gtadt- joldaten anftellen, und dafür jeder Bürger 2 fl. jährlich zahlen follte, die übrigen 214 aber dafür, vorerjt auf ein Jahr probeweiſe den Ver⸗ trag nit dem Militär in der von Kreuzbauer und Genofjen vorgeichla- genen Weife abzujchliegen. Nur zu Streifpartien jbllten die Bürger noch ferner verpflichtet bleiben.*) So kam nun Militärwache, welche auch den Batrowillendienft mit zu verjehen hatte, in die ſtädtiſche Wachſtube auf dem Rathaus.

Das Bürgermilitär beftand aber, aus freiwillig Teilnehmenden gebildet, dennoch fort. 1785 teilte fich dafjelbe in zwei Kompagnien, deren Dienfte allerdings von nun an vorzugsweile zu paradirenden Aufzügen bei berrichaftlichen Feſtlichkeiten, Hochzeiten, Geburten u. dergl. in Anwendung famen. Als die zweite Kompagnie eine Fahne anfchaffte, wurden dafür von der Herrichaft jene 15 fl. gegeben, welche bis nach 1782 an die frühere Schügengefellichaft bezahlt worden waren.

Auf Grund des im Jahre 1781 getroffenen Abkommens wurde 1792 eine bejondere Patrouillenordnung eingeführt, welche in Anbe- tracht der von Frankreich her drohenden Gefahr nicht nur Bürger, jondern auch öffentliche Diener nebſt den Soldaten zu diefem Dienft verpflichtete.

Darnach durfte nach 11 Uhr machts ohne Ausnahme niemand mehr, außer in dringenden Notfällen, und auch da nicht ohne brennende Laterne, fich auf der Straße betreten Tafjen. 1803 wurde

*) Bis dahin hatten die Bürger bei Streif- und Patrouillengängen, als

Marktwache, beim Transport gefundener Leichname, bei Verhaftungen u. dergl. militärifch-polizeiliche Dienfte zu thun.

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diefe Patrouille nur noch von Polizeidienern und Soldaten vorge nommen, wobei die Aufgegriffenen 1 fl. Strafe zu zahlen und jeden- fall3 bi3 morgens auf der Hauptwache zu bleiben hatten, bei Unfug und Auheftörung wurde natürlich ftrenger verfahren. Auch mußten von 11 Uhr abends, gerade um folchen nächtlichen Umberjchwärmern jeden Unterjchlupf zu benehmen, jämmtliche Hausthüren und Hofthore verjchloffen jein.

Die immer mehr drohende und dem Lande näher rüdende Kriegs- gefahr hatte, wie in andern Gegenden Deutjchlands, teil® durch Neichstagsbeichlüffe, teils durch Anordnung der einzelnen Regierungen das Volk zur Bildung des Landfturmes aufgerufen. Auch in Karls— ruhe ſteht jeit 1794 die Bürgerſchaft in größerer Zahl unter den Waffen.

Das in diefem Jahr aufgejtellte Bürgerkorps zählte 1) eine Schützenkompagnie von 86 Mann mit 2 Horniften, 2) eine Kanonier- fompagnie mit 2 Kanonen und 40 Mann, 3) Hauptmann Banners Kompagnie, 75 Mann, 4) Hauptmann Scheelmann? Kompagnie, 69 Mann, 5) Hauptmann Lacher Kompagnie, 71 Mann, 6) die alte Bürgerfompagnie (Invaliden) mit Bürgern von 50—60 Jahren, 54 Mann, zufammen 448 Mann, wozu 1797 Klein-Karlsruhe noch eine weitere Kompagnie von 105 Mann ftelltee Jede Infanterie fompagnie hatte einen Hauptmann, zwei Zeutnante, einen Fähnrich, einen Feldwebel, ſechs Unteroffiziere, zwei Trommler. Un ber Spite des Ganzen ftand ein Major mit feinem Adjutanten.

Diejes Militär hatte zwar, weil Karlsruhe verhältnigmäßig Ichonend vom Feinde behandelt wurde, Feine Gelegenheit, fich wie 1796 die Bauern des Bruhreiner, Ortenauer und Breisgauer Landſturmes mit dem Feinde zu mefjen, fie übernahmen aber während bes Krieges jämmtliche Wachen auch an den Thoren. 1795 wurden dieje wieder durch das Militär, 1796— 97 aber mwieder durch die Bürger ver- jehen. Auch die Iſraeliten mußten fich zur perjönlichen Dienftleiftung bequemen.

Jeder neuaufgenommene, dienfttaugliche Bürger war verpflichtet, in dieſes Korps einzutreten, darin bi8 zum 50. Jahre zu dienen, und von da an, wenn tauglich, auch noc ala Invalide Dienft zu thun. In gewöhnlichen Beiten erhielt das Korps feine Dienftan- weijungen von der Stabtbehörde, in bejondern Fällen von dem Stadt- fommandanten.

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Ueber die Uniform der Scharfichügen, deren Waffen Büchſe und Hiriehfänger waren, fiehe oben ©. 235, die Infanterie trug dunkel— blaue Beinkfeider und Fräcke mit gleichfarbigen Aufjchlägen, weiße Weite, goldene Achjelllappen und blauweißen Federbufh. Die Ar- tillerie hatte dumkelblaue Fräcke mit ſchwarzen Krägen und Aufichlägen, dunfelblaue Hofen und vote Weſte. Die Kopfbededung war bei Allen der jeitlich aufgefrämpte ſchwarze Filzhut mit Buſch.

Die Offiziere trugen goldene Hutſchnüre und goldenes Portepee.

Die Juden. Die anfangs raſche Vermehrung der Jiraeliten nahm nach 1730 etwas ab, dagegen nahm der Wohljtand derjelben mehr zu, was jich auch daraus ergibt, daß weniger von ihnen ſich in Klein-Karlsruhe niederließen, wo im Anfang über 100 derjelben Schußgeld zahlten.

1739 erjchien eine Verordnung, dab alle Juden ohne eigene Häufer binnen Jahresfrift ausgewiejen werden jollten, was fie aber mit Berufung auf die Privilegien zu bintertreiben wußten. 1740 wohnen daher ſchon 67 jüdiiche Familienhäupter hier, deren Namen wir bier theilweije aufführen, weil damit zugleich ihre Herkunft an- gegeben iſt. Isr. Schweig aus Trier, Wolf Lazarus aus Ufsheim im Speierichen, Bär Maas aus Frankfurt, Kaufmann aus Unter- grombah, Hammel aus Frankfurt, Wejel aus Wejel, Sternberg aus Breslau, Reutlinger aus Durlach, Goldftider aus Verlenjtadt im Bambergichen, Löw aus Kirchlautern bei Bamberg, Mochler aus Bonn, Mayer Jonas aus Mähren, Flörsheim aus Comoren in Ungarn, Löw Willftätter, aus Großoftheim bei Mainz gebürtig, aus Willftädt im Hanauskichtenbergjchen hieher gezogen, Lorch aus Lord) im Rheingau, Aron Lazarus Fortlouis aus Gernsbach, von Fortlouis hierher gezogen, Abraham Iſaac aus Ettlingen, Moſes Abraham, genannt Eifenjud, aus Buchen, Sukmann David aus Wallhaufen, Tiefenbronner aus Tiefenbronn bei Pforzheim, David Samuel aus Grombach, Samjon Abraham aus Bernkaftel, Faber aus Gemmingen, von Durlach hergezogen, Homburger aus Homburg, Löwle aus Polen, Lekſchin Levi aus Rodt im Ansbachſchen, Nathanael Benedikt aus Höhlingen, Abraham Markus aus Mirodiz in Böhmen, von Wall haufen im Dalbergjchen bieher, Bühler aus Bühl, Schweizer aus Stühlingen, Levi aus Odenheim bei Bruchjal, Löw von Nedarjulm, Schnürer aus Glattau in Böhmen, Hirjchel aus Pforzheim, Jakob

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Wormſer aus Worms, von Nedarbijchofsheim hieher, Aſcher aus Bruchjal, Meyer aus Oberweſel, Caan aus Kremſier in Mähren, Nathan Cahn, nach 1745 Rabbiner, aus Met. Nach 1750 kommen al3 neue Namen vor Hirih, Bär, Kallmann, Herb, Seligmann, Rilsheim, Brujel, genannt Wetzlar, Heilbronner, Nathanael, Abraham, genannt Ettlinger, Nathanael Weil, Rabbiner, Löw Iſaac, Vorfinger, Mordge, Zehngebotjchreiber, Salomon Meyer, Judenſchultheiß und Hoffaktor.*)

Ein 1741 von Geheimrat Stadelmann: abgegebenes Gutachten, welches in den jchärfiten Ausdrücken die Austreibung aller nicht haus- bäblichen Juden verlangte, wurde durch Geheimrat Boch dahın berichtigt, daß man nur folche ausweijen könne, welche feine richtige Rezeption nachweifen könnten.

1745 will Moſes Reutlinger, der goldene Borten in einem Laden gejtohlen und jchon Bankerott gemacht hatte, Judenvorfteher werden, wurde jedoch abgewieſen.

Seitdem das Armenhaus, oder, wie es auch heit, Ju den— bettelhbaus, vor dem Müblburgerthbor 1740 abgeriffen worden, blieben arme jüdische Neijende in dem Hirich vor dem Mühlburger- thor, oder auch jonjt in der Stadt über Nacht. Deßhalb frägt das Oberamt an, ob jolde in die Stadt eingelaffen werden dürften. Das Sudenjiehenhaus oder Lazareth mar unterdefjen 1747 in der langen Straße zwiſchen dem weißen Ochjen und dem Durlacher- thor, und als die Ummohner um dejjen Entfernung baten, befahl Karl Friedrih, in dem Dörfle, in der Nähe der NRüppurrerthor- wache, ein dazu paflendes Haus zu juchen oder zu erbauen, und fo fam das ißraelitiiche Krankenhaus an feine jegige Stelle.

1747 23. Januar hatte Karl Friedrich eine neue Judenordnung erlaffen, in welcher dem Rabbiner ein Strafrecht bis zu 10 fl. ein- geräumt wurde, wovon die eine Hälfte dem Staat, die andere dem Judenalmoſen zufiel.

Da aber dieje Judenordnung von 1747 die Juden nicht befrie-

digte, jo wurde 1752 das Oberamt (Wielandt und Volz) zu einem eingehenden Bericht über die Verhältniffe aufgefordert. Dafjelbe

*) Um diefe Zeit wurde den Juden amtlich befohlen, eigentliche Yamilien- namen anzunehmen.

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berichtete, nach einer den 5. Mai vorgenommenen Prüfung ſämmtlicher Freiheitsbriefe, die meiſten Juden ſeien durch Kabinetsbefehl und beſondere Schutzbriefe aufgenommen, dieſe Schutzbriefe aber teils ge- ſchrieben und von dem Markgrafen unterzeichnet, teils gedruckt, und al3 jolche von dem Fürften unterjchrieben, oder nur mit dem Infiegel verjehen und von dem Gebeimreferendär Bürklin janktionirt.

Im Allgemeinen feien die Juden den Chriften gleichgeftellt, diejenigen, welche Häufer und Schußbriefe bejäßen, könne man weder vertreiben, noch zu Schuggeld anhalten. Sie ſeien frei in ihrer Re— ligionsübung, hätten alle Freiheiten der übrigen Einwohner, zahlten die Schagung von Haus und Gütern, ſonſt aber nichts, weder von Gemwerben, noch Gärten und Aedern, weder Gült noch Zehnten. Sie dürfen fchächten nach Bedarf und das übrige Fleiſch verkaufen. Alle andern aber ohne Häufer und Schußbriefe, 21 an der Zahl, könne man ohne weiteres ausweiſen.

E3 waren damals 75 Judenfamilien bier, von denen 43 eigene Hänfer hatten, und zwar 5 in der Waldftraße, 26 in der langen Straße, 3 in der Herrenftraße, 2 in der Wölerftraße, 6 im der Kronenftraße, 1 in der Nitterftraße, 1 in der Durlacherthorftraße und eines, das des Hoffaktors Salomon Meyer im Zirkel am Schloßplatz.

Den 5. Juli 1752 erließ nun Karl Friedrich eine Verordnung, nach welcher die Familienhäupter, welche im Schu ftanden, im Genuß bleiben follten, bis zu ihrem Tode, jedoch ohne Vererbung des Schußes auf ihre Söhne. Verbrechen, Bankerott, Hausverfauf ohne jofortigen Wiederfauf eines andern Hauſes machen des Schutzes verluſtig. Dafür ſollten fie nun jährlich in corpore durch die Vor⸗ ſteher im Voraus 700 fl. bezahlen.

Dagegen ſträubten fie ſich aber, beſonders weil im Falle der Ver- ringerung der jüdiichen Gemeinde die Zahlung jener 700 fl. Wenigen zur Laft fallen würde, fie erboten fich dagegen, 10 fl. per Kopf zu bezahlen, und bitten um eine Kommiffion zur nähern Verhandlung.

Insbefondere verlangen fie, daß fie von dem Stadtrat weder belangt, noch mit Arreft beftraft werden jollten, Rabbiner, Schultheik und Vorfteher follten ihr Gericht erjter Inftanz fein, dem kein Jude fih entziehen dürfte. Unter 20 fl. folle von diefem Gericht Feine Appellation an des Oberamt zuläjfig fein, das israelitiſche Gericht jolle niemals perjönlich vor das oberamtliche Appellgericht citirt wer— den, und zu der Kompetenz des Judengerichtes jollten gehören: Ehe

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verträge, Verlafjenfchaftsgeichäfte, Inventuren, Teftamentsvollftredungen, Bormundichaften, Erbteilungen u. dergl.

Wir jehen daraus, daß fie damit die Kompetenz des Stadtrates im Auge haben und ihre öfonomischen Verhältnifje vor fremdem Ein- blid zu ſchützen ſuchten.

1752 erjcheint auch eine Judenordnung, beſonders gegen deren Wuchergeichäfte.

Das Geldaugleihen war ein Hauptgejchäft derjelben, und zwar fein umergiebiges, denn wir lefen, daß fie bis zu 100 fl. Kapital 10°%,, von höhern Summen gewöhnlich mehr als die üblichen 6°, forderten. Wllerdings galt auch vor Gericht ein Judeneid weniger al3 ein von Ehriften geleifteter, und ala 1755 mehrere Juden gehängt worden waren, mußten dieje mehrere Jahre lang, bis 1758, am Galgen hängen bleiben, und obgleich die Juden 100 fl. ins Waifen- haus anboten, um diejelben begraben zu dürfen, wurde ihnen dies durch den Hofrat vermeigert.

1756 wurde der alte Judenkirchhof bei der Beiertheimer Waide an der badijchen Grenze ermeitert, und weil fie ihre Toten nicht tief genug betteten, mußte 1765 die Mauer erhöht werben.

1768 ift Naffanael Weil noch Rabbiner und Salomon Meyer, der Hoffaktor noch Schultheiß. Neu ermwählte Vorfteher find Hirjch Pforzheimer, Eaffmann Levi und Joſt Raffael. 1770 wurde Simon Marr Rabbiner, und Meyer abermal3 Schultheiß. Bei den Bor- fteherwahlen wurden unter denjenigen, welche bis 600 fl, bis 1500 fi. und über 1500 fl. in Schagung ftanden, je drei Wähler ausgelost, und diefe 9 wählten die Vorfteher.

Als 1774 der alte Schultheiß Meyer geftorben war, wurde vor- erft auf drei Jahre zur Probe kein Schultheiß gewählt, und die drei Vorfteher, Jakob Flörsheimer, Seligmann Mojes und Kaufmann Levi, bejorgten monatlich abmwechjelnd die Gejchäfte. Doch durften fie monatlich nicht mehr ala 3 fl. Strafe verhängen, deren Vollzug der Judenbüttel bejorgte.

Die Uebung ihrer religiöjen Gebräuche blieb aber noch immer nicht ganz ohme Anfechtung von Seiten des chriftlichen Pobels, denn 1774 baten die Vorfteher, ihnen, wie bisher gejchehen, drei Mann von der Schloßwache zum Schu während der feier des langen Tages zu verwilligen, welche ihnen der Kommandant, Oberft v. Wiejel, jedoch nur mit Seitengewehr und Stod, ohne Flinte, zufagte.

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1784 hatte ſich das dreiteilige Regiment der Vorſteher nicht bewährt, weßhalb 1785 nun Hayım Levi zum Schultheiß gewählt und von der Regierung beftätigt wurde. Auch wurden bei diejem Anlaß die Strafbefugniffe des Schultheißen auf 2 fl. in Geld, und 6 Stunden Turmjtrafe in dem Judengefängnis im Rathaus feitgefett, doch proteftirten die Juden jofort gegen das letztere Recht.

1797 wird der Gottesader nochmal3 erweitert, und in dem darauffolgenden Jahre erhält die Gemeinde die Erlaubnis zum Bau einer neuen Synagoge, doch mit der Auflage, das davorjtehende Ed- haus, das israelitiiche Gemeindehaus, modellmäßig berzuitellen.

Die Synagoge, auf derjelben Stelle, wo jett die neue jteht, wurde 1798 durch Weinbrenner nach jeiner Rückkehr aus Italien begonnen und bald vollendet.

Der Bau des Edhaujes verzögerte ich aber von Jahr zu Jahr, das Innere war bis zum Jahre 1804 jo ziemlich fertig, den Front— bau zu vollenden, mußte wiederholt 1805, 1806 befohlen werden, und 1810 war dies endlich gejchehen.

1790 im Juni hatte der junge David Seligmann aus Leimen, gebürtig von Mannheim, die einzige Tochter des Hoffaktors und Schultheißen Hayum Levi geheiratet, nachdem er jchon im März als Schußbürger aufgenommen worden war. In demjelben Jahre wurde er, was er jchon am verjchiedenen andern Höfen geweſen war, Hoffaktor und übernahm den Betrieb der Krappfabrit in Durlach— Grögingen.

Derjelbe war in der Pfalz heimatberechtigt, wo die Juden längere Zeit jchon Bürgerrechte beſaßen, daher ftrebte er auch hier nach einer Ausnahmsftellung unter feinen Glaubensgenofjen, nennt fie, mit Ausnahme von acht, lauter „jchmußige Juden“, will fich dem jüdiſchen Gericht nicht unterjtellen, verlangt Befreiung vom Schuß: geld und dem Beitrag zu den Laſten der Judengemeinde, jowie er auch auf feine Nechte in derjelben verzichtete, und als dies Alles nach Lage der Verhältniſſe nicht möglich jchien, erbot er fich, ala Beitrag zur. israelitiichen Gemeinde 75 fl. jährlich zu bezahlen.

Den 28. Juni 1799 erhielt er für ſich und die Seinen bier das Bürgerrecht.

Der dem neuaufgenommenen Juden, jofern er den gejeßlichen Aufnahmsbedingungen genügte, zugejtellte Schugbrief hatte in zwanzig Artikeln folgenden Inhalt:

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1. Er gelobt Treue dem Fürften und dem Geſetz. 2. Er hat Wohnungs-, Wafler- und Waidrecht, wie Andere, jedoch Letzteres nur an Wegen und Straßen jeines Wohnortes. 3. Wenn er feine eigenen Liegenjchaften und Häujer hat, ift er frei von allen gewöhnlichen Perjonallaften und Bejchwerden, aber nicht von außerorbentlichen Kriegstontributionen. 4. Er darf jedes, im Neich erlaubte Gejchäft, wie andere Unterthanen treiben, praestatis praestandis, ohne jedoch den Handwerkern im Gejchäft Abbruch zu thun. 5. Er darf nicht faufen oder leihen auf blutig Gemwand,*) noch mit geftoh- lenem Gut handeln. 6. Das eingehandelte Silber darf er auf Ver- langen nur an den Markgrafen um billigen Preis verkaufen. 7. Er foll nicht Wucher treiben bei Strafe der Konfiskation des Kapitals. 8. Pfän- der auf geliehenes Geld, wenn nicht rechtzeitig eingelöst, werden ihm durch das Amt entweder zugeiprochen, oder gerichtlich verkauft, und der Uebererlös den Schuldner gegeben. 9. Er joll redlich und ehrlich im Handel jein. 10. Die Behörden helfen ihm, wie andern, zur Schuldbetreibung, er darf aber Unterthanen nicht vor fremdem Gericht verklagen, noch an jolches appelliren. Gegen fremde Schuldner jollen die Landesgerichte ihm, wo nötig, durch Verhaftung des Schuldners im Inlande behilflich fein. 11. Er zahlt von Liegenſchaften, Schagung und Laften, wie jeder andere, 12. Iſt nicht leibeigen. 13. Darf aljo nach vierteljähriger Kündigungsfrift frei wegziehen, hat aber Abzugs— geld zu zahlen, wie üblich. 14. Verheiratete Söhne darf er, ohne Erhöhung des Schußgeldes, ein Jahr bei fich im Haufe behalten, nachher aber haben die Söhne zum Zweck ihrer Niederlaffung Schuß- geld und Tare zu bezahlen. 15. Die religiöjen Zeremonien find ihm erlaubt, er hat fich aber alles Läfterns wider die chriftliche Religion in feiner und anderer Sprache zu enthalten. 16. Im Viehſchächten und Fleiſchhandel ſoll er fich nach den beftehenden Ordnungen und Verordnungen richten. 17. Was Durchlaucht für den Hofftaat oder Underes von ihm verlangen jollte, joll er treu, fleißig und unmeiger- ich thun. 18. Nur jauberes Vieh kaufen, verkaufen, durchführen, oder auf die Waide schlagen. 19. Dafür zahlt er jährlih, und zwar vierteljährlich voraus, jein Schußgeld. Sollte er, oder die Seinen, fich nicht gebührend aufführen, oder er das Schußgeld nicht bezahlen, jo erlischt der Schußbrief. 20. Der Markgraf kann nach Gutdünfen,

*) Gejtohlene oder geraubte Fahrnifie, 16 *

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mit vierteljährlicher Kündigungsfriſt, den Schutzbrief zurücknehmen, und der Jude muß mit den Seinen das Land verlaſſen.

Wir haben oben geſehen, daß die Juden bis zu einem gewiſſen Betrag ihre eigene Gerichtsbarkeit in geringen Zivilſtreitigkeiten durch ihre Vorſteher ausübten. Das Urteil erfolgte nach dem badiſchen Landrecht durch Rabbiner und Vorſteher, während ſie in höhern Straf- und Malefizſachen unter dem Oberamt, und in Polizeiſachen bis zu 10 fl. ohne Appellation unter dem Magiftrat ftanden. Das Strafrecht des Schultheiken erjtredte fich bis zu 3 fl., das des Vor— fteherlollegiums bis zu 6 fl. und 24 Stunden Turmſtrafe. Erfolgte die Zahlung nicht vor Abend, jo wurden für jeden Gulden zwei Stunden Turmftrafe angejeßt. Blieben die vor Amt Vorgeladenen aus, jo wurden fie mit einem Reichsthaler bis zu 6 fl. geftraft, als Widerſpenſtige ausgerufen und, jo ange fie nicht erjchienen, mit täglich 15 fr. weiter beftraft. Nach acht Tagen kamen fie in den fog. Bann und hatten, fo lange fie darin blieben, 30 fr. täglich zu entrichten. Bei Zant und Raufhändeln unter ſich mußten fie ihren Vorftehern ein Pfand von 10—15 fl. bis zur Fällung des Urteils und zur Zahlung der Buße geben. Bei Appellationen von ihrem Gericht an das Oberamt follten Rabbi und Schultheiß nicht verbun- den fein, perjönlich zu erjcheinen, jondern fich nur jchriftlich zu ver- antworten.

Bei der Reception als Schußbürger zahlten fie 7 fl. 30 kr. Erpeditionstare, 1 fl. für das Siegel, 5 fl. an das Gymnaſium, 2 fl. 15 kr. für das Stempelpapier, und der Einheimifche 15 fl., der Fremde 25 fl. zur Hälfte an die Herrichaft, zur Hälfte an das Waiſenhaus in Pforzheim. Bis 1799 mußte der Neueintretende auch bei der Pforzheimer Wollenmanufattur für 200 fl. Ware nehmen, jpäter wurde ftatt jener 200 fl. eine Abgabe von 1—3 Prozent de3 Vermögens zum Beſten eines Judenkinderfonds für Willenfchaft, Kunft und Gewerbe erhoben.

Außer dem Schußgeld, welches in einer Averjaljumme entrichtet wurde, zahlte der Jude von Haus, Gütern und Gewerbe, wie andere Unterthanen, die darauf haftenden Schagungen und Laſten und bie außerordentlichen Steuern und Kriegstoften. Ferner zahlten fie bei jedem Todesfall für das Necht der Beerdigung auf ihrem Friedhof von Mann oder Weib 12 fl., einem Ledigen über 10 Jahren

u

6 fl., einem Kind unter 10 Jahren, wenn Knaben 3 fl., wenn Mädchen 1 fl. 30 fr. Für im Lande fterbende, fremde Juden hatten fie ebenfalla diefe Tagen zu bezahlen. Sodann hatten fie zu Brüden, Brunnen, Pflafter, Straßen ihre ftädtiichen Beiträge zu leiften.

Handmwerfe zu treiben, war ihnen mit wenigen Ausnahmen, wie das Mebgen, verboten, Handel und Wandel an Sonn- und Feſtta⸗ gen unterjagt, auf dem Lande durften fie nur Geifen und Bde, in der Stadt Ochſen und Kühe nur in bejchräntter Anzahl jchlachten.

Die Wahl des Schultheißen und der vier Vorfteher gejchah mittel- bar durch die Gemeinde. Die Vorfteher wurden durch das Amt, der Schultheiß durch die Regierung bejtätigt. Die im Jahr 1798 erfolgte teilweife Erneuerung der Vorfteher zeigt uns 63 Wähler mit fol- genden Namen:

Abraham Moſes, Seligmann Löb, Mayer Löb, Iſaak Löb Se- ligmann, Elkan Moſes Reutlinger, Lazarus Abraham, David Levi, Sedel Levi, Eman. Elkan, Salomon Haber, Seligmann Abraham, Samjon Elkan, Elias Wormjer, I. Tiefenbrunner, Aaron Lazarus, Jak. Moses, Jof. Mayer, Löb Iſaak, Ephraim Willftätter, Liebmann Grumbacer, Mofes Seligmann, Feiſt Em. Reutlinger, Jak. Abr. Salmon Mofes, Jo. Abraham, Aaron Mayer, Joſ. Ullmann, Feiſt David Levi, Abrah. Iſaak, Löb Bühler, Amfchel Levi, Simon Saat, Raphael David, Nathanael Israel, Kaffmann Trenbach, Hirſch Wormjer, Mojes Lazarus) Fi. Herz Bühler, Mayer Marz, Moſes Löb, Bößig Hirsch, Jak. Hirſch, Moſes Homburger, Koppel Homburger, Löb Homburger, Mayer Levi, David Amſchel, Elkan Emanuel, Marum Löb Ettlinger, Hirz Mayer, Em. Goldftüder, Abr. Gumperih, Jachiel Willftätter, 3. Mayer, Aaron Löb Juda, Löb Mahler, Samuel Seligmann.

Seit 1785 war Hayum Levi, der Hoffaktor, Schultheiß, will 1799 zurüdtreten, wird aber mit jeinem Gejuch abgemwiejen. 1802 zählte die Karlsruher Judenſchaft 520 Seelen, ein Viertel jämmtli- cher Juden des Landes. Sie hatten nebjt ihrer Synagoge, ihr Kran- fenhaus, ihre Rabbinatswohnung, ihr Schlahhthaus und 2 Gemeinde- wirtshäufer, deren Inhaber durch die Vorjteher beftellt wurden, welche aber nur an Iſraeliten ausjchenfen durften. Auch war bier eine ei- gene jüdiſche Hebamme, aber noch fein Arzt.

Es wird in jener Zeit geflagt, daß Glanz und Elend in ihrer

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Gemeinde nebeneinander wohnten, daß fie nicht Bürger und nicht Hinterfaßen feien, fondern nur geduldete Einwohner, nicht Mitglieder der bürgerlichen Gejellfchaften, nur Schußjuden infolge bejonderer perjönlicher Schußbriefe, mit vierteljährlicher Kündigung, daß dieſe Schußbriefe nicht auf die Kinder fich vererbten, ſondern jedesmal für dieſe neu erbeten werden mußten, obwohl ihnen 1751 auf eine jolche Vererbung Hoffnung gemacht worden je. Auch über zuneh- menden Luxus und ihren Religionsjagungen widerftreitende Sitten, bejonder8 der „Judenjugend,“ wird Klage geführt.

Die Rabbinate zu Karlsruhe und Sulzburg waren die einzigen des Landes.

Die Rabbiner wurden unter obrigfeitlicher Aufficht geprüft und von der Regierung beftätigt, nachdem fie, wie andere Juden, ala Schutzbürger aufgenommen worden waren.

Die Karlsruher ifrael. Gemeinde hatte, außer dem Schultheik und den VBorftehern, einen Rabbiner, einen Vorjänger, einen Schul« Hopfer (Büttel), einen Spitalpfleger, einen Schächter, einen Kranken— pfleger und 2—3 ledige Studenten als Hausjchulmeifter.

Wer am Sabbath die Schule verjäumt, wird um einen Gulden beftraft, wer es am Montag oder Donnerftag thut, um 30 fr. Gottesdienft wird nur dann gehalten, wenn wenigftens 10 Teil- nehmer über dreizehn Jahre anmejend jind, daher wird zum fleißigen Beſuch, oder doch zum Schiden von Erjfagmännern dringend aufgefor- dert. Das Verbot des Rabbiner und der Vorſteher, Zöpfe zu tragen und Mastenbälle zu bejuchen, welches im Anfang des Jahrhunderts erfolgte, wurde infolge de3 Widerfpruches der Familien durch die Regierung aufgehoben.

Die von den Einzelnen an den Staat zu bezahlende Steuer, Judenſchatzung genannt, wurde bis dahin von den Iſraeliten unter fich geordnet und repartirt. Zu dem Ende wurden jo 1802 durd) die Karlsruher und andere Iſraeliten des Unterlandes, welche dem Rabbinat Karlsruhe angehörten, aus jeder der drei Schatzungsklaſſen, von bis zu 500, bis zu 1000 und bis über 1000 Reichsthaler, je zwei, aljo jechs Männer, welche nicht verwandt fein durften, durch das Los ermählt, und dieje fech hatten, nach abgelegter Handtreue vor dem Rabbiner, das Schakungsfapital eines jeden Steuerpflichti- gen zu beſtimmen, wobei indeffen dem Einzelnen gejtattet war, unter Eidesleiftung fich jelber zu ſchätzen.

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1800—1801 betrug die Zahl der Firaeliten in Baden 2186 Köpfe in 405 Familien mit 749405 fl. Vermögen und jährlich 5745 fl. Schußgeld, jo daß das letztere etwa 14 fl. auf die Fami— lie ausmachte.

Das Amt Karlsruhe hatte damals an Iiraeliten 78 Ehepaare, 9 Wittwer, 11 Wittwen, 279 Kinder, 96 Dienftboten, im Ganzen 551 Seelen mit 415350 fl. Vermögen und 1247 fl. Schußgeld. Die Stadt jelbjt zählte 530, das Amt 21 Firaeliten, wovon 16 in Graben und 5 in Liedolsheim wohnten. Seit 30 Jahren war die Zahl der Familien von 50 auf 93 geftiegen.

Zur Kennzeichnung der damaligen Anfchauungen eines ftreng- gläubigen jüdiſchen Rabbiners geben wir hier einen Bericht des bie- jigen Oberlandrabbiners Weyl an das Oberamt vom 22. Febr. 1796.

Da an uns, jo beginnt das Schreiben, per resolutionem d. d. 3. Oct. letzten Jahres die bereit3 beftehende Anordnung megen bes eingerifjenen Gittenverderbniffes der hiefigen Judenjugend gnädigſt genehmigt worden ijt, haben wir diejes in der Synagoge publiciren lafjen, daß fie fich wie rechtichaffene Juden aufführen jollen und ha— ben fie deßwegen bejtraft, weil fie masquirt auf den Ball gegangen und getanzt haben, und diejes aus vielen wichtigen Urjachen. 1. Sind fie meineidig, maßen wir fchon vor ca. 12 Jahren einen Bann gegeben und auf? Schärfite verboten haben, in feinen Ball oder Garneval masquirt zu gehen, vielweniger zu tanzen, und diefer Bann ift öffentlich in der Judenjchule ausgerufen worden. Deromegen find fie meineidig, weilen diejes gegen die jüdischen Geremonien ift, und zwar aus folgenden Urjachen :

a. daß fein rechtjchaffener Jude masquirt in Ball geht, jondern nur jchlechte Juden, die ım Ball eſſen und trinken, was bei uns verboten iſt, um ihre Wolluft vollbringen zu können.

b. die meisten Masquenkleider find mit Leinen und Wolle ge- mengt, welches una Mojes verboten hat laut des 3. Buch Mo- jes, Cap. 19, ®. 19, indem er ſprach: und fein Kleid an dich komme, das mit Wolle und Leinen gemengt ift, auch diejes im 5. Buch Moſis 22, 11 abermals verboten ift.

c. Pflegen fie fich zu verkleiden, Mannzperjonen in weibliche Kleider und umgelehrt, welches ebenfalls Mojes verboten hat im 5. Buch 22, 5, da er ſprach: Ein Weib foll nicht Mannsgeräthe tragen, und ein Mann joll nicht Weibskleider

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anthun, denn wer ſolches thut, der iſt dem Herrn, ſeinem Gott ein Greuel.

d. Iſt das Tanzen mit Weibsperſonen verboten, ſondern nur Weibsperſonen miteinander und Mannsperſonen gleichfalls zuſammen, als zu finden bei dem König David, wie er den heiligen Schrein in ſein Haus gebracht, ſo hat er allein ge— tanzt, nach dem andern Buch Samuelis, und ſeine Königin hat nur zum Fenſter herausgeſehen, und die Weibsperſonen haben allein getanzt in Silo, wie zu leſen im Buch der Richter Cap. 21, 21 und Miriam die Prophetin nahm eine Pauken in ihre Hand und alle Weiber folgeten ihr nach mit Pauken am Reigen, damit keine Vermiſchung geſchehen joll.

e. Im Propheten Zacharia im 12. Cap. V. 12 und 13 ſtehet: Das Land wird Hagen, ein jegliches Geſchlecht bejonders, und ihre Weiber bejonder3, denn wenn in der Zeit des Klagens die Vermifchung verboten, wenn der Geift traurig ift, um ſoviel weniger gehört die Vermifhung Manns- und Weibsperſonen zur Quftbarkeit, da der Geift angeflammt ift, da fie zur Sünde kommen können, welches die gejunde Ver— nunft mit fich bringt.

f. In specie in dermaliger critifcher und trübfeliger Beit, wo die Theurung jo groß ift, daß der Jud für jeine Nahrung ohnehin genug zu jorgen hat, wie er fich ernähret und das Brod verdienet, deßwegen folle er jein Geld nicht lüderlich ver- ichwenden, fondern damit ſparſam jeyn, und den Allmächti- gen anflehen und bitten, daß er den lieben Frieden heritel- len wolle, welches wir nach dem Propheten Ieremias zu bitten jchuldig find, wenn er jagt: ſuchet der Stadt Beſtes und betet für fie zum Herrn, wo wir darinnen wohnen.

g. Seit der Zerſtörung Jeruſalems ift uns alle Quftbarkeit ver- boten, außer in Feiertagen und Hochzeiten. Wenngleich alle Völker fich freuen, joll kein Jude Antheil daran nehmen, wie der Prophet Jeremiad gejagt hat im 9. Cap. V. 1, Iſrael ſollſt dich nicht freuen, wenn fich die Völker freuen, denn ihnen gebühret diejes, aber nicht einem vertriebenen Bolt u. |. m.

„Ich bitte daher ein Hochfürftlich, Hochlöbliches Oberamt gehor-

famft, ohne meine angejeßte Strafe, diejelbe (die Webertreter) noch

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ferner exemplarisch abftrafen zu laflen, damit fie ihr vorgeſetztes Gericht refpectiren und fie folche in der Zucht halten können.

Belangend nun aber den Haarzopf, jo ift e8 wahr, daß diejer in der Synagoge verboten worden, nicht allein, weil folches wider die Religiondgejege lauft, jondern auch einem Juden fich zu tragen gebührt wie ein Jude, und ein Chriſt wie ein Ehrift, denn dieſes Zopftragen gejchieht von ihm nur deßwegen, daß man ihm nicht für einen Juden erfennen joll, und er nach feinem Wohlgefallen auf den Straßen efjen und trinten kann, da folches den Juden verboten ift, welches Exempel ich ſchon vielfach erfahren habe von fchlechten und übelgefinnten Ju- den, denn was fie, die Bopfleute zu ihrem Vorwand vorgeben, daß fie mit Offizieren und Chriften zu jchaffen haben, dieſes macht der Bopf nicht aus. Die Vornehmſten und Hauptlieferanten, nämlich Elkan Männle Reutlinger und Feidel Hechinger, welche alle Tage mit Generalen umgehen und jprechen, tragen feinen Zopf, will ge— jchweigen, daß jo ein Qumpenzopflieferant, welcher nur etwas weniges vom Oberlieferant befommen bat, nur deßwegen einen Bopf trägt, daß man ihn nicht vor einen Juden anjehen und erkennen jollte und er ſein lüderliches Leben alſo fortbringen will.

Wir bitten daher den ernftlichen Befehl dahin ergehen zu Lafien, daß fich künftighin fein Jude mehr unterftehen jolle, einen Bopf zu tragen, oder ein folcher zu gewarten habe, daß er ihm durch einen Bolizeidiener abgejchnitten werde.“

Die Poft. Nachdem ſeit 1742 zwifchen Baden und Thurn und Taris, badifcher jeits durch den Geheimrat von Gemmingen, Ta- gisfcher feits durch den Thurn und Taxisſchen Geheimrat von Lilie in Frankfurt, verhandelt, und durch die Adminiftration 1743—46 pro- viſoriſche Vereinbarungen getroffen worden waren, geichah nach dem Regierungsantritt Karl Friedrich’3 der Abjchluß eines erneuerten Bertrags im Jahr 1749, ſowie eines ſolchen im Jahr 1765, we— jentlich auf den gleichen Grundlagen. Darin war u. A. beftimmt, daß die beftehenden Poſtſtationen nicht einjeitig geändert werden jollten, daß von nun an Thurn und Taris eine diefjeitärheinische Poſt von Kehl nach Bajel, bezw. Kaltherberg einrichten jollte, fo zwar, daß die reitende, ſog. ordinari Poft viermal, die Fahrpoſt einmal in der Woche ging. Die Bofthaltereien werden mit, dem Lan- desherrn genehmen badiichen Unterthanen, durch Thurn und Taxis bejegt, und die Bofthalter leiften der Reichspoſt einen jchriftlichen Dienft-

Zu

eid, unbejchadet ihrer badijchen Unterthanenpflicht. Die Voft ift frei von Weg- und Brüdengeld und Zoll. Die Wagen, für Perſonen und deren Gepäck bejtimmt, dürfen an folchem für die Einzelfahrt nicht über 6 Gentner, jährlich nicht über 624 Centner zollfrei mit fich führen. Der Ueberſchuß wird am Jahresſchluß verzollt. Unbedingt zollbar dagegen jind Pretiojen, feine Spigen und Stoffe, Sammet und Seide mit 15 fr. von 100 Gulden Wert. Das Vifitationsrecht bleibt den Landesbehörden vorbehalten. Portofrei find berrichaftliche Briefe und Pakete, jofern fie mit Siegel verjehen find, ſowie die Privatbriefe der fürftlichen Räte, jedoch alles nur bis Kaltherberg, von wo an Bajel das Porto zufteht. Die bisher noch beftehenden Landboten find abzufchaffen. Das Borto für den einfachen Brief von Karlsruhe und Durlach bis zur Hochbergichen Station Emmendingen beträgt 3 kr., bis Kaltherberg 4 fr. und bis Bafel weitere 2 fr. Es geht zweimal wöchentlich ein Neichspoftwagen von Kaltherberg nach Lör— rach. Die Fracht für fürftliche Gelder beträgt 12 und 15 fr. vom Hundert Gulden. Reichspoftitationen im Oberland find Emmendingen, Müllheim und Kaltherberg. Die Poſthalterei Durlach wird Reichs: poftamt, deſſen Inhaber Georg Adam Herzog mar.

In Karlsruhe, deſſen Poftwejen unter dem Poſtamt Durlach ftand, hatte Sigmund Herzog vor 1732 ein Gafthaus zur Poft in dem öſtlichen Teil der langen Straße auf der füdlichen Seite der- jelben erbaut. Bald nachher, wenigjtens jeit 1740, findet jich bier ein Poſtſtall, dejien Befiger, der Waldhornwirt Richter, die Spedi- tion der zur Neichspoft nach Durlach und Grünwinkel fahrenden Karlsruher Influenzwagen der Reichspoft zu bejorgen hatte, denn ala 1753 der Vater Richters geftorben war, bat dejjen Sohn um die Verwendung de3 Markgrafen bei Thurn und Taris, damit auch ihm der von jeinem Vater innegehabte Poftjtall für kaiſerliche Ge— ichwindkutjchen übertragen würde. Dagegen Hagt nun Poſthalter Herzog von Durlach, welcher die Straßburger Landkutjche führte, über die durch die Karlsruher Thurn» und Taxisſche Geſchwindpoſt ihm bereitete Konkurrenz und bittet, ihm Ddiejelbe zu übergeben. Dhnedies habe man diefe Gejchwindpojt jo eingerichtet, daß in Rajtatt und Grünwinkel geipeist werde, und der Wagen erjt nachts in Durlach antomme.

Er habe im Quartal für Thurn und Taxis 12 Fahrten mit 4—6 Pferden und 13 jolche nach Grünwinkel zu leiften, und zwar

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zu feinem eigenen Schaden ala Konkurrenz gegen feine Landkutjche, und erhalte dafür nur 50 fl. Während dieje beiden Bewerber Rich— ter und Herzog ſich um den Reichspoftftall bemühten, hatte aber in- zwijchen der hiefige Kreuzwirt Filcher mit Umgehung des Markgra- fen 1754 durch Taris direkt den Poſtſtall für Gejchwindfutichen er- halten. Troßdem gab Karl Friedrich dazu nachträglich feine Geneh— migung und Fiſcher wurde Poſthalter.

Als 1742 die Straßburger Landkutſche Herzogs, ſowie die lo— thringifchen Salz- und andere Fuhren ihren Weg zuweilen, anftatt über Mühlburg, über Beiertheim bieher nahmen und fo in Beiert— beim zwar den Landzoll, aber nicht das auf diefem Weg nicht übliche Weggeld bezahlten, welches dadurch Mühlburg entging, auch die berrichaftlichen Brüden auf dem Beiertheimer Weg abgenutzt wur— den, wurde der Zoller Neder in Karlsruhe angemwiejen, von den be- treffenden Fuhren ebenfalls Weggeld zu erheben.

Mit der Errichtung einer Fahrpoſt war auch die einer Brief: und Paketpoſt hier erfolgt, und zwar wurde diefelbe, wie ein Bericht des Geheimrates von 1778 jagt, nach der Verlegung der Refidenz mit fürftlicher Genehmigung zur Beförderung der Briefichaften der Herrichaft und des Publikums durch einen von dem Poftamt Durlach auf eigene Koften bier angejtellten Bofttommis beforgt. 1731 wurde diejer Briefpoftdienft dem ehemaligen Mundkoch Berner übertragen. Diejer, von dem Durlacher Poftamt hier ernannte jogenannte Poſt— fommis hatte fein Bureau in dem Herzogſchen Gaſthaus zur Volt, in welchem er zugleich die Spedition der Durlacher Landkutjche bejorgte.

Die Ernennung der Poſtbeamten in Karlsruhe, ſowohl der Brief- als Fahrpoſt verurjachte jchon vor Berners Tode verjchiedene Auseinan- derjegungen zwijchen der Regierung und den Taris’schen Kommiffären. So war 1756 Fiicher als Pojtwagenjpediteur, in Mainz, ftatt vor dem biefigen Oberamt, verpflichtet worden, jo hatte der Taris’jche Kommifjär Heger jchon den Berner und den Briefträger mwiderrechtlich in Pflicht genommen. 1758 wurde von Seiten der Regierung den beiden Taxis'ſchen Poſtangeſtellten Berner und Fiſcher jtrenge verboten, irgend welche Veränderung und Erweiterung des Taxis'ſchen Poſt— weſens ohne fürftliche Genehmigung vorzunehmen.

Bald nach jeines Vaters 1760 erfolgtem Tode erhielt der Sohn Berner’s von der Wittwe Herzog in Durlach als deren Kommis die

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Karlsruher Briefpoft, ſowie bie Beförderung der Hof- und Landkutichen und der Ertrapoften, ftarb aber jchon vor 1770, in welchem Jahre der Erbprinzenwirt Kreglinger die faiferliche Briefpoft, die Hof- und Landkutſchenſpedition, jowie Ertrapoften, wie Berner fie verjehen hatte, zugeteilt erhielt. Die Badetpoft, ſowie die kaiſerlichen Geſchwindkutſchen behielt die Wittwe des 1764 verftorbenen Kreuzwirtes Fiſcher.

Kreglinger ift noch 1791 an feiner Stelle. Bon ihm wiſſen wir, daß er ſchon 1778 das Recht hatte, mit feiner Landkutſche auch Paffagiere zu führen, aber nur in befondern Fällen Kuriere und Eitafetten geben durfte, weßhalb er auch eifrig daran arbeitete, wiewohl vorerft noch ohne Erfolg, die Hauptpoft von Durlach hieher zu bringen, oder wenigftens die jeit längern Jahren von ihm bejorgte Briefpoft von Durlach unabhängig zu machen. Ebenjo ſuchte er, noch ohne augenblidlicden Erfolg, ſich von der ihm obliegenden Pflicht bes Umſpannens in Durlach für feine Pforzheimer und Bruchjaler Fahrten frei zu machen.

Um 1770 mußte Linfenheim noch durch Reitende die Poſt von Rheinhaufen abholen und nach Karlsruhe bringen, wofür es von Thurn und Taris mit 220 fl. bezahlt wurde. Baden-Baden hatte für fein Bortofreitum 700 fl. an Taxis bezahlt, ala nach dem Anfall an Baden-Durlach der Badener Hof fich auflöste, gab Karl Friedrich von da an nur noch 150 ff.

1783 wurde ein neuer Poftvertrag mit Thurn und Taris auf den bisherigen Grundlagen abgejchlofen, 1795 wird Sebald Kreg- finger feines Waters Nachfolger in dem Briefpoft- und Landkutjchen- dienft, und 1796 wird in einem geheimen Artikel des Friedens mit Frankreich vom 22. Auguft die gänzliche Aufhebung der Reichapoft bereitö in Ausficht genommen. Die wirkliche Aufhebung erfolgte erft in der nächften Periode. Wir geben hier zum Schluffe unjeres Ab— ichnittes noch eine kurze Weberficht über den Gang des öffentlichen und poftaliichen Verkehrs der Reſidenz gegen Ende de3 vorigen Jahrhunderts.

1770 iſt die Poſt im goldenen Kreuz, damals noch in der langen Straße, jetzt Nr. 64 der Kaiſerſtraße. Die Briefe von unten herauf und aus dem Reich kamen jeden Abend von Durlach her, die von oben über Raftatt jeden Morgen vor Tag hier an. Aufwärts gehende Briefe find abends von 4—5 Uhr, abwärts laufende abends 8—9 Uhr abzugeben.

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Nach Speier geht Dienstag und Freitag abends zwiſchen 8 und 9 Uhr ein Boftpadetwagen ab, und kommt Donnerstag und Sonn- tag von dort an.

Auf der Fahrpoft hat der Paſſagier 50 Pfund frei, aber auf eigene Verantwortlichkeit.

Landkutſchen gingen von Karlsruhe, beziehungsweife Durlach nah Bruchjal, Heidelberg, Mannheim, Darmjtadt und Frankfurt, fodann nach Raftatt, Straßburg, Bajel, ebenjo nach Stuttgart, Ulm, Augsburg, München, Nürnberg, und zwar gingen fie wöchentlich 1—2 mal ab und famen 3—4 mal an. Nach Heilbronn fuhr man über Heidelberg oder Stuttgart.

Der faiferlihe Reihspoftwagen fam von Frankfurt jeden Samstag und ging jofort in der Richtung nach Bajel ab, kam von da Dienstag abends zurüd und fuhr nach Frankfurt weiter.

Die Tage für Perſonen betrug für die Meile 26 kr., für den Bentner Gut 15 kr., große, leichte Padete wurden nach der Größe berechnet, und koſtete ein jolches nach Raſtatt 50 kr., nach Freiburg 4 fl. 50 fr., nach Heidelberg 2 fl. 20 kr., nach Frankfurt 5 fl. 40 kr.

Dabei wurde der nähere Briefverkehr meiſtens noch durch ſog. Amtsboten vermittelt, wie auch noch 1777 der Pforzheimer Drdinari- bote Haug alle Freitage hier in Karlsruhe anfam und Samdtag mit Briefen und Beitellungen nach dem Pfinztbal wieder abging. Bei allem dem ift zu beachten, daß die Hauptpoft immer noch in Durlach war, und die Karlsruher Poſt ala Nebenpoft nur duch Influenz- wagen damit in Verbindung jtand.

Aus dem letzten Jahre des Jahrhunderts, 1799, teilen wir bier noch mit:

Die reitende Poſt mit Briefen geht täglich ab, außer nach der Schweiz, wohin nur viermal wöchentlich Briefe gehen. Alle Briefe nach dem linken Rheinufer, ſowie über die Neichspoftgrenze hinaus, müſſen franfirt fein, frantirte Briefe aus dem Breisgau und Elſaß zahlen trogdem hier Porto, Basler Briefe koften je nach Größe und Gewicht 4, 6, und 8 kr., Schaffhauſer 6, 8 und 10 fr. Die reitende Poft kommt täglich an, die Frankfurter abends 6 Uhr, Schweizerbriefe nur viermal in der Woche. Landbriefe bleiben auf der Poſt liegen, bis denjelben nachgefragt wird.

Die fahrenden Poften mit Perfonen- und Padetbeförderung gehen ab: Mittwoch und Samstag früh über Durlach und Bruchjal nad

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Frankfurt, über Bruchſal nach Stuttgart, über Ettlingen, Raſtatt und die Rheinſtraße nach Straßburg, ſowie über Ettlingen, Bühl, Offen— burg nach Bafel. Mittwoch und Samstag früh kommen die Wagen der vorgenannten Routen hier an.

Die Einjchreibungen von Perſonen und Gepäd haben Montag und Freitag vor dem betreffenden Abfahrtstage ftattzufinden.

7. Gelundheifs-, Rranken- und Armenpflege, Reffungsanftalten.

Alle fremden Bejucher der Stadt Hagten von jeher über das jchlechte Karlsruher Trinkwaſſer, und die Herftellung einer ziwedmäßigen Wajjerverjorgung wurde mehr und mehr als unabweisliche Notwendigkeit erfannt, bejonders als auch die hinter der Hofapothefe befindliche herrjchaftliche Brunnenftube, welche die Schloßgebäude und Gärten mit Waſſer verjorgte, nach und nach in Verfall geriet. Da es nun nach 1730 ich herausftellte, daß der für die katholiſche Kirche bejtimmte Platz in der Lammſtraße, jenjeit3 der langen Straße, wegen unzureichenden Mitteln der Katholischen Gemeinde nicht über- baut werden konnte, wurde der Bau eine? Brunnenhaujes dort beſchloſſen. Dafjelbe jollte in ſymmetriſcher Uebereinftimmung der in der Kreuzſtraße ftehenden, alten reformirten Kirche entiprechen, und wurde durch Baumeifter Arnold in diefem Sinne erbaut. Erſt zwiſchen 1752 und 60 aber erhielt es jeine Vollendung. Die Kuppel de3 vieredigen Turmes, auf welcher die Kolofjalftatue Neptuns thronte, erhielt gleiche Höhe mit der reformirten Kirche, fteinerne Gruppen von Flußgöttern zierten feine Fafjade und feine Flügel, und an der Vorder— jeite de3 Turmes ftand in einer Nifche ein wafferjpeiender Löwenkopf. Ein durch Pferde getriebenes Druckwerk trieb das Waffer aus dem Sam- melbeden unter dem Turm in ein in der Höhe befindliches Baſſin, und von diejem ging es durch hölzerne, im Ganzen 14 000° lange Röhren, welche 1776 durch eiferne erjeßt wurden, in 23 fließende Brunnen und 5 Baſſins mit Springbrnnnen. Dieje Leitung war allerdings großenteils für das Schloßgebiet bejtimmt, aber fie jpeiste doch ſchon einige ftädtiiche Brunnen und leitete bei Feuersgefahr das Waſſer nach dem betreffenden Stadtteil zwijchen Schloß und langer

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Straße. Diefer Turm blieb beftehen, bis in den zwanziger Jahren unferes Jahrhunderts die Wafferleitung von Durlach her, als die Wafjerbezugsquelle der laufenden ftädtifchen Brunnen zuftande kam, und wurde erjt in den dreißiger Jahren abgebrochen.

Die Herftellung von Dohlen und Kanälen ging mit der Pfläfte- rung Hand in Hand.

Bon der Krankenpflege haben wir im vorhergehenden Zeit— abichnitt ©. 91 ff. die erften Anfänge in dem Stadt- und Militär- frantenbauje bei dem Müblburgerthor beobachtet. Das jtädtijche Spital blieb vorerjt in diefem Haufe an dem Mühlburgerthor und diente nicht allein für einheimische bürgerliche Kranke und für. Soldaten, jondern auch für kranke Dienjtboten und Heimatloje. Die Stadt hatte darin 1752 eine Kammer mit zwei Betten, das Militär 3 Kammern mit elf Betten. E3 mußten unter Umftänden hier kranke Soldaten verjchiedener Arten zujammenliegen, und die, welche nicht Raum fanden, in ihren Quartieren bei den Bürgern bleiben. In dem Spital war auch ſchon ein Anjprachzimmer für Genefende, wo ſie Billete für Bein, Fleisch, Neis, Gerſte aus dem Ertrag vierteljährlicher Samm- (ungen erhielten. 1764 erbot fich nun die katholische Gemeinde, um gleiches Recht an das Spital zu erlangen, und gegen Einräumung größerer gottesdienftlicher Freiheiten, 2000 fl. für ein ftädtifches Spital zu geben, und es wurde infolge diejes Anerbietens die Anlage eines Spitalbaufonds angeregt. Zwar hatte jchon 1758 der Geheimrat Reinhard die Notwendigkeit eines ſolchen Neubaues hervorgehoben und 1766 einen genauern Plan dazu entworfen, indeffen fam die Sade damals noch nicht zur Ausführung. 1769 ſchlug er daher eine Sammlung unter Katholiten behufs ihrer Aufnahmsberechtigung vor. Da aber bei all dem die ftädtiichen und Privatmittel nicht zureichten, erließ Karl Friedrich 1769 den Stiftungsbrief für das neue Spital, in welchem die Abſicht kundgegeben war, ein für Zivil und Militär beftimmtes Haus, jomweit die vorhandenen Mittel nicht zureichten, mit Zujchuß aus Staatsmitteln zu bauen. Es wurden ärztliche Gutachten von den Doktoren Trorel, Buch und Schweikhardt abgegeben, und Anfragen nah Brucjal, Straßburg, Heidelberg, Würzburg u. a. O. über deren Spitaleinrichtungen gerichtet. Durch jolde Schritte und Bemühungen, insbefondere auch durch die lebhafte Unterftügung des Staatsminifter® W. v. Edelaheim, geftorben 1794, brachte man e3 dahin, dab im Jahr 1781 der Grundftein gelegt

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werden konnte. Der ganze Bau aber wurde erſt 1788 vollendet und am 15. Dezbr. deſſelben Jahres feiner Beſtimmung übergeben. Bau- inſpektor Müller hatte die Ausführung des Baues geleitet. Die Koften dafür hatte, mit Hinzunahme einzelner Stiftungen und Schen- kungen, die Staatskaſſe beftritten; Karl Friedrich jelbjt gab dazu aus feiner Privatkaſſe 5000 fl. für die erfte Einrichtung, nebjt dem Holz zur Heizung, und den Arzneien aus der Hofapotheke. Das Militär brachte jeine Kranken vorerjt nicht in den Neubau, weil man ben Bau eine? Militärjpitald beabfichtigte. 1788 wurde zwar ein jolches in dem Kleinkarlsruher Schulhaus, dann 1791 in der Artilleriefaferne, Ede der Kreuz- und Spitalftraße, eingerichtet, aber im Jahr 1803 wurde der nördliche Flügel des neuen ftädtiichen Spitalbaues als Mi- Iitärfpital in Befig genommen, und die dadurch bedingten Verän— derungen bis 1806 vollendet. 1789 wurde das alte Spital an dem Mühlburgerthor für 500 fl. verkauft.

Der Gehalt des Krankenwärters Turban in dem alten Lazaret hatte 10—12 fl. betragen. Die leitende Hojpitallommilfion für das neue Spital beftand aus Staatsrat Brauer, Hofrat Böckmann, Reiß, Dr. Klofe, Hofprediger Walz, Oberft von Harrant, Dr. Schweifhardt, Dr. Jauch und Dr. Herbit. Das Spital enthielt 20 Betten für frante Männer, 12 für Weiber, 2 für wundärztlich Behandelte, 6 für Genejende, 6 für Veneriſche, 4 für Wundärzte und Wärter, 2 für Thürhüter und Hausknechte, 1 fir Köchin und Hausmagd. Die Anlage des ganzen Baues, wie er in dem Hauptgebäude noch jegt erhalten ift, war für 150 Betten berechnet. Bemittelte Kranke zahlten täglich 24 kr., für arme wurden 18 fr. aus verfügbaren Kaſſen, eventuell aus Staatömitteln vergütet. Der Spitalfchaffner und feine Frau haben die Wäfche in Ordnung zu halten, Lebensmittel einzukaufen und abzugeben, und erhalten dafür, außer dem Erſatz der Auslagen, Wohnung, Koft, Licht und Holz.

Bon 1790 an wurden neben dem Spitalarzt junge Mediziner gegen ein Wartegeld als Aushilfe verwendet. 1763 war eine anato- mijche Anſtalt mit einem Lehrkurs für medizinftudirende Schüler des Gymnaſiums in dem dftlichen Teile de3 Gymnaſiumsgarten errichtet worden, 1787 wurde diejelbe neben dem Spital an den Landgraben verjegt, 1790 die Anjtalt für Verpflegung kranker Dienftboten gegen 1 fl. jährlichen Beitrags, und 1795 das feit 1784 durch Hofrat Mai gegründete Krankenmwärterinftitut in das Spital verlegt.

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1790 wurde das Türmchen auf dem Haufe gebaut, die Glode in bafjelbe angeichafft, und 1793 der Pla vor dem Spital aus- geebnet.

1800 wurde als BPrivatanftalt der Bünfte aus freiwilligen Bei- trägen der Meifter und 50 fl. jährlichem Zuſchuß des Markgrafen eine Verpflegungsanftalt für kranke und genejende Handwerksgehilfen und Lehrjungen, auch Durchreifende, errichtet und mit dem Spital verbunden. Der Beitrag der Mitglieder betrug wöchentlich 1"), kr., den Borftand dieſer Anftalt bildete der Polizeidireltor von Drais, ber Hofpitalarzt Schweidhardt, der Hoipitalmundarzt Herbſt, zwei Ratsherrn, ein Meifter, ein Kaffier und zwei Gejellen. 1804 war aber ſchon eine außerordentliche Sammlung von 2 fr. von jedem Mitglied nötig, 1806 blieben die Zünfte vielfach mit ihren Beiträgen im Rüdftand, wollten auch bie Erhöhung des Beitrags auf 3 kr. nicht zugeben, jo daß 1808 die Auflöfung der Gefellichaft erfolgte, deren Schulden Stadtalmojen, Stadt und Staatslaffe zu beden batten.

Karl Friedrich juchte aber auch in anderer Weife der Not der Ar- men abzubelfen. Er gab feinen bebürftigen Unterthanen, fpeziell feinen Karlsruhern, Gelegenheit, durch nugbringende Arbeit ſich Mittel und Möglichkeit nicht nur zu augenblidlichem Auskommen, fondern auch zu fernerem, felbftändigem Lebensunterhalt zu erwerben, er fuchte fie zugleich zu fleikigen Haushältern und zu nüßlichen Mitgliedern ber Geſellſchaft heranzubilden, er ging von der richtigen Anficht aus, daß der Müßiggänger nicht nur ein unnützes, fondern größtenteil3 auch ein Täftiges und jchlimmes Element der menſchlichen und bürgerlichen Gemeinjchaft ift.

So wurden 1767 mit Zufchüflen vom Hof Baummwollipinnjchulen . errichtet, und namentlich in Kleinkarlsruhe alle Kinder zum Beſuch derjelben angehalten, und 1768 wurden folche Schulen, in denen auch Hanf, Flach und Wolle gejponnen wurde, in allen Lanborten des Amtsbezirles eröffnet. 1774 wurden, um bem Vettel zu fteuern, an 94 Arme, darunter 63 aus Kleinkarlsruhe, beſonders an Soldaten- finder, drei Bentner Hanf zum Spinnen außgeteilt, und man zahlte dafür ein Drittel über den gewöhnlichen Arbeitslohn. Das gejponnene Garn kaufte die berrjchaftliche Möbelverwaltung zum verweben, da aber bieje Verwaltung nur 20—22 kr. für das Pfund bezahlte, arbeitete die Spinmanftalt mit Verluft. Bald wurde nun ber Arbeits-

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lohn für das Spinnen nach der Güte de3 Geſpinnſtes berechnet, und das Garn durch einen dazu angeftellten Weber verwoben. Die beften Spinnerinnen erhielten, außer 24 fr. vom Pfund, noch bejondere Heine Prämien in Geld. Bis dahin wurde Alles in Brivathäufern gejponnen, und jo 1778—79 612 Ellen Leinwand gewoben, umd 65 Pfund Flachs gejponnen. 1781 machte nun Fajanenmeifter Holt den Vorjchlag, ein eigenes Haus dafür anzujchaffen, und daher wurde 1782 die Anftalt vorerft mietweije für 60 fl. in einer Scheune im der Herrenjtraße untergebracht, bi8 1785 der Markgraf ſich entichloß, an der Ede der Kronen= und Spitalftraße (jet Gafthaus zum Geijt) ein eigenes Spinnhaus zu bauen. Zu derjelben Zeit war aber das Schulhaus in Kleinfarlsruhe zu eng und dazu baufällig geworden, und mußte verfauft werden. Daher kaufte man in der Kronenftraße neben dem neu zu bauenden Spinnhaus den Pla, auf welchem das Haus des Grenadierd Graſer ftand, baute da3 Haus um und verband e3 jo mit dem Spinnhauje, daß der untere Stod dem Lehrer Nikola von Kleinkarlsruhe und jeiner Schule zugeteilt wurde, der obere aber al3 zweite Spinnftube benugt werden konnte. Den 2. Januar 1786 wurde dieje eröffnet. Hier konnten nun die Spinnerinnen im Winter in erwärmten Räumen für fich, oder die Anftalt arbeiten. E3 wurde ein eigener Spinn- und Webermeifter (Grein) mit freier Wohnung, freiem Holz und Licht und 200 fl. Gehalt für Wollen, Baumwollen- und 2einenjpinnerei, bald nachher ein weiterer bejonderer Meifter für Wollenipinnerei (Ruppenthal) mit 250 fl. Gehalt, 5 Ohm Wein und 40 fl. ala Entjichädigung für Wohnung, Holz und Licht angejtellt, und alles Material und Arbeitsgeräte von der Herrichaft angeichafft. Obwohl aber jeit 1785 ftatt des Dberamtes eine eigene Kommilfion die Anjtalt überwachte, und die Regierung, außer dem jährlichen Bei— trag von 300 fl., fortwährend Zufchüffe bi3 zu nahezu 5000 fi. vermwilligte, arbeitete die Anftalt, welche 1787 in der Schule jelbit 60 Kinder, und 30 Ermwachjene in Privathäujern bejchäftigte, dennoch ftet3 mit Verluſt.

Bon 1790 an aber wurden bejjere Ergebnifje erzielt. Bejonders thätig für das Gedeihen der Anjtalt war die damalige Kommiſſion, beftehend aus Kammerrat 3. Chr. Volz, Geheimrat E. Meier und Polizeidirektor 8. W. von Drais. Es wurde in diefem Jahre eine Schule damit verbunden, im welcher Schulmeifter Nikola täglich von 6—8 Uhr morgens für 27 fl., jpäter für 36 fl. im Jahr unterrichtete.

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Nach Nikolas Tode 1795 führte deſſen Wittwe durch Schul- gehilfen, Provijoren den Unterricht bis Ende 1796 fort.

Karl Friedrich ließ öfter fleihige Kinder, welche diefe Schule bejuchten, Heiden und denjelben, wie den übrigen Schülern, wöchent⸗ liche Fleißprämien von 6, 4, 3 und 2 Kreuzern austeilen.

In dem Jahr 1797 aber geben die Geichäjte der Spinnjchule wieder fchlecht, der Staatsbeitrag bleibt aus, die Ausftände gehen nicht ein. 1800 bittet daher von Drais, der Spinn- und Webjchule den Namen „Fürſtliche Induftriefchule der Reſidenz Karlsruhe” geben zu dürfen, erhält aber den Beicheid, daß diefelbe fortan „Fürft- liches Gewerbhaus“ beißen jollte.

1799 war der neue Schullehrer gegen 40 fl. Wohnungsent- Ihädigung aus dem Spinnhaus mweggezogen, die Schule aber darin geblieben.

Die damals an dem Gewerbehaus Angeftellten waren ein Spinn- meister, Lehrer, Fabrikant, Kaſſier, Buchführer, Magazinier und Verkäufer.

Seit 1791 wurden auch Haſenhaare verarbeitet, 1800 erhielten die Mädchen Anleitung zum Nähen, 1802 wurde die Strumpf- ftriderei, bejonders für das Militär und Spital, und Unterricht in Pojamentierarbeiten eingeführt.

1803 wurde die Raftatter Induftriefchule damit verbunden.

Obwohl das Gewerbehaus damald 17347 fl. Vermögen bejaß, litt daffelbe doch empfindlich dadurch, daß die gleichen, in Bucht- und Arbeitshäufern verfertigten Arbeiten demfelben bald ſehr fühlbare Konkurrenz machten.

Neben diejen jpeziellen Anftalten für Arme und Kranke entfalteten ſowohl Regierung als Gemeinde auch eine rege Thätigkeit für die allgemeine Unterftügung der Notleidenden. Die mit der Sorge für Wittwen und Waifen, ſowie für Arme überhaupt betrauten Waijen- richter bezogen für ihre amtliche Wirkjamteit eine Tagesgebühr von 40 fr., nachher von 1 fl., umd ebenfo hatten auch die ſchon von der Gründung der Stadt an beitebenden Almoſenpfleger eine ähn- liche Aufgabe wie die Waifenrichter. Die beiden Karlsruher Almofen- pfleger bezogen 1787 der eine 55 fl.; der andere 20 fl. Gehalt. Beide, Fellmeth und Scheelmann, baten aber 1787 um Bulage in der Art, daß fie fünf Prozent von dem vierteljährlich von ihnen ein- gejammelten Beiträgen, welche ſich auf 100—160 fl. beliefen, zu

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beziehen hätten. 1795 bezog Almoſenpfleger Lacher auch vier Meß Holz.

Schon vor 1750 beftand bier das Stabtalmofen, deſſen Einnahmen fih aus dem Ertrag von Sammlungen, Kirchentolletten, bem Klingelbeutelgelb, Beiträgen anderer Kafien, Binjen, Legaten zufammenfeßten, und welche 1754—55 1206 fl. 21 fr. ausmachten, worunter 817 fl. freiwillige Privatbeiträge waren.

Die Ausgaben des Stadtalmoſens beftanden in Bejoldungen, Zahlung von Schulgeldern und Leichenkoften für Arme, Unterftügungen und Kurkoften für Hausarme, Almofen für arme Reifende und dergl. Bu dem Hofalmojen hatte das Stadtalmofen einen Beitrag zu leiften, und einen Teil des SKlingelbeutelerträgnifjes dem Kirchenalmofen zu überlaffen.

Das Hofalmofen, welches auch für auswärtige Arme beftimmt war, und aus welchem Karl Friedrich in feinen Mittwochdaudienzen bie Hilfgbedürftigen unterftüßte, auch Handwerkern Vorjchüffe bis zu 50 fl. und Materialien bis zu 15 fl. Wert zukommen Tieß, erhielt aus ber Handkaſſe des Markgrafen 520 fl. Zufchuß, und ala 1760 die Hofgeiftlichkeit die Verfügung über das Hofalmofen für fich bean- ſpruchte, erließ Karl Friedrich 1761 eine Verordnung, daß dafjelbe binfort, jedoch in gejonderter Verwaltung mit dem Stabtalmofen verbunden bleiben, daß aber die Almojenanmweifungen, welche aus den fürftlichen Kollegien gegeben würden, fich auf die vom Hof zugejchoflenen 520 fl. befchränfen follten, damit die Hofgeiftlichkeit auch für ihre armen Beichtlinder jorgen könne, die ftädtiichen Hausarmen aber habe das Stadbtalmojen zu bejorgen.

1796 verlangte das Militärtlommando, daß das Klingelbeutelgeld der Garniſonskirche nicht mehr, wie bisher, an das Hofalmoſen ab- geliefert, jondern durch den Kommandanten und den Militärprediger an arme Soldatenweiber und Kinder verteilt werde, was indeſſen abgelehnt wurde.

1764 wird bier eine Geldlotterie für Schulen und Armenanftalten veranftaltet, 1790 werden von der Regierung die zwifchen der Mauer und der Waldgaſſe zu Gärten beftimmten 25 Morgen Wald zum Ausftoden duch arme Leute angewieſen, jo daß das Holz der Herr- ichaft bleiben, aber der Arbeitslohn von ihr bezahlt werden follte.

Im Winter teilte der Magiftrat Holz an die Armen aus, 1780 wurde in den 4 Wintermonaten an einem bejtimmten Wochentag das

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Holzlejen in dem Hardtwalde erlaubt, dagegen jollten zu andern Zeiten die Holzfrevler an den Thoren angehalten und mit Leibesſtrafen bis zu 20 Farrenwedelſtreichen, Schellenwerfen u. a. gezüchtigt werben. 1782 verwilligt die Regierung zur Erleichterung des Stadtalmofens 4 Klafter Brennholz gratis für das Kranken und Armenhaus, 1786 erhalten auf bejondere Veranlafjung des Markgrafen, über 70 Sabre alte, verdienftloje Perjonen aus der Stadtlaffe den möchentlichen fog. Alterägulden, 1789 im Sommer wurden wegen Breisaufichlag der Früchte 1312 Laib Brot unter die Armen verteilt. Es wurden Bad proben aus den herrjchaftlichen Fruchtſpeichern mit ?/, Kernen, !/, Gerfte und "7, Weljchlornmehl vorgenommen, und 1790, troß dem Wibder- ſpruch der Bäder, eine herrichaftliche Bäckerei durch den Polizeidirektor eingerichtet, welche bis 1795 bei zunehmender Teuerung beftand, und wozu der Markgraf 390 fl. beitrug.

1795 wurden jährlich 60 Klafter gemifchtes Holz und 8000 Wellen für die Armen auf den ftädtiichen Holzhof geliefert, und 50 Klafter Tannenholz zum Preis von 6 fl. von der Regierung an bie Armen abgegeben.

Auch an milden Stiftungen von Privaten fehlte e8 nicht. 1744 hatte Hofapotheler Greber 100 fl. in das Gtadtalmojen gejtiftet, 1773 ftiftete Hofrat Renz Wittwe 500 fl. in daffelbe, 1777 ver machte Rechnungsrat Voit der evangelifchen Kirche 100 fl. und dem Stadtalmojen 50 fl., 1778 derſelbe 500 Neichsthaler für Hausarme, und Rat3verwandter Reinwald 100 fl. in das Stadtalmojen, 1780 gibt Obervogt von Schmidburg 500 fl. zur Mädchenjchule und 500 fl. für ein Findelhaus, 1784 ein Ungenannter 55 fl. und Geheimrat Wielandt 150 fl. für Hausarme, 1786 ftiftet Kammerrat Lidell 4000 fl. zur Ausbildung von vier Schullandidaten, 1792 bderjelbe 100000 Franken zu Familienftipendien, 100000 Franken für das Spital zur Verpflegung von 6—8 armen Kranken, und 1000 Franken in das Almoſen. Diejer Kammerrat, Ehriftof Friedrich Lidell, auch Lidel gefchrieben, war ein Würtemberger, ließ fich 1750 in Pforzheim nieder, und wurde dort durch den Holzhandel ein reicher Mann. Er beförderte in Verbindung mit dem Pforzheimer Benkiſer die Floß— barmahung der Murg, brachte mit diefem die Pforzheimer Eijen- induftrie empor, erhielt 1765 von Karl Friedrich den Titel Kammerrat, und ftarb 1793 in Karlsruhe. Sein Bruftbild fteht jeßt auf einem Brunnen vor dem Spital. 1796 jchentt Geheimrat von Palm 2000 fl,

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für Lehrer und Schulen aller chriftlichen Konfeffionen in Stadt und Landamt Karlsruhe, 2000 fl. für arme Kranke, 2000 für Moral und Polizei überhaupt. Daher wurde ein Teil diefer Stiftung in den Volksſchulen für Schulbücher und Aufbefferung der Lehrer, die legten 2000 aber für Handwerkzlehrlinge, für Arbeitunterricht armer Mädchen und zu Prämien in dem Gewerbhaus verwendet.

1801 ftiftet Em. Moſes Reutlinger 1000 fl. für arme jüdiſche Familien.

Die Bürger jelbjt hatten jchon 1787 eine Bürgermwittwentaffe unter fich gegründet, welche aber in unjern Tagen fich auflöste.

Das Medicinalmwejen war in Baden unter Karl Friedrich in muftergiltiger Ordnung, und darin ging die Reſidenz jelbitverftänd- lich mit gutem Beifpiel und hervorragenden Kräften voran.

Der Markgraf hatte in der Regel mehrere eigene Leibärzte, Leib— medict, während auch andere Merzte den Titel Hofarzt führten, und daneben Stadt- oder Landphyſici waren. Die beiden Hof- und Leib- hirurgen, welche zugleich die Stelle von Kammerdienern vertraten, hatten jogar den Hofratstitel. Als Leib:, Hof- und Stadtärzte, zum Teil noch aus der frühern Periode, find zu erwähnen: Dr. Textor, Bater, get. 1763, und Sohn, Dr. 3. Buch, Sigm. Ernft Kloſe, geft. 1775, Dr. Franz Math. Trogel von Sauersberg, gejt. 1787, 1786 Dr. $. 2. Leuchfenring, 1793 Joh. Ant. Wilfer, Fr. Wilh. Maler, Landphyſikus, 1794 zweiter Leibmeditus, 1797 J. E. Bär, die Hofchirurgen Hofräte Nuding und E. Jak. Vierordt, 1788 der Hofoperateur Duperrat, Stadt: und Landphyſikus I. And. Eichrodt, geft. 1747, nach ihm fein Sohn gleichen Namens, geft. 1766, 1768 bis 1775 Dr. Guft. Fr. Jägerſchmid, Landphufitus, 1775 Chr. 2. Schweidhardt, Landphyſikus, 1785 Stadtphyſikus. Als Landehirurgen und Hebärzte find zu nennen: 1790 Landchirurg I. Joſ. Zandt, auch Hebammenmeifter, 1792 8. Br. Herbit, Landchirurg, 1806 Oberhebarzt.

Auch für die Hebung der Tierarzneikunde ſuchte Karl Friedrich möglichſt Sorge zu tragen.

Schon 1760—70 gab bier Kurſchmied Ehrler Unterricht in dem Berjchneiden der Pferde, 1782 ſchickte der Markgraf die beiden Chirurgen Vierordt und Stupfer auf Staatsfoften nach Charenton in Frankreich zu ihrer Ausbildung in der Tierarzneitunde. Diefe wurden nach ihrer Rückkehr als Lehrer an der 1783 vor dem Rüppurrerthor

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errichteten Veterinärſchule angeftellt, und der eine derfelben, Vierordt, erhielt dabei die Leitung des Veterinärweſens im ganzen Lande. Ob- wohl aber Stipendien für Chirurgen ausgeworfen wurden, fo daß fie in Straßburg und Berlin die Tierarzneitunde ftudiren konnten, ging die Anftalt gegen daa Ende des Jahrhundert? mehr und mehr zurüd, und wurde erjt in der nächiten Beriode wieder gehoben.

In der Hofapothele war 1744 Joh. Klofe, der bisherige erſte Gehilfe, Nachfolger des verftorbenen Hofapothekers Greber ge- worden. Der Hofapothefer bezog bis dahin für fich und fein Perſonal die Koft aus dem Schloffe, und bezahlte dafür 400 fl. Das fürftliche Haus nebſt Hofdienern und Edellnaben erhielten ihre Arzneien unent⸗ geltlich. Schon 1740 wird ein vorderes und ein hinteres Laboratorium dajelbit erwähnt, 1745 und 1762 erjchien bei Madlot eine gedrudte Apotheferordnung. 1770, nach Klojeg Tode, wurde Joh. Ernft Bär jein Nachfolger, und 1805 folgte ihm Wilhelm Schridel.

1771 hatte Bär die Verköftigung feiner Leute jelbft übernehmen müffen, erhielt aber dafür vom Hof wöchentlich für feine Perjon 3 fl., für feine Gehilfen 2 fl., für Stößer und Magd je 1 fl. 30 kr., ſowie 6 Ohm Wein, 9 Malter Dinkel und 3 Malter Roggen. 1782 erhielt er als Aufbeſſerung an diefem Koftgeld für die Perjon 30 kr., nebſt 4 weitern Ohm Wein und 2 Malter Dinkel, und 1807 jein Nach— folger Schridel noch freie fFeuerung, die Unterhaltung einer Magd auf berrichaftliche Koften und 100 fl. Perſonalzulage.

Die erſte Stadtapothefe, jetzt die Sachs'ſche, jeit 1721 betrieben, 1724 privilegirt, ſeit 1726 durh Joh. Ernſt Kaufmann endgiltig errichtet, blieb beinahe 60 Jahre bei deſſen Familie, bis 1783 der Kirchenrat und Rektor Joh. Chriftian Sachs dem Hofrat Phyſikus Kaufmann in Durlach diejelbe für 15500 fl. abfaufte, feit welcher Beit fie bei der Sachs'ſchen Familie ift.

1791 erhielt 8. Veit Schridel, der Bruder des Hofmedikus, das Privilegium zur Errichtung einer dritten Apotheke hier, welche 1802 an Apotheker Sommerjchu überging.

Bon einzelnen medicinalpolizeilichen Verordnungen und Beſtim— mungen aus unferem Zeitraum führen wir noch an die 1759 erfolgte Anftellung von Hebammenmeiftern, die Hebammenordnungen von 1779 u. f., die Verordnung, daß angehende Chirurgen in Karlsruhe an tot gefundenen Unbekannten und an hingerichteten Verbrechern anatomijche Studien machen follten, eine Verordnung von 1767 über die Behand«

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lung Ertrunkener, eine ſolche von 1774, wonach neu geimpfte Kinder nicht auf öffentlichen Plätzen und in Gärten, ſondern nur in dem burch den Markgrafen hierzu geftatteten Erbprinzengarten umbergehen durften, 1786 über den Unterricht der Schüler der oberften Gym— nafialflaffe, der Eremten in der Anatomie durch Phyſikus Schweid- bardt, 1788 den Anleitungskurs des Hofoperateurs Duperrat zum Anlegen von wundärztlichen Verbänden, 1791 Vorleſungen von Zandt und Herbit für angehende Wundärzte, 1800 die Errichtung einer Impfanftalt in Karlsruhe, und in demfelben Jahre Berichte über das Auftreten einer heftigen Typhusepidemie, welche bejonder3 von dem Mühlburgerthor bis zur Ritterftraße viele Opfer forderte.

Daß auch die Quadjalberei und Marktichreierei damals ſchon ihr Weſen trieb und wohl auch Gläubige fand, beweist folgende Anzeige in dem Karlsruher Wochenblatt: „oh. Valentin Köhler, Harpfenift aus Heidelberg, welcher die Harpfe auf eine gejchidte Weile jpielet, und die evangeliichen Lieder, auch Pſalmen nach dem ſächſiſchen Choralbuch auf eine unvergleichliche Art dazu finget, jo daß Jeder, der ihn in's Haus zu fich wird kommen laffen, mit ihm zufrieden ſein wird, bietet allen reſp. Liebhabern feine Dienfte an. Diefer Mann bat auch eine befondere Gefchidlichkeit, Flecken aus Kleidern, e3 ſey von Farbe wie es molle, herauszubringen. Auch erbietet er fich, allen mit Zahnſchmerzen bebafteten Perſonen mit einem fichern und geichwinden Mittel den Schmerz nicht allein zu ftillen, fondern auch gänzlich zu heben, und zwar letzteres ganz unentgeltlich. Hohle oder ganz jchadhafte Zähne nimmt er aber nicht heraus, jondern überläßt diefe Kunſt billig gefchieteren Händen. Er logirt im Darmftädter Hof.“

Wir haben oben die beiden Doktoren 3. A. Eichrodt, Vater und Sohn, genannt. Da diejer Namen in mehreren Gejchlechtsfolgen dem ärztlichen Stande unjerer Stadt, und zum Teil bis in die. neuere Beit in hervorragender Stellung dem öffentlichen Dienfte des Landes angehörte, da derjelbe auch in der Literatur der Stadt nicht wenig vertreten ift, und die Träger deſſelben in den frühern Zeiten unjerer Stadt ala Befiger mehrerer Häufer dajelbft erjcheinen, fo ſei ung geitattet, teils zur Bekräftigung des Sprichworts: Galenus dat opes, teil3 um einen Einblid in den Beſtand eines nach jenen Anjchauungen wohlhabenden Hausweſens, und zugleich in das bunte Münzverhältnis jener Beit zu geben, bier ein aus den Akten erhobenes Verzeichnis

der Vermögenshinterlaſſenſchaft der beiden Doktoren Eichrodt, Vater und Sohn, mitzuteilen, wobei mir bemerken, daß die Alten des Großh. Generallandesarchives *) ein ganz ähnliches Verzeichniß über den Nachlaß des 1775 geftorbenen Dr. Sigm. Ernſt Kloſe enthalten. Dr. 3%. Andreas Eichrodt, 1738—47 Stadt» und Landphyfilus für Karlsruhe und Durlach, Hinterließ 1747 eine Wittwe, Anna Marg. Bogen und 5 Kinder. Als 1753 auch die 77jährige Wittwe ftarb, Hinterließ fie ein Haus, unten Stall, oben Wohnung, mit arten, Waſchhaus und Hof in dem Schloßzirkel neben Hauptmann von Löwenkron Wittwe und der Herrichaft, hinten an den Stadtzirkel ftoßend, für welches 1010 fl. erlöst wurden, ferner einen Garten im Sommerftrich, ſodann bar in Geld und Pretiofen: 520 alte franzö- ſiſche Louisdor A 8 fl., 22 doppelte & 16 fl., 12 halbe & 4 fl., eine ſpaniſche Dublone & 7 fl. 50 kr., ein Goldftüd von 5 Dulaten & 4 fl. 24 kr., einen boppelten holländiſchen Dukaten & 9 fl., ein Goldſtück von 10 Dukaten & 4 fl. 24 kr., 87 Stüd einfache überge- wichtige Dufaten & 4 fl. 30 fr., 2 Stüd doppelte & 9 fl., einen halben Dufaten & 2 fl. 15 kr., ein Goldftüd von 12 Dulaten & 4 fl. 24 fr., ein Stüd von 6 Dulaten & 4 fl. 24 fr., zwei Goldgulden & 3 fl., in einem Packet an Geld 50 fl., alte franzöfifche Sechs» und Zwölfkreuzerftüde für zuſammen 56 fl. 42 fr., 12 Stüd alte Gulden a 1 fl. 6 fr, 2 Stüd doppelte Gulden & 2 fl. 12 kr., eine Schau- münze & 1 fl. 12 kr., einen Brandenburger Halbgulden & 33 kr., eine Medaille 19'/, Loth, eine dto. von 5 Loth 3 Gr. & 1 fl. 12 kr., eine dto. von 97/, Loth, eine von der Belagerung Ryſſels, einen Florentiner Zohannisthaler, fünf Sorten Thaler & 1 fl. 12 kr., 3 befjere Sorten & 2 fl. 24 kr., einen Rößlinsgulden & 1 fl. 6 kr., einen alten dto. halben & 33 kr., in franzöfiichen 10- und 15-Kreuzer⸗ ftüden 8 fl. 20 kr., einen Züricher Thaler mit einem Ringlein, ein Schauſtück mit hebräifcher Ueberfchrift und Ringlein 45 !r., ein dto. mit einer Laterne, zwei Durlacher Medaillen, einen doppelten Basler Thaler vergoldet, ein ediges franzöfiiches Silbergeld, ein Stüd von 12 Bremer Grot & 18 kr., eine venezianishe Münze, fünf englijche Münzen, einen ſchwediſchen alten Viertelsthaler & 18 kr., einen dio. engliſchen & 18 fr., eine holländifche Münze & 50 kr, eine dto. ja- voyiſche & 30 kr., 129 fl. in 4'/,-Freuzerftüden, 13 fl. 51 fr. in

*) Generallandesarhiv Stadt Karlsruhe, Conv. 472—73,

Wa

Groſchen, 70 fl. 12 fr. in Batzen, 54 fl, in 12-Rreuzerftüden, 45 fi. in 17-Kreuzerftüden, 8 fl. in alten Dreibägnern und halben Baten, 9—10 fl. in anderer Meiner Münze. *)

An Kleinodien finden fich in der Hinterlafjenichaft goldene Hemd⸗ nöpfchen, eine goldene Kapjel, Ringe mit Sapbiren und Aubinen, Perlen, Granaten, fünf vergoldete filberne Becher, fünf vergoldete filberne Petichafte, 6 Stück filberne Efbeftede, eine filberne Salz büchſe, viele filberne Mefjer, Gabeln und Löffel, Weiberfchubichnallen, Babnftocherbüchschen, eine vergoldete Stoduhr von Meifing mit Weder und Kompaß, ein römijches Münzkabinet. Betten und Lein« wand in Hanf und Flachs waren jehr reichlich, und an Rapitalien 18449 fl. vorhanden.

Unter den fünf Kindern Eichrodt3 wurden drei Söhne Werzte. Der ältefte, Phil. Andreas, ftarb als Kandidat, der vierte Sohn, Ernſt Ludwig, wurde Landphyſikus in Pforzheim, der dritte aber, oh. Andre. Ludwig, war jchon 1753 Landphufitus in Durlach, wurde 1758 Stadt- und Landphufitus, Hofrat und Leibarzt in Karlarube und ſtarb 1766, 15. Januar, 47 Jahre alt. Seine Wittwe, Maria Katharina Heumann, beſaß, als fie am 22. Febr. 1767 ftarb, drei Häufer bier, ein zweiftödiges in der Kreuzitraße und dem innern Birkel, hinten an Hirſchwirt Braunwarth3 Garten in der Adlerftraße ftoßend, aljo jet Nr. 3 der Kreuzftraße, jodann ein neues, dreiftöciges im äußern Zirkel neben Buchhändler Madlot und fich felbit, welches Haus 1767 der Tochtermann, Hofrat Böckmann, ererbte, und ein drittes, ebenfalls dreiftöciges Zirkelhaus mit Garten neben dem vorigen und Hofrat Amtmann Boffelt, in beide Zirkel reichend.

Wein hatte die Wittwe im Keller 250 Ohm.

Zum geordneten Schuß gegen Feuersgefahr waren, wie wir oben ©. 94 ff. gejehen, jchon lange Feuerordnungen eingeführt. 1748 erjchien eine erneuerte Feuerordnung für die Hofdiener, ſowie für Stadt und Land, in welcher die Anjchaffung von Feuerſpritzen den Landgemeinden und Kirchjpielen zur Pflicht gemacht war. 1758 und 1761 wurde allen Hausbefigern die Brandverficherung ihrer Häufer befohlen, jedoch nur in der Art, daß im Falle eines Brandunglüds die Hausbefiger des ganzen Landes zujammenfteuern und dem Ver— unglüdten zum Wiederaufbau feines Haufes verhelfen mußten. 1763

*) Offenbar war Eichrobt ein Munzſammler.

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wurde bei Madlot die Baden-Durlachifche Feuerordnung gedrudt und an die pflichtigen Hausbeſitzer verteilt, deren Karlsruhe Stadt damals 362, das Dörfle 91 zählte, ohne die öffentlichen Diener. Infolge defien wurde nun Karlsruhe in 7 Notten oder Viertel, jedes unter einem Rottmeifter, eingeteilt; da8 Waldviertel mit weißer, das Herren- viertel mit grüner, das Bärenviertel mit gelber, das Adlerviertel mit roter, da3 Kronenviertel mit blauer, das Waldhornviertel mit rot und weiß quergeteilter Fahne und das Viertel Kleinkarlsruhe. Vergl. ©. 9%. Das erfte Viertel umfaßte die Waldftraße bis zu Forſtver⸗ mwalter Kiefer’3 Haus in der Herrenftraße, das zweite die übrige Herrenftraße und die Nordjeite der langen Straße vom Schwarzen Lamm bis zum Prinzenthor, das dritte die Ritter, Zamm-, Bären» und halbe Kreuzſtraße, die lange Straße vom Prinzenthor bis zur reformirten Kirche und den Marktplak, das vierte die übrige Kreuz- ftraße, die Adlerſtraße und die lange von der reformirten Kirche bis zum Rappenwirtshaus, das fünfte die Kronenftraße und lange Straße, vom Rappen bis zur Waldhornftraße, einjchlieplich das weiße Roß, das ſechſste die Waldhornftraße und die lange vom weißen Ochſen bis zum Drachen an dem Durlacherthor, das fiebente Kleinkarlsruhe.

Die Sammelpläße waren bei den drei Kronen, dem König David, dem Schwarzen Bären, bei Kaufmann Vogel, bei der Yudenjchule, beim Ritter und bei dem meißen Roß.

Bei allen Rotten hatte der zwanzigfte Mann mit Gewehr und auch das markgräfliche Militär, fomweit e8 wachdienftfrei war, auf der Brandftätte zu erjcheinen.

1770 erjchien eine bejondere Ordnung für den Fall eines Brandes in den fürftlichen Kanzleien. 1782 wurden die eriten Blikableiter eingeführt, und in derjelben Zeit dem Feuerverſicherungsweſen in Form einer allgemeinen Brandverficherungsfteuer für Stadt und Land durch herrichaftliche Verordnungen eine feitere Gejtalt gegeben.

8. Die Kirche.

Die Lutheraner. Die Stadtkirche war fertig, die beiden Pfarrhäuſer ftanden, das eine jeit 1720 in der Herrenftraße, das andere jeit 1731 neben der Kirche. Das erjtere, das Hofprediger- haus, war aber bald jo baufällig geworden, daß an ein anderes für

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ben Geiſtlichen gedacht werden mußte. Als daher das Haus des Kauf- mann Maffimo, jett Gafthaus zum Hirfch in der langen Straße als Pfarrhaus erworben worden war, zug Hofprediger Stein 1751 aus dem alten Haufe in der Herrenftraße in diejes neuerworbene, und das von ihm verlafjene blieb von da an Wohnung der Hof» und Stadtdiakone, nach dem Abbruch des Haufes an der Stadtkirche 1780 big 1803 auch des Stadtpfarrer3, und wurde erft in der nächften Periode verkauft.

Der Friedhof hinter der Kirche war fchon um 1740 Kleiner geworden, weil zwifchen dem Rathaus und Ratshof und dem Schul- haus ein Weg angelegt wurde, und diejer einen Teil des Schulgartens und des Friedhofes hinwegnahm; nad) Dften hin aber wurde der Friedhof dadurch vergrößert, daß 1742 der an ben Landgraben ſich erſtreckende füdliche Teil des Pfarrgartens, und 1764 au ein Stüd des Primavefischen Garten? dazu genommen würde. 1764 hatte nämlich die katholifche Gemeinde den über 2 Morgen großen Prima- vefischen Garten angelauft, welcher zwifchen der jegigen Zähringer- und Kreuzſtraße, hinter dem Kirchhof der Reformirten und den Gärten des Gymnaſiums lag, und fich bis an den Landgraben erftredte, aljo den ganzen Flächenraum umfaßte, auf welchem jet die weſtliche Seite der Kreuzftraße von Nr. 12—14, die Kirchgaffe, die Stadtkirche und die beiden Lyceumsflügel liegen. Diefen Garten nun hatten die Ka— tholifen für die Erlaubnis, ihr Bethaus in der Lammftraße neu aufzubauen, dem Gymnafium und der reformirten Gemeinde gejchentt, und den Teil diefer Schenkung, bis über die jeßige Kirchftraße hinaus, mußte das Gymnafium zur Erweiterung bes Friedhofes abtreten. Ende der 70er Jahre wurde der mweftliche Teil des Friedhofes, unfer jeßiger Marktplatz, verlaffen, und beißt der alte Friedhof, auf welchem nur noch ausnahmsweiſe beerdigt werden durfte. Die Grabfteine wurden auf den neuen verjeßt, und an die Wand geftellt, und im Auguft 1780 der alte Friedhof ganz gejchloffen. 1785 wurde das Anatomiehaus auf den neuen verjegt, jedoch fo, dak es vom Schlofje aus nicht zu jehen war, und 1790 von Hofrat Böckmann der Plan zum Bau eines Leichenhaufes empfohlen, welches aber, weil man die Sache dem Privatverfuch überlaffen wolle, nicht zuftande kam.

In der Stadtkirche jelbft mußten 1752 die verfaulten hölzernen Säulen durch neue erjet werben, 1759 kam ein Ofen in den fürft- lichen Stuhl und in die Sakriftei, deren Ziegeldach, weil e8 den Regen durchließ, neu gedect wurde. Die Kirche wurde nach und nach zu

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eng, fo dab der Markgraf auf die Idee am, einen fühlichen Anbau für die Schuljugend anzubringen.

1768 wurde von dem Herrn v. Nidda ein vergoldeter filberner Kelch, 1769 von dem Ratsherrn Reinwald ein zweiter, und 1783 von Rat Vierordt ein Eiborium für Krankenkommunionen geftiftet.

1791 mußte der Nachtwächter, um bie fog. Zumpenglode zu fäuten, noch in den Turm binauffteigen, weßhalb nun ein bis in die Kirche berabreichendes Glockenſeil für denſelben angebracht wurde.

In der Schloßkirche war eine neue Orgel notwendig ge- worden, deßhalb wurde am 6. Juli 1784 ein Vertrag für eine neue mit 25 Regiftern zum Betrag von 3300 fl. mit Orgelbauer Ferdinand Stiefel von Raftatt abgejchloffen, die Aufftellung derfelben unter Yuf- ficht des Hoflapellmeifters Schmittbauer, und von demjelben auch die Prüfung vorgenommen.

Begräbnifje fanden außer auf dem Friedhof, auch in der Stadtkirche ftatt, jo 1749 das des Überjägermeifterd von Geufau und 1753 der Hofdame von Geismar, doch wurden 1763 alle Be gräbniffe in den Kirchen für Durlach und Karlsruhe verboten. 1768 läßt der Markgraf für die Stadt einen Leichenwagen bauen. Da derjelbe aber auf das Gejtell eines Pritſchenwagens aus dem Marftall aufgejegt war, warf er bei den ohnehin jchlechten Wegen die Leichen bedenklich Hin und her und war fchon 1781 baufällig. Daher wurde am 9. November d. 3. befchloffen, einen neuen zum Anfchlag von 385 fl. 30 kr., mit federn anzufchaffen, für welchen Karl Friedrich abermals die Koften übernahm. 1780 war Wolfwirt Stüber Toten- wagenführer. 1794 ift fchon wieder ein neuer Zeichenwagen erforderlich, ber 1795 fertig wird. Hofjattler Reif verfertigt denjelben für 440 fl. Daran bezahlte das Stadtalmofen, zu deſſen Gunften der alte ver- fteigert worden war, 90 fl., den Reft mit 350 fl. die Landfchreiberet, d. h. die Staatskaſſe. Die Stadt felbft bezahlte nichts daran.

1782 erſchien eine Qeihenordnung. Die Beerdigungen jollten im Sommer morgens vor und abends nach 6 Uhr, im Win- ter morgen? vor 8 Uhr und abends mit Sonnenuntergang ge- halten werden, die Särge von Tannenholz ohne Stollen, mit gelbem Anſtrich fein, zum Preiſe von 45 fr. bis 3 fl., die Totenfleider ein- fach, von Glanzleinwand ohne Verzierung. Der Totengräber koſtet 30 fr. bis zu 1 fl., der Wagen 1 fl. für den Fuhrmann und 20 fr. in das Almoſen. Zu Kinderleihen dürfen nur 2 Wägen genommen

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werden. Die Taxen für den Geiftlichen betragen 30 fr. bis 1 fi. 30 kr., für den Meßner 30 kr. bis 1 fl., den Lehrer 45 Fr.

Stallbediente und Zünfte tragen ihre Toten.

1787 foll der Pla des alten, weftlichen Gottesackers ausgeebnet und gepflaftert werden, daher dürfen alle bis vor 10 Jahren Be- grabenen herausgenommen und in den neuen übergeführt werden, jedoch nur bei Nacht und Falter Witterung. So wurden 1787 der Kammer- präfident von Gemmingen, defjen Gemahlin und Sohn von dem alten in den neuen Friedhof verbracht. 1803 verjah die Wittwe des Toten- gräberd Brechtin durch einen Gehilfen den Totengräberdienit, als bejondere BVergünftigung, weil die Familie ihres Mannes jeit 70 Jahren dieſes Amt bejeflen hatte.

Bur Verheiratung von Qutheranern und Reformirten war im Anfang des 18. Jahrhunderts? noch die Zahlung einer Difpen- ſationstaxe von 30 fr. bis 1 fl. geboten, jet hörte dieſer Neft alter Intoleranz auf. 1739 war bejtimmt worden, daß Trauungen bei Strafe ſchon vor dem Sonntagsgottesdienjt, nicht erft nachher zu geichehen hätten, und zwar nur vor dem betreffenden Beichtvater des Brautpaares.

1748 wurde das Sektenweſen, namentlich das der Herrnhuter, verboten.

1749 wurden Kirhengebete zur Abwendung einer großen Heufchredienplage angeordnet, 1750 eine verbefferte Kirchenagende eingeführt, die Verbreitung der Bibel durch unentgeltliche Austei— (ung an Arme gefördert, und 1755 jelbft Hausvifitationen durch den Geiftlichen und einen weltlichen Drt3vorgejeßten angeordnet, um fich in jeder Familie von dem Vorhandenſein einer heiligen Schrift zu überzeugen.

1755 wird ein befonderer Militärgottesdienft eingerichtet, welchen anfangs die Stadtgeiftlichen zu verjehen hatten, bis 1763 KL. Fr. Specht vom Stadtvikar zum Militäpfarrer vorrüdte. Als diefer in Geiftesftörung fiel und entwichen war, trat Hofprediger Walz 1766 an feine Stelle, 1790 wurde Pfarrer Welper in Mühl- burg Militärpfarrer, 1793 Wagner von Niefern, 1797 Mebger. Am 30. Mai 1756 mwurde die Gedächtnisfeier der vor 200 Jahren eingeführten badiichen Reformation begangen, und in der Beit von 1756—65 die Anzahl der Kirchenfeſte dahin beichräntt, daß, außer unjern gegenwärtigen Kirchenfejten, nur noch Epiphaniä ala

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Tag der Erſcheinung Chrifti gefeiert wurde, und der Charfreitag als großer Buß⸗, Bet- und Danktag ein gebotener Feittag war. Außerdem war jeder legte Freitag, jeit 1794 in Karlsruhe, Durlach und Stein der legte Donnerstag des Monat3 ein Buß» und Bettag.

1756—57 ericheint eine Bfarr- und Schullandidaten- ordnung, 1768 eine Verordnung, daß Geiftliche und Schullehrer an allen bürgerlichen Nutungen gleich den Bürgern Teil haben follten, und e3 wird eine Art PBfarr- und Schullehrerjeminar errichtet.

1770 wird eine Konfirmationdordnung für das ganze Land, und 1780 ein neues Gejangbuch eingeführt, welches durch die hiefigen Stadtgeiftlichen in Verbindung mit Geheimrat Brauer und von Draiß bearbeitet, und durch den Sohn des hiefigen Hof- predigers Walz, den Hofdiaton Walz, einer jchließlichen Gejammt- redaktion unterworfen wurde. Daſſelbe enthielt an Liedern auch Beiträge von Lavater, Walz, Brauer und Drais. 1797 erſchien eine neue Kirhenratsinftruftion.

1741 ftirbt Kirchenrat und Generalfuperintendent Krüger, und Phil. Jak. Bürklin wird an deſſen Stelle berufen. 1746 wird Chri- ftof Mauritii*), Infpektor an der lateiniichen Schule in Halle a. S., als Profeſſor an das Gymnaſium hierher berufen, und in dem fol- genden Jahr, 1747, der Feldprediger des ſchwäbiſchen Kreisregiments, oh. Baul Kommerell, zum Hof- und Stadtdiakonus ernannt. Der- jelbe Hat 250 fl. in Geld nebſt Tafel, Logis, Holz, Wäfche, Licht und Bedienung bei Hof, welche Genüffe bei Hof aber mit 260 fl. abgelöst wurden.

1767 kommt Joh. Leonhard Walz, welcher ſchon 1742 hier Vi⸗ far, nachher Hof- und Stadtdiafomus, und von 1748—1767 Super- intendent mit dem SKixchenratstitel in Lörrach geweſen war, nad Karlsruhe als zweiter Hofprediger und Archidiakonus mit Sig und Stimme im Kirchenrat, wird 1771, nach Steins Tode, zugleich Stadt- pfarrer und Superintendent, 1789 Dberhofprediger und ftirbt am 8. September 1792. 1770 wird Wuguft Gottlieb Preufchen von Durlah Stadtdiafonus mit freier Wohnung, 1790 Hofdialonus,

) Mauritii wurde 1752 Hofprediger, Stabtpfarrer und Kirchenrat und fagte 1755 in einer Predigt zur Geburt des Erbprinzen, die Karlsruher hätten durch ihre Sünden verdient, daß Gott, anftatt ihnen einen Erbpringen zu geben, dad ganze fürftliche Haus hätte ausfterben laſſen.

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Stadtpfarrer und Kirchenrat und übernimmt 1791 für ben Oberhof- prediger Walz deſſen Delanatsgeichäfte für Stadt und Landamt. Preu- ſchen wird als ſehr begabter Mann mit reichen mathematijchen und technischen Kenntniffen gerühmt und ftarb als Stadtpfarrer 1808. Als 1771 Walz an Steind Stelle Stadtpfarrer und Superintendent wurde, erhielt Mauritii das Archidiatonat bei der Stadtkirche und wurde Sirchenrat und Superintendent für Durlach).

1786 wird Joh. Leonhard Walz, der Sohn des Oberhofpredigers von der Hoflapelle in Raftatt, hieher als Hofdiakon und Stabtpfarrer berufen, 1792 Hofprediger nach feines Waters Tod, 1794 Religions- lehrer des Prinzen Karl und der jüngern Prinzeffinnen und erteilt jämmtlichen Prinzeffinnen, fowie dem Prinzen Ludwig den Konfir⸗ mandenunterricht. 1796 wird er Kirchenrat, 1800 Oberhofprediger und Direktor der Kirchentommiffton und ftirbt den 8. Dezember 1817.

Als Anerkennung für feine Dienfte ſchenkte ihm 1809 Karl Griedrich das bisher von ihm ‚bewohnte Pfarrhaus, lange Straße Nr. 129. 1780 ift Welper Hofdiatonus, 1783 wird Hof- und Stadt vikar Joh. Fr. Gotth. Sache, Subdiafonus, 1785 Diakonus, erhält „ala Belohnung für die WVerdienfte feines Vaters“ 1788 eine Zulage und ftirbt 1844 al3 Kirchenrat und Dekan in Durlad).

1785 kommt der Sohn bes obengenannten Mauritii als Hof- und Stadtdialonus und Garnifonsprediger von Mühlburg bieber, ftirbt aber ſchon 1788 im Alter von 34 Jahren, 1792 wird Schmidt Hof- und Stadtdialonus, 1803 ftirbt in dem Pfarrhaus in der Herrenftraße Kirchenrat Stadtpfarrer Preufchen, und feine Töchter be- halten vorerft freie Wohnung in dem Haufe. Un Preuſchens Stelle fommt 1803 Chriftian Bernh. Godel von Emmendingen als Stadt- pfarrer bieber. |

In dem Kirhenratstollegium faßen unter andern 1747 von Koſeritz, Seubert, Boch, Phil. Jak. Bürkfin, I. Fr. Stein, 1758 v. Hahn, 1792 Brauer, Fein, v. Marſchall, Bougind, Böd- mann, Walz, 1795 M. Hugo, v. Bibra.

Fir die Hebung des Gottesdienftes war durch die Errich- tung einer Hofe und Kirchenmuſik geforgt, welche 1792 unter Kapell- meifter Schmittbauer, außer den erforberlichen Stimmen, Sopran, Tenor, Eontrealt und Baß, an Inftrumenten 9 Violiniften, 2 Ho- boiften, 2 Flautiverfiften, 3 SM larinettjpieler, 3 Bratſchiſten, 3 Violon⸗ celliften, 4 Fagottiften, 3 Eontrebafjiften und 6 Walbhorniften zählte,

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Wie wenig Vorficht damals bei Eheſchließungen ftattfand, be= weist ein Vorfall, in welchem 1796 ein beim Durchmarſch Bier zurüdgebliebener fFourier des Ansbachiſchen Küraffierregiments, Leop. v. Koller, die Tochter des hiefigen Bäders Kiefer heiratete und durch Walz getraut wurde, wobei, weil die Kinder katholisch werden jollten, das Ehepaar fich verpflichten mußte, niemehr hieher zurüdzufehren. Unmittelbar nach dem Hochzeitötage wurde aber Koller als Dejerteur verhaftet, und zudem ftellte fich heraus, daß derſelbe bereits verheiratet war, weßhalb die Ehe gerichtlich getrennt, und Koller wegen dop⸗ pelten Vergehens der Defertion und ber Doppelehe an feine Militär- behörde zur Beitrafung abgeliefert wurde.

Die Reformirten. Dem Bfarrer Burkarb folgte 1743 Ernft Ludw. Stüdelberger von Bafel, welcher 23. Nov. 1786 ftarb. Auf ihn folgte K. Christoph Kühlenthal aus Würrich im Spon⸗ beimfchen, melcher jeit 1775 deſſen Vikar gewejen, 1806 Kirchenrat wurde und 1818 ftarb. 1747, alfo fchon 25 Jahre nach dem Auf- bau, war die alte hölzerne Pfarrkirche baufällig geworden. Eine neue, welche zu 4027 fl. veranjchlagt war, zu bauen, reichten die Mittel nicht. Daher machte der thätige Pfarrer Stüdelberger 1749 den Vorſchlag, wie in Ludwigsburg durch die Reformirten gefchehen, eine Lotterie und Kollekte zu veranftalten. Doch kam dadurch das erforderliche Geld nur langſam zujammen. 1772 mußte die Gemeinde jich mit ihrem Gottesdienft in das Pfarrhaus flüchten, welches jelbft baufällig, aus welchem aber die Schule fchon früher entfernt worden war. Der Grundftein zur Kirche war zwar am 1. Sept. 1773 gelegt worden, aber e3 mußten neue Sammlungen veranftaltet werden, Karl Friedrich erteilte ihnen nicht nur unter dem 3. März 1774 ein Pa- tent dazu, fondern gab den Sammlern, Lukas Hch. Sauer und Phil. Herbſt auch Empfehlungsbriefe nach den Niederlanden, nach Kaflel, in die Schweiz u. a. mit. Auch der der reformirten Kirche angehörige Geheimrat Reinhard war dafür ſehr thätig. So brachte Sauer aus Holland 175 Dufaten und nachher 1500 fl. zufammen. 1776 war die durch den Baudireftor Müller aus rotem Gröginger Sandftein, in altfrangöfiichem Stil ausgeführte Kirche fertig. Karl Friedrich gab dazu jofort 500 fl. und drei filberne Kelche, 1778 zu Ehren feiner Mutter, und im Namen feines in Mühlburg lebenden Bruders 750 fl. als Grundftod eines Almojenlapital® und 1801 ſchenkte er ber Kirche eine Uhr und vier Gloden von Frauenalb, melche fie

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bisher, bei einer Bauſchuld von 5000 fl., noch nicht ſelbſt Hatten anichaffen Eönnen. Das Pfarrhaus an der langen Straße, obwohl ichon frühe jchadhaft, blieb als Wohnung des reformirten Pfarrers bi3 in unjer Jahrhundert herein bejtehen, die Schule aber wurde noch vor 1750 aus dem Pfarrhaus entfernt und kam in ein ein- jtödiges Gebäude unmittelbar hinter den an der Nüdjeite der Kirche ltegenden Kleinen Friedhof und das jüdliche Ende des Pfarrgartens, jo daß dafjelbe nicht nur einer Verlängerung der Kreuzitraße, jondern auch der Fortführung der jpätern Zähringerjtraße im Wege lag.

So blieb der Zuftand bis in die nächte Periode,

Noch lag, wie erwähnt, hinter der Kirche der Friedhof der teformirten Gemeinde. Als 1780 der lutheriſche Begräbnisplag mehr öftlich verlegt worden war, wurde derjenige der Reformirten gejchlofjen. Dabei verlangten dieje, daß der Friedhof ihr Eigentum bleiben jollte, daß fie zwar ihre Toten auf den neuen beerdigen, aber ſich das Recht vorbehalten wollten, ihre Honoratioren und die leßten der Familien auf dem alten zu begraben, und daß fie, wenn auf dem neuen gekränkt oder nicht al3 gleichberechtigt behandelt, auf den alten Friedhof zurückkehren fünnten. Daß darauf nicht eingegangen werden konnte, und die Verlegung dennoch erfolgte, ijt begreiflich.

Nah dem Anfall der baden=badijchen reformirten Grafichaft Sponheim harte man nicht mehr nötig, Geiftliche aus der Schweiz zu holen. 1775 wurde daher der vorgenannte, in der Grafichaft Sponheim geborene Kandidat K. Chrijtoph Kühlenthal als Vikar des alten Pfarrers Stüdelberger berufen, und 1786, nach dejjen Tode, jein Nachfolger. Er hatte zwar, nachdem er als Seeljorger an dem Sterbebette der Marfgräfin in Durlach fungirt hatte, jchon 1779 den Karakter ala Pfarrer erhalten, jeine Bejoldung belief fich aber, außer der Wohnung in dem Pfarrhaufe und der Hälfte des Gartens, kaum auf 200 fl. 1797 wurden abermald3 Sammlungen für ein Pfarrhaus angejtellt, wozu Karl Friedrich 50 fl. fteuerte, doch werden wir erjt in der nächjten Periode von dem Bau eines joldhen zu berichten haben. Bon da an wurde der Geiftliche durch den Markgrafen ernannt und größtenteils bejoldet. Das an der Spike der Gemeinde ftehende Presbyterium bejtand 1770, außer dem Pfarrer, aus den Gemeindegliedern Kriegsrat Adam, Obergärtner Saul, Gmehl, Schwind, Würk und Reuther.

Die Katholiken. Als Karl Friedrich mit 18 Jahren zur

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Regierung kam, ſchmückten auch die Kapuziner, zwei Patres und ein Laienbruder, ihre Wohnung mit Kränzen, finnbildlichen Darftellungen und Infchriften. Nachdem fie 1743 unter den Adminiſtratoren eine Ohm Wein und 2 M. Dinkel bezogen hatten, erhielten fie von Karl Sriedrich 1749 ftatt einer zwei Ohm Wein, und auch von Baden— Baden 1 Fuder Wein und 6 M. Korn. Zu ihren fünf Vorftehern gehörten noch bis 1765 Kaufmann Mallebrein, Hofichloffer Hugeneft und Werkmeifter Berfmüller, 1770 auch Gartner und Karner. Die für Kirche, Schule und Wohnung ihnen angewieſenen Räume an ber Ede der Lammftraße wurden, weil ganz von Holz, nad) und nad baufällig, und waren ohnedies für die zuweilen bis 2000 betragende Zahl der Kirchenbefucher zu beſchränkt. Als Karl Friedrich 1750 nach Italien reiste, baten fie daher, er möchte ihmen entweder den urjprünglich dazu bejtimmten Play an der langen Straße, welcher damals noch Kirchenplag hieß, jo weit diefer noch frei war, oder einen andern zum Weberbauen überlafjen.

Dieſes Lebtere geſchah, da fie aber feine Mittel zum Bauen hatten, fam e3 vorerjt nicht dazu. Wenn ihnen aber auch auf folche Art Hilfe und Vorſchub geleiftet wurde, in Bezug auf die ihnen zum Beſtand als religiöje Gemeinjchaft erforderlichen Rechte und Befugnifje konnten fie noch lange nicht zum Biel kommen. Noch immer follten die Kapuziner bei ihrem Eintritt jenen Never unter- ichreiben, in welchem fie das ihnen gewährte Recht gottesdienftlicher Funktionen al3 veine, jederzeit widerrufliche Gnadengabe des Fürſten erklären mußten, und Karl Friedrich hielt ftrenge darauf. Noch immer bedurften gemijchte Ehen des amtlichen Diipenjes, und für die Kinder derjelben war nur die evangelijche Kindererziehung geftattet, noch immer waren Ehen von biefigen Katholiten mit auswärtigen Slaubensgenofjen verboten, wenn die Eheleute fich hier niederlaffen wollten. 1751 bittet der Kapuzinerpräſes von Bruchjal, hier drei Rapuzinerpatres anftellen zu dürfen, da der LZaienbruder zu Haufe für die Küchen- und andern Arbeiten, zwei Patres zu geiftlichen BVerrichtungen, und ein dritter zum Terminiren auf dem Lande nötig jeien. Der dritte Kapuziner wurde geftattet, zwar nur für die Seit des Jubiläums, blieb aber dennoch auch nachher. Aus dem Jahr 1753 erwähnen wir einen Fall, der die Erziehung der Kinder betrifft. Es hatte nämlich ein Qutheraner, Namens Vohl, eine katholiſche

Frau geehlicht, und ala dieje ftarb, wollte da3 noch von der Mutter 18*

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und deren Beichtvater dahin inftruirte Töchterchen nicht evangeliſch erzogen jein und floh zu den Sapuzinern. Da gab e3 Aufregung in der Stadt und ftrenge Unterfuchung. Es wurde den Kapuzinern durch den Hofmarfchall von Gayling unter der Androhung, ihnen das Hofgratial und das Holz zu entziehen, und den Gottesdienft zu jchließen, anbefohlen, innerhalb einer Woche das Mädchen auszu- liefern, und fie mußten Gehorjam leiſten. |

1760 mußte der kath. Weihnachtsgottesdienft durch einen Poſten von fünf Mann von der Schloßwache vor dem Pöbel geichügt werden.

Doh begannen mit dem jechziger Jahren befjere Zeiten für die Katholiten. Karl Friedrich war zwar dem Bau einer eigenen neuen Kirche noch abgeneigt, geftattete ihnen aber den Bau eines maffiven Haufes auf dem alten Pla. Grund und Boden jollte herr- Ichaftliches Eigentum bleiben, und auch die freie Verfügung des Markgrafen über das Necht katholischer Religionsübung nicht dadurch aufgehoben werden. Sofort wurde in der Stadt und außerhalb für den Bau gejammelt. Aus dem Breisgau, von Bruchſal, aus der Pfalz, dem Sponheimſchen, aus Deftreih und Baiern, den Bis- tümern Baſel, Konftanz, Speier flofien Gelder herbei, der Fürft von Lichtenftein gab 100 fl., der Biſchof von Bajel 16 Louisdor, der von Bruchſal, Kardinal von Hutten, 1200 fl., es wurden möchent- liche Kirchenopfer dazu erhoben, und als 1765 der Biſchof von Speier ihnen noch für 35000 fl. das nebenan in dem Zirkel liegende, an den Garten des Anferwirtshaufes ſtoßende Haus gekauft hatte, fonnte am 26. Juli 1765 der Grundftein zu dem Bau gelegt werden. In die vordere Ede wurde die durch zwei Stockwerke gehende Kirche gebaut, an welche da3 Haus des Kammerdiener? Teichmann, jebt Nr. 3 der Lammitraße, anftieß, und für die Kirche eine Orgel für 300 Fl. angeichafft. In das von dem Biſchof von Speier gefaufte Haus kam die Schule, jowie die Wohnung für Geiftliche und Lehrer. Den 6. Juli 1765 wurde die Kirche eingeweiht, und die Wohnung konnte den 3. Sept. bezogen werden. Während des Baues hatten die Katholiken für ihren Gottesdienft eine dem Apotheker Bleidorn gehörige Scheune bier gemietet. 1768 erhielt der Markgraf durch den Biſchof von Bruchjal ein vom 6. April datirtes, äußerſt aner- fennendes und verbindliches Dankjchreiben des Papſtes Clemens XIL. für die den Karlsruher Katholiten erteilte Bauerlaubnis. In dem gleihen Jahre 1768 murde den Katholilen auch die Berechtigung

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zur Benutzung des ftädtiichen Spitals geftattet. Durch den Anfall von Baden-Baden hatte ſich von 1772 an die Zahl der hier woh— nenden Katholiten, bejonder8 katholiſcher Staatsdiener vermehrt. Dennoch bejaßen diejelben noch nicht das Recht öffentlicher Religions» übung, ihr Gottesdienft war auf das Innere der Kirche beichränft, und es war ihren Geiftlichen nicht geftattet, außerhalb derſelben irgend eine religiöje Verrichtung vorzunehmen. Die evangelischen Stadtvikare hatten die Beerdigungen abzuhalten, und auch die Taufen und Trauun- gen in die evangelischen Kirchenbücher einzutragen. Daher baten 1772 die Katholiken bier, ihren Geiftlichen folche pfarramtliche Verrichtungen auch außerhalb der Kirche zu gejtatten, weil für diefen Fall die Mark— gräfin Maria Viktoria von Baden ihnen ein Kapital verſprochen habe. Sie Hagten, fie jeien noch jchlimmer daran als die Juden mit ihrem Gottesdienft, fie feien eigentlich mit demjelben in die Mauern eines Privathaufes, ftatt einer Kirche eingebannt u. |. w. Vor der Hand wurde ihnen, bejonders weil der Regierungs- und Kirchenratspräfident von Hahn dagegen war, nicht willfahrt, 1777 aber wurde ihnen durch Karl Friedrich gewährt, Taufen und Trauungen auch in den Häufern vorzunehmen und Leichen abzuhalten, welche jedoch immer noch zum Eintrag in die evangelischen Kirchenbücher anzuzeigen waren, und wozu die beteiligten Verwandten ſtets um fpezielle Erlaubnis ein- fommen mußten. Die betreffenden Scheine konnte der Kapuziner ausstellen, die Stolgebühren aber blieben den evangelifchen Geiftlichen. Da auch unter dem Militär Katholifen waren, wurde diejen von dem Markgrafen befohlen, ihren Gottesdienft regelmäßig zu befuchen und Dfterbeichte zu halten, auch die Kinder der Katholiten zum Beſuch der katholischen Schule angehalten.

Für die Soldaten überhaupt war ein eigenes Kirchenbuch ange- legt, und in diejes wurden auch die fatholischen Soldatentinder ein- getragen.

Dbwohl nun die Katholiten ein eigenes Gotteshaus beſaßen, jo Konnte ihnen dieſes auf die Dauer nicht genügen. Die Patres hatten, teil3 zum Zweck der Ausftattung ihrer damaligen Kirche mit den erforderlichen Baramenten und Ausihmüdungen, teil für den künftigen Neubau eines Gotteshaufes, jchon vom Anfang an eine Kaffe aus freiwilligen Beiträgen errichtet. Die alte Markgräfin Maria Viktoria ließ durch die Maler Melling und Haumüller zwei Delbilder für die Kirche malen, der Papſt gab die nötigen Kirchen:

——

geräte, die Markgräfin Sibylle, der Markgraf Auguſt Georg, die Aebtiſſin von Frauenalb, ein Fräulein von Turn und Taxis in Mannheim u. U. ftifteten Gaben und Legate, und jelbft von den in der Gegend von Karlsruhe ftehenden franzöſiſchen und deutſchen Truppen hatten einzelne Dffiziere und Soldaten beigefteuert. Bis 1760 hatte die Kirche auf diefem Wege jchon 80 Stück verjchiedene Kirchenparamente erworben.

Der Ertrag des Klingelbeuteld wurde ala Gehalt für den Lehrer verwendet, reichte aber dazu nicht aus.

Daß die Erlaubnis, öffentliche pfarramtliche Handlungen vor- zunehmen, wie e8 1777 geftattet worden war, nicht immer gegeben, vielleicht auch nicht immer verlangt wurde, namentlich von dem Hofe naheftehenden Perſonen, erjehen wir aus einer Nachricht von 1785, nach welcher bei katholiſchen Hofdienern noch öfter evangelische Geift- liche, ftatt der Katholischen, Taufen, Trauungen und Beerdigungen abhielten, wovon die Hof- und Stadtvifare die Gebühren bezogen. Doch kam dies immer feltener vor. 1787 waren über 1500 Katholiken bier. Die Kapuziner, drei Patres und ein Latenbruder, deren Ein- nahme bis 1772 aus 2 Ohm Nachtiſchwein, 2 M. Dinkel, 25 Pfund Stodfiihen, 25 Pfund Laberdan, 10 Pfund Schmalz, 10 Pfund Butter, 12 Meß Holz beftanden hatte, aber 1785 um eine Ohm Wein, 2 M. Dinkel und? 2 M. Korn vermehrt morden war, erhielten 1803 weiter 2 RI. Holz, 4 Ohm Wein, 2 M. Korn und 60 fl. in Geld. An Stiftungen zu Seelenmefjen erwähnen mir aus jener Zeit von Friedburga Mone 50 fl., von Spreng® Erben 100 fl., von Meßner N. N. 100 fl., von Rud. von Berfheim 150 fl.

Die Katholiten nahmen im Verhältnis des Wachstums der Katholischen Unterthanen auch in der Refidenz zu, und doch waren fie immer noch auf ihr einfaches Bethaus ohne Gloden angewieſen. Diefem Zuftand machte Karl Friedrich endlich, wie wir im der nächiten Periode jehen werden, 1804 durch die Gründung einer vollberechtigten katholiſchen Pfarrei, und darauf folgenden Bau eines wirdigen Gotteshaujes ein Ende.

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9. Bidungsanflalten,

Die Volksſchule. Auf dem Lande war es mit der Schule, auch in unferer Periode, noch immer jchlecht beftellt. Noch war dem Lehrer gejtattet, neben feinem Dienft irgend ein Gejchäft zu treiben, wie denn der Schulmeifter von Wolfartäweier um 1740, welcher zugleich Zehntknecht und Nachtwächter war, zu vielfachen Klagen An- laß gab, „er ftehe zu ſpät auf, ſchlafe in der Schule, könne feinen Brief leſen“ u. dergl., noch diente der Lehrer dem Pfarrer als Brief- träger und mußte den Pfarrſynoden anwohnen, um da die dienftliche und perjönliche Cenſur über fich ergehen zu Iaffen.

Nicht viel bejjer jtand e3 in den Städten. Noch 1750 u. ff. zogen bei dem Weihnachtsgeſang der Präceptor des Gymnafiums und die Schullehrer mit ihren Schülern, welche bunte Laternen, den transparent=erleuchteten Stern der Weifen und eine Sammelbüchje um- bertrugen, fingend und jammelnd von Straße zu Straße.

Für dieſen Gejang erhielten, außer den Sammelgeldern, die Gymnaſiumsſchüler als erjter Chor 2 fl., die evangel. Voltzjchüler 1 fl. 30 fr., die reformirten 1 fl., die aus Klein-Karlsruhe 1 fl., welches Geld die Landjchreiberei zu zahlen hatte. Die Gelder der Sammelbüchien wurden nach Verhältnis verteilt. Da aber der Ver— brauch deſſelben bei den Schülern zu allerlei Unfug Anlaß gab, wurde 1791 diejer Weihnachtsgejang bier aufgehoben, und ber Präceptor des Gymnaſiums erhielt als Entihädigung dafür 20 fl., die luth. Schule 50 fl., Klein-Karlsruhe 45 fl. und die Reformirten 25 fl. aus der geiftlichen Verwaltung.

Die Disciplin in der Schule wurde noch durch reichliche Prügelftrafen, Ejeltragen, Knieen auf jcharflantigen Hölzern u. dergl. gehandhabt. In Klein-Karlsruhe hatte jedes Kind im Winter ein Scheit Holz zur Heizung mitzubringen, bis 1754 die Gemeinde das Brennholz für die Schule lieferte.

Da die Pfarr- und Schuljtellen allenthalben ſchlecht bezahlt und viele Schulhäujer zu bauen waren, gab Karl Friedrich 1749 500 fl., 1754 weitere 1500 fl. jährlichen Staatszuſchuß zur Grün— dung eines Schul» und Pfarrmeliorationsfonds, aus welchem die Pfarrbejoldungen auf mindejtens 220 fl., die Zehrergehalte auf 70 fl.

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erhöht, und Beiträge zu Schulhausbauten an die Gemeinden geleiſtet werden follten, und 1772 war dieſer Fond auf 32380 fl. ange- wachen. Auch wurden feit 1743 jährlich zwei Kirchenkollekten für Schulhausbauten erhoben, bis 1758 die eine derjelben für Kir- chen⸗ und Pfarrhausbauten, die andere für Schulhäufer beftimmt wurde.

In Karlsruhe baute die geiftliche Verwaltung die Schulhäufer, in Müblburg und Friedrichsthal unterrichteten die Lehrer in ihrem eigenen Haufe, in Deutfchneureut, Schrödh, Linkenheim, Hochftetten, Staffort auf dem Rathaus, Rüppurr hatte ein, jedoch ſehr jchlechtes, Gemeindefchulhaus. 1754 wurde durch einen SKirchenratserlaß den Lehrern verboten, als Hochzeit3einlader zu dienen.

1752 batten die Karlsruher Schupbürger ohne Häufer neben der gewöhnlichen Kopf- und Gemwerbefteuer noch 2—4 fl. Schulgeld zu entrichten, wurden aber auf ihre Beſchwerde darüber 1753 vom Schulgeld und 1754 auch von der Gewerbefteuer befreit.

Für Schulverfäumniffe und nicht angejchaffte Schulbücher, ſowie für jaumfelige Ortsvorgeſetzte wurden Strafen in Geld angefeht, jeden Monat Brüfungen durch die Geiftlichen, und jedes Vierteljahr im Beifein der Gemeindevorfteher die Austeilung von Fleißprämien vor= genommen.

1756 erſchien eine Verordnung über die Vorbildung der Lehrer. Dieſelben ſollten bei einem tüchtigen Pfarrer oder Lehrer, deren 2—4 in jeder Didceje bezeichnet wurden, wenigſtens ein Jahr lang Unterricht nehmen und fich dann mit einem Zeugnis des Spe- zials (Dekans) verjehen, bei dem Sirchenrat zur Prüfung melden. Die 1757 erichienene Schulfandidatenordnung verlangt von demjelben, daß er lejen, orthographiſch und kalligraphiſch jchreiben, die Orgel fpielen und in der Religion, im Gejang, im Rechnen, der Geometrie, deut- ſcher Grammatit und deutjchem Aufjag unterrichten könne. Vergl. Gerftl. Sammlung I. 164. Das Rechnen war zwar jchon vor 1750 als ein Gegenftand des Schulunterrichtes, bejonder8 in den Städten, doch nicht allgemein eingeführt, und namentlich bejtimmte erft 1769 eine Verordnung, daß auch die Mädchen Unterricht darin erhalten follten, ſchlecht ſah es aber jedenfalls auch hier mit dem Nechenunterricht aus, da 1758 der Hofprofurator Daniel Dimpfel, welcher fich anbot, für 45 fr. vierteljährlich Knaben und Mädchen

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täglich eine Mechenftunde zu erteilen, ſich als bejondern „Rechen⸗ meifter“ ankündigte.

In dem 1756 herausgegebenen Lehrplan für die Schulen wurde beftimmt, daß der Wor- und Nachmittagsunterricht mit Ge— fang und Gebet eröffnet, der Katechismus erflärt, und alle Kinder vom 6. Jahre an im Lefen, vom 8. an auch im Schreiben und Rechnen Unterricht erhalten follten. Das fchulpflichtige Alter wurde vom 6. bis 13. und 14. Jahre feftgejegt. 1765 wurde auch in ber Karlsruher Didcefe der. von Spezial Walz in Lörrach ausgearbeitete Schulſchematismus eingeführt, welcher die Schüler in drei Klaſſen abteilte, allgemein Vor⸗ und Nachmittagsunterricht vorjchrieb und 12 Wochen Ferien einführt. Vergl. Gerftl. I. 215 ff.

1766—68 wurden die Sonntagsjchulen ala Fortbildungsjchulen für die der Schule Entlaffenen, und die Chriftenlehre für die konfir- mirte Jugend bis zum 18. Jahre angeordnet, und in ber gleichen Zeit 1767 auch der Unterricht in der praktiſchen Geometrie mit vier MWochenftunden in den Lehrplan aufgenommen, wobei jedoch Lehrer über 50 Jahre von dem nachträglichen Erlernen dieſes Lehrgegen- ftandes dispenfirt wurden, da derjelbe erft ſeit 1757 unter die Lehr- gegenftände der Schulfandidaten aufgenommen worden war.

1768 wurde der Anfang mit einem Lehrerjeminar gemacht. Es wurden vorerft zwei tüchtige Schulfandidaten jährlich auf Staat3- koften hieher berufen, welche an der Stadtſchule zu ihrer praktiſchen Ausbildung mitarbeiteten, und zugleich an dem Gymnaſium und bei einzelnen Lehrern defjelben Unterricht in der Glaubenslehre, Sitten- lehre, Katechetit, Gejchichte, Geographie, Naturlehre, Mathematif, Mechanik, Baukunft, im architetonischen Zeichnen, der Kalligraphie, Orthographie, dem Briefichreiben, Klavier und Orgelſpiel und Choral» gejang erhielten. Außer diejen zwei Stipendiaten nahmen auch andere Kandidaten auf eigene Koften Anteil. Durch Stiftungen, wie diejenige der Frau von Pelke in Durlach, konnte die Zahl der Stipendiaten auf jech3 vermehrt werden, jo daß 1780 bereit? über 80 Lehrer aus diefer Seminarbildung hervorgegangen waren, und die jog. „Schul⸗ halter“, Lehrer mit Handwerfabetrieb immer jeltener und mehr und mebr auf ländliche Nebenjchulen bejchränft wurden.

Auch zur Seiden- und Obftbaumzucht wurde den Seminariften Anleitung gegeben. 1792 wurde durch Seminariften auch an der 1791 gegründeten Nebenjchule in Gottsau unterrichtet. Nach dem An-

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fall von Baden-Baden wurde, außer dem evangeliichen Seminar in Karlsruhe, ein Fatholifches in Baden, und jpäter in Raftatt in ähn- licher Weije wie in Karlaruhe mit dem Gymnafium in Verbindung gebracht. 1789 erhielten die Karlsruher Schulfeminariften das nötige Brennholz.

1769 wurden die erjten gedrudten Schreibvorlagen einge führt. Auf dem Lande, wo noch um dieje Zeit vielfach der Wander- tiſch für die Lehrer beftand, bezahlten von nun an die Gemeinden 3. B. in unjerem Bezirte 48—52 fl. Koftgeld an diejelben, und das jährliche Schulgeld wurde von 27—45 kr. auf 45 kr. bis 1 fl. er höht. Für Haltung der Sonntagsſchule wurden dem Lehrer 3—4 fl., für das Orgelſpiel je nach den Mitteln der Gemeinde, 4—20 fl. ausgeworfen.

1788 wurden auf dem Lande jog. ökonomiſche Schulen und Nachtichulen eingeführt.

1797 wurde durch eine Kirchenratsinftruftion eine größere Ein- heit in der bisher immer noch jehr von einander abweichenden Ein- richtung der Landesjchulen hergeftellt und ernftlicher auf fertiges Leſen, Schreiben und Rechnen, insbejondere audy auf Kopfrechnen, jowie einen guten fchriftlichen Aufjat gedrungen, wobei auch andere nügliche Kenntnifje nicht vernachläffigt werden jollten. Die jährlichen Schulfonferenzen unter dem Vorſitze des Speziald traten an die Stelle der früher hierin maßgebenden Pfarriynoden.

Die Anjtellung des Lehrers erfolgte durch den Kirchenrat auf Borjchlag des Speziald und des Oberamtes, wobei jelten Ausländer, für welche eine ftrengere Prüfung vorgejchrieben war, eine Anjtellung im Lande fanden. Auch zwiſchen dem badijchen Ober- und Unterland war der Lehrermwechjel nicht häufig. Um das Jahr 1800 mar die geringfte LZehrerbejoldung außer jeinen Nebeneinkünften, Wohnung, Nugungen u. dergl. 120 fl.

Ein großes Verdienft um die Entwidlung des Schulweſens in unferer Periode erwarben fich Geheimrat Seubert und Staatsrat Brauer, zwei auch in anderer Beziehung um das Land wohlver: diente Männer.

Für die Lehrerwittwen und Relikten war jebr arımjelig geforgt. Eine 1760 errichtete Lehrerwittwenkaſſe, in welche der Lehrer einen Kreuzer vom Gulden feiner Bejoldung einzahlte, ergab anfangs 7 ft. 30 kr, 1773 12 fl. und 1779 15 fl. Wittwengehalt, ähnlich

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ftand es auch mit der 1792 errichteten Wittwenkaffe für katholiſche Lehrer.

Nach dieſer mehr allgemeinen Darſtellung kehren wir zu unſern ſpeziellen Karlsruher Schulverhältniſſen zurück.

Wir haben in dem vorhergehenden Abſchnitt die Berufung des Lehrers Glaſer von Grötzingen hieher im Jahr 1727 gemeldet. Unter ihm wurde die Schule, wie es heißt, ſchlecht beſucht, und als er 1745 geſtorben war, folgte ihm als Schulmeiſter und Stadtorganiſt ſein Sohn J. Martin Glaſer, welcher indeſſen ſchon nach ſechs Jahren, Mai 1751, im Alter von 36 Jahren ſtarb.

Die Schulkinder waren, was in Durlach ſchon ſeit 100 Jahren der Fall war, hier in Karlsruhe bis dahin noch nicht nach Geſchlech— tern getrennt. Der Tod Glaſers veranlaßte dieſe Trennung. Es folgte ihm nämlich 1751 Gg. Nik. Fiſcher, gebürtig aus Koburg, welcher, obwohl nicht eigentlich zum Lehrer herangebildet, doch bald eine ſehr erſprießliche Wirkſamkeit als Knabenſchulmeiſter hier entfaltete, und auch als tüchtiger Zeichner und techniſch gebildeter Mann, ſowohl durch anderweiten Unterricht als Lehrer am Gymnaſium, wie ala Privatlehrer, als auch inabejondere durch DVerfertigung ſehr ſchöner Pläne der Stadt Karlsruhe ſich ein dankbares Andenken der Nach— welt verdient hat. Derjelbe jtarb 1795, alfo nach 4öjähriger Wirk: ſamkeit.

Fiſcher wurde, wie ſchon erwähnt, Knabenſchullehrer, und die ſchon ſeit einiger Zeit beabſichtigte Trennung der Knaben- und Mäd— chenſchule geſchah dadurch, daß nun die Mädchenſchule der Wittwe des verſtorbenen Lehrers Glaſer übertragen wurde. Behufs dieſer Trennung wurde das Schulzimmer durch eine Riegelwand abgeteilt, und ein weiterer Eingang für die Mädchen angebracht. Knaben- und Mädchenſchule blieben aber bis nach 1800 in einem Gebäude. Die Wittwe Glaſer erhält als Gehalt das Schulgeld von etwa 100 Mädchen.

Fiſcher hatte bei ſeiner Ernennung hieher an Beſoldung erhalten freie Wohnung, 35 fl. Geld, 3 Mltr. Roggen, 5 Mltr. Dinkel, aus dem Almoſen 20 fl., welche der Schullehrer von Klein-Karlsruhe vor- dem für die armen Kinder aus der Stadt bezogen hatte, 10 fl. für da3 von der Schule an den Gottesader abgetretene Gärtchen, 5 Klftr. Holz für ſich und 6 Klftr. Schulholz, das Schulgeld, von ca. 60

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Knaben, 50 fl. an Hecidenzien von Leichen, Hochzeiten, 50 fl. von dem Weibnachtägefang und 12 fl. für den Drganiftendienft, Summa 187 fl. 30 k.

Dem Schulmeifter von Klein-Karlsruhe wurde das Unterrichten der armen Stabtlinder verboten. Nachdem 1761 die Mädchenlehrerin Glaſer geftorben war, folgten die Mädchenlehrer in nachitehender Reihe: 1761 Chriftoph Niedel von Pfebdelbah im Hohenloh- jchen. Wieder nur auf das Schulgeld von 170 Mädchen angewieſen, erhält er aber, da er einen Gehilfen, Provifor, halten muß, 1764 das ſog. Heine Koftgeld mit 26 fl. nebft 2 Mitr. 4 Sri. Roggen, 5 Mitr. Dinkel, 5 Ohm Wein. 1765 folgt auf Riedel der Provijor Chriſtoph Doll von Schopfheim hier ala Mädchenlehrer, welcher auch Beichenunterricht gab, und 1770 den Titel Präceptor erhielt. Im Jahr 1774 wurde der Schulmeifter Kaiſer von Zutjchfelden als Mädchenlehrer nach Karlsruhe beftimmt, da er aber einen Pro- vifor halten und wöchentlich, außer feinen regelmäßigen Schulftunden, 6—8 Stunden in Arithmetif, Geometrie und Mechanik für Profef- fioniften u. A., auch den Mädchen, wie Doll gethan, Beichenunter- richt geben foll, lehnt er die Stelle ab, und e8 wird der Schulfemi- narift Johann Erad von Hügelheim 1764 hHieher ernannt. Diefer hielt num auch den von Kaifer verlangten Unterricht, eine Art Real- ſchule, Gewerbejchule, auf dem Rathaus, worin er Gewerbagehilfen und Lehrjungen, ſowie andere Bürgerföhne in Rechnen, Geometrie und Schreiben unterrichtete. Nach Erads Tode wurde 1790 fein bis- beriger Provifor Joſ. Gerbel von Ichenheim fein Nachfolger, wel- cher auch den bisher von Kammermufitus Kramer gegebenen Klavier- unterricht der Seminariften leitete, und acht Stunden Schreibunter- richt an dem Gymnafium erteilte. Gerbels Nachfolger wurde Wagner. An der Knabenſchule ftand feit 1751 G. N. Fiſcher, welcher jchon 1761 den Titel als Präceptor erhielt. 1794 erkrankte Fiſcher und zwei Seminariften, Gg. Bernh. Haag und Link, verjahen feine Stelle bis zu feinem 1795 10. September erfolgten Tode. Ihm folgte der Mädchenlehrer Wagner, welcher aber nur bi3 1800 an der Knaben- ſchule blieb und dann wieder an die Mädchenichule überging, mo wir in der nächiten Periode ihn wieder finden werden. An der Knaben- jchule wurde 1800 der frühere Schulverwalter Gg. Bernh. Haag Wagners Nachfolger.

Die Knabenſchule ftand noch neben der Kirche, die Mädchen-

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ſchule ſeit 1770 in dem Quadrat zwiſchen Lammſtraße, Hebel⸗ und Zähringerſtraße, Hinter dem jetzigen Rathaus.

Neben der lutheriſchen Schule beſtand die der Reformirten und Katholiken. Bon letztern, deren Unterricht jeit 1748 in ihrem Haufe, Ede der Lammftraße und des Zirkels, meift durch Kapuziner beforgt wurde, finden wir 1792 auch einen Schulmeifter Roll er- wähnt. Die Reformirten hatten ebenfalls ihre eigenen Lehrer, fo 1751 bis 1781 einen Peter Lefort, welcher für den franzöfiichen Unter⸗ richt bei den Edelknaben 100 fl. bezog, und 1790 3. Pet. Wolf, noch 1824 bier. Doch bejuchten auch reformirte Kinder die lutheriſche Schule, und, obwohl jeltener umgekehrt, lutheriſche die reformirte.

Die Schülerzahl der Evangelijchen betrug 1761 in der Stadt 61 Knaben und 132 Mädchen, in Klein-Karlsruhe 60 Knaben und 33 Mädchen. Unter diefen Schülern hatten Einzelne bis 154 Schulverfäum- niffe in einem halben Jahre. Bei den Prüfungen erhielten die erften 12 Knaben und die erjten 20 Mädchen 1 fl. ala Prämien verteilt, fo daß die Knaben jeder 5 fr., die Mädchen 3 fr. befommen. Weden wur- den an alle Schüler ausgeteilt. Aehnlich wurde es in Klein-⸗Karlsruhe gehalten, wo aber unter die 20 erften Schüler 44 fr. ald Prämie verteilt wurden. 1800 betrug die Schülerzahl in der Stadt 134 Knaben unter Präceptor Haag, und 260 Mädchen unter Präceptor Wagner, in Klein-Rarlaruhe 166 unter Präceptor Dölter, in der Garniſonsſchule ſchon 1786 80 Kinder.

Mit der Zeit wuchs das Einkommen der Lehrer, denn 1784 batte der obengenannte Rnabenfchullehrer Fiſchet 72 fl. 30 fr. Geld, 50 fl. für dem aufgehobenen Leichengefang, 75 fl. für die Schreib- ftunden in dem Gymnafium, 20 fl. für die Beichenftunde in der Mädchen-Realichule (Fortbildungsichule), 20 fl. für den Unterricht der Judentnaben, 100 fl. Schulgeld, 30 fl. von dem Weihnachts- gelang, als Drganift in der Stadtkirche 12 fl., als ſolcher in der Soldatentiche 15 fl., Aceidenzien 5 fl., 5 Ohm Wein, 5 Mitte. Korn, 10 Mitr. Dinkel, 15 Klfte. Holz, und Wohnung. Der Mädchenichullehrer hatte 26 fl. Geld, 75 fl. von der Nealjchule, 170 fl. Schulgeld, 5 Ohm Wein, 2", Mitr. Korn, 5 Mitr. Din- fel, 15 Klftr. Holz. Davon gingen ab für die zu mietende Woh- nung 50 fl. und 24 fl. für den Provifor.

1784 erhielten die Lehrer wegen bes ftrengen Winters jeder 1 after Holz, der in Klein-Karlsruhe 2 Klafter ala Aufbefjerung,

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1786 wurden aber dem Mägbleinsfchullehrer Erad 3 Klftr. Holz auf dem Gottesader gejtohlen, weil Fein verſchloſſener Holzjchoppen vorhanden, und der Kirchhof jeit der Verlängerung der Adlerſtraße offen war.

Die Schule in Klein-Karlsruhe war, wie im vorigen Ab— jchnitt berichtet, eine von der Stadtichule unabhängige Schule. Der legte Lehrer, defjen wir dort Erwähnung gethan, war Ph. Lor. Kaſt. Nach ihm begegnet uns als folder Gg. Friedrih Bauer. Diejer, im Jahr 1745 fchon ziemlich bejahrt, wurde wegen eines Bettelbriefes an den Markgrafen abgejegt, aber doch wieder zu Ona- den angenommen, weil er ſonſt doch dem Waiſenhaus anheimgefallen wäre, und ftarb 1746. Hierauf erhielt ein alter, zur Ruhe gejegter Schulmeifter von Wöſſingen, der 7Ojährige Joh. Gg. Graule, die Stelle, verläßt fie aber bald wieder, meil er kein Zutrauen bei den Eltern fand. Nachdem ein inzwijchen eingetretener PBrivatlehrer Schäfer geftorben, erlangte 1748 der geweſene Fourier Joh. Friedr. Häring von dem Markgrafen die Erlaubnis, fich zuerft al3 Informator domesticus, Brivatlehrer hier niederzulaffen. Er hatte al3 Bezahlung nicht3 al3 das „armjelige“ Schulgeld und diejes konnten Viele nicht bezahlen, bat daher für diefen Ausfall um Zuſchuß aus dem Almofen, und gab auch in der Stadt viel Privatunterricht. 1752 befam der- jelbe die Schulmeifterftelle, und außer dem Schulgelde 1 Mitr. Rog- gen, 2 Mitr. Dinkel und 1 Ohm Wein und 1764 15 fl. aus dem Almofen. 1767 wurde er mit 50 fl. penfionirt, und ftarb 1768. Ihm folgte 1768 der Provifor von Kandern, Andreas Nikola. Diejer bezog von 150 Kindern je 1 fl. Schulgeld, von jedem Kinde im Winter ein Scheit Holz täglich, oder 15 fr. vierteljährlich, nebſt der ſonſtigen Bejoldung feines Vorgängers. Zudem hat er als lediger Mann in dem neu erfauften Schulhaus der Kronenftraße zwei Zim— mer für jährlich 12 fl. vermietet, ebenfo den Garten dabei für 4 fl., und gab noch Privatunterricht im Rechnen, jowie auch Unterricht in der Spinn- und Nähſchule. 1775 mwurde Nikola Stadtkantor für Sonn⸗ und Feiertage, und erhielt 1778 zur Haltung feines Proviſors Dreich 50 fl. Als Stadtlantor hatte er auch in der Schloßkirche mit Aushilfe des Chirurgen Lo den Vorfängerdienft verjehen, mußte denjelben aber 1790 an den Präceptor ©. Nik. Fiſcher und an Gottlieb Lembke abtreten, weil er einmal nachmittags das Lied Nr. 111 mit 4 Verſen, ftatt des Liedes 112 mit 9 Verſen, vorgejungen hatte,

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und wurbe noch obendrein zu 24 Stunden Profofenarreft und den Koften verurteilt. Infolge der 1786 neu errichteten Militärichule verlor er an Schulgeld, mußte aus dem alten Schulhaus ausziehen und ftarb den 25. Januar 1795 im Alter von 53 Jahren. 1771 war das Scheitertragen in die Schule abgejchafft worden, und Nikola hatte als Erſatz dafür 6 Klftr. Holz erhalten. 1784 ftellte fich fein Gehalt durch mehrmalige Aufbeflerungen auf 339 fl. 30 fr. Gelb, 3, Ohm Wein, 2), Mitr. Korn, 5'/, Mitr. Dinkel, 9 Klftr. Holz und freie Wohnung. Unter Nikolas Nachfolger, dem Präceptor Dölter, jeit 1797 betrug die Schülerzahl 166 Kinder. Dieſer Dölter war feiner Zeit auch ald Barometerverfertiger bekannt, und war noch nach 1824 Lehrer von Klein-Karlsruhe. Bis zur Zeit des Lehrers Nikola hatten die Schulmeifter von Klein-Karlsruhe teils im eigenen Haufe, teils in Mietlofalen unterrichtet. 1768 war aber neben der Spinn- jchule in der SKronenftraße das Haus des Grenadiers Graſer als Schulhaus für Klein-Karlsruhe erfauft und mit der Spinnjchule zu einem Lokal vereinigt worden. Noch im Anfang unſres Jahrhunderts befand fich die Schule in dem untern Stod des ſpätern Gaſthauſes zum Geift, in deſſen zweitem Stod die Gardekaſerne war. Etwa 1805 wurde die Schule in das gegenüberliegende Haus, Spitalftraße Nr. 29, jest Volksküche, verlegt, und mit der Aufhebung der Gemeinde Klein- Karlsruhe 1812 hörte auch deren eigene Schule auf. Die Schule von Klein⸗Karlsruhe war vom anfang an auch von den Kindern der in Klein-Karlaruhe wohnenden Soldatenfamilien bejucht. 1777 hatte Karl Friedrich in der Hofjchreinerei im Schloßgarten eine Art Schule und Pflegeanftalt für 30-36 arme Soldaten» und Diener- fnaben unter einem Aufſeher errichtet, welche 1777 mit 15 Knaben angefangen, 1779 deren jchon 50 zählte. Dieje Knaben wurden auf Ko- ften des Markgrafen unterrichtet und verpflegt, trugen duntelblaue Uni« formen mit roten Aufichlägen und lange Hofen. Den Unterricht er- teilten einzelne Lehrer aus der Stadt. Alle Schüler erhielten auch) Mufitunterricht unter der Anleitung des Hoflapellmeifter8 Schmittbauer, und mußten beim Aufziehen der Wachparade, welche damals noch feine Mufit hatte, an den Sonntagen, ſowie an Sommerabenden in dem Schloßgarten bis 9 Uhr abends mufiziren. Zu ihrer in dem Haufe gehaltenen Abendandacht jammelten fich die Spaziergänger und jtimm- ten in Lied und Gebet gewöhnlich mit ein.

Der Bwed diefer Anftalt, welche jährlich 20 000 fl. koftete, war,

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junge Leute aus dem weniger bemittelten Stande zu Bedienten, Schreibern, Muſilanten heranzuziehen. Nach 1780 wurden die Knaben, Soldatenbuben genannt, ſchon vielfach auch als Gartenarbeiter, Stein⸗ ſchleifer verwendet, oder unter die Soldaten geſteckt, nach und nach aber ging die Schule ein. Als eine Art Erſatz dafür hatte Hofprediger Mauritii bald nach 1780 von Karl Friedrich den Auftrag erhalten, einen Entwurf zur Gründung einer befondern Schule neben ber Klein- Karlsruher Schule für die BO Soldatenkinder vorzulegen, und 1786 wurde zur Verwirklichung defjelben gejchritten, wodurch aller- dings ber Schullehrer von Klein-Karlsruhe an feinem Schulgeld verlor. Der Unterricht wurde anfangs in dem Spinnhaus in ber Kronenftraße erteilt. In der Klein-Karlsruber und Garnifonsjchule waren Knaben und Mädchen nicht getrennt,’ und in leßterer wurde fein Schulgeld bezahlt. Der Lehrer derjelben wurde aus der Staats- tafle befoldet.

Das Gymnaſium. Das alte &ymnafiumsgebäude blieb nah Karl Wilhelms Tode unverändert. Auch ala durch Vermehrung ber Klaſſen und Lehrgegenftände die Räume vielfad) unzureichend wurden, jo daß 3. B. 1742 Profeffor Maler genötigt war, den Unterricht außerhalb des Gymnafiums zu erteilen, konnte aus öfono- mifchen Gründen nicht an einen Neubau gedacht werden. Mußte doch die Anftalt, welche ſeit 1689 feine Orgel mehr hatte, fich eine folche vom Hof ſchenken lafjen. Der Plan eines Neubaues wurde aber mehr und mehr dringend und unabweisbar, Wegen und Wind drangen durch Riſſe und Fugen des baufälligen Holzgebäudes, die Schüler- zahl nahm, befonders feit 1764 immer mehr zu, und fo bejchäftigte man fich feit 1780 ernftlich mit Plänen eines neuen Gymnafiums, Als 1783 den 9. Mai Prinz Eugen, der Großoheim de3 Markgrafen, geftorben war, kaufte dieſer deſſen Garten, welcher zwiſchen der Duer- allee (Zähringerftraße), der ſpätern Spital» und Mdlerftraße, lag, um dorthin den Neubau zu ftellen. Das Bauamt, an deffen Spite Bau- direftor Müller ftand, beanftandete aber den Plan, weil der Bau zu entfernt von der Mitte der Stabt gewejen wäre. 1788 beftimmte nun Karl Friedrich einen leeren Pla in der jegigen Karl⸗Friedrichſtraße, jenfeit3 des Landgrabens, wo jebt die Qandeögemwerbehalle und bie anftoßenden Häufer ftehen, zum Bauplag. Doc verhinderten die in Frankreich ausbrechenden Unruhen und daher drohende Kriegsgefahr die Ausführung auch diejes Planes.

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Erſt 1803 wurde der Entwurf genehmigt, nach welchem das Gymnafium an der Öftlichen Seite des Marktplages, und zwar im zwei zu beiden Seiten der Stadtkirche ftehenden Flügelgebäuden feine Stätte finden follte. Der Anfang wurde mit bem füblichen Gebäude gemacht. Am 29. Juni 1803, nachmittage 3 Uhr, begab ſich der Rektor, Kirchenrat Tittel, in Begleitung dreier Lehrer, des Hofrates Wucherer, des Prof. Bödmann jun. und des Präceptors Doll, einer Einladung des Bauamtes folgend, nach dem Bauplak, ſprach, nach dem er aus der Hand des Maurers den Hammer empfangen, bie Worte: „Gott fegne diefen Bau und laſſe ihn zu feines Namens Berherrlihung und zu Badens Wohl vollenden und dauern“, that einige Hammerjchläge auf den nun eingefeßten Schlußftein des Ge- wölbes und bejchloß die Feier mit dem Spruch: „Uti ego hunc lapidem imposui, ita Deus custodiat opus atque conservet.“ Deutih: „Wie ich dieſen Stein eingejegt, jo bebilte und bewahre Gott das ganze Werk!" Sofort wurde an dem Bau meitergearbeitet, derjelbe aber megen fortwährender Krieganot erft im Dezember jo weit fertig geftellt, daß die dem Marktplag zugelehrte Front und der anftoßende Zwiſchenbau an ber jegigen Hebelſtraße breiftödig vollendet war. Der ganze Weiterbau fällt in unfere nächſte Periode,

Die äußern Mittel zur innern Ausgeftaltung und organifchen Erweiterung des Unterrichtes, zur Bejoldung der Lehrer, zur Ans Ihaffung von Lehrmitteln und Apparaten, zur Unterftügung bürftiger Schüler waren noch lange nicht hinreichend vorhanden.

Die jährlich aus Staatsmitteln gewährte Einnahme von 1318 fl., welche bie Anſtalt bis 1738 bezogen hatte, mußte fir die Beſoldung der vier Lehrer verwendet werden, welche außerdem noch freie Woh- nung, Naturalien und Schulgeld bezogen.

Karl Friedrich gründete, teils aus Staatszufchüffen, teils aus verjchiedenen, ſchon früher zugemwiejenen oder durch ihn vermehrten Gefällen einen Kapitalfond, welcher, forgfältig verwaltet, bis 1768 auf 25000 fl., 1811 auf 80000 fl. und 1860 auf 120000 fl. an- wuchs. Die erwähnten Gefälle waren nach der durch Rechnungsrat Mayer, den Rechner des Gymnaſiums 1759—60 geftellten Rechnung folgende: 1. für abgelaufte Turm» oder Arbeitöftrafen vom Tag 2 Batzen; 2. für Verwandlung der Leibed- in Geldftrafen vom Gulden 6 fr.; 3. für Unzuchtöftrafen aller Art vom Gulden 6 kr.; 4. von Ehrenkränkungsſtrafen, pro restitutione famae ein Viertel;

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5. die Geldftrafen von Geiftlichen und Lehrern; 6. alle Arten von Leggeldern*); 7. die Zeggelder von 1—3 fl. bei Berlafjungs- und Eheicheidungsflagen; 8. für Nevifionen von dem unterliegenden Teil; 9. für Wiederverheiratung von Gejchiedenen je nach dem Vermögen ; 10. von Proklamationsſcheinen 6 fr.; 11. von Proflamationen fürft- licher Hofdiener 30 fr.; 12. für Altersdispenje bei Heiraten vom Gulden 6 kr.; 13. von fonftigen Dispenjen 2 fr. vom Gulden; 14. bei Strafnadhläffen vom Gulden 2 fr.; 15. für Dispenjationen von alten, abgefommenen, und neuen Polizeigejegen 30 fr. bis 1 fl.; 16. von Bürger- und Hinterjaffenannahmen vom Gulden 6 fr.; 17. bei Annahme von Schußjuden eine billige Tare; 18. von Titel- und Rarakterverleihungen**); 19. bei Hochzeiten für jeden ohne Dispens anmejenden Gaft über die Zahl von 24 2 fl.; 20. mit Dispens 1 fl.; 21. bei Hochzeiten für jede Maß fremden Weines und jede Schüfjel, „Jo über Gebühr aufgeftellt wird,“ 4 fl. 30 fr.; 22. von Hochzeiten, welche über einen Tag währten, oder zwei Mahlzeiten an einem Tag hielten, die Hälfte der Strafe von 20 fl. mit 10 fl.; 23. die Strafe, wenn einer mehr als einmal im Jahr zu Gevatter jteht, 24 r., wenn ein Livreebedienter oder Dienjtbote zu Gevatter fteht, für ihn und den Einlader je 4 fl.; 25. wenn einer eine höhere, ihm vorher unbekannte Perſon aus Gemwinnfucht zu Gevatter bittet, 4 fl.; 26. von den Gevatterleuten, welche gegen die Verordnung beim Nachtefjen bleiben ; 27. für jede warme Schüffel, welche bei Taufjuppen über die erlaubte Anzahl aufgeftellt wird, 4 fl.

Diefe Bezüge trugen jchon damals über 900 fl. ein.

1754 gibt Karl Friedrich für das Frühjahrs- und Herbiteramen zu Prämien und für Apparate 15 fl., 1765 ebenfoviel für Talligra- phiſche Arbeiten und Tateinijche Stile, und als 1765 Böckmann an- fing, reichlichere Apparate anzujchaffen, verwilligte er dazu 1773 aus der Staatskaſſe 3500 fi.

1750 am 15. Juni erteilte Karl Friedrih, auf die Bitte des Rektors K. Fr. Maler, dem Gymnafium das PBrivilegium des Drudes aller damaligen und künftigen Kirchen- und Schulbücher und Landkalender der Markgrafichaft, welches jeit 1719 der Buch— druder Mafchenbauer beſeſſen hatte. 1760 wurde diejeg anfangs auf

*, Gelder, welche als Erſatz für zugefügte Bejchädigungen bezahlt murben. **), Matthiſon zahlte für einen Titel ala badiſcher Legationsrat 10 fl.

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beitimmte Zeit gegebene Recht für alle Zukunft verwilligt. Das Gymnaſium verpachtete dasjelbe an Buchhändler Madlot zuerjt für 465 fl., dann für 565 fl., nachher eine Zeit lang an Buchdruder Müller in Kehl. Mit der Zeit brachte dieſes Necht mehr als das Doppelte ein. Auch von Zeit zu Zeit gegebene Privatftiftungen mehr- ten die Mittel der Anftalt. Die Kriegszeiten gegen Ende des Jahr» hundert3 nahmen aber bald die Mittel des Staates in jo empfind- licher Weife in Anſpruch, und brachten auch im allgemeinen folche Notftände, daß von 1789 an die Einnahmen der Anftalt jpärlicher flofjen, die Zinjen unbezahlt blieben, die Schülerzahl fich verminderte, von 1791 an bis 1811 feine Programme mehr gedrudt wurden, und 1796 jogar einzelne Lehrer fich flüchteten, und insbeſondere die Schätze des Naturalienktabinettes mehr als 2 Jahre lang im Aus- land in Sicherheit untergebracht werden mußten. So waren Pro- fefjor Böckmanns phyſikaliſche Sammlungen und Apparate 1789 bis 1802 in Ansbah in Sicherheit gebracht, und Gmelin flüchtete jeine Naturalienfammlung nach Erlangen, von wo fie erjt nach 2"), Jahren zurückkam.

Bon 1745 bis 1795 war fein Feind in das fo oft heimgejuchte Land gefommen, und auch der fiebenjährige Krieg, obwohl er mili- täriſche Rüftungen und Ausgaben verurfachte, verjchonte das Land doch mit unmittelbarer Kriegsnot. Dieſe 50 Jahre waren für Karl Friedrich Jahre reicher, jegenbringender Wirkſamkeit in feinem Lande, und unjer Gymnafium war insbejondere der Gegenjtand feiner fort- währenden, forglichen Pflege. Wie er nach Kräften zu defjen äußerer Kräftigung beitrug, jo follte auch deſſen innere Entwidlung damit Hand in Hand gehen. Treue und verftändnisvolle Mitarbeiter an diefem Werke fand er vor Allen an dem Geheimrat 3. 3. Reinhard, geftorben 1772, und den beiden Nectoren Kirchenrat 3. Fror. Maler und Joh. Ehriftian Sachs. Auh in der Wahl der Lehrer hatte er einen richtigen Blick, denn der Reifende Brunn, welcher ſich 1783—84 in Karlsruhe aufbielt, jagt von dem Gymnaſium, es gebe wenig deutſche Schulanftalten, wo jo viele geſchickte und gelehrte Männer vereinigt feien, wie bier.

Die mit 2 Klaſſen und 8 Eremten bier eröffnete Schule war bis 1743 unter zeitweife eintretender Verminderung auf 5 Klaſſen mit 2jährigen Kuren und die Klaſſe der Eremten, Studenten mit

2 Jahreskurſen gebracht worden. Schon bald nach 1740 wurden für 19*

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die Eremten befondere Vorlefungen zur Vorbereitung auf ihren künf⸗ tigen Beruf, zuerft für Theologen, dann 1763 auch für Juriften, Kameraliften und Mediziner eröffnet, jo daß nach einer Angabe aus dem Jahre 1750, ein Schüler nach bi8 zum 15. oder 16. Jahre auf einer Landſchule (Pädagogium) genoffener Worbereitung, von Karlsruhe aus in 2 bis 3 Jahren die Univerfität beziehen konnte.

Kirchenrat Bürklin, feit 1725 Rektor, las für die Eremten über Theologie, Hofrat Preuſchen über Rechtswiſſenſchaft, ſeit 1763 Hof- rat Schlettwein über Kameralfächer, Profeffor Sachs über Gejchichte und Altertümer. Die bis dahin üblichen Unterrichtsgegenftände der gelehrten Schulen wurden uach und nach vermehrt. Seit 1748 wird den Eremten der Beſuch des franzöſiſchen BPrivatunterrichtes empfohlen, welcher feit 1748 von Beter Sürleau, einem vorher als Pfarrer von Baujchlott mit einer Hofjängerin verheirateten, ſehr übel berüchtigten Subjette, 1757 von 3. Fr. K. Wiedemann, 1759 bis 1790 von Dominik Ludw. Friederici gegeben wurde, und von 1754 an wurden bei den Prüfungen auch frangöfiiche Vorträge gehalten. Die bis da nur lateinischen Programme murden, jeit Sachs das Rektorat führte, abmwechjelnd auch in deuticher Sprache gedrudt.

Wegen befjerer Organijation ber Anftalt hatte fich Reinhard 1756 bei einem Zujammentreffen mit Ch. M. Wieland in Zürich beiprochen, und die von dieſem eingejendeten Vorſchläge befinden fich in der Urjchrift noch Hier im Generallandesardhiv. Ebenſo ſetzte fich Reinhard 1761 auch mit BPfeffel in Kolmar in Verbindung, defjen beabfichtigte Berufung hierher aber wegen Pfeffels beginnendem Augenleiden, das bald in Erblindung überging, nicht zuftande kam.

Die Folgen diefer Bemühungen Reinhards, feines eigenen Nach» denkens, und der mit dem Markgrafen fortgejegten Verhandlungen wurden bald bejonders darin offenbar, daß der bisherige Kreis des Gymnaftalunterricht3 von da an erweitert wurde. Der Schreibunter- richt, bisher nur zur Erlernung des Schreibens in den untern Klaſſen beftimmt, wurde feit 1764 als kalligraphijcher Unterricht auch auf höhere Klafjen ausgedehnt, und in dem gleichen Jahre durch Bougind ein Titeraturgefchichtlicher Vortrag für den oberjten Jahres- kurs, die jog. Veteranen eröffnet.

Anfangs hatten die Schüler täglich eine Stunde Unterricht in

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der Inftrumentalmufit, weil fie in Kirche und Schule muſikaliſch mitzuwirken hatten, doch hörte dies 1775 auf.

Die Uebungen in dem vierftimmigen Choral aber wurden auf Karl Friedrichs Wunſch unter Leitung des Hoflapellmeifter3 Schmitt- bauer noch einige Zeit fortgejeßt.

Beichenunterricht dagegen hatte das Gymnaſium feinen bis 1826,

Es beftand aber jeit etwa 1760 in ber Stadt eine allgemeine Zeichenſchule unentgeltlich für Knaben und Mädchen, deren Leh— rer vom Staate bezahlt war, melche um 1800 unter dem Beichen-

lehrer Autenrieth von 150 Knaben und 80 Mädchen befucht wurde und ihr Lokal bei dem Linkenheimerthor hatte.

Bon ganz befonderer Bedeutung für die Anſtalt war 1764 die durch Schlettwein veranlaßte Berufung zweier Männer, welche auf längere Zeit an derjelben wirkſam blieben und einen unverfenn- baren Einfluß auf ihre fernere Entwidelung übten. ©. unten Seite 295.

E3 war dies der Profefjor Gottl. Aug. Tittel von Jena, aus Pirna in Sachſen gebürtig, und Profeffor Joſ. Lorenz Böckmann aus Lübeck, von denen der eine bejonders in alten Sprachen und Philofophie, der andere in den naturmwifjenschaftlichen Fächern, nament- lich der Phyſik, Bedeutendes Leiftete. Ihre hervorragende Mitwirkung bei dem 1767 neu aufgeftellten Lehrplan ift unzweifelhaft.

In den Gottesdienst wurden die Schüler bis Klaſſe fünf jeden Sonntag, Dienstag und Freitag, feit 1740 nur Sonntag und Freitag durch einen Lehrer in die Stadtkirche geleitet, die Exemten durften andere Kirchen bejuchen, die nicht konfirmirten waren ver- pflichtet, auch in die jog. Chriftenlehre zu gehen. Exit 1770 wurden Schulgottesdienfte durch Lehrer abgehalten.

Anläßlich des 1756 30. Mai abgehaltenen Jubelfeftes der badifchen Reformation, welches au3 Mangel an Raum von dem Gymnaſium in der Schloßkirche gefeiert wurde, ließ dieſes eine Dent- münze prägen, welche einerfeit3 das fürftliche Wappen mit dem von Delzweigen bekränzten Fürftenhut umd die folgende Umfchrift zeigt:

„Freudentag von dem durchleuchtigjten Regenten, Herrn Karl Friedrich Marggrafen zu Baden und Hachberg ao 1756 den 30. Mai in gejammten dero Landen feyerlich zu celebriven befohlen.“

Auf der andern Seite fteht: „Zum Andenken der von dem glorwürdigen Herrn Marggrafen

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Karl ao 1556 ben 1. Juni in gefammt Hochfürftlicher Marggraf- Ichaft Baden Durlach eingeführten evangelisch lutheriſchen Religion.“

Dieje zu 1 fl. Wert ausgeprägte Medaille konnte gefauft werden.

Eine Bibliothek beſaß das Gymnaſium ſeit 1689 nicht mehr, und die Knappheit der Mittel erlaubte deren Erſatz nicht. Aus den geringen, dazu bejtimmten Eintrittägeldern der Schüler, fowie aus einem bie und da nicht verwendeten Stipendium, konnte nur das Nötigfte angejchafft werden. Erſt das Jahr 1754 brachte darin eine Wendung zum Beſſern. Von diefem Jahre an nämlich gab der Markgraf dem Gymnafium eine jährliche Anweisung von 30 fl. an die Zandjchreiberei für Anfchaffungen in die Gymnaſiumsbibliothek, jo wie die Dubletten der Werke der Hofbibliothef. Die auf jolche Weiſe, obwohl langjam vermehrte Bibliothek zählte 1815 noch nicht über 1500 Bände, und darunter viele theologiihe aus dem Nach— lafje des Kirchenrats Bougine. Der größere Zuwachs ſtammt erjt aus jpäterer Zeit. Bibliothefar war bis 1797 der Rektor; nach ihm als der erfte aus der Zahl der Lehrer 1797 bis 1807 Hofrat Wucherer.

1766 gründete Profeſſor Tittel die „lateiniſche Societät” unter dem Proteftorat de3 Erbprinzen Karl Ludwig. Präſident der- jelben war der Kirchenratsdireftor von Hahn, Direktor Profeſſor Tittel und Sekretär Böckmann, Ehrenpräfident der Gejchichtichreiber 3. D. Schöpftin. Mitglieder konnten auch einzelne Exemten werden, welche fich in Tateinichen Eingaben um Aufnahme beworben hatten.

Zu den früheften Mitgliedern aus der Zahl derjelben gehörten die Badener Joh. Gottfr. Stößer, Joh. Fr. Nüßlin, geft. 1807, M. W. Reinhard, geft. 1812, und von Ausländern, Phil. von Plönnies aus Erbach, Karl von Balm aus Neuftadt a. d. Linde, Karl von Göllnig aus Mekingen in Würtemberg, Friedr. von Nauendorf aus Altenburg.

Die jeden Samstag nachmittags 3 Uhr ftattfindenden Verhandlun- gen beftanden in Vorträgen und Beſprechungen in lateinischer Sprache. Die Arbeiten der Profefjoren wurden 1767— 69 durch Hofrat Friedrich Ring in Karlsruhe und den Hiftorifer Andreas Lamey in Mann- heim al3 „Acta societatis latinae marchico Badensis im Drud veröffentlicht, die Arbeiten der Exemten, worunter jolche von Job. Peter Hebel, Ernſt Ludw. Poſſelt, K. Aug. Seubert, Ludwig von Liebenftein, Auguft Bödh, Friedrich Nebenius, von dieſen jelbft in

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eine Sammlung eingejchrieben, welche fich noch in der Gymnaſiums— bibliothet befindet.

Unter den duch Karl Friedrich für ihren Fleiß mit Beloh— nungen von 25 fl. bedachten Mitgliedern befand fich 1776 auch der 16/,jährige Hebel.

Als Tittel altersmüde geworden, und neue Kriege im Anzug waren, erlojch im Jahre 1805 dieſe Anftalt.

1767, 3. April, erjchien unter Tittel3 und Böckmanns Mit- wirkung ein neuer Lehrplan für das Gymnaſium. Als Lehr- gegenftände enthält derjelbe für die Eremten außer den alten, und für freimillige Teilnehmer den neuen Sprachen, Gejchichte, Philo- jophie, Metaphyſik, Naturrecht, angewandte Mathematit, Phyſik, Dogmatit, Hermeneutif, Einleitung in das römiſche Recht und in die Kameral- und Polizeiwiſſenſchaft. Die bis dahin in zwei Jahreskurſe eingeteilten Exemten erhielten drei Kurſe, Novizen, Medii und Veteranen genannt, wurden aber 1805 wieder auf zwei Jahre reduzirt, beziehungsmweije in eine zweijährige Oberklaſſe um— gewandelt und die Berufsvorlefungen aufgehoben. Die Novizen er- hielten 1767 fünf Stunden reine Mathematit, die Medit und Vete— ranen je drei Stunden Phyſik, der jeit 100 Jahren aus der Schule verbannte, jeit 1761 mit einer Stunde bedachte Homer erhielt mieder drei wöchentliche Stunden in den zwei oberften Kuren, in den andern Klaffen wurde nur das griechische neue Teſtament ins Tateinifche überfeßt und Geßners Chrejtomathie gelefen. In der deutſchen Sprache gab jeit 1766 Bödmann, geft. 1802, Unterricht für freiwillige aus der Zahl der Beteranen. Seit 1769 durften auch Israeliten, jedoch nur mit Genehmigung des Oberkirchenrats, al3 Schüler eintreten.

1770— 85 gab Kabinetsjefretär Griesbach, geft. 1804, der Vater des jpätern Oberbürgermeifters, freiwilligen Veteranen eng— liſchen Unterricht, 1775 wurde Hch. Sander als Profeſſor der Natur- geichichte angeftellt, und nach feinem Tode 1782 folgte ihm Gmelin, jeit 1778 erteilte Dr. Frieder. Andre. Schridel den Exemten LUnter- richt in der Chemie mit Benugung des Laboratorium der Hof: apothefe, wozu Karl Friedrich jährlich 40 fl. verwilligte.

1775 gründete der Rektor Kirchenrat Sachs, unterftügt von Bougine für Schüler aus der fünften Schülerflaffe, d. h. der oberjten vor der Klaſſe der Exemten als Worbereitung für die lateiniſche Sorietät ein lateinifches Redeinſtitut, welches täglich abends auf

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eine Stunde zu lateinifchen Medeübungen verfammelt wurde, und welches der Markgraf ebenfalls mit einem Beitrag von 25 fl. be dachte. Doch ging dieje Gründung bald nach dem Tode des Gründers 1789, wieder ein.

Seit 1785 wurden an dem Gymnaſium für angehende Ehirur- gen und Mediziner durch Werzte Vorlefungen gehalten, der Hof. tapellmeifter Schmittbauer gab 1786 wieder den inzwiſchen eingegan- genen Unterricht im Choralgefang, und Hofoperateur Duperrat unter- wies jüngere Wundärzte in der Wundarzneitunde, insbejondere auch in der Heilung von Leibjchäden.

Die Jahresprüfungen, welche an Oftern ftattfanden, waren ftet3 mit einem feierlichen Schlußalt verbunden, an welchem der Rektor eine Anjprache hielt, einzelne Schüler deutjche oder Lateinifche Arbeiten vortrugen, mufitalische Aufführungen ftattfanden, und Die Prämien ausgeteilt wurden.

Karl Friedrich, welcher fich die Prüfungsberichte ftet3 vorlegen ließ, oft ſelbſt darauf feine Beicheide gab und feine Wahrnehmungen mitteilte, bejuchte in der Regel die Prüfungen perfönlich. Bei dem legten Bejuche derart im Jahr 1800, ſprach fih ein Schüler in der badischen Gejchichte etwas eingehend über den übelberüchtigten Markgrafen Eduard Fortunatus von Baden-Baden aus, hielt aber, in fichtlicher Verlegenheit über feine allzu offene Sprache, plößlich inne. „Nur fortgefahren, mein Sohn“, redete ihn da der Markgraf an, „die Geſchichte hat nichts zu verjchleiern.“

Die Zahl der Schüler betrug 1726 56, 1750 119, 1774 bei 4000 Einwohnern 181, 1786 200, und gegen den Schluß unferer Periode 276, wobei jedoch zu bemerken ift, daß von 1774 an auch die Realjchüler darunter begriffen find.

Außerdem ift auch nicht zu überfehen, daß vom Anfang bis zur Gründung der Vorjchule die Schüler ſchon mit ſechs Jahren in die untersten Klaſſen eintraten, wo fie, außer dem Unterricht der Volks— ſchule, nach dem erften Jahreskurs auch ſchon die Anfangsgründe des Lateinischen erlernten. Der Gejammtlehrkurs des Gymnaſiums ums faßte demnach die Zeit vom 6. bis zum 18.—20. Lebensjahre.

1786, den 21. November, wurde die. Jubelfeier des zwei— hundertjährigen Beftandes des Gymnafiums in der Schloß- fiche in Gegenwart der ganzen fürftlichen Familie abgehalten. Choralgefänge, Feftpredigt des Oberhofpredigers Walz über Pi. 34,

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12—15, deutjche und lateiniſche Reden von Profefforen und Schülern feierten den denkwürdigen Tag, wobei beſonders hervorzuheben ift, dab der Markgraf jede Erwähnung feine? am Tage darauf einfal- lenden Geburtstagsfeftes ausdrüdlich unterfagt hatte.

Das an demjelben Tag im Gafthauje zum Erbprinzen abgehal- tene Feſteſſen der Lehrer wurde auf Koften des Markgrafen abgehalten, und am Schlufje defjelben erfreute derjelbe mit feinen Söhnen die heitere Tiſchgenoſſenſchaft mit jeinem Beſuche.

Die bei diefem Anlaß geprägte Silbermünze wurde unter Lehrer und Schüler verteilt und trägt auf der Worderjeite das badifche Wappen mit der Umſchrift: Feriae Saeculares Illustris Gymnasii. Die 21. Nov. 1786, auf der Rückſeite einen Lorbeerkranz mit den Worten: Virtuti et studio.

Das Rektorat des Gymnafiums verjahen 1724 3. 2. Boye, 1725—35 Ph. Jak. Bürflin, 1735—42 I. K. Malich, 1742—50 oh. Wasmuth aus Wollmar in Heffen, jedoch aus Erjparnisgründen nur mit dem Titel als Prorektor, 1750--64 Joh. Friedr. Maler, 1764—89 Joh. Chriſt. Sachs, Juni 1789 bis April 1790 provi- ſoriſch Kirchenrat Mauritii, 1790—97 Klirchenrat Bougins, 1798 bis 1808 Kirchenrat Tittel.

Als nach dem Bau de3 neuen Gymnafiums 1807 Kirchenrat Tittel in feine in demjelben ihm angemwiejene Dienftwohnung einzu- ziehen fich weigerte, weil fie zu Hein ſei, wurde ihm überlaffen einzuziehen, oder fich eine andere Wohnung zu fuchen, in welchem Halle man das Tittel’fche Logis in dem Gymnaſium dem Kirchenrat Hebel ammweijen könnte, „dem man mit vorauszufehendem großen Nuten die Lyceumsdirektion aladann übertragen könnte.“

Bon Lehrern und Präzeptoren der Anftalt jeit 1738 führen wir außer den Reftoren an: Bel, Dauer aus Debningen, I. M. Böhm, geit. 1747, aus Straßburg, Gg. Ad. Fröhlich aus Karlsruhe bis 1742, 3. W. Eccardt, 1744—47, Ch. Gottlieb Ludwig aus Schlefien bis 1747, Chriſtof Mauritii aus Pforzheim, von Durlach bieher 1747, 3. ©. Fritih 1739, Konrad Friedr. Bauſch aus Bin- zen, Jak. Chr. Göring, 1741—55, welcher nicht nur in der Kirche borzufingen und den Choral zu führen, jondern auch den Schülern Mufitunterricht zu geben hat, I. Zach. Gehres, 1743—47. 1746 war Ferdinand Wolrab, ein vom Katholizismus übergetretener, in Stuttgart nachts überfallen, ins Gefängnis gejegt und, nachdem er

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wieder frei geworden, 1750 bier an dem Gymnaſium angeftellt worden, entfloh aber jchon 1751 mit Hinterlaffung einer Fähnrichsfrau von Mühlburg, feiner Zubälterin. 1751—58 Friedr. Chrift. Gaupp, 1755 wird Hofmufilus Thill Präzeptor, Muſiklehrer und Hoflantor, geſt. 1791. 1747 wird Schulmeifter Bartholmeh von Rußheim Kolla- borator am Gymnafium mit 75 fl., 6 Mitr. Dinkel, 3 Mitr. Roggen, 6 Ohm Wein, 1750 Präzeptor mit 10 fl., 2 Mitr. Roggen, 4 Mitr. Dinkel und 2 Ohm Wein als Zulage, 1764 24. November kommt Prof. 3. Lorenz Böckmann aus Lübeck bier an, wird mit 570 ft. Beſoldung Profeffor, 1773 Kirchenrat und ftirbt 1802, 16. De- zember, 1765, 19. April tritt Prof. Tittel aus Jena feine Stelle am Gymnafium an, wird 1768 Kirchenratsaffeffor mit Stimme, 1773 Kirchenrat, 1798 Inſpektor des Gymnafiums und Rektor, 1808 pen- fionirt mit 800 fl. und ftirbt am 21. September 1816, 77 Jahre alt. 1769 wird der Profelyt Matthäus Kaſimir Lendorf aus Reutlingen Profantor an der Hoflapelle und Mufiflehrer an dem Gymnafium und dem damit verbundenen Schullehrerjeminar, wird aber auf einer Ur— laubsreife in Mainz wieder katholisch, und muß infolge deſſen 1775 feine biefige Stelle wieder aufgeben, wobei er Frau und Kinder hier zurüd- läßt. 1775 wird der Kandidat der Theologie Heinrich Sander von Köndringen Profeffor der Naturgejchichte und Beredſamkeit. Er war der Sohn de3 Kirchenrats Sander in Köndringen und ftarb dort den 5. Oktober 1782, nachdem er noch im Januar für eine Reife nach Deftreich, Ungarn, Tirol und der Schweiz 300 fl. Reijeftipendium erhalten hatte. Sein Nachfolger für den Unterricht in der Natur- geichichte wurde Karl Ehrift. Gmelin. 1767 waren Klaſſenlehrer Sachs, Wir, Bougine, Göcking, Bartholmeß und Thill, Lehrer für die Eremten Rektor Maler, Hofprediger Stein, 3. Chr. Sachs, Ehriftof Mauritii, Friedr. Wilh. Preufchen (Jurisprudenz), Hofvifar Waag (Stil), Kolb (engliiche Sprache), Friederici (Franzöfiiche Sprache). 1779 wird Ernſt Ludw. Wolf von Durlach Profefjor der orientalischen Sprachen und ftarb 9. Auguft 1792, 1780 wird Schul- lehrer Ruf Präzeptor der 5. und 6. Klaſſe, 1781 läßt fich ein gewiſſer Bernardi mit obrigfeitlicher Erlaubnis als franzöſiſcher, englifcher und italienischer Sprachlehrer hier nieder, 1784 gibt der Dr. juris Advokat Ernft Ludw. Poſſelt unentgeltlichen Unterricht in der lateiniſchen und deutichen Sprache und der Altertumswiſſenſchaft, erhält 1785 den Karakter und Rang eines Geheimen Sekretärd und

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500 fl. Gehalt, wobei er indefien jeine Thätigfeit an dem Gymnaſium bis 1791 fortjegt, 1786 iſt Profefjor Chriſtof Eman. Hauber zugleich Lehrer der fürftlichen Kinder, und wird durch eine Stiftung ein Wohlthäter der Anftalt, 1792 wird der Pfarrer Nil, Sander von Unterwöflingen Profeſſor der Beredſamkeit und Oberdiafonus, 1798 erhält er den Karakter ala Kirchenrat und iſt Hauptlehrer der beiden obern Klaſſen de3 Gymnaſiums.

1792 zugleich mit Sander fam der Präzeptoratsvilar Joh. Peter Hebel als Subdiafonus an die Anftalt, 1797 Mylius und Jak. Fr. Gerſtner, 1800 Chriſtof Hch. Doll, 1803 Joh. Mich. Holgmann. Als 1802 I. Lorenz Böckmann geftorben war, folgte ihm 1802 fein Sohn Karl Wilhelm.

An Bejoldung bezogen 1737 Rektor Maljch 441 fl., Profeſſor Wasmuth 194 fl., Daur 194 fl., Präzeptor Bed 190 fl. 30 kr., Sachs, der junge Kandidat, 149 fl., die Nebenlehrer je 50 fl., worunter Wohnung, Naturalien und Schulgeld nicht inbegriffen waren.

1750 hatte Prorettor Maler 224 fl. Geld, 35 Mitr. Früchte, angejchlagen zu 62 fl. 30 fr., 20 Ohm Wein zu 4 fl., außerdem Wohnung und Garten, 1789 Rektor Sachs in Summa 853 fi. 45 kr., Hebel erhielt 1793 als Subdiafonus 250 fl. bar, 32 Mitr. Früchte, 10 Ohm Wein, 70 fl. an Schulgeld, Sa. 463 fl. Die Summe aller Gehalte betrug 1815 5998 fl., 1868 21369 fl. Der Bezug des Schulgeldes durch die Lehrer hörte 1827 auf.

Wir haben ung in dem Vorſtehenden mit Abficht auf den ma— teriellen Teil de3 Unterrichts nicht näher eingelaflen, einsteil3 weil dadurch die Grenzen unjerer Arbeit überjchritten werden müßten, andernteil3 weil dieje Einzelheiten für den größern Teil der Lejer fiherlih von untergeordnneter Bedeutung jein würden. Um indeffen doch auch diejer Seite einige Rechnung zu tragen, geben wir bier noch aus der höchſten Blütezeit der Anftalt, aus dem Jahre 1786 ein genaues Leltionsverzeichnis, wie es in unjerer Quelle, unjerm jichern Gewährsmann Vierordt für diefen Teil unjerer Arbeit Seite 147 ſich findet.

Lehrer und Lehrgegenjtände der Anjtalt im Jahre 1786 waren:

1. Kirchenrat Rektor Sachs, Religion, Horaz, latein. Stil,

Hebräiſch; 2. Kirchenrat Tittel, Philoſophie, Geſchichte, Tacitus, Sueton, Quintilian;

——

3. Hofrat Bödmann, Phyſik, angew. Mathematik und math. Geographie, deutſche Litteratur;

.Profeſſor Poſſelt, lateiniſche Rhetorik, Ciceros Reden, andere Klaſſiler und römische Altertümer;

. Dr. 8. Chr. Gmelin, Naturgejchichte;;

6. Profeſſor €. 2. Wolf, morgenländiiche Sprachen (ſyriſch, arabiſch), Geßners griechifche Chreftomathie, Salluft u. a. römische Autoren;

7. Kichenrat 8. 3. Bougind, Hauptlehrer der oberften Gym- naſiumsklaſſe, dabei für die Eremten Homer und Gelehrten- geſchichte;

8. Rat W. F. Wucherer, Hauptlehrer der zweiten Klaſſe, auch für reine Mathematik und Plinius Briefe bei den Exemten;

9. Chriſt. Em. Hauber, in Tertia, auch für politiſche Geo— graphie bei den Exemten, und zugleich Prinzenlehrer. J. F. Sachs ſein Gehilfe in Tertia;

10. Präzeptor J. Mart. Bartholhmeß, in Quarta;

11. Präzeptor J. Ned, in Quinta;

12. Präzeptor J. Wilh. Thill, in Serta, der ſpätern Vor— ſchule.

Unter dieſen erteilten die 6 erſtgenannten nur in der Klaſſe der

Exemten Unterricht.

Vorgeſetzte Oberbehörde des Gymnaſiums war vom Anfang an ohne Unterbrechung bis zum Schluß unſerer Periode das Kirchen⸗ ratsfollegium. Die jpeziellere Ueberwachung in fittlicher und mifjen- ichaftlicher Beziehung führten die Ephoren, auch Scholarchen genannt. Längere Zeit wechjelte dies Amt von Jahr zu Jahr, von 1744 nicht mehr. Von da an bis 1789 waren gewöhnlich zwei, ein weltlicher und cin geiftlicher Ephorus beftellt, von 1789 bis 1802 maren es drei, welche mit dem Rektor eine Art engere Konferenz bildeten. Ephoren waren 1727 —28 der Hofrat, Leibarzt Dr. 3. Andr. Eichrodt, von 1744—60 meltlicherfeits Geheimhofrat Gg. Ed. Seu- bert, 1760—64 Hofrat Mich. Hugo, 1765—73 Geheimhofrat Gg. Preuſchen, 1773—79 Geheimhofrat Hummel, 1780—86 Regierungs- tat Heltor von Günderode, 1786—92 von Drais, 1792—96 Ge- rat Brauer, 1796-1803 Hofrat Karl von Marſchall.

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or

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Geiſtliche Ephoren waren 1744—60 Kirchenrat Phil. Jakob Bürklin, nach ihm 1767—89 Oberhofprediger Walz der ältere, von da an miteinander Tittel und Böckmann, aljo zwei aus ber Zahl des Lehrerfollegiums entnommen, wobei allerdings der eigentümliche Umstand eintrat, daß Rektor Tittel als Ephorus fein eigener Vor⸗ geiegter, und Böckmann ala Ephorus nicht nur fein eigener, jondern auch feines Vorgeſetzten, des Rektor? Vorgeſetzter war.

Als Antrieb zur Arbeit wurde die Lofation, die Ausftellung von Beugniffen und die Austeilung von Prämien angewendet. In ſolchen Zeugniffen finden ſich mit dem Prädikat „trefflich begabt“ oder ein „glüdliches Talent” u. a. Schüler, wie 3. P. Hebel, Franz Joſ. Herr, welcher 1837 als Geheimrat ftarb, Ludwig von Liebenftein, Ludwig Winter, Aug. Böchh bezeichnet. Prämien wurden zuerft in Geld, jeit 1754 in Denkmünzen gegeben, anfangs mit der Infchrift: „merenti dabitur*, dann „merenti praemia palmae*, jeit 1830 „ex pietate salus, ex litteris decus.“ Doc wurden von 1759 an, wie wir jchon oben erwähnten, für die beften Tateini- ſchen Stile und kalligraphiſchen Leiſtungen wieder Geldpreije gegeben, und die 1786 zum Jubiläum geprägte Münze eine zeitlang ala Prüfungsprämie ausgeteilt. Für die Stile wurde jpäter eine Münze mit der Infchrift „pro Stilo“ gegeben.

Das Kapitel über Schulzucht und Schulftrafen, ſowie andere Buchtmittel für das Verhalten der Schüler außerhalb der Anftalt gewährt uns einen nicht unintereflanten Einblid in da® Leben und Treiben der Schüler jener Zeit, und kann wohl manchen Schwärmer für die „guten alten Zeiten“ einigermaßen zum Nachdenken veranlafjen.

Daß der Mutwille ſchon damals in ausgedehnter Weije unter den Schülern zu Haufe war, beweist eine Klage des Profeſſors Malſch von 1731, es werde nachts oft heftig an der im Schulhof hefindlichen Schulglode geläutet, die Schlüffellöcher verftopft, mit 3 bis 4 Pfund fchweren Steinen an feine Thüre geworfen, jo daß diefe aus den Angeln in jeine Studierftube hereingefallen jei, auch jeien ihm, wie fchon öfters in den legten Jahren, erjt neulich wieder die Fenſter eingeworfen worden.

Da finden wir anfangs Geldftrafen von 12 kr., im Wieder- bolungsfall verdoppelt, für Kartenjpielen, Schwaßen in der Kirche, Wirtshausbefuch, Fluchen und dergleichen.

1753 mußte „zu befferer Coerzirung der Studenten” ein Carcer

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in dem Gymnaſium gebaut werden, und diejer fand nicht jelten zu vierzehntägiger Einjperrung feines Infaflen Verwendung, ja ala 1772 ein Student Stüde aus feines Vater? Münzjammlung an einen Juden verfaufte, erhielt er 6 Wochen Carcer bet Suppe, Waſſer und Brot.

Mit zwei bi vier Tagen wurde der Befuch von Billard, Kaffee und Bierhaus gebüßt, bejonders jeit 1755 wurde auch den Wirten, welche ſolche Gäfte aufnahmen, mit 10, feit 1797 mit 5 Neichsthalern Strafe gedroht, doch kam diefe Strafe ftilljehmei- gend wieder in Abgang. Als Fanggebühr erhielt der Wolizei- diener 24 kr. Als Erfah für den verbotenen Wirtshausbejuch galt einigermaßen ein feierlicher Abjchiedsjchmaus und Kommers, welcher bei der Promotion der Schüler der fünften Klaffe in die der Eremten durch jämtliche Eremten in dem Zimmer der umnterjten Klaſſe, und zwar mit Erlaubnis des Rektors, abgehalten wurde. In fpäterer Zeit verwandelte fich dieſer Kommers in einen von den Schülern der beiden oberften Klafjen an dem Tage der Promotion zur Uni— verfität abgehaltenen, welcher jedoch außerhalb der Stadt, gewöhnlich in dem benachbarten Durlach ftattfand.

Das vorher unbedingt verbotene Tabakrauchen war jeit 1797 nur denjenigen Exemten gejtattet, deren Eltern damit einverjtanden waren.

Auch der Frühjchoppen war unfern Eremten ſchon eine befannte Sade, denn 1790 wurde ihnen derjelbe bei 24 Stunden Arreft und 5 fl. Strafe für den Wirt verboten, und zwar durch die Polizei— Direktion.

Als Strafmittel außer dem Arreſt diente die Zurückverſetzung in die vorhergehende Klafje, die nicht gewährte Promotion, der Ausichluß von allen Prämien, insbefondere aber auch Stod und Rute, fogar bei Schülern der obern Klaſſen. So wurde 1764 einem 19jährigen Schüler der obern Klaſſe wegen unfittlicher Handlungen der von Schülern der Eremtenklaffe getragene Degen abgenommen, derjelbe an drei verjchiedenen Tagen öffentlich mit je 15 Stodprügeln durch den Gymnafiumsdiener abgeftraft und jodann ausgewiejen, dennoch aber, al3 er reuevoll um Wiederaufnahme bat, wieder in die Anftalt aufgenommen. Als 1775 drei Studenten entwichen, um in Straßburg fih anmwerben zu laſſen, wurden zwei derjelben von ihren Eltern losgefauft und wieder hierher gebracht, erhielten aber, der eine, Ichlimmere ſechs Tage Career und 20 Stodjtreiche, der andere nur Carcer. Als diefer aber wieder entfloh, wurde er ausgewieſen, und

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jein Name an das fchwarze Brett angejchlagen. Selbſt bei jüngern Schülern kamen folche gejchärfte Strafen vor, denn für die Ent- wendung von 12 fl. erhielt ein Tertianer fünf Tage Arreft bei Suppe, Waſſer und Brot und an dreien diejer Tage öffentlich Stod- jtreiche.

Sei e8 nun aber, daß der humanere Zug der Zeit überhaupt daran ſchuld war, oder die Erregung der Geifter in Frankreich, welche auch in vereinzelten Regungen und Zuckungen diefjeits des Rheins ſich fund gab, es erjchien im Jahre 1789 eine Verordnung des Ephorus dv. Drais, welche eine möglichjt milde Behandlung der Schüler empfahl, die Anwendung von Schlägen, jowohl in Bezug auf das Alter der Schüler, als auf die Zahl der Streiche und das Werkzeug dazu beichränkte, und die Zuerkennung von der Genehmigung des Rektors abhängig machte, doch waren folche jelbjt in der fünften Klaſſe noch zuläſſig. Erſt unjere Beit hat diejes, wenn auch zumeilen bei jüngern Knaben gar nicht unpraktiſche Zuchtmittel aus der Schule verbannt.

Mit den Bewegungen der Zeit mag es wohl auch zufammen- hängen, daß man 1794 fjchon von den von dem Gymnaſium zur Univerfität abgehenden den Huldigungseid verlangte.

Die Realjhule Wir haben in dem bisherigen Verlauf unferer Schilderung des Schulweſens gejehen, daß das Bedürfnis, einigermaßen auch für andere Berufsarten, als die theologische und pbilologijche, vorzubereiten, ſich dadurch bethätigte, daß nach und nach auch juriftijche, fameraliftifche und medizinische Vorlefungen für die letzten Jahreskurje de3 Gymnaſiums eingeftellt wurden, und daß Naturgeichichte und Naturlehre, obwohl erſt 40 Jahre nach der Er- Öffnung der hiefigen AUnftalt, an derjelben Einlaß fanden. Neuere Sprachen aber fanden bis lange nachher noch feinen Raum in der- jelben, der Unterricht in der Mutterſprache und der vaterländijchen Litteratur war nicht für die Zöglinge der Anftalt vorhanden, und ein deutſches Buch zu lejen, in deutjcher Sprache Abhandlungen zu jchreiben, Vorträge zu halten, wifjenjchaftliche Difputationen zu füh— ren, galt noch lange al3 verpönte oder doch unnütze, eines deutjchen Lehrers und Schülers unmwürdige Sache, die Mathematit wurde kaum in ihren Elementen gelehrt, jo daß 1738 in ımjerer heutigen zweit oberften Klaſſe, der Ober- und Unterſekunda die Uebung im Bahlen- ausiprechen und in den Grundrechnungsarten Addiren, Subtrahiren,

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Multipliziren und Dividiren den Inhalt des mathematiſchen Unter⸗ richtes ausmachten, und 1758 die jetzige Tertia es nicht weiter, als bis zur ſog. Regel de tri brachte, doch trug ſchon 1740 Friedr. Jal. Maler in den 2 oberiten Jahreskurſen viermal wöchentlich reine und angewandte Mathematit, 1742 auch Algebra vor, und 1759 finden fih an dem Gymnaſium öffentliche Vorleſungen über Mathematik, Geometrie, Trigonometrie, Mechanik und Baukunſt angefündigt. Die Geographie fand 40 Jahre lang nur in der oberften Klaffe in einer einzigen Wochenftunde ihre dürftige Behandlung, Schreiben war not- bürftig, Zeichnen in der Auftalt bis 1770 gar nicht bedacht. |

Wenn wir dabei die damald noch in ihrer Art nicht weniger geringen Leiftungen der Vollsſchule bedenken, welche fich auf Religion, Leſen, Schreiben bejchräntte, erſt allmälig noch das Rechnen für die Knaben, nachher auch fir die Mädchen, und erft nach der Mitte des Jahrhunderts auch andere Fächer in ihren Lehrplan aufnahm, fo wird und aus dem Allem Har, daß in der gelehrten, ſowenig wie in der Volksſchule, für die richtige Vorbildung der bürgerlichen Stände, des niedern und höhern Gewerbsmannes, des Gejchäfts- und Kauf- mannes gejorgt war. Allerdings waren an dieje die Anforderungen des Leben? noch nicht jo weitgehende, wie heutzutage, aber das Drängen und Streben nach Beſſerm machte fich doch jchon damals auch in diefen Ständen mehr und mehr geltend. Diefe Anforderungen und dieſes Streben zeigten fich naturgemäß zuerft auf technifch-praf- tiſchem Gebiete. Daher kündigte zuerft 1747 der Ladirer und Maler Schneiter eine allgemeine Zeichenjchule an, welche für 30 fr. zwölf monatliche Beichenftunden veriprach, 1758 eröffnete der Stadtſchul⸗ meifter und Stadtorganift J. Nik. Fiſcher einen wöchentlichen Beichen- unterricht von vier Stunden, und zwar von 10—11 für „junge Frauenzimmer“, von 11—12 für junge Mannsperjonen um den Preis von 20 fr. monatlich, und der niedere Preis zeigt uns, dab Fiſcher auf einen ziemlich zahlreichen Beſuch feines Unterrichtes rechnen fonnte. 1781 wurden acht feiner Schülerinnen im Wochenblatt öffent- lich belobt.

1764 hielt der Mädchenjchullehrer Erad eine Art Gewerbeſchule in dem Rathaus, 1765 wurde von dem Artilleriemajor Lux eine Modelllanuner errichtet, in welcher durch den Modelleur Fafolt viel- fach nach Driginalien modellivt wurde, und auch das benachbarte Durlach hatte bereit? 1768 für Jungen und Gefellen, bejonders der

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Steinhauer, Maurer, Zimmerleute, Schloffer, Hafner, Glaſer, ſowie auch für Schulpräparanden und Schüler männlichen und weiblichen Geſchlechtes unentgeltlichen Unterricht in Geometrie und Mechanit und geometriſchem, architektonifchem und Handzeichnen. Aehnliche Anftalten fanden ſich auch in Pforzheim, Lörrach, Müllheim u. a. D.

Um 1770 wurde num auch in Karlsruhe durch Karl Friedrich diefer techniſche Unterricht nach zweierlei Richtungen bin ins Leben gerufen. Es wurde zunächit eine Schule des Freihandzeichnens für alle Stände errichtet, deren Lehrer anfangs Maler Kikling, Hofmaler Melling und feit 1770 Wutenrieth, geft. 1813, waren, und welche zuerft in der Drangerie vor dem Linfenheimerthor, dann in dem alten Rathaus, und zulegt in einem Seitenbau des Galleriegebäubes abends von 5—7 Unterricht hatte. Der Unterricht war unentgeltlich, und e3 bejuchten ihn freimillig auch Schüler de3 Gymnafiums, 1780 der damals 15jährige Weinbrenner, fowie fpäter der Maler Fedor Iwanowitſch. Mit Autenrieths Tode 1813 hörte der Unterricht auf, fogar für die drei mit dem Gymnafium verbundenen Realklaflen, und erft 1826 erhielten biefelben wieder Beichenunterricht.

Neben diefer Freihandzeichenſchule wurde 1770 auch eine Zeichenſchule für Handwerker, Baufchüler u. a. errichtet, deren erfter Lehrer der Kunftmeifter Faſolt, Dirigent des Brunnenwerkes war. Später lehrten an berfelben der Baumeifter Arnold, und der Bater des 1879 verftorbenen Baurats Berkmüller.

Der Unterricht wurde mit breijährigem Kurs in dem Rathaus, im Winter täglich, im Sommer nur Mittwoch und Samstag gegeben, und die Modelllammer des Major Lug mit benußt. Diefe Anftalt zählte gleich anfangs 25 Schüler, bejtand bis über das Ende unjerer Periode hinaus fort und wurde fleißig bejucht, weil jeder Handwerker freien Unterricht genoß, und ärmere Schüler auch dag nötige Material erhielten. Die Anmeldung dazu hatte bei Lug zu geſchehen.

1798 zeigen die beiden vorftehend gefchilderten Anſtalten folgende Einrichtung :

a. Sreibandzeihnungsinftitut in zwei Klaſſen.

Erſte Klajje in dem Rathaus mit Schülern von 7 Jahren an, aus jedem Stand und Gewerbe, unter Maler Autenrieth, in zwei Ordnungen, jebe täglich abends von 5—6 und 6—7 unterrichtet im Beichnen von Figuren und Landichaften u. ſ. w., je nach dem

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BER,

Berufe des Schülers, im Winter auch Gypsfiguren, eine bejondere Stunde Unterricht im Malen.

Zweite Klaſſe unter Hofmaler Beder in dem Akademie— gebäude mit Schülern über 12 Jahren und guten Anfängen in Mathematit und Haffiichen Wiſſenſchaften, perſpektiviſches ‚Zeichnen, Erklärung von Mythologie und Altertümern, Zeichnen nach Gyps- modellen, Malen in Wafler- und Baftellfarben.

b. Architektoniſches Imftitut für Bauhandwerker, unter dem Bauamt ftehend, mit drei Lehrern. Unterricht Mittwoch und Samstag von 1 Uhr bis abends, Erklärung der Bau- und Kunft- materialien, Säulenordnungen, Bauftile, je nach Bedarf der Lehr- linge. Modelliren.

Diejes Inftitut ftand anfangs der neunziger Jahre einige Zeit jtill, wurde aber Herbjt 1796 wieder eröffnet, und durch Weinbrenner und Arnold geleitet.

Mit diefen Anftalten, deren Unterricht mehr ein fpeziell tech— niſcher war, konnte dem Bedürfnis einer eigentlichen Realjchule für den Mittelftand nicht abgeholfen werden. Daher mußte zu der Gründung einer jolchen Anftalt gejchritten werden, welche den Knaben, die mit 14—15 Jahren das Gymnaſium verließen, die Möglichkeit gewährte, einen ihrem fünftigen Beruf entiprechenden Unterricht zu erhalten. Noch aber erlaubten Mittel und Verhältniſſe nicht, diejer Anftalt die ihr gebührende jelbftändige Stellung zu geben. Es wurde daher 1774 im Herbjt eine jolche Realſchule in Ver— bindung mit dem Gymnaſium ins Leben gerufen. Die Schüler, in drei Klaffen eingeteilt, hatten mit dem Gymnaſium gemeinschaftlich in zwei, jpäter in drei ihrem Alter entiprechenden Klaſſen Unterricht in Religion, Geographie, Gejchichte, in einigen Stunden auch im Latein, für fich abgejondert aber Kalligraphie, Orthographie, Brief- jchreiben, faufmännisches Rechnen, Buchhaltung, Geometrie, elementare Mechanik, Naturgejchichte, Naturlehre und Franzöfiich.

Schulgeld murde feines bezahlt. Für Prämien hatte Karl Friedrich 16 fl. ausgejeßt, der Eintritt war auch Israeliten geitattet, doch war deren Zahl anfangs gering, 1786 war die Schülerzahl einſchließlich 10 Jsraeliten auf 48, 1797 auf 77 gejtiegen. Lehrer an derjelben waren anfangs Präzeptor 3. Ned von Eggenftein, Hof- rat Wucherer u. a., 1792—95 auch Hebel in der deutichen Sprache und Naturgeichichte.

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Die Anftalt ftand unter der Direktion des Gymnaſiums, wurde aber 1805 aufgehoben und erjt jpäter wieder ind Leben gerufen.

Für die über die Volksſchule binausreichende Ausbildung der Töchter war in Karlöruhe bisher wenig gejorgt. Notdürftiger Privatunterricht irgend eines zugewanderten Franzoſen diente als beicheidenfter Notbehelf,*) die Sendung in auswärtige Penfionate war für Mädchen noch nicht Mode geworden. Es mußte daher als eine willtommene Neuheit erjcheinen, als 1773 die Gründung einer höhern Lehranjtalt für Töchter erfolgte. Eine franzöſiſche Anzeige jagt 1773 in Hinweifung auf dieje neue Anftalt:

„Le manque d’institutions publiques pour l’&ducation du sexe en Allemagne vient d’occasionner l’&tablissement de l’Acadämie des filles sages & Carlsrouhe, residence de S. A. Srme Mgr. le Marggrave de Bade, séjour plaisant, sain et paisible qui y est convenable etc.“

Dieje neuerrichtete höhere Schule für Mädchen, auch Edufations- ſchule, Gynäcäum genannt, in zwei Klaffen eingeteilt, war für den Unterricht der Mädchen von Staatsdienern und beffern Bürger- ftänden bejtimmt und follte die Mädchen von 7—14 Fahren in den „nötigen weiblichen Arbeiten und den Wiffenjchaften unterrichten, welche den Schmuck des weiblichen Gejchlechtes bilden”, alfo in Fran— zöſiſch, Schreiben, Geographie, deutſchem und franzöfiichem Briefftil, Beichnen, nach Wunſch auch Italienisch und Englisch. Religion wurde „aus Grundjägen der Toleranz“ feine gelehrt, jondern nur allgemeine chriftliche Moral. Befördert und unterftüßt wurde dieje Anftalt vor- zugsweiſe durch den damaligen Diafonus, jpätern Stadtpfarrer Preu- ichen, welcher auch Direktor wurde. Neben ihm lehrte weibliche Ar- beiten und franzöfiich die Vorjteherin, die Frau des Kammerkanzliſten Bahle (Vahl6), eine geweſene Gouvernante, weßhalb die Schule auch Bahleiche Schule hieß, und nach ihr 1787 die Frau des Hofkochs Naft. Ein Studiojus Kaps und die Präzeptoren Fiſcher und Nikola bejorg- ten andere Fächer. 1774 zählte die Schule jchon 40 Schülerinnen, 1776 waren e3 ihrer nur 22, nur Töchter von Staatsdienern, nebft

*) 1783 verkündete der Schuhmacher Freund, ein geborener Frangofe und biefiger Bürger, er ſei Willens, neben feiner Profeifion eine frangöfifche Lehr- ſchule zu errichten und des Tages 2 Stunden darin zu geben für 24 fr, monatlich.

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zwei auswärtigen. 1778—80 wurde der Beſuch immer ſchwächer, ftieg aber 1781 wieder auf 32, worunter auch VBürgerstöchter.

In diefem Jahr ftiftet der Obervogt, Geheimrat Schmidburg 500 fl. zur Förderung des Unterrichtes im Zeichnen in der Anſtalt, weshalb diejelbe damals auch das Schmidburgſche Inftitut genannt wurde. Es beftand noch im Unfang des Jahrhunderts in dem jeßigen Haufe Nr. 3 der Hebeljtraße.

Diejer Anſtalt erwuchs aber jchon in dem legten Jahrzehnt eine Konkurrenz dadurch, dab Präzeptor Ruf 1787 anfing, für Qöchter befjerer Stände Privatunterricht in den Häufern zu erteilen, woraus nah und nah das Rufſche Privatinftitut für Mädchen von 6—13 Jahren hervorging, an welchem indeffen auch jüngere Knaben teilnahmen, und das in dem jegigen Veltenſchen Haufe am Rondell ſich befand.

1759 finden wir auch die Ankündigung einer Tanzſtunde für 2 fl. monatlich, oder für geübtere zu einem Carlin jährlich.

10. Runſt und Tiferafur, fremde Säfte,

Das Theater. Seit dem Neubau des Schloffes von 1750 an hörten die theatraliichen Aufführungen darin auf, die in dem alten Schlofje befindlichen Räume dafür, das Dpera- und Ballhaus, waren in dem neuen nicht mehr vorhanden. Dagegen beitand das Hoforchefter fort. Daffelbe, für Heine Spmphonien, Tänze, Serenaden beftimmt, ftand 1763 unter dem Direktor Molter mit 2 Biolinen, 2 Waldhörnern, 1 Flöte, 1 Violoncello, 1 Elavicemballo, einer Urt Klavier oder Harmonium mit „mwehmütig melancholischem“ Ton, 1 Fagott, 1 Hoboe, in dem gleichen Jahre wird eine, wie es jcheint, vollftändigere Hofmuſik unter dem Kapellmeifter Sciatti erwähnt, zu welcher ein Kongertmeifter, ein Sopranift, ein Tenorift, 12 Bioliniften, 1 Flötiſt, 3 Hoboiften, 2 Fagottiften, 3 Waldhorniften, 1 Clavicinift und 1 Procantor (Lendorf) gehörten. 1772 wurde die Badener Kapelle mit der Karlsruher vereinigt, und dieje bejtand nun 1773 aus 8 Violinen, 3 Violen, 1 Violon, 2 Hoboe, 1 Flöte, 1 Klarinette, 2 Fagotten, 2 Waldhörnern und 1 Klavier, doch ftand dieje Kapelle

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damal3 noch weit hinter der Mannheimer zurüd. 1758 beftand hier eine neuerrichtete muſikaliſche Gejellichaft, welche jeden Mittwoch von 3—6 Uhr gegen 12 fr. Eintrittägeld, oder 30 fr. monatlichen Bei- trag muſikaliſche Aufführungen gab.

Bon fremden Gauflern, Feuerwerkern und Sünftlern wurde ſchon damals die Nefidenz nicht jelten bejucht. 1779 produzirt ſich in dem unterdefjen bergeftellten Theater der Drangerie im Schloß: garten ein Seiltänzer, welcher auch fremde Thiere mit fich führte. Derjelbe hätte bei einer mutmahlichen Einnahme von 8—900 fl. eigentlich nach der Pfundzollordnung von 1711 von jedem Spiel- tag 45 fr. und von jedem Gulden 49 kr., ſowie 30 fr. bis 1 fl. Rekognitionsgelder zahlen jollen, wird aber davon befreit. 1780 erhält eine Geiltänzergejellihaft 176 fl. aus der Landjchreiberei bezahlt, 1782 läßt fich ein Luftjpringer aus Paris fehen, 1784, 6. März, fteigt in Gegenwart des ganzes Hofes ein mit brennbarer Luft gefüllter Luftballon, 1788 erhält die Seiltänger- und Englifch- reitergefellichaft Chiarrini 20 Louisdor, und eine Riefendame 2 Louis— dor von der Herrichaft u. ſ. w.

Eine ftändige Theatertruppe gab es bier noch lange nicht. Noch in dem alten Opernhaus in dem Schlofje fpielten 1747 im Januar und Februar fremde Komödianten, welche wöchentlich 135 fl. und für eine an Karl Friedrich Namenstag, den 28. Januar über- gebene gedrudte Gratulation 75 fl. erhielten.

1750 war ein langes Drangeriehaus vor dem Linfenheimer- thor, etwa dem jeßigen Mobren gegenüber, neben dem herrichaft- lichen Zimmerplag, ala Komödienhaus hergeftellt worden, und von da an kamen reiſende Schaufpielergejellichaften, bald vorübergehend, bald für längere Zeit, meift im Winter, nach Karlsruhe, um ihre Borftellungen zu geben, jo 1757 Schaufpieldireftor Barſes aus Mähren, welcher Stüde wie Baire, Baron Taftan, oder Hans— wurſt ala Herr und Knecht, das wienerifche affektirte Stubenmädchen, der großprahlende Baron von PBappendedel, aufführte. Andere hier gegebene Theaterftüde aus derjelben Zeit waren die verwirrte Liebe zwijchen zwei Alten, eine Staatsaftion, oder die in Liebe ftreitenden Könige, die Liebe ſucht Rache, ein Trauerjpiel, QTimoleon, oder der Bürgerfreund, in Verjen, die hölliſche Pfauenfeder, ein Luſtſpiel. Der erfte Platz koſtete 12, der zweite 8, der dritte 4 Fr.

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1761 trat der berühmte Schaufpieler K. E. Adermann in der Merope hier auf und erhielt eine Vorauszahlung von 200 fl. aus der Zandichreiberei, 1779 wird den Karlaruhern der Genuß eines Schauſpiels mit Ballet von Rößel aus Heilbronn, 1781 gibt Felit Berner 30 Vorftellungen mit etwa 2000 fl. Erlös, 1782 erjcheint Schaufpieldirettor Karl August Dobler von Augsburg bier mit feiner Truppe. Dieſer Dobler entwarf den Plan zur Gründung eines Hof- und National-Sing- und Scaufpiel®, für weldes er den jährlichen Aufwand auf 8—10000 fl. veranjchlagte.

Es ſollten von Mai bis September wöchentlich drei, von Oktober bi3 April vier Vorftellungen ftattfinden, die Preiſe der Abonnenten monatlich auf das Nobleparterre 4 fl. 30 kr., den Militärplab 3 fl., auf den erjten Pla für das übrige Publikum 5 und 3 fl., den zweiten 1 fl. 30 fr. betragen. Die Gehalte der Schaufpieler berech— nete Dobler wöchentlich auf 12 fl. für den erften Acteur, 8°, fl. den Liebhaber, 8 fl. die Chevaliers, 9 für Alte, 7 für Bediente, 6 für Pedanten, 4 für Väterrollen, 10 für den erften Sänger, 8 fl. den Sänger von PVäterrollen. Der Gehalt des weiblichen Berjonals war für die Darftellerin zärtlicher Rollen 12 fl., für rafche Rollen und zweite Operpartien 12 fl., Mutterrollen 12 fl., die erfte Sängerin 12 fl., zweite Liebhaberin 6 fl., Soubrette 6 fl. Maler und Deko: rateur follten jährlich 260 fl., Souffleur und Nollenichreiber 260 fl., Garderobejchneider und Zimmermann zufammen 308 fl., die Direktion 400 fl. erhalten. Darnach ftellte fich nach Doblers Berechnung die Einnahme auf 8120 fl. gegenüber einer Ausgabe von 8118 ft.

Diefer Plan Dobler3 kam jedoch nicht zur Ausführung, und er jelbjt, obwohl die Karlsruher 1783 um feine Wiederberufung baten, fam nicht wieder.

Dagegen finden wir in dem Jahre 1783 den Theaterdirektor Bulla, welcher abermals Vorjchläge zur Errichtung eines ftändigen Hof: und Nationaltheater machte. Diejer erhielt die Erlaubnis, vom Dftober 1783 bis März 1784 in dem biefigen Theater an den bisher bejtimmten Tagen, außer an Feiertagen, abwechjelnd für Hof und Volt zu jpielen, empfing für die üblichen fFreibillette des Hofper- ſonals und anderer Verjonen, aus der Landſchreiberei 1000 fl., vom Hof 1500 fl., bat Mufit, Holz und einen Teil der Beleuchtung frei, und etwa 2000 fl. Einnahmen vom Publikum. Dabei iſt ihm geitattet, auch in Pforzheim zu fpielen, wobei die Pferde und das Fuhrwerk

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(Wurft genannt), aus dem berrichaftlichen Baufuhrftall in Gottsau gejtellt wurden. Trotzdem mar gegen Ende des Winters die Gejellichaft zahlungsunfähig, Hinterließ 400 fl. Schulden, und Karl Friedrich mußte ihr, außer 122 fl. Zujchuß, noch 100 fl. Reifegeld bezahlen. Nun war das Theater wieder ohne Schaufpieler, dagegen mwaren inzwifchen die Maler Autenrieth und Gröber ala Dekorationsmaler daran bejchäftigt. Als Bulla fort war, meldeten fich zwei Bewerber, Schauſpieler Böhm von Wachen, und Schaufpieldireftor $. Appelt von Ulm. Böhm, obwohl ihm hier 400 fl. monatlich für die ſechs Wintermonate zugejagt waren, zog es vor, fich von dem Kurfürften von Cöln engagiren zu lafjen, und jo fam im Herbft 1784 Appelt hierher. Im September erfolgte die Ankündigung der Eröffnung des Wintertheaters, und im Oftober die Eröffnung ſelbſt mit dem Stüd „die eingebildeten Philoſophen“. Bei wöchentlich drei Vorftellungen und alle 14 Tage aufgehobenem Abonnement betrug der Abonnenten- preis für 12 Borftellungen 4 und 3 fl. auf die erften und zmeiten Pläge, da3 gewöhnliche Eintrittsgeld zum Nobelparterre 30 kr., erften Platz 24 fr., zweiten 12 fr., dritten 6 kr. Eine Gallerie war in dem damaligen Theater nicht vorhanden. 1785 wird Appelt zum Hofihaufpielentrepreneur ernannt, in bdemjelben Jahr erhält der ehemalige Hausvogt Frankard ala Theateraufjeher 200 fl., 1789 250 fl. Gehalt und 50 fl. für ein Feuerwerk an des Mark- grafen Geburtstag. Die Oberleitung des Theaters hat der Oberft- fammerherr von Edelaheim.

In demjelben Jahre, Winter 1784—85, hält Appelt fünf Mastenbälle, wozu der Hof für freien Eintritt 30 Louisdor gab. Die von Appelt während jeiner längern, teils ftändigen, teil vorüber- gehenden Thätigkeit aufgeführten Theaterftüde waren Schau-, Quft- und Trauerjpiele und DOperetten. Wir führen diejelben als Beitrag zur Theater: und Kulturgejchichte hier an.

Schauſpiele und Luſtſpiele: Jeannette oder feine Be— gegnung, der Hausregent, der Gefühlvolle, der Liebhaber nach der Mode, der Zerſtreute, die drei Töchter, Glaßner der Zweite, Natür- liche Rache, die philojophiiche Dame, der argwöhniſche Liebhaber, der argwöhnijche Ehemann, der jchwarze Mann, der Holländer, neueste Frauenjchule, das Loch in der Thür, Medon, die Drillinge, Gſchwind, eh mans erfährt! Wahrheit iſt gut Ding, die Zigeuner, die ſechs Schüffeln, die Wölfe in der Herde, die Erbichaft, der

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Eheprofurator, Juliane von Lindorf, die Läfterfchule, Gefahr der Verführung, die Entführte, Glück beſſert Thorheiten, der Oberamt- mann, der geadelte Kaufmann, der adelige Taglöhner, Tartüffe, Minna von Barnhelm, das neugierige Frauenzimmer u. U.

Trauerfpiele: Eſſex, Elfriede, Natur und Liebe, Moleshof und Sylvie, Otto von Witteldbadh, Agnes Bernauer, Erwine Stein- beim, Montrofe und Surray, Jean Calas, Werthers Leiden, Hamlet, Gianetta Montaldi, Marianne, Tancered, Kaifer Heinrich bei Nürn— berg, die Räuber, Lanaſſa, Fanny, der Hofrat, König Lear, Ines de Caſtro, Elsbeth in Augsburg, Clavigo, Romeo, Emilie, Maria von Stuart, Richard IL., Eleopatra u. U.

Dperetten: Die Apotheke, d.*), die Pilgrime von Mekka, fr., der Erntekranz, d., Felix, fr., der Weiberfeind d., die Liebe auf dem Land, d., der Soldat, it., der Dorfbader d., die zwo Gräfinnen, it., die Jagdluſt, d., der Pächter, fr., das Filchermädchen it., die zwei Geizigen, fr., Helena und Paris, große Opera, d., Zemire Axor, fr., Lyſuard und Darolette, d., das Grab in Arkadien, d. Piramis und Narzika, fr., La serva patrona, it., frascatana, it., der Töpfer d., der Zauberſpiegel, fr., Erumpe Teufel, d., der Faßbinder, fr., das Milhmädel, fr., die Kolonie, it., der Deferteur, fr., die eingebildeten Philofophen, it., die Dorfdeputirten, d., Robert Califte, it., die Samniten, große Opera, fr., die Entführung aus dem Serail, d., u. 4.

1787 z0g Appelt von Karlsruhe ab, Garderobe und Bibliothef wurden ihm durch das Hoftheater für 1100 fl. abgefauft, der in den legten Jahren gegründete Theaterfond zeigte ein Defizit.

In demjelben Jahre wurde mit dem Regiſſeur Wezel ein Vertrag geichloffen, nach welchem er für acht Abonnement3-Borftel- lungen und einen Mastenball (Medoute), von Georgi 1787 bis bi8 Ende April 1788 5078 fl. aus der Theaterkaſſe erhalten follte, und diefer Vertrag mwurde auch für die nächjten zwei Jahre bis 1. Mai 1790 erneuert. In diefem Jahr 1790, auf 1. Dftober, aber fommt die Gejellichaft des nunmehrigen Hofichaujpieldireftors Appelt von Straßburg wieder hieher, wie e3 fcheint aber nur zu Gajtdar- ftellungen, denn 1792 wird mit dem Schaufpieldiveftor Karl von Moracz (fprih Moraſch), von Kleinbornheim bei Würzburg ein

*) Die Operetten wurden in beutfcher, franzöfifcher oder italienifcher Sprache aufgeführt, mas wir mit d., fr. und it. bezeichnen,

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Bertrag auf die gewöhnliche Zeit, d. h. wohl eine Winterfaifon gemacht, wonach derjelbe mit feiner Gefellichaft von acht Frauen und elf Männern als Hofichaufpieler feine Vorftellungen am Hoftheater geben ſollte.

1791, den 20. Febr., wurde zu Ehren der Anweſenheit einiger franzöfiichen Prinzen ein maskirter Freiball im Theater gegeben, welcher 229 fl. Eoftete, und 1794 wird die Aufführung eines Mario— nettentheater8 ebendajelbjt geftattet, 1797 wurde, nach der Angabe des Plinius hist. nat. XXXI, 15, der Verſuch zur Konftruftion eines beweglichen, transportabeln Theaters gemacht.

Ein gewiffer Direftor Thau erbietet fich 1797, dreimal wöchent- lich eine große Oper, ein Trauer-, Schau- oder Quftipiel und eine Samilienfzene im Walde zu geben. Es jcheint aber, daß der Krieg in jenen Jahren die Anftellung einer ſolchen Truppe verhinderte. 1797 kommt Appelt wieder, um von Straßburg aus drei Monate bier zu jpielen, und ebenjo in den Jahren 1798 und 99. Dabei erhielt er von der Herrichaft für zwölf monatliche Vorftellungen 700 fl., ſowie Mufif, Heizung und freie Beleuchtung der zwei Luſtres über der fürftlichen Loge, durfte jeden Monat zwei Vor— ftellungen mit aufgehobenem Abonnement und in der Karnevalszeit jede Woche einen Masfenball geben, und dennoch war der Mann 1800 in Gant.

1800 wurde geflagt, daß das alte Komödienhaus zu tief im Boden fige, daß feine ftändige Truppe, nur Wandertruppen bieher fümen, daß Konzerte nur bei Hof, und auch dort nur Konzerte gegeben würden. 1801 erhielt Maler Autenrieth einftweilen unter der DOberaufficht der Theaterintendang die Ueberwachung des kaum benugten Theatergebäudes in der Orangerie. Endlich wurde 1802 in dem Straßburger Schaufpieldireltor Wild. Vogel ein Mann gefunden, der imftande war, das darniederliegende theatralische Leben mieder zu heben. Derjelbe hatte jchon vorher umter Mitwirkung der berühm- ten Sängerin Mara bier Konzerte gegeben. Mit diefem murde im November 1802 vereinbart, daß er vorerft für ein Gaftipiel von vier Wochen 700 fl. nebjt Mufik, Heizung und Beleuchtung erhalte, jodann ihm geftattet werden jollte, auch den Winter durch hier zu jpielen, und zwar unter den vorgenannten Bedingungen, wogegen er die Mastenbälle auf eigene Koften abzuhalten hätte. Im Jahr 1803 jiedelte diefer Mann, welcher als Schaufpieler, als Direktor und als

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dramatiſcher Dichter einen Namen hatte, mit einer gut geſchulten Truppe nach unſerm Karlsruhe über, und mit ihm erſt beginnt die beſſere Zeit des Karlsruher Theaters.

Die Malerei. Der 1785 ala Hofmaler und Galleriedirektor berufene Maler Ph. Jak. Beder errichtete eine höhere Zeichen— und Mealerjchule, zuerft als Privatakademie für Maler und Zeichner. Bald nachher, 1786, wurde das zmeiftödige Afademiegebäude, die Gemäldegallerie in der Nähe des Linkenheimerthores angefangen, welche zu einem Sanmlungsgebäude für Gemälde, Kupferftiche und Antiken beftimmt, eine Modelllammer und eine Freiſchule für die Baukunſt in fich aufnehmen follte. Ein größer angelegter Plan Karl Sriedrich’3 konnte jedoch wegen der Kriegäzeiten nicht zur Ausführung gelangen. Bon nun an gingen aus Bederd Schule, der die neue Anftalt leitete, bald Schüler, wie der Maler Fedor Iwanowitſch, der Kupferftecher Haldenwang, der Modelleur und Graveur Büdle, der Architekt Weinbrenner u. U. hervor. Auch von der Markgräfin Ka— roline Luiſe jelbft wifjen wir, daß fie als Paftellmalerin nicht Unbe- deutendes leiftete, wie denn auch die Großh. Gemäldegallerie unter Nr. 314 und 315 zwei Paftellgemälde nach Miris und Kaſp. Netjcher von ihr enthält.

Die Hofbibliothef, damals aus etwa 10000 Bänden be- ftehend, welche jeit dem Anfang des 18. Jahrhunderts nach Bajel geflüchtet war, und dort unter einen eigenen Bibliothekar, dem hoch- verdienten Drollinger ftand, wurde 1765 jammt den Altertümern, Münzen und Kunftjachen hieher zurückgebracht, die markgräfliche Hand- und Kanzleibibliothef damit vereinigt, und das Ganze ſchon zwei Jahre nachher dem Publikum zugänglich” gemacht. Durch den Anfall von Baden-Baden ftieg 1772 die Zahl der Bände auf 30000, und infolge der Vergrößerung des Landes von 1803 an wurden die fürſtbiſchöflich ſpeieriſche Bibliothek, die Klofterbibliothefen von St. Blafıen, Salem, Gengenbach, Ettenheimmünfter, Thennenbach, die biichöflich konftanzer Bibliothek in Meersburg, die Mannheimer pfäl- ziiche u. a. damit vereinigt.

Das damit ſchon in dem frühern Lokal neben der Hofkirche räumlich verbundene Naturalientabinet entjtand aus der Samme fung der Marfgräfin Karoline Luife, und wurde nach und nach durch Sammlungen und Beiträge von Gmelin, Aler. Braun, Hugo, Selb, Sommerſchu, Arnsperger, v. Kettner, Schimper, Meier, Agaſſiz,

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Oswald Heer, durch Gefchenke von Mineralien aus dem Ural durch Kaifer Alexander reichlich vermehrt. Sekt befindet fich daffelbe in dem öftlichen Flügel des neuen Sammlungsgebäudes. In demjelben Gebäude ıft auch dag Münzkabinet befindlich, welches durch Marf- graf Friedrih VI, 1659—77 begonnen, jeßt weit über 30000 Nummern zählt.

1765 den 8. Februar ftiftete Karl Friedrich die „Defono- miſche Geſellſchaft,“ auch Gejellichaft zur Beförderung des gemeinen Beten genannt, und berief in diejelbe den Nentlammerprä- fidenten von Gemmingen, Geheimrat Reinhard, Freiherrn v. Palm, Schmidt v. Roßau, Polizeirat Schlettwein, Rat und Brofefjor Köl- reuter, Profeffor Böckmann und Pagenhofmeifter Zur. Dieje Gejell- ichaft hatte jeden Samstag im Schloß ihre Sigungen unter Teilnahme de3 Markgrafen und des Erbprinzen, prüfte von den Memtern einge- fommene VBorjchläge, verfaßte ſelbſt durch ihre Mitglieder Aufjäße über einzelne Zweige der Staatöverwaltung, welche der Rentkammer mitgeteilt wurden, doch ftellte diejelbe ihre Thätigkeit bald wieder ein, dagegen fchrieb der Markgraf bald darauf fein Buch: „Abröge des principes de l’&conomie politique,“ welches 1782 in Deſſau in deutjcher Weberjegung erjchien, unter dem Titel: Grundfäße ber Staatshausholtung von Sr. Durchlaucht, dem jet regierenden Herrn Markgrafen Karl Friedrich von Baden.

1778 wurde in Karlsruhe mit Stationen an 16 andern Orten des Landes ein meteorologijches Inftitut gegründet.

Buhdruderei, Buhbandel, Literatur. Bis zu dem Tode Karl Wilhelms finden wir hier nur die von Durlach hieher über- gezogene Buchdruderei des Kanzleibuchdruders Andreas Jakob Ma- Ihenbauer in der Waldhornjtraße Nr. 21, welcher 1750 am 11. März im Alter von 53 Jahren als Bürgermeifter der Stadt ftarb. Nach jeinem Tode führte deſſen Tochtermann und Faktor 3. Jak. Ludwig Held aus Reutlingen das Geſchäft fort, jtarb aber jchon nach neun— jähriger Ehe 1756, 49 Jahre alt, jo daß nun deſſen Faktor Wilh. Friedrih Lotter dafjelbe zuerft namens der Erben weiter betrieb, aber 1762 für 3000 fl. käuflich an ſich brachte, nachdem er 1761 die Tochter des Rechnungsrates Spener geeblicht hatte. Die Lotterſche Druderei fam aber bald in Verfall und der Beſitzer zuleßt in Gant, jo daß 1776 der Buchdruder Michael Madlot für 5200 fl. das Geſchäft erwarb. Bei diefem Kaufe war ein gewiſſer Chriftian Gottl.

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Schmieder, welcher ſeit 1770 Faktor bei Lotter geweſen war, Madlot’3 Konkurrent, konnte aber das zum Kauf erforderliche Geld nicht auf- bringen.

Neben der Buhdruderei von Majchenbauer und feinen Nachfolgern war auch eine Buhhandlung, wahrjcheinlich ala Fi- fiale duch Buchhändler 3. Gg. Cotta von Tübingen hier gegründet worden, deffen Tochtermann, Mar Wirjum, bier den Buchhandel betrieb. Diejer Wirſum aber ftarb ſchon 1750 den 15. September im Alter von 32 Jahren, und drei Jahre nachher auch feine Wittwe. In dem Cotta-Wirfumfchen Gejchäfte war jchon mehrere Jahre vorher der vorgenannte Michael Madlot aus Frankfurt ala Faktor geftanden, war dann wieder ausgetreten, und fand fich bei Wirfums Tode 1750 in feiner Vaterftadt Frankfurt ohne Stelle. Wirfums Schwager, 9. Hr. Cotta, in der Abficht, das hieſige Gejchäft fortzuführen, berief den Madlot nun 1750 wieder in das hiefige Gejchäft und gab ihm, außer freier Wohnung, Holz und Licht, wöchentlich 4 fl. 30 Fr. für Koftgeld und als Gehalt. Aber jchon 1756 entzweite fih Madlot wegen angeblicher Uebervorteilung durch Cotta mit diefem, gründete ein eigenes Gefchäft und erhielt den 14. Februar 1757 das bisher von Wirfum innegehabte Privilegium zum Buchhandel.

Das Cottaſche Gejchäft wurde jedoch fortgeführt, troß der auf fein Privilegium fich ftügenden Einſprache Madlot3 und Tängern Verhandlungen vor dem Hofgericht, in welchen die Univerfität Tü- bingen fich lebhaft zu Gunften Cottas verwendete, und zwar durch den vorgenannten Chriſt. Gottl. Schmieder, welcher eine hinterlaffene Tochter des 1750 verstorbenen Buchhändlers Wirſum geheiratet hatte. Diefer Ehrijt. Gottl. Schmieder betrieb Buchdruderei und Buchhandel in dem Haufe Nr. 21 der Waldhornftraße bis nach 1800, wurde ſpäter Minifterialfanzlift und ftarb den 5. Juni 1827 im Alter von 78 Jahren, feine Frau, Katharina Wirjum, war 1817 im Alter von 71 Sahren geftorben. Sein Vater, Joh. Jak. Schmieder, war Kam— merdiener des Herzogs Eugen von Würtemberg gemwejen. Als Zeuge bei jeiner Beerdigung finden wir feinen Bruder, den damaligen Kauf- mann Guſtav Gottl. Schmieder, welcher 1813 mit Kaufmann Füßlin auf der Stelle des alten Rathauſes das jetige Edhaus Nr. 141 der KRaiferftraße erbaute und 1837 ftarb.

1766 bat der Iiraelite Moſes Wormſer für feinen Sohn um das Recht, eine hebräiſche Druderei zu errichten, die Sache

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verzögerte fich aber infolge der Einſprache Madlot3 und Lotters bis 1777, in welchem Jahre Wormfer das Recht erlangte, eine ſolche Druderei bier zu gründen. Er follte aber nur hebräiſch druden, unter der Cenſur des Rektors des Gymnaſiums ftehen, dem Gymna— fium jährlih 2 Karolin bezahlen, ein Eremplar zur Hofbibliothet abgeben, und nur ifraelitiiche Seßer und Druder anftellen. Falls aber Madlot hebräifch druden jollte, darf Wormjer nur für auswärts be- ftimmte Schriften druden, und foll fich bei 50 Reichsthaler Strafe nicht mit Madlot3 Gefellen in Verhandlung einlafien. Außerdem joll er, wenn Madlot nicht druden will, diefem die hebräiſchen Let- tern abfaufen. 1785 bat der Schußjude Moſes Löm Wolf die bebräifche Druderei. Diefer aber proteftirte dagegen, daß er neben der Druderei keine andern Gejchäfte treiben, ſowie daß er und feine Braut deutjch leſen und fchreiben lernen, und letztere auch noch Wolle jpinnen und jchlumpen follte. 1789 erhielten Hirſch Wormſer und jein Schwager Belt Moſes Offenbach, der Talmudlehrer, dieſes Drud- privilegium.

1794 im Jun ftarb der Hofe und Kanzleibuchdruder Michael Madlot, welcher 1764 den Titel eines Rechnungsrates und 1788 eines Hofkammerrats erhalten hatte, aber bis zur Erteilung des letztern Hinterfaße geblieben war, und bei defjen Lebzeiten noch die Frage erörtert wurde, ob er als Rat zu den fürftlichen Dienern gehörig, oder ald Bürger dem Forum des Dberamtes unterftehend zu betrachten jei. Bei feinem Tode waren feine öfonomijchen Verhältniffe nicht günftig. Er hinterließ von feiner Frau Chriftine Hütt, einer Tochter des Schultheißen von Liebenzell, vier Söhne, Karl Friedrich und Philipp Jakob Ernſt, melche hier blieben, und Georg Ludwig und Auguft Friedrich, welche zumächft nach Frankfurt und fpäter in das Ausland gingen.

Die literariiche Thätigkeit des Buchdrudes und Buchhandels in Karlzruhe war im Anfang unferer Periode, wie fie es ſchon in der vorhergehenden Zeit gewejen war, eine jehr geringe und bejchräntte. Mußte doch jeder angehende Buchdruder, außer feiner Anterftellung unter die Genjur, einen Eid leiften, nichts Genjurmwidriges druden zu laſſen.

Aus jener und der vorhergegangenen Zeit ung erhaltene Drud- jchriften find u. A. bis gegen 1760 Gedächtnisreden auf Todesfälle oder andere Ereigniffe in der fürftlichen Familie, das bad. Landrecht

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1710—15 in 7 Teilen, eine Feuerordnung von 1715, eine verbefierte Landzollorduung 1718, eine Hofordnung von 1720, eine Forftordnung von 1723, eine Einleitung in die Logik von Kefjel 1726, eine Ab- handlung des Rektors Malſch über den Mimen Syrus, ſowie von 1730 eine ſolche von Bürklin über die Höllenfahrt, 1747 eine Weg- geldordnung, 1750 eine Kirchenagende, 1752 eine Hofgerichtsordnung und 1759 ein neues kirchliches Geſangbuch. Vieles wurde in der erjten Zeit noch in Durlach gedrudt. Der jchon oben mehrgenannte Michael Madlot brachte neues Leben in das Gejchäft, insbejondere dadurch, daß er hier der erfte Begründer periodijcher Zeitſchriften wurde.

1751, als Buchdrucker Held noch lebte, war durch den Hofrat Reinhard der Plan zur Gründung eines Wochenblattes für Karlsruhe, Durlach) und Pforzheim angeregt, und eine handjchriftliche Probe eines jolchen vorgelegt worden. Daſſelbe jollte enthalten: An- gebote von Waren, Ankündigung von Ganten, Steigerungen, Mieten, Anerbietungen und Gejuche von Arbeit, Verordnungen, Vorladungen, Abfahrten von Kutichen, Güterwägen, Schiffen, die Anzeige von Ge- ftohlenem und Berlorenem, die Frucht, Brot-, Fleiſch- und Wein- preije, die Geburten, Hochzeiten und Todesfälle in den drei genannten Drten, und angelommene Fremde. Zu dem Zwede follten in Karlsruhe, Durlah und Pforzheim Berichterjtatter angeftellt werden, und das einmal in der Woche erjcheinende Blatt 13—20 Bogen jährlich um— fafjen. Die Koften dafür waren zu 30—50 fl. für Drud und Papier, 45 fl. für den Karlsruher, je 30 fl. für den Durlacher und Pforz- heimer Berichterftatter, 4 fl. für Schreibmaterialien, 16 fl. für Porto, im Ganzen zu 175 fl. veranschlagt.

Dieje Koften jollten dadurch gebedt werden, daß man entweder bon jedem Bürger in den drei Städten (ca. 1100) 10 Kreuzer und von den Juden 20 fr., oder 1 fl. jährlich von jedem Abnehmer, und für jedes Imjerat 4 fr. erhob.

Obwohl nun ein jolches Blatt, welches damals jchon in Durladı erichien, zur Belehrung der Karlsruher wöchentlich einmal an dem Karlsruher Rathaus angeichlagen werben mußte, fam die Sache vorerſt nicht zuftande.

1756 aber nahm Madlot die Angelegenheit wieder auf und erhielt auf fein Geſuch das Privilegium zur Herausgabe eines der- artigen Blattes im wejentlichen auf Grundlage des Neinhardichen

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Entwurfed. So erjchien denn Mittwoch, ben 5. Januar 1757, die erfte Nummer unter dem Titel: „Karlsruher Wochenblatt oder Nachrichten zum Behuf der Polizey, des Haus— baltung3- und Handelamwejens, wieaud der Gelehr- ſamkeit, mit Hochfürftlich Baden-Durlachifcher höchfter Genehmigung. Ausgegeben im Adreßhauſe in der wirſumſchen Buchhandlung in Karlörube, verlegt von Mich. Madlot.“ Später wurde das Blatt jeden Donnerstag ausgegeben. Das Lokal war anfangs in der Wald- bornftraße, in der alten Maſchenbauerſchen Druderei, jpäter in dem Zirkelhaus Nr. 10 am Schloßplak.

Der Inhalt war im Allgemeinen dem oben angedeuteten entfprechend, doch kamen dazu auch nach und nach gerichtliche Verhandlungen aus dem Lande, gelehrte, naturwifjenjchaftliche, wirtichaftliche, gejchichtliche, geographiſche und religions=philojophifche Abhandlungen, auch in der erften Nummer ein Gedicht von dem Verleger. Politiſche Nachrichten durfte das Blatt feine bringen, und erft gegen 1789 veröffentlichte ed, wiewohl jehr dürftige Nachrichten, über die Weltbegebenheiten. Die Fremdenliſten hörten nach einigen Jahren wieder auf, dagegen brachte e3 bald die Promotionen und Verfegungen von Staats», Kirchen- und Schuldienern.

Das Blatt genok Portofreiheit an die Aemter, bei welchen die Gemeinden es abzuholen hatten, der Preis betrug 1 fl. 30 kr. jährlich für das Publikum, 1 fl. für die Gemeinden, oder 1 fr. für dem Bogen.

1759 entichloß ſich Madlot, die auf das „gewöhnliche Leben“ bezüglichen Nachrichten von den gelehrten und wirtichaftlichen Wr» tifeln zu trennen, und dem Wochenblatt ein Beiblatt unter dem Titel „Carlsruher nützliche Sammlungen“ beizugeben. Die Einjendungen mußten jedesmal vor der Veröffentlichung dem markgräflichen geheimen Sekretariat vorgelegt werden, und fo wurde 1759 ber erjte Band diefjer „Karlsruher nüglihen Sammlungen, oder Ab— handlungen aus allen Teilen der Wifjenfchaft, bejonders dem Staats- und Lehenrecht, der Gejchichte, Naturlehre, dem Polizei-, Kameral⸗, Handel3- und Fabrikweſen, wie auch der Haus- und Landwirthſchaft“ gedrudt. Derjelbe enthielt Artikel von Geheimrat 3. I. Reinhard, Hofrat G. E. 2. Breufchen, G. Fr. Hummel, 3. Fr. Maler, Kirchen- rat, Hofprediger Stein, Archivar I. Fr. Herbiter, Rektor Deimling von Pforzheim, Hofrat K. W. Wielandt, dem nafjaufchen Rat Jak.

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Fr. Eberhard, dem Tübinger Profeſſor der Rechte, J. M. Tafinger, dem kurpfälziſchen Apellationsrat und Kirchenrat Ph. M. Ludwig Fladt. Doch erſcheinen dieſelben nicht regelmäßig und wurden nicht lange fortgejeßt. Das Wochenblatt erjchien bald wieder ohne dieſe Beigabe in der frühern Weile bis 1774, in welchem Jahre e3, ſowie auch das Raftatter Wochenblatt einging, und vom 1. Januar 1775 an ald „Allgemeines Intelligenz- und Wochenblatt für ſämmtliche Hochfürſtlich badiſche Lande“ von Madlot fortgejegt wurde, doch erjchien auch diejes Blatt ohne wejentlich ver- änderten Inhalt bis 1803 nur einmal wöchentlich.

Das im Jahr 1719 dem Hof- und Kanzleibuchdruder Mafchen- bauer erteilte Privilegium des Drudes und Verlages der Kirchen- und Schulbücher und des Landkalenders war 1750 mit deſſen Tode erlojhen. Den 15. Juni 1750 übergab nun der Markgraf vorerft auf ſechs Jahre, und 1756 auf weitere jechd Jahre dem Gymnafium dieſes Verlagsrecht, und fügte dazu unter dem 16. Dftober 1760 auch das Recht einer eigenen Druderei. Anfangs hatte das Gymna- fium den Erben Mafchenbauers dieſes echt pachtweife überlaffen, aber ſchon Lotter hatte dafjelbe in Afterpacht dem Michael Madlot gegeben.

Es wurde nun unter dem 30. September 1760 dieſes Verhältnis zwiſchen Gotta und Madlot in der Weile geordnet, daß Cotta eine Preſſe umentgeltlih für fich und eine zweite für 100 fl. Pacht an das Gymnaſium zu führen berechtigt wurde, Macklot aber nebit einigen Preſſen das Verlagsrecht erhielt und dafür 400 fl. Pacht bezahlte. Diefer Vertrag war auf 12 Jahre abgejchloffen. Aber jchon drei Jahre nachher, 1763, kam auch die von Lotter in Afterpacht abge- gebene Preſſe diret in Madlots Hände, und derſelbe bezahlte von 1765 an für das Verlagsrecht 400 fl. und für vier Drudprefien des Gymnaſiums 165 fl. Pacht.

Schon 1780 aber fand Madlot feine Rechnung dabei nicht mehr, und obwohl er feinen Vertrag auf Lebenszeit abgeichloffen hatte, trat doch 1783 Hofbuchhändler Müller in Kehl in denjelben für ihn ein, und als auch diejer mit Verluft arbeitete, troßdem er nicht mehr Pacht als Madlot bezahlte, war das Gymnaſium 1793 genötigt, die Sache in Selbftbetrieb zu nehmen. Es wurde eine Gymnafiumsbüchernieder- lage in Karlsruhe errichtet, welche bald da, bald dort drucken ließ, den Verlag jelbjt bejorgte, und dafür ihrerſeits den Pacht von 565 fl.

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an die Verrechnung des Gymnafiums ablieferte. Unter freiwilliger Verwaltung des Kammerrats Jägerſchmid machte die Anftalt von num an beſſere Gefchäfte, nur der Landkalender, welcher ebenfalls zu dem Betrieb gehörte, brachte weniger, ja fogar feinen Nuten ein, weil derjelbe noch nicht den richtigen Verfaſſer gefunden hatte.

Obwohl unter dem Privilegium Mafchenbauerd auch der Drud und Verlag von Kalendern begriffen war, und anzunehmen ift, daß folche ſchon damals gedrudt wurden, und obmohl in Baden-Baden, der Pfalz und der Schweiz ſchon vorher jolche herauskamen, fo finden wir einen Baben-Durlachifchen Kalender, doch erft in dem ſechsziger und den folgenden Jahren, und es jcheint beinahe, ala ob erft der 1760 erfolgte endgiltige Uebergang des Mafchenbauerjchen Druchpri⸗ vilegiums an das Gymnafium die Herausgabe des Kalenders veranlaßt babe. Der von 1766 an bei Madlot erjcheinende Kalender führt den Titel: „Hiftorifher Badiſcher Landkalender“, dann 1781 Genealogifher Badifher Landkalender und von 1798 an wieder Hiftorischer Landkalender. Derfjelbe enthält, außer dem Monatslalender und aftronomijchen Angaben, die Genealogie der re- gierenden Familien, auch außerhalb Badens, die Jahrmärkte des Landes, vielfach wirtjchaftliche und medizinische Angaben, wie Heil mittel gegen Waflerjucht, Hypochondrie, Krebs u. A. Es werben die Kartoffelblätter zum Rauchen empfohlen, 1774 wird gemeldet, daß ein 1764 aus Frankfurt bezogener Tulpenbaum, Liriodendron tu- lipiferum , zum erftenmal bier geblüht habe. 1775 enthält eine ausführliche Beſchreibung franzöfischer Provinzen, ein anderer Jahr- gang auch Heine Erzählungen, und 1776 jogar eine Aderlaßtäfelchen für den Monat zu „Nutz und Frommen des gemeinen Mannes,“ worin angegeben ift, welche gute und fchlimme Folgen das Aderlaſſen an jedem einzelnen Monatstage zur Folge habe. Der 1. ift bbs, es verliert fich die Farbe, der 2. macht Fieber, der 3. Tontraft oder lahm, der 4. bringt jähen Tod, der 5. macht das Geblüt ſchwinden, der 6. nimmt das wäßrige Geblüt, der 7. Eßluſt und Durft, der 8. ſchwächt den Magen u. j. w., ber 16. ift der allerbefte, der 17. ber allerichlimmfte. Der Kalender koſtete 4 fr.

Bon 1783 an erſchien einige Jahre unter dem Titel: „Hochfürft- ih Markgräflich Badiſcher privilegirter Taſchenkalender bei I. Ge. Müller, Durlachiſchem Hof und Kanzleibuchdruder in Kehl, ein dem Madlotichen ähnlicher Kalender, welcher aber bald’ wieder einging.

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Außer dem Landkalender gibt Macklot feit 1767 auch den „Marf- gräflih Baden-Durlachifchen Staats- und Adreßkalender“ heraus, welcher nebft dem Monatskalender, ſämmtliche Hof-, Staat3-, Kirchen», jpäter auch Schul- und Gemeindeftellen ſammt ihren Inhabern, jeit 1768 die Genealogie des FFürftenhaufes, 1770 merkantilifche Bemer- tungen über Baden⸗Durlach u. A. enthielt.

1758 erfcheint bei demjelben Druder und Verleger, Michael Madlot, die erfte „Brivilegirte Karlsruher Zeitung“ in Duartformat, einen halben Bogen groß. Anfangs zweimal wöchentlich, am Dienstag und Donnerdtag ausgegeben, erjcheint fie ſchon 1759 dreimal, am Dienstag, Donnerstag und Samstag. Sie enthielt 3. B. zur Beit des fiebenjährigen Krieges und der folgenden Jahre genaue Kriegsberichte vom Land» und Seekrieg u. dergl., aber feine Spur von inländischen, politischen oder fonftigen Vorkommniſſen, und durch- aus feine andern, als Buchhändleranzeigen des Herausgeberd. Das größere Format, ſowie das Necht, andere Anzeigen aufzunehmen, erhielt die Beitung erft in unjerm Jahrhundert. Die Redaktion des Wochenblattes brachte Madlot, troß der Enthaltung von aller Politik, dennoch manche Unannehmlichkeiten. So war zum Neujahr 1776 ein von feinem Ausläufer, dem Schreiner Jakob Wald verfaßtes Gedicht bei ihm gedrudt worden. Daffelbe enthielt eine Anſpielung auf eine wegen Ueberfigens gegen Wald verhängte Arreftitrafe. Deßhalb joll nun Madlot dem Leutnant von Blumberg, welcher die Inhaftnahme Walds vollzogen hatte, vor dem Generaladjutanten von Freyſtedt Abbitte thun, was er aber verweigert. Dafür zerreißt ihm Blumberg den Rod und nennt ihn einen Basquillnarren und Ejel, und Madlot muß trogdem Abbitte leiſten. Ein andermal, 1764, hatte er den bad. Finanzkatechismus nachgedrudt, und joll dafür mit Profofenarreft oder Geldftrafe büßen, was ihm aber in Gnaden erlaffen wurde.

Auch die Redaktion der Karlöruher Zeitung brachte dem Ver⸗ leger mancherlei Unannehmlichkeiten.

Während des 1772—83 zwilchen Frankreich und England ge— führten Krieges nahm die Madlot’jche Zeitung für Frankreich ungünftige Berichte auf, weßhalb der franzöfiiche Minister des Auswärtigen, Graf dv. Vergennes, 1780 an den badiſchen Minifter jchrieb: „Le Sieur Macklot inprime & Carlsruhe une gazette allemande qui & raison du bas prix auquel il Ja distribue, est devenue la feuille universelle des provinces voisines de la France, de l’Alsace

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et de la Lorraine allemandes eto., und fich in dem Briefe über einen gegen Frankreich gerichteten Artikel des Blattes bejchwerte. Madlot wurde darüber vernommen, Edelaheim verſprach, dem Hofrat, Geheimſekretär Wielandt die Cenſur abzunehmen, und Madlot zu be jtrafen, und Vergennes bittet jchließlich um Nachficht für Beide. Auch als nach 1789 das Blatt fich der nationalen Erhebung in Frankreich nicht ungünftig zeigte, wurden ihm 1791 alle Mitteilungen über franzöfifche Zuftände und Vorkommniſſe verboten.

1757 Hatte Madlot auch eine Leihbibliothek errichtet, wofür monatlich 30 kr., oder täglich 1 fr. zu bezahlen waren.

Mit dem Beginn der periodischen Zeitſchriften, ſowie mit ber in den jechöziger Jahren zuftande gelommenen Erweiterung und Ver- befierung des Gymnafiums und der teilweifen Berufung neuer Lehrer, nahm auch die literarische Thätigkeit des Buchdrudes und Buchhandels einen lebhaftern Aufſchwung.

Bon den Schriften in Baden heimischer Verfafjer erwähnen wir ala bier gedrudte: I. Chr. Sachs, Einleitung in die Gejchichte der Markgrafichaft Baden, 5 Bände, 1763—73 bei Lotter und Lotter's Erben, und I. Dan. Schöpflin, Histor. Zabringo-Badensis in 7 Bänden, 1763—66, bei Madlot, ein Prachtwerk, melches den Staat 11.000 fl. koſtete.

Bon andern literariich thätigen Männern bes Landes, deren Wohnfig größtenteild Karlsruhe war, und deren Schriften hier gedruckt wurden, nennen wir nur die Namen, indem wir auf Näheres über diejelben und ihre Schriften auf Drais’ Gefchichte Karl Friedrichs, Hartlebend Gemälde von Karlaruhe und Bingner’3 Bad. Literatur verweilen. Solche Namen find: Bödmann, Vater und Sohn, Bou- gind, Brauer, auch in ber nächiten Periode noch bedeutender bad. Staatsrechtsjchriftiteller, Drollinger, Dumgs, Eichrodt, I. Fr. Enderlin, Erhard, Ewald 3. 2., Fein, Flachsland, v. Freyſtedt, v. Gemmingen, Gerftlacher, Gmelin, Grub, v. Günderode, Herbfter, Hübner, Jäger- ihmid, Joſ. Gottl. Kölreuter, K. Chr. Kühlenthal, Maler, Malſch, Meier E., Molter, Dr. €. 2. Fr. PVofjelt, Preuſchen, Mar. Nein- hard, Sander, Schlettwein, Schloffer, Schmauß, Fr. S. Schmidt, U. Schreiber, Chr. 2. Schweidhard, Stark, Thran, Tittel, Walz.

1775 hatte Schmieder um ein Privilegium zum Drud der beften deutjchen Profaiften und Dichter gebeten, und dafjelbe, in Baden ab- gewiejen, von Wien aus erhalten, und jo erjchienen nun bei ihm in

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Karlsruhe 1774 Gellerts Schriften und Leben, 1775—76 Klopſtods Dden und Lieber, Geßners Schriften, 5 Bände, Hagedorn, Rabeners Briefe und Satyren, 1776 Cronegks Gedichte, Kleift, Klopftods Her- mannsſchlacht, Uz, Wielands Beiträge, 1777 Wielands Goldener Spiegel und Jdris, 1778 Haller und I. I. Duſch Moralifche Briefe, 1779 Duſch, Karl Ferdiner, 1780 Stärke der edlen Liebe, Gleims Schriften, 6 Bände, I. ©. Jacobi, 7 Bände, Ramler, 1781 Blums Gedichte und Spaziergänge, 1783 Cramers Gedichte, Michaelis Werke, Niemeyers Gedichte, Willmanns Gedichte, Weppens Gedichte, 1787 Alxingers Doolin von Mainz, 1788 Schiller® Don Carlos, 1791 Wielands Veregrinus Proteus. Auch Göthes Werke, fomeit fie damals erjchienen waren, hatte Schmieder nachgedrudt, wie dies much in Hamburg, Berlin u a. D. geichah. Doch jcheint diefer Nachdrud mehr in Gemeinjchaft mit Madlot und auf defien Namen gejchehen zu jein, wie wenigftens Göthes Andeutungen in jeiner „Wahrheit und Dichtung“ beweiſen. Bis 1792 waren jo in der Schmiederjchen Offizin über 200 Bände erichienen, Madlot jtarb 1794, und der ausbrechende Krieg ftörte das Geſchäft.

1796 erftand für die Karlsruher Gejchäfte eine bedeutende Kon- furrenz in dem von Pforzheim hierher gezogenen Chriftian Frie- drih Müller, welcher in dem genannten Jahre eine Druderei hier eröffnete, und bald nachher auch eine Schriftgießeret und Kupfer- druderei damit verband.

Wir geftatten uns bier, noch zum Schluffe unferes Abjchnittes auf einen Mann hinzumeifen, welcher in der badijchen Literatur eine eigenartige Stellung einnimmt. Es ijt dies der Geheimhofrat Ring, geb. 1726, geft. 1805, nacheinander Privatlehrer in Straßburg und Zürich, Prediger in Colmar und Schuldireftor, 1760—90 Prinzen- erzieher in Karlsruhe.

Sein wohl zu hartes Urteil über die Männer jeiner Umgebung lautet:

„Die Mannsperſonen meiner Umgebung find meift fteife, ge— zwungene, abgejchmadte Figuren, sans usage du monde et sans avoir envie de vouloir ou se corriger ou se perfectionner. Die Jungen erjcheinen meiftens als fabe, eigenliebige Bürfchlein, und die Alten befigen einen abgejchmadten Amts- oder Profefjorenftolz, iprechen immer von ihren Heinen, oft blos eingebildeten Verdienſten, wollen allein den Himmel getragen haben, damit er nicht einfalle,

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wollen allein geleiftet haben, was fein Anderer zu leiften vermöchte u. ſ. mw.“

Ring war ein abgejagter Feind aller nur halb pietiftischen Rich— tung, nannte Lavater einen Planmacher und Narren, Klopftod einen Egoiften, Stilling einen verlappten Jeſuiten und verjchonte auch Jakobi, Drais, Schloffer und Hebel nicht.

Ein gutes Epigramm von ihm auf die ausgebrochene franzöſiſche Revolution mag bier noch Platz finden:

Alſo glüdlich, gutes Frankreich, ſtehſt du da Umgefchaffen herrlich zur respublica, _

Laut erjcholl dir unfer freudig: plaudite! Sag uns nach acht Tagen, wie e3 weiter geh.

Karl Friedrih’3 Verbindung mit Männern der Wiſſenſchaft und Kunft war für ihn und feine Gemahlin eine Quelle reichen Genuffes.

Die durch Schriften durchreijender Gäfte, wie durch die Memoiren eines Pöllnig, bekannt gewordene, eigenartige neue Nefidenz bes badijchen Markgrafen hatte jchon in den erften Zeiten berfelben manchen fremden Beſucher herbeigelodt, aber kaum ein Jahrzehnt nad) dem Regierungsantritte und den erjten Regierungsmaßnahmen des jungen Markgrafen Karl Friedrich gewannen folche Beſuche eine höhere Bedeutung und einen andern Sinn. Der Ruf feiner trefflichen, muftergiltigen Regierung zum Wohl feines Landes und Bolfes, die rege Teilnahme deſſelben an allen höhern, geiftigen Beitrebungen und Erjcheinungen feiner Zeit, die wiſſenſchaftlich ernfte und künſtleriſch angelegte Natur jeiner Gemahlin, zogen bald die Blicke manches hervorragenden Geiftes des In- und Aus- Iandes nach dem gaftlichen Hofe des Heinen badijchen Markgrafen, und nach jeiner heranmachjenden Reſidenz am Landgraben, mo der Gaft in dem Kreiſe eines fittenreinen Hof» und Familien— lebens eine wohlwollende, verjtändnisvolle Aufnahme fand. Nicht nur der Wunjch, alles Gute und Schöne nach Kräften zu fördern, jondern auch die Abficht des edlen Fürftenpaares, aus folchem Berkehr eigene Weiterbildung und Hilfsmittel zur Förderung des Wohles von Land und Volk zu jchöpfen, und der Genuß, welcher aus dem perfönlichen Umgang mit hervorragenden Männern ihnen erwuch3, gewährten denjelben an dem badijchen Hofe, und jelbjt im Dienfte de3 Markgrafen willige Aufnahme.

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1758, vom 9.—16. Auguft, hielt fih Voltaire bier auf, wohnte im Schloffe und jchrieb nach feiner Abreife an einen Freund: „Es gibt nichts Tiebensmwürdigeres, ala die Frau Markgräfin, fie fteht erhaben über Allem, was Sie mir von ihr gejagt haben, e3 gibt feine Franzöſin, die jo viel Geift, Kenntniffe und Feinheit hat, ihre Unterhaltung hat mich entzüdt, ich wollte, ich hätte fie früher jchon gefannt. Ich bin von ihr mit Güte überhäuft worden und wünſchte, der Herr Markgraf wäre mit mir ein wenig zufrieden geweſen. Seine NRefidenz ift reizend, das Palais mit unendlichem Gejchmad eingerichtet und möblirt. Ich war herrlich logirt.“ Ende September defjelben Jahres bis zum 26. Dftober wohnte hier im Darmftäder Hof der zum badifchen Hiftoriographen auserjehene I. Daniel Schöpflin, welcher damal3 an feiner Alsatia illustrata arbeitete.

Mit Gottlieb Konrad Pfeffel, geb. 1736 in Colmar, feit 1760 Mitarbeiter der „Karlsruher nüglichen Sammlungen“ , ftand der Markgraf in brieflichem und perjönlichem Verkehr, welcher die von Pfeffel vorgeichlagene Gründung einer Univerfität in Karls— ruhe mit Hilfe einer Staatslotterie und die einer Militäralademie in Gott3au betraf. *) 1761 kam Cäſar Franz Caſſini, der Direktor der Parijer Sternwarte, auf 14 Tage bieher, um behufs feiner topographifchen Karte von Frankreich, und zur Beſtimmung des durch Baden-Durlach gehenden Meridian hier zu arbeiten. Auch diejer äußert fich über die Markgräfin folgendermaßen: „Ich hatte dann bie Ehre, der Frau Markgräfin von Baden-Durlach vorgeftellt zu werden, einer Fürſtin, die durch ihre Talente und Kenntniſſe ihres Mannes würdig iſt. Es möchte mir jchwer fallen, mit derjelben

*) Ueber bie religiöfe Anfchauung Pfeffeld, welche wohl auch damals mit berjenigen Karl Friedrichs übereinftimmte, teilen wir aus einem Briefe deſſelben an den Geheimrat Reinhard vom 5. Dez. 1761 folgendes mit: „Sch meines Orts habe, feitdem ich denlen gelernt, die Religion des wahren Philoſophen und bie Religion des wahren Ehriften ald ein Baar unzertrennliche Schweitern, ald anbetungsmwürbige Töchter eines und beffelbigen Gottes verehrt, und bie Fabel meines lieben Gellert von dem Knaben, der mit zugefchlofienen Augen den Himmel betrachten wollte, mir zu einer rührenden Warnung bienen laſſen. Diefed vernunftmäßige Chriftenthbum ift der Gegenftand meiner täglichen Be- trachtung, und ich würde mich nicht fcheuen, vor den Schriftgelehrten der ganzen Ehriftenheit zu befennen, daß ich den Sofrates in eben bem Himmel anzutreffen hoffe, welchen fie mit einer heiligen Tyranney vor denjenigen ver- ichließen, die ihrem orthodogen Überglauben nicht zugethan find.“

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Anmut wiederzugeben, was fie alles, mir Verbindliche und Lieb- liches zu jagen geruhte, indem fie mich ihrer Protection verjicherte. Troß der rauhen Jahreszeit nahm fich die Fürftin die Mühe, mit mir auf den Turm ihres Valais zu fteigen, um mein Inftrument und die Art feiner Handhabung kennen zu lernen. Dies war feine unfruchtbare Neugier, fie wollte fich über die Anwendung und Bes obachtungen belehren, und binnen vierzehn Tagen war fie imftande, zu berechnen, und die Karte zu konſtruiren.“

1770 bielt fich der Züricher Prediger und Idyllendichter Sa⸗ lomon Geßner, geb. 1730, mehrere Tage hier auf und wurde durch Karl Friedrich jehr freundlich aufgenommen. In der Schloß- firche zu predigen, wie es Karl Friedrich von ihm münjchte, war ihm, wegen eines Augenleidens, zu deſſen Heilung er nach Straß- burg reiste, nicht möglich. In dem Haufe des markgräflichen Brinzen- lehrers Ring fand und las er die ihm bis da unbelannten Oden Klopſtocks.

In dem Sommer des gleichen Jahres kam J. G. Herder, geb. 1744, als Reiſebegleiter des Erbprinzen Peter Friedrich Wil- helm von Holjtein-Eutin, mit deſſen Hofmarſchall von Straßburg aus nach Karlsruhe und an den Hof, murde von Karl Friedrich per- jönlich aufgejucht und mit hoher Achtung behandelt. Den 30. Aug. 1770 jchreibt Herder an feine Braut Kar. Flachsland: „Der Markgraf, mit dem ich die erjte Vierteljtunde ſprach, ohne ihn zu kennen, juchte mich auf eine jehr gute Art mittags umd abends zu feiner Unter⸗ haltung auf, und da er der erjte Fürſt ift, den ich ganz ohne Fürſten— miene fenne, jo fallen unſere Geipräche meiftens auf Dinge, die zur Einrichtung und Freiheit des menjchlichen Gejchlechtes gehören, und über die ich mich jo frei ausdrüdte, als ob ich mit feinem Fürſten ipräche.“

Eine von Herder hier gehaltene Predigt fand indefjen nicht den Beifall der hieſigen Geiftlichkeit.

1770—71 hielt fich der eifrige Verteidiger und Verbreiter des phyſiokratiſchen Syſtems P. S. Dupont de Nemours hier auf und genoß in hohem Grade das Zutrauen des Markgrafen.

1774, im Auguft, erjcheint der berühmte Bhyfiognomiler 3. Kaſp. Lavater aus Zürich erjtmal3 bier am Hofe, bejuchte Karl Frie— drich in dem Langenfteinbacher Bade und trat von nun an in ver- tranten Briefwechjel mit dem Markgrafen, der ſich bejonder$ von der

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ächt frommen Denkungsart des Mannes ſympathiſch angezogen fühlte. Lavater widmete ihm daher auch 1775 den erjten Band jeiner „Phyſiognomiſchen Fragmente“ und erhielt von Karl Friedrich den Titel eines badijchen Legationsrates.

Zu Ende des Jahres 1774 kamen die Prinzen Karl Auguft und SKonftantin von Weimar mit ihrem Hofmeifter und Begleiter Knebel, nachdem fie in Frankfurt den jungen Göthe befucht, und bie erſten freundfchaftlichen Beziehungen mit ihm angelnüpft hatten, an den Karlsruher Hof zum Beſuch, wo fie Klopftod vorfanden. Im Anfang des Jahres 1775 traf der Aeltere hier wieder mit Göthe zujammen, und feierte hier mit der anweſenden Prinzeſſin Luiſe von Darmitadt, feiner künftigen Gemahlin, einer Verwandten unferer Markgräfin, das Verlobungsfeft.

Bur jelben Zeit, 1774—75, fand Fr. Hch. Jacobi, der Philoſoph und Dichter und Verfaffer des Romans „Woldemar”, freund- fihe Aufnahme am bad. Hofe, wo er fi) von dem damals bier mweilenden Klopſtock mächtig angezogen fühlte. 1775 kommt der Wiener Kapellmeijter, der berühmte Reformator der deutjchen Dper, der Schöpfer des mufilaliichen Dramas, Chriftl. Willibald Gluck, mit Frau und Nichte auf feiner Durchreife nach und von Paris hieher, und brachte u. a. auch von ihm fomponirte Stüde der Mefliade Klopftods vor dem Hofe und dem Dichter jelbft zur Auf- führung. Klopſtock freute fich ihrer Belanntichaft, und die Nichte machte ihm durch den Gejang jeines Liedes „Sch bin ein deutiches Mädchen“ doppelte Freude. Auf der Rückreiſe von Paris waren fie bei dem Minifter von Edelsheim zur Tafel.

Bom 17.—21. Mai 1775, alfo nach Klopſtocks Mbreije, erjcheint Göthe auf einer Schweizerreife mit den beiden jungen Studiofen, den Grafen Chriftian und Friedr. Leop. von Stolberg, und deren Begleiter, dem Grafen Haugmwig bier, und am 24. Mai fchreibt Frig Stolberg an Klopftod: „Den Markgrafen muß man lieben, die Markgräfin vertieft fich ftart in die Botanik und ift mir zu gelehrt, ſonſt gefällt fie mir.“

Auch vier Jahre nachher, im Dezember 1779, war Göthe wieder bier, wie er denn unter dem 20. Dezember 1779 an Frau von Stein fchreibt: „Hier find die Kinder jchön und allerliebjt, der Markgraf gefällig und unterhaltend, die Markgräfin gefällig und geiprächig, der Erbprinz in feine Augenbrauen retrandirt, aber gut-

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willig, die Erbprinzeß ſehr paffiv und am Gängelband- der Frau Schwiegermama.“ Den 21. Dezember reiste Göthe wieder ab, meil er Karlsruhe langweilig fand, wo er übrigens auch in fpäterer Beit unter Gmelins Führung mehrere Tage nacheinander mit großem Intereffe die Pflanzenhäujer des botanischen Gartens bejuchte.

1763 hatte Karl Friedrich den von Lübeck gebürtigen Profefjor %. Lor. Böchmann aus Jena nach Karldruhe an das Gymnaſium berufen. Dieſer war 1773 auch Kirchenrat geworden und trug in dem Hoffreis einzelne Dden Klopſtocks, jowie Stüde aus deſſen 1773 vollendetem Meffiad vor. Karl Friedrich wurde dadurch jo für den Dichter eingenommen, daß er demjelben, welcher damals ohne fihere Stellung war, jofort durch Böckmann eine Einladung an den badifchen Hof mit dem Unerbieten des badijchen Hofratstitel3 und 800 fl. Gehalt zugehen lieh. Das Anerbieten fand willige Annahme, jedoch jo, daß Klopſtock fich das Zugeſtändnis erbat, fich nicht ftändig an dem Hof aufhalten zu müſſen. Darauf ſchrieb ihm Karl Friedrich unter dem 3. Auguſt 1774, er freue fich, den „Dichter der Religion und des Vaterlandes“ in feinem Lande zu haben, die freiheit fei das edeljte Recht des Menichen und von der Wiflenichaft ungertrenn- lich, umd feine Bitte fer ihm gewährt. Im September reiste Klopftod über Göttingen, Kaffel, Frankfurt, wo er Göthe befuchte, und diefer ihm Stüde aus feinem Fauft vorlas, nach Karlsruhe. Die Reife- foften mit 40 Louisdor wurden ihm, nad Erlak vom 28. Nov., vergütet, und auf Weihnacht erhielt er 5 Ohm alten Sulzburger Wein zum Gejchent.

Seine ftändige Bejoldung beftand nach Erlaß vom 3. Dit. 1774 in 528 fl. Geld, 24 M. Dinkel, 12 M. Roggen, 3 M. Gerfte und 20 Ohm Wein erfter Klaſſe. Seine Wohnung nahm er bei dem Hofrat Böckmann im Zirkel, feinen Tiſch erhielt er an der Mar- ſchallstafel im Schloß. Die Urteile feiner Zeitgenoffen über den von Karl Friedrich fo freundlich aufgenommenen Mann lauten ſehr ver jchieden. Weber feine äußere Erjcheinung zwar find dieſe Urteile ziemlich übereinftimmend. Sein Anzug, jo äußert fich der allerdings jchwer zu befriedigende Prinzenlehrer Hofrat Ring, jet armjelig, er erjcheine an der Marjchallstafel in einem jchäbigen, braunen, zumeilen in einem noch mehr abgetragenen, roten Rödchen, in Gala in einem mweißgrauen, mit goldenen Musfetierborden eingefaßten. Seine Perüde jei alt, jchlecht gemacht, übel ausfehend, unveinlich fein ganzer Anzug.

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Er ſei ein- ewiger Rechthaber, ein langweiliger Pedant, ungefällig und wenig einnehmend. Göthe dagegen, welchen er von hier aus den 30. März 1775 abermals in Frankfurt beſuchte, findet ihn ernſt und abgemeſſen, ohne Steifheit des Umgangs, ſeine Unterhaltung beſtimmt und angenehm, Jacobi nennt ihn ſogar einen feinen Welt mann, und der Darmftädter Prinzenlehrer Peterſen Iobt feine Ein- fachheit, jeine Anmut im Umgang, feine Kenntniffe und jein gejundes Urteil. Allerdings jei er fein Kriecher mit fortwährenden Büdlingen und rede den Markgrafen nicht jelten mit „Sie“, ftatt „Durch- laucht“ an.

Klopftod war ein tüchtiger Reiter, Schlittſchuhläufer, Springer und Turner, ſowie ein leidenjchaftlicher Schachipieler, wie die meiften genialen Männer hatte er aber auch feine Eigenheiten. Er tauchte ſtark, trank feinen Thee ſtets mit Eigelb, hatte ftets Unordnung in feinem Zimmer, Goldpapierumfchläge über alle jeine Schriften, ein Pflafter zur Erleichterung des Gehens auf den Fußjohlen u. dergl.

Der Markgraf bejuchte ihn oft im feinem Zimmer, wo er in Sclafrod und Mütze fich bequem machen durfte, und umgekehrt fand er fich öfters auch bei dem Markgrafen und bei Hof zum Vorleſen, ſowie abends zu Kaffee und Spiel im Kreije der fürftlichen Familie ein.

Welche Anziehung auch nach weitern Kreiſen hinaus dieſer Mann übte, zeigt uns übrigens die Fußreiſe eines Literaten Namens Afiprung von Ulm bieher, welcher nur, um Klopſtock zu jehen, die weite Reife unternahm, und abends, troß feines wenig hoffähigen Reifeanzuges, zum Hoflonzert geladen wurde.

Als im Winter 1774—75 das fürftliche Hoflager von bier nach Raftatt verlegt wurde, folgte unſer Dichter dorthin. Dort wohnte er in dem Schlofje ebener Erde, in der Nähe des Minifters von Edeläheim, unter den Wohnungsräumen der Herrichaft, in einem Zimmer, welches, von dem großen innern Schloßhof aus gejehen, auf der linken Seite lag. Hier wollte e8 unjerm Poeten nicht behagen, er vertiefte fich im deutjche grammatiiche Studien, verfuchte, Karls— ruhe und den Fürften in Oden zu verherrlichen und verfiel in eine trübfinnige Stimmung.

In diefer Stimmung erhielt er den Beſuch jeines Bruders Karl Chriftoph, de3 dänischen Legationsſekretärs, welcher bei Hof empfangen wurde. Als den 28. März abends Klopftod nicht bei der Tafel erjchien, und der Markgraf ihn vermißte, erfuhr er, derjelbe jei am Morgen mit

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feinem Bruder abgereist. Abends vor der Abreije hatten fie mit dem Hofmeditus Dr. Leuchjenring bei einer Flaſche ſpaniſchen Weines noch auf Wiederjehen angeftoßen, und morgen? 7 Uhr waren fie ohne Abſchied abgereist.

Seine Möbel hatte er nach kurzer Ankehr in Karlarube zurüd- gelafien. Was ihn zu folch ſchneller Abreife bewog, ob er nur von der ihm gewährten Freiheit Gebrauch machen und fich vorübergehend von bier entfernen wollte, ob die unbehagliche Stellung unter den Karlsruher Höflingen ihn von bier weg trieb, ob feine Hamburger Freunde ihn dort zurüdhielten, wir willen es nicht. In einem von Hamburg aus gejchriebenen Briefe an Böckmann jchreibt er, er habe fich überreden laffen, dort zu bleiben, habe bei feiner Abreije die ihm widerwärtigen Abſchiedsſeenen vermeiden wollen, Abſchied nehmen ſei überhaupt ein abgejchmadtes Ding, und da er im Mai ohnehin die Reife nach Hamburg machen wollte, habe er es vorgezogen, diejelbe mit jeinem Bruder anzutreten. Er denkt mit Vergnügen an Karls- tube zurüd, bejonders mit Liebe und Hochachtung an den Markgrafen, der fich „nicht eim höheres Wefen zu jein dünke, wie die meiften Fürſten, und der als Privatmann wert wäre, ein Fürſt zu fein“.

Auch des Hofbibliothefars Molter und Edelsheims gedachte er ſtets gerne.

Karl Friedrich jcheint dieſe Abreife des Dichters, defien Gründe er wohl fennen mochte, ihm nicht jehr jchwer angerechnet zu haben, da er ihm jeinen Gehalt ala Penfion belief. 1775 jchrieb Klopftod die Ode „Fürſtenlob“, in welcher er Baden? Friedrich preist, widmete dem Markgrafen, ald „dem fürftlichen Weiſen“, 1784 nach der Auf- hebung der Leibeigenjchaft jein Bardiet „Hermann und die Fürften“. 1786 im Herbſt bejuchte ihn Karl Friedrich mit zwei Prinzen und dem Herrn von Edelsheim von Bad Pyrmont aus in Hamburg. Anläßlich der Durchreife der Wittwe des in Schweden geftorbenen Erbprinzen, welche, weil Klopſtock krank war, in Hamburg nur durch deſſen Frau bejucht wurde, jchrieb er den.10. Nov. 1802 an unfern Markgrafen, welcher ihm am 18. Nov. 1802 unter Berichluß von 10 Louisdor für den Arzt, antwortete.

Endlich, den 14. März 1803, jchloß der Dichter feinen irdiſchen Lebensgang, und die durch einen in Hamburg lebenden Bruder erfolgte Anzeige beantwortete der Markgraf den 25. Nach Klopftods Tode

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erhielt ſogar jeine Wittwe von Karl Friedrich ihre Tebenslängliche Penſion.

1792 hielt ſich der Dichter J. G. Jacobi, der ältere der beiden Brüder, ebenfalls hier auf, und dichtete auf einem Spaziergang nach Rüuppurr ſein Lied „Willlommen, Bächlein, wie jo hell zc.“

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Dritte Berisde. 1803 bis zur Gegenwart,

1. Regentenhaus, Geſchichte, Militär,

Obwohl Karl Friedrich, gewiſſermaßen durch die Notwendigkeit der Selbſterhaltung für ſich und ſein Land dazu gedrängt, jetzt ein weit größeres Land zu regieren hatte, hörte man ihn doch klagen, als Markgraf ſei er reich und Herr geweſen, als Kurfürſt ſei er arm und ohnmächtig.

Groß, zu groß für ſeine treue, vaterländiſch deutſche Geſinnung, für ſeine Liebe zu ſeinen Unterthanen waren aber die geforderten Opfer. Mußte er doch bald perſönlich, bald durch Abgeordnete Alles thun, um ſich die Gunſt des allgebietenden franzöfiichen Kaiſers zu wahren, vor deſſen Willen allerdings auch weit Mächtigere, als der badifche Markgraf, fich beugten.

Schon im September 1804 hatte Karl Friedrih mit feinem Sohn Ludwig den Kaifer Napoleon in Mainz begrüßt, und den 25. und 28. November reisten Prinz Ludwig und der Erbprinz Karl zur Krönung des Kaiferd nach Paris, obwohl diefer im März vor- ber wider alles Völkerrecht den Herzog von Enghien von badifchem Boden gewaltjam hatte hinwegführen laſſen.

Us am 23. Dftober 1805 Napoleon beim Beginn des TFeld- zuges gegen Deftreich und Rußland durch Ettlingen reiste, mußte der 7rjährige Markgraf ihn dort begrüßen, und ihm dort ſchon den Zu— zug feiner Truppen verfprechen, welche auch bald nachher unter Gene- ralmajor von Harrant 3387 Mann ftart ins Feld rückten.

Als Napoleon ins Feld gezogen war, hatte ihn feine Gemahlin Joſefine bis Straßburg begleitet. Dort wurde fie von Karl Friedrich

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mit Gemahlin, Sohn und Enkel beſucht, und von dort kam fie auf ihrer Reife nah München den 28. November nad Karlsruhe und z0g abends durch das Mühlburgerthor unter Glodengeläute und Kanonendonner, von dem gefammten Hof feierlich empfangen und in das Schloß geleitet, bier ein. Straßen und Schloßplat waren be- leuchtet, Militär und Bürger bildeten Spalier, an der Außenfeite der Ehrenpforte des Mühlburgerthores ftand: P. I. J., an der Innen- jeite: H. V. T. (pro imperatrice Josephina, herois visura trium- phos) zu deutih: „Zu Ehren der Kaiferin Jofefine, welche im Be— griff ift, die Triumphe des Helden zu jehen“. In der Deffnung der Bärenftraße nach dem Schloßplatz war eine 100° hohe Säule er- richtet, auf deren Spite eine Kugel mit einem J. in ftrahlender Be- feuchtung erglängte.

Schon vom 26. September an hatte das ſechste franzöſiſche Korps unter Marichall Ney den Rhein bei Knielingen überjchritten. Den 27. ftieß der franzöſiſche Vortrab im Pfinzthal auf öftreichifche Dragoner, und vom 28. September bis 2. Dftober zogen Ney, Lanned, Murat mit ihren Korps und Dudinot mit 10000 Grena- dieren und der Kaifergarde durch das Pfinzthal nach Pforzheim, wo den 2. Oktober abends Napoleon jelbjt anlam. Bis zum 29. lagen bier in Karlsruhe zwei Linienregimenter und viele Artillerie im Duartier, wo auch Ney jein Hauptquartier hatte. Diefer bewirtete am 28. den Gouverneur Generalmajor von Bohlen, den Stabtlom- mandanten Oberſt von Ed, den Oberftleutnant Joſ. von Stodhorn und den Major Karl von Stodhorn an feiner Tafel, und trat in der Naht vom 28.—29. mit den bier liegenden und vielen unterdeſſen durchgezogenen Truppen, ſowie der in Durlach gelegenen Divifion Xoi- jon den Abmarſch gegen Pforzheim und Ulm an.

Als die Nachricht von dem am 6. Dezember gejchlofienen Waf- fenftillftand bier anlangte, wurde am 14. in der Schloßkirche ein feierliher Dankgottesdienft gehalten. Größer aber noch mar ber Jubel, al3 der durch General Lemarois in befonderer Sendung an den Kurfürften gemeldete Prefburger Frieden am 26. Dezember neue Vergrößerung für Baden brachte. Dieje beftand in dem größten Teil des Breisgaues, in der Ortenau, der Deutichordenstommende Mainau mit der Herrichaft Blumenfeld und der Stadt Konftanz, 44,41 Ge- viertmeilen mit 164000 Einwohnern, jo daß Baden jegt 1571), Duabratmeilen mit 612400 Einwohnern zählte.

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1806 den 19. Januar kehrten die Jäger und die Artillerie, den 20. der Generalſtab mit dem 2. Bataillon des Leibregimentes, den 21. das Infanterieregiment Markgraf Ludwig aus dem Felde zurüd, nachdem fie meiftenteil3 nur im Garnifond- und Etappendienft Ver- wendung gefunden hatten.

Den 17. Januar war Napoleon mit Jofefine von München ab- gereist, und über Augsburg, Ulm und Stuttgart am 20. an ber badiſchen Grenze bei Enzberg angelommen. Der Tag war ftürmijch- tegneriih. Das Kaijerpaar fuhr in jechsipännigem Wagen, und da durch die Veränderung des bisherigen Verhältniſſes die Meichapoft badiſch geworden war, prangten überall, felbft an den Poſtillonen die gelbroten badifchen Farben. In Enzberg ftand ein Triumphbogen mit der Infchrift: Imperatori Napoleoni Triumphatori Augusto, und an der Innenjeite waren in Basrelief3 die Einnahme Ulms und die Uebergabe der Wiener Schlüffel dargeftellt. Weberall im Pfinz- thal waren geiftliche und weltliche Ortsbehörden aufgeftellt, in Dur- lach knallten die Stadtböller vom Turmberg, Bürger- und Stabt- joldaten bildeten Gafle, die Behörden brachten am Rathaus ihre ehrerbietige Begrüßung dar, die Stadt beleuchtete, und im Rathaus ward bis jpät in die Nacht fröhlicher Ball gehalten. Abends 8 Uhr fündigten die Gloden und Kanonen die Ankunft in Karlsruhe an. Am ZTriumphbogen de3 Durlacherthores ftand: Hostium victori! und Patriam servavit. (Er hat das Vaterland gerettet!). Inner⸗ halb des Thores übergab der Stadtrat eine auf Atlas gedrudte Adreſſe in franzöfiicher Sprache *. Militär und Bürger ftanden Spalier vom Thor durch die Waldhornftraße bis zum Schloffe, die Straßen, durch melche der Bug ging, waren beleuchtet, und es riefen fogar Einzelne aus der Mitte des Volles: Vive Napolson le Grand!

Im Schloß fand feierlicher Empfang ftatt, und abends allge meine Illumination des Schloßplages und der Straßen. Un den Straßenöffnungen gegen den Schloßplaß hin ftanden nach Weinbrenners Plan in römiſchem Stil aufgeführte Bauwerke, und zwar vor ber Schloßftraße ein Friedenstempel mit zwei Altären, auf melchen Dpferflammen brannten, Deutjchland und Frankreich darftellend, und im Giebelfeld mit der Injchrift „Paci sacrum*, an der Lamm⸗ und

*) Siehe Kr. Nachrichten 1885 Mr. 22.

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Kreuzſtraße je eine Ehrenſäule, an deren einer in Brillantfeuer ein N. mit der Inſchrift: Imperatori invicto, felici, augusto, an der andern ein J. mit den Worten Augustae, egregiae, indulgentissi- mae, optimae erglänzte. Un der Nitter- und Abdlerftraße waren Triumphbögen, an der Herren- und Kronenftraße Obelisten mit den Buchitaben U. und A. (Ulm und Wufterlig), und der Infchrift: „Manibus defunctorum militum“ errichtet. Die Wald- und Wald- bornftraße waren zur Durchfahrt freigeblieben.

Nah einer am Morgen bes 22. über die aus dem Feld zu« rüdgelehrten Truppen abgehaltenen Parade reisten die Gäfte am 22. duch die Waldftraße und das Mühlburgerthor ab, wo ebenfalls ein Triumphbogen ftand mit der Infchrift: Pacem restituit. Die Prinzen Karl und Ludwig gaben bis Straßburg das Geleite, und ein in Kehl errichteter Triumphbogen trug zum Abjchied aus Deutich- land die Inſchrift: Heroi reduci Gallise plaudunt. Deutſch: Gal- lien begrüßt den zurückkehrenden Helden.

Schon in einem Artikel des Prekburger Friedens, welcher u. a. auch unjerm Kurfürften die Souveränitätsrechte zuerfannte, war den Fürſten die Befugnis, Bündniffe unter fich zu fchließen, gewährt worden, und damit war auch der längft geplante Rheinbund unter Frankreichs Schuß vorbereitet.

Nach längern Verhandlungen war Karl Friedrih am 12. Juli 1806 bdemfelben beigetreten, den 17. Juli wurde die Urkunde über die Gründung des Bundes bekannt gegeben, und am 1. Auguſt dem deutjchen Reichstag in Regensburg durch dem franzöfiichen Gejandten vorgelegt, an welchem Tage Karl Friedrich nebft andern fldweft- deutichen Fürften aus dem deutſchen Reichsverband austrat. Am 6. Auguft legte Kaifer Franz die beutjche Kaiſerwürde nieder.

Die Rheinbundatte brachte Baden neue Vortheile. Wrtifel 5 derfelben legte dem Kurfürften von Baden, nachdem er den Königs— titel ala für fein Land zu koftipielig, abgelehnt, den Titel „Groß- berzog“ mit voller Souveränität bei. Durch Artikel 19 wurden ihm zugefprochen:: die Grafichaft Bonndorf, die Städte Villingen und Bräunlingen, das Fürftentum Heitersheim, die Deutjchordenstom- menden Beuggen und Freiburg, durch Artikel 24 die Oberherrlichkeit bes größten Teil der Herrjchaft Fürftenberg, die Herrſchaft Hagnan, die Fürftl. Auerspergiche Herrſchaft Thengen, die Fürftl. Schwarzen- bergiſche Herrichaft Kleckgau, die Gräfl. Leiningenjchen Aemter Neudenau

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und Billigheim, bie Souveränität über das Fürſtentum Leiningen, ein Teil von Löwenftein-Wertheim, das Salm⸗Krautheimſche Gebiet, und durch Ürtikel 25 die Oberherrlichkeit über bie ritterichaftlichen Beiigungen, im Ganzen abermals 91'/, Geviertmeilen mit 270 000 Einwohnern.

Als Kontingent zum Aheinbund hatte Baden 8000 Mann zu ftellen.

Das Land murde infolge deffen in die drei Provinzen des Dber-, Mittel- und Unterrheines eingeteilt.

Den 13. Auguft 1806 erichien eine Proflamation Karl Fried⸗ richs, wodurch er die alten und neuen Lande als einen unteilbaren Staat erklärte, und fich jelbft den Titel Großherzog von Baden, Herzog von Bähringen u. f. w. beilegte.

Napoleon juchte aber die Fürften des Mheinbundes nicht nur durch politifches Intereffe, fondern auch durch Familienbande an Frankreich und an feine Familie zu fefleln. So war ber jeit dem 8. Juni 1804 volljährig gewordene badijche Exrbprinz Karl zu einem folchen Verbindungsglied auserſehen. Zwar hatte diefer in der Tochter bes Königs von Baiern, Amalie Auguſte, bereits eine Wahl bes Herzens getroffen und Ermwiderung feiner Neigung gefunden, die Politit Napoleons ertannte aber in folchen Dingen eine Neigung de3 Herzens als berechtigt an. Auf feiner Rückreiſe von Wien im Januar 1806 hatte er in München eine Verlobung dieſer baierifchen Prinzeſſin mit feinem Adoptivjohn Eugen Beauharnais ins Wert ge jegt, und für unfern Exrbprinzen Karl beftimmte er als Gemahlin die 1Tjährige Großnichte feiner Gemahlin Joſefine, Stephanie Beauhar⸗ nais, eine Tochter bes Grafen Klaudius Beauharnais und der Mar- quife von Lezay Marnefia. Zwar widerſetzte ſich die vermwittwete Erbprinzeſſin, Karla Mutter, eine Earakterfefte, ftarffinnige Dame von jehr ausgeprägtem Selbftgefühl, dieſer, nach ihrer Anficht, nicht ebenbürtigen Verbindung, allein fie vermochte nichts gegen bie Macht der Verhältniſſe, und auch der Erbprinz mußte, obwohl un- gern, fich dem Willen des Allgebietenden fügen. Stephanie wurbe auf ausdrüdliches Verlangen der Erbprinzeffin Wittwe am 4. März von Napoleon aboptirt, und ihr das Prädikat Kaiferliche Hoheit und fille de France beigelegt.

Im Februar hatte Meizenftein in Paris um ihre Hand gewor- ben, und am 7. April 1806 fand bort bie bürgerliche Trauung,

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am 8. in den Tuilerien die kirchliche Einjegnung durch den Kardinal Caprara ftatt. Zeugen der Trauung waren der badijche Minifter von Reizenftein, der Oberftlammerherr von Geufau und der Gejandte von Dalberg.

Bei diefem Anlaß erhielten Karl Friedrich und der Erbprinz den Ehrenlegionsorden, und Napoleon „gerubte“, den badijchen Hausorden der Treue anzunehmen.

Nah längerm Aufenthalt in Paris und auf Reifen, kam am 3. Juli das neuvermählte Baar in Straßburg an, wurde dort durch Prinz Qudwig und von Geujau empfangen, und von Kehl aus durch eine Kavallerieesforte hieher geleitet. Weberall unterwegs ftanden die Behörden zum Empfang bereit, in Grünwinkel wurden fie mit einem jechsjpännigen Staatäwagen, umgeben von Garde du corps und be— rittenen Bürgern, abgeholt, und abends 8 Uhr erfolgte durch die Ehrenpforte an dem Müblburgerthor, durch reichgeſchmückte Straßen, unter Geläute und Geſchützſalven und dem Jubel des Vollkes, zwiſchen Militärfpalier der Einzug in die freudig bewegte Stadt.

Karl Friedrich war durch ein ernfteres Unmohlfein an das Kran- fenzimmer gefeffelt, und der noch den nämlichen Abend ihm abge- ftattete Beſuch, jowie die Liebenswürdigkeit der jungen Gattin trug nicht wenig dazu bei, ihr deſſen Wohlwollen und väterliche Zuneigung zu erwerben.

Nicht jo befriedigend geftaltete ſich das Verhältnis der Erbprin- zeſſin Wittwe zu der Neuvermählten. Bald nach ihrer Ankunft nahm Stephanie ihren Wohnfis in Mannheim, während Karl in Karlarube blieb, ober zu ben Truppen ins Feld ging, und es wird vielleicht nicht ganz mit Ungrund behauptet, die Erbprinzeifin Wittwe Amalie babe ihren Sohn abſichtlich durch zerftreuende Wergnügungen von der Seite feiner jungen rau abzuziehen und von Regierungsgejchäften fern zu halten gejucht. Wenigftens jcheint ein Brief Karls an Napo- leon darauf binzudeuten.

Sicher ift jedenfalls, daß, während Karl fich durch die perjöün- liche Liebenswürdigkeit und die vortrefflichen Eigenjchaften feiner jungen Gattin immer mehr angezogen fühlte, feine Mutter, die Erbprinzeſſin Witte, ich mit diefer Verbindung niemals ausjöhnen konnte, und daß fie noch 1815 im Einverftändnis mit ihrer gleichgefinnten Tochter, der Kaiſerin von Rußland, eine Auflöjung der Ehe zuftande zu bringen fuchte, was aber bei dem zwar ſonſt läffigen und aller ernften Arbeit

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abholden, doch im Herzensgrunde edelgefinnten und verftändigen Exb- großherzog das gerabe Gegenteil, einen immer innigern Anſchluß der beiden Ehegatten zur Folge hatte. Die junge Erbgroßherzogin ver- ftand e8 aber auch in hohem Grade, über die jchwachen Seiten ihres Gemahls hinmwegfehend, deſſen gute Eigenfchaften unverholen anzuer- fennen, fich in Huger Zurüdhaltung nur dem engern Kreije ihrer Um— gebung und ihrer Familie zu widmen, und durch perſönliche Liebens⸗ miürdigfeit und wohlmwollende Freundlichkeit gegen Hoch und Nieder die Herzen Aller zu gewinnen, welche ihr nahe kamen.

Im Jahr 1806, ala der Krieg mit Preußen ausbrach, ftellte Baden als Mitglied des Aheinbundes 9011 Mann unter Oberft Cloßmann und Oberftleutnant v. Borbed, von denen aber 1500 Dann unter Oberftleutnant Porbeck erft im Juni 1807 ausrüdten. Diejelben wurden al3 Bejagungstruppen in Pommern und bei der Belagerung der Dftjeeftädte, beſonders von Danzig, verwendet, und zeichneten fich überall durch Kriegstüchtigkeit und Mannszucht aus.

1807 im Frühjahr hatte fich der Erbgroßherzog ebenfalla zu den vor Danzig ftehenden Truppen begeben, war aber im Juli hieher zurüdgelehrt. In dieſe Zeit jcheint auch die vollftändige Ausgleichung des Mißverhältnifjes mit feiner Gemahlin zu fallen. Er begab fich mit berjelben nach Frankfurt zum Kaifer und brachte dann mit ihr mehrere Monate des Herbtes in Paris zu, wo er, um franzöftfche Staatäkunft zu lernen, den Situngen des Staatsrates anwohnte, dabei aber mit Sig und Rang unter die erjten Minifter des Kaijer- reichs, unter Cambaceres und Lebrun geftellt wurde.

1807 den 4. April ftiftet Karl Friedrich den militärischen Karl- Friedrich8-Verdienftorden.

Im Jahr 1807 kehrten die Truppen aus dem preußischen Feld⸗ zug zurüd. Am 18. Auguſt wurden fie von dem Erbgroßherzog in Bruchjal begrüßt, und Markgraf Ludwig ritt ihnen mit den gardes du corps bis Durlach entgegen. Den 18. rüdten die Grenadiere, die Jäger, das Ynfanterieregiment Großherzog und Erbgroßherzog unter dem Donner der Geſchütze zwifchen den fpalierbildenden Reihen des Bürgermilitärd vom Durlacherthor her ein, am 19. und 20. das Bataillon v. Frank, die Infanterieregimenter Markgraf Ludwig und v. Harrant und die Artillerie, am 24. die Hujaren und am 25. Die Dragoner, von denen ziemlich viele nicht mehr beritten waren. Die Jäger gingen von hier nach Heidelberg, das Regiment Markgraf

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Ludwig nad) Raftatt und Durlach, das Regiment Erbgroßherzog nad) Mannheim, v. Harrant nach Freiburg, die Dragoner nach Bruchſal in Garnifon, das Bataillon v. Frank wurde aufgelöst, die Uebrigen blieben in Karlsruhe.

In dem folgenden Jahre, 1808, wurde die feit 1806 in Frankreich eingeführte Konjkription auch in Baden angeordnet, und Karlsruhe, wo übrigens, wie in Mannheim und Heidelberg, nur etwa bie Hälfte der Einwohner konſtriptionspflichtig war, ftellte feine erſten Rekruten. Die Stadt erbot fich indeflen, durch AUnmwerbungen oder Barzahlungen ihre Rekrutenzahl zu ftellen, die Hofdiener und Juden und 420 Bürger gaben jeder 3 fl. Beitrag dazu, und gründeten jo eine Werbekaſſe, aus welcher die zu ftellende Mannjchaft geworben und bezahlt wurde, doch war der zwangsweife Beizug zu diefer Werbfafje nicht geftattet. Im Jahr 1809 wurden fo Rekruten mit achtjähriger Dienftzeit für 300 fl. ſeitens der ſtädtiſchen Werbkaffe geftellt, und dieje Kaffe blieb bier beftehen bis in die zwanziger Jahre.

Un der Spite des badijchen Kriegsweſens ſtand damals der Sohn Karl Friedrichs, Markgraf Ludwig. Diefer, vorher in preußiichem Militärdienft geichult, hatte von daher eine entjchiedene Hinneigung zu dem preußischen Militärweien bewahrt, und war der franzöfijchen Richtung in diefem Betreff, ebenjo wie in manchen andern Dingen ab- geneigt. Im Februar 1808 war wohl auch deßhalb der frangöfiiche Diplomat Talleyrand bier, und Karl Friedrich führte jelbft einen lebhaften Briefmechjel mit dem Kaiſer. Doc ohne Erfolg, und da Ludwig, ein Mann von großer Karakterfeftigkeit, fich dem Willen des Kaiſers nicht beugen, nicht von Napoleon? Gnaden bleiben wollte, zog er fich jchon im Februar 1808, befjerer Zukunft vertrauend, in die Abgejchiedenheit jeiner Herrichaft Salem zurüd.

Obgleich der damalige franzöftiche Geichäftsträger in Karlarube, Bignon, ala ein Mann von wohlwollender und verträglicher Gefin- nung gerühmt wird, fo blieb doch die Willkür Napoleons auch für die innern Verhältniſſe Badens maßgebend, und der Markgraf in der Wahl jeiner nächften Diener davon abhängig, und jo mußte er 1808 im Juli auf des Kaiſers ausdrüdliches Berlangen fein Mi- nifterium ändern. Der bisherige badiſche Gejandte in Paris, v. Dalberg, wurde Finanzminifter, der Hofrichter v. Hade in Mann⸗ beim Minifter de3 Innern, Edelsheim und Gayling behielten das Aeußere und die Yuftiz, der bisher als Gouverneur von Breda in

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bolländifchem Dienſt geftandene Oberſt v. Geuſau wurde General ber Kavallerie und ala Ludwigs Nachfolger Kriegäminifter. In dem Ka— binetsminifterium jaßen B. Fr. Reinhard von Gemmingen-Bonfelden als Chef, und der obengenannte Dalberg als Direktor. Aber jchon 1809 wurde wieder auf Napoleons Empfehlung Bernh. Fr. v. Türk- heim Finanzminifter an Dalbergs Stelle bi 1811, wo berfelbe nach Straßburg ging und jpäter franzöficher Übgeordneter und Präfident des Direktoriums Augsburgiſcher Konfeffion wurde. Wiewohl fich bei der num erfolgten Errichtung der Amortiſationskaſſe eine Schuldenlaft von 10000000 fl., und ein Sahresdefizit von 1200000 fl. heraus⸗ geftellt hatte, forderte der in Spanien ausgebrochene Krieg von Baden neue Opfer an Menjchen und Geld. Vom YAuguft 1808 an rüdten nad) und nach 3388 Mann dorthin ab und nahmen bei Talavera und Vitoria rühmlichen Anteil am Kampfe. Wie Wenige davon zu- rücklamen, werden wir jpäter fehen.

In demjelben Jahre, 1808, traf den alten Markgrafen ein neuer Schlag. Der Gemahl feiner Enkelin, der Herzog Wilhelm von Braun- ſchweig, durch Napoleon jeines Erbes beraubt, fam mit feiner Gemahlin ala Flüchtling hieher, und dieſe ftarb fchon am 21. April im Schloffe zu Bruchſal, wo ihre Mutter wohnte, im Alter von 26 Jahren.

Das Jahr 1809 brachte neuen Krieg mit Deftreih. Im März tam Marichall Mafjena hier an, im April marfchirten die franzbſiſchen Garden und andere Truppenteile hier durch, und es mwurben in der mweiteften Umgegend Zaufende von Wägen zur Beförderung des Ma- terial8 und der Truppen aufgeboten. Baden jchidte den 19. März zwei Infanterieregimenter, ein Sägerbataillon, ein Dragonerregiment, zwölf Gejchüge, im Ganzen 6850 Mann unter dem Generalleutnant v. Harrant in's Feld. Graf Wilhelm v. Hochberg, erſt 17 Jahre alt, ftand als Oberſt und als Maſſenas Adjutant in der Truppe, und wurde jchon im November Generalmajor. Obwohl ſchon am 22. Mat die am 13. erfolgte Einnahme von Wien durch 250 Kanonenjchüffe in Karlsruhe gefeiert worden war, hatte doch der Krieg, wie bekannt, damit noch fein Ende. Am 2. Juni marjchirte wegen des Tiroler Aufftandes ein Ergänzungsbataillon von bier aus an den Bodenſee, am 9. und 10. ebenjo Ergänzungstruppen nach Deftreih, und erft als am 19. Dktober ein Kurier von Wien her den am 14. in Schön- brunn unterzeichneten Frieden meldete, fand am 19. Dftober hier die Feier des Friedens durch 200 Kanonenfchüffe ftatt. Die babdifchen

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Truppen hatten in den Kämpfen bei Aſpern, wo Rittmeifter v. Sponed fiel, bei Raab, Wagram, Znaim u. a. rühmlichen Anteil genommen, und kehrten Ende Januar 1810 zurüd.

Am 3. Februar 1809 war die Einführung des Code Napoleon ala badiſches Landrecht für den 1. Januar 1810 verordnet worden, und unter dem 26. November wurde das Land Baden in 10 Kreife eingeteilt, nämlich den Seekreis, Donaufreis, Wiejenkreis, Dreiſamkreis, Kinzigkreis, Murgkreis, Pfinz- und Enzkreis, Nedar-, Main- und Tauberkreis.

Am Juni 1809 begab fich die Reichsgräfin mit ihren Kindern zur Begrüßung der Kaijerin Joſefine nach Straßburg.

Als im Anfang des Jahres 1809 der vertriebene König Guftav IV. von Schweden mit Gemahlin und 4 Kindern bieher gekommen war, wurde ihm, was er aber nicht annahm, Meersburg als Wohn- fig angewieſen. Daher trennte er ich von feiner Familie, die Königin Friederike bezog zuerft mit ihren Kindern das Schloß Scheibenhard, dann 1810 das Palais ihres Oheims, des Markgrafen Friedrich, in der Schloßftraße und kaufte 1813 das Haus an dem Alademieplak, das ſog. ſchwediſche Palais, jegt Nr. 1 der Linkenheimerftraße, wo fie den 25. September 1826 ftarb.

1810 den 21. März, abends 5 Uhr kam die in Wien per pro- curam mit Napoleon getraute Tochter des Kaiſers von Deftreich, Marie Luife, in Begleitung der Königin von Neapel und des Mar- ſchalls Berthier bier an. Durch die Ehrenpforte am Durlacherthor, wo der Magiftrat eine Adreffe überreichte, geſchah der Einzug zwijchen Militäripalieren durch die Waldhornftraße nach dem Schloffe, abends wurde die Stadt beleuchtet, und andern Morgens 7 Uhr erfolgte durch die Ehrenpforte des Ettlingerthord die Abreife zur Trauung nach Paris.

1811 am 24. März wurde bier in Karlsruhe die am 20. er- folgte Geburt des Sohnes diejer Ehe gefeiert. Der Erbgroßherzog mit dem Hof und dem fremden Gejandten zogen vom Scloßportal aus nach der Hoffirche zum feierlichen Dantfeit, und Graf Wilh. v. Hochberg reiste zum Glückwunſch nach Paris ab.

Die legten Negierungsjahre Karl Friedrichs, ſowie die kurze Re— gierung feines Nachfolgers Karl, waren jchwere Zeiten für Stadt und Land, und für das Fürſtenhaus jelbit. 1796 war zwar das Land Baden al3 territoire neutre erklärt worden, aber die natürliche Lage

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ala Grenzland brachte es mit fich, daß es von den Laften des Krieges nicht verjchont bleiben konnte, und zudem war die Stimmung Deftreich® und feiner Soldaten, welche fich ohnehin in Betreff des Mein und Dein im Kriege nicht des beften Leumunds erfreuten, einem, wenn auch notgedrungen mit dem Reichsfeind in Frieden lebenden deutſchen Reichzftande nicht jehr gewogen, während auch die im Anfang aus jehr bunten Elementen bejtehenden, mehr und mehr übermiütig und beuteluftig gewordenen franzöfifchen Heere, deren Führer jelbft ben. Krieg ala Erntefeld für den eigenen Vorteil ausbeuteten, auch in Freundesland wie Feinde hausten. Obwohl 1805 der damalige fran- zöſiſche Gejchäftsträger in Karlsruhe, v. Maſſias, ein ſehr wohlwol⸗ lender Mann, dem Markgrafen zwei Briefe Napoleons übergab, in welchen Durchzugs⸗ und Einquartierungsfreiheit für Karlsruhe und Mannheim verſprochen war, jo machten doch die eintretenden mafjen- baften Heerzüge diefe Rückſicht bald zur Unmöglichkeit. Die in den Drganijationsedikten von 1803 an begonnene friedliche Ausgeftaltung der innern Verhältnifje wurde durch die beinahe jährlich wiederkehrende aktive Teilnahme Badens an dem Kriege gehemmt und unterbrochen, die dem Herzen Karl Friedrichs jo jchwerfallende Belaftung feines Volkes, deſſen Söhne er zu Taufenden für fremden Ehrgeiz und Uebermut in ben Tod der Schlachten jchiden mußte, der Zwang der Berhältniffe, welcher ihm in die Reihen der Gegner ihm ſogar bluts- verwandtichaftlich nahe ftehender Fürſtenhäuſer ftellte, trübten das legte Jahrzehnt jeines Lebens,

Die gewaltig geänderten Verhältniſſe des raſch gewachſenen Staa- tes, da3 auf die neue Souveränität gegründete neue Staatd- und Landrecht, die Ummandlung der Zandeseinteilung, die durch den Anfall der neuen Zandesteile vergrößerte Staatsjchuld, die durch die fort- mwährenden Kriege anwachjende Steuerlaft, die ſchwer drüdenden, bes jonder8 durch den Rheinbund verwidelter gewordenen politiichen Ver— bältniffe brachten neue Geſichtspunkte und Aufgaben, welchen die Kraft des Achtzigjährigen nicht mehr gewachjen war.

Auch die Vorboten körperlicher Schwäche ftellten ſich nach und nach ein. 1804 hatte ihn ein apoplektijcher Anfall, 1806 ein Anſatz von Wafjerjucht ergriffen, welche glüclich überwunden wurden. Nachdem jein Entel Karl mündig geworden, legte er ſeit 1807 den größten Teil der Regierungsgeichäfte in deffen Hände, und feit dem November 1808 zog er fich ganz in den Kreis häuslichen Familienlebens zurüd,

Den 1. Juni 1811 begannen ſich die erſten Zeichen bedenklicher Erkrankung einzuſtellen. Er konnte ſich von da an nicht mehr auf— recht ſtehend halten, es trat andauernde Neigung zum Schlaf ein, auf einem Seſſel zu Tiſch gebracht, mußte er ſich die Speiſen reichen laſſen.

Die am b. ihm gemeldete Nachricht von der Geburt einer Tochter des Erbprinzen konnte ihn kaum ſo weit erregen, daß er durch einen leiſen Druck der Hand ſeine Teilnahme daran bezeugte.

Am Morgen des 9. kannte er kaum noch ſeine Umgebung, ſaß am Mittag noch an der Tafel, ſank aber bald nachher in Schlummer, welcher allmälig in das röchelnde Atmen de3 Sterbenden überging, bis zwifchen 2 und 3 Uhr morgens des 10. Juni fein Herz für immer ftille ftand.

Gegenwärtig an feinem Sterbebette waren jeine Gemahlin, die näcdhiten und höchſten Hof» und Staatödiener, und der Oberhofprediger Walz.

Die am 11. vorgenommene Sektion ergab eine weitgehende Ge— birnerweichung und Zerrüttung des Nervenfyftems bei jonft auffallend guter Bejchaffenheit der übrigen Organe. Er hat ein Alter von 82 Jahren, 6 Monaten und 18 Tagen erreicht und 64", Jahre regiert.

Nach geichehener Einbalfamirung und Ausftellung in dem Mar- morfaal des Schlofjes, wurde am 23. die Ueberführung nach Pforz- heim vorgenommen. Um 11 Uhr, nach dem Geläute aller Gloden, bielt der Oberhofprediger eine Rede am Sarge, und der von einem Dffizier und 12 Mann Garde du Corps begleitete Zeichenwagen fuhr an dem Schlofportal vor. Nun bringen vier Fahnenjunfer den Thron- himmel vor die Thüre des Marmorfaals, wo ihn vier Generalleutnante über den von acht Generalmajoren unter Beiftand von 12 Unteroffi- zieren getragenen Sarg emporhalten, bis diejer vor dem Schloßportal in den Reichenwagen eingeftellt ift.

Bon hier aus fuhr der Leichenwagen zwijchen einem von Bürgern und Militär gebildeten Spalier, begleitet von Kavallerie, berittenen Zandjägern und Bürgern, an welche die Geiftlichkeit und der Groß— berzog mit Gefolge zu Fuß fich anichloffen, durch die Schloßſtraße und lange Straße bis gegen Gottsau. Hier jtieg Karl, nebjt den zur Begleitung beftimmten Perſonen in die bereitftehenden Wägen, Andere zu Pferd, um dem Toten das Geleite zur legten Ruheſtätte zu geben. Der ganze Weg nach Pforzheim war durch Pechkränze und Wacht:

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feuer beleuchtet, zu Taufenden ftrömten aus der Umgegend die Bewohner herbei, &eiftliche und weltliche Behörden, die Schulen ftellten fich vor den Dörfern auf, Glodengeläute und Trauergejänge ertönten durch die Naht, und manches Auge wurde feucht, als es bie fterbliche Hülle des Fürſten vorüberziehen ſah, welcher jo lange Jahre der Segen bes Landes, der Mohlthäter jedes Einzelnen von ihnen gewejen war.

In der Vorjtadt von Pforzheim wurde der Bug ebenfalld wieder zu Fuß angetreten, und der Sarg in die dortige Schloßfirche geleitet, wo am Morgen des 24. unter thränenreicher Teilnahme der An- wejenden, jogar der Wachen unter Gewehr, die Beilegung und Ein- fegnung in Gegenwart des Großherzogs Karl ftattfand.

Sofort trat Großherzog Karl die Regierung an. Die am 5. Juni 1811 in Schwegingen geborene Brinzeffin, das erfte Kind aus der 1806 gejchlofjenen Ehe, erhielt in der am 15. Auguft, dem Ge- burtstag Napoleons, hier in Karlsruhe vollzogenen Taufe, auf befondern Wunjch der Kaiferin den Namen Luiſe Amalie Stephanie. Paten- ftelle vertraten der Vater des Kindes an Napoleons Stelle und die verwittwete Erbprinzeifin, des Kindes Großmutter.

Die am Abend ftattfindende feftliche Beleuchtung der Stadt galt ebenjo jehr dem Napoleonstage, als dem Zauftage der Heinen Brin- zeſſin.

Die ſchlimmſte Periode der Kriegsgeſchichte ſollte der alte Groß— herzog nicht erleben, den ruffischen Feldzug. Die in's Feld gezogenen Truppen waren außer dem Generalftab das Leibinfanterieregiment Großherzog Nr. 1 unter Oberft von Franken, da3 Infanterieregiment Nr. 2 unter Oberftleutnant v. Etzdorf, das Infanterieregiment Graf v. Hochberg Nr. 3 unter Oberft Brückner, das leichte Infanteriebatail- lon Lingg unter Oberftleutnant v. Peternell, das Hufarenregiment v. Geuſau unter Oberft dv. Laroche, die Artillerie unter Kapitän Fiſcher, der Train unter Premierleutnant Petermann. Als diefe Truppen unter dem Oberbefehl des Grafen Wilhelm v. Hochberg den 16. Febr. 1812 von bier und von Mannheim abzogen, blieb in Karlsruhe nur ein Bataillon Leibgrenadiergarde und eine Schwadron des Dragonerregi- ment3 v. Freyſtedt zurüd. Den 23. Dezbr. 1812 ging ein Bataillon Infanterie und Train, 1500 Mann, al3 Erjagmannjchaft von bier ab, vorerſt nach Berlin, und wurde von dort nach Glogau beordert. Unterdefjen hatte fich aber der Feldzug zum Nachteil Napoleons jchon ſoweit entjchieden, daß diefe Truppen als preußiiche Gefangene in

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Slogan blieben, von wo fie im nächften Februar entlafien, am 13. Februar 1813 ohne Waffen, aber mit ihren Fahnen bier anlamen.

1812, den 4. Dftober war hier der am 14. September erfolgte Einzug Napoleons in Moskau durch 101 Kanonenſchüſſe verfündigt worden, und doch mütete ſchon am 15.—20. September in dieſer Stadt der Brand, welcher das Signal für den Untergang der großen Armee werben follte, und am 18. Oktober, diefem für Napoleon ein Jahr jpäter bei Leipzig ebenjo verhängnisvollen Tage, wurde der Rückzug aus Moskau angetreten.

Den 26. Dezember 1812 jtiftete Großherzog Karl zum Namens» feite feiner Gemahlin den Zähringer Löwenorden.

Im Jahre 1813, den 6. Februar, traf Graf Wilhelm von Hochberg, der Oberbefehlähaber der badiſchen Truppen, aus dem ruffischen FFeldzuge wieder hier ein, und den 18. folgten ihm Die wenigen Soldaten und Offiziere, welche nicht auf dem Schlachtfelde geblieben, den Strapazen und der Kälte erlegen, oder in Gefangen- jchaft geraten waren.

6900 Mann mit 193 Offizieren, Aerzten und Kriegsbeamten waren ausgezogen, von der Mannjchaft kehrte kaum der zehnte Teil beim, von den Dffizieren und Beamten blieben 83 im Felde, 53 fehrten direkt aus dem Felde, 57 aus der Gefangenjchaft heim. Sie hatten, vielfach die Nachhut bildend, durch heldenmütige Tapferkeit ihre Soldatenehre und jämmtliche Fahnen gerettet.

Den 19. Dezember 1812 war Napoleon wieder in Paris ein- getroffen, den 30. Dezember hatte die preußiiche Armee unter York ſich von Frankreich losgeſagt. Troß den furchtbaren Verluften in Rußland brachte Napoleon in den drei erjten Monaten des Jahres 1813 wieder ein Heer auf die Beine, welches, da aud der Rhein— bund noch auf jeiner Seite ftand, von dem Monat Mai an wieder in der Verfaffung war, den Gegnern im Felde die Spike zu bieten. Baden, ſtets noch Rheinbumdftaat, und als jolcher auf jeiten der Franzoſen, verkündete jeweils mit Gejchügesdonner bier die wirklich oder angeblich gewonnenen franzöfifchen Siege.

Endlich, am dritten Tage der entjcheidenden Schlacht bei Leipzig, trennten fich die badiichen Truppen unter Graf Wilhelm von Hoch— berg von den Franzofen, und den 18. November erklärte Großherzog Karl jeinen Austritt aus dem Aheinbund.

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Den 9. Dezember, abends 7 Uhr traf Graf Wilhelm von Leip- zig her hier ein, und den 31. kehrten auch die Offiziere und Soldaten aus der preußifchen Gefangenjchaft zurüd.

Das Beifpiel der preußiichen Landwehren, deren todesmutige Begeifterung mehr als einmal das Schidjal der Schlachten entjchieden hatte, Teuchtete auch andern deutichen Staaten vor. Auch Baden ftellte mit dem Beginn des Feldzugs 1814 feine zwölf Bataillone Land- wehr ins Feld, dieje leifteten bei der Belagerung von Straßburg und der Bejegung der Rheingrenze nicht unmejentliche Dienfte, wurden nach dem Feldzug beurlaubt und 1819 aufgelöst.

Den 1. Januar 1814, dem Tage des Uebergangs der Preußen über den Rhein bei Caub und Mannheim, rüdte das Leibgrenadier- regiment, 867 Mann ſtark, mit der reitenden Batterie, 167 Mann und 6 Kanonen aus Karlsruhe ab, um fich bei Achern mit der preußijchen Gardeinfanteriebrigade zu vereinigen. Den 13. fand der Uebergang derjelben über den Rhein ftatt. Anfangs Januar folgte auch das Regiment Stodhorn, den 15. Januar das Regiment Groß- herzog und die Jäger, und bald darauf auch das Regiment Hochberg und acht Batterien Artillerie. Den 2. Februar rüdte eine Schwadron freiwillige Jäger zu Pferd unter Rittmeifter von Gemmingen hier ein und jofort weiter über den Rhein.

Bei Epernay, Brienne, Arcis fur Aube, und am 30. März vor Paris kämpften die Badener tapfer an der Seite ihrer Kampfgenofjen und zogen am 31. mit denjelben in der franzöfiichen Hauptftadt ein.

Den 9. Februar zug die Kaiferin von Rußland unter Geläute der Gloden und Geſchützfeuer, von Militär und Magiftrat empfangen, bier ein, und abends murde die Stadt feftlich beleuchtet, und am 17. März kamen auch die Großfürften Nikolaus und Michael auf dem Wege zur Armee hier durch. Den 19. Juni kehrte Großherzog Karl nad) mehrmonatlicher Abwejenheit aus Frankreich zurüd, und den 2. Dftober reiöte er nach dem im September eröffneten Wiener Kongreß. Bei ihm waren die Minifter von Hade, Marichall von Biberjtein und von Berkheim. Karl jelbjt aber brachte dort ala kran— fer Mann einen großen Teil jeiner Zeit im Bette zu.

Am 31. Juli war die Garde aus Paris zurückgekehrt, und am 18. Oktober 1814 wurde der erjte Jahrestag der Leipziger Schlacht bier und im ganzen Lande feitlich begangen. Abends gingen von mehreren Punkten der Stadt aus Züge nach dem Schloßplag, und

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bon dort vereinigt unter Kanonendonner durch die Waldgaffe, lange Straße, den Marktplatz, durch das Ettlingerthor nach dem Feſtplatz, auf dem Felde bei dem Promenadewäldchen. Hier war auf hober Halbfugel eine Germania mit der Infchrift „XVIII. Dftober“ und einem Kreuz über dem Haupt aufgerichtet, zu ihren Füßen waren Tritonen und rechts ein Altar, links eine Hütte aus grünen Zweigen mit der Inſchrift: „Liebe und Eintracht”, alles in Brillantbeleuch- tung ftrahlend. Lieder, Muſik, die Feſtrede auf die Befreiung Deutjch- lands und den deutſchen Genius, Toaſte und Kanonendonner wech— jelten bis zur jpäten Rückkehr in die Stadt. Bei dieſer Feier trat zuerft der nachmal3 hervorragende Abgeordnete von Liebenftein als glänzender Feitredner öffentlich auf.

Im Laufe des Jahres 1814 kehrten auch die Ueberrefte der nah Spanien entjendeten badischen Truppen, aus Infanterie und Artillerie beftehend, zurüd. Nach dem Rüdzug Napoleons aus Deutich- land, und dem Austritt Badens aus dem Rheinbund waren diefelben am 12. Dezember 1813 im jüdlichen Frankreich entwaftnet und als Gefangene zurüdbehalten worden, und e3 kehrten von 3388 Aus- gezogenen faum 400 in ihr Vaterland heim.

Infolge der plößlichen Rückkehr Napoleons von Elba nad Paris im März 1815 wurde nicht nur der Wiener Kongreß auf- gelöst, fondern auch Europa wieder unter die Waffen gerufen. Baden ftellte 16000 Mann Landwehr ala Beobachtungskorps am Oberrhein und zur Belagerung von Straßburg, doc kamen diefelben nur wenig zur erniten Verwendung im Kampfe. Der im Juni erfolgte Sieg der Verbündeten bei Waterloo entichied das Schidfal des kurzen Feld- zugs. Am 22. Juni verkündeten 100 Kanonenjchüffe den Karlaruhern den gewonnenen Sieg. Sowohl Großherzog Karl, ala Graf Wilhelm, diefer al Kommandant der badijchen Truppen, hatten fich nach dem Elfaß begeben, kehrten aber bald von da zurück.

Den 21. Auguft kam der ehemalige König von Weftphalen, Hieronymus Bonaparte aus Frankreich, in aller Stille bier durch. Im Oktober kehrten die Truppen, die Garde zu Pferd, die Gremadiere, das Negiment Stokhorn, Dragoner und Artillerie aus dem Felde zurüd, und hatten am 18. zugleich als Feier der Leipziger Schlacht beim Hardthof große Parade.

Obwohl ſchon damals mit 30 Jahren ein gebrochener kranker Mann, unterzeichnete Großherzog Karl auf anhaltendes Drängen

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ſeiner Miniſter von Berſtett, von Marſchall, ſowie des frühern Miniſters von Reizenſtein und des bekannten, hier anweſenden Reiter⸗ generals von Tettenborn, ben 4. Dftober 1817 das Hausgeſetz über die Unteilbarfeit des Landes und die Erbfolgeordnung des Haufes.

Schon bald nach dem Abichluß feiner zweiten Ehe hatte Karl Friedrich Vorſorge für die etwaigen Kinder derjelben getroffen. 1787 den 4. Dezember erflärte ein Beſchluß bes Geheimrats diejelben für erbberechtigt, den 20. Dezember 1796 ernannte Karl Friedrich fie zu Grafen von Hochberg, in demfelben Jahr erhob Kaifer Joſef die Gemahlin des Markgrafen zur Neichsgräfin von Hocberg. 1802 den 27. März erklärte Karl Friedrich durch eine leßtwillige Ver— fügung die Hochberge für thronerbfähig, den 10. September 1806 unterzeichnete er mit feinen beiden Söhnen erfter Ehe, Friedrich und Ludwig, nebft dem Kurprinzen Karl die Succejfionsakte, durch welche diejes Erberecht der jüngern Linie nochmals feftgeftellt und anerkannt wurde. Den 4. Oktober 1817 wurde diejelbe neuerdings beftätigt, und den Grafen von Hochberg als Großherzoglichen Prinzen der Titel Markgrafen von Baden erteilt. Die Thronerbfähigkeit wurde 22. Auguſt 1818 durch die Verfaſſung als Hausgejeg und Familien- ftatut ausgeiprochen, diejes auf dem Aachener Fürſtenkongreß (8. Df- tober bis 21. November) 1818 anerkannt, jodann in den völferrecht- lichen Traktat vom 10. Juli 1819 und den Frankfurter Territorial- receß vom 20. Juli 1819 aufgenommen, und diefem Receß unter dem 20. Dftober 1820 auch von Frankreich zugeftimmt. Dadurch war die Erbfolge der Grafen von Hochberg von Deftreich, Preußen, Rußland, England und Frankreich verbürgt, und die Integrität Badens feftgeftellt. ©. ©. 250 ff.

Der am 1. November 1814 zufammengetretene Wiener Kongreß hatte in dem Art. 13 der Bundesakte die Einführung landftändifcher Berfaffungen in allen deutjchen Ländern in Ausficht geftellt. In den beiden Hauptftaaten, in Deftreich und Preußen, zögerte man, diefen Schritt zu thun, von den andern Staaten gejchah dies zuerft von Baiern am 26. Mai 1818. In Baden wurde ein Ausſchuß, befte- bend aus den Staatsminiftern von Reizenftein und von Berftett, dem General von Tettenborn, den Staatsräten Fr. Nebenius und Ernft von Sensburg mit der Ausarbeitung eines Verfaſſungsentwurfes beauftragt, deſſen Redaktion hauptjähhli dem Staatsrat Nebenius zufiel, während Sensburg ein entjchiedener Gegner derjelben war.

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Großherzog Karl hatte fich mit Gemahlin und Kindern in das Bad Griesbach begeben und unterzeichnete dort am 22. Auguft 1818 bie badijche Verfajjung, melde am 29. in dem NRegierungs- blatt veröffentlicht wurde.

Bugleich aber follte auch der ungejchmälerte Beftand des Grof- berzogtums, und die ungefährdete Erbfolge gefichert werden. Un dem Fürſtenkongreß in Aachen, zu welchem nur die Großmächte ihre Ge- jandten ſchickten, jollte diefe Frage zum Yustrag kommen. Baiern konnte den Verluſt der Pfalz nicht verjchmerzen, und Deftreich ftand ihm anfangs zur Seite, während Rußland ſchwankend war, aber Preußen und Würtemberg entichieden für Baden eintraten. Für Baden, welches ebenjo wie Baiern, dort feinen eigenen Gejandten batte, wirkten aber, teil3 unmittelbar, teil3 mittelbar, durch Schrift und Wort einige Männer, die bier nicht übergangen werden dürfen, während die allmälige Umftimmung des Kaiſers Ulerander das Werf Würtembergd, namentlich der Königin Katharina, einer Schweſter Uleranders, war.

Der vorgenannte Freiherr Karl Friedrich von Tettenborn, ber im Freiheitskriege berühmt gewordene Reitergeneral, war der Sohn eine badijchen Dberforftmeifters in der Grafichaft Sponheim und ipätern Oberforſtmeiſters in Raftatt, trat mit 16 Jahren in öft- reichiſche, 1812 in ruffische Dienfte, machte ald gefürchteter Reiter- führer die Feldzüge in Deutichland und Frankreich mit und ging 1818 ohne beftimmtes Amt in den badifchen Dienft über, mo er fich das perjünliche Vertrauen des Großherzogs in hohem Grade zu erwerben wußte. Er wirkte hier, ſowohl bei der Gründung der Ber- faffung, als für die Regelung der Gebietsfrage, thätig mit und wurde 1819 badifcher Gejandter in Wien, mo er den 9. Dezember 1845 ftarb.

Sein Begleiter und Mitarbeiter in Aachen war Karl Auguft Varnhagen von Enje, welcher 1813 als Hauptmann und Adjutant Tettenborns in ruſſiſchen, 1814 in preußifchen Dienft getreten war, 1814 mit dem preußifchen Minifter von Hardenberg dem Wiener Kongreß angewohnt hatte, und 1815—19 preußischer Minifterrefident in Karlsruhe war. Er ftarb, nachdem er fich als politiſcher Schrift- jteller einen Namen gemacht, 1858 in Berlin.

Die Entjcheidung in Aachen über Baden? Schichſal zögerte Lange. Der kranke Großherzog Karl, zugleich von ſchwerem Verdacht wegen

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eingebildeter Vergiftung heimgeſucht, rief, in Ausſicht auf mögliche kriegeriſche Verwicklungen mit Baiern, die Beurlaubten ein und hoffte, in drei Wochen 30000 Mann auf die Beine zu bringen. Würtem- berg machte Unftalt, jich auf die Seite Badens zu ftellen, da eilte im Anfang Novemberd auch der Minifter des Aeußern von Berſtett nach Wachen, jtellte dem Kaiſer Alerander unter Thränen die Lage jenes fterbenden Herrn vor, bat und flehte Eniefällig, bis endlich Alerander, auf welchen, wie oben gejagt, auch die Königin von Wür- temberg eingewirkt hatte, ihn mit den Worten berubigte: „Nun wohl, ihr jollt Alles behalten, dem Großherzog wird keine Gewalt gejchehen, Ihr könnt ihm melden, daß ich Alles anertenne, die Erbfolgefähigkeit der Hochberge, die Verfaffung, die Unteilbarfeit de3 Landes. Iſt das genug, jeyd Ihr zufrieden?" Dankend warf fich Berftett dem Kaifer zu Füßen und kehrte den 23. mit der frohen Botjchaft hieher zurüd.

Baden trat nur Steinfeld und Geroldset ab und zahlte an Baiern zwei Millionen.

Im September 1818 war ohne Wiffen des kranken Großber- zogs der Leibarzt des Königs von Preußen, der berühmte Hufeland, nach Griesbach zu dem Kranken berufen worden und hatte nur jehr bedingte Hoffnung auf die Erhaltung des Lebens gemacht. Won Griesbach brachte man den Großherzog im Unfang Dftober nad) dem Schloß Favorite, und Ende Novembers nad Raftatt.

Im Dftober hatten fich die Katjerin von Rußland, die Königin von Baiern, der König und die Königin von Würtemberg, ber Großherzog von Darmjtadt mit Gemahlin bei der Mutter des kranken Großherzog in Bruchjal, wo diefe ihren Wittwenfig genommen, nach und nach eingefunden und zum Zeil den Kranken befucht.

Nach der Berſtett erteilten Zufage eilte auch der Kaifer Alerander von Machen hieher, wo er den 25. November eintraf. Wohnung nahm er bei der inzwijchen von Bruchjal bieher gezogenen Markgräfin Wittwe Amalie in deren Palais in der langen Straße, und obwohl er fich vorgenommen hatte, ftill und unbeachtet in dem engern Familienkreiſe zu bleiben, empfing ihn allenthalben der Jubel des Volkes, eine unbefohlene, freiwillige Illumination feierte den erften Abend feiner Ankunft, und Generäle und Minifter machten ihm dank— erfüllt ihre Aufwartung.

Den 28. begab er fich nach Raftatt an das Krankenbett feines Schwagerd. Mit jchwacher Stimme nur konnte ihm Karl den Dant

ze ee

für ben Beſuch und das, was er für Baden gethan, ausiprechen, und mit Thränen in den Augen nahm der Kaifer Abſchied von dem Sterbenden, um von Karlsruhe aus feine Reife nach Stuttgart fort= zuſetzen.

Zwölf Tage nach dieſem Abſchied, den 8. Dezember, morgens 9 Uhr, ftarb der Großherzog in Raftatt, umgeben von jeinen An- gehörigen und Dienern, in den Armen feiner tiefbetrübten Gemahlin, im Alter von 32 Jahren und ſechs Monaten.

Kinder des Großherzog Karl waren:

1. Luiſe Amalie Stephanie, geb. 5. Juni 1811, verm. den

9. Nov. 1830 mit dem Prinzen Guftav Wafa von Schweden, am 14. Yug. 1844 von demjelben gejchieden und geftorben in Karlsruhe 19. Juli 1854.

2. Ein Sohn, geb. 29. Sept. 1812, geft. 16. Dft., ehe er

getauft war.

3. Joſefine Friederike Luife, geb. 21. Oft. 1813, verm.

den 21. Oft. 1834 mit dem Erbprinzen, fpätern Fürften Karl Anton von Hobenzollern-Sigmaringen, welcher 1885 ftarb. 4. Alexander Mar Karl, Erbgroßberzog, geb. 1. Mai 1816, getauft 9. Juli, geft. 8. Mai 1817.

5. Maria Amalie Elifabeth Karoline, geb. 11. Dt. 1817, verm. 23. Febr. 1843 mit Wilhelm Alexander Archibald, Herzog von Hamilton, Marquis von Douglas und Clydes- dale, Wittwe feit 15. Juli 1863, Hin Lkr 17 Alle 7888.

Die verwittwete Großherzogin Stephanie brachte nach Karla Tod einige Zeit auf dem Gut Scheibenhard zu und lebte aladann bald in Mannheim, bald auf dem Schlofje zu Umkirch bei Freiburg. Sie ftarb, von Allen, die ihr näher kamen, wegen ihrer Liebenswürdigkeit und hohen perjönlichen Tugenden hochgeſchätzt und verehrt, in Nizza den 29. Januar 1860 und wurde in Pforzheim beigefekt.

Da Karl ohne männliche Erben und ein Jahr vor ihm Karl Friedrich zweiter Sohn, Markgraf Friedrich, kinderlos gejtorben war, erhielt der dritte Sohn Karl Friedrichs aus erjter Ehe, Marl- graf Ludwig Wilhelm Auguft, geb. 9. Febr. 1763, die nächfte Anwartſchaft auf den Thron, und nahm fofort nach Karls Tode in Naftatt und Karlsruhe die Huldigung ber Truppen entgegen.

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Ludwig, ein Mann von 45 Jahren, war unvermählt. Von Jugend auf durch Verhältnis und eigene Wahl Soldat, machte er 1793 als Oberjt eines preußijchen Grenadierregiments den Feldzug in Frankteich unter dem Herzog von Braunjchweig mit, wurde Generalmajor und Chef des 20. Infanterieregiments, nahm aber 1795 feinen Abjchied und kehrte in das Vaterland zurüd. Hier wurde er vor der Rheinbundszeit Oberfommandant der badiichen Truppen, Direktor der Oberforftlommiffion und des Finanzdepartements und erhielt 1802 den Rang eines preußijchen Generalleutnants. Anläplich einer Sendung nach Baris im Jahr 1804 bildete fich eine Abneigung Napoleons gegen denjelben, welche, wie wir oben gejehen haben, feinen Nüdtritt aus der öffentlichen Thätigkeit zur Folge hatte. 1813 aber fehrte er von Salem nach Karlsruhe zurüd, wo er in feinem Palais im mejtlichen Zirkel, und in jeinem Garten vor dem damaligen Mühlburgerthor zurüdgezogen und ohne großen Aufwand lebte, und der Pflege jeiner Obſt-⸗, Reben- und Blumenanlagen ſich widmete.

Den 8. Dezember 1818 trat er die Megierung an. Wenn auch dem ftramm militärifchen Karakter des Mannes die durch konftitutio- nelle Formen beſchränkte Regierungsform nicht entjprechend war, jo fonnte er doch die gejegliche und zeitgemäße Notwendigkeit derjelben nicht verfennen, juchte jedoch von monarchiſcher Selbftherrichaft jo viel wie möglich zu retten, wodurch feine ganze Regierungszeit eigentlich ein wenig unterbrochener Kampf zwifchen dem Prinzip unbejchränfter Monarchie und konftitutioneller Regierungsform wurde.

Eine von Karl noch nicht gegebene Wahlordnung zur Stände- verfammlung wurde von Großherzog Ludwig bald nach feinem Re— gierungsantritt verfündigt, und die Stände auf den 22. April 1819 einberufen. Vor der Einberufung hatte der Karlsruher Gemeinderat noch im Jahr 1818 eine Petition eingegeben mit der Bitte, die Stände nicht nach Durlach, jondern bieher zu berufen, wobei, in Ermanglung eines eigenen Lokals, Räume in irgend einem Wirts- haus oder dem Rathaus angeboten wurden.

Karlsruhe, mit damald 16000 Einwohnern, war in ſechs Wahlbezirke eingeteilt, und hatte 48 Wahlmänner zu wählen. Die Wahl der Abgeordneten wurde den 19. Febr. unter Leitung des Kreisdireftor3 von Wechmar, und zwar in dem Saale des badijchen Hofes, Ede der Kronenſtraße am Schloßpla&, vorgenommen. Gewählt wurden Kaufmann Griesbach, Regierungsrat Oberamtmann Eifenlohr

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und Generalfaffier Sievert. Die Eröffnung fand im Schloß durch den Großherzog jelbft und den Staatsminister von Verftett ftatt, und bei der darauf folgenden Hoftafel trank Ludwig ans einem Pokal mit Landwein auf das Wohl der Stände, worauf der Pokal an der Tafel die Runde machte. Abends wurde im Theater die Feſtoper „Elifabeth“ gegeben.

In der erften Kammer ſaßen Wefjenberg, Hebel, von Rotted, von Türkheim, Thibaut u. A., in der zweiten Bafjermann, Buhl, Blankenhorn, Duttlinger, Diffens, Fecht, Griesbach, Lotzbeck, Winter v. H., und als Führer der liberalen Partei von Liebenftein. Anträge auf geſetzliche Minifterverantwortlichkeit, Trennung von Juſtiz und Verwaltung, öffentliches Gerichtäverfahren und Gejchworengerichte, Abſchaffung der Fronden, ftaatsbürgerliche Gleichftellung der Stände, Prehfreiheit u. a. fanden großenteild in beiden Kammern die Mehr- beit, aber keine unbedingte Annahme bei der Regierung.

Es liegt nicht in dem Bereich unferer Gejchichte, eine Schilderung der Berfaffungstämpfe des nächften Jahrzehnts zu geben. Die auf die Freiheitskämpfe folgenden, und an die Verheißungen der Bundes— acte fich anſchließenden, freiheitlichen und nationalen Strebungen und Kundgebungen der deutſchen Univerfitäten, welche u. W. auch die Ermordung Kotzebues dur Sand am 19. März 1819 in Mannheim zur mittelbaren traurigen Folge hatten, die am 20. Sept. 1819 er- gangenen Beichlüffe der Karlsbader Konferenzen, denen auch der badische Minifter von Berftett angewohnt hatte, riefen ftrengere Maß— regeln gegen die Preſſe hervor, jo daß z. B. in Baden nur im Karlsruhe, Mannheim, Freiburg und SKonftanz je eine politische Beitung, und auch diefe nur unter ftrenger Cenſur erjcheinen durfte. Die während der erften Kammerfigung freifinnig aufgetretenen Be— amten wurden gemaßregelt, und ihnen, wie Xiebenjtein, zu der im Juni 1820 angeordneten zweiten Eröffnung der Sigung der Urlaub verweigert. In dem Monat März 1822 wurde der zweite Landtag eröffnet, und an Liebenfteins Stelle trat von Itzſtein ala Führer der liberalen Mehrheit. Diefer Landtag wurde den 21. Mai 1823 nad) einer ber Regierung ungünftigen Abftimmung über eine Forderung für das Militärbudget vertagt und Ende des Jahres aufgelöst.

Die Neuwahlen, bei welchen Karlsruhe den 19. Febr. 1824 jeinen Oberbürgermeifter Dollmätjch, den Kaufmann Füßlin und den Gemeinderat Künzle in die Kammer jchidte, brachten eine der Re—

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gierung gefügige Mehrheit zuftande. Die Tagung dieſes dritten Landtages, in melchem nur drei Oppoſitionsmänner jaßen, dauerte vom 21. Febr. bis 14. Mai 1825, die des vierten, deſſen Präfident Geh. Regierungsrat Jolly war, vom 28. Febr. bis 14. Mai 1828. Als Regierungstommiffäre in denfelben erjcheinen jchon Männer mie Winter, Böchh und Nebenius, welche ihrer anerkannten Tüchtigkeit dieſe Stellung verdantten.

Die Erfolge diefer Landtage waren, daß einzelne Beitimmungen der Verfafjung abgeändert, namentlich ftatt der bisherigen, alle zwei Jahre eintretenden PBartialernenerung, eine alle ſechs Jahre vorzu- nehmende Gelammternenerung eingeführt, und die Kammern, ftatt alle zwei, nur alle drei Jahrr eingerufen werden jollten. Die poli= tische Haltlofigkeit ging fogar foweit, daß die Gemeindevorftände von elf Städten den Großherzog in einer Eingabe erjuchten, die Ver— faffung für feine Lebenszeit aufzuheben, weil er ja doch verfprochen babe, verfaffungsmäßig zu regieren. Daß unter diefen elf Städten Karlsruhe nicht fteht, fei zu feiner Ehre nicht unerwähnt.

So blieben die parlamentarifchen Verhältniffe bis zum Ende der Regierung Großherzog Ludwigs. Troß diejer Zuftände verbantt aber Baden diefer Regierung Ludwigs ſehr viel Gutes.

Bor Allem wußte er zu feinen Näten und höchſten Staats- beamten die richtigen Männer ohne Anfehung von Stand und Geburt zu wählen. Selbft einfach und jparfam in feinen Privatverhältnifien, brachte er Sparſamkeit, Ordnung und Gleichgewicht in das Finanz- weſen de3 Staates, regelte das bis da bunte und ungleichmäßige Steuerſyſtem des Landes und der Gemeinden, fürderte Handel und Wandel durch Verträge mit den Nachbarftaaten, durch Erleichterung der Verkehrszölle und Abgaben, durch Einführung einer neuen Maß- und Gewicht3ordnung, durch Herftellung guter Verkehrswege zu Land und zu Wafler, ordnete die kirchlichen Verhältniſſe der Katholiken duch die Gründung und Dotirung des Erzbisthums Freiburg, der BVroteftanten duch Einführung der Union zwiſchen Lutheranern und Reformirten, ftattete die Univerfität Freiburg mit reichlicden Mitteln aus und erließ 1823 ein Geſetz über die Verantwortlichkeit der Minifter.

Daß der alte Soldat und Soldatenfreund für das Militär und deſſen Ausbildung nach dem ihm Tiebgewordenen preußiichen Mufter, jowie für eine befjere Wehrhaftigkeit und Kriegstüchtigkeit möglichft

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zu forgen fuchte, ja das Militär zumeilen mehr als billig zu bevor- zugen ſchien, wer wollte ihm dies verargen ?

Bon einzelnen Ereignifien aus der Zeit Großherzog Ludwigs, foweit fie die fürftliche Familie und unjere Stadt näher berühren, führen wir noch folgende an.

1819, 17. Juli, verlobte fih Markgraf Leopold mit Sophie Wilhelmine, der Tochter Guftavs IV. von Schweden und der Brin- zeffin Friederike von Baden. An dem Bermählungstage, den 25. Juli, wurde der Schloßplaß feitlich beleuchtet. 1820, den 23. Juli, ftarb die Wittwe Karl Friedrichs, die Reichsgräfin von Hochberg, und wurde den 26. abends unter Geleite zur Beifeßung nah Pforzheim gebracht. 1822, 1. Juli, bejuchte der König von Baiern, den 25. Sept. der Herzog von Wellington, den 27. Sept. der König von Preußen den Großherzoglichen Hof. Der Lebtere, auf ausdrüd- lichen Wunſch ohne befondere FFeierlichkeit empfangen, wohnte in der Poft zum Erbprinzen, machte bei Hof jeinen Beſuch und bejuchte mit dem Großherzog abends das Theater. Den 28. fand auf dem Schloßplag Parade der hiefigen, Raftatter und Bruchjaler Garnijon, dann feftliche Hoftafel ftatt, an welcher die Großherzoglichen Bringen, Prinz Guftav Waja, zwei Prinzen von Braunjchweig, der Erbprinz von Hechingen teilnahmen. Abends wurde die Stadt befichtigt, wieder das Theater bejucht, und den 29. reiste der König mit Gefolge nach Verona zum Kongreß ab. Den folgenden, 30., kamen zwei Prinzen von Preußen mit den Generalen von Natzmer und von Blod an und wohnten einer Parade auf dem Schloßplaß bei.

Das Jahr 1824 brachte im Oktober eine jchredliche Ueber— ſchwemmung über das Land. Um 31. Oftober blieben in Karlsruhe alle Voften aus den Grenzländern, jowie aus dem Oberland und der Pfalz aus, in vielen Gegenden des Rheinthales war die Verbindung der einzelnen Orte nur durch Nachen möglich, und in Ettlingen allein wurde der Schaden zu 300000 fl. angejchlagen. Staatshilfe und freiwillige Beiftenern wurden zur Abhilfe der Not reichlich in An- ſpruch genommen.

Den 9. September 1826, morgens 7 Uhr, wurde dem Marf- grafen Leopold ein Sohn, der jeßige Großherzog, geboren, und den 27. Sriedrih Wilhelm Ludwig getauft. Der damalige Leibarzt war Medizinalrat Dr. Bil, Taufpaten der König Friedrich Wil- beim II. von Preußen, und ala Stellvertreter der preußijche Gejandte

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von Diterftedt, der Großherzog Ludwig, die Markgräfın Amalie und die Königin Friederike von Schmweben.

Den 22. und 23. November 1828 fand hier die Feier des hundertjährigen Geburtstages Karl Friedrichs, verbunden mit ber Grundfteinlegung feines Denkmales auf dem Schloßplak ftatt.

Schon den 22. verkündeten Kanonenſchüſſe und Choralmuſik den Beginn des Feſtes, hierauf folgten die Schulfeierlichleiten, fodann der Zug der Staatsbehörden, Beamten, Bürger und Gewerke vom Rathaus nach dem mit Militär bejegten Schloßplag. Um 11'/, Uhr famen vom Schloß ber im Zuge die fremden Gefandten, das Staats» minifterium, die Kammermitglieder, Abgeordnete der Univerfitäten, der Erzbiichof, die Geiftlichkeit, die Dffiziere und der Großherzog mit fürftlichem Gefolge. h

Sodann, nach einer Anjprache des Staatsminifters von Berkheim, wurde unter Glockengeläute, Kanonendonner und Trompetenjchall die Grundfteinlegung im üblicher Form durch den Großherzog vorge- nommen. Im den Grundjtein famen, außer der Urkunde, verjchiedene Münzen und die Feitmedaille von Hofgraveur Döll. Der Vorbei— marjch des Militärs und der Kadetten jchloß diejen Teil des Feſtes. Abends von 5—8 Uhr läuteten jämmtliche Gloden, im Theater wurde „Bayard, der Ritter ohne Furcht und Tadel“ von Kotebue gegeben, von 8 Uhr an war die Stadt beleuchtet, auf dem Schloßplaß ftrahlte ein 83° hoher Obelisk mit leuchtender Krone auf feiner Spige, und von dem Qurmberg und den umliegenden Höhen verfündeten weithin fichtbare Feuer auch die Teilnahme der Umgegend an dem freudi- gen Feſte. :

Der darauf folgende Sonntag, der 23., brachte, nach mor- gendlicher Choralmufif vom Kirchturm, vormittags die gottesdienftliche Feier, die Feftpredigt des Prälaten Hüffell über Sal. 10, 17 in der Stadtkirche, das Pontifitalamt des Erzbiſchofs und die Feitrede des Stadtpfarrers Kirch in der katholiſchen Kirche, die Predigt des Rab- biner3 Willftätter über Pſ. 112 in der Synagoge. Nachmittags um 3 Uhr wurden in grünen Zweighütten auf dem Marktplatz Winter- Heider an die Armen verteilt, abends „die Dame von Avenel“ im Theater gegeben, und allerort3 freute fich in öffentlichen Lokalen bei Tanz und Luſtbarkeit das Volk des fejtlichen Tages.

Anläplich defjelben gab der Großherzog eine erfledliche Summe zur Auslöjung von Pfändern, und begnadigte eine Anzahl von Ge—

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fangenen und Straffälligen. Aehnliche FFeftlichleiten fanden in dem ganzen Lande in allen Städten ftatt, und allenthalben regnete es Feſtſchriften und Feſtgedichte.

Die letzten Regierungsjahre des Großherzogs waren hinſichtlich des Verhältniſſes zwiſchen Fürſt und Stadt keine erfreulichen, es herrſchten am Hofe ſelbſt teilweiſe wenig erbauliche Zuſtände, und manche Perſönlichkeiten und Günſtlinge hatten dort einen Einfluß ge— wonnen und geübt, welcher nicht geeignet war, dem Fürſten die be- fondere Liebe feines Volles zu erwerben.

Erflärlih, wenn auch in hohem Grade zu bedauern und zu mißbilligen, waren daher die mit öffentlicher Sitte und Ordnung nicht verträglichen rohen Ausfchreitungen, welche auf die Nachricht von dem Tode des Großherzogs gegen dem Verewigten nahegeftandene Perſonen und ‚deren Wohnungen bier verübt wurden.

Großherzog Ludwig ftarb in der Nacht vom Dienstag auf Mitt- woch, den 29.—30. März 1830 nad 3 Uhr morgens in dem biefi- gen Schloffe. Nach der üblichen Ausstellung auf dem Paradebett in dem Marmorjaal ging den 3. April, nachts 11 Uhr, der Trauerzug von dem Schlofje aus nach der hiefigen Stadtkirche, in deren Gruft der Tote als erfte fürftliche Leiche beigefeßt wurde.

Der Berftorbene war unvermählt geblieben, und hatte ein Alter von 67 Jahren 1 Monat und 21 Tagen erreicht.

Mittwoch, den 30., vormittags, leiftete auf dem Schloßpla das Militär dem neuen Großherzog Leopold den Eid der Treue, und deſſen Regierungsantritt wurde von dem ganzen Lande freudig begrüßt. Aber die Macht von Zeit und Verhältniſſen ift oft ftärker, als die Kraft des beiten und treuften Menſchenwillens, und jo fam es, daß ge- ade die Regierung des mit den trefflichjten Anlagen und Wünjchen für das Wohl feines Volkes ausgeftatteten, „bürgerfreundlichen“ Großherzogs Leopold eine der erregtejten und verhängnisvolliten für die Gejchichte Badens geworden ift.

Leopold, der ältefte Sohn Karl Friedrichd aus zweiter Che, war geboren den 29. Auguft 1790, bejuchte die Univerfität Heidel- berg, ftand in dem Krieg gegen frankreich 1813—14 in dem Heere, reiste 1816 nach Stalien, und vermäblte ſich den 25. Juli 1819

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mit Sophie Wilhelmine, ber Tochter des aus jeinem Weiche vertriebenen Königs Guſtavs IV. von Schweden, geboren 21. Mai 1801.

In das erjte Jahr feiner Regierung fiel im Frühling die Er- hebung Polens gegen Rußland, im Juli die Vertreibung des Königs Karl X. von Frankreich und die Wahl des Herzogs Philipp von Orleans zum König mit Eonftitutioneller Verfaffung, ſowie die bel- giſche Revolution. Diefe Veränderung in den Nachbarlanden konnte auch in Baden nicht ohne fühlbaren Einfluß bleiben. Die am 17. März 1831 zufammengetretene Kammer der Landftände ftellte in ihrer Zufammenjegung ein Verhältnis der Mitglieder dar, welches das gerade Gegenteil von dem der Kammern in der zmweiten Hälfte der zwanziger Jahre war. Es erfolgten in diefer, bi3 zum 31. Dezember verfammelten Tagung, in beinahe überhaftiger Aufeinanderfolge Geſetzes⸗ vorlagen und Anträge auf Wiederherjtellung der Verfaſſung, auf eine neue Gemeindeordnung, eine neue Civilprozeßordnung mit Mindlich- feit und Deffentlichkeit, Ablöjung der Herrenfronden und des Zehnten, Herftellung der Preßfreiheit, über deutjche Bundesverhältnifie, über die Karlsbader Bejchlüffe u. U. Auch die erfte Kammer, in welcher Markgraf Wilhelm ala Präfident, der Fürft von Fürftenberg und Weflenberg u. U. der gemäßigt freiern Richtung angehörten, ftimmte in den meiften Punkten der zweiten bei. Aber noch herrſchte in Deftreich das abjolute Regiment Metternichs, noch hatte Preußen, außer feinen wenig bedeutenden Provinziallandtagen, keine Landesverfaffung, und noch übte der von ihnen beherrichte Bundestag in Frankfurt feine Macht. Baden konnte, jowie die übrigen Heinen Staaten, diejen hem- menden Mächten gegenüber nicht ungeftört auf der betretenen Bahn fortjchreiten, und jchon 1832 erfolgte, dem badijchen Preßgeſetz zu- wider, eine ftrengere Genjurordnung. In der langen Reihe der alle zwei Jahre berufenen Landtage von 1833 bis 1847, begegnet ung ein beinahe ununterbrochener Kampf zwiſchen jcheinbar einander wider: iprechenden Regierungs- und Volksrechten, e3 erfolgten zeitweife Ur- (aub3verweigerungen, Beamtenmaßregelungen, Kammerauflöfungen, abmwechjelnd mit friedlichern Zeiten und Verhandlungen, Gejegesvor- lagen über innere Landesangelegenheiten, wie 1833 das Zehntab- löfungsgejeg, 1834 über den 1835 eingeführten Zollverein, 1838 über den Bau der Eijenbahn von Mannheim. bi8 Bafel, 1840 über ein neues Strafgefeg mit Einführung des Fallbeils bei Hinrichtungen,

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1843 über Deffentlichleit und Münbdlichkeit der Gerichtsverhandlungen, 1845 über Religionsfreiheit u. j. w.

Schon feit dem Anfang der dreißiger Jahre hatte auch das Bolt da und dort angefangen, fich in größern Öffentlichen Berfamm- lungen auszujprechen, nach und nach waren Elemente in die Kammer gewählt worden, welche einer jehr weitgehenden demokratiſchen Nich- tung angehörten, welche eben dadurch eines größern Anfehens und Einflufjes bei der großen, weniger urteilsfähigen Maſſe fich erfreuten, und jo die verhängnisvollen Jahre 1848 und 49 mit herbeiführten. *)

Die 1848 beginnende Beit heftiger politischer Bewegung in unferm Baden, war eine nad) und nad) herangereifte Frucht bis— beriger Zuſtände und Kämpfe, insbefondere auch hervorgerufen durch das endlich entfefjelte Verlangen de3 ganzen deutſchen Volkes nach politischer Einheit, und durch die im Anfang des Jahres 1848 von dem Frankfurter Reichsparlament verkündigten Grundrechte und die ausgegebene deutjche Bundesverfaffung. Die Grundrechte hatten den Kreis der Vollsrechte joweit gezogen und ausgedehnt, daß die Strafge-

*) Karlsruhe Stadt und Land mählte in die zweite Kammer 1831 ben Kaufmann Ehrift. Griesbach, den Oberbürgermeifter Klofe und den Staatsrat Jolly, und als Griesbah und Jolly nicht annahmen, den Senator Mar Gol und ben Finanzrat Rutſchmann, 1833 war es vertreten durch Goll, Rutſchmann und Bergrat Waldner, 1835 burch Geheimreferendär Stößer an Walchners Stelle, 1837 durch Stößer, Gemeinderat Goll und Nägele, 183940 durch diefelben, 1841 durch Ad. Schridel, Oberamtmann in Müllheim, Kaufmann M. Col und Gemeinderat Nägele, 1842 durch Goll, Hofgerichtspräfident Trefurt und Poſtmeiſter Fiſcher, 1843—44 durch Goll, Trefurt und Buchhändler A. Knittel, 1845 durch diefelben, 1847 durch Trefurt und ftatt der freiwillig zurücdgetretenen Goll und mittel durch Hofgerichtsaffeffor U. Lamey und Buch— bruder Malſch, 1850 durch Stößer, Lamey und Malſch, 1851 durch Lamey, Malſch und Forftrat Klauprecht, 1854 durch Klauprecht, Knittel und Kaufmann €. Kölle, 1855—56 durch dieſelben, 1857—58 durch Klauprecht, Knittel und Kaufmann J. Stüber, 1859—60 durch Knittel, Stüber und Minifterialrat RM. Diep, 1861—62 durch Stüber, Die und Obergerichtsanwalt R. Kufel von Brucfal, 1863—64 durch Dietz, Kufel und Ziegler, 1865—66 dur die Näm- lichen, 1867—68 durch Kuſel, Kölle und Minifterialrat Nicolai, 1869—70 durch diefelben, 1871—72 durch Nicolai, Kaufmann Lang und Anwalt J. Gutmann, 1873—74 duch Lang, Nicolai und Oberbürgermeifter Lauter, 1875—76 durch Nicolai, Lang und Kreisgerichtärat L. v. Blittersdorff, 1877—78 durch Lang, Blittersdorff und Anwalt Krämer, und für den 1878 zurüdgetretenen Lang Geheimrat U. Lamey, 1879-80 Lamey, Landgerichtsdireltor Kiefer und Stadt- rat 8. Hoffmann, 1881—82 diejelben, 1883—84 und 1885—86 biejelben,

u U

walt bes Geſetzes über Civil und Militär abgeſchwächt, daß die bei einer Minderheit des Volkes und einzelnen Wortführern vorhandenen auf- rübhrerifchen und ftaatsummälzenden Ideen durch zahlreich entjtehende demokratiſche Blätter, durch Lejezirkel, Vereine, Volls- und jogar Soldatenverfammlungen, ungeftraft unter die große Mafje getragen, und die befjer Gefinnten dadurch eingejchüichtert, und ihre Wirkſamkeit und Mahnungen zur rubigern Anjchauung der Dinge dadurch lahm gelegt wurden.

Zudem waren revolutionäre Ereignifje nicht nur in Italien und Frankreich eingetreten, wo im Februar ftatt des verjagten Königtums die Republik verfündet wurde, jondern es traten auch in nahe und ferner liegenden deutſchen Bundesftaaten Erjcheinungen zu Tage, welche nicht nur die Meinen ſtürmiſch ducchzudten, ſondern jelbft die größten und mächtigften in ihren Grundveſten erjchütterten. Das im April 1848 erjchienene Bürgerwehrgejeß hatte unter ſolchen Verhältniffen dem Bolte eine zmweijchneidige, gefährliche Waffe in die Hand gegeben.

Der Verlauf der badiichen Revolutiongjahre 1848 und 1849, jowie die damit enge zujammenhängenden Kammerverhandlungen in unſerm Ständehaus, und die Dadurch hervorgerufenen Regierungsmaß- regeln im einzelnen und im Zuſammenhang zu verfolgen, ift ung natürlich bier nicht möglich. Außerdem aber, da diefe Ereignifje faum über ein Menjchenalter hinter uns liegen, können fie einer eigentlich pragmatijch-gefchichtlichen Darlegung noch nicht angehören, find auch teil3 durch gleichzeitige Schriftjteller von verjchiedenen Standpuntten aus eingehend behandelt, teila noch in lebendiger Erinnerung der Gegenwart erhalten, nnd von den Vätern der jeßigen Generation als lebenden Thatzengen ihren Söhnen und Enkeln in fortgetragener Tradition bewahrt worden. Wir müflen und können una daher darauf beichränten, die in unjerem Karlsruhe ſelbſt vorgelommenen Ereig- nifje und Zuftände jener jchlimmen Zeit an fich in möglichfter Kürze bier darzuftellen.

Wenn auch die Karlsruher Bürgerjchaft mit den übrigen Lan— deseinwohnern beinahe ohne Ausnahme die politiiche Neugeftaltung Deutjchlands im Jahre 1848 mit vaterländijcher Begeifterung und froben Hoffnungen begrüßt hatte, jo gehörte fie doch ihrer großen Mehrheit nach einer politisch gemäßigten Richtung an, und hing in ungeſchwächter Treue an der Perfon und dem Haufe ihres mwohl- wollenden und nicht minder vaterländifch deutich gefinnten Fürften.

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Wohl waren auch in ihrer Mitte, wie dies im jeder größern Gemeinjchaft der Fall ift, einzelne Unzufriedene, beſonders Jüngere, und Männer aus den niedern Volksklaffen, welche der extremen Richtung angehörten, und dafür wirkten, aber diefe bildeten eine ver- ſchwindende Minderheit, darum ift auch von Karlsruhe und feinen Einwohnern niemals ein Akt gewaltjamer Auflehnung ausgegangen, und was derartiges in der Stadt vorkam, daran waren Fremde und auswärtige Zuzügler oder das zuchtlos gewordene Militär die Ur— heber und Ausführer.

Doch wir gehen nun zu den einzelnen Vorkomniſſen über.

1848. Da3 Hauptquartier der Unzufriedenen war jchon jeit den Märztagen des Jahres 1848 bei dem jog. Affenmüller in der Zähringerſtraße geweſen, und dort blieb es auch 1849. Dort, ſowie in andern Bierhäufern, führten demokratische Wühler das große Wort, von dort wurden ſchon lange vor dem Ausbruch der Revolu- tion Exzeffe aller Art, Katzenmuſiken gegen mifliebige Verjönlichkeiten, dort lärmende Kundgebungen für Heder und Struve in Szene gejeßt, von dort konnte man allabendlich die weithinjchallenden Rufe: Heder und Struve hoch! vernehmen. An jolchen Orten, welche jchon aller militärifchen Disziplin zum Trotz zahlreih von Soldaten bejucht waren, wurden auch dieje nach und mach für die Sache der Revo— Iution bearbeitet und durch täufchende Vorfpiegelungen gewonnen.

Schon am 27. Februar 1848 hatten eine Anzahl Demokraten und Arbeiter in einem folchen Lokal heimlich verabredet, andern Ta- ges mit Volksmaſſen, welche ja in jolchen Fällen ftet3 zur Hand find, vor das Schloß zu ziehen, um den Großherzog zu Bugeftändniffen zu nötigen, und im Weigerungsfall das Zeughaus zu überfallen. Die ARädelsführer wurden aber von einem der Beteiligten jelbft ver- raten und de3 andern Tages früh verhaftet, und ein deßhalb am 28. und 29. abends beabjichtigter Zug nach dem Schloß durch das that- kräftige Einfchreiten der Bürgerwehr verhindert. Al3 nun am 1. März die von vielen Deputationen de3 Landes hier perjönlich übergebene Petition der Mannheimer Vollsverfammlung vom 7. Februar um Preßfreiheit, Verſammlungsrecht, Schwurgerichte und Vollsvertretung am Bundestag in der Kammer verhandelt worden war, jammelte fich vor und in dem Ständehaus eine große Menjchenmafje und drang unter Struves Führung dort jelbft in den Hof und in den Sigungs- ſaal, und nachdem bier die Regierung die Wiederherftellung des

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Preßgeſetzes von 1831 verkündet hatte, brach die Vollsmenge in ftürmifche Beifallsrufe und Lebehoch auf den Großherzog aus.

Aber ſchon am 2. März fammelte fich die Menge wieder, 308 (ärmend und fchreiend dem Schloffe zu, um von dem Großherzog perjönlich die Fyreigebung der Gefangenen vom 28. zu verlangen, und fonnte wieder nur durch das ernfte Einfchreiten einer vor dem Schloffe aufgeftellten Abteilung Feuerwehr, und die Annäherung einer Abteilung Dragoner von mweiterm Vordringen abgehalten, und durch die von dem Juftizminifter gegebene Zufage bejchleunigter Unterfuchung in Sachen der Verhafteten zum allmäligen Abzug bervogen werden. Bürgermeifter Malich und mehrere Gemeinderäte, jowie von Itzſtein und Brentano hat« ten fich ebenfalls in das Schloß begeben, um größere Ausjchreitungen zu verhüten. In der Nacht wurden übrigens die Gefangenen jcharf bewacht, und Batrouillen von Militär und Bürgerwehr durchzogen die Stadt.

Im März 1848 kam auch über Karlsruhe, beſonders in der Nacht vom 25. zum 26., der berüchtigte Franzofenlärm, welcher den Vebergang in Frankreich gejammelter Freiſchaarenmaſſen ankündigte. Eine vonfeiten der Regierung nad dem Eljaß geichidte Abordnung ermittelte, daß fich dort u. a. auch eine Menge arbeitslojer Deut- ſcher befanden, welchen die Mittel zur Heimkehr fehlten, und ein in Karlsruhe gebildeter Verein brachte Gelder zujammen, die man nach Straßburg ſchickte, um diefen Mittellojen die Rüdtehr zu ermöglichen, was auch viele derjelben benußten.

Den 31. März wurde Markgraf Wilhelm Kommandant des achten deutjchen Armeekorps, Tegte jedoch dafjelbe wegen Krankheit ihon im Anfang April nieder. Markgraf Mar wurde Divifionär. Den 7. April erjchien eine Deputation von circa 50 Abgeordneten aus dem Lande bei dem Minifter Belt, und den 8. eine folche von Mannheim und Donaueſchingen vor dem Großherzog, welche den befürchteten Einmarſch fremder Truppen abzuwenden jucte. An dem gleichen Tage wurde Fickler in dem biefigen Bahnhof durch Mathy erkannt, und feine Verhaftung veranlaßt, den 11. April begann Heder in Konftanz feinen bekannten Revolutionszug, welcher ichon am 20. bei Kandern jein Ende erreichte. Den 23. abends fand eine tumultuarische Berfammlung von Soldaten hier ftatt, welche, vor dem Rathaus fich jammelnd, die Befreiung von inhaftirten Ka— meraden, obwohl vergeblich, forderten.

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Im Juni war in Frankfurt Erzherzog Johann zum Reichsver⸗ wejer erwählt worden, den 16. Juni fand in Ettlingen ein Kongreß badiicher Volksvereine ftatt, welcher alle politischen Eide für unmoraliſch und unverbindlich erklärte, den 22. Juli erfolgte darauf das Verbot aller Wollsvereine, den 6. Auguſt die Beeidigung der Truppen auf den Reichsverweſer, den 15. Auguft für Verführte und darum Bittende, jofern es nicht Rädelsführer oder jonft ſchwer Be- teiligte waren, Amneſtie.

Den 22. September fam die Nachricht von dem fogenannten „Struveputich“ im Oberland bieher, den 15. Dezember wurden alle bewaffneten Verſammlungen, außer dienftlich gebotenen, unterjagt, den 27. Dezember erjchienen die in Frankfurt aufgeftellten „Grundrechte“ im Meichagejeßesblatt, und den 12. Januar 1849: wurden diefelben in Baden verkündigt.

1849. Durch die Beitimmung der Grundrechte über das Ver— fammlungsrecht wurden die in Baden ergangenen Verbote Teider unwirkſam, und die Stellung der Regierung jehr erjchwert. Die am 9. Februar erfolgte Aufhebung des Einſtandsweſens, die Erhöhung des Aushebungsfages auf 2 Prozent der Bevölkerung, lebtere eben- fall3 durch das Reichsregiment befohlen, brachten neuen Gährungs- ftoff in Heer und Voll. Den 8. März traten Brentano und nad) ihm 18 Gfleichgefinnte aus der Kammer aus, weil ein Antrag der- jelben auf fofortige Auflöfung der Kammer und Berufung einer Ton- ftituirenden Verſammlung nicht die Mehrheit fand.

Den 9. April erjchien hier eine Deputation von 30 Abgefandten der treugefinnten „vaterländifhen“ Vereine, welde eine dreifache Adrefje für Anerkennung der Reichsverfaſſung erließen, eine an die deutjchen VBruderftämme, eine an die Nationalverfammlung und eine an den Großherzog. Den 11. April nahm Baden die Reichsverfaſſung an, und verkündete diejelbe den 4. Mai im Regie- rungsblatt.

Drei Tage nachher, den 7. Mai, hielt nun die Karlsruher Bürgerwehr eine Verſammlung ab und veröffentlichte folgende Er- Härung: * „An die Bürgerwehren und ſämmtlichen Bürger des ba-

difchen Landes.“

„Die biefige Bürgerwehr hat in einer heute abgehaltenen Wer- ſammlung die nachfolgenden Beſchlüſſe gefaßt. Wir theilen Euch

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dieſelben mit dem Erſuchen mit, ähnliche Beſchlüſſe zum Schutz unſerer en Neichsverfaffung aufzunehmen und zu vollziehen.“

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„Die Regierung auf das dringendfte zu erjuchen, daß fie jo- gleich nach dem Erfcheinen der Reichsverfaſſung im Regie— rungsblatt die Vereidigung auf diejelbe gleich der auf die Landesverfaffung vornehme.“

„Die Karlöruher Bürgerwehr ift bereit, die Reichsverfaſſung gegen jeden verfafjungsverlegenden Angriff zu vertheidigen.“ „Die Karlsruher Bürgerwehr fordert ſämmtliche Bürgerwehren des Landes auf, fich in demjelben Sinne zu erklären, und fich zum Einftehen für die Reichsverfaſſung bereit zu halten.“ „Die Karlsruher Bürgerwehr fordert insbefondere die badifche Regierung auf, bei der Gentralgewalt jchleunigft die nöthigen Schritte zum Schuße des Nachbarlandes Aheinbaiern, welches fich für die Reichsverfaſſung ausgejprochen, zu thun; nament- lich wolle die Centralgewalt keinerlei Ducchmärjche von Trup- pen folcher Staaten, die die Reichsverfaſſung nicht anerkannt haben, nach Rheinbaiern geftatten.“

„Die Karlsruher Bürgerwehr erläßt einen Aufruf an ihre Kameraden in Würtemberg, und Heilen, in derjelben Weife da3 Ihrige zum Zweck der Aufrechterhaltung der Reichs— verfaffung und insbefondere zum Schu Rheinbaierns ein- zuleiten.“

„Mit dem Vollzug dieſer Beſchlüſſe iſt der Gemeinderath und das Heerſchaarenkommando beauftragt.“

Karlsruhe, den 7. Mai 1849.

Das Heerſchaarenkommando. Der Gemeinderath. C. Gerber, Oberſt. Malſch

Bald aber zeigte ſich's, daß die rheinbaieriſchen Aufſtändiſchen, an welche ſich ſchon 2—3000 Soldaten angeſchloſſen hatten, jo wenig wie die badiſchen für die Reichsverfaſſung kämpften.

Samstag den 12. Mai, auf die Nachricht von den in Raſtatt ausgebrochenen Militärunruhen und Verwüſtungen, begab ſich der Kriegsminiſter, General Hoffmann, mit zwei Schwadronen des erſten Dragonerregiments und zwei Geſchützen der reitenden Batterie dorthin, fehrt aber nach vergeblichen Verhandlungen und Verſuchen, die Ord⸗ nung bort wieberherzuftellen, und nachdem die Dragoner fich gemweigert

hatten,

einzubauen, ja jogar ein Teil derfelben zu den Meuterern

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übergegangen, mit dem Reſt der Dragoner und der Batterie hieher zurüd, wobei Hoffmann ſelbſt, gegen welchen Tebensgefährliche Dro- hungen laut wurden, nur durch eine Poterne, ein Heine Wallpfört- chen, enttlommen fonnte.

An demjelben 12. Mai hielten in Karlsruhe Turner und Arbeiter eine Verſammlung ab, an melcher auch Soldaten teilnahmen, und worin die Bildung eines Freikorps für die Aheinpfalz bejchlofien ward, was jedoch vorerft nicht geichah. Auch in Bruchſal hatten ſich am 12. die Truppen empört und im Verbindung mit Pöbelhaufen die dort eingefperrten politiichen Gefangenen Struve, Blind, Bornftedt und Eichfeld befreit.

Sonntag, den 13. Mai erſchien ſchon um 6 Uhr frühe eine Abordnung der am Samstag in Offenburg als Vorverſammlung zu= jammengetretenen Demokraten mit einer Reihe von Forderungen bei dem krank zu Bette liegenden Staatsrat Bell, und verlangte beftimmte Antwort auf 9-10 Uhr. Um 8 Uhr wurde daher durch den Groß- berzog eine Sitzung des Staatsminifteriums abgehalten, defjen großen- teil ablehnende Antwort der fofort abreifenden Deputation eingehändigt wurde.

An Truppen lagen bier der größte Teil des Leibregimentes, ein Teil des erſten Infanterieregimentes, das erſte Dragonertegiment und in Gottsau vier Batterien Artillerie. Diefe wurden um die Mittags- ftunde gemeinjchaftlich mit der Bürgerwehr auf die Reichsverfaſſung beeidigt. Schon von morgens an waren aber zahlreiche Haufen Sol- daten, vermengt mit Freiſcharen, fingend und lärmend durch Die Straßen gezogen, und hatten fich in Wirtshäufern durch Trinken erhigt. In Erwartung von Nachrichten über die Offenburger Ber- jammlung wogte nachmittags eine zahlloje Menjchenmenge zum Bahnhof.

Um 6 Uhr abends traf die 7. und 8. Kompagnie des Leibre- gimentes, welche zur Herftellung der Ordnung von Bruchſal bieher beordert waren, fich aber jchon dort an dem oben gemeldeten Soldaten- aufftand beteiligt hatten, in trunkenem Zuftande bier an, und dieſe hielten, aller Bemühungen der Offiziere zur Haltung der Ordnung ſpottend, unter den Rufen: Heder hoch, die Republik ſoll leben und dergl. ihren Einzug durch die Stadt zur Kajerne. Ein blinder Lärm, daß die Preußen kämen, die abends erfolgte Ankunft einzelner Rajtatter

Soldaten und Aufrührer, welche Nachrichten von Offenburg brachten, vermehrten die allgemeine Aufregung und Verwirrung.

Um 7 Ubr abends war die 7. und 8. Kompagnie Bürgerwehr, jowie ein Teil der 1. Kompagnie der Feuerwehr, im Ganzen etwa 200 Mann zum Dienft an das Rathaus beordert worden. Hier war in dem Heinen Rathausſaal der Vürgermeifter und Gemeinderat mit dem Stadtdireftor und Polizeiamtmann, etwas ſpäter auch dem VBür- gerwehrfommandanten Dberft Gerber zur Beratung verjammelt. Ein Vorſchlag, die ganze Bürgerwehr zufammenzurufen, wurde vorerft als bedenklich dem aufgeregten Militär gegenüber, bald auch als unaus- führbar erklärt.

Unterdefjen war in und bei der Infanterielaferne die völlige Empörung ausgebrochen. Um 8 Uhr jchidten die Soldaten eine Ab- ordnung an ihren Oberjten Holg, um die Freigebung einiger Arre— ftanten zu verlangen, welche übrigens bereits freigegeben waren, und ala Hol nachher mit dem Prinzen Friedrich, ſowie mehrere Offiziere fih nach der Kaferne begaben, um das Möglichfte zu verfuchen, fanden fie Alles in vollftändigem Aufftand, fo daß Hol nur durch die Hilfe feines Sohnes, des Hauptmanns Weber und eines braven Grenadierd vor der Ermordung gerettet wurde, und ber Prinz Frie— drich nur durch einen Sprung aus dem Fenſter nach der Amalien- ftraße Hin den Mißhandlungen und vielleicht dem Tode entging. Sofort begann in der Kaſerne ein tolles Wüten gegen Fenſter, Zim- mergeräte, bejonder3 in den Offiziersmohnungen, es wurden im Sa- jernenhof die Gamafchen verbrannt, zwedloje Schüffe aus den Fen— ftern der Kaſerne Mnallten durch die Umgebung, und jodann zog eine rafende Schar nach dem nahe gelegenen Haufe des Überften, iwel- che3 fie von innen und außen auf die greulichjte Weiſe vermüfteten und zerftörten. Bald ließ fich von der Kaferne der Auf: Zum Beug- haus ! vernehmen, und wurde taufendftimmig wiederholt.

Als die auf dem Rathaus Verfammelten nach 9 Uhr abends von den Borgängen bei der Kaſerne Meldung erhielten, als mittlerweile dag Feuern und Toben von der Kajerne her durch die lange Straße immer näber kam, ſchickte Oberft Gerber von der beim Rathaus aufgeftellten Bürgerwehr die 7. und 8. Kompagnie (ca. 160 Mann) mit den be» treffenden Offizieren und dem Kommandanten des zweiten Banners, Major von Schäfer, zum Schutze des Zeughauſes ab, während etwa 100 Mann Bürgerwehr im Rathaus blieben. Hierauf langten die

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tobenden Maſſen auf dem Marktplatz an, wo ein Führer derſelben, ein Unteroffizier der Artillerie, von Gerber die Freilaſſung der po— litiſchen Gefangenen verlangte, auf die Verſicherung aber, daß keine ſolche vorhanden ſeien, von ſeinem Verlangen abſtand. Während deſſen war eine andere Schar der Aufſtändiſchen durch das Thor in der Zähringerſtraße in den Hof und in den Gefängnisturm eingedrungen, hatte die Thüren erbrochen und die Gefangenen befreit, wobei dem Sohne des Gefangenwärters Stecher der linke Arm durchſchoſſen wurde.

Von dem Rathaus und Marktplatz weiter wälzte ſich nun die wilde Menge dem Zeughaus zu.

An dem Eingang zur Waldhornftraße trafen fie auf eine Abtei- lung von etwa 130 Dragonern, welche unter dem Rittmeifter von Laroche fich nach dem Schloß verfügen jollten, wo jchon eine Abteilung Militär unter General Hoffmann ftand. Auf den Befehl des Ritt⸗ meister zum Vorrücken erfolgten vajch nacheinander zwei Salven der Aufftändiichen, durch welche Laroche, ein Unteroffizier und ein Dragoner getötet wurden. Trotzdem hieben die Dragoner tapfer ein und zeripreng- ten die Angreifer, jo daß diefe, durch die lange und Zähringerſtraße zu- rüdfliehend, und rüdwärts feuernd, fich zu retten uchten. Die Dragoner, ihres Führers beraubt, zogen fich unbehelligt nach ihrer Kaferne zurüd. Unverzüglich fammelten fich aber die Aufftändifchen zum abermaligen Bug nach dem Zeughaus hin. Dort waren unterdefjen die 2 Kom- pagnien Bürgerwehr zu der unter Oberleutnant Fäßler angejammelten Heinen Berteidigungsmannjchaft von 25 Pionieren und 5 auf Beför- derung dienenden Unteroffizieren geftoßen. Auch ftanden daſelbſt zwei Gejchüge der Bürgerwehrartillerie.

Dieſe ftellten fich, ala die Maſſen angerücdt kamen, teils hinter dem Sodel des Hofgeländers, teils neben und hinter dem Zeughauſe auf. Ein Bedienungskanonier der Bürgerwehrartillerie, welcher, wie es beißt, Mut für zehn hatte, wollte jofort auf die Straße herausrücken, und mit Kartäfchen unter die herankommende Mafje feuern, mas jedoch nicht geftattet wurde. Um 9°, Uhr rückten die Angreifer in leidlicher Ordnung heran, ein Bürgerwehrmann ging ihnen mit weißem Ta- ſchentuch am Bayonnet entgegen, ein Artillerieforporal, Namens Gieftn, tritt an’3 Gitter heran und ftredt dem Leutnant Fäßler die Hand entgegen mit den Worten: „Herr Leutnant, wir find alle Brüder, geben Sie ung die Waffen heraus!“ Auf eine kurz ablehnende Ant-

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wort begann raſch das Feuern, der genannte Korporal und ein Soldat fielen unmittelbar vor dem Gitter, ein Wehrmann wurde getötet, und einer verwundet. Die Angreifer hatten fich nach dem Verluſte noch mehrerer Soldaten teil3 in die nahen Häufer, teil3 in die Seitenftraßen zurüdgezogen, an welchen fie, wie in der Adlerſtraße, ſogar Barrikaden gebaut hatten. Während der nun eingetretenen längern Pauſe wurde nach dem Rathaus gemeldet, daß die Verteidiger des Zeughauſes dringend neuen Schießbedarf und Verftärkung nötig hatten. Bald trafen daher zwei weitere Kompagnien, bei welchen fich auch ber Oberſt Gerber und fein Adjutant Kölle befanden, dort ein, und um halb zwei Uhr nachts erfolgte unverjehens ein neuer Angriff, welcher aber bald ohne mweitern Erfolg eingeftellt wurde.

Unter den Berteidigern zeichneten fich namentlich auch Baurat Eifenlohr, Profefjor Maurer und Geheimreferendär Junghans aus. Als gegen 4 Uhr morgens das Feuer nach und nach verftummt war, ließ Fäßler außer den Soldaten 3 Bürgerwehroffiziere mit 40 Mann in dem Zeughaus zurüd.

Inzwiſchen war der Tag angebrochen, und e3 zogen zahlreiche Mannichaften, welche ſich offenbar an dem wüſten Treiben nicht beteiligen wollten, an dem Zeughaus vorüber mit dem Rufe: „Wir gehen fort in großen Urlaub, fommt mit!" Halb 7 Uhr kamen 70 Mann Bürgerwehr zur Ablöfung, und Fäßler, um feine Mannschaft vor dem immer wilder herantommenden Sturm und etwaiger Ver— führung zu retten, zog dieſelbe nah Gottsau, wo acht Gejchüße unter Hauptmann von Marjchall und Lichtenauer, zum Abmarſch bereit ftanden. Eine andere Abteilung von zwei Gejchügen mit voll ftändiger Mannjchaft war jchon um Mitternacht unter Oberftleutnant von Reck und den Leutnanten von Merhart und von Hardenberg nach der mwürtembergijchen Grenze abmarjchiert, aber in Neuenbürg angehalten worden, von wo die Kanonen an bie Pforzheimer Bür- gerwehr ausgeliefert wurden.

Während diejes auf dem Rathaus und in der Stadt vorging, wurde auch in dem Minifterium und bei Hof jorgenvolle Beratung gehalten, und endlich ein bedeutender, aber unabmwendbarer Entichluß gefaßt.

Wir haben oben gejehen, daß die Offenburger Abordnung am 13. vormittags wieder abgereißt war, nachdem fie durch Bekk münd- liche und dann auch fchriftliche Antwort erhalten hatte. Wie dieje

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Antwort aber auch ausgefallen wäre, die Mevolution wäre dadurch ficherlich nicht abgewendet worden, benn die Offenburger Verfammlung wurde von Männern geleitet, welche von einem Ausgleich mit ber Monarchie nichts wiſſen wollten, die von der Verfammlung ſofort veröffentlichten Beichlüffe waren jedenfalls fjchon vor der Sendung der Abgeordneten entworfen und feftgeftellt und wurden durch ben aus 14 Mitgliedern und 9 Stellvertretern, darunter 4 Soldaten beftehenden Landesausſchuß verkündet, welcher fich von nun an that jächlich der Stellung einer Revolutionsregierung bemächtigte. Außer- dem waren aber auch jchon jo viele fremde Umfturgmänner und Flüchtlinge in das Land hereingezogen worden, und Volt und Mili— tär vielfach jo weit bethört, verhegt und verführt worden, daß eine Umkehr jegt kaum mehr möglich war.

Gleichzeitig mit den Berichten über die Offenburger Verfamm- (ung mit dem von Freifchärlern und meuterifchen Raftatter Soldaten dicht bejegten Nachmittagszuge kam von der Reichögewalt, welche um Hilfe angegangen worden war, die Antwort, daß man jelbft fein Bataillon entbehren könne, und eine ftatt deſſen gejendete Proklama— tion des Meichöverwejerd blieb jelbftredend ohne alle Wirkung.. Auch eine gegen Abend durch einen Stabsoffizier von Frankfurt gebrachte Meldung, daß der wirtembergijche General von Miller beauftragt fei, mit einem Heere von Heſſen, Würtembergern und Badenern als Reichshilfe einzurüden, war ohne Bedeutung, weil Würtemberg feine . Buftimmung verfagte, da es für die Treue feiner Truppen, wenn fie nach Baden kämen, jelbjt nicht ohne Beſorgnis mar.

Abends wurde in Gegenwart des Großherzogs und der Prinzen eine Sitzung des Staat3minifteriums abgehalten, und ala eine ſchlimme Nachricht nach der andern aus der Stadt einlief, als man ſchon die Aufforderung, nach dem Schloß zu ziehen, vernahm, und alle Verſuche zur Herjtellung der Ordnung mißglüdten, wurde einftimmig die Ret- tung des Großherzogs vor der immer näher rüdenden Gefahr durch die Entfernung aus der Stadt beichloffen.

Nach 10 Uhr wurde die Sigung aufgehoben.

Der aus dem Minifterium in das Schloß zurüdtehrende Großher- 30g hörte aus der Stadt von allen Seiten her die Salven der Zeughaus- jtürmer und das Gewehrfeuer der durch die Straßen ſchwärmenden Rot- ten. Es war verabredet worden, daß um 12 Uhr eine Lokomotive mit

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einigen Wägen bei Gottsau bereit ſtehen, die Großherzogliche Familie durch den Faſanengarten ſich dorthin begeben und nach Frankfurt abrei⸗ jen follte. Der Großherzog hatte fich mit den Seinen fchon vor 11 Uhr auf den Weg gemacht, kehrte aber, durch den Alarm von ber Dur- lacherjtraße und von Gottsau her, und durd einige am Ausgang des Fajanengartens ihm begegnende Bürgerwehrmänner gewarnt, hier wieder um. In dem Fajanengarten traf zur jelben Zeit auch General Hoffmann mit 60 Dragonerrefruten ein, welcher fich zur etwa nötigen Dedung der Abreife nach Gott3au begeben wollte, und umgefehrt erihien von Gottsau her Hauptmann Großmann mit einer reitenden Batterie, welche er nach dem Schloß führen wollte. Dazu kamen noch etwa 40 Infanterieſcharfſchützen unter Oberlieutenant von Stengel und gegen 50 Offiziere. Für den Franken Erbgroßherzog und die weiblichen Mitglieder der Familie fanden ſich Wagen vor, der Groß- berzog jelbft aber und die Prinzen mußten, teils auf den Protzkiſten der Geſchütze, teild zu Fuß den Weg antreten, und fo ging es, län— gere Beit fogar von nachjagenden Freilchärlern verfolgt, durch die Alleen de3 Hardiwaldes nach Graben, und von da über den Rhein bis Germerähein, mo in der Frühe des 14. die Ankunft, und nad) einigen Schwierigkeiten die Aufnahme der Großherzoglichen Familie erfolgte. Die Weiterreife geſchah, mit Umgehung des aufftändi- ſchen Rheinbaierns, über Lauterburg durch franzöfiiches Gebiet nach Frankfurt. Montag, den 14. früh, waren die zwei Batterien unter den Hauptleuten Lichtenauer und von Marjchall, fowie eine Wbtei- lung Dragoner unter Leutnant Niejer ebenfall® von Gottsau nad) Germersheim zu abgegangen. Das weitere Schidjal diefer und der gleich anfangs den Großherzog begleitenden Truppen, welchen ber Uebergang auf baieriſches Gebiet verwehrt wurde, gehört nicht hierher.

Die beiden Markgrafen Wilhelm und Mar, ohne Kenntnis von der frühen Mbreife des Großherzogs, fanden die Lolomotive bei Gottsau nicht mehr vor, worauf fich der erjtere mit Familie nach Würtemberg, der lebtere über Waghäufel und Friedrichsfeld nach Frankfurt begab.

Die Minifter blieben vorerft noch auf ihren Poften.

Um 4 Uhr morgens am 14. verfügte ſich der Oberbürgermeifter Mali mit 2 Gemeinderäten zu Bell und erklärte demjelben, da nach Entfernung der Offiziere und Wuflöfung oder Empörung der Truppen nur die Vürgerwehr zur Verteidigung der Stadt übrig

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fei, und der Landesausfhuß auf den Vormittag um 11 Uhr (Mon- tag 14.) feine Ankunft in Karlsruhe von Raftatt aus angezeigt habe, jedenfall3 auch mit zahlreichen Truppen und Freifchärlern einrüden werde, jo bleibe der Stabt nicht? übrig, als fich in das Unabmwend- bare zu fügen. Bekk machte ihnen zwar auf mögliche Wendung zum Beſſern allerdings jehr ſchwache Hoffnung, aber die im Rathauſe Berfammelten fonnten fich durch jolche ſchwache Möglichkeiten, befon- ber3 da ſchon mehrfache jchwere Drohungen gegen die Stadt laut wurden, nicht bejtimmen lafjen, diejelbe durch nutzloſen Widerftand ſchweren Gefahren auszufegen, und fchidten daher den 14., morgens 6 Uhr, eine Abordnung von drei Gemeinderäten mit folgender Er- Härung an den Landesausfchuß nah Raftatt:

„In Erwägung, daß ſich ſchon am 13. d. M. abends gegen 7 Uhr aus einer Unterredung mit dem Herrn Staatsrat Bekk heraus- ftellte, daß die Regierung in den Zuftand der Natlofigfeit geraten war ;"

„in Anbetracht, daß der Großherzog mit feinen Angehörigen und Umgebungen in der Nacht fich entfernte, ohne irgend eine Ver- fügung oder Anſprache zu veröffentlichen ;

„in Anbetracht, daß der Generalftab und die Stabsoffiziere fich in der Nacht ebenfalls entfernten, oder doch, wie die übrigen Offiziere, unficytbar waren, was namentlih auh vom Garniſonskomman⸗ danten galt”;

„in Anbetracht, daß alle militärische Disziplin aufgelöst, und namentlich die Infanterie ohne Führer war“ ;

„in Erwägung, daß bei der Unterredung mit den Herrn Staats- räten Brunner und Belt, welche der Oberbürgermeifter Maljch heute früh 4 Uhr nacheinander befuchte, diejelben fich im Wejentlichen dahin äußerten, daß man e3 der Stadt Karlsruhe überlafjen müſſe, zu thun, was fie angemefjen erachte” ;

„in Erwägung, daß nach allen aus dem Oberlande, insbejondere auch aus Offenburg und Raftatt eingetroffenen Nachrichten der Landes- Ausschuß in den Beſitz der für die Negierung erforderlichen Macht, namentlich in den Beſitz der Eiſenbahn bis Ettlingen und der mili- tärischen Gewalt in der Reichsfeſtung Naftatt gelangt war“ ;

„in Erwägung, daß fich der Gemeinderat nicht in der Lage befindet, die öffentliche Auhe, Ordnung und Sicherheit in der Stadt zu gemwährleiften“ ;

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„in Erwägung, daß Gefahr auf dem Verzuge haftet, und daß die Vorſtände des Großherzoglichen Stadtamts und des Polizei-Amts, ſowie der Heerjchar-Commandant der Bürgerwehr mit dem Gemeinde— rath einverftanden find: ergeht der

Beſchluß:

1. „eine Deputation des Gemeinderats verfügt ſich nach Raſtatt zu dem Landesausſchuß, und nötigenfalls zu einer etwa errichteten proviſoriſchen Regierung, und gibt die Erklärung ab, daß die Stadt Karlsruhe ihnen nicht entgegen treten werde, wenn ſie hieher kommen würden, in der Vorausſetzung, daß ſie für den Schutz der Stadt ſorgen wollten“;

2. „die Herren Gemeinderäthe Bautz, Herzer und Kieſele werden als Abgeordnete ſofort ſich nach Raſtatt verfügen“.

In einer Sitzung von 8—9 Uhr vormittags beſchloſſen die Minifter deshalb, fich ebenfalls zu entfernen, die öffentlichen Diener aber, insbejondere auch den Direktor des Minifteriums d. J., Staats- rat Brunner, anzumeijen, ihre Stellen ferner zu verwalten.

Nebenius ging nach Würtemberg, Duſch, Hoffmann, Stengel und Bekt über Lauterburg, wo fie eine Menge geflüchteter Karls— ruher antrafen, und von wo fie noch am 17. Mai im Namen bes Großherzogs eine Proffamation an das badische Volk ergehen ließen, nach Frankfurt.

Um 9 Uhr jammelten fich unter Hauptmann Frei etwa 300 Grenadiere auf dem Marktplatz, kamen in Bürgerquartiere und ver- jahen mit der VBürgerwehr den Sicherheitsdienft in der Stadt, in welcher fich eine Art Freikorps aus jehr verdächtigen Elementen gebildet hatte.

Um 10 Uhr fam die Deputation von Raftatt zurüd, und um 11 Uhr den 14. Mai hielt der Landesausichuk mit Brentano an der Spike, von zwei Bataillonen Infanterie, einer halben Batterie Artillerie und einigen Schwadronen Kavallerie begleitet, unter klingen⸗ dem Spiel und dem Jubel eines Teiles der in den Straßen Ste- benden jeinen feierlichen Einzug.

Sogleich nach dem Einzug hielt Brentano von dem Balkon des Rathauſes eine Rede an das Volk, worin er Handhabung der öffent» lichen Sicherheit und Ordnung, ſowie die Verteidigung der Neichs- verfaffung zujagte. Da der Landesausichuß nicht als Regierung amten fonnte, wurde den 16. Mai eine Erefutivgemwalt, als Regie-

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rungsbehörde, und zwar für das Innere Brentano, für die Juſtiz Peter, für die Finanzen Gögg, für den Krieg Eichfeld mit Merſy als Stellvertreter, ernannt, und dieſelben leiſteten dem Landesausſchuß den Eid. An demſelben Tage noch erließ diefe neuernannte Regierung in Gemeinjchaft mit dem Landesausihuß eine Proflamation an das Bolt, und es wurde die Beeidigung der Beamten befohlen.

Ebenfalld den 16. Mai nahm eine Kommiffion von fünf Per- fonen das Geheime Kabinet und den Inhalt des Schlofjes auf, es fam um 9 Uhr morgens ein Transport bei Sinsheim gefangener Difiziere hier an, fpäter noch ein weiterer, unter denen ſich aud Oberſt Hinteldey befand. An demjelben Tage murden die nach Haufe gegangenen Soldaten wieder eingerufen. Der Karlsruher Gemeinderat dankte ab, erflärte aber am 17., bis zur Neuwahl im Amt bleiben zu wollen. Der 17. brachte eine Menge Neuigkeiten. Zunächſt meldete ein Plakat an den Straßeneden, daß ſich ein Siherheit3au3- ſchuß gebildet hatte, alsdann erfchien in der Karlsruher Zeitung und in bejondern Blättern eine ganze Reihe öffentlicher Aufrufe und Erklärungen der Nevolutionsregierung. Die erfte ſucht das Ger rücht von Zwieſpalt in der Regierung zu widerlegen, die zmeite fordert Abſetzung der entflohenen Minifter von Duſch, Belt, Hoffe mann und von Stengel, die dritte hebt den Eingangszoll auf Waffen auf, die vierte ift in lobender Weile an die Karlaruber gerichtet und fordert deren Vertrauen, die fünfte wendet fich gegen Judenhetzereien, die fechste und fiebente ordnet allgemeine Volks— bewaffnung von 18—30 Jahren, und eine Neuregelung der Karla ruher Bürgerwehr an, und die achte endlich verwilligt eine Soldaten« zulage von täglich 4 fr.

Alle Ledigen und alle kinderlojen Wittwer von 18—30 Jahren bilden das erfte, die ältern Männer das zweite und dritte Aufgebot, liefern aber vorerft, ſowie alle übrigen Nicht-Waffenfähigen, ihre Waffen ab, jämmtliche Flüchtlinge von den letztjährigen Aufftänden, namentlich auch Heder werden zurüdgerufen, viele Beamte durch andere erfegt, und der Beichluß einer militärifchen Union mit der Rheinpfalz verkündet. Da nach der oben angeführten Verordnung die Karlsruher Bürgerwehr thatjächlich aufgelöst war, die Mitglieder bis zu 30 Jahren als erjtes Aufgebot eingereiht werden, und die ältern die Waffen abliefern follten, hielt das Korps nachmittags 2 Uhr eine Verfammlung im Mufeum ab, welche gegen die Mas-

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regeln der Regierung proteftirte, erhielt aber ohne Verzug die Nach— richt, daß diejelbe inſoweit nachgegeben habe, daß nur die Waffen, welche nicht Privateigentum waren, abzuliefern feien, daß aus dem zweiten Aufgebot einige Kompagnien zum Sicherheitödienft in ber Stadt gebildet, und deren Stärke im Einvernehmen mit dem Stadtamt bejtimmt werden follte.

Die Karlsruher Zeitung brachte Aufrufe an das deutſche Volt und die deutichen Soldaten, ſowie die Ernennung des Bieler FFlücht« lings Beder zum Oberbefehlshaber jämmtlicher Bürgerwehren.

Den 18. Mai morgen? 8—9 Uhr murde auf dem Marktplatz das 2. Bataillon des Leibregiment3 und das erjte Bataillon des dritten Regiment? auf die Reichsverfaſſuug beeidigt, aber ala nad» mittags das letztere Bataillon feine alten, nicht geflüchteten Offiziere wiederwählte, und dem Befehl, nach Heidelberg gegen die Reichs— truppen zu marjchiren, fich widerſetzte, ſah ſich Brentano genötigt, um 4 Ubr vom Rathausbalton herab zu erflären, daß das Bataillon nicht gezwungen werden jolle. An demjelben Tage wurden die frühern Minifter für abgeſetzt erklärt, weil fie ihre Stellen verlaffen hätten. Abends wurde das jeit dem 13. geichloffene Theater mit der Dper „Wilhelm Tell” mieder eröffnet.

Den 19. erfcheint hier der jog. Oberft Beder als Kommandant ber Bürger- und Volkswehren, Tiedemann als Generaljtabächef, und der frühere Artilferieunteroffizier Reininger ala Polizeichef. Un dem- felben 19. famen die drei Abgejandten der äußerften Linken des Frank- furter Parlaments, Raveaux, Erbe und Trügjchler, hieher und erließen namens der Frankfurter Demofratenpartei eine Proflamation an das deutjche Volt, worin zur Verteidigung gegen die anrüdenden Preußen und Heflen aufgefordert war, ein Gleiches gefchah in einem Manifeft des Landesausjchuffes, und zugleich wurde hier die Bildung einer deutjch-polnischen Legion und einer Flüchtlingslegion in Angriff genommen, wovon die erftere von anfangs 170 nach und nach auf 280 Mann anwuchs. Waffen erhielten diejelben, ſowie viele andere Freiicharen und Volkswehren aus dem Zeughaus.

Eine Berordnung vom 20. Mai verkündet die Auflöfung der frühern Kammern, und ordnet die direkten Wahlen zur konjtituirenden Verfammlung an, und den gleichen werden die hiefigen Staatsdiener auf dem Rathauſe beeidigt und leiften dieſen Eid, jedoch, wie bekannt,

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mit Vorbehalt ihrer Verpflichtung gegen den Großherzog und bie Landesverfaſſung.

Die Karlsruher Zeitung war ſelbſtverſtändlich vom erſten Tage nach dem Einzug der revolutionären Gewalt auch in den offiziellen Dienft derfelben genommen worden, die Redaktion kam in die Hände ihrer eifrigen PBarteigänger, in den erften Tagen wurde fie von K. Blind, feit dem 17. von H. 2. Oppenheim und von dem 10. Juni an von Paul Römiſch redigirt, die Korreipondenten und Mitarbeiter zeigten fich gleich von Anfang als die blutroteften Republilaner und Terroriften, und die ganze Haltung des Blattes lieferte den jonnen- Haren Beweis, daß nicht die Reichsverfaſſung und deren Verteidigung, fondern nur die Republit von Anfang an Zweck und Biel der gan- zen Bewegung war. Als aber der Kampf an dem Nedar und im Rhein— thal begonnen hatte, entfaltete dieſes Blatt eine wahrhaft großartige Meifterichaft, mit den abenteuerlichiten Berichten über Siege und Heldentaten des Freiheitsheeres, über kannibaliſche Graufamkeit der Reichstruppen, über maffenhafte Abfälle der bisher treuen Soldaten, über Aufftände an allen Eden und Enden das Volk zu täufchen, das im Felde ftehende Militär immer tiefer in Selbitverblendung und dadurch ind Unglüd bineinzutreiben, jo daß man mit vollem Rechte behaupten kann, ſolche Wühler und Heer von dem vor Kugeln fichern Plage ihres Schreibtifches aus hätten weit eher die Kugel verdient, als mander arme Soldat, der durch fie allein in GSelbfttäufchung und in den Tod getrieben wurde.

Eine von Freiburg ausgezogene Schwadron Dragoner unter Nittmeifter von Glaubitz, welche fich) mit dem Korps der Würtem- berger unter General von Miller auf dem Schwarzwald vereinigen wollte, wurde von aufftändischen WBauernmafjen bei Neuftadt zer- iprengt, jammelte fich aber wieder und zog das Land abwärts nach Karlsruhe. Hier rüdte fie am Mbend des 24. unter dem Rufe: „Es lebe der Großherzog“ in ihre Kajerne ein. In der Nacht aber murden die Offiziere überfallen, verhaftet, vor die proviforijche Re— gierungsbehörde geführt, und auf ihre Weigerung, der Regierung den Eid zu leiften, noch in der Nacht mit einem Ertrazug nach Raftatt abgeführt. Dort, auf dem Weg nach den Kaſematten wurden fie von Pöbel und Soldaten verhöhnt und mißhandelt, und nur den thatkräftig- ften Anftrengungen des dotigen Bürgermeifter8 Sallinger verdantten fie die Rettung ihres Lebens. Dieje Offiziere waren die Rittmeiſter von

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Slaubig und von Freydorf, die Oberleutnante von Menzingen und Wirth, die Leutnante von Menzingen, von Stödlern und von Horn. Die Dragoner aber wurden bier mit in den Strudel der Empörung bineingezogen, wie denn überhaupt nur das in Holftein ftehende Ba- taillon bes 4. Infanterieregiment3 von der Revolution unberührt blieb.

Die in Land und Stadt herrichende Anarchie, verbunden mit der Schredenäherrichaft der Eivil- und Kriegskommiſſäre, bewirkte nach und nach einen im ftillen fich vorbereitenden Umſchlag der Stim- mung im Volfe, und obwohl im Ganzen etwa 40—45 000 Mann mit 62 Gejchügen im Feld ftanden, bejchloß dennoch die proviforifche Regierung, Hilfe bei Frankreich zu fuchen, und ſchickte zwei Abge- jandte mit zwei Sefretären, deren einer der bekannte K. Blind war, zu dieſem Zweck nach Paris, wo fie aber, ftatt Hilfe zu finden, ver- haftet wurden.

Den 25. Mai wurde Sigel Oberbefehlshaber. Je näher die Preußen und Heſſen gegen den Nedar und die Rheinpfalz anrüdten, deito mehr kam die Gefahr ernitern Kampfes heran, und die Ein- berufung der auögetretenen Offiziere unter Androhung des Penſions⸗ verluftes, des erften Wufgebotes bis zu 30 Jahren, der Gendarmerie zur Kavallerie, die Vorbereitung der Aufftellung des zweiten Auf— gebotes von 30—50 Jahren, die meift durch Erelution zu Stande gebrachte Einlieferung von Beiträgen für die Ausrüftung der Volks— wehren, folgte vom 25. Mai an rafch nacheinander.

In den Straßen von Karlsruhe wimmelte es von den bunteften Trachten, Geftalten und Uniformen, ftolze Federbüſche, bunte Ko— tarden, wallende Bärte ftolzirten durch die Stadt, den 27. bildete ih, aus Brentano, Struve, Sigel und dem neuen Kriegsminiſter Meyerhofer bejtehend, eine bejondere Wehrkommiſſion, unter Türr und Jowanowits ein Werbebureau für eine deutjch-ungarifche Legion, welches aber ſchwachen Zulauf fand.

Den 30. Mai, dem Tag der Schlacht von Heppenheim, erliek der Landesausichuß eine Proklamation um Hilfe an die franzöfiiche Nation, welche in bezeichnender Weiſe in der Karlsruher Zeitung mit den Worten jchloß: darum, ihr Brüder!! an den Rhein, an den Rhein!

Den 1. Juni legten Erekutivgewalt und Landesausſchuß ihr Amt nieder, nachdem eine aus fünf Mitgliedern, Brentano, Gögg,

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Hiller, Peter und Sigel beftehende Proviforifhe Regierung ernannt worden war. Dieje erläßt jofort einen Aufruf an das Volt betreff3 der Wahlen zur „Ronftituirenden Berfammlung“, und es ift bezeichnend für die Stimmung, daß in öffentlichen Wahl- vorjchlägen bereits Namen wie Häuffer, Lamey und Welder genannt wurden. Auf ben 1. Juni waren aud die Volkswehren aus der Umgegend bieher einberufen, und diejelben erfchienen, jedoch in zahl« reicher Begleitung ländlicher Schönen, welche abends von den jungen Freiheitskämpfern jchmerzlich-thränenreichen Ubjchied nahmen. Die Erjchienenen waren noch vormittags einer Mufterung unterzogen wor⸗ ben, da fie aber noch nicht jofort ins Feld rüdten, gab es in den nächften Tagen, und Nächten ein tolles Zreiben von Betrunfenen durch die Straßen.

Den 4. Juni hält Brentano mit Gögg hoch zu Roß auf dem Schloßplag eine Parade über etwa 2000 Mann Voltswehren, zu welchen auch eine erflecliche Anzahl der neu gebildeten Schweizer- legion erjchien, welche in ficherer Erwartung künftiger Siege das Lied anftimmte: „Feinde bebt, die Rächer nahn!“ An demjelben 4. Juni wurde hier zur konftituirenden Verfammlung gewählt, wobei Brentano 1644, Chrift 1158, Thiebauth 970 und Peter 603 Stim- men erhielten. Den etwa 1200 Karlsruher Wählern hatten fich aber, wie fich aus Brentanos Stimmen ergibt, eine große Anzahl fremder Stimmen ohne Anjehen der Nation zugejellt.

Unterdeffen trafen von den Kämpfen am Nedar und an der Bergftraße immer bedenklichere Berichte ein, und dieſe, ſowie der Ausfall der Wahlen zur Regierung, gab der Partei der ertremften Reolutionsmänner, der Partei der roten Republit, der eigentlichen Zakobiner und Terroriften, welche mit der verhältnismäßig gemäßigten Regierung Brentanos unzufrieden waren und rüdjichtsloje Durchfüh- rung, Standrecht und Erekutionen, auch die Berufung Mieroslawski's verlangten, Anlaß, fich zujammen zu thun und an dem Sturz der Regierung zu arbeiten. Das Haupt diefer Partei war G. Struve, ihm zur Seite ftanden Beder, Neff, Dortü, Tiedemann, Heinzen, Liebfnecht, Bönning u. A., auch die Bejangoner Flüchtlings- und die Schweizerlegion. Deßhalb veranftaltete Struve den 5. Juni, nach— mittags 3 Uhr, eine bewaffnete Volksverſammlung in dem großen Rathausfaal, in welchem fich unter Struves Vorſitz und nach jeinem Borichlag die Partei zum Klub konftituirte, mit der Aufgabe, den

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Gang der Dinge im Sinne des entſchiedenen Fortſchrittes zu über- wachen. Eine Abordnung von zehn Männern: Borkheim, Tiedemann, Comloſſy, Beder, Bönning, Reininger, Mijel, Degen, Tzſchirner und Liebknecht follten die Beichlüffe des Klubs dem Haupte der Re— gierung, Brentano, überbringen. Als aber diejer die Antwort auf den folgenden Tag verjchob, legte fich der Klub den Namen „Klub des entjchiedenen Fortſchrittes“ bei und traf demgemäß bie zur Erreichung feiner Zwecke nötig erjcheinenden Maßregeln.

Beder, ald Kommandant der Flüchtling3-Schweizer- und Urbeiter- legionen, befahl jofort dem alten Bönning, die Wachen am Zeughaus, in Gottsau und am Pulverturm bei Bulach und bei Killisfeld mit je 50 Dann zu verftärten, beziehungsweife zu befegen, vom Zeughaus bis zur Kaſerne Wachpoften aufzuftellen, und die Nacht hindurch mit 50 Mann in zwei Kolonnen zu patrouilliren.

Unterdefjen verordnete ein Erlaß der Regierung Abzüge an den Bejoldungen aller Öffentlichen Diener, und zwar für 1000—1800 fl. von '/,, bis 3000 fl. von ,, jedoch nur bis zum Betrag eines Abzuges von 2400 fl. und am gleichen Tage wurde für das Land aufwärts bis an die Murg Kriegszuſtand und Standrecht verkündet, ebenjo meldete das Drgan der Regierung, Mieroslawski, welcher fich in Paris aufbielt, ſei jeit 14 Tagen zum Überbefehlähaber des ba— difchen und pfälzischen Heeres ernannt, und ihm Reiſegeld nach Paris geſchickt worden.

Der am 5. zu Tag getretene Zwieſpalt zwifchen den Männern der gemäßigtern Richtung und denen der roten Republik mußte zur Entjcheidung kommen.

Die entjcheidende Rolle in diefem Kampfe follte aber der Karla- ruher Bürgerwehr zufallen.

In einer in aller Frühe des 6. Juni auf dem Rathaus zwiſchen dem Bürgermeiſter und den Führern der Bürgerwehr gepflogenen Beratung wurde bejchloffen, die Bürgerwehr erjt dann in's Mittel treten zu laflen, wenn es zum offenen Kampfe der beiden PBarteien fäme.

Dieje Zurüdhaltung war indefjen jchon nicht mehr möglich, denn ſchon um Mitternacht vorher hatte Brentano im ftillen durch An— jagen von Haus zu Haus eine Kompagnie Bürgerwehr zum Schutze der Regierung in das Ständehaus entboten; diefe, etwa 40 Mann ſtark, war feinem Rufe gefolgt, und konnte nicht mehr im ftiche

un: Ba

gelafjen werben. Ohnedies hatte die aus etwa 600 Dann beftehende Schweizer- und Flüchtlingslegion, vielfach aus Abenteurern und alten Soldaten beftehend, welche in Algier, Italien, Spanien u. a. D. ge dient hatten, und welche großenteil3 mit Büchſen bewaffnet waren, jchon tags vorher durch den größten Teil der Stadt Aufftellung genommen, und eine mit den Poftenketten der Stabt Fühlung haltende Rejerve von etwa 100 Dann ftand in dem Kaſernenhof in Bereitichaft. Im Laufe der Nacht kamen 400 Mann Breifacher Volkswehr an, wurden an der Bahn durch Anhänger Brentanos abgeholt, und in dem Rat- haus einquartiert. Noch in der Nacht hatte Brentano auch eine Batterie Artillerie von Gottsau vor das Rathaus beordert, und in dem Ständehaus mit dem Bürgerwehradjutanten und andern Bürger⸗ wehroffizieren verhandelt.

Infolge diefer Unterhandlungen wurde gegen 5 Uhr morgens Generalmarjch der Bürgerwehr gejchlagen. Eine Abteilung derfelben bejeßte ohne Säumen auf Gerber Befehl den Schloßplag, eine andere das Ständehaus als Sit der proviforifchen Regierung. Als die Ab- teilung vor dem Schloffe etwa 19, Stunde hier geftanden, erjchienen ungefähr 400 Bloufenmänner die Legionäre trugen meift blaue Blouſen auf dem Plage, gerade auf das Schloß losmarſchirend. Auf das unter Androhung des Feuerns durch Dberft Gerber ihnen gebotene Halt ftellten fie fich auf der linken Seite des Platzes mit Front gegen das Karl-fFriedrichsdentmal auf und machten Gewehr bei Fuß. Gerber, nachdem auch feine Leute Gewehr bei Fuß genommen, beiprach fich mit dem gegnerischen Anführer, welcher erklärte, fie jeien zum Ererziren bieher befohlen. Als unterdeflen aus einer angelom- menen Droſchke zahlreiche Patronen ausgeladen und an die Schweizer verteilt wurden, ließ der Oberft auch die Abteilung jeiner Mannſchaft laden, welche noch nicht geladen hatte. So ftand man wieder über eine Stunde einander gegenüber, während welcher Zeit durch hin- und hergehende Abgejandte der Regierung mit den Schweizern verhandelt wurde. Troß aller Friedens- und Freundichaftsverficherungen wichen fie nicht vom Plage. Die Bürgerwehr wurde ungeduldig, der Oberjt ichiekte daher jeinen Adjutanten nach dem Ständehaus zu Brentano mit dem dringenden Erjuchen, der Sache ein Ende zu machen, weil der Kommandant dies jonft ſelbſt thun müßte, und Brentano verjprach, jelbft zu kommen. Unterdeſſen war Struve mit feinem Schwager Düſar u. A. auf dem Schloßplat erjchienen, hatte verfucht, eine Anfprache

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an die Bürgerwehr zu halten, war aber durch Gerber daran ver— hindert worden.

Um halb zwölf Uhr rüdte unerwartet ein Bataillon des zweiten SInfanterieregimentes, welches die Regierung durch einen Ertrazug von Bruchſal hieher befördert hatte, unter Trommelmwirbel auf den Schloß- plag, und ftellte fich Hinter der Bürgermwehr auf. Unmittelbar nachher erjchien die provijorifche Regierung ebenfall®, und Brentano erklärte, nach heftigen Beiprechungen mit den Schweizern, dem Kommandanten und den führern der Bürgerwehr, die ganze Geſchichte beruhe auf einem Mikverjtändnis, und die Schweizer würden nach einem in ber Kaferne eingenommenen Imbis friedlich die Stadt verlaffen, um in’s Feld zu ziehen. Als darauf hin die Gegner den Platz verlaflen, zog auch die Bürgerwehr ab, mit Ausnahme eines zur Bewachung des Scloffes zurüdgelaffenen Bataillons.

Bon acht Uhr morgens des 6. Juni an waren verjchiedene Zu— züge bier eingerüdt, e8 kamen zum Teil mit Ertrazügen pfälzifche, Bruchjaler, Durlacher, Mühlburger, Ettlinger Vollswehren, fämmt- ih auf Befehl der Regierung, welche fich dadurch inftand fegte, den Aufrührern mit Nachdrud entgegenzutreten. Der den Schweizern erteilte Befehl zum Abmarjch Hatte bei diefen Widerftand gefunden.

Nachmittags gegen drei wurde daher abermals Generalmarjch für die VBürgerwehr gefchlagen. Es war eine große Verfammlung der extremen Partei in das Rathaus berufen worden, Brentano hatte fich ebenfalla dahin begeben, hatte zu fprechen verfucht, war umringt, bedroht worden, ala plöglich die Bürgerwehr in den Saal eindrang, und ihn befreite. Wergebens hatten einzelne der Roten verfucht, von einem Balkon des Rathaujes herab die unten verjammelte Volksmaſſe zur Hilfe aufzurufen, vergebens hatten fie dem Volke zugerufen: „Wir find verraten, man verhaftet unfere Führer!” Brentano hatte von dem Mittelbalton herab dem Volke und der unter dem Hauptmann Müller und den Leutnanten Reble und Moßdorf vor dem Portal aufgeftellten Bürgerwehr ebenfalls zugerufen: Schießt die Leute nieder, wenn fie nicht ſchweigen! Vergebens hatten auch die mit Verhaftung Bedrohten verfucht, durch das vordere Portal und durch die Pforten an der Rückſeite des Hauſes zu entfliehen, fie fanden dieſe verfchloffen, die vordere durch die Bürgerwehr abgeſperrt. Struve, Düſar, Beder, Mittel, Speyer, Tzichirner u. U. wurden im Rathaus, Bönning im Barijer Hof, Struves Hauptquartier, verhaftet, entwaffnet und in den

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Heinen Rathausfaal gebracht. Auf den Generalmarjch hin hatte fich die Hauptmaffe der Bürgerwehr auf dem Schloßplag verjammelt, und dort hatte fich nach und nach auch eine Anzahl treu gebliebener Sol- daten, penfionirter Offiziere, Gendarmen unter ihrem Rittmeiſter Cetti, auch eine halbe Schwadron Dragoner, fowie einige Abteilungen der am Vormittag eingerücdten Volkswehren, eingefunden. Auf dem Markt⸗ plaß ftand Infanterie und Artillerie aufgeftellt.

Während der Vorgänge in und vor dem Rathaus hatte fich die Schweizerlegion, welche fich weigerte, auf den Kriegsichauplag abzu- gehen, aus ber Kajerne nach der Waldftraße gezogen und fich dort feftzufegen verfucht. Die auf dem Schloßplag Aufgeftellten richteten nun Kanonen auf die dortige Ausmündung der Waldftraße und be— festen zugleich die Ausgänge fämmtlicher auf den Plab auslaufenden Straßen.

So bfieb es bis gegen 6 Uhr abends, und der größtenteils feit 5 Uhr morgens im Dienft gehaltenen Mannjchaft ging nicht nur bier, jondern auch auf dem Marktplat, die Geduld aus. Struve und Düjar waren noch in dem Kleinen Rathausjaal unter Bewachung, andere Gefangene in den Turm verbracht, Beder ſammt feinem Adjutanten u. U. aber wieder freigegeben. Die Schweizer hatten erflärt, nicht ohne ihre Führer abziehen zu wollen, deßhalb hatte man ihnen nach— gegeben und wollte nur Struve und Düfar ala Geijeln behalten.

Doch auch diejes genügte den Unzufriedenen nicht.

Das Geſchrei und da3 Toben auf dem Marktpla und in der fangen Straße nahm von num an wieder zu, lärmende Urbeiterfcharen, tobendes Volt aller Art und Abkunft, trunfene Soldaten, Infanterie und Artillerie in beſchmutzten Uniformen, mit roftigen Waffen, ſelbſt abgemagert auf abgemagerten Pferden, aus geplünderten Läden geraubte Bigarren rauchend, Trinkgelage auf dem Pflafter haltend, taumelten durch die Straßen und auf dem Marktplag umber, jchrieen: Struve heraus! forderten die Entlaffung aller Gefangenen und jpotteten der Befehle ihrer Führer und Offiziere. Endlich gelang e8 Brentano, von dem Rathausbalton herab nochmals eine Aniprache an fie zu halten, in welcher er zuerst durch lobende Anerkennung ihrer perjönlichen, militäriichen Tugenden, durch ernften Vorhalt der Pflichten eines guten Soldaten, eines echten Waterlandsfreundes und eines wahren Kämpfers für Recht und Freiheit die tobende Menjchenmaffe zu Taut-

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loſer Stille und am Schluß zu tauſendſtimmig wiederholtem „Bren- tano hoch!“ umzuftimmen mußte.

Noch ftanden die Bürgerwehr und eine Anzahl Soldaten auf dem Schloßplatz, den veriprochenen Abmarſch der Legion erwartend. Bei Wehrmännern und Soldaten ftieg die Erbitterung gegen die Schweizer und andere Freilchärler, die ſich in die Kaferne zurüdges zogen hatten, und laut wurde die Stürmung der Kajerne gefordert. Endlich, nach einer weitern Stunde, zogen die Schweizer durch das Karlsthor dem Hauptbahnhof zu und fuhren nach dem Kriegsichauplag ab. Ein Bataillon Bürgermwehr blieb zur Bewachung während der Nacht in dem Schlofje, die übrige Mannſchaft, außer den nötigen Wachpoften, wurde von dem Marktplatz aus entlafjen.

Struve aber, von Brentano feiner Haft entledigt, wurde durch benjelben Arm in Arm bis nach deifen Wohnung im Parifer Hof begleitet. Der Klub des entichiedenen Fortjchrittes hatte Die Frei— lafjung aller feiner gefangenen Führer erlangt und die meiften feiner Forderungen durchgejeßt.

Troß diefer jcheinbaren Verjöhnung befahl am 7. ein Straßen- anfchlag der provijorischen Regierung die Verhaftung mehrerer Mit- glieder des Klubs, welche fich aber von hier entfernt hatten.

Den 9. Juni kam der von Paris berufene Mieroslawski mit andern polnischen Offizieren hier an, hielt Beratung mit der provi⸗ ſoriſchen Regierung, nahm Einficht von den biefigen militärischen An- ftalten und Vorbereitungen, Tieß fich fein Geld ausbezahlen und begab fih am 10. nach dem Kriegsfchauplag, um fein Kommando zu über- nehmen, wobei der bisherige Kommandant Siegel fein Generaladjutant wurde. Den 10. Juni, mittags 12 Uhr, wurde bier die Konfti- tuirende Berjammlung eröffnet.

Nah der Wahl des Alterspräfidenten, welcher erft 55 Jahre alt war, ſowie der vier Jugendjefretäre, von denen die Mehrzahl kaum das Alter der Mündigkeit überjchritten hatten, ging die Verfammlung auseinander, um fich nachmittags zur feierlichen Eröffnung mieder einzufinden. Eine Deputation derjelben begab fi) um 3 Uhr nad dem Rathaus, um die fünf Mitglieder der Regierung, Brentano, Peter, Thiebauth, Gögg und Meherhofer, dort abzuholen. Unter Glockengeläute, Geſchützſalven durch die mit jchwarzsrotsgoldenen Fah— nen geſchmückten Straßen, durch das, von Karlsruher, Durlacher und Pforzheimer Bürgerwehr und durch Militär gebildete Spalier ging

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der Zug zum Ständehaus. Hier wurde die Regierung mit Hochrufen empfangen, die Verſammlung um 4 Uhr durch den Alterspräſidenten eröffnet. Die Tribünen, der Saal ſelbſt, die Räume zwiſchen den Bänken der Abgeordneten waren von dem fich drängenden Wolfe dicht befegt. Sofort betrat Brentano die Tribüne, um die Eröffnungsrede zu halten, worauf die erfte Sitzung gejchloffen wurde. Das Leben diefer Verſammlung in Karlsruhe war ein jehr beivegtes, aber kurzes. Sie brachte ihr Alter nur auf zwölf Sigungen oder 14 Lebenätage, der 23. Juni war ihr legter. Den 13. Juni wird, ftatt der bisherigen fünf Regenten, durch die konftituirende Verfammlung ein Triumpirat, eine Regentichaft von drei, Brentano, Gögg und Werner, gemählt, welche am 16. der Verſammlung ihren Eid (Ehrenwort) ablegten, und denjelben 13. fam bier, von ihrem Chef Cetti berufen, die Gendarmerie des Landes zu einer Beiprechung zufammen. Den 16. wurde Schlöffel ala Oberkriegskommiſſär mit jehr weitgehenden Vollmachten ernannt.

Unterdeffen waren vom 14.—18. verjchiedene Gefechte in der Rheinpfalz, bei Ludwigshafen und Mannheim, im Odenwald und am Nedar vorgefallen, das Karlsruher Freikorps unter Dreher hatte bei Unnweiler den 17. gegen die unaufhaltſam vordringenden Preußen gefämpft. Brentano und Meyerhofer hatten, nachdem eine Batterie und die Vollswehr von Raftatt an die Knielinger Brücke beordert worden, den 17. fich jelbft an Ort und Stelle verfügt, ben 18. jeßte der Kommandirende der Pfälzer, der General Sznaide, ein Pole, mit der proviforischen Regierung der Pfalz, der Kaffe, 8 Gefchügen und etwa 8900 Mann, welche aus einer jehr bunten und erjchöpften Mafje von baierifchen Chevaurlegers, Infanterie, Freiſcharen aus der Pfalz, aus Hefien, Nafjau und Rheinpreußen beftanden, bei Knielingen über den Rhein. Ihre Nachhut bildete das aus Karlsruhe hinübergeſchickte 2. Bataillon des 2. Regiment? und ein Zug der Batterie Borkheim. Damit war der Aufitand der Pfalz unterdrüdt, und der Kampfplak allein auf das rechte Rheinufer verlegt. Die Leute wurden hier und in der Umgegend untergebracht.

Den 19. mittags 12 Uhr zog auch das Willichiche Korps von Dachsland her hier ein. Voraus jchritt ein FFreifchärler, dann kamen zwei Scharfichügen, hierauf Willich jelbft, auf einem Schimmel reitend, mit weißem Freiſchärlerhut, großem rotem Bart, in blauer Bloufe, zwei Piſtolen im Gürtel und eine Reitpeitjche in der Hand.

Brentano und Meyerhofer ritten an jeiner Seite. Hinter ihnen

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folgte der Generalftab, ebenfalls zu Pferd, dann Scharfichügen, Turner, Soldaten mit roten und deutjchen ahnen, auch die Legion von Be— jancon. Dabei befand ſich auch mit ihrem Bruder und Gatten, eine Amazone, angeblich Robert Blums Tochter, mit der Feder auf: jchwar- zem Hütchen, Sammtipenzer, jhwarzen Handſchuhen, kurzem, blauge- ftreiftem Rod, grauen Beinkleidern, zwei Terzerolen und einem Stußen. Mieroslawsti, Sznaide und Anneke befanden ich gleichfalls im Zuge.

Ebenjall3 am 19. Juni wurde durch den Prinzen von Preußen, den preußischen Armeefommandanten, Baden in Kriegszuſtand erklärt, die Preußen drangen bei Germersheim über den Rhein, und der Kampf näherte fich auch aus dem Odenwald und von dem Gebirge her immer mehr unjerer Stadt. Sznaide hatte den 20. und 21. in und um Karlsruhe den Oberbefehl, mit dem Hauptquartier in Blan- fenloch ; es wurde bei Philippsburg, Waghäufel, Huttenheim, Karls— dorf, Neuthard, Wiejenthal, auch bei Ladenburg und Heidelberg gelämpft. Denjelben Tag, den 20., erichten eine Verordnung des Mi- nifters des Innern, Mördes, welche jeden Aufenthalt für Fremde ohne Ausweis in und um Karlsruhe verbot, den Hausbefigern zur - Pflicht machte, innerhalb ſechs Stunden jeden Fremden zur Anzeige zu bringen, beides bei Strafe der Verhaftung und bei 50 fl. Geld- ſtrafe.

Den 21. wurde bei Todesſtrafe der Verkauf, bei 100 fl. Geld— jtrafe der Anfauf von Waffen verboten, die Ablieferung bei gleicher Gelditrafe befohlen. Den 22. wurde Mannheim und Heidelberg durch die Preußen bejegt, und am gleichen Tage beichloß die konjtituirende Berjammlung bier in geheimer Sigung die Entwaffnung der Karlsruher Bürgermehr. Schon verließen aber einzelne Mit- glieder der Verſammlung die Stadt. Den 23. fiel das Gefecht bei Ubjtadt vor, infolge deſſen beſchloß die proviforijche Regierung am 23. in einer Abendfigung, ihre Tagung nach Offenburg zu verlegen, und den gleichen Abend reisten die meijten Mitglieder der Ver— jammlung ab.

Den 24. wurde Bruchjal durch die Preußen bejegt. Mieros— lawsti, nachdem er Karlsruhe, den Sig aller Komplotte, die Höhle aller Banditen der Gegenrevolution genannt hatte, jchüttelte den 24. abends den Staub von jeinen Füßen und verließ, aufwärts reijend, die ihm jo unliebjame Stadt, und ebenjo entfernten ſich beinahe alle

noch übrigen Mitglieder der Negierung und der konſtituirenden Ver— 25

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famınlung. Heuniſch, der Finanzminifter, und Mördes, der Minijter des Innern, hatten vorher das Gewölbe der Amortiſationskaſſe er- brechen lafien, die Staats- und Poſtkaſſe, und die noch nicht ausge: gebenen badischen Rentenjcheine und Obligationen, im Wert von 2'/, Millionen weggenommen, welche Mördes in 5 Kijten landaufwärts ſchaffen ließ.

Die Abteilung der Infurgenten unter Beder, bei melcher fich auch Struve befand, hatte ſich von Bretten her nach Durlach gezogen, wo fie den 24. abends 8 Uhr eintraf. Die unter Sznaide am 24. bei Bruchſal zeriprengte Kolonne hatte fich in Untergrombach wieder gefammelt und war in Weingarten eingezogen. Bier aber verjagte die Mannjchaft dem General den Gehorfam, riß ihn al3 vermeint- lichen Verräter unter Mißhandlungen vom Pferde, und zog abends zugleich mit der von Bretten kommenden Bederjchen Kolonne ebenfalls in Durlach ein.

Schon am 23. vormittags, nachdem abends vorher, wie gejagt, die Entwafnung der Karlsruher Bürgerwehr beichloffen worden war, hatte der Oberbürgermeifter Maljch den Diktator Brentano aufgefucht und ihm erflärt, die Bürgerwehr werde fich dieſem Bejchluß nicht fügen, und es frage fich im diefem Fall, ob einer der Herrn der Re- gierung mit dem Leben davonfomme. Hierauf erflärte denn auch Brentano, er werde es nicht jo weit fommen lafjen und den Beſchluß nicht zum Bollzug bringen.

Bon den AZuftänden der Stadt in jener Nacht vom 24./25. Juni gibt der Adjutant der Bürgerwehr, Bankier Ed. Kölle, deſſen Bericht wir überhaupt auch vieles Andere entnommen haben, folgende Schilderung: „Die Stadt war am 24. von injurgirtem Linienmilttär, worunter auch das beſonders zügellofe dritte Regiment, Volkswehren und Freiſcharen überfüllt. Fortwährend trafen neue Scharen Ber- iprengter ein, teils geordnet, teil® in größter Auflöfung. Man erfuhr, General Mieroslawski jei mit dem Gros der Armee in vollem Rück— zug, in und um Karlsruhe wolle man das Heer wieder ſammeln und fih den Preußen neuerdings entgegenftellen. Man befürchtete Exceſſe für die Nacht, und vielfache Drohungen waren gegen die Stadtbe- wohner ausgejtoßen worden. Herr Oberſt Gerber und ich beichloffen, dieje Nacht, wie jo manche andere, auf dem Rathaus zuzubringen. Die Zuzüge dauerten fort. Da in den Privathäuſern jchlechterdings niemand mehr unterzubringen war, jo wurden die Säle des Mujeums,

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der Lefegejellichaft, der Eintracht und de3 Bürgervereins, und das Großherzogliche Drangeriegebäude mit Mannjchaften vollgepfropft. Trogdem, daß auch die Reitjchulen, Ställe, Scheuern zur Unterbrin- gung der Leute verwendet worden waren, jo mußten doch mehrere Bataillone auf dem Schloßplag und in den Straßen der Stadt bi- vakiren. Auf dem Marktplatz und in der Karl-Friedrichsſtraße Tagen die Leute auf dem Pflafter, nichts Anderes zum Kopfkiſſen, als ein Nänzchen oder die Patrontaſche. Die meisten waren jchlecht bekleidet, ichuhlos, ausgehungert und durch die Strapazen der vorhergegangenen Tage auf’3 äußerte erichöpft. Auch die Pferde der Geſchütze, der Bagage- und Munitionswägen mußten auf dem Marktplag kampiren, da keine Unterkunft in den Ställen mehr zu finden war. Eine Menge Bulverwägen, vermijcht mit jtrohbededten Bagagewägen, waren vor dem Rathaus zujammengedrängt. Leute mit brennenden Zigarren gingen dabei hin und ber, jo daß wir Gefahr liefen, mit jammt dem Rathaus in die Quft geiprengt zu werden. Ich requirirte dekhalb auf Befehl des Oberſten Gerber, 30 Mann von der in dem großen Rathausfale lagernden Rejervefompagnie Bürgerwehr, ließ den Pla von den Rauchern jäubern, und die Zugänge zu den Pulverwägen abiperren. Am meiften Widerftand fand ich dabei bei den Artilleriften der Linie, welche behaupteten, fte jeien num einmal gewohnt, bei den Bulverwägen zur rauchen.“

Unter jolchen Verbältniffen war es doppelt bedenklich, daß nachts 1 Uhr von der Schloßwache aus auf dem Rathaus gemeldet wurde, der jog. Oberkriegstommiffär Schlöffel ſei mit zahlreicher Mannjchaft in da3 Schloß gedrungen und habe alle Zugänge zu demjelben befebt. Dort ließ derjelbe, unter Androhung ftandrechtlicher Behandlung gegen die fich widerjegenden Schloßbedienfteten, die Keller öffnen, und die Weinfäſſer fortichaffen, und vor der Hand konnte man nicht? dagegen thun. Morgens zogen endloje Gejchüt- (50 Stüd) und Munitions- folonnen, reichlich mit Material verjehen, meiſtens durch das Dur- lacherthor ab.

Morgens 6 Uhr, ala Schlöffel dem Offizier der Hauptwache be- fohlen hatte, Generalmarjch jchlagen zu laſſen, dieſer fich aber weigerte, diejes ohne jeines Oberſten Befehl zu thun, erſchien Schlöffel auf dem Rathaus, wo der Oberbürgermeifter Malſch mit Gerber und Kölle jich berieten, was zu thun ſei. Nach längerer Beiprechung, während welcher Schlöffel ſowohl dem Oberjten al3 dem Bürgermeifter mit

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ftandrechtlichem Erjchießen drohte, wenn feinem Befehle nicht Folge geleiftet würde, eutſchloß fich der Oberſt Gerber, den Befehl zum Generalmarjch zu geben. Aber, da fich das Gerücht in der Stadt verbreitet hatte, und zwar, wie wir wiſſen, nicht ohne Grund, der Generalmarich ſei auf Schlöffels Verlangen gejchlagen worden, und e3 ſei dabei auf die Entwaffnung der Bürgerwehr abgejehen, jammelte fich diefelbe nur langſam auf dem Schloßplag um ihre Führer. Doch traf die Mannjchaft nach und nach ſammt der Korpsartillerie ein. Dort erſchien auch Schlöffel mit einer Abteilung des dritten Regi— ments, welche ihre Gewehre auf dem Marktplatz zurüdgelaffen hatte, und nun an dem linken Schloßflügel mit dem geraubten Weine aus den umberftehenden Fäſſern regalirt wurde. Um einen, vielleicht fir die Stadt verhängnisvollen Kampf nach Möglichkeit zu vermeiden, wurde zuerjt der Diktator Gögg mit vieler Mühe beftimmt, auf dem Schloßplag zu erjcheinen. Doch entfernte fich derjelbe nach Kurzer Beiprehung- mit den Soldaten, bei welchen er den Kriegskommiſſär nicht vorgefunden hatte, und die Lage der Dinge blieb diejelbe. Ein neuer Verjuch bei dem Präfidenten der Konftituirenden Berfammlung in dem Ständehaus ergab die Gewißheit, dab Schlöffel wirklich die Entwaffnung der Bürgerwehr beabjichtigte. Auf die Erklärung des Adjutanten Kölle, daß die Bürgerwehr gegen eine ſolche Zumutung ſich bis auf den legten Mann verteidigen, und auch das Leben der noch anmejenden Regenten dadurch in große Gefahr kommen werde, begab fich der noch hier meilende Präfident der Konftituirenden Ver— jammlung, Damm, mit einigen andern Abgeordneten nach dem Schloß- plag, wo fie ihren ganzen Einfluß für eine friedliche Erledigung zu- jagten, und nachdem fie fich zu den Führern der gegenüberjtehenden Volkswehren und des Militärs verfügt hatten, von diefen das Ver— iprechen erlangten, fich nicht zu Gewaltjchritten gegen die Bürgerwehr gebrauchen zu lafjen. In diefem Augenblid erſchien Schlöffel wieder auf dem Schloßplag. Ungejäumt eilten Merſy und Gögg, welcher auch wieder erjchienen war, der Stadtlommandant Reininger mit ſechs Dragonern, nebjt Damm auf ihn zu. An dem Karl-fFriedrichsdent- mal fand da3 Zuſammentreffen, und infolge ernten, eindringlichen Bufpruches der jämmtlichen Genannten eine jo entjchiedene Umſtim— mung des ſonſt jo brutalen, gewaltthätigen Oberkriegskommiſſärs ftatt, daß er fofort in böflichfter Weije den Oberſt Gerber um die „Ge wogenheit“ erjuchte, durch die Herrn Offiziere einen Kreis um ihn

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ichließen zu Lafjen, damit er, fo angegriffen, daß er nicht laut fprechen fünne, mit denjelben reden Fünne.

Nach frenndlicher Begrüßung der Offiziere jchilderte er in län— gerer Rede die Gefahr des Vaterlandes und fuhr dann fort: „Meine Herren, ich weiß, daß die Bitte, welche ich an Sie zu ftellen babe, eine ungeheuere ift, ich weiß, daß es für Ehrenmänner, welche ihre Waffen ftet3 mit Ehren getragen haben, nichts Schredlicheres gibt, al3 die Zumutung, dieje Waffen in die Hände Anderer niederzulegen. Aber gerade, weil ich mir bewußt bin, zu Ehrenmännern zu jprechen, bin ich überzeugt, daß Ihnen fein Opfer zu groß ift, wenn es ſich um das Wohl de3 Vaterlandes handelt. Ich ſchwöre Ihnen hier vor Gott, daß ich mie die entferntefte Abficht hatte, irgend eine Gewalt: that gegen Sie zu verüben. Nur als Bittender trete ich unter Sie. Ich beſchwöre Ste, machen Sie Ihren Einfluß geltend bei Ihren Kameraden für die Sache des Vaterlandes.“

„Es fehlt an Gewehren, bejonders an Büchjen. Beſchwören Sie die Wehrmänner, daß jie al3 freie Männer einen Teil ihrer Waffen, die ihnen im Augenblick unnötig find, niederlegen als ein Freiwilliges Dpfer auf den Altar des Baterlandes.“

Darauf bejchloß das Offizierkorps nach kurzer Beratung, ihren Kompagnien die Sache vorzutragen, und jedem Wehrmann zu über- lafien, zu thun, was ihm gutdünfe. Diejer Beſchluß wurde ſofort den Kompagnien und dem Kriegsminifterium (Werner) mitgeteilt, und der Termin zur Ablieferung der Waffen auf dem Rathaus bis auf abends 6 Uhr feitgejegt. Nur wenige republikaniſch gefinnte Wehr: männer lieferten ab, aber auch diefe Waffen kamen nicht im die Hände der Aufftändischen, denn jchon nach 12 Uhr mittags Tieß fich Kanonendonner von Durlady her vernehmen, es ertönte der Auf: die Preußen find vor den Thoren, und nun begann eine allgemeine Flucht, jo dab, als gegen vier Uhr die preußische Vorhut durch das Durlacherthor einrüdte, die legten Trümmer der Revolutionsarmee fih noch in wilder Flucht durch das Ettlingerthor hinausdrängten, und auch Schlöffel und Gögg eiligit davonfuhren. Nach 12 Uhr hatte der Kampf auf der ganzen Linie von Grötzingen bis Rintheim, bejonder3 bei der Durlacher obern Mühle, an der Straße nad) Weingarten begonnen, wo beim Anmarjch auf die Pfinzbrüde und die von Scharfichügen bejegten Häuſer der Pfinzvorftadt die Preußen ziemlich viele Leute verloren. Gegen halb vier war die Stadt ge—

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nommen, und die Verteidiger, auch von den aus dem Pfinzthal an- rüdenden Preußen bedroht, flohen dem Gebirge zu und nach Ettlingen bin. Da die Preußen auch von Rintheim ber die Ullee nach Karls— ruhe bejeßten, jo töteten von dorther kommende Kanonenſchüſſe einige allzu neugierige Ort3einwohner in der Hauptitraße von Durlach).

Die erſte und vierte preußische Division raftete anderthalb Stun— den bei Durlach, während die zweite und dritte, aus dem Pfinzthal angerüdt, ihre Vorhut nach Aue und Wolfartsweier vorjchob.

Mühlburg, wo befonder3 die Pfälzer ftanden, wurde bald von diefen verlaffen. Diejelben zogen mit badijcher Artillerie, Infanterie und Volkswehren in der Richtung nach Raftatt ab.

Die Kavallerie, mit Ausnahme einer Abteilung Dragoner, welche zurüdblieb, um überzugehen, war jchon vorher landaufwärts abmar- Ihirt. Die Abziehenden hatten vorher da3 Zeughaus geleert, Lebens— mittel nach Raftatt, und alles Eijenbahnmaterial mweggebracht, ein Verſuch, Papiere und Gelder aus der Verjorgungsanftalt, ſowie Gold und Silber aus der Münze ebenfall3 wegzunehmen, wurde durch die Bürgerwehr und die rajche Ankunft der Preußen vereitelt. Die Flüchtenden hielten abends unter Elingendem Spiel ihren, für viele von ihnen verhängnisvollen Einzug in die Feſtung Raſtatt.

In Karlsruhe aber z0g unmittelbar nach dem Ende des Kam— pfes bei Durlach die preußische Vorhut ein, und bald nach derjelben der Prinz von Preußen jelbit, an der Spike des Berliner Garde» landwehrregimentes. In jeinem Gefolge befand fich auch zu Wagen der bei Waghäufel verwundete Prinz Friedrich Karl. Der Prinz von Preußen, welcher fich in wahrem Triunpbzug, von dem Jubel des Volkes begrüßt, jofort nach dem Schloß begab, hielt dort eine Parade über die Bürgerwehr ab, wobei unter dem freudigen Hoch und Hurrah! der Vorüberziebenden, manche ftille Thräne des frohen Dankes nicht nur aus dem freudeitrahlenden Auge der Frauen, fon- dern auch über die Wange bärtiger Männer floß. Abends halb acht Uhr rüdte die ganze erjte und vierte Division hier ein, und jchob ihre Vorhut bis Mühlburg vor.

Einen weniger erfreulichen Anblit gewährte das Einbringen zabreicher Gefangener, welche von nun an täglich und jtündlich ein- gebracht, jedoch meistens entlaffen, oder, wen e3 gewöhnliche Soldaten waren, mit Zaufpäffen in ihre Heimat geſchickt wurden.

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Der fernere Verlauf des unglüdlichen Kampfes bis zu feinem traurigen Abſchluß Liegt außerhalb unferer ftädtiichen Geſchichte.

Karlsruhe erhielt eine preußisch-medlenburgifche Beſatzung. Oberft von Brandenftein wurde Stadtlommandant.

Die demofratifchen Blätter, „die Republik“, „die demokratiſche Republik", „der Volksführer“ hörten auch ohne Verbot auf, da Verleger und Redakteure das Weite gejucht, oder fich, wie Eljenhang, nach Raftatt geflüchtet hatten, um dort ihre Thätigkeit fortzufegen. Eine allgemeine Entwaffnung, von welcher nur die Bürgerwehr aus— genommen war, wurde auch bier unter willigem Gehorfam bemerf- ftelligt. Den 30. Juni wurde Gottfried Kinkel als Gefangener bier eingebracht, den 1. Juli kehrte der frühere Redakteur der Karlsruher Zeitung, Giehne, aus Mainz auf feinen biefigen Poſten zurüd. Unter- deffen hatten die Preußen das ganze Land von den Freifcharen gejäubert, Raftatt den 5. Juli eingejchloffen, und den 23. eingenom- men. Das Regierungsblatt vom 13. Auguft enthielt eine Bekannt⸗ machung des Großherzogs von Mainz aus, durch welche fämmtliche Dffiziere und Kriegsbeamte, außer den im Dienft unentbehrlichen, vorerſt in Ruheſtand verjegt wurden.

Endlich, den 18. Auguft, morgens 9 Uhr, konnte der jchwer- geprüfte Großherzog Leopold wieder in fein Land und feine Refidenz zurüdfehren. In Marau wurde er von dem Prinzen von Preußen und den Behörden empfangen. In einem Wagen neben dem Prinzen von Preußen, in dem nächjten Wagen die Großherzogliche Familie, hinter diefem das militärijche Gefolge, eine Schwadron treugebliebener Dragoner voraus, jo erfolgte der Einzug. An dem Mühlburgerthor ftanden die Gewerke mit ihren Fahnen, der Stadtlommandant und die ftädtiichen Behörden. Die Stadt prangte im Schmud von grünen Reifern, Blumen, Teppichen, Bildern, badischen, preußijchen und bie und da auch, wie auf dem Rathaus, deutjchen Fahnen. Auf dem Balkon des Rathaujes ftand die Büjte des Großherzogs, von badischen und preußiichen Farben und Fahnen umgeben.

Alle Gloden läuteten, Kanonenjchüfje donnerten zu dem Einzug durch das Spalier der Truppen, der Bürgerwehr und der Zünfte. Der Weg des Zuges ging zumächjt nach der Stadtlirche, wo ein feierlicher Dankgottesdienft abgehalten wurde, und von da in dag

Schloß.

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Hier gab der Großherzog dem Gefühl feines Dankes gegen den König von Preußen, den Prinzen von Preußen und das preußifche Heer in bewegten Worten Ausdruck, und ſchmückte den Prinzen mit dem Großkreuz des Karl-Friedrichs-Militärverdienſtordens, morauf dieſer dankend erwiderte, er habe den Sieg nur Gott und dem Heere zu danken. Halb 12 Uhr wurde auf dem Schloßplatz eine Parade über 7—8000 Mann abgehalten, welche in folgender Reihe defilirte: die Preußen, die Naffauer, zwei Banner. Bürgerwehr, ein Banner Feuerwehr, die Keßlerſche Feuerwehr, die Schüßen, die Bürgerwehr- artillerie mit 4 Geſchützen.

An dem Tage feines Einzugs erließ der Großherzog eine Pro— Hamation an das Laud. Den 26. Auguft rüdte von Raſtatt her ein Regiment Kürafftiere, zwei Schwadronen Huſaren, ein Bataillon Infanterie und eine Batterie hieher und in die Umgegend ein, den 29. wird eine Gedächtnismedaille gejtiftet, auf der einen Seite mit der Anfchrift: Leopold, Großherzog von Baden dem tapfern Befreiungs- heer, auf der andern mit einem von zwei Palmzweigen umjchlungenen Schwerte.

Den 4. September erichien folgender Erlaß des Großherzog an die Karlsruher Bürgerwehr:

Die Bürgerwehr Meiner Reſidenz Karlsruhe hat während der ganzen Dauer der revolutionären Gewalt, und mährend faft alle übrigen treugefinnten Bürger des Landes von Furcht und Schreden niedergehalten wurden, folche treue Gefinnungen für Mich und Mein Haus an den Tag gelegt, und jelbjt in dem gefährlichjten Moment mit Muth und Hingebung bethätigt, daß Sch Mich gedrungen fühle, diefem Korps eine bleibende Anerkennung dafür zu erteilen.

Sch befehle daher, daß den Fahnen, welche von Meiner Ge- mahlin, der Großherzogin Kgl. Hoheit, als Anerkennung des Ver— haltens im den Februar- und Märztagen 1848, den 4 Bannern der Bürgerwehr Meiner Refidenz Karlsruhe verliehen worden find, alle Ehrenbezeugungen erwieſen werden, welche die Kriegsdienftvorjchriften den Großherzoglichen Fahnen zuerkennen.

Karlsruhe, den 4. September 1849.

Leopold. U. dv. Roggenbach.

Den 25. Sept. wurde die preußische Offupationgarmee in Baden aufgelöst, doch blieben preußiſche Truppen bis Herbjt 1850 im Lande,

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1850 im Juli marfchirten die bad. Truppen nach Preußen ab, von wo fie im November 1850 nach dem Abmarjch der Preußen zurückkehrten. Die fchwere Heimfuchung des Jahres 1849, welche den für fein Land und Volk jo treu und wohlwollend gefinnten Fürſten getroffen, der tiefe Schmerz, welchen ihm das unheilbare Siechtum feines einft jo hoffnungsvollen Erftgeborenen bereitete, hatten nach und nach die rüftige Kraft deffelben gebrochen, jo daß er am 24. April 1852 in einem Alter von 61 Jahren 7 Monaten und 25 Tagen ftarb. Er wurde in ber fürftlichen Gruft der biefigen Stadtkirche beigejeßt.

Aus der Zeit feiner Regierung haben wir noch nachfolgende Einzelheiten beizufügen :

1830, den 9. November, vermählte ſich die Prinzeſſin Luife Karoline Stephanie, die ältefte Tochter des Großherzogs Karl, mit dem Prinzen Guftav Waſa, dem Sohne des aus Schweden vertrie- benen Königs Guſtav IV., wurde aber 1844 wieder von demſelben geichieden, und ftarb den 19. Juli 1854.

1843, den 5. September, fand hier der befannte Haberjche Stra- ßenkrawall ftatt, nachdem vor demjelben drei Menjchenleben im Duell zum Opfer gefallen waren.

Aus der Ehe des Großherzogs mit Sophie von Schweden wurden geboren:

1. Alerandrine Luiſe Amalie Friederike Elifabeth Sophie,

geb. den 6. Dezember 1820, vermählt den 3. Mai 1842 mit Herzog Ernſt II. von Koburg-Gotha.

2. Ludwig Karl Friedrih Leopold, geb. den 26. Dftober, geft. den 16. November 1822, an dem Tag, welcher zu feiner Taufe beitimmt war.

3. Ludwig, Erbgroßherzog, geb. den 15. Augujt 1824, geft. den 22. Januar 1858.

4. Friedrich Wilhelm Ludwig, geb. den 9. September 1826, der jebige Großherzog.

5. Ludwig Wilhelm Auguft, geb. den 18. Dezember 1829, vermählt den 11. Februar 1863 mit Marie Marimiltanowna von Leuchtenberg, geb. den 16. Oktober 1841. Kinder diejer Ehe find Marie, geb. den 26. Juli 1865, und Marimiltan, geb. den 10. Juli 1867.

6. Karl Friedrich Guſtav Wilhelm Marimilian, geb. den 9,

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März 1832, vermählt den 17. Mai 1871 mit Rojalie von Beuft, Gräfin von Rhena, geb. den 10. Juni 1845.

7. Marie Amalie, geb. 20. November 1834, vermählt den 11. September 1858 mit Ernſt, Fürſt von Leiningen.

8. Cäcilie Augufte, geb. den 20. September 1839, vermählt den 28. Auguft 1857 als Olga Feodorowna mit Großfürft Michael von Rußland, geb. den 25. Dftober 1832.

Da der 1832 geborene Prinz Karl der erjte Prinz war, der feinem Water als regierendem Großherzog geboren wurde, jo wurde am 21. April der Hervorgang der Großherzogin bejonders feierlich begangen. Glodengeläute, Feſtgottesdienſt, Glückwunſch einer vom Rathaus abgeſchickten Deputation, Sammlung freiwilliger Gaben für die Armen auf dem Marktplag bei der Pyramide, um 12 Uhr Zug der Einwohner zum Schloß, wo eine Denkmünze überreicht wurde, nachmittags Bolfsbeluftigungen und Volksfeſt auf dem großen Erer- zierpla füllten den feitlichen Tag aus.

Der zweite Sohn Karl Friedrichs, Leopold Bruder, Markgraf Wilhelm Ludwig Auguft, geb. den 8. April 1792, get. den 11. Oktober 1859, welchen wir von früher Jugend al3 tapfern Soldaten und tüchtigen Führer der badischen Truppen in den napoleonijchen Feldzügen von 1809 an kennen gelernt haben, und melcher bis zu feinem Tode der Oberjtlommandirende de3 Heeres war, vermählte ſich den 16. Oktober 1830 mit Elifabeth Alerandrine Konftanze, einer Tochter des Herzogs Ludwig von Würtemberg, geb. den 27. Februar 1802, geft. 5. Dezember 1864. Kinder diefer Ehe waren:

1. Eine Tochter, geb. den 7. Mai 1833, vor der Taufe ge—

jtorben.

2. Sophie Pauline Henriette Marie Amalie Luije, geb. den 7. Auguft 1834, vermählt den 9. November 1858 mit Günther Friedrich Waldemar, Prinz zur Lippe.

3. Pauline Sophie Elifabeth Marie, geb. den 18. Dezem- ber 1835. $ 15 Hat 1891.

4. Zeopoldine Wilhelmine Pauline Amalie Marimiliane, geb. den 22. Februar 1837, vermählt den 24. September 1862 mit Hermann Franz Bernhard, Fürſt von Hohenlohe: Rangenburg.

Die Tochter Karl Friedrichs aus zweiter Ehe, Amalie Chriftine

Karoline, geb. den 26. Januar 1795, vermählte fich den 19, April

(Nach der neueiten Aufnabme einer Photograpbie durch Shuhmann & Sobn Gofphotographen in Karlsrube.)

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1818 mit Karl Egon, Fürft von Fürſtenberg, geb. den 28. Oktober 1796, geft. den 22. Auguſt 1854; die Wittwe ftarb den 14. Sep- tember 1869. -

Der dritte Sohn Karl Friedrich, Leopolds zweiter Bruder, Marzimilian Friedrich Johann Ernſt, geb. den 8. Dezember 1796, Markgraf von Baden, ftarb unvermählt den 6. März 1882 als ba- difcher Generalleutnant und Chef des erften Dragonerregiments.

1852 mußte infolge jchwerer Erkrankung des Großherzogs Leo» pold und der Negierungsunfähigteit des Erbgroßherzogs wegen um- heilbaren körperlichen Leidens ber zweite Sohn Leopold, Prinz Friedrich, den 21. Februar die Stellvertretung des Großherzog übernehmen, und nach Leopold Tode, den 24. April 1852, trat derfelbe unter Zuftimmung des kranken ältern Bruders und der Ag- naten als Prinzregent die Regierung an. Eine der erften Rund» gebungen defjelben war die Verkündigung einer ausgedehnten Amneftie - für die Vergangenheit, ſowie am 10. Oktober die Uebergabe neuge- weihter Fahnen an das Militär.

1856 nahm der Prinzregent mittelft Batent vom 5. September den Titel Großherzog an, und den 22. Januar 1858 ftarb der kranke Erbgroßherzog Ludwig in dem Schlößchen des Erbprinzen- gartend.

Mit dem Negierungsantritt Sr. Königlichen Hoheit de3 jegigen Großherzogs treten wir aus dem Gebiete der Vergangenheit in das der Gegenwart, und damit hört jelbftverftändlich das Recht und die Buläffigkeit eigentlicher hiftorifcher Darftellung auf. Eine jpätere ge- Ichichtliche Behandlung diefes BZeitabjchnittes wird zwar denjelben ala einen der bedeutungsvollften in der Gejchichte Badens und der Refi- denz jelbjt, und den Großherzog Friedrich als einen der hervor- ragendften, edelften und vorzugsweiſe vaterländiich deutjch gefinnten Regenten in der langen Reihe der Fürften des Zähringer Gefchlechtes zu verzeichnen haben, wir aber müffen uns darauf bejchränfen, in durchaus fachlicher Weiſe und chronologischer Reihenfolge nur das mit- zuteilen, was die Familiengeſchichte des Regentenhauſes und die Stadt Karlsruhe ſelbſt betrifft.

Den 30. November 1855 hatte in Koblenz die Verlobung des Prinzregenten mit Luiſe Marie Eliſabeth, geb. den 3. Dezember 1838, Tochter des Königs Wilhelm J. von Preußen, ſtattgefunden, 1856 den 20. September, abends 6 Uhr, erfolgte die Trauung in

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dem Schlofie zu Berlin, den 24. die Abreife von Berlin, und abends 4 Uhr der feierliche Einzug in Karlörube, den 28. die Feſt- und Danfpredigt in den Kirchen, den 29. Feitbälle, den 30. die Ankunft und der feierliche Empfang des Königs Wilhelm von Preußen. 1857 den 4. April wurde das 5Ojährige Stiftungsfeft des von Karl Fried— rich 1807 gegründeten Militärverdienftordens begangen, zu welchem alle Deforirten des Ordens aus alter und neuer Zeit einberufen waren, und unter welchen ſich ein 1790 Zugegangener befand.

1866 nahmen Badens Truppen an dem kurzen Sommterfeldzug gegen Preußen teil, und im Juli 1870 zogen fie mit denjelben und den übrigen deutjchen Truppen gegen Frankreich. Den ruhmvollen Berlauf diejes Krieges haben wir mit erlebt, und feine Siege auch bier gefeiert. Auch an den Sendungen für die Truppen im Felde hat Karlsruhe opferfreudigen, thätigen Anteil genommen, die am 17. Januar 1871 heimfehrenden Grenadiere, ſowie alle übrigen Truppen feitlich ‚empfangen, umd mit freudigen Jubel die Errichtung des deutjchen Reiches begrüßt.

1872 den 17. Januar feierte Karlsruhe weltlich und Kirchlich die Erinnerung an die Schlacht von Belfort. -

Wir verzeichnen ferner 1873 den 24. Juni die Konfirmation des Erbgroßherzogs durch Prälat Holgmann, in demjelben Sabre den Beiuch des Schahs von Perfien mit Parade auf dem Schloß- platz, 1876 den 27.—28. Mai, den Beſuch des Großfürſten Michael von Rußland, und im demjelben Jahre die Erbauung des General: fommandogebäudes durch Voigtel. 1877 den 28.—30. April fand auf Anregung des Stadtrat das Jubelfeft der 25jährigen Re— gierung Großherzog Friedrichs ftatt, den 28. Nennen auf dem Ererzierplag, abends Feitgelänte und Feſttheater, Sonntag, den 29., morgens Feitgeläute, 101 Kanonenſchüſſe, Choralmufif vom Kirch: turm, QTagreveille, Fejtgottesdienft, Parade, nachmittag Muſik im Sallenwäldchen und Tiergarten, abends Feſtſpiel im Theater, tim Stadtgarten Banket in Gegenwart des Großherzogs und des Kaiſers, Beleuchtung des Rathauſes und der Karl-Friedrichitraße bis zur Feſthalle, Montag, den 30., nachmittags Muſik im Stadtgarten, abends Feſtoper, Kommers der Volgtechniter in der Feſthalle mit dramatischen Darftellungen und lebenden Bildern, Mufit auf dem Marktplatz. Siche Karlsruher Nachrichten 1877 Nr. 47 fi.

1877 den 2. September Sedanfeier, Enthüllung des von, Volz

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in weißem Marmor ausgeführten Kriegerdentmals, 1877 im September großes Manöver bei Rajtatt, den 16. feierlicher Empfang de3. Kaiſers.

Der 20. September 1881 wurde für die Großherzogliche Fa— milie, und für Stadt und Land ein dreifaches Freudenfeſt, das Ju— beffeft der 2öjährigen Negierung des Großherzogs, jeit der Annahme des Titel3 Großherzog, das Feſt der filbernen Hochzeit des Groß— berzoglichen Paares, und das Feſt der Vermählung der einzigen Tochter des Großherzoglichen Haujes, der Prinzeſſin Sophie Marie Viktoria, geb. 7. Auguft 1862, mit dem Kronprinzen Oskar Gu— ftav Adolf von Schweden. Den 20., vormittags 9 Uhr, Gottesdienst in der Schloßfirche, abends 4", Uhr, bürgerliche Trauung durch den Staatsminijter, 5 Uhr firchliche Trauung durch den Prälaten. Aus— wärtige Feſtteilnehmer waren der Kaiſer, der Kronprinz des deutichen Reiches mit Gemahlin, der König und die Königin von Schweden, die Prinzen Oskar, Karl und Eugen von Schweden.

. Die übrige Feier war ähnlich wie die des 28. April 1877.

Das Jahr 1881—82 brachte Tage des Kummers und banger Sorge über HFürftenhaus und Land. Am 2. November, bald nach den Tagen der Freude, wurde der Großherzog von jchmwerer Krankheit ergriffen und genötigt, den 10. November die Zügel der Regierung in die Hände feines Sohnes, des Erbgroßherzogs, zu legen. Erſt am 15. Oftober 1882 fonnte er diejelben wieder in eigene Hand nehmen, und fehrte den 17., abends 8 Uhr, mit freudig dankerfülltem Jubel feftlich empfangen, hieher zurüd. Den 21. brachten die Polytechniker dem Wiedergenejenen einen jolennen Fackelzug und veranftalteten in ber Feſthalle einen großen Kommers, an welchem der Erbgroßherzog an ſeines Vaters Stelle teilnahm, und dabei einen feierlichen Sala- mander fommandirte.

1883 ließ die Stadt in dem Natsjaale eine eherne Gedenktafel anbringen für die von dem Großherzog und der Großherzogin der Stadt gejchentte Gedächtnismedaille zur filbernen Hochzeit des Für- jtenpaare3.

Große Freude brachte im ganzen Lande die am 26. Septem- ber 1884 in Wien erfolgte Verlobung des Erbgroßherzogs Friedrich mit der am 5. November 1864 geborenen Prinzeſſin Hilda, einer Tochter des Herzogs Adolf von Naffau.

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In Karlöruhe wurde die frohe Kunde am 27. mit feftlicher Beflaggung der Stadt gefeiert. Bei feiner Rückkehr am 9. Mai offi- zielle Begrüßung des Erbgroßherzogs, und abends Fadelzug und Feſt— fommers der PVolytechniker in der Feſthalle. Den 20. September 1885 erfolgte die Trauung des jungen Paares in Schloß Hohenburg bei Lenggries in Oberbaiern.

Großartig war der den Neuvermählten bei ihrem Einzug in die Refidenz am 26. September bereitete Empfang, und die daran ge- knüpften Feftlichkeiten, welche vier Tage dauerten.

Doch auch bier jollten auf die Tage der höchſten Freude Tage des Kummers und der Sorge folgen.

Nach vorübergehenden Aufenthalt in Baden und auf der Mainau hatte das junge Paar den 5. Dezember feine neue Nefidenz in Frei— burg bezogen.

Schon im Anfang des Monat? März 1886 aber wurde der junge Erbgroßberzog von einer Gelenkkrankheit befallen, welche ihn, trog unverdrofjener Pflege feiner Mutter, der Großherzogin, und jeiner jungen Gemahlin, Monate lang an das Kranfenlager und Krankenzimmer in dem hieſigen Schloffe fefjelte, bis derjelbe jo weit bergejtellt war, daß er den Winter 1886—87 in Cannes im jüd- lichen Frankreich vollftändige Wiedergenefung juchen konnte.

In den infolge der Gründung des deutjchen Reiches zufammen- gerufenen deutjchen Reichstag wählte Stadt und Amt Karlsruhe mit Bruchjal 1868 den Freiherrn Aug. Fr. Göler von Ravensburg, fonfervativ, 1871—74 den Prinzen Wilhelm von Baden, deutjche Reichspartei, 1877 den Geheimrat Eijenlohr, national-liberal, deſſen Wahl für ungiltig erklärt wurde, jo daß im zweiten Wahlgang Söler wieder gewählt wurde. 1881—-84 wurde der Wahlkreis durch Bankier Schneider von Karlsruhe, 1884—87 durch Medizinalrat Ürnsperger, und ift feit 1887 dusch Oberjtaatsanmwalt Fieſer ver- treten, welche letztern drei der national-liberalen Partei angehören.

Das Militär An der Spige des Militärweſens jtand das Kriegsfollegium, in welchem der Kurprinz und Prinz Ludwig ala Mitglieder, beziehungsweiſe als Präfidenten ſaßen.

Die 1803 errichteten Jäger trugen grüne Tuchröde mit ſchwar— zen Krägen und Aufjchlägen und graue Hofen, jeit 1806 Schuhe mit

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ſchwarzen Gamajchen, ein Faſchinenmeſſer ala Seitengewehr und eine Büchfe, die Dffiziere gerade Degen.

1804 erhielt erſtmals jede Kompagnie der Linie auf 90 Mann 10—20 Maun Scharfihügen, und es murde ftatt der pfälzifchen Chevauglegersfompagnie ein Dragonerregiment gebildet. Den 4. Au— guft 1804 wird ein Artilleriebataillon zu zwei Kompagnien, im Gan- zen 275 Mann tar, aufgeftellt und im Mai 1805 mit Geichüßen ausgerüftet.

Bon 1804 an hörte die Werbung mit Handgeld auf, es wurde den 23. März die Zwangsaushebung nach dem, nach franzöfiichem Mufter eingerichteten Kantonsreglement angeordnet, aber erſt nad 4 Jahren, den 15. März 1808, die eigentliche Konfcription einge- führt. Nach dem Kantonsreglement waren die Jahre 16—25 dienft- pflichtig, die Infanterie hatte 8, Kavallerie, Jäger und Scharfichügen 10, Artillerie 12 Dienſtjahre. Bis 1805 hatten die Hufaren noch regelmäßig den Sicherheitsdienft im Lande, von da an nur noch auf beiondere Requifition der Aemter.

1804 war der Militärbeftand folgender: Das Grenadierbataillon von Stetten in Karlsruhe, das Leibinfanterieregiment Bataillon 1 und 2 in Karlörube, das Regiment Kurprinz Bataillon 1 und 2 in Mannheim, das Regiment Markgraf Ludwig Bataillon 1 in Durlach, 2 in Raftatt, das Wrtilleriebataillon in Karlsruhe, das Jägerbataillon in Bruchfal und Offenburg, die Garde du Corps in Karlsruhe, das leichte Dragonerregiment in Heidelberg und Schmweßingen, die Hufaren in Karlsruhe und Raftatt, das Garnifonsregiment Lindheim Batail- fon 1 in Schweßingen, Dielöberg, Pforzheim und Raftatt, Bataillon 2 in Emmendingen, Lörrach und Meersburg, die Invaliden in Raftatt u. a. D. im Land.

Aus dem Regiment Lindheim als Stamm wurden aber 1804 4 Garnifonsbataillone zu 4 Rompagnien von je 113 Mann gebildet. Dieſe ftanden unter ältern Offizieren, deren Namen fie führten, und melche zugleich Rekrutirungsoffiziere des Bezirkes waren, doch waren von der Mannichaft nur je 5 Mann in ftändigem Dienfte. Die Uebrigen wurden alle 14 Tage zu Uebungen in ihren Bezirksftädten Ettlingen, Offenburg, Freiburg und Mannheim einberufen. 1808 wurden jedoch dieje Truppen in Depotbataillone umgewandelt, oder den Feldregimentern einverleibt.

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1806 erhalten die Unteroffiziere ftatt der Spontond Gewehre, und die Dffiziere verloren ihre jpanischen Rohre, die Mannichaft bekam für den Krieg Mäntel (1807 auch im Frieden), die Zöpfe wurden abgethan, bei den Offizieren der Titus, und bei der Mannſchaft rundum abgejchnittenes Haar eingeführt. Die Jäger befamen gezogene Gewehre, die 20 Mann Scharfihügen Stugen mit Haubajonetten, die Grenadiere 1808 Bärenmützen mit weißem Federbuſch, außer Dienjt weiße Tuchmügen, die Offiziere behielten ihre Schiffhüte von Filz, mit Silberborten und weiß-rot-gelbem Federbuſch (1807 nur rot), Säbel und Patrontajche wurden nicht mehr am Gürtel, jondern am Achjelbandelier, die Tornijter, jtatt der Tajche an der Seite, auf dem Rüden getragen.

Die ganze Einrichtung wurde vielfach dem franzöfiichen Mujter nachgebildet, einfacher und zweddienlicher, jo namentlich auch die Einteilung der Bataillone ın 4 jtatt 6 Kompagnien.

Die Garde du Corps trug einen Rod von weißem Tuch und weiße Lederhojen, Filzhüte und hohe Reiterjtiefel, die Dragoner bell- blaue Röde, gelbe Unterwejte, weißlederne Hojen und Steifitiefel, jowie den Helm mit weißem Roßhaarbuſch, die Offiziere Filzhüte mit weißem Buſch.

Zur Zeit der Befreiungskriege 1813—15 erhielt Uniform und Kopfbedekung Zufchnitt und Form nach rufftich-preußiichem Vorbild, 1821 und 1834 wurde mehrfach daran geändert, bis 1849 rad, Tſchako und Helm durch den preußischen Waffenrock und Spighelm verdrängt wurden.

1812 zählt Baden 60 Kompagnien Infanterie, 10 Schwadronen Kavallerie und 4 Kompagnien Artillerie mit Train. 1813 tritt an die Stelle de3 in Rußland zu Grunde gegangenen Hujarenregiments das 2. Dragonerregiment. 1814 mwurde die Invalidenfompagnie von Raftatt nach Ettlingen, 1815 nach Heidelberg, 1818 nach Karlsruhe und 1819 nach Kißlau verlegt.

1818 wurde das orchheimer Feld ala Uebungslager für die Artillerie bejtimmt.

1841 bat Baden 5 Infanterieregimenter, 3 Dragonerregimenter, eine Artilleriebrigade und das Invalidenkorps in Kißlau.

Troß der durch die fteigenden Kriegsleiſtungen notwendig ge- wordenen Vermehrung des Heeres waren die Räume zur Unter-

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bringung defjelben nicht vermehrt nod) vergrößert worden. Die jeweils einberufenen Kreisfontingentstruppen, welche fich oft wochenlang bier aufbielten, wurden ohnedies den Bürgern in Quartier gegeben, aber auch die ftändige Infanterietruppe wurde im Anfang des Jahrhun— dertS noch meijtens gegen Zahlung de3 Quartierkreuzers aus der Kriegskaſſe bei Bürgern einquartiert, während vielfach die verheirate- ten Unteroffiziere ihre eigenen Privatquartiere im Dörfle hatten. Die Stadtquartiere waren aber, da viele Einwohner davon befreit waren, oft jo bejchräntt und jo jchlecht, daß die Soldaten eng zujam- mengepfercht und unter dem Dach lagen.

Neue Räume für diejelben zu gewinnen, lag daher im Intereſſe der Stadt jo jehr wie der Regierung. Als nun die lehtere 1804 zum Bau einer Infanteriefajerne Lint3 vor dem Mühlburgerthor 18 Morgen Feld und Gärten für 2000 fl. angefauft hatte, welche halb in bar, halb durch Taujch bezahlt wurden, erbot fich die Stadt in der Vorausficht und Abficht, ſich dadurch ihrer Quartierlaft zu ent- ledigen, 30000 fl. ald Beitrag zum Bau zu leiften, und zwar die Hälfte jofort bar, den Reit am Schlufje des Baues. Zugleich machte fich diefelbe auch noch anheiſchig, falls unterdeflen bi3 1200 Mann Einquartierung hieher fämen, jährlich 2700—3000 fl. für deren Naturalquartiere zu zahlen, woran aber auch das Land beizuftenern hätte. So fam der Vertrag zu Stande. Schon 1804 wurde der Bau des nördlichen Teiles begonnen. Die Stadt bezahlte vermittelft einer Kapitalaufnahme ihre erjten 15000 fl., und begann 1808 mit dem Einzug der zweiten Hälfte, welche durch Repartition unter den Bür« gern erhoben wurde. So bezug 1808 der Ratsherr Piton für den Einzug 220 fl., 1813 wurden als Beiträge neuer Bürger 513 ft., und durch Repartition von den übrigen Bürgern 2739 fl. erhoben. 1813 war der nördliche Hauptbau mit den beiden Seitenflügeln fertig. 1824 wurde am 24. Mai der Grundjtein zu dem jüdlichen Teil ge— legt, jo dab 1825 auch dieje Seite bezogen werden konnte. Das Ganze war für 2000 Dann berechnet.

Bei der Eröffnung bielt auch Oberbürgermeifter Dollmätich namens der mitbauenden Stadt eine Rede.

1803 wurde die Kavalleriefaferne bei dem Durlachertbor und das Wulverhaus vor dem Rüppurrerthor erbaut, letzteres aber jo ſchlecht, daß jchon 1806 ein neues dort erbaut werden mußte.

Seit 1810 wurde das Militärjtodhaus an dem Lintenheimerthor

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vorübergehend auch al3 Givilgefängnis benugt, weßhalb der dort woh- nende Plagmajor Kagerer feine Wohnung räumen mußte, 1811 wird die Milttärwaichanftalt und Militärbleiche an der Rüppurrerſtraße errichtet, umd im demjelben Jahre wurden verjchiedene Pläne für befiere Kaſernirung der Artillerie entworfen, welche, wie wir willen, damals an der Ede der Kreuz- und Spitalftraße untergebracht war, während die Geſchütze auf dem berrichaftlichen Holzplatz, dem jebigen botanischen Garten, und die Pferde, ſoweit ſolche vorhanden waren, an andern Orten ftanden. Gewöhnlich zogen die Kanoniere ihre Ge- ichüge zu den Uebungen jelbjt hinaus.

In dem gleichen Jahre 1811 kaufte die Regierung von dem Hofbuchdruder Müller das von ihm erbaute Haus, Ede der Adler- ftraße und des Zirkel! Nr. 10 für 29114 fl. und beftimmte das— jelbe zum Gouvernementshaus.

1814—16 wird das Pulvermagazin und Wachthaus zwiſchen Bulach und Grünwinkel an der „dürren Haide“ erbaut, und dasjenige vor dem Rüppurrerthor zu einem Materialmagazin beftimmt.

1817 ſteht die Militärfchule unter dem Oeneralmajor von Stolze, einem Hannoveraner, hat 30—40 BZöglinge und 3 Lehrer, für militärijche Fächer, deutjch und franzöftich, und befindet fich in dem jegigen Haufe Nr. 19 der Amalienjtraße, wird aber, nachdem durch Arnold 1820 das Kadetenhaus erbaut worden, dorthin verlegt, mo num Großherzog Ludwig, anftatt der bisherigen Meilitärjchule, die neue Militärbildungsanftalt, die Kadetenjchule einrichtete, an deren Front die Inschrift fteht: „Won Großherzog Ludwig Wilhelm Auguft den Künften des Krieges zur Vertheidigung des Vaterlandes, den Künjten de3 Friedens, die den Krieger zieren.“

1818 wird Gottsau Artilleriefaferne, 1822 befindet fich die Kriegskanzlei in Nr. 22 des Schloßplatzes, 1823 wird neben der Garde du Korps-Kaſerne beim Durlacherthor ein neue Reithaus gebaut. In das Jahr 1826 fällt die Erbauung der Geſchützgießerei und der Beughauswerkftätte durch Arnold recht? vor dem Durlacher— thor, 1843 diejenige der vordern Front der Dragonerkaſerne, 1844 bis 1845 wird das Militärkranfenhaus in dem Promenadewäldchen ebenfall3 durch Arnold, 1866 die Militärbäderei ebendajelbjt durch Hochitetter, und 1869 die neue Artilleriefajerne in Gottsau gebaut. 1874, 27. Sept. hält der bad. Sriegerverein, und 1876, 16. Juli

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der nun gegründete badiſche Militärverein hier das Feſt feiner Fah— nenmeibe.

Der rühmliche Anteil der badijchen Truppen an dem franzöſiſchen Feldzug 1870—71 ift bekannt, und die Tage von Etival, Nuits, Belfort u. a. werden für alle Zeit ehrenvolle Gedenkblätter in der badischen Militärgefchichte bleiben.

2, Bofftellen, Staatsbehörden.

Mit dem Zuwachs an Land und Leuten von 1801 an wurde eine neue erweiterte Organijation der Landeseinteilung, ſowie der Staatsbehörden notwendig. 1803 wurde das Land in drei Provinzen, Markgrafichaft, Pfalz und Bodenjee mit je einem Provinzialfollegium für Verwaltung und Rechtspflege in Karlsruhe, Mannheim und Meersburg, und einem Provinzialblatt für jede Provinz eingeteilt.

Oberſte Staatsbehörde blieb, mie bisher, in Karlsruhe der Geheimrat unter dem Vorſitz des Fürſten jelbjt mit drei Miniftern, fünf adeligen, acht bürgerlichen Geheimräten und fünf Geheimreferen- dären als Mitgliedern.

Unter dem Geheimrat jtand der Staatsrat für allgemeine und auswärtige Staatsjachen, für fürftlihe Haus» und Yamilien- lachen, für Poſt und Archiv, der Hofrat, aucd Regierungsrat genannt, für gerichtliche und Berwaltungsangelegenheiten, und die Rentkammer, auch Finanzrat genannt, für das Rechnungsweſen.

Der Hofrat hatte einen PBräfidenten, 2 Direktoren, 11 juriftijche und 10 finanzverftändige Räte in zwei Sektionen, einer jtaatsrecht- (ichen und ftaatswirtichaftlichen. Dem Hofrat unterjtellte Mitteljtellen waren das Dberhofgericht in Bruchjal und die Hofgerichte, der evang. Kicchenrat in Karlsruhe, der reformirte in Heidelberg, die kathol. Kirchenkommiſſion in Bruchjal, die Sanitätsfommiffion, die Forftz, Waſſer- und Straßenbau>, Arbeitshaus- und Wittwenkaſſenkommiſſion.

1806, 26. Aug., wurde die bis dahin bejtehende Scheidung einer adeligen und gelehrten Bank in den höchſten Kollegien aufgehoben.

Der Anfall des Breisgaues und der Ortenau 1805 veranlaßte

eine neue Qandeseinteilung. 26 *

= A

1807 wurde baffelbe in die drei Provinzen des Dber-, Mittel» und linterrbeinkreijes eingeteilt, deren jede eine NKreiäregierung in Hreiburg, Karlarube und Mannheim, und ein Hofgericht in Freiburg. Raftatt und Mannheim mit dem Oberhofgericht in Bruchſal erhielt.

Die vier dem Geheimrate unterftellten Departemente biegen da3 Staats-, Juſtiz-, Bolizei- und Finanzdeparte- ment. Als Speziallommititon erjcheint bier erſtmals die General— ftudienlommijjion für Wifjenjchaft, Unterricht und Künite.

Aber jchen das Jahr 1808 brachte neue Umgejtaltungen. Es wurde zum eritenmale die offizielle Benennung Minifterium ein- geführt, und ein Kabinetäminifterrum, ein Staatsrat, ein Juſtiz- und Finanzminifterium, ein Minijterinm des Innern, des Auswärtigen und des Krieges errichtet. Dem Minifterium de3 Innern wurden u. U. der Kirchenrat, die Generalſtudienkommiſſion, jowie die Staatsanitalten untergeordnet, und das Oberhofgericht von Bruchjal nah Mannheim verlegt.

1809, 26. Nov., wurden aus den drei Landesprovinzen nach dem Mufter der franzöjtichen Präfekturen, zehn Kreiſe gebildet und nah den Flüſſen benannt. An der Spige des Kreiſes jtand eim Kreisdireltor mit einem Kollegium von Kreisräten. Karlärube gehörte zu dem Pfinz- und Enzkreiſe, deſſen Sig in Durlach war.

In demjelben Jabre, 1809, wurde unter Aufbebung de3 Staat3- rates, der Geheimrat zum Geheimen Kabinet umgewandelt, und aus der Mitte der fünf Miniiterien wurde an der Stelle des Staatörates die jog. Minifteriallonferenz unter dem Vorſitz de3 Fürſten gebildet, welche aber jchon 1811 wieder einging. Das Minifterium de3 Innern erhielt fünf Abteilungen, für Landesbobeits- ſachen, Landesötonomie, Landespolizei, evangeliihe und katboliſche Kirchenſachen, das Finanzminiſterium zerfiel in die jtaatswirtichaft- liche, Steuer- und Kaſſenſektion.

1814 war inzwijchen an Stelle der Minjterialfonferenz wieder der Staatsrat getreten.

So batte 1816 daS Geheime Kabinet drei Staatöräte und drei Geheimräte, der Staat3rat vier Staatsminiſter, umd ſechs weitere Mitglieder, das Minifterium des Auswärtigen außer dem Präfidenten 8 Räte, 8 Subalterne, da3 Minifterium des Innern 7 Räte, 18 Subalterne und 18 Reviſoren, das der Juftiz 7 Näte und 7 Subalterne, der Finanzen 16 und 21, die evangeliiche Kirchen-

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jetion 8 und 5, die katholische 7 und 7, das Archiv 3 und 6, die Sanitätsfommiffton 7 und 1, die Oberforfttommijfion 3 und 8, die Kriegsdeputation, welche nichtmilitäriiche Gejchäfte der Militärver« waltung bejorgte, 4 Räte.

1819, 15. April, wurde das Juftizminifterium aufgehoben, und feine Gejchäfte teil® dem Staatsminifterium, teil3 dem Minifterium de3 Innern zugewiejen, 1822 aber wieder ein jog. Oberſtes Juftizdepartement errichtet, und dieſem 1825 wieder der Namen Juſtizminiſterium beigelegt.

1824, 22. Januar, wurden die Domänentammer und Domänen- direftion, und die Direktion der Salinen, Hütten und Bergwerke geichaffen, 1832 die zehn Kreisdirektionen aufgehoben, und wieder vier jolche eingejeßt, in demjelben Jahre die Oberforjtdireftion mit der Salinen-, Hütten» und Bergmwerksdireftion unter dem Namen Direktion der Forſten und Bergmwerfe vereinigt, 1832, den 11. Oktober, die Oberrechnungsfanımer als jelbjtändige, unmittel= bare Staatsbehörde errichtet. Das Jahr 1834 bringt die Forft- polizeidireftion neben der Forſtdomänen- und Bergwertsdirel- tion, der 21. April 1836 den Dberjtudienrat als eine von der bisherigen kirchlichen Schulaufjichtsbehörde getrennte Mittelftelle, und in dem gleichen Jahre, nach dem Anjchluß an den Zollverein, wurde die Zolldirektion errichtet.

Im Unfang der 40er Jahre war die oberjte Staatsverwaltung folgendermaßen zujammengejeßt, und deren jämmtliche Mitglieder hatten ihren Sitz in Karlsruhe.

1. Da3 Geheime Kabinett im Schloffe jelbft mit einem

Direktor, Sekretär und Regiftrator,

2. da3 Staatäminifterium mit dem Präfidenten, fünf Minifterialvorjtänden und einem Staatsrat,

3. da3 Minifterium des Auswärtigen und des Groß- berzoglichen Hauſes mit einem Staatsminifter und drei Näten. Demjelben zugehörig waren Poſt (Eijenbahn) und Theater,

4. das Miniſterium der Juftiz und der Lehenhof mit

einem Präſidenten und vier Näten, . da3 Minifterium des Innern mit einem Präfidenten und jieben Näten. Unter diejen jtanden der Oberkirchenrat,

tr

2.0:

bie Forſt-⸗, Sanitäts- und Waſſer- und Strafenbaudirektion, die Gendarmerie, das Laudesgeftüt, die vier Kreisregierungen und 79 Wenıter,

6. da3 Finanzmimifterium mit einem Direktor und vier Räten, und den untergeordneten Mittelftellen,

7. da3 Kriegsminifterium mit einem Minifter und feinen Räten in drei Sectionen, für das militärische, vechtsgelehrte und ökonomische Gebiet,

8. die Oberrehnungstammer mit einem WPräfidenten, vier Räten und neun Revijoren,

9. die Sejeggebungstommisfion mit dem Juftizminifter und 10 Mitgliedern.

Zu dem Großberzoglichen höhern Hofftaat gehörte um 1840 ein Großhofmeifter, Oberftlammerherr, Oberfammerjunter, 75 Kam— merheren, 12 Kammerjunter, 7 Hofjunter, 1 Oberhofmarjchall, Hof- marjchall, Oberjchent, Reiſemarſchall, Oberftallmeifter, 2 adelige Stallmeifter, ein Oberzeremonienmeifter, zwei Zeremonienmeiſter, ein Dberjägermeifter, Hofoberjägermeifter, Zandoberjägermeijter, Hofober— forjtmeifter, endlich der Hofmufil- und Theaterintendant.

1807 wurde mit dem damaligen Militärchef, dem Prinzen Ludwig, vereinbart, daß die Polizeidirektion aus dem Stadtlomman- danten, dem Platzmajor, einem Regierungsrat und einem Direktor beitehen jollte, und daher beftand diejelbe 1808 aus dem Gouverneur v. Cloßmann, dem Platzmajor v. Ed, dem Amtmann Hofrat Eijen- lohr und dem Stadtdireftor von Benzel-Sternau ald Direktor, 1811 aber wurde wieder eine ganz von dem Stadtamte getrennte Polizei behörde errichtet, und Kreisrat Bauer von Eifenegg von Freiburg zu deren Direktor berufen.

Zum Gejchäftskreife der Polizei gehörte der Nahrungsitand der Armen, Almofenwejen, Bettel, Gejundheitspflege in Verbindung mit dem Stadtphyfitus, Lebensmittelpolizei, Maß und Gewicht, Wirts-, Kaffee» und Bierhäufer, Tänze, Fremdenverkehr, Paßweſen, Reinlich- feit und Beleuchtung der Stadt, Gefinde-, Feuerordnung, Hundepolizei, Gewerbe, Zunftweien, Meifterannahmen, Polizeiitrafen über die Zi— vilbevölterung, Bevölferungsliften, Auslieferung von Verbrechern, Zenſur aller Zeitjchriften, außer dem Negierungsblatt, dem Anzeige—

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blatt und der Staatszeitung, Polizeigefängniſſe, Unglücksfälle, Kon— trole des Bauweſens und dergl.

Der Direktor erſtattete ſeine Berichte direkt oder durch das Mi— niſterium des Innern an den Großherzog. Die Beſoldung der Polizei floß teils aus der Staatskaſſe, teils aus Beiträgen der Stadt Karls— ruhe, ſowie der Aemter Durlach und Ettlingen.

1813 wurde L. v. Haynau, ein natürlicher Sohn des Kurfürſten von Heſſen-Kaſſel, Polizeidirektor, 1815 aber, nach heimlicher Eut— weichung vor ſeinen Gläubigern, aus dem badiſchen Staatsdienſte entlaſſen.

Derſelbe hatte 3000 fl. fixen Gehalt und vier Pferdefouragen bezogen, und freie Dienſtwohnung in dem Kommandantenhaus gehabt, und war vorher Geſandter in Stuttgart geweſen, aber wegen Unver— träglichkeit und „Grobheit“ hieher als Polizeidirektor (!!) verſetzt worden.

Die Polizeidirektion wurde nach Haynaus Entfernung, 1815, aufgehoben, und deren Geſchäfte abermals dem Stadtamt übertragen, welches dieſelben unter der Aufſicht der Oberbeamten und der Ober- aufſicht des Miniſteriums durch einen Polizeiamtmann verwaltete. Die Stadt bildete zwei durch die lange Straße getrennte Polizeibe— zirke. Von da an blieb die Polizei bei dem Stadtamt, bis dieſelbe unter dem 20. Auguſt 1832, nachdem ſchon vorher einzelne Befug— niſſe derſelben an die ſtädtiſche Behörde übergegangen waren, als eine von dem Amt ganz getrennte, für ſich beſtehende Behörde als Po— lizeiamt errichtet wurde, in welchem Jahre auch die Gendarmerie organiſirt ward.

Das Stadtamt, von welchem 1809 durch die nene Organiſation das Landamt abgetrennt wurde, beſtand aus einem Oberbeamten, je nach Rang und Dienſtalter mit dem Titel Oberamtmann, Regie— ruugsrat, Obervogt, Stadtdirektor, in allerneueſter Zeit Geheimregie— rungsrat, einem Amtmann und einem Aſſeſſor.

Stadtamts-Vorſtände waren, nachdem 1788—1809 Fr. W. Preuſchen, jeit 1804 mit dem Titel „Obervogt” das Amt ver- waltet hatte, 1809-13 Graf v. Benzel-Sternau, Ubervogt und Polzeidirektor, 1813—1819 Franz Betz, 1814 Obervogt Häfelin, Bolizeramtmanın 1819—1824 Io. v. Sensburg, Stadt: und Wolizeidiveftor, 1824—1839 8. Baumgärtuer,

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Stadtdireltor, 1839—1853 K. U. Fr. Stößer, Stadtdireltor, 1853—1874 K. v. Neubronn, Stadtdireftor, 1874 bis jest Fr. v. Breen, Stadtdireftor, 1887 mit dem Titel Geheimregierungärat.

Das Landamt verwaltete jeit 1810 Chriſtof Jat. Eijen- bohr, welcher 1807—1809 Stadtamtsverwejer für den erkrankten Preufchen geweſen war, und hatte, wie alle jeine Nachfolger, jeinen Amts- und Wohnſitz in Karlsrube, in dem Haufe Adlerjtraße Nr. 25. 1864 wurden bei der Trennung von Verwaltung und Zuftiz, Stadt: und Landamt, jowie Stadt: und Landamtsgericht vereinigt, und der Landamtsbezirk jeweil3 einem Beamten der ftädtiichen Bezirksbehörde zugeteilt.

Das Münzmwejen fand durch den Anfall von Baden-Baden jeine einfache Erledigung. Die Münze blieb vorerjt in Durlach, 1807 aber wurde diejelbe teilweije mit der Mannheimer Münzjtätte vereinigt, und 1811 ftarb der langjährige Durlacher Münzmeifter Steinhäufer. 1826 wurde in Karlsruhe die neue Münze für das Großherzogtum gebaut, und 2. Kachel erjter Münzwardein.

Als Kurs: und Denktmünzen wurden unter Karl Wilhelm und jeinem Nachfolger Karl-Friedrich bis 1811 in der Durlacher Münze geprägt: Guldenjtüde zu 15 Batzen, 30, 20, 12, 10, 9, 6, 2,1 Kreuzerjtüde, Zweipfennigjtüde, 1720 und 1726 eine Silberne Me- daille auf die Sulzburger Silberbergwerfe, 1721 Rheingolddukaten und andere Goldinünzen, 1746 eine Dentmünze auf Karl Friedrichs Rückkehr von Reifen. 1751 eine jolche von 24 und 12 Dufaten Gold- werth auf feine Vermählung, 1755 und 1756 Denkmünzen auf die Geburt der beiden Prinzen Karl Ludwig und Friedrich, jede von dem Wert und der Größe eines Guldens, 1756 eine Gedächtnismünze auf da3 Reformationsjubiläum von Wert und Größe eines Guldens, fil- berne Preismüngen für Studirende im Wert von 20 und 30 Kreuzern, 1763 halbe und ganze Konventionstbaler, 1765, 1767, 1768, Rhein— golddufaten, jowie die jilbernen und kupfernen Scheidemünzen von Sechsbatzen-, Dreibagenjtüden, Sechjern, Grojchen, Kreuzern, Pfeu— nigen und Hellern, 1815 eine Denkmünze auf die vor 100 Jahren erfolgte Gründung von Karlsruhe.

In dem großen Kanzleigebäude, Schlopplag 19, befanden jich zu Anfang unjerer Periode und noch 1832 das Staatsininifterium, das Yuftizminifterium, dag Miniſterium des Innern, die Steuerdiref: tion, die Amortijationstafje, die evangeliche Kirchenſektion, die katho—

liſche Kirchenſektion, die Sanitätskommiſſion, vorher Adlerſtraße 20, der Verwaltungsrat der Generalwittwenkaſſe, die Landesgeſtütskom— miſſion, das Zenſurkollegium, ſpäter auch die Oberrechnungskammer, der Oberſtudienrat, die Oberſchulkonferenz, die Forſtpolizeidirektion, vorher als Oberforſtdirektion in dem Haufe Nr. 1 der Lammſtraße, dem jetzigen Prinz Karl. Schloßplatz Nr. 10 war das Finanzmini— jterium, und Nr. 22 die Gheimratsfanzlei und das Kriegäminifterium, Erbprinzenftraße Nr. 19 das Minifterium des Auswärtigen, Schloß: plag Nr. 24 die Generalftaatskaffe, Zirkel Nr. 12 die Baudirektion.

In dem Rathaus befand fih das Stadtamt und Stadtamts- reviforat und die Polizeidirektion, vorher Kreuzitraße Nr. 11, und bis 1833 auch die Hofdomänentammer, Adlerftraße Nr. 25 das Land» amt, Herrenſtraße Nr. 50 das Landamtsreviforat, Nr. 8 der Herren- jtraße die Taubjtummenanftalt, Karl-Friedrichitraße Nr. 14 die Do- mänenverwaltung, Kronenſtraße Nr. 38 die Forftverwaltung, Zirkel Nr. 8 der landwirtichaftliche Verein, Zirkel Nr. 10 das Gouverne- ment3haus, vorher Stadtfommandantur, jetzt Kreuzitraße Nr. 11, lange Straße Nr. 14 die Obereinnehmerei, Spitaljtraße Nr. 48 das Lehrerjeminar, Linfenheimerjtraße Nr.- 7 die Wafler- und Straßen: baudireftion, Kreuzitraße Nr. 14 die Briefpoft, Nr. 15 die Poſt— wagenerpedition, Zähringerftraße Nr. 18 die Poſthalterei, Adlerjtraße Nr. 18 die Oberpoftdireftion.

Bon Männern, welche bis in die Hälfte unjeres Jahrhunderts eine hervorragende Stellung in dem Staat und der Stadt einnahmen, nennen wir folgende:

Fr. 2. v. Adelsheim, Landoberjägermeifter, geb. 1752, geit. 1818, Andlau v., Minister des Innern, geb. 1766, geit. 1839, Baier, Forjtpolizeidireftor, geſt. 1852, Baumgärtner, Präfident des Juftizdepartements, 1822 penſionirt, geit. 1828, Baumüller, Direktor der evangel. Kirchenjettion, geit. 1851, Bed v., Generalleutnant, gejt. 1818, Beek, Direktor der fath. Kirchenſektion, geit. 1840, Bett 3 B., Minister des Innern, Staatsrat, Minijterialpräfident, geb. 1797, geit. 1855, von Berfheim K. Chr., Miniſter des Innern, Staatsminifter, geb. 1774, geit. 1849, v. Berjtett, Staatsminiſter, geb. 1769, get. 1837, v. Blittersdorf, Staatsminiſter und Miniſter des Auswärtigen, geb. 1792, geit. 1861, v. Bödh Chr. Fr., Staats: und Finanzminiſter, geadelt 1824, geb. 1777, geit. 1855, v. Bohlen, Generalleutnant, get. 1806, Brauer Nik., Direktor im Juſtizminiſte—

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rium, jodann des Auswärtigen, Staatsrat, geb. 1754, geft. 1813. Brumer 8. Fel., Direktor der kath. Kirchenfektion, Staatsrat, geb. 1803, gejt. 1857. Eajfinone Joſ., 1826 Steuerdirektor, geft. 1844, v. Cloßmann Joſ., Generalleutnant, 1808 Gouverneur von Karlarube, geft. 1826, v. Dalberg Wolfgang Heribert, Staatsminifter und Ober- bofmeifter, geft. 1814, v. Dalberg Emmerich, Staats- und Finanz« minijter, geft. 1833, v. Davans ©., prov. Chef des Finanzminifteriums, Staatsrat, geftorben 1820, Diez, Direktor der Hütten, Salinen und Bergmwerke, geſt. 1825, Dubois de Grefje, 1830 Hofmarjchall, 1836 Oberhofmarjchall, 1849 penf., v. Edelaheim 2. G., Staatsminifter und Minifter des Auswärtigen, gejt. 1814, v. Edelsheim W., Ober- hofmarſchall, geft. 1847, Eichrodt I. Fr., Minifterialdireltor, Staats» rat, geb. 1798, geft. 1844, Engefier, I. Ev., Geiftl. Rat, Geheime- rat, geb. 1778, geſt. 1867, v. Fahnenberg K. Hch., Oberpoftdirektor, geb. 1779, geſt. 1840, Filcher v. 8. Fr., Staat3- und Finanzminis jter, geb. 1755, gejt. 1821, Fiſcher v. W. L., Generalmajor, geb. 1784, geſt. 1840, v. Franken K., Generalmajor, geb. 1774, geft. 1828, v. Freydorf 8. W. E., Kriegsminifter, geb. 1781, geit. 1854, v. Freyſtedt K. Fr. Hch., Generalleutnant, geb. 1776, gejt. 1851, Gayling von Altheim Hch., 1803 Staatd- und Finanzminifter, 1807 Zuftizminifter, 1811 Finanzminifter, geb. 1743, get. 1812, v. Gem mingen-Öuttenberg 8. Fr. R., Staats: und Kabinetsminifter, get. 1822, v. Geujau K., Großhofmeifter, Kriegsminifter, geb. 1741, geft. 1829, von Geujau K., Generalmajor, geb. 1775, gejt. 1826, Geyer v. Geyersberg H. M. M., Oberftallmeifter, gejt. 1808, Goß- weiler, Zolldirettor, geb. 1791, get. 1848, Guignard Unt., Direktor der kath. Kirchenjektion, Chef des Kriegsdepartements, Staatärat, gejt. 1818, Gulat v. Wellenburg, Präfident des Juftizminijtertums, 1821 Minifter des Innern, Staatsrat, geb. 1762, gejt. 1839, v. Hade K., Minifter des Innern, Staatsrat, Miniſter des Aeußern, geit. 1834, v. Hennenhofer 3. Hch. D., Major, Direktor des Auswärtigen, geb. 1793, gejt. 1850, v. Herzberg I. Gerh., Staats- rat, Direktor der ev. Kirchenjettion, gejt. 1810, Herzog E., Staats» vat, geft. 1820, v. Hövel L., Auftizminifter, geb. 1746, geft. 1829, v. Hofer I. B., Direktor des Finanzminiſteriums, gejt. 1838, Hoff- mann K. G., Staatsrat, Finanzminister, geb. 1796, geit. 1865, Hoffmann Fr., Kriegsminiſter, Generalleutnant, geb. 1795, get. 1879, Hübſch, Oberbaudireftor,, geb. 1795, geit. 1864, Jägerſchmid V.,

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Direktor der Oberrechnungskammer, geft. 1821, Jolly Iſaak, Präſi— dent des AYuftizminifteriums, geb. 1785, geit. 1852, v. Kalenberg, Generalmajor, Stadtlommandant, geb. 1775, geſt. 1858, Kirn, 1832 Direktor der kath. Kirchenjettion, 1835 penf., 1836 geft., v. Kleud- gen, Oberpoftmeifter, geft. 1867, Kloje K. Fr. Chr., Geheimreferen- där und Direktor des Kafjendepartements, get. 1821, Klüber Fr. U., 1849 Staatsminister, geit. 1858, Klüber I. 2., Staatsrat, geb. 1762, get. 1837, Lamey U., Staatsrat, Präfident des Minifteriums des Innern, geb. 1816, Ludwig Dam., Kriegäminifter, geb. 1804, geft. 1871, Maler K. M., Staatsrat, gejt. 1809, Marjchall v. Bie- berjtein 8. W., Staatsminister, Minifter des Innern, 180911 Zuftizminifter, geb. 1763, geſt. 1817, Mathy K., Finangminifter und Minifterpräfident, geb. 1807, geft. 1868, Meier Eman., Staat3- rat, Direktor des Auswärtigen, geft. 1812, v. Meyſenbug Riv. W., Staatöminifter, geb. 1813, get. 1866, v. Mollenbet ©. Fr. Leop., Dberpojtdireftor, geb. 1788, geit. 1852, Nebenins K. Fr., Staat3- rat, Präfident des Minifteriums des Innern, Staatsminifter, geb. 1784, geſt. 1857, v. Nenenftein, Generalleutnant, geb. 1767, geft. 1838, Dehl Joſ., 1803 aus bijchöflich ſpeier'ſchen in bad. Dienite übergetreten, Staatsrat im Juftizminifterium, get. 1823, Negenauer Franz Ant., Staatsrat, Finanzminister, geb. 1767, gejt. 1864, Reinhard M. W., Staatsrat, geit. 1812, Reizenftein S. K. J., Yuftizminifter, 1809—12 Bräfident des Minifteriums, Staatsminijter, geb. 1766, geft. 1847, Rodhlig, Waſſer- und Straßenbaudirektor, geb. 1779, gejt. 1852, v. Roggenbach Frz. X. A., Generalleutnant, Kriegsminifter, geb. 1798, get. 1854, v. Roggenbach Franz, 1861—65 Minifter des Auswär- tigen, geb. 1825, Rüdt v. Kollenberg Franz, Präfident des Minift. des Innern bis 1844, geb. 1789, geſt. 1860, Rutſchmann, 1837 Forftdomänendirektor, geit. 1845, v. Sandberg, Generalleutnant, geft. 1806, v. Schäffer Kon. Rud., Generalleutnant, Kriegsminijter, geb. 1770, geit. 1838, Schippel, I. U., 1824 Direktor der Hofdomänen- kammer, Borjtand der Oberrechnungstanımer, geb. 1782, geit. 1848, v. Sedendorf A., Finanzminister, geit. 1834, von Seldened 2. M., Geheimrat und Oberjtallmeijter, geit. 1813, Seltzanı, Steuerdiref: tor, geb. 1787, get. 1858, v. Sensburg E. Ph., Staatsrat, 1817 Direktor des Miniſteriums des Innern, geb. 1752, gejt. 1831, Stabel Anton, Staatsminister der Juſtiz, geb. 1806, geit. 1880, v. Stengel Frz., Staatsrat, Minifter des Innern bis 1860, geb.

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1803, geit. 1870, Stodhorner v. Starein, Generalleutnant, Stadt- tommandant, geb. 1773, get. 1843, Stodhorner von Starein I. E., BVolizeidirektor, Bräfident des Kriegsminiſteriums, geb. 1764, geft. 1841, Stößer Ph. K., Staatsrat, geb. 1751, gejt. 1825, Trefurt, Chriftof Frz., Staatsrat, Juftizminifter, geb. 1790, geft. 1861, v. Türfheim B., Staatd- und Finanzminifter, geft. 1831, v. Türkheim Joſ., Staats- minifter und Minifter des Auswärtigen, geb. 1749, gejt. 1824, Vier- ordt, Generalmajor, Chef de3 Ingenieurdepartements, Wafler- und Straßenbaudireftor, get. 1812, Vogelmann Vollr., Staatsrat, Prä- fident des Finanzminifteriums, geb. 1808, get. 1871, Volz 3. Chr., Staatsrat und Direktor des ftaatswirtichaftlichen und Domänen- departements, geb. 1810, geft. 1827, v., Waldlirh K. U. Graf Ge heimrat und Oberjägermeifter,, geſt. 1840, v. Wallbrunn 8., 1832 Dberforftinpektor, 1834 Forftpolizeidirektor, get. 1839, v. Wechmar Fr., Yuftizminifter, geb. 1801, gejt. 1869, Weinbrenner Fr., Ober- baudirektor, geb. 1766, gejt. 1826, Weis v., Generalleutnant, geit. 1805, Weizel, Gideon, Staatsrat, Bräfident des Handelsminifteriums, geb. 1807, gejt. 1872, Wielandt, Fr. A., Staatsrat, geb. 1753, geft. 1818, Wielandt K. L., Staatsrat, Geheimfabinetsrat, geb. 1765, geit. 1820, Winter 2., Chef des Minifteriums des Innern, Staatsminister, geb. 1778, gejt. 1838, v. Wöllmarth 2. E., Ober- bofmarjchall der Großherzogin Stefanie, geſt. 1820, v. Zyllenhardt K. Ph., Präfident des Juftizminifteriums, geb. 1779, gejt. 1828.

3. Schloß und Umgebung.

An dem Schloffe jelbjt wurde zunächſt keine Veränderung oder Berbeflerung vorgenommen, der Pla vor demjelben aber nach Gme— find und Weinbrenner® Plan von 1807 an mejentlich verändert, 1811 die Gla3- und Treibhäufer in den Vertiefungen auf beiden Seiten des Plabes, nebjt den Miftbeeten, einem Gartenhaus, und der um das Ganze laufenden Mauer entfernt, auch der Entenweiher aus» gefüllt, 1815 der mittlere Schloßplag als Paradeplatz bergerich-

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tet und 1818 überfiest, 1816—1817 die beiden Balfına auf den Seitenplägen durch Dyderhoff gebaut, und die Gruppen in der Mitte derjelben durch die Bildhauer Raufer und Kaiſer ausgeführt und aufgeftellt. 1819 wurde die SKetteneinfaffung des Schloßplages, aus 194 Stüd beftehend, vollendet, wovon der Zentner 13 fl. 30 kr. Toftete. 1844, 22. November, wurde auf dem mittlern Schloßplage das von Schwanthaler mobellirte, und von Stiglmaier in Erz gegof- jene Standbild Karl Friedrichs aufgeftellt. Karl Friedrich, mit dem Hermelinmantel beffeidet, hält in der Rechten das Dokument der Aufhebung der Leibeigenichaft, an den vier Eden des Denkmals find die damaligen vier Kreife des Landes bildlich dargeftellt, und die Vorderſeite trägt die Imjchrift: „Großherzog Leopold feinem Vater, dem Geſegneten.“ 1865 wurde durch Dyderboff und Mayer der Schloßhof mit Kandelabern und Fontänen ausgeihmüdt, 1873 durch Gartendireftor Mayer die Teppichgärtneret auf dem mittlern Schloß- plaß und in dem Schloßgarten der See mit einem 27 Meter hohen Waſſerſtrahl angelegt.

In dem Schloßgarten Hinter dem Schloffe wurde 1835 aus freiwilligen Gaben der Verehrer Hebels das nach Weinbrenners Plan in gothiſchem Stil in St. Blaſien gegofjene Hebeldentmal mit des Dichters Bruftbild aufgeftellt. Sinnige Sprüche aus feinen Gedichten zieren die Seitenflächen, und alljährlich verfammeln fi) am Morgen de3 10. Maitages, dem Geburtstage Hebel, die Freunde feiner Lie- der um da3 Denkmal, um mit Rede und Gefang des Dichters: Undenten zu feiern.

Weitere monumentale Zierden des Schloßgartens find die in der Nähe der frühern chinefiichen Partie aufgeftellte Marmorgruppe „Hermann und Dorothea“ von Steinhäufer, die 1877 von Kaifer Wilhelm und der Kaijerin anläßlich des Jubiläumsfeftes geftiftete Bronzefigur eines Friedensengels in der Nähe des Hebeldentmales, und die 1881 in der Nähe der Hofichreinerei aufgeftellte Bronzefigur der Viktoria. Aus dem Erbprinzengarten an der Sriegftraße wurde 1884 ein von ſechs Säulen getragener, einfacher, auf erhöhtem Treppenfodel ſtehender Pavillon in den Schloßgarten verjegt, unter welchem das von Kaifer verfertigte Bruftbild Karl Friedrichs fteht, mit dem von ihm jelbft herrührenden Ausſpruch: „Hier ſei der Sitz unfchuldiger Freuden und der Ruhe nach wohlthätiger Arbeit.“

An dem meftlichen Eingang des Schloßgartens bei der Hofküche

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ſteht eine koloſſale marmorne Brunnenſchale mit Delphinen, innerhalb des öſtlichen Eingangs bei der Hoftirche bezeichnen zwei ebenfalls tolofjale Bronzehiriche den dortigen Eingang in den Hirjchpart, und den Abjchluß nach dem Park hin bildet das durch kunſt- und ge- Ichinadvolle Ausführung bemerkenswerte „Eiferne Thor“. Der immer noch 300 Heltaren große Fajanengarten wurde 1869 als jolcher aufgehoben und in der Folge in eine Meierei verwandelt.

Un dem Schlofje jelbjt wurden 1854—56 verjchiedene bauliche Veränderungen vorgenommen, und namentlich die Gemächer des weſt— lichen Flügels neu hergeitellt.

Nachdem 1807—1808 die Zirkelorangerie eingegangen war, mußten die feit längerer Zeit geführten Klagen Gmelins über Man- gel an Raum für die Pflanzen in den alten baufälligen Drangerie- bäujern der Waldjtraße am Schloßplatz Berüdfichtigung finden. Von 1808 an wurde mit dem Bau der neuen Pflanzenhäujer in dem bo= tanischen Garten jelbjt nach Weinbrenner® Plan, und mit der An- lage des Gartens der Anfang gemacht, der Schloßgarten hinter dem Schloß, Obftgarten, Baumjchule, Fafanengarten durch Gmelin, Saul, Schweikert, Hartweg*) in Arbeit genommen. Zur Anlage des botani- ſchen Gartens hinter den ftehengebliebenen alten Orangeriehäufern wurde der dort befindkiche herrichaftliche Holzplag und ein Teil des Schloß— gartens benußt, an der Linfenheimer Straße, jowie längs des Schloß- gartens die neuen Gewächshäujer errichtet, und dem Gartendirektor, anftatt der bisherigen Wohnung in der Zirfelorangerie, der nördliche Flügel des Linfenheimerthores ald Wohnung angewiejen.

Die Jahre 1853 —57 brachten die Herjtellung der jeßigen Ge— wächshäujer duch Baudireftor Hübjch, deifen Büſte, von Moeſt aus Tiroler Marmor gefertigt, durch Freunde des Baumeiſters geftiftet, in dem wejtlichen Teile des Gartens aufgejtellt und den 16. Dezem- ber 1867 enthüllt wurde. Die Front des großen Orangeriegebäudes mit der Glaskuppel nach der Linktenheimerjtraße zu, trägt vier Statuen, die vier Jahreszeiten von Reich, und in den Yunetten über den Bortalen erbliden wir, in einer Art Borzellanntalerei von Spel- ter ausgeführt, die allegorische Darjtellung der vier Weltteile nad) Heinemann und Gleichauf.

1808 wurde durch Garteninjpeftor Hartweg die nad dem ſchwediſchen Botaniter Dr. Dahl genannte erfte gefüllte Dahlie (Georgine) bier gezogen. Siehe Leunis, Synopfis ber Pflanzenkunde II. 901.

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Au diefen Bau fchließen ſich im rechten Winkel nach dem Schloſſe hin die übrigen Gebäude. Etwa in der Mitte derjelben bil- det ein Pavillon mit Rundtürmen auf beiden Seiten den Durchgang in den Schloßgarten. An dieſes Portal schließen ſich meftlich die Wärmbäufer mit dem Palmenhaus und dem vorjtehenden Glashaus für der Wärme in hohem Grade bedürftige Tropenpflanzen, und die Wohnung des Gartendireftors. Die öftliche Gebäudereihe von dem Portal an beiteht aus einer im Bogen nad) dem Schloß führenden Gallerie, welche den Bejuch der Drangerie von dem Schloß aus zu jeder Zeit ermöglicht. Vor und unter diefer Gallerie zieht fich der jog. Wintergarten hin, welcher im Winter mit Glas gededt, im Som— mer durch die Hinwegnahme des Glaſes in einen offenen Garten um— gewandelt wird.

Diefer Teil enthält neben zahlreichen Orangen- und Citronen- bäumen u. A. auch das große Palmenhaus. 1863, 1868, 1869 und 1871 erhielten nach und nach ſämmtliche Glashäufer, ftatt der hölzernen, eijerne Dachfafjungen. |

Als Garteninjpektoren, Direktoren und Hofgärtner von der frü— beften Zeit an find zu nennen bis nach 1738 Thran, 1757 Hof gärtner Saul, 1760 Garteninjpettor Dr. Joſ. Gottlieb Kölreuter, geit. 1806, 1784 Dr. 8. Chriſt. Gmelin, Garteninipeftor, get. 1837, 1787 Fr. Schweifardt, Hofgärtner, 1802 Direktor, geft. 1806, 1793 Ph. Hd. Hartweg, Hoffüchengärtner, deifen Sohn Andreas Hartiweg 1802 Hofgärtner an Schweilardts Stelle, 1808 Garten- inſpektor, 1825 Direltor, 1831 Fr. Kaſimir Held, Hofgärtner, 1836 Garteninjpeftor, 1842 Direktor, nach ihm E. Mayer und feit 1882 Ft. 3. Pfilter, Garteninjpeftor.

4, Die Stadt,

1804 verausgabte die Staatsfafje namhafte Summen für ver» ichiedene Neubauten, wie für das Gymnaſium, das Ettlingerthor, das Hochbergiche Palais, den Flügelbau der Kanzlei, die Kavallerie faferne u. A. Auch in den folgenden Jahren wurden teils für die- jelben Bauten, teils für andere, wie die Stadtkirche, die Infanterie-

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fajerne, das Theater, die Orangerie, bedeutende Summen ausgewor- fen, und namentlich 1810 zwei Dritteile an dem Bau de3 Gefäng- nisturmes am Rathaus mit 16000 fl. bezahlt.

Doch auch für die Erleichterung und Fürderung von Privat- bauten jollte gejorgt werden. So erjchien 1804 in Nr. 39 des Provinzialblattes ein Baugnadenregulativ, nach welchem in Karls— rube für zwei und dreiftödige Häufer, welche an die Stelle alter Häufer gebaut wurden, und zwar in der langen Straße 10—12 fl., in den Radialftraßen 8 fl., in den übrigen 5 fl. Baugnade für den laufenden Fuß Frontlänge aus der herrichaftlichen Baukaſſe vermilligt wurden. Für den aufgejegten dritten Stof, welchen übrigens Karl Friedrih nur an dem Marktplag und der Schloßftraße gerne ſah, wurden nur 2'/, fl., an Edhäufern nur die eine Front ganz, die andere nur hälftig bezahlt. Auch Klein-Karlsruhe nahm an diejer Baugnade Teil.

Nah Karl Friedrichs Tode erichien den 29. Auguft 1811 ein neue3 Baugnadenrefeript, welches folgende Beitimmungen enthielt: E3 wurden für Hausbauten zwei Modelle, ein großes und ein Kleines feftgeftellt. Nach dem großen follen alle Häuſer Steinfagaden, und gemeinschaftliche Brandmauern, drei Fuß hohen Sodel und Gurten, fowie ein 11 Fuß hohes unteres, 12 Fuß hohes zweites und 10 Fuß hohes drittes Stodwerk im Lichten haben, die Entrejolgimmer follten 8—9 Fuß hoch fein. Hinterhaus und Dachfims konnten von Holz oder Stein erbaut werden. Vor dem Haufe waren 6 Fuß lange Platten zu legen.

Für das Heine, nur für Klein-Karlsruhe zuläjfige Modell genügte Stein für den untern Stod ein 2 Fuß hoher Sodel und 9—10 Fuß hohe Stodwerfe.

Die Baugnade wurde in der langen Straße für zweiſtöckige Häufer von 10 auf 15, für dreiftödige von 12 auf 25 fl. erhöht. An dem Marktplatz, wo vierjtödig gebaut werden mußte, wurden, ftatt 20, 30 fl. ausgeworfen, für vierjtödige in der langen Straße, wo fie nicht gewünjcht wurden, fand feine Erhöhung der Baugnade jtatt. Jede Reparatur in der langen Straße muß in Stein ausgeführt werden. In den andern Straßen wurde nur für zweijtödige Häuſer 8 fl. bezahlt. Dieſe Baugnaden wurden überhaupt nur für Häuſer gegeben, die an die Stelle alter errichtet wurden, Neubauten auf leeren PBlägen erhielten nur die Hälfte Für das Bewerfen alter

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Häufer wurden bei drei Stockwerken 2 fl., bei zwei 1 fl. 20 fr., bei einem 1 fl. verwilligt. Die weniger ala 40 Fuß betragende Tiefe der Häuſer, welche früher von der Front abgezogen wurde, fam nicht mehr in Abzug. Bejondere Verzierungen der Häufer erhalten die Baugnade nur bei öffentlichen Gebäuden. Dieſe Verwilligung der Baugnade, urjprünglich bis zum 25. Sept. 1816 giltig, wurde nachher bis zum gleichen Tag 1817 verlängert.

Eine Verordnung von 1810 beftimmte, daß in den Seitenftraßen und in dem innern Zirkel das Pflafter bis in die Mitte der Straße, in dem äußern bis auf 20 Fuß Breite, in der Schloß» und langen Straße, an dem Linfenheimerthor, dem fath. Kirchenplat und bem Marktplag aber nur bis zur Straßenrinne, von dem Eigentümer, in letztern 5 Fällen die Mitte der Straße von der Stadt herzuftellen jet, injoweit dazu das Thorjperrgeld, welches von fremden und Einheimischen für ein Chaifenpferd mit 2 fr., und das Pflafter- und Weggeld, welches in gleichem Betrag von fremden Fuhren erhoben wurde, nicht ausreichte.

1813 wurden die Häufer, deren Zahl damals 940 betrug, in gleicher Weiſe, wie fie jet find, numerirt. 1816 wurde die jchon 1811 vorgejchriebene Legung von 6 Fuß breiten Plattengehmegen ernftlich befohlen, und in zwei Jahren durchgeführt, wobei die Re— gierung 6 Fr. vom Quadratfuß als Beitrag zuficherte.

Un den urjprünglichen vier Hauptthoren, durch welche allein der Fremdenverkehr geftattet war, ftanden Militärwachthäufer und Thorwartshäufer. Das, anftatt des alten Holzthores bei der Wald- bornftraße, 1772—73 duch Bauinjpeftor Müller an feiner ſpä— tern Stelle erbaute Durlacherthor war an Kunſtwert das be- deutendfte der Stadtthore. Aus dreiteiligem jehmiedeifernem Gitter thor beftehend, zeigte die Steinarchitektur deſſelben mohlgefällige, elegante Formen im Rokokoſtil. Die jchmalern jeitlichen Durchgänge zwijchen gefuppelten Säulen, mit jonijchem Kapitäl, waren mit Architrav, Fries und Hauptgefims überdedt, und fchloffen nach oben mit Heinen, aus einer Butten- (Kinder-) Gruppe herausmachjenden Obelisken ab, an deren Fuß an der Vorder- und Rückſeite Medail- lons angebracht waren. Die zu beiden Seiten angebauten Thorhäus- chen ftehen noch als jolche, 1875 aber wurde das Thor, obwohl der Stadtrat fich dagegen fträubte, auf drängendes Verlangen der Um-

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wohner abgebrochen, und das Thorgitter an das Friedrichsthor verſetzt.

Die von dem Durlacherthor aus nach Durlach führende gerade Straße, welche durch Frondfuhren von Durlach, Aue, Grötzingen, Berghaufen, Söllingen, Blankenloch, Rintheim, Hagsfeld und Wol— fartöweier gebaut worden, hatte jüdlich ihren Geh- und nördlich ihren Neitweg früher außerhalb der Pappeln, und hieß anfangs Karl: Friedrichstraße. Sie war von Kante zu Kante 63 Fuß 18,9 Meter breit, bei einer Länge von 1288 Ruten oder 3864 Meter. Seit 1810 ijt fie Staatsftraße, 1868 wurde das in der Hälfte des Weges ftehende Alleehaus, jeit dem Aufang des Jahrhunderts ein gern bejuchter Wusflugsplag der Karlsruher, jpäter eine Herberge ſchlimmen Gefindel3, durch die Stadt Durlach abgebrochen. *)

In der jebt 2,2 Kilometer langen und 24 Meter breiten „langen Straße”, deren öftliches Ende zwiſchen Waldhornjtraße und Thor auch Friedrichsſtraße (1813), im Volksmund Pfannenftiel genannt wurde, und welche 1879 den Namen Kaijerjtraße erhielt, ftanden bi3 in den Anfang unjerer Periode meijtens alte, ein» und zweiſtöckige Häufer. Diejelbe wurde nah Mühlburg zu anfangs durch ein Holz- thor unmittelbar bei der Waldjtraße, ſodann durch ein Thor mit maffiven fteinernen Seitenbauten bei dem jegigen Haus Nr. 136 abgejchloffen. 1817 wurde diejes Thor, nach kurzem, proviforijchem Abſchluß bei der jpätern Karlsſtraße, an feine jegige Stelle am Ende der langen Straße verjegt, 1842 durch Baumeifter Fiſcher umgebaut, und 1862 nochmal3 mit einem Koftenüberjchlag von 2172 fl. abge- ändert. 1871 baten die Anmohner um Entfernung des Thores, 1873 wurden die Thorflügel vorerjt ausgehoben, dann an dem neuen Thor der Adlerftraße verwendet, und 1874 das Thor jelbjt entfernt. Das- jelbe bejtand aus jchwerem jchmiedeifernem Gitter und Thorflügeln in einfacher Form zwischen zwei maſſiven, vechtedigen Pfeilern, auf welchen ala Wappenhalter bis 1862 ein Bündel mit Friegerifchen Emblemen, nachher zwei badische Greife angebracht waren. Durch zwei fannelirte, runde Pfeiler, die zugleich ala Kandelaber dienten,

*) An den in frühern Schilderungen erwähnten „drei Schlagbäumen”, an der Brüde des bei dem Mlleebaus in die Pappelallee einmündenden Rintheimer Sträßchend, war bis zur Anlage der Pappelalleeftraße eine berrfchaftliche Zoll» ftätte für Land» und Pfundzoll und Judengeleitgeld.

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waren die ſchmalen Durchgänge für Fußgänger von dem Hauptdurch- gang getrennt. 1821 wurden durch Weinbrenner in römiſchem Stil die beiden Thorhäuschen erbaut, welche noch jet jtehen, und deren eines feit 1869 al3 Wohnung des Bezirkäfeldiwebels diente. Vor dem Thor war ein hölzerner Schlagbaum. 1817—19 wurde die Promenade längs des Hardtwaldes nah Mühlburg zu angelegt, 1826—27 11.000 fi. für die Herftellung des Neitweges jüdlich längs der Mühlburger Landftraße verwendet, 1835 die Straße ſelbſt nivellirt, verbreitert umd mit Fußwegen auf beiden Seiten verjehen. Die An- lage von Straßen und Häufern an der linken Seite derjelben, ſowie die Bildung neuer Stadtquartiere daſelbſt fällt in unfere neuefte Zeit.

Der Beiertheimer Viehtriebweg in den Hardtwald ging jeweils außerhalb des Thores vorüber, und rückte mit diejem nach und nach zurüd bis zur jeßigen Weftendftraße, ift aber feither ganz einge gangen.

Die mwichtigfte bauliche Veränderung der langen Straße erfolgte an dem Marktplatz. Schon vor 1800 hatte der Italiener Pedetti einen großartigen Plan für den Marktplag mit Stadtkirche, Rathaus, Markthalle und Häufern in rein italienischem Stil entworfen. Diejer Plan, welcher ſich noch in dem Generallandesardhiv, und in einer Kopie in dem Stadtarchiv befindet, wurde aber, weil zu teuer, nicht angenommen. Der 1806 von Weinbrenner entworfene, und angenommene Plan, ftimmt im wejentlichen mit der jegigen Anlage überein. 1811 hatten Kaufmann Schmieder und Füßlin das alte Rathaus an der Ede der langen Straße gekauft und abgerifen, und 1812 den Neubau ihres Haujes begonnen, jo daß man genötigt war, für Bolizeidiener, Nachtrwächter, Lampenputzer u. a. proviforisch ein 20 Fuß langes, einftöciges, hölzernes Polizeiwachthaus Hinter dem reform. Kirchhof herzuftellen.

1804 war ein Pla Hinter der alten Stadtkirche zur Abhaltung eines Jahrmarktes ausgeebnet worden, und in demjelben Jahre begann Hoffaktor Kuſel den Neubau feines Hauſes an der Ede der Zähringer- ftraße, jetzt Nr. 8 der Karl-Friedrichſtraße, gegenüber der Megig, wofür er die Aute mit 19 fl. 36 fr. bezahlt hatte.

1808 im Januar wurden die Baupläße des alten Gymnaſiums und feines Hofes und Gartens den Käufern überwieſen. Zwiſchen Marft- plab und Kreuzftraße bauten daher in der langen Straße an der

Ede Zimmermann Weinbrenner, jet Nr. 139, daneben Kaufmann 27°

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Fellmeth, Kaufmann Weißinger und Metzger Kiefer, dieſer auf dem Platz des reformirten Pfarrhauſes, von Weinbrenner nach der Zähriuger— ſtraße hin Hofjuwelier Dreßler, Hofuhrenmacher Schmidt und Zährin- gerhofwirt Mayer, neben dieſem in der Zähringerſtraße Hofbuchbinder Müller & Gräff und Kaufmann Gſell. Die Rute koſtete 19 ft.

Die weitliche Verlängerung der langen Straße, welche übrigens ſchon anfangs einzelne Häujer vor dem Thor, wie das Gafthaus zum Hirsch und zum Schlüffel, das Spital umd das alte Judenwirts- haus gehabt hatte, erfolgte vornehmlich nach dem Bau der Infan- teriefajerne 1804, und in unjerer Zeit nach der Abgabe des Langen- fteinschen Gartens zu Bauplägen. An der Stelle der Infanteriefajerne lagen vorher große Gärten, namentlich der jehr große Oberamts— garten.

1815 hatte die lange Straße noch allein in der Stadt einen 6 Fuß tiefen Kanal, welcher zweimal wöchentlich durch Landgraben- waſſer vom Durlacherthor her ausgeipült wurde, 1816 wurde geklagt, daß, troß der Baugnade, noch meistens unanjehnliche Baraken die (ange Straße bildeten, 1819 war zwiſchen der Waldſtraße und dem neuen Mühlburgerthor noch fein Pflaſter, die Häufer ohne Dachrinnen, die Haußtreppen weit vorjtebend, die Abweisjteine an den Straßeneden.

Indeſſen find doch einzelne bejjere Bauten jchon aus dem Ans fang der Periode zu erwähnen, jo 1801 der Neubau de3 Hofrats- fanzliften Enefelius, jett 144, 1806 der des Marmoriers Schwindt, jet 215, 1807 de3 Edhaujes an der meuen Herrenſtraße durch Konditor Fellmeth, 1809 des Sädlers Schnabel, 1810 von Berf- müller gefauft und 1812 dreiftödig gebaut.

1810 bat Nägele jeine Brauerei in der jeßigen Nr. 127 und Rabbiner Eppftein ein Haus mit bebräijcher Druderei gegenüber dem Ritter.

1815 baut die Wittwe de3 Bärenwirts Reuter ihr Gajthaus dreiftöcig auf (engliicher Hof), 1816 Bierbrauer Hemberle und Wein- wirt Eicheltraut die Edhäufer an der Adlerjtraße, 1818 Bankier Haber das Haus 147 und Geheinweferendär Bauer Ede der Hirſch— ftraße, jeßt Nr. 178. 1824 wird der füdliche Teil der Infanterie fajerne gebaut.

Eine Richtitätte für Verbrecher war in der erſten Zeit vor der Stadt gegen Rüppurr zu, doch jtand jchon 1769 auch vor dem Mühlburgertbor gegen den Landgraben hin ein Hochgericht mit

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Gafthaus zum Bären bis 1815.

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einem „Schnappgalgen“. 1802 wurde hier ein neuer Galgen erbaut, aber 1814 für 18 fl. 23 fr. verfauft. Es ftanden davon noch 1815 die hölzernen Pfoften mit den Grundmauern, weil man fich jcheute, das Holz jonft zu verwenden, und ſelbſt der Stadtrat wollte e3 nicht in feinem Holzhof haben. Endlich zahlte ein Mühlburger Maurer noch 1 fl. dafür. Hinvichtungen mit dem Schwert fanden übrigens noch zu unſerer Zeit ſowohl gegen Rüppurr al3 gegen Mühlburg hin ſtatt.

1808 war infolge der alljeitigen Bauthätigkeit der Marktplatz zu Fuß nicht mehr zu paffiren, und e3 wurde daher das unnötige Fahren und Reiten über den Pla verboten, die Fuhrleute angehal- ten, die Geleife wieder auszuebnen, die Boutifen und Fleiſchbänke entfernt. Der Bumpbrunnen vor dem alten Rathaus wurde erſt 1818 verjchüttet.

An der Stelle, an melcher in der alten Stadtfirche das Grab Karl Wilhelms ſich befand, jollte nach dem Abbruch der Kirche ein Denkmal errichtet werden, und Weinbrenner erhielt den Auftrag, ein jolches zu entwerfen. Diejer 1804 vorgelegte Entwurf beſtand aus einem vierjeitigen Sockel mit vierjeitigem Oberbau, welcher die Ko— (offalftatue der Rhea (Stadt) tragen jollte. Die Seitenflächen des Monumentes jollten in Basrelief Darjtellungen aus der Gejchichte der Stadt und eine Inſchrift erhalten, welche, von Karl Friedrich jelbft verfaßt, aljo lautete: „Dem Andenken ſeines Großvaters Karl Wil- beim, des Stifter diejer Stadt, die Ruhe ihm im Leben und unter diefem Stein Ruhe jeiner Aſche gab, weiht dieſes der Fortführer jeines Werkes, Kurfürſt Karl Friedrich 1804."

Die Rhea jollte den Ajchenkrug des Gründers im Schoße halten, und ihr zur Seite ein Genius mit umgekehrter Fadel auf ihren Schos jich niederbengen. Obwohl die Koften dem Fürften zu hoch erichienen und er 1808 den Wunſch äußerte, Karl Wilhelms Gebeine in einem Sarkophag von inländischem Granit oder Marmor an einem in die Augen fallenden Plage der neuen Kirche aufgeftellt zu jeben, genehmigte er doch 1809 Weinbrenners Plan. Sein Tod aber binderte die Ausführung. Unter dem neuen Großherzog wurde zwar weiter darüber verhandelt, und daß die Ausführung des Planes ala zweifellos galt, beweist das dem Buche Hartlebens von 1815 bei« gegebene Bild des Marktplages, auf welchem das neu zu errich- tende Denkmal ſteht.

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Um wenigſtens das bisher einfach mit Holz gededte Grab zu ihüßen, mußte 1818 Zimmermann Hellner eine hölzerne Pyramide mit Delfarbanftrich und bölzerner Umfafjung darüber bauen, welche 177 ft. koſtete. Endlich 1823 war durch Maurer Kolb die noch jeßt jtehende Steinpyramide fertig geitellt, wofür er 4780 fl. erhielt.

Großherzog Ludwig, der Erbauer derjelben, ließ auf die Süd— und Nordfeite der Pyramide folgende Inſchrift jegen: Südſeite mitte: „Markgraf Karl Wilhelm, geboren zu Durlah am 18. Januar 1679, ftarb den 12. Mai 1738 und wurde an der Stelle diejes Denkmals in der Kirche der Eintracht begraben.” Nordjeite mitte: „Markgraf Karl Wilhelm Tegte den erjten Grundftein zu jeinem Wohnſitz und diefer Stadt am 17. Juni 1715." Nordjeite unten auf der Metallplatte: „Hier, wo Markgraf Karl einjt im Schatten de3 Hardtmwaldes Ruhe juchte und die Stadt fich erbaute, die feinen Namen bewahrt, auf der Stätte, wo er die leßte Ruhe fand, weiht ihm dieſes Denkmal, das feine Aſche verichließt, in dankbarer Er— innerung.

Ludwig Wilhelm Auguft, Großherzog 1823.“

In dem Innern diefer Pyramide jteht an der jüdlichen Wand ein Altar und darüber ein Kreuz, davor der jteinerne Sarkophag, und neben diejem zu beiden Seiten ein Poſtament mit einer Blumen» vaſe.

Das Sprüchwort: „Was lange währt, wird endlich gut“ hat ſich an dem Aeußern dieſes Denkmals nicht bewährt.

Die den Marktplatz durchkreuzende Straße, früher zwiſchen Schloßplatz und der langen Straße, Markgrafkarlsſtraße, dann Bä— rengaſſe genannt, erhielt, wie wir in der vorhergehenden Periode geſehen, ihre Verlängerung über den Marktplatz hinaus in dem letz— ten Viertel des vorigen Jahrhunderts, wurde bald auf beiden Seiten mit Häuſern beſetzt, und erhielt ſammt der alten Bärengaſſe den Namen Schloßſtraße, bis auch dieſer 1844, nach der Aufſtellung des Karl— Friedrichsdenkmales, in Karl-Fraiedrichsſtraße umgewandelt wurde. Das Haſenthor war nach und nach bis an die Stelle des jpätern Ettlingerthores zurücdgejeßt und 1803 durch Weinbrenner als neues Ettlingertbor erbaut worden (Siehe S. 196).

Das Projekt, die Straße nad Ettlingen und dem Oberland, anftatt durch das Nüppurrerthor, durch das Ettlinger zu führen, und demgemäß von dem Ende der neuen Schloßjtraße aus die neue

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Ettlingerftraße durch den Beiertheimer Bruch zu bauen, war jchon 1798 angeregt worden. Der Batı derjelben wurde 1803 mit der Seradelegung und Aushebung nach Tullas Anleitung begonnen, 1813 die neue Straße Staats» und Poſtſtraße, doch noch 1815—19 au der vollftändigen Herjtellung derjelben gearbeitet.

Dadurch wurde anftatt des Rüppurrer- das Ettlingerthor Haupt- thor für den Verkehr. Diejer Verkehr, durch die Erbauung der Eijen- bahn noch bedeutend vermehrt, machte aber in unjerer Zeit den Ab— bruch des Thores ſelbſt zur Notwendigkeit. 1869 wurden daher zuerft die eifernen Gitterthore deſſelben entfernt, im Juni deijelben Jahres beantragte Gemeinderat Leichtlin die Entfernung des Thores jelbit, 1871 wurde dies von dem Gemeinderat bejchloffen und 1873 aus- geführt.

An dem Marktplab war Rathaus, Kirche und Gymnaſium noch zu bauen. Die beiden Iebtern Bauten werden unter Kirche und Schule ihre Erwähnung finden. Zu dem Bau des Rathauſes, zu welchen Weinbrenner den Plan jchon 1806 entworfen hatte, wurde endlih 1821, den 7. Mai, der Grumdftein gelegt, nachdem jeit dem Abbruch des alten Stadthaufes im Jahre 1811 der Stadtrat jeine Situngen und Verſammlungen in gemieteten Räumen und in Gafthäufern abgehalten hatte. *)

Den 7. Mai, vormittags 10'/, Uhr, wurde in Gegenwart des Hofes und der Militär-, Staatd- und jtädtiichen Behörden, unter Teilnahme von Militär und Bürgergarde, die feierliche Grundftein- legung vorgenommen. Nach einer erjten Anſprache des Stadtdireftorg von Sensburg, nahm der Großherzog das Wort und jprah: „Es war mir jehr angenehm, zu diefem Bau, dejjen Bedürfnis jchon jo lange gefühlt wurde, etwas beizutragen, ich wünjche nur, daß er

*) Nach dem Weinbrennerjhen Plane fam an die Ede des Rathauſes gegen den Marktplag und die Zähringerftrafie die Metzig, an die andere Ede nach der jegigen Hebelftraße bin, das Kornhaus, hinter diejes die Wohnung ber Stadtmechte und die Remiſen bis zum Turm, und von diejem bis an die Zäh— ringerftraße das Feuerhaus.

Der zweite Stock war zu Räumen für die Gemeindeverwaltung, für größere Verſammlungen und zu Wohnungen, auch für Staatsſtellen beftimmt.

Bis zur Ausführung diejes Planes wurden, wie der Augenfchein zeigt, vielfache Abänderungen deifelben vorgenommen, doch ift im Großen und Ganzen Weinbrenners Plan maßgebend geblieben,

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zum Wohl der Stadt gereiche, und für immer das Zeichen der Ein- tracht und des Friedens jein möge." Nachdem J. Berkmüller und K. Künzle ald Schüler und Mitarbeiter Weinbrenners dem Groß— berzog Hammer und Selle überreicht, und derjelbe unter Kanonenſalven der Bürgerartillerie die üblichen Hammerjchläge getban, überreichte Oberbürgermeifter Dollmätich, unter dem Ausdrud des Dankes gegen den Großherzog, diefem ein rotjammtenes Kiffen mit dem Abdrud der Inſchrift der Grundfteinplatte und Schloß jeine kurze Rede ſowie die Feier mit einem Hoch auf den Großherzog.

In den Grumdftein fam folgende Gründungsurkmde: „Den Bau des neuen Rathhaufes der Refidenzitadt Karlsruhe gründete den 30. April 1821, nad) ihrer Erbauung im 106. Jahre der Enteljohn ihres Stifters, Großherzog Ludwig W. A., den das Vaterland jegnet. Zur Beit war Stadtdireftor Jo. Freih. von Sensburg, Poli— zeiamtmann Joſ. Häfelin, Stadtamtmann K. Stöffer, Stadtamts- afjeffor Ehrift. Umrath, Stadtamtsrevijor Th. Obermüller, Stadt- phyſikus Dr. 8. Seubert, luth. Stadtpfarrer Wilh. Kap, kathol. Stadtpfarrer Ph. Kirch, reform. Stadtpfarrer Fr. Bender, Ober— bürgermeifter Bernhard Dollmätih, Mitglieder des Stadtrates Fr. Groos, W. Wagner, Karl Werrnann, Dan. Bayer, Karl Künzle, Buft. Hauer, zugleich) Stadtverrechner, Karl Wielandt, Ferd. Dürr, Ehrift. Baumann. 866 Bürger, 16199 Einwohner waren gezählt in 970 Häujern. So, gediehen unter Gottes allmächtigem Schuß und ihrer edlen Fürften Pflege, blühe die werte Vaterftadt jpäten Jahr— hunderten entgegen! Den Bau entwarf und leitete Friedrich Wein- brenner, Oberbaudirektor.“

1822 im November hielt Zimmermann Meeß die übliche Baus rede, und den 28. November 1825 wurde in dem großen Rathaus- jaale, in Gegenwart des Hofes, der Behörden und vieler Bürger und Schugbürger die Einweihung des Haujes vorgenommen. Nachdem Stadtdireftor Baumgärtner über die Beſtimmung des Haujes als Sit der militärischen Stadtwache, der Polizei, Rechtspflege und Ge— meindeverwaltung geiprochen, und etwa 130 junge Bürger den Hul- digungseid geleijtet hatten, gab Dollmätjch eine gejchichtliche Dar: jtellung über Entjtehbung und Dedungsmittel des Baues, erwähnte, daß die Staatskaſſe zu dem 260000 fl. betragenden Bauaufwande jährlih 26000 fl. beigetragen, und jo 42000 fl. daran bezahlt habe, weil der Turm als Amtsgefängnis und einzelne Räume als

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Sit für Staatsbehörden dienen follten, hob die Verdienfte der Bau— fommiffion, bejonders Weinbrenner3 hervor, ermahnte die Bürgerjchaft zur Erfüllung ihrer Pflichten und jchloß mit dem Wunfche, daß der ichöne Bau jederzeit eine Stätte der Eintracht und des Friedens jein möge, wo das Recht gehandhabt, die Bürgertugend gepflegt, der Gewerbfleiß gehoben, die Armut unterftüßt werde, zum Wohl der Geſammtheit, zur Zufriedenheit des Landesfürften und zur Ehre des Vaterlandes.

Die 73,5 Meter lange Facade befteht aus einem dreiftöcigen Mittelbau mit offener jonischer Säulenhalle über dem Portal und einem Giebelfeld im Frontiſpice, und zwei ebenfalls dreiftöcdigen Flüs gelbauten mit Balkonen.

Hinter den Höfen und den beiderjeit3 zurüdlaufenden Seiten- flügeln fteht der 52,5 Meter hohe Turm mit dem vergoldeten Mer- fur, dem Gott der Spihbuben und der Diebe, auf jeiner Spitze.

In der breiten, hoben Treppenballe tritt ung eine Gedenktafel an die 1870—71 gefallenen Karlsruher Söhne entgegen, der mit Slasmalereien verzierte große Rathausjaal enthält die lebensgroßen Bildniffe badischer Fürften von der Gründung der Stadt an bis auf das de3 jebigen Großherzogs, den Heinern Saal ſchmückt ein Kaiſer— bild in Lebensgröße.

Nach der Vollendung des Baues, von 1825 an, befanden fich in dem Rathaus die Stadtdireftion, dad Stadtamtsrevijorat, die Polizei- direftion, da3 Generalauditorat, Bürgermeifteramt, Hauptjteneramt, Leihhaus, Sparkafie, Waſſerleitungskommiſſion, Wag- und Lagerhaus, Mehlhalle, Mebig, Feuerhaus und die Hauptwache mit 2 Kanonen vor dem Portal.

Wohnung hatten darin der Stadtdireftor, PVolizeidireltor, Bür— germeilter, Stadtrechner und Lagerhausverwalter.

1843 wurde zur Feier des 25. Beſtehens der Verfaſſung durch die Stadt auf dem Rondellplat die Verfafjungsjäule errichtet. Dieje bejteht aus einem 7,8 Meter hohen Obelist von rotem Sandftein, auf der Südjeite mit der Injchrift: „Dem Gründer der Berfafjung die dankbare Stadt Karlsruhe”, auf der Nordjeite mit dem Medaillon- bild des Großherzogs Karl, und auf den beiden andern Seiten mit zwei Greifen ala Wappenhaltern.

Die Bildhauerarbeit ijt von Raufer in Sleuperjanditein aus— geführt,

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Auf der Stelle des Thorwartähaufes des abgebrochenen Ett⸗ lingerthores fteht der 1877 durch Baurat Lang und Modelleur Moeft ausgeführte, und von der Stadt errichtete jog. „Malfhbrunnen“ mit den Marmorftatuen einer Nymphe und des Hylas, ein Ehren- denkmal des auch um die ſtädtiſche Waflerleitung hochverdienten Ober: bürgermeifter® Malſch. Außerhalb de3 Stadteinganges zur Linken jehen wir das 1851 von Neich modellirte, von Burgſchmidt in Nürnberg gegofjene Standbild des Staatsminifterd Ludwig Winter, welches denjelben darjtellt, wie er 1838 in der Kammer feine Rede für die Eijenbahn hält, und diejer Statue gegenüber, auf der rechten Seite der Straße, das von Volz ausgeführte Kriegerdentmal, welches den 2, September 1877 feierlich enthüllt wurde.

Die Waldhornftraße hatte, wie die Waldftraße, bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts nur eine Häuferreihe nach der Stadtjeite, während die andere Seite durch eine Ballifadeneinfriedi- gung gegen den Wald bin abgejchloffen war. Früher ala in der Waldhornjtraße wurde in der Waldftraße dieje Seite der Straße überbaut, wie dies in beiden Straßen noch jegt die Beichaffenheit der Häufer zeigt.

Die Waldhornftraße wurde erjt nach 1750, ala Karl Friedrich für Neu» und Umbauten jteinerne Häufer forderte, nach der Waldjeite bin angebaut, und zwar teils mit berrichaftlichen, teil mit Häufern mehr bemittelter Privatleute.

So baute 1760 Bauinjpeftor Müller das Eckhaus des Zirkels und der Waldhornſtraße, welches in unſerer Zeit 1868—1883 ala Lokal für die Prinzenjchule diente und jet das Hofbauamt enthält, nachdem unter dem vorhergehenden Hofbaumeifter Berdmüller der Sik des Hofbauamtes nebjt Berckmüllers Wohnung zuerjt in der Kronen- jtraße, alsdann in dem Manſardenſtock des weſtlichen Orangerie— gebäudes, dem Theatermagazin bei der Hofkaſſe gewejen war.

Das anftoßende Haus, Waldhornitraße la, wurde von Kamnıer- diener Ungerer gebaut, kam in dem Beſitz der Wittwe Charlotte Schmidt, 1783 in den de3 Obervogtes von Schwarzenau, 1788 der MWittwe des Geheimrat3 von Hahn, 1807 des Hofmufitus Wögel, und wurde nachher als Staatseigentum Sit der Obereinnehmerei, und der Domänenverwaltung, bis es 1821 an die Eivillifte über- ging und Wohnung des Fajanenmeifters, dann der Stallverwaltung, ipäter hauptjächlich der Stalldiener wurde, während die Domänten-

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verwaltung und die Obereinnehmerei in andere Lokale verlegt wur—⸗ den. Das an diejes Haus 1a anſtoßende, jebige Haus Nr. 3, beftand urjprünglih aus zwei Häufern und hatte Nr. 3 und 5. Nummer 3, in welchem 1783 die Stallmeifterei (Wippermann), nachher die Wohnung der Forftmeifter Holy und Häußer fich befand, fam in den Beſitz des Hofbankiers Haber, wurde durch Großherzog Ludwig 1821 ala Eigenthum erworben, und kam in demjelben Jahre laut Urkunde vom 21. Sept. in den Beliß der Katharina Werner, nachmaligen Gräfin von Langenftein und ihres Sohnes, Ludwig von Langenftein. Das daneben liegende Haus Nr. 5, bis 1789 von dem Markgrafen Ehriftoph*) bewohnt, Eigentum des Hofetats, 1821 Lokal der Stallverwaltung und Wohnung des Fafanenmeifters, fam 1821 ebenfalls in den Befig der Gräfin von Langenftein, wurde, mit Nr. 3 zu einem Haufe vereinigt, 1850 für 30000 fl. an deren Sohn Ludwig käuflich überlafjen, von diefem 1857 an den Bijouterie- fabrifanten Kiehnle von Pforzheim für 38 500 fl., von diefem für 40000 fl., 1860 an das meibliche Klofterlehrinftitut Offenburg ver- äußert, und hierauf 1873 für 80000 fl. wieder für das Hofdomänen- ärar erworben und zu KHofdienerwohnungen verwendet.

Das frühere Haus Nr. 7, jebt Nr. 5, gehörte dem Israeliten Meier Auerbach, wurde 1831 durch die Gräfin von Langenftein für 18000 fl. erfauft, 1844—45 für 19206 fl. an ihren Sohn, Lud- wig, Grafen von Langenftein wieder verkauft, und iſt jet Sig ber gräflich Douglas’schen Bermögensverwaltung. An diefe Häufer reihen fich Nr. 7, das Haus des frühern Hofrates Yamey, 1783 noch dem Mark» grafen Karl Auguft zugehörig, Nr. 9 das Gayling’jche, welches 1778 von Rechnungsrat Kempf3 Erben durch General von Gayling erfauft wurde, und jeßt ftädtiiches Eigentum als Zugehör der Realſchule ift, Nr. 11, früher Eigenthum des Oberkriegsrats Obermüller, dann des Gaftwirts Krämer, und jet evangelijches Pfarrhaus, Nr. 13 das der Familie von Knieftedt, Nr. 15 des Herrn Helfenftein, fpäter des Rentner Weill, beide letztern Häufer jest als ſtädtiſches Eigentum zu dem Realgymnaſium gehörig, u. a.

Auf der Stadtjeite wurden 1811 auf dem Plate der herrichaft- lichen Bauverwaltung und des Salzmagazins durch Staatsrat Fiſcher die jegigen Käufer Nr. 18 und 20 gebaut.

) Wir bitten, demgemäß unjere Angaben Seite 194 unten zu berichtigen,

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Seit der 1803 erfolgten Verlegung des Friedhofes wurde bie MWaldhornftraße, melche jchon vorher bis zur LZähringerftraße ver- längert war, auch von hier an bis zum Friedhof fortgeführt, welches Stüd der Straße längere Zeit noch Gottsaderjtaße genannt wurde. Wir betreten bier den Friedhof ſelbſt. Hier jehen wir das Grabmal de3 1817 geftorbenen Oberhofpredigers Walz, und des Hofrates Jung Stilling aus demjelben Jahre, die von Künzle gebaute Gruf- tenhalle mit den Grabmälern des Staatsminifterd von Reizenftein, geft. 1847, des Hofdiafonus Hausrath, get. 1847, des am 13. Mai 1849 im Straßentampf gefallenen Rittmeiſters von Laroche, des Geheimrates Rink, geft. 1851, der Herzogin von Bevilacqua, geit. 1858 u. a.

Dort erbliden wir ferner das 1848 errichtete, von Reich aus» geführte Denkmal der bei dem Theaterbrande 1847 Verunglüdten, einen Engel aus weißem Marmor auf hoher Granitjäule, weiter das nach König Friedrich Wilhelms IV. Plane 1850 hergeftellte Preußendentmal, zum Andenken an die 1849 gefallenen 137 preußi- chen Offiziere und Soldaten, in Form eines aus Badjtein gebauten, von vier Säulen mit gothischen Fialen getragenen Baldachins, auf defjen gemwölbter Kuppel der fpeertragende Erzengel fteht. In der Mitte zwiſchen den vier Säulen erhebt ich ein koloſſales Kreuz, und an dem Treppenjodel ftehen die Namen der Gefallenen.

Auf dem erweiterten Friedhof, jenjeit3 der Oſtendſtraße, befindet fich das Kriegergrabmal der 1870—71 Gefallenen.

In der Kronenftraße überbaute 1811 der Badiſch Hofwirt Wielandt die ganze Frontlänge der mejtlichen Seite von der Ede des innern Zirkels bis an den Schloßplaß.

Das alte Rüppurrertbor, ein Ballifadenthor, war 1779 bis an den Zandgraben, über welchen noch eine hölzerne Brücke führte, vorgerüctt worden, jo daß es zwifchen der füdlichen Ede des jegigen israelitifchen Spitalgartens und der Ecke des jegigen Haujes Nr. 33 ftand. Daffelbe war von Holz mit hölzernen Seitenpförtchen, und Wacht⸗ und Thorwarthaus vereinigt ftanden auf der öſtlichen Seite. 1815 wurde der Landgraben vor dem Thor überwölbt, 1834 das neue israelitiiche Krankenhaus anftelle des alten Judenarmenhauſes erbaut, 1852 das alte Holzthor, welches vielfach ala Schmuggel- pforte diente, abgebrochen, 1854 jenjeits des Landgrabens dag neue

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Thor mit vier vieredigen Steinpfeilern und drei Durchgängen durch Baumeister Waag erbaut, den 9. September eingeweiht und Fried⸗ richäthor genannt. Entfernt wurde es 1870. Die Rüppurrerftraße vor dem Thore war 1777 neu bergeftellt und 1787 ala Poſtſtraße beftimmt worden, wurde 1808 in gerade Richtung gebracht und war jeit 1813 nicht mehr Poſtſtraße. Der längs derſelben herziehende Floßgraben wurde im Laufe der 60er Jahre ausgefüllt.

Die Adlerftraße, welche bi3 an den Spitalplak vorgerüdt war, wurde 1815 mit dem Neubau der Traube durch Artilleriefeld- webel Bernlacher auch jenjeit3 des Platzes weitergeführt. Ein bei der Ausmündung der Adlerſtraße auf die Kriegsſtraße bergeftelltes eifernes Gitterthor wurde aber bald wieder entfernt.

Als die Verlängerung der Kreuzſtraße von der reformirten Kirche nach der Spitalftraße hin bejtimmt war, mußte das im Wege ftehende reformirte Schulhaus 1811 abgebrochen und verlegt werden, in dem- jelben Jahre wurde an der Ede der Zähringerftraße das Gafthaus zum Kreuz, jetzt Zähringerftraße 65, gebaut, deſſen Schildgerechtigkeit vorher in der langen Straße, dem Haufe Nr. 15, der jegigen Stadt Pforzheim, zuftand, ebenſo baute Schreiner Wagner das Haus Nr. 18 der Kreuzitraße, neben welchem damals noch eine hölzerne Brücke über den offenen Landgraben ging, und der reformirte Pfarrer Kühlenthal für fih das Haus Nr. 14.

Die Lammftraße. Von den zwei bis 1803 durch den Ge- beimrat und Oberjägermeifter von Geujau bewohnten herrjchaftlichen Häufern in der Lammſtraße, jegt Prinz Karl und Oberjchulrath, wurde das eine, in deſſen unterm Stod die Oberforſtkommiſſion fich befand, 1804 dem Hofratspräfidenten von Marjchall überlaffen, in dem andern erhielt der Oberforftmeifter, jpäter Oberjägermeifter von Adelsheim Dienjtwohnung und Kanzlei angewiejen. 1809, als die Zähringer- ſtraße zwiſchen Kuſel und dem Rathaus weiter geführt werden follte, wurde, obwohl da3 Brunnenhaus noch ftand, auch die Lammſtraße verlängert, und dazu Geheimrat Mallebreind Garten gelauft, welcher zum teil von Schulmeifter Wagner zur Erbauung eine? Schulhauſes, zum teil an andere Bauluftige, wie Mebger Vorholz, Schlofjer Holzer, Schneider Turban, Marbe, Willet u. A. zu Bauplägen abgegeben wurde. Diejes Häuferquadrat, zwiſchen Rathaus und Lammſtraße, wurde 1886 durch Herrmann und Vivell abgeriffen, fünfftödig neu aufge-

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baut, und in feinem Erdgeſchoß zu großartigen Wirtichaftsräumen hergerichtet.

1815 kaufte Berkmüller da3 verlafjene katholiſche Schul- und Pfarrhaus an der Ede des Zirkels und der Lammſtraße Nr. 23, und erbaute es zweijtödig von Stein. Nachdem die Lammſtraße ihren Durchgang nach dem Friedrichsplatz erhalten, wurde 1870—74 durch Helbling das großartige Gebäude der badiichen Verkehrs— anftalten vollendet.

Die Verlängerung der Ritterjtraße über das Prinzenthor und den Zandgraben hinaus war bis in die Gegewart nicht möglich. 1807 wurde der Weg zwijchen dem Erbprinzengarten und dem der Frau Lidell, jegt Mujeumsgarten, mit Bäumen bepflanzt (Kirjchallee), 1814 baut Kammerdiener Eicheltraut ein Haus am Prinzenthor zu— nächft der Pferdeſchwemme, jet Nr. 20, ihm gegenüber lag dasjenige des Hofmedikus Seubert, jet Nebenbau der Poſt, und 1818 baut Hof- buchhändler Müller fein jegiges Haus im Zirkel und der Ritterftraße.

1820 den 16. Dftober wurde der Grundjtein zum Ständehaus gelegt, und dafjelbe nach Weinbrenners und Arnolds Plan bis 1821 ausgebaut.

Zur Grumdfteinlegung erjchien der Großherzog mit militärischem Gefolge zu Pferde auf dem damals noch freien Plaß, auf dem jekt das Fatholische Pfarrhaus ſteht, wo er durch die landftändiiche Kom- milfion empfangen, und von Hebel mit einer Anrede begrüßt wurde, welche der Großherzog kurz beantwortete, worauf die Grundftein- legung in üblicher Weife vorgenommen wurde. Die in den Grund- ftein gelegte Inschrift lautet: „Am 16. Tage des Weinmonats im Jahr 1820, im zweiten nach der frühen Vollendung des Großherzog Karl Ludwig Friedrich, der preiswürdig und unvergeklich in der Gewährung der jtändiichen Verfafjung lebt, als Ludwig Wilhelm Auguft auf dem Throne feiner Väter ſaß, der Huldreiche und Ge— rechte, der die Verfaſſung im ihr jchönftes Dafein ftellte, nach dem Schluß des erften Landtages bocherfreulich für Fürft und Volk, ward zu dem Ständehaus in frohen Hoffnungen und Wünjchen für jein Werden und Beitehen, für Badens Wohl und Frieden unter Gottes allmächtigem Schuß diejer Grundftein gelegt.“

1841 wurde das Lokal der erften Kammer durch Hübjch ver- befiert und mit Fresken von Schwind bemalt, und 1885—86 die Halle nah dem Garten hin erweitert.

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Die Verlängerung der Herrenftraße wurde 1802 zugleich mit derjenigen der Waldftraße bejchlofien, 1804 begonnen und 1808 bis zur Erbprinzenftraße vollendet. 1811 kauft Rentner Weltzien aus Petersburg von Gebrüder Künzle das Haus Karlftraße 47 am Karlsthor, 1814 wird die baufällige Holzbrüde über den Landgraben, bei Nr. 21, aus Stein gebaut, in demjelben Jahre kauft Oberforft- meifter von Holzing den leeren Bauplatz Nr. 1 der Herrenitraße, binter dem am Schloßplaß gelegenen Stadelmann’schen Haufe, der geheimen Kanzlei. Dieſes Haus, jpäter als Palais der Herzogin von Bevilacqua umgebaut, wurde nach deren Tode 1858 vom Staat erworben, war 1862—81 Handeldminifterium, und iſt jeit deſſen Aufhebung Sit des Juftizminifteriums. 1815 baut Baumeifter Fiſcher das Haus Nr. 23 der Herrenftraße, jeßt Telegraphenbureau, 1801 Blechner Dänzer auf Kreglinger’3 Gartenede, Nr. 25.

An dem Ende der Herrenftraße, linker Seite, beim Karlsthor, läßt fih die Markgräfin Friedrich nach dem 1817 erfolgten Tode ihres Gatten durch Weinbrenner das jog. Schlößchen bauen und mit Gartenanlagen umgeben. Schon 1815 hatte der Verftorbene den Bau beichloffen. „Den 29. Auguſt 1817, dem Geburtstag des Markgrafen, den er aber nicht erleben ſollte“, jo lautet die durch MWeinbrenner und Hofrat Schreiber verfaßte, von Haldenwang in Kupfer geftochene, und von dem marfgräflichen Domänendireftor Bohm in den Grumdftein gelegte Injchrift, „legte dieſen Grundftein feine Wittwe, Ehriftine Luiſe von Naſſau-Uſingen, damals in Schloß Eber- ftein wohnend. Er wollte hier eine ländliche Ruheſtätte jchaffen, zur Erholung im Frieden der Natur, verjagte fich aber den freundlichen Wunſch, weil ihn die Noth der Zeit rührte, und der Thränen gar viele zu trodnen waren. Darum jei diefer Garten ein Mal der Erinnerung an den edlen Hingejchiedenen und offen allen guten Men- jchen, wie fein Herz offen war; dem ahnenden Geifte wird er fortan ala Schußgeift dieſes Ortes erjcheinen.“ Die Markgräfin wohnte bis zu ihrem Tode 1829 bier, darauf kam das Schlöhchen in den Beſitz ihrer Schwefter, Prinzeſſin Augufte, vermählt mit dem Grafen Bis- mard, welcher e8 1847 an Großherzog Leopold veräußerte. 1850 durch Baumeifter Fijcher umgebaut, war e3 eine Zeitlang Wohnfig des Prinzen Friedrich, jegigen Großherzogs, hierauf Wittwenfig der Großherzogin Sofie, bis zu ihrem Tode 1865.

Noch zu deren Lebzeiten war das Schlößchen, dem Sinne des

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erften Begründers entfprechend, eine Stätte helfender Wohlthätigkeit des von ber Großherzogin Softe 1835 begründeten badifchen FFrauen- vereing, und unter dem jegensreichen Schuße der gegenwärtigen Groß- berzogin Luiſe ift es diefem ſchönen Zweck erhalten geblieben.

Auch die Heine Herrenftraße, jeßt Bürgerftraße, wurde 1805 angefangen. Als erfte Hausbefiger derfelben finden wir den Hey— duden Berblinger, die Kammerdiener Siegel und Engel, Michael Deutich, die Bedienten Kiftner, Bronn und Burkard, den Maurer Gräßer, Musketier Hattih, Gärtner Krieger, Feilenhauer Bachmann, Balier Hch. Weber, Grenadier Müller, Stadtdiener Lubberger, Ser- geant Argaft.

Die Blumenftraße, oder Heine Duerjtraße, wurde ebenfalls 1805 angelegt, und als erjte Hauseigentümer darin erjcheinen 1809 Zimmermann Künzle, 1812 Holzichneider Jakob Kufterer, J. Müller, 1815 Kanonier Schaaf.

Die Waldftraße. 1805—1809 war zwijchen der Fortſetzung der Waldſtraße, verlängerten Herrenftraße und Erbprinzenjtraße ein neuer Stadtteil angelegt, und die Verlängerung der Waldftraße über den Zandgraben hinaus angeordnet worden. Schon 1808 baut Kam merbdiener Gebhard das Gafthaus zum Karpfen, 1810 wurden durch Maurer Müller und Schreiner Schwindt die Häufer Nr. 61 und 63, Ede der Blumenftraße am Ludwigsplag, 1813 durch Anftreicher Kam- merer das Edhaus Nr. 53 der Walditraße, und 1818 durch Arnold das gegenüber liegende Edhaus Nr. 40 gebaut.

Die Erbprinzenftraße war ſchon vor und bald nad) 1800 von dem Rondell bis zum Friedrichsplatz, damals noch Erbprinzen- garten, und von der Herrenjtraße bis zur Waldſtraße fortgeführt worden. Hausbeſitzer derjelben find 1804 Maurer Müller, 1805 Schieferdeder Beder jun., Nr. 20, Konditor Hausrath, Graveur Balbach, Baukondukteur Meßner, Nr. 27, Rechnungsrat Pfeiljtider, Mechanikus Abreich, nach 1806 Gärtner Raupp, Zimmermann Künzle, Kürjchner Becht, 1808 Bäder Glaßner, Nr. 31, 1811 Schreiner Himmelbeber, Hoflakai Kirchenbauer, Holzmann, Jung, Fuchs, 1812 Schneider Häufer, 1818 Stadtrechner Hauer, Nr. 32. Damals zog fih noch die Bretterwand des Kreglinger’ichen Garten? von der Herrenftraße bis zur Kirichallee, wo an der Ede im Garten ein Pavillon mit Sommerwirtihaft ftand. 1819—22 wurden hier die inzwiſchen erbauten Häuſer bes Minifterd von Berkheim und des

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Schreiners Stengel zum Bau eines Minijteriums des Aeußern für 29000 und 18000 fl. angefauft, und 1829 ein folches erbaut. 1848 brannte der Bau größtenteil3 nieder, wurde 1853 teilmeije als Lokal für die neue Kunſtſchule hergerichtet, und 1855—57, mit teil- weiſer Benugung der nicht abgebrannten Nebengebäude, durch Hübjch zu dem gegenwärtigen Bau bergejtellt. 1830 kaufte neben demjelben der Fürſt von Fürſtenberg das Haus des Geheimrats Engeſſer, ließ e3 baulich umgeftalten und bewohnte es bis zu feinem Tode 1854, 1824 wurde das Haus de3 Kirchenrat3 Sander, Nr. 6, als Hof- predigerhaus erworben, 1846 das katholiſche Schulhaus, 1850 das Pfarrhaus erbaut, 1853 das Reinhard'ſche Haus, Nr. 5, als evan- geliiches Pfarrhaus erfauft, und 1858 das anftoßende Haus Nr. 7 für die Kreisregierung verwendet, jetzt VBerwaltungsgerichtähof. 1859 wurde dad Haus Nr. 38, der Verjorgungsanjtalt gehörig, ald Do- mänenverwaltung vom Staate erfauft, und 1864—65 auf beiden Seiten der Straße der Friedrichsplatz angelegt und mit eijernen Geländern umjchloffen. Die nördliche Hälfte des Platzes erhielt zwiſchen jtehengebliebenen Baumgruppen und Rajenplägen ein Baſſin mit Springbrunnen, und an zwei Seiten desjelben wurden 1864 zwölf Baupläße verkauft, welche nach Berckmüllers Plan mit vier- ftödigen Arkadenhäufern überbaut wurden, und in dem nordöftlichen Winkel einen Durchgang nach der Lamm- und Hebeljtraße erhielten. Das erſte, durch Möbelfabritant Haflinger erbaute Haus an der Rit- terjtraße ift jeßt Hauptpoftgebäude. Auf der gegenüberliegenden Seite der Erbprinzenjtraße wurde ebenfall3 durch Berckmüller bis 1872 das Sammlungsgebäude errichtet, von welchent in unjerm legten Abjchnitt weiter berichtet wird, und 1885 wurde der an die Kriegſtraße ftoßende Teil des Erbprinzengartens auf Koften des Hofdomänenärars zu einen jchönen Garten mit Baſſin und Springbrunnen angelegt.

Die Lyceumsſtraße, jetzt Hebelftraße, verdankt ihre Entjtehung dem Bau des füdöftlichen Lyceumsflügeld in Berbindung mit der Verlängerung der Kreuzftraße. Außer dem 1810—11 erbauten ref. Pfarr- und Schulhaus, baute 1811 Kammerdiener Bürger das Haus Nr. 3, und die Stadt am Ende des Griesbach'ſchen Anweſens ihr Feuerhaus an den Landgraben.

In der Spital- und Steinjtraße baute 1807 Schreiner Wagner neben Zimmermann Künzle, und Sattler Bed das Haus Nr. 31, 1815 wird das Gartenhaus des Staatsrates Em. Meier in der

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Steinftraße durch Weinbrenner zum Wohnhaus umgebaut. In der- jelben Straße waren Regierungsrat Reinhard, Hofmufitus Schnee- berger, Maurer Singer, Hoflammerrat Umrath Hausbefiger, und in Nr. 48 der Spitaljtraße war das Schullebrerjeminar. Der damals, bi3 1802, noch vorhandene Garten vor dem Spital wurde nad) einem Plan der Regierung zu einem Marktplatz umgejchaffen, defien Standgeld dem Spital zufallen jollte, aber Stände und Standgeld blieben aus. Die Steinftraße, neben welcher damals mitten über den Platz noch der offene Zandgraben lief, bieß bis 1844 deshalb neue Stadenftraße, jowie die Heine Spitalftraße zu jener Zeit noch Spinn= bausgafie.

Die Karljtraße. Schon frühe lagen, wie wir gejeben, Häu- jer vor dem alten Mühlburgerthor. 1806—1807 wurde das Schlacdht- haus aus dem Hofe des Rathaufes an die Ede des jegigen Ludwigs— plaßes und der Karljtraße, wo jett das Kaffee Kuſterer jteht, an den Zandgraben verjegt. In dem zweiten Stod war eine Wohnung und ein Magazin für Sägewaren. Eine Folge davon, ſowie des Kajernenbaues3 war die Mehrung der Anfiedelungen vor dem alten Mühlburgerthor.

So baute 1809—10 Bierwirt Scheelmann in der jetzigen Karl— ſtraße, gegenüber der Kaſerne, das Haus Nr. 21, während die Er— öffnung der Karlſtraße erſt im Jahre 1812 erfolgte. Sofort aber überbaute 1814 Küfer Wichtermann den Eckplatz an der Karl- und Amalienſtraße Nr. 27, zahlte 8 fl. 30 Str. für die Rute und erhielt darauf für 200 fl. die Nealwirtichaftsgerechtigkeit zum Ruſſiſchen Kaifer, ipäter Kaiſer Alerander, und zwei Jahre nachher, 1816, baut Maurer Müller das Edhaus Nr. 19, jet Kaufmanı Schwaab.

Noch 1815 führten auf dem jegigen Ludwigsplatz zwei Brüden über den noch offenen Yandgraben, defjen Ufer vor den jegigen Häu— jern Nr. 55—61 der untere oder alte Staden hieß, zum Unterjchied von dem neuen an der Steinitraße. Die eine der Brüden, alt und baufällig, ftand in der Exrbprinzenftraße vor dem Haufe Nr. 30, jetzt Clever'ſche Bierwirtichaft, die andere, jeit 1810 von Stein erbaute, in der Karlitraße, war 40 Fuß breit, hatte Fahrbahn und Gehmege, Sitbänfe und eijerne Geländer. Auf der einen Seite derjelben war eine Zufahrt zum LZandgraben ala Pferdeſchwemme und für Feuers— not, auf der andern nach der Stadt zu ftand das Schladhthaus, bis

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es 1818 in die Schlachthausftraße, fpätere Leopoldſtraße, verlegt wurde.

Die Strede des Landgrabens von der Erbprinzenſtraße an bis zur Karljtraße wurde 1816 auf die Länge von 330 Fuß übermölbt.

Ehe hier die Karlſtraße über den Landgraben weiter geführt war, führte von der Zandgrabenbrüde ein Weg durch das PBromenade- wäldchen nach der Biegelhütte und nach Beiertheim, und ein anderer in gerader Richtung vom Karlsthor aus, wurde 1815—19 ebenfalls nach Beiertheim neu angelegt.

Wo jpäter das Karlsthor ftand, war eine Pallifadenpforte, das Feldthor, auch Beiertheimerthor genannt, welches nach dem Wäld- chen und dem Beiertheimer Feld führte. Als aber die Herrenftraße dorthin verlängert worden, bafite der Staat neben dem alten Feld- thor proviforisch ein neues hölzernes, mit Thorjchreibers- und Offiziers- zimmer zu beiden Seiten. 1816 wurde der erſte Thorwart ala Thor- jchreiber und Zoller hier angeltellt, doch erklärte 1821 die Polizei- Direktion, es bedürfe hier Feines Oktroi- und Zollerhebers, weil die Wache dafelbjt ja doch nichts Wccispflichtiges einlaffen dürfe, und weil, wer zum Karlsthor hereinmwolle, doch vorher an dem Ettlinger- oder Mühlburgerthor zur Entrichtung feiner Schuldigkeit vorbei müſſe, von wo er ohnedies einen meiten umd jchlechten Weg zum Karls— thor hätte.

Als 1821 die Karljtraße fertig gebaut war, follte auch dieje baufällige Interimsbarriere entfernt werden, und jo wurde 1829—30 durch Hübſch ein neues Thor mit zweiflügeligem fchmiedeeifernem Gitterthor in der Mitte, und zwei Nebenpforten zwiſchen zwei jchlan- fen, achtlantigen Steinjäulen in elegantem Stil erbaut, welches 1873 aber, außer den noch ftehenden Seitenpavillons, dem größern Ver— fehr und der Stadterweiterung zum Opfer fiel.

Die Zähringerjtraße, die ehemalige Duerallee, war 1804 auf ihrer Südjeite überbaut, an die andere Seite reichten die Gärten der Häufer der langen Straße, und von diejen mußte bis auf eine bejtimmte Tiefe zu Bauplägen abgegeben werden, wobei die Rute 8 bis 19 fl. koſtete. Durch die nach dem Marktplatz fortgeführte Ver— längerung der Straße wurde auch ein Stüd de3 reformirten Fried— hofes meggenommen, bei welchen Anlaß das Grabmal des Geheim-

rates I. I. Reinhardt, eines verdientvollen Mitgliedes der Gemeinde, 28 *

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geb. 1714 zu Die in Nafjau, geſt. 1772, nach dem lutheriſchen Friedhof verjegt wurde.

1809 erhielt auf die Bitte des Zähringerhofwirtes und Genoffen die Straße den Namen „HZähringerjtraße". Der Ausbau derjelben erfolgte unter mancherlei durch die Anjtößer der langen Straße be- reiteten Schwierigkeiten. 1808 war die Straße auch jenjeit3 des Marktplapes weitergeführt worden, konnte aber nicht in gerader Linie bis in die Ritterſtraße geleitet werden, weil das Haus des Hofrates Seubert, die jpätere höhere Töchterfchule, jetziges Nebenpoftgebäude, und der Landgraben der geraden Richtung im Wege jtanden.

Die Zähringerftraße reichte öftlich nur bis zur Waldhornftraße, wurde aber 1814 auf dringende Bitte der Anwohner durch die Eröff- nung des jogenannten Hedengäßchens zwiſchen Gärten Hindurch bis zum Durlacherthor durchgängig gemacht. In der Straße ftand 1811 da3 Haus des nachmaligen Oberbürgermeifters Dollmätſch, jet Kronenftraße Nr. 19, und das ijraelitiiche Gafthaus zum Schiff Nr. 20.

Der Zirkel, früher innerer, auch Heiner Zirkel genannt, erhielt nach und nach auch auf jeiner Nordjeite Wohnhäujer. 1809 baut Bäder Vorholz Ede des Zirkels und der Adlerſtraße, 1812 ſteht an der Ede der Bärengafje der goldene Anker, und 1816 wurde da3 Gaſthaus zum Karlsruher Hof gebaut.

Der Schloßplatz, früher äußerer oder großer Zirkel genannt, enthielt im erjten Quadrat an der Waldhornſtraße noch bis in unfere Periode die Kanzlei der Generalforjttommifjion, nebjt den Wohnungen der Oberjägermeijter v. Geujau, gejt. 1803, und v. Adelsheim, geft. 1818, vorher in der Lammſtraße, während der Teil nach der Kronen- jtraße zu Eigentum des Hofbankiers Haber war. Die Arkaden waren von Holz.

1829 bis 1833 wurde hier durch Hübjch das Finanzminiſterium in byzantinischem Stil aus rotem Sandjtein erbaut. Dajjelbe, zum Teil jchon 1830 bezogen, enthält die Amortiſationskaſſe, die Zentral: kafje für Gewerbe, Landwirtbichaft und Statiſtik, die Finanzinſpektion, das Finanzminiſterium, die Generaljtaatstajje, Stempelverwaltung, Boll- und Steuerdireftion und Steuerrevifion.

Die im nächjten Quadrat ftehende Orangerie wurde 1808 auf Abbruch verfteigert, wobei von der Kronen- bis zur Adlerjtraße Gaſt⸗

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wirt Wielandt zum Bad. Hof, Maurer Kolb, Medizinalrat Bär und Mayer Auerbacher die Baupläge erwarben, welche bis in den innern Zirkel reichten. 1810 geſchah Abbruch und Neubau. Die jogenannte „Reue Kanzlei“ zwischen Lamm und Nitterftraße, welche jedoch nach dem Berlaffen der alten Kanzlei anfangs nur die weitliche Seite des Duadrates am Schloßplag einnahm, da die öftliche der Balaft des Erbprinzen war, wurde 1780 erweitert, und da man nur ſtückweiſe aus jährlich verfügbaren Geldern baute, konnte fie erft nach und nad vollendet werden. 1793—1803 wurde das Archiv im Zirkel durch Müller erbaut, 1804 kamen die Flügelgebäude in der Lamm-— und Ritterſtraße an die Reihe, der Teil an dem Schloßplag, mo die Kanzlei in den noch ftehen gebliebenen alten Gebäuden, zu welchen auch das Erbprinzenpalai3® genommen war, untergebracht worden war, wurde erſt 1805 abgebrochen, und endlich konnte 1814—1816 der ganze Bau mit feinem großen und feinen drei Meinen Höfen und jeinen Ingebäuden fertig gejtellt, und fein Anftrich als Mufterfarbe für alle Häujer des Schloßplaßes erklärt werden. Zwiſchen Ritter: und Herrenftraße, an der legtern die Ede bildend, ftand die Kriegs— und Geheimratsfanzlei, umd in dem lebten Quadrat das 1764 neu gebaute, ehemals v. Palmſche Haus, nachher dem Prinzen, nachmaligen Großherzog Ludwig gehörig.

1831 waren am Schloßplaß Hauseigentümer: Nr. 2 der Staat, Nr. 3--6 Wielandt, Maurer Kolb, Schreiner Göhler, Auerbacher, Nr. 7—10 Apotheker Sachs Wittwe, Kaffeewirt Reinhard, Home burger, Sattler Schmidt, Nr. 11—13 General Beds Wittwe, früher Prinz Eugen, Ph. Madlot, jeit 1807, Eichthal, Nr. 14—18 Aſſeſſor Wielandt Wittwe, Wernlein, Eichrodt, Weinbrenner, Oberſchulrat, Nr. 19 Kanzleigebäude, Nr. 20—22 Model, Seubert, Kriegskanzlei, Nr. 23 Prinzenpalais, Nr. 24 Hofkaſſe.

Bon dem Schloßpla treten wir in die Linfenheimerftraße, in welcher uns, ſtatt des Scildes zum Vogeljtrauß, jeit 1752, der „Durlacher Hof,“ jebt das Note Haus, entgegenjchaut, und welchem gegenüber, innerhalb des damals noch bei der Afademieftrake ſtehenden Thores die alte Atademie fteht. 1813 fauft Königin Friederike von Schweden das dem Staatsminiſter v. Andlan gehörige Haus neben dem Durlacher Hof für 36000 fl., 1814, nad Eröffnung der Ste fanienftraße, baut General 8. Fr. H. v. Freyſtedt das Haus Nr. 13, und 1817 Bäder Siegle das Gafthaus zum Mohren. Ein weiteres

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Haus außerhalb des Thores gehörte dem Lakay Blod. Gebaut wurde in derjelben Straße 1820 das Kadettenhaus, 1828 die Wafler- und Straßenbaudirettion durch Weinbrenner, 1836 ff. die Kunfthalle durch Hübih, 1839 die Wohnung des Gartendireftor3, 1878 der Juftiz- palaft durch Leonhardt.

Das alte, hölzerne Linkenheimerthor war etwa 1750 von der Ausmündung der Waldſtraße und des Zirkels nach der damaligen Beiertheimer FFeldallee, der jegigen Akademieftraße verjeßt und maſſiv von Stein aufgeführt worden.

Diefer Neubau beitand aus einem Thorbogen mit zwei zivei- ſtöckigen Seitengebäuden, deren eines als militärisches Stodhaus und als Arreftlofal für politiiche Gefangene, das andere als Wohnung des Pagenhofmeiſters Zur und feiner Zöglinge diente. 1825, nach dem Bau des Kadettenhaufes, wurde das Thor abgebrochen, und außerhalb des Kadettenhauſes das Ludwigsthor gebaut. Dasfelbe war ein drei- teiliges, ſchmiedeiſernes Gitterthor, mit zweiflügeligem Mittel- And Ichmalern Seitenthoren. Die vier fteinernen Rundpfeiler hatten eine Fascesbündeln ähnliche Form, waren oben Fuppelartig abgerundet und mit einem darauf jtehenden, gefrönten doppelten 2 geziert. Zu beiden Seiten dejelben ftanden die Thorwacht- und Thorwartshäus- chen von Stein. 1875 wurde da3 Thor abgebrochen. Diejes Thor war dad Eingangsthor für die Hardtgemeinden, hatte daher ebenfo, wie die andern Thore, feinen Thorjchreiber, Thormwart.

Diefe Thorjchreiber hatten das Oftroi, das Weg- und Pflaftergeld zu erbeben, wovon, nach Abzug der Tantiemen des Thor- ſchreibers, je ein Dritteil dem Staat, der Stadt und der Pflaſter— kaſſe zufiel. Die Tantiemen der Thorjchreiber betrugen beiſpielsweiſe 1821 für die Monate März, April und Mat an dem Durlacherthor 112 fl. 15 fr., an dem Mühlburger 55 fl. 44 fr., dem Ettlinger 43 fl. 25 £r., dem Linkenheimer 27 fl. 24 fr. Der Thorjchreiber am Karlathor, welches damals noch kein Einfahrtsthor war, hatte 200 fl. in bar, 20 fl. für jeine Montur und 4 Meß Holz; von der Amts— kaſſe. Thorjchreiber waren an dem Durlachertbor Walz, dem Ettlinger Stadtmüller, dem Rüppurrer Enderle und nach ihm Jakob, dem Mühlburger Donay, dem Linfenheimer Wolf und dem Karlsthor Antony.

Die Unterhaltung der Stadtthore wurde bis in die fechsziger Jahre (1862) von Stadt und Staat hälftig getragen, wie auch die

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Benutzung geteilt war, 1875 aber, den 2. Juni, gingen fänumtliche Thore, beziehungsweife Thorpläge, in ftädtijches Eigentum über, wie auch die Unterhaltung der Gehwege der Kriegsſtraße feit 1872 von der Stadt übernommen murde.

Eine der erjten der in unjerm Jahrhundert neu angelegten Straßen ift die Akademieſtraße, früher Beiertheimer Feldallee. 1805 projek- tirt, wurde diejelbe 1806 ausgeſteckt, aber erſt 1812 von wenig Baus Iuftigen eröffnet, doch finden wir 1816—18 bei rajch zunehmender Bauluft Neubauten von Schreiner Berkmann, Berüdenmacher Kühnle, Defonomierat Leske, Silberdiener Hambel, Leibkutſcher Schweizer, Haus- meifter Lattus, Büchjenmacher Lichtenfels, Balier Mayer, Oberrevifor Schmidt, Briefträger Berta, Tapezier Reinhold, Hofgärtner Hubel, Schneider Hämmerlein und dem Bedienten Schuhmacher. Verlängert wurde die Alademiejtraße über die Karlsſtraße hinaus nach dem Ver— fauf des Langenfteinichen Gartens. Die Parallelſtraße der Alademie- ftraße, die Stefanienftraße, früher Grünminflerallee, aladann auch neue Drangeriejtraße genannt, wurde zwei Jahre nad) der Aka— demieftraße, 1814, eröffnet. Die erſten Häufer darin bauten 1817 Bäder und Mohrenwirt Siegle und 1818 Schreiner Krattinger, jebt Nr. 4. 1826, den 10. Februar, wurde durch Großherzog Ludwig die Grundfteinlegung der neuen Münze vorgenommen, dieje durch Weinbrenner erbaut, und am 9. Februar 1827, dem Geburtätage des Großherzogs, das erjte Fünfguldenftüd in Gold darin geprägt. Die übrige Strede bi3 an das Mühlburgertbor war noch mehrere Jahre fint3 durch den Langenfteinichen Garten, recht3 durch Privatgärten und Zimmerpläge eingenommen, bis 1831 das Pfründnerhaus bei dem Mühlburgerthor gebaut wurde, und weitere Bauten raſch nach— folgten, wobei aber die Waldjeite längjt gebaut war, ehe 1873 die Baupläge auf dem Langenfteinichen Garten frei wurden.

Die Straße, welche in der der Stefanienftraße entiprechenden Rich— tung jich gegen das Mühlburgerthor binziebt, die Amalienſtraße, anfangs Mühlburgerthorftraße genannt, wurde 1809 eröffnet. Erſte Hausbefiger in derjelben find 1811 Sergeant Argaft und Zimmer mann Geiger, 1814 Maurer Kunz, 1815 Zimmermann Grünling, 1818 Maurer Weber, Zimmergejelle Markjtahler, Ede der Umalien- und Malditraße, jegt Nr. 25.

Die Hirſchſtraße, 1814 begommen, hatte als erjte Hausbe— figer 1815 Schreiner Ludwig, Ecke der langen Straße, jept Nr. 231,

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Bimmerbalier Schalt, Schuhmacher Maurer3 Wittwe, 1816 Schloffer Römhildt, 1818 Maurer Müller. 1827 ftand noch an der Kreu- zung der Hirſchſtraße und Amalienftraße ein Oftroihäuschen und ein Pidetthor, welches 1835 abgebrochen wurde.

Die Leopoldjtraße wurde zunächit durch die 1818 erfolgte Verlegung des Schlachthaufes hierher begonnen, und hieß deshalb bis 1865 Schlachthausſtraße. Die Negierung hatte den Plab zum Schlahthaus am Landgraben für 8 fl. 30 kr. die Rute an die Stadt abgegeben, und die Steine zur Wölbung de3 Landgrabens, fowie ihre Steinschiffe unentgeltlich dazu bewilligt, indem fie zugleich auf 133 fl. 20 fr. verzichtete, welche der Steinfanalfafje als Dritteil der Fracht zugefallen wären. Die Verlegung des Schlachthaufes von bier an die Durlacher Allee fällt in unjere Tage. Erſt im Jahr 1870 wurde die jeit 1865 zur Leopoldſtraße umgewandelte Schlachthausftraße durch eine Genoffenjchaft mit zwölf Häufern angelegt, und ift in den Ießten 16 Jahren vollftändig ausgebaut worden.

Die Lindenftraße wurde 1827—1828 durch Weinbrenners Erben, Hauptmann Holg und Miniftertalrat Walz, innerhalb der damals noch hier jtehenden Ahamauer angelegt, und 1829 durch Ober- baurat Lang das ftädtiiche Mädchenjchulhaus hier erbaut. Den Na- men Lindenftraße erhielt fie erjt 1838.

Die Kriegsſtraße, welche ihren Namen daher erhielt, daß in Kriegszeiten durchziehende Truppen gewöhnlich auf diefem Wege die Stadt umgingen, war 1795—1796 von dem Nüppurrer= bis zum Ettlingerthor angelegt worden. 1809—1810 wurde ſie bis zum Karlsthor und Promenadewäldchen (Glashüttenwäldchen) weitergeführt, an deſſen Anfang das von Karlsruhe fleißig bejuchte Bromenadehaus lag, und durch welches der Weg zur Schwimmjchule in der Alb führte.

1818 lag zwiſchen dem Beiertheimer Weg und der Kriegsſtraße vor dem Ettlingerthor der Garten des Poſthalters Kreglinger, jetzt Klofe, und weftlich davon der des Hofjuweliers Drepler. Dieje Gärten waren aber zum Teil nicht eingefriedigt, und als nun ein 11° breiter Promenadeweg längs derjelben angelegt ward, wurde den Eigentümern auferlegt, längs der Promenade Objtbäume zu pflanzen, ihre Garten- einfaffung, jedoch nicht über 6‘, gleichmäßig berzuftellen, und ihre Üborte zurüdzuverlegen. In demjelben Jahre wurde die Spite des Kreglingerichen Gartens, wo jetzt das Kriegerdenkmal jteht, von der

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Regierung angefauft, und 1826—1827 der Weg von dem weftlichen Ende der Kriegsſtraße nach dem Mühlburgertbor gerade angelegt und verbreitert. Der von dem Mübhlburger- bis zum Riüppurrerthor lau— fende jogenannte Ahagraben wurde nach und nad), 1865—1868 bis zum Erbprinzengarten, feitdem auch an dieſem ausgeebnet und zur Erweiterung des nördlichen Gehweges der Kriegsſtraße benußt.

1845 wurde an dem weltlichen Ende der Kriegsſtraße in dem Promenadewäldchen das Militärjpital, 1848 das Waiſenhaus, und 1853 das Vinzentiushaus vor dem Karlsthor gebaut, und von da an folgten raſch nacheinander die Bauten zahlreicher Villen und Häufer mit gejchmadvoll angelegten Vorgärtchen, zuerjt auf der Feld— jeite, dann auf beiden Seiten, bis auch die neue Weſtendſtraße, welche bis 1880 wejtliche Kriegsſtraße hieß, fich anjchloß. *)

Unter den reichjt und gejchmadvoll gebauten Häufern der Kriegs— ftraße nennen wir von vielen nur die Billa Mojer, Bürklin, St. Andre u. A.

Der mit der Zeit vielfach erweiterte urjprüngliche Stadtplan zeigte fich in umjerer Periode bei rajchem Wachstum der Einwohner: zahl bald zu eng, und troßdem mar die Regierung einer allein na= turgemäßen Erweiterung der Stadt nach Süden hin über die Kriegs— ftraße hinaus lange Zeit abgeneigt. Vor dem Rüppurrerthor ftanden wohl einzelne Gebäude, wie das Schügenhaus, die Vleiche, die mili— täriiche Wafchanftalt, aber feine Privatwohnhäuſer. Die Anlage von folchen vor dem Ettlingertbor war 1816 verboten worden, 1821 erhielt Gärtner Männing die Erlaubnis, ein Haus, jedoch nur ein Gartenhaus dort zu bauen, noch 1830 wurde, jo lange noch freie Plätze in der Stadt jeien, das Bauen vor dem Ettlingerthor nicht gejtattet, und als 1831 Bäder Wagner bei jeiner Melterei an der Nüppurrerftraße, zwiſchen Schießhaus und Nugartenwirtichaft, ein Haus bauen wollte, wurde ihm dies nicht geftattet. Vor dem Rüp— purrertbor jtanden trogdem 1840 jchon über 20, vor dem Ettlinger 6, vor dem Mübhlburger 4, vor dem Karlsthor ein Haus, vor dem Durlacher nur Militärbauten.

Der Bau der Eiſenbahn im Jahr 1842 zeigte, daß die Ver—

) In neueſter Zeit wurde auch die neu entſtandene Oſtendſtraße mit der nach Oſten hin verlängerten Kriegsſtraße verbunden.

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bäftniffe jtärker find, als des Menjchen Willen. Hinter dem neuen Bahnhof lagen die feit 1817 angelegten jogenannten Neuen Gärten, und durch diefe zogen fich von Dften nach Weften vier Gartenwege, Alleen, welche bald zu Straßen werden follten. Doc ftammt der eigentliche Plan zur Erbauung des Bahnhofftadtteils erft aus dem Jahr 1847.

Schon 1843 hatte die Regierung und Stadtbehörde einen Plan entworfen, nach welchem um die ganze Stadt von dem fogenannten Geifenthörle vor dem Lintenheimerthor, in der Richtung der jegigen Bismardftraße, Weitend- und Kriegsftraße und durch die Friedhofallee bis and Durlacherthor ein Promenadeweg geführt werden follte. Die Gegenwart hat diejen Plan durch Straßenanlagen ausgeführt.

Bon nun an erjcheint die Stadt wie ein Strom, der die Dämme feines Ufers durchbrochen hat, nach allen, irgend möglichen Musgängen wirft fie die fort und fort machjende Flut ihrer Bevölferung, nad Süden hin ftreden die Straßen ihre Verlängerungen über die Kriegs- jtraße hinaus, und jenjeit3 des Bahnhofes entfteht eine neue Stadt, nach Norden zu entreißt fie, jo weit e8 möglich ift, dem Hardtwald ein Stüf Waldland nach dem andern, nach Dften und Weften ftredt fte ihre Hände weit hinaus nach den Gemarkungen von Beiertheim, Rüppurr, Rintheim, nach dem Boden der Hofdomäne, nad) den Nach— barftädten Durlach und Mühlburg, welche letztere fich jeit zwei Jahren der immer näher rüdenden Refidenz Tiebend in die Arme geworfen hat.

Zum Beweis defjen führen wir hier die jeit 1830 neu angelegten, oder doch in ihrer Benennung veränderten Straßen und Plätze an.

1830— 1840 Kaſernen- und Lindenitraße, Verlängerung der Zähringerftraße bi3 zum Durlacherthor, Querſtraße, 1844 Karl-Frie— drichöftraße ftatt Schloßjtraße, Steinftraße für Stadenftraße, 1856 erite Bauten der Nowacksanlage, 1865 Bleichitraße, jpäter Werder- Straße, Bahnhof» und Schügenftraße, Softenftraße und Leopoldftraße für Neuthor- und Schlachthausftraße, Benennung der Nowadsanlage als Straße, 1866 Wilhelms und Viktoriaftraße, 1869 Friedrichsplaß, 1871 Beiertheimerallee, Beiertheimer Feldweg, Marienjtraße, Pro- menadeweg, Rintheimerweg, Seminarjtraße, wejtliche Kriegsſtraße, 1870--1871 von Emminghaus und Cathiau nad) gemeinjamem Plan angelegte Wörthitraße, 1872 Bismard- und Belfortitraße, Gott3auer Weg, Schwanenftraße, Schloßplaß für äußerer Zirkel und Zirkel für

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innerer Zirkel, 1873 Roſenhof, Schüenplak vor dem Müblburgerthor, Ankauf des Langenfteinjchen Garten? durch die rheinifche Baugefell- Ichaft zu Bauplägen, wovon 1874 Nr. 146, 148 und 150 überbaut waren, 1874 Douglasftraße ald neue Benennung und Fortjeßung der Kafernenftraße, Ettlingerftraße für Ettlingerlandftraße, Gottsauer Bor: ftadt, Luiſenſtraße, Werderſtraße für Bleichſtraße, Wielandſtraße, 1875 Hebelſtraße für Lyceumsſtraße, Scheffelſtraße, 1876 Verlängerung der Hirſchſtraße über die Kriegsſtraße, 1877 Schillerſtraße, 1878 Gotheſtraße, Garten⸗, Schul- und Weſtendſtraße, 1879 Kaiſerſtraße für lange Straße, verlängerte Karlſtraße für Beiertheimerfeldweg, 1880 Leſſingſtraße, Auguſtaſtraße, 1881 Oſtendſtraße für Friedhof- allee, 1883 Bürgerſtraße für Heine Herrenſtraße, Fichte-, Grenz-⸗, Jahns-, Schirmerſtraße, Kunſtſchulplatz, 1884 Friedhof-, Kurven⸗, Wolfartsweiererſtraße, 1885—1886 Verlängerung der Sofienſtraße und der Gartenſtraße nach der Nheinthalbahn bin, Hermanns- und Dorotheenſtraße, Friedensſtraße, Friedhofſtraße, Körner und Uhland- ftraße, Südweſtendſtraße, Kaiferallee für Mühlburger Landitraße, Mühlburgeralleeitraße, Durlacher Allee für Durlacher Landftraße u. ff. Eine bejonder8 jchöne und großartige Anlage außerhalb des ehemaligen Ettlingerthores, jenfeit3 der Eijenbahn, verdankt Karla» ruhe der Thätigkeit jeiner Stadtbehörde und dem Gemeinfinn feiner Einwohner, Schon 1805 war da3 30 Morgen große Beierthei- mer Wäldchen vor der Stadt abgejhägt worden, ala Eigentum an den Staat übergegangen, und zu Spaziergängen bejtimmt. Dasjelbe enthielt damals 668 Eichenjtämme, und zwar 441 erfter Klafje im Alter von 90 140 Jahren und 227 im Mlter von 40—90 Jahren. Außerhalb diejes Wäldchens lag die fogenannte Schieß- wieje, welche fich früher von dem Schießhaus an der Rüppurrer- ftraße, mit Unterbrechung durch die Ettlingerjtraße, und durch einen weiter mweftlich quer durchziehenden jchmalern Straßendamm bis gegen Beiertheim hin erftredte. Der öftliche Teil derjelben zwiſchen Rüp— purrer- und Ettlingerjtraße war zu Ende der 20er Jahre jchon aus- gefüllt und zu den neuen Gärten angelegt, während der übrige Teil, im Winter künftlich überſchwemmt, den Schlittichuhläufern zum zahl: reich bejuchten Tummelplatz diente, wie dies noch jeßt der Fall ıft. 1859 jollte auch das auf Beiertheimer Gemarkung liegende Sallen- wäldchen, welches einen Teil der Beiertheimer Viehweide bildete, zur Karlsruher Gemarkung gezogen werden. Beiertheim weigerte fich, darauf

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einzugeben, wurde auf dem Adminiſtrativwege dazu verurteilt, und auch auf dem von ihm bejchrittenen Rechtswege abgewiejen. Deshalb wendete jich die Gemeinde 1860 an die Landſtände, welche dahin entjchieden, daß die Abtretung an Karlsruhe gegen eine von Beiert- heim feftzuftellende, entiprechende Entſchädigung zu geichehen habe, was 1861 gejchah. 1864 wurden von der Stadt 51), Heltaren an dem Güdende des Sallenwäldchens dem inzwiſchen gegründeten Badischen Geflügelzuchtverein zur Benutzung überlaffen, und von diefem nach und nach zu einem Tiergarten mit Anlagen und mit Behältern für Geflügel und andere Tiere angelegt, in deſſen Mitte der frühere Schwemmteich der Beiertheimer Schweineherde lag, welcher dekhalb von den Karlsruhern Saubad genannt wurde. Das Sallen- wäldchen, obwohl jchon lange von Spaziergängern benußt, war aber noch eine Wildnis geblieben, und ſelbſt der in „Ludwigsſee“ umge- wandelte unjchöne Namen des Teiches im Tiergarten, in defien Mitte auf einer künftlichen Injel der vom Brunnenhaus entfernte Neptun feinen neuen Thron aufichlug, übten noch wenig Anziehungskraft zum Bejuche des Tiergarten® und des anftoßenden Sallenwäldchens.

Grit 1871 wurde die Anlage diejes jetzt jo freundlichen Wäld- chen begonnen; ein See mit Springbrummen und einem Kiosk für mufikalifche Aufführungen, künftliche Felspartien und Wafferläufe mit niedlichen Wafjerfällen, Spiel- und Auhepläße für Jung und Alt laden zu Beſuchen und Spaziergängen ein. Eine von Moeft mobellirte, von Dykerhoff und Widmann in Cement ausgeführte Koloffalgruppe, den Triumph der Galatea darftellend, bietet, von riejelndem Waffer überfprudelt, ein gar freundliches Bild in dem friſchen Waldesgrün, und unter der hohen Wölbung fchattenspendender Baumkronen.

Schon anfangs der 60er Jahre hatte der unternehmende Schneiber- meister Werzinger auf dem Ludwigsſee Probefahrten mit feiner Heinen Dampfgondel angeftellt und war von der Schiekwieje aus mit einem Luftballon aufgeftiegen, 1871 hielten die Karlsruher Sänger ihren Sängertag und ein Nachtfeft im Sallenwäldchen, in welchem auch die Turner ihre Uebungen abhielten.

Mehr und mehr machte jich für Karlsruhe das Bedürfnis geltend, für fejtliche Veranlaffungen und Berfammlungen ausreichende, größere Räume zur Verfügung zu haben, insbejondere da in unjerer an den verjchiedenjten Vereinen jo reich gejegneten, und zu fejtlichen Ver—

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einigungen fo ſehr geneigten Zeit, die Reſidenz der naturgemäße Ver⸗ einigungspunkt ſein mußte.

Der ſeit 1875 geplante Bau einer Feſthalle ſtieß zwar anfangs auf Widerſpruch, die energiiche Feithaltung des Planes, und die Macht der Verhältniffe befiegten aber bald jeden Widerfpruch, und der einmal bejchloffene Bau wurde raſch ausgeführt. Von Oberbaurat Durm entworfen und geleitet, war bderjelbe im Frühjahr 1877 fo weit vollendet, daß er durch das Jubelfeft im April 1877 feine würdige Einweihung feiern konnte.

Die Feſthalle fteht auf einer Grundfläche von 3240 Duabdrat- metern, der große Feſtſaal mit den um denfelben laufenden Gallerien ift 1645 Quadratmeter groß, der Saal an ſich 30 Meter breit und 60 lang, der am Weftende des Gebäudes befindliche Heinere Feſtſaal, in der Höhe des den großen Saal abjchließenden Podiums, umfaßt einen Duadratraum von über 500 Meter, bei 36 Meter Länge, 12,5 Meter Breite und 9 Meter Höhe. An der Südfeite der großen Halle und unter dem kleinern Saale befinden fich die verjchiedenen Wirtjchafts- und Kellerräume, unter denen bejonders die gejchmadvoll eingerichtete altdeutiche Weinftube zu erwähnen ift.

Die Malereien und plajtiichen Ornamentirungen find von Kloſe, Hörter, Gleihauf und Moejt, die Sinnſprüche an den Wänden von Scheffel und Cathiau. 1800 Gasflammen bringen eine wirkungsvolle, tageshelle Beleuchtung hervor, das Podium bietet bequem Raum für 1600 Sänger mit dem Orchejter, die Halle jelbjt für 3000 Gäfte. Das an Pfingsten 1877 Hier abgehaltene allgemeine badiſche Sänger- feft bot fjogar für 2500 Sänger und 5000 Zuhörer genügenden Raum, und feitdem dient die Feſthalle zu jeder Zeit als Vereini- gungsraum für feftliche Anläfje der mannigfaltigjten Art, für Konzerte, Bankete, Bälle, Mastenfefte u. ſ. w., und es find wohl Wenige mehr in der Reſidenz, welche nicht mit einem gewifjen patriotijchen Stolze den jchönen Bau betrachten.

Hinter dem weftlichen, jehr gejchmadvoll ausgeführten Portal an der Heinen Feſthalle, ſowie ſüdlich davon liegt der vielbejuchte Stadtgarten mit Anlagen für Gartenwirtichaft, gededten Hallen, einem Mufitpavillon, jchönen Baum- und Gebüjchanlagen und einem etwa 1'/, Hektar großen See, auf welchem in der jchönen Jahreszeit Liebhaber der Waflerfahrt, im Winter die Freunde des Schlittichuh-

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laufens ihre Unterhaltung finden. Aus den Anlagen des Stadt- gartens führt eine Brüde in den anftoßenden Tiergarten, deſſen Ver- waltung feit 1880 von dem Geflügelzuchtverein an die Stadt über- gegangen ift.

In der Nähe der Feſthalle, an der norböftlichen Ede des Stadtgartenz fteht das ftädtiiche Wierordtsbad, eine weitere Bierde des Platzes. 1873 wurde dasjelbe aus einer teftamentarifchen Schenkung des Bankiers Vierordt mit weitern Zuſchüſſen aus ſtädtiſchen Mitteln gegründet. Von Oberbaurat Durm in italienischem Renaij- janceftil ausgeführt, in dem Kuppelbau der Wartehalle durch italienifche Landichaftsbilder von Kloſe, und Sinnſprüche von Scheffel ausge: ſchmückt, mit Freslen von Gleichauf und den Büſten des Großherzog- lichen Paares in den Vorhallen geziert, enthält der 72 Meter lange Bau nicht nur aufs zwedmäßigfte und ſchönſte ausgeftattete Räume für gewöhnliche Wannenbäder, fjondern auch unter ärztlicher Zeitung ftehende Einrichtungen für bydropneumatiiche und andere Heilbäbder.

In der Mitte der Vorhalle lejen wir die Injchrift:

Unter Großherzog Friedrichs fürderndem Schuß duch Heinrich Vierordts hochherzige Schenkung und der Bürger Beichluß erbaut 1873. Auf beiden Seiten fteht: Perstat in corpore sano mens sana, Balnea si colis quotidiana. und: Pulvere, cura morbisve gravatus Lautus et laetus exibis sanatus,.

In der Gejchichte der Privatbauten unferer Stadt, abgejehen von Kleinkarlsruhe, laſſen fich drei wejentlich verjchiedene Perioden unterjcheiden, welche wir, vom Standpunkt des Laien betrachtet, im allgemeinen die Zeit des Barafenbaues, des jchlichten Hausbaues und de3 Palaft- und Villenbaues nennen möchten.

In der erften finden wir die tief am Boden, auf jchmalem Sodel figenden, nach holländiſchem Muſter gebauten, anderthalb- ſtöckigen Meodellhäufer der Gründungszeit, mit über dem jchmalen Vordach des Unterjtodes zurückſtehenden Manjarden. Bon folchen Häufern, welche jeit 1750 nicht mehr neugebaut werden durften, und

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welche jüdlich jenjeit3 der langen Straße überhaupt nicht vorfamen, find gegenwärtig noch vorhanden in der Waldſtraße Nr. 9 und 37, in der Herrenftraße Nr. 7, 11 und 14, in der Stronenftraße Nr. 3 und 14, in der Waldhornftraße Nr. 12, in der Kaiſerſtraße Nr. 28, 30 und 103. In wenig veränderter Form, mit noch etwas zurüd- ftehendem zweiten Stod an der Stelle der Manfarden, aber ohne das Vordach, wie 3. B. Waldhornftraße Nr. 14, 24, Kronenftraße Nr. 18 und 20, Zirkel Nr. 28 und zahlreich, bejonders in dem Pfannenftiel, erjcheinen die Käufer, welche, einen Uebergang in die kommende Periode bildend, von 1750 an, nach Karl Friedrich Anordnung, beim Aufbau auf den untern Stod der erften Modellhäufer hergeftellt wurden. Zugleich hatte Karl Friedrich beftimmt, daß bei Neubauten ganzer Häujer oder neuer Façaden wenigftens diefe ganz von Stein aufgebaut werden jollten, und jo kam die Zeit der einfachen, wenig ornamentirten, meist zweiltödigen Stein- und Verputz-Façaden, wie wir diejelbe an unjern Privathäufern bis in unjere Zeit herein gejehen haben, und wie fie noch jegt den mejentlichen Karakter der, von dem Ende des vorigen Jahrhunderts bis in den Anfang des jegigen entjtandenen Straßen, zugleich aber auch die Grumdbedingung der für Luft und Sonne zugänglichen, gefunden Beſchaffenheit diejer Straßen bildete, woran allerdings auch die der neuen Stadtanlage entiprechende Breite jämmtlicher Straßen einen wejentlichen Anteil hat.

Die dritte Periode, die Zeit der Prachtbauten, teil3 in, teils außerhalb der bisherigen Stadt, bejonders in den neu erjtandenen Straßen und Stadtteilen, wie der Kriegs», Weſtend-, Ettlingerjtraße und dem Hardtwaldftadtteil, gehört vorzugsweiſe dem Stil der italie- nijchen und deutjchen Renaiſſance an.*) Die Facaden diejer Häujer, reich, oft beinahe überreich, an architeftonischer Ornamentik, an künſt— lerijch bearbeiteten Gurten, Gefimjen, Bilaftern, Niſchen, Erfern, Balkonen, Statuen, erinnern nicht jelten an den Rokokoſtil des vorigen Sahrhunderts, und jcheinen beinahe auf den zuläffigen Höhenpunkt ihrer fünftleriichen Vollendung angekommen fein.

Zu dem Bau berrichaftlicher Schlöffer und größerer Bauanlagen ließ man, wie wir in dem Verlauf unferer Gejchichte gejehen, die Pläne durch italienische Baumeifter entwerfen, wie denn auch bei dem

*) Als bedeutenditer Vertreter der erftern erfcheint Baurat, jept Oberbaus direftor Durm, der legtern der Privatbaumeifter &. Ziegler.

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Karlaruber und Stuttgarter Schloßbau (beide erbaut von Leopold von Retty) ſolche Meifter beigezogen wurden, jo daß ſolche Gebäude in der Regel den Stil der ältern italienischen Renaifjance an ſich tragen, und halb im Rokoko, halb im jogenannten Zopfftil ausge führt find.

Die jchon zur Gründungszeit eingejeßte markgräflide Bau- fommisjjion beftand aus irgend einem verhältnismäßig bauver- ftändigen adeligen Herrn, wie bier dem Herrn von Keßlau und dem Ingenieurleutnant von Batzendorf, einem Rechnungsbeamten, wohl auch einem gewöhnlichen Bauunternehmer oder Werkmeiſter. Sie hatte bauptjächlich die vorjchriftmäßige Anlage der Straßen und Haus- bauten zu überwachen, und e3 begegnet uns im unſerm Karlsruhe in den erjten 40—50 Jahren jeines Beftehens fein eigentlicher Architekt bon Bedeutung. Erjt die jeit 1750 angeordneten Steinbauten mach: ten jolhe Männer notwendig, und jo finden wir den Baudireftor Müller als den Erbauer der meiften öffentlichen Bauten diejer Zeit. Bon ihm ſtammen als ftilgemäße Bauten die Heine Kirche und das Durlacherthor 1772, das Zeughaus 1779, das Archiv 1799, das jchwediiche Palaıs, der grüne Baum am Durlacher Thor, und viele Privatbauten. Müller jtarb 1801, und fein Nachfolger in baulicher und amtlicher Thätigkeit wurde Friedrich Wein- brenner. 1761 trat Job. Ludwig Weinbrenner, Zimmermann aus Untertürfheim in der Herrichaft Hohenlohe-Schillingsfürft, als Bürger bier ein, und heiratete die Tochter des Zimmermann Arnold, defien Sohn, der fpätere Militäroberbaudireftor Fr. Arnold, das Kadetten- 29. November wurde dem Zimmermann Weinbrenner ein Sohn geboren und 3. 3. Friedrich genannt. Diejer erhielt jeine erjte technische Ausbildung in dem Baufach durch den Artillerie-Haupt- mann 3. J. Zur, übernahm 1787 die Leitung von Bauten in Zürich, ging 1789 nach Wien, wo er die Baualademie unter Vinzenz Fiſcher bejuchte, alsdann 1790 nach Berlin, und von bier, auf den Rat des Malers Karftens und der Brüder Genelli, nach Italien, wo er viel in Künftlerfreifen, namentlich mit dem Altertumsforjcher Zoega, der Malerin Angelita Kaufmann, mit den Malern 3. Chrift. Reinhart und Joſ. Ant. Koch verkehrte. 1799 kehrte er nach Karlsruhe zu: rüd und wurde Bauinjpeftor, jedoch mit geringem Gehalt, weshalb er nach Straßburg überfiedelte, und dort die Denkmäler von General

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Deſſaix in Straßburg und von General Beaupuy in Neu- Breifach erbaute. 1801 nach Karlsruhe zurüdgelehrt, wurde er nach Müllers Tod Baubirektor, 1807 Oberbaudireftor, lehnte 1809 einen Auf nach Hannover ab, wurde 1825 Geheimrat und ftarb den 1. März 1826,

Weinbrenner ift als der Gründer des neuern ftädtiichen Karls— ruhes zu betrachten. Er bethätigte an zahlreichen öffentlichen und Privatbauten die Originalität feiner architeftonischen Anjchauung, gab den Privatbauten edlere und bedeutendere Raum- und Mapßverhält- nifje mit höhern, [uftigen Stodwerken und Fenfteröffnungen, jedoch ohne befondere Ornamentirung der Außenfeite der Gebäude. Für öffentliche Bauten wendete er vorzugsweiſe den klaſſiſch-römiſchen Bau- ftil mit von Säulen getragenen Vorhallen und Giebelbauten an, und ift auch in unferer Stadt mit dem Schluß der Zopfitilperiode der Begründer eines neuen Stils, de3 unter franzöfiichem Einfluß einge führten fogenannten Empireftileg geworden. Von und nach MWein- brenner ausgeführte öffentliche und Privatbauten find die evangelifche und katholische Kirche, das Rathaus, das Markgräfliche Palais, das Ständehaus, die Münze, die Infanteriefaferne, da3 Muſeum, die alte Synagoge, das frühere Hoftheater, das Lyceum, die Kanzlei des Minifteriums de3 Auswärtigen, die Gartengebäude der Markgräfinnen Friederile und Amalie, die Anlage der Schloßftraße, des Marktplatzes und Rondells, das Ettlinger- und Mübhlburgerthor, der gotijche Turm und vieles Andere. Neben feiner umfafjenden, bis zur Zeit des Eijen- bahnbaues beherrichenden praftifchen Thätigkeit hielt er auch in feinem Baubureau bei dem Ettlingerthor für ältere und jüngere Schüler eine theoretiſch⸗praktiſche Baufchule, aus welcher zahlreiche, tüchtige Schüler hervorgegangen find, und ebenjo war er auch literarifch mit Erfolg und Anerkennung thätig.

Seine bauliche Thätigfeit ging aber auch über die Mauern feiner Baterftadt hinaus, das Konverſationshaus, die Altertumshalle, das Dampfbad, die Trinkhalle in Baden, das neu bergeftellte Schloß Eberftein bei Gernsbach, das Stadttheater in Leipzig, ein Gefängnis in Hannover und ſogar ein ländliches Schloß in der Krimm zeugen von der weiten Verbreitung feines Ruhmes und feiner vieljeitigen Wirkſamkeit, und ſelbſt die Namen feiner Schüler, eine® Moller, Hübſch, Eifenlohr, VBerdmüller würden genügen, um ihm ein ehren- volles Andenken bei der Nachwelt zu fichern.

Obwohl ein Schüler Weinbrenners ſchlug doch Heinrich

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Hübſch, geboren 1795 in Weinheim, gejtorben am Charfreitag 1863 in Karlsruhe, eine derjenigen feines Vorgängers und Lehrers entgegengejegte Richtung ein. Derjelbe wendete ſich dem altchriftlich- romanischen, dem byzantiniichen Bauſtil zu, und leiftete in Ddiefer Richtung nicht minder Ausgezeichnete und Dauerndes. 1813 hatte er, um Philojophie und? Mathematik zu jtudiren, die Univerjität Heidelberg bezogen, trat 1815 in Weinbrenner® Bauſchule ein, bereiste 1817—20 Italien und Griechenland, wohin er jpäter wiederholt zurüdfehrte, bejtand 1820 feine Prüfung als Architekt, trat, von einer Reife in Italien zurüdgerufen, al3 Lehrer in die Städel'ſche Baufchule in Frankfurt ein, wurde 1827, auf die Ver— wendung de3 Finanzminifterd Böckh, als Stadtbaumeifter und Baurat hieher berufen, 1831 Baudireftor, 1846 Dberbaudireftor. Seine langjährige Thätigfeit als Baumeifter, Lehrer an der polytechnijchen Baufchule, ſowie als Fachſchriftſteller war eine vieljeitige und erfolg- reiche.

Die Bauten aus der Regierungszeit de3 Großherzogs Leopold find vorherrjchend in jeinem Sinn und Geifte ausgeführt. Im Gegen- jag zu den flachen Deden des Hauptbaues und der wagerechten Lleber- ipannnng der Säulen und Pfeiler des Eaffiich-griechifchen und römi— jchen Stils, wendete er vorzugsweije die VBogenüberjpannung und den Gemwölbebau an, und gab auch in den Firchlichen Bauten dem Rund- bogenftil der altchrijtlichen Bafılifa den Vorzug vor dem gotijchen Spitzbogen.

1850 trat er in Rom zur katholiſchen Kirche über.

Außer zahlreichen Kirchen im Lande, worunter beſonders die Kirche in Bulach und die evangeliſche Kirche in Freiburg zu nennen ſind, baute er in Karlsruhe das Karlsthor, das Polytechnikum, die Gemäldegallerie, das Landesgejtüt, das Finanzminifterium, den Gartenpavillon de3 Muſeums, das Hoftheater, den Wintergarten, das Minifterium des Auswärtigen‘ und andere,

Gleichzeitig mit Hübſch wirkte als Architeft und Lehrer an der Bauſchule Friedrich Eiſenlohr, geboren 1805 in Lörrach. Derſelbe machte ſeine Studien unter Kirchenbaumeiſter Chriſt. Arnold in Freiburg, und nachher in Karlsruhe, bereiste 1828—29 Italien, machte 1830 jeine Staatsprüfung und wurde jchon zwei Jahre darauf Lehrer an der Baujchule, 1839 Profeſſor, 1853 Direktor derjelben

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und Baurat. Derjelbe fand bei dem in feine Zeit fallenden Bau der Eijenbahnen reichliche Gelegenheit, an zahlreichen Hochbauten derjelben feine auf romanifchen und rein gotischen Grundlagen bafirte Fünft- leriſche Originalität zu bethätigen. infache, anjprechende und naive Naturauffaffung, in naturgetreuen, nicht übertündhten Formen, zeichnen jeine Bauwerke aus, fei es in der jchlichten Erjcheinung eines Bahn- warthaufes, oder einem ftattlichen Bahnhofgebäude, fei es in dem heimiſch mwohnlichen Privathaus, oder in dem Bau der Kirche und Kapelle. Die Herjtellung des Drtenberger Schlofjes im Kinzigthal, die Neftauration der Stadtkirche in Lahr, die Trinkhalle in Baden» weiler, die Friedhofkapelle in Karlsruhe, die nach jeinem Plane durch Baurat Lang vollendete evangelijche Kirche in Baden, der Bahnhof in Karlsruhe, deſſen Abänderung eine unabweisliche Forderung des vergrößerten Verkehrs wurde, und jelbjt fein eigenes Wohnhaus Karlſtraße Nr. 15 find ebenjoviele bleibende Denkmäler feiner eigen- artigen architeftonischen Anjchauung und Thätigkeit. Eiſenlohr ſtarb zu früh für die Kunft und für die Wiflenfchaft, für welche er auch (iterarijch vielfach thätig war, den 27. Februar 1854.

In dem Bau von WPrivathäufern bemerken mir von dem verhängnisvollen Jahre 1849 bis etwa 1860 einen auffallenden Stillftand.

Bon 1860 an aber zeigt fich unfere neufte Bauperiode, die Periode der Renaiſſance, in ihren erjten Anfängen. Fr. Th. Fiſcher, geboren 1803 in Karlsruhe, ebenfall3 ein Schüler Weinbrenners, murde, nach wohlbejtandener Prüfung und größern Studienreifen, 1835 bier Bauinjpeftor, 1844 Baurat, 1855 Oberbaurat, 1864 nad) Hübſchs Tode Baudireftor, und ftarb 1867. Bon ihm wurden bier gebaut das Pfründnerhaus, die Erweiterung de3 Polytechnikums, die Majchinenbaufchule, das Gymnafium nach feinen Plänen ausgeführt, von ihm der Umbau des Palais der Großherzogin Sofie beim Karlsthor geleitet, und zahlreiche Kirchliche und weltliche Bauten im Lande hergeftellt.

Der lebte Meifter aus der Weinbrennerjchen Schule war Joſef Berdmüller, der Sohn des 1832 hier verftorbenen Baumeifterd Berdmüller. Er war geboren in Karlsruhe am 11. De- zember 1800 und ftarb am 6. April 1879 in dem Haufe. Nr. 57 der Stefanienftraße. Ihm verdankt Karlsruhe die Herftellung des Sriedrichsplages und den Bau des Sammlungsgebäudes.

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Unſere neuefte Periode bringt allenthalben, ftatt der alten, neue, mehrftödige Häufer, und zahlreiche öffentliche und Privatbauten in allen Teilen der Stadt. Wir nennen von ſolchen Bauten nur die Ihon erwähnten Villen Mojer, Bürklin, St. Andre in der Krieg- ftraße, Heimburger, Ziegler, Lanquillon, das Generalfommando und andere in dem Harbtwaldftadtteil, Mung, Schlehbach, Model, Fell, die neuen Häuſer zwiſchen Karl- und Leopoldftraße, den ehemaligen Deutichen Hof, die Synagoge mit Zugehör in der Kaijerftraße, das Vierordtsbad, die Feſthalle, das Utz'ſche Haus in der Eittlinger- ftraße, die in italienischem Renatfjanceftil erbaute Villa Schmieder in der Karlſtraße (Durm), das, Palais Douglas in der Stephanienftraße, das Gebäude der Verkehrsanftalten in der Lammftraße (Helbling), die Loge in der Hebeljtraße (Knoderer), das Hotel Germania an der Karl-Friedrichjtraße (Schmädel), die katholiiche Kirche in Mühlburg in Frührenaiffanceftil, zahlreiche prachtvolle jtädtische Schulhäufer, das großartige ‚neue Schlachthaus bei Gott3au, von Baumeiſter Strieder, und viele andere von Oberbaurat Lang, Profeſſor Warth, Baumeifter Ziegler und Andern in verjchiedenen Stadtteilen, deren raſch aufeinander folgender Entjtehung die Feder des Gejchichtsjchrei- ber3 kaum zu folgen vermag. Das neueſte Bauwerk, die Kaijer Wilhelmpaffage, zwiſchen Kaiferftraße und Akademieſtraße, von Bri- vatmann Be unternommen und Architekt 2. Ziegler ausgeführt, geht ihrer Vollendung entgegen.

Nach allen Seiten Hin, nicht nur im Innern der Stadt, jondern auch außerhalb derjelben, nach Süden in dem Bahnhofjtadtteil, nach Weiten und Südweſten gegen Beiertheim und Mühlburg hin, nad) Nordweſten in dem Hardtwaldftadtteil, nach Dften gegen Durlach und Gottsau hin, entfaltet fich eine jo großartige, faft fieberhafte Bau— thätigfeit, daß man verfucht ijt, einen möglichen Rückſchlag über- eiliger Baufpefulation zu befürchten.

5. Gemeindeberivalfung.

Der 1800 gewählte Bürgermeifter Gabriel Bauer blieb im Amte bis 1809, in welchem Jahre Ehriftian Griesbach, geft. am 18. April 1838, jein Nachfolger wurde. Diejer wurde nicht mehr

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durch den Stadtrat, fondern nach den Beſtimmungen der neuen Lan— desorganifation durch die Bürgerjchaft gewählt, was vor ihm nur bei dem erjten DBürgermeijter Sembach gejchehen war. Zugleich wurde 1809 das Amt des Stadtrechners von dem des Bürgermeiſters ges trennt, und auf Griesbachs Vorſchlag hin Rappenwirt Dollmätich, vor- erjt auf ein- Jahr, ebenfall3 ducch die Bürgerſchaft ala folcher beftellt.

Im Jahre 1812 wurde wegen Vermehrung der Geichäfte dem zum Oberbürgermeifter ernannten Griesbad) ala zweiter Bürgermeifter der GSeilermeifter Groos beigegeben.

Der Stadtrechner erhielt als Gehalt 30 fl. bar, eine Geldent- Ihädigung für den bisher üblichen Neujahrslöffel, feinen Anteil an den von 4 auf 6 kr. vom Gulden erhöhten Gewährgebühren, und an den Sporteln in Parteifachen, jowie °/, Kreuzer vom Gulden ftädti- icher Umlagen. Der Oberbürgermeifter bezog 300 fl. bar, die Heinen Siegeljporteln und "/,, der Gemwährgelder. Dem zweiten Bürger- meister, welcher keine bejondere Bejoldung hatte, trat Griesbach die Hälfte feines baren Gehaltes und einen gewiffen Anteil aus dem MWachgelderfond ab.

Die Stadträte erhielten ?/,, der Gemwährgelder und zu Neu- jahr einen 4 Loth ſchweren jilbernen Löffel, ſowie für die Verjehung eines jonjtigen ftädtischen Amtes, mie des Stadtbaumeifters, Fleiſch— ſchätzers u. a. eine bejondere Vergütung, jedoch nicht über 100 fl.

1815 bejtand jo der Stadtvorjtand aus zwei Bürgermeiftern, dem Stadtrechner, dem Pfandbuchichreiber, dem Ratjchreiber, deſſen Dienft aber auch ein Ratsherr verſehen konnte, und elf Ratsheren. Außerdem war dem Stadtrat auch ein juriftiich gebildeter jogenannter Ratskon— julent beigegeben, und neben dem bisher jchon vorhandenen Stadt- baumeister wurde 1870 auch eim ftädtifcher Ingenieur ernannt. Das Amt des ſtädtiſchen Billetſchreibers, mit welchem 138 fl. Gehalt ver- bunden waren, ging nach dem Bau der Kajerne 1825 ein.

Noch unter Oberbürgermeifter Griesbach wurde nach Groos Dollmätjch neben feinem Amte als Stadtrechner zweiter Bürger- meifter, und al3 Griesbach abging, wurde er dejjen Nachfolger als erfter Bürgermeifter, während Buchbinder Heinrich Zeuner zweiter wurde. Auf Dollmätſch, unter deſſen Amtsführung der Bau des Rathaufes fällt, folgte U. Kloje 1832. Unter ihm mweren Stadträte: Künzle, Wieland, Baier, Dürr, Baumann, Golf, Pofjelt, Wöttlin und Seeg- ner, Daler Stadtrechner und Heinrich Ratskonſulent.

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Kloſes Amtsnachfolger wurde ſchon 1833 Kaufmann Füßlin, welcher 1839 wieder gewählt wurde. Nach deſſen freiwilligem Aus— tritt fiel 1847 die Wahl wieder auf den frühern Bürgermeiſter Kloſe, welcher aber jchon nach wenigen Monaten jein Amt niederlegte, fo daß bis Anfang Juni 1848 Stadtrechner Daler proviforiich das Amt de3 Oberbürgermeifters verjah. In diefem Sommer, anfangs Suni, wurde der bisherige Stadtrat, Buchdrudereibefiger Jakob Malie, Oberbürgermeifter.

1833 wurde al3 Zeuners Nachfolger Hutmacher Helmle zweiter Bürgermeifter, auf welchen 1848 als folder Kaufmann Herzer, und nach diefem Aug. Günther folgte.

Malſch, unter deſſen Amtszeit die für die Stadt jo hoch— wichtigen und vorteilhaften Unternehmungen der Marauer Bahn, der Waflerleitung und der Erwerbung de3 Gaswerkes vor Ablauf der Bertragsfriit, ſowie deſſen Erweiterung fallen, trat 1870 zurüd, und e3 folgte ihm, nachdem der Rechtsanwalt Eccard in Mannheim die ihm angebotene Wahl ausgejchlagen, in demfelben Jahre der Kameralift W. Lauter als Oberbürgermeifter, unter deſſen Amts— leitung die neuefte, großartige und großftädtiiche Entwicklung der Stadt vor fih ging.

Seit dem Anfang diejes Jahrhunderts beftand neben dem Ge— meinderat ein Bürgerausjhuß von 14—16 Bürgern, von deren Zuftimmung wichtigere ökonomiſche Gemeindeangelegenheiten ab- hängig waren.

Die Gemeindeordnung von 1832 hatte bejtimmt, daß in allen Städten über 3000 Einwohner ein zweiter Bürgermeifter gewählt wer- den konnte, der aber, wie wir gejehen, bier jchon vorher vorhanden war. Ebenjo wurde, anftatt der Bürgerverfammlung und neben dem neu zu mwählenden Kleinen Bürgerausſchuß, ein großer Bürgerausſchuß eingejegt, welcher zu je einen Dritteil aus den Klaſſen der Höchft-, Mittel: und Niedrigftbeftenerten gewählt wurde, und 1838 in Karls— ruhe 49 Mitglieder aus der erften, 5O aus der zweiten und 49 aus der dritten Klafje, im Ganzen 148 Mitglieder zählte.

Die neuern und neueſten Beltimmungen und Beränderungen der Gemeindeordnung, bejonders aber die im Jahr 1875 neu ein- geführte Städteordnung (durch Gejeg vom 24. Juni 1874) ſetzte ftatt der bisherigen zwei Ausichüffe die Verſammlung der Stadtver-

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ordneten ein, welche, nebſt dem dazu gehörigen Stadtrat, aus 96 Mitgliedern beftehend, aus der Klaſſenwahl hervorgeht. Bürger: meister und Stadträte werden von den Stadtverordneten auf 9 und 6 Jahre gewählt, desgleichen der aus 9 Mitgliedern bejtehende ge- ſchäftsleitende Vorſtand der Stadtverordneten aus der Zahl derjelben.

Infolge der den 1. Januar 1886 vollzogenen Vereinigung der Stadt Mühlburg mit Karlsruhe traten, gemäß einer Uebergangs- beftimmung bis zu den 1887 ftattfindenden Gemeindewahlen, 2 Mit- glieder des Mühlburger Gemeinderates in den Stadtrat von Karlsruhe und 9 Mitglieder de3 dortigen Bürgerausjchuffes in das Kollegium der Karlsruher Stadtverordneten ei.

Bu den Befugnifjen des Karlsruher Stadtrat3 gehört 1813 noch die Bejtellung der Ortspolizeiämter in den umliegenden Dörfern,

1874 wurde durch DOrtsftatut vom 22. Dftober beftimmt, daß Karlsruhe neben dem Oberbürgermeifter zwei Beigeordnete, als erften und zweiten Bürgermeifter wählen jollte, und die Zahl der Stadträte auf 22 fejtgeftellt. Demgemäß wurde nun den 10. Mai 1875 K. Schnegler als erjter und den 26. Mai Aug. Günther als zweiter Bürgermeifter gewählt, nachdem am 30. Juni Oberbürgermeifter Lauter wiedergewählt worden war. Ein verändertes Ortsſtatut vom 17. Juni 1879 erhöhte die Zahl der Bürgermeifter auf drei und ſetzte die der Stadträte auf 21 herab. Daher jtanden nun Oberbürgermeijter Lauter und die Bürgermeifter Schnegler, Günther und Dr. W. Spemann an der Spite der Gemeindeverwaltung. Schon in diejem Jahr, 1879, aber hatte der Bürgerausichuß die Frage aufgeworfen, ob bei den 1884 vorzunehmenden neuen Wahlen nicht wieder auf eine Vermin— derung der Zahl der Bürgermeiſter Bedacht genommen werden jollte. Dem in diejen Beichluß liegenden Wunjche des Ausjchuffes wurde 1884 noch nicht willfahrt.

Im Mai 1884 wurde der zweite Bürgermeifter Günther auf Anjuchen penfionirt, im Juni (5.) Dr. Wilh. Spemann al3 jein Nachfolger zum zweiten, und den 23. Juni desjelben Jahres Kauf- mann I. Krämer als dritter gewählt.

Erſt als im Juli 1885 Spemann fein Aınt niederlegte, und den 1. Januar 1886 Mühlburg mit Karlsruhe vereinigt worden, trat die Verminderung der Zahl der Vürgermeifter auf zwei ins Leben, und wurden die Gejchäfte des Abgehenden durch Schnegler und Krämer übernommen,

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Der Bürgermeifter hatte früher eine polizeiliche Strafgewalt bis zu 5 fl. und 48 Stunden Gefängnis, ausgenommen gegen Standes- und Grundherren, Staatsdiener, Geiftliche, Lehrer, ftandes- und grund» herrliche Beamte und Förfter in ihrem Bezirk. Seine Kompetenz in bürgerlichen Streitjachen ging bis zu 15 fl. des Streitwertes.

Bu den ftädtifchen Subalterndienern gehörten mehrere Aktuare, Dekopiften, der Stadtwachtmeifter, Stadtdiener, Nachtwächter, Bettel- vögte, Ausfcheller, Yeldihügen u. a. Die Stadtdiener waren im An- fang des Jahrhunderts gewöhnlich Ausjcheller, Nachtwächter und Bettelvögte in einer Perfon. Sie hatten als Stadtdiener monatlich 6 fl. und jährlich für die Nachtwache 15 fl., für das Ausſchellen 5 fl. 1810 betrug der Nachtwächterlohn 50 fl. jährlich. Dieje niedern Diener wurden von dem Bürgermeifter angeftellt und dem Amt be— ftätigt. Zu dem Gehalt der Stadtdiener hatte feit Gründung der Stadt die Domänenkaſſe 36 fl. für den Nachtwächterdienit derjelben jährlich in die Stadtkaſſe bezahlt, 1810 hatte fie diejen Beitrag wegen der Anftellung eines weitern Nachtwächters auf 50 fl. erhöht, 1850 verweigerte die Hofdomänenfammer diejen Beitrag, weil die Stadt die Nachtwächter nicht mehr zum Patroulliven verwende, mas durch Militär und PBolizei geſchah. Ebenjo wurde den Stadtdienern 1817 das bis dahin übliche Neujahrsgeldjammeln unterjagt.

1815 waren vier Stadtdiener mit 125 fl. Gehalt angeftellt, und erhielten außerdem jedes Jahr einen Werktagsrod, alle 3 Jahre einen Sonntagsrod, und alle 8 Jahre einen Mantel, in diefem Jahre aber wurde ihr Gehalt auf 200 fl. und Montur erhöht. Sie hatten die Polizei, die Nachtwachen, die Bekanntmachung von Steigerungen, das Ausſchellen, und das Kehren von öffentlichen Plätzen zu bejorgen.

1811 bittet der Gemeinderat, beziehungsweife der Bürgermeifter Griesbach, um Betätigung der Privilegien, wie dies bis da bei der Huldigung anläßlich eines neuen Regierungsantrittes üblich geweſen jei. Dies Gejuch gründete ſich auf den Schluß des Freibriefes von 1738 beim Regierungsantritt der Regentſchaft, welcher alfo lautete: „So verwilligen wir ihnen hiermit in Kraft diejes gnädigft, daß fie weder ung jelbft, noch einigen andern unjerer Nachfolger im Regi— ment zu huldigen, noch ihre Pflichten abzulegen jchuldig fein jollen, es haben denn wir oder diejelben unſere Nachfolger Ihnen von Karls— ruhe genugjam beiderjeits anjtändige Verficherung gethan, daß wir

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oder fie diejelben bei diejen gegebenen und nachkünftigen Privilegien zu ewigen Tagen handhaben, und ſchützen und Ihnen jedesmal darüber einen Verficherungsbrief einhändigen wollen.“

Darauf berichtete die Kreisregierung, es jeien 1752 duch Karl Friedrich andere Privilegien anftatt der ältern gegeben worden, und wenige derjelben paßten überhaupt noch auf die gegenwärtigen Ver— bältniffe, jo daß der Bitte de3 Stadtrat? nicht willfahrt werden könne.

Die Finanzlage der Stadt war im Anfang bes Jahrhunderts nach und nach eine jehr gedrüdte geworden. 1812 wurde geflagt, die Stadt fei im Allgemeinen und Einzelnen arm, die Stabtlafje jehr beruntergefommen, man müſſe die Kriegsfchulden bezahlen, und dazu die Bürger beiziehen, zu dem Kaſernenbau beiftenern, die Einquartie- . rungen tragen, daher habe man die Kapitalien verbrauchen, Schulden machen, einen Amortifationsplan bilden müfjen, dennoch habe Karl3- ruhe noch 150000 fl. Schulden. Dazu ſei ein neues Schladhthaus nötig, das Pflafter zu verbejjern, fogar in manchen Straßen, welche noch ohne Pflafter feien, ein neues herzuftellen. Daher jchlug man vor, Steuern für die Stadt zu erheben von Lebensmitteln, Holz, Branntweinſchank, von den Wushängejchilden der Gafthäufer, von Erkern an allen Häujern, von Dachtraufen, von Luxuspferden u. U. Bon Iegtern, deren Zahl zu 150 hier angenommen wurde, follten je 5 fl. bezahlt werden.

Unter den Einnahmen der Stadt erjcheinen 1812 für Meß— boutifen 3000 ff., Bürgeraufnahmstaren 580 fl., Hinterfaßenfchußgeld 75 fl., Bürgerrechtrefervationggelder (Rekognitionsgeld) 25 fl., Straf: anteile 45 fl., Mietzinfe von Stadtgebäuden 1230 fl., worunter 600 fl. von dem Militär für den Mebigjaal im Rathaus, von Stadtgütern 133 fl., Fleiſchabwägegebühr 1000 fl., vom Kaufhaus 500 fi., Anteil am Salzprofit 3000 fl., . de3 Ohmgeldes von Wein, Bier und Moft, und 6 fr. Konzeifionsgeld von der Ohm fremden Weines.

Die Ausgaben betrugen für Bejoldung 1600 fl., Gebäude- unterhaltung 500 fl., Meßboutiken und Marktkoften 700 fl., Unter- haltung des Inventars, der Feuerlöſchgeräte u. A. 400 fl., Beleuchtung 225 fl., Diäten und Schreibgebühren 600 fl., Almoſen und dergl. 1500 fl., Säuberung der Stadtdohlen 60 fl., Holz 60 fl., Montur der Stadtdiener 175 fl., Geſchenke 250 fl., Schreibmaterialien 100 fl.,

SPUR | 1. GR

Rechnungsftellung 30 fl., Buchbinder, Kaminfeger, Sportelu u. U. 100 fl., Kapitalzins von 45000 fl. 2700 fl., Feierlichkeiten 800 ff., Straßen 300 fl., Abgang 75 fl.

Ueber die finanziellen Berhältniffe und deren Verbeſſerung ver- breitet fich eingehend ein Bericht de3 Stadtrates vom Jahr 1813, welchen wir im MWejentlichen bier mitzuteilen nicht unterlafjen wollen.

Die Stadt habe durch die neue Steuer- und Accisordnung, durch verjchiedene Henderungen und Verfügungen in Bezug auf Ohmgeld, Maßkreuzer, Salzhandel, Strafanteil u. U. vielfache Einbuße erlitten.

Das Bermögen der Stadt beftehe in 4 Morgen Aecker, einem Teil des fünftigen Ratsgebäudes, beftehend in Metzig und Hinter- gebäuden, dem Schlachthaus und dem Sciekhaus. Die Einnahme der Stadt betrage mit Einfchluß des Marktgeldes von 3000 fl. nur 6000 fl., die Ausgabe 10200 fl. An dem Rathaus jei fertig die Megig, die Räume für Magiftrat und Stadtamt, da3 Magazin für Mepgeräte, das Kaufhaus und das Lokal für die Leihanftalt. Der obere Teil der Mebig fei mit Militär belegt, aber zu Hein, der Weiterbau des Rathaufes fordere 8O—90 000 fl., das Schlachthaus, zu Hein für die Vevölferung, müfje wegen der Anlage der neuen Karljtraße verlegt werden, und werde auf 12000 fl. kommen. Für Pflafterung jeien 30000 fl. erforderlich, welche aus Pflafter- und Thorjperrgeld, aus Beiträgen der Hauseigentümer, aus Zuſchüſſen der Staatskaſſe und etwaigen Umlagen gededt werden müßten.

Neben der eigentlichen Stadtlafje habe die Stadt eine ftädtijche Kontributionstafje, melde vorher 20000 fl. erjpartes Geld bejaß, aber 40000 fl. Kriegskoften und SKriegslaften bezahlt und 1808 jchon 20000 fl. Schulden hatte, jo daß man übereinfam, 135 000 fl. in 10 Jahren, 1808—1818, auf die Bürgerjchaft um— zulegen. 1813 war nun zwar die Hauptlandeskontributionskaſſe durch ſolche Umlagen und durch Geldaufnahme befriedigt, aber infolge von neuen Kriegstoften hatte die ſtädtiſche Kontributionskaſſe abermals 96394 fl. Schulden, welche wieder durch Beiträge der Bürger zu tilgen waren. Ebenjo waren auch: die 30000 fl. zum Kajernenbau durch Umlagen von der Bürgerichaft aufzubringen.

Eine weitere jtädtiiche Kaffe war die Wachgeldfajje. rüber, als die Bürger noch jelbit Wachdienſte thaten, konnte fich der Pflichtige für 1 fl. 36 fr. jährlich vom Wachdienfte frei kaufen. Hierauf über-

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nahm das Militär die Wachen gegen eine beftimmte Zahlung, und obwohl diefe mit der Zeit in Abgang fam, wurde das Wachgeld dennoch von den Bürgern erhoben, um zu vorkommenden Ehrenaus- gaben der Nefidenz, auch zur Aufbeſſeruug des Bürgermeiftergehaltes verwendet zu werden, wobei der Ueberſchuß an eine weitere ſtädtiſche Kaffe, die Einquartierungskaſſe, fiel, welche aus den von den Staatädienern anjtatt der Duartierleiftung bezahlten Geldern gebildet war, und für anderweitige Unterbringung der Einquartierten verwendet wurde.

Endlich bejtand bier noch eine Bürgermwittwen- und eine Werbkaſſe, legtere zur Bezahlung von angeworbenen Gtellver- tretern zu dem Militärdtenfte.

1815 jtellte jich das ſtädtiſche Grundfteuerfapital auf 522518 fl., das Häuferjteuerkapital auf 5 381 375 fl.

1819 Hagt der Gemeinderat abermal3 über zunehmenden Not- ftand unter den Einwohnern. Die Errichtung der Artilleriefaferne in Gottsau (1818) und einer Garnifon in Konftanz, die neue Organi- jation der Staatöverwaltung, welche jehr viele Familien von bier weggezogen habe, die allgemeine Sparjamfeit im Staatshaushalt, der Wegzug der Großherzogin Wittwe Stephanie mit ihrem Hofftaat nah Mannheim, werden ala Urfachen des zurückgehenden Wohlftandes bier aufgeführt, große Gebäude ftänden leer, die Häuferwerte jeien ge- junfen, die Gewerbe ohne Verdienft, die Arbeiter ohne Beichäftigung, zudem richte der übermäßige Luxus manchen Bürger zu Grunde, jo daß viele Einwohner, vergantet und verarmt, feine weitern Um—⸗ lagen zu bezahlen imftande feien, ala die Kriegskoften, und die Stadt jelbjt in Gefahr ſei, bankerott, ein allgemeines Armenhaus und am Ende eine Räuberhöhle zu werden. Wahrlich ein trübes Bild der Genteindeverhältniffe damaliger Zeit! |

Zur Abhilfe wurden teil von der Stadt, teild von der Regie rung mancherlei VBorjchläge gemacht.

Unter Anderm wurde wiederholt vorgejchlagen, ein Oftroi zu erheben, die Maß Branntwein mit 1'/, Kreuzer, das Fuder Eſſig mit 4—5 fl. zu befteuern, das Ohmgeld von Wein und Bier, den Kaufpfundzoll (Kaufaccije) auf Liegenichaften, den Pfundzoll für ein- geführte Schreiner-, Schlofjer- und Drechslerarbeiten außer der Meß— zeit, die Abgabe von Holz, welches auf den Wochenmarkt gebracht

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wurde, und das bisher 6 Fr. vom Wagen und 3 fr. vom Karch be— trug, zu erhöhen.

Manche diefer Vorjchläge wurden angenommen, und namentlich ergab das Oktroi mit der Beit eine ausgiebige Einnahmsquelle. Doch fand fich die natürliche Abhilfe bald in der rajchen Zunahme der Bevölkerung, in dem wachſenden Wohljtande der Bürger als Folge der heranblühenden gewerblichen Thätigfeit und des Zufluſſes aus- wärtigen Kapital3, ſowie in dem durch eine Reihenfolge fruchtbarer Jahre von 1820 an fich mehrenden Wohlitand des Landes überhaupt, und endlich in dem Segen eines 50 Jahre andauernden Friedens. Troßdem waren 1843 die Schulden der Stadt auf 518780 fi. angemwachjen.

Der eigentliche finanzielle Aufichwung des Karlsruher Gemeinde- weſens beginnt indeſſen erjt in der zweiten Hälfte des 19. Jahr» hunderts.

Die Bekeuchtung der Stadt geſchah bis in den Anfang des Jahrhunderts noch immer durch Dellampen, und zwar durch jogenannte Kolbenlaternen, aladann durch Verſoixlampen, welche aber 1812 wieder teilweife durch die Kolbenlaternen erjegt wurden. Die Lampen wurden nur in finftern Nächten, und zwar das ganze Jahr hindurch angezündet.

1814 wurden auch hängende Laternen mitten über den Straßen angebracht.

Die Koſten fiir 550 Laternen, welche 1812 auf 11—12 000 fl. veranschlagt waren, vorher aber nur 4500 fl. betragen batten, wurden aus einem eigenen Beleuchtungsfond beftritten. Diefer Fond wurde gebildet durch einen Beitrag der Staatskaſſe, welcher 1809 auf 790 fl. 37%, kr. erhöht wurde, und ſeit 1810 1500 fl. betrug, und durch Beiträge der Hauseigentümer und der Mieter. Seit 1810 bezahlte der Eigentümer von 100 fl. Schakungsanichlag ſeines Haufes 2 fl. 26 fr. %, Pf. und der Mieter 1 fr. vom Gulden der Miete, 1815 aber wurden die Hausbefiger auf 3 fl., die Mieter auf 19, kr. erhöht.

1826, in welchem Jahre die Beleuchtungskoften 10000 fl. erforderten, wurde die Waſſerleitungskaſſe damit verbunden, und für beide ein gemeinjamer Mechner beftellt. 1829 beliefen fich die Wafjer- feitungstoften auf 4504 fl., die Beleuchtungskoften auf nur 3060 fl.,

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was ſich daraus erklärt, daß keinerlei neue Anfchaffungs- und Her- ftellungstoften erforderlich waren. 1840—41 brannten im Schloß. bezirt 107, in der Stadt 672, in Kleinkarlsruhe 20 Lichter, die Ausgaben dafiir betrugen 12234 fl., die Beiträge der Hausbeſitzer in der Stadt 7 fr. vom Hundert, in Kleinkarlsruhe 4 fr., wovon Dreiviertelöfreuger von dem Mieter zu zahlen waren.

1844 wurde mit der Gefellfchaft Barlow und Manby in London ein Vertrag zur Errichtung der Gasbeleuchtung mit einer Konzeffion auf 25 Jahre abgejchloffen, und die Gasanftalt vor dem Mühl- burgerthor erbaut. 1848 wurde dieje Gejellichaft zahlungsunfäbig, und die Gebäulichkeiten und Mafchinen im Zwangsweg verſteigert. Eine neue Gejellfchaft, vertreten durch 2. Steiger von Bern, deren Sig in Paris war, und welche fich badijche Gasgejellichaft nannte, erwarb die Fabrik, geriet aber ebenfalls in Zahlungsſchwierigkeiten, jo daß fie nur mit Hilfe der Lieferanten Gebrüder Buricelli in Rhein— böllerhütte unter der Direktion der Herrn Spreng und Sonntag, von 1861 des Herrn Morftadt, und von 1865 an des Herren Lang den Betrieb fortführte, bis 1869 das Gaswerk in den Betrieb der Stadt überging.

Die 1844 vor dem Mühlburgerthor errichtete Gasfabrik Tieferte bald 640 Flammen, konnte aber für die raſche Vergrößerung ber Stadt auf die Dauer nicht genügen, und 1885 mußte daher im Dften der Stadt in der Nähe von Gottdau ein zweites Gaswerk erbaut werben, welches 1886 vollendet wurde. Der erjten Einführung des Gaſes begegnete, wie dies mit allen neuen Einrichtungen zu gefchehen pflegt, ein ſehr hemmendes Mißtrauen des Publitums, welches aber mit der Beit verjchwand.

Die finanziellen Verhältnifie der Stadt und der einzelnen Einwohner gehen Hand in Hand. In dem Maße als die Steuer- kraft des Einzelnen und die Zahl der fteuerkräftigen Bewohner wächst, wachſen auch die ftädtiichen Einnahmen, und naturgemäß auch bie dem Gemwerbetreibenden und Arbeiter zugute kommenden Yusgaben. Diejes Verhältnis ift in Karlsruhe in hervorragender Weiſe vor« handen. Das Grund» und Häuferfteuerkapital ift von 1870—1885, allerdings teilmeife auch durch die neue höhere Einſchätzung der Ge— bäude, von 37 auf 51 Millionen angewachien, das Rentenjteuerkapital 1860—1885 von 31 auf 155 Millionen, das Gemerbiteuerlapital

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bat ſich in 15 Jahren verbierfacht, die Einnahmen von dem Dftroi, auch durch teilmeife Erhöhung und weitere Vermehrung der ottroi- pflichtigen Berbrauchagegenftände, find von 108457 auf 203 678 M., von dem Gas auf 303218 M., der Waflerzind auf 121368 M., der Reinertrag der Marauer Bahn, obwohl mit einer Verminderung gegen die frühere Einnahme, auf 172856 M. geftiegen.

Die Häuferfteuer konnte von 38,76 Pf. auf 22, die Kapital» . rentenſteuer von 9 auf 7,7 herabgejeßt werden, während die Umlagen 1886 von 22 auf 25 Pf. erhöht werden mußten.

Der Zinsfuß der ftädtiichen Schuld wurde von 4 auf 3%, ermäßigt. Das reine jtädtiiche Vermögen, nach dem Brandverfiche- rungsanjchlag 2163135 M., beträgt nach dem wahren Wert wohl das Doppelte, und die ftädtiiche Gemarkung ift durch die verfchiedenen Ermwerbungen und Vergrößerungen der legten Jahre von 281 Hek— taren auf 1053 angewachſen.

Bedeutende Posten der ftädtiichen Ausgaben bilden insbejondere die Neubauten ftädticher Schul» und fonftiger Gebäude und Anftalten, wie die Erweiterung der Feſthalle, die fort und fort notwendige Anlage neuer Straßen, die damit verbundene Erweiterung der Waffer- und Gasleitungen, der in der lebten Zeit von 100102 M. auf 145 877 M. geftiegene Armenaufwand, der feit 1871 von 58415 M. bis 1885 auf 475255 M. erhöhte Gejammtaufwand für ſtädtiſche Schulen, fowie der Aufwand für die Gemeindeverwaltung, welche jest, ftatt früher 38000, 126000 M. erfordert.

Daß der Kredit der Gemeinde Karlöruhe ein guter und folid be- gründeter ift, beweist der Umftand, daß ein in dem legten Jahre zum Bwed der Konvertirung der 4 %,igen und 3'/, rigen Schulden auf- genommenes 3 %,iges Anlehen von 11 Millionen bei günftigem Geld- markt zu dem Kurs von 92,65 rajche Abnahme fand.

Kleinkarlsruhe. 1804 den 12. September wurde das Verhältnis zwiſchen Karlsruhe Stadt und Kleinkarlsruhe näher be— ftimmt und geordnet. Kleinkarlsruhe blieb eine eigene bürgerliche Gemeinde mit einem Schultheißen ftatt des bisherigen Anwaltes. Stadtkarlsruher konnten nach Kleinkarlsruhe überfiedeln, ohne dort Bürger oder Hinterfaßen zu werden, zablten aber zu allen dortigen neuen Gemeindeeinrichtungen wie bie Kleinkarlsruher, und ftanden unter der polizeilichen Gewalt ber Kleinkarlsruher Gemeindebehörbe,

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welche ihren Anteil an Polizeiftrafen bezog wie die Stadtbehörbe. Die aud der Stadt Eingewanderten verloren ihr ſtädtiſches VBürger- recht, ausgenommen, wenn fie ihr Nekognitionsgeld an die Stadt bezahlten. Sie hatten, wie die Kleinkarlsruher, die Quartierlaſt zu tragen und Fronden zu leiften. Zünftiges Gewerbe durfte nur der treiben, welcher die gejeglichen Bedingungen erfüllte. Arbeiten von und nach Karlsruhe und Kleinkarlsruhe waren geftattet, Kleinkarls— rubher durften nur nach ihrer Annahme als ftädtifche Bürger oder Schugbürger in die Stadt ziehen, Fremde, welche zünftige Gewerbe treiben wollten, jollten in der Regel in Kleinkarlsruhe nicht aufge nommen werden, nur bei Söhnen von Dienern uud Soldaten, obwohl deren Eltern nicht bürgerlich waren, war dies erlaubt.

Nur Handwerke und Gewerbe, welche in den Landorten geftattet waren, wie Weber, Wagner, Schneider, Schuhmacher, Mebger und Bäder jollten in Kleinkarlsruhe zugelaffen werden, andere nur in bejondern Ausnahmsfällen aus Gnaden.

Zur Urmenunterftügung in Kleinkarlsruhe zahlte die Gemeinde- kaffe und die Polizeidirektion je die Hälfte.

1805 14. Februar erhielt die Gemeinde ihren erften Schultheißen Namens Korn mit 20 fl. Bejoldung, 1810 aber wurde Jakob Schlen- ferer Bürgermeifter.

1810 bob der Erbgroßherzog Karl die bisherige Frondpflicht von Kleinkarlsruhe in den Schloßgärten auf, und die Arbeiten wurden von nun an um Lohn bejorgt.

1810 17. September wurde die endgiltige Vereinigung mit der Stadt beftimmt, und zwar unter folgenden Feſtſetzungen: Gericht und Rat in Kleinkarlsruhe werden aufgehoben, und der dortige Bürger— meifter, meiftens noch Anwalt genannt, wird Mitglied des Stadtrates, die Kleinkarlsruher Bürger mit 1200 fl. reinem Vermögen umd Gewerböbefähigung werden Stadtbürger, die Uebrigen Beiſaßen der Stadt, beide dürfen, wenn fie jonft dazu vereigenjchaftet find, als Meifter in der Stadt ihr Gewerbe betreiben. Die Verhandlungen über die Frondpflicht wurden durch einen Erlaß des Finanzminiſteriums vom 7. November 1810 erledigt, welcher alle jpeziellen Fronden der Kleinkarlsruher aufbob.

Auch der ftädtiiche Gemeinderat hatte am 30. Oktober 1810 dazu jeine Einwilligung gegeben, und den 22. Auguſt 1812 mar die

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Bereinigung in allen einzelnen Punkten vollzogen, wobei übrigens für Kleinkarlsruhe noch längere Zeit ein eigenes? Pfarramt ohne Kirche, und eine eigene Schule fortbeftand.

6. Einwohner, Bandel und Wandel,

Die Zahl der Einwohner nahm in ftetiger Steigerung zu; 1719 waren es 1994, 1720-30 ftieg fie auf 2347, 1730—40 auf 2652, 1740—50 ging fie auf 2463 zurüd, ftieg aber bis 1760 wieder auf 2752, 1770 auf 2993, 1780 auf 3333, 1790 auf 3858, 1800 auf 4525, 1810 auf 7275, 1810—12 auf 10597, 1813 auf 13727, 1815 auf 15128. In diefem leßgenannten Jahre waren bier 9289 Qutheraner, 4417 Katholifen, 644 Reformirte, 724 Iſrae⸗ liten, 54 andern Belenntniffes. Dem Stande nach waren es 1815 801 männliche Staatsdiener mit 861 Frauen und Töchtern, 2937 Soldaten mit 545 Weibern, 858 Hofdiener männlichen und 1014 weiblichen Gejchlechts, 2442 bürgerliche Einwohner männlichen und 2714 weiblichen Gejchlechts, 333 Fremde, 2677 Dienftboten, 46 ohne beftimmte Standes- und Berufsangaben. 1818 waren bier 16021 Einwohner, 1823 17717, darunter 11856 Evangeliſche, 4934 Katholiken, 927 Jiraeliten, 1832 19872, 1834 21047, 1837 22545, 1840 23484, 1843 24756, 1846 25733, 1849 ohne die Garnijon 23 217, 1852 ebenfo 24299, 1855 25163, 1858 25 733. In diefem Jahre 1858 wohnten hier 130 Wdelige, 1500 Hof- und Staatsbeamte, 2100 Bürger, 600 Fremde, Schüler und Polhtechniker, 4470 Gewerbagehilfen und Dienjtboten, 2200 Mann Garnijon.

1861 jtieg die Einwohnerzahl auf 27103, 1864 auf 30366, 1867 auf 32004, 1871 auf 36582, 1872 auf 37215, darunter 20335 Proteftanten, 15518 Katholiken, 1322 Firaeliten und 40 andern Belenntnifjes.

In den legten 14 Jahren war der Zuwachs ein jo außerordent« licher, daß die Einwohnerzahl 1885, den 1. Dezember, 56 686, und den 1. Januar 1886, nach der Vereinigung mit Müblburg, 60 750 Seelen betrug, aljo in ber Zeit von 1872—86 um 23535 Ein« wohner zunahm, um jo viel, ala die Stadt in den erjten 125 Jah-

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ven ihres Beſtehens erreicht hatte. Dabei ift übrigens zu bemerken, daß die erfte genaue Volkszählung erft 1809 unter Oberbürgermeifter Griesbach und Bürgermeifter Dollmätſch ftattfand. Zu diefem raschen Aufſchwung der Einwohnerzahl trug übrigens auch der Umftand weſent⸗ lich bei, daß Karlsruhe durch feine trefflichen Lehr- und Bildungs- anftalten, ſowie durch die vielen Genüffe und Annehmlichkeiten, welche die Stadt in mancherlei anderer Beziehung bietet, viele Fremde an- zog, jo daß 3. B. 1874 nicht nur als Dienftboten, fondern auch als Säfte und ftändige Bewohner fich hier aufbielten: 1306 Wür- temberger, 1260 Preußen, 876 Baiern, 355 Heflen, 112 Sachſen, 89 Eljaß-Lothringer, 215 aus andern deutjchen Staaten, 145 Ruſſen, 139 Deftreiher, 109 Schweizer, 99 Amerikaner, 56 Engländer, 54 Franzoſen, 15 Italiener, 14 Niederländer, 13 Belgier, 12 Dä- nen, 9 Griechen, 8 Norweger, 6 Rumänen, 3 Serben, 1 Spanier, 1 Türke und 1 Egypter.

1813 betrug der Viehſtand an Pferden 240 berrichaftliche und 197 Brivatpferde, an Ochſen 31 + 31, Kühen 78 + 61, Schwei- nen 34 + 757, und 480 berrichaftliche Schafe in dem Kammergut Gottsau.

Die fürſtlichen Diener, Staatsbeamten, Geiſtlichen, Lehrer, der Acciſor, der Förſter, der Bürgermeiſter, die Männer der Hebammen, Soldaten und alle Fünfundſechzigjährigen, ſowie deren Wittwen, waren frei von allen perſönlichen Laſten und Leiſtungen und konnten z. B. ihre Quartierleiſtungen in Geld bezahlen, was andern Einwohnern nicht geſtattet war.

1817, bei Einführung des neuen Steuerſyſtems, wurde das Schutzbürgergeld hier aufgehoben, und die am 23. April 1832 in Kraft getretene neue Gemeindeordnung bob die Klaſſe der Schuß- bürger ganz auf, bis das Jahr 1848 auch derjenigen der Hinter- faßen ein Ende machte. *) Landesherrliche Verordnungen, wie die vom 12. September 1804, melde nähere Bejtimmungen über Bürger- annahmen, Zunft» und Armenweſen traf, die von 1809, melche ala Erläuterung zu dem VI. Konftitutiongeditt die Aufnahmsbe— dingungen für Bürger und Hinterfaßen in Stadt und Dorf näher

*) In der Stadt gab ed nur Vollbürger und Schupbürger, die Bewohner von Kleinlarlsruhe waren urſprünglich nur Hinterfaßen. 80

feftftellte, vegelten nach und nach dieje Verhältniffe auch für unfer Karlörube, jo daß 1815, außer den moralifchen Borausfegungen zur Aufnahme als Bürger und Schugbürger, der Nachweis eines Vermö— gens von 3000 Fl. für Ausländer, von 1200 fl. für Inländer, von der Hälfte für Frauen erforderlih war. Wir geben bier folgend einige kurze Notizen über einige Bürgerannahmen aus dem erften Biertel unjeres Jahrhunderts, da wir annehmen, daß es für manche biefige Familie von Intereſſe jein kann, darüber Richtiges zu er- fahren.

1814 Eberh. Fr. Hafner, Schulmeiftersjohn aus Grünmetters: bach, erſt 1827 Schußbürger; 1815 wird Jak. Giani aus Mühlburg bier Bürger und Konditor, in dem gleichen Jahre, im September, Schuhmadher oh. Oberft aus Unteröwisheim und Andreas Haas von Freiung in Baiern, 1816 wird Poſamentier Job. Haflinger von Schentenfeld in Oberöftreich Schußbürger, ebenjo Schreiner Thüm- ling, 1818 fommt Graveur Reinbold von Pforzheim hierher, bleibt aber vorerjt Bürger in Pforzheim.

1818 bittet Kaufmann Hch. Leichtlin von Bodersweier, welcher Verwalter der Bleizuder-Fabrif in Grünminkel war, um das hiefige Bürgerrecht, oder wenigſtens um Geftattung de3 Betriebs eines Wechſel- und Warengeichäfts. Derjelbe war vorher mit Röderer in Straßburg-Kehl affocirt und dort mit Verlujt aus dem Gejchäft ge- treten, und jeine Eltern wohnten jchon damals in Karlsruhe. Er wurde dennoch durch Stadtrat und kaufmänniſche Innung abgewiejen. 1820, als jein Vater, der Generalregiftrator Leichtlin, hier geftorben, bat er abermal3 wenigſtens um die Erlaubnis zum Betrieb eines Bapier- und Schreibmaterialienhandels, wobei er geltend machte, daß er der Sohn eines öffentlichen Dieners ſei, wurde aber zum zmweiten- mal abgewiejen, weil er brutal aufgetreten und wenig vermöglich jei.

Im Juni dejjelben Jahres wendete ſich die Mutter direft an den Großherzog mit dem Beifügen, daß fie ſechs Söhne, davon fünf im Staatsdienft habe. Die Folge war, daß Leichtlin für jeine Mut- ter Stempelbuße zahlen mußte, und zum drittenmal abjchlägigen Be— icheid erhielt. 1823 im Dftober erfolgte eine abermalige Eingabe Leichtlins, wenigſtens um Aufnahme ala Schugbürger, und obwohl neun Gejchäftsleute, Bürge, Herlan, Nothard, Giani, Spreng, Büte— meijter, Dennig, Hausrath und Fellmeth erklärten, daß fie nichts

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gegen die Aufnahme einzuwenden hätten, wenn der Bittjteller nur PBapier- und Schreibmaterialienhandel treiben wolle, wurde er durch den Stadtdireftor von Sensburg abermals zurüdgewiejen. Endlich fand Leichtlin bei dem Staatsminifterium 1824 geneigte Gehör und wurde hier Bürger.

Wir haben diefen Hergang ausführlicher mitgeteilt, um zu zei— gen, wie ſehr jolche Entjcheidungen damals noch unter dem Einfluß von Standesintereffe und willfürlich behandelt wurden.

Weitere Bürgerannahmen aus diejer Zeit find:

1820 Hd. Klee aus Oberhaufen, Kurfürſtenthum Heffen, 1825 Hch. Rishaupt aus Weingarten, Wagner Kautt aus Immenhaufen bei Tübingen, Io). Kiby, Blechner aus Deſtreich, 1826 Konditor Zinko von Heidelberg, 1827 Louis Moog von Meijenheim im Zwei— brüd’schen, Schneider Jak. Fr. Wilfer von Wilferdingen, Schußbürger, 1828 Chrismann von Memprechtshofen, Ehret von Wendlingen, Ph. Emig von Pirmajens, Ph. Enz von Schuttern, Erny von Dur« lach. 1828 bittet Schreiner Hch. Römhildt, Stiefjohn des Bürgers, Schreiner3 und Dreikönigwirtes Ludwig, um Bürger- und Meifter- annahme und erhält fie. Er bezahlte dafür Meiftertare und Spor- teln 16 fl. 36 kr., dem Stadtamt für die Konzeſſion 17 fl. 40 kr., dem Überbürgermeijteramt 43 fl. 15 fr. und an die Zunftkaſſe 35 fl. 11 kr.

In dem nemlichen Jahre 1828 finden Aufnahme: Joſ. Sams- reiter, Senffabrifant aus Mannheim, und Heinrih Müller, Schrift- jeßer bei Braun, al? Schußbürger, 1829 Maurer Kunz von Nint- beim, Paul Mayer, Hafner aus Laufen bei Nürnberg, Schußbürger, 1830 Georg Gebhard aus Annaberg in Sachſen, 1831 Bruno Morig Alerander Schmitt aus Hannover u. U.

Steuern und Abgaben, wie Grund-, Häujer-, Gefäll-, Domini- fal- und Gewerbfteuern, Zölle, Werbrauchiteuern und Stempeltaren bezahlten die Karlöruher wie andere Unterthanen, jeit 1815 auch die Hundstare.

1810 wurde über den Hauszinsmwucher geklagt, und infolge dejien polizeilich bejtimmt, daß Fein WVermieter um mehr ala des bisherigen Mietpreifes fteigern durfte. Die frühere Einrichtung von 1749, nach welcher die Mietpreije durch eine Kommiſſion des Hof- rates, der Rentkammer und des Oberamtes fejtgejegt wurden, fand,

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obwohl von der Gemeindebehörde wieder in Vorſchlag gebracht, nicht die Zuftimmung des Minifteriums.

Eine Verordnung von 1804 beftimmte den 23. eines jeden Quartals oder längſtens 8 Tage nachher ala Kündigungsfrift.

1804 hatte die Unficherheit jo jehr zugenommen, daß eine Prämie von 25—40 fl. für jeden tot oder lebendig eingefangenen Gauner ausgejeßt wurde, 1808 erjchien eine Verordnung gegen den Straßen- bettel. Handwerksburſchen und Bettler erhielten am Thor einen Zettel mit Angabe der Stelle, an welcher fie Unterftügung erhalten konnten, der Bettler erhielt bei einem Ratsverwandten, der Gejelle auf jener Bunftherberge den Zehrpfennig. Eine Suppe in der Suppenanftalt in der Spitaljtraße koftete 2 kr. ; bettelte einer trogdem, jo wurden ihm 6—8 Stodprügel aufgemefjen, er kam in Arreſt und murde dann ausgewiefen, wofür er dem ihm megbringenden Polizeidiener noch 15 Er. zu bezahlen hatte. Vom 1. Januar bis 1. November 1808 wurden jo 619 Bettler eingefangen, und 600 Betteljuden fortge- wiefen. Die Ablieferung, der Schub, geichah an das nächſte Amt. Um das Jahr 1817 nahm, wohl infolge der Teuerung, die Unficher- heit wieder jo zu, daß fogar die Hauptitraßen nach Durlach und Müblburg, mwenigftens bis zur Hälfte, von Polizei begangen wurden. 1826 wurde auf dem Weg nach Beiertheim der Schuhmacher Gulde ermordet, und obgleich 1827 die Polizei aus 1 Wachtmeifter, 2 Ser- geanten und 18 WBolizeidienern beftand, wurde den 29. Juni 1827 der Melter Reinhardt in der Melferei bei dem Wugarten in der Nacht erichlagen und beraubt, für welchen Raubmord am 27. März 1829 die beiden Brüder Damian und Dualibert Maiſch von Winkel zwijchen der Straße nad Mühlburg und dem Landgraben enthaup- tet wurden.

Bejonders reich) an polizeilichen Verordnungen und Maßregeln war die Amtsthätigfeit des Polizeidirektors Bauer von Eijenegg 1811 bis 1814 geweſen.

Es wurde den Trödlern das Aushängen ihrer Waren verboten, die Nachtigallen befteuert, dreimaliges möchentliches Straßenkehren geboten, den Küfern das Arbeiten im Sommer vor 6 Uhr morgens, in Winter vor 8 Uhr, den Mebgern der Verkauf von Dürrfleiſch an den Wochenmärkten unterjagt, nicht arbeitende und Blaumontag machende Gejellen verhaftet, das Fleisch bei dem Metzger nachgewogen

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und tarirt, das Schlafen der Schreinergefellen in unfertigen Häu— fern nicht mehr geftattet, vorjpringende Schauläden und Wetterdächer verboten, das Feſtmachen der Fenſterläden, die Unterhaltung der Bligableiter, die Kehrichtabfuhr angeordnet, das Baden von Kar— toffelbrot empfohlen.

1811—21 beftand noch, obwohl die Thorwachen ihr Holz bezogen, und die Einfahrenden Weggeld und Dftroi zahlen mußten, die alte Uebung, von jedem einfahrenden Wagen Holz das fogenannte Wachicheit zu nehmen, 1822 aber wurde diefer Mißbrauch abgeftellt. Jeder Fremde mußte an den Thoren jeinen Paß abgeben, damit derjelbe auf dem Polizeibureau niedergelegt und vifirt werden konnte, was allerdings, da der Paß erjt den andern Morgen zurüdgegeben wurde, für die Abreiſe jehr ftörend war. Diejer Uebelftand mar wohl der Grund, daß einfach Durchreijende oder nur einmal Ueber- nachtende bald von diejer Verpflichtung befreit wurden. Diefe Ein- richtung beftand übrigens in Norddeutichland und Deftreich noch in den dreißiger Jahren.

Länger bier Bleibende erhielten am Thor eine Aufenthaltsfarte für je acht Tage gegen Zahlung einer Heinen Taxe, in PBrivathäufern wohnende Fremde, melche mehr als 7 Stunden von bier wohnhaft waren, mußten angezeigt werden, und hatten, wenn fie über 24 Stunden blieben, ebenfalla eine Aufenthaltskarte zu löſen. Die Polizei und das Militär hatten allmächtlich ihre Patrouillengänge durch die Stadt zu machen, bei den Wachpoften fich zu melden und morgens der Polizei direftion Bericht zu erftatten, und dennoch kamen häufig nächtliche Diebftähle und Einbrüche vor, jo daß auch jeder Fußgänger gehalten war, nachts, troß der Straßenbeleuchtung, ftet3 mit brennender Laterne über die Straße zu gehen. Ebenjo liefen 1817 häufige lagen ein über Defraudation von Nccije, Weg-, Pflafter- und Marktitand- geld, welche Vergehen durch die Eröffnung der Akademie» und Stefanienftraße, durch die Verlängerung der Wald- und Amalienftraße wejentlich begünftigt wurden. Oberzollinſpektor Burkhardt berichtet daher 1817, das Mühlburgerthor jei an jeiner jetigen Stelle nutzlos, e3 werde im Walde gejtohlenes Holz in Menge bereingejchleppt, man jolle vom Karlsthor bis zum Mühlburger- und Linkenheimerthor eine zulammenhängende Umfriedigung um die Stadt führen, auch folle ein Thorwart an das Karlsthor gejeßt werden. (S. ©. 435.)

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Das Gebot, an den Häufern die Dachrinnen mit langen, bis auf die Gehwege berabreichenden Abflußröhren zu verjehen, konnte 1816— 26 mit Mühe durchgejeßt werden, und ebenjo lange Zeit war erforderlich, um die Abweisfteine von den Straßeneden zu entfernen.

Kaffee und Thee waren noch zu teuer, und als Frühſtück nur dem Bemitteltern zugänglich, der gewöhnliche Bürger genoß ftatt dejien Fleiſch und Wein, der Aermere Schnaps, Brot oder Milch. Der Tabak wurde in Süddeutichland damal3 mehr gejchnupft als geraucht. Als Brennmaterial diente jchon 1813 die Steinkohle, bejonders in Fabriken, jedoch nicht häufig, ebenfall3 wegen des noch zu hohen Preijes, Torf brannte der ärmere Mann, noch 1843 koftete der Zentner Steinkohle 1 fl.

Der Verbrauch der Stadt betrug 1812 3590 Zentner Mehl, 1345 Ochjen, 825 Kühe, 959 Ninder, 3 Farren, 6046 Kälber, 1629 Hämmel, 85 Geifen, 2119 Schweine, 3860 Ohm Wein, 2560 Ohm Bier, 3870 Zentner Salz, 14063 Meß Holz, 820 Zentner Steinkohlen. (Vergl. Chronit 1885, ©. 25.)

Maß und Gewicht waren nach dem franzöfiichen Dezimal- Igftem: für Getreide 1 Zuber 10 Malter, 1 Malter 10 Sefter, 1 Sefter 10 Meßle, 1 Meßle 10 Beer; für Wein 1 Fuder = 10 Dhm, 1 Ohm - 10 Stüßen, 1 Stütze 10 Map, 1 Maß 10 Glas; als Gewicht hatte man 1 Zentner 100 Pfund, 1 Pfund = 10 Centaß, 1 Centaß = 10 5; als Längen- und Flächenmaß 1 Rute = 10 Zub, 1 Fuß 10 Zoll, 1 Zoll = 10 Linien, 1 Linie = 10 Punkt, 1 Elle 10 Zehntel, 1 Zehntel 10 Hundertel, ein Morgen 4 Viertel, 1 Biertel 100 Quadratruten, 1 Quadratrute = 100 Quadrat- fuß, 1 Klafter = 10 Zehntel, 1 Zehntel 10 Hundertel. Die alte Einheit3- Münze von 1 Pfund 20 Schillingpfennige, war in dem neu eingeführten Guldenfuß 1 fl. 25 fr. 2%, Bf. Das alte Flüſſigkeits maß war 1 Fuder 10 Ohm, 1 Ohm 12 Viertel, 1 Viertel 6 Maß, 1 Maß 4 Schoppen, das Flächenmaß 1 Morgen 160 Quadratruten 16000 Uua- dratjuß.

Die Einguartierung der Truppen von Freund und Feind, welche während der Kriegsjahre im Anfang des Jahrhunderts auch unfer Karlsruhe zu tragen hatte, war eine jchwere Laſt, daher bat 1811

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der Stadtrat für ich jelbft, jowie für Witwen und Waifen von Ratsmitgliedern und für die Gaffenmeifter und deren Witwen und Waiſen um Einquartierungsfreibeit, weil die Stadträte ala Gehalt nur einen filbernen Löffel und einen Gulden Tagesgebühr bezögen. Nach der Abweiſung ihrer Bitte aber forderten fie mwenigftens 1 fl. 30 fr. Tagesgebühr.

1812, al3 die Stadt fronen jollte, verwahrte fich der Stadtrat dagegen, weil bier nur Luxus- und Haudererpferde, und nur Gewerbs—⸗ leute jeien, wogegen das Minifterium erwiderte, die Karlsruher jeien nur von Herrnfronden, nicht von Landfronden frei, die Fronden mit Pferden jeien eine Gutslaſt, aljo jeien allerdings Lurus- und Hauderer- pferde frei, aber nur, wenn die Beſitzer derjelben feine Güter hätten, übrigens fkünnten die Karlsruher ihre Fronden auf privatem Weg durch bezahlte Fröner verrichten Lafjen.

Ein gleiches Gejudh vom Jahre 1815 um völlige Frondfreiheit für Karlsruhe, mit Ausnahme der Gemeindefronden, wurde mit Bezug auf das Konftitutiongeditt Nr. VI vom 4. Juni 1808 abermals abjchläglich bejchieden. Bon Gemeindefronden befreit waren aber noch 1820 Männer über 60 Jahre, Gebrechliche, die Männer von Heb- ammen, die Militärinvaliden, Hof», Militär-, Kirchen-, und Staats» diener und vom Staat bejoldete Subalterndiener.

In demjelben Fahr bat der Stadtrat um Bürgerholz für die Stadt, weil in Abwejenbeit des Militärs die Bürger Wachdienft zu thun, und dabei viele Einquartierung zu tragen hätten, wurde aber mit diefer Bitte, ebenjo wie mit einer 1821 in gleichem Betreff wiederholten, mit dem Beifügen abgemiejen, e3 liege dafür durchaus fein Nechtötitel vor, und die Stadt habe ohnedies von Hof und Regierung jonftige Vorteile genug.

Das Handels: und Gejhäftsleben der Stadt Karlsruhe konnte, jchon wegen ihrer Lage nicht unmittelbar an der großen Waſſerſtraße des Nheines, fein großartiges werden, jo lange nicht andere Verkehrswege für den Handel eröffnet waren. Bi gegen Ende de3 vorigen Jabrhundert3 waren die Karlsruher Handelsleute mehr nur Krämer, und wir finden unter ihnen kaum einige bedeutendere Handelshäufer. Der Hof jelbit war daher vielfach genötigt, jeinen Bedarf an bejiern Manufakturartifeln von außen, namentlich) von Straßburg zu beziehen.

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Erjt mit dem Anfang der neunziger Jahre, welche durch den Krieg mehr Verkehr und Geld ins Land brachten, wurde das Gejchäft auch in Karlsruhe lebendiger, Kriegslieferungen, die bald nach dem Beginn des neuen Jahrhunderts eintretende Vergrößerung des Landes, welche die Zahl der öffentlichen Diener in der Reſidenz vermehrte, fteigerten mit dem Wohlftand des Einwohners auch die Thätigkeit der Handelswelt.

1795 war das Kontor der Markgrafen Friedrich und Ludwig unter deſſen Chef Hch. Vierordt das einzige Bank- und Wechjel- geichäft, nach 1800 aber betrieben dafjelbe, außer dem Hofbantier Haber und dem Bankier David Seligmann, auch andere Häufer.

1804 kamen fremde Glashändler aus Böhmen und dem Schwarz- wald hieher, mwelchen aber, auf die Beſchwerde der Witwe des Hof- vergolders Schaaf, wegen Gejchäftsjchädigung, der Handel, außer auf Yahrmärkten, unterfagt wurde. Das Haufiren mit eingeführten Waren wurde troßdem aber bald jo bedeutend, daß 1812 390 Haufirjcheine für bier ausgeftellt wurden.

Als erfte größere Handelshäufer erjcheinen um 1780 ff. das Haus Mallebrein, und bald auch Friedrich Lauer, 1792 hatte ſich Chriftian Meerwein in Schrödh niedergelaffen, z0g nach einigen Jahren als Meerwein u. Cie. bieher und betrieb einen Speditiond- und Waren- handel im Großen.

1815 erjcheint Hch. Fellmeth ala Beliger der erften Modehand- fung, Jakob Kufel und Gebrüder Model find Beſitzer der erften Ellenwarenhandlungen, auch Löw Homburger, Samjon Hermann, Iſidor Levi, Veißt Levi, Iſaak Seligmann, Löw Willftätter und andere Sfraeliten begegnen uns jchon damals mit ſolchen Gejchäften, während 1815 noch fein Ehrift bier einen Handel mit Ellenwaren betreibt.

Bis 1817 hatte der Ratsherr Dürr den Alleinhandel mit Mine- ralwaſſer, in diefem Jahre aber wurde diefer Handel freigegeben, je- doch unter die Aufſicht des Phyſikats gejtellt.

1820 ff. wurde ein lebhafter Speditionshandel mit Gütern ge— trieben, welche von dem Unterrhein her bis Schrödh auf dem Rhein famen, und von da nach dem Oberland, nah Würtemberg, zum Zeil auch nach dem jüdlichen Baiern und der Schweiz durch Karlsruher Häufer jpedirt wurden, und ebenjo entwidelte ſich um diejelbe Zeit

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bier ein bedeutender Kolonialwarenhandel nach dem füdlichen Deutich- land und zum Teil auch nach der Schweiz.

Mit der neuerftandenen Eifenbahn konnten aber die Dampfichiffe auf dem Oberrhein, welcher der Schiffahrt ohnedies Öftere Störungen brachte, nicht in Wettbewerbung treten, fie ftellten ihre Fahrten bis Schrödh (Leopoldshafen) ein, und das Bollamt wurde von Leopold3- bafen nach Knielingen verlegt. Damit hörte das Speditionsgefchäft hier großenteild auf, während jeit 1850 der Kolonialmarenhandel wieder mehr und mehr in die Höhe ging.

1828 waren hier 82 chriftliche und 46 jüdiſche Handelsftrmen, 1843 zählte Karlsruhe 148 Kaufläden, worunter die Tuchläden von Geyſendörfer und Chadouet, Mathik und Leipheimer, Stüber, Poſſelt, Levinger, Hermann Söhne, Homburger und Söhne, und auch die Schneider fingen um jene Zeit an, Tuchlager zu halten.

1850 hatte die Gütererpedition 308 179 Bentner Güter von und nach hier befördert, 1858 aber jchon 533 543, per Axe mochten es ebenjoviel fein, da Steintohlen, Eiſen, Wein und andere Landeöpro- dukte und Fabrikate, hauptſächlich aus NRheinbaiern, noch mit Fuhr- werfen hieher kamen, bis die Marauer Eifenbahn fich auch dieſes Handel3 bemächtigte.

1800 murden auf Bitten des Magiftrates die 1774 erſtmals eingeführten, dann abgejchafften und wieder eingeführten drei Jahr- märkte in zwei Mejjen mit Stägiger Dauer umgewandelt, und dazu der Schloßplaß eingeräumt, 1806 aber, al3 der Stadtrat auch die drei Jahrmärkte dennoch beibehalten wollte, wurde ihm dies ab- geichlagen. Der Anfang der Meſſe fiel auf den erften Montag im Juni und November, wie noch jet. 1815 wurde die Dauer derſelben auf 14 Tage verlängert, in neuerer Zeit aber auf 9 Tage bejchränft. 1841 erjchien eine gedrudte Mekordnung, 1872 mwurde die Meſſe vom Schloßpla hinweg in die Karlſtraße und auf den Ludwigsplatz verlegt.

Die Wochenmärkte wurden Montag, Mittwoch und Freitag auf dem Marktpla abgehalten, 1816 wurde eine Wildpretbant auf dem Marktplatz errichtet, aber der heimliche Verkauf von Wild außer der Marktzeit bei 10 Neichsthalern Strafe verboten. Pächter des herrichaftlichen Wildprethandel3 war der Reftaurateur Lipps. 1815 dürfen die Bauern fein Holz verlaufen, ehe fie e8 auf dem Wochen-

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markt feilgeboten. 1818 war der Fiſchmarkt bei der Eichanſtalt auf dem Marktplatz, und der Uebelſtand, daß dadurch im Winter der Platz mit Eis überzogen wurde, gab zu verſchiedenen Vorſchlägen zur Abhilfe Anlaß, die aber alle nicht ausführbar oder nicht zweckmäßig gefunden wurden, da die unterirdiſche Ableitung noch nicht geordnet war. Schon 1843 war, wie jetzt, jeden Tag Wochenmarkt, drei Tage auf dem Marktplatz und drei Tage auf dem Ludwigsplatz. Nach der Entſtehung und Ausbreitung des Bahnhofſtadtteils wurde auch auf dem dortigen Werderplatz (1874) dreimal in der Woche ein regel— mäßiger Wochenmarkt abgehalten.

1817 wurde die Errichtung einer ftädtiichen Mehlhalle mit Mebl- markt und Mehlwage genehmigt, und den 26. April erjchien die Mehlmarkt- und Mehlwageordnung. Es wurde hier Mehl, gerollte Gerſte, Erbſen, Bohnen, Habergries, Welſchkorn, Weljchkorngries zum Berfauf ausgeftellt, die Halle in dem Rathaus war jeden Freitag von 8—12 und 2—6 Uhr offen, der Verkäufer zahlte für die Mehl— fnechte vom Sad 2 fr., der Käufer aber 3 fr. für den Transport in fein Haus und 2 fr. Wägegeld.

Der Fruchtmarkt, ebenfalls im Rathaus, wurde jeden Mittwoch abgehalten.

1822 war durch Bergrat Selb Salz in Dürrheim aufgefunden, und die Saline dort errichtet worden, jo daß den 27. Dezember 1823 der erfte Transport einheimijchen Salzes in Karlsruhe anfam. 1824 wurde auch die Rappenauer Saline eröffnet.

Die Karlsruher Kaufleute fühlten jchon frühe in unjerer Periode das Bedürfnis gejchäftlicher und gejelliger Verbindung, 1813 finden wir daher bier eine unter dem Namen „Handelsſtube“ beftehende kaufmännische Vereinigung, deren Sekretär Chr. Reinhard war. An der Spitze ftand ein Ausſchuß von drei Mitgliedern, welcher je auf ein Jahr gewählt wurde. 1819 waren Chriftian Reinhard, Fr. Griesbach und K. Füßlin Ausichußmitglieder, und Kuſel Stellvertreter, 1820 Reinhard, 2. H. Rojenfeldt und Griesbach, und Füßlin Stellvertreter. Bon jegt an nannte fich der Verein Handelskammer und zählte 24 Mitglieder. Das Eintrittögeld betrug 5 fl. 30 kr., der Jahres- beitrag 2 fl. Wöchentlich fand eine Verfammlung jtatt. 1821 kam Mallebrein in den Ausſchuß, und 1829 waren Mallebrein, Rojenfeldt,

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Griesbah und K. Hch. Erhard Ausjchußmitglieder mit ca. 30 Mit- gliedern.

Seit 1833 wurde wöchentlich neben dem gejchäftlichen auch ein gejelliger Abend eingeführt, und die Zahl der Ausjchußmitglieder mit einem Direktor auf 10 erhöht.

Seit 1840 wurden von den 10 Ausichußmitgliedern je drei aus dein Spezereis und Langmwarengejchäfte, die übrigen aus andern Ge— ichäftszmweigen gewählt. In diejem Jahre traten 110 Firmen bei, und den gejchäftsleitenden Ausſchuß bildete K. Busjäger als Direktor, Herzer Stellvertreter, Hch. Hoffmann Sekretär, Berdmüller Erjap- mann, Stüber Kaſſier, Kaula Erjagmann, Hilb, Kölle, Ed. Höber und Knittel.

1841 wurde das 5 fl. 30 fr. betragende Eintrittägeld aufgehoben, 1847 der Beitrag von 2 auf 4 fl. erhöht. Direktoren oder Präſi— denten waren 1841— 1842 B. Schweig, 1842—1845 Barthold, 1846 Glock, 1848 Stüber (Präfident), 1850 Riempp, 1857 Stüber.

1850 hatte der Verein neue Statuten erhalten, 1862 aber, mit der Aufhebung der Innungen, wurde auch die Handeläfammer auf- gehoben, jedoch einftweilig fortgeführt.

1863 bildete fich eine neue handelsgenofjenichaftliche Verbindung, aus Kaufleuten und TFabrifanten unter dem Namen „Handel3- tammer der Großh. Rejidenz Karlsruhe” mit Bankier Kölle ala Präfident und 10 Ausfchußmitgliedern, und 5 fl. Beitrag. 1865 zählte fie 178 Mitglieder mit 240 Firmen, 1867 war Prä- jident Alb. Haas, 1869 wurde der Ausſchuß aus 12 Mitgliedern ge- bildet, und der Namen „Handel3fammer der Stadt Karls— ruhe” angenommen, 1872 wurde %. Krämer Präfident und der Beitrag auf 7 Mark erhöht. Die Zahl der Mitglieder betrug 180, der Firmen 400. Die Gejellichaft hat fich mwejentfiches Verdienſt er- worben um den Bau der Marauer Bahn, um die Gründung der badischen Bank, als Filiale der deutjchen Reichsbank, und um die Errichtung der Handelsjchule.

Den 11. Dezember 1878 erjchien das Gejeß über die Bildung der badischen Handelstammern, den 8. April 1879 die Vollzugsver- ordnung, und infolge deſſen die Bildung von Kreis- und Bezirks— bandelsfammern mit obligatem Beitritt für jämmtliche Handelsfirmen.

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Den 31. Mai 1880 fand erftmals in Karlsruhe die Wahl dazu ftatt, und fiel auf Bankier Schneider.

Die Induftrie im Großen bethätigte fich in der Gründung fabritmäßiger Gefchäfte und Unternehmungen, von welchen wir bier einige anführen. 1804 errichtet Schmidt in der verlängerten Spinn- bausgaffe eine Tabakfabrit, baut der Hofrat und Baddireftor von Sternheim in dem Hardtwinkel auf dem Gottsauer Kammergut eine Biegel- und Kalfbrennerei und erhält dazu vom Staate 7000 fl. uns verzingliches Darlehen, 1808 aber gerät das Geichäft ins Stoden und gebt in andere Hände über.

Ein jehr bedeutendes Gejchäft ift das jchon in der vorhergehenden Periode erwähnte Tabakgejchäft von Griesbach. Im 1765 war das—⸗ jelbe durch Lorenz Chappuy aus Straßburg in Durlach gegründet, und 1773 an Kaufmann Reuther hier verkauft worden. 1782 verbindet ſich mit diefem der Geheime Erpeditiongrat Griesbach, und das Ge- ſchäft wird unter der Firma Reuther u. Cie., dann Reuther und Griesbach mit einer Tabafmühle und englisch Lederfabrik in Rüppurr betrieben und 1787 bierher verlegt. Als 1794 Neuther ftarb, trat fein Tochtermann Schneider in das Gejchäft ein, und der Sohn Griesbachs übernahm e3 mit ihm, fo daß e3 nun Schneider und Griesbach hieß. 1802 trennte fich Schneider von Griesbach, und feit- dem beißt die Firma Chriftian Griesbach. Das Gejchäft, welches bis 1792 nur Schnupftabat fabrizirt hatte, nahm von da an einen größern Aufſchwung und lieferte auch Rauchtabak, beſaß 1815 eine Filialta— bakmühle in Ettlingen, und befchäftigte etwa 50 Arbeiter in Karlsruhe jelbft. Der Abſatz ging außer Landes, bejonders in die Schweiz, weil die Fabrikation des Tabals in Baiern und Würtemberg noch Regie war. Der Eingangszoll betrug in Baden 8 fl., in Baiern 24 fl. für amerikanischen Tabak. Das Geichäft Chr. Griesbach befteht noch bis jegt fort und verwendet neben bedeutendem Majchinenbetrieb etwa 50 Arbeiter.

1803 bildete fich hier eine Gejellfchaft zur Gründung einer weitern Tabakfabrik, die Sievertiche, welche vorher in Heidelberg und Mübhl- burg beftanden hatte, und in Kleinkarlsruhe errichtet wurde. 1815 batte diejelbe 30 Arbeiter, ging aber 1816 jchon wieder ein.

1806 den 7. Mai hatte Hof- und Leibmedifus Fr. Andreas Schridel die Konzeffion zur Errichtung einer Kriftallglasfabrit erhal

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ten und baute diefelbe in dem Beiertheimer Wäldchen, fpäter Prome- nadehaus, da fie aber nicht gedeihen wollte, bejchließt Schridel, das Geſchäft nach Forbach zu verlegen, und erhält, trog dem Widerſpruch von Gaggenau u. a. D., 1817 die Erlaubnis dazu, nebſt der mweitern Berechtigung, auch anderes, gewöhnliches Glas, zu fabriziven. 1827, nach Schridela Tode, wurde die Fabrik verkauft und nach der Nordrach, wo früber jchon eine Glashütte war, verlegt.

1810 wurde von Eyth die Tapetenfabrif wieder errichtet, welche unter Schmittbauer fallit geworden war, 1813 werben weiter genannt die Gräflich Hochbergiche Tuchfabrit (Gemwerbehaus), die Reißſche Chatjenfabrit, jpäter Schmieder und Mayer, dann Schmieder und Reiß, welche zu Beiten bis zu 250 Arbeiter bejchäftigte, die Bijou— teriefabrif von Delenheinz. Eine Spiellartenfabrit, urjprünglich durch Badofen aus Hamburg bier gegründet, dann unter der Firma Hd). Bierordt für Rechnung der Markgrafen Friedrih und Ludwig, fpäter duch David Seligmann (Eichthal) u. Cie. bis 1804 fortgeführt, 1810 eingeftellt, und 1813 durch Homburger wieder neu begründet.

Als neuetablirte Kaufleute und Gejchäfte finden wir 1815 Hch. Nofenfeldt, Speditionsgefchäft, das größte nach Meerwein, das Wein- bandelgejchäft von K. Meier, Affocie von David Seligmann, bas Spezerei- und Eifenwarengeihäft von Schmieder und Füßlin, bas Spezerei-, Kommiſſions- und Speditionsgejchäft von Reinhard, Spe- dition und Warenhandel im Großen und Wechſelgeſchäft von Job. v. Salvini u. Cie.

1821 errichtet Kaufmann Gefell eine Roßhaarbleiche und Spin- nerei auf dem Gottsauer Kammergut.

Bor dem Ekttlingerthor hatte der Staatschemifer Salzer eine Salmiafhütte gegründet, deren übler Geruch zu wiederholten Be— jchwerden und Bitten um Verlegung bderjelben Anlaß gab.

1824 wurde dem Kaufmann Hch. Erhart die Erlaubnis zur Errichtung eines Induftrie und Geſchäftskontors erteilt, 1828 erhielt PVremierleutnant Kuhn das Privilegium zur Anlage einer Nägelfabrik, 1836 gründete Emil Kehler die Maſchinenfabrik, 1847 kam diejelbe in Beſitz einer Aktiengefellichaft, 1852 aber, als dieje ſich auflöste, bildete fich unter der Benennung „Mafchinenbaugejellichaft Karlsruhe" ein neues Konjortium unter der Beteiligung des Staates und mehrerer Kölner und Frankfurter Bankhäuſer.

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1843 beftehen bier als neugegründete Geichäfte die Bijouterie- fabrit von Buber u. Eie., die Tapetenfabrit von 2. Kammerer , die Senffabrik von Samsreiter, die Kupferdruderei, früher Kloſe, dann Roth und Schnabel, das artiftische Inftitut von Gutſch und Rupp, die Steindrudereien von Greuzbauer und Hasper, Müller, Gutjch und Rupp, Wagner, Moutour und Schumann, die Bianofortefabrit von Gorenflo und Stein Witte, Inftrumentenhandel von Grewe, Schuiter, Gumprich, Springer.

Die 1845 hier errichtete Zentralwerkftätte der badijchen Eifen- bahnen beichäftigte bald weit über 300 Arbeiter. Neuere Geſchäftsgrün— dungen find die Verfilberungsanftalt von Chriftofle 1856, die galva- noplaftijche Anftalt und Metallgiekerei von Kreß 1857, die Stärfe- und Traubenzuderfabrit von E. Glod 1858, die Möbelgejchäfte von Him- melbeber, Haßlinger, Kluge, Morjchhäujer, Ried, Schumm, die Teppichfabrit von Lang, PBauspapier- und Glanzkartonfabrif von Holz- mann, die Dfenfabrit von Mayer, Chofoladefabrit von Fellmeth, Dampfläge- und Schneidemühle von Künzle, die Mafchinenfabrit von K. Fr. Schwindt von Pforzheim und Fr. Zimmermann u. U.

Seit den fechäziger Jahren u. ff. entjtanden die Zementfabrif von Dykerhoff und Widmann 1865, die Metallpatronenfabrit von Lorenz, die Fabrik chemisch präparirter Papiere von Leichtlin, die Fabrik fünftlicher Mineralwafjer von Eillis, die Glacehandſchuhfabrik von M. Ellftätter (1874), die Möbelfabrifen von Stövejandt, Markjtahler, Billing und Zoller, Gebr. Himmelheber, Ziegler und Weber, Wittich, Diftelhorft, M. Reutlinger, die Marmor-, Granit und Syenitbear- beitungsanftalt von Rupp und Möller, die Eisfabrif von 2. Ben- zinger.

Mit dem Wachstum der Stadt nahm auch die kleingewerbliche Thätigkeit einen höhern und Iebhaftern Aufſchwung, die Klein- gewerbe wurden zahlreicher, der zunehmende Luxus neben der wachjen- den Konjumtion riefen neue Gejchäfte ins Leben, und der durch die Zu- nahme der Einwohnerjchaft hervorgerufene regere Verkehr trug wejentlich dazu bei, der gewerblichen Thätigkeit lohnenden Abſatz zu jchaffen, und zahlreichere Kunden und zehrende Gäfte zu bringen. Zwar waren die Gewerbe noch eingeengt in die vielfach hemmenden Schranten des Bunftzwangs, und das zweite Jahrzehnt des Jahrhunderts, welches noch mancherlei Nachwehen der Kriegszeiten zu tragen hatte, gab den

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Gemeindebehörden wohl begründeten Anlaß zu Klagen über fchlechte Beiten und wachjende Not der Stadt im einzelnen und im allge: meinen, aber dieje jchlimme Zeit ging bald vorüber, die zwanziger Jahre brachten befjere Tage, fruchtbare Jahre für Stadt und Land, und der gebeihliche Entwidlungsgang der Reſidenz ging von da an um jo ficherer und ungeftörter einer befjern Zukunft entgegen.

Ein Verzeichnis der bier vorhandenen Gewerbe im Jahr 1813 weist uns folgende Gejchäfte und Zahlen auf: 3 Apotheker, 5 An⸗ ftreicher, 6 Bader, 36 Bäder, 5 Bierbrauer, 1 Bildhauer, 8 Budh- binder, 3 Buchdruder, 2 Büchfenmacher, 2 Bürftenbinder, 6 Drechzler, 2 Färber, 2 Fiſchhändler, 1 Feilenhauer, 9 Safer, 12 Gold» und Silberarbeiter, 2 Graveure, 5 Gürtler, 5 Hafner, 37 Handelleute, 7 Hutmacher, 4 Injtrumentenmacer, 3 Kammacher, 4 Knopfmacher, 2 Köche, 4 Kübler, 12 Küfer, 3 Kupferichmiede, 2 Kupferftecher, 1 Kupferftichhändler, 9 Kutjcher, 15 Leineweber (jeßt feine mehr), 4 Maler, 1 Marmorier, 8 Maurer und Steinhauer, 5 Mechaniker, 12 Mehlhändler, 2 Mefjerjchmiede, 30 Mebger, 2 Nadler, 2 Nagel- ichmiede, 1 Delmüller, 3 Pojamentiere, 17 Verüdenmacher, 2 Pfläfterer, 1 Regenjchirmfabrifant, 1 Riemer, 9 Sattler, 7 Sädler, 2 Schiefer- deder, 9 Schlofier, 8 Schmiede, 75 Schneider, 1 Schornfteinfeger, 30 Schreiner, 71 Schuhmacher, 10 Seifenfieder, 7 Seiler, 7 Spengler und Flaſchner, 1 Sporer, 2 Steindruder, 1 Steinjchleifer, 4 Strumpf- ftrider, 1 Strumpfweber, 1 Tabakfabritant, 3 Tapeziere, 3 Trödler (Frippiers), 9 Uhrmacher, 2 Vergolder, 1 Viltualienhändler, 6 Wag- ner, 56 Wirte, 2 Beug- und Bohrerjchmiede, 4 Zimmermeifter, 1 Binngießer, 5 Buderbäder.

1815 wird der Vermögensſtand aller Gewerbsleute folgender- maßen angegeben: 46 derjelben find ohne Vermögen, 357 befigen 100 1000 fl., 337 1000 10000 fl., 64 10— 50000 ft., 9 50100000 ff., 2 100—150000 fl., 3 150-300 000 fl., 2 300—500 000 ft.

1831 bildete fich hier ein Gewerbeverein, deſſen Statuten 1833 fejtgejtellt und genehmigt wurden, 1855 wurde die Gewerbe- bank gegründet, deren Stifter ein Kapital von 10420 fl. unverzinslich zujammenbrachten, aus welchem zunächſt an Gewerbetreibende, und in zweiter Neihe auch an andere Einwohner unter beftimmten Modifi- fationen und Sicherheiten Darlehen gegeben werden jollten. Den

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1. Juni 1858 entſtand durch Lubberger und Delenheinz ein aus Ge- werbsleuten jelbft gebildeter Vorſchußverein für Gewerbe, jetzt Vereinsbank genannt, zu welchem jedes Mitglied monatlich 24 kr. Beitrag Teiftete.

1842 wurde der badifche Induftrieverein mit dem Si in Karls⸗ ruhe, 1865 durch Maurer, Steinhauer und Bimmerleute der Bauge- werkverein mit anfangs 27 Mitgliedern, und der Zebensbedürfnisverein gegründet, im Mai 1865 die Landesgewerbehalle eröffnet, und 1884 bis 1885 mit 6000 Mi. Uinterftügungsbeitrag feitens der Stadt am füdlichen Ende der Leopoldftraße das Erportmufterlager für Gewerbe errichtet, jo wie auch die hiefigen Schreiner ſeit 1883 gemeinjame Berlaufslokale für ihre Möbel einrichteten.

1877 fand in den Gewächshäuſern des botanijchen Gartens eine badische Kunft- und Gemwerbeausftellung, 1881. eine Iandwirtjchaftliche Gartenbauausftellung, 1886 Auguſt und September die große Ge— werbe⸗, f[andwirtjchaftliche und Zuchtwiehausftellung für Baden auf dem Feſtplatz bei der Feſthalle ftatt.

1881 im Auguſt hielten die badijchen Gewerbs⸗ und Beichenlehrer bier ihre Landesverfammlung.

Eine hervorragende Stellung in dem Gemwerbs-, Verkehrs⸗ und polizeilichen Leben der Stadt nehmen auch im unjerer Periode die Gaſthäuſer ein, weshalb wir hier näher auf diejelben eingehen.

Bon den in unfern frühern Abjchnitten aufgeführten Wirtshäufern waren manche eingegangen, andere hatten ihre Namen, viele ihre Stelle gemwechjelt.

Im Jahre 1831 find folgende zu verzeichnen: Alademie- ftraße Nr. 20 Stahl zum Schwert, Ablerftraße Nr. 34 König von Preußen, 1816 neu, Amalienftraße Nr. 2 Stempf zum Großherzog, Blumenftraße Nr. 17 Stadt Baden, Erbprin- zenftraße Nr. 28 zum Goldenen Engel, Herrenftraße Nr. 4 Roos, Bierbrauer, Nr. 22 zur Stadt Warſchau, Infel zur Stadt Heidelberg, Karlftraße Steinmeg zum Goldenen Karpfen, Leip- beimer zum Kaiſer Ulegander, Kreuzftraße Dürr zum Darmitädter Hof, Kaffeehaus von Kölle, Weber zur Stadt Pforzheim, Bierbrauer Schmidt Nr. 9, Kronenftraße Nr. 42 zum Geift, Nr. 46 Brauerei von Scheelmann, Nr. 62 zur Tanne, Nr. 17 Judenwirtshaus,

Zi EB: 2

Nr. 29 Sauter zum goldenen Lamm, lange Straße Nr. 3 zum Grünen Baum, Nr. 16 zum Ritter, Nr. 21 zum Weißen Lömen, Nr. 39 Bierbrauerei Eifele, Nr. 49 zum Wilden Mann, Nr. 79 Groß zur Stadt Philadelphia, Nr. 91 Roos zum goldenen Ochſen, Nr. 97 Dollmätich zum Rappen, Nr. 113 Stadt Straßburg, früher Straßburger Hof, 115 Eichelfraut zum König von England, Nr. 116 Dreilönige, Nr. 122 Drei Kronen, Nr. 129 Bierwirthichaft, jebt Goldener Hirſch, Nr. 183 zum Salmen, Nr. 191 zum Schwan, Nr. 215 zur Stadt Freiburg, jpäter Deutjches Haus, Nr. 219 zur Stadt Lyon, jet Schmidt, Nr. 76 zum Englifchen Hof, früher zum Bären, Lintenheimerftraße zum Mohren, Ritterftraße zum Erbprinzen, Reftauration, von Wilkens, Schloßplag Nr. 3 zum Badiſchen Hof, Nr. 8 Reinhardiches Kaffeehaus, Schloßftraße (Karl Friedrichftrake) Nr. 2 zum Unter, Nr. 7 Zähringer Hof, Spitalftraße, jest Steinftraße Nr. 17 zur Goldenen Traube, Nr. 10 zu den Drei Lilien, Waldſtraße Nr. 2 zum Roten Haus, zum Wolf, zur Blume, Waldhornſtraße Nr. 8 zum Schwarzen Adler, Nr. 25 zur Sonne, Zähringerftraße Nr. 54 zum Schiff, Zudenmirthichaft, Nr. 65 zum Goldenen Kreuz von G. Fiſcher, Nr. 71 zur Wage, Zirkel Nr. 7 zu den Goldenen Sternen, Nr. 9 zur Krone, Nr. 31 zum Waldhorn.

Zur Geichichte der einzelnen Gafthäufer fügen wir bier noch Näheres hinzu.

Bor 1752 war das Haus, jetzt Nr. 9 des Zirkels, Ede der Kronenſtraße, Gafthaus zur Krone, nach 1754 wurde die Schildge- rechtigfeit in das Edhaus des Zirkels und der Adlerſtraße Nr. 15 verlegt, jchon vor 1780 war aber die Wirtjchaft wieder an der frühern Stelle der Kronenftraße, 1806 baute Kiefer dort fein Gafthaus neu auf, und es behielt den Schild zur Krone, bis es im unjerer Zeit den zum Kronprinzen erhielt.

1809 will Ignaz Winterhalter von Dos, ein Bedienter des Minifter3 von Edelaheim, vor dem Mühlburgerthor neben der Reiß— ichen Chaiſenfabrik eine Bierwirtbichaft errichten, doch wird ihm, meil dadurch der Schmuggel des Dftrois erleichtert würde, die Bitte ab- gejchlagen, auf erneuerte Bitte erhält er 1811 das Perſonalrecht für Bier- und Branntweinjchanf, 1814 bittet er auch um das Necht,

Wein zu ſchenken, hart daneben, jagt er, fei die Generalfantonsin- 31

at

ſpektion für Rekrutirungen, Meffungen, ärztliche Unterfuchungen u. ſ. w., Dffiziere und Soldaten, welche dazu kämen, tränfen mehr Wein, nur die gemeinften Leute Bier u. ſ. w. Darauf hin erhielt er, da Edels— heim ihn unterftügßte, 1815 das perjönliche Weinjchantsrecht und nahm den Schild „zur Stadt Baden“ an. Zugleich baut er nun an der Ede der neuen Hirſchſtraße, jetzt 229 der Kaijerftraße, gegenüber dem Schreiner Ludwig, ein dreiftödiges Haus und betreibt dort jeine Wirtichaft, 1822 aber wurde ihm die Bitte um das Realwirtſchafts— recht abgejchlagen, obwohl er fich erbot, arme und kranke Durchreifende, welche ſich zur Aufnahme in das Spital nicht eigneten, zu beherbergen, wie dazu Schon die Wirtjchaften zur Stadt Straßburg, zur Roje und zum Schwan verpflichtet waren. Bald nachher geriet er in Gant, mußte jein Haus verkaufen, und mietete nacheinander verfchiedene Bierwirtichaften, bi8 er gegen 1830 ganz verjchmwand.

1810 bat Leibjchneider Frey das Haus in der Lammſtraße neu gebaut, in welchem jegt die Nejtauration zum Prinz Karl befteht.

Die Wirtichaft zum Schwarzen Bären am Marktplatz und der langen Straße war noch 1815 nur Perſonalrecht, obwohl dem ver- jtorbenen Sebald Reuter jchon 1791 das Realrecht verjprochen worden war, wenn er modellmäßig neubaue. Der Sohn, Karl Reuter, war bi3 zur Erreichung der Volljährigkeit davon entbunden worden. Als derjelbe nun volljährig wurde, erbot er ſich 1809, nicht nur den Bären jelbjt, jondern auch ein vor 20 Jahren von feinem Vater er: worbenes Wohnhaus daneben abzureiken und dreiftödig neu zu bauen, und als 1817 dies gejchehen war, erhielt er auch das ihm zugefagte Realrecht.

1811 hatte Kreuzwirt Fiſcher ſein Gaſthaus in der Kreuzſtraße neu erbaut, und nach ſeinem Tode baut 1816 ſeine Wittwe daran anſtoßend in der Kreuzſtraße, der Lyceumsſtraße gegenüber, ein Poſt— erpeditionsgebäude.

1813 baut der Küfer und Stallbediente Klemens Fiſcher das Eckhaus Nr. 22 der Kreuzitraße, 1811 verlegt 8. W. Wielandt ein von ihm bejefjenes Realrecht auf fein am Schloßplatz, Ede des Zirkels und der Kronenftraße, erbautes Gafthaus zum Badiſchen Hof. Diejes Gafthaus enthielt nebſt 20 Gaftzimmern einen Saal von 60° Länge und 32° 6“ Breite, dejien Dede mit Gemälden von Fedor geſchmückt war, und in welchem die Bälle der befjern Gejellichaften abgehalten wurden.

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1815 beſaß ein gewiſſer Potier die Wirtſchaft zur Blume hier. Ludwig Däſchner von Grötzingen, deſſen Tochtermann, wurde Bürger, übernahm 1817 die Wirtſchaft und verlegte dieſelbe 1824 in das Banſaſche Haus in der Waldſtraße, auf welches er das perjönliche Wirtichaftsrecht erhielt.

1816 wird die Roſe in der langen Straße durch Kaufmann Veiſt David Levinger abgebrochen und dreiftödig neuerbaut; 1817 wurde das verrufene Gafthaus zum Durlacher Hof in der Xinfen- heimerftraße in „Rotes Haus“ umgeändert, und Ignaz Ochs pachtet die Wirtichaft zum Promenadehaus. 1826 erhält der Pächter des Rappenwirtähaufes, Joh. Kappler, das Realwirtichaftsrecht auf die von ihm gelaufte Garde du Korpskajerne, den jegigen Geift, und Grenadier 3. Klüpfel die Wirtſchaftskonzeſſion zum Rebſtock, der ge- genmwärtigen Stadt Lahr am Spitalplat.

Die Bierbrauerei und der Bierſchank waren im Anfang des Jahr- hunderts bier noch nicht bedeutend, da noch mehr Wein ala Bier getrunfen wurde, namentlich auch in den wohlfeilen Weiniahren nach 1820. 1814 waren 10 Bier- und Branntweinschenten, und 8 Bier- brauer hier, welche aber wenig fontrolirt waren, und die bedeutende Einfuhr von Heidelberger Bier nicht verhindern konnten. Die größten Brauer waren 1815 Nägele und Clauß, doch hatte kein Brauer jähr- (ich über 2600 fl. reinen Gejchäftsertrag.

In unjerer Zeit aber hat gerade diejer Gejchäftszweig einen jehr bedeutenden Aufichwung genommen, bedeutende Brauereien, wie Bring, Schrempp, Höpfner, Kammerer, v. Seldenef haben dem Karlsruher Bier einen auch auswärts geltenden guten Auf verjchafft, und die Ausfuhr des Bieres ift 1880—1886 von 710991 auf 1541002 Ltr. gejtiegen. Die erjten, jchon vor 1860 angelegten Bierkeller vor der Stadt waren der von Reble und Clever vor dem Mühlburgerthor, ſowie der von Had, Geiger und Eifele vor dem Karlathor und an der Kriegsſtraße.

Judenwirtſchaften waren 1815 drei und eine Herberge für arme Juden hier.

Eine dieſer drei Wirtichaften war ſeit 1804 von Jakob Weil gepachtet. Diejer, welcher auch Weinhandel im Großen trieb, juchte um die Erlaubnis zu einer eigenen Wirtichaft nach, indem er be- bauptete, e3 jeien nur zwei Judenmwirtichaften hier, deren feine aber anjtändige Fremde beherbergen könne. Deshalb erhielt er 1815 ein

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Realrecht, jedoch mit der Auflage, ein dreiftöciges Haus in der langen Straße zu bauen. Da er aber keinen paflenden Pla dort findet, fauft er von Polizeiinſpektor Schridel einen Hausplatz in der Zährin- gerftraße und errichtet dort die noch jet beftehende Wirtjchaft zum Schiff. Doch vermietete er die meiften Räume, war oft auf dem Haufirhandel abweſend, verpachtete 1821 den zweiten Stod ala Kaffee— wirtjchaft an Wachenheimer aus Mannheim, und hatte im untern Stod die eigene Wirtjchaft, welche aber als unreinliche und übelriechende Kneipe gejchildert wird. 1827 erhielt fein Sohn Daniel das Perſo— nalrecht und 1839 das Realrecht.

Mit Kaffeehäufern und Meftaurationen war Karlsruhe nicht glänzend bejtellt. 1815 finden wir am Schloßplatz das Reinbardiche Kaffeehaus, 1819 reicht Ehriftian Leipheimer ein Gejuch um Erlaubnis zur Errichtung eines Kaffeehaufes und einer Rejtauration Zähringer- ftraße Nr. 27 ein, und erhält diejelbe, troß der Einſprache der Gaft- wirte, dagegen wird er 1828 mit der Bitte um ein Gafthofrecht abgewieſen. 1827 erhält die Firma Giani und Schmieder die Be- milligung zur Errichtung eines italienifchen Kellers. Noch 1843 wird geflagt, daß kein fchönes Kaffeehaus hier fei, und überhaupt nur die drei von Rothenader, Kappler und Obermüller.

1804 wurde jeder Privatweinjchant ohne Ausnahme, 1812 da3 Ausſchenken von Branntwein in Kaufläden und Konditoreien ftrenge verboten, 1815 das fFeierabendbieten durch die Polizei in den befjern Gaſthöfen abgeichafft, 1822 der Verkauf von fremden Flaſchenweinen auch in andern, ala den Wirtſchaftslokalen wieder erlaubt.

Bisher konnten Perjonalberechtigungen zur Wirtjchaft ohne Ein- ſchränkung verpachtet oder verkauft werben, von 1817 an wurde dies nur mit bejonderer Genehmigung der Behörden ausnahmsweiſe ge- ftattet.

Perſönliches und Geſelliges. Ueber die äußere Er- icheinung der Karlsruherinnen feiner Zeit jagt Hartleben in feinem Buche: „Statiftiiches Gemälde der Reſidenzſtadt Karlsruhe, 1815":

„Die Karlsruherinnen find mehr Hein als groß, nicht jehr jchlant, dagegen aber gerundet und blühend ohne Schminke. Höchit jelten beobachtet man an ihrem Aeußern die Zeichen der Weichlichkeit und üppigen Lebensart, wodurch das jchöne Gejchlecht in jo manchen andern Refidenzftädten an feinem Werte verliert.“

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Ob Hartleben noch heute ein gleiches Urteil über unfere Da- menmwelt fällen würde, ift zweifelhaft, insbejondere würde er die ge- ringe Leibesgröße und den Mangel an Schlanfheit der Reſidenzdamen unjerer Tage wohl nicht mehr jo unbedingt behaupten können. Won den Karlsruhern im Allgemeinen wird aus derjelben Zeit berichtet, fie jeien fern von Aberglauben und Intoleranz, empfänglich für Beſſeres, Nenes, heildenkende Köpfe und fittlichen Wandels, anhänglich an das Fürftenhaus, wohlthätigen Sinnes, Freunde von Gejang, Muſik und Theater, und nach einer Aeußerung des Adjunktes in Hebeld Rhein- ländiſchem Hausfreund war damals in Karlsruhe ein jugendliches Aufftreben, und e3 bewegte fich dafelbit eine große Anzahl begabter und originelle Menjchen der verjchiedeniten Art. Eine andere Nachricht aus dem Anfang der fünfziger Jahre dagegen ftellt das Benehmen und Auftreten der Karlsruher als eine Folge der Revolution, der Reaktion und bes Belagerungszuftandes dar ala kühl, abftoßend, zurüdhaltend, mißtrauisch, im Verkehr kurz und derb, den Zutritt in Familien jchwer, die Scheidung zwiſchen Fremden und Einheimischen jehr fühl- bar, das Leben langweilig und öde. Doch fcheint diejer Zuftand bei der ganz anders gearteten Natur des Karlsruhers nicht auf die Dauer beftanden zu haben, denn derſelbe Berichterftatter jagt, „es jei bald wieder ander? geworden, neues Leben in Vereinen und Ge— jellichaften erwacht, ſüddeutſche Gemütlichkeit habe verjühnend die Scheidung des füd- und norddeutichen Elementes ausgeglichen, die Standesunterfchiede feien mehr und mehr gefchwunden, und troß be— rechtigtem Bartitularftolze habe, dem Beifpiele des Fürftenhaufes folgend, treue vaterländijche Liebe zu Reich und Heimatland alle in Eintracht vereinigt. Die Bewohner, eine Mifchung von römijch-kel- tiſch⸗ pfälziſch⸗ Schwäbischen Blut, hätten den ſog. rheinſchwäbiſchen Dialekt, der aber doch mehr und mehr verjchwinde.

Gefellige Spaziergänge nach der Umgegend, nach dem Yugarten, nach dem Alleehaus, dem PBromenabehaus, nach Beiertheim, Mühl- burg, Killisfeld, dem Amalienbad und Schlößchen bei Durlach und nach diejem ſelbſt führten jchon nach dem Ende der franzöfifchen Kriege die Karlsruher hinaus, und ein heiteres Tänzchen ließ auch dort die Unterjchiede der Stände vergeffen.

Bur Zeit des Traubenherbftes befuchte man die Durlacher in ihren Rebbergen, zur Winterzeit eilte jchon damals Jung und Alt nah der Schießwieſe vor dem Ettlingerthor zum Schlittichuhlauf.

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Doch auch in der Stadt entfaltete fich bald ein gejelliges Leben. Das Mufeum gab feine Bälle, Mittwoch und Samstags wurden regelmäßige Winterbälle in dem Saale des Badiſchen Hofwirtes Wielandt abgehalten, und zwar Mittwochs durch den Adel und die böhern Stände, Samstags auf Subffription durch die geringern Stände; doch wurden die Samstagbälle 1813 megen des darauffol- genden Sonntags verboten. Im Theater gab es ſchon damals (1815) Mastenbälle und Konzerte, abends belebten fich die Kaffee- und Gajt- bäujer, bejonder3 das Mujeum, der badifche Hof und das Drechs- ler’jche, jpäter Neinhard’sche Kaffeehaus im Zirkel, wo man fich zumeilen mit Kartenjpiel die Zeit verkürzte, jedoch weniger ala in andern Städten. Bortionenmweife nach der Karte zu jpeifen, war noch nicht üblich, und nur in dem Muſeum und badischen Hof eingeführt.

Das Mujeum hatte, wie wir oben gejehen, jein Zeje- und GSejellichaftslofal in dem gemieteten untern Stode des Weinbren- nerjchen Edhaufe® an dem Marktplage, jetzt 239 der Kaiſerſtraße. In diefem Lokale erhielt die Gejellichaft jchon 1808 das Privat- mwirtichaftsrecht. Ihr erjter Wirtichaftspächter war Joh. Winfens aus Neuwied, welchem daneben auch die Haltung eines Kofttijches für Nichtmitglieder, ein bejchränttes Herbergerecht für Fremde, ſowie auch die Bewirtung von Einheimiſchen, dabei aber feine eigentliche Zechwirtſchaft gejtattet wurde.

Wegen der Abhaltung von Gefellichaftsbällen, Kafıno genannt, wurden Schon 1808 Beratungen gepflogen, doch fehlte dazu noch der eigene Raum. Ende 1812 bat eine Kommiſſion, beftehend aus dem Stadtlommandanten von Stodhorn, Kirchenrat Sander, Finanzdirek⸗ tor Vierordt, Regierungsrat von Fahnenberg und dem Oberbaudiref- tor Weinbrenner, in einer Audienz um Genehmigung eines Baues, bei welchem drei alte Häufer in der Nitter- und langen Straße abgebrochen werden mußten, und um Unterftügung dazu, und der Großherzog bewilligte ald Baugnade und freiwilligen Beitrag 8000 ff. aus der Staatskaſſe. Daher wurde ein Neubau bejchloffen, und den 28. Januar 1813, an dem Geburtstage Karl Friedrichs, der Grund» ftein dazu gelegt. In dem Grundftein liegt auf filberner Platte eine Snjchrift, welche lautet: „Im Jahre 1813 am 28. Januar, ala Großherzog Karl regierte, und defien Gemahlin Stephanie Napoleon ihn beglüdte, legte den Grumdftein diejes Baues, der Wiſſenſchaft und Kunft geweiht, dad Muſeum Karlsruhe. Den Bauplan entwarf

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der Oberbaudireftor Weinbrenner.“ Ferner enthält der Grundftein die Statuten, die Namen der Mitglieder, zwei Flaſchen Wein von 1786 und 1812, Karlsruher Gewächs. Kirchenrat Sander hielt die Feſtrede. Stadtlommandant und PBolizeidireftor v. Stodhorn wohnte an als Vertreter des Großherzogs, des Protektors der Gejellichaft.

Die damalige Muſeumskommiſſion bildeten als Vorſtand Kir— chenrat Sander, vorher Geheimrat Oehl, der markgräfliche Finanz— direktor Hch. Vierordt, Regierungsrat von Fahnenberg, Legationsrat Ring, Major von Kageneck, Lyzeumsdirektor Zandt, Kammerrat Gerſtlacher und der Stadtvikar L. Fr. Deimling als Sekretär. Dieſe Kommiſſion erbat und erhielt 1813 die Uebertragung ihrer bisherigen Geſellſchaftsrechte auf den Neubau. Nach Fertigſtellung deſſelben fand die feierliche Eröffnung den 9. Dezember durch einen Ball ſtatt.

Auf beſondern Wunſch der Großherzogin und der verwittweten Markgräfin erſcheinen dazu die Damen in einfach weißem Kleide von beliebigem Stoff und Schnitt, mit rotſammtnem, am Saume ſchmal geſticktem Gürtel, deſſen beide Enden, mit Goldfranſen beſetzt, an der linken Seite eine Schleife bildeten. Den Kopfputz, ohne Blumen und Federn, bildete ein rotſeidenes oder -jammtne® Band mit ſchmalem Goldſaume. So wollte auch die Großberzogin mit ihren Damen in Zukunft jedesmal erjcheinen. Mufter lagen zur Einficht vor bei der DOberhofmeifterin von Wöllwarth, der Gemahlin des Finanzdirektors Vierordt und de3 Regierungsrates von Fahnenberg, de3 damaligen Mujeumsdireftord. Bei der Feier ſprach Geheimlegationsrat Ring über die Gefchichte und die Mittel der Anftalt, LZegationsrat Fried» rich über Sein und Weſen derjelben, und nachher folgte Feſtmahl und Ball. 1814 wurden die Statuten bei Madlot gedrudt.

Schon 1815 war die Zahl der Mitglieder auf 425 angemwachjen bei einem Sahresbeitrag von 22 fl. 1835 murde der Bau durch Baudireftor Hübjch verändert und vergrößert, und auch in der neuften Zeit wurden auf die VBerjchönerung des Innern namhafte Summen verwendet. In dem Frieſe des Rondells jehen wir nach Fedors Ent» wurf die Apotheoje Homers. 1842 wurde der Mujeumsgarten zwiſchen Kriegs⸗, Blumen- und Ritterjtraße angefauft, 1843 durch Hübjch der Gartenpavillon erbaut, und in neufter Zeit der jüdliche Teil des bis zur Kriegſtraße reichenden Gartens an die Hofdomänenverwaltung wieder fäuflich abgetreten.

Daß jchon vor der Zeit de3 Neubaues die Zenjurgewalt der

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Polizeidirektion fih auch in das Innere des Mujeums erjtredte, dafür zeugt ein Fall von 1812, in welchem das Kommiſſionsmitglied Bandt einen Zettel auflegte, welcher meldete, daß der König von Neapel, Murat, in Rußland einen Arm verloren haben jollte, was dem ſonſt jo vorfichtigen und Ioyalen Zandt vonfeiten des Polizei— direftord von Haynau einen fcharfen Verweis und das Verbot der— artigen Frevels zuzog. Auch von 1814 werden wieder Eingriffe der polizeilichen Zenſur in die Lejeangelegenheiten des Muſeums gemeldet.

Ueber die Zeit, in welcher Hebel ein täglicher Bejucher des Muſeums uud des dortigen „faulen Pelzes" war, bat Längin im „Hebel3 Nachlaß“ S. 135 und 137 Mebreres berichtet.

Als weitere, der gejelligen und geijtigen Unterhaltung gewidmete Vereine und Gejellichaften nennen wir die Gejellichaft Eintracht, den Bärenzwinger, den Bürgerverein Karlsruher Liederfranz, die Kon- ftantia, die kathol. Gejellenherberge, den polytechnijchen Verein, den Schachklub, die Schlaraffia, den Schwarzmwaldverein, den jtenographi- ichen Verein u. a.

Die Eintracht, 1835 von der damals in der jegigen Lan— desgemwerbehalle befindlichen Lejegejellichaft ausgeichieden, 1840 aber wieder mit derjelben vereinigt, bat ihr Lokal in dem Haufe Karl» Friedrichſtraße Nr. 30, ehemals dem Hofmarfchall von Schilling gehörig, in den zwanziger Jahren Frey'ſches Kaffeehaus. Daffelbe wurde 1836 durch die Gejellichaft angelauft, durch Baumeiſter Greiff von Heidelberg umgebaut und nachher noch mehrfach erweitert und verjchönert. Der geräumige Saal, die vielen andern Räumlichkeiten de3 Haufes, der jchöne Garten mit jchattigen Pläben hinter dem Haufe bieten der vorzugsweije aus den bemittelten Kreijen des Han- deld-, Gewerbe- und Bürgerſtandes gebildeten Gejellichaft vielfache Gelegenheit, jowohl durch die Benutzung einer reichhaltigen Zeitungs: fitteratur und einer reich ausgeftatteten, und gut ausgewählten Bib- liothek, als auch durch gefellige Unterhaltung, durch Bälle, muſikaliſche und andere Aufführungen, und durdf Vorträge das ganze Jahr hin— durch den edlern, geiftigen und leiblichen Bebürfniffen ihrer Mitglie— der gerecht zu werden.

Der Bärenzwinger, jebt Karl-Friedrichſtraße 28, eine vorzugsweiſe, jedoch nicht ausjchließlih aus ftaatsbürgerlichen Ele- menten zujanmengejeßte Geſellſchaft, entjtand aus einem anfangs der 30er Jahre zuerft in dem filbernen Anker im Zirkel fich ſammelnden

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Häuflein von nähern Freunden und Bekannten. Das Lokal diejer fih nach und nach mehrenden Gejellichaft war nach dem Anker der Prinz Karl, 1842 die Kapplerei im Zirkel, 1851 die Lejegejellichaft, die jeßige Qandesgemwerbehalle, 1860 der Gartenpavillon des grünen Hofes, 1861 das Zimmer recht am Eingang in den weißen Bären, und 1862 der jegige Bärenzwinger, in welchem fich die Gejellichaft als ſolche mit Statuten, regelmäßigen Beiträgen (4 fl.), 200 fl. Miete und 82 Mitgliedern Eonftituirte. 1875 zog fie in den 2. Stod der Eintracht, und 1880 im November wieder in den Zwinger im weißen Bären. Die Gefellichaft bietet ihren Mitgliedern, außer der allabendlichen gejelligen Unterhaltung, auch den Genuß muſikaliſcher und dramatischer Darjtellungen und ſtark bejuchter, in dem Mujeums- ſaale abgehaltener Winterbälle. Die Zahl der Mitglieder beträgt jest ca. 350, der Jahresbeitrag 12 Marl. An der Spike der Geſellſchaft fteht der jogenannte Bärenvater mit einem Ausſchuß und dem Schriftführer und Rechner (jeit 1862 Eron).

Der Bürgerverein Liederkranz wurde 1834 gegründet, kaufte 1837 von Kaffetier Leipheimer den Kaifer Alerander, vereinigte fi mit dem 1841 durch Spohn gegründeten Liederfranz, und ver- faufte den Kaiſer Alexander 1887 an den Architekten Renz, wobei fich der Verein in dem Haufe jein Gejellichaftslofal vorbehielt. Die Zahl der Mitglieder beträgt gegenwärtig 470, den Zweck der Gejell- ichaft bilden muſikaliſche Aufführungen, Gejangsvorträge und gejellige Unterhaltung.

Eine weitere, dem gejelligen Leben gewidmete Vereinigung it der 1871 durch biefige Künftler gegründete Künftlerverein, Verein bildender Künftler, welcher jein eigenes, künſtleriſch ausge— ſchmücktes Lokal in der Bierhalle zum Krokodil hat, und die Mit- glieder und Freunde des Vereins mit regelmäßig wiederkehrenden, heitern fünftlerischen und gejelligen Darftellungen und Aufführungen erfreut.

1884 22. Januar gründete fich bier auch ein Bmeigverein des deutichen Stolonialvereins mit 300 Mitgliedern.

Die Schütengejellihaft. Diefelbe blieb, trog allem Wechſel der Verhältniffe, auch in diefem Jahrhundert beftehen und bielt ihre Uebungen in dem alten Schügenhaus vor dem Rüppurrer- thor. Sie bildete jeweils einen Teil de3 bewaffneten Bürgerforps, und wurde auch bei der Bildung des Landfturmes 1814 nicht aufgelöst.

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1844, anläßlich der Einweihung bes Karl-Friedrichdenkmals, ftellte fie fich unmittelbar um das Denkmal auf, und Großherzog Leopold übernahm das Proteltorat des Vereins, welcher 1848 und 1849 als eine Abteilung der ſtädtiſchen Bürgerwehr jeinen Anteil an dem woblverdienten Ruhme diejes Korps für jeine Treue gegen Fürſt und Vaterland fich erwarb.

1867 wurde durch Bauinſpektor Heinrich das Schügenhaus an der Mühlburgerftraße erbaut.

Vom 23. Juni bis 2. Juli 1877 wurde bier, in Verbindung mit dem pfälzifchen und mittelrheinifchen Schügenbunde, das allge- meine badijche Landesichügenfejt abgehalten, 1878 durch Cathiau das Schütenhaus mit Feſthalle, Kegelbahn und Wirtichaftsgarten an der Mühlburgerlandftraße umgebaut, 1880 den 14. März übernahm Großherzog Friedrih das Proteftorat, und unter dem 10. Mai 1880 murden die zeitgemäß abgeänderten neuen Statuten von der Regierung genehmigt. Schütenmeifter ift gegenwärtig Kaufmann und Stadtrat Römbildt, vor ihm waren e3 von Gemmingen, von Corn= berg, Zimmermann, Errleben.

Bürgermilitär und Bürgerwehr. Das in dem vori- gen Jahrhundert, in dem neunziger Jahren errichtete Bürgermilitär bejtand in der bisherigen Form fort bis 1806, wo bei dem Abmarſch der Truppen nach Preußen eine neue Bürgermilitärordnung geneh- migt und eingeführt wurde. Zu dem alten Stamm famen nach und nach zwei Schmwadronen Berittene, nemlich 1806 eine Schwadron Jäger zu Pferd mit hechtgrauem rad, goldgeftidten grünen Krägen und Aufichlägen, weißen Beinkleidern und Weiten und goldenen Achjelichnüren, und 1813 eine Schwadron Dragoner mit duntel= blauen Fräden, gleichfarbigen, goldgejtidten Aufjchlägen, weißen We- ften und Beinkleidern und goldenen Uchjeljchnüren. Jene waren zum Einzug des neuvermählten Großherzogs Karl, diefe zum Empfang des Königs von Schweden errichtet worden. 1813 fommandierte Bierbrauer Nägele die Jäger, Darmftädterhofwirt Tulla die Dra- goner, Uhrenmacher Fellmeth die Kanontere, Meier die Schützen, Hofjuwelier Dreßler, Blechner Erxleben, Schneider Willet und Waiſenrichter Schlenkerer von Kleinkarlsruhe die vier Infanteriekompagnien.

Bei der Errichtung der Landwehr und des allgemeinen Land— ſturmes 1813—14 löste ſich das Bürgermilitär auf, doch wurde

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weder das Schützenkorps, uoch die Kavallerie völlig aufgelöst, und ein Teil der Jäger zu Pferd ſchloß fich dem Korps Freiwilliger an, welches 1814 unter dem Herrn von Gemmingen ins Feld zug. Die Kavallerie wurde 1818 ala Bürgerfavallerie neu organifirt und beftand bis Ende der dreißiger Jahre unter dem Kommando des Weinhändlers Glöckler ald Major. 1824 wurde vorgejchlagen, da die Kavallerie in Abweſenheit des Militärs, 3. B. bei Manövern, Wachdienſte zu thun habe, und ihre Zahl von 70-80 Mann zu gering dazu ei, diefelbe zu vermehren, die gemieteten Pferde und die Ausrüftung der Mannichaft aus der Korpskaſſe zu bezahlen, und von jedem Nichtdienenden bei feinem Bürgerantritt einen Beitrag von 8—10 fl. zu erheben. Dieſer Vorjchlag wurde zwar nicht angenom- men, war aber Veranlafjung, daß fich neben diefem uniformirten Korps eine jog. „ſchwarze Reiterei“ bildete, mwelche im Civilanzug mit jchwarzem Filzhut, einer Schärpe in den Landesfarben und mit einem Säbel bewaffnet erjchien.

Im Laufe der dreißiger Jahre (1839) ging diefe ganze mili— täriſche Einrichtung ein, welche ohnedies nur noch zu Paradezweden gedient, und bei der fonftigen Ausbildung des Militärs ihre weitere Bedeutung verloren hatte.

Die politiich aufgeregten vierziger Jahre, im welchen fich auch fchon bedenkliche Zeichen jozialiftischer Strebungen unter der Arbeiter- Haffe und den ftet3 zu Ausfchreitungen bereiten Pöbelmafjen zeigten, ſowie die gefteigerten Anfprüche des Volkes überhaupt, ſtellten all» mälig auch die Notwendigkeit und das Verlangen nad der Wehr- haftmachung des Volkes wieder in den Vordergrund. Schon 1847 hatte fih, um beunruhigenden Bewegungen unter den Arbeitern nötigenfalld entgegentreten zu tönnen, eine Anzahl biefiger Bürger und Angejtellter zujammengethan, welche ohne eigentliche Uniformi— rung und einheitliche Bewaffnung, namentlich durch nächtliche Pa— trouillengänge über die Sicherheit der Stadt und ihrer Einwohner wachten.

Mit den heftigen Bewegungen des Jahres 1848 wuchs auch das Verlangen nach einer mehr geordneten Wehrhaftigkeit des Volkes in der Reſidenz. Daher berief der damalige Bürgermeifter Daler auf den 28. Februar 1848, abends vier Uhr, in den großen Rat— hausſaal eine VBerfammlung von Bürgern und Staatsbeamten, welche zahlreich befucht, eine Bitteingabe um Preßfreiheit, Schwurgerichte,

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Volksvertretung beim Bundestag, und um Volksbewaffnung an die Landſtände beſchloß. Da die Regierung jchon am folgenden Tage in der Kammer entiprechende Zufagen gab, wurden jofort Waffen aus dem Zeughaus unter die Bürger ausgegeben, und dieje jchon am 1. März zur Bewachung der Stadt in fieben Rotten unter je einem Rottenmeifter und einem Stellvertreter eingeteilt, welche Mannjchaft auch ohne Verzug ihren Dienft antrat, die Schügen jchon am 1. März auf der Hauptwache und an dem Ettlingerthor.

In diejes freiwillig zujammengetretene Bürgerforps wurde auch die Feuerwehrmannſchaft eingereiht und bewaffnet. Ein in fieben Paragraphen aufgeitelltes erftes Statut geftattete für alle Einwohner den Eintritt in das Korps, forderte aber für jüngere Eintretende ein Alter von mindeſtens 20 Jahren, auch wurde nun die Mannjchaft in acht Fähnlein unter je einem Hauptmann und drei Rottmeiftern eingeteilt. Die Führer jollten ihren Oberbefehlshaber wählen, und diejer jeine Weiſungen von dem Bürgermeijter erhalten.

Großherzog Leopold erfannte in einem Schreiben an den Bür- germeifter den Eifer der Bürgerſchaft für Aufrechthaltung der Ord⸗ nung dantend an, und Daler erhielt den Zähringer Lömwenorden. Die Unruhen im Oberland infolge des Aufftandes unter Heder nahmen die Thätigkeit der jungen Bürgerwehr in Karlsruhe, welches einen Teil feiner Truppen nach der bedrohten Landesgegend entiendete, mehr in Anfpruch, und bejchleunigte deren feftere Organifation. Ende Mai übernahm Oberft Gerber, ein tüchtiger alter Soldat, ala Heerijharlommandant die Führung des Korps. Den 25. Juni wurde die Bürgerwehr beeidigt und zog nach der Beeidigung mit Hingendem Spiel vor dem Schloffe vorüber, auf deſſen Balkon die Großherzogliche Familie fich befand, und den 4. Juli mufterte Mark— graf Wilhelm das Korps auf dem großen Exerzierplatze. Dasjelbe zählte damal3 2 Banner (I. und IL.) Bürgerwehr, Grenadiere und Füftliere, ein Banner (III.) Feuerwehr, ein Banner (IV.) Scharf- ſchützen und zwei Abteilungen Artillerie mit vier Gefchügen, im Ganzen 2600 Mann. Das Schüßenbanner, 250 Mann, in zwei Kompagnien, beitand größtenteils aus Mitgliedern der ftädtiichen Schüßengejellichaft.

Nach längern Verhandlungen und teilmeije Tebhaften Bejprechun- gen in Öffentlichen Blättern wurde auch die Frage über die Unifor- mirung des Korps geregelt. Das erfte und zweite Banner erhielt ala Kopfbededung niedere, meffingbejchlagene Pidelhauben, das Feuerwehr:

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banner einfache gelbe Blechhauben, die Schügen Käppis mit Roß—⸗ jchweifbüfchen, drei Bataillone waren mit Piftongemehren und Säbeln, die Schügen mit Büchfe und Hirjchfänger bewaffnet, alle trugen dun- felgrüne Waffenröde, die Grenadiere und Füfiliere rote Epauletten mit Troddeln, das Feuerwehrbataillon grüne Epauletten ohne Trod⸗ deln, die Schüßen grüne mit Troddeln, die Kanoniere, mit Säbeln bewaffnet, hatten dunkelblaue Waffenröde mit jchwarzen Epauletten und Troddeln und als Kopfbededung fogenannte Garibaldihüte mit Roßhaarbüfchen. Die Beinkleider jämmtlicher Abteilungen waren dunkelgrau mit grünen Schnurftreifen. (Passe poils.)

Das Korps hatte eine türkische Muſik, die Schügen eine gute Blechmuſik.

Den 29. Februar 1848 hielt die damals noch nicht vollſtändig organiſirte Bürgerwehr, nachdem fie Waffen aus dem Zeughaus er- balten hatte, die tobende Menge, welche dem Schloß zuftrömte, um dort den Großherzog mit jtürmifchen Forderungen zu bedrängen, durch ihre entjchloffene Haltung und ihre Aufitellung vor dem Schlofje davon ab.

Fahnen hatte die Bürgerwehr noch feine, und die Uebergabe von folchen wurde durch die Vorgänge im Oberland, insbejondere durch das am 24. September bei Staufen vorgefallene Gefecht ver- zögert. Am Sonntag, den 8. Oktober, aber wurde durch die Tag- wacemufit um 6 Uhr morgens die Feier der Fahnenübergabe ein- geleitet. Während die Stadt im Fahnenſchmuck prangte, jammelte fih die Mannjchaft um 11 Uhr auf dem Marktplag, die Artillerie ftellte fich, zu Feſtſalven bereit, vor dem Linfenheimerthor auf.

Bon dem Marktplatz z0g das Korps vor das Schloß, in mel- chem durch die Großherzogin Sophie dem Kommandanten, Oberſt Gerber, vier für die Bürgerwehr bejtimmte Fahnen übergeben wurden, während in der Stadt die Gloden läuteten, und am Thore die Artil- lerie ihre Salven löste. Nachdem die vier Bannerträger, Hoffmeifter, Weinbrecht, Huber und W. Kiefer, diefe Fahnen in Empfang genoms men, Gerber nach einer ernjten Anfprache das Hoch auf die hobe Geberin ausgebracht, und die Bürgerwehr an dem Schlofje vorüber durch die Wald- und lange Straße nach dem Marktplatz zurüdmarjchirt war, wurden die vier Fahnen zur ftändigen Aufbewahrung in das Rathaus gebracht. Diefelben tragen auf der einen Seite die In— jchrift: „Fidelitas*, auf der andern: „Den treuen Bürgern von

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Karlsruhe zum Andenken an den 29. Februar 1848", und haben noch jet ihren Ehrenplag in dem großen Saale des Rathauſes.

Die ehrenhafte Haltung der Karlsruher Bürgerwehr in den Sturmtagen de3 Jahres 1849 findet fich in der Geſchichte der poli- tischen Vorgänge, in dem erjten Abſchnitt unferer Periode ausführlich behandelt.

Die lebte öffentliche Dienftleiftung derjelben war die Teilnahme de3 Korps an dem feierlichen Leichenbegängnis des Großherzogs Leopold im April 1852.

Aufgelöst wurde die Bürgerwehr nicht, aber die nach und nach eingeführte allgemeine Militärdienftpflicht, mit Landwehr und Land- ſturm machte den Beſtand bejonderer bürgerlicher Militärkorps zmed- los, und fomit löste jich auch die Karlsruher Bürgerwehr ftill- Ichweigend von jelbit auf.

In den Anfang der vierziger Jahre, im welcher Zeit ein reges fiterarijches und künſtleriſches Leben bier herrjchte, in welcher Künftler, wie von Schwindt, Frommel, Kopmann, Raufer, Helmsdorf, Nehrlich, Gräfle, Kirner, Kachel, Heinemann, Reich, Schriftiteller, wie v. Auer: bach, Zewald, Cohen (Honed), H. Kurz und Andere hier thätig waren, fällt auch ein lebhafteres Treiben des von heiterem Humor gewürzten öffentlichen Zebend. So wurde auch im diejer Zeit 1841 mit Hilfe diejer verjchiedenen Kräfte, und unter mitwirkender Teilnahme der Bopfmiliz der erfte öffentliche Karneval bier abgehalten. Haupt- auartier der Faltnachtäleiter, die jogenannte Narrenburg, war die Bierbrauerei Görger, jetzt Schrempp in der Walditraße. Auf dem Marktplatz jchlug die Zopfmiliz ihr Lager auf, und dort wurden unter Anleitung der Künſtler verjchiedene Aufzüge von Masten, Buppenfpiele und Faſtnachtsſcherze, unter anderm ein Wettrennen von 24 von Baden hieher gebrachten Ejeln aufgeführt, und eine Verteilung von Fleiſch, Wurſt, Wein und Brot unter das Bolt veranitaltet.

Die 1842—46 bier bejtehende vorerwähnte Zopfmiliz, melde in ihrem höchſten Stand 70—80 Mann zählte, und welche rote Uniformen mit gelben Blechhauben trug, war eigentlich ein Faſt— nachtsſcherz, und hielt zur Faſtnachtszeit ihre Aufzüge, Märjche, Lagerungen, ging aber angeficht? der herannahenden ernjtern Zeit bi3 1846 allmälig ein.

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Verkehrsweſen. Durch die 1806 erfolgte Auflöfung des deutjchen Neiches hatte auch die Thurn und Tarisjche Poſt ihre Bedeutung als deutiche Reichapojt verloren. Da aber Thurn und Taris mit einzelnen Staaten, jo auch mit Baden bejondere Vereinbarungen und Verträge abgeichlofjen hatte, jo konnten jolche Verhältniffe ohne öffent- lichen Vertragsbruch nicht jofort gelöst werden. Baden entichloß fich daher 1806 zu einem auf neuer Grundlage beruhenden Vertrage, wodurch die Verwaltung des badischen Poſtweſens dem Fürften von Thurn und Taris ald badijches Thronlehen übergeben wurde, der Zandesherr aber die Oberaufjicht über dieje Poftverwaltung und über die Thurn und Taxisſche Oberpoftdireftion in Baden führte.

Als nun aber andere Gebiete, 3. B. wiürtenbergijche an Baden famen, in welchen die Poſt jchon volljtändig landesherrlich war, änderte fich das Verhältnis. Baden konnte nicht zweierler Boften, eine landesherrliche und eine fürftliche, in jeinem Lande bejtehen laſſen, da ohmedies die Poſt ein jehr einträgliches Regal war. Deshalb kam am 1. Auguft 1811 ein neuer Vertrag zuftande, in welchem der Fürft volljtändig auf die Post in Baden verzichtete, den Titel Erblandpoft- meister, und für ſich und jeine Erben die Zujicherung einer ewigen Rente‘ von 25000 fl. erhielt. Baden errichtete jofort proviforisch, 1814 aber endgiltig eine Oberpoftdireftion in Karlsruhe, welche nad) der Herjtellung der Eifenbabnen und Telegraphen den Namen „Diref- tion der Poſten und Eifenbahnen“, und 1854 „Direktion der badi- hen Verkehrsanſtalten“ erhielt. Der öffentliche Verkehr von Briefen und Perjonen war jomit eine Staatsanftalt, und wurde bis zur Einführung des Eiſenbahnverkehrs durch die Oberpoftdirektion geleitet.

1805 wurde zur Unterhaltung der Verkehrsſtraßen das Chaufjee- geld, 1811 an den Stadtthoren das Pflaftergeld und Thorjperrgeld für fremde Reiſende eingeführt, woran die Poft als Averſum 50 fl., von 1829 an 100 fl., nach 1835 400 fl., 1844 wieder nur 138 fl. an die Stadt Karlsruhe bezahlte.

Durch einen Vertrag mit Thurn und Taxis war 1809 das Brief- porto um */, erhöht, und die Portofreiheit bejchränft worden. 1808 wurde die Hauptpoft von Durlach hieher verlegt, und von da an bis zum Webergang der Poſt an Baden im Jahr 1811, hatte Thurn und Taxis für Brief und Fahrpoft ein Haus de3 Kaufmanns Willtard in der Adlerſtraße für 1300 fl. gemietet, während die Poſt vorher

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in der langen Straße lag. Als im April 1813 die Miete zu Ende war, wurde das Haus Williards und das des Kabinetsrates Hofer, jest 18 in der Adlerftraße, für 28000 fl. gekauft, und für die Voft- direftion, das Oberpoftamt und die Briefpoft, ſowie als Wohnung des Oberpoſtdirektors und Oberpoftmeifters beftimmt.

Die Boftwagenerpedition fam in das Haus Ede der Zähringer- und Kreuzſtraße, das dem Kreuzmwirt Fiſcher gehörte, die Pofthalterei und den Poſtſtall übernahm Erbprinzenwirt Kreglinger. Als diejer 1822 geftorben war, wurde 1823 Poſtſtall und Poftwagenerpedition unter Kreuzwirt Fiſcher vereinigt. Die beiden Brüder Ehriftian und Guſtav Filcher übernahmen beides gemeinjfam, und in demjelben Jahre wurde dort der neue Poftjtall gebaut.

Die Briefpoft war noch in dem bisherigen Lokal in der Adler: ftraße. Diefes wurde aber 1827 für 20300 fl. an Schmied Fr. Müller verkauft, und die Oberpojtdireftion in das Gebäude Kreuzſtraße Nr. 12 verlegt, in welchem jet der Verwaltungshof fich befindet.

Bis 1822 geichah die Beförderung von Paſſagieren und Waren zugleich und mit demjelben Wagen, von diejem Jahre an gab es für Perjonen den fogenannten Eilmagen, für Waren und Gepäd den Packwagen.

Als Taxe für die Poſtmeile bezahlte eine Perſon 40 kr. mit 48 Pfund Freigepäck. Zum Frühſtück war unterwegs eine halbe Stunde, für das Mittageſſen eine Stunde, für das Nachteſſen drei— viertel Stunden Aufenthalt. Der Eilwagen von Frankfurt nach Bajel fam Dienstag und Freitag früh fünf Uhr hier, Mittwoch vormittags 10 Uhr und Samstag vormittags 8 Uhr in Baſel an, brauchte aljo 27—29 Stunden von hier bis Bafel, wozu die Eijenbahn jegt mit gewöhnlichen Zügen 7 Stunden 15 Minuten, mit Schnellzügen nur drei und eine halbe Stunde braucht.

Der Wagen von Basel nad) Frankfurt ging ebenfall3 zweimal wöchentlich, Dienstag vormittags halb 11 Uhr und Freitag nach— mittags halb 5 Uhr hier durch, und kam nach 16'/,—17 Stunden glüdlich in Frankfurt an, wohin wir jet mit der Bahn in fünf, bezw. drei Stunden gelangen. Nach Straßburg konnte man ebenfalls wöchentlich zweimal mit dem Basler Wagen und einmal, Sonntag früh 5 Uhr, direkt fahren, war aber auch hier von 5 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags unterwegs. Nach andern Richtungen, wie nad)

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Stuttgart, gingen ebenfalld® Poſten oder Privatfuhren. Wer die Annehmlichkeit eines ſolchen Eilmagens kennen gelernt hat, wird ben Unterjchied zwifchen damals und jegt zu würdigen wiſſen, abgejehen von dem weit geringern Aufwand an Geld und Zeit, welchen das Reifen jetzt erfordert.

1843 war mit der Fahrpoſt auch die Briefpojt in der Kreuz- ftraße in einem Lokal vereinigt, und e3 gingen täglich um 6 Uhr morgens Eilmagen nad) Stuttgart, Heidelberg, Mannheim und Baden, um 7 Uhr die Mallepoft nad Kehl und Bajel, um 10 Uhr nad Marau, um 4 Uhr nach Würzburg ꝛc. Nebenher fuhren auch regel- mäßige Privatkutjcher jeden Morgen um 6 Uhr nach Heidelberg und Stuttgart, einzelne Omnibus nad Ettlingen, Landau, jowie auch regel- mäßige Frachtfuhren den Güterverkehr vermittelten. Die Verlegung der Boft in das neue Gebäude am Friedrichsplaß erfolgte 1866, die Errichtung einer bejondern Bot im Bahnhof 1867, der Uebergang der badischen Poft an das deutiche Reich den 1. Januar 1872,

1817 war der Vorſchlag gemacht worden, Marktichiffe auf dem Steintanal zwijchen hier und Durlach gehen zu lafjen, fam aber nicht in Ausführung. Noch 1831 ging, jo lange die Dampfichiffahrt auf dem Rhein fich bis Schröch erftredte, täglich ein Omnibus von hier dorthin.

Die Verbindung von Karlsruhe mit dem Rhein vermittelft eines? Kanals, welche Weinbrenner jchon in dem vorigen Jahr— hundert durch einen Kanal in der Richtung der Mühlburger Wald- allee geplant hatte, wurde um das Jahr 1800 auch durch Tulla angeftrebt, nach deſſen Plan die Alb bei Ettlingen in einen Kanal abgeleitet werden jollte, der an Rüppurr und der Biegelhütte im Hardtwintel vorbei nach einem vor dem Ettlingerthor anzulegenden Hafenbaſſin führen, und von da aus wieder in die Alb bei Beiertheim einmünden ſollte. Ein anderes Projeft tauchte im Jahr 1824 auf, welches einen Kanal ebenfall3 von der Alb bei Rüppurr ableiten, aber über Gottesau, durch den Park an das Linfenheimertbor und von da in den Rhein führen wollte. Ein 1856—57 von dem jeßigen Dberbürgermeifter Lauter bearbeiteter Plan jollte gleichfall3 von Rüppurr aus einen Kanal in ein Baſſin auf der Schießwieſe und von da nach Beiertheim in die Alb leiten, ähnlich wie der von Tulla entworfene. Ein weiterer, ebenfall3 von Lauter herrührender Plan faßte einen direkten, geradlinigen Kanal zwiſchen Karlsruhe und Leopoldshafen ins Auge, kam aber ebenjo wenig zuitande, wie der

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allerneueſte einer direkten Verbindung mit dem Rhein von Straßburg her auf der rechten Rheinſeite.

Von durchgreifender Wirkung für den allgemeinen und örtlichen Verkehr war ſelbſtverſtändlich der Bau der Eiſenbahnen. 1835 den 7. Dezember war die erſte deutſche Eiſenbahn von Nürnberg nach Fürth eröffnet worden, 1838 29. März erichien das Geſetz über den Bau der badischen Bahn von Mannheim bis zur Schweizer- grenze, 1840 12. September wurde die Bahn Mannheim— Heidelberg, 1843 10. April Heidelberg— Karlsruhe, 1844 Karlaruhe— Offenburg, 1845 im Juli Dos— Baden, den 1. Auguft Offenburg Freiburg, 1847 bis Schliengen, 1848 bis Efringen, 1851 den 22. Januar bis Haltingen, 1855 im Januar bis Bajel eröffnet, 1859 10. Auguft die Pfinzthalbahn bis Wilferdingen, den 4. Juni 1861 bis Pforz- heim, und den 1. Juli 1863 bis Mühlader in Betrieb gejebt.

1862 den 4. Auguſt trat die Bahn nah Marau, ein jehr nußbringendes Unternehmen der Stadt Karlärube, ins Leben, und 1865 wurde die Eijenbahnbrüde bei Marau gebaut. 1870 im Sommer tam unter lebhafter Beteiligung einer Kommiſſion der Stadt Karlsruhe die Rheinthalbahn nad) Mannheim als Aktienbahn zuftande, 1876 erhielt die Stadt als Hauptunternehmerin die Konzeifion zum Bau der Kraichgaubahn nach Bretten und Heilbronn, deren Betrieb der Staat gegen Garantie einer 4'/,prozentigen Rente jeiten® der Stadt übernehmen follte. Doc glüdte e3 der Stadt, in Holzmann und Cie. in Frankfurt einen Unternehmer zu finden, der an ihre Stelle trat, 1877 den Bau übernahm und bis 14. Oftober 1879 zum Betrieb fertig ftellte, jo daß die Stadt nicht nur Erſatz für die auf die Vorarbeiten verwendeten bedeutenden Auslagen erlangte, jondern auch der Zinjengarantie enthoben wurde.

1842 wurde durch Baurat Eijenlohr der Bahnhof gebaut, 1884 Bahnhof und Bahnanlage umgebaut, und ein Bahnhofpoftgebäude neu gebaut, 1885-86 der Fußgängertunnel am Ettlinger und Rüp— purrer Bahnbofübergang bergejtellt, nachdem der Brüdenübergang, welcher 1873—74 gebaut worden, ſich als unzureichend und un— zwedmäßig erwiejen hatte.

Eine Telephon- oder FFerniprechanftalt wurde zuerjt 1881 für Polizei und Feuerwehr eingerichtet, 1882 eine ſolche für die Allge— meinheit beantragt, 1883 in Angriff genommen, und den 1. Januar

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1884 mit 26 Teilnehmern und 36 Sprechftellen eröffnet. Jetzt zählt dieſe Anftalt 63 Sprechiftellen in der Stadt und ihrer Umgebung, und der Betrag für eine Sprechitelle berechnet fich auf 150—200 M.

Den örtlichen Privatverfehr vermittelten bis zur Zeit der Ein- führung der Eifenbahnen, und noch einige Jahre nachher die Hauderer, Lohnkutſcher, welche ihre Privilegien hatten und an bejtimmte Taren und Tarife gebunden, eigene Livreen trugen.

1869 wurde der Bau einer Bferdebahn von Durlach durch Karlsruhe nah Mühlburg durch den Stadtrat in Anregung gebracht, und im Juli erhielt der Amerikaner Broadwell dazu die Konzeſſion. Obwohl aber im Jahr 1870 der ſtädtiſche Bürgerausſchuß die Be— teiligung der Stadt mit einem Aktienkapital von 10000 fl. geneh- migte, war Broadwell außerftande, den Bahnbau auszuführen, und nach defjen Entfernung 1870 war 1871 die Konzeſſion erlojchen. Erneuerte Verhandlungen, namentlich auch der Vorjchlag des Stadt- rates im Jahre 1872, die Bahn durch den Kreisverband bauen zu lajien, blieben ohne Erfolg.

Infolge eine? Submiſſionsausſchreibens des Stadtrats vom 4. April 1874, welches fich jedoch auf die Strede von Gottsau bis zum Mühlburgerthor und eine Abzweigung von der Kaiferftraße über den Marktplag nach dem Hauptbahnhof bejchränkte, übernahm am 20. Mai 1874 Ingenieur Weftenfeld von Bremen den Bau. Den 21. Januar 1877 wurde diefe Strede durch die Kaiſerſtraße feierlich eröffnet, und im Mai auch die Abzweigung nach dem Bahnhof in Betrieb geſetzt, welche lettere jedoch jchon 1880 aus Mangel an Benugung wieder einging.

Schon im März 1877 verkaufte Weftenfeld die Bahn an Hh. Rüdiger aus Bremen, mit welchem Bahnhofwirt Höck umd Kaufmann Gehrlein von Marimiliansau in Verbindung traten. Samftag, den 1. September 1877 wurde die Pferdebahn nach Mühl- burg feierlich eröffnet. Morgens 9 Uhr jammelten fich die Feitteil- nehmer auf dem Marktplatz, wo acht verzierte und beflaggte Wagen für die Teilnehmenden aufgeftellt waren. Auf der Imperiale nahmen Feuerwehrmänner und der Direktor Drahtmann ihre Sike ein, an dem Müblburgerthor, wo Halt gemacht wurde, ſchlug Bürgermeifter Schnetler den Verbindungsnagel ein, an dem Schüßenhaus murde der Zug durch den Oberfchüßenmeifter Römhildt begrüßt, und mit Dier und Schinfenbrod bewirtet. Halb elf Uhr erfolgte die Anfahrt

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in dem reich beflaggten Mühlburg, wo Bürgermeiſter Ganſer nach kurzer Begrüßung den goldenen Schlußnagel einſchlug, und ein Banket in der Pfeiffer’ichen Bierhalle, mit Frübftüd und Feſtreden bildete den Schluß der Mühlburger Feier, worauf die Rüdfahrt nach den Remifen vor dem Durlachertbor, und von da der Gang nad) den gaftlichen Räumen des grünen Hofes den heitern Abſchluß des Feſtes in Karlsruhe brachte.

Der peluniäre Erfolg entfprach aber nicht den Hoffnungen der Unternehmer. Höck führte das Gefchäft von Dftober 1877—1881 unter fortwährenden Einbußen allein fort, im Mat 1881 trat er bafielbe an die Vereinigte Karlsruhe-Mühlburg-Durlacher Pferde- und Dampfbahngejellichaft ab. Den 17. Juli defjelben Jahres wurde die Dampfbahn nad) Durlach auf dem nördlichen Gehweg (Reitweg) der PBappelallee eröffnet, umd jeit diejer Zeit wird die Bahn von Mühlburg durch Karlsruhe bis Gottsau ala Pferdebahn, von dem Durlacherthor in Karlsruhe bis Durlach als Dampfbahn betrieben. Die Bahnftrede von Mühlburg bis Karlsruhe beträgt 2500, diejenige durch die Stadt 2100, die vom Durlacherthor bis Gottsau 580 Meter. Die Zahl der die Bahnen Benußenden hat jchon 1881 betragen zwijchen Mühlburg und Karlsruhe 245377, von dem Mühlburgerthor bis Gottsau 637 925, die Bahn von Durlach von dem 1. Juli 1881 bis 1. Januar 1882 360465 Perjonen. Die Konzeifion läuft von dem 21. Februar 1877 an in 50 Jahren ab. Der Ertrag der Bahn, welcher vor wenigen Jahren 8—10 °/, ab» geworfen, ift neuerdings auf 3%, gejunfen. Durch die Anlage der Bahnen nah Mühlburg und Durlach wurde einer Anftalt ein rafches Ende bereitet, welche den meisten unjerer Leſer wohl noch in deut- licher Erinnerung lebt, nemlich der Drofchken- oder Fiakeranftalt vor den beiden Thoren, ſowie am Eingang von Durlah und Mühlburg. Bon der Beichaffenheit diejer Anftalt gibt ein tragitomischer Fall Beugnis, welcher fich zwiſchen Durlach und hier zutrug. Unterwegs brach nemlich unter dem Gewicht eines etwas zu ſchweren Paſſagiers der morjche Boden des Fiakers durch, wobei ſich Unglüf und Glüd zur Nettung des zur Mutter Erde durchgeſunkenen Paſſagiers in der Art vereinigten, daß einerjeit3 der halbjchlummernde, jchwerhörige Kutjcher die Zornes- und Angftrufe des an der Erde Wandelnden nicht vernahm, andrerjeits aber der alte, lahme Klepper jein gewohntes, kurzes Träppchen jo gemäßigten Taktes fortfegte, daß der Durchge-

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brochene mit ihm Schritt halten konnte, bis vorübergehende Wan- derer ihn aus feiner, auf die Dauer doch etwas unbehaglichen Stel- lung und von feinem unfreiwilligen Dauerlauf erlösten.

Die Juden. 1804 wurden die Juden im allgemeinen von dem fogenannten Judengeleit für Reiſen befreit, handeltreibende aber mußten dazu für eine Erlaubnis auf 48 Stunden immer noch 24 Fr. Geleitsgeld entrichten.

1804 bittet der Schultheiß Hayum Levi die Regierung um Entlaffung von feinem Dienft und Befreiung von dem jüdijchen Gerichtsſtand, was ihm bewilligt wurde. Seit 1801 hatten fich die fünf Vorfteher, Schultheiß, Rabbi und die drei weitern Mitglieder, dahin vereinbart, daß alle gleiche Gewalt haben und mit dem Vorſitz monatlich abwechjeln jollten. Als 1804 Levi feine Stelle als Schult- beiß niederlegte, wurde bejtimmt, daß Fein neuer Schultheik mehr gewählt, jondern dies Amt durch die übrigen Vorfteher nach beftimmter Reihenfolge beforgt werden follte. Die Gerichtäbarkeit diefer Vorfteher über ihre Leute war übrigens für die Gemeindeglieder ſelbſt nach und nach weniger befriedigend und vertrauenswert geworden, jo daß die Aufhebung derjelben im Jahre 1809 ohne irgend eine Schwierigkeit erfolgen konnte. Schon vorher hatten einzelne Jiraeliten ausnahmsweiſe da3 Bürgerrecht erhalten, 1808 und 1811 erhielten fie im allgemeinen ein bejchränftes Bürgerrecht, jo daß 1808 hier 88 Iſraeliten waren, welche bei jtädtijchen Angelegenheiten Stimm- und Wahlrecht hatten, ohne jedoch wählbar zu fein, fomit immer noch als Schugbürger galten, bis ihnen die Emanzipation und die neue Gemeindeordnung 1832 das volle Bürgerrecht gewährten.

Die Wahl ihrer eigenen Vorfteher durch die Gemeinde wurde 1809 dadurch aufgehoben, daß der von der Negierung eingejeßte Oberrat die Mitglieder des ifraelitischen Kirchenvorftandes der Regie- rung zur Bejtätigung vorjchlug, daß diefer Vorftand überhaupt von da an Feine weltliche Behörde mehr war, und defjen früher bejtandene begutachtende Mitwirkung bei der Aufnahme und Verheiratung von Siraeliten nur noch in bejchränfter Weije weiter fortbejtand.

Der vierte Rabbiner der Karlsruher Judengemeinde jeit ihrer Gründung war 1815 Aſur Löw. Den Religionsunterricht erteilten Privatlehrer unter Aufficht de3 Rabbiner, den andern Unterricht erhielten die Kinder in der Stadtſchule.

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Noch aber beſtand kein gutes, verträgliches Verhältnis zwiſchen den Iſraeliten und den Chriſten. 1816 bedrohten Hepp! Hepp! rufende Pöbelhaufen die Siraeliten, 1819 fand nad) den Vorgängen von Würzburg, Frankfurt, Darmftadt und andern Orten auch in Karla» ruhe eine Judenhege ftatt. Schon am 19. Auguft wurden Plakate an die Häufer der Juden angeheftet und mußten von der Polizei weggenommen werden. Den 27. und 28. Auguſt bei dem abendlichen Bapfenftreich jammelte fich der Pobel unter Hepp! Hepp! Aufen vor dem Hemberle’schen Bierhaufe in der langen Straße, und es konnte nur durch ernites Einjchreiten und durch Verhaftungen jeitens der Polizei und des Militärs die Ordnung wieder hergeftellt werden, wo— bei Großherzog Ludwig fich felbjt in das bedrohte Haus des Bankiers Haber verfügte.

Das von dem Schultheißen Hayum Levi jelbjt als „abergläubijche Albernheit“ bezeichnete Drabtipannen an offenen Stellen der Stadt, wie 3. B. 1810 an der offenen neuen Herrenftraße und andern Orten, an Sabbathtagen, um dadurch anzuzeigen, daß an jolchen Tagen der Verkehr der Firaeliten über Land verboten jei, wurde 1819 unterjagt, und der Draht mit den dabei aufgehängten Laternen weggenommen, 1820 im Januar wieder vorübergehend erlaubt, im April aber end» giltig verboten.

Üebertritte der Juden zum Chriftentum waren jelten. 1806 trat Karl Friedrich Tauffirch von Sulzburg, wie er mit chriftlichem Namen genannt wurde, über und hielt ſich mit ſeiner Frau zum Empfang religiöfen Unterrichtes zwei Monate bier auf, wofür der Fürft eine Wirthshauszeche von 341 fl. 58 fr. zu bezahlen hatte.

Dagegen kamen bei einzelnen hervorragenden Gemeindegliedern ſchon damals freiere Anfchauungen in Bezug auf althergebrachte Sitten und Glaubensanfichten vor. Wir haben oben jchon den Schultheiken Hayım Levi als foldhen genannt, in höherem Grad war dies bei dem Pfälzer David Seligmann, Hayum Levis Tochtermann, dem fpätern Baron von Eichthal, der Fall. Siehe oben ©. 242. Derjelbe war 1799 Karlsruher Bürger geworden, hatte ſich, obwohl der iſraelitiſchen Gemeinjchaft entfremdet, anfangs dazu verjtanden, jeinen Beitrag zu den Gemeindebedürfnifjen jährlich mit 75 fl. zu bezahlen, und bezahlt, bis die Gemeinde ihre Forderung fteigerte. Unterdeſſen hatte jeit 1806 Seligmann nach und nach jeine Fabriken, eine Spinnerei, ein Hammerwerk und eine Gewehrfabrif, in St. Blajien errichtet, und

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war Baron von Eichthal geworden. Während er nun fortwährend erffärte, fein Jude mehr fein zu wollen, trat er dennoch feiner andern religiöfen Genofjenfchaft bei, und wurde deßhalb jogar durch gericht- liches Erkenntnis zur fernern Zahlung jener 75 fl. verpflichtet.

1804 vermachte Hofagent Iſrael Jakobſon von Braunfchweig 1000 ft., bälftig zu einem ifraelitiichen Spital, bälftig zu einem bier zu gründenden ijraelitiichen Siechenhaus, 1806 erbietet fich Elkan Reutlinger, zum Teil auf feine Koften ein neues Armenhaus und Spital für die Iſraeliten auf dem Plate des alten einftödigen zu bauen. Bis 1818 waren durch das Reutlingerjche Stiftungs- fapital und fortwährende Beiträge der Gemeinde fo viel Mittel vor- handen, daß ein neues gebaut werden konnte, 1821 wurde daher beichlojien, ein jolches größeres an der Stelle des alten zu erbauen, doch verzögerte fich auch diefer Neubau von Jahr zu Jahr jo lange, dab derjelbe erjt im Jahr 1834 fertig wurde.

1825 wurde die Schließung des alten Friedhofes der Iſrae— fiten bei dem NRüppurrerthor durch die Regierung befohlen, jo jehr auch die Strenggläubigen unter ihnen, welche die maßgebende Mehr- beit bildeten, eine Entweihung der bisherigen Begräbnißftätte befürch- teten und abzuwenden juchten. Den 3. Juli 1826 wurde der alte Friedhof dennoch geſchloſſen, jo weit mit Kalk überführt, dab die Fraeliten doch die heilig gehaltenen und oft bejuchten Grabftätten ihrer Angehörigen noch fortwährend bejuchen konnten, und der neue an die Gottesauer Straße verlegt, auf welchem 1828 das Toten- reinigungshaus errichtet wurde.

Die Zahl der Karlsruher Firaeliten vermehrte fich rajch, 1809 waren bier jchon 95 Familienhäupter und 467 Seelen. Ihre Thätig- feit in Gewerbe und Induſtrie wurde eine immer regere und viel- jeitigere, richtete fich aber, teild weil ihnen der Zutritt in die Hand» werferzünfte noch immer verjchlofien war, teils auch aus natürlicher Neigung vorzugsweife auf den Handel verjchiedener Art. So gab es 1809 unter ihnen Lederhändler, Weinbändler, Manufatturwaren- händler, Bandhändler, Trödler, Milchhändler, Kleider-, Möbel-, Spezereihändler, Antiquare (Marr), Eijenhandlungen, Naturalien- händler, Ellenwarenbandlungen, und hauſirende Efllenwarenhändler, Wechiel- und Kommiſſionsgeſchäfte, Pferde- und Hornviehhändler, Häutehändler, Fruchtbändler, Galanteriewarenhändler, Safftanfabri- fanten (Joſ. Ettlinger, Bielefeld), 10 Mebger, von denen einzelne

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daneben mit Bienen, Wachs und Honig handelten, Kapitaliſten, wie Elkan Reutlinger, Hayum Levi, neben wenigen ſonſtigen Gejchäfts- leuten, einem Hof-Goldftider (Wolf), einem Buchbinder, Betichaft- jtecher, einem Hebräifchdruder (Wormfer), einem Gaftgeber (Heimer- dinger).

Bis jebt hatten die Jiraeliten, außer etwa folchen, welche ihre Herkunft bezeichneten, feine eigentlichen Familiennamen geführt. Dies änderte fich nach und nach. Entjcheidend darin war aber eine Ver— ordnung vom Jahre 1809, melche die Führung folder Zu- oder Yamiliennamen vorjchrieb, und daher begegnen uns beſonders von da an neue Familiennamen, wie Schweizer ftatt Diedelsheimer, Gutmann Statt Löb Moſes, Levinger, Bielefeld, Hirih u. a. Bon Neuein- gemanderten nennen wir u. U. 1815 Alphons Wormd aus Gaar- louis, 1825 Jalob Marx aus Bonn, 1828 David Ellftätter aus Mannheim, David Hilb aus Mübhringen u. U. 1809 waren bier 18 de3 Namens Ettlinger und 11 Reutlinger. Auch als Vornamen treten mehr und mehr bei Knaben die Karl, Morig, Guſtav, Hein- rih, Hermann u. a., bei Mädchen die Thereje, Juliane, Fanny, Jeannette, Henriette, Eleonore, Bertha u. a. auf, doch finden fich auch nöch die frühern Namen, wie Mindel, Hendel, Teichel, Zierle, Rösle, Güdele, Blümle, Bachel, Bechleda, Veilchen, Malte, Hebel, Breinle, Hundel, Kehla, Guta, Tradel, Behle, Jüdele, Zerle, Derzle, Mintle, Heinle, Sprenz vielfach bejonder3 bei ältern Frauen und in den ärmern Familien vor.

Nicht nur die Verordnungen und Gejegesbeitimmungen, welche nach einander von Anfang des Jahrhundert? an, 1804, 1808, 1809, 1810, 1812, 1813, 1815, 1818, 1832, 1833, 1835 erjchienen, ſondern der Geift der neuern Zeit überhaupt, haben allmälig nicht num die ftantsrechtlichen und bürgerlichen Unterjchiede zwijchen Ehriften und Juden ausgeglichen, fondern auch die gejelligen Scheidewände eingeriffen, und denjelben die Bahnen zu öffentlichen, ftaatlichen, bür— gerlichen und wifjenjchaftlichen Stellungen geebnet, jo daß jegt in Staat3- und Gemeindeämtern, in dem Dienfte der Rechtsgelehrſamkeit und der Medizin, in den Lehrjälen der Schulen und Univerfitäten in gemeinjamer Arbeit Chriften und Juden einträchtig nebeneinander wirken, und ſomit feit der Emanzipation. der Juden auch eine weitere Gefchichte der Karlsruher Fraelitengemeinde gegenſtandlos ift.

Die in neuerer Zeit erfolgte Ausfcheidung eines Teiles der

iſraelitiſchen Gemeinde, welche zeitgemäße Reformen in derſelben an- ftrebt, hat den Bau einer neuen Synagoge durch bie Partei ber Altgläubigen in dem Hinterhaufe von Nr. 16 der Karl-Friedrich- ftraße zur Folge gehabt.

Im Jahr 1871 war die alte, von Weinbrenner erbaute, hölzerne Synagoge abgebrannt, auf demjelben Platz erftellte in edlem, orien- talischem Stil, mit jehr jchönem Innern, Oberbaurat Durm die neue, welche den 12. Mai 1875 eingeweiht wurde und von den Anhängern der Reform benußt wird.

Die alte zeigte in der Front zwei Türmchen, welche durch eine von drei Fenſtern erleuchtete Gallerie verbunden waren. Das Innere war von 18 dorischen Säulen getragen. Einerjeit3 war die ifraelitifche Religionsſchule, andererjeit3 die Wohnung des Rabbiner3, wie dies auch bei der neuen der Fall ift.

7. Gefundheifs-, Branken- und Hrmenpflege, Reffungsanflalten.

Die Trintwafjerverjorgung konnte auf die Dauer für die rajch zunehmende Stadt nicht mehr genügen, obgleich zwiſchen 1750 und 1760 das Brunnenhaus gebaut worden war.

1806 legte Oberſt Vierordt einen Entwurf vor, nach welchem eine Wafjerleitung von Ettlingen her mit einem vorläufigen Ueber» ichlagsaufmwand von 86472 fl. angelegt werden follte, und, obwohl bereit3 Teichel aus der Rothenfelſer Steingutfabrif bezogen wurden, geriet das Unternehmen wegen Ausbruch des Krieges ind Stoden und blieb 1808 ganz liegen.

Nachdem im Laufe der Zeit die Regierung auch in Berghaufen und Grögingen erfolglos nach Trinkwafler für Karlsruhe gejucht batte, richtete fie ihr Augenmerk auf das nahe Durlach. Die reichen Quellen am Fuße des Berges hinter dem Durlacher Schloßgarten lieferten der alten Reſidenz Durlach treffliches Trinkwaſſer.

Dort war jchon 1756, etwas weſtlich von der alten „Bäder— brünnelesquelle” , eine weitere Quelle entdedt worden, welche aber unbeachtet in dem vorliegenden Sumpfboden fich verlor. Auf dieje

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Duelle lenkte 1819 der Bürgermeifter Dumbert von Durlach die Aufmertfamkeit der Regierung und Karlsruher Stadtbehörde. Der Ingenieur Oberftleutnant Tulla, von dem Finanzminifterium damit beauftragt, unterjuchte diefe Duelle, fand ihre Lage aber zu tief, und e3 wurde daher für nötig erkannt, diejelbe erſt nach dem Durlacher Waſſerturme und von da nach Karlsruhe zu leiten.

Den 11. Dftober 1821 trat deßhalb eine Kommiſſion, beftehend aus Geheimreferendär Winter, Oberbaudireftor Weinbrenner, Oberjt- leutnant Tulla, Stadtdireltor von Sensburg, Stadtamtmann K. D. Sr. Stößer und Oberbürgermeifter Dollmätich, unter Zuziehung der Durlacher Stadtbehörde, zufammen. Diefe berief den aus Kollnau bei Waldkirch gebürtigen Mechaniker Joſeph Haberjtroh in Ettlingen, welcher im November feine Thätigfeit begann. Derjelbe fand die in dem ärarischen Durlacher Waflerturm ftehende Machine nicht geeig- net und legte den 11. Dezember 1821, und den 5. Januar 1822 den Plan einer von ihm erfundenen Drudmafchine vor. Den 21. März 1822 wurde der Plan genehmigt, von Haberjtroh in Angriff genom— men, und die Wafjerleitung Durlach-Karlsruhe den 5. Januar 1824 feierlich eröffnet.

Auf dem Marktplage in Karlsruhe jammelte fich an dieſem Tage vormittags in weiten Sreife um den dort erbauten Brunnen mit vier laufenden Röhren, auf deſſen Brunnenftod fich das lebensgroße Bruftbild des Großherzogs Ludwig von Raufer befindet, die Grenas diergarde, das Bürgermilitär, die Hof- und Staatsbeamten, die Offi- ziere, die Baumeifter, ſowie Stadtrat und Ausſchuß von Karlsruhe und Durlach. Als um 11 Uhr der Großherzog zu Pferd mit den Prinzen und dem Gefolge erſchien, begann das Waſſer zu fließen, und der Staatsminister Winter, ala Vorſtand der Waſſerkommiſſion, empfing die Erjchienenen mit kurzer Anrede,

Der Großherzog antwortete mit lobender Anerkennung des vol- lendeten Werkes, nahm aus Winters Hand das erjte Glas und tranf, und ebenjo thaten e3 die übrigen Teilnehmer des Feſtes. Bei dieſem Anlaß erhielt Dollmätjch den BZähringer Löwenorden.

Fortan war das Verhältnis zwiſchen Karlsruhe und Durlach folgendes: Karlsruhe, ala Eigentümerin der beiden rechts an der Ettlingerftraße bei Durlach liegenden Quellen und Brunnenftuben, unterhielt die Leitung nach der Reſidenz, ſowie diejenige an die im Jahre 1824 bejtehenden, wafjerberechtigten laufenden Brunnen in Dur-

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lach, ernannte und bezahlte den im Brunnenhaus wohnenden Brun- nenmeifter und hatte Zebteres von dem Domänenärar in Pacht.

Diefe neue Wafjerleitung lieferte num das Waſſer nicht nur für die laufenden Brunnen der Stadt, fondern auch in den botanijchen Garten mit den dort befindlichen Springbrunnen. Trotzdem wurde noch längere Zeit das Wafjer der bisherigen Pumpbrunnen von den Trinfern vorgezogen, beſonders dasjenige am Eingang des Schloßgartens bei der Hoflüche.

Da auch dieje Durlacher Wafferleitung mit der Zeit nicht mehr hinreichend für die Stadt erjchien, wurde 1858 von Baurat Gerwig ein Plan zur Herftellung einer Trintwafjerzuleitung mittelft Alb— waſſerdruck entroorfen, welcher Plan aber acht Jahre nachher durch einen andern erjeßt wurde.

1862—67 wurde nemlich dur) Baurat Gerftner, Inſpektor Obermüller und Dyderhoff in dem Hardtwald an der Linfenheimer Landſtraße, nicht weit von der Hofjchreinerei, ein Hochwaflerwerf mit Dampfkraft erbaut, welches mit Hilfe zweier Dampfpumpen aus einem 15 Meter tiefen Schadht das Horizontalwafjer in 2 Baſſins de3 MWafjerturmes emporhebt, und von hier aus für Schloß und Schloßplatz, Theater, Gemäldegallerie, Schloßgarten, botanischen Gar- ten, Faſanengarten und Marjtall das erforderliche Wafjer Liefert.

Bei diejem Anlaß wurden nicht allein die hübjchen Fontänen auf dem vordern Schloßplag, jondern auch der 27 Meter hohe Springbrunmnen in dem See de3 Schloßgartens bergeftellt.

Nach dem Mufter diejes Hochwafjerwerkes beſchloß 1866 auch die Gemeindebehörde die Errichtung eines eigenen ſtädtiſchen Wafjer- werkes. Diejer von Oberbaurat Gerwig entworfene und ausgeführte Plan, deſſen Ausführung 1868 begonnen wurde, ftellte in dem NRüppurrer Walde, eine halbe Stunde von der Stadt entfernt, die Gebäude der neuen Wafjerleitung auf.

Das Horizontalwafjer, in einem 4,5 Meter tiefen Schacht ge- jammelt, wird durch Pumpen, welche durch zwei Dampfmajchinen von 23 Pferdefräften in Bewegung gejeßt werden, in das 30 Meter über der Straßenhöhe der Stadt Tiegende Baſſin emporgehoben und von da in 33 Zentimeter weiten Hauptröhren mit Verzweigungen durch die ganze Stadt geleitet. In Verbindung mit diefem Haupt- waſſerwerk jteht an dem füdlichen Ende der Leopolditraße das Gegen- rejervoir, 18 Fuß über der mittlern Straßenhöhe. Der Preis für

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das Wafler in Privathäufern beträgt 2°), Prozent des Mietwerts der Häufer. Das in dem Schachte gejammelte Grundwaſſer ift durch eine dazwiſchen Tiegende Lettenschicht von dem alten Flußbett ſüdlich von Gottsau und Karlsruhe getrennt. 1870 wurde diejes ſtädtiſche Waſſerwerk eröffnet, für welches in Notfällen ein gegenfeitiger An- jchluß mit dem Hofwaſſerwerk vorgejehen ift.

Die Gelegenheit zu Bädern im freien war ber neuen Refidenz weniger bequem geboten. Die Entfernung von dem Rhein machte deſſen Benutzung zu regelmäßigen Freibädern beinahe zur Unmöglichkeit, bis die Eijenbahn auch bier die Entfernung ver- kürzte. Näher lag die Alb. An derfelben hatte Marbe 1807—10 das Stefanienbad bei Beiertheim gebaut und ein Privilegium für 10 Jahre erhalten. 1826—31 wurde ebenfalld an der Alb zwiſchen Beiertheim und Mühlburg durch Arnold die Schwimmjchule für Militär und Eivil errichtet. Im der Stadt jelbft und in der Nähe derjelben wurden verfchiedene Anftalten derart nacheinander teils pro- jektirt, teils ausgeführt. So beabfichtigte 1826 die Wittwe des Schullehrerd Wagner in ihrem Haufe hinter dem Rathaus ein Bad zu errichten, wogegen der Beiertheimer Badhauswirt Marbe fich ver- wahrte, und auch eine von Kaufmann Guſtav Schmieder 1831 beab- fichtigte Gründung einer ſolchen Anftalt kam nicht zur Verwirklichung.

1832 wurde durch Wittwe Hed das Stahlbad mit Wirtfchaft im Augarten aufgethan, obwohl der Wirt des an der Straße nach Durlach gelegenen Alleehauſes, Namens Ruth, dagegen Ein- Iprache zu thun verfuchte, und jchon 1834 betrieb der Pächter Pfrang Wirtſchaft und Stahlbad zum Augarten unter lebhafter Beteiligung bes tanzlujtigen Volkes.

Auch ein Albbad bei Mühlburg, die Bäder in dem Amalienbad bei Durlach, fowie dad Bad im römischen Kaijer in der Stadt, und ein jolches in der Luiſenſtraße, bieten in heißen Sommertagen Gelegenheit zu mwohlthuender Abkühlung.

Die bedeutendfte Anftalt diefer Art war aber das durch die hochherzige Stiftung eines Mitbürger begründete, und durch die Stadt ausgeführte Bierordtsbad an dem Anfang des Sallen- wäldchens, welches den 3. April 1873 in Gegenwart des Großherzogs und der Großherzogin eingeweiht und eröffnet wurde. (S. ©. 446.)

Bon hervorragender Bedeutung wurden, nach der Eröffnung "der Eijenbahn nah Marau, die dort errichteten Mheinbäder für

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Männer und für Frauen, deren Beſuch in guten Sommern die ohnehin ſchon erkleckliche Ertragsfähigkeit der Maxauer Bahn weſent⸗ lich vermehrt.

Der 1583 unter Markgraf Ernſt Friedrich begonnene, und etwa 1610 unter Georg Friedrich vollendete Entwäſſerungskanal für die jumpfige Gegend weitlih von Durlach nach Gottsau und Mühlburg zu, der Zandgraben, war gebildet durch Zuflüffe einiger Seitenbäche, wie des Mittelbruchgrabend von Rüppurr her und des Lohfeldgra- bens von Gottsau her. Später, als derjelbe unter Karl Friedrich als Steinjchifftanal zum Transport der aus dem Pfinzthal bezogenen Baufteine dienen jollte, wurde er auch durch den von der untern Mühle in Durlach aus der Pfinz abgeleiteten Leitgraben und durch die alte Bach von dem Entenfaug ber mit Wafferzufluß verftärkt.

1765—67 hatte Karl Friedrich einen Entwäfferungsfanal von Mühlburg nah Schrödh anlegen laſſen, welcher durch die Stauung de3 Landgrabens und der Alb gefpeist wurde, und jo wurde ber ohnedies jchon träge Lauf des Landgrabens noch mehr verlangjamt, während diejer jelbjt, durch moorigen Boden fließend, immer mehr Schlamm in jeinem Bett abjegte, und dasjelbe jo im Laufe der Zeit fih um 2—3 Meter erhöhte. Diejer träge, beinahe ftagnirende Waſſerkanal war aber, früher die füdliche Stadtgrenze außerhalb der Gärten bildend, durch das über ihn hinausgehende Wachstum der Stadt zum Teil ohne Ueberwölbung in das Innere derjelben zu lie gen gelommen, jo daß jeine Ausdünſtung notwendig jchädlich und gefährlich werden mußte.

Dazu kam, da auch die außerhalb Mühlburg ftehende Mühle die Stauung des Landgrabens zu ihrem Betrieb benußte, und daß im Laufe der Zeit dieje Mühle in aller Stille ihre Staufchleuße um 1 Meter 15 Zentimeter erhöht hatte. Um dem Landgraben ein größeres Gefälle geben zu können, wurde daher 1877 die Mühle von der Stadt angelauft, und die Schleuße entfernt. Jetzt erſt konnte die Kanaliſation der Stadt felbft vermittelt Tieferlegung der Land» grabenjohle und Ueberwölbung de3 Laufe in zweckmäßiger Weiſe in Angriff genommen werden. Den 8. Auguft 1879 durch die Stadtver- ordneten genehmigt, wurde unter der Zeitung des 1876 ernannten ftädti- ſchen Ingenieurs Schüd diefe großartige Arbeit jo energiich und för— derlich betrieben, daß diejelbe, den 3. März 1880 begonnen, zu Anfang des Jahres 1885 jo weit vollendet war, daß der Großherzog Friedrich

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den 2. Januar 1885 in einem Kahn die ganze Strede des unter- irdiichen Kanals befahren, und diefer jomit eröffnet werden konnte. Auch die Zuleitungen aus den Häujern und aus allen Teilen der Stadt in diefen großen Zentralfanal wurden zu der gleichen Zeit und bald nachher, jomweit nötig, volljtändig zu Ende geführt.

Durch diefen Bau der ftädtiichen Kanalisation, für welchen die Stadt eine Summe von etwa 2500000 Mark verwendete, ift nicht allein ein für den Gejundbeitszuftand der Stadt höchſt jegensreiches Werk geichaffen worden, fondern auch eine Anftalt, welche gar man— cher größern Stadt zum nachahmungswerten Mufter dienen kann.

Das 1788 eröffnete ftädtifche und zugleich militärische Spital blieb in gemeinfchaftlichem Gebrauch, während welcher Zeit ein dem Spital gegenüberliegendes Haus als Militärapothefe und in Not: fällen auch für kranke Soldaten benußt wurde, bis 1844—45 das neue Militärjpital in dem Promenadewäldchen erbaut wurde. Die Stadt bezahlte für den dadurch freigemordenen Teil des Spitales 32000 fl. an den Staat und richtete das Ganze für einen Kranken— jtand von 120—150 Berfonen neu ein.

In unjere Zeit fällt der Bau eines in dem Spitalhofe aufge führten neuen Spitalgebäudes, welches mit einem Soften- aufwand von 107000 Markt von 1884—1885 hergeftellt, und im Juli 1885 in Gegenwart des Großherzogs eröffnet wurde. Der 1804 entworfene Plan eines Siechenhaujes Fam nicht zuftande.

1811 wurde der 1808 eingegangene Berein für kranke Hand- werkögehilfen mit einem Jahresbeitrag von 200 fl. jeitens des Groß- herzogs wieder eröffnet, und 1812 verordnet, daß die in Privat: familien untergebrachten „Pflegekinder“ am erften Sonntag jeden Mo- nat3 zur Unterfuchung in das Spital gebracht werden mußten.

Wie jehr aber auch in frühern Zeiten der Wohlthätigkeitsſinn der Regierung und der Stadt durch Veranftaltungen der verjchiedenjten Art für Unterftügung und Pflege der Armut und der Not fich be- thätigt hatte, noch jehlte zu allen diefen Verſuchen der richtige, ein— heitlich zujammenmirtende Gemeinfinn, und vor Allem das erjte Er— fordernis dazu, die ausgiebigen Mittel, das Geld, um ftändige Anjtalten derart dauernd zu begründen. Unjerer Zeit war dies vorbehalten.

In dem Wochen- und Intelligenzblatt von 1820 hatte zuerjt W. Ehrift. Griesbach, geb. 1772, geft. den 16. April 1838, den Ge-

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danken zur Gründung eines Zufluchthauſes für ältere oder gebrechliche und arbeitsunfähige Perſonen angeregt. 1829 wurde durch denſelben die Sache aufs Neue aufgegriffen, und damit die Bitte um freiwillige Beiſteuern verbunden.

Nachdem Griesbach ſofort ein namhaftes Kapital dazu geſtiftet hatte, und auch weitere Beiträge gefloſſen waren, ſo daß bereits 17925 fl. dazu zur Verfügung ſtanden, legte in dem Jahre 1830 den 13. Mai der Gemeinderat dem Großherzog den Plan zur Grün- dung einer Karl» Friedrichs», Leopold3- und Sopbien- ftiftung zur Genehmigung vor, und Leopold erteilte demjelben nicht nur jeine Genehmigung, jondern er gab auch aus feiner Handkaſſe 3000 ft., die Großherzogin 1000 fl. dazu. Die Stadt jelbft beteiligte ſich mit 5000 fl., Konſul Fachmann aus Riga ftiftete 2000 fl., edle Menſchenfreunde durch gejammelte Beiträge 16000 fl., und der reiche Bürger Stulz aus Kippenheim in London 23000 fl., jo daß ſchon gegen Ende des Jahres 1830 60000 fl. verfügbares Geld vorhan- den waren.

1831 wurde fofort an dem Ende der Stephanienjtraße, innerhalb des Mühlburgerthores der Bau unter der Leitung des Baurates Fiſcher begonnen und jo rajch gefördert, daß den 3. Mai 1831 der Grund- jtein dazu unter Anteilnahme des Großherzogs und der fürftlichen Prinzen gelegt werden fonnte.

Den 15. Mai 1833 wurde das Haus als Pfründnerhaus feiner Bejtimmung übergeben. Die Baufoften hatten 44 244 fl. be: tragen, die freiwilligen Beiträge dazu beliefen ſich auf 59382 fl., wozu noch weitere Vermächtniſſe und Geſchenke im Betrage von 52000 fl. kamen, worunter ſich nochmals Beiträge der fürftlichen Familie, de3 Landoberjtallmeifter® v. Bühler und feiner Gemahlin, einer geborenen v. Freyſtedt, mit 1700 fl., des Rentners Bapft mit 1800 fl. u. a. für Freiplätze befanden.

In diejer Stiftung finden alle bier heimatberechtigten würdigen Perjonen ohne Unterjchted des Standes und der Religion Aufnahme, und zwar entweder in Freiplätzen, oder gegen einen je nach dem Ver— mögen bemefjenen billigen Penfionsbetrag. Auch hier nicht Heimatbe- rechtigte können unter Umftänden aufgenommen werden. Die Verwal: tung der Anſtalt übt der Gemeinderat durch eine bejondere Kommiffion aus.

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Eine andere, nicht minder jegensreiche Anftalt ift das 1848 durch Baurat Künzle aus fürftlichen Beiträgen und Privatgaben erbaute Waiſenhaus vor dem Karlsthor für Waifen aller Konfeffionen, welches den 29. Auguft 1849, an Großherzog Leopolds Geburtstag, eingeweiht und eröffnet wurde.

Eine weitere, der Krankenpflege gewidmete, jegensreiche Anftalt der Stadt ift das evangeliſche Diakoniſſenhaus.

1845 gab eine Verfammlung in Durlach die erfte Anregung dazu. 1849 erfolgte der Aufruf zu Geldbeiträgen, und es wurden 5 Jungfrauen zur Ausbildung in der Krankenpflege nah Straßburg gejendet, 1851 murde ein Feines Haus vor dem Mühlburgerthor angelauft, für 12 Kranke hergerichtet und den erjten Adventſonntag 1851 von 5 Diakonifjen zur Krankenpflege bezogen.

1855 aber war der Raum des beicheidenen Haujes nicht mehr genügend, 1856 wurde an der jüdmweftlichen Ede der Leopold- und Sofienftraße der Neubau unter Baurat Langs Leitung begonnen, den 30. Juni der Grundftein gelegt, und den 18. November 1857 der Bau in Gegenwart des Großherzogs Friedrich eingeweiht und jofort bezogen. Das Haus war für 40—50 Kranke bejtimmt. 1858 erhielt aber die Diakonifjenanftalt durch die Wittwe des Pfarrers Die von Griedrichsthal, eine geborene Neuther, jowie durch freiwillige Beiträge bon Freunden erſt ihre öfonomijch fejte Begründung.

Unter den jchon ſeit 1854 Beitragenden erwähnen wir u. A.: Pfarrer Menton von Friedrichäthal 1000 fl., Kammergerichtsrat v. Uelzer 2000 Thlr., Gaftwirt Scheppelers Wittwe 200 fl., Erneſtine v. Gemmingen Widdern 200 fl., Wittwe Kefjelmaier in Lahr 50 fl., Pfarrer Dells Wittwe von Ichenheim 2000 fl., Franziska SKalten- brunn 2000 fl., Steuerdireftor Maier 50 fl., Wittwe v. Bode 50 fl., Bäder Appenzeller 200 fl., Freiherr v. Uerküll 400 fl., Martha Gorenflo von Leopoldshafen 350 fl., Pfarrer Diet 300 fl. Zur Er- meiterung der Anftalt wurde ſpäter auch das Haus Nr. 18 der Leo- poldftraße erworben, und in diefem, dem jog. Marthasheim, finden jüngere Mädchen ala Mitarbeiterinnen in der Haushaltung Verwen— dung und erhalten auch mweitern Unterricht.

An die Anftalt, welche nicht allein Kranke in dem Haufe jelbit aufnimmt, jondern auch Diakonifien zur Krankenpflege in Privathäuſer abgibt, ift auch eine Kapelle angebaut, in der jeden Sonntag auch für Auswärtige Gottesdient abgehalten wird.

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Schon vor 1853 wurde von Fatholifchen Frauen ber Binzen- tinsverein gleichfalls zum Zweck der Armen- und Krankenpflege geftiftet, den 1. Januar 1854 in dem gemieteten Haufe neben dem Spital in der Spitalftraße eröffnet und durch freiwillige Beiträge unterhalten.

Der Neubau des Vinzentiushauſes in ber Kriegsſtraße wurde nach Baudireftor Hübſchs Plan 186061 vollendet, und dient jeit- dem nebſt der anftoßenden Kapelle wohlthätigen und Kirchlich-religiöfen Zwecken. Nebenbei bejteht noch eine Stiftung der Markgräfin Maria Biltoria von 2000 fl. für arme katholiſche Bürger.

Dad Gewerbehaus in der Kronenftraße bejtand auch in unferer Periode fort. Bei einer 1806 vorgenommenen Prüfung der ötonomischen Verhältnifje der Anftalt ftellte fich eine weitere Vermin- derung des Vermögens auf 14996 fl. heraus, man mar infolge auswärtiger Konkurrenz, bejonder3 der Pforzheimer Wolleninduftrie, genötigt, fich auf die Lohnfpinnerei von Baumwolle und Wolle zu beichränten, das Perſonal zu vermindern, und die Raftatter Induftrie- ichule nebft dem Vermögen derjelben wieder davon zu trennen, jo daß es von jet an nur eine polizeiliche Spinnanftalt war, zu melcher das Rohmaterial angejchafft wurde. 1807 den 14. Dezember übergab daher Karl Friedrich das Spinnhaus zur Verwaltung feiner Gemahlin, der Gräfin Hochberg, unter welcher wieder ein mehr fabritmäßiger Betrieb verſucht wurde.

Aus fürftlichen Zujchüflen und dem Erlös der Vorräte wurde ein Kapital von 15000 fl. verfügbar.

Die Anftalt forderte indefjen fortwährende Opfer ſeitens der Gräfin, obwohl die geiftlicde Verwaltung die Hauptkoften zu beftreiten hatte, und 1809 den dajelbft fabrizirten Waren Zollfreiheit gewährt wurde. In der Ede des Haujes unten hatte der Verwalter zwei Zimmer, in der Kronenftraße befand fich der Hauseingang und ein Verkaufsladen, an die Wohnung des Verwalters in der Spitalftraße ftieß die Färberei und Schwefellammer, ſodann fam die Kinderftube, neben diejer ein Haudeingang und jenſeits defjelben waren zwei Schuljtuben, welche auh als Spinnftuben dienten. In eben diefem Haufe war noch 1815 die Schule der Kleinkarlsruher und die Militärfchule, jede mit 140—160 Kindern. 1812 wurde geflagt, man könne, da Groß— berzog Karl einen Teil des Haufes ala Reiterfajerne verwendet hatte,

feine Arbeiter mehr darin unterbringen, 1815, die Anjtalt könne die 33

Wettbewerbung der Pforzheimer Tuchgejchäfte neben den hiefigen Ta- baffabriten nicht aushalten, weil die dem Kindesalter Entwachienen da Arbeit juchten, wo fie mehr Lohn und Freiheit fänden. 1818 im Ja- nuar wurde zwar da3 Haus für 14 800 fl. angefauft, und eine Hebung und Berbefferung der Anftalt angeftrebt, jo daß fie anfangs des Jah— re3 1819 mit 15 Erwachjenen und 60 Kindern als Zöglingen arbei- tete, und für 8000 fl. Waren bejaß, aber dennoch ging mit dem Schluß de3 Jahres 1819 diejelbe ihrem Untergang mehr und mehr entgegen, die Warenverfäufe wurden immer weniger lohnend, und endlich wurde mit dem Ende des Jahres 1819 die ganze Anftalt auf- gehoben.

1804 wurde dem Gewerbehaus gegenüber die Verteilung AR um- fordſcher Suppen begonnen, wo die Armen gegen bares Geld oder gegen Billete eine Portion Suppe erhielten, und 1806 12642 Portionen abgegeben wurden.

1805 kaufte die Polizeidireltion wegen der für das Frühjahr 1806 erwarteten Teuerung, veranlaßt durch die vorrüdenden Ar— meen und die nachrüdenden Rejerven, Vorräte von Brotfrüchten, Kar- toffeln und trodenen Gemüfen ein, welche an Bedürftige zu normalen Preijen verkauft wurden, 1807 gab die vorgenannte Suppenanftalt, zu welcher Karl Friedrich fortwährende Zufchüffe aus feiner Handkaſſe leiftete (1809 1000 fl.), die Portion Suppe für 2 fr., und Sonntags ein halbes Pfund Fleiſch dazu, und hatte dabei ein Zimmer, um verjchämte Arme darin zu fpeijen, welches aber wenig benußt wurde. Die Anstalt wurde, außer Karl Friedrich Zuſchüſſen, durch Beiträge aus der Stadtlaffe, aus dem Militärgratialfond und dem Erlös der verabreichten Suppen unterhalten.

1808 wurde eine Bezirtsarmenpflege in der Stadt unter Bezirksvorftehern eingerichtet, und dazu vierteljährlich freiwillige Bei— träge erhoben. Einzelnen, welche, weil fie polizeilich beftraft worden waren, ihren Beitrag verweigerten, wurde für dieſe Weigerung eine Strafe von 2 fl. auferlegt, und ihre Namen in dem Wochenblatt ver- öffentlicht.

1810 meldet die Bolizeidireftion, das Almojen reiche für feine Zwecke nicht mehr aus, feit es nach Errichtung des neuen Hoftheaters feinen bisherigen Anteil an der Einnahme der Mastenbälle (Redouten) verloren habe,

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1815 waren die Einnahmen der Urmenpflege gebildet aus Holz- abgabe feitens der Regierung, unentgeltlichen Arzneien aus der Hof- apothefe, Binjen von Kapitalien und Stiftungen, aus den freiwilligen vierteljährlichen Beiträgen der Einwohner, aus Beiträgen des Kirchen- almojens, Erlös aus der Suppenanftalt, Abgaben für öffentliche Ver- gnügungen, Tänze und dergleichen, aus Anteilen an Strafgeldern, Konfiskationen u. a.

1816—1817 bildete fich unter der Leitung der Großherzogin Stefanie und der Markgräfin Friedrich ein Wohlthätigkeitäverein gegen die Teuerung, melcher 1825 fich wieder auflöste und feine Kapitalien für andere ähnliche Zwecke hinterließ.

Die ftädtifche Armentommiffion bildeten 1819 folgende Berjonen; Kirchenrat Stadtpfarrer Knittel, Stadtpfarrer Reich, Geiftlicher Rat Stadtpfarrer Kirch, Reformirter Pfarrer Bender, Hofprediger Mar- tini, Geheimrat Dr. Schweidhardt, Hofmeditus Kölreuter, Stadtphy- ſikus Seubert, Polizeiamtmann Häfelin, Oberbürgermeifter Dollmätjch, Ratsverwandter Wagner, Almofenrechner Zeuner und Militär- und Gratialfondverrechner Reiß.

1831 im Frühjahr wurde der noch heute bejtehende Verein zur Belohnung treuer Dienftboten gejtiftet.

Nachdem jchon 1815 ein Frauenverein zur Unterftügung für Notleidende gegründet worden, aber wieder eingegangen war, nad)- dem 1824 u. ff. jolche in Heidelberg, in Wertheim u. a. D. in's Zeben getreten, wurde 1831 auf Anregung der Großherzogin Softe ein folcher auch hier in Karlsruhe in's Leben gerufen, 1835 organi- firt und beſtand al3 Ortsverein jegensreich wirkend hier fort. Während derjelbe aber anfangs nur die Unterftügung und Linderung der Not- leidenden in der Stadt im Auge hatte, gewannen feine Ziele und Bwede bald eine größere Ausdehnung, und bejonders jeit dem Jahr 1856, dem Jahre der Vermählung des Großherzogs Friedrich mit der Prinzeſſin Luiſe von Preußen 8. H., entfaltete diejer Verein in jeiner nicht nur über das ganze Land ausgebreiteten regelmäßigen Thätigfeit, jondern auch in Kriegszeiten durch feine mit den Beftre- bungen de3 roten Kreuzes Hand in Hand gehende Arbeit, im Kleinen wie im Großen, eine reiche, umfafjende, jegensvolle Wirkjamkeit, und Alles, was von diefer Zeit an in dem badijchen Lande zur Linderung der Notjtände der verjchiedenften Art, zur körperlichen und geiftigen Pflege der Bedürftigen, zur Kinder und Krankenpflege, zur Förde—

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zung der praftijchen und geiftigen Ausbilbung des weiblichen Geſchlechts, zur Hebung des Standes ber Dienftboten, zur beſſern Einrichtung der Spitäler, zur Unterftügung unverjchuldeter Armut und Bedräng- nis, zur Pflege armer NReconvalescenten und verwaister Kinder, zur Speifung des Armen, zur Verforgung des vereinfamten Alters in den legten 30 Jahren geſchehen, ift direkt oder indirekt das Werk des badischen Frauenvereins, und feiner unermüdlich thätigen, hochherzigen Schüßerin und Leiterin, der Großberzogin Quife, unter treuer und gemeinjamer Ürbeit und Mitwirkung des Großherzogs ſelbſt und anderer opfer- freudiger Mitglieder des Großherzoglichen Haufes.

Wir nennen hier nur die Ausbildung von Krankenwärterinnen für Krieg und Frieden, das Luiſenhaus für arme, mutterlos gewor—⸗ dene Kinder unter 6 Jahren, die Induftriefchule, die Schulen für Arbeitslehrerinnen und Kinderwärterinnen, die Sonntagsjchulen für der Schule entwachjene Mädchen, die Luiſenſchule zur Fortbildung von Mädchen auch aus befjern Ständen, die Handarbeitsjchulen für weibliche Arbeiten, und ſelbſt für kunſtgewerbliche Ausbildung, den wifjenjchaftlichen Unterricht in der Buchführung, im Rechnen, Deut- jcher Sprache, Zeichnen und Singen, den Elifabethen-Verein zur perfönlichen Unterftügung unverfchuldeter Arbeitslofigkeit, die Kreuzer- vereinfammlungen zu wohlthätigen Zwecken, die 1872 neu gegründete, 1882 erweiterte Suppen- und Speifeanftalt, welche vielfach auch von Nichtarmen benußt wurde, die zahlreichen Vorträge und Anleitungen zur geiftigen und praftifchen Ausbildung der’ geiftig Armen, die Ver- einsklinik für chirurgische und Augenkranke, die SKleinkinderbewahr- anftalten, das Friedrichsſtift in der verlängerten Leopoldftraße für alfeinftehende Frauen u. A. Sogar zur Ausbildung in der Kunft, in Muſik und Malerei hat in neuefter Beit der Frauenverein Mittel und Wege geboten. Undere, teils jchon vor dem Frauenvereine vor« bandene, teild mehr oder weniger in Zuſammenhang damit ftehende mwohlthätig wirkende Vereine und Unftalten, ſowohl auf allgemein menfchlichem, al3 auf fittlich religiöfem Gebiete find der evangeliiche Berein, der Fröbelverein mit feinen Kindergärten, der Lehrerwittwen⸗ und Waifenverein Fürſorge, der evangelifche Jünglingsverein, der evang. Krankenverein, der Männerhilfäverein, der Pfennigverein, der Schußverein für entlaffene Strafgefangene, der Stabtmiffiong- und Miffionsverein, der Verein für fittlich verwahrloste Kinder, der Berein zur Heimat, die 1884 gegründete Ortskrankenkaſſe für Han-

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delsgebilfen u. A., unter den Ifraeliten die ifrael. Frauen⸗, Mädchen⸗ und Zünglingsvereine, der Brot- und Holzunterftügungsverein, ber Verein zur Unterftügung kranker Männer und Jünglinge, ein Mäd- henausftattungsverein, die allgemeine ifraelitiiche Krankenkaſſe. Als mithelfend zur Linderung der Not, zur Unterftügung weiſer Spar- famteit, zur Förderung des allgemeinen Wohlftandes unter den mit befcheidenern Glüdsgütern Gefegneten ift hier noch zu erwähnen die 1806—10 angebahnte und vollzogene Gründung eines ſtädtiſchen Leihhauſes, über melches fchon vierzig Jahre vorher verhandelt worden war, und das 1813 den 7. September unter ber Leitung einer aus einem Mitglied des Kreisdirettoriums, dem Bürgermeifter, einem Mitgliede des Stadtamtes umd des Stadtrates nebſt zwei Bürgern beftehenden Kommiſſion als ftädtiiches Pfand- und Leih— haus neu organifirt wurde. 1816 wurde damit die ſtädtiſche Spar- Taffe verbunden, und 1833 erfolgte die Errichtung der Privatipar- Taffe, welche ebenfalls noch jegt in Segen fortbeiteht.

1833 hatten fich bier einige Männer, an deren Spike Scholl, Beger, Mayer und Bipperlin ftanden, zufammengethan, um eine Le— bensverficherung zu gründen. 1835 den 23. März wurde eine Gene- ralverfammlung gehalten, und die Statuten von 104 Mitgliedern unterzeichnet, den 30. April erfolgte die Genehmigung der Statuten, und den 1. Juni 1835 begann die Anftalt als Allgemeine Ber- jorgungsanftalt ihre Thätigkeit. -

Das Bureau der Anftalt war anfangs mietweife in Nr. 4 ber Kronenftraße und dann in Nr. 3 der Erbprinzenftraße, 1837 murde das Haus Nr. 34 der Erbprinzenjtraße, 1845 das dem General von Schäffer gehörige Haus Amalienftraße Nr. 25 erworben und 1869 durch Kerler neugebaut.

Diefe Anftalt mit ihren verfchiedenen Verficherungszmweigen bat ſich jeither in großartigfter Weiſe entwidelt.

1877 wurde eine ſtädtiſche Schulſparkaſſe errichtet, deren Ergeb- niffe, fortwährend fich fteigernd, Zeugnifje der wohlthätigen Wirkjam- teit der Anftalt find.

Bon milden Stiftungen aus unferer Periode find zu verzeichnen eine folche der Wittwe des Staatsrat? Meier vom Jahr 1809 über 1200 fl. zur baren Auszahlung an 12 arme Wittwen, eine foldhe von Bäder Schmidt’3 Wittwe im Betrage von 250 fl. für 12 Arme, von Luife Helmle von 200 fl. für das Spital u. a.

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So groß aber auch die Zahl ſolcher in engern und weiter Kreifen wirkenden Anftalten ift, fo bereitwillig offene Hand auch jeder Anruf an die Mildthätigkeit der Bewohner der Nefidenz bei denjelben findet, dennoch bleibt neben diefer Privatwohlthätigkeit auch für den ftädtifchen Armenrat noch ein weites Feld eriprieslicher Bethätigung, wie der für diefe Zwecke aufgenommene ftädtifche Ausgabepoften von 138 867 M. in dem Boranfchlag für 1885 bemeist.

Das Medizinalwejen war ſchon vor dem Beginn unjerer Periode ein verhältnismäßig wohlgeordnetes in Stadt und Land, und ichon in dem vorhergehenden Jahrhundert zählte Karlaruhe hervor— ragende, literariſch und praftiich thätige Männer’ unter feinen Aerzten. Die Sanitätskommiſſion, in deren Händen die Oberleitung des ge- jammten Medizinalwejens lag, zählte nach 1800 als Direktoren Männer wie Fr. Andr. Schridel 1808, gejt. 1827, Chrift. Ludw. Schweidhardt 1810, geit. 1826, Friedr. Wilhelm Maler, geft. 1837, Sigmund Jakob Teuffel, unter ihren Räten Böckmann, Flachsland, Gmelin, Nußbaumer, Bitichaft, K. W. Schridel, K. Seubert, Wich, Zandt, Bauer, Bil, Buchegger, Kölreuter, Meier, Molitor. Ein Stadte und Landphyſikus, ein Stadt: und Landehirurg hatten die ftaat3ärztlichen Gejchäfte für Stadt und Land, Leibärzte und Hof- ärzte, Leibehirurgen, ein Hofphyſikus, die betreffenden Gejchäfte für den fürftlichen Hof jelbjt und das Hofperjonal zu bejorgen.

Als Leib» und Hofärzte finden wir 1815 u. ff. Schridel, Ma— ler, Eichrodt, geſt. 1813, Seubert, Schweidhardt, Teuffel, Groos, Yung, Wiljer, Kramer, G. U. Gutih 1820. Ed. Molitor 1840, als Leibchirurgen Gebhard, Heuß, Nuding, Sievert, E. Jak. Vierordt, Weiß, als Hofzahnärzte Loudet, Wernlein, Sal. Mayer, Wefjel, als Hofoperateur Duperat.

Die Leib: und Hofärzte hatten felbjtverjtändlich daneben auch ihre ftädtiiche Praris, waren zum Teil nur Tiiularhofärzte, und gingen öfters auch aus der Stellung des Stadt» und Landphufitus in den Hofdienjt über.

Berdiente Wundärzte erfter Klafje, bejonders die Leibchirurgen, erhielten den Titel Medizinalrat, wie der vorgenannte Gievert und Wundarzt Herbit, Hebärzte waren Jak. Joſ. Zandt, Landesoberheb- arzt, auch Hebammenmeijter genannt, und Bils.

Im Ganzen waren 1815 bier 11 Aerzte, nebjt 7 Hebammen,

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worunter 4 evang., 2 kath. und 2 ifr. Für die niedern Wundärzte hielt Herbſt Vorlefungen in dem ftädtiichen Spital.

Auch für die Ausbildung der Tierärzte geſchah wieder mehr. 1810 wurde nach dem Tode des Leibchirurgen E. Jak. Vierordt, welcher bis dahin gratis in der Tierarzneikunde unterrichtet hatte, Dr. Teuffel Vorftand und Lehrer der Anftalt, und Leibwundarzt Gebhard, ſowie Hofpferdearzt Tſcheulin wirkten ala Lehrer an derjel- ben. Der Bejuch in einem zweijährigen Kurs wurde fämmtlichen künftigen Tierärzten zur Pflicht gemacht, 1815 zählte fie jchon 15—20 Schüler, und 1822 war eine gut organifirte Tierarzneischufe mit dem neu erjtehenden Polytechnikum verbunden.

Auch die Pferdezucht war eine von Karl Friedrich nicht über- jehene Angelegenheit. 1753 war eine Beichälordnung für das Land erichienen, 1771 Tieß er Hengfte aus dem herrichaftlichen Marſtall in verjchiedenen Landgemeinden aufftellen, 1813 wurde Stutenjee Mittelpunkt der Geftütsanftalt des Landes, und es wurden Prämien für gute NRafjetiere ausgejegt. 1815 wurden 29 Zuchttiere unent= geltlih an einzelne Landgemeinden abgegeben, 1819 verwilligten die Stände 50000 fl. zur Ausdehnung des Inſtitutes über das ganze Land, 1825 10000 fl. als Prämien, und es wurden 150 Zuchttiere im Lande verftellt.

1838 mwurde da3 Landesgeftütägebäude vor dem Riüppurrerthor mit zwei großen Ställen für 72 Hengſte erbaut, eine Reitjchule da— mit verbunden, und das Inſtitut von Bruchjal hieher verlegt.

Die weitere Umgeftaltung des Inftitutes, ſowie die Bildung eine durch Private und Gemeinden auf Aktien gegründeten, auch von der Regierung unterjtügten Pferbezuchtvereins gehören der Gegen- wart an. |

Apothefen waren 1800 drei hier, die Hofapothete neben der Schloßfirche, die Apotheke von Sachs in der langen Straße, und die Schrickel'ſche Apothele, ebenfalls in der langen Straße, neben dem Gafthaus zum Ochſen. Jetzt zählt Karlsruhe fieben Apotheken.

1. Die Hofapothefe, deren Realrecht Eigentum der Herr- haft war und noch ift, fam 1810 nach dem Tode des Hofapothekers Bär an den Medizinalrat K. W. Schridel. 1832 wurde diefelbe, nach dem Tode der Markgräfin Amalie, in deren Palais in der langen Straße verlegt, welches Schridel für 48000 fl. erfaufte. Derjelbe erhielt 1833 das Privilegium auf Lebenszeit. Nach defien

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Tod 1834 behielt die Wittwe dasſelbe auf zehn, dann auf weitere zehn Jahre, und nach deren Tod 1853 wurde es auf weitere 10 Jahre auf die drei überlebenden Töchter Charlotte, Auguſte und Karoline, injolange fie unverehelicht blieben, und 1864, nach dem Tode der zweiten Tochter, den beiden überlebenden nochmals, aber zum legtenmal übertragen. 1874, ben 15. März, übernahm ©. Kalli- woda den Betrieb der Hofapothele gegen eine jährliche Pacht an bie Hoflafie, und verlegte fie im Auguft besjelben Jahres in das von ihm erlaufte Haus gegenüber, Nr. 201 der Kaiferftraße. Die frühere Hofapothefe in der langen Straße wurde 1876 verkauft, abgeriffen, und ein neues Haus an ihrer Stelle erbaut.

2. Die Sachs' ſche Apotheke, Kaiferftraße Nr. 80. Ueber dieje haben wir in unferer zweiten Periode bereits berichtet. Der Sohn des Kirchenrates Sachs, Gottfried Sachs, geftorben 1805, deſſen Sohn Ehriftof Gottfried, geftorben 1818, deffen, ein Jahr vor bes Vaters Tode 1817 geborener, Sohn Karl und der gegenwärtige Inhaber Karl Sachs, haben die Apothele, welche 1844 Hofapotheke wurde, in ununterbrochenem Beſitz der Familie erhalten.

3. Die Döll'ſche Apotheke in der Zähringerſtraße. 1792 hatte Veit Schridel das BPrivilegium zur Errichtung einer dritten Apothele Hier erhalten und diejelbe in der langen Straße neben dem Gafthaus zum Ochjen gegründet, 1802 verkaufte er fie an Johann Friedrich Sommerſchu von bier, welcher fie 1805 in das Haus Zähringerftraße Nr. 43 verlegte. Schridel ftarb 1835 bier in Karls» ruhe als Bolizeilommifjär. 1840 wurde Hanjen, 1852 W. Engel- bardt, 1871 Guftav DöN Eigentümer derjelben.

4. Die Stadtapothele Karlftraße Nr. 19. 1820 erhielt Lohle das Perſonalrecht zur Errichtung einer Apothele in der Herren- ftraße Nr. 24, welches 1824 zum Realrecht wurde. Löhle verkaufte diejelbe 1836 an Eichhorn für 59000 fl., 1845 kam fie an Dr. Riegel, jodann 1872 an 8. Haffencamp, und wurde 1883 durch diefen in das Haus Nr. 19 der Karlſtraße verlegt.

5. Die Löwenapotheke, Kaiferftrape Nr. 72. 1829 erhielt Generaljtaatslaffier Waag, welcher von jeinem Schwager, Buchbinder Gerth, ein altes Haus in der langen Straße ererbt hatte, bei dem Neubau diejes Haufes das Privilegium zur Errichtung einer Apothefe für feinen Sohn oder Tocdhtermann. Als der Sohn 1836, 22 Jahre alt, ftarb, ging daher diejes Recht an den Tochtermann, ben 1835

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lizenzirten Apotheker Julius Ziegler über. Dieſer eröffnete 1838 in dem neuen Haufe die Lömenapothele, welche 1863 an ben Sohn Albert überging. Dieſer verlaufte fie 1879 an U. Senff, und biejer 1881 an ben jeigen Beſitzer E. Ganjer aus Müblburg.

6. Die Hirſchapotheke, Amalienſtraße 32. 1845 erhielt Görger das Berfonalrecht zur Errichtung einer Apothele in genannter Straße und 1849 das Realrecht. 1856 war ber Beſitzer Möder, 1863 kaufte 2. Walz die Apothele, 1878 ein gewifjer Dößling, in demjelben Jahr Leimbach, und 1883 der gegenwärtige Beſitzer Dr. Eitel. Beſonders auffallend ift bei dieſer Apothele die Steigerung des Slaufpreifes, welcher von 63000 fl. 1856 auf 80000 fi., 1863 auf 195000 M. 1878, in dem gleichen Jahre auf 209000 M. und 1883 auf 300000 M. fich erhöhte.

7. Die jüngfte Apothele endlich ift die 1875 von Guftav Baur in der Bahnhofftraße errichtete und 1885 in die Schügenftraße Nr. 21 verlegte Apotheke des Bahnhofſtadteils.

Als gymnaftiiche Heil- und BVflegeanftalten find hier noch zu nennen die von Leutnant a. D. Zahn in der Stefanienftraße, und von Dr. Riffel in der Seminarftraße, als Vereine von Werzten und Apothefern der ärztliche Verein, der Sterblaffenverein der Aerzte und der pharmazeutijche Verein.

Die Feuerwehr Seit 1815 ftanden zum Schuß gegen un« vorbergejehene Unglüdsfälle Rettungstäften und Gerätichaften in dem Rathaus bereit, zum Schuß und zur Hilfe in Feuersgefahr aber beftand, wie in den andern Gemeinden des Landes, auch in Karlarube eine Feuerwehr nach allgemeinen Zandesbeftimmungen. Sowohl der Zuſtand der Geräte, als die Organifation der Mannjchaft war aber, trog wiederholten FFeuerlöfchordnungen, noch jehr mangelhaft, Die Führung Feine einheitliche und fachkundige, die Mannjchaft Feine ge- jchulte und geübte, die Disziplin eine lodere, der Korpsgeift nicht vorhanden.

Schon 1802 hatte Weinbrenner den Vorſchlag gemacht, ein eigenes ftädtijches Feuerwehrforps von 4—600 Mann bier zu er- richten, welches in aktives und Reſervekorps eingeteilt, bejondere Ab⸗ zeichen tragen und einem einheitlichen, fachverftändigen Kommando unterftellt werden folltee 50—60 Mann jollten als Rettungskorps ausgejchieden, und der Bolizeidienft dem Militär überlafjen bleiben. Dieſe Vorjchläge wurden zwar großenteild in die Feuerlöſchordnung

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von 1809 aufgenommen, aber es kam noch lange nicht zur Durch» führung einer eigentlichen Korpsgründung, es blieb eben immer die alte, unter Amt, Gemeinderat und Stadtbaumeifter ftehende Stadt- feuerwehr. Dieje hatte 1813 fogar jchon drei Kanonen, welche aber an die Landwehr abgegeben wurden. Ueberhaupt läßt fich nachweifen, daß die 1763 durch Geheimrat Reinhard, Hofrat von Berkheim, Baudirektor von Keßlau und die Baumeifter Arnold und Müller be— arbeitete Feuerordnung, welche die Stadt in ſechs Viertel mit je einem Gafjenmeifter teilte, unter welchen je 43—50, im Ganzen 300 Bürger ftanden, im wejentlichen als Mufter aller ftädtijchen Feuerordnungen bis 1847 galt. Bergl. Cathiau, Allg. Freim. Feuerwehr, S. 167.

Hartleben jagt in jeinem ftatift. Gemälde der Stadt Karlsruhe 1815: „Durch Beobachtung aller wegen Abmwendung von Feuers— gefahren beftehenden allgemeinen gejeglichen Vorfchriften, über welche eine Feuervor- und Nachſchau wacht, entſtehen in der Refidenz jelten Feuersbrünfte. Aber auch jelbjt in dem Falle, wenn eine aus- bricht, kann fie wegen der guten Bauart der Häufer, der Breite der Straßen, der Nähe des Wafjers in dem Landgraben, und der Thä- tigkeit der Einwohner, deren Mehreren in einer eigenen Feuerlöjch- ordnung, welche im Jahre 1809 erneuert wurde, die zu leiftenden angemefjenen Dienjte vorgejchrieben jind, feinen jehr bedeutenden Schaden verurfachen. Hinfichtlich der Löjchapparate aber, fährt er fort, ift das ſtädtiſche Feuerhaus nicht bedeutend, da e3 außer ein paar alten und jchweren, jedoch guten Feuerſpritzen, jowie einer trag- baren Sprige, nicht3 als einige Hundert Feuereimer, mehrere Laternen und einen Vorrath von Pechkränzen enthält. Es genügt jedoch aus dem Grunde, weil durch ein von Karl Friedrich gejtiftetes herrichaft- liches Feuerhaus faſt allen Bedürfnifien entiprochen tft.“

„Man findet in diefem Feuerhaus ſechs verjchiedene große und Heine Feuerſpritzen, deren jüngfte einft dem aufgehobenen Slofter St. Blafien gehörte.“

„m ben beiden Feuerhäuſern befinden ſich zuſammen 8 Feuer— iprigen, 6 Handipriken, 11 Quttenfäfjer, 38 Wafjerbütten, 3 Schleifen, 5b Fenerwägen, 4 Feuerleitern, 39 Feuerhaken, 1196 Feuereimer, 3 paar Mafferftiefel, 1 Feuerleitermajchine, 1 Feuerchaiſe und 10 Wafjerichapfen.“

Außerdem waren gegen 50 Handfeuerjprigen in öffentlichen und Privatgebäuden untergebracht.

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In diejelbe Zeit fällt auch die Erfindung einer neuen Hand» feuerjprige de3 baierifchen Oberbaurates Joſef von Under, jowie die 1811 von Dr. Kölreuter in Vorjchlag gebrachte Löjchflüffigkeit aus Ehlorfalf. 1820 Hatte die Stadt 6 Stabt- und 2 Landipriken, jebe mit 3—4 GSprigenmeiftern, unter welchen ſchon Gürtler Dölling ericheint.

1827 erſcheint nach längern Verhandlungen eine neue Qöjche ordnung für Karlsruhe, nach welcher die herrichaftliche Sprigen- abteilung unter dem Hofbaufontroleur Meßmer, die ftädtifche unter Stadtbaumeifter Künzle, und die Rettungsmannfchaft unter Kaufmann Kloſe bei Brandfällen in gemeinjchaftliche Wirkjamteit traten.

Staujchleußen im Landgraben ftanden bei der Injel, am Spital- plag, an dem jpätern Ständehausplak und bei der Infanteriefaferne. Die acht Hauptleute der einzelnen Abteilungen waren Bierbrauer Nägele, Uhrmacher Dürr, Juwelier Dreßler, Weinhändler Glöckler, Uhrmacher Schaidt, Kaufmann Schmieder, Kaufmann Füßlin und Hoflattler Reif. Jede Abteilung hatte 2 Erjamänner für den Hauptmann, 12 Obmänner mit 2 Gehilfen, 46 Bumper, 24 Butten- träger, 4 Mann für jede Handiprige, und jeder Abteilung waren 6 Fuhrleute zugeteilt. Die Gefammtzahl betrug etwa 770 Mann.

1840 erjchien eine neue Hoffeuerpolizeiordnung, und in dem— jelben Jahr brannte das Alleehaus an der Pappelallee ab.

Eine neue ſtädtiſche Feuerwehrordnung erfchien 1841 ala Be— dürfnis, 1844 waren deßhalb Vorjchläge an die Polizeibehörde ge- macht worden, blieben aber liegen, und noch kurz vor dem Theater» brande entjchuldigte fich die Behörde damit, daß zuerft die Feſtſtellung der Mannheimer Löfchordnung abzumarten jet.

Der am 28. Januar 1847 ausgebrochene Brand in dem Haufe de3 Materialiften Haufer, Ede der Karl» und Umalienftraße, ver- urjachte, auf Grund eines jcharfen Berichtes des Polizeitommiffärd Reichard und der Sprigenmeifter Bayer, Weiß und Kemner, eine neue Einteilung der Buttenträger und der Nettungsmannjchaft, ſowie die Anordnung von Spezialproben und unvorbereiteten Feuerlärms auf Ende Februar oder Anfang März. Aber für den Theaterbrand kamen jolche Maßregeln jchon an ſich zu jpät, abgejehen davon, ob bei der Beichaffenheit des Theaters felbft das Unglüd überhaupt hätte abge- wendet, oder doch gemindert werden können.

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Seit Februar 1846 Hatte fich bier ein Turnverein gebildet, welcher aus 200 Mitgliedern bejtehend, in dem Sallenwäldchen jeine Uebungen abbielt. Derjelbe hatte noch in demjelben Jahre von dem Stadtrat eine Fahr⸗ und Tragfprige zur Benugung erhalten und dazu 24 und 8 Mann Bedienung nebjt Führer und Sprigenmeifter geftellt, während die übrigen Turner fich der Rettungsmannfchaft der ſtädtiſchen Loſchmannſchaft anfchlofien.

Erft nachdem bei dem Theaterbrand am 28. Februar Gelegen- heit geboten ward, die wohl geleitete und erſprießliche Thätigleit des Durlacher Bompierlorps zu beobachten, ermachte bier eine Tebendige Begeifterung für die Gründung eines ähnlichen Korps. Schon zwei Tage vor der Beerdigung der Opfer de3 Brandes, den 3. März, traten 100 Bürger unter der Leitung des Baurates Bader und bes Kaufmanns Stempf zu dem Zweck der Gründung einer freimwil- ligen Feuerwehr zufammen.

Unter dem 7. März brachte die Karlsruher Zeitung den Ent- wurf dazu, welcher nach dem Durlacher Mufter einen durch die Mann- haft freigemählten Kommandanten an die Spige ftellte. Alle Bürger bis zum 35. Jahre follten ala Pumper und Steiger, bis zum 55. als Waflerträger und Austräger eintreten, in Geſpannſchaften unter einem Viertelsmeiſter eingeteilt werden, und den Dienft als freiwillige Ehrenpflicht Teiften.

Auch Turner und Schügen traten zu Sprigenvereinen zujammen, und in kürzefter Zeit, ſchon bis zum 17. März, hatten ſich 202 Bürger und fonftige Einwohner, und 160 Turner zu einer freiwilligen Feuer⸗ wehr als Sprigen- und NRettungsmannfchaft, mit 2—3 ſtädtiſchen Sprigen ausgerüftet, zuſammengethan und ftellten zu weiterer Aus— rüftung eine Forderung von 7691 fl. an den Stadirat.

Sofort, jhon am 18. März, bildete ſich aus den ftäbtifchen Mitgliedern Bürgermeifter Hehmle, Hoflaminfeger Baug, Kaufmann Kölle und Stadtbaumeifter Künzle und denjenigen der mit den Tur— nern kombinirten neuen freiwilligen $Feuerwehr Blechner Bayer, Kauf- mann Stempf und Architelt Müller eine Kommiffton, wobei Bankier Kufel fich freiwillig zum Vorſchuß der Geldmittel erbot.

Den folgenden, 19., erjchien im Tagblatt eine öffentliche Anzeige, wonach in Gemeinschaft mit den -Turnern ſich ein Verein von 362 Mann freiwilliger Löſch- und Rettungsmannjchaft gebildet habe und jeine Uebungen ohne Verzug beginnen werde. Zugleich ward eine Lifte

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für freimillige Beiträge und weitere Beitritte in Umlauf gejegt, und eine allgemeine Verfammlung auf den 20. anberaumt.

Diefe Verfammlung am 20. März ftellte die Organifation bes Vereins, fowie den Bedürfnisftand feft, Fabrikant Kepler verfprach, zwei Sprigen mit 50 Mann zu ftellen, und die am Schluß aufge ftellte Lifte der Teilnehmer ergab 250 Bürger und fonftige Einwohner, 150 Turner und 100 Mafchinenarbeiter, im Ganzen 500 Mann als beigetreten.

Diefem neugebildeten Vereine gegenüber verhielt fich indefjen der Stadtrat immer noch etwas zurüdhaltend. Er gab jeine Genehmigung nur unter Vorbehalt künftiger Entjchliegung, und als der Staat feine Genehmigung erteilt hatte, und es fich um die Zuſchüſſe der Gemeinde» faffe für Geräte und Ausrüftung handelte, verwilligte er nicht mehr ala 1500 fl., und nur unter Vorbehalt der ſtaatsbehördlichen Zu- ftimmung, ſowie unter Wahrung des ftädtiichen Eigentumsrechtes an die angeichafiten Geräte. Neben diejer freiwilligen Feuerwehr beftand unter dem Stadbtbaumeifter Künzle vorerft noch das dem Stadtrat unmittelbar unterjtellte ſtädtiſche Brandkorps, defjen teilmeife Organi- jation durch Verordnung vom 30. April 1847 erfolgt war, welches aber der freimilligen Feuerwehr bald als Hilfsmannſchaft zugemwiejen wurde, bis es 1860 ganz in derjelben aufging, nachdem es mehr auf dem Papier al3 auf der Brandftätte geftanden war.

Den 24. Auguſt 1847 zeigte der Verwaltungsrat der Feuerwehr dem Stadtrat an, dab das nunmehr uniformirte Korps außer den Majchinenarbeitern 350 Mann zähle, und die Koften der Augrüftung 3115 fl. betragen hätten, weshalb un Zuweiſung der zugejagten 1500 fl. gebeten wurde.

Der Nat zögerte, berief aber die Bittfteller zu einer Beratung, bei welcher ein gemeinjamer Statutenentwurf feitgejtellt, nun aber diefer durch Amt und Polizei barjch abgewiejen wurde, bis die Feuer⸗ ordnung für das ftädtiiche Brandkorps zum Abjchluß gebracht wäre.

Während diejer verjchleppenden Verhandlungen arbeitete aber die junge Feuerwehr an ihrer innern Ausbildung und äußern Geftaltung rüftig und unverdrofjen weiter.

Am November 1847 hatte fich die Feuerwehr der Majchinen- fabrif, wiewohl ala eigenes Korps, dem Kommando der Feuerwehr un- terftellt, e8 bildeten fich eigene Abteilungen für auswärtige Brandfälle und für Waflergefahr. Den 15. November jtellte die Hofverwaltung

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dem Korps zwei Sprigen zur Verfügung, indeflen zwei andere Hof- Iprigen dem fortbejtehenden ftädtifchen Brandforps zugemiejen wurden, den 17. November fand in Gegenwart des Großherzogs Leopold und der Behörden die erfte große Probeübung an der hintern Seite der Infanteriefajerne ftatt, und dieje mwohlgelungene Uebung brachte nicht allein reichliche Geldbeiträge, jondern auch zahlreiche Auskunfts— fragen aus der Ferne, und ſelbſt lernbegierige Mitglieder auswärtiger Vereine hierher.

Bei dem am 2. März 1848 ausgebrochenen Brande des Mi- niſteriums de3 Auswärtigen, der erften ernften Feuerprobe, zeigte fich wohl noch Manches der Berbefjerung bedürftig, immerhin waren aber die Haupterfordernifie, einheitliches Kommando, Disziplin und richtige Ausrüftung von Mannjchaft und Geräten gewonnen. Das gute Beijpiel von Durlach und Karlsruhe wirkte aber auch jo nachhaltig und meitgreifend, daß fich in noch nicht 30 Jahren bis 1875 in dem Lande 293 freiwillige Feuerwehren mit 26200 Mitgliedern gebildet batten, und daß unter dieſen Karlsruhe mit 562 Mann und 312 Hy— dranten eine der erften Stellen einnimmt.

Ihre Uebungen hielt die Karlsruher Feuerwehr zuerft in dem Sallenwäldchen, dann auf dem Meyerfchen, Später Nägelefchen Grund- ftüd vor dem Mühlburgerthor, 1860 kam das neue Steighaus hinter die damalige Kriegsschule, zwischen Grünminkler- und Mühlburgerallee, wo e3 im Juli 1868 abbrannte, und 1869 kam es auf feine jeßige Stelle in der Nähe des Ererzierhaujfes vor dem Mühlburgerthor.

1848 im November erhielt auch die Schmieder und Maherſche Wagenfabrif für ihre Arbeiter eine Stadtiprige, welche unter die allgemeine ſtädtiſche Löſchdirektion gejtellt wurde.

Die erjten Führer oder Hauptleute der anfangs aus drei Kom— pagnien beftehenden freiwilligen ?Feuerwehr waren Baurat Bader, Kommandant, Regiftrator Rheinboldt, Hauptmann, 8. Em. Stempf, Oberleutnant, Kaufmann Peter, Adjutant, welcher 1851 durch einen Sprung von dem dritten Stod der Jnfanteriefajerne in das Sprung» tuch verunglüdte. Als im Februar 1850 Bader zurüdtrat, wurde Gürtler 2. Dölling zuerjt interimiftiich, dann ſeit 22. Juli endgiltig jein Nachfolger.

1856 bejtand der Verwaltungsrat außer Dölling aus den beiden Adjutanten Dänker und Glafer, und den Hauptleuten Voit, Stempf,

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Wolf und deren Stellvertretern Groos, Fritz, Hofläß, nachher Mart- ftahler und ſechs mweitern Vertrauengmännern.

Das Korps hatte jet in feinen drei Kompagnien die Wbtei- Yungen der Steiger, Austräger, Schlauchführer, Waſſerleute und die Arbeitsmannicaft.

1859, al3 eine auffallende Läffigkeit in dem Korps einzureißen begann, wurde um Errichtung einer tüchtigen Hilfs- und Reſerve— mannschaft durch die Stadt gebeten, und infolge defjen wurde 1860 die ſchon obengenannte ftädtijche Feuerwehr, das Brandkorps, welches aus drei Kompagnien beftand, neu organifirt, der freiwilligen Feuer— wehr als Hilfsmannjchaft zugeteilt, unter gleiches Kommando gejtelft, und die nunmehrige Rechnung für die gefammte Feuerwehr mit der Stadtrechnung verbunden, wobei die Stadt wieder 2000 fl. für die Ausrüſtung beitrug.

Die Hauptleute der noch für fich bejtehenden ſtädtiſchen Kom— pagnien waren Gaftwirt Krämer, Bohn und Römbildt, ihre Adjutanten Birkenmaier, Leichtlin und Hafner.

1861 Teiftete die Feuerwehr Wachdienjte bei der allgemeinen badijchen Gemwerbeausjtellung, und in demjelben Jahre errichteten die Mitglieder unter ſich eine Begräbnisfafje mit 6 Kreuzer monatlichen Beitrags.

1863 trat der Turnverein als ſelbſtändige Abteilung der Hilfs— mannſchaft ein, 1864 wurde neben den Glocken als Alarmzeichen die von Cöln entlehnte Rafjel, Rätſche, und 1868 auch das militärische Alarmzeichen mit 1—4 Trompetenftößen nach der Zahl der Kom— pagnieen wieder eingeführt. Die Einnahmen bejtanden ſchon in den erjten Jahrzehnten aus 2500 fl. freiwilligen Beiträgen, 1500 ff. von der TFeuerverjicherungsgejellihaft und 1500 fl. aus der Stadtkaſſe.

Die Ausrüftung des Mannes bejtand anfangs aus Jade und Beinkleid von Drilch, ſeit 1853 aus dunkler Tuchjade, wozu die Stadt 300 fl. zufteuerte, jeit 1860 fam Helm, Gürtel, Beil, Seil, Karabiner: baten und Huppe dazu.

Es wurden Korpsärzte angenommen, und 1856—1859 hatte das Korps unter den Dirigenten Müllich und Bürk eine Muſikkapelle von 12 Mann.

1866 unter Döllingg Kommando zählte die erfte Kompagnie der freiwilligen Feuerwehr 107 Mann mit dem Hauptmann Boit

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und Stellvertreter Kautt, die zweite 98 Mann unter Markftahler und Forſter, die dritte 95 Mann unter Wolff und Geißendörfer.

In demjelben Sabre, während des Krieges, verrichtete die Feuer⸗ wehr, mit Flinten bewaffnet, Wachdienfte.

1867, den 1. März, feierte das Korps auf BVeranftaltung der Stadt jein 20jähriges Stiftungsfeft, bei welchem Anlaß die Feuer— wehrmänner für 20jährige Dienftzeit eine filberne Medaille, Kom- mandant Dölling den Zähringer Löwenorden erhielt, und von Prälat Doll die Feſtrede gehalten wurde. -

Die Dentmünze, etwa von der Größe eines Fünfmarkftüdes, trägt auf der einen Seite da3 Stadtwappen und die Umfchrift: „Die Stadtgemeinde Karlsruhe für 2Ojährige Dienftleiftung als freimilliger Feuerwehrmann“, auf der andern einen Feuerwehrhelm, von einem Eichenkranz umjchlungen und die Infchrift: „Alle für Einen und Einer für Alle” und darunter den Namen des Dekorirten.

Auch das beigegebene Diplom enthält eine befondere Widmung.

1870—71 Teiftete da8 Korps wirkſame und eifrige Hilfe bei der Pflege der Verwundeten. Der feit 1850 mit dem Kommando betraute 2. Dölling wurde den 17. Auguſt 1871 auf feinen Wunſch des Poſtens in Ehren enthoben und zum Ehrenfommandanten er- nannt, aber jchon 1874 begleiteten ihn Kameraden und zahlreiche Freunde zur legten Ruheſtätte.

An Döllings Stelle trat proviſoriſch der Adjutant Däfchner, dann als Kommandant Hofpojamentier 2. Voit, und nach ihm Kauf- mann Fr. W. Döring.

1871 murde auf dem Turm der Stadtkirche ein Korpspoften aufgeftellt, welcher mit Fahne, Licht, Sprachrohr und Telegraph Nachricht von Ausbruch und Richtung einer Feuersbrunſt zu geben hat.

1873 wurde infolge des Anwachſens des Bahnhofſtadtteils die Aufftellung einer vierten Kompagnie erforderlih, und ein meiteres Feuerhaus dort nötig. |

Die Feuerhäufer der Feuerwehr befinden ſich bei dem herrjchaftl. Marftall Kp. I., in der Hebelftraße Kp. II., in der Infanteriefajerne Kp. III. und in der Schügenftraße Kp. IV., das Feuerhaus der Garniſon aber ift in der Artillerielaferne Gottsau. Feuermeldeftellen für Brandfälle find an verjchiedenen Stellen der Stadt errichtet, und an Theaterabende jtellt da3 Korps 15 Mann Theaterwache.

Die Feuerwehr hält alle drei Jahre in dem Rathaus ihre

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Generalverſammlung, bei welcher die Kapitulationen der Mannſchaft erneuert, und die bis 1860 von der Mannſchaft gewählten höhern Führer, nebſt dem Kommandanten, durch den Verwaltungsrat vorge» ichlagen, durch den Stadtrat ernannt und durch das Amt beftätigt werden.

1877 den 13. Mai, anftatt des 13. März, feierte das Korps jein 30jähriges Stiftungsfeft. Vergl. Karlsruher Nachrichten 1877 Nr. 57.

Gegenwärtig befteht dasjelbe aus vier Kompagnien, deren Kom— mandant und Führer find: Döring, Stadtrat, Kommandant, Kautt, Stellvertreter, Maiſch, Fr., und Schwindt, K., Wdjutanten, 1. Kom— pagnie Kautt, Stadtrat, Hauptmann, Schlachter, Blechnermeifter, Erſatzmann, 2. Kompagnie Markftahler, 8. Fr., und Krautinger, 3. Kompagnie Hollenweger, K., und Schmidt, Gg., 4. Kompagnie Hölzer, ©., und Rauch, K.

Die Zahl der Mannichaft beträgt 320 Mann.

An diefe 4 Kompagnien der ſtädtiſchen freiwilligen Feuerwehr ichließen fich vier weitere Kompagnien an, welche ihren eigenen Ver— waltungsrat, ihre eigenen Kompagnie- und Sterbfafjen, aber mit der ftädtifchen Feuerwehr gemeinfame Korpsübungen und Korpsverfamm- lungen haben und bei Löfcharbeiten unter gemeinamem Kommando mit der freiwilligen Feuerwehr ftehen.

Dieje vier mweitern Kompagnien find ala 5. die Kompagnie Feuerwehr der Mafchinenfabrit, gegründet 1847, ala 6. die Kom- pagnie Feuerwehr der Fabrik Chriftofle, ala 7. die Bahnhoffeuer- wehr und als 8. feit der Vereinigung von Mühlburg mit Karlsruhe die 1848 gegründete Feuerwehr des Stadtteild Mühlburg.

Eine jehr wertvolle Vermehrung der Gerätichaften war die am 1. Juli 1884 der Feuerwehr übergebene Dampffeueriprige, welche jammt Beimagen auf 8500 Mark zu ftehen kam.

8. Die Rirche.

Die Lutheraner. Die wichtigjte Angelegenheit der Qutheraner

war zu Anfang des Jahrhunderts der Bau einer neuen Stadtkirche.

Die alte Kirche, auf dem nördlichen Teile des jetigen Markt—

plaßes, war mit der Zeit jo baufällig geworden, die Orgel jo jchlecht, 34

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da fie oft aus Mangel an Gebläje verjagte, und die Gloden eben- falls in Häglichem Zuftand, fo daß Karl Friedrich den 1797 aus Stalien zurüdgelehrten Baudireftor Weinbrenner mit der Fertigung eine Bauplans für eine neue Kirche beauftragte, wobei zugleich die Gewinnung eines größern und freien Marktplages in? Auge gefaßt wurde.

Der 8. Juli 1807, der Geburtstag des Erbgroßherzogs Karl, wurde zum Tage der Grundfteinlegung bejtimmt.

Um 8 Uhr jammelte ſich vor dem Rathaus das Bürgermilitär, und bildete alsdann Spalier von der alten Stadtkirche durch die Bärengaffe zum Schloßhof, die Mitglieder des Kirchenrates, die Geijt- lichen fanden fih in dem alten Gymnafium, die weltlichen Diener, Stadtamt, Phyſikat, Kirchenzenjoren, Stadtrat in dem alten Rat: haus ein.

Um 10 Uhr wurden unter dem Geläute der Gloden der alten Kirche die Thore derjelben geöffnet, und vom Schloß her näherte fich durch das Spalier des Bürgermilitärs, und von einer Abteilung de3- jelben begleitet, der Großherzog mit jeinem fürftlichen Gefolge und betrat die alte Kirche. Hier hatten fich unterdefien vor und nach dem Einzug des Großherzogs Militär- und Zivilbeamte und Geiftliche aller Konfeffionen, Magiftrat und Bauamt, die Eremten des Gymnaſiums und einzelne Schüler der oberjten Schulflaffen, jo viel ihrer zum Gejang nötig waren, ältere Bürger und anderes Publikum verfammelt. Auf dem Altar ftanden die gottesdienftlichen Gefäße, ſowie die filber- nen Tafeln mit den Infchriften und die unter Karl Friedrichs Re— gierung geprägten Münzen für den Grundjtein.

Nach einem Geſang der Lyceiften und Abjchiedsrede und Schluß- gebet des Kirchenrates Spezial Volz fette fich der Zug von da nad) dem neuen Bauplag in Bewegung, wo ſich unterdefjen die untern Klafjen des Gymnaſiums, die Volksſchulen, und auf Tribünen und in den Gängen de3 jüdlichen Tyceumsflügeld vornehme Fremde und Damen des Hofes aufgeftellt hatten.

Unter dem Geläute der Gloden der reformirten Kirche und zwiſchen den Spalieren de3 Bürgermilitärs bewegte fich nun der Zug aus der alten Kirche nach der Bauftätte in folgender Ordnung: Bür- germilitär, Stadtrat, Oberamt, Bauamt, zwei weißgefleidete Mädchen mit den Kapſeln, in welchen Injchriften und Münzen eingejchlofjen

bil

waren, der Großherzog Karl Friedrich, Markgraf Ludwig und die drei Grafen von Hochberg mit Gefolge, ältere Bürger, die Geiftlichen mit den Kirchengefäßen, das Konfiftorium und andere Räte, das Gymnaſium mit Direktor, Lehrern, Eremten und Schülern der obern Klafjen, Bürgermilitär.

Die Kirchengefäße und Kapjeln wurden fofort auf einem Altar vor dem Großherzog niedergelegt.

Sobald der Zug angelommen, ertönte der durch die Muſik von einer erhöhten Eſtrade gejpielte Choral „Jehovah“ und Kirchenrat Stadtpfarrer Godel hielt die Weiherede. Nach deren Schluß reichte MWeinbrenner dem Großherzog die filberne Kelle, der Großherzog, die Prinzen und die wirklichen Geheimräte brachten Mörtel in die Fuge des Grundfteins, die zur Inlage beftimmten Gegenftände, Injchriften, Münzen und Wein wurden eingelegt, der Dedel aufgejett, und der Großherzog jammt Gefolge ‚that mit dem ihm dargereichten filbernen Hammer die drei Schläge darauf, wonach die Verkittung der Dedel- platte erfolgte. Während defjen wurden 50 Kanonenjchüffe gelöst.

Hierauf jprach der Geiftliche Gebet und Segen, Stadtpfarrer Godel, Bürgermeifter Bauer und eine bejondere Abordnung der Ein- mohner jprachen dem Großherzog ihren Dank aus, und derjelbe ver- ließ wieder zwifchen den Reihen der Bürger den Plat. Sodann begab fich der Zug mit den Kirchengefäßen nach der reformirten Kirche, wo während de3 Neubaues der Gottesdienjt gehalten werden jollte, und der reformirte Pfarrer Kühlenthal begrüßte die Angelommenen mit einer brüderlichen Anfprache.

Die in eine filberne Platte eingegrabene Injchrift des Grund» ſteins lautet: „Der öffentlichen Verehrung Gottes und Jeſus Chriftus widmet mit fürftlicher Milde, gründet mit eigener Hand

diejen Tempel Karl Friedrich Großherzog von Baden; de3 edlen Zähringer Stammes Entfprofjener und Wiederbeleber, der Weife und Gute, Seiner Staaten glücklicher Mehrer, Gottes, de3 Vaterlandes, der Zeitgenofjen Liebling, Jedes Zeitalters Wunſch und Sehnfucht, Im 79. Jahre ſeines Lebens, im 61. ſeiner Regierung. 34 *

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Entworfen und aufgeführt von Friedrich Weinbrenner Erſtem Baubeamten; Seiner künftigen Beitimmung geweiht von Bernhard Godel und Theodor Volz Oberpfarrern In Gottes ſchützende Hand gelegt von oh. Gerhard Herzberg, der Kirchenregierung Vorſteher Und deren Räthen, Gottlieb Aug. Tittel, der höhern Landesſchule Aufjeher, Mit ihren Lehrern und Böglingen, Sriedr. Wild. Preufchen, oberjten Beamten der Stadt, Und deſſen Amtögehülfen, Gabriel Bauer, Bürgermeifter, Und dem Rath der Stadt. Werde Dieſes Haus von Gott bewahrt, der Sittlichkeit und Tugend nach Jeſus Ehriftus Lehre und Vorbild gejegnete Pflanzftätte für uns und eine jpäte glüdliche Nachwelt. Den 8. Juni 1807 Am 22. Geburtstag Karl Ludwig Friedrichs, Des geliebten Erbgroßherzog3.

Eine zweite Tafel enthielt dasſelbe in lateiniſcher Sprache.

Bald nachher wurde mit dem Abbruch der alten Kirche und dem Bau der neuen begonnen. Doch ging es aus Mangel an dem erforderlichen Gelde damit nicht raſch, während die Katholiken an ihrem Kirchenbau rüftig arbeiteten. Deshalb baten den 1. März 1809 Oberkirchenrat und Stadtgeiftlichkeit dringend um Beſchleunigung des Baues. Der Staat hatte anfangs 8000 fl. aus der Staatskaſſe dazu verwilligt, 1810 mußte das Finanzminifterium mweitere 20 000 fl. unter Berpfändung der Gefälle der geiftlichen Verwaltung dazu aufnehmen, und doch fam bis 1810 der Bau kaum unter Dad).

Glocken und Orgel der alten Kirche waren unbrauchbar für die neue. 1809 wurde daher beftimmt, daß die Silbermannfche Orgel aus der Stiftskirche in Villingen hieher in die Stadtkirche verjegt werden jollte, und Orgelmacher Bürk von Durlach ging dorthin zur Ver— padung und Verjendung. Ebenſo kam 1809 eine 120 Zentner jchwere Slode von St. Blafien bieher, vier weitere aus der Villinger Stifts-

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firhe von 40, 19, 11 und 5 Leitner Gewicht konnten aber erft 1814, als der Turm ber Kirche fertig war, hierher verbracht und aufgehängt werben.

Die ſchweren Kriegsjahre von 1808, 1809, 1812, 1813, 1814 und 15, welche große Opfer an Geld von der Staatskaſſe und jedem Einzelnen forderten, hatten einen Stillftand der baulichen Thätigkeit der Stadt, bei Brivat- und öffentlichen Bauten, zur notwendigen Folge. Erſt nach dem 1815 eingetretenen Frieden entjtanden in der Stadt gegen Weiten und Süden neue Straßen, und auch die Stadtkirche fam erft in dem Jahre 1815—1816 zur Vollendung. 1808 erhielt diejelbe, jowie auch die reformirte, je einen Kelch aus der Bruchjaler Kirche durch den Geheimrat Dehl, einen Katholiten, 1809 ftifteten die Markgrafen Friedrich und Ludwig ebenfalls einen ſolchen für die Kirche, und 1813 erhielt fie weitere Gefäße.

Endlich konnte am 2. Juni, dem Pfingitfeft 1816, die Einmei- hung vorgenommen werden. Am Vorabend um 9 Uhr wurde durch das Geläute der neuen Gloden das Feſt angefündigt, und am 2. mor- gen 8 Uhr ertönte die große Glode vom Turm, morauf man ſich in der reformirten Kirche verfammelte. Von bier aus, nachdem Ardhi- diakonus Martini an die reformirte Gemeinde eine Dankrede gehalten, begab fich zwijchen einem Militärjpalier der Zug unter Glodengeläute über den Marktplag nach der Stadtkirche. An dem Portal wurde derjelbe durch den Oberhofprediger Walz und die beiden Geiftlichen Bommer und Volz empfangen und zu dem Altar geleitet, wo die Geiftlichen, welche in dem Zuge die heiligen Gefäße getragen hatten, diejelben aufitellten.

Es folgten nun nacheinander der Choral Jehova, Gejang, Ge- bet, die Predigt des erften Stadtpfarrerd, Kirchenrat Knittel über 1. Mojes, 28, 17, ein Chorgefang, die Weiherede am Altar, das von Kirchenchor und Gemeinde gejungene Tedeum (Herr Gott, Dich loben wir), mährend draußen 100 Kanonenſchüſſe die Feier mitver- fündeten, jodann nahmen ſämmtliche Geiftliche Inieend das Abendmahl, e3 wurden mehrere Taufen und eine Fubelhochzeit vorgenommen, und mit Schlußgejang und Segen hatte die erhebende, obwohl etwas lang dauernde Feier ihr Ende erreicht.

Hof- und höhere Staatsdiener, mit Frauen und erwachjenen Töchtern, waren durch befondere Karten dazu eingeladen und nahmen zwiſchen dem erjten und zweiten Glodenläuten ihre Plätze ein, für

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den Hof waren um den Altar Stühle vorbehalten, und es nahmen dort Platz der Großherzog Karl, ſeine Mutter, die Markgräfin Amalie, der Erbgroßherzog von Darmſtadt mit Gemahlin, Markgraf und Markgräfin Friedrich, Markgraf Ludwig, die Gräfin von Hoch» berg, Graf Leopold und Wilhelm von Hochberg.

Die dritte Gallerie war von Bürgern und von der Chormufif, der untere Raum der Kirche von Damen bejjerer Stände und DBür- geröfrauen, alle übrigen Räume von jonjtigen Teilnehmern des Zu- ges, von Hof» und Militärperfonen und Bejigern von Eintrittskarten bejegt. Im Ganzen waren 1750 Karten verwendet worden.

Den Zug aus der reformirten Kirche in die neue bildeten:

1.

2,

Zwei Schullehrer mit 12 meißgefleideten Mädchen und 12 gleihmäßig gefleideten Knaben;

Pfarrer Roth von Mühlburg mit Pfarrer Wilhelm von Knielingen, Profefjor Doll mit Profefjor Peterjen, Archidia- konus Martini mit Profeffor Holymann, Profeſſor Kirchen» rat Gerſtner mit Profeſſor Kirchenrat Zandt, Kirchenrat Hebel mit Kirchenrat Sander und Slirchenrat Knittel;

. der Minifter des Auswärtigen mit Staat3- und Kabinetsrat

Wielandt und Geheimreferendär Groos, der Yuftizminifter mit Staatsrat Baumgärtner und Wielandt, der Finanzmini— fter mit Geheimreferendär Volz und Finanzrat Delenheinz, der Minifter des Innern mit Geheimreferendär Brauer und Regierungsrat Hofmann, der Kriegsminiſter mit Generals major von Stodhorn und Geheimfriegsrat Reich;

. die Baukommiſſion, Geheimfinanzrat Bernhard, Oberbau—⸗

direftor Weinbrenner, die Baumeifter Frommel, Fiſcher und Arnold, Maurer Kolb;

. die Stadtgeiftlichteit, Geheimtirchenrat Ewald, Geiftlicher Rat

Birks (Katholik);

. Stadtamtmann Baumgärtner und Aſſeſſor Stößer; . Stadtphufitus Hofrat Schweidhardt, Bürgermeifter Doll-

mätjch, Ingenieuroberft Tulla, Stadtbaumeifter Braun, die Stadträte Wagner, Groos, Werrmann, Frey, Griesbach, Finanzdirektor Vierordt, Stadtrechner Hauer.

Das bei diefem Anlaß getraute Fubelpaar war das des vor 1786 ichon bei Markgraf Chriftof angeftellten Kutſchers Hambel, welcher, jomie feine Frau, 87 Jahre zählte.

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Die Namen Karlskirche und Konkordienkirche, welche man an⸗ fangs der neuen Kirche beigelegt, famen wieder ab, und der Namen Stadtkirche wurde bald allgemein üblich.

Bon dem Marktplag aus führen einige Stufen unter das von ſechs mächtigen korinthiſchen Säulen getragene Fronton. Won bier aus betreten wir eine durch ein hohes eijernes Gitter nach außen abgeichlofiene Vorhalle, und von diefer führen gewundene Steintrep- pen recht3 und links nach den zwei übereinander ftehenden Geiten- gallerien, jowie in der Mitte eine hohe Pforte in den 39 Meter langen und 18,9 Meter breiten Hauptraum, die Slirche jelbit, an deren öftlichem Ende der Altar mit einem von Jagemann gemalten Altarblatt, die Himmelfahrt Chriſti darjtellend, und über demjelben die Kanzel ftand. Zur Rechten und Linken de3 Altars ſehen wir zwei von Ohnmacht verfertigte Statuen „Slaube und Liebe” und die Felder der von 12 Säulen getragenen Seitengallerien find mit treff- lichen bildlihen Darftellungen aus dem Leben Chrifti und der Apo— ftel von Fedor, Zoll und Kopmann gejchmüdt. Ueber dem Portal fteht die Orgel. Un das öftliche Ende der Kirche angebaut, erhebt fih der 75 Meter hohe Turm mit dem einen Palmzweig tragenden Friedensengel, und unter der Kirche befindet fich die fürftliche Gruft, in welcher jeit 1830 Großherzog Ludwig, Prinzeſſin Henriette, eine Tochter des Markgrafen Wilhelm, Großherzog Leopold, Erbgroßher— zog Ludwig, Großherzogin Sophie, Markgraf Wilhelm und Mar ihre legte Auheftätte gefunden haben. Ueber dem Eifengitter der Borhalle fteht ein großes vergoldetes eijernes Kreuz, gegen defien Aufftellung die damalige evangelijche Geiftlichkeit, als ein nach ihrer Anſchauung katholiſirendes Sinnbild, wiewohl ohne Erfolg, Ein- iprache zu erheben juchte.

Das Ganze ift in dem klaſſiſchen Stil eines altrömifchen Tem— pelbaues gehalten.

1854—61 wurde die Heizung der Kirche eingerichtet.

1814 tauchten die Projekte zu zwei andern Sirchenbauten auf, welche aber nicht zur Ausführung gelangten, nemlich der Bau einer Garniſonskirche auf dem Plate der jegigen Verjorgungsanftalt, und einer Kirche und Schule für Klein-Karlsruhe auf der Stelle der Häufer Nr. 3-und 5 der Faſanenſtraße.

Die Trennung der evangeliichen Landeskirche in Lutheraner und

Neformirte aufzuheben, war längft ein Wunſch und eine Hoffnung der badiſchen Regenten und aller Gutgefinnten im Volle. Das Jahr 1821 follte diefe Hoffnung verwirklichen. Den 21. Juli wurde die zu diefem Zweck einberufene Generalfynode mit einem feierlichen Zug der Abgeordneten aus dem Lokal der Oberkirchenbehörde (Kirchen- jeftion) in dem Minifterialgebäude nach der Stadtkirche und bier duch Prälat Hebel mit einem Gebet eröffnet. Mitglieder derjelben waren elf lutheriſche geiftliche Abgeordnete, darunter von Karlsruhe die Kirchenräte Hebel und Sander, 10 reformirte Geiftliche, unter ihnen von bier Kirchenrat J. 2. Ewald, 12 weltliche lutheriſche Mitglieder, worunter von Karlsruhe Minifterialrat Hoffmann und Major und Flügeladjutant von Kalenberg, 10 weltliche Abgeordnete der reformirten Gemeinde, darunter Geheimreferendär und Vizediref- tor der Kirchenjeftion Fuchs und Minifterialrat Wundt. Gejchloffen wurde die Synode den 27. Juli 1821 durch den Staatsminifter von Berkheim.

Noch in demjelben Jahre 1821 erjchien unter dem 23. Juli eine Großberzogliche Vollzugsverordnung zu künftigen Landesſynoden, jodann unter dem 15. Auguft die Urkunden über die Vereinigung der beiden evangelijchen Kirchen im Großherzogtum Baden, ala der vereinigten evangelifch-proteftantifchen Kirche, mit nähern Beitimmungen über Lehre, Kirchenordnung, Liturgie, Kirchengemeinde- ordnung u. A., unter dem 20. September eine Vollzugsverordnung der evangelischen Kirchenjeltion über die Einführung, und das in dem Lande am 28. Oktober abzuhaltende Feſt der Vereinigung. Am Vor- abend, Samstag, den 27. Dftober, wurde diefes Feſt eingeläutet und die Vorbereitung zum Abendmahl von Martini abgehalten, am Tage jelbft ging der Gottesdienft in der Stadtkirche in folgender Weife vor fih: Gejang „O Vater jend uns deinen Geift“, Gebet des Hof- diafonus Deimling, Chöre mit Begleitung von Inftrumentalmufit und Gemeindegejang, Predigt des Stadtpfarrers Kirchenrat Kap, 6. Vers des Liedes: „DO heilger Geift“, Abendmahl der Großher⸗ zoglichen Familie, der Geiftlichleit und Gemeinde, wobei zum erften- mal die Kommunikanten Brot und Kelch mit eigener Hand nahmen; nachmittags Agende und Predigt in der reformirten Kirche, von dem früher reformirten Stadtpfarrer Bender gehalten, und Schlußgebet von Stadtpfarrer Sachs geiprochen. Das gleiche Feſt wurde im ganzen Lande gefeiert.

1827 kaufte der Kirchenrechner Ritter das noch vorhandene Silbergeräte der reformirten Kirche, 239%, Loth für 309 fl.

Schon gegen den Anfang des Jahrhunderts hatte fich auch in Baden, und namentlich in dem nahen Pfinzthal, die Sekte der fog. Separatiften gebildet, jo daß ſchon 1805 eine Verordnung gegen dieſes Sektenweſen erjchien, und als dieſe Leute nach und nach jo fanatifirt wurden, daß fie im Jahre 1825 fich auf freiem Felde verfammelten und auf Anhöhen und Bäumen den Weltuntergang erwarteten, mußte jogar Militär aufgeboten werden, um biejelben von fernern Tollheiten abzuhalten, und folhe Maffenverfammlungen zu verhindern.

Die ftrenggläubige Richtung fand auch in Karlarube durch ben Präzeptor Auf und den Fiskalatsdirektor ein feit dem Anfang der 20er Jahre nicht unbedeutende Verbreitung.

Für die Ausbildung junger Geiftlicher nach ihrer Aufnahme in den Kirchendienft wurde früher die Einrichtung getroffen, daß diejelben vielfach al3 Hof- und Stadtvifare und Lehrer am Gymnafium bieher berufen wurden, und jo ihre weitere mwifjenjchaftliche und praktiſche Vorbildung unter der Leitung der biefigen Geiftlichkeit erhielten. Die- jelben bildeten jo eine Art Pfarrjeminar.

1855, den 1. Januar, wurde durch Großherzog Friedrich die Hofkirchenmuſik, vorerft nur Vokalmuſik, neu begründet, welche unter Fr. Giehnes Leitung aus 24 Knaben und 10 Männern beftand.

Die oberfte Kirchenbehörde bildete früher ein Anhängjel des Hofratskollegiums, des fpätern Minifteriums des Innern, ftand unter der Leitung eines Mitgliedes oder des Direktors dieſes Kollegiums, und war vollftändig von demjelben abhängig. Die Mitglieder diejes Kirchenratd waren gewöhnlich einzelne Geiftliche der Nefidenz, ein- zelne Zanddelane, welche jeweils zu einer Situng einberufen wurden, auch geiftliche Lehrer de3 Gymnaſiums.

Die Lutheraner und Reformirten waren in ihrer Kirchenbehörde getrennt, und der reformirte Geiftliche von Karlsruhe bildete jo das einzige geiftliche Mitglied des hiefigen reformirten Kirchenregiments. Dur das Konftitutionsedift von 1807 wurde der lutherifche und re- formirte Kirchenrat unter dem Namen Oberkirchenrat vereinigt und bildete von 1809 an unter dem Namen „Evangelijches Kirchendepar- tement“ wieder eine Unterabteilung des Minifteriums des Innern, in deſſen Räumen dasjelbe auch feine Gejchäftszimmer hatte.

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1813 erhielt das Kollegium den Namen „Evangeliſche Kirchen- jettion“, wie es auch eine katholiſche Kirchenſektion mit einem welt- lichen Direltor gab, und 1843 wurde der evangeliichen Sektion wieder der Namen „Oberfirchenrat“ gegeben, doch blieb feine Stellung zu dem Minifterium im wmejentlichen diefelbe. 1856 wurde infofern eine Aenderung diejer Stellung verjucht, daß die Direftion des Oberkir⸗ chenrates einem Geiftlichen übertragen wurde, während der Vizedirel- tor weltlichen Standes war, und beide in firchlichen Angelegenheiten Sig und Stimme im Minifterium erhielten. Doch zeigte fich bald, daß dadurch das SKirchenkollegium Gefahr lief, in eine einfeitige theologijche Barteirichtung zu geraten, und jo wurde 1860 der Ober- firchenrat ala eine jelbjtändige Behörde unmittelbar unter den Lan- desherrn als Landesbiſchof geftellt, erhielt wieder weltliche Direktoren und vorfigende Räte, während nur firchliche Angelegenheiten rein ftaatlicher Natur der Zuftändigkeit des Minifteriums des Innern vor— behalten blieben.

Die geiftlihen Mitglieder des Oberkirchenrates erhielten nach und nach eine eigene Stellung, wurden vom Großherzog ernannt, blieben aber Kirchendiener. Als weltliche Diener ſitzen Juriften und Sinanzbeamte in dem Kollegium. Durch die der katholiſchen Kirche in der Perſon ihres Biſchofs gegebene Stellung in dem Staat, wurde auch für die evangelische Kirche die Schaffung einer ähnlichen Ber- fonalftellung nötig, daher wurde bei der Vereinigung der lutheriſchen und reformirten Kirche im Jahre 1821 die Würde eines Prälaten geichaffen, welcher al3 erjter Zandesgeiftlicher die Kirche in der erften Ständelammer zu vertreten bat, und Mitglied des Oberfirchenrats ift, jedoch ohne bevorzugte Stellung in demielben.

Prälaten wurden 1821 Hebel, 1826 Joh. Bähr, 1829 2. Hüf- fel, 1856 8. Ullmann, zugleich Oberfirchenratsdireltor, 1861 Jul. Holgmann, 1877 8. W. Doll. Weltliche Direktoren des Oberfirchen- rate3 waren 1803 Brauer, 1805 Herzberg, 1810 Eichrodt, 1821 Winter, 1830 von Rüdt, 1832 von Berg, 1843 Baumüller, 1846 Böhme, 1849 von Wöllwarth, 1855 Stephani, 1860 Nüflin, 1881 von Stößer.

1819 erjchien für die Karlsruher evangeliiche Gemeinde ein Er» laß des Großherzogs Ludwig, worin e3 heißt, nach der Verord- nung von 1792 bejtänden hier vier Pfarrordinarien, 1. der erjte Stadtpfarrer, 2. der Hofprediger, 3. der Archidiafonus oder zweite

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Stabtpfarrer, und 4. der Hof- und Stadtdiakonus in einer Perſon, und außerdem der Hof- und Stadtvikarius.

Der Garnifonspredigerdienft bleibe, wie jeit 1799 beftimmt worden, mit dem Hof- und Stadtdiafonat verbunden, zur Zeit aber jei Hofprediger Martint Regimentspfarrer. Klein-Karlsruhe, welches vorher der Hofdiafonus zu paftoriren gehabt, bleibe, wie jeit 1815, firchlich mit der Stadt verbunden.

Eine Einteilung in befondere Pfarrbezirke finde, mit Ausnahme der Militärgemeinde, nicht ftatt, und die Wahl des Seeljorgers jei daher dem Einzelnen überlaffen.

Konfirmandenunterricht und Kafualien habe der jeweilige VBeicht- vater, und nur die Konfirmation finde gemeinschaftlich ftatt.

Die Standesbücher hätten die drei erjten Ordinarien zu führen, und zwar der Jüngſte das Taufbuch, der Zweitjüngjte das Toten- buch und der Aeltefte das Ehebuch, die Kirchenbücher für den Hof beforge der erjte Hofgeiftliche. Dem Stadtdefanat waren die Pfarreien Gernsbah und Raſtatt zugeteilt.

Der Bahnhofftadtteil hatte bis nach 1860 fein gottesdienjtliches Lokal. Anfangs wurde dazu die Turnhalle des ftädtiichen Schulhau- jes in der Schüßenjtraße, hierauf ein Saal in dem Lehrerfeminar der Rüppurrerftraße benußt, und den 28. April d. 3., 1887, wurde in Ge- genwart des Großherzoglichen Hofes und der Staatd- und ftädtifchen Behörden der Grundftein zur neuen Kirche gelegt, wobei der Groß herzog zu den üblichen drei Hammerjchlägen jich des nämlichen Ham mers bediente, welchen Karl Friedrich 1807 bei der Grundfteinlegung der evang. Stadtkirche benußt hatte.

Da da3 alte luth. Stadtpfarchaus, das jogen. Spezialatshaus auf dem Marktplatz neben der Kirche, zum Abbruch beftimmt war, hatte man lange vorher als Wohnung für den Stadtpfarrer ein Haus in der Kaiferftraße, jetzt Nr. 129, erworben, und dem Kirchenrat Stein, geft. 1771, zur Wohnung angemwiejen. 3. 2. Walz, welcher 1767 ala Hof» diafon und zweiter Stadtpfarrer hierher berufen worden war, bezog das= jelbe, im Einverftändnis mit dem erjten Stabtpfarrer Preufchen, wäh- rend diejer in dem alten Hofpredigerhaufe, neben Schreiner Errleben und Hofrat Hugo, jegt Nr. 5 der Herrenjtraße, wohnen blieb, welches vor ihm Kirchenrat Mauritii bewohnt hatte. Als Preufchen 1803 darin ſtarb, behielten jeine Töchter in dem alten, kaum noch bewohnbaren

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Haufe, melches nebenbei nur noch ald Wohnung für die Dialone verwendet wurde, ihren freien Wohnfig. So war nun für den Stadt- pfarrer Feine Wohnung mehr vorhanden, um fo weniger, ala 1809 Karl Friedrich das Haus in der langen Straße feinem Oberhofpre- diger Walz zum Gejchent machte, und diefer es 1814 im Juli für 13000 fl. an den Hirjchivirt Müller verkaufte, wodurch auch ber künftige Hofprediger ohne Dienftwohnung war. 1822 im Januar murde das Diakonatshaus in der Herrenftraße für 5520 fl. an den Unftößer, Schreiner Fr. Ergleben, verkauft. 1808 war Gottlieb Aug. Knittel als Hofdiafonus und zweiter Stadtpfarrer hierher gekommen und fand keine Dienftwohnung vor. Diejer führte nun fort und fort, bis zu feinem Tode 1820, bittere Klage über diefe feine Wohnungs- not, er babe mehrmals in Wirtshäufern, auch bei Juden, in dem alten Diakonatshaufe, in gerade leeren Räumen des Gymnaſiums fich Mietwohnungen fuchen müffen u. ſ. w. Ein von ihm gemachter Vor— ſchlag, auf ein einftödiges Gebäude in der Kreuzftraße, hinter dem ftädtiichen Schulhaufe, einen zweiten Stod aufzufjegen, blieb ohne Er- folg, und er mußte fich zuleßt ein eigened Haus in der Waldſtraße faufen, in dem er ftarb.

Endlich wurde wenigftens für den Hofprediger gejorgt, dadurch, daß 1824 durch die Hofverwaltung von den Erben des Kirchenrates Sander da3 Haus Nr. 6 der Erbprinzenftraße für den Hofprediger Martini angelauft wurde. Der Stadtpfarrer aber mußte noch län— gere Zeit ohne Dienftwohnung bleiben, denn erſt 1853 wurde von der Wittwe des Geheimfinanzrat3 Reinhard für 18000 fl. ala Stadt- pfarrhaus das Haus Nr. 5 der Erbprinzenftraße erfauft, in welchem Stadtpfarrer Sachs ſchon lange vorher in Miete gewohnt hatte, und deſſen erfter dienſtlich berechtigter Bewohner nach ihm Stadtpfarrer Th. Roth wurde.

Mit dem Wachstum der Stadt wurde die Vermehrung der Pfarrftellen und damit auch der Pfarrhäufer notwendig. 1868 wurde dad Haus Nr. 48 der Hirſchſtraße gelauft, 1878 das Pfarr- haus für den Bahnhofjtadtteil, Werderftraße Nr. 4 erbaut, 1882 das Haus Waldhornitraße Nr. 11 den Geſchwiſtern Bayer und Krä- mer für 32000 M. abgekauft.

Die Baurflicht der Pfarrhäufer wurde nach Tängern Berhand- lungen zwiſchen Staat und Kirche geregelt und ging durch Ablöfung an die Kirche über.

= ME

Als Geiftliche ftehen bier in unjerer Periode in Dienft, und zwar ald Hofprediger, auch mit dem Titel Dberhofprediger, 1800 Joh. Leonh. Walz, geit. 1817. Walz hatte 3792 fl. Beſol⸗ dung, mworunter 1803 fl. vom Hof, und führte die Oberaufficht über das gejammte ftädtilche Kirchenweſen. Hofprediger waren feit 1814 fein Torhtermann, Hch. Bommer, ein dem Trunk ergebener Mann, welcher mit Hinterlaffung von Schulden und einer Bibliothel im Wert von 20 fl. ſchon 1816 ftarb. Sein Nachfolger als Hofprebi- ger wurde, nach des Oberhofpredigerd Tode, 1817 Jak. Hch. Mar- tint, 1836 2. Fr. Deimling, geftorben 1856, nad) ihm W. Beilchlag, 1861 ala Profeſſor nach Halle berufen, 1864 8. W. Doll, 1877 Alb. Helbing.

Stadtpfarrer und Diakone waren 1805 Th. Fr. Bolz, Stadtdefan und erfter Stadtpfarrer mit dem Titel ala Kirchenrat, geſt. 1816, 1808 Gottl. Aug. Kittel aus Nedartenzlingen in Wür- temberg, al3 Hofdiafonus und zweiter Stadtpfarrer hierher berufen, 1810 Landdefan, 1814 erſter Stadtpfarrer, 1815 mit dem Titel Kirchenrat, 1816, nach dem Tode des Dekans Volz, Stadtdelan, gejtorben 1820. W. Ludw. Volz, 1805 Archidiakonus und Feldprobſt, geft. 1814, 1817—21 Chr. Aug. Reich, Stadtpfarrer und Land» defan, 1821 W. Katz, Stadtdekan nach Knittels Tode und erfter Stadtpfarrer, Titularkirchenrat, 1841 penftonirt, 1821 2. Chr, Sachs, Stadtpfarrer und Landdelan an Reichs Stelle, 1838 Titularkicchen- rat, 1843—50 Blitt, nach Katz Verweſer der erften Stadtpfarret, 1844 W. Enefelius, Hofdiafon, Militärpfarrer und Landdelan. Mit der Vermehrung und Ausdehnung der Stadt ftieg von da an die Bahl der Stadtpfarreien, einjchließlich der Hofpfarrei, welche die Stelle als zweite Stadtpfarrei einnimmt, auf fünf. So fam 1850 W. of. Zimmermann als dritter Stadtpfarrer hierher, 1852 TB. Roth als erfter Stadtpfarrer, 1854 Dekan, 1862 Titularkirchenrat, 1856 Em. Frommel als Stadtoilar und Diakonus, 1859—64 Ver: weſer der 4. Stabtpfarrei mit dem Titel ala Pfarrer, von hier nad) Berlin berufen, 1864 J. Gg. Längin ala vierter Stadtpfarrer, From» mel3 Nachfolger, 1883 Em. Zittel zur fünften Stabtpfarrei im Bahnhofftadttheil, 1873 erfter Stadtpfarrer, Dekan, 1876 W. Brüd- ner an Bitteld Stelle Pfarrer des Bahnhofftadtteils, 1883 Fr. W. Schmidt Stadtpfarrer. Militärpfarrer, Garnifonsprediger waren die Hofdiatone, oder auch bejonders dazu ernannte Geiftliche, wie 1847

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der Hofdiafonus Enefelius, 1863 Em. Zittel, 1864 I. ©. Längin, 1865 Albert Zindenmeier. Seit dem militärischen Anſchluß an Preu- Ben waren dieje, jegt Militärpfarrer genannte Geiftliche, 1872 Fr. W. Schmidt, und jeit 1883 Th. Fingado.

Die Reformirten. Die Reformirten hatten zu Anfang des Jahrhunderts zwar eine neue Kirche, aber das alte Pfarrhaus in der langen Straße, an das Gymnafium anftoßend, war noch vor- handen. Als nun das Gymnaſium abgeriffen wurde, konnte auch das Pfarrhaus nicht dort bleiben. Schon im Mai 1808 war Pfarrer Kühlenthal zu dem Geheimrat Maler in der neuen Adlerftraße für 300 fl. in die Miete gezogen. In demjelben Jahre hatte der Staat das alte Pfarrhaus mit dem Hof und Garten, mit Ausnahme eines an die Querallee ftoßenden Gartenjtüds, für 3325 fl. erworben, und verfaufte nun den Hausplak und den Hof dahinter an den Mebger Kiefer. Den 9. November 1810 wurde auf dem nicht an den Staat verfauften Gartenftüf, an der Ede der Kreuz- und Zähringerjtraße, der Grundftein zu dem neuen Pfarrhaus, jet Haus Nr. 10 der Kreuzitraße, gelegt, wie dies eine in dem Kellerhals des Hauſes ein- gemauerte Steinplatte noch jeßt zeigt. Dieſes Haus, nach der Ver- einigung der beiden proteftantijchen Gemeinden, Eigentum der unirten Kirche, wurde den 8. Juli 1825 für 5510 fl. an den Kaufmann Franz Schneider verkauft. Pfarrer Kühlenthal hatte fich bald nad) dem Beginn des neuen Pfarrhausbaues ein eigenes Haus, jebt Nr. 14 der Kreuzſtraße, gebaut, welches noch heute im Beſitz jeiner Nachlommen ift, und ftarb 1818 mit dem Titel und Range eines Kirchenrates. Sein Nachfolger, vorher als Vikar bei ihm, wurde K. Fr. Bender, der lebte biefige reformirte Pfarrer, welcher 1823 die Stadtpfarrei Gernsbach erhielt. Die Kirche wurde 1821 Gar- niſonskirche.

Obwohl das, dem neuen Pfarrhauſe gegenüber, auf dem nörd— lichen Teile des primaveſiſchen Gartens liegende, einſtöckige Schulhaus an der Allee, welches bis zur Kirchgaſſe hin mit Hof und Garten eine Länge von 56’ einnahm, und einer Verlängerung der Kreuzſtraße binderlich war, zum Teil abgeriffen werden mußte, mwiderjtrebten die Reformirten einer Vereinigung ihrer 30 Kinder zählenden Schule mit der lutheriſchen.

Ein Teil des den Neformirten gehörigen primavefiichen Gartens, auf welchem jett das Quadrat zwijchen Zähringer-, Kreuz, Hebel-

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und Kicchftraße fteht, war bereit3 von dem Spediteur Meerwein an- gefauft und überbaut worden, jet Mittelbau des Verwaltungshof- gebäudes. Diejer Meerwein kaufte 1808 für 3000 fl. das anftoßende, noch nicht ganz abgebrochene Schulhaus mit zugehörigem Gelände, und feit dem 3. April 1811 finden wir die reformirte Schule in dem Haufe Hebelftraße Nr. 1, wo fie blieb, bis fie im Jahr 1821 in- folge der Kirchenvereinigung aufgehoben, und der lutheriſchen Stadt- ichule einverleibt wurde.

Speziell Firchliche Vereine find hier der Proteftanten- und der Guftav-Adolfverein, der Bibelverein, der Verein fir innere und äußere Miſſion und andere.

Die Katholiken. Die in der vorigen Periode gejchilderten Buftände der Katholischen Gemeinde, fonnten vor dem Geifte, der mit dent Ende des 18. Jahrhunderts durch die Welt ging, nicht mehr bejtehen. Auch Markgraf Karl Friedrich erkannte diefe, durch die Beit und durch die Verhältniſſe gebotene Notwendigkeit, ald unab- weislich an.

Daher erließ er unter dem 28. Mai 1804 eine Bekanntmachung, worin er erklärte, Markgraf Auguft Georg von Baden-Baden und Andere hätten eine Stiftung gemacht, welche durch die jet veränderte politiiche Zage einen Teil ihrer Beitimmung verloren habe, und über deren bdiefjeitrheinijches Stiftungsvermögen dem Markgrafen Karl Friedrich nunmehr die Verfügung zuftehe. Doch folle die nur ın dem Sinne der Stifter gejchehen.

Infolge Uebereinfommens mit dem Kur-Erzfanzler, dem Erz— biichof von Mainz, jei num die Gründung eines katholiſchen Kirch- jpielgottesdienftes hier, anjtatt des bisherigen Privatgottesdienftes in dem Kapuzinerhaus, bejchlofjen worden. Für den katholischen Gottes- dienst und defjen Bedürfniffe wurden gewidmet und bejtimmt: 1. Das der Stiftung des Markgrafen Auguft Georg angehörige Kapital von 32000 fl., welches zu 5 Prozent bei dem Fürften von Schwarzen- berg angelegt war; 2. die davon zurücdgelegten Zinſen mit 3600 fl. in Form eines auf 5 Prozent lautenden Kapitalbriefes der General- ſtaatskaſſe; 3. eine jährliche Rente von 60 fl. aus der Erhardtſchen Stiftung in Ettlingen, bisher al3 milde Gabe an die Kapuziner hier verabreicht; 4. eine mit 1250 fl. mwiederlögliche Rente von 50 fl. aus der Provinzialfaffe, bisher dem katholiſchen Schuldienft ala Gnadengabe ausbezahlt; 5. 50 fl. Rente aus dem Baden-Badenfchen

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Schulfond, bisher ebenfall3 größtenteils der katholischen Schule zu- gewendet; 6. die biäherigen Zeiftungen von Naturalien an die Ka— puziner und den katholiſchen Schulmeifter, nämlich” 8 Malter Korn, 32 Malter Dinkel, 1 Fuder Wein erfter und 1'/, Fuder zweiter Klaſſe vom Speicher und Keller zu Durlah, 8 Meß Buchen- und 8 Meß Tannenholz aus dem berrichaftlichen Holzbof; 7. die Stol- rechte und Meßnergebühren, nach den Tagen der evangelifchen Kirche bier, beziehungsmeije nach der Bruchjaler katholiſchen Stolgebühr- ordnung; 8. das Schulgeld nach den Stadtichultaren; 9. das Eigen- tumsrecht an Grund und Boden des bisherigen Kapuzinerflöfterleing und diejes jelbjt; 10. die vorhandenen Baramente und Kirchengeräte; 11. die‘ vorhandenen Kirchenfonds des katholiſchen Bethaujes, ala fünftige heilige Kafje der Kirchipieläkicche, welche Fonds bisher unter berrichaftlicher Verfügung ſtanden; 12. die Erhebung etwaiger Kirch- ipielaumlagen, vorbehaltlich Tandesherrlicher Genehmigung; 13. das Recht, eine öffentliche Kirche mit Turm, Uhr und Glodengeläute, Orgel und andern Geräten und Bieraten zu bauen, doch fo, daß die herrichaft- liche Genehmigung für Plat und Bauform nachgefucht werde; 14. das Net, ein Pfarr und Schulhaus, mit den Rechten und Freiheiten anderer derartigen geiftlichen Gebäude, zu befigen; 15. das Recht, das bisherige Bethaus, doch ohne darauf ruhende Freiheiten zu ver- faufen; 16. das Recht, die bisher an die Jurisdiktion eines darauf angemwiejenen proteftantiichen Pfarrers gebundenen Pfarrhandlungen, wie Taufe, Trauung, Begräbnis, gegen die bejtimmten Gebühren, jelbft zu verrichten, jedoch jollen, eine Abfindung vorbehalten, die bisher dem Archidiatonus Volz und dem Mefner Freudenreich zu— ftehenden Gebühren bis zu deren Tode diejen verbleiben; 17. das Recht, eigene Kirchenbücher zu führen, und Auszüge daraus zu fertigen; 18. die Rechte und Freiheiten aller andern biefigen milden Stiftungen auch für ihre Kirchen, Pfarr- und Schulfaflen; 19. das Recht, ihre Toten auf dem ftädtiichen Friedhof nach der Friedhof— polizeiordnung zu beerdigen; 20. das Recht, diefe Beerdigungen durch ihren Pfarrer mit den vorgejchriebenen Geremonien innerhalb des Gottesackers verrichten zu laſſen; 21. das Recht, in allen Religions», Kirchen, Ehe- und Gewiſſensſachen, wo für fie die höhere kirchliche Autorifation oder Dazwiſchenkunft vorgefchrieben ift, fich dieſe durch ihren Oberpfarrer von dem bijchöflichen Ordinariat in Bruchjal geben zu laſſen; 22. die Eremtion ihrer Geiftlichen, auch ihrer Kirchen—

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und Schulpolizei, von der amtlichen und ſtädtiſchen Gerichtsbarkeit, und die unmittelbare Unterordnung derjelben unter die badijche katho— liſche Kirchentommiffion, oder deren korrefpondirende hiefige Mitglieder; 23. die Steuerfreiheit für Pfarrer, Kapläne, Schulfehrer und Schul» gehilfen, mie bei den evangelischen Dienern; 24. das Recht, eigene Kirchenvorfteher oder Cenſoren für Sittenzucht, Ordnung, Vermögens- verwaltung, Armenverjorgung zu wählen; 25. das Recht des Pfarr- fiegel3 mit einem Andreaskreuz in der Mitte, belegt mit dem badi- jchen Herzichild und mit der Infchrift Sigillum Parochiae Catho- licae Carlsruhensis.

Für die hier angeführten einzelnen Punkte wurden jedoch fol- gende Beſchränkungen und nähere Beſtimmungen feſtgeſetzt:

Pfarrer und Kapläne find in Allem, was den äußern Rechtszu— ftand, Staat3- und Vermögensverhältniſſe betrifft, der Landesgerichts— barkeit unterworfen, melche Gerichtsbarkeit in allen außergerichtlichen und Regierungsfachen durch die vorgenannte Kirchenkommiſſion, in peinlichen und Prozeßſachen aber durch das Hofgericht ausgeübt wird, Schullehrer und Meßner erhalten in Religionsfachen ihre Weilungen durch das Pfarramt, fonft haben fie für fich und ihren Dienjt von demjelben feine Befehle zu empfangen, die Mitglieder der Kirchen— gemeinde find zwar in Religions- und Gewiſſensſachen ihrer kirch⸗ lichen Obrigkeit unterftellt, find die Weiſungen dieſer Behörde aber derart, daß fie irgend eine Wirkung auf ftaatliche Verhältniſſe haben, jo ift deren Vollzug von der Genehmigung der Staatsbehörde bedingt. Als folche Fälle werden angeführt die Ehen bei Firchlich verbotenen Berwandtichaftsgraden, die Dispenje von Faftengeboten und Strafen in diefem Betreff, welche nur durch das Pfarramt gegen Einzelne, nicht aber durch die Oberkirchenbehörde gegen die ganze Gemeinde ausge- iprochen werden dürfen, Chejtreitigkeiten, welche zwar mit beider- jeitigem inverftändnis der Ehegatten vor das geiftlihe Forum gebracht werden künnen, deſſen Ausipruch aber nur, wenn beide Ehe— gatten damit zufrieden find, durch die Staatsbehörde vollzogen wird. Sind die Ehegatten nicht beide einverftanden, das geiftliche Gericht anzurufen, jo wird die Sache durch die Regierung (den Hofrat) nach Einholung des Gutachtens der geiftlichen Behörde abgeurteilt. Ehe— veripruchsjachen gehören vor das weltliche Gericht, Kirchliche Polizei- jachen ftehen unter der Kirchenkommiſſion, Kirchliche Liegenfchaften und Stiftungen unter der Kompetenz des Hofgerichtes.

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Bon Öffentlichen kirchlichen Handlungen auf Straßen und Plätzen find nur diejenigen geftattet, welche auch den Evangelischen erlaubt find, wie bei Hochzeiten, Taufen, Leichen; nicht geitattet ift demnach das öffentliche Herumtragen des Allerheiligiten, die Bittgänge, Pro— zeſſionen, Aufftellung von Kreuzen, Bildern u. dergl. auf öffentlichen Plätzen u. ſ. w.

Kirchliche Handlungen in der Kirche, welche die Verrichtung burch den Biſchof fordern, wie Firmungen, Weihungen u. dergl., und zu welchen die Gemeinde einzuladen tft, bedürfen der Genehmigung der Regierung. Die Leitung und Verwaltung des katholiſchen Kirch- ſpiels wird folgendermaßen beitellt :

1. Der Oberpfarrer, Parochus habitualis, ijt immer einer der geiftlichen Räte der Kirchenkommiſſion in Bruchjal, und wird von dem Markgrafen ernannt. Derjelbe hat etwa die Stellung eines evangeliichen Delans.

2. Der wirklihe Pfarrer, Stadtpfarrer, wird, auf den Bor- jchlag der Kirchentommiffion, durch das Geheimratskollegium und den Markgrafen ernannt, durch den Biſchof mit der Seeljorge betraut, und durch den Oberpfarrer eingewieſen.

3. Die zwei Kapläne erhalten Wohnung, Koft, Holz und Licht von dem Pfarrer.

4. Der Kirchſpielsvorſtand beiteht aus ſechs Mitgliedern unter dem Vorſitz de3 Pfarrer, von denen drei aus der Zahl der berrjchaftlichen Diener, und drei aus der Bürgerſchaft, erftmals alle durch den Markgrafen, die drei aus der Bürgerſchaft aber in Zukunft durch den Kirchſpielsvorſtand gewählt werben.

5. Die Gemeinde hat außerdem zwei Kirchen- oder Heiligen- pfleger zur Verwaltung des Vermögens.

6. Der Schullehrer, zugleih Meßner, wird auf Vorjchlag der Kirchenkommiſſion durch den Geheimrat ernannt.

1804 erfolgte unter dem 29. September eine Anjprache des Papſtes Pius VIL an die Gemeinde, nebft der Uebergabe eines von ihm gejchentten, vergoldeten filbernen Kelches. Für weitere Para— mente, außer den aus dem alten Gotteshaus überfommenen, waren vorderhand noch feine Mittel vorhanden, 1806 ſchenkte Karl Friedrich der Kirche ein filbernes Rauchgefäß aus der Bruchjaler Stiftskirche, und erſt 1851 wurde aus freiwilligen Beiträgen ein Fond dafür gegründet.

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Die Gehalte wurden fofort bei der Gründung ebenfalls feft- gejeßt. Der Oberpfarrer erhielt feinen Gehalt aus Staatd- und andern Mitteln, und hatte nur bei Präjentationen und Bifttationen von dem betreffenden Pfarrer die Bewirtung, aus der Kirchſpielkaſſe einen Dufaten und freie Fahrt anzufprechen, der Pfarrer erhielt 1200 fl. Geld, 24 M. Dinkel, 6 M. Korn, je 1 Fuder Wein erfter und zweiter Klaſſe, 12 Meß Holz und freie Wohnung, nebft den Stolgebühren für fi) und die Kapläne; die zwei Kapläne erhielten, außer freier Station, 110 fl. der erjte und 90 fl. der zweite. Die BVorfteherämter waren Ehrenämter, die der, vorerft auf drei Jahre gewählten Kirchenpfleger ebenfallde. Der Schullehrer, und zwar fo lange noch der alte Lehrer lebte, welcher einen Hilfslehrer (Pro— vifor) zu halten hatte, erhielt 200 fl., 6 M. Dinkel, 2 M. Korn, 5 Ohm Wein und 4 Meß Holz.

Zur ftädtischen Armenpflege durch die Polizeidirektion lieferten die Evangelijchen Beiträge aus ihrem Kirchenalmofen, daher wurden auch in dem katholiſchen Gottesdienft an allen Sonn- und Feiertagen vor- mittags, ſowie in allen vormittäglichen und nachmittäglichen gottes- dienftlichen Berfammlungen an denjenigen vier Sonntagen, an welchen die Evangelifchen ihre Kollekten erhoben, ebenfalls Almojenfammlungen vorgenommen, deren Gejammtertrag hälftig der Fatholifchen Kirchen- fafje und hälftig der polizeilichen Armenkommiſſion zufiel.

Der erfte katholische Oberpfarrer in Bruchfal war 1804—15 der Geheime Kirchenrat und geiftliche Rat Rothenjee, Mitglied des Ordi— nariats in Bruchjal, und nach ihm der geiftliche Miniftertalrat, Schulrat Dr. Brunner. Erſter Stadtpfarrer wurde der Gymnaſialprofeſſor Huber von Mannheim. Diejer wurde durch den Oberpfarrer Rothenjee in Gemeinjchaft mit Schulrat Brunner den 26. Auguft 1804 Tirchlich inveftirtt. Die Minifter, die Geheimräte, die evangelischen und refor- mirten Geiftlichen wohnten der Feier an, die Hoflapelle war dabei thätig, und nach der Firchlichen FFeierlichkeit fand bei dem neuen Stadt- pfarrer ein Feſteſſen ftatt, welchem auch die Kapuzinerpatres an- wohnten, deren Orden 86 Jahre lang unter jchwierigen Verhältniſſen treu und unverdrofien für die kirchlichen Bedürfniffe der nach und nach anmwachjenden Fatholiichen Gemeinde gearbeitet hatten. Nach der Feier bejchentte Huber noch die Armen jeiner Gemeinde. Als diejer 1810 die Pfarrei Landhaujfen bei Eppingen erhielt, folgte ihm der Profeſſor der Theologie Dr. Thaddäus Derefer von Freiburg als

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biefiger Stadtpfarrer. Diefer bielt 1811 aus Anlaß von Karl Friedrichs Tode eine Predigt, in welcher er behauptet haben jollte, der Markgraf jei innerlich katholiſch geweſen, wurde ben 2. Juli vor das Oberamt gerufen, mußte die gehaltene Rede ein- jenden, erhielt einen Verweis des Erzbiſchofs Dalberg von Mainz und wurde als Lehrer an das Gymnafium in Konftanz verjegt. Er nahm jedoch die Stelle nicht an, fondern eine ihm angetragene Profeffur in Quzern, von wo er 1815 an die Univerfität nad Breslau berufen, dort Domlapitular wurde und 1827 ftarb.

Sein Nachfolger hier war 1812 Dr. Joh. Nepomut Biechele aus Endingen, Pfarrer von Rothweil, unter welchem der Kirchenbau vollendet wurde, und welcher 1815 al3 Profeffor an die Univerfität Freiburg kam. Biecheles Nachfolger wurde 1816—29 der Stadt- pfarrer von Mannheim, Ph. Kirch aus Sigingen, ihm folgte 1829—35 Joh. Gäßler, vorher Stadtpfarrer in Villingen, welcher zugleich Stadt- und Landdekan wurde, und 1835 auf feinen bejon- dern Wunjch die Pfarrei Weingarten bei Offenburg erhielt. Gäßlers Nachfolger hier wurde 1835 Valentin Gaß aus Raftatt, vorher Kaplar in Mannheim. Diejer wurde ebenfalls Delan, 1843 geijt- licher Rat, erhielt mehrere Orden und ftarb 1870. Unter ihm wurden die Gloden umgegofien, die Kirche reparirt, das Vinzentius- haus gegründet. Derjelbe hinterließ ein Vermögen von über 100 000 fl. und hatte dafjelbe der katholiſchen Stadtkirche ala Univerfalerbin beftimmt, da aber dem XTeftamente noch die Unterjchrift fehlte, fiel die ganze Hinterlafenichaft an feine armen Verwandten. 1870—72 war Ludwig Degen Pfarrvermweier und 1872 wurde Yo ef Benz, Pfarrer von Eichfel, hier Stadtpfarrer und Dekan für Stadt und Land.

Die Zahl der Kapläne wurde 1815 wegen dem Militär von 2 auf 3 erhöht.

1804 war bei der Gründung der kath. Stadtpfarrei der Slirchen- und Schulfohd vereinigt worden, 1866 fuchte die Oberjchulbehörde die Trennung beider Fonds zu erwirken, eine gerichtliche Entjcheidung vom 20. November 1868 entichied aber gegen dieſes Verlangen. Das Geſuch der Altkatholiten um Mitbenugung der katholiſchen Kirche wurde 1875 abgemiejen.

Un kirchlichen Gebäuden hatte die Gemeinde nur ihr altes Kapuzinerkirchlein mit anftogenden Wohnungen in der Lammitrake.

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Eine neue, der Zahl der Gemeinde entfprechende, und einer ſtädtiſchen Reſidenz würdige Kirche war daher dringendes Bedürfnis gemorden. Infolge eines Wermächtnifjes ber Markgräfin Maria Viktoria von Baden im Betrage von 75000 fl. zum Zweck eines neuen Kirchen- baue3 wurde 1807 der Neubau durch den damaligen katholiſchen Kirchenvorftand,, Geheimreferendär Dehl, Hofrat Mallebrein, Ober- revifor Würz, Kaufmann Berdmüller, Baumeifter Berdmüller und Hofichloffer Behme angeregt. Karl Friedrich jchenkte der Gemeinde den Platz dazu, und Baumeifter Weinbrenner entwarf den Plan für die Kirche, und das Pfarr- und Schulhaus zu beiden Geiten der Kirche, doch kam nur derjenige für die Kirche zunächſt zur Aus— führung.

1808 den 8. Juni, an dem Geburtstage des Erbgroßherzogs Karl, wurde der Grundftein gelegt, da aber im Wpril vorher die Herzogin von Braunjchweig, Marie Elifabeth Wilhelmine, Prinzeffin von Baden, gejtorben war, erjchienen die Teilnehmer nicht in Gala, jondern in einfach jonntäglichem Anzuge.

Abteilungen der Leibgrenadiergarde, des Leibregimentes, Hufaren, Volizei und Bürgermilitär jtellten fich vor 10 Uhr auf dem Platze auf, wo auch die höchſten Staatsbehörden, fremde Gejandte und der Stadtrat fich einfanden. Um elf Uhr erjchien der Großherzog mit dem Erbgroßherzog, dem Markgrafen Friedrich, den Grafen von Hochberg, jowie die Erbgroßherzogin Stefanie, die Markgräftn Fried- rich, die Gräfin Hochberg und deren Tochter, Amalie von Hochberg, alle mit entjprechendem Gefolge an dem Bauplag. An der Bauftelle jelbft, nach welcher fich diefelben, durch ein von Bürgern gebildetes Spalier, zu Fuß, die Damen am Arm der Herren begaben, wurden fie von der zahlreich verfammelten Geiftlichkeit empfangen. Nachdem die Herrichaften unter einem Zelte Pla genommen, hielt der Ober- pfarrer, Kirchenrat und geiftliche Referendär Rothenjee die Weihe- und Einjegnungsrede, worauf in üblicher Weife unter Kanonendonner die Legung des Grundſteins ftattfand.

Bon bier aus begab fich, Geiftlichkeit und SKirchenvorftand voran, der Zug nach der bisherigen katholischen Kirche, wo Stadt- pfarrer Huber die Kanzelrede hielt, und unter Kanonendonner und Muſik ein Hochamt abgehalten wurde. Zum Schluß der Feier ſprach noch der SKirchenvorftand feinen Dank gegen die fürftlichen Herr: ſchaften aus.

In den Grundſtein wurden die üblichen Münzen, und je eine Flaſche Wein von den Jahren 1728, 1786 und 1789, den Geburts» jahren des Großherzogs, des Erbgroßherzogs und jeiner Gemahlin, Stefanie, und eine Flaſche von dem letzten Jahre, 1807, gelegt.

Die in den Grundftein gelegte Injchrift auf filberner Platte in lateinischer und deutjcher Sprache lautet:

Deo Creatori, Redemptori, Consolatori Hoc templum religioni Catholicae sacrum Manu fundat propria Carolus Fridericus,

Magnus dux Zaringo Badensis, Pietate, virtute, sapientia illustris, Principum sui aevi nestor,

Pater patriae aetatis LXXX, regni LXII. Delineavit, exstruxit Frid. Weinbrenner, Supremus aedilis,

Dedicavit Frid. Rothensee, Jos. Huber parochi, in memoriam beneficae Mariae Victoriae, Marchionissae Bada-Badensis p. defunctae, Fovent communitatis Catholicae praepositi C. Jos. Oehl, Jos. Mallebrein, Nic. Würz, Jos. et Peter Berckmüller, Heinr. Behme ut benevolis omnibus semper fiat benedictio salus et incrementum.

VI Jd. Jun. MDCCCVII,

Magni ducis haeredis dilectissimi, Caroli Ludovici Friderieci die natali vicesimo tertio,

Quo die anno praeterito fundatum fuit Templum evangelico lutheranum.

Die Inſchrift in deutjcher Sprache lautet:

„Gott dem liebenden Vater, Erlöfer und Heiliger aller Menjchen gründet diejen katholischen Tempel mit eigener Hand Karl Friedrich, Großherzog von Baden, Herzog von Zähringen, der Beförderer jeder Religion, der beſte Fürſt und Menſch, im 80. Jahre jeined wohl: thätigen Lebens, im 62, jeiner glüdlichen Regierung. Entworfen und

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aufgeführt von Friedrich Weinbrenner, Oberbaudireftor, jeiner Be» ftimmung geweiht von Fried. Rothenſee und Joſ. Huber, Ober- und Stadtpfarrer, zu dankbarem Andenken des gedeihlichen Vermächtnifjes der hochjeligen Frau Markgräfin Maria Viktoria von Baden-Baden, in de3 Himmels jchügende Hand gelegt von den Vorſtehern der ka— tholifchen Gemeinde C. Joſ. Dehl, Joſ. Mallebrein, Nic. Würz, Joſ. und Pet. Berdmüller, Heinrich Behme.“

„Möge dieje Kirche jedem Betenden Troft und Hilfe, dem Lern— begierigen Unterricht, Heil allen Guten und den Edeln, welche hierzu beigetragen, Glück und Segen auf immer gewähren.“

Den 8. Juni 1808. Um 23. Geburtstage Karl Ludwig Friedrichs, des geliebtejten Erb» großherzog3, an welchem nemlichen Tage im verflofjenen Jahre auch der Grumdftein zu der neuen evangelisch » lutherijchen Kirche gelegt ward.

Sofort wurde rüjtig weiter gebaut, die Zufuhr von Baumaterial, Uhren, Gloden u. A. wurde, jo weit dies die herrichaftlichen Kaſſen berührte, von Zoll und Weggeld befreit, die kirchlichen Stiftungen, bejonder8 de3 Unterlandes trugen dazu bei, und die Erbgroßherzogin förderte durch ihre thätige Beihilfe das Werk. 1812 den 11. März um 12 Uhr ließ die neue Uhr ihren erften Stundenjchlag vernehmen, und den 26. Dezember 1814, an dem Namenstage der Großherzogin, wurde. die nun vollendete Kirche im Auftrag des Erzbifchofes von Dalberg von Mainz durch deſſen Weihbiichof von Kolborn feierlich zu Ehren des heiligen Stefanus eingeweiht.

Die Kirche ift eine nach dem Mufter der Klofterkirche von St. Blafien in Form des römischen Pantheons erbaute Rotunde mit kurz ausbiegenden Kreuzesarmen, über welcher ſich die 30 Meter hohe hölzerne Kuppel wölbt, durch deren Scheitel der Innenraum jein Licht erhält. In den ausjpringenden Kreuzesarmen befinden jich die Empor» bühnen, und dem Haupteingange gegenüber die ausgezeichnete Silber- mann’sche Orgel, welche, nebjt den Gloden, dem aufgehobenen Klojter St. Blaſien angehört hatten. Ein großes Altarbild, 1831 von Maria Ellenrieder gemalt, jtellt die Steinigung des Stefanus dar, weitere Bierden find über den beiden GSeitenaltären zwei Delgemälde von Melling, einige Arbeiten des Bildhauers Lotjh in Rom, und ein ausgezeichnet jchön gearbeiteter Taufſtein. Nördlih an die Kirche

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angebaut jteht der 63,6 Meter hohe, vieredige Spitzturm, deſſen Stil übrigen? wenig mit dem übrigen Bau zufammenftimmt.

Das Pfarrhaus, ala welches jeit der Gründung der Pfarrei das jegige Haus Nr. 26 der Herrenftraße, dem Konditor Fellmeth gehörig, gedient hatte, wurde 1850 nach dem Plane Berdmüllers dreiftödig, öjtlich von der Kirche gebaut, nachdem ſchon vier Jahre vorher, 1846, durch Baumeifter Künzle in ganz gleichem Stil auf der Weftjeite der Kirche das katholische Schulhaus gebaut worden war. Das Schulhaus wurde auf Kojten der Stadtgemeinde gebaut und foftete 45 611 fl. Gleich anfangs erhielten darin 500 Kinder von 6 Lehrern Unterricht, 1872 waren e3 700 Schüler mit 10 Lehrern, und feit der Einführung der gemiſchten Schule hat auch fie ihren konfeffionellen Karakter verloren.

Der alte Friedhof, welcher anfangs ſüdlich von der alten Stadtkirche zwilchen dem Rathaushof und den Gärten des Pfarr- haufes und des Gymnaſiums bis an den Landgraben ich erftredte, mar fchon 1772 zu Hein geworden, fo daß jchon damals über eine Verlegung desjelben vor das Rüppurrerthor oder in das Beiertheimer Wäldchen verhandelt wurde.

1773 aber wurde auf die Bitte des Stadtrates der Plan einer Berlegung aufgegeben, und 1779 auf Befehl des Markgrafen der dem Gymnafium 1764 geichenkte Teil de3 Primaveſiſchen Gartens dazugenommen, amd jo der Friedhof in öftlicher Richtung vergrößert bezw. verlegt, denn 1782 wurde nur noch ausnahmsweiſe auf dem alten beerdigt. Infolge der Eröffnung der neuen Schlohftraße nad dem jpätern Rondell und dem Ettlingerthor ging der ältere Teil dezjelben ganz ein. Ein Leichenhaus auf dem alten war in den neun- ziger Jahren ebenfall3 erbaut worden, aber öftlich ſeitwärts, jo daß e3 nicht in Sicht des Schloffes ftand. 1804 aber wurde auch diejer Teil des Friedhofes gejchloffen, und derjelbe an des Ende ber ver- längerten Waldhornftraße gelegt.*) Won 1812 an beginnen neue Ver- bandlungen wegen Errichtung eines Leichenhaufes auf demfelben, und diefelben ziehen fich ohne Ergebnis fort bis in die zwanziger Jahre. 1823 erhielt zwar die Stadt die Erlaubnis zum Bau eines folchen,

*) Zugleich wurde auch der reformirte Friedhof hinter der Meinen Kirche dahin verlegt, von welchem noch in unfern Tagen unter bem öftlichen Trottoir des Haufes Nr. 10 der Kreuzitraße Gräber aufgebedt wurden.

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da aber die Koften dafür durch die Stadtlaffe und freiwillige Bei— träge beftritten, und auch Arme, welche für ihre Toten daheim feinen Raum hatten, in dem Leichenhaus unentgeltlich Aufnahme finden follten, fam ber Bau erſt fpäter zuftande.

Schon 1786 war auf dem alten Friedhof eine Kapelle für Lei- henreden erbaut worden. Eine ſolche kam auch auf den neuen, wurde aber 1825 vergrößert, und 1842 durch Baurat Eifenlohr in Form einer einfachen gothiſchen Kapelle aus rotem Sandftein neu erbaut. Die Mittel zum Bau waren duch Frau Regina Reuter, geborene Trohmann, des Hofmeßgers Wittwe, geftiftet worden, welche den 9. November 1834 gejtorben war.

1815 bejtimmte die Leichenordnung die Zeit von 2 mal 24 Stunden vom Tode bis zur Beerdigung. 1817 wurde der Friedhof erweitert und ein Kirchhofwächter mit 30 kr. Taglohn zum Deffnen und Schließen der Thore angeftellt. 1830 übernahm die Stadt bie Anlage und Unterhaltung des Friedhofes und hat dieje Pflicht jeit- dem trefflich erfüllt.

1870 mußte jenfeits der Oftendjtraße, öftlich von dem bisherigen, ein neuer Kirchhof angelegt werden, auf welchem die infolge des Kriegs 1870—71 in den Krankenhäufern und Baraden bier geftor- benen deutjchen und zahlreichen franzöfiichen Soldaten, alle mit glei- chen militärijchen Ehren bejtattet, ihre Ruheſtätte fanden.

Doch wurde bald, bejonders aus gejundheitlichen Gründen, ſowie aus Rückſicht auf das raſche, ſtarke Anwachſen der Bevölkerung, die Verlegung des Friedhofes in größere Entfernung von der Stadt notwendig. Daher kaufte die Stadt in nordöftlicher Richtung auf Nintheimer Gemarkung Feld zur Anlegung eines neuen Friedbofes. Derfelbe wurde 1877 nad dem Plan des Oberbaurats Durm ala Campo santo mit Gebäuden in italienischem NRenaiffanceftil an— gelegt. Durch den prachtvollen Thorbogen gelangt man zunächit in den Gruftenhof, an welchen Kapelle und Leichenhaus anftoßen, und fodann in das große Gräberfeld mit jchönen Anlagen. Die plajtifchen Arbeiten an den Baulichkeiten find von Moeft, die Sgraffitomalereien nach Durm, und das Altarbild der Kapelle von Gleichauf ausgeführt.

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9. Bildungsanſtalten.

Die Volksſchule. Im dem Beginn unſerer Periode be— ſtanden in Karlsruhe eine evangelische Knabenſchule und Mädchen⸗ ſchule, dieſe ſchon 1770 Hinter dem Rathaus, eine Schule für Klein- karlsruhe, eine Garniſonsſchule, eine katholische und eine reformirte Schule. 1804 wurde das alte Schulhaus für Knaben neben ber alten Kirche, jammt der baufälligen Saftiftei für 315 fl. an den Weißbärenwirt Clauß auf Abbruch verkauft und ſofort abgerifien, da aber der Abbruch etwas voreilig geſchah, mußte 1804 die Kuaben- ſchule vorübergehend in dem noch im Bau begriffenen füdlichen Flügel de3 Gymnaſiums eingerichtet, und den Lehrern Wagner und Haag Wohnungen im zweiten Stod desjelben eingeräumt werden. 1805 überließ der Markgraf das 1803 verlafjene Militäripital, Ede der Kreuz und Spitalftraße, der Stadt ala Lolal für die Knabenſchule, 1808 aber, als diejes Lokal zur Artilleriefaferne beftimmt worden war, baute Schullehrer Wagner aus eigenen Mitteln ein Haus in dem Duadrat hinter dem jeßigen Rathaus, wo jchon feit etwa 1770 die Mädchenichule untergebracht war, und vermietete diejes, jein Privat- haus, an die Stadt ala Schulhaus und Lehrerwohnung. Er hatte vom Staat billiges Bauholz mit erleichterten Bahlungsfriften und Weggeldfreiheit für jeine Baumaterialien erhalten, und vermietete zu ebener Erde zwei Lehrjäle für die Knaben und Mädchenjchule für 150 fl., und im obern Stod zwei Lehrerwohnungen ; ftarb aber 1819. Später errichtete jeine Wittwe dort die Wirtjchaft zum Kreuz. In den Stabtichulen wurden Knaben und Mädchen in einem Haufe, aber in getrennten Lehrzimmern unterrichtet. An der reformirten Schule, jeit 1811 in der Lyzeumsſtraße, ſtand jeit 1790 Joh. Peter Wolf, die katholiſche unter dem Lehrer Wörner, dann Scherer, blieb in dem der katholischen Gemeinde gehörigen Edhaus des Zirkels und der Zammftraße, bis fie 1846 in das neue Schulhaus neben der katholiſchen Kirche verlegt wurde.

1813 zählte die evangelifchelutherische Stadtichule 200 Knaben und 250 Mädchen, die Kleinkarlöruher Schule 40, die Garnijons- ichule 160 Kinder.

Die Knaben erhielten Unterricht in Religion, Rechnen, Geo— metrie, Naturgejchichte, Geographie, vaterländiicher Gejchichte, Deutjch,

———

Schreiben, Leſen und Singen, die Mädchen ebenſo, außer Geometrie und Geſchichte, und täglich nur zwei Stunden, damit ſie zu Hauſe weibliche Arbeiten und die Haushaltung lernen könnten. Das Schule geld betrug 1815 vierteljährlich 24 kr., die Plätze wurden nad Fleißnoten beftimmt. Zur Belohnung wurden bei öffentlichen Prü⸗ fungen die Namen der beiten Schüler auf eine Ehrentafel gejchrieben, welche mit einem Lorbeerkranz, einem darüber jchwebenden Genius und mit der Injchrift: „Er reicht ihnen den Preis der Sittlichkeit und des Fleißes“ gejchmüdt war.

1816 jtiftet Staatsrat Hauber 8000 fl. fir die evangelische Garniſons- und Mädchenfchule, 1819, nach Wagners Tod, beantragt die Baufommiffion den Bau zweier neuen Schulhäufer, das Finanze minifterium hält aber eime3 für genügend. 1824 zählte die Knaben— ichule 225 Schüler und hatte 394 fl. 23 fr. Kompetenz, die Mäbd- chenjchule hatte 310 Kinder und 480 fl. 9 fr. Kompetenz, die Klein- karlsruher Schule 260 Kinder, 269 fl. 36 fr. Gehalt, die Garni» ſonsſchule 100 Kinder, und der Lehrer, welcher zugleich Stadtlantor war und 200 fl. für Hauszins bezog, hatte 844 fl. Gehalt. Die reformirte Schule, mit 50 Kindern und 271 fl. Gehalt, beitand als folche fort, bis der Lehrer Wolf abging, und die Schule mit der 2. Stadtſchule vereinigt wurde.

1828—29 wurde die Mädchenichule in der Lindenftraße, jebt Kriegsſtraße Nr. 44, gebaut, 1832 hatte die erfte evangelische Knaben- ſchule zwei Oberlehrer, Link und Weber, und zwei Unterlehrer, die erſte Mädchenjchule zwei Oberlehrer, Kayjer und Reuther, die zweite Stadtjchule zwei Oberlehrer, Sütterlii und Rau, die Fatholifche Schule einen Oberlehrer, Scherer, und drei Unterlehrer.

Die Garniſonsſchule, 1786 gegründet, anfangs in dem Spinnhaus in der Kronenftraße, wechjelte vielfach ihr Lolal. Etwa 1834 kam fie in das Wagner’sche Schulhaus hinter dem Rathaus, 1842 in das Hinterhaus des Profefjors Stiefel in der Spitaljtraße, jegt Nr. 50, während der Lehrer im zweiten Stod des Vorderhaufes wohnte, 1850 wurde die Schule in das Haus, Ede der Abdler- und Spitalftraße (Erhardt'ſches Haus), jetzt Wirtichaft zum Nußbaum, verlegt, in welchem auch der Lehrer Fr. Hanfult feine Wohnung hatte. Diejer war ala 20jähriger Jüngling 1806 an der zmeiten Klaſſe der Schule angeftellt worden, wurde 1809 Hauptlehrer und erteilte den Unterricht in den drei Klaſſen gemeinjchaftlich mit einem

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Unterlehrer. Hanſult wurde 1861, nachdem er 55 Jahre lang an der Anftalt gewirkt, in Ruheſtand verjegt, und damit hörte auch die bejondere Garniſonsſchule auf. Die Schüler wurden den Stadtichulen zugeteilt, behielten aber auch in diefen die bis dahin genofjenen Vor⸗ teile, Befreiung vom Schulgeld, Anfchaffung jämmtlicher Lehrmittel und namhafte Prämien am Schluß des Schuljahres. So hatte Karlörube bis 1861 eine erſte Stadtſchule mit Knaben in Nr. 40 der Spitalftraße, mit Mädchen in Nr. 1 der Lindenftraße, eine zweite Stadtjchule mit ebenfall3 getrennten Gefchlechtern in Nr. 26b. der Spitalftraße, und eine Garnifonsjchule.

1853 wurde das ſtädtiſche Schulhaus dem Spital gegenüber, jeßt Nr. 28 der Spitalftraße, erbaut, welches anfangs Dörflesjchule hieß, und mit deſſen Erbauung bie bejondere Kleinkarlsruher Schule aufhört. Das rajche Anwachſen der Einwohnerzahl jtellte bald, ſowohl Hinfichtlich der Schulhäufer, als der Lehrerzahl, immer größere Anforderungen an die Stadt, auch machte die Zeit in Bezug auf das Aeußere der Schulhausbauten andere Anſprüche, damit mit der übrigen baulichen Geftaltung der Reſidenzſtadt auch die Schulen in Uebereinftimmung blieben.

So entftanden die von Müller erbaute, 1870 am 24. Dftober eingeweihte Töchterſchule, Kreuzftraße Nr. 15, 1873 das von Lang erbaute erfte Schulhaus im Bahnhofſtadtteil mit Turnhalle in der Rüppurrerftraße, 1878 das zweite neue Schulhaus in demfelben Stadt- teil, Schüßenftraße 35, eröffnet den 16. September, 1880 das durch Profeffor Warth erbaute Mädchenjchulhaus auf dem Plage des alten Schulgebäudes, Ede der Spital» und Kreuzitraße, 1881—83 das von Strieder erbaute Schulhaus in der Gartenftraße Nr. 16, eingeweiht den 10. September 1883, und 1887 wurde das neue Schul- haus in der Leopoldftraße in Angriff genommen. 1877 erjchien das Drtöftatut für die Karlsruher Volksſchulen, wonach diefelben nun folgende Abteilungen und Abjtufungen erhielten: 1. Eine Snaben- und Mädchenvorfchule, 2. einfache Knaben- und Mädchenjchule, 3. er⸗ mweiterte Knaben» und Mädchenſchule, 4. Bürgerjchule, 5. Tüchter- ſchule, 6. eine Knaben und Mädchenfortbildungsichule, 7. eine Handelsfchule, und jeit 1881 eine Knabenarbeitsjchule.

Alle diefe Schulen, ſeit 1865 im gemifchte Schulen umgewandelt, ftehen unter der Leitung eines Rektors und unter der Oberleitung des ftädtiichen Ortsſchulrates. Der Aufwand für die Schulen betrug

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1885 475235 M., wovon 59 Prozent auf die Stadtkaſſe fallen, der Meft durch Schulgeld und Staatsbeiträge zu deden ift.

Mit dem 1. Januar 1886 wurde infolge ber Vereinigung ber Stadt Mühlburg mit Karlsruhe au die Mühlburger Schule den ftäbtifchen Schulbehörden unterftellt.

Die Gejammtichülerzahl der Stadt betrug 1886 6138, wozu Mühlburg mit 723 Schülern hinzukam, die Zahl des Lehrperfonals ftellte fich in demjelben Jahre in der Stadt auf 59 Hauptlehrer, 11 Hauptlehrerinnen, 24 lUnterlehrer, 38 Unterlehrerinnen und 18 Induftrielehrerinnen, in Mühlburg auf 5 Hauptlehrer, 1 Unterlehrer, 1 Unterlehrerin und 1 Imduftrielehrerin. Der Konfeifion nach ift etwa die eine Hälfte der Lehrer evangelifch, die andere katholiſch, ein Lehrer alttatholifch, und eine Lehrerin israelitiih. Die am ftärkften beiuchten Schulen waren die erweiterte Knaben- und Mädchenfchule mit 1354 und 1671 Böglingen.

1877 wurde auf Anregen des Bürgermeifterd Spemann die Schulſparkaſſe ind Leben gerufen, deren Einlegerzahl 1885 auf 10219 mit 17229 M. Einlage angewachjen war.

Der Genuß der jeit 1881 aus freiwilligen Gaben ermöglichten Ferienkolonien für jchwächliche Kinder ärmerer Eltern wurde jeitdem alljährlich einer Anzahl defjen bedürftiger Kinder zu teil. An Schul- ftiftungen bejigt die Volksſchule die des frühern Gemeinderates Bautz für Prämien mit 172 M. Vermögen, die de3 Bäders Vorholz zu Prämien. für evangeliihe Schüler der erweiterten Knabenjchule mit 345 M., die des oben erwähnten Geheimrath3 Hauber mit 23252 M. und die Balm’jche Stiftung für katholiſche Schüler mit258 M.

Schon in den vierziger Jahren hatten fich hier die fogenannten Kleinkinderſchulen gebildet, 1863 ſchenkte Freifrau von Rüdt dazu ein in der Durlacherthorftraße gelegenes Haus, Nr. 40. Andere Kleinkinderbewahranftalten entitanden mit der Zeit in der Erbprinzen- ftraße Nr. 12, und in der Bahnhofjtraße Nr. 46, Kleinkindergärten Ulademieftraße 75, Douglasftraße 22, Luiſenſtraße 6, Zirkel 12, und Luiſenſtraße 29 die katholische Kleinkinderjchule.

Seit 1804 bejtanden in Kleinkarlsruhe fogenannte Sonntags- ſchulen für konfirmirte Soldatenkinder bis zu 18 Jahren, die Anfänge der jpätern Fortbildungsſchule, 1815 errichtete Polizeidirektor von Drais eine Dienjtbotenjchule, in welcher Hofdiafonus Volz unter: richtete, welche aber nach kurzer Zeit einging.

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Eine Bildungsanftalt für Lehrer, eine Art Seminar, war ſchon in dem vorhergehenden Beitraum, 1768, bier gegründet worden. Die Zöglinge erhielten ihren Unterricht teil3 mit den Eremten des Gymnaſiums, teild in befondern Stunden, wurden auch für den Zaubjtummenunterricht ausgebildet, ernährten fich vielfach durch Pri— vatunterricht, und ihr Koftgeld wurde aus milden Stiftungen bezahlt. Gegen das Jahr 1820 aber ging die Anftalt ein. 1823 im Früb- jahr wurde daher ein eigentliches Lehrerfeminar bier errichtet und erhielt ein eigenes Lokal in dem Haufe 48 der Spitaljtraße. Kirchen- rat Rab wurde Vorſtand desjelben, und Diakonus Stern von Gerns— bach als Hauptlehrer berufen. 1830—31 verließ die Anftalt ihr bisheriges Haus in der Spitalftraße und bezog das durch Hübſch für 30000 fl. neuerbaute an der Ede der Akademieftraße und der Linkenheimerthorftraße. Die Zahl der Zöglinge, welche bis dahın etwa 40 betragen hatte, ftieg 1841 auf 76, und es murden zwei weitere Lehrer, u. a. auch der tüchtige Muftflehrer Gersbach, angeftellt. Die Böglinge erhielten jährliche Unterftüßungen von 35—100 ft., der Staat gab 1300 fl. regelmäßigen Zuſchuß. Trotz einem nad der Alademieftraße bin angefügten Neubau mit drei Stockwerken genügte der Raum bald nicht mehr. 1865 wurde Direktor Stern, welcher 1837 anftatt des Sirchenrates Katz diefe Stelle erhalten hatte, penftonirt, und Diakonus Ferd. Leub von Eberbach jein Nach— folger. Unter diefem wurde 1868—69 durch Baurat Lang in dem Hardtwaldftadtteil, der jpätern Bismarckſtraße, das neue Seminar mit nebenan jtehender Turnhalle gebaut. Ueber dem Portal find Basrelieffigirren von Moeſt angebracht, welche Erziehung und Unter- richt verfinnbildlichen, und das Stiegenhaus iſt mit Gemälden nad) Dverbed von Gleihauf und Schick geſchmückt.

1875 den erjten Adventſonntag wurde das ebenfall3 von Lang erbaute zweite, da3 gemifchte Seminar an der Rüppurrerftraße eröffnet, und Dr. Berger deſſen erſter Direktor, welchem Brofefjor Franz Kaver Lehmann ald Direktor folgte.

1873, den 1. Januar, gründete Fräulein F. Trier in ihrem Haufe, Stefanienftraße Nr. 5 und 7 in Gemeinjchaft mit ihrem Schwager, dem Archivrat Dr Dieß, unter fürderlicher Zuftimmung der, für alles Gute eifrig thätigen Großherzogin Luiſe K. H., eine Privatanftalt mit dem Zwed, ein Nachweisbureaun und ein Heim für jtelfenlofe Lehrerinnen und einen Lehrkurs für künftige Lehrerinnen

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zu eröffnen. Durch freiwillige Beiträge von Freunden der Sache, durch die Zuficherung eines jährlichen Beitrages von 2000 M. der Prinzeſſin Wilhelm, ſowie durch Opfer an Geld und Fahrniſſen von feiten der Gründerin, wurde es möglich, den 6. Dftober 1873 die Anftalt unter dem Namen „Sentralanftalt für Erzieherinnen“ ins Leben zu rufen. Die oberjte Leitung führte ein Verwaltungsrat unter dem Vorſitz der Prinzeſſin Wilhelm, die öfonomijche und per- fönliche Fräulein Trier, den Unterricht erteilten Lehrer der andern Schulanftalten.

Die Schülerinnen, teil3 in der Anftalt wohnende, teil3 auswär- tige, waren anfangs in zwei Klaſſen eingeteilt, 1876-1877 wurde, zur Vorbereitung für den Unterricht an böhern Töchterjchulen, eine dritte hinzugefügt.

Die Zahl der Schülerinnen betrug im erjten Jahr 26, im zweiten 30 Interne und 7 Externe, im dritten 36-+9, im vierten 1876 40+16 und gegenwärtig ijt die Anjtalt von 32 Internen und 42 Eprternen bejuht. Das Schulgeld für Externe wurde auf 200 Mark, die Penſion für Interne auf 800 Mark feſtgeſetzt, doch fünnen, infolge der Munifizenz der Großherzogin und der Prinzeſſin, auch Freipläße, und durch freiwillige Stiftungen auch Stipendien verwilligt werben.

1878 hatte die Verwaltung 25000 fl. Ueberjchüffe geliefert. Dieje, nebjt der Einrichtung im Wert von 2000 fl. wurden den 3. Juni 1878 duch Fräulein Trier der Anftalt als Stiftung über- geben, die Anjtalt jelbft wurde den 1. Oktober 1878 unter dem Namen Brinzejjin Wilhelmftift ala Lehrerinnenjeminar zur Staatsanftalt erklärt, dem Oberſchulrat untergeordnet, ein neuer, durch den Oberjchulrat beftimmter, Verwaltungsrat ernannt, und der Anstalt das Recht verliehen, auf Grund ihrer Schlußprüfungen, Reifezeugnifje für den Lehrberuf auszuftellen. Zugleich wurde 1778 der Jahresbeitrag der Ehrenpräfidentin des Verwaltungsrates, der Prinzeſſin Wilhelm durch diefe auf 4000 fl. erhöht. Mit der Um- wandlung zur Staats- und Landesanftalt wurden zwei ftändige aka— demijch gebildete Lehrer angejtellt, und als 1882 Fräulein Trier umd Herr Die aus ihrer Stellung zurüdgetreten waren, wurde 2. Juli 1882 der gegenwärtige Direktor de Seminar? Dr. H. Dejer von Baden hierher berufen, und trat den 1. September jeine Stelle an.

Dejer war jchon vorher 1879 1881, Profeſſor Guterfohn 1881—1882 als Lehrer thätig gemefen.

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Der Verwaltungsrat beſteht gegenwärtig aus 10 Mitgliedern, das ſtändige Lehrerkollegium aus 2 Lehrern und 2 Lehrerinnen, die nicht ftändigen Lehrer find ihrer 14, weibliche Vorfteherin ift Fräu- lein Lanzo.

1883 im September wurde das neuerworbene Lokal, das Hohen- lohe Langenburg’fche Haus, Softenftraße 31 und 33, bezogen.

Das Gymnaſium. Die Geichichte diefer Anftalt hat, außer ben frühern Bearbeitungen durch Sachs 1787, und PVierordt 1858, in der neuen und neuften Zeit teild in öffentlichen Blättern, teil in eigenen Schriften, insbefondere aus Anlaß des 100jährigen Jubiläums des Gymnafiums im November 1886, eine bis in die Gegenwart reichende, vieljeitige und ausführliche Behandlung erfahren. Wir fönnen uns daher, auch abgejehen von den durch vorliegende Arbeit ung gezogenen Grenzen, füglich einer ins Einzelne gehenden fachlichen und perjönlichen Darftellung enthalten.

Schon jeit den achtziger Jahren war dag 1724 erbaute alte Gymnaſium als bedenklich baufällig erkannt worden. Der Plan aus dem Jahr 1783, das Gymnafium in den Garten des Prinzen Eugen, zwiſchen der verlängerten Adlerftraße und der Duerallee, zu erbauen, ſowie der von 1788, es auf den Blaß der jehigen Gemwerbe- halle zu ftellen, waren aus verjchiedenen Gründen nicht zur Ausfüh— zung gelommen. 1796 berichtete der Baumeifter abermals, der Regen dringe überall in dem Gymnafium herein, und der ganze Zuſtand jet ein jo Häglicher, daß ſogar ein möglicher Einfturz zu befürchten ſei, und 1801 wurde daher ein Neubau bejchloffen.

Als Bauplag für denjelben wurde der dftliche Teil des Fried— bofe3 und ein Stüd des der reformirten Gemeinde gejchenften Prima- veſiſchen Gartens gewählt, und die beiden, für das Gymnaſium be= ftimmten Gebäude jollten, das eine ſüdlich, das andere nördlich von der neu zu erbauenden Stadtkirche zu ftehen kommen. 1803 wurde der Bau des füdlichen Flügels angefangen, und ſchon den 23. Juni jeßte der Rektor, Kirchenrat Tittel, den Schlußjtein ın das Boden- gemölbe des Haufes, führte dabei nebjt den Lehrern, Hofrat Wucherer, Profeſſor Böckmann und Präzeptor Doll, die üblichen drei Hammer: Schläge und ſprach: „Gott jegne diefen Bau und laſſe ihm zu feines Namens BVerherrlihung und Baden: Wohl vollenden und dauern!“ und zum Schluß die Worte: Uti ego hunc lapidem imposui, ita deus custodiat opus et conservet!

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(Wie ich diefen Stein eingejeßt, jo behüte und bewahre Gott das Werk.)

1805 war der vordere dreiftöcdige und mittlere zweiſtöckige Bau fo weit gediehen, daß das bis dahin für 280 fl. in einem Privat- hauſe, Ede des Zirkels und der Kronenftraße, wo auch Böckmann wohnte, eingemietete phyſikaliſche Kabinet in den zmeiten Stod des Mittelbaues verlegt, und dem Profeſſor Böckmann eine Wohnung dabei angewieſen werden konnte, und 1807 im Dezember konnte auch die Anftalt den untern Stod des Haufes beziehen. Inzwiſchen hatte man den dritten Stod und die Räume zu ebener Erde dem Polizei- bureau und der Volksſchule mit ihren Lehrern eingeräumt.

Aus dem 1807 auf Abbruch verfauften alten Gymnaſium, welches 1808 abgerifjen wurde, erlöste die geiftliche Verwaltung, welche aus ihren, d. h. kirchlichen Mitteln das neue gebaut hatte, 1032 fi. 5 kr. und verkaufte die Baupläße, jomwohl des Gymnaſiums jelbit, ala des Hofes und Gartens, jegt Nr. 135— 139 der Kaiſerſtraße, Nr. 5 und 7 der Karl-Friedrichitraße und Nr. 92 und 94 der HZähringerftraße an Private zum Weberbauen. (S. ©. 419 u. ff.) Der Bau des jüd- lichen Lyceumsgebäudes koſtete 48139 fl. 21 fr.

In dem Jahre 1808, den 23. April, bezog Hebel, als neu- ernannter Direktor, die nach der Kirchgafje gelegene Wohnung im zmei- ten Stod des Neubaues, während Böckmann in dem vordern Teile desjelben Stodwerkes feine Dienftmohnung erhielt, und das phyſ. Ka— binet den Mittelbau einnahm. Nur der untere Stod blieb aljo für die Schule übrig. Der Namen „Gymnaſium“ wurde 1808 in Ly— ceum umgeändert, und die Straße daneben Lyceumsſtraße genannt.

Das Gymnafium beftand 1767—1807, außer den drei Jahres- furjen der Eremten, den Novizen, Medii und Veteranen, bei welchen jedoch 1803 die theologijchen und vorher ſchon die juriftifchen, kamera⸗ liſtiſchen und medizinischen Vorbereitungskurſe aufgehört hatten, aus ſechs Schulflafien, Prima, Sekunda, Tertia, Duarta, Quinta und Serta (unterfte Klaffe) und aus der feit 1774 mit dem Gymnaſium ver- bundenen Realfchule. Schon vor dem Einzug in das neue Haus zeigte e3 fich, daß die Anftalt darin feinen Raum fand, meshalb, nach einem Erlaß von 1805, 1807 die Eremten in zwei, ftatt drei Jahres- furfe eingeteilt, die unterfte Klafje von zwei Jahreskurjen, die Serta, welche 6—Bjährige Knaben hatte, abgejchnitten, und der Volksſchule oder dem Privatunterricht zugewieſen wurde, wodurch die Anjtalt, wie

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vor 1742, 5 Schulflafjen mit Quinta als der unterften erhielt, ebenjo wurde die ganze zweillaffige Realjchule aufgelöst, und deren Schüler in die entiprechenden Klaffen des Gymnaſiums eingereibt. Die ſechste Klafje wurde jedoch 1818 als Vorjchule wieder mit dem Lyceum verbunden. Doch dieje Einſchränkungen genügten noch nicht, da auch das in dem Haufe untergebrachte Polizeibureau bis dahin noch nicht entfernt worden war, und jchon 1808 Hagt Hebel über Mangel an Raum an allen Eden und Enden, die vielfachen Kombinationen der Klaſſen jchädigten den Unterricht, die Klaſſen, welche bis zu 83 Schü- lern enthielten, waren mehr ala überfüllt, ſelbſt die Beförderung aus einer Klaffe in die andere, wurde von dem vorhandenen oder nicht vorhandenen Raum in der obern Klaſſe abhängig, das Naturalien- fabinet konnte gar nicht aufgeftellt werden, die Bibliothek war in der Bauverwaltung in der Waldhornitraße untergebracht.

Die öffentlichen Hauptprüfungen, welche bisher an Dftern, jeit 1815 im Herbſt jtattfanden, wurden in einem Lehrzimmer gegen die Kirchgaffe zu abgehalten, und als 1811 die Schülerzahl auf 257, 13 Eremten, 21 PBrimaner, 25 Sekundaner, 44 Tertianer, 78 Quar- taner und 76 Quintaner anwuchs, mußte 1811 der Schlußakt in einem Saal außerhalb der Anſtalt abgehalten werden, und nachher ganz unterbleiben. In demjelben Jahre, 1812, bewirkte Hebel, um die untern Klaſſen zu erleichtern, die Wiederherjtellung der 1807 aufge: hobenen Realjchule in zwei Kurjen unter dem Diakonus Kühlenthal, welche, mit 15 Schülern begonnen, 1818 jchon auf 53 gejtiegen war. 1814 wurde das Inftitut der Exemten ganz aufgehoben, und dafür eine oberjte Slafje, die Prima, mit zwei Jahreskurjen angefügt, wodurch num das Lyceum wieder ſechs Klafjen erhielt.

Während der Regierung des Großherzogs Karl dauerte die Not wegen Mangel an Raum fort, fand aber immer noch feine Abhilfe. 1815, jeit Zandt Diretor geworden, erjchienen wieder regelmäßige Programme, und e3 wurden neue Prämienmünzen geprägt. Die Schülerzahl jtieg auf 340, die Serta zählte 75 Schüler und hätte, ohne die zahlreichen Abweijungen, wohl 100 aufnehmen müffen, die Lehrzimmer mußten ducch Zwiſchenwände vermehrt werden. Wieder- holte Bitten um den Neubau des nördlichen Flügels wurden mit Berufung auf den Kirchenbau, welcher viel Geld koſtete, durch das Finanzminiſterium abgemwiejen, obwohl der Oberkicchenrat und defjen Direktor 2. Winter die Bitte der Lyceumsdirektion dringend befür-

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worteten. Man jolle, hieß es, die beiden Lehrerwohnungen im zweiten Stod zu Schulzimmern nehmen, und in der That mußte Hebel den 23. Dftober 1816 jeine Wohnung räumen. Im Jahr 1816 tauchte auch das Projekt auf, das Lyceum in das Spital zu legen, und ein neues Spital vor der Stadt zu bauen, wogegen aber Baudireltor Weinbrenner aus dem Grunde fich erflärte, weil die Schule in der Mitte der Stadt zweckmäßiger gelegen jei.

In demjelben Jahre, 1816, mußten die drei unterjten Klaffen, deren eine 104 Schüler hatte, geipalten werden, wodurch abermals NRaummangel entjtand. Direftor Zandt-erbot ich jogar, das Bau- tapital vorzufchießen, was jedoch abgelehnt wurde, aber das Bedürfnis ließ fich nicht mehr abweijen, und e3 mußten ſogar die untern Klafjen und die Realjchule in die Häufer Zähringerftraße Nr. 71 und Ly— ceumsſtraße Nr. 1, das reformirte Schulhaus, in Miete verlegt werden.

1817 wurde nun eine aus den Kirchenräten Sander und Hebel, dem Direktor Zandt, dem Geheimreferendär Ludwig Winter und dem Baudireftor Weinbreriner bejtehende Kommiffion ernannt, welche einen Bauplan ausarbeitete, und 1818 vorlegte.

Diejer wurde genehmigt und jofort für die Summe von 41514 fl., welche die Staatskaſſe zu zahlen hatte, in Aftord gegeben.

Aber ala im Dezember 1818 Großherzog Karl geftorben war, und Großherzog Ludwig den Thron beftiegen, gebot diefer vorerjt im Fahr 1819 und auch noch im Mai 1822, mit dem Neubau einzu- halten, und erjt, als Direktion, Kirchenbehörde und? Minifterium mit Bitten und Vorftellungen nicht nachließen, und der Plan angeregt wurde, die Realſchule in eine polytechnijche Anftalt umzuwandeln, auch die Schülerzahl auf 525 geftiegen war, erfolgte unter dem 14. November 1822 die Staat3erlaubnis, den Bau im Frühjahr 1823 zu beginnen. Weranjchlagt war derjelbe zu 50000 fl., wovon Y, aus verkauften Staatsgebäuden, und 2, aus dem Etat für Land- baumwejen zu deden waren. Auf dem neuen Bauplat befanden ſich Steinhauerhütten, Holzlager, Mörtelgruben und dergl.

Den 8. Oktober 1824 fand in Gegenwart des Großherzogs Ludwig und der drei Markgrafen, der Staatd-, Militär- und ftädti- chen Behörden, jowie der Schuljugend, in der Aula die Einweihung des Gebäudes ftatt, wobei Kirchenrat Doll das Eingangsgebet, und Direktor Zandt die Weihe- und Dankrede hielt. Hierauf folgte noch

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durch benjelben in Gegenwart ber hohen Herrichaften eine Prüfung der Prima in der Gejchichte. Den 24. November 1824 wurde der erfte Schlußalt in der neuen Aula gehalten.

Unter ben bei diefem Anlaß zur Univerfität entlaffenen leſen wir von fpäter befannt gewordene Namen: Friedrich Giehne, Friedrich Koch, Robert Stolz, Ferdinand Hitzig, Auguft Hausrath, Alexander Braun.

Nun hatte zwar das Lyceum einen zweiten Neubau erhalten, aber nur, um den erften großenteil3 wieder zu verlieren, denn nach— dem die früher durch Zwiſchenwände verfleinerten Zimmer des jüd- lichen Flügels wieder hergeftellt worden waren, erſchien den 14. Df- tober 1825 ein Kabinetserlaß, durch welchen anftelle der bisherigen Realſchule ein Polgtechnifches Inftitut mit 12 Lehrern unter der Direktion des Hofrates Guftav Fr. Wucherer gegründet, und demjelben der füdliche Lyceumsbau angemwiejen wurde, „jomeit er von dem Ly— ceum nicht gebraucht würde.“ Dieje Ausjcheidung der Räume bejorgte, ftatt des erkrankten Direktor? Wucherer, deſſen Stellvertreter Hofrat Ladomus. Nur wenige Zimmer blieben in dem füdlichen Flügel dem Lyceum vorbehalten, jo daß jchon jet die Räume defjelben kaum not- dürftig außreichten. Noch fühlbarer wurde diefer Webelftand jchon in dem nächiten Jahre, als 1826 die Errichtung einer neuen Real- Thule ohne Latein nötig wurde, weil das Polytechnikum zur Auf- nahme feiner Schüler gemwiffe Vorkenntniſſe und ein Alter von min- deſtens 13 Jahren forderte.

Weitere Verhältniffe, welche die Raumnot vergrößerten, waren die durch eine Schentung des Geheimrates Hauber erfolgte Vermeh⸗ rung der Bibliothek um 8000 Bände, die Notwendigkeit eines Lehr- zimmers für den katholischen Religionsunterricht, jowie die im Jahr 1826 eingetretene Anordnung eines eigenen Zeichnungsunterrichtes (Epple) für das Lyceum, für welchen fofort ein Lokal auswärts, Hebelftraße 1, gemietet werben mußte, abgejehen davon, daß das ftete Anmwachjen der Schülerzahl eine Spaltung der Klaſſen immer notwendiger machte.

1836, nach der Vollendung des neuerbauten Polgtechnitums, erhielt das Lyceum zwar wieder drei Lehrzimmer in dem füdlichen Flügel, aber es blieb in demjelben die Realſchule ala Polytechnifche Vorſchule, obwohl 1842 von dem Lyceum getrennt, mit 4 Räumen,

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bis durch die Gründung der höhern Bürgerſchule 1864, und des Nealgymnafiums 1868 dieje polgtechniiche Vorjchule an dem Lyceum einging.

Nach kaum dreißig Jahren des Aufenthaltes in. den Räumen der beiden Lyceumsgebäude an dem Marktplag wurde die Verlegung der ganzen Anftalt als zwedmäßig und notwendig erklannt. Schon 1839 hatten fich verjchiedene Stimmen gegen die Zweckmäßigkeit der Lage und über die Unzulänglichkeit der Räume ausgeiprochen, und dieje Uebelftände wurden auch durch die Gründung einer mathemati- chen Vorſchule in dem Polytechnikum jelbft, und der höhern Bürger⸗ und Realſchule nicht gehoben.

1870 wurde daher, obwohl unter vielfachen Widerjpruch des Bublitums, ein Baupla in dem Hardtwaldjtadtteil gewählt, 1872 der von Baurat Leonhard entworfene Bauplan genehmigt, und noch in demjelben Jahr das Fundament gelegt, jo dak im Sommer 1874 der Unterricht in einzelnen Sälen begonnen werden Tonnte.

Die feierliche Eröffnung in dem gegen Ende des Sommers fer- tig geftellten Aulafaal gefchah den 3. Dftober 1874 in Gegenwart der höchften Staatsbehörden, des Oberſchulrates, mehrerer Mitglie- der der Univerfität Heidelberg, des Polytechnikums, des Realgym- naſiums, der höhern Bürgerjchule, fremder Schulanjtalten, vieler El— tern und Freunde ber Anftalt und jämmtlicher Schüler. Gejänge, Vorträge der Böglinge, eine Rede des Stantsminifters Jolly, und die Feſtrede des Direktor? Wendt bildeten den wechjelnden Inhalt der erhebenden Feier.

Den folgenden Tag begann der regelmäßige Unterricht des Schuljahres 1874—75.

Die Einteilung und Benennung der Klafjen mwechjelte im Laufe der Zeit vielfach. Bis 1837 war Prima die oberfte Klaſſe und von diejer wurde abwärts? gezählt. 1816 Hatte Prima, Quinta und Serta je zwei Jahreskurje, die übrigen Klafjen einen einjährigen, 1817 find die Kurje der Duinta und GSerta einjährig, dafür aber eine Septima, Dftava und Nona, letztere mit zwei Jahreskurſen, angehängt. 1819 hat Nona nur einen Jahreskurs und ftatt des erften iſt ein Vorbereitungskurs angefügt, und 1824 iſt diefer Worberei- tungskurs zur Dezima geworden.

Seit der 1837 erfolgten neuen Organijation des Schulweſens haben von 1838 an die jeßt oberjten Klaſſen Serta, Quinta und

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Quarta jede zwei Jahreskurſe, Tertia, Sekunda und Prima nur einen, und es erſcheint wieder eine Lycealvorſchule, welche 1842 in drei Abteilungen bis zu 196 Schülern zählte, aber 1874 aufgehoben wurde. 1872 wurde nicht nur der Namen des bisherigen Lyceums in Gymnaſium, ſondern auch die Klaſſenbenennung in der Art umgeändert, daß von da an wieder wie in der frühern Zeit bis 1806 und 1837, die oberſte Klaſſe Prima, die unterſte Serta heißt, mit doppeltem Jahreskurſe für die drei oberften Klaſſen. 1841 mußten die unterften Klaſſen, und jeit 1876 auch Tertia und Quarta in Parallelklaſſen getrennt werden.

Die Zahl der Schüler, 1809 jchon 219, ftieg vor der Trennung der Vorjchule 1874 auf 668, wovon auf lettere allein 280 kamen, und gegenwärtig bejuchen 656 Schüler in 18 Klaſſen die Anjtalt, jo daß fie auch in den verfügbaren Räumen des jegigen Gymnaſiums nicht mehr unterfommen können, und einzelne Klaſſen in dem nabe- liegenden Schullehrerjeminar Unterricht erhalten.

Die 1807 aufgehobene 2—3klaſſige Realſchule wurde 1812 bis 1825 wieder mit dem Lyceum verbunden, 1825 mit dem Polhtech— nitum verjchmolzen, 1826 aber als neue Realjchule, jedoch mehr ala Brivatanftalt in dem Gymnaſium errichtet und 1842 auch als ſolche aufgehoben.

Sogenannte Nebenfächer wurden an der Anjtalt früher keine oder nur fpärlich gelehrt. Da an der Anjtalt kein Gejangunterricht erteilt wurde, errichtete 1815 Präzeptor Haag für Schüler des Gym— nafiums und der Stadtjchule einen Singchor, wozu die Stadtkaſſe 50 fl., 1816 auf Veranlafjung des Kreisdireftoriums 100 fl. beitrug, 1819 aber hörte nach der Entfernung Haags das Inſtitut wieder auf, und die Stadt bezahlte dennoch bis 1825 den Beitrag von 100 fl. an den Lehrer Beininger. Von da an erhielt Seminarlehrer Gersbach diefe 100 fl. für den Gejangunterricht an den Stadtichulen. Nach Gersbachs Tode 1832 erteilten die Lehrer der Stadtichule den Unterricht jelbft, und der Beitrag der Stadt wurde eingeftellt.

Als Lehrgegenftand an dem Gymnaſium ſelbſt erjcheint der Gejang zum erften Mal 1832, das Zeichnen finden wir zuerft in dem Pro— gramm von 1826, da3 Turnen, worin Profeffor Lamey aus Liebe zur Sache unterrichtete, 1845. Doch war ſchon 1831 das Turnen für freiwillige Teilnehmer eingeführt, und der Turnplatz derjelben befand fich auf der Stelle, wo jest das Diakoniffenhaus fteht, jpäter

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diente dazu das Sallenwäldchen. Regelmäßiges, obligates Turnen wurde erſt jeit der Herftellung der Turnhalle in der jpätern Bis— mardftraße angeordnet.

Als Prämien während oder am Schluffe des Schuljahres mur- den früher Geldpreife oder Dentmünzen gegeben, jeit dem Beginn unjerer Periode aber nur größere und Heinere Silbermedaillen. Be— fondere Preife find durch einzelne Stiftungen beftimmt. 1808 wurde dad damals noch üblihe Sammeln der Studenten und Schüler in der Stadt, beſonders zur Weihnachtszeit, verboten.

Für die beiden untersten Klaſſen bejtand fchon damals der Schul» gottesdienft, die höhern Klafjen wurden zum Beſuch des Gottesdienjtes in der Kirche angehalten.

1822 wurde den zur Univerfität abgehenden, beziehungsweiſe den Eltern geftattet, die Berufswahl zu treffen, ohne vorher die Staat3erlaubnis dafür einzuholen.

Die bisher beftandene förperlihe Zühtigung, jelbft für ältere Schüler, reichte, unter zeitgemäßer Beſchränkung mit Rüdficht auf das Alter der Schüler, noch bis in unjer Jahrhundert herein, findet ſich noch 1827 unter den erlaubten Strafen und hört erft mit der Einführung der neuen Schulordnung 1837 auf.

Das in der erjten Zeit nach der Gründung der Stadt übliche Tragen von Mänteln war jchon frühe abgelommen, dagegen erhielt jich Tange, bi3 gegen 1800, bei den Eremten das Tragen der Degen außerhalb der Schule und Kirche, und auch die Perüde und der Haarbeutel fanden unter den ältern Schülern und Studenten noch ihre Verehrer. Im Anfang unjeres Jahrhunderts trugen noch viele Schüler der obern Klafjen nach freier Wahl dunfelblaue Fräde mit bellgrünen Krägen, und vielen großen gelben Metalltnöpfen Hinten in der Taille, und noch 1805 hohe dreiedige Filzhüte, jo daß, als Rektor Tittel fie ermahnte, Hüte, wie andere Leute und wie ihre Bäter, zu tragen, fie Tags darauf mit niedern Dreimaftern, ähnlich denen unjerer Odenwälder erjchienen, welche indefjen, weil fie zum Geſpötte wurden, bald wieder verjchwanden. Ende der zwanziger Jahre wurde, wie man fich damals jagte, auf bejondern Befehl des Großherzogs Ludwig, das Tragen blauvioletter Rockkrägen, mit Gold» börtchen eingefaßt, für die Lyceiſten befohlen, um bei etwaigen Ex— zeffen oder verbotenem Wirtshausbejuch die emtweichenden Frevler al3 Lhceiften zu erkennen. Wer diefe Zeit, wie der Werfafler, mit-

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durchlebt hat, weiß, wie ungern, beſonders die Schüler der obern Klaſſen dieſes Kennzeichen trugen, wie oft durch den gewiſſenhaften Direktor dieſe Krägen und Bortchen unterſucht wurden, und wie ftrenge darauf gejehen wurde, ob diejelben feſt aufgenäht, und nicht etwa zu beliebigem Abnehmen bloß mit Haften befeftigt waren. Nach Ludwigs Tode geriet das Verbot bald in Vergefjenheit.

Das Schulgeld betrug 1725—1780 1 fl. für die Schulflafien, während die Eremten und Realſchüler davon befreit waren. Bon 1780 an hatten nur noch die unterften zwei Jahreskurſe 1 fl., die höhern jchon 3—8 fl. jährlich zu bezahlen, 1815 betrug dasjelbe von der Vorſchule an aufjteigend bis einjchließlich der oberſten Klaſſe 3, 4, 10 und 12 fl. Bis 1827 hatten die Hauptlehrer das Schul- geld ihrer Klaſſe zu beziehen, von da an fiel es in die Lyceumskaſſe und wurde nach und nach auf 20—30 fl. erhöht. Jetzt beträgt es für alle Klafjen 63 M.

Als Honorar für den bis 1806 noch freigegebenen franzöfiichen Unterricht, bezog der Lehrer vierteljährlich 1 Gulden. Als Eintritts- geld, welches für die Bibliothek beftimmt war, zahlten die in die Eremtenklajje Eintretenden gegen Ende de3 Jahrhunderts 30 Fr., jeit 1805 1 fl. 21 kr., alle Uebrigen 15 fr. und von 1824 an ſämmt⸗ liche Schüler 1 fl. 21 kr., jegt 4 Mt.

Die Programme, vor 1815 in Duart, von da in Oktavformat und jeit 1876 wieder in Quart, enthalten außer der Einleitung, dem Lehrer- und Lektionsverzeichnis und dem Schülerverzeichnis, letzteres jeit 1867 nicht mehr, wie früher in Zofationgordnung, jondern in alphabetischer Reihenfolge, erſt in unferer Zeit gewöhnlich irgend eine Abhandlung eines Lehrers oder des Direktors.

Das phyſikaliſche Kabinet, welches 1773 durch Hofrat Brofefjor J. 2. Bbckmann, den eltern, in deſſen Wohnung im Zirkel mit thatkräftiger Hilfe Karl Friedrich, jowie aus eigens dazu gejtifteten Fonds errichtet worden war, blieb in diefem Haufe bis nach Böd— manns Tod. 1805 kam e3 unter der Leitung feines Sohnes Karl Wilhelm in den zweiten Stod des neugebguten ſüdlichen Gymmnafiums- gebäudes, wo es 1811 bedeutend vermehrt wurde, und von da mit der Zeit teil3 in das Polytechnikum, teil3 in das jetzige Gymna— ſiumsgebäude.

Die Bibliothek, welche zu Anfang unſerer Periode kaum etwas über 1000 Bände zählte, und für welche das Eintrittsgeld der

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Schüler bejtimmt war, war bejonders durch die aus dem Nachlaß des 1797 gejtorbenen Kirchenrates und Gymnaſiumsdirektors Bouginsd ihr zugefallene Erbichaft an theologifchen Büchern vermehrt worden, hatte aber doch bi3 1815 kaum eine Bändezahl von 1500 erreicht.

1825 fielen derjelben durch das Vermächtnis des Geheimrates Ehrift. Hauber 940 Werke in 8000 Bänden zu. 1839 wurde durch die Oberkirchenbehörde bejtimmt, daß jährlich 300 fl. für die Biblio» the zu verwenden jeien, 1854 murbe die Summe auf 400 fl. erhöbt, 1857 erhielt die Bibliothef aus dem Nachlaß des Geheimhofrates Direftor E. Kärcher einen meitern Zuwachs von 593 Werken, fo daß fie 1871 die jtattliche Anzahl von 6000 Werken zählte.

Bibliothekar war früher der Rektor, jeit 1807 aber verfieht ein Lehrer diejes Amt. Der langjährigen, aus dem Mangel an Raum hervorgegangenen Unordnung wurde 1852 durch die fleikige, ordnnende Urbeit des Hofrates E. Fr. Godel abgeholfen, 1858 und 1871 bearbeiteten die Profefjoren K. Bilfinger und Sohn die Kataloge; die bis 1874 in den untern Mittelräumen des nördlichen Lyceums— flügel3 aufgeftellte Bibliothek befindet fich jegt in dem neuen Gym- naſium.

Die Oberbehörde der Schule war von Anfang an die oberſte Kirchenbehörde, 1807 auf kurze Zeit unter dem Grafen von Benzel⸗ Sternau die Generalſtudienkommiſſion, 1809 wieder der Oberfirchenrat, 1836 der Oberftudienrat, und ſeit 1862 der Oberjchulrat.

Ephoren der Anftalt waren 1792-1803 Hofrat 8. von Marichall, jodann nach langer Unterbrechung 1822—28 Staatsrat K. Ph. von Zyllenhardt, hierauf nach zehnjähriger Friſt 1838 —54 Prälat Hüffell, 1855—58 Staatsrat Rüdt von Collenberg, 1858 —62 Staatsrat Nüßlin, 1862-—71 Prälat Holgmann.

Als Direktoren ftanden an der Spite der Anftalt 1798 bis 1808 Gottl. U. Tittel, 1808—1814 3. P. Hebel, 1814—1837 Jak. Fr. Th. Zandt, 1837—1855 Ernſt Fr. Kärcher, 1855—60 K. Fr. Vierordt, 1860—67 E. Fr. Godel, jeit 1867 ©. Wendt. Das Jahr 1885 hat in Folge gejeßlicher Beſtimmung ein neues Kollegium mit dem Titel Beirat der Diretion und dem Lehrer- tollegium an die Seite geftellt, bejtehend aus angejehenen Bewohnern der Stadt unter Beizug de3 Direktors und eines Mitgliedes des Lehrerkollegiums, deſſen Wirkungsfreis neben der Aufgabe, nähere Beziehung zwiſchen Eltern und Schule zu unterhalten, ſich auf die

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Mitwirkung bei einzelnen disciplinarifchen, dkonomiſchen und admini⸗ ftrativen Angelegenheiten erjtredt.

Die Einkünfte des Gymnafiums fließen aus Schulgeld, aus Kapitalzinjen, aus dem frühern Drudereiprivilegium, aus Stiftungen, aus kirchlichen Mitteln und jpätern Zuweiſungen von verjchiedenen Kaſſen.

Von dem Gymnaſium nach und nach zugefallenen Stiftungen führen wir an: die Felderſche von 1626, die Beyerbechſche von 1649, die Katharina-Barbaraftiftung von 1733, die Magdalena-Wilhelmine- ftiftung 1734, die von Bernholdfche 1761, die von Gültlingenjche 1767, die Xidelliche 1786, die Hauberjche 1827, die von Schülern gejtiftete Gerftnerftiftung 1834, die von Kärcher, in Gemeinjchaft mit Berehrern Hebels, 1850 ins Leben gerufene Hebelftiftung, die Schiller- ftiftung vom 10. November 1859, die den 19. Mai 1862 durch Großherzog Friedrich zur Förderung deutjcher Beredfamkeit und zur Ermedung und Belebung vaterländiichen Sinnes gegründete FFichte- ftiftung. _

Daß unjer Gymnaſium auch an allen, das geiftige und vater» ländijche Leben des deutjchen Volkes berührenden Anläjjen und Heften regen Anteil nahm, davon geben Zeugnis das im Novem- ber 1859 abgehaltene dreitägige Schillerfeft, davon der am 19. April 1860 gefeierte Todestag Melanchtbons, des Präzeptord Germaniae, der am 10. Mai 1860 begangene Todestag Hebel, die im Jahr 1870 erfolgte freudige Teilnahme aller Oberprimaner bis auf 4, und vieler Unterprimaner an dem franzöfiichen Feldzug, der am 6. Ditober 1871 gefeierte Empfang des als Kaifer bier einziehenden Königs Wilhelm von Preußen, das 1874 mitgefeierte Jubelfeſt des Prälaten Holgmann, die lebendige Teilnahme der Anftalt an der den 27. September u. fi. bier abgehaltenen Verſammlung deutjcher Philologen und Schulmänner, die am 10. November 1883 abge- baltene Qutherfeier, ſowie der rege Anteil an allen ernjten und freu— digen Ereigniffen, welche die badiſche Fürftenfamilie betroffen haben. Die neuefte großartige Schulfeier, die Feier des 300jährigen Be— ftandes der Anstalt, welche den 22—-23. November 1886 abgehalten wurde, Feſtgottesdienſt, Feſtzug, Schulfeier in der Feſthalle, Feſteſſen, Feftvorftellung in dem Theater, Schauturnen, dramatijche Aufführung des Philoktet von Sophofles und Feſtbanket find uns Allen noch in friiher Erinnerung.

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Das Polytechnikum. Aus den in unſerm vorhergehenden Abſchnitte geſchilderten techniſchen Schulen, ſowie aus der Realſchule des Gymnaſiums ging das polgtechnifche Inſtitut, die erſte techniſche Hochſchule Deutſchlands, mittelbar hervor.

1807 wurde durch Karl Friedrich eine Ingenieurſchule mit dreijährigem Kurs, und ein Ingenieurbureau mit zweijährigem Kurs für praktiiche Ausbildung gegründet, und unter die Leitung des damaligen Ingenieurkapitäns I. Gottfr. Tulla, geb. 1770, geſt. 1828, geftellt. Die Zöglinge mit der nötigen Gymnafialvorbildung fanden mit 14—15 Jahren Aufnahme. Um 1813 erhielten fie durch den Profeſſor 3. Fr. Ladomus aus Bretten, geb. 1783, geft. 1854, Unterricht in der Arithmetik, Geometrie, Trigonometrie, Algebra, Differential» und Integralrechnung, durch den Profeflor K. U. Kayſer in der Statik, Hydroſtatik, Meroftatit, Mechanit und Hydraulik. Zur praktischen Ausbildung bejuchten fie das unter Tulla jtehende Ingenieur- bureau, welches fich damals gerade mit Landestriangulirungsarbeiten beichäftigte. Dieje Ingenieurjchule beftand in ihrer Sonderftellung fort, bi8 1825 die Gründung des Polytechnitums erfolgte, welches num zum Teil als Vorbereitungsichule für Ingenieure diente, bis 1832 für diejelben eine eigene Fachſchule an dem Polytechnikum errichtet wurde,

1808, den 8. September, erhielt der 1772 in Schleswig ge- borene, 1807 zum badischen Oberforftrat ernannte Chr. Peter Laurop die Erlaubnis zur Gründung einer Forſtlehranſtalt auf feine Koften, und 1809 wurde diejelbe eröffnet. Laurop unterrichtete allein feine 7 Schüler, bald wurden aber zwei Lehrer, der eine für Mathe- matif, der andere für Forſtwiſſenſchaft nötig, und 1813 wirkten an derjelben unter Laurops Leitung und Mitwirkung Forftrat Val. Sicher, geſt. 1827, nebft zwei weitern Lehrern für Mathematik. Die Forftplantage befand fich bei dem großen Ererzierplag, das halb- jährige Schulgeld betrug 66 fl.

1825, den 7. Oktober, erflärte ein Erlaß des Großherzogs Lud⸗ wig: „In unjerer Haupt» und Refidenzjtadt Karlsruhe wird eine Poly: technische Schule als allgemeine Landesanftalt errichtet, und es wird derfelben der linke Flügel des Lyceumsgebäudes zur Benutzung zuge- wieſen, ſoweit derjelbe nicht für das Lyceum nötig iſt.“ Der Plan zur Errichtung diefer Anftalt, welche nun die Baufchulen Wein- brenners und Arnolds, Tullas Ingenieurfchule und die in Freiburg beftehende höhere Gewerbſchule in fich vereinigte, war von dem da—

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maligen Staatsrat Nebenius ausgegangen, und hatte des Großherzogs verjtändnisvolle Zuftimmung gefunden. Als Vorbereitung für die Spezialfächer wurde der Anftalt eine mathematifche Vorſchule, anfangs mit zwei, 1843 mit drei Jahresfurjen angefügt. Oberbehörde war noch die evangelifche Kirchenfektion.

Noch beitand die Forftichule für fich, ala den 6. September 1832 eine landesherrliche Verordnung beftimmte, daß diejelbe ebenfalls mit dem Polytechnikum verbunden werden follte. Im dem Jahre darauf, 1833, wurde Dr. Bal. Bronn Direktor der Forftichule, ftarb aber ichon 1834, und Laurop wurde jein Nachfolger, bis derſelbe 1842 penfioniert wurde, und Klauprecht die Direktion übernahm. Nach Klauprecht folgte Dengler, auf diejen VBonhaufen, und jeit deffen Ab- gang mwechjeln Schuberg und Weiſe ald Direktoren.

Nach Weinbrenner® Tode 1826 wurde die von ihm geleitete Baufachichule noch bis 1832 fortgeführt, löste jich aber in dieſem Jahre einerjeit3 in die mit dem Polytechnikum verbundene höhere Gewerbsſchule, andererjeit3 in die dortige Fachſchule für bürgerliche Baukunſt auf.

Nach der Drganifation von 1832 bejaß nun das Polytechnitum eine Vorjchule mit zwei Klaſſen, eine mathematijche Schule mit zwei Abteilungen, eine Ingenteurfchule, Bauſchule, Forftichule, eine höhere Gewerbichule und eine Handelsjchule. 1843 wurde die mathematifche Schule um eine Abteilung vermehrt, 1846 aus der höhern Gewerb- ſchule eine mechanijch=technijche und aus diefer nach und nach eine Maſchinenbauſchule und eine chemiſch-techniſche Schule gebildet. Weiter erfolgte 1847 die Anfügung einer Poftjchule, umd 1851 einer nach drei Jahren wieder aufgehobenen, 1864 aber aufs neue errichteten Landwirtichaftsichule. 1855 wurde die Poſt⸗ und Handelsjchule aufgehoben. Neue Veränderungen brachte das Jahr 1863. Die Vorſchule und die erfte mathematiiche Klaſſe gingen in- folge der Gründung einer ftädtiichen höhern Bürgerſchule ein, und 1865, den 31. Januar, erhielt die Anftalt den jegigen Karakter einer technischen Hochſchule zur Ausbildung von Ingenieuren, Architekten, Mafchinentechnitern, Chemikern, Forft- und Landwirten, auch Kamera- liften, Pharmazeuten, Geometern und Lehrern der Mathematik und der Naturwiſſenſchaft.

Das Lehrerkollegium zählte 1870 42 Mitglieder, die Leitung und Verwaltung der Anftalt befteht aus dem Direktor, dem Kleinen

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und großen Rat, einem WReipizienten in VBerwaltungs- und einem ſolchen in Rechtsſachen, dem Sekretär und Rechner.

Das phyſilaliſche Kabinet des Lyzeums, unter K. W. Böckmanns Leitung, befand ſich, wie ſchon erwähnt, ſeit der Erbauung des linken Flügels, 1805 ff., in den drei Sälen des Mittelbaues im zweiten Stod. Nah der Gründung der polytechnifchen Schule wurde es 1832 auch für dieje zur Benutzung bejtimmt, und blieb es, bis 1859 die polytechniſche Schule ihr eigenes Kabinet erhielt. Das bisherige Kabinet ftand nach Böckmanns Tode feit 1821 unter dem Brofeffor Wucherer, 1834 unter Hofrat Seber, 1840 unter Profefjor Wilh. Eifenlohr bis zu deſſen Tode, und erhielt unter diefem 1841 und 42 4000 und 2000 fl. Staatszuſchüſſe.

Das jetzige Gebäude der polytechniſchen Schule in der Kaijer- ftraße wurde, nachdem 1830 der befannte Stulz von Kippenheim in London 30000 fl. für diefelbe und für das Seminar geftiftet, der Landtag von 1831 15000 fl. Staatszuſchuß verwilligt, und das Lyceum dringend um NRüdgabe der ihm nötigen Räume gebeten hatte, 1833—35 durch Oberbaurat Hübſch in byzantinischem Stil erbaut. Das Portal zieren die Marmorftatuen von Raufer, Kepler und Er- win von Steinbach darjtellend, und das Ganze war für 300 Schüler berechnet. Während des Baues 1834 mar ein Teil der Anftalt in dem Erhardtichen Haus Ede der Adler- und Spitalftraße, jet Gajt- haus zum Nußbaum, untergebracht. Schon 1850 war der neue Bau nicht mehr ausreichend, und es wurde in dem Hofe desjelben ein An- bau in der Form eines T ausgeführt. 1851 wurde, nach Welgiens Angaben, durch Oberbaurat Lang das chemische Laboratorium erbaut, 1857 erweitert, und 1859, nach Nedtenbachers Anleitung, duch Baurat Fiſcher die Mafchinenbaufchule errichtet.

Da 1858 die Anzahl der Studirenden bi3 auf 600 geftiegen war, jo murde eine durchgreifende Bauveränderung unabmeislich. 1864 wurde num durch den vorgenannten Oberbaurat Filcher, unter Bugrundlegung des Planes von Hübjch, der Umbau in der Art vor- genommen, daß der vorhandene Bau als linker Flügel ftehen blieb, und daran weſtlich der jetzige Mittelbau und der rechte Flügel ſich anſchloſſen.

Mit wiſſenſchaftlichen Sammlungen, Apparaten und Inſtituten iſt die Anſtalt reichlich ausgeſtattet, und der Ruf derſelben reicht weit über die Grenzen unſeres Heimatlandes hinaus, ſo daß Studirende

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aus den entfernteften Ländern um die Lehrftühle der Dozenten fich jammeln, und ein von dem Karlsruher Polytechnikum auögeftelltes Diplom vielfach den Wert eines abgelegten Staatderamens erſetzt, zumeilen jogar überbietet.

Unter den Männern, welche an der Anftalt jeit ihrer Gründung bi8 an die Grenze der lebten 20 Jahre in hervorragender Weiſe gewirkt haben, nennen wir die Ingenieure Redtenbacher und Franz Keller, die Architekten Hübih und Fr. Eijenlohr, den Phnfiter W. Eijenlohr, den Botanifer Mori Seubert, den Chemiker Welgien, die Mineralogen und Geologen Waldner und Sandberger, den Hiftoriler Baumgarten, den Kunfthiftoriter Woltmann und Andere.

Un dem Kriege 1870—71 nahm eine große Anzahl Polytech- nifer als Einberufene und als Freiwillige teil, von denen jech3 den Tod fürs Vaterland ftarben. Eine Tafel in der Vorhalle trägt die Namen der Gefallenen.

Bereine, welche mit der Polytechniſchen Hochjchule mehr oder weniger zujammenhängen, find der badijche Forftverein, die geogra- phiſche Gejellichaft, der Ingenieurverein, der badiſche Technikerverein, der naturwiljenjchaftliche Verein, der 1835 im September gegründete Architektenverein, welcher, einige Zeit mit dem 1868 geitifteten poly- techniichen Verein verbunden, dann wieder von demjelben getrennt, 1885 jein 5Ojähriges Jubiläum feierte. Der polytehnijde Verein, welchem die große Mehrzahl der Lehrer und Studirenden angehört, ift eine hauptjächlich gejelligen und künſtleriſchen BVeranftal- tungen und Darftellungen gewidmete Bereinigung der Angehörigen des Polytechnikums.

Die höhere Bürgerjhule, jegt Realſchule. Die mit dem Lyceum verbundene Nealjchule hatte bis 1842 dem Bedürfnis einer über die einfache Volksſchule hinausgehenden Schulbildung des Bürger- und Gewerbeftandes Rechnung getragen, zugleich aber auch neben den technischen Privatichulen ala Vorbereitung für höhere tech- nische Berufsarten gedient. Nachdem nun 1825 die polgtechnifche Schule gegründet, und 1832 die mathematiihen Vorbildungsklaſſen damit verbunden worden waren, war die Realjchule des Gymnaſiums nach diejer Richtung bin zwecklos geworden, für die höhere Ausbil- dung des Bürgerftandes aber genügte diejelbe, ohnedies nur ein läftiges Anhängjel des Lyceums, nicht mehr. Daher wurde 1837 bei der Drganijation des höhern Schulmeiens die Gründung der jog. höhern

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Bürgerſchulen in Ausſicht genommen, und bald darauf traten ſolche ſelbſt in kleinern Städten des Landes ins Leben.

Obwohl ſchon 1838 die Stadt durch die Oberſchulbehörde zur Er— richtung einer ſolchen Schule aufgefordert worden war, welche an die Stelle der Realſchule und der Vorſchule des Polytechnikums treten ſollte, zog fih die Sache doch durch mehrfache Verhandlungen, beſonders über die Geldfrage, und durch politiiche Ereigniffe bi3 zum Jahre 1860 hinaus. Durch einftimmigen Beichluß der bürgerlichen Behörden wurde nun der Bau eines dazu bejtimmten Schulgebäudes in dem Zirkel Nr. 22 entichteden. Dasjelbe wurde 1863 für 70000 fl. vollendet, und im Dftober die fiebenklajfige Höhere Bürgerjchule eröffnet. Das Latein wurde für freiwillige Teilnehmer in den Lehr: plan aufgenommen.

Über jchon vor 1866 war der Plan entitanden, neben diejer Unftalt nach dem Mufter der preußischen Realjchulen 1. Ordnung ein Realgymnafium mit Lateinunterricht hier zu errichten, und im Dftober 1868 wurde dasjelbe eröffnet, obwohl vorerft noch als eine mit der böhern Bürgerjchule fombinirte Anjtalt unter gemeinjamer Direktion und in demfelben Gebäude. Dieſe Berbindung blieb indefjen teils aus Mangel an Raum, teil3 aus fachlichen und pädagogijchen Grün— den, nur bis 1871 bejtehen. 1871 im Herbſt wurde die nun abge- trennte höhere Bürgerjchule mit ſechs Klaffen in das Gebäude der frühern Töchterjchule verlegt, wo fie blieb, bis fie im November 1873 mit 400 Schülern das von Baurat Lang in der neu eröffneten Schul: ftraße, Eingang Waldhornſtraße Nr. 9, errichtete, dreiftödige, neue, äußerlich und innerlich monumentale und zweckmäßig ſchöne Schulhaus beziehen konnte. Jetzt jteht die Anſtalt jeit 14. Dezember 1884 unter dem Namen Realjchule, mit ſechs Klaſſen in fieben Jahreskurſen und einer 1884 errichteten kaufmännischen und technifchen Fachichule, unter der Direktion des Profeſſors Dr. Firnhaber, und zählte 1886 571 Schüler. Das Schulgeld der oberjten Klaffe beträgt 42 Mt.

Die aus dem jechsten Jahreskurs Abjolvirten erwerben das Reife— zeugnis al3 Einjährige, die Berechtigung zur prüfungslojen Aufnahme ala Poſt- und Telegraphengehilfen und in den Reichsbankdienſt, ſowie die Befähigung zum Eintritt in die technijche Hochichule als Stu- dierende, zum Eintritt in den niedern Eifenbahndienft und zur Ab- legung einer Prüfung ala Gewerbejchul- und Zeichenlehrer. Der erfolgreiche Beſuch der zweiten Klaſſe gewährt die Zulafjung zur Prü—

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fung ala Poft- und Xelegraphengebilfen und Aftuariatsinzipienten, der aus der dritten Klaſſe Austretende erlangt das Necht des Ein- tritt3 in die Fachſchule der Baugewerkeſchule.

Das Realgymnafium. Nachdem die höhere Bürgerfchule, von dem Realgymnafium getrennt, eine eigene Heimftätte gefunden hatte, blieb auch diejes nicht mehr lange in dem Haufe Zirkel Nr. 22. Im Sommer 1874 wurde für dasjelbe ebenfalls in der Schulftraße, der Neubau eines Schulgebäudes begonnen, welches von demſelben bewährten Baumeifter in gleicher Stodhöhe und mit nicht meniger ſchöner und zwedentiprechender äußerer und innerer Ausſtattung er- baut wurde, jo daß es am 8. Juni 1876 von dem Realgymnaftum in Befiß genommen werden konnte.

Das Realgymnafium mit acht, jeit 1879— 80 mit neun Klaſſen und obligatorishem Lateinunterricht, fteht unter der Leitung des fchon jet 1863 an der frühern kombinirten Anftalt wirkenden Direktors K. Kappes.

Das Realgymnafium erteilt durch das Reifezeugnis aus Ober— prima die Berechtigung zum Studium und der Staatsprüfung in Mathematit und Natırwifjenjchaften, in dem Berg⸗ und Hüttenfach, dem Forftfach, dem Ingenieurfah, Maſchinenbaufach, Baufach, Poſt⸗ fach, höhern Eifenbahnfah und dem Eintritt ala Fähnrich in das Militär. Das Reifezeugnis aus Oberjefunda gewährt die Zulaffung zum FFinanzgehilfen, Geometer und zur Fähnrichaprüfung, das aus Unterjetunda zum einjährigen Militärdienft, zum niedern Eijenbahn- und Poſtdienſt und zum Wpothefergehilfendienft, und endlich die Ab— folvirung der Obertertia die Zulafjung zum Aftuariatsdienft.

Bon 190 Schülern im Jahr 1880 ift die Anzahl derjelben bis Dftober 1885 auf 433 geftiegen. Das Schulgeld beträgt 60 ME, die Aufnahme 4 ME.

Nah allgemeiner Einführung der Gemwerbejchulen*) im Lande wurde 1835 auch hier die Gewerbſchule für Gemwerbslehrlinge gegründet. Sie erhielt ihren Unterricht anfangs in dem Schulhaufe Birkel Nr. 22, mußte aber 1863 der neugegründeten Baugewerke— ichule Pla machen, hatte von da an fünf beicheidene Räume in dem ſüdlichen Teile des Rathauſes inne, bis diejelbe 1882 in den fildlichen

*) Schon 1764 wurde, wie wir oben ©. 309 gefehen, eine Art ftädtijcher Gewerbſchule in dem Rathaus gehalten.

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Flügel des alten Lyceums verlegt wurde. 1884 zählte dieſelbe 2 Hauptlehrer mit 6 Nebenlehrern und 200 Schülern.

Im Herbit 1878 murde auch die Baugewerkeſchule als Vorbildung für Bautechniter (Werkmeifter), ſeit 1885 auch für niedere Mafchinenbautechniter und für künftige Gewerbelehrer gegründet. Sie bat ihr Lokal ſeit 1863 in dem Haufe, Zirkel Nr. 22, und ift von 120— 130 Schülern bejuht. Der Staatsaufwand dafür beträgt 35 000 Mt.

1868 wurde in dem Lokal der Zandesgewerbehalle, mit diejer in Verbindung, eine technijch-gewerbliche Lehranftalt für höhere Ge- werbe und Künfte errichtet, und 1878 an deren Stelle die Kunſtge— werbejchule unter Kachel, geft. 1878, gegründet. An derjelben wirken gegenwärtig unter Direftor Götz zwölf Lehrer und Gebilfen.

Der Unterricht umfaßt zwei einjährige Vorkurſe und vier Fach— kurſe, einen Architekturkurs für Urchiteftur- und Möbelzeichnen, Me— tallarbeiten, Keramik u. U., einen Bildhauerfurs für Modelliren, Holzſchnitzen, einen Ciſelirkurs für Cijeliren und Graviren, und einen Dekorationskurs für Dekorationsmalen und Ornamentik. Außerdem bietet die Anftalt Gelegenheit zur Ausbildung von Zeichenlehrern. Diefelbe wurde 1885 von 172 Schülern bejucht, und bat auch im Auslande mohlverdiente Anerkennung gefunden. Der Staatäbeitrag beträgt etwa 31000 Mt.

1851 murde hier in Verbindung mit dem Tandwirtjchaftlichen Verein eine landwirtihaftlide Mufter- und eine Garten- baujhule gegründet und den 1. März 1853 in der Rüppurrer- ftraße Nr. 31 eröffnet, fowie fich in neuerer Zeit auch ein Brivat- gartenbauverein gebildet hat.

Das zu Ende de3 Jahrhunderts, 1787 gegründete Ruf ’jche Privatinftitut, von bis zu 100 Mädchen und jüngern Knaben befucht, bejtand bis zu Ruf's Tode 1825 in dem Haufe Nr. 1 der Erbprinzenftraße (Velten) fort. Das Schmidburg’iche (S. 307 ff.) ging bald nach 1800 ein. Um das Jahr 1813 hatte fich neben dem Aufihen dag Graimberg' ſche Privatinftitut mit Penſion gebil- det. Im diejem erhielten Töchter höherer Stände Unterricht in Re: ligion, Geichichte, Mythologie, Geographie, Naturgeichichte, Techno- logie, deutjcher und franzöſiſcher Sprache, Zeichnen, Mufil, Tanzen, weiblichen Arbeiten und Haushaltungsgefchäften. Die Umgangsiprache

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war nur franzöfiih. Dasjelbe wurde aber noch vor der Gründung der höhern Töcherſchule nach Mannheim verlegt.

1810 hatte auch der Bibliothefsdiener Wernlein vorübergehend eine franzöfiiche Schule errichtet.

Die ftädtijhe Höhere Töchterſchule wurde 1825 biz 1827 durch gemeinfames Zuſammenwirken der Staat3- und Gemeinde- behörden gegründet und nach einem feierlichen Einweihungsaft in dem Rathausfaal, den 1. Mai 1827 in dem Haufe Nr. 5 der Nitterftraße, dem jegigen Nebenpoftgebäude, eröffnet. Die Stadt übernahm die Garantie für die Mindereinnahme, jowie die Sorge für Haus und Requisiten. 1838 wurde die Anftalt zur ftädtiichen Anftalt mit er- weitertem Lehrplan, deren Lehrſtellen mit Rüdfichtnahme auf die Wünſche der Stadtbehörde bejegt werden jollten, und zu welcher die Stadt in den legten zehn Jahren einen durchjchnittlichen Beitrag von 16 900 Mt., der Staat von 5000 ME. Teiftete. 1878 wurde fie mit der Benennung Höhere Mädchenſchule als Mitteljchule für die weibliche Jugend anerkannt. Die urfprünglih auf 5 Klaſſen mit zweijährigen Kurjen angelegte Schule zählt jett, mit Einfchluß der 1878 damit verbundenen dreiflafligen Vorſchule, 7 Klaſſen, deren jede, mit Ausnahme der oberften, aus zwei PBarallelabteilungen be- fteht, und war 1886—1887 von 535 Mädchen im Alter von 6 bis 16 Fahren bejucht. Als ftändige Lehrer an derjelben wirken drei Profefforen, zwei Neallehrer, vier Hauptlehrer, ein Qurnlebrer, neun Lehrerinnen und acht Hilfslehrer und Lehrerinnen für einzelne Fächer. Der ftändige Auffichtsrat befteht aus 15 Mitgliedern unter dem Vorſitz de3 Bürgermeifters. Vorftände der Anftalt waren 1827 bis 1848 8. Kärcher, 1848—1852 Stoß, 1852—1876 8. Mof- dorfi, 1876— 1877 proviſoriſch K. Specht, jeit 1877 Profefior Dr. Th. Löhlein, mit dem Titel Direktor.

Aus dem Haufe der Ritterftraße wurde diejelbe 1870 im Dftober in die Kreuzftraße Nr. 15 verlegt, 1877—1878 ließ die Stadt durch DOberbaurat Lang das gegenwärtige Schulhaus, Nr. 14 der Sofienftraße, erbauen, welches den 16. November 1878 bezogen wurde.

Als bejonderer Wohlthäter der Anjtalt ift der Stadtrat H. V. zu nennen, welcher 1883 und 1885 derjelben 5000 und 2000 ME. zumandte.

Zur Förderung der höhern Mädchenbildung hat ſich auch in Karlsruhe ein Landes- und Ortsverein gebildet.

Den Unterricht für Taubftumme hatte Karl Friedrich 1781

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vorbereitet und 1784 in feinem Lande eingeführt. Nachdem er jelbft in Leipzig die dortige unter Direktor Heinife jtehende Anftalt einges ſehen hatte, ließ er den Kandidaten Hemeling, nachherigen Hofbi- bliothefar, dorthin und nach Wien reifen, um fich mit der Methode des Unterrichts bekannt zu machen. Nach deſſen Rückkehr 1784 er- hielten die Seminariften durch ihn Unterricht in der Lehrmethode, es wurden anfangs 5—6 von Geburt an Taubjtumme aufgenommen, welche, bei richtigen Pflegeeltern in Privathäujern untergebracht, in einem 7— Hährigen Kurz Unterricht erhielten. Hemeling leitete ben Unterricht auch noch im Anfang unſeres Jahrhunderts. Als derjelbe alt und kränklich geworden, wurde der junge Kollaborator an dem Lyceum, 3. ©. König, 1812—1813, nach Paris gejchiet, um in der dortigen, unter AbbE Sicard ftehenden Anftalt die Methode zu ſtu— diren, und ebenjo wurde er von der Regierung 1813 nach Zürich gejendet, um dort die Methode des Blindenunterrichtes kennen zu lernen. 1814 in feine Stelle an dem Lyceum zurüdgetreten, murde er Hemelings Gehilfe bi3 1816, und in diefem Jahre bis 1818 Hauptlehrer an der Taubftummenanftalt, in welchem Jahre er an das Lyceum zurüdtrat. 1817 war Hemeling gejtorben. 1826 wurde diejer Unterricht als eine eigentliche Staatsanftalt nach Pforzheim verlegt, und zur Aufnahme von Zöglingen in der Anftalt jelbjt eingerichtet. Seit 1865 ift diejelbe nach Meersburg verjeßt, und jeit 1875 eine zweite in Gerlachsheim errichtet, welche beide zujammen über 200 Schüler zählen.

Anstatt der frühern Inftitute für Mädchen von Graimberg und Ruf bildeten fich, neben der ftädtifchen Töchterjchule, 1840 u. ff. als Brivatinftitute, das der drei Schweitern Schmidt, Bähringer- ftraße Nr. 71, für Elementarfächer, Franzöſiſch und weibliche Arbeiten mit 20 Schülerinnen, das der Fräulein Sonntag mit 70 80 Schülerinnen, mit 5 Lehrern und 3 Lehrerinnen und 24—60 fl. Schulgeld, und das von Herrn und Frau Boifot, ſowie das Wet- tach'ſche in der Stefanienftraße, unter befonderer Protektion der Groß— berzogin Softe, mit 9 Lehrern, 5 Lehrerinnen und 50 Schüle— rinnen. Der Penfionspreis betrug 40 Louisdor, da3 Schulhonorar 100 fl., Muſik und Tanz gehörten mwejentlich auch zu den Unterricht3- gegenftänden. Ebenjo find aus den jech3ziger Jahren u. ff. zu nennen die Privatlehranftalt von Fräulein Donad, Herrenftraße Nr. 23, die Lafontainejche, Kajernenftraße Nr. 6, das adelige Damenftift, lange Straße Nr. 241, die Dffenburger Klofterjchule, Waldhornftraße Nr. 3.

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Als gegenwärtig hier beftehende Bildungsanftalten verjchiedener Art führen wir zum Schlufe hier an: die Handelsſchule Karl-Frie- drichftraße Nr. 9, das Konfervatorium für Muſik Sofienftraße Nr. 11, die Turnlehrerbildungsanftalt Bismardftraße Nr. 12, das Inftitut für Vorbereitung zum Einjährigendienft von U. Fecht Kriegsftraße Nr. 100, die Viktoriajchule, früher Derndinger, Waldftrafe Nr. 56, das Vik—⸗ toriapenfionat Kaiferftraße Nr. 241, das Friedländerſche Imftitut Stefanienftraße Nr. 74, die Mrbeitsfchule für Kunftftiderei Lintenhei- merftraße Nr. 2, die Haushaltungsichule Leopoldſtraße Nr. 59, land» wirtjchaftliche Winterſchule Rüppurrerftraße Nr. 31, Wiefenbaufchule Zirkel Nr. 22, die Sprachheilanftalt von Mofetter Werderſtraße Nr. 29, die allgemeine Volksbibliothek Karl-Friedrichftrafe Nr. 9, welche letztere 1873—1875 durch den Karlsruher Männerhilfsverein gegründet wurde, ſowie den Arbeiterbildungsverein mit eigenem Haufe in der Wilhelmsſtraße Nr. 14. Hieher gehören auch die zahlreichen öffentlichen Vorträge, welche von einzelnen Vereinen und Gefellichaften, wie dem Mujeum, der Eintracht, dem kaufmännischen Verein u. a., regelmäßig veranftaltet werden.

10. Runſt und Tiferafur, fremde Gäſte.

Noch war im Jahr 1803 kein eigenes Theatergebäude bier vorhanden. Die Vorftellungen fanden immer noch in dem vor dem Lintenheimerthor gelegenen Kombdienhaus, einem alten Orange- riegebäude, ftatt. Neben diejem Gebäude wurde aber, wie e3 fcheint, in der erften Zeit nach dem Abbruch des Schloſſes und de3 darin befindlichen Hoftheater3, auch das Drangeriegebäude zwiſchen Adler- und Kronenftraße zu Theatervorftellungen benutzt, denn nach einer Ungabe aus dem Jahre 1761 (S. ©. 310) fpielt die Adermannfche Gejellichaft in der Zirkelorangerie die „Merope“.

Nachdem Baden fich rafch vergrößert, und das Fürſtenhaus jelbft dadurch, ſowie durch die Familienverbindung mit den erften Fürſten— häuſern Deutjchlands und Europas, eine bedeutendere Stellung in der politischen Welt gewonnen hatte, wurde der Bau eines eigenen Thea- ters zur unabweislichen Notwendigkeit und, troß ſchwerer Belaftung der Staatskaſſen infolge der fortwährenden Kriege, durch Karl Frie— drich beichloffen. Er ſchickte daher feinen Baudireftor Weinbrenner mit

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dem Theaterintendanten v. Geuſau nach Paris, um dort bezügliche Studien zu machen, forderte Gutachten von andern Sachverjtändigen ein, und jchaute ſich auch nach den geldlichen Mitteln zur Ausfüh— rung um. Da die Staatsfafje nicht hinreichend über ſolche verfügte, mußte die Privatopferwilligleit der Karlsruher helfend ins Mittel treten. Einzelne wohlhabende Einwohner zeichneten zur Gründung eine? Baufapitals ihre Beiträge, für welche ihnen 5 Prozent Zinſen gewährleiftet wurden, jo 3. Ad. Weißinger 2000 fl., Kreglinger Bater und Sohn je 2000 fl., Mallebreind Wittwe 1000 fl., Fräulein von Uertüll 3000 fl., Hofichreiner Gräßle 2000 fl., Hofichmied Bod 300 fl., der Judenjchultheiß Hayum Levi 3000 fl., Hofagent Haber und Küfer Vorholz je 500 fl., Pojamentier Lang 1500 fl., Buch: halter Schweidardt 200 fl., Fräulein R. v. Holzing 1200 fl., Hof: rat Holzings Erben in Regensburg 500 fl., Pfarrer Bernhold in Kleinkems 300 fl. u. U.

So konnte nun, in Erwartung weiterer Zuſchüſſe der Hof- und Staatstaffe, der Bau unternommen werden. 1804— 1805 wurde daher durch die Baukommiſſion Weinbrenner, Frommel und Fiſcher ein in Beratung mit dem Intendanten vereinbarter Bauplan ausgearbeitet und vorgelegt. Den 26. März 1806 wurde der Bau endgiltig be- ichloffen, und im Winter 1806/1807 die Fundamente auf dem Platze des abgerifjenen mittlern Orangeriegebäudes gelegt, jo daß im Herbft 1808 der Neubau fertig war, den 10. Oktober die vorläufige, und den 9. November die feierliche Eröffnung jtattfinden konnte.

Der Bau war zwar der Erſparnis wegen möglichjt in Holz ausgeführt, doch hatte 1809 der Generalfafjier Obermüller ftatt des urfprünglichen Voranſchlags von 29000 fl. jchon 65000 fl. dafür ausbezahlt. Abgeſehen von der in mancher Beziehung feuergefährlichen Anlage, war das Theater für jene Zeit ein gefälliger, zweckentſprechen⸗ der und anjehnlicher Bau.

Der Logenmeifter Kreuz erhielt 1809 die Erlaubnis, Getränte, wenigſtens an das Perjonal, auszufchenten, dies wurde ihm aber 1812 wegen vorgelommenen Mifbrauches -und Unfuges wieder unterjagt, weil ohnedies die an den drei Spielabenden offene Schenke von Ripa- monti in der Nähe war.

1811 wurde das Theater mit Schiefer gededt, 1817 die Heizung eingeführt, und 1826 nahm ein gewifler Herr von Schlid nach dem Mufter von PBarifer Theatern zur Verbefferung der Aluſtik verjchie-

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dene Veränderungen und Verbeſſerungen des Inbaues vor, welche aber 20 Jahre nachher verhängnisvoll für Karlsruhe werden follten. Man vermauerte mehrere Ausgänge, Tieß die Thüren fich nach innen öffnen, behängte die Logen und Gallerien mit reichen jchweren Draperien, überpolfterte den Plafond des Haujes, und füllte jpäter auch den Mittelgang des Parterres mit Sigen aus, um Raum zu gewinnen.

Der 28. Februar 1847 wurde zum Unglüdstage für das Theater, für zahlreiche Beſucher, und für die ganze Stadt.

An diefem Tage, einem Sonntage, war der „Arteſiſche Brunnen, * ein gern gejehenes Kaſſenſtück, angelündigt. Deshalb füllten fich die obern Räume ſchon gegen 5 Uhr mit Zufchauern. Bald nad) 5 Uhr aber ertünten die Feuerfignale durch die Straßen.

Eine unvorſichtig angezündete Gasflamme in einer fürftlichen Loge hatte die darüber hangende Draperie ergriffen, und mit rajender Schnelligkeit hatten die Feuerfluten die leicht entzündlichen Stoffe der Rogenverkleidungen und die PVolfterungen der Dede erfaßt, jo daß in faum 20 Minuten das ganze Innere in Flammen ftand, und dider, qualmender, erftidender Rauch alle Räume, bejonders die obern, er- füllte. In kopfloſer Angjt und Verwirrung drängte fich die erjchredte, halbbetäubte Menge nach den Ausgängen, aber dieje, nach innen fich öffnend, wurden durch die zudrängenden Mafjen ſelbſt verfchlofien, welche bald, Kopf an Kopf zujammengepreßt, nur noch einen Knäuel darftellten, in welchem der Stärkfere mit dem Schwächern den ver- zweifelten Kampf um das Dajein führte.

Da und dort gelang es einzelnen Gewandtern und Jüngern, jich von den obern Gallerien herab in gewagten Sprüngen von Sitzreihe zu Sitzreihe in das Parterre, und von da ins Freie zu retten, Andere vermochten mit übermenfchlicher Anftrengung geiperrte Thüren zu Iprengen und zu zertrümmern, und jo manchem ſonſt Rettungslojen den Weg zu bahnen, wieder Andere ftürzten fich aus den Deffnungen der obern und mittlern Stodwerfe auf Leben und Tod auf das Bret- terdach eines an der Weftjeite angebauten niedern Gebäudes, und fanden fo, wenn auch mit zerbrochenen Gliedern, ihre Rettung. Aus den Deffnungen jchlugen allenthalben die Flammengarben heraus, und einen jchauerlichen Anblid bot den Umftehenden ein aus dem Fenſter eines Abortes im dritten Stod herabhangender, unglüdlicher Jüngling, welcher, durch den ihm nachdrängenden Menjchentnäuel an dem untern Teil der Füße fejtgeflemmt, mit abwärts hangendem Kopfe, unter

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herzzerreißendem Gejchrei, in der unter ihm herausichlagenden Flamme jämmerlich verbrannte. Mit Mut und Ausdauer hatte die Karlsruher Bürgerjchaft und Feuerwehr unter ihren Führern Dölling, Bautz, Errleben, Rüppele und Goldjchmidt, gegen das mwütende Element ge— kämpft, da erichien auf der Brandftätte im Sturmjchritt ‚ein Häuflein von 50 Mann der Durlacher freiwilligen Feuerwehr unter ihrem Hauptmann, dem Baufontroleur Ehrift. Hengit. Dieje jeit 5 Jahren gegründete Feuerwehr der Nachbarftadt griff jofort, obwohl das große Ganze nicht mehr zu retten war, in geordneter, jachkundiger und fühnbefonnener Arbeit in das fernere Rettungswerk ein, und es gelang ihnen, wenigftens die jchwer bedrohten Gebäude der Intendanz und das Dekorationsmagazin vor Zerftörung zu jchügen.

Im Einzelnen hatten die Karlsruher wahre Heldenthaten mit todesmutiger Aufopferung verrichtet. Wir nennen unter ihnen die Hofichaufpieler Zeis sen., Rieger und Hod, die Rechtspraftifanten Guſtav und Karl Kärcher, die Polytechniker und Lyceiſten Walchner, Arens, Blind, von Bödlin, die Offiziere ©. v. PVeternell, v. Degen- feld, den Theatermeifter Knobloch, welcher zwei Perjonen rettete, während jein eigener Knabe in den Flammen umkam, den Iſraeliten Mor. Reutlinger, welcher durch Einbrechen einer jchweren Thüre 36 Perſonen das Leben rettete. Als weiter hervorragend thätige Männer find zu erwähnen: die Schloßmwächter Loos und Rapp, Hauptmann von Neubronn, Leutnant 3. Sache, Baumeijter Künzle, Hoffapell- meifter Fiſcher, Hoflattler Lautermilh, Bauinſpektor Berdmüller, Ingenieur Klingel, Bahnbofaufjeher Joſt, Majchinenmeifter Druti, Oberleutnant Schwarz, Kaufmann Dannbacher, Kommiſſionär Morz, Iſraelit Ad. Hirſch, u. a.

Nach 11 Uhr nachts war die weitere Gefahr vorüber. 62 Men: fchen hatten den Tod des Verbrennens und Erſtickens gefunden, unter ihnen 27 Dienftmädchen, 3 Soldaten, 22 jonftige Perſonen unter 20 Jahren, ‘und verhältnismäßig wenig ältere. Alle, ohne Ausnahme, gehörten den Bejuchern der obern Gallerien an.

Den 5. März, abends 5 Ubr, begleitete ein unabjehbares Traner- gefolge die in acht Särgen geborgenen, unfenntlichen Ueberrejte der Berunglüdten von dem Rathaus durch die lange und Waldhornftraße nach dem Friedhof, wo jet ein Denkmal die Namen der Umgekom— menen verkündet.

Einige Zeit nachher wurde in dem frühern Theaterlofal, dem

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Drangeriegebäude beim Linkenheimerthor, ein Nottheater errichtet, und bis zur Vollendung des Neubaues benußt. Diefer wurde 1851 durch Hübjch begonnen, fam bis November unter Dach, und wurde 1853 vollendet. Gewölbte, geräumige Treppenhäufer mit Steinftufen, ge plattete, weite Gänge, zahlreiche Ausgänge für Notfälle, folider Bau der großenteils aus Eifen Tonftruirten Gallerien, Logen und Deden, richtige Brandmanern und Löfchvorrichtungen bieten darin dem Publi- fum die Gewähr verhältnismäßiger Sicherheit.

Das Aeußere zeigt einen gejchmadvoll gegliederten Geſammtbau, defjen drei hinter einander liegende Hauptteile die Fagade mit Vor- halle und darüber jtehender Loggia (Balkon), der kreisförmige Mit- telbau mit dem AZufchauerraume, und der hinter demfelben ftehende erhöhte Bühnenbau bilden. Die plaftifchen Arbeiten des Giebelfeldes und der Façade, in Sandftein und Terracotta, ſowie die Deden- malereien de3 Zufchauerraumes find von Reich, Heinemann und Gleichauf, der alte Vorhang war von Poſe, der neue ift von Ferdi- nand Seller.

1853, den 17. Mai, wurde da3 Theater mit einem von Devrient verfaßten und von Strauß fomponirten Feſtſpiel, und mit Schillers „Sungfrau von Orleans“ eröffnet.

Schaujpieldireftor Vogel war, wie wir in unferer vorhergehenden Periode gejehen, 1803 mit einer gutgejchulten Truppe hieher über- gefiedelt und hatte jchon auf dem alten Drangerietheater für feine Beit Tüchtiges geleiftet. Sein Perjonal war von ihm auf drei Jahre angeftellt, wobei ala höchiter Gehalt eines Schaufpieler3 oder Sängers 1040 fl., der Sängerin Vio mit ihren Kindern 2000 fl. bezahlt wurden.

Die ökonomiſchen Verhältnifje des Theaters waren übrigens fort- während jchlimme, und, obwohl nad) dem Bau des neuen Theaters 1808, die Hofkaſſe jährlich 16500 fl. beitrug, auch Heizung und Beleuchtung beftritt, hatte die Theaterkafje doch für 1808 einen Aus- fall von 2200 fl. Dazu bemerkt Vogel, die Karlsruher jeien öfono- miſche Leute, bejuchten da3 Theater nur mäßig, und machten daneben doch unverhältnismäßige Anjprüche.

Zum Zweck größerer Eriparnis wurde daher vorgejchlagen, das Theater mit dem Mannheimer in Betreff des Perſonals zu vereinigen, oder auch e3 auf 10 Jahre an Aktionäre zu verpachten. Lebteres

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jcheiterte jedoch daran, daß die Aktionäre die Gemwährleiftung von 5 Prozent verlangten.

Auch über Mangel an Räumen, Requifiten, Dekorationen wurde vielfach Klage geführt.

Bis 1809 war das Theater unter Vogels Leitung und auf feine Koften, unter Mitwirkung eines berrjchaftlichen Intendanten, fortgeführt worden, 1810 im April wurde der Theaterintendant von Stodhorn ermächtigt, dasjelbe probemeife auf Rechnung des Hofes zu übernehmen, jedoch jo, daß es nicht über 16500 fl. koſten würde. Requifiten, Bücher, Garderobe wurden dem Direktor Vogel für 14 000 fl. abgelauft, Schaufpieldireftor Mittell von Mannheim ala Regifjeur berufen, Kammerfurier Morftadt ala Rechner beftellt, mehrere neue Räume, wie Delkammer, Mafchiniftenarbeitsftätten, Malerjaal hergerichtet, und die Anftalt definitiv zum Großherzoglichen Hoftheater erklärt.

Den 1. November 1810 nahm Vogel mit der „Jungfrau von Orleans“ Abſchied von Karlsruhe und zog ſich auf fein Gut „Hub“ bei Achern zurüd. Bon jeinem Perjonal blieben an dem neuen Hof- theater die Herren Kiel, Hunnius, Mayerhofer, Grimminger, Gollmid, Beder, Meyer, Kloftermeyer, Walter, die Damen Kiel, Leonhard, Mayer, Schlankowska und Franf.

Den 9. November 1810 wurde das Hoftheater mit einem Prolog von Mittell und der Oper „Achilles“ von Pasr eröffnet, wobei Ma- dame Gervais von Mannheim als Gaſt auftrat.

Für die Bildung des Perſonals wurde fofort eine Theater» Schule gegründet, in welcher Unterricht in deutjcher Sprache, Geo» graphie, Gejchichte, Dramaturgie, franzöſiſcher und italienischer Sprache, Fechten, Tanzen und Muſik erteilt wurde.

Im Jahr 1810, den 2. April, bei der Anmefenheit der Kaiferin Joſefine, war freier Eintritt gewährt worden, den 8. Juni 1811, an dem Geburtstage des Erbgroßherzogs Karl, wurde hier zum erjten- mal die Preciofa gegeben, und am 9. Juni, der Geburt einer jungen Prinzeffin zu Ehren, die Oper bei freiem Eintritt wiederholt. In dem Winter 1811—1812 wurden im Januar und Februar acht Theatermastenbälle abgehalten, und das Theaterleben nahm unter der Großherzogin Stefanie, welche ala fleißige Beſucherin desfelben 800 fl. für ihre Loge bezahlte, einen immer lebhaftern Aufſchwung.

Die Ausgaben überftiegen aber immer noch die Einnahmen, denn jene erreichten 1812 53544 fl., diefe brachten nur 49 781 fl. ein.

Im September 1812 gab Iffland Hier fünf Gaftvorftellungen, im November trat der Komiker Gern aus Berlin bier auf.

Mitglied des Hoftheaters war Eplair, bis er 1814 als Regifjeur nach Stuttgart berufen wurde, 1813 wurde die von dem Hoffapell- meister Danzi fomponirte Oper „Rübezahl“ zu jeinem Benefiz auf- geführt und erbrachte ihm 220 fi.

Um biejelbe Zeit bielt jich auf Befehl der Großherzogin ein Kapellmeifter Muffint 98 Tage lang hier in dem Erbprinzen auf, und hinterließ eine unbezahlte Nechnung von 556 fl. 36 fr.

Das Mufitperfonal des Theater? bejtand 1814 aus 38 Mit- gliedern, Schaufpiel und Oper zujammen zählten 15 Herren und 17 Damen, die Breije der Theaterpläge waren die niederjten 18 fr., die höchſten 1 fl. 21 kr.

1858 zählte das neue Hoftheater 12 Schaujpieler, 6 Schaufpie= lerinnen, 10 Sänger, 5 Sängerinnen, 44 Chorjänger und Chorjänge- rinnen, 1 Balletmeifter, 1 Solotänzer, 2 Solotänzerinnen, 8 Tänzes rinnen, 16 Eleven und 47 Orchejtermitglieder. Jet hat das Theater ein Perjonal von 24 Mitgliedern des Schaufpieles, 18 der Oper, 25 des Ballet3. Der Chor zählt 55, die Hoffapelle 53 Mitwirkende, und das übrige an dem Theater bejchäftigte Perjonal 24 Berjonen.

Die Oberleitung al Intendant führte nah Stodhorn 1811 Oberſtkammerherr v. Stetten, nach ihm bis 1815 wieder der Oberft von Stokhorn, dann von 1816 an der Hofmarjchall Dubois du Greſſe, 1825—1831 ein dem Hofmarjchall unterftehendes Komite von vier Mitgliedern aus: v. Auffenberg, Rat Keller, Kapellmeifter Danzi, und Regiſſeur Mittell beftehend. 1831—1839 war Graf v. Leiningen-Neudenau Intendant, 1840 1843 dv. Gemmingen, 1844— 1850 v. Auffenberg, 1850 v. Tſchudi.

Die im Herbft 1852 erfolgte Berufung des Oberregifjeurd am Dresdener Hoftheater, Ph. Ed. Devrient, geb. 1801, zum Di- reftor des biefigen Hoftheaters, des ſpätern Generaldirektors desjelben, brachte die Karlsruher Hofbühne auf den Höhen- und Glanzpunkt ihrer Blüte und ihrer alljeitigen Entwidelung. Devrient leitete das Theater von 1852 1870. Im Jahr 1858, den 23. April, feierte er in dem Muſeumsſale unter zahlreicher Beteiligung auch fremder Kunftgenofjen und Freunde jein 4Ojähriges, und 1869, den 24. April,

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fein 5Ojähriges Dienftjubiläum, und mit dem Anfang des Jahres 1870 trat er von der Leitung der Hofbühne zurüd.

Sein Nachfolger wurde als Direktor Wilh. Kaijer von Han- nover, diefem folgte 1872 Dr. Köberle, und noch in demjelben Jahre übernahm der gegenwärtige Generaldirektor Guftav Edler Gans zu Putlitz die Leitung des Hofthenters.

Bon KRapellmeiftern nennen wir 1810—1813 Brandl, 1813 bis 1826 Danzi, 1852—1865 Joſ. Strauß, 1865—1873 Levi, 1873 Benger, 1874 Auzed, 1875 Kalliwoda, 1876 Defjoff und nad ihm Hof. Mottl. Als Mufikdirektoren, Chordireftoren und Konzertmeijter find zu erwähnen: Krug, Gaßner, Baldeneder, Kallimoda, esta, Pechatſcheck, Will, Wigemann u. A., als Regiffeitre für Schaujpiel und Oper, gewöhnlich verjchiedene Berfonen, Mittel, K. Mayer, Ed. Meyer, Vater und Sohn, Dbermayer, Defjoir 1844, Fiſcher 1848, Dr. Oldenburg 1851, Oberhoffer, Vogel 1853, Rudolf 1854—1859, K. Fiſcher 1860, Brulliot, Ed. Fiſcher 1874—1880, und nach ihm Diretor Oswald W. Hande als Regifjeur des Schaufpiel3, Harlacher und Kürner al3 Regiſſeure der Oper.

Seit 1862 werden regelmäßige VBorftellungen des Hoftheaters in Baden gegeben.

Erſtmals zur Aufführung auf der biefigen Bühne famen 1810 bis 1811 Dberon, Don Juan, Maria Stuart, Der Kalif von Bag: dad, Hamlet, Die Räuber, Das Donaumweibchen, Tanfred von Göthe, Die Entführung aus dem Serail, Fiesto, Die Jungfrau von Orleans. 1811, im Oktober, wurden an fünf Abenden von franzöſiſchen Schau- jpielern franzöfiiche Stüde aufgeführt.

ALS erftmalige Aufführungen hier find weiter zu bemerken 1812 Die Veſtalin, 1814 Die Zauberflöte, Figaros Hochzeit, Don Karlos, Wilhelm Tell, König Lear, Das Kätchen von Heilbronn, 1817 Fer— dinand Kortez, 1818 Minna von Barnhelm, Egmont, Wallenjteins Lager, Macbeth von Schiller, Der Bürgermeifter von Sardam, im September 1818 ein Drama in italtenifcher Sprache u. ſ. w.

Karlsruhe zählte von der erjten Zeit des Hoftheater® an nicht nur eine lange Reihe tüchtiger Mitglieder der Bühne, jondern der gute Auf der Hofbühne rief auch fremde Gaftipieler in ſolcher Menge und von folcher Bedeutung in der dramatifchen Welt herbei, daß wir unter diejen fremden Gäften kaum den Namen einer einzigen Bühnen⸗

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größe Deutjchlands vermiflen, und daß felbft Frankreich und Italien darunter ihre würdigen Vertreter zählten.

Auch die darftellende Kunft der Malerei und verwandte Künfte fanden bier ihre Pflege und heimiſche Stätte. 1804 kam der 1770 in Durlach geborene Chr. Haldenwang als Hoflupferitecher hieher und gründete 1810 eine unentgeltliche landſchaftliche Zeichenjchule, während neben berjelben die allgemeine ftädtifche Zeichenjchule von Autenrieth fortbeitand.

Der mehrgenannte Hofmaler Ph. Jak. Beder, geb. 1763 in Pforzheim, ein Schüler Autenrieths und des Raphael Mengs, ein Künftler ohne hervorragendes Talent, aber ein jehr guter Nachahmer und gewiſſenhafter Lehrer, wurde 1803 Direktor der neugegründeten Gemäldegallerie und des Kupferftichlabinets. Derjelbe bewerfftelligte 1808 und 1812 die Verbringung der fürftlichen Gemäldefammlungen aus dem Schloß in die neue Afademie, leitete eine höhere Heichen- ſchule ala Privatafademie für Söhne höherer Stände und ftarb 1829,

Ihm folgte ald Galleriedirektor Karl Kunz, geb. 1770, welcher 1804 hier Hofmaler geworden war, und 1830 ftarb. 1797 war der Landbaumeifter W. Frommel aus Birkenfeld an das hiejige Bauamt verjegt worden, und nach und nach bis 1831 zum Oberbaurat auf- gerückt. Ein Sohn desjelben, ein Schüler Haldenwangs, war Karl Frommel, welcher ala Supferftecher und Landichaftsmaler fich auszeichnete, 1817 Profeffor mit 800 fl., 1819 mit 1200 fl. Gehalt wurde, mit einem Engländer Namens Winkles ein Atelier für Stahl- ſtich Hier errichtete, die Kunftfammlungen ordnete, und nachdem er 1830 Galleriedireftor geworden, den Bau der neuen Kunft- halle eifrigft betrieb. Derfelbe wurde 1856 penfionirt und ftarb 1863 in Springen bei jeinem Sohne. Frommel hatte 1812—1817 zu Kunftreifen nach Italien jährlich 400 fl. erhalten, deren Rüdzahlung ihm aber 1835 erlaffen wurde. Frommels Nachfolger ala Gallerie- direfior wurde 1854 I. W. Schirmer, geb. 1807, geft. 1863 und deifen Nachfolger der Hiftorienmaler K. Fr. Leſſing, geb. 1808, geft. 1880.

1811 wurde der braunfchweigische Hofrat I. Hch. Schröder als badijcher Hofmaler mit 600 fl. Gehalt und 200 fl. Wohnungs- geld angeftellt, wofür er die fürftliche Familie malen follte, jtarb aber ſchon den 29. Januar 1812. Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte die Markgräfin Amalie von der ruffiichen Kaiferin, ihrer Tochter,

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ben Kalmüden Feodor Iwanowitſch, geb. 1765, als Geſchenk er- halten, welcher fidh bald zum begabten Hiftorienmaler ausbildete, indefien aus Mangel an Fleiß und Ausdauer nur verhältnismäßig Weniges, aber Tüchtiges lieferte.

1862 mwurde Feodor Dieb als Hiftorien-, beſonders Schlachten- maler, zum Profeſſor und Hofmaler ernannt, ftarb aber 1870 in Frankreich, wohin er ſich als Pflege- und Hilfebringer zur deutſchen Armee begeben hatte.

1871 ftarb in München der fleißige und fruchtbare Hiftorien- maler Mori von Schwind, geb. 1804, welcher ſich u. U. durch fein treffliches Treppengemälde in der Vorhalle der Alademie auch in Karlsruhe verewigt bat.

1818— 1819 mwurde durch Haldenwang, Kunz, Frommel und Kachel der Kunftverein gegründet. 1823 wurde derjelbe auch zum Induftrieverein erweitert, um nicht nur für Arbeiten der Malerei, jondern auch des Kunftgewerbes und der Induftrie regelmäßige Aus- ftellungen zu veranftalten, ſeit 1832 aber beſchränkte fich derjelbe wieder auf fein urjprüngliches Gebiet. Seit 1827 wurden Preife in Gold und Silber für die Künftler ausgeworfen, und 1832 dem Verein ein Staatsbeitrag von 1000 fl. zugefichert. Das Ausftellungslotal war in der frühern Gemäldegallerie, bis der Raum 1853 für die Kupferftihjammlung nötig wurde.

1833 zählte der Verein 264 Mitglieder. mit 308 Aktien zu 6 fl., 1836 verband er fich mit Mannheim, Darmftadt, Mainz und Straß- burg zum Rheiniſchen Kunftoerein und zählte jo 1842 1100 Mit- glieder, 1846 jchlofjen fich auch Freiburg und Stuttgart an, und 1858 verlegte derjelbe fein Lofal aus Nr. 19 der Amalienjtraße in den Neubau in dem botanischen Garten hinter der Akademie, wo die ftän- dige Ausftellung der Gemälde dem Publikum gegen geringes Ein- trittsgeld geöffnet ift. Regelmäßig abwechjelnde Kunftausftellungen des Vereins finden in den beteiligten Städten ftatt.

1854, den 19. Dezember, wurde durch Großherzog Friedrich die Kunſtſchule gegründet, und auch die Stadt beteiligte ſich daran duch Prägung einer Denkmünze. Auf Leffings Anregung wurde ala Direktor der neuen Kunftichule der vorgenannte Maler I. W. Schir— mer aus Düffeldorf berufen, welcher mit 8 von dort mitgebrachten Schülern hier eintraf, aber deren bald über 30 hatte.

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Nah Schirmer? Tod, den 11. September 1863, Teitete Leffing die Anftalt, an welcher von da an Männer wie Roux, Steinhäufer, Descoudres, Willmann, Riefftahl, Gude, Hildebrand, Keller, Hoff u. U. teil3 als Direktoren, teils als Lehrer thätig waren. Urſprünglich nur für Landichaftszeichnen und Malen beftimmt, wurde die Anftalt ſchon 1856 auch auf andere Kunftfächer ausgedehnt, und die Bild- hauerſchule von Steinhäufer aus Rom, fowie das Kupferftichatelier von Willmann damit verbunden.

Anfangs hatte die Kunftjchule ihr Lokal in dem Minifterium des Auswärtigen in der Erbprinzenftraße, 1855 wurden zwei Häufer, Nr. 80 und 82, in der Stefanienftraße angelauft und durch Bau⸗ meister Serger als Kunſtſchule hergeftellt, jo daß diefe den 8. Juli 1856 bezogen werden konnte. 1864 wurde auf das Gebäude ein neuer Dachſtuhl für Malerateliers aufgeſetzt, und 1874 die neue Kunftichule, hinter der bisherigen, in der Bismardftraße erbaut. 1876 wurde die Kunſtſchule Staatsanftalt.

Die alte, zum Teil noch aus dem vorigen Jahrhundert ftam- mende Gemäldegallerie an der Linfenheimerftraße genügte den Anjprüchen unferer Zeit und den Forderungen der Kunft nicht mehr. Deßhalb wurde nach dem Plan und unter Leitung des Baudireftors Hübih 1836—45 die neue Kunfthalle gebaut und den 1. Mai 1846 eröffnet.

Diejelbe enthält die Gemälde- und Kupferftichfammlung , ſowie die plaftiichen und antiquariichen Sammlungen. Begründet und be- reichert wurde fie durch bedeutende Sammlungen von Gemälden, welche jchon die Markgräfin Karoline Luiſe teils aus verjchiedenen fürftlichen Schlöffern hier vereinigt, teils durch Ankauf, bejonder3 von niederländifchen Gemälden, vermehrt Hatte, durch die Erwerbung von Privatfammlungen, wie der altgriechijchen Vaſen, Terracotten und Waffen von Major Maler, durch Beiträge aus den Privatiamm- lungen de3 großherzoglichen Haufes u. U.

Ueber dem Bortal bezeichnet die Injchrift Leopoldus Magnus dux Bad. Artibus A. D. MDCCCXLII. die Beit der äußern Vol⸗ lendung. Auf den Eckpoſtamenten des Balkons ftehen, von 2. Reich in karrariſchem Marmor ausgeführt, die Kolofjalfiguren, rechts der Bildhauerei, links der Malerei, zu beiden Seiten der Broncethüren ſehen wir die Basrelieflöpfe recht? von Dürer, Holbein, Beter Viſcher,

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lints von Raphael und Michael Angelo, und darüber zwei weibliche Figuren mit dem deutichen, römischen und florentiner Wappen.

Ueber dem SHauptportale in Lünetten befinden fich drei weib- liche Figuren, die biblifche, Hiftorifche und romantische Kunft dar⸗ ftellend, in dem Treppenhaus ftehen die Büften von Raphael und Dürer von Lotſch, ſowie Gipsabdrüde von Meifterwerken aus ver- ſchiedenen Kunftperioden, und an der Wand des Hintergrundes das große Gemälde von Schwind, die Einweihung des Freiburger Mün— fter3 durch Herzog Konrad von Zähringen, mit den Porträten von Großherzog Leopold, von Krieg, von Tettenborn, Hübſch und Schwind jelbjt, und recht3 und links davon zwei Kartons von Gößenberger und Herrmann, die „Philojophie” und die „Theologie“.

Auch die Pflege des Gejanges und der Mufit hat, außer dem Theater und den Schulen, in unjerm Karlsruhe einen fruchtbaren Boden gefunden.

Den 25. März 1806 wurde bier zum Andenken an den 1805 den 9. Mai geftorbenen Schiller eine von der Karlsruher Dichterin Wilh. Maiſch verfaßte, von dem Kapellmeifter Brandl komponirte Kantate aufgeführt; 1812—13 bildete fich, auf Anregung des Bür⸗ germeifter8 Griesbach, durch freiwillige Beiträge eine unter dem Stadtrat ftehende Inſtrumentalmuſikſchule als Vorbereitung für den Eintritt in die Hoftapelle, in das Orchefter und in die Kirchenmufif, woraus fich eine allgemeine Mufifbildungsanftalt entwidelte, und 1814 gründete Hoflantor Haag einen Sängerchor.

Die nächften 20 Jahre jcheinen aber in Mufit und Gejang wenig von Bedeutung hervorgebracht und die muſikaliſche Thätigfeit fich mehr auf Militärifches und Kirchliches bejchränkt zu haben. Erft die dreißiger Jahre brachten neues, frijches Leben. 1835 wurde der Cäcilienverein zur Pflege ernfterer und klaſſiſcher Mufik, anfangs nur des Gefanges, gegründet, 1837 wurde derjelbe zu einer eigent- lihen Mufikbildungsanftalt umgeichaffen, 1843 eine Violinjchule und 1845 eine vollftändige Inftrumentalfchule damit verbunden. Beſonders jeit Hch. Giehne, geft. 1887, die Leitung des Vereins unter fich hatte, nahm derjelbe an Bedeutung und Gehalt zu, die Stadtkaſſe trug 350 fl. jährlich bei, jo daß der Verein 1858, aus einer Vor⸗ ſchule, einer Gejangs- und Inftrumentalichule beftehend, 200 Schüler mit 12 Lehrern zählte.

Bon da an folgen raſch nacheinander, 1840 die Liedertafel, 1841

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der Bürgerverein-Liederfranz, 1842 die Liederhalle, 1856 der Inftru> mentalverein, von Will, Fiſcher, Henrici, Klauprecht, Greve, v. Sall- würf, Adam und Spies gegründet, der Gejangverein der Majchinen- bauer und jo nacheinander Arbeiterbildungsverein, Badenia, Konkordia, Einigkeit, Fidelia, Freundſchaft, Frohſinn, Polyhymnia, Lehrergejang- verein, Philharmonifcher Verein, Knaben und Jugendkapelle, Schüler- fapelle, Schülerkirchenchor, Typographia, Verein für evangelifche Kirchenmuſik, Verein für katholische Kirchenmuſik, Zitherverein,, und das Konjervatorium für Mufik, welche alle, mit wenigen Ausnahmen, neben muſikaliſchen Zwecken auch gejellige und andere Tendenzen verfolgen.

Nebenbei wird aber die Mufif auch in Familien in jo aus— giebigem Maße gepflegt, dab Karlsruhe mit Fug und Necht eine muſikaliſche Stadt genannt werden kann, jo daß die zahlreichen Kon— zerte, in welchen den Karlsruhern aller Stände reichliche muſikaliſche Genüfje geboten werden, und die Opernabende des Hoftheaters ftets bejegte Zuhörerräume finden. 1853 vom 4.—7. Dftober mwurde hier ein großes Muſik- und Volksfeſt abgehalten, mit Volksbeluſti— gungen, Feuerwerk, Konzert im Theater, bei welchem der berühmte Biolinift Joachim auftrat. 1864 am 23.—25. Auguft wurde das dritte deutſche Muſikfeſt, 1872 21.—22. Juli ein badijches und 1874 am 27. September ein zweites badijches Gejangfeit hier abge- balten.

Das Sammlungsgebäude Das aus der Privatjamın- lung der Markgräfin Karoline Luiſe, der Gemahlin Karl Friedrichs, bis 1783 entjtandene Naturalienkabinet befand ſich urjprünglich in dem Schloffe. Bei deren Tod 1783, murde es durch Teßtmwillige Verfügung Fideikommis des Erbprinzen und fam in das Hofbiblio- thefsgebäude bei der Schloßfirche, wo es blieb, bis e8 in da3 Samm— lungsgebäude gebracht wurde. Dr. K. Chr. Gmelin war von 1786 an fünfzig Jahre lang Vorjteher desjelben. 1801 wurde der mine- talogische Teil durch ruſſiſche Mineralien bereichert, welche Alerander I. von Rußland jchenkte, 1803 kam das Naturalienfabinet des Fürjt- bijchof3 von Meeräburg, 1823 die oryftognoftiiche Sammlung des Bergrats Selb in Wolfach, jpäter die Sammlung des Bergrats Hug in Kandern und 1855 diejenige des Forſtrates Arnsperger dazu. Schen 1809 waren wiederholte Aufforderungen an die Förſter und Berg- beamten zur Einjendung von Mineralien ergangen.

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Die zoologifche Abteilung erhielt befonders jeit den dreißiger Jahren namhafte Bereicherung, jo durch Schimper aus Nubien und Abeifinien, durch Baron von Müller, durch Oberſt Peitſch Kondilien aus Dftindien, Ingenieur Keller aus Brafilien, Bergrat Sommerjchu ans Mexiko, Arnsperger, L. v. Kettner u. U.

1804 hatte Karl Friedrich in Baden-Baden das jogen. Museum palaeotechnicum, die Altertumshalle, errichten laffen, welche dazu beftimmt war, zunächſt alle in Stadt Baden und Umgebung aufge- fundenen, bejonder3 römijchen Altertümer aufzubewahren, und zugleich hatte ſich für die Stadt Baden jelbjt ein Altertumsverein gebildet.

1844 aber fonftituirte fich unter der Anregung und Leitung des Hofmalers U. Bayer in Baden ein allgemeiner „badijcher Alter- tumsverein,“ welchem Großherzog Leopold als deſſen Protektor die Ba- dener Sammlung überwies. Die Altertumshalle in Baden wurde 1848 abgebrochen und zum Naturdampfbad hergeitellt, die Altertümer kamen in eine Ede der alten Trinkhalle, weil in Karlsruhe dafür noch kein Raum war, während andere teil3 in dem Durlacher Schloßgarten, teil3 in dem nördlichen Teil des hiefigen Erbprinzengartens umber- jtanden. Als 1852 U. Bayer nach Karlsruhe als Konjervator aller Altertümer und Kunftdentmäler de3 Landes berufen worden, wurden dieſe nach und nach jämmtlich nach Karlsruhe gebracht und vorerft in Bayerd Wohnung, in der Billa Ballbach vor dem Mühlburger- thor, aufgejtellt, wo fie jeden Mittag von 2—5 Uhr dem Bublitum zugänglich waren.

So befanden fih um das Jahr 1860 die Naturalienfammlung in dem untern Stod der frühern Hofapothefe, die Hofbibliothet in deren oberm Stock, die Altertümer ın andern Lokalen, Alles, troß wiederholt vorgenommenen Vergrößerungen und Erweiterungen de3 Hofapothetengebäudes, in ungeeigneten, bejchränften Räumen. Daher faßte um jene Zeit Großherzog Friedrich, da dieje jämmtlichen An- jtalten noch Hofanftalten waren, den Entichluß, für diejelben, jowie für die Hof- und Landesbibliothek, ein neues, gemeinjchaftliches Gebäude, und zwar auf dem nördlichen Teile des Erbprinzengartens, dem jetzi— gen innern Friedrichsplaß, erbauen zu lajjen. 1862 wurde von den Ständen genehmigt, daß für ein neues Gebäude zur Aufnahme der Hofbibliothef, des Münz- und Naturalienkabinets, der ethnographijchen und hijtoriichen Altertümer und Sammlungen die Baumittel aus dem Domänengrunditod gejchöpft, und der von dem Großherzog

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angebotene Bauplag dazu benußt werden ſollte. Der Pla wurde aber auf dem füblichen Zeile des Friedrichsplatzes gewählt. Als mehrere im Sommer 1863 eingeforderte Konkurrenzpläne nicht ganz befriedigten, wurde Oberbaurat Berdmüller mit der Aufftellung eines jolchen betraut, und fodann mit defjen Ausführung beauftragt, jo dab im Frühjahr 1865 der Bau begann. Der Krieg von 1866, die Luremburger Kriegsdrohung, und der 1870er Krieg traten ftörend und verzögernd dazwijchen, weßhalb der Bau nur nach und nach bis Ende des Jahres 1872 feiner Vollendung entgegen ging. 1873 im September, während 11 Tagen, murde die Bibliothet, 1875 im Frühjahr das von 1674—1765 in Bajel geflüchtet geweſene, dann in der Hofbibliothek untergebrachte Münzkabinet darin aufgeftellt, und während Hofbibliothelar Dr. Brambach hier mit ordnender Hand waltete, wurden durch andere FFachmänner, wie M. Seubert und Knop, die naturwiffenichaftlichen, durch Konjervator Bayer die antiquarifchen und ethnographiihen Sammlungen geordnet. Nach) Bayer Tode bat jein Nachfolger, Geh. Hofrat Wagner, mit aufopfernder Liebe, mit Sachkenntnis und jichtbarem Erfolg bis heute an der Ordnung und-Mehrung des Borhandenen gearbeitet.

Für diejes Gebäude waren 636000 fl. als Voranſchlag auf- genommen. Beſonders bemerkenswert ift in demjelben da3 Treppen- haus mit der Marmorgruppe Guttenbergs, Fuſts und Schöffers, und den prachtvollen Fresken von Keller und Gleichauf mit Darftellungen aus der klaſſiſch-römiſchen und klaſſiſch-deutſchen Literaturzeit. Der ganze Bau, mit dem zur Rechten an der Lammſtraße ſich hinftreden- den, großartigen, von Helbling erbauten Direktionsgebäude der Ver— tehrsanftalten, und dem gegenüber angelegten jchönen Arkadenbau des mit grünen Anlagen und jchönen Baumgruppen bededten Friedrichs— plaßes, bildet wohl unftreitig die erfte und freundlichfte Zierde der innern Stadt. An der 17,85 m hohen Front de3, mit zwei Flügel⸗ bauten jüdlich zurüceichenden und dort mit einem Halbrundbau abgejchlofjenen Gebäudes, ftehen auf vier über dem Portal nach dem Hauptgefimfe aufjtrebenden Pilaſtern die Bildfäulen der Ethnographie, der Künfte (Minerva), der Gejchichte (Clio) und der Naturmiflen- Ichaften (Iſis), in den obern Fenfterbrüftungen zeigen fich in Mar- mor die Relieflöpfe von Homer, Ariftoteles, Winkelmann und Euvier, und auf dem Pla vor dem Portal die Marmorgruppe „Dreftes und Pylades“ von Steinhäufer.

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Die Hofbibliothel, welche den 2. u. 3. Stod des Mittelbaues und des rechten Flügels: einnimmt, und mit welcher auch ein äußerft elegantes, zwedmäßig und reichlich ausgeftattetes und eingerichtetes Leſezimmer für das Publikum verbunden ift, zählte 1872 in 9 Grup⸗ pen über 140000 Bände und 3000 Handjchriften. Vorſtände, Ober- bibliothefare derjelben waren bis 1808 fr. Molter sen., bis 1817 Fr. Hemeling, bis 1842 Fr. Molter jun., von 1843—1872 Hofrat Chriſt. Döll, und nach ihm bis jetzt Dr. W. Brambadh,

Im Anfang unſeres Jahrhunderts waren die Madlot’jche und Müller’iche Buchhandlungen und Hofbuchdrudereien die einzigen in der Stadt. Die Müller’iche Druderei gab neben vorzugsweiſe badifch- vaterländischen Schriften auch eine Sammlung deutſcher Klaſſiker heraus, im welcher fich Bürger, Gellert, Gleim, Hagedorn, Hölty, Satobi, Kleift, Klopſtock, Leifing, Meißner, Rabener, Schiller, Uz, Wieland u. A. aufgenommen finden.

1803 wurde beftimmt, daß ein beſonderes Regierungsblatt für landesherrliche Verordnungen und Bekanntmachungen bei den Ge— brüdern 8. Fr. und Ph. Madlot, und ftatt des bisherigen Madfot- ihen Wochenblattes ein Brovinzialblatt bei Müller erjcheinen jollte. Diefem Provinzialblatt wurde auch das jeitherige Intelligenz- blatt einverleibt. 1804 erhielt Müller auf 10 Jahre das Privile— gium der Herausgabe der badiichen Geſetzesſammlung von Gerftlacher.

1808 teilten die Brüder K. Fr. und Philipp Madlot das Ge- Ichäft unter ſich. Karl Friedrich erhielt das Recht der Buch-, Land» farten- und Papierhandlung und die Buchdruderei mit zinsfreier Preſſe und, fürftliche Mechte vorbehalten, das Drud- und Verlags- recht de8 Regierungsblattes auf Lebenszeit, ſowie am 14. Nov. 1809 auf 5 Jahre das Recht, ein Lokalwochenblatt herauszugeben, Philipp ebenfall3 auf Lebenszeit das Recht der Herausgabe der ſchon früher von Madlot redigirten Karlsruher Zeitung, und zu einer Druderei gegen 25 fl. jährlichen Binfes an das Gymnafium.

Philipp durfte in jeinem Lofalblatt feine Artikel über Kauf und Verlauf, Tauſch, Anlehen, keine Handels- und Gewerbsanträge aufnehmen, fofern diejelben nicht auch in dem Provinzialblatt von Müller erjchtenen. Dagegen hatte er für alle obrigkeitlichen Ein- rüdungen feine Gebühren zu beziehen, durfte aber im Buchhandel nur jeine eigenen Verlagsartikel verkaufen. Der ältere Bruder hatte alſo das unumjchräntte Recht des Buchhandel, der jüngere Philipp

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nicht, beide das Recht des Buchdruds. Als nah K. Fr. Madlot’s Tode der nenetablirte Buchhändler Braun 1814 gegen den nun von Philipp Madlot betriebenen unbefchräntten Buchhandel proteftirte, erhielt Philipp Madlot unter dem 14. Januar 1815 die landes⸗ herrliche Konzeſſion dazu mit dem Prädikat „Hofbuchhändler”.

Das Müllerſche Provinzialblatt, anfangs für die ganze Markgrafichaft beftimmt, wurde 1809 infolge ber neuen Landeser⸗ werbungen und Landeseinteilung „Provinzialblatt des Mittelrhein- kreiſes“, 1811—32 Anzeigeblatt für den Kinzig, Murg-, Pfinz- und Enzkreis, 1832—38 abermals „Anzeigeblatt des Mittelchein- freies" ; 1839—55 wurde daſſelbe durch Dttent in Offenburg, und nach 1855 bei Gutſch in Karlsruhe gedrudt.

Bon 1833 an erjchien bei Müller das Karlsruher Intelligenz« und Tagblatt, melches feit 1843 als Karlsruher Tagblatt noch jegt täglich ausgegeben wird.

1809 hatte fich der vorgenannte Gottlieb Braun aus Böblin- gen in Würtemberg, welcher in Heidelberg wohnte, um bürgerliche Aufnahme und Annahme als Buchhändler bier gemeldet. Er murde al3 Bürger aufgenommen, jedoch beftimmte 1813 der Großherzog, um feine neue Druderei bier entjtehen zu laſſen, daß derjelbe weder auf eigene Konzeffion hin, noch ala Pächter der Gymnaftumsdruderei bier ein Gefchäft eröffnen dürfe. Unterdeſſeu hatte aber Braun von feinem Wohnfig Heidelberg aus eine Sortiment3- und Verlagshand- lung bier errichtet, und als nah Karl Friedrich Madlot’3 Tode defien Wittwe das an dem Schloßpla Nr. 12 gelegene Haus und Geſchäft ihres Mannes dem feit 1812 bier jeßhaft gewordenen D. R. Marz für 50000 fl. verkauft hatte, veranlaßte Braun die Auf- bebung diejes Vertrags und ſchloß denfelben den 7. Februar 1815 für fih ab. Im Februar 1815 ging daher das Gejchäft, jammt den Drud- und Verlagsrechten an ihn über, obwohl Philipp Macklot, fowie deſſen Schweiter, die Ehefrau des Finanzrates Delenheinz, da⸗ gegen Verwahrung einzulegen juchten. Zugleich errichtete Braun eine neue eigene Druderei. So waren 1815 bier drei Buchhandlungen und Drudereien, die Müller’jche, Braun'ſche, und die ſeit 1815 er— neuerte Macklot'ſche.

1810 erfchien eine Verordnung im Regierungsblatt, welche be— ftimmte, daß alle politischen Zeitungen des Landes in eine vereinigt

werben follten. Der Minifter des Auswärtigen trat jofort mit den

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Nedaktionen der Karlsruher, Freiburger und Mannheimer Zeitung in Unterhandlung wegen eines Redakteurs diejer neu zu gründenden, einzigen badischen Zeitung, ſowie wegen Regelung der finanziellen und technijchen Angelegenheiten.

Bon legten Oktober 1810 an hören daher alle politifchen Dlät- ter des Landes auf, nur die Karlsruher Zeitung befteht noch bis 1. Januar 1811 unter Genjur fort. Vom 1. Januar 1811 erjcheint num bei Ph. Madlot wieder als einzige politiiche Zeitung die „Sroßberzoglid badijhe Staatszeitung”, aus deren Er- trag die Entſchädigung für die dadurch eingegangenen Blätter ge— ichöpft werden follte. Die Lofalblätter, welche fortbeftanden, durften fortan nur inländische Nachrichten, und auch dieje nur wörtlich aus der Staatäzeitung bringen. Troßdem beflagt fi) im Dezember 1811 der franzöfische Geſandte Bignon, daß die Bezirks- und Lofalblätter noch immer politische und Handelanachrichten über das Ausland bräch— en, und e3 erging deshalb eine Verwarnung durch die Kreisdiref- tionen an alle diefe Blätter. Die Staat3zeitung erhielt vom 1. Jan. 1817 wieder den Namen Karlsruher Zeitung und erjchien un- ter der Redaktion des Hofrates E. A. Lamey in Quartform, bis fie 1840 wieder in Folioformat gedrucdt wurde.

1837, den 4. Auguft, übernahm Albert Knittel, Braun's Schma- ger, unter der Firma „Braunjche Hofbuchhandlung“ deſſen Geſchäft, jowie von 1847 an den Verlag der Karlsruher Zeitung, welche noch heute in dem Berlag der Firma erjcheint.

1812 hatte der Schugbürger David Raphael Mare bier eine Leihbibliothek und ein Antiquariat errichtet, wurde aber mit einem Gejuch um Berechtigung zum Buchhandel abgemiejen. Als Antiquar wurde ihm außerdem verboten, mit ungebundenen Büchern zu handeln, doch durfte er jolche binden Lafjen und dann verkaufen, obgleich Braun und Madlot und die Buchbinder fich auch darüber beſchwerten. 1814 erhielt Marx jogar die Erlaubnis, für die Negterung zu druden, und 1815 vereinigte derjelbe mit jeiner Leihbibliothet auch eine Kin- derbibliothef. Auch Müller und Gräff hatten 1815 eine Leje- und Leihbibliothek errichtet.

Die Zahl der Buchdrudereien und Buchhandlungen mehrte fich jelbjtverftändlich mit der Zahl der Einwohner und der Entwidlung des literariſchen Lebens überhaupt. So jehen wir 1843 hier die Gejchäfte von Madlot, Braun, Groos, Gutſch und Rupp, Hasper,

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Malih und Vogel, Müller und Wolf, Creuzbauer und Nöldeke, Bielefeld, Holgmanı, Marz, Bühler und Auerbacdyer, Laupheimer.

Bor 25 Jahren hatte Karlsruhe die Buchhandlungen von Biele- feld, lange Straße 135, Braun, Karl-Friedrichſtraße 14, Geßner, lange Straße 82, Chr. Friedrih Müller, Witterftraße 1, Ulrici, Lammſtraße 4, die DVerlagsgejchäfte und Drudereien von Groos, lange Straße 135, Gutih, Spitalftraße 48, Cam. Madlot, Wald- ftraße 10, Malſch und Vogel, Adlerjtraße 19, W. und K. Müller, Ritterftraße 1, die Kunftverlagsgejchäfte von Roth, Karl-Friedrich- jtraße 32, Veith, Hirſchſtraße 3a., die Kunfthandlungen von Holg- mann, Waldſtraße 32a., Leichtlin, Zähringerftraße 73, Velten, Her- renjtraße 23, die Mufikalienbandlung von Frey, Karl-Friedrichſtr. 2 und die hebräijche Verlagshandlung von Withan. Die Hausnummern find nach dem Adreßkalender von 1861 gegeben.

Gegenwärtig find bier 22 Buchdrudereien, 9 Sortimentshand- lungen, 10 Berlagsbhandlungen, 5 Kunftbandlungen, 4 Mufitalien- bandlungen.

Eine Kupferdruderei hatte Hofbuchdruder Müller ſchon längere Zeit mit feinem Gejchäfte verbunden, und daraus gingen 1804 die erjte Karte des Kurfürftentums, 1812 die Karte des Groß— berzogtums von Tulla, 1805—1808 die Abbildungen zu Gmelins Flora badensis u. W. hervor.

Eine Steindruderer wurde ca. 1790 durch Wagner und K. Müller gegründet, in welcher K. Müller, ein in Wien gebildeter Lithograph, die technischen Arbeiten, Wagner das Kaufmänniſche bejorgte, und welche u. U. fchon 1793 die Nebe zu Caſſinis Atlas von Frank: reich lieferte. Das Gejchäft wird noch jetzt Steinjtraße 31 von den Nachkommen des Gründer Wagner betrieben.

Das literariſche Leben unjerer Periode zeigt uns einen wejentlich andern Karakter, al3 die vorhergegangene. Die durch Karl Friedrich eingeleitete und allmälig vollzogene Umgejtaltung und Ver: beflerung der politiichen und bürgerlichen Verhältnifje des Volkes, der auch unfere Rheinſeite durchwehende Hauch der franzöftichen Staats» und Gejellichaftsummwälzung, der dadurch bedingte freiere Geiſt der Riteratur auf allen Gebieten derjelben, die Machtlofigkeit der Zenſur dem Vorwärtsſtreben des Menfchengeijtes gegenüber, die alle Landes— grenzmarfen ducchbrechenden Bewegungen langjähriger Völferkriege, das durch die Befreiungskriege in dem Volke wachgerufene Bewußtſein

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der in ihm felbjt wurzelnden Lebenskraft, die nun folgenden innern, politischen und bürgerlichen Bewegungen und Kämpfe, das alles find Faktoren, von welchen die Haltung und der Inhalt der Literatur unjerer Zeit wejentlich bedingt ift. Nechnen wir dazır die Vermehrung politiicher Zeitungen, ſowie die flutähnliche Erjcheinung zahllofer, in die niederjten Kreiſe des Volkes hinabfteigender Tages- und Zeit- jchriften, jo erflärt fich daraus zur Genüge det ganz andere Karakter unjerer literarischen Zeitperiode.

Speziell für Karlsruhe und feine literariſche Thätigkeit ift von Bedeutung der Umstand geworden, daß durch den Unfall neuer Lan— deöteile nicht nur eine vielfach durchgreifende Umgeftaltung der Landes— gejeßgebung notwendig wurde, fondern daß Baden zwei Univerfitäten erhielt, welche fich naturgemäß bald als die Hauptfige höherer wifjen- ichaftlicher Produktion geltend machten, und daß zugleich größere Städte, vorher jelbft Hauptftädte namhafter Gebiete, wie Heidelberg, Mannheim, Freiburg, welche fich ebenjo naturgemäß aus ihrer bis— berigen Stellung nicht ohne Weiteres verdrängen ließen, an die Heine Markgrafichaft Baden fielen. Durch folche Verhältnifje mußte die Stellung Karlsruhes, des bisherigen Mittelpunktes alles jtaatlichen, bürgerlichen und literarischen Lebens, eine andere werden, e3 mußte eine gewiſſe Decentralifation auch auf dem wifjenjchaftlichen Gebiete eintreten.

An dem wifjenjchaftlich-literariichen Leben nahmen binfort die Univerfitäten den ihnen gebührenden Anteil in Anfpruch, an der po= litiſchen Tagesliteratur bethätigten fi) die andern größern Städte de3 Landes, und wenn wir die Karlsruher Literatur unjerer Periode überbliden, jo begegnet uns in derjelben, namentlich feit der Grün— dung de3 Polytechnitums, zwar immerhin noch eine erfledliche Anzahl von Männern, welche fich allgemeinen. und fpeziellen wifjenjchaftlichen Arbeiten mit Ernſt und Erfolg zuwenden, aber doch überwiegt hier weitaus die nicht eigentlich im engern Sinne wifjenjchaftliche Thätig- feit der Literatur. Mafjenbaft erjcheinen da Geſetzesſammlungen und Repertorien, Auslegungen einzelner Gejege und Verordnungen, Dienft- anweiſungen für höhere und niedere Beamte und Behörden, für Ge- meindebeamte und Bürger. Die zwanziger Jahre bringen jtaatsrechtliche Gtreitichriften in der Gebietsfrage zwischen Baden und Bayern,*) die

*) 1829, den 16. Januar, wurde durch das Hofgericht in Raftatt Ober- rehnungsrat G. Hch. Joſ. Vowinkel wegen verjuchten Yandesverrats in dieſer Sache zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt.

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darauf folgenden Verfaſſungs- und politiſchen Kämpfe bis in den Anfang der fünfziger Jahre, eine unüberſehbare Flut daraus hervor— gegangener größerer und Hleinerer Schriften und Flugblätter.

War ja doch damals unfer Meines Baden beinahe der Haupt- brennpunft de3 bewegten und aufgeregten politischen Lebens in Deutjch- land geworden.

An Beitjchriften und Zeitungen, welche, wenn auch oft wie Ein- tagöfliegen vorübergehend, jeit dem Anfang unjerer Periode hier er- Ichienen find, haben wir zu erwähnen: 1802—1803 das Magazin von und für Baden, Madlot, 1803 Landkalender von Hebel und Böckmann, 1807 von Hebel allein, 1808 Rheinländijcher Hausfreund, Madlot, 1811—1812 Süddeutjche Miscellen, 1819 Karlsruher Un- terhaltungs- und Intelligenzblatt, Müller, 1803—1821 Staats- und Regierungsblatt, Madlot, 1822—1845 dasjelbe bei Herder, 1846 ff. bei Malſch und Vogel (nur Regierungsblatt), 1828—1842 Karlsruher Unterhaltungsblatt, 1828—1832 Karlsruher Wegweifer von Scholl bei Müller, 1831 Badijcher Merkur bei Braun, Journal universel, 1832 Karlsruher Adrekbuch von Mall bei Groos, 1834 Mufit- und Theaterblatt, 1837 Quelle nüßlicher Beichäftigungen, Rheiniſcher Anzeiger, 1837 1838 Verordnungsblatt für den Mittelrheinkreis bei Müller, 1837—1838 Ullg. Staatszeitung, 1838 ff. Forftliche Beitichrift für Baden von Wrnsperger und Gebhardt bei Braun, 1838 Wehrer, Repertorium der Regierungsblätter von 1803—1837, Fortjegung 1839 von Bauer (1838—1848 bei Malſch und Vogel), 1838 Die Pallas, 1838 1840 Wegweijer durch Karlsruhe von Bürgin bei Gutjch, 1841—1842 Oberdeutjche Zeitung, 1841—1847 Badische Zeitung, dann Deutfche Nationalzeitung, la promenade, 1842 Notariatsblatt, 1843 VBaterländiiche Hefte, Malſch und Vogel, 1843 Deutjche Wochenzeitung bei Braun, 1843 ff. Deutjches Fami— lienbuch von Berth. Auerbach, dann von Herm. Kurz, bei Müller, Der Gevatterdmann von demjelben, die Europa und das Narren: turnei von Zewald bei Gutjch und Rupp, 1843—1847 Rheiniſcher Landbote, 1843 1849 Karlsruher Stadt: und Landbote, dann Rhei— nijcher Bote, und als Beilage 1848—1849 der Polnische Bildermanı, Der Reichstagsbote, 1844 Das Reich Gottes, 1844— 1849 Karläruber Beobachter, 1844 ff. Archiv für Bürgernieifter, 1846 Die Rundichau, 1846—1848 QTurnzeitung, 1847 Deutjches Reichsblatt, 1847— 1848 Landtagsbote von Chrift, Madlot, 1848 Baterländiiche Blätter für

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Baden, der Kraichgauer Bote, 1848—1849 Der Verkündiger, Verkün- digungsblatt für Karlsruhe und Umgebung, 1849 Der Kirchenbote, die Badiiche Landeszeitung, vorher Biene, bei Madlot, Der Hausfreund, 1850 Blätter für innere Miffion, Verkündigungsblatt für den Land- amtsbezirk Karlsruhe bei Gutſch, 1851 Belletriftifches Unterhaltungs: blatt zur Badiſchen Landeszeitung bei Madlot, Anzeigeblatt für den Mittelcheintreis bei Gutſch, 1853 Landwirtichaftliches Centralblatt bei Braun, Saga, Süddeutſche Wochenichrift für Scherz und Ernſt, bei Malſch und Vogel, Realrepertorium zu dem Regierungsblatt, 1803 bis 1853, 1856—1866 Karlsruher Anzeiger, dann Neuer Karls— ruher Anzeiger, 1856—1858 Allgemeines Anzeigeblatt, 1860 Evan- geliiches Kirchen: und Sonntagsblatt, 1864 Badiſcher Beobachter, 1865— 1867 Kirchenkalender für die evangelifche Stadtgemeinde Karls— rube, 1867—1871 Die Warte, 1870 Karläruber Nachrichten bei Gutſch, 1873—1874 Badische Volkszeitung, 1875 Badischer Landes- bote, 1879 Badiſche Landpoft bei Reiff, 1883 Der Reichgottesbote, 1884 Karlsruher Annoncenblatt, Katholifcher Volksbote, Der Kran- tenfreund, 1885 Badiſche Dorfzeitung.

Als hiſtoriſche Zeitjchriften find hier noch zu nennen: 1826 bis 1827 Mone, Badifches Archiv bei Braun, 1839 ff. Bader, Badenia, 1841— 1845 Mone, Badiſche Quellenfammlung, und von demjelben 1850 begonnen, die Zeitichrift zur Gejchichte des Oberrhein bei Braun, welche noch fortbejteht.

Die millenjchaftlichen Fach» und Zeitjchriften andern Inhaltes, welche hier erjchienen, im Einzelnen aufzuführen, würde die Grenzen unjerer Arbeit überjchreiten. Daß indefjen unjer Karlsruhe auf den Gebieten wifjenjchaftlicher und gelehrter Arbeit nicht zurückblieb, daß dazu die verjchiedenften Stände und Berufsarten ihre Mitarbeiter jtellten, beweijen die Männer, deren Namen zu nennen uns bier genügen muß. So arbeiteten literariih in Staatsreht und Staat3wirtichaft v. Berfheim, Reinhard %. Fr. Eichrodt, Nik. Brauer, in Geſchichte, Geographie und Statiſtik v. Drais, Dümge, Gehres, Leichtlin, Hartleben, Kolb, Lamey, v. Scil- ling, Wielandt, Mone, 3. Bader, Preujchen, v. Röder, Vierordt, Heuniſch, Huhn, Schreiber, v. Weech, in Medizin, Beterinär- funde, Chemie F. W. Maler, Salzer, Chr. 2. Schweidhardt, Teufel, Ticheulin, Wolf, Welgien, in Naturgeſchichte umd Naturlehre Gmelin, Döl, Seubert, W. Eijenlohr, Frid, U.

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Braun, Walchner, Bödmann, in Mathbematit, Mechanik La- domus, Kaiſer, Keller, Tulla, Redtenbacher, in Architeltur Müller, Arnold, Weinbrenner, Hübſch, Fr. Eijenlohr, Berdmüller, in $orit- und Jagdmwejen Fiſcher, Laurop, Urnsperger, in Philologie und Pädagogik v. Graimberg, Ruf, Zandt, Kärcher, Godel, U. Bödh, ein geborener Karlöruber in Berlin, in Religions- und Kirhenjahen und Philoſophie Biechele, Brunner, Walz, Knittel, Jung Stilling, v. Schilling, in Handelswiſſenſchaft und Landwirtſchaft W. Chr. Griesbah, Meerwein, in Bel» letrijtitv. Benzel-Sternau, Biedenfeld, Bommer, Friedrich, Heigel, Holzmann, Hoffmann, Keller, Ring, Schreiber, Höder. Dichter hat unjere Periode zwei eigentlich hervorragende aufzumeijen, deren Namen und Werke weit über die Marten des Landes und über die Grenzen der Gegenwart in die Zukunft binausreichen und fortleben werden, Hebel und Scheitel, die gleichjam die Anfangs- und Endmarfe unjerer Periode bilden. Ganz arm an Dichtern war in- dejien darum unjere Periode nicht, und auch unter ihnen wird eine künftige Gejchichte vielleicht mehr als einen zu verzeichnen haben, deſſen Namen die Gegenwart überleben wird. Insbeſondere möchten wir auch den Karlsruher Lokaldichter, Bäder Vorholz, bier nicht übergehen. Die Lebensgänge Scheitel und Hebels find bei dem Einen jo gründlih in Schriften dargejtellt, bei dem Andern ung jo nabeftehbend, daß mir diejelben bier kaum zu berühren nötig haben. Scheffel war bier geboren den 16. Februar 1826, 1876 den 19. März wurde in der QTurnballe in Gegenwart des Großherzogs jein 50. Lebensjahr feterlich begangen, und ihm der Adel verlieben. Er ftarb den 21. März 1886 in feinem Haufe, Stefanienjtraße Nr. 16, und hatte ein überaus großartiges Leichenbegängnis.

Aus Hebel NJugendaufenthalt in Karlsruhe führen wir nur Folgendes an. Don dem Pädagogium in Lörrach fam er 1774 als noch nicht 14jähriger Knabe in das biefige Gymnaſium und wurde in die damals zweitoberjte Klafje, die Sekunda, aufgenommnten, über welcher noch die Prima und 3 Exemtenklaſſen ſtanden. Weil er aber in diejem erjten Schuljahr den vierten Platz erhielt, wurde er an Djtern 1775 mit Uebergebung der Prima jegleich in die erite Eremtentlafje befördert, durchlief die drei Jahreskurſe der Eremten von Ditern 1775—78 und bezog die Univerfität Erlangen. Als Schüler genoß der arme Joh. Peter abwechjelnd Freitiſch bei dem

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Ephorus Hofrat Hummel, dem Kirchenrat Profeſſor Mauritii, dem Stadtdirektor Preuſchen, Direktor Stößer und Direktor Brauer. Hofdiakonus A. G. Preuſchen, des Stadtdirektors Bruder, gab ihm freie Wohnung in feinem Diakonatshauſe, Herrenſtraße 5, damals noch ein altes Manjardenhaus, und zwei Tage Koft.

Als Hebel Dftern 1778 nach Erlangen z0g, erhielt er auf Fürbitte diejes Gönners 75 fl. aus dem Stipendienfond auf 8 Wochen geliehen, weil Hebels Vogtsmann wegen der Saumſeligkeit der Ober: länder Schuldner das Geld nicht rechtzeitig jchiden konnte. Als er 1780 vom 22.—29. September bier feine Staatsprüfung machte, wohnte er in dem Haufe Nr. 129 der langen Straße, welches Hof- prediger Walz beivohnte und fpäter zu eigen erhielt, jett Gafthaus zum Hirſch. Ueber feine jpätere Zeit vergleiche Joh Vet. Hebel, ein Zebensbild von ©. Längin, 1875, Madlot.

Seine Wohnungen in der jpätern Zeit jeines biefigen Aufent— halt3 find neuerdings durch bejondere Tafeln bezeichnet worden.

Er ftarb in Schweßingen während eines Beſuches bei jeinem Freunde, den Gartendireftor Zeyher, den 26. September 1826. Sein Denkmal ſteht jeit 1835 in dem Scloßgarten.

Bon fremden Gäften, welche teils vorübergehend, teil3 längere Zeit hier weilten, und zu Karl Friedrichs Lebzeiten, noch in unjerer Periode perjönlichen und brieflihen Verkehr mit demjelben pflegten, nennen wir Lavater, Göthe, Pfeffel, Geßner, Gg. W. Schlofier, 3. Hch. Voß, deifen Sohn 1804 die Baujchule von Weinbrenner bier bejuchte, Herder, Barnhagen von Enje, welcher 1815 als preußifcher Minifterrefident hier war, und jeine Gattin Rahel, Frau von Krü— dener, Mar von Schentendorf, welcher fich den 15. Dezember 1812 mit Eliſabeth Barklay aus Königsberg bier vermählte, in dem Hauje Erbprinzenftraße Nr. 10 (Färber Bring) wohnte, und ins— bejondere mit Yung GStilling und Frau von Krüdener in freund- ihaftlichen und geijtesverwandten Beziehungen ftand. Bon ihm ift auch das bekannte Lied an das Rüppurrer „Kirchlein an der Straßen“. Er war bruftleidend, hielt jich bejonders gern im Schlop- garten auf und ftarb jchon im Alter von 33 Jahren 1817 in Koblenz.

Eine andere, vielgenannte und Karl Friedrich naheftehende Per— jönlichkeit war Jung Stilling, geb. 1740, weldyer 1806 bis zu jeinem Tode 1817 bier lebte. Jung, welcher eigentlich Arzt war, und jchon früher fich als Wugenoperateur einen Namen gemacht

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hatte, war ſchon feit 1803 in Heidelberg teils durch feine Schriften über Religion und Gottesreich, teils durch briefliche Korreipondenz, mit Karl Friedrich bekannt geworden. Der alternde Markgraf fühlte ſich durch das myſtiſch Fromme, religiöfe Weſen defielben angezogen. Schon 1803 hatte ihm Karl Friedrich 1200 fl. Bejoldung ausge- worfen, 1804 gab er ihm Zulage aus feiner Handlaffe, 1805 aus der Staatskaſſe, und 1806 berief er den 66jährigen Mann nach Karlsruhe jelbft, gab ihm Wohnung und Tafel im Schloß, von wo aus derjelbe nicht nur feine ärztliche Praxis und jeine zahlreichen Staaroperationen mit glüdlichem Erfolg fortfegte, fondern auch in zahlreichen Briefen und Schriften für die Belehrung zum Weich Gottes wirkte, auch einige fameraliftiche Werke berausgab.

Nach 1811 wohnte er nicht mehr im Schloffe und ftarb ben 2. April 1817.

Schlußwort.

Wir ſind an dem Endziele unſerer Arbeit angelangt. Was wir in Schrift und Wort zu ſchildern verſucht haben, das hat im Sommer 1886 die geſchichtlich archivaliſche Ausſtellung in dem Saale des alten Lyceums geboten, eine anſchaulich bildliche Darſtellung der ſtetig fortſchreitenden Entwickelung der Stadt auf allen Gebieten des äußern und geiſtigen Lebens.

Mögen ſolche Darſtellungen für die Bewohner unſerer Bater- ftadt auch fernerhin ein Sporn und Antrieb fein, auf dem Wege ihrer Väter fortzufchreiten, eine Lehre, daß nur der ftrebjame, folide Bürgerfinn imftande ift, der Kunft beitere Hallen zu bauen, der Wiffenichaft eine wohnliche Heimftätte zu gründen, dem Handwerk einen goldenen Boden zu bereiten, und jo auch das äußere Wachstum und die würdige Geftaltung der Städte auf folider Grundlage zu fördern und weiter zu führen.

Beilage |. ce. 63).

Kurzer Begriff aller derer Freyheiten, Privilegien und fonderbahrer Be- gnadigungen wormit ber Durchleuchtigfte Fürft und Herr, Herr Earl, Marg- graff zu Baden und Hochberg, Landgraff zu Saufenberg, Graff zu Sponheim und Eberftein, Herr zu Rötelen, Badenweiler, Lahr und Mahlberg ꝛc. der Röm. Kayſerl. und Königl. Cathol. Mayeſt. wie auch des Löbl. Schwäbiſchen Erayfes beſtellter reſpectiv.· General⸗Feld⸗Marſchall und General-Feld-Zeugmeifter, auch Obriſter über ein Kayſerl. Regiment zu Fuß ꝛc. die Jenige, welche hinlünfftig bey und neben Dero Neu-Erbauenden Luft-Hauß Carols⸗-Ruhe mit Anbauung neuer Behaufungen ꝛc. Sich nieberlaffen werben, anzufehen gebentet.

Gedrudt zu Durlach, durch Theodor Hechten.

Gleih mie bed Megierenden Herrn Marggravend zu Baben und Hoch— berg ꝛc. ꝛc. Hoch-Fürftl. Durdhl. fich gnädigft entichloffen, ohngefähr einer Stunden meit von Dero Refidenz- Statt Durlach ein neues Luft-Hauß anlegen zu laffen, felbigem auch, nicht nur einen anfehnlichen Anfang- fondern auch zugleich den Rahmen Carols⸗Ruhe der Urjachen gegeben haben, weilen fie bie nunmehro durch Gottes Gnade verliehene Friedenszeiten dafelbiten zur Erleichterung Dero ſchweren Regierungs-Laftes in etwas einfamer Ruhe zu geniefien fich vorgenommen, dennoch aber, um bie Annehmlichleit der Situation durch die Leutfeeligteit zu vermehren, zerichiebene nutz und ehrbare Gewerbe, Manufacturen, und Hand- tierungen allda einzuführen gedenken ; aljo haben auch höchft - gedacht Ge. Hodh- fürftl. Durchl. einen kurtzen Begriff aller Freyheiten, Privilegien und befonderer Begnadigungen, jo wie den Jenigen, bie bey und um gebachtes Earold-Ruhe, ſich nieberzulaffen- und mit Erbauung neuer Häußern veft zu fegen, Quft haben, ober befommen, gnädigft gönnen, und verleyhen werden ꝛc. in Öffentlichen Trud fommen- und ſowohl in- als aufler Landes zu männiglichs Wiffenfchaft bringen zu laſſen, gnädigft befohlen. Und zwar

I. Solle von biefer Anbauung und Genuß folcher Freyheiten, der Religion halber niemand ausgeichloßen- fondern alle und jede, welche einer aus denen im Heil. Röm. Reich recipirten Religionen zugewandt feynd, gelitten, und in ihrem Handel und Wandel guter Vorſchub gethan werben. Und bamit

II. Dergleichen Neuanbauende defto mehrere Ruhe und Vergnügen haben mögen, jo mollen Se. Hochfürſtl. Durchl. Selbige mit einem eigenen linter-

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Gericht verfehen laſſen, und wegen ber etwa zu erörtern jeyenden Zwiſtigkeiten der Jurisdiction Dero Ober- Ambt3 Durlach in prima JInstantia, untergeben, und ernftlih darob halten, daß ein jeder einer ohmverzöger- und ohnpartheylichen Juſtitz fich zu erfreuen babe. Weilen auch

II. An Bequemlichleit der Wohnftätte nicht wenig gelegen, fo werben Se. Hohfürftl. Durchl. einem jeden neusanfommenden Innwohner einen erklecklichen Wohn» Plag nad Beichaffenheit feiner Profeflion, Stand und Famille, nicht weniger, wo es nöthig, zum Hoff, Scheuren, Stallung und Garten, ohnentgeltlich auszeichnen und einräumen laffen, auch

IV. Das benöthigte Bau-Holz und Sand ebenfalld gratis erlauben. So viel aber

V. Das Brechen und Beyführen der Steinen, deren bey und um Durlach genug zu befommen, belanget, jo wird joldhes der Neu-anbauende wegen geringer hierauff zu wenden habenden Koſtens vor fih, und aus feinen Mitteln zu bejorgen haben; Wie dann eben der Urjachen halben

VI Se. Hochfürſtl. Durchl. die gnädigfte Erlaubnus dafelbft ſich einzu- bauen, feinem, er jeye dann mit jattfamen Mitteln verjehen, ertheilen, Sonften aber, und

VI. Zu mehrerer Bierde, und Gleichheit des Orths, ein durchgehendes Model, wornach fich die neue Innmohnere in ihren auffzurichten gedentenden Gebäuden zu reguliren haben, ihnen vorjtellen, darbey aber

VII. Einem Jeden die Freyheit Iaffen, die zu feinem Bauweſen nöthige Handwerks-Leuthe, wo er will, und bey welden er am gelindeften gehalten zu werden glaubet, zu erwehlen. So ertheilen auch Höchſt-gedachte Se. Hochfürftt. Durchl.

IX. Allen künfftigen Innwohnern zu Carols-Ruhe, und damit ſelbſtige derer durch das Baumelen aufigemandter Koften halben ſich befto befjer wider erholen, auch in Handel und Wandel um jo merflichere Erleichterung jpühren mögen, eine Zmwangig Jährige, und gängliche Eremption von allen Einquar- tierungen, Collecten, auch all andern ordinariig und extraordinariis, realibus et personalibus oneribus et Exactionibus, unter mas Namen oder Praetext fie erfordert werden könnten oder mwollten, alfo und dergeftalten, daß wann auch

X. Ein oder der ander vor völligem Außgang befagter Zwantzig Frey- Jahre verftürbe, die annod übrige Zeit nichts defto weniger feinen verlaffenden Kindern und Erben nüplich fortlauffen, und alfo fie diefer Eremption bis zum Ende der Zwantzig Jahren ſich zu prävaliren haben jollen, welche Eremption Se. Hochfürſtl. Durchl. auch

XI In jo ferne ertendiren, daß fie Neu-anlommende ihrer mit fich bringender Mobilien, Kaufmanns und anderer Waaren halber von allen Zöllen, Aufflagen und Impoſten befreyet ſeyn. Was aber

XI. Den in Handel und Wandel, und der Eommercien, jo wohl als ber Eonfumptibilien halben zu Carold3- Ruhe jchuldigen Pfundzoll belanget, wollen Se. Hochfürſtl. Dr. fie neue Innwohnere davon, wie oben am IX. und X, Bundten gedacht, uff zwangig Jahr deſſen vollkommen befreyen, und noch fernerd gnädigſt erlauben, daß fie

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XII. Ihre Negotiation nicht allein in Carols-Ruhe treiben »jonbern mit ihren Waaren und Manufacturen in Durlah, Mühlburg, und fonft in andern dero Fürftenthumen und Landen feyl haben, und barmit ohngehindert handeln, auch in ſolchen Orten ein mehrers nicht bezahlen dörffen, ald von Ihro Hoch» fürftl. Durchl. andern Innwohnern und Unterthanen deßfalls präftirt wird, und werden Se. Hocfürftl. Durchl.

XIV. Es dahin gnädigft orbnen und einrichten lafjen, daß in Erhandlung aller Eß- und anderer zu Fournierung Dero Fürftl. Hofftaat erforderlicher Waaren, fo viel deren jedesmahl zu Carols-Ruhe zu finden, Sie neue Inn» wohnere dajelbjt allen andern in Stätten wohnenden Hanbdelsleuthen vorgezogen werben; barmit auch

XV. Sie neue Anlömmlinge in ihren Commercien und Hanbthierungen deſto ruhiger feyn mögen, fo mwollen Ih. Hochfürſtl. Durdhl. ihnen und derer Erben und Nachkommen eine ewige Befreyung von ber Leibeigenſchaft, auch allen ſonſt ſchuldigen Perjonal- Dienften, als Beanuen, Hagen, Jagen, und der- gleichen ertheilen. Falls auch

XVL Ein oder der andere aus rechtmäßigen Urſachen ober jeiner beſſeren Convenienz halben inner denen Zwantzig Frey- Jahren fein domicilium zu ver- ändern gedenten würde, ſoll ihme nicht allein fein bafelbft erbauetes Hauß und Zugehörde mit Abzug des ihme barzu gratis gegebenen Platzes, Bauholges, Sand und dergleichen, zu verlauffen allerdingen erlaubt, und gegönnt ſeyn. Wie auch

XVII. Mehr höchſt-gedachte Ihro Hochfürftl. Durchl. obgedacht denen künfftigen Innwohnern zu Carols-Ruhe zu erweiſen gebenfende beſondere Be— gnadigungen ꝛc. weder in obige Zahl noch die ſpecificirte Zwantzig Jahr einzu- ſchlieſſen gemeint ſeynd, alſo werden auch die künfftige Innwohnere zu Garold- Ruhe nach verſtrichenen Zwantzig Frey-Jahren aller Fürſtl. Hulde und Milde ſich zu verſichern, und feiner übermachten Aufflagen oder andern harten Bey- ziehung fich zu beichwehren, jondern vielmehr aller Fürſtl. Gelindigfeit in ber That zu erfreuen haben. In deſſen Eonformität

XVII. ©e. Hodhfürftl. Durchl. diß alfo unter Dero Fürftl. wahren Worten verjprechende Freyheiten, Privilegia, Jmmunitaeten und Exemtionen vor das Künfftige vielmehr zu mehren, und auff mehrere Jahre zu ertendiren, als zu mindern, oder zu bejchrenten, Dero angeftammten Clemenz nach bedacht feyn und die zur Aufnahm, Bierde, Bequemlichkeit, Luft und Nupbarkeit des - Drt3 Carols-Ruhe, oder auch zu der Innwohner beffern Vortheil dienende Bor- jhläge von einem jeden anhören und jelbige ind Werk zu richten mit aller Application beiffen werden. Wie Sie dann mehrgedadhte zu Carols-Ruhe fich tünfftig Häußlich niederlaffende Bürger fammt deren Familien indgemein und jeden injonderheit in Dero befondern Gnaden-Schutz aufnehmen, und barin bejtändig zu erhalten, auch bey diejen, und fünfftig mehr ertheilenden Privilegiis und Beneficiis fräfftigjt handhaben zu wollen, ingleichem wieder alle beſchwehrende Hindernüffen, Anfecht- und Bekränkungen durch Dero Fürftl. Macht und Authorität zu beichügen gnädigft und verbindlich verfichern, es auch dahin einzurichten feine3 weges ermanglen, daß Ihnen Bürgerlichen Innmohnern zu Carols-Ruhe

IV

von Männiglichen mit all-freundlich- und geneigtem Willen, Vorſchub, Hülff, und allem Guten begegnet, und zu handen geftanden werbe. Deflen zu Urkund haben Ihro Hod-Fürftl. Durchl. dieſes mit eigenhändiger Unterfchrifft und beigebrudtem Infiegel beftättiget. Carolsburg ben 24. September Anno 1715. Carl M. z. B. (L. 8.)

Beilage ll. (©. 64).

Privilegien für die NefidenzStadbt Carlsruhe vom Jahr 1722 nebft Zu- fägen zu benjelben vom Jahr 1724.

Wir Earl von Gotted Gnaden Marggraff zu Baden und Hochberg, Land⸗ graf zu Saufenberg, Graf zu Sponheim und Eberftein, Herr zu Nöttelen, Badenweiler, Lahr und Mahlberg x. Ihro Römiſchen Kanferl. und Königlich Catholiſchen Majeftät, wie aud des Löblichen Schwäbiſchen Kreiſes reipective General Feldmarihall und General Feldzeugmeifter, auch Obrifter über ein Kayſetlich Regiment zu Fuß 2c. tbun biemit für Uns, Unfere Erben und Nach— fommen jebermänniglih fund und zu mwißen; Demnah Wir bey dem durch Gottes mildreiche Verleyhung nun abermals erlangten und guter Hofnung nad, mit jeiner göttlichen Güte, Benftand, mehr als vormals dauerhaftig anjcheinenden gemeinen Neichöfrieden und an dieſen befielben Gränzen, zugleich auch unferen Fürſtenthum und Landen innjonderheit verfchaften, beftändigen Rubeftand Unjere obhabende landesvätterliche Sorge vornehmlich auch dahin gewendet, daß biefe von Gott dem Allmächtigen Uns anvertraute Lande und Leute, nicht nur zu den ehemals genofenen Flor und vergnüglicher Nahrung befördert, fondern auch an Anzahl derer Innwohner, Wiederberftelle und Verbeßerung ihres Handels, und Wandels, nad Einleitung der zu allerhand Manufacturen und Commercien recht erwünfcht- und fehr bequemen Situation aufs möglichfte gebracht- und vermebr t werben möchten;

In diefem ernftlichen Vorhaben auch Unfere Fürftliche Refidenz um mehr, dann eine Meyl-Weegs näher gegen den Rhein und Unfere daſelbſt habende ordentliche Ueberfarth, nehmlich bis nach Carlsruhe gerüdet, benebens denen- jenigen, fo fich dahin begeben, des Orts-Bequemlichkeit mitgenießen, und biefelbft fih haußhäblich niederzulaßen begebren, allen erfinnlichen Borfchub zugebäuben, und ermwünjchter Fortſetzung diß Ihres Vorhabens allerhand dienfame Gnaden, Ammunitäten, und Freyheiten zu ertheilen, und nach Gelegenheit zu vermehren, wohlbedächtlich refolvirt haben:

Als wollten wir zu deſſen allgemeiner Nachricht und Verſicherung fjeld- Unfere Landesvätterliche gnädigfte Wohlmennung hiemit folgender maßen declariret, und befannt gemacht haben; Nemlich fo laßen Wir ed bey demjenigen, mas zur Bermehrung der Innwohnerſchaft in diefem Ort von Unfertivegen bereit Anno

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Ein tauſend Siebenhundert und fünfzehen publiciret worden, allerdings bewenden wollen ſolches in feinem volllommenen Innhalt, gleich, ala vb felbiges in dieſem Brief von Wort zu Wort enthalten wäre, wiederholt haben, werden und wollen daraufhin auch, alle diejenige, jo fich in diefer neuen Stadt Carlsruhe häuflich niederzulaßen gedenken, ohne einigen Unterjchied der Nation und Religionen, fo fern felbige in dem heiligen Mömifchen Reich recipirt, und üblich find, ohne Ent- geld mit Gnaden aufzunehmen, und Jhrer jedem eine obnbeichrändte Gewiſſens— Freyheit, und Meligiond-Uebung wiederfahren, unb unbeeinträchtigt gedeyhen laßen, Sie auch dabey gegen alle etwa beforgliche Beunruhigungen nachbrud- famlich jchüzen:

Nur diefed wollen Wir Und vorbehalten haben, und zu einem jeden gnädigft verjehen, daß berjelbe nicht mit leerer Hand fich einzulaßen unterftehen, fondern menigft in Capitali —'- Zweyhundert Gulden eigenes Vermögen einbringen, dergleichen einzufommen verlangende Juden aber nicht unter —'- Fünf hundert Gulden eigenthümlichen Guths Tiquidiren und mit ſich bringen werben.

Und wie Wir allen Jeden fo fich in diefer Unferer neuen Reſidenz Stadt bürgerlich einzulaßen gedenden, und ſolches mit Erbauung eines Haußes wircklich bezeugen, eine volllommene Leiböfregheit für fich felbft und alle Ihre Nach— fommen zu ewigen Tagen gnäbigft gegönnt haben wollen; Alſo declariren mir biemit wiffend und mohlbebächtlih, daß, wer von andern Orten unſeres Fürften- thums und Landen feine Wohnung anhero zu trangferiren, und fich mit Auf- richtung ein- oder mehrerer Häußer hieſelbſt feftzufegen Willens ift, demfelben die vorhin etwa obgehabte Leibeigenjchaft, auf fein geziemendes anmelden, ohne einigen weiteren Entgeld, gnäbdigft gejchenfet, und bie Leibsfreyheit, ſammt was beren anhängig, für fich und feine Descendenz beyderley Geſchlechts sub consueta elausula milbiglich gegönnet feyn, und wieberfahren folle.

Wer aber von fremden Orten in biefem Vorhaben anlommen wird, von dem wollen Wir nur allein forderift einen genugjamen Schein feiner ehrlichen Geburth und Herlommens, und daß er nebft diefem entmweber Teibfrey gebohren, oder mit feiner Obrigkeit guten Willen leibfrey worden, und alljo dieſer ober fonften anderer Sachen halber feinen nadhjagenden Herren habe, erwarten, und Ihne darauf ohne weitere feinen Koften in unferen Schuz zu einem Unterthanen, und Burger in diefer unferer Fürftl, Nefidenz Stadt gnäbigft an und auf. zu nehmen, auch Ihne, oder die Seinige mit einem aller Orten fonft gebräuchlichen- obmohl geringen jogenannten Burger-Geld von Niemand beichweren laßen; Und wann barauf bin bergleichen aufnehmende neue Bürger Uns die gebührenbe Landſchuldigung geleiftet, mithin auch ihr Vorhaben hiejelbft häußlichen zu wohnen mit ber That bezeuget haben werden;

So follen Sie nicht allein für fich, Ihre Kinder und Kindskinder neben der oben angeregten vollfommen und immerwährender Leibfreyheit fich auch aller und jeden anderer Vortheile, melde, bes Orts Gelegenheit nad, jeder Inn⸗ wohner und Burger genießen folle, Tann oder mag ebenwohl fähig feyn und nach feinem Verlangen, ohne einige Ausnahme und Unterfchied, zumal auch ohne Unfer oder fonft jemands einredbe, noch Hinderung ſich zu bedienen, unb

zu erfreuen haben. 39

VI

Infonderheit jollen biefelbe Ihrer erbauenden neuen Häußer und berer- felben Zugehörde, wie auch ihrer in diefer Markthum Zwing und Bänn nach Maasgab der deßwegen beichehenen ordentlichen Umfteinung liegender Feld-⸗Güter halben nicht allein aller ordinari nnd extraordinari Anlagen, ala Bürth, Schazung, Zinße, Zehenden, und was jonften noch vorfallender Landesnothdurft von Unß, oder Unfertwegen jemweild ausgefchlagen und angejezet werben mag, auf —- Dreyfig Jahr lang von bato dieſes Brief3 anzufangen, allerdings freu und exempt ſeyn und bleiben; jondern Wir wollen auch zu Erbauung dergleichen Häußer, und Zugehörden bdenenjelben einen annehmlich- und genügfamen Plaz davon aber ber geringfte |. Vierzig Schub lang jeyn jolle, ohne einigen weder jegt ober künftigen Entgeldt einräumen, und eigentbumlich überlaßen: Nicht meniger auch das nöthige Bauholz auf dem Stamm aus Unferen nächitgelegenen Waldungen umfonft anmeifen, und fogar fie dafür mit Anforderung des fonften in Unferm ganzen lanbeöberlommlichen Stamm- oder fogenannten Uittgelds nicht bejchweren, aber, alle erfinnliche Beförderung und Hülfe, thun; Ingleichem denenjelben einen nöthigen und binlänglihen Wendgang vom Rindvieh und Schweine, jo viel ald es immer wird möglich und ohne derer nächftgelegenen Gemeinden gerechtiame Abbruch wird geichehen können, auch überdieß zu einer Allmend und gemeinem Guth ohnmeit Mühlburg einen Plaz von —'- Bier Morgen, zu Haltung bes Fabel Viehes, welche Sie aber auf Ihren eigenen Koften auszuftoden haben, ferner auch benenjelben nach Proportion der gebauten Häußer jährlich ein zulängliches an Gabholz anmeijen laßen.

Und mierwohlen Unß lieb feyn würde, wann dergl. neu anlommende Bürger in Erbauung folder Häußer und Zugehörde fich Unferer im Land zur Genüge mwohnenden bauverftändiger Handwerfäfeute bedienen würden, jo jollen Sie doch an diefelbe nicht jo genau gebunden ſeyn, ſondern Ihrem Wohlgefallen nach andere ausländifche Arbeiter zu beftellen und zu gebrauchen, freye und ungebundene Macht und Willen haben; dieje auch jolcher Arbeit halben, der Uns fonften als Landeöherten zu entrichten habenden berfommentlichen Necognitien, jolang die Freyheits ⸗Jahre dauern, gänzlich befrenet bleiben.

Obmohlen Wir auch gnädigft verlangen, daß die Häußer diefer Stadt in einer Außerlichen zierlichen Gleichheit aufgeftellet werden follen, und deshalb ein gewißes Modell gut befunden worben ift, fo hat doch folches die Meynung nicht, daß dem Bauführer die Sache koftbar oder jonft befchwerlich gemacht, vielmeniger des Innbaues und Eintheilung berer Gemächer halben, einig Ziehl und Maaß vorgefchrieben, fondern in fo fern außer der äuferlichen Facciata ganz freyer Wille gelaßen jeye und bleiben folle, jedoch verjehen Wir Uns, daß dergleichen Häußer von Zeit der Aufnahme an, wenigſtens in —'- Bmei Jahren völlig ausgebauet jenen.

Deögleichen find Wir auch entjchloßen dieſe neuanfommende Bürger aller übrigen Perſonal Befchwerden, als Hagen, Jagen und anderer berrichaftlichen Frohndienfte auf ewig frey und unbejchwert zu laßen; Was aber zu gemeinen Stadtweſensdienſt von Zeit zu Zeit erforderlich feyn und vorkommen möchte, deme mwird fi, ald Wir Uns verjehen, feiner in Betrachtung des davon auf Ihne felbft flieffenden Nuzens entziehen, fondern nach billiger Proportion gerne Beförderung zu thun, von ſelbſten gemeynt ſeyn.

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Wir fprechen auch diejenige, fo ein ober andere Manufacturen anfangen und treiben werben, derenthalben, und foviel infonnberheit die einbringende rohe Materialien, wie auch die hinausſchickende im Land gemachte Waaren betrift, deögleichen au, was jie fonften von Ihrem Haußgeräth und Vermögen, es beſtehe worin es wolle, gleich Anfangs mitbringen, aller Mauth, Zoll, Weggelbs, und dergleichen Aufichlags zu Waßer und Land, allerdings frey, alfo daß Gie jolhe Materialien, Waaren und Güther, Sie haben Rahmen wie fie wollen, obne einigen Entgeldt, Zeit ber Freyheits Jahren herein- und respective hinaus führen follen und mögen.

Wir erlafien auch diejenige, jo in dem Ort Carlsruhe ein unb anderer Handel jomohl Beweg⸗ ald unbeweglicher Güter halben, vornehmen und treiben, diß jonft gemohnlichen Accijes oder Pfundzolld, und wollen keinen Innwohner mit deßen Abforderung befchweren, fondern einen jeben desfalls eine völlige Freyheit auf —'- Dreyſig Jahr lang angebeyhen laſſen. Es jolle auch einem jeden alſo eingejeffenen Burger hiemit erlaubt und frey gelaflen ſeyn, Seine Nahrung und Gewerb an allen Orten im Land, und auf allerhand ehrbare Weife zu fuchen und zu treiben, jeboch daß ſich disfalls in specie die Hand⸗ werls⸗Leute denen ertheilten Zunft» Ordnungen gemäß bezeugen, und berfelben gebührende Folge Teiften.

Denen Schild und Gaßenwirthen erlauben Wir Ihren auszufchenten vor- vorhabenden Wein und Bier aller Orten in oder außer Lands, wo ed Ihnen beliebig, ohne einig Unfere Hinder- oder Beſchwerung zu erlauffen.

Und was das Umgeld von dem Ausſchank betrift, jo follen fie von jeder ausfchentenden —'- Ohm Wein, Uns mehr nit, als . Vierzig Kreußer, und von jeder —'- Ohm Bier —- Zmangig Kreuger für alles zu zablen, berentgegen aber bie zu Mübhlburg übliche alte Maak im auszapfen zu brauchen ſchuldig ſeyn.

Wir wollen auch der gemeinen Stadt zu deſto beßerer Unterhalt- und Verſorgung des Stadtweſens von ſolchem Umgeld die Quart gnädigſt gegönnt, und in Kraft dieſes zu einer ewig und beſtändigen Einnahm angewieſen haben;

So fern auch einige unſerer Bedienten, irgend einen bürgerlichen Handel und Gewerb zu treiben ſich anmaſen, ſo wollen wir Sie dahin Kraft dieſes angehalten haben, daß Sie in ſo fern dieſerley Handthierung und die bürgerliche Polizey betrifft, ſich dem Amts⸗ und Stadtgerichts⸗gwang nicht entziehen, ſondern ſich in ſo weit denen andern Bürgern gleich erzeigen, und wegen ſolchen Gewerbs die proportionirliche Laſt mittragen ſollen.

Und wiewohlen auch die Evangel. Luther. Religion in Unſerm Fürſtenthum und Landen bishero einig und allein in öffentlicher Uebung geweſen und noch ferner bleiben ſolle;

So werden wir doch nicht hindern, daß auch die, der Evangl.-reformirten Religion zugethane Bürger, Ihrer eigenen Eonvenienz nad, abjonberliche Kirchen, Schul und Pfarrhäußer erbauen, und Ihren abjonderlichen Gottesdienft öffentlich und ruhig anftellen und halten;

Wegen derer Römifch-Eatholifchen aber laßen Wir es bey ber bis anhero tolerirten ruhigen ftilen Uebung Ihrer Religion noch ferner, und in jolang

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VII

unvderänberlich Bewenden, bis fich mit ber Zeit Mittel und Wege Öfnen werben, wie biefelbe ohne Schmälerung und Abbruch Unſerer Landesfürftlichen Hoheit mit einer Öffentlichen Kirche, und Zugehörde, wie es fonft an Unſerem Willen niemals ermanglet, und wozu auch allenfals, wie ein bequemer Pla; auderjeben ift, ſich werben verforgen lönnen.

Was mir zu Unjerem Fürſtl. Hofftaat allerhand Nothdurft einzuhandeln gemüßiget ſeyn mwerben, melcdhes die Innwohner in gerechter Waare und jo billigem Preiß, ald man es fonft belommen kann, anzufchaffen vermögen, da follen Sie vor allen andern, fogar auch im Land fonft wohnenden Untertbanen, ben Vorzug haben.

Würde aber ein unb anderer hiefelbft etablirter neuer Innwohner feine Meynung ändern, ben Ort wieder verlaßen, und anders wohin fich begeben mollen, fo folle Ihme, ba Er innerhalb benen obbenahmften Freyheits - Jahren mwegzöge, fein erbautes Hauß und Bugehörbe, fo guth möglich zu verlaufen erlaubt, auch Ihme fofort, ſowohl mit deßen Erlöß, ald übrigem feinem Ber- mögen, ber freye Mbzug ohne den fonft gewöhnlichen Abzug, oder anbermweiten geringften Entgelbt verftattet ſeyn.

Würde auch einer, der ſich alfo mit Erbauung eines Haußes in Carlsruhe geiezet, vor dem Ende dieſer Freyheits verfterben, jo follen feinen Kindern oder Erben, welche nehmlich in Carlsruhe haußhäblich wohnen, die übrige Freyjahre vollends unflagbar angebeyhen.

Wir geftatten ferner denen Innwohnern zu Carlsruhe hiermit mohlbebächt- lich, und wollen dazu beförberlich ſeyn, daß Sie gute ehrbare Bolicey in Ihrem Stabt »Weefen felbft aus Ihrem Mittel, doch mit Unferer Landesfürftl. Rati- fication, Burgermeifter, Baumeifter, Gericht, Rath, unb aus demjelben alle übrige zu Erhaltung eines Töblichen Wefens, nöthige Aemter, ohne Bartbeilichkeit erwählen, und unter Direction und Mufficht Unferes jedesmaligen Beamten durch bdiefelbe allen Ihnen felbft, und Ihren Mitbürgern vorlommende Kauf, Tauſch, Teftamenten, und andere Handlungen, Erbtheilungen, Verſorgung derer bürgerlichen Wayſen mit tüchtigen Bormundichaften verrichten, zumalen aud) allerhand vorfallende burgerliche Strittigleiten erörteren, und überhaupt gute Zucht und Ehrbarkeit mit Veftrafung aller vorgehenden Frevel und Muthwillens, nach Anleitung und Maaßgab Unferer Fürſtlichen Landrecht und Ordnungen in prima instantia handhaben und beybebalten mögen.

Dabei wir Ihnen die befondere Gnade weiter angedeyhen Iaßen, daß von benen burch unfere Beamte oder Canzley, oder auch von Ihnen felbften, gehalte- nen Sachen, wegen derer in bem ort, deſſen Wirth und Privathäußern, oder auch auf denen Gaffen bey Tag ober Nacht vorgehenden Händeln, unter —'- Beben Gulden anjezenden Straffen, Ihnen ein Quart zu deſto befierer Beftreitung Ihres Stadtweſens und Mbftattung nöthiger Ausgaben in Handen gelafen, jeboch getreulich abminiftrirt und verrechnet werben folle.

Wie Sie aber dergleichen Policey⸗Aemter jelbft zu beftellen hiemit Erlaubniß haben; Alſo werden Sie was denen dazu erfießten Leuten über die in Unferer publieirten Tag - Ordnung beftimmte Ergöglichleit etwa noch meiterd zu geben, billig gefunden, und nad umpartheylicher Erachtung mit unferer Approbation

IX

benamfet werden mag, aus Ihren Gemeinen- Einkünften, fo weit fie jolches erleiden fünnen zu entrichten haben.

Wir wollen auch innjonderbeit über die fchon geordnete Frey» Jahre auch gewihe Wochenmärkte anordnen zu laßen, und jelbige mit vorgedachter Pfund— zoll: oder Aecis-Freyheit beitmöglichit zu befördern, eingedenf jenn; der Gemeinen Stadt aber ein leidentlihes und mac Proportion eines jeden Handel und Wandels, auch fich jelbft anichaffender Boutique regulirtes Standgeld zu erfor- dern, und in Ihren gemeinen Nutzen getreulich zu verwenden, biemit gnädigjt erlaubt baben.

Mit allem obigen find Wir nicht gemeint, wollens auch dabin keineswegs verjtanden haben, ald ob Wir mit Beftimmung diefer Dreyſig Freyheits Jahre, und was fonften oben angeführt ift, Uns im der gegen die Innwohner dieſer Unjerer Refidenz tragenden gnädigſte Propenfion ein Ziehl hätten fezen wollen, fondern Sie haben fich vielmehr feitiglich zu verfihern, dak Wir auch nad folber Zeit auf allerband Art denenfelben Unjere Gnaden und Wohlthaten, billicben umd möglichen Dingen nach zu erweiſen, feine Selegenbeit vorbenftreichen lajjen werden.

Wie Wir daum zu ihrer jo mebreren Verficherung, biemit erprejie haben wollen, daß dieſelbe nach vollendten —|- Dreyſig ren Jahren, ratione Ihres Vermögens, (worunter jedoch das Gewerb nicht mitbegriffen, als weßwegen Sie mit allen Auflagen immerfort zu verichonen find) böber nicht dann von jedem Hundert, mit Dreyſig Kreutzer angelegt, oder aber von denen die es verlangen ein gewißes überhaupt, welches Wir doch bey dem Allerreichjten nicht über '- Fünf Gulden jährlich gefteigert wiken wollen, erheben und gefordert, außer obigem aber jenjten mit feiner berrichaftlichen Beichwerung, Sie haben Nabmen mic jie wollen, worunter Wir in specie auch den Zehenden von Jhren befigen- den Gärten und Modern verftchen, belegt werden, jendern davon gänzlich und auf ewig befreyet bleiben jollen.

Wir gedenfen auch Ihnen in allem übrigen, was Wir Ihnen zu Beför— derung ihres Handels und Nahrung au mehreren Gnaden, Jınmunitäten und Srenbeiten weiter dienfam erfinnen, oder Sie von Uns begebren können, in continnirender landespätterlicher Woblmennung jedesmal guädigjt wiederfabren zu laßen.

Und damit die Einwohner diejer Unſerer Refidenz - Stadt Carlsruhe dejto- mehr vergewifleret und rubig jenn können, daß Wir und Unfere Nachfolger (als zu welchen Wir zwar ohnedies das gnädigjte Vertrauen haben) Sie bey gegen- wärtig ertbeilt und moch fünftig zu ertbeilen Uns vorbebaltenen Privilegien handhaben wollen und jollen; So verwilligen wir Ihnen biemit, und in Kraft diefes gnädigſt, daß Sie weder Uns jelbjten, noch einigen andern Unjeren Nach— folgern im Regiment zu huldigen, noch ihre Pflichten abzulegen jchuldig ſeyn jollen, e3 haben dann Wir, oder diejelbe Unjere Nachfolger Ihnen von Carlsruhe beederſeits anftändige Verficherung getban, daß Wir oder Diejelbe fie bey diejen gegebenen und noch künftigen Privilegien zu ewigen Tagen bandhaben und jbügen, und Ihnen jedesmal darüber einen Verſicherungsbrief aushändigen mollen ;

Auch fol und muß die Stabt- Earlärube auf keinerlegweife von Unſerem Fürftentbum und Landen verfezet, durch Widdums oder Heuratb-Guth oder auf einig andere Weihe verändert noch geäußert werben, fondern ewig ben der Untern : Marggrafihaft Baden Pforzheimer Theild verbleiben, worauf auch alle bie Junmwohner zu Carlsruhe jedesmals bey der Huldigung ſchwören und Pilicht leiften follen.

Hingegen verfehen Wir Uns auch zu biefen jezigen und künftigen Unſeren getreuen lieben Untertbanen und Innwohnern diejer Unjerer Refidenz Stadt Earlöruhe ſammt und fonders allerdings gnädigft, daß Sie dieje Unſere Special Gnade und Befreyung, jederzeit in jchuldigftem hohem Reſpect danfbarlich veneriren, Selbige keineswegs misbrauchen, noch gegen Uniern Willen auf andere Orte fih anmaßen, oder fonft einige Gefährde darunter treiben werden, bey Berluft diejes Privilegii, aud Vermeidung Unjerer Ungnade, und anderer fchweren Beitrafung, bie eim jeder, jo fich disfalls zu vergreifen unterſtehet, unfehlbar zu gewarten haben jolle.

Hierauf thun Wir unferen jegigen und künftigen Räthen, Ober- und Unter- Amtleuten fammt und fonderd, auch ſonſten männiglih hierdurch und in Kraft biejed Briefs gnädigft und ernitlih befehlen, dak Sie dieſe Unſere Reiidenz- Stadt, und Dero jezige ſowohl als künftige Innwohner gegen dieſe oben befchriebene und fünftig nod weiters ertheilende Gnaden, Immunitäten und Freyheiten im geringften nicht betrüben, oder davon in wenig oder viel ver» dringen, vielmeniger andern fich dergleichen zu unterjtehen, geitatten, noch ver- hängen, ſondern ein jeder an feinem Ort diejelbe daben volllommen und rubiglich verbleiben laßen, fchüzen, handhaben, und dererjelben fich zu erfreuen, beförderen ſollen, als lieb einem jeden ift Unjere Ungnade und ernftliche Strafe, die ein jeder, fo dieſes Unſeres Befehls ungehorjamlih vergeßen möchte, unfeblbar zugemwarten baben jolle, zu vermeiden.

Defien zu mehrerer Berfiherung haben Wir diejen Freybeits Brief mit eigenen Händen unterichrieben und mit Unſerm größern Fürftlichen Innfiegel mwiffentlich behänget, denen Vorſteher diejer Stadt einhändigen laßen. So geichehen in Earlsruhe den zwölften Monatbitag February, Im Jahr als mar nach Unfers einigen Erlöfers und Seeligmachers Jeſu Ehrifti Heylwerther Geburtb zählte Ein Taufend Siebenhundert Zwanzig und Zwey Jahr.

Carl M. zu Baden. Vt. Bürdlin

Beilage ll. (S. 6%.

Wir Carl von Gottes Gnaden, Marggraf zu Baden und Hocberg, Yand«- graf zu Saufenberg, Graf zu Sponheim und Eberftein, Herr zu Rötteln, Baden- weiler, Lahr und Mahlberg zc. haben ben Durchgehung derer Unjerer Refidenz Statt Carlsruhe am 12ten February des Eintaujend Siebenhundert Zwey und

XI

Zwanzigſten Jahrs gnädigft ertheilten Privilegien wahrgenommen, dab no ein und anders Unferer Refidenz Statt zum Nuten und Aufkommen gnädigjt eingeräumet, und vermwilliget werden können; Und weil dann Erftlihen das Aufnehmen einer Statt und ganzen Bürgerfchaft darinnen beftehet, dab allerhand Manufacturen eingeführet und getrieben werden, Als verorbnen, feßen, und wollen Wir biermit, daß von nun an, und bis zu ewigen Zeiten von alle den» jenigen Gapitalien die zu Anlegung und Fortführung einer Manufacturen, es jeye an Wolle, Senden, oder Leinwand, auch andern mebr werden angewendet werden, nicht das allergeringfte, e8 jene unter Nahmen was e3 molle, weder zu Unſers Fürftlichen Haujes, noch allgemeiner Reichs- und Creyſes Notbwendig- feiten, bezablet werden folle: Sondern follen alle diefe Capitalia, jo fange Sie bloß allein in denen Manufacturen gebrauchet, und daraus die Handmwerfer im Land gefördert werden, aller und jeden Auflagen und Beſchwehrden fren und ledig bleiben: Zweitens follen auch alle diejenige, die fih in Unſerer Reſidenz Statt Carlsruhe bäußlich niederlaflen werden, wenn Sie von Ihren eigenen Mitteln leben, und feine bürgerlihe Nabrung treiben, von aller Ihrer Fahrnuß und Vermögen nicht das allergeringjte weder an Uns oder Unjerer Nachkommen zablen, noch zu Reichs- und Creyß-Beſchwehrden etwas beytragen, jondern aller Anlagen frey und obnbeichwehrt bleiben; Und wollen Wir über dieß noch Ihnen biermit eingeräumt haben, daß, wenn fie anderer Orten in Ehren Nembtern geitanden, Ihnen mit Unſern eigenen Bedienten derjenige Rang gegeben werden jolle, der Ihnen nah Ihrer anderswo würklich gebabten Function gebühret, jedoch folchergejtalt, daß in der Claß, mo jeine Function bingehöret, Unſern VBedienten der Vorgang vor Ihnen verbleiben möge.

Und follen dergleichen von Ihren engenen Mitteln lebende Perſonen nichts anders zu tbun fchuldig ſeyn, ala daß Sie fih um einen Schugbrief von Un und Unjern Naclommen anmelden, und ben Unjerer Cantzley den End der Treu abichwören, da Sie jodann ohne die geringſte Beſchwehrde geichüget, und Ihnen der gebührende Rang mit Unjern Bedienten angewieien werden jolle.

Drittens, Weilen Wir auch der Gemeinen Bürgerichaft nachtbeilig und ihädlich finden, wenn einige Häuffer und liegende Güther folchergeitalt privi« legiret werden, daß deren Beliger zu demjenigen, waß die Gemeine Bürgerichaft unter fich zur Erbaltung des gemeinen Stattweiens zu tbun bat, nichts bentragen, Als verjpreben Wir hiermit vor Und, Unjere Erben und Nachlommen, daß auffer Unjern eigenen Gebäuden auch Pfarr- und Schulbäufiern, als welche vorbin der Gemeinen Bürgerichaft am nmüßlichiten find, ingleichen vor diejenige Perſohnen, die durch ihren allbiefigen Aufentbalt und Wohnung der Statt und denen Burgern jonderbahren Nugen zumenden, Wir fein Hauß und liegendes Guth desjenigen befreven mollen, was zu Behuf de3 allgemeinen Stattweejens erfordert wird, und wenn gleich ein oder anderer Annmohner jeines Ehren Ambts, Seburtb, Herrichaftlichen Dienft, oder auch anderer erlangten Freyheit balben, dasjenige in Perjon zu verrichten, nicht jchuldig erachtet werden fann, waß jeg- licher Burger zu tbun verbunden ift, jo joll Er ein folches dennoch mit Geld in zulänglicher proportion zu vergüten, angehalten werden, damit in dieſem Stüd von Ihren Häuffern und Güthern feine Yaft genommen, und auf die Gemeine

Xu

Bürgerichaft geleget werde. Und befehlen hiermit Unſern Räthen, auch Ober- und Beamten, daß Sie auch hierüber fteif umd feft halten, darwieder Selbſt nichts handlen, oder, daß etwas darwieder gehandlet werde, geitatten, fondern alle dieje Buncten eben fo getreulich und fleißig beobachten follen, ald wenn Sie in Anfangs gedachtem Privilegio eingerüfet, und würklich darinnen enthalten wären.

Defien zu wahrem Urkund haben wir Sie eigenhändig unterfchrieben, und Unjer Größeres Fürſtliche Innſiegel daran hängen laſſen. So geichehen Carlsruhe ben Fünfzehnten Augufti des Eintaufend Siebenhundert Bier und Zwanpigften Jahrs.

Carl M. Baden.

Beilage I. G 208).

Beitätigung der Privilegien für die Nefidenzitadt Karlarube in dem Jahr 1738.

Wir Magdalena Wilbelmina von Gottes Gnaden verwittibte Marggräffin zu Baden und Hochberg, Landgräfin zu Sauſenberg, Gräffin zu Sponheim und Eberftein, Frau zu Rötteln, Badenweyler, Lahr und Mahlberg ꝛe. gebobrene Herzogin zu Würtemberg und Ted, Gräfin zu Mömpelgardt, Frau zu Dep: denheim ꝛc.

Wie auch

Wir Carl Muguft von defielben Gnaden, Marggraff zu Baden und Hoch- berg, Landgraf zu Saujenberg, Graf zu Sponheim und Eberftein, Herr zu Nötteln, Badenwenler, Lahr und Mablberg x. Ihro Röm. Kavferl. Majeftät, wie auch des Löblich Schwäbijchen Kreyſes General Wachtmeilter und Obrifter über ein Regiment zu Fuß ꝛc. Als Wenland des Durchlauchtigſten Fürſten Herrn Carls Marggraffens zu Baden, und Hochberg, Landgrafens zu Saufen- berg, Grafens zu Sponheim und Eberftein, Herrns zu Rötteln, Badenweyler, Zabr und Mahlberg x. Unjers Hochieel. in Gott rubenden Herrn Gemabls und respective Oncle Liebden und Gnaden zurüdgelafenen minderjährigen Endels Dero Erb: und nunmebrigen LandPringens Earl Friedrich Liebden teftamentliche Vormündern und verordnete Landes Nbminiftratoren, Belenen hiermit, Demnach Uns Unſere getrene Liebe vormundichaftliche Unterthanen die famtliche Burger der Stadt Tarlörube, vor den erft Hochangeregten jungen minderjährigen Lands: fürften Prinz Carl Friedrich Unſern freundlich vielgeliebten Endel und respective Vettern heut dato Huldigung Pflicht und Eyd getban, und Wir Uns gnäbigft erinnern, daß Hochgedacht Unferes Hochieel. Herrn Gemahls und Oncle Liebden und Gnaden nach Innhalt eines Briefs de dato Carlsruhe den 12ten February 1722. gemelte Bürgere zu Carlsruhe mit gewießen Privilegien und Begnadigungen

XIII

gnädigſt begabet, daß ſolchemnach Wir als OberVormündern und Landes Admi⸗ niſtratoren Nahmens des ſchon erwähnten annoch minderjährigen LandPrinzens Carl Friedrichs, dieſe von mehr Hocherwehnt Unſers hochſeel. in Gott ruhenden Herrn Ehegemahl und Oncle Liebden und Gnaden gemeldten Bürgern zu Carls⸗ ruhe ertheilte Freyheiten und Begnadigungen auf Deroſelben bey Uns eingebrachtes unterthänigſtes Bitten, und da wir nicht minder Unſere gnädigſte Zuneigung Ihnen vermerken zu laßen gnädigſt gemeynet find, in Vormundſchafts Nahmen, gnädigſt confirmirt und Beſtätiget haben; Confirmiren und Beſtätigen ſolche Freyheiten und Begnadigungen denenſelben, auch in Kraft dieſes Briffs, und gereden und verſprechen bey Unſern Fürſtlichen Worten, Sie darbey gnädigſt, doch in Conformitzt der von oft Hochermeldt Unſers Herrn Gemahls und Oncle Liebden und Gnaden Hochieel. Angedenlens dabey geführten gnädigften Intention bleiben zu laßen, zu jchügen, zu ſchirmen und zu handhaben, dar» wieder nicht zu ſeyn, oder zu thun, noch jchaffen getban zu werden, in feine Weiß noh Weeg. Inmaßen zu deßen Urkund Wir Unß eigenhändig unter- ſchrieben und Unfer vormundichaftliches Secret. Infiegel haben gehendt an diefen Brief, der geben ift zu Carlöburg und Carlsruhe, den Ein und Zwanzigſten Monatstag July im Jahr nah Chriſti Unſers Erlöjerd und Seeligmachers Gnadenreichen Geburt Ein Tauſend Siebenhundert Acht und Dreißig x.

Magdalena Wilhelmina Earl Auguft M. 3. Baaden W. Marggrav zu Baaben. F. €. Uexküll. Vt. Bürcklin.

Beilage V. ce. aıı). Neue Privilegien fiir die Reſidenzſtadt Karlsruhe vom Jahr 1752.

Carl Friedrich, von Gottes Gnaden Marggrav zu Baaden und Hochberg !

Unjern Gruß Beiter, Hochgelehrter, Liebe, Getreue, 2c.

Die der Stadt Garlärube von Unjers in Gott ruhenden Herrn Vaters Gnaden ertheilte Frenheiten haben zwar mit dem 12tem Februari gegenwärtigen Jahres ihre Endichaft erreichet, Wir werden aber auch in der Folge die Ein- wohner gedachter Stadt überzeugen, daß mit dieſer verftrichenen Zeit Unfere Fürftliche Gnade leineswegs gegen Diefelbe aufgehört habe, und verhoffen der- jelben andurh, daß Wir fothane Stadt vor andern zu Unſerer Refidenz aus— erjeben, bereit3 eine derer ficher- und weſenlichſten Proben gegeben zu haben.

Hingegen wollen Wir Uns auch von denen Einwohnern Unjerer Refidenz Stabt gnädigft verfehen, daß fie fich ihres Ortes beſtens beemfigen werben, fich in Unferer Gnaden zu erhalten, und die zur Einrichtung einer guten Polizey und Aufnahme des biefigen Stadtweeſens vorfehrende Anftalten in ſchuldigſtem Gehorfam mit Beförderen zu belfen.

XIV

Unfer gnäbdigfter Wille ift demnach

Erſtlichen, daß hinfünftig in gedacht Unferer Reſidenz Stabt Carlsruhe alle und jede Gebäude ohne Ausnahme, es ſeyen vorder- oder Hinterhäufer, Scheuern, oder Stallungen, jo neu erbauet, oder nach Abgang deren alten Gebäude wieder bergeftellet werben, nach bem neuen von Uns gnäbigft genehm gehaltenen Modell, welches bey Unferem Bauamte zu haben, von Steinen bis unter dad Tach aufgeführt werben jollen.

Wir befehlen demnach Unſerm Oberamt Carlsruhe hiemit ernitlich, Die genauefte Obficht zu tragen, zu folchem Ende ſich von jedem bauenden vor der Erlaubnig einen Riß übergeben zu laffen, damit folch Unferer Verordnung ohne Ausnahme nachgelebet, und zu deren Befolgung Jedermänniglich, wer ed auch jege, jo gemwißer angehalten werde, als Wir in unterlajjenden Fällen Unſer DOberamt Earldrube zur Verantwortung zu ziehen, und diejenige, melde fich bierinnen Unſerm Willen nicht gefüget haben, mit jchmehrer Strafe zu belegen entjchloffen jeynd. Und obmohlen Unſere Herrichaftliche Waldungen keinesweges vermögen, ohne fie zu eröden, das zu denen Eingebäuden und Tachmerlern erforderliche Holz zu fourniren, So werben Wir jedennoch auch bierinnen denen Earlöruber Einwohnern alle mögliche Erleichterung und Vorſchub angebeihen, und Ihnen das Bauholz in jo lange, ald es ohne merllihen Schaden der Waldung geichehen kann, an tbunlichen Orten in dem jedesmaligen ForſtTax abgeben laſſen.

Zweitens wollen Wir die dahier recipirte Einmwohnere, fie jeien Evange— liſch Lutheriſch, Reformirt, oder Catholiſch, bei dem freien Exercitio ihrer Religion einem und dem andern Theil, wie auch die Juden bey ihrem Gottes» dienft in jomweit folches bi8 daher gnädigft gegönnet worden, und ohne Abbruch unferer Uns ausdrüdentlich vorbebaltender Landesherrlichen Gerechtiame geichehen fann, fernerweit auch in das fünftige gnädigft belaffen.

Drittens ift Unier weiterer Befehl, daß fürterhin feine fremde Manns Perſon zu einem Bürger angenommen werden folle, welche jich nicht wegen ihrer ehrlichen Geburth, Herfommend und Leibesfreibeit hinlänglich legitimiret und zugleich wahrjcheinlih dargetban hat, daß fie fich dabier wohl ernähren und ein tüchtiges Mitglied jeyn werde, auch jedesmalen eiblich erbärte, daß einer ſolch ledigen Perjon eigenes Vermögen wirklich Fünfhundert Gulden, ein paares Eheleuthe aber Siebenbundert Fünfzig Gulden nach Abzug aller darauf baften- ben Schulden betrage, und jolches biebero inferiret werde, jeboch behalten Wir Uns zugleidy bevor, bey Berjonen, welche in Anſehung einer befonderen Geichid- lichkeit, oder bergleichen dem gemeinen Weejen ſehr nüglich fenn können, nach Unferm gnädigften Gefallen zu Dispenfiren.

Und ba

Viertens die denen Bürgern, welche bieber ziehen, durch die Privilegien auf 30 Jahre zugeftandene Freyheit von dem Land- und Pfundzoll auch Abzug, wenn fie von einem andern Amt bieber gezogen feind, mit dem Berfluß derjelben erfojchen jeind. So wollen Wir au, daß fürterhin denen neu angenommen werdenden Bürgeren dahier feine mehrere Freyheit, ald ein jeder anderer in Unfern Fürftlichen Landen ebenfalls geniehet, diesfalls zu ftatten fommen folle.

XV

Wir verordnnen auch

Fünftens, daß fünftighin der Pfund- und Landzoll von denen Ein- mohneren ber Stabt Carlsruhe, wie von andern Unferen Untertbanen ſowohl in der Stadt, ald in Unferm gejamten Landen, wo folches zu entrichten ift, durch Unfere jedes Ortes befindliche Zollere und Pfundzoll Einzichere eingezogen und Uns getreulich verrechnet, und Niemand davon als Unfere mirfliche nicht aber die Titular Bediente, und zwar nach Unferen diesfalls bereit3 vorliegenden Fürftlichen Verordnungen, nur von demjenigen, was fie in Ihre Haushaltungen gebrauchen, nicht aber von dem, wormit fie Handel und Wandel treiben, in jo ferne fie diesfalls nicht befonderd von Uns befreiet ſeynd, und folches darthun tönnen, befreiet bleiben follen.

Und obmwohlen Wir auch bierunter den Bad- und Mepel-, Brandwein⸗ und Gafthabern-Pfund Zoll von denen einbringenden Kaufmanns-Waaren ausbrüd- lich begriffen und verftanden haben; So wollen wir jedennoch, bis auf ander- weiters gnädigftes Gutbefinden der Einwohner Unſerer hiefigen Reſidenz Stadt mit der Befreiung des fogenannten Haus Mepel Geldes, welches jonften ein jeder, der ein Stüd Vieh zu feinem eigenen Hausbrauch jchlachtet, zu entrichten hätte, begnadigen, auch dermalen annoch

Sechstens. Bis Uns ein anderes gefällig fenn wird, von der Bezahlung des Pfund Zolls alle anhero zum Berfauf eingebracht werdende grüne Garten Gewächſe, Butter, Eyer, Milch, wie auch die alte und junge Hüner, e3 werde ſolches in größerer, oder geringerer Menge eingeführt, oder eingetragen, entheben, wohingegen von denen andern Sorten derer Eh Waaren, Geflügel, Schmalz und dergleichen ber eingeführte Pfundzoll nad der Vorſchrift Unferer Pfund Zoll- Ordnung auf die nemliche Art, wie in Unſerer Stadt Durlach auch gejchiebet, eingezogen werden ſoll.

Siebentens verorbnen Wir bierdurh, daß fürohin von denen biefigen Hinterfaffen, wie in anderen Städten das gewöhnliche Hinterfafjen » Geldt mit Zwey Gulden vor Uns und eben fo viel vor Unjere Stadt Carlsruhe eingezogen werben folle.

Achtens wollen Wir unjerer Refidenz Stadt Carlsruhe fernermweit den Weidgang, mie fie folhen dermalen geniejet, jamt denen zu Erhaltung des Fajel- Viehes beftimmten dreien Morgen Wedern belaffen und werden ben gnädigiten Befehl ertheilen, daß ſothaner Diftrict behörig ausgefteint, und ber Stadt angemiejen werde. Ingleichen ſeynd Wir

Neuntens gnädigjt gemwillet, Unferer Refidenz Stadt Carlsruhe ferner- meit vorzubehalten, zu Erhaltung guter Polizey, unter Rejervirung Unſerer Landesherrlichen Betätigung, Bürger, und Baumeifter, Gericht und Rath und aus demſelben alle übrige Stadt Polizey-Aemter ohne Partheilichleit zu erwählen, und unter der Direction Unferes Oberamtes alle Eontracte, Teftamenter, Bor- mundſchaften, und andere Handlungen zu errichten und zu bejtellen, die geringe bürgerliche Strittigfeiten in prima instantia zu erörtern, und die vorgehende Frevel und Muthwillen nah Maasgab Unferer fürftlihen Landrechte und Ber- ordnungen zu beſtrafen.

XVI

Zehentens ſolle Unſerer Stadt Carlsruhe noch fernerhin, und zu allen Zeiten eine Quart von denen in der Stadt, deren Wirths, oder privat Häuſern, oder auf denen Gaſſen bey Tag oder Nacht vorgehenden Händeln, oder anderen in die Polizey einſchlagende ftrafbaren Dingen durch Unſere Canzley, das Ober- amt, oder auch den Stabt- Magiftrat ſelbſten unter Zehn Gulden angeſezt merbenber Strafen verbleiben, und jelbige neben andern Jhren Intraden getreu- lich verrechnet, und die Rechnung alljährlich von dem Oberamt abgehört und juftificirt werben. Aus melden und anderen von Uns der Stabt überlafien merbenden Einkünften diejelbe

Eilftens Ihre Ausgaben zu beftreiten hierben aber fich nach Unferer fürftlihen Tar- und andern Verordnungen pünktlich zu achten hat. Wie Wir dann auch zu deſſen mehrerem Behuf

Zwölftens berjelben dad Markt und Stand» Geld jomohl von denen Jahr, ald auch denen Wochenmärkten, wie anderen Unſeren Städten belafien, bingegen bat diejelbe mit Anjchaffung der Materialien und Beftellung derer Einziebern den Coſten zu übertragen.

Dreizebntens haben Wir die nach dem Unjerer Stadt Earlärube in anno 1722 ertheilten Privilegio jedem Einwohner derſelben zugeftellte und gebachtes Privilegium deutlich erflärende gedrukte Freiheits Briefe, welche auch denen öffentlichen Zeitungen einverleibt worden ſeynd, genau einjehen laſſen, und, da durch deren deutliche Worte:

„Drenzendes allenfalld Er mwirthen wollte, jolle derjelbe in diefen 30 Jahren

„zu Umgeld nicht mehr bezahlen, dann vor eine Ohm Wein PVierzig und

„vor eine Ohm Bier Zwanzig Ereuper.“ fih allzu klahr ergiebet, daß diefes mäßige Obmgelb nur auf die 30 Freyheits Jahre veftgejepet worden jene; So wird Unß jo mweniger anzumuthen jeyn, bierinnen eine derer beträcdhtlichiten Revenüen, welche Wir von Unſerer Refidenz Stadt Carlsruhe zu beziehen haben möchten, nachzuſehen, ald ohnehin dergleichen Mäßigung nicht ſowohl der ganzen Stadt, als vielmehr denen Wirthen und Fremden zu ftatten fommen würde. Unſer gnäbdigfter und gemeſſener Befehl ift demnach, daß fürterhin von dem 23ten July gegenwärtigen Jabrs das Ohmgeld jamt dem Maas Kreuzer ſowohl in Anſehung des Weind, ald Bierd auf den nemlichen Fuß gefeget werbe, wie e3 zu Müblburg und anderer Orten eingeführt ift, Worben fih in Zukunft die biefige Wirtbe werben zu bequemen haben, ent» weder unter dem Siegel, oder unter dem Accorb, wie man es von Seiten Unferer fürftlihen Nentlammer vor gut befinden wird zu wirthen. Jedennoch jolle die Mühlburger alte Maas dahier fernerweit beibehalten, und bey dem Aufſchluß die Berechnung nach der Meinen Maas gemachet, und ber gemeinen Stabt von dem Betrag des Umgeldes die völlige Quart zu ewigen Tagen überlafjen bleiben, wohingegen biefelbe von biefen vermehrten Einkünften die Bejoldungen derer Allmoſen Pflegeren, Nachtwächtern, Bettelvögten, und des Gtabt Mößners beftreiten, und ſolche keineswegs weiters aus dem Stabtallmojen beziehen, den Uiberreft aber gleichergeftalten zum Beften des gemeinen Weſens nüßlich ver- wenden folle. Wir hefeblen auch

Vierzehentens daß ein jeder biefiger der chriftlichen Religion zuge-

XVII

thaner Einwohner, er befinde ſich in Unſeren fürſtlichen Dienſten, oder nicht, wann er bürgerlich gewerb treibet, und zwar erſterer ſo viel das Gewerb, die Liegenſchaften und das Polizey Weeſen In realibus anbelanget, leinesweges aber in Anſehung ſeiner Perſon, Familie, und Geſindes der Oberamtlichen und der Stadt Jurisdiction ſamt denen Juden unterworfen bleiben folle.

Wir wollen auch, daß in Zukunft alle und jede Einwohner Unſerer Reſidenz Stadt Carlsruhe, Unſere Fürſtliche Bediente ohnausgenommen, von Ihren beſitzenden Wohnungen und liegenden Gütern zu denen nach Maasgabe Unſerer fürſtlichen Verordnungen geſchehenden Umlagen und dem gemeinen Laſt angehalten werden und dazu ohne Ausnahme concurriren ſollen. Jedennoch wollen Wir Unſere Fürſtliche Dienerſchaft in jo ferne ein oder der andere dererſelben fein Bürgerlid Gewerb treibet und nicht beſonders privilegieret worden ift, von denenjenigen Beichwerden, welche einem gemeinen Bürger zu leiden obliegen und in Einquartirung, Thor» und Hauptwachten und dergleichen befteben, jo mie bishero weder in natura, noch in Geld prästiret haben, fernerhin verichonet wiffen, wohingegen die Häufer, fie gehören weme fie wollen, zur gewöhnlichen Collection, Unſere Herricaftlihen Gebäude nur allein davon ausgenommen, fowohl in ordinariis als extraordinariis angezogen werben follen.

Wegen der biefigen Judenſchaft behalten Wir Uns bevor, Euch demnächſt Unfere Fürftlibe Willens» Meinung zu Euerer Nachachtung ebenfalld zu ver- nebmen zu geben, in Anſehung derer biefigen Schuzbürgere aber baben Wir war gnädigſt refolviert, das neben der gewöhnlichen Kopf- und Gemerb3- Schatzung zu bezablende jährliche Schupgeld auf Zwey bis Vier Gulden nad Befinden ihrer Vermögens Umftände herunter zu feßen, und denen dermablen dahier aufgenommenen Schugbürgeren den Schuß auf ihre Lebens-Jahre ange- deien zu laffen: Wir ſeind aber zugleich entichloffen, in Zukunft feine Schuß» bürger mebrer® anzunehmen, als dergleichen Leuthe, wann fie nicht Bürger werden können, gemeiner Stadt mehr zur Laſt, ald Nutzen gereichen, und diejelbe ohnedies damit überjezet ift.

Wornebit Wir der gefammten biefigen Einwohnerſchaft die gnädigite Zujage thun, dab jelbige von aller Zeibeigenichaft, in jo ferne nicht ein oder ber andere derjelben in einen Leibeigenen Ort zieben wird, eine immermwährenbe Leibes— Freiheit genießen, und jelbige von allen Herrfchaftlichen Frobnten, Jagden und dergleichen frei gelaffen werden jolle. Und obmohlen Wir

Fünfzehntens. Den freyen Handel mit dem Salze in Unjerer Refidenz Stadt Earlörube bereit3 volllommen abgeftellt haben, und ernitlich wollen, daß dad benöthigte Salz nirgends anderswo, als aus Unferen Herrichaftlichen Magazinen, oder aus denen Salz Städten derjenigen, denen Wir den Salz- bebit veradmodirt haben, bey Confiscation und darauf gejegter mweiteren Strafe genommen werden folle. So feind Wir jedennoh auch gewillt, der gemeinen Stabt gleichermaßen hierinnen Unjere Gnaden zu bezeigen, und derſelben fürter- bin die Quart von dem beziehenden Profit, oder Salz Regali ohnabbrüchig zufommen zu laſſen.

Sleichergeftalten ſolle e3

Sechszehntens mit dem Eiſenhandel wie in anderen Unferen Städten gehalten werden, und bie bisherige Freyheit hiemit aufgehoben jenn.

XVII

Siebenzehntens haben die biefige Bürger von ihren Häujern, Gütern, dem Burgerfopf, und der Fahrniß die Schapung zu erlegen, jedoch folle Ihnen fein mebreres als 30 fr. vom 100 fl. wie foldhes zu Mühlburg auch geichieht, auffer denen um zu legenden Landes, wie auch etwan in Zuluuft entftehenden neuen Kriegs-Koſten, welche jedennoch nach vorbefagtem SchatzungsFuß auszu- theilen jennd, abgefordert werben, auch fie von der Gewerb Schapung und allen anderen Herrichaftl. Anlagen beftändig frey bleiben, und zu ewigen Tagen von ihnen auf biefiger Gemarkung liegenden Gütern und Aeckern keine Zehenden zu entrichten haben.

Achtzehentens befinden Wir nöthig zu ſeyn, daß auch in Unferer Stadt Carlsruhe, wie in anderen Städten alle Handwerker und Brofeffions Verwandte in Zünfte eingetheilt und angewieſen werden, fich denen jezigen und fünftigen Zunft» Ordnungen gemäß zu bezeugen. Ihr das Oberamt habt dem- nach diejenigen Handwerksleuthe und Profeffioniften, welche zur Zeit bei feiner Zunft eingeichrieben ſeynd, zu deſſen ebejter Bewirkung anzubalten, insbefondere aber in Anfehung derer dabier eingejeflenen KRaufleutbe und vielen Krämere eine umftändliche Verzeichnig mit Eurem gutächtlichen Berichte über deren Bermögens Umjtände und Beichaffenbeit Ihres Handel3 bey Unferm Hofraths Collegio und zwar bald möglichjt zu übergeben, damit auch darüber die nöthige Entſchließung ergriffen, und Euch jo fort befannt gemacht werden fünne.

Gleiche Beichaffenheit bat es auch mit denen biefigen Wirtbichaften, derer Menge ſolchergeſtalten angewachſen ift, daB jelbige ohnmöglich jamtlich eine ehrliche Nabrung finden können, und dabero auch daraus jebr viele Obnord- mungen entftanden ſeynd. Bey nunmebrigen Ausgang derer Yyreibeits - Jahren wären Wir daher wohl befugt, jamtlichen Wirtben, welche fih nicht alſo gleich legitimiren können, daß Ihnen die Tavern Gerechtigkeit auf allezeit verjtattet worden, anbefehlen zu laſſen. Ihre Wirtbichaften niederzulegen, und jodann die nötbig findende Tavern Rechte nah guädigftem Gutbefinden binmiederum zu vergeben. Wir gedenken aber auch bierinnen mit gnädigfter Mäßigung vorzu- geben, und mit folchen nur in jomweit eine Verminderung vorzunehmen als es die Handhabung einer guten Polizen ohnumgänglich erforderen will, Wir ver- boffen dahero Unſere gnädigfte Abficht zu erreihen, wann Wir die Strauß- wirtbichaften ganz und gar abftellen, und die fünftige Anzahl derer Schildwirthe allerhöchſtens auf Adchtzehen bis 20 vejtjegen, auch aus jelbigen diejenige Wirthe erwählen, melde in Anſehung der Tüchtigleit zum Wirtben, und wegen Ihrer Häuffer und Stallungen vor anderen einen Vorzug verdienen. Ihr die Ober- beamte und Verrechnende Bedienjtungen babt demnach jamtlich hiefige Wirth- ichaften in eine Consignation zu bringen, und bey einer jeben pflichtmäßig Unjer Rent-Kammer Collegium zu Berichten, was es mit deren Inhabere Nahrung und Tüchtigkeit zum Wirtben vor eine Beichaffenheit habe, und in welcher Lage auch Einrichtung fih Ihre Häufer und Stallungen befinden, und unter joldyer veftgejezten Anzahl derer Wirtbichaften hat dahero das Oberamt Carlsruhe vornehmlich diejenige, fo fich wegen ihrer Häußer bequemen Gelegenheit, Lage an der Hauptjtraffe und übriger Tüchtigleit am Beſten darzu qualificiren, vor andern in Vorjehlag zu bringen, und dabey darauf zu jehen, damit in einer

XIX

Neben Gaffe nicht mehr als ein Wirthshaus fich befinden, und dergleichen Häufer nicht all zu nahe bey einander liegen, auch in dem mittleren Zirkel dergleichen nicht geftattet werden mögen.

Wir verjeben und aber, daß Ihr hierüber Euren Bericht fo fchleuniger zu gedacht Unjerem Rentkammer Collegio beförderen werdet, ala Unſer gnä- digfter Wille ift, daß die mit denen biefigen Wirtbichaften zu machende auders meite Einrihtung längftens bis auf den 2dten July Ihren Anfang nehmen ſolle, und Wir dieſerwegen Unferer fürftlichen NRentlammer unter heutigem dato das Nötbige gnädigft anbefehlen, hierbey aber Euch zugleich vorläufig melden, daß Wir denen beybehaltenden Wirthen, wegen Beftätigung Ihrer Wirtbichaften nicht3 anderes, al3 einen mäßigen Expeditions Tax anjegen zu laſſen gedenken, übrigens aber verordnen, daß binkünftig ohne Unfere bejondere gnädigfte Er- laubniß feiner dabier eine Wirtbfchaft treiben, auch wann

Neunzehentes dergleichen neue Tavern Rechte gejucht und verlanget werden, e3 damit wegen Anfeßung derer Taren, wie in anderen Stäbten bes Unterlandes gehalten werben jolle.

Zwanzigftend baben Wir Euch ſchon oben zu erkennen gegeben, daß Unfere Fürſtliche NRefolution wegen der biefigen Judenſchaft demnächſt an Euch ergeben merde, und habt Ihr auch ſolche abzumarten;

In Anjehung deren Einwohner, in Klein Karlsruhe aber haben Wir

Einundzmwanzigitensd vor gut befunden, daß felbige allefamt, jedoch mit Ausnahme derer rechtmäßig privilegirten und bejoldeten Herrichaftlichen Diener, zu aller Zeit vor Hinterjaffen gedachten Dörfleins geachtet und zu Erlegung des gewöhnlichen Herrichaftlichen Hinterfaffen Geldes jährlich mit Zwey Gulden auch zu Präftirung derer Herrfchaftlichen Frohnden, und Wachten angehalten, und dann auch

Zwey und Zwanzigſtens die Häufer in Klein Karlsruhe in nehm- licher Maaße wie die in Unſerer Reſidenz Stadt in ordinariis et extra- ordinariis angeleget und collectiret, auch e3 mit denen Gärten und Aekeren auf gleiche Art gehalten werden ſolle. Seztlihen hat auch

Drey und Zwanzigſtens, die auf dreißig Jahre ertheilte Abzugs, und Wbzugs- Pfundzolls » Freiheit nunmehro aufgehört, und hat dahero auch fürterhin die Gemeine Bürgerfchaft den Abzug und Abzugs Pfundzoll nach dem in Unjeren fürftlichen Unterlanden eingeführten regulativ zu entrichten.

Hierinnen beftehen nun diejenige Verordnungen welche Wir in Anjehung der anderweiten Einrichtung des biefigen Stadtwefens dermalen zu erlaffen vor nötbig befunden haben.

Wir haben darinnen Unfere Vornehmfte Obforge auf die Einführung einer guten Polizey gerichtet, der gemeinen Stadt beträchtliche Einkünfte zugeftanden, und denen Einwohnern ſolche Gnaden Bezeugungen zugewendet, welche jie allerdings in Unterthänigfeit zu verehren haben.

Es ift dahero nichts übrig, ald daß Unfere gethane gnädigfte Zujagen und Wille Unferere Reſidenz Stadt verfündiget, das weiters anbefohlene annoch

xx

forderjamft bemwerkftelliget, bad gegenwärtig Berfügte aber in Borfalfenheiten jevesmablen auf das genanefte vollzogen, und binkünftig eine gute Polizey mit aller Strenge gebanbhabet merbe.

Hierdurh wird Unfer gnädigfter Wille und Befehl befolget, als befien Wir Unß verfehen, und verbleiben Euch in Gnaden gewogen.

Gegeben Earläruhe den 12. Juni 1752.

Abgesang auf eine Epoche

„Auf dem Weg ihrer Väter fortzuschreiten“.

Davon spricht mahnend Karl Gustav Fecht in seinem $Schlußwort, weil, wie er weiter ausführt, ‚‚nur der strebsame, solide Bürgersinn imstande ist, der Kunst heitere Hallen zu bauen, der Wissenschaft eine wohnliche Heimstätte zu gründen, dem Handwerk einen goldenen Boden zu bereiten“. Von der Indu- strie ist noch nicht die Rede. Nun wird zwar Karlsruhe noch einige Jahrzehnte in erster Linie großherzogliche Residenz und darüber hinaus als badische Lan- deshauptstadt Verwaltungszentrum und damit Beamtenstadt bleiben, aber am Industriezeitalter kommt es nicht vorbei. Mehr und mehr gerät das Schloß des Fürsten, von dessen Gnade ehedem soviel für das Gemeinwesen abhing, ins stille Abseits. Die Stadt hat sich emanzipiert, sie ist mündig geworden.

Als Karl Gustav Fecht 1887 die Feder des Stadtchronisten aus der Hand legt, platzt Karlsruhe aus allen Nähten. Neue Stadtteile sind entstanden, jen- seits der alten und nun niedergelegten Stadttore, die Südstadt, gegen Durlach zu die Oststadt und in Richtung Mühlburg, das schon 1886 eingemeindet wor- den ist, die Weststadt. 1907 kommen Beiertheim, Rüppurr und Rintheim hin- zu. 1909 Grünwinkel, 1910 Daxlanden. Jetzt wachsen die Bauten der Reprä- sentation hoch, das Sammlungsgebäude am arkadengerahmten Friedrichsplatz in Nachbarschaft der Eisenbahndirektion, eine der schönsten Platzanlagen in Karlsruhes Baugeschichte, die Landesfrauenklinik an der Kaiser Allee, das Werder-Palais als Sitz des Generalkommandos, das Gymnasium in der Bis- marckstraße, die Baugewerbeschule, das heutige Staatstechnikum, das neue Städtische Krankenhaus von Wilhelm Strieder, das Hauptpostgebäude, Kir- chen, Kasernen, Schulen, darunter die Lessingschule, Deutschlands erstes Mädchengymnasium. Und noch einmal wird in Karlsruhe ein Schloß gebaut, zum letzten Mal. 1897 ist Joseph Durms Erbgroßherzogliches Palais an der Kriegsstraße fertiggestellt, im gleichen Jahr, da das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, geschaffen von Bildhauer Adolf Heer, am Mühlburger Tor enthüllt werden kann.

Am 19. März 1900 fährt durch die Kaiserstraße der letzte Pferdebahnwa- gen. Acht Tage später wird der elektrische Bahnbetrieb von Durlach bis zum Mühlburger Tor aufgenommen. Schon seit 1890 fährt eine Dampfstraßenbahn, die die Karlsruher das ‚‚Lobberle‘ nennen, nach Durmersheim, seit 1891 auch nach Spöck. 1897 nimmt die Albtalbahn ihren Verkehr nach Ettlingen auf. Nicht zu vergessen die Drahtseilbahn, die an der Westflanke des Turmbergs, Durlachs Hausberg, hochfährt. Sie ist eine der ältesten in Deutschland.

Der entscheidende Schritt hin ins Gewerbliche erfolgt um die Jahrhun- dertwende mit dem Ausbau des Rheinhafens. Am 28. April 1901 legt das erste

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beladene Güterschiff dort an. Karlsruhe hat Anschluß an den großen Strom ge- funden, der so lange an der Stadt vorbeigelaufen ist. Oberbürgermeister der Stadt ist in den Jahren von 1892 bis 1906 Karl Schnetzler, ein Mann, den Be- scheidenheit und Sachlichkeit auszeichnen, ein tatkräftiger Kommunalpoliti- ker und Verwaltungsfachmann. In seiner Amtszeit überschreitet Karlsruhe die 100000-Einwohnergrenze. Die Großstadt ist Tatsache geworden.

Karlsruhes Technische Hochschule, die 1902 anläßlich des Regierungsju- biläums des Großherzogs den Namen ‚Fridericiana‘ erhält, hat sich zu einer der führenden europäischen Lehrstätten technischer Wissenschaften entwik- kelt. 1887 wird Professor Dr. Hans Bunte Ordinarius für Chemische Techno- logie. In den Jahren 1885 bis 1889 entdeckt hier der junge Physiker Heinrich Hertz die elektromagnetischen Wellen und leitet damit das Zeitalter des draht- losen Funks und des heutigen Fernsehens ein. Der zweite Wissenschaftler, des- sen Berühmtheit sich mit Karlsruhe verbindet, ist der Nobelpreisträger Fritz Haber, dessen Forschungsarbeiten von 1894 bis 1911 die Synthese des Amo- niaks gelingt. Damit schafft er die Grundlagen der Stickstoffgewinnung aus der Luft. 1898 gründet Engelbert Arnold das Elektrotechnische Institut, 1901 Theodor Rehbock das Flußbau-Laboratorium, dem er in den folgenden Jahren internationale Geltung verschafft.

Mit der Berufung des vordem noch stark umstrittenen Malers Hans Thoma an die Kunstakademie und als Direktor der Kunsthalle 1899 heben Karlsruhes ‚‚klassische Jahre“ als eine der führenden Kunsthochschulen Deutschlands an, Jahre, die mit glanzvollen Namen verbunden sind, mit Gu- stav Schönleber, Wilhelm Trübner, Kaspar Ritter, Viktor Weishaupt, Leopold Graf von Kalckreuth, Ludwig Schmid-Reutte, Ludwig Dill, Walter Conz, August Babberger, Hans Meid und dem Karlsruher Carl Hofer, der als Mei- sterschüler Thomas freilich bald in Gegensatz zu seinem Lehrer gerät, nach- dem er sich mit den Alterswerken Thomas nicht befreunden kann. In jene Jahre fällt auch der Zuwachs an bedeutenden Gemälden der Kunsthalle, so Feuerbachs ‚‚Gastmahl des Plato“ und als besonderes Ereignis Matthias Grü- newalds ‚‚Kreuzigung“ und ‚‚Kreuzschleppung“ aus der Kirche von Tauber- bischofsheim, zwei Kunstwerke, die der Karlsruher Galerie Weltruhm einge- bracht haben. 40000 Mark bewilligen die Landstände für den Ankauf.

Das Hoftheater erlebt seine glanzvollste Epoche. Felix Mottl, der erste Generalmusikdirektor der Karlsruher Theatergeschichte, macht das Karlsru- her Haus zu einer der führenden Musikbühnen Deutschlands. Brahms, Bruckner, Berlioz und Smetana werden hier zum ersten Male aufgeführt. Bei- spielhaft sind die Wagner- Aufführungen, so daß man damals nicht zu Unrecht vom „Vorort Bayreuths“ spricht. Keine andere Bühne Deutschlands stellt in jenen Jahren so viele Solisten, Chor- und Orchestermitglieder zu den Festspie- len ab. Sie fahren in einem Sonderwagen der Eisenbahn nach Bayreuth, und die

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Namen Pauline Mailhac, Sofie Fritsch, Christine Friedlin, Luise Reuss-Belce, Bianca Bianchi, Fritz Plank, Alfred Oberländer oder der Heldentenor Gerhäu- ser sind nicht nur den Karlsruhern bekannt.

Am 28. September 1907 stirbt auf der Insel Mainau Großherzog Friedrich I., 81 Jahre alt, in der Erinnerung der Karlsruher ein silberbärtiger gütiger Greis, dem allenthalben Verehrung zuteil wurde. Selbst der „Volksfreund“, die Zeitung der badischen Sozialdemokraten schreibt: „Mit Großherzog Friedrich ist einer der populärsten deutschen Fürsten aus dem Leben geschie- den. Es wäre unklug, leugnen zu wollen, daß die Sympathien, deren sich der verstorbene Fürst. erfreute, sich nicht nur auf die Anhänger des monarchisti- schen Regierungssystems beschränkten“. Anerkennung kommt auch aus Pa- ris, wo die Zeitung „Journal des Debats“ den Verstorbenen eine ‚‚geschichtli- che Gestalt‘ nennt. „Man muß den Großherzog zu den feurigsten und aus- dauerndsten Vorkämpfern der deutschen Einheit zählen. Trotz der sonderba- ren Verehrung, die er für das absolutistische und militärische Preußen hegte, war er von aufrichtig freisinniger Gesinnung. Seine Rolle in den Kämpfen um die deutsche Einheit einerseits, seine unumstrittenen Familientugenden, seine Herzensgüte, der Geist, der seine Regierung beseelte, erklären hinlänglich die Volkstrauer, in die sein Hinscheiden die Bewohner des Großherzogtums ver- setzt“,

Die Beisetzungsfeier am 7. Oktober versammelt noch einmal das monar- chische Europa in Karlsruhe, den Kaiser, Könige, Thronfolger, Großherzöge und Großfürsten. Es ist wie ein Abgesang auf eine Epoche. Mit dem alten Großherzog ist auch die alte Zeit dahingegangen. Man weiß es noch nicht, aber viele ahnen es.

Letzte Jahre als Residenz

Am 22. Dezember 1905 wird Dr. Karl Siegrist zum Oberbürgermeister gewählt. Seine Amtszeit beginnt im Zeichen des blühenden Aufschwungs, aber sie wird einmünden in Karlsruhes schwere Jahre. Noch aber treiben Zuversicht und wachsendes Selbstbewußtsein den Lebensrhythmus der Stadt voran. An der Nördlichen Hildapromenade vollendet Friedrich Ratzel die Gebäude- komplexe für den Verwaltungsgerichtshof und das Generallandesarchiv. Friedrich Ostendorf übernimmt an der Technischen Hochschule einen Lehr- auftrag für mittelalterliche Baukunst und wird bald darauf Leiter der Staatli- chen Bauverwaltung. Er und Professor Laeuger sind wesentlich an den Bau- plänen für die Gartenstadt beteiligt, neben Hellerau bei Dresden die erste Gründung dieser Art, eine Genossenschaft, die Hans Kampffmeyer ins Leben gerufen hat.

Das größte Bauprojekt jener Jahre stellt allerdings die Anlage des neuen Hauptbahnhofes am vorläufigen Südende der Stadt dar. Lange schon hatte sich der Eisenlohr-Bau am Ettlinger Tor und in der Kriegsstraße als unerträgliches Verkehrshindernis erwiesen. Die Gleisanlagen schnitten die Stadt auf Straßen- ebene in zwei Hälften, so daß die Schranken zu vielen Stunden fast ständig ge- schlossen blieben. Mit dem neuen Hauptbahnhof soll das anders werden. In der Nacht vom 23. Oktober 1913 fährt der letzte Zug aus dem alten Bahnhof nach Heidelberg ab, eine Stunde später kommt der D 34 als erster Zug im neuen Bahnhof an. Die Karlsruher machen daraus ein Volksfest. Die einen trauern, so die Hotels in der Kriegsstraße, die die Fahnen auf Halbmast setzen, die anderen bewundern den Neubau am Südende des Stadtgartens, eine Schöp- fung August Stürzenackers im Jugendstil mit einer stützungsfreien Empfangs- halle, die es in solchem Ausmaß in Karlsruhe bisher noch nicht gegeben hat. Allerdings fallen bittere Wermutstropfen in den Festwein. Es stellt sich näm- lich heraus, daß die elektrisch gesteuerten Einrichtungen überstürzt in Betrieb genommen worden sind, so daß weder Weichen noch Signale funktionieren. Erst nach Wochen hören die Betriebsstörungen auf.

Eifrig rüstet die Stadt, 1915 das Jubiläum ihres zweihundertjährigen Be- stehens zu feiern. Dazu entstehen auf dem Festplatz in Nachbarschaft der Festhalle und des Vierordtbades die Ausstellungshalle und das Konzerthaus. Bei letzterem stellt sich freilich später heraus, daß es seinen Namen zu unrecht trägt, denn die Akustik ist miserabel, im Gegensatz zu der der Festhalle, in der denn auch die großen Gesangstars ihrer Zeit lieber gastieren. Ohnehin bleiben die Jubiläumsbauten zunächst nur Baudenkmäler. Das Jubiläumsfest findet nicht statt. :

Am 1. August 1914 ist der Krieg ausgebrochen, und genau zwei Tage vor dem 17. Juni 1915, da die Stadt ihren 200. Geburtstag hätte feiern können, er- lebt Karlsruhe den ersten Luftangriff seiner Geschichte. Früh am Morgen nä- hern sich von Westen französische Flugzeuge, kreisen etwa eine Stunde über der Stadt und werfen ihre Bomben. Jetzt erst begreifen die Einwohner, die neugierig an die Fenster und auf die Straßen geeilt sind, wie um einem Schau- spiel beizuwohnen, das Tödliche dieser Gefahr aus der Luft, von der man bis- her noch keine Vorstellung gehabt hat. Die angerichteten Zerstörungen blei- ben unerheblich, zerklirrende Fensterscheiben, durchschlagene Hausdächer, aber 29 Karlsruher verlieren ihr Leben. Es sind die ersten Toten an der Heimat- front, von der man später spricht. Der Feind ist weit, hat man geglaubt, wenn die Kirchenglocken Siege im Westen und im Osten einläuten. Nun hat das Kriegsgeschehen auch die Heimat eingeholt.

Jetzt kommen die Tage und vor allem die Nächte, da die Warnsirenen heulen und die Bewohner in die schützenden Keller jagen. Den schwersten Luftangriff erduldet Karlsruhe am 22. Juni 1916, am Fronleichnamstag. Auf

dem freien Gelände vor dem Hotel Germania am Ettlinger Tor hat der Zirkus Hagenbeck seine Zelte aufgeschlagen. Zu Beginn der Nachmittagsvorstellung fallen die Splitterbomben der französischen Flugzeuge, die, wie es nachher heißt, die Zirkuszelte für provisorische Truppenunterkünfte gehalten haben. Blutiges Fronleichnam. 120 Menschen, darunter 85 Kinder werden getötet.

Am 21. September 1918 wird Karlsruhe vom letzten Fliegerangriff des Er- sten Weltkriegs heimgesucht. Nun geht es schon zu Ende. Die Siegeszuver- sicht ist dahin, und dahin sind schon lange die Reserven an Material und Nah- rungsmittel. Zur Sicherstellung der öffentlich bewirtschafteten Lebensmittel hat die Stadt neben dem schon bestehenden Milchamt ein Kartoffelamt, ein Fleischamt und ein allgemeines Nahrungsmittelamt errichtet, doch was zu ver- teilen ist, geht über Hungerrationen nicht hinaus.

Nach dem Waffenstillstand im Westen fluten Truppenkolonnen durch Karlsruhe. Die Auflösung beginnt. Am 17. Oktober 1918 beschließt der Stadt- rat die erste Ausgabe städtischen’ Notgeldes. Am 9. November beruft der Oberbürgermeister zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit einen Wohlfahrtsausschuß, dessen Funktionen dann an den Arbeiter- und Soldaten- rat übergehen.

Am gleichen Tag hat Philipp Scheidemann in Berlin vor dem Reichstag die deutsche Republik ausgerufen. Zwei Tage später sitzt im Karlsruher Schloß immer noch die großherzogliche Familie, als ob die Revolution sie vergessen hätte. Am Abend dieses 11. November allerdings ergreift der nach der Meute- rei der Marine aus Kiel angereiste Matrose Heinrich Klumpp, ehemals Kreisse- kretär, die Initiative, „um mit dem Großherzog abzurechnen“. Er sammelt die Mannschaften einiger Militärpatrouillen um sich, zieht vor’s Schloß und läßt einige Salven in die Luft schießen. Dann pocht er ans Tor und schreit ‚‚Fried- rich, gröschter Lump von Bade, komm’ runner!“. Nun, der Großherzog kommt nicht. Er schickt seinen Kammerherrn Röder von Diersburg und den Oberhofmeister Freiherr von Göhler, und vor deren Gelassenheit erlahmt der revolutionäre Elan Klumpps. Er zieht schimpfend ab, läßt allerdings auf dem Schloßplatz noch einige Salven abgeben. Daraufhin entschließt sich Friedrich II. zur Flucht, begleitet von seiner Frau und seiner Mutter. Kraftwagen brin- gen sie durch den nächtlichen Fasanengarten aus der Stadt.

Auf Schloß Langenstein im Hegau unterzeichnet Friedrich den Thronver- zicht. Baden ist Republik. Karlsruhe hat aufgehört, fürstliche Residenz zu sein.

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Stadt im Abseits

Am 12. November 1919 zieht in das großherzogliche Schloß das Badische Landesmuseum ein. Im Gebäude des vormals adligen Viktoria-Pensionats wird das städtische Kinderkrankenhaus eröffnet. Die Bevölkerung strömt neugierig ins bisher höfische Reservat des Fasanengartens und des Wildparks. Die Villen des Adels werden zu Geschäftshäusern der Versicherungsagenturen und des Handels. Eine neue Zeit setzt ihre Akzente. Nur die Kaiserstraße, zwar in den Anfangstagen des Umsturzes auf ihrer Beschilderung schwarz überpinselt, behält ihren Namen, und auch Kaiser Wilhelm I., ganz Imperator, reitet weiterhin auf seinem Bronzeroß zur Stadtmitte hin.

Oberbürgermeiter der Stadt ist seit dem 29. September 1919 Dr. Julius Finter, eine patriarchalische Erscheinung, ein Mann von vornehmer Zurück- haltung. Schlimme Jahre kommen auf ihn zu. Die badische Landeshauptstadt fällt nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags in die entmilitarisierte Zone. Sie verliert nicht nur ihre Garnisonen, sie wird auch, der nahen Grenz- lage wegen, die Franzosen haben Maxau besetzt und kontrollieren das Rheinhafengebiet - für die Industrie uninteressant. Für Jahrzehnte liegt Karls- ruhe wirtschaftlich im Abseits. Die kriegsbedingte Lebensmittelrationierung bleibt weiter bestehen. Erst am 8. September 1923 werden in Karlsruhe die letzten Lebensmittelkarten ausgegeben. Der Zahlentaumel der Inflation hebt an. Die Löhne sind am Zahltag schon um die Hälfte ihres Wertes einge- schrumpft. 1923 entsprechen 1000 Milliarden Mark einer Goldmark der Vor- kriegswährung. Erst die Rentenmark setzt diesem Aberwitz ein Ende.

Einige Jahre scheint es aufwärts zu gehen. Schon 1921 schafft ein Gesetz des badischen Staates die Grundlage für die Badische Elektrizitätsversorgungs A.G., das Badenwerk, das seinen Sitz in Karlsruhe nimmt. 1924 hat Max Honsell, der Erbauer des Rheinhafens, die von Tulla begonnene Regulierung des Rheinstroms vollendet. Die durchgehende Oberrheinschiffahrt zwischen Mannheim und Basel ist Tatsache geworden. Im Stadtbild verändert sich we- nig. Der Wochenmarkt wird vom Marktplatz auf den Platz vor dem Alten Bahnhof verlegt. Der großstädtische Verkehr räumt auf mit dem Idyllischen und Traulichen. In der Ritterstraße kann das neue Feuerwehrhaus in Betrieb genommen werden. Der Stadtgarten, Lieblingserholungsgelände der Karlsru- her, erfährt durch die Stiftung der ‚,Wolff-Anlage‘‘ eine willkommene Ausge- staltung. 1926 erarbeitet Bürgermeister Hermann Schneider in einem General- bebauungsplan die Richtlinien für die bauliche Weiterentfaltung der Stadt. Er teilt das Stadtgebiet in Wohn-, Verkehrs-, Industrie- und Erholungszonen ein und rechnet mit einer Einwohnerzahl von 190000 im Jahr 1950. Tatsächlich sind es zu diesem Zeitpunkt dann 200000.

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Nur ein Teil dieses Bebauungsplans kann zunächst verwirklicht werden, der Sportpark Hardtwald am Parkringsbogen, dem heutigen Adenauer-Ring, der das Durlacher Tor mit dem Mühlburger Tor verbindet, und 1928 das Rheinstrandband Rappenwört auf der Auwaldinsel, seinerzeit das modernste Flußbad Deutschlands. Südlich des Hauptbahnhofs, zwischen dem Stadtkern und Rüppurr, entsteht unter Leitung des berühmten Architekten Walter Gro- pius die Dammerstock-Siedlung nach modernen Gesichtspunkten und Bau- formen, Flachdachhäuser, die zunächst noch befremden. Die Neuanlage des Kolpingplatzes in der südlichen Karlstraße nimmt noch einmal mit symetrisch ausstrahlenden Straßenzügen die Idee der Fächeranlage auf. Auf dem Hoch- schulgelände baut Fritz Hirsch das Studentenhaus. 1931 kann das Hochschul- stadion eingeweiht werden. Nahe der Albsiedlung läßt sich die französische Autoreifenfabrik Michelin mit einer Produktionsstätte nieder.

Dann aber brechen auch über Karlsruhe die Krisenjahre herein. Die Mas- senarbeitslosigkeit trifft die wirtschaftlich ohnehin nicht sehr potente Landes- hauptstadt besonders schwer. Notverordnungen des Reichskanzlers Brüning schmälern auch das Einkommen der Beamtenschaft. Das Elend breiter Volks- schichten schlägt um in Aggression. Die SA der heraufkommenden national- sozialistischen Partei, die Kommunisten und das Reichsbanner der Sozialde- mokraten liefern sich blutige Straßen- und Saal-Schlachten, der berüchtigsten eine in der Festhalle, als der Anarchokommunist Max Hölz zusammengeschla- gen wird.

1929 wird das Badische Konservatorium in den Rang einer Badischen Hochschule für Musik erhoben und zieht ins Palais Bürklin an der Kriegsstraße ein. Direktoren sind der Komponist Heinrich Kaspar Schmid und nach ihm Professor Franz Philipp, unter dem die Badische Orgelschule und das Institut für katholische Kirchenmusik angegliedert wird. Im Badischen Staatstheater, wie das Hoftheater jetzt heißt, ist Dr. Hans Waag Hausherr, eine Persönlich- keit von kultivierter Vornehmheit. In seiner Ära erlebt das Schauspiel, nun frei von strengen Traditionen der fürstlichen Bühne, einen sichtbaren Auf- schwung. Felix Baumbach, als dessen Oberspielleiter, wendet sich der zeitge- nössischen Literatur zu. Franz Werfel, Arnold Zweig, Ernst Toller, Friedrich Wolf, Ferdinand Bruckner, Georg Kaiser, Carl Zuckmayer und Bert Brecht, dessen „‚Dreigroschenoper“ einen Tag nach der Berliner Uraufführung über die Karlsruher Bühne geht, erscheinen auf dem Spielplan. Die Karlsruher ge- hen gern in ihr Theater. Allein die Organisation der Volksbühne zählt bis zu 1500 Mitglieder. Stützen des Ensembles, das über Jahrzehnte zusammenbleibt und einen hohen Standard hält, sind in jenen Jahren Melanie Ermarth, Marie Frauendorfer, in ihrer Jugend die Lieblingspartnerin von Kainz, Midi Schein- pflug, Liselotte Schreiner, Elfriede Paust, Lola Ervig, Fritz Herz, Hugo Hök- ker, Ulrich von der Trenck, Paul Gemmecke, Robert Bürkner, Stefan Dahlen,

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Waldemar Leitgeb, Paul Müller und Alfons Kloeble, der beste Bonvivant der Karlsruher Theatergeschichte. An die Oper wird 1925 der junge Ferdinand Wagner berufen, dem von Nürnberg her der Ruf der Genialität vorausgeht. Schon ein Jahr später erliegt er einer verschleppten Blinddarmentzündung. Für ihn kommt aus Wien der erst 26 Jahre alte Josef Krips, und mit ihm gewinnt Karlsruhe eine Dirigentenpersönlichkeit von internationalem Rang. In seine Ara fällt das erste badische Brucknerfest 1929, das deutsche Händelfest 1930, eine Richard-Strauss-Renaissance mit „„‚Rosenkavalier“‘, „Salome“ und den Erstaufführungen der ‚„‚Ägypüschen Helena“, der „Frau ohne Schatten“ und der „„Ariadne auf Naxos“. Bei den Straßburger Festspielen dirigiert Richard Strauss seine „Ägyptische Helena‘ mit dem Karlsruher Ensemble, dem unver- geßliche Namen angehören, so Marie von Ernst, Hedy Iracema-Brügelmann, Mosl Tomschik, Heti Stechert, Else Blank, Magda Strack, Hans Bussard, Max Büttner, Rudolf Maly-Motta, Jan van Gorkom, Helmuth Neugebauer, der Heldentenor Theodor Strack, Wilhelm Nentwig, Carsten Oerner, Hermann Wucherpfennig, Franz Schuster, Adolf Schöpflin, Helmut Seiler.

Die Akademie der bildenden Künste heißt jetzt Landeskunstschule. Ihr Direktor ist nach dem Rücktritt Hans Thomas dessen Meisterschüler Albert Haueisen. Ein fünfköpfiger Senat konstituiert sich, der für drei Jahre den Di- rektor wählt. Dill, Bergmann und Ritter sind in Pension gegangen, 1917 Trüb- ner und Schönleber gestorben. 1924 stirbt Hans Thoma, den die Karlsruher die „Kleine Exzellenz‘ nannten. Immer noch zeichnet sich der Lehrkörper durch bedeutsame Namen aus, durch Babberger, Kornhas, Schnarrenberger, Karl Hubbuch, Christoph Voll, Georg Scholz, Ernst Würtenberger und später die Professoren Gampp, Kupferschmid und Schließler. Eine Berufung Carl Ho- fers scheitert, Er bleibt in Berlin. Neue Namen sind im Gespräch und lassen aufhorchen, Rolf Müller-Landau, Erwin Spuler, August Kutterer, Otto Laib- le, Oskar Hagemann, Willi Egler und sein Bruder, der Bildhauer Carl Egler, Karl Albiker, Emil Sutor. Ungeachtet der Krisenjahre des Darbens, da allent- halben das Geld fehlt, ist Karlsruhe eine geistig regsame Stadt. Nach dem Er- sten Weltkrieg haben sich bis 1933 sechs Zeitungen behauptet, die ‚‚Badische Presse‘, damals Badens auflagenstärkstes Blatt, das ‚‚Karlsruher Tagblatı‘‘, die ‚‚Karlsruher Zeitung“, Staatsanzeiger der Regierung, der sozialdemokra- tische „„Volksfreund“, der katholische ‚‚Badische Beobachter“ und der ‚‚Resi- denz-Anzeiger‘‘, Zu ihnen kommt das ‚‚Durlacher Tagblatt‘, das seit 1829 be- steht, der ‚Generalanzeiger‘, ein Kopfblatt aus Rastatt, das mit seinem Abon- nementpreis von einer Mark für Arbeitslose viele Karlsruher Leser gewinnt, und seit 1927 der „Führer“, das Parteiblatt der Nationalsozialisten.

Das Ende als Landeshauptstadt

Dieser Karlsruher „‚Blätterwald“ lichtet sich freilich schnell, als die neuen Herren im Zeichen des Hakenkreuzes auch in Karlsruhe die Macht ergreifen. Schon am 18. März 1933 erscheint die letzte Ausgabe der sozialdemokratischen Zeitung mit dem lapidaren Hinweis ‚‚Der Volksfreund ist bis auf weiteres ver- boten!“ Nach und nach bleiben auch die anderen Zeitungen auf der Strecke. Nur die ‚Badische Presse“ kann sich, wenn auch mühsam, bis zum November 1944 neben dem mächtigen Parteiorgan ‚‚Der Führer‘ behaupten.

Massenaufmärsche, Kundgebungen, Fackelzüge vereinen sich zur Jubel- ouvertüre des „„Dritten Reiches“, als ob die Volksgemeinschaft in ein goldenes Zeitalter starte. Hinter Fahnenschmuck und Fanfarenklängen aber zieht der Terror seine Fangschlingen immer unerbittlicher zu. Am 16. Mai 1933 werden ehemalige Karlsruher Sozialdemokraten vor ihrem Abtransport nach dem „Arbeitslager“ Kislau durch Karlsruhes Straßen gekarrt; unter ihnen der ehe- malige badische Stadtpräsident Adam Remmele und Ludwig Marum, badi- scher Staatsrat und Reichstagsabgeordneter. Auf ihn, den Juden und einen Gegner von überragender Intelligenz, konzentriert sich der Haß der National- sozialisten vornehmlich. Am 29. März 1934 wird offiziell gemeldet, Ludwig Marum habe in seiner Haftzelle den Freitod gewählt. Was als Gerücht umgeht, bestätigt sich später. Dr. Marum ist von den braunen Schergen erwürgt wor- den. Er ist einer der frühen Toten der jüdischen Gemeinde in Karlsruher, die 1933 noch 3500 Mitglieder zählt. Nur wenige haben überlebt. Das Ende kommt am 22. Oktober 1940, als 5617 badische Juden, unter ihnen 894 Karls- ruher, in überfüllten Eisenbahnwagen nach dem südfranzösischen Lager Gurs deportiert werden, einer Wartehalle des Todes, denn in Theresienstadt und in Auschwitz lauern schon die Gaskammern.

Davon freilich ist im Aufbruchsjahr 1933, da das Regime die Schrauben nur ganz allmählich anzuziehen beginnt, noch nichts zu spüren. Es geht sogar aufwärts. Neuer Oberbürgermeister ist Friedrich Jäger, ehedem Sparkassendi- rektor und natürlich verdienter Altparteigenosse. 1934 wird der verbreiterte Stichkanal dem Schiffsverkehr übergeben, und der Stadtrat beschließt die An- lage eines fünften Rheinhafenbeckens, des sogenannten Ölhafens. Im gleichen Jahr kann auf dem Gelände des Alten Bahnhofs die neue Marthalle eröffnet werden. Ein Jahr später beginnen die Bauarbeiten für die neue Oberpostdirek- tion am Ettlinger Tor. Am 7. März 1936 werden auf dem Marktplatz die Trup- pen der Wehrmacht begrüßt, die in die bisher neutrale Zone einrücken. Karls- ruhe erhält wieder Kasernen. Die Olympischen Spiele Berlin beginnen mit der ersten Goldmedaille für Deutschland. Der Karlsruher Bildhauer Emil Sutor erhält sie als Sieger im Kunstwettbewerb, der damals zum letzten Mal auf dem Programm steht.

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1937 erreicht die Autobahn von Frankfurt her das Karlsruher Kleeblatt an der Durlacher Allee. 1938, jetzt ist Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Oskar Hüssy, kann die neue Maxauer Rheinbrücke dem Verkehr übergeben werden. Am 1. April des gleichen Jahres erfolgt die Eingemeindung Durlachs, ein böser „Aprilscherz‘, so meinen die Durlacher, denn sie, stolz auf ihre Eigenständig- keit, sind dagegen. Aber die Machthaber verfügen und dulden keinen Wider- spruch.

Auch in den kulturellen Institutionen kommt das ‚‚Führerprinzip‘‘ zum Tragen. Die Landeskunstschule ändert nicht nur ihren Namen und wird zur Hochschule der Bildenen Künste, es ändert sich auch der Lehrkörper. Neuer Direktor wird der Thoma-Schüler Hans Adolf Bühler, der zugleich in Perso- nalunion die Leitung der Kunsthalle übernimmt und dort Frau Dr. Lilli Fischel ablöst, die den Braunen nicht genehm ist. Der neue Herr beginnt mit einem „Bildersturm‘‘ und veranstaltet eine Ausstellung ‚‚Entartete Kunst“, die Werke von Expressionisten, aber auch von Liebermann, Corinth, Slevogt, Hans von Mares und Edvard Munch zeigt und sie verabscheuungswürdig nennt. Ist Bühler zu eifrig gewesen? 1934 wird er jedenfalls in seiner Doppel- funktion abgelöst. Sein Nachfolger in der Hochschule wird Professor Haupt, groteskerweise ein Mann, der in Pforzheim als Direktor der dortigen Kunst- gewerbeschule dem Druck der Partei hat weichen müssen. Neuer Leiter der Kunsthalle wird Dr. Kurt Martin, bisher Kustos am Badischen Landesmu- seum. In diesen Jahren, da es mit diplomatischem Geschick und klugem Tak- tieren gilt, größeres Unheil abzuwenden, ist er genau der richtige Mann. Es ge- lingt ihm, vor der befohlenen Säuberungsaktion ‚‚artfremde‘“ Kunstwerke, darunter Corinth und Lehmbruck zu retten. Er ist es auch, der 1936 Feuer- bachs ‚‚Gastmahl des Plato“ wieder aus Berlin zurückholt, das als „„Geschenk“ für Hitlers Neue Reichskanzlei gedacht war. Seine gezielte Bemerkung auf den abartigen Lebenswandel des Alkibiades - eine Hauptfigur des Bildes - bringt den Stimmungsumschwung. Der ‚‚Führer“ verzichtet.

Die große Gedächtnisausstellung zum 100. Geburtstag Hans Thomas am 2. Juli 1939, mit Leihgaben aus der ganzen Welt, steht schon im Schatten des möglichen Kriegsfalles. Vorsorge ist lange voraus getroffen, aber erst drei Tage vor Ausbruch der Kampfhandlungen gibt das Kultusministerium die Geneh- migung zur Verlagerung. 2000 Gemälde und 40000 Blätter der graphischen Sammlung gehen ins Exil, 200 Meter tief ins Salzbergwerk von Heilbronn.

Aus dem Badischen Landestheater ist das Badische Staatstheater gewor- den, natürlich mit neuen „‚Führungskräften‘“. Dr. Hans Waag und Josef Krips müssen gehen, kurz danach auch der Spielleiter der Oper, Viktor Pruscha. Neuer Intendant wird Dr. Thur Himminghoffen. Zwar ist dem Schauspiel aufgetragen, sich dem zeitgenössischen Schrifttum zuzuwenden, im Rückblick jedoch darf vermerkt werden, daß sich der Genius locı des Hauses am Schloß-

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platz behauptet hat, schon deshalb, weil das Ensemble kaum eine Einbuße er- litt. Einige neue Namen fügen sich gut ein, Marga Klaas, Eva Fiebig, Heinz Gräber, Lothar Firmans, August Momber und Hans Herbert Michels, als Stellvertretender Intendant zugleich mit Dr. Gerhard Nestler Leiter der neuge- schaffenen Theaterakademie. In der Oper kommt nach einigen Zwischenlö- sungen ein neues Talent nach oben: Joseph Keilberth. Er, der Sohn eines Karls- ruher Orchestermitglieds und der Neffe Ferdinand Wagners, ist schon als So- lorepititor unter Krips als eine ursprüngliche Begabung aufgefallen. Man hat ihn Deutschlands jüngsten Generalmusikdirektor genannt. Seine spätere Kar- riere mit den Stationen Prag, Dresden, Berliner Staatsoper, Hamburg und Bay- rische Staatsoper München bestätigt seine frühe Berufung. Neben ihm wäre Valerie Kratina zu nennen, die Ballettmeisterin, die für einige Jahre dem Karls- ruher Ballettcorps das Signum des Außergewöhnlichen gibt, ehe sie nach Dresden geht. Bei den Solisten sind es Fritz Harlan, Viktor Hospach, Franz Fehringer, Else Schulz, Elfriede Haberkorn, Ellen Winter, Anke Numann, Paula Baumann und Vilma Fichtmüller, die den Karlsruhern in guter Erinne- rung bleiben. Auf Keilberth, der 1941 nach Prag geht, folgt als neuer General- musikdirektor Otto Matzerath. Als in der Nacht zum 27. September 1944 die Stadt von einem ihrer schwersten Luftangriffe heimgesucht wird, brennt nicht nur das Schloß nieder, auch der Theaterbau glüht aus. Die große Ära des Hübsch-Baus ist zu Ende.

Zunächst hat der Krieg die badische Landeshauptstadt verschont. Zwar verlassen in den ersten Septembertagen 1939 alte Menschen, Kinder und Müt- ter angsterfüllt das Stadtgebiet, als jedoch die Westfront ruhig bleibt, und die französischen Batterien im nahen elsässischen Lauterburg schweigen, kehrt auch Karlsruhe zu normalem Leben zurück. Das Badische Staatstheater veran- staltet noch Mai-Festspiele, aber schon im Herbst 1941 gibt die Staatliche Do- mänenverwaltung den Schloßplatz zum Gemüseanbau frei. In der Nacht zum 4. September 1942 erfolgt der erste breitflächige Brand- und Sprengbomben- angriff aus der Luft, dem zahlreiche öffentliche Gebäude zum Opfer fallen, un- ter anderem auch die Badische Landesbibliothek. Von nun an bestimmt das Heulen der Sirenen den Lebensrhythmus der Stadt. Aber erst im Jahr 1944 bringen die Luftangriffe, darunter der folgenschwerste am Abend des 4. De- zember, die Vernichtung. Bis zum 5. April 1945 zählt man in Karlsruhe 57 Luftangriffe, denen insgesamt 1754 Menschenleben, 3508 Verletzte und 878 Rauchvergiftete zum Opfer fallen. Als im März 1945 die im Unterelsaß aufge- stellten französischen Langrohrgeschütze das Stadtgebiet beschießen, ist Karlsruhe eine Ruinenstadt, in der zwischen Schuttbergen nur noch 68000 Menschen leben, ein Drittel der früheren Einwohnerzahl.

Am Ostersamstag, die Welt am Oberrhein prangt im Blütenschmuck, denn der Frühling hat es in diesem Jahr eilig, erschüttern Detonationen das

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Stadtgebiet. Sämtliche Brücken, auch die neue Rheinbrücke bei Maxau, sind gesprengt worden.

Am 4. April rücken im Morgengrauen die Truppen der 1. Französischen Armee von Norden her durch die Alleen im Hardtwald auf die Stadt zu. Über den Schloßplatz und durch den Zirkel dringen sie zum Marktplatz vor. Pan- zerkolonnen rasseln durch die Straßen und brechen schwachen Widerstand. Um elf Uhr des gleichen Tages ist alles vorüber und die Stadt in der Hand der Franzosen. Noch nicht vorüber aber sind die Tage und Nächte des Schreckens. Nochmals brennt Karlsruhe, brennen einige der Verwüstung entgangene Großbauten und Straßenquadrate, so am Marktplatz - zu Propagandazwek- ken. Sie werden von den Siegern ın Brand gesteckt für Wochenschauaufnah- men. Die marokkanischen Truppen der gaulistischen Armee ziehen plündernd durch die Stadt. Zu ihnen gesellen sich die freigelassenen Fremdarbeiter aus dem Osten, die nun Vergeltung üben für Jahre der Zwangsverpflichtung. Es kommt zu Vergewaltigungen und mutwilligen Schießereien, bei denen noch elf Einwohner ihr Leben verlieren. Auf den Rausch der Sieger folgt die Welle der Beschlagnahmungen, die die letzten Wohnungen in den stehengebliebenen Häusern leerräumt. Bis zum 15. Juli 1945 weht über Karlsruhe die Trikolore. Dann lösen amerikanische Truppen die französischen Verbände ab. Die neuen Besatzungszonen tilgen die traditionellen Landesgrenzen.

Karlsruhe hat aufgehört, Landeshauptstadt zu sein.

Stadt im Umbruch

Ist Karlsruhe, der hauptstädtischen Funktion verlustig gegangen, eine ster- bende Stadt? Es scheint so. Nichts ist geblieben von dem, was einmal dem Stadtbild Profil gegeben hat. Sämtliche Bauten Weinbrenners sind zerstört, ausgenommen die Münze in der Stephanien-Straße. Unwiederbringlich dahin die Großbauten des selbstbewußten Bürgertums, die Ministerien, die höfische Anmut des Schloßbezirks, das Theater, die Festhalle, die Hochschule, viele Kirchen, die Akademie und die Museen. Drei Millionen Kubikmeter Schutt bedecken das Stadtgebiet. Die Lebensmittelzuteilungen der Besatzungsmacht sind karg und an der Hungergrenze. Die alte Reichsmark leidet an Auszeh- rung. Der Schwarzhandel blüht.

Der erste kommissarische Bürgermeister, Joseph Heinrich, wird von den Franzosen ernannt. Ihm folgt am 21. Juni 1945 Rechtsanwalt Dr. Hermann Veit. Er ist der erste frei gewählte Oberbürgermeister der Stadt, seit Julius Fin- ter 1933 gehen mußte. Zwei Jahre später, als Dr. Veit als Wirtschaftsminister der Regierung nach Stuttgart berufen wird, wählt Karlsruhe den bisherigen SPD-Stadtrat Friedrich Töpper zum neuen Stadtoberhaupt.

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Das geistig kulturelle Leben regt sich schüchtern. Am 27. Oktober eröff- net das Staatstheater im Provisorium des Konzerthauses die Spielzeit mit Hof- mannsthals „Jedermann“. Erster Nachkriegsintendant ist Hans Herbert Mi- chels. Doch schon ein Jahr später muß er willkürlichen Entscheidungen der amerikanischen Besatzungsmacht weichen. Damit hebt für das Karlsruher Theater eine unheilvolle Entwicklung an. Intendanten kommen und gehen, und erst mit der Berufung von Paul Rose 1953 tritt eine gewisse Konsolidie- rung ein. Am 1. März 1946 erscheint erstmals wieder eine Karlsruher Zeitung, die von den Amerikanern lizensierten „‚Badischen Neuesten Nachrichten“. Am 15. März des gleichen Jahres nimmt die Technische Hochschule in der ehemaligen Telegrafenkaserne ihren Lehrbetrieb wieder auf.

Wiederaufbau heißt die Parole jener Jahre. Den entscheidenden Anfang setzt das Gründungsdatum der AAK, der Aufräumungs- Arbeitsgemeinschaft Karlsruhe, der 2. März 1946. Es ist ein Gemeinschaftswerk der Stadtverwal- tung, der Karlsruher Baufirmen und der Arbeitswilligen unter der Bevölke- rung. Dazu ruft Oberbürgermeister Dr. Veit zum ‚‚Ehrendienst‘ auf, zu einer Art „„Wiedergutmachung“, die der Masse der namenlosen Mitläufer des NS- Regimes eine Chance gibt und sie aus der Lethargie reißt. Leiter der AAK ist der Bauingenieur Günther Klotz. Von ihm wird noch zu hören sein. So hat Karlsruhe am Tag der Währungsreform, an dem das Geld wieder ehrlich wird, einen erheblichen Vorsprung. Am 20. Juni 1948 sind schon beinahe eine Mil- lion Kubikmeter Trümmerschutt abgefahren.

Karlsruhe ist eine Stadt im Umbruch. Um weiterleben zu können und nicht in provinzielle Bedeutungslosigkeit abzusinken, muß sie die leergeräum- ten Ruinenplätze mit neuem Leben erfüllen. Und sie unternimmt es, die Gunst des Augenblicks und Möglichkeiten der Situation zu nutzen. Ihre geographi- sche Lage an der Peripherie, bisher ihr Übel, schlägt in Vorteil um. Karlsruhe entdeckt, daß es am Rhein liegt, zudem an einem Schnittpunkt der internatio- nalen Verkehrsachse Nord-Süd und Ost-West, im Herzland Europas, das zur Einheit drängt. Bedeutsame Industriewerke können gewonnen werden, unter ihnen die Heilmittelfabrik Dr. Wilmar Schwabe, ehemals in Leipzig, später die Karlsruher Pfizer GmbH, Weltfirma der Pharmazeutik, die Siemens-Werke, vorher Berlin, die Stahlbaufirma J. Gollnow u. Sohn, vordem Stettin, die Fluor-Chemie, ein Flußspat-Aufbereitungswerk. Zwei Jahre nach der Wäh- rungsreform steht die Industrie mit 28,4 Prozent aller Beschäftigten an der Spitze. Behördendienste machen nur noch 21,7 Prozent aus. Einen nicht un- wesentlichen wirtschaftlichen Auftrieb erfährt die Stadt durch die Ansiedlung der Unternehmensgruppe Mann. Nahe der Autobahn an der Durlacher Allee entsteht in großräumiger Anlage, die spätere Erweiterungen gewährleistet, der erste Supermarkt. Damit wird eine damals noch nicht abzusehende Entwick- lung ins geschäftlich Attraktive eingeleitet. Weitere Supermärkte folgen. Sie

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machen Karlsruhe zum bevorzugten Einkaufszentrum des mittelbadischen Raumes und der nahen Pfalz.

Darüber versäumt die Stadt nicht, ihre Tradition als ehemalige Residenz zu wahren. Das Karlsruher Rezept will die ausgewogene Kombination von Wirtschaft und Verwaltung, von Werkhallen und Behördenzentralen, von ge- werblichem und geistigem Leben. Dafür spricht auch, daß man sich angesichts der Kriegszerstörungen für die historische Lösung entschieden hat, für die Re- staurierung der repräsentativen Bauten, Der Marktplatz soll wieder Wein- brenners Platz werden. Und er wird es auch, wenngleich bis dahin noch zwölf Jahre vergehen sollen.

Karlsruhe kommt ins Gespräch. Schom am 3. September 1949 wird der er- ste Deutsche Therapiekongreß und eine damit verbundene Heilmittelmesse eröffnet. Er ist seitdem zu einem alljährlichen Forum der Mediziner geworden, ein europäisches Ereignis, an dem 5000 Ärzte aus aller Welt teilnehmen. Neues Ansehen vor allem aber gewinnt die Stadt, als der Bundestag Karlsruhe zum Sitz der Obersten Bundesgerichte bestimmt. Am 8. Oktober 1950 erfolgt im ehemaligen Erbgroßherzoglichen Palais an der Kriegsstraße die feierliche Übergabe des Bundesgerichtshofs in Anwesenheit des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers. Im Jahr darauf zieht das Bundesverfassungsgericht in das frühere Prinz-Max-Palais in der Karl-Straße ein.

Aus der ehemals großherzoglichen Residenz ist die Residenz des Rechts geworden. ‚Vorort der Dritten Gewalt“, wie es Carlo Schmid ausgedrückt hat.

Die Ära Klotz

In den fünfziger Jahren, da allenthalben im Bundesgebiet das Wunder des Wiederaufstiegs anhebt, heißt Karlsruhes Oberbürgermeister Günther Klotz. Wie wenige vor ihm, hat er achtzehn Jahre lang den Lebensrhythmus der Stadt mit einer hierorts oft vermißten Dynamik beschleunigt. Nachdem sein Vor- gänger Friedrich Töpper im Januar 1952 sein Amt krankheitshalber zur Verfü- gung stellte, wählt die Karlsruher Bevölkerung am 8. Juni des gleichen Jahres Günther Klotz mit überwältigender Mehrheit, den Mann nämlich, den die Karlsruher als den eigentlichen Motor des Gemeinschaftswerkes der AAK nicht vergessen haben. Nun mag freilich gelten, daß die Gunst der Jahre eines beinahe schon legendären Wirtschaftsaufschwungs dem neuen Stadtoberhaupt entgegengekommen ist, entscheidend jedoch bleibt, daß Günther Klotz diese Jahre für Karlsruhe genutzt und ihre Möglichkeiten mit unternehmerischem Elan und unbürokratischem Wagnis voll ausgeschöpft hat.

Auf dem Festplatz am Nordende des Stadtgartens entsteht die Schwarz- waldhalle, ein Bau Professor Erich Schellings von gleichsam federnder Ele-

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ganz, die zugleich als Ausstellungs-, Sport- und Kongreßhalle mit 4000 Sitz- plätzen dient. Das Tulla-Bad wird gebaut, und am Adenauer-Ring kann das Wildparkstadion seiner Bestimmung übergeben werden. Die ersten Hochbau- ten prägen die neue Stadtsilhouerte. In Mühlburg erhält die Stadt ein imponie- rendes Entree. Freibäder entstehen, Grünanlagen, Erholungsgebiete, und für neue Verkehrsadern werden 150 Millionen ausgegeben. Am 1. September 1961 fährt erstmals die Karlsruher Straßenbahn bis Herrenalb.

Neue Wohngebiete werden erschlossen, die Amerikaner-Siedlung nörd- lich der Moltke-Straße, der Märchenring östlich Rüppurr auf dem Gewann Hungerlach, die Siemens-Siedlung im Nordwesten, das Hanggebiet südlich des Turmbergs, im Hardtwald schließlich die Waldstadt und als weitere Sied- lung im Grünen die Hangbebauung des Durlacher Bergwalds. Schon immer ist Karlsruhe durch die Gründung des Badenwerkes 1921 Kommandostelle der Stromversorgung des badisch-oberrheinischen Raumes gewesen. Nun kommt das Mineralöl hinzu. Zwischen Knielingen, Neureut und dem Rhein entsteht ab 1959 die Ölstadt, die Raffınerien der DEA-Scholven und der Deutschen Esso. Sie sind Endpunkt der 760 Kilometer langen Ölleitung von Marseille. Am 17. November 1962 melden die Karlsruher Zeitungen: „Seit heute früh O Uhr fließt Öl nach Karlsruhe“.

Im gleichen Zeitraum entsteht um den würdevoll schlicht wirkenden Hübsch-Bau in der östlichen Kaiser-Straße bis hinüber zu den Schloß-Anlagen und weit hinein ins Waldgelände des ehemaligen Fasanengartens die neue Hochschulstadt. Seit 1967 ist die Technische Hochschule Universität.- Und weiter wird das spezifische Gewicht Karlsruhes vermehrt durch das Kernfor- schungszentrum, dessen Anfänge auf das Jahr 1956 zurückgehen. Ein Jahr- zehnt später sind an ihm 400 Wissenschaftler aus den sechs Mitgliedsländern der Europäischen Atomgemeinschaft tätig.

Am 29. Mai 1959 wird im wiedererstandenen Schloß das Badische Lan- desmuseum eröffnet. Es ist viel mehr, als nur ein lokales Ereignis. „‚Karlsru- he“, so kann man es in der „‚Stuttgarter Zeitung‘“ lesen, „‚hat ein Museum, das den Glanz der Welt widerspiegelt‘. Gerühmt wird nicht nur die Qualität des Museumsbestandes, gerühmt wird auch die vorbildliche Neuordnung durch Direktor Dr. Rudolf Schnellbach.

Vom neuen Theaterbau wird zwar gesprochen, aber immer noch bleibt es bei der ‚„„Zwischenlösung‘‘ des ehemaligen Konzerthauses. Nach dem Weg- gang von Otto Matzerath wird 1955 Alexander Krannhals neuer Generalmu- sikdirektor. Drei Namen müssen genannt werden, die von Karlsruhe aus zu in- ternationaler Berühmtheit gelangen, Erika Köth, der Bariton Marcel Cordes und der amerikanische Heldentenor Jess Thomas. Nach dem frühen Tod von Krannhals springt Staatskapellmeister Walter Born in die Bresche, ehe 1962 mit der Berufung von Hans Georg Rudolph als Generalintendant und von Arthur

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Grüber als Generalmusikdirektor ein neues Kapitel in der Karlsruher Theater- geschichte beginnt.

Zwei große festliche Ereignisse fallen in die ‚„‚Regierungszeit‘‘ von Gün- ther Klotz, und sicher hat sie der Oberbürgermeister als Höhepunkte empfun- den und sie auch genußreich ausgekostet, einmal das Jubiläum des 250jährigen Bestehens der Stadt im Juni 1965, zum anderen die Bundesgartenschau 1967. Beide Male ist der Bundespräsident Dr. Heinrich Lübke zu Gast, und die mehr als 6 Millionen Besucher des sommerlangen Gartenfestes sind eine stolze Be- stätigung dafür, wie sehr Karlsruhe in den Blickpunkt gerückt ist. Die Popula- rität des Oberbürgermeisters Günther Klotz hat ihren Zenit erreicht.

Neuer Lebensraum

Im Jahr der Bundesgartenschau dämmern schon die Schatten der begin- nenden Rezession herauf. Kritische Stimmen werden laut, die meinen, daß Millionen für ein „‚kostspieliges Vergnügen“ vergeudet worden sind. $o ist das freilich falsch gesehen, denn eben aus dieser Bundesgartenschau hat die Stadt vielfach Gewinn gezogen, nämlich Nachholbedarf bewältigt, aktuelle Pro- bleme gelöst und Zukunftsaufgaben vorweggenommen. Der Festplatz wird um die Nancy-Halle bereichert. Die Tieflegung der Straße ‚‚Am Schloßplatz“ und die Tiefgarage unterm Paradeplatz vor dem Schloß erschließen die schönen Schloßanlagen dem Fußgänger. Die Modernisierung der Garten- und Parkan- lagen, des „‚öffentlichen Grüns“, erhöhen die Anziehungskraft der badischen Metropole. Die Gartenschau zahlt sich aus, Bereicherung der Stadt und ihrer Bewohner auf Jahre hinaus.

Geht davon der Oberbürgermeister aus, als er sich stark macht, auch für die Bundesgartenschau 1975 zu votieren? Das Geld wird knapper in den Kas- sen der Stadt; Günther Klotz jedoch bleibt weiterhin optimistisch und wage- mutig. Dabei erleidet er seine erste Niederlage. Sein Stadtrat verweigert ihm die Gefolgschaft. Hinzu kommen Querelen in seiner eigenen Partei, der SPD. 1970 läuft seine Amtsperiode ab. An einer Wiederwahl zweifelt niemand in Karlsruhe. Um so überraschender, bestürzend beinahe, kommt der Entschluß des populären Günther Klotz, nicht mehr zu kandidieren. Sein Nachfolger wird Otto Dullenkopf, erstmals seit 25 Jahren nicht mehr ein SPD-Mann, son- dern einer aus den Reihen der CDU. Das heißt nicht, daß die Karlsruher eine politische Alternative gesucht haben. Sie haben sich für die Person entschie- den, für Otto Dullenkopf, der sich bisher schon als Bürgermeister profiliert hat.

Das wirtschaftliche Wachstum verläuft nicht mehr in steiler Aufwärtskur- ve. Auch Karlsruhes Wachstum spürt die Bremsen. Die mit so viel Elan gestar-

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tete Altstadtsanierung - anstelle des ‚‚Dörfle‘‘ soll ein neuer attraktiver Stadt- teil entstehen - stagniert. Vom großen Atem, der wehte, als 300 Städtebauer aus aller Welt ihre Entwürfe in der Nancy-Halle ausbreiteten, ist nicht mehr viel zu spüren. Es bleibt der Kahlschlag. Erst 1975 regen sich die Anfänge mit Projekten der Neuen Heimat und der Volkswohnung. Immerhin geht die Stadterneuerung weiter, mit dem Ausbau der Südtangente, der Unterführung -der Kriegs-Straße am Karlstor und dem Bau der II. Medizinischen Klinik. Neue Straßenbahnlinien erreichen die Nordstadt und zielen schon bis Neu- reut. 1975 erhält Durlach ein neues Hallenbad, wird der Grünzug durch die Südstadt und die Günther Klotz-Anlage an der Alb in Angriff genommen. Und endlich hat Karlsruhe nun auch sein neues Theater, genau 29 Jahre, nachdem der Hübsch-Bau am Schloßplatz in Flammen aufgegangen ist. Nun hätten die Karlsruher den Neubau liebend gern am alten Platz gesehen, aber dieser Wunsch scheitert an der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, sich in Nachbarschaft des Schlosses anzusiedeln, nachdem sich das alte Prinz- Max-Palais räumlich als völlig unzulänglich herausgestellt hat. So wird dem neuen Staatstheater der durch den Abbruch der bisherigen Markthalle frei ge- wordene Platz am Ettlinger Tor angewiesen. Im gleichen Jahr, da die Karlsru- her Universität als älteste Technische Hochschule Deutschlands ihre 150- Jahr-Feier begehen kann, wird am 29. August 1975 der neue Theaterbau mit Mozarts „‚„Zauberflöte“ eröffnet, und es zeigt sich bald, daß die Karlsruher ihr neues Haus, eine Schöpfung des Architekten Helmut Bätzner, die sie zunächst als Herausforderung empfunden haben, annehmen. Man geht wieder ins The- ater, gern und oft. Karlsruhe und die Literatur ist ein anderes Kapitel. Die Stadt lebt nicht mehr mit ihren Schriftstellern, wie sie einst in schönem Selbstver- ständnis mit ihren Dichtern gelebt hat, mit Johann Peter Hebel etwa oder mit Joseph Viktor von Scheffel, später mit Heinrich Vierordt, mit Toni Roth- mund, Hermine Villinger, Hermine Maierheuer. Den Karlsruhern vertraut sind noch die Namen der Lokalhistoriker Friedrich von Weech, Arthur Valde- naire, Robert Goldschmit, der des Literaturhistorikers Adolf von Grolman oder Wilhelm E. Oefterings, des Autors der badischen Literaturgeschichte, und Karl Johos, des Herausgebers der ‚‚Pyramide‘. Doch schon Alfred Mom- bert, tragisches Opfer der Judenverfolgung, ist ihnen ferner gerückt, auch Leopold Ziegler und Marie-Luise Kaschnitz, die fern ihrer Geburtsstadt auf- wächst. Immerhin, der Karlsruher ‚‚Parnass‘‘ macht weiter von sich reden, mit Gustav Faber, dem Lyriker Walter Helmut Fritz, dem Dramatiker Karl Witt- linger und am vernehmlichsten mit dem Bestseller-Autor Willi Heinrich. Keine Frage, daß die Stadt in dieser ersten Hälfte der siebziger Jahre eini- ges gewonnen hat an Ausstrahlung und noch viel mehr an äußerer Größe. Es sind die Jahre der Stadterweiterung, in denen Grötzingen, Stupferich, Ho- henwettersbach, Grünwettersbach, Palmbach, Wolfartsweier und Neureut

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eingemeindet werden. Damit ist die Karlsruher Gemarkung auf 17350 Hektar angestiegen, mit einer Bevölkerungszahl von 287000 Einwohnern. Der Zu- wachs an ‚‚Lebensraum“ eröffnet neue Perspektiven für Planungs- und Sied- lungsmöglichkeiten.

So stellt sich Karlsruhe im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts gestärkt ın seiner Mittelpunktsfunktion dar, vermehrt in seiner „‚badischen Zentralität‘“, immer noch so etwas wie heimliche Hauptstadt, die sich zwar mit neuen Auf- gaben neue Maßstäbe zulegen mußte, aber doch unverändert blieb im inneren Wesen, eine lebensdienliche Stadt, stets bewußt ihrer Verpflichtung, dem Menschen und dem Menschlichen zu dienen.

Damen- und Sach-Regilter.

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Eeite ' Heget 21 Deinemana 4 Keinti 46 Hringen 776 Helbling 40 Hed 14. 215. 415 Heifenſtein 427 He Unen 421 Kelmle . . 0. 4 Kemberger . 24. 45, 100 bemberle - 49 herbit 256 berber . 327 Hermann 47 Hert 301 Kerrgand .. 14 Her . 117. 187 Her zet 373, 44 Her zog . 58. 171, 250 Heylmanu . 2 Hieronymus, Hönig von Behphalen . 348 Sierihes . 142 Silbe . . 897 Sinteibey . 3724 DB... . - 499 Holliſchet, Mar. Kath. ... 80 Hölzlin . 99. 108 börter . . 445 Kofbibliothiefare . 0.0.00. BR Hoffmann . 80, 365, 370, 871 Hogue be la F . 181 HohenlohesBartenftein . 150 Hol. 171 179, 367, 1. 420, 440 SKolzing . ee tn Holzmann u. Ge on. Ho Somburger 472. 4772 Kor v.. 877 Hoyer, Daıı. 2... 100 Hübich 414, 430, 450 SHüffell 357 Hufeland 351 Qugeneit 276 Surter . 162 Sutten v. . 276 ah . Far 101 Sand. 2 2 2 586 Anftrumentalverein, Gründer .. 598 Iraeliten, erfte . #4 8 Nraelitenfamilien 1740 . 238. 230 Nraelitennanen At Araeliten, weibliche Bornamen 56 Jachmann Bi Nacobi . 828 Jagerſchmid 321 Jalobſon bon Jauch 256 Joßlin 109

Karl, Großherzog 144. 218 345. 348. 350—352 Karl, Erbprinz 338 Karl Auguft 4 1 28. 1a, 134 Karl Friedrich 27. 289. ä15. 238. 337. 313. 500

Kari Guitan, Prinz 13 Karl Guſtav von Schweden 16 Kor! Ludwig, Erbprinz 141, 143. 144. 200 Hari Magnus 18. 26 Karl Wilhelm 8.17. 21. 25 Karner . . 275 Karoline Luiſe .. 189 Kalt . 121. 286 Satharina II. von Rußland 16 Katharina Amalie . 144 Katharina Barbara 33 Kathol. Kirche, Grundfteinlegung 2.0. Di Kaufmann . 63. 24. 188. 199. 204 Keller, 3. M. 62 Kempf .. 422 Kchlau v. . 175. 448 Kehler DEE SERBETET : + Kiefer 23. 213. 273, 420 Stiefele 373 Kinfel 391 Kirch . ; 8h7 Airchenrat, evangel. 1207 272 Sirhenvorfteher, tatho!. 5419 Ktißling . 305 Kleinfarisruher Hinterfaßen 1795 5 218 Klemens XL. 276

Klopitod . Fe Su ER EEE. - -

Klofe 4. 136. 191. 256. 4dä. 4h3 Alüpfel . . 483 Anebel . 0. 328 Siuieftedt v. 198. 427

Kittel . : Ruoderer . . ».. er Kölle. nn. 886 Kölreuter 181, 315, 41h Körner . : m Koib.. Kae ie er a 190, 198 Kramer, I. . 2.2.0. 360 Anm. 455 Sreglinger . 80. 102, 242. 496 Kreugbauer 1097, 236 Krenfiel . s na MR Sirüger, Eberhofprediger . 25. 102. 102 271 Küblenthal . i 274. 429 Hünzle . 191, 554 Kuhn 4772 Kunſtſchule. 6090 Kurz, Gottfr 62 79 Kuſel . 419. 472 Zamey . 294. 378, 427. 566 Lampredt . . Ur 79 Bandtagdabgeorbnete v von aaridruhe 360 Lang . 452, 461 Langenbach 51 Raugenftein v. 427 Zanned , —F 234 Laugwerth v. Simmern .: 18 ganyer . . 188 ff. Laroche v . 31, 345, 368 Lauer 199. 234, 472. 447 Sauter 454. 497 Zavater . 140, 271, 327 Lefebre . di Lefort 282 2ehrerinnenfeminar, Lehrer . 558 Leichtlin. 423 Leiningen v. 26 Yeipheimer . ...Wa Lembte . 17, 172. 107, 286 Yen » |: | Leopold . 141. 336, 3h8. 391 fi. Leu . .. MM Levy, Hayum 197, 2412 Levinger 473. 483 Ymwald . 44 Lichtenauer . 360 Lichtenberger . 62 fi. Lichtenfels . 53 Lidell 2861 Liebenſtein v. 294. 301 Liebknech 378 Lilie v. 249 Lindenau vd, Li Yinne 180 Lift 115 Literatur 600 Longo 105 Lotte Liſe .. 2 Lotter 134. 315

TEE —— ——

Seite Lozßßßßß......2286 Louis von Baden 15 Ludwig XIV. 12 Zubwig XV... . . ö 24 Ludwig Eberh. v. Wart. .20 Ludwig Wilh. Aug.. 141. 388, 852 ff. 393 Lübefen . R u 136. 174 Luiſe Elifabeth Negiewua ; 144 Luiſe Karoline, Gräfin v. Kocberg . . 140 Luiſe, Großherzogin . 895 ff Lu . i 304, 315 Maas, Zitus, Echaufpieler . .. 11 Madiot . . . . 192 UA. 817 Mäpchenichule, höhere, Borftände . 578 Männing 178. 441 Magbalena Wilhelmine 18. 23. 28 Maler, Geh. Hofrat 14. 99. 189 Mallebrein 200000 0. 198, 422 Maid - » 222020240. bh 86. 464 Marbe ; 429, 508 Maria Amalie v. Seiningen 394 Marie Antoinette 140 Maria Augufta . 15 Marie Luiſe in 342 Varia Marimilianowira . 333 Maria ‚Biltoria . 277 Darmont 160 Marſchall v, Biere : 347 Marz 597 Maſol 174 Maſſena 341 Maifias v. 160 Maifimo, Dom. 87 Maidyenbauer 4. 2. ua 315

Mathiß und Leipheinter . Math

Maurer .

Mauritit

Warimilian 1. Marimilian, Vartgraf

Mazza

Dieerbart v.

Meermein .

Mebditus

Meier, Em.

Meier, I. 2. .

Melac

Melazzo 67 114 Melling . 2 166. 175 Mentor. 79 Menzingen v,, 377 Merin j 374 Metzger H. M. rer —— Mepgerzunft LE nz Meyerhoier rer nn. BB ER. ir 6 das

Mieroslawili. . 2 2 2 20.8378, 382. Ab

VI

Miſel Mittel Mittel . Mobel Mörbes . Mößner Molter . Mouclas Montpernid vd, Mora . Moreau Morftadt Mojetter Mohborf Müpfe Müler .

Müler & Gräff.

Dünzesheim v. Dürat Rägele Napoleon Naft Wine... Nebenius Ned . Meder Ref. Neubronn v. Reumann . Newerth Rn... Nidda d. Riefer Rifola Notharbt Rüßlin . Obermüller Oprift Cds... Och! . Delenheinz . Ohmteiler Offenbach

Offiziere 1760 und 1798 .

Oppenheim ort Otterftedt v. .

Ditmann, &. Ad,

Zudinot Palm v. Patſcholdt Pedetti PVelle v. Peter Petermann Peternell v. Peteriohn . Petri

187, 197, 261, 315

191. 378

u; B-. 8-85 BREBEEBEREESEERS

174, 101. 419

374,

Seite Pfeffel 202. 326 Pfiſtet 41ä Blran . ... 508 Philibert, Markgraf . 12 Bölnig dv. ER 22. 48 Bolptechnikun, Lehrer 571 ff Borbed v. . ; . . 889 Roßelt 160. 198. 294. 473 Rotier 483 Prälaten 638 Breen v. Eee 407 Preuſchen 187, 271. 207. 407 Puricelli 461 Räte, Fürſtliche 34—36 Rathaus, Srundtentegung . da Rau . . 121 Raveaur . 935 Reble 381 Nedv . 369 Regnier . 154 Nebfuh . 129 Neid, L f 414 Reid;stagäwahlen en 398 Reinhard 197. 294. 818. 477 Reininger . 375 Reinmwalb 261 Reizenftein v. 149. 154. 338. 849 Meiß, Sängerin . . . 188 Meiß . 198. 256. 477 Renaud . 121 Rettyy, 2. v. 44. 124 Reuſch 1808 Reuter 198, 274. 476 Reutlinger . 199. 262. 503 Riditer . 83. 198. 250 rRichtenfels v. 95 Riesbed cr. ii Ring. 294. 424, 487 Riul. . on. 288 Ritter des daubordens der Treue 46 Ritter un Di Hömhildt Ao, 490, 499 Röomiſch. 376 Romanıı 195 Rofi . 40 Rothenader 484 Rottberg dv. 59, 136 Rüben 175 Müdiger . . 499 Rubolf II... a ar Ruf 119. 308. 597, 577 Rupp Gh. en. 68 Sacht 44, 117, 295 Sabler . 144 Salin 191 Sallinger . 376 Salvint v. . 477

Salyer . Sander . Sauer

Saul. Scandalibeue . Sciatti .

Scharfmann

Schaufpieler 1810 Scheelmann

Scheffauer .

Scheffel v. .

Schelling

Sherb .

Schertel .

Schidert .

Schilling v.

Schlettwein

Schlöffel Schloß, Grundſteinlegung Schloßer

Schloßplatz, dauer 1881 ö

Schmäbel

Schmelzer . Schmidburg v. Schmidt

Schmieber . ns Schmieder & Füßlein . Schmieder & Mayer . Schmittbauer . Schnabel

Schneeberger . Schneider

Schneiter

Schnepler . Schöndorf W. Schöpflin

Scholl . Scott v. Sgenenſtein Schrickel

Shhriftiteller der 2, und 8, Periode .

Shid . ... Edüg v.

Schullehrer 1961 1800 und 182%

Schwab Schwarz Schmweithard j Schweizelberger . Schweylert Schwerin j Schwind, Dr. v. .

iu, 295, 476

130

Schwindt Schworer Eeligmann . Sembad Sendburg v. Geubert .

Seupel . . Sibylle Aug. . Siegle

Sigel

Simon . Singeifen

Singer . . Sofie 3. Lippe Sofie, Großherzogin Sonntag

Spedt . Spelter . Spemann

Spohn ; Sponed, Graf v. Spreng . Staatsbiener, höhere Stabelmann Stabtämter

Stadtlirche, Einweihung i

Stabtmüller Stabträte 1832 ff. Staiger . Stanislaus Starray

Stefanie . Stein, Hofprediger. Steinhäufer Stengel v.. Stephan . » - Sternheim v.. Stilling, Jung Stodhorn v. . Stödlern v.

Stößer .

Stolze v. Stolgenhauer . Strampfer . Strieber

Struve dv. .

Strüber . . Stüdelberger . Stimpfler . Stupanus .

| Bürleau Er Sulger . 2b ff. dh |

Synode 1821.

! Ejnaibe.

178. 181 | Zalleyrand

en

Zaubjtummen, xehrer

274. 430 Teichmann

294. 430. 438 ff.

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Se ite Seite Tettenborn d. . 31 | Welder . . 378 Tertor Dr. . ! Wellington . 356 Thau . 213 | Welper . . 270 Theaterbrand 1847 . 333 | MWelsgien . #4 Theaterbireltoren . 86 ff. | Weniger . 218 Theaterintenbanten 58 | Wen ... .. BR Theaterregiffeure 587 | Wenzel, J. G. ws dl Theophil v. 31 | Wergennes v. .. 8 Thiebauth . . . 378 |! Werner. Bu. 427 Thran 5L 180 | Wernigt . 108 Thüngen dv. 19 | Werzinger . . 144 Thurn und Taris . 36 | Meitenfelb . 499 Tiebemann . . BR Wettach. 579 Tittel : 289. 298. 301 | Widhtermann . . bis Trautmann, I. rn 52 | Wibler . . 8 Troft : 131 | Wibont . . 8 Trogler Dr. . 255 | Wiedemann . 208 Trügfchler 375 | Wiedmann. er u2. 132 Tſchirner 378 Wielandt 42, tu. 88, 18h. 174. 292, 482 Türr 377 | Biefelv. . . ; 162 Türfheim v. .. 241 | Wilberidh, Biichof .. 149 Zula . . 497, 506 | Wilhelm, Marfgraf 4 345. 348 Uextüll . . . 26. 135. 197 | Wilhelm Ludwig 27 Ueberfiger 1737 . 77 | Billet . 429 Unger 19 | Williarb . 4% Bable j 2307 | Wilih . .. 84 Barnhagen v. Enie 350 | Winftätter . 357, 472 Bafalli . 224 | Wintens .. 486 Vierordt uv 24 446, 42 Bon. 6 19 | Winter . 301, Abb. 506 Viltoria .. 397 | Winterhalter . . 4 Vogel 318, 584 | Wippermann . . 427 Bopl . 275 | Rirfum. 316 Boit . 261 | Wölling 106 Boltaire + 36 Wohnlich —F . 199 Bol. » 187. 530 | Wolf, Mofes Löw . .. BZ Borbolz 429. 486 | Wormfer, Mofes 37T. 816 Waag 100 | Wuderer . 289. 306 Bagner . . . ni en 208. No. 420 Wirk . . 274 Walbdftraße zc., Sausbefiger 1800... af. | Wunderlich 119 Wallbrunn v. 2... 18 | Wurmfer .. 180 Balz. ar 17. 271. 301. 344. 588 Zahmann . A. Wartensleben v. 199 Zandt 487 ff. Wartd . . 452 | BZangmeifter 104 Wechmar v. nn. Biß | Beifing . 181 Weber . 104, 187. 387 | Beuner . 44 Weil. 241. 483 | Zeyher . 199 Weilbier . 121 | Biegler . I : ; Weimar . 41 | Ziegler, ®. R . 447 Anm. 452 Weimar, ft. U. und 8. von 328 | Zimmermann . 40 Weinbrenner . . 191. 199. 314. 448. 486, 506 | Zöler » .. 18 Weiß. . . 129 | Zuläger. 4, 30 MWeißinger . 158, 420

*

Berichfinungen und Ergänzungen.

.3 3.19 v. o. hinter Gottsau der Augarten.

538.15 v. u. ftatt Elchesheim leſe: Eggenftein, Altjtetter Feld. 58.13 v. u. ftatt Daxland leje: Dammerftochviefe bei Nüppurr,

12 3. 1 v. o. leje: Karl IL.

26 3. 1v. u. ftatt 1708 leſe: 1718,

349 3. 12 v. u. ftatt 250 leſe: 350.

. 360, Anm. 3. 3 v. u. ftatt Anwalt lefe: Kaufmann oh. Krämer.

. 369 3. 13 v. o. ftatt Baurat leſe: Phyſiker.

. 425 nah 3. 15 v. o. leſe: „Unjer Merkur auf der Spitze des Ge— fängnisturmes hatte Mühe und Kampf zu beftehen, bis es ihm gelang, jeine hohe Stellung zu erobern. Anfangs batte Weinbrenner einen Triton oder Merkur dazu beftimmt Aber der Meergott Triton paßte nicht recht in dieſe bobe Yuftregion und der Merkur war der fparjamen Baukommiſſion zu teuer.

Eine von derjelben vorgeichlagene einfache Windfahne aber fand Mein- brenner auf den maifigen Turm nicht paſſend.

Als er nun ftatt defien einen vergoldeten Stern auf goldglängender Kugel, gleihjam als Glücdäftern für das Rathaus in Vorjchlag brachte, fand wieder die Baufommiffion den Glüdsftern nicht paſſend, da derjelbe auf dem Gefängnis doch wohl nicht am Platze jei.

Da war freilich guter Rat teuer, Was thut nun unfer Baudirektor? Er padt einfach feine Alten und Pläne, den Triton, die Wetterfahne, den Glücks— ftern und den Merkur zufammen, geht damit jchnurftrads zum Großherzog und bittet um Entjcheidung. Und fiehe da, der alte Heide fand Gnade vor deilen Augen, und auf jeinen Wunſch und Befehl bezieht im Sommer 1824 der von Kupferichmied Beder fabrizirte Heidengott, mit dem Wanderftab in der rechten Hand und dem Mantel an dem linfen Arm, feinen hohen Boften, wo er, auf der Weltkugel fich drebend, mie der Großherzog fih ausdrüdte, gleichjam als Wegmweijer nach allen Wind» und Weltrichtungen dienen joll.

S. 440 3. 20 v. o. ftatt Baurat Lang leje: Stadtbaumeifter Künzle.

©. 443 3. 17 v. o. Südweſtendſtraße zu ftreichen.

©. 452 3. 13 v. u. ftatt L. Ziegler leſe: G. Ziegler.

S. 452 nah 8. 12 v. u.: Die in den legten 10 Jahren in vielen Teilen der Stadt entjtandenen und fort und fort neuerjtebenden Prachtbauten einzeln hier aufzuzählen, ift ein Ding der Unmöglichkeit.

©. 454 3. 15 v. o. Die Erweiterung geſchah 1874 unter Lauter.

©. 454 3. 2 v. u. ftatt feßte u. ff. leſe: bob den feinen Bürgerausſchuß auf und brachte den aus dem Stadtrat und den Stabtverordneten beftehenden Bürgerausihuß, an defien Zuſtimmung gemwilfe wichtigere Bejchlüffe des Stadt— rates gebunden find,

S. 461 3. 2 v. ur. ftatt auf 51 leſe: 6LM. und 1887 auf nahezu 70 M.

©. 462 nah 3. 6 v. o. zu ſetzen: Die umlagepflichtigen, nicht reduzirten Steuerfapitalien betragen nach den Voranfchlägen für 1886 und zwar Grund— und Häujerfteuerfapitat 64961 800 M., für 1887 66859390 M., Gemerb-

aaaanaaan

fteuerfapital für 1886 34517000 M., für 1887 34 843500 M., Einfommen- fteuerfapital 1886 18831 975 M., für 1887 19360600 M., Kapitalrenten- fteuerfapital für 1886 163 894 860 M., für 1887 148528 020 M. Der leptere Rüdgang ift entftanden durch die Abänderung des Rentenjteuergejehes.

©. 465 Anm. leſe: In der Stadt gab es von Anfang an Vollbürger, Hinterfaßen und Schugbürger, die Bewohner von Klein-Karlsruhe waren ur- ſprünglich nur Hinterfaßen.

©. 480 3. 13—17 v. o. zu ftreichen und bafür zu lefen: 1846, 52 und 61 Gemwerbeausftellungen durch ben Gewerbeverein, 1825, 57, 69 Tandwirtichaft- liche Ausftellungen, 1861, 15. Aug. bis 15. Sept. Allgemeine bad. Induſtrie— ausftellung in den burch den Großherzog eingeräumten Gewächshäuſern des bot. Gartens, 1877, 1. Aug. bis 30. Sept. Allgemeine Kunft- und Gemerbe- ausftellung für das Großh. Baden in der Feſthalle, 1881, Aug. und Sept. zu Ehren des Jubiläumsfeftes der Großh. Familie Kunft- und Gemerbeausftellung in der Feſthalle, 1886, vom 15. Aug. an in eigens dazu erbauter Halle auf der Schießtwiefe Ausftellung für Handwerkstechnik, Hauswirtſchaft und Molkerei, den 21.—26. Sept. Yandeszuchtviehausftellung, und 1887, ebenfalls durch den Kunftgewerbeverein veranlaßt, Ausſtellung von Kunftichmiedearbeiten in dem Glaspavillon des bot. Gartens.

©. 490 8. 11 v. o. ftatt bad. leſe: mittelrheinische Schüßenfeft.

©. 494 3.2 v. o. ftatt in dem großen Saale leſe: in dem Archiv.

©. 498 8. 19 v. o. ftatt Altienbahn leſe: durch die Mannheimer Dis- fontogejellichaft zuftande.

©. 506 8. 16 v. u. ftatt Bruftbild leſe: Standbild.

©. 507 3. 7 v. u. ftatt zwei lefe: drei Dampfmafcinen.

©. 519 3. 11 v. o. nach verbunden leſe: jept aufgehoben.

©. 529 3. 11 v. u. nach Ehriftofle lefe: jetzt aufgelöst.

©. 539 3. 18 ftatt „Der Bahnhofftadtteil fi. bis benutzt“ iſt zu leſen: Ein eigenes Lofal zum Gottesdienft in dem Bahnhofſtadtteil wurde 1874 duch den Stadtrat in einem zurückſtehenden Haufe der Schügenftraße eingerichtet, welches auch von den Aitfatholifen benußt wurde. Als 1877 vor diefem Haufe da3 neue Schulhaus gebaut und das bisherige gottesdienftliche Lofal zur Turn- halle beftimmt wurde, räumte der Großberzogliche Oberjchulrat den Aulaſaal des neuen Lehrerſeminars in der Rüppurrerftraße der Kirchengemeinde zu gottesdienftlicher Benutzung ein,

©. 553 8. 7 v. u. 1877 zu jtreichen und nach angelegt Zeile 5 v. u. zu fegen: und den 16. Nov. 1874 bei ber erften Beerdigung firchlich eingeweiht.

©. 556 3.3 v. u. Statt 1865 leſe: 24. April 1877.

©. 558 3. 7 v. u. hinter folgte leſe: Mit beiden Seminarien find vielbe- fuchte Seminarvolfsjchulen verbunden.

©. 575 3. 8 v. u. ftatt der oberjten Klaſſe u. 5. w. leſe: in allen Klafien beträgt 60 M., wie in dem NRealgymnafiunt.

Ex

Kostprobe von der Köchin im Zähringer Hof in von 1844

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"ratur sono

13. Wurzel-Suppe.

Für 6 Perfonen nimmt man 2 weife Rüben, 2 gelbe Rüben, 2 Peterfilienwurzeln, 2 Seleriewurzeln, 2 Raus ftengel und 2 Kartoffeln, fchneidet dies alles recht fein und

wäfcht ed, thut "/, Biertel Butter in eine Caſſerole und dämpft es darin bie ed wei ift, füllt es mit Fleiſch⸗ brühe auf und richtet ed über gebähte Brodſchniiten mit

Jus an.

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